Der Apostolische Stuhl 1985 Ansprachen, Predigten und Botschaften des Papstes Erklärungen der Kongregationen Vollständige Dokumentation Libreria Editrice Vaticana • Verlag J.P. Bachem CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ecclesia Cathoüca / Curia Romana: Der Apostolische Stuhl .. .: Ansprachen, Predigten u. Botschaften d. Papstes, Erkl. d. Kongregationen; vollst. Dokumentation / Hrsg.: Sekretariat d. Dt. Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit d. Red. d. dt.-sprachigen L’Osservatore Romano. -[Cittä del Vaticano]: Libreria Editrice Vaticana; Köln: Bachem Erscheint jährl. Forts, von: Wort und Weisung 1982 (1984)- NE: Ecclesia Catholica / Papa:; HST ISBN 3-7616-0864-0 Printed in Germany Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Redaktion des deutschsprachigen L’Osservatore Romano Verlag: J. P. Bachem, Köln, und Libreria Editrice Vaticana Druck: J. P. Bachem, Köln Vorwort Mit der vorliegenden Ausgabe „Der Apostolische Stuhl 1985“ erscheint der vierte Band der im Jahre 1982 neubegründeten Reihe der vollständigen Dokumentation aller Äußerungen von Papst Johannes Paul II. und der Kongregationen. In einem Anhang sind zusätzlich weitere wichtige Dokumente aufgenommen. Die chronologische Abfolge der dokumentierten Texte und der umfangreiche Registerteil ermöglichen das schnelle Auffinden jeder gewünschten Textstelle. Zur Vervollständigung der Reihe „Der Apostolische Stuhl“ können die zurückliegenden Bände der Jahre 1982 bis 1984 noch bezogen werden. V Inhaltsverzeichnis I. Ansprachen bei den Generalaudienzen und beim Angelus Januar Hoffnungen und Ängste Vor dem Angelus am Neujahrstag, 1. Januar 3 „Ist das nur ein Traum?“ Angelus am Neujahrstag, 1. Januar 4 Wir vertrauen auf den Schutz Mariens Generalaudienz am 2. Januar 5 „Doch über dir leuchtet der Herr“ Angelus am Dreikönigsfest, 6. Januar 8 Mitteilung der Heilswahrheit Generalaudienz am 9. Januar 9 „Beten wir für alle Opfer von Hunger und Gewalt!“ Appell während der Generalaudienz am 9. Januar 13 „Das ist mein geliebter Sohn“ Angelus am 13. Januar 14 Betet um das Geschenk der Einheit! Angelus am 13. Januar 16 Katechese braucht neue Methoden Generalaudienz am 16. Januar 17 „Ich reise, um die Brüder zu stärken“ Angelus am 20. Januar 21 Alle, die an Jesus Christus glauben Generalaudienz am 23. Januar 23 Februar „Sie verlangen soziale Gerechtigkeit“ Angelus am 10. Februar 27 „Ich besuchte den Kontinent der Hoffnung“ Generalaudienz am 13. Februar 29 VII „Zeichen seiner Heilsmacht“ Angelus am 17. Februar 35 Wege der Buße und der Umkehr Generalaudienz am 20. Februar 36 „Würdige Früchte der Buße“ Angelus am 24. Februar 39 März Buße — Umkehr des Herzens Angelus am 3. März 41 Katechese nicht bloße Berufsausübung, sondern Berufung und Sendung Generalaudienz am 6. März 44 „Gebet und Werke der Liebe“ Angelus am 10. März 48 Wichtigstes Wort der Bibel: „Credo“ Generalaudienz am 13. März 49 Die Hand nicht geschlossen halten! Angelus am 17. März 53 Endlich Verhandlungen! Nach dem Angelus am 17. März 54 Gott suchen und ihn finden Generalaudienz am 20. März 55 Unbedingtes Ja der Magd des Herrn Angelus am 24. März 60 Was heißt „ich glaube“? Generalaudienz am 27. März 60 „Seht Maria, eure Mutter“ Angelus am 31. März 64 April Gehorsam der Vernunft und des Willens Generalaudienz am 3. April 65 Gnade ist Voraussetzung des Glaubens Generalaudienz am 10. April 69 VIII Der Tag, den der Herr gemacht hat Angelus am 14. April 73 Einander die Wahrheit mitteilen Generalaudienz am 17. April . 74 Was wir gesehen haben, das verkünden wir Angelus am 21. April 78 Die geoffenbarte Wahrheit annehmen! Generalaudienz am 24. April 79 „Auch andere hätten es verdient“ Generalaudienz am 24. April 83 Der Gute Hirt - Vorbild der geistlichen Berufe Angelus am 28. April 84 Mai Die rechte Weise der Auslegung Generalaudienz am 1. Mai 86 „Die Kirche ist mit den Problemen der Arbeitnehmer solidarisch“ Grußwort an die Arbeitnehmer bei der Generalaudienz am 1. Mai . 89 Würde der menschlichen Arbeit Grußwort an die deutschsprachigen Gruppen bei der Generalaudienz am 1. Mai 90 Christus als Weinstock Angelus am 5. Mai 91 Glauben in christlichem Sinn Generalaudienz am 8. Mai 92 Ursprung der vier Evangelien Generalaudienz am 22. Mai . 95 „Komm, o Geist der Wahrheit!“ Angelus am 26. Mai 99 Das Vaterunser hat uns begleitet Generalaudienz am 29. Mai 101 Juni Unaussprechliches Geheimnis des Glaubens Angelus am 2. Juni 107 IX Gott „Schulter an Schulter dienen“ Generalaudienz am 5. Juni 108 Herz Jesu - heiliger Tempel Gottes Angelus am 9. Juni 113 Kirche kommt uns zu Hilfe Generalaudienz am 12. Juni 114 Auf den Spuren Papst Pius’ X. Angelus in Treviso am 16. Juni 119 Schriftlesung und Gebet Generalaudienz am 19. Juni 120 Liebe, die nie verlischt Angelus am 23. Juni 124 Alle streben zur einen Kirche Generalaudienz am 26. Juni 125 Immer neue Zerstörungen Gebet für den Libanon bei der Generalaudienz am 26. Juni 129 Er wird „alles in allem sein“ Angelus vor dem Heiligtum San Gabriele dell’Addolorata auf der Isola di Gran Sasso in den Abruzzen am 30. Juni 130 Juli Von Gott sprechen - eine Entdeckungsreise Generalaudienz am 3. Juli 131 „Im Geist bei den Feiern anwesend“ Angelus am 7. Juli 135 Hinweise auf die Existenz Gottes Generalaudienz am 10. Juli 138 Weg zur Wahrheit und zum Leben Angelus am 14. Juli 142 Von Gott an der Hand geführt Generalaudienz am 17. Juli 143 Herz Jesu - im Heilsplan Gottes lebendig Angelus am 21. Juli 148 „Ich glaube an Gott, den Vater“ Generalaudienz am 24. Juli 150 X Von seinen Tugenden lernen Angelus am 28. Juli 153 Aus dem Dornbusch gesprochen Generalaudienz am 31. Juli 155 Gewalttaten gegen Priester beklagt Generalaudienz am 31. Juli 159 Helsinki - noch ist Hoffnung lebendig Generalaudienz am 31. Juli 159 August Gottesdienst für Hiroshima Angelus am 4. August 160 Gott - absolute Fülle des Seins Generalaudienz am 7. August 163 Gegen jede Art von Rassendiskriminierung Generalaudienz am 7. August 167 Die Berufung zur Heiligkeit Generalaudienz am 21. August 168 Kaltblütige Gewalt gegen wehrlose Bevölkerung Erneuter Libanonappell bei der Generalaudienz am 21. August ... 174 „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ Angelus am 25. August 175 Gott - ein unerforschliches Geheimnis Generalaudienz am 28. August 176 September Die Schätze der Weisheit Angelus am 1. September 180 Gott selbst ist die Ewigkeit Generalaudienz am 4. September 182 „Rettet den ungeborenen Menschen!“ Angelus am 8. September 187 Gott, unendlich vollkommener Geist Generalaudienz am 11. September 188 XI Unter dem Kreuz stand die Mutter Angelus am 15. September 192 Gottes Allwissenheit und Allgegenwart Generalaudienz am 18. September 194 Vertrauen auf Unsere Liebe Frau von Guadalupe Nach dem Angelus am 22. September 198 Der Gott des Bundes Generalaudienz am 25. September 198 Zwanzig Jahre nach dem Konzil Angelus am 29. September 203 Oktober Ein mächtiger und barmherziger Gott Generalaudienz am 2. Oktober 205 Das Rosenkranzgebet der Synode widmen Angelus am 6. Oktober 210 „Welches Gebot ist das erste?“ Generalaudienz am 9. Oktober 211 „Heimweh nach der Einheit“ Angelus am 13. Oktober 216 Gott ist „mein Vater“ Generalaudienz am 16. Oktober 219 Bei der Madonna vom „günstigen Wind“ Angelus in Cagliari am 20. Oktober 222 „Ein Gott und Vater aller“ Generalaudienz am 23. Oktober 225 Konzilstexte weisen den Weg Angelus am 27. Oktober 229 Die Wahrheit seiner Gottessohnschaft Generalaudienz am 30. Oktober 231 November Die endgültige Heimat im Blick Angelus am 1. November 235 XII Ein unerschrockenes Zeugnis dargebracht Angelus am 3. November 237 Gott ist ewig und ohne Anfang Generalaudienz am 6. November 238 Solidarisch mit der Menschheit Angelus am 10. November 242 „Ewiger Akt der Erkenntnis und Liebe“ Generalaudienz am 13. November 244 Aufgaben für die jungen Menschen Angelus am 17. November 248 Die Gabe des Heiligen Geistes Generalaudienz am 20. November 250 „Begleitet die Synode mit eurem Gebet“ Angelus am 24. November 253 Ein lebendiger und persönlicher Gott Generalaudienz am 27. November 255 Dezember „Wir haben ein heiliges Erbe erhalten“ Angelus am 1. Dezember 259 Nicht drei Götter - ein einziger Gott Generalaudienz am 4. Dezember 261 „Anfang einer besseren Welt“ Angelus am 8. Dezember 264 „Er war, er ist und er kommt“ Generalaudienz am 11. Dezember 266 Unsere Bitten vor Gott bringen Angelus am 15. Dezember 269 Gott ist in sich heilig Generalaudienz am 18. Dezember 271 „Seid Apostel seiner Liebe!“ Angelus am 22. Dezember 274 Möge die Kraft der Liebe siegen! Angelus am 29. Dezember 276 XIII II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen 1. Sechste Pastoraireise nach Lateinamerika (26. Januar bis 6. Februar) Femsehbotschaft an das venezolanische Volk 21. Januar 282 Fernsehbotschaft an das ekuadorianische Volk 25. Januar 283 Fernsehbotschaft an das peruanische Volk 26. Januar 284 Samstag, 26. Januar Ansprache an die Bischöfe Venezuelas in Caracas 286 Sonntag, 27. Januar Predigt bei der Messe für die Familien in Caracas 294 Predigt in Maracaibo (Venezuela) 300 Montag, 28. Januar Predigt in Merida (Venezuela) 307 Ansprache an die Priester, Ordensleute, Seminaristen und Novizen in Caracas (Venezuela) 313 Ansprache an die Vertreter der Laienorganisationen von Venezuela in der Kathedrale in Caracas 319 Ansprache an die Jugend im Olympiastadion in Caracas 325 Dienstag, 29. Januar Predigt bei der Messe mit den Arbeitern in Ciudad Guayana (Venezuela) 331 Ansprache an die Bischöfe, Priester, Ordensleute und Seminaristen in der Kathedrale von Quito (Ekuador) 337 Mittwoch, 30. Januar Rundfunkbotschaft beim Besuch der katholischen Radiostation in Quito (Ekuador) 343 Ansprache an die Jugend im Olympiastadion in Quito (Ekuador) . . 346 XIV Predigt bei der Messe anläßlich der 450-Jahr-Feier der Evangelisierung Ekuadors in Quito 352 Ansprache an die Repräsentanten der Welt der Kultur in Quito (Ekuador) 358 Ansprache an die Ordensfrauen Ekuadors in Quito 365 Ansprache an die Arbeiter in Quito (Ekuador) 369 Donnerstag, 31. Januar Ansprache an die Indios in Latacunga (Ekuador) 375 Predigt in Cuenca (Ekuador) 382 Freitag, 1. Februar Predigt bei der Seligsprechung der ekuadorianischen Ordensgründerin M. Mercedes Molina de Jesus in Guayaquil 388 Ansprache an die Bewohner des Elendsviertels „El Guasmo“ von Guayaquil (Ekuador) 393 Ansprache an die Priester, Ordensleute und Vertreter des Apostolats in Lima (Peru) 397 Samstag, 2. Februar Ansprache anan die Peruanische Bischofskonferenz in Lima 404 Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend im Hippodrom von Lima 410 Predigt bei der Seligsprechung der peruanischen Ordensfrau Ana de Los Angeles Monteagudo in Arequipa (Peru) 418 Sonntag, 3. Februar Predigt bei der Messe und Priesterweihe in Lima 424 Ansprache an die Campesinos in Cuzco 430 Ansprache in Ayacucho (Peru) 437 Montag, 4. Februar Ansprache bei der Begegnung mit den Kranken und Alten in Callao 445 Ansprache an die Bevölkerung von Piura (Peru) 449 Predigt bei der Messe für die Arbeiter in Trujillo (Peru) 458 XV Dienstag, 5. Februar Ansprache an die Zugewanderten in den Randsiedlungen in Lima . . 464 Ansprache bei der Begegnung mit den Eingeborenen in Iquitos (Peru) 469 Predigt in Port of Spain (Trinidad und Tobago) 477 2. Pastoralbesuch in den Niederlanden (11. bis 15. Mai) Femsehansprache an die Katholiken der Niederlande am 9. April 484 Samstag, 11. Mai Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Eindhoven 486 Ansprache beim Wortgottesdienst in der St.-Johannes-Kathedrale in ’s-Hertogenbosch 488 Ansprache an die Vertreter der katholischen Schulen in ’s-Hertogenbosch 493 Sonntag, 12. Mai Predigt während der Laudes mit den Ordensleuten in der Kathedrale in Utrecht 499 Vor dem Regina Caeli in Utrecht 503 Ansprache an die Vertreter der gesellschaftlichen Organisationen in Utrecht 504 Ansprache bei der Begegnungg mit den Missionaren und Hilfseinrichtungen für die Dritte Welt in Utrecht 508 Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern der Pfarr- gemeinde in Utrecht 513 Predigt bei der Messe in der Irenehalle in Utrecht 520 Montag, 13. Mai Predigt bei der Messe mit den Kranken und und Behinderten in Den Haag 525 Ansprache bei der Begegnung mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Rudolphus F. M. Lubbers in Den Haag 530 Ansprache vor dem Internationalen Gerichtshof im Friedenspalast inDenHaag 532 XVI Ansprache bei der ökumenischen Begegnung in Utrecht 541 Wort im Verlauf des ökumenischen Gebetstreffens in der Peterskirche in Utrecht 549 Dienstag, 14. Mai Predigt bei der Messe in Maastricht 550 Ansprache an die Jugend in Amersfoort 555 Ansprache an die Mitglieder der Niederländischen Bischofskonferenz in Amersfoort 562 Mittwoch, 15. Mai Ansprache vor dem Abflug von Amsterdam 569 3. Pastoralbesuch in Luxeurg (15. bis 16. Mai) Fernsehbotschaft an die Luxemburger ausgestrahlt am Ostersonntag, 7. April 572 Mittwoch, 15. Mai Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Luxemburg 573 Ansprache vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft in Luxemburg 575 Ansprache in der Kathedrale von Luxemburg an Kranke, Behinderte und alte Menschen 581 Predigt bei der Messe für Arbeiter und Emigranten in Esch-sur-Alzette 586 Donnerstag, 16. Mai Predigt bei der Messe auf der Place du Glacis in Luxemburg am Fest Christi Himmelfahrt . 593 Gebet nach der Messe in Luxemburg am Fest Christi Himmelfahrt . 600 Ansprache bei der Begegnung mit den Priestern, Ordensleuten, Diözesanräten und katholischen Organisationen 602 Ansprache an die Jugend im Hof der Abtei von Echternach 609 Vor dem Regina Caeli in Luxemburg am Himmelfahrtstag 617 Ansprache bei der Abschiedszeremonie auf dem Luxemburger Flugplatz 618 XVII 4. Pastoralbesuch in Belgien (16. bis 21. Mai) Femsehansprache an die Gläubigen in Belgien ausgestrahlt am Ostersonntag, 7. April 622 Donnerstag, 16. Mai Ansprache bei der Ankunft in Brüssel 625 Ansprache an die Bevölkerung von Brüssel 628 Botschaft an die Insassen der Strafanstalten in Belgien 631 Freitag, 17. Mai Predigt beim Wortgottesdienst mit den Laien im kirchlichen Dienst in der Kathedrale von Antwerpen 634 Ansprache bei der Friedensfeier in Ypern 643 Predigt bei der Messe in Sint-Denijs-Westrem 650 Samstag, 18. Mai Ansprache bei der ökumenischen Feier in der Kathedrale in Mecheln 658 Ansprache an die Belgische Bischofskonferenz in Mecheln 663 Predigt bei der Messe in Beauraing 674 Ansprache an die belgische Jugend in Namur 681 Sonntag, 19. Mai Predigt bei der Eucharistiefeier in Koekelberg (Brüssel) 690 Vor dem Regina Caeli in Koekelberg (Brüssel) 698 Ansprache an die katholischen Arbeitsorganisationen am Grab von Kardinal Cardijn in der Kirche von Laeken 699 Ansprache an die katholischen Laienbewegungen in Lüttich 707 Montag, 20. Mai Predigt bei der Messe für die Künstler in Brüssel 719 Ansprache an die Repräsentanten der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel 727 Ansprache an die Universitätsgemeinschaft von Löwen 737 XVIII Dienstag, 21. Mai Ansprache an die akademische Gemeinschaft der Katholischen Universität von Louvain-la-Neuve 744 Predigt bei der Messe für die Kranken in Banneux 751 Ansprache beim Abschied von Belgien vor dem Abflug vom Flughafen Bierset 759 5. Pastoraireise in die italienische Region Venetien (15. bis 17. Juni) Samstag, 15. Juni Predigt beim Wortgottesdienst auf der Piazza Giovanni Paolo I in Vittorio Veneto 764 Predigt bei der Eucharistiefeier im Park der Villa Eger in Riese .... 770 Sonntag, 16. Juni Predigt bei der Eucharistiefeier auf dem Sportplatz bei S. Maria Ausiliatrice in Treviso 775 Predigt bei der Fronleichnamsmesse auf dem Markusplatz in Venedig 781 3. Pastoraireise nach Afrika (8. bis 20. August) Donnerstag, 8. August Homilie während der Messe in Lome (Togo) 788 Freitag, 9. August Predigt bei der Messe in Kara (Togo) 797 Ansprache an Jugendliche und Behinderte im Marienheiligtum in Togoville (Togo) 805 Samstag, 10. August Predigt bei der Messe und Einweihung der Kathedrale von Abidjan (Elfenbeinküste) 810 Ansprache bei der Begegnung mit Priester, Ordensleuten, Seminaristen und kirchlich engagierten Laien in Yaounde (Kamerun) .... 816 XIX Sonntag, 11. August Ansprache bei der Messe mit Priesterweihe in Yaounde (Kamerun) 826 Angelus in Yaounde (Kamerun) 832 Predigt bei der Messe und Sakramentenspendung in Garoua (Kamerun) 833 Montag, 12. August Ansprache bei der Messe für die Familien in Bamenda (Kamerun) . 841 Ansprache bei dem ökumenischen Treffen in Yaounde (Kamerun) . 848 Ansprache bei der Begegnung mit den Muslimen in Yaounde 850 Ansprache an den Präsidenten, die Amtsträger und das Diplomatische Korps in Y aounde (Kamerun) 852, Dienstag, 13. August Predigt bei der heiligen Messe in Douala (Kamerun) 861 Ansprache beim Treffen mit Akademikern und Studenten in Yaounde (Kamerun) 869 Ansprache an die Bischofskonferenz von Kamerun in Yaounde .... 879 Mittwoch, 14. August Predigt bei der Messe in Bangui (Zentralafrikanische Republik) ... 885 Donnerstag, 15. August Predigt bei der feierlichen Messe und Seligsprechung von Schwester Anwarite Nengapeta in Kinshasa (Zaire) 895 Wort vor dem Angelus in Kinshasa (Zaire) 900 Predigt beim Wortgottesdienst mit dem Klerus, den Ordensleuten und den engagierten Laien in der Kathedrale Notre-Dame in Kinshasa (Zaire) 902 Ansprache bei der Begegnung mit dem Staatsoberhaupt, den Amtsträgern und dem Diplomatischen Korps in Kinshasa (Zaire) 908 Ansprache an die Zairische Bischofskonferenz in Kinshasa (Zaire) . 914 Samstag, 17. August Ansprache bei der Jugendmesse in Nairobi 920 XX Sonntag, 18. August Predigt bei der „Statio Orbis“ in Nairobi 927 Ansprache vor dem Angelus am Ende der Messe in Nairobi (Kenia) 933 Ansprache an der Katholischen Universität von Ostafrika in Nairobi (Kenia) 935 Ansprache beim Besuch des UNO-Umweltprogramms (UNEP) in Nairobi (Kenia) 941 Ansprache beim ökumenischen Treffen in Nairobi 949 Ansprache beim Treffen mit Hindus und Muslimen in Nairobi 951 Montag, 19. August Predigt bei der Messe im Institut „Charles de Foucauld“ in Casa-blanka (Marokko) 953 Dienstag, 20. August Ansprache bei der Begegnung mit der muslimischen Jugend im Sportstadion in Casablanka 958 7. Pastoraireise in das Fürstentum Liechtenstein (8. September) Sonntag, 8. September Grußwort bei der Ankunft in Liechtenstein 970 Predigt bei der heiligen Messe in Liechtenstein am Fest Mariä Geburt 973 Predigt beim Wortgottesdienst in der St.-Florin-Kirche 979 Ansprache bei der Begegnung mit den zivilen Autoritäten auf Schloß Vaduz 984 Ansprache an die Jugend vor der Dux-Kapelle Maria zum Trost . . . 988 Weihegebet zur Muttergottes 994 Wort beim Abschied von Liechtenstein 996 8. Pastoraireise nach Genua (21. bis 22. September) Samstag, 21. September Ansprache an die Arbeiter in Genua 1000 XXI Sonntag, 22. September Ansprache an die Jugend im Sportpalast in Genua 1004 Predigt bei der Seligsprechung von Sr. Virginia Centurione Braccelli in Genua 1009 9. Pastoraireise nach Sardinien (18. bis 20. Oktober) Freitag, 18. Oktober Ansprache an die Bergarbeiter von Monteponi bei Iglesias 1016 Predigt bei der Eucharistiefeier in Oristano 1022 Samstag, 19. Oktober Predigt bei der Eucharistiefeier im Torres-Stadion von Sassari .... 1026 Sonntag, 20. Oktober Predigt bei der Meßfeier im Heiligtum U. Lb. Frau von Bonaria bei Cagliari 1031 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben Januar Frieden und Jugend, zusammen unterwegs Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1039 „Jahr der Jugend“ hat begonnen Predigt bei der Messe in St. Peter zum 18. Weltfriedenstag am 1.Januar 1049 „Diener des Offenbarwerdens Gottes“ Predigt bei der feierlichen Messe und Bischofsweihe in St. Peter am Fest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 1053 Zeugnis von dem einen Glauben Ansprache bei der Audienz für finnische Bischöfe am 7. Januar .... 1056 Wer würde das Sehnen nach Frieden nicht teilen? Ansprache an das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 12. Januar 1057 XXII „Gleichsam heilbringendes Wasser“ Predigt bei der Messe und Taufe in der Sixtinischen Kapelle am Sonntag, 13. Januar 1070 „Die Kirche achtet alle Kulturen“ Ansprache an die Vollversammlung des Internationalen Rates des Päpstlichen Rates für die Kultur am 15. Januar 1072 „Verantwortlich sein“ für die Hoffnung Botschaft an die Patriarchen und Verantwortlichen des Nahen Ostens vom 23. Januar 1076 Die Kirche auf dem Weg ins dritte Jahrtausend begleiten Einberufung einer außerordentlichen Versammlung der Bischofssynode für den 25. November 1985 - Ankündigung in St. Paul vor den Mauern am 25. Januar 1077 „Einheit - keine Einförmigkeit!“ Predigt beim Gottesdienst zum Abschluß der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen in St. Paul vor den Mauern am 25. Januar . 1079 In Sorge um den Libanon Schreiben an den maronitischen Patriarchen von Antiochia, Kardinal Antoine-Pierre Khoraiche, vom 25. Januar 1084 Februar Hochherziges Geben ist „praktisches Fasten“ Botschaft zur Fastenzeit 1985 1087 Wenn der Verstand austrocknet Ansprache an die Teilnehmer des italienischen Nationalkongresses der Kirchlichen Bewegung für kulturelles Engagement (MEIC) am 9. Februar 1088 „Dolentium hominum“ Motu proprio zur Errichtung der Päpstlichen Kommission für das Krankenapostolat vom 11. Februar 1093 „Durch das Kreuz zum Licht“ Predigt bei der Messe für die Kranken in St. Peter am Fest Unserer Lieben Frau von Lourdes am 11. Februar 1098 „Väter des slawischen Glaubens“ Predigt bei der Eucharistiefeier in der römischen Basilika San Clemente am Fest der hll. Kyrill und Method am 14. Februar 1101 XXIII Jeder Mensch „Ebenbild Gottes“ Ansprache an die Leiter des Amerikanischen Jüdischen Komitees am 15. Februar 1106 Das Siegel - ein Mikrokosmos der Kultur Ansprache bei der Eröffnung der Siegelausstellung im Vatikanischen Geheimarchiv am 19. Februar 1109 Fastenzeit als „Zeit des Heils“ Predigt beim Aschermittwochsgottesdienst in der römischen Basilika Santa Sabina am 20. Februar 1111 „Bauen wir gemeinsam die Kirche auf!“ Ansprache bei der Begegnung mit dem römischen Klerus am 21. Februar 1114 „Einheit in der Verschiedenheit“ Ansprache an die Teilnehmer des Symposions der Päpstlichen Universität Urbaniana am 22. Februar 1119 „Mitternacht“ ist immer nahe Predigt bei der Totenmesse für den Pro-Präfekten der Kongregation für die Glaubensverbreitung, Erzbischof Dermont J. Ryan, in St. Peter am 23. Februar 1123 März „Nicht gegen, nur für die Wahrheit“ Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für die sozialen Kommunikationsmittel am 7. März . . . 1127 Telegramm zum Terroranschlag in Beirut 8. März 1130 Telegramm zum Tod von Tschernenko 11. März 1130 „Kraftvoll gegenüber seinen Widersachern“ Brief an den gesamten Klerus der Tschechoslowakei anläßlich der Feierlichkeiten zum 1100. Todestag des hl. Method vom 19. März .1131 Verborgene Heilige aufspüren Ansprache an die Mitglieder des Rates der Weltunion der Katholischen Presse (UCIP) am 21. März 1140 „Seid dialogbereite Menschen“ Ansprache an die Vollversammlung des Sekretariats für die Nichtglaubenden am 22. März ; 1142 XXIV Die Familie „erste Schule der Arbeit“ Predigt bei der Eucharistiefeier in Avezzano am 24. März 1146 Arbeit: Grundrecht und Grundpflicht Fernsehbotschaft an die Arbeiter in aller Welt, ausgestrahlt von der Erdfunkstation Telespazio (Piana delFucino) am 24. März 1152 Die ganze Welt erfassen Ansprache beim Besuch der Satelliten-Erdfunkstelle Telespazio (Piana del Fucino) am 24. März 1161 Zuneigung und Dankbarkeit Schreiben an Kardinal Paolo Bertoli vom 25. März 1162 Ein freies Vaterland aufbauen! Ansprache an eine Gruppe von Parlamentariern aus dem Libanon am 29. März 1164 „Ihr müßt Werkleute des Friedens sein“ Ansprache an die Jugend aus aller Welt auf dem Platz vor der Lateranbasilika am 30. März 1167 Schreiben an alle Bischöfe der katholischen Kirche 31. März 1173 Schreiben an alle Priester der Kirche zum Gründonnerstag 1985 31. März 1175 Apostolisches Schreiben an die Jugendlichen in der Welt zum Internationalen Jahr der Jugend 31. März 1185 Ebenbild Gottes und Geschöpf zugleich Predigt bei der Messe mit der Jugend anläßlich des internationalen Jugendtreffens am Palmsonntag, 31. März 1225 April Geburtstag unseres Priestertums Predigt bei der Messe und Ölweihe am Gründonnerstag in Sankt Peter, 4. April 1230 Denken und Handeln wie Christus Predigt bei der Abendmahlsmesse in der Lateranbasilika am Gründonnerstag, 4. April 1232 Die sieben Worte Jesu am Kreuz Ansprache beim Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag, 5. April . 1235 XXV Versöhnung und Auferstehung Brief an den maronitischen Patriarchen von Antiochien, Kardinal Khoraiche, vom 5. April 1237 Offenbarung der göttlichen Macht Predigt bei der Feier der Osternacht in St. Peter am 6. April 1239 Erst die Herzen, dann die Strukturen ändern Osterbotschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi“ am Ostersonntag, 7. April 1241 Dienen im Geist der Ehrfurcht Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Ministrantentreffens auf dem Petersplatz am 10. April 1245 Band des Friedens, der Liebe und der Einheit Ansprache an die Teilnehmer des Italienischen Kirchentags in Loreto am 11. April 1248 „Strategie des Kreuzes und Opfers“ Ansprache an die Teilnehmer der Pilgerfahrt der Vereinigung des Katholischen Apostolats am 12. April 1262 Fest auf Gottes Wort gegründet Ansprache an den Weltkongreß des Gebetsapostolats am 13. April . 1266 „Kostbare Kraft der Hoffnung“ Ansprache bei der Audienz für die italienische Vereinigung für multiple Sklerose am 13. April 1270 Wo Gott in den Seelen wirkt Predigt bei der feierlichen Seligsprechung der Ordensgründerinnen Pauline von Mallinckrodt und Maria Caterina Troiani auf dem Petersplatz am 14. April 1273 Die Fülle des Lebens gefunden Ansprache bei der Audienz für deutsche Pilger am 15. April ...... 1278 Göttlich inspirierte Bücher Ansprache an die Päpstliche Bibelkommission am 18. April 1280 Jüdisch-christliche Beziehungen - Verpflichtung für beide Religionen Ansprache an die Teilnehmer des Symposions zum 20. Jahrestag der Konzilserklärung „Nostra aetate“ am 19. April 1283 Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe Gebetsaufruf für das armenische Volk bei der Generalaudienz am 24. April 1286 XXVI „Den Menschen versteht nur, wer Gott kennt“ Ansprache an die Teilnehmer des Symposions „Christlicher Glaube und Evolutionstheorie“ am 26. April 1286 Zusammenarbeit und gemeinsames Zeugnis Ansprache an die Beauftragten der Ökumene-Kommissionen der Bischofskonferenzen am 27. April 1289 „Ermutigt junge Menschen, Christi Ruf zu folgen!“ Botschaft zum Weltgebetstag für geistliche Berufe am Sonntag, 28. April 1293 Mai „Wolle Gott, daß das der Weg ist“ Ansprache beim Austausch der Ratifizierungsurkunden des Friedens- und Freundschaftsvertrages zwischen Argentinien und Chile im Vatikan am 2. Mai 1297 Ein „Ringen um das richtige Menschenbild“ Ansprache an eine Gruppe von Bezirkshauptleuten des Landes Niederösterreich sowie an Vertreter der Tiroler Malerinnung am 3. Mai 1301 „Keine Berufung darf verlorengehen“ Ansprache an den Leitungsrat der Päpstlichen Missionswerke am 3. Mai 1303 Drogenproblem international behandeln! Ansprache bei der Audienz für Frau Nancy Reagan am 4. Mai .... 1307 Kontemplation — Förderin der Kultur Ansprache an das Generalkapitel der Unbeschuhten Karmeliten am 4. Mai 1308 Anvertraut zu gegenseitigem Schutz Predigt bei der Messe mit den Schweizer Gardisten am 6. Mai 1311 In der Freiheit des Gehorsams Ansprache an die Stutenden der Päpstlichen Diplomatenakademie am 6. Mai 1313 Die Grundlagen der Erneuerung schaffen! Schreiben an UN-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar vom 7. Mai 1316 XXVII In der Kirche, mit der Kirche und für die Kirche Botschaft an die Internationale Vereinigung der Generaloberinnen anläßlich ihrer Vollversammlung in Rom vom 13. bis 16. Mai vom 7. Mai 1318 „Christlichen Radikalismus“ leben! Ansprache bei einer Begegnung europäischer Ordensleute zur Förderung geistlicher Berufe am 10. Mai 1322 Mit Medien Schranken überwinden! Botschaft zum 19. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel über das Thema „Soziale Kommunikation für eine christliche Förderung der Jugend“ am Sonntag, 19. Mai 1324 Die Heilstat Christi in die Welt tragen Ansprache beim geheimen Konsistorium im Konsistoriensaal des Apostolischen Palastes, am 25. Mai 1331 Treu, bis zum Vergießen des Blutes Ansprache beim öffentlichen Konsistorium auf dem Petersplatz am Pfingstsamstag, 25. Mai 1335 Von „einem einzigen Geist“ beseelt Predigt bei der Konzelebration mit den neuernannten Kardinälen auf dem Petersplatz am Pfingstsonntag, 26. Mai 1339 Für die Freiheit der Kirche gekämpft Predigt bei der Messe anläßlich des 900. Todestages des hl. Papstes Gregor VII. in Salerno am Pfingstsonntag, 26. Mai 1344 Die Heilsnachricht auf die Straßen der Welt tragen! Botschaft zum Weltmissionssonntag 1985 vom 26. Mai 1349 Dichtung als Kontemplation Ansprache bei der Eröffnung der Ausstellung „Dante im Vatikan“ am 30. Mai 1355 Katechese von grundlegender Bedeutung Ansprache an die Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz am 30. Mai 1357 Juni „Petrus landete in Ostia“ Ansprache an die Verkehrsminister der europäischen Länder am 1. Juni 1362 XXVIII Rundschreiben „Slavorum Apostoli“ an die Bischöfe, die Priester, die Ordensgemeinschaften und alle Gläubigen in Erinnerung an das Werk der Evangelisierung der Heiligen Cyrill und Methodius vor 1100 Jahren vom 2. Juni 1365 In besonderer Weise „Erben Gottes“ Predigt bei der feierlichen Messe und Priesterweihe in der Petersbasilika am Dreifaltigkeitssonntag, 2. Juni 1394 Instrument der Zusammenarbeit Ansprache bei der Audienz für den italienischen Ministerpräsidenten Bettino Craxi anläßlich des Austausches der Ratifikationsurkunden des neuen Konkordats zwischen dem Hl. Stuhl und Italien im Vatikan am 3. Juni 1396 Ein Bund, der alle einschließt Predigt beim feierlichen Gottesdienst vor der Lateranbasilika am Fronleichnamsfest, 6. Juni 1401 Eltern müssen das Vorbild liefern Ansprache an die Teilnehmer der internationalen Tagung über Vorbeugung und Behandlung des Alkoholismus am 7. Juni 1404 Immer noch Hoffnung auf Frieden Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des neuen libanesischen Botschafters beim Hl. Stuhl, Gazi Chidiac, am 8. Juni 1406 Allein der Geist der Wahrheit Predigt beim Gottesdienst mit Spendung des Firmsakramentes an 348 Jugendliche aus aller Welt in St. Peter am 9. Juni 1408 Einem hohen Ideal verpflichtet Ansprache an eine Gruppe von ÖVP-Abgeordneten des Landes Niederösterreich anläßlich der Pilgerfahrt zur 500-Jahr-Feier des hl. Leopold am 10. Juni 1412 „Tut das Unmögliche“ Ansprache an die Vollversammlung des Instituts der Töchter der Liebe des hl. Vinzenz von Paul am 20. Juni 1413 Wissenschaft kein Ersatz für Glaube und Ethos Ansprache an die Teilnehmer der „Marcel-Grossman-Tagung über Relativistische Astrophysik“ am 21. Juni 1417 Bringt der Welt Frieden und Freude des hl. Franz Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels der Franziskaner am 22. Juni 1420 XXIX Dem Notleidenden ein „barmherziger Bruder“ Predigt bei der Seligsprechung der Diener Gottes Benedetto Menni und Peter Friedhofen im Petersdom am 23. Juni 1425 Petrusamt - Dienst an der Einheit Predigt beim Gottesdienst für die Römische Kurie und die Angestellten des Vatikans in St. Peter am 28. Juni 1429 „Modelle“ für ein christliches Europa Ernennungsschreiben an Kardinalstaatssekretär Casaroli vom 28. Juni 1441 Die „Schule“ der beiden Heiligen Schreiben an Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli vom 28. Juni 1444 Das Fundament der Kirche erbaut Predigt beim feierlichen Gottesdienst am Fest der Apostel Petrus und Paulus im Petersdom am 29. Juni 1446 In der Liebe näherkommen Ansprache an die Delegation des ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel am 29. Juni 1451 Der Neue und Ewige Bund Predigt bei der hl. Messe zum Abschluß des Eucharistischen Diöze-san-Kongresses in Teramo am 30. Juni 1453 Juli Kritisches Methodenbewußtsein notwendig Ansprache an die Teilnehmer des im Vatikan abgehaltenen Kongresses „Die Grenzen der Kosmologie“ am 6. Juli 1458 „Mögen sie leben können in der Wahrheit und in der Liebe“ Predigt bei der hl. Messe für die in Rom lebenden tschechischen und slowakischen Gläubigen in der Cappella Paolina am 7. Juli 1461 Christliche Perspektiven Schreiben an den Generaldirektor der UNESCO, Herrn Amadou Mathar M’Bow, anläßlich des Weltjugendkongresses in Barcelona (8.-15. Juli) 1465 Gott ist mit uns. Rundfunkbotschaft an die Teilnehmer des 11. Nationalen Eucharistischen Kongresses Brasiliens in Aparecida vom 16.—21. Juli 1469 Die Kultur des anderen achten Botschaft zum Welttag des Emigranten vom 16. Juli 1471 XXX „Ein neuer Anstoß der Gnade“ Schreiben an Bischof James R. Crumley, Vorsitzender der Lutherischen Kirche in Amerika vom 22. Juli 1476 August „Glauben, Wissenschaft und Werke“ Schreiben an Kardinal Augustin Mayer zum 50jährigen Priesterjubiläum vom 1. August 1480 Ein unerschrockener Zeuge Einführungsworte des Papstes zum Gedächtnisgottesdienst für Paul VI. in Castel Gandolfo am 6. August 1483 Liturgische Musik muß echte Kunst sein Schreiben an den Direktor der Capelia Sistina, Msgr. Domenico Bartolucci, zum Europäischen Jahr der Musik vom 6. August 1484 September Notwendige Besinnung nach 40 Jahren Wort zur Eröffnung der Fotoausstellung „Hiroshima-Nagasaki“ im Vatikan am 11. September 1487 „Seid Lehrer einer neuen Lebensauffassung“ Ansprache an die Priester von „Communio e liberazione“ am 12. September . 1488 Glaube, der zu hören weiß Ansprache an die Teilnehmer der Europameisterschaften für Blinde in Castel Candolfo am 14. September 1491 Demütig und kompromißlos Zeugnis geben Predigt bei der Bischofsweihe von Msgr. Justin Rigali im Dom von Albano am 14. September 1494 „Bewahrt den Geist eures Gründers!“ Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer der Jubiläumswallfahrt der Internationalen Schönstatt-Bewegung am 20. September . 1498 Zwei Drittel der Menschheit im Elend Brief an die Tagung der Konferenz der Vereinten Nationen über Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf vom 26. September . 1501. Die Spaltungen überwinden! Ansprache bei der Audienz für eine Gruppe lutherischer Bischöfe aus den Vereinigten Staaten am 27. September 1503 XXXI Die Botschaft den jungen Menschen bringen Ansprache an das 25. Generalkapitel der Maristen am 27. September 1505 Glückwunsch für Hans Urs von Balthasar Ansprache an die Teilnehmer des II. Internationalen Kolloquiums über Adrienne von Speyr am 28. September 1508 Dankbarkeit für ihr Zeugnis Predigt bei der Gedächtnismesse für seine Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul I. in St. Peter am 28. September 1509 Erbe von unschätzbarem Wert Predigt des Papstes bei der Festmesse mit europäischen Chorgemeinschaften in Sankt Peter am 29. September 1512 „Damit es jeder Mund bekennt . . .“ Ansprache an die Leiter des Weltbundes des Katholischen Bibelapostolats und des Weltbibelvereins am 30. September 1517 Oktober Kommunikation ein Akt der Liebe Ansprache an die Teilnehmer des 21. Verwaltungssymposions der Europäischen Rundfunkunion am 3. Oktober 1519 Gesellschaft braucht „Freiwillige“ Ansprache an den italienischen Staatspräsidenten Francisco Cossiga bei dessen offiziellem Besuch im Vatikan am 4. Oktober 1521 Keine vergleichbaren Körperschaften Ansprache an die Gemischte Arbeitsgruppe der katholischen Kirche und des Weltrats der Kirchen am 5. Oktober 1526 Dank für „wertvolle Zusammenarbeit“ Ansprache an die internationale Theologenkommission am 5. Oktober 1529 Den Glauben mutig verteidigt Ansprache an die Teilnehmer der 4. Synode der ukrainischen Bischöfe am 5. Oktober 1532 „Töchter jener Pilgerin der Hoffnung“ Ansprache an die internationale Familie der Mary-Ward-Schulen anläßlich des 400. Geburtstages der Ordensgründerin am 5. Oktober 1536 XXXII Zeugnis geben von der Liebe Gottes Predigt bei der feierlichen Seligsprechung von Diego Luis de San Vitores, Jose Maria Rubio und Francisco Garate aus der Gesellschaft Jesu in St. Peter am 6. Oktober 1540 Dem Beispiel des hl. Norbert folgen Ansprache an die Äbte und Prioren des Prämonstratenserordens am 7. Oktober 1545 Neuevangelisierung Europas Ansprache an die Teilnehmer des VI. Symposion der europäischen Bischöfe am 11. Oktober 1548 „Seid Priester Christi und seid es ganz!“ Ansprache an die Neupriester des Collegium Germanicum et Hun-garicum am 12. Oktober 1560 Die christlichen Wurzeln Europas Ansprache beim ökumenischen Europäischen Symposion anläßlich des Kyrill-und-Method-Jahres in der Audienzhalle am 12. Oktober 1562 Neue Hoffnung auf die Einheit Predigt bei der feierlichen Messe zum Abschluß des Kyrill-und- Method-Jahres in St. Peter am 13. Oktober . 1567 Mit Krieg ist alles verloren! Botschaft an die Vereinten Nationen vom 14. Oktober 1572 Wesentliche Einheit der Liturgie wahren Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für den Gottesdienst am 17. Oktober 1578 Gleiche gesetzliche Garantien für Bürger und Einwanderer Ansprache an die Teilnehmer des 2. Weltkongresses für die Seelsorge am Menschen unterwegs am 17. Oktober 1581 „Eure Wege sind uns nicht fremd“ Ansprache an zwei Arbeitsgruppen der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 21. Oktober 1585 „Wahrheit, die auch schwierig ist“ Predigt bei der Eucharistiefeier für die Professoren und Studenten der Päpstlichen Universitäten zu Beginn des akademischen Jahres in Sankt Peter am 25. Oktober 1590 Mit dem Stamm Abrahams geistlich verbunden Ansprache an die Teilnehmer der Jahresversammlung der internationalen Kommission für die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum am 28. Oktober 1592 XXXIII „Dein Glaube hat dich geheilt“ Ansprache an die Teilnehmer der Behindertenwallfahrt des österreichischen Malteserordens am 31. Oktober 1595 „Überleben“ von katholischen Krankenhäusern Ansprache an den Weltkongreß der Internationalen Vereinigung katholischer Krankenhäuser am 31. Oktober 1597 November Der Glaube an die universale Kirche Predigt bei der Eucharistiefeier auf dem römischen Friedhof Verano am Allerheiligenfest, 1. November 1601 Vinzenz Palotti: der Kirche dienen, der Kirche treu sein Ansprache an die Teilnehmer einer Wallfahrt der Vereinigung des Katholischen Apostolats am 2. November 1604 Dieser Märtyrer ist ein Mann unseres Zeitalters Predigt bei der feierlichen Seligsprechung von P. Titus Brandsma in St. Peter am 3. November 1608 Liebe ist stärker als der Haß Ansprache an niederländische, deutsche und italienische Pilger in der Audienzhalle am 4. November 1612 Katechese darf nicht „abwandern“ Ansprache an die Teilnehmer der Tagung zum 20. Jahrestag der Konzilserklärung „Gravissimum educationis“ am 5. November .... 1615 Soziallehre der Kirche kein starrer Rahmen Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Kommission „Justitia et Pax“ am 9. November 1620 Studenten „von Vorbildern angezogen“ Ansprache an die Rektoren der Katholischen Universitäten der Gesellschaft Jesu am 9. November 1624 Wieviel und wie einer gibt Predigt in der Eucharistiefeier zum 40jährigen Bestehen der FAO in St. Peter am 10. November 1629 Wort des Trostes für Kolumbien Telegramm an den Apostolischen Nuntius in Bogota, Erzbischof Angelo Acerbi, vom 15. November 1636 Sr. Theresia: „eine begnadete Erzieherin“ Predigt bei der Seligsprechung in St. Peter am 17. November 1637 XXXIV Bevorzugte „Option für die Armen“ Ansprache an die Teilnahmer der 19. Vollversammlung des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ am 18. November 1642 Die Kirche bedarf großer Bewegungen Ansprache an die Teilnehmer der Tagung des Päpstlichen Laienrates zum 20. Jahrestag des Konzilsdekrets „Apostolicam actuosita-tem“ am 18. November 1645 Laienbrüder mithineingenommen Ansprache an das Generalkapitel der Redemptoristen am 18. November 1649 Der gemeinsame apostolische Glaube Botschaft an den ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. zum Fest des hl. Andreas vom 20. November 1651 Synthese von Liturgie und Musik als Ziel Ansprache bei der Einweihung des neuen Sitzes des Päpstlichen Instituts für Kirchenmusik am 21. November 1653 Petrusamt - ein Dienst an der Einheit Ansprache an die Vollversammlung des Kardinalskollegiums am 21. November 1657 Gerechtigkeit und Mehr-Mensch-Sein für alle Ansprache an die Teilnehmer des Symposions „Kirche und Wirtschaft“ am 22. November 1665 Es ist „Horizonte des Gottesreiches“ Predigt beim feierlichen Eröffnungsgottesdienst zur außerordentlichen Bischofssynode im Petersdom am 24. November 1668 So erfahrt ihr Trost und Stärkung Boschaft an die Bischöfe Vietnams vom 24. November 1672 Dezember Wirksame zwischenkirchliche Hilfe Botschaft an die deutschen Katholiken anläßlich des 25. Jubiläums der Bischöflichen Aktion Adveniat vom 1. Dezember 1675 Neue Initiativen zur natürlichen Familienplanung Ansprache für Lehrer der natürlichen Methoden der Geburtenregelung am 3. Dezember 1678 XXXV Im Gebet für die Einheit der Christen Ansprache beim ökumenischen Gottesdienst mit den Teilnehmern der außerordentlichen Bischofssynode am 5. Dezember 1680 Synode „ein Zeugnis des Heiligen Geistes“ Ansprache bei der Schlußversammlung der außerordentlichen Bischofssynode am 7. Dezember 1682 Konzil hochherzig und treu verwirklichen! Predigt bei der feierlichen Messe zum Abschluß der außerordentlichen Bischofssynode am 8. Dezember 1690 Das Konzil Maria anvertraut Ansprache bei der Weihe an die Gottesmutter in der Basilika Santa Maria Maggiore am 8. Dezember . .. 1696 „Typus“ und „Vorbild“ der Kirche Gebet an der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am 8. Dezember 1700 Zum Dienst an der ganzen Kirche bestimmt Ansprache an die Priester der Gemeinschaften des neokatechume- nalen Wegs am 9. Dezember 1701 Gelebtes Zeugnis nach der Lehre der Kirche Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die -Familie am 13. Dezember 1705 Alle Menschen schauen Gottes Heil Weihnachtsansprache an die Kardinäle und die Mitarbeiter der Römischen Kurie am 20. Dezember 1711 Das Lied von der Geburt des Herrn Predigt bei der Christmette am 24. Dezember 1719 Berufung zur Teilhabe an der göttlichen Natur Weihnachtsbotschaft „Urbi et Orbi“ am 25. Dezember 1721 Gewalt entschieden verurteilt Papsttelegramme zu den Terroranschlägen auf den Flughäfen von Rom und Wien vom 27. Dezember 1724 Kirche von Rom muß „Gewissen prüfen“ Predigt beim Jahresschlußgottesdienst in der römischen Kirche „II Gesü“ am 31. Dezember 1725 XXXVI IV. Ad-limina-Besuche Birma 7. Juni 1733 Brasilien 16. Februar 1738 29. April 1744 4. Juni 1750 24. Juni 1758 16. September 1766 30. September 1773 Indien 22. November 1780 Kolumbien 22. Februar 1783 9. März 1788 7. Mai 1793 11. Juni 1797 Korea 18. November 1802 Pakistan 16. März 1807 Philippinen 12. Oktober 1811 17. Oktober . 1818 25. Oktober 1824 Taiwan 8. November 1831 XXXVII 1836 Uruguay 14.Januar V. Erklärungen der Kongregationen „Ein Dienst an der Wahrheit“ Kommunique der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse zu Mutmaßungen über das Leben der hl. Maria Goretti (Orig. ital. in O.R. 6.2. 85) 1845 Notifikation der Kongregation für die Glaubenslehre zu dem Buch „Kirche: Charisma und Macht. Versuch einer militanten Ekklesiologie“ von Pater Leonardo Boff OFM vom 11. März 1847 Handkommunion Kongregation für den Gottesdienst vom 3. April 1854 VI. Anhang Außerordentliche Bischofssynode Der Heilige Vater beruft eine außerordentliche Bischofssynode ein (25. 1„ S. 1077) Angelus am 29. 9„ S. 203; Angelus am 6. 10., S. 210; Angelus am 13. 10., S. 216; Angelus am 20. 10., S. 222; Angelus am 27. 10., S. 229; Angelus am 1. 11., S. 235; Angelus am 3. 11., S. 237; Angelus am 10. 11., S. 242 Botschaft an die Christen in der Welt Bischofssynode vom 7. Dezember 1859 Kirche unter dem Wort Gottes feiert die Geheimnisse Christi zum Heil der Welt Schlußdokument der 2. außerordentlichen Bischofssynode vom 10. Dezember 1863 „Die Droge - zum Übel paßt kein Nachgeben“ Intervention des Beobachters der Hl. Stuhls, Msgr. Giovanni Cei-rano, bei der 31. Sitzungsperiode der UNO-Kommission für Narkotika am 13. Februar 1882 XXXVIII Sekretariat für die Einheit der Christen, Mai 1985 1885 Hinweise für eine richtige Darstellung von Juden und Judentum in der Predigt und in der Katechese der katholischen Kirche, Vatikanische Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum im Religionsfreiheit - konkrete Forderungen Interpellation des Hl. Stuhls auf der KSZE-Konferenz in Ottawa zur Frage der Menschenrechte am 17. Juni 1899 Die Frauen - Gleichheit der Rechte, der Verantwortung und der Möglichkeiten Rede des Delegationsleiters des Hl. Stuhls, Bischof Paul Josef Cordes, auf der Weltkonferenz über die Frau in Nairobi am 19. Juli 1903 „Die Hoffnung ist nicht aufgegeben“ Erklärung des Vertreters des Hl. Stuhls, Erzbischof Achille Silve-strini, bei der Konferenz anläßlich des 10. Jahrestages der KSZE- Schlußakte von Helsinki am 31. Juli 1911 Die Organe der Römischen Kurie Stand: September 1985 1918 „Eine Situation kollektiver Ungerechtigkeit“ Referat des Leiters der vatikanischen Delegation, P. Herve Carrier SJ, auf dem „Kulturforum“ in Budapest am 16. Oktober 1926 Dekret der Apostolischen Pönitentiarie vom 14. Dezember 1934 Wortregister 1937 Personenregister 1985 Länder- und Ortsregister 2005 Zitierte Bibelstellen 2025 Quellenverzeichnis der Zitate 2039 XXXIX Angelus und Generalaudienzen AUDIENZEN UND ANGELUS Hoffnungen und Ängste Vor dem Angelus am Neujahrstag, 1. Januar 1. O Theotokos - Gottesgebärerin! Wir sind am ersten Tag des neuen Jahres auf dem Petersplatz versammelt, um den Angelus zu beten. Am ersten Tag dieses Jahres kommen wir zusammen, um deine Mutterschaft zu verehren, o Jungfrau Maria. Sie gehört eng zum Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes, und mit dem Fest deiner Mutterschaft krönt die Kirche die Oktav der Geburtstagsfeier des Gotteskindes. 2. O Theotokos, gewähre uns an der Schwelle des neuen Jahres die Nähe deines mütterlichen Herzens unter uns. Vertraue dieses Jahr, in das wir heute eintreten, deinem Sohn an, vertraue es dem Ewigen Wort an und wende zu diesem Beginn deine Anbetung zusammen mit uns und unendlich viel besser als wir Gott, dem Dreieinigen, zu, „der ist und der war und der kommt“ (Offb 1,8). Wir möchten in deinem mütterlichen Herzen zur Ehre des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes sein und handeln, leben und sterben, Freude und Leid erfahren. 3. O Theotokos - Gottesgebärerin! An der Schwelle des neuen Jahres vertrauen wir dir — in Jesus Christus, deinem Sohn in Betlehem, in Nazaret und auf Kalvaria - die Zukunft an, die sich am heutigen Tag neu vor der Welt öffnet. In dein Mutterherz legen wir unsere Hoffnungen und Ängste, unsere tägliche Sorge um die ganze Menschheit, um jeden Menschen, um den Frieden in unserer heutigen Welt, um den Sieg der Gerechtigkeit und der Liebe, um die Kirche und ihre Sendung zur Verkündigung der Frohen Botschaft unter den Völkern. In dein Mutterherz schreiben wir alle Tage der jungen Menschen einer jeden Familie, einer jeden Nation und der ganzen Welt ein. Dieses Jahr wird in der ganzen Welt das Jahr der Jugend sein, und heute widmen wir ihr die Botschaft des Friedens unter dem Motto: „Frieden und Jugend, zusammen unterwegs.“ 4. O Theotokos - Gottesgebärerin! Mögen doch sie, die jungen Menschen, das Programm dieser Botschaft im Blick auf das dritte Jahrtausend verwirklichen! Mögen wir alle die Früchte der Bekehrung und der Versöhnung in Gerechtigkeit, Liebe und Frieden schauen dürfen! Durch deine Fürsprache beten wir mit den Worten des Psalmisten: „Gott sei uns 3 AUDIENZEN UND ANGELUS gnädig und segne uns. Er lasse über uns sein Angesicht leuchten, damit auf Erden sein Weg erkannt wird und unter allen Völkern sein Heil“ (Ps 66/67,2-3). „Ist das nur ein Traum?“ Appell nach dem Angelus am Neujahrstag, 1. Januar, zum Beginn neuer Abrüstungsgespräche in Genf Das neue Jahr wird mit den Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion über die Begrenzung der Atomrüstung, die am 7. Januar in Genf beginnen, eröffnet. Sie sind ein Hoffnungsschimmer am Welthorizont nach mehr als einem Jahr besorgter Fragen. Der Weg der Verhandlung ist eine kluge Wahl, auch wenn der Weg nicht leicht sein wird. Jedesmal, wenn die Beteiligten an den Verhandlungstisch zurückkehren, finden sie die Probleme noch umfangreicher und verwik-kelter vor. Zur Debatte stehen Rüstungsmaßnahmen von ungeheuerem Ausmaß und unerhörter Komplexität; zu den kontinentalen und planetarischen Systemen kommen jetzt noch Pläne hinsichtlich des Weltraums, während sich die Produktion ausgeklügeltster Waffen in einem Wettlauf unaufhörlicher Überholungen abspielt. Die nicht immer einstimmigen Berechnungen der Experten entziehen sich dem Verständnis des einfachen Menschen, dessen Herz bedrückt wird von der Angst vor der drohenden Zerstörung, die über der Menschheit schwebt. Es ist klar, daß die Verhandlungen nicht nur nach technischen Kriterien geführt werden dürfen, sondern sich vor allem von menschlichen und moralischen Beweggründen leiten lassen müssen. Diese Gründe finden sich in einigen einfachen Grundsätzen: - Übereinstimmung wird möglich sein, wenn beide Parteien davon überzeugt sind, daß sie sich hinsichtlich des Überlebens oder der Zerstörung auf ein einziges und gleiches Wagnis einlassen; - der Dialog wird ehrlich sein, wenn er die rechtmäßigen Ansprüche und die sachlich begründeten Interessen eines jeden berücksichtigt; - die Sicherheit aller, heute noch als Gleichgewicht der Kräfte verstanden, kann durch einen verminderten Rüstungsgrad erreicht werden, wenn man wirksame Kontrollsysteme einsetzt; 4 AUDIENZEN UND ANGELUS - alles jedoch wird brüchig und höchst gefährlich sein, solange nicht eine neue „Philosophie“ der internationalen Beziehungen zur Geltung kommt, dadurch, daß man auf die Durchsetzung egoistischer oder ideologischer Interessen verzichtet, welche nur Spannungen, Haß und Umwälzungen fördern, und statt dessen die durch Abrüstung freigewordenen Energien und Mittel den großen Bedürfnissen unserer Zeit zugute kommen läßt: dem Kampf gegen den Hunger, der ganzheitlichen Förderung des Menschen, der Entwicklung der Völker. Wenn dies zustande käme, würden sich nicht nur die Ost-West-Beziehun-gen, sondern auch die Nord-Süd-Beziehungen grundlegend ändern. Ist das nur ein Traum? Nein, es ist ein Wunsch, den ich gegenüber euch allen ausspreche, den Völkern aller Erdteile, der Jugend der Welt. Und besonders eindringlich lade ich alle ein, den Herrn zu bitten, daß er im neuen Jahr der Menschheit diese Gnade gewähren möge. Wir vertrauen auf den Schutz Mariens Ansprache bei der Generalaudienz am 2. Januar 1. „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). In dieser ersten Audienz des neuen Jahres klingt in unseren Herzen noch das Echo der Worte nach, mit denen der Evangelist Johannes das Ereignis verkündet, das Erfüllung und Mittelpunkt der Heilsgeschichte bedeutet und der darauffolgenden Zeit, nämlich der unseren, einen neuen Wert gibt: Dies ist nun die Zeit, da Gott bei den Menschen weilt, denn er hat sein Zelt mitten unter uns aufgeschlagen. Auch wir haben mit den Hirten die Einladung angenommen, den Stall von Betlehem aufzusuchen in dem Verlangen, tiefer kennenzulernen, wer Jesus Christus ist und in ihm dem Heiland zu begegnen, der uns in der Stadt Davids geboren wurde (vgl. Lk 2,11). An der Krippe haben wir das historische Ereignis der Geburt Jesu neu erlebt; in der Eucharistiefeier, am Tisch des Wortes und Brotes des Herrn, haben wir das Geheimnis seiner immerwährenden Gegenwart in unserer. Mitte erfahren. Danken wir Gott, liebe Brüder und Schwestern, für dieses Geschenk, das wir jedes Jahr durch die Feier der Liturgie der Kirche neu verkosten dürfen. Dank ihrer kann jeder Mensch, wie fern er zeitlich dem histori- 5 AUDIENZEN UND ANGELUS sehen Ereignis auch sein mag, die ewigen Geheimnisse Christi miterleben und zur Gnade des Wortes Gottes hinzutreten, daß ein Mensch wie wir geworden ist. 2. Das Geburtsfest des Herrn ist providentiell mit der Feier des Anfangs des bürgerlichen Jahres verbunden. So prägt dieses Geheimnis offensichtlich auch die Neujahrswünsche, die wir gern untereinander bei dieser ersten Audienz des Jahres 1985 austauschen. Unsere Zeit ist für immer durch die Gegenwart Christi gekennzeichnet, der unser Friede und unsere Hoffnung ist. Der erste Tag des Jahres, den wir gestern im Gedenken an das Geheimnis der Gottesmutterschaft Mariens feierlich begangen haben, trägt eine zweifache Bedeutung in sich: einerseits die Erinnerung an ein nunmehr unwiderruflich vergangenes Jahr, andererseits den hoffnungsvollen Ausblick auf eine Zukunft, die wir noch gänzlich zu entdecken haben. Wenn wir die Tage des vergangenen Jahres mit all ihren Fehlern, Enttäuschungen und Leiden der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen, wenden wir uns zugleich dem neuen Jahr zu, während wir im Herzen Erwartungen und Ängste, Befürchtungen und Hoffnungen hegen. Für alle aber, die in ihrem Leben gern vorwärtsblicken, bietet Jesus einen besonderen Grund zum Vertrauen an. Er, der Sohn Gottes, der in der Menschwerdung unser Bruder geworden ist, verkündet durch seine Gegenwart die Überwindung der Angst: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude“, spricht der Engel in der Weihnachtsnacht zu den Hirten (LA: 2,10). Jesus Christus ist also der Grund unserer guten Wünsche zum Jahresbeginn. In ihm gründet unsere Erwartung allen göttlichen Segens. Wir spüren, daß er unsere Mühe und Arbeit mitträgt. Mit ihm, so wissen wir, können wir unsere Kreuze tragen und uns als Wegbereiter des Friedens einsetzen, indem wir verzeihen und immerdar Versöhnung und Freundschaft suchen. Unser erster und grundlegender Wunsch sei daher, daß Jesus Christus, den wir im Geheimnis seiner Geburt betrachten und im Glauben verstehen, alle Geschehnisse des neuen Jahres begleite und uns immer nahe sei. 3. Das neue Jahr erwartet uns auch mit seinen Pflichten, und ich bitte euch vor allem um ein Gebet für die Aufgaben meines pastoralen Dienstes an der ganzen Kirche, auch für die Besuche und Reisen, die ich werde machen müssen. Unser Leben gewinnt Sinn, wenn jeder mit seiner Freiheit umzugehen 6 AUDIENZEN UND ANGELUS versteht, um die Aufgaben und Verantwortlichkeiten seines Standes gelassen anzugehen. Der Heilige Geist, den Jesus Christus uns geschenkt hat, wird jedem bereiten Herzen eingeben, welchen Weg es im neuen Jahr gemäß der persönlichen Berufung und den Bedürfnissen der Brüder in Not beschreiten muß. Ich wünsche euch allen, daß jeder Tag des neuen Jahres euch am Ende die Freude beschert, das Gute, das man sich von euch erwartet, vollbracht zu haben. Es gibt bei den täglichen Mühen keinen größeren Trost, als sich an jedem Abend sagen zu können, daß wir uns mit der Liebe Christi bekleidet und versucht haben, den Mitmenschen im „Band der Vollkommenheit“, das in der Liebe sich zeigt, zu dienen (vgl. ATo/ 3,14). Die ins neue Jahr übernommene Weihnachtsbotschaft läßt nicht zu, daß wir uns von Entmutigung überwältigen lassen, trotz der finsteren Wolken am Horizont. Wir bewahren die Hoffnung, weil wir gewiß sind, daß in der Geschichte und in der Zeit der Sohn Gottes gegenwärtig ist als Inkarnation der unendlichen Macht seiner Liebe. Er leitet uns an und lehrt uns, dem Menschen jenes Mehr an Liebe zu geben, deren Notwendigkeit wir angesichts des wachsenden Hasses und der zunehmenden Gewalt noch stärker verspüren. 4. Wir vertrauen das soeben begonnene neue Jahr dem Schutz Mariens, der Mutter Gottes, an. Sie kann uns mit Gewißheit sagen, daß wir in unserer Geschichte nicht allein sind. Gerade von ihr lernen wir, auf die Verkündigung des Willens Gottes für uns zu antworten: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38); und das jeden Tag, in jedem Augenblick. Angesichts optimistischer und glückverheißender oder pessimistischer und besorgter Voraussichten lehrt uns Maria, das Wort Gottes aufzunehmen, um zu verstehen, daß alle Zeit auf eine Zukunft ausgerichtet ist, die in den Händen Gottes liegt, weil sie endgültig durch das Geheimnis der Menschwerdung und der vollen Offenbarung Jesu Christi gekennzeichnet ist. Dieser Glaube öffnet uns das Herz für eine von Trost und Freude erfüllte Hoffnung. 5. In diesem Sinn, meine Lieben, segne ich euch, und an der Schwelle des neuen Jahres bringe ich meine besten Wünsche zum Ausdruck für euch Anwesenden und all eure Lieben, für die guten Bestrebungen in eurem Herzen, für eure beruflichen Pflichten und Tätigkeiten. Der Apostolische Segen, den ich euch gern erteile, sei für alle Unterpfand und Zeichen des Guten. 7 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich euch zu dieser ersten Audienz im neuen Jahr. Sie steht noch ganz im Bann des Weihnachtsgeheimnisses: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). Im Kommen Jesu Christi erfüllt sich die Heilsgeschichte. Seither wohnt Gott unter den Menschen. In seiner Gegenwart unter uns gründen unsere guten Wünsche für das neue Jahr. Uns allen gilt der Gruß des Engels an die Hirten in der Heiligen Nacht: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkündige euch eine große Freude“ (Lk 2,10). Von Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, empfangen wir alle guten Gaben und jeglichen Segen Gottes. Deshalb ist unser erster und wichtigster Wunsch, daß Jesus Christus alles Geschehen im neuen Jahr begleiten und uns stets nahe sein möge. Mit ihm empfehlen wir das nun beginnende Jahr in einer besonderen Weise seiner Mutter, Maria, die auch unsere Mutter geworden ist. Zugleich bitte ich euch um euer Gebet für meinen pastoralen Dienst in der Kirche. Euch und euren Lieben daheim wünsche ich ein glückliches und erfülltes neues Jahr 1985 und erteile euch allen für Gottes bleibenden Schutz und Beistand von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. „Doch über dir leuchtet der Herr“ Vor dem Angelus am Dreikönigsfest, 6. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zur Stunde, die für das Angelusgebet vorgesehen ist, wiederholen wir: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14), um damit dem tiefsten Inhalt des Weihnachtsgeheimnisses Ausdruck zu verleihen. Wir wiederholen diese Worte aus dem Evangelium des hl. Johannes und schließen uns der Jungfrau und Gottesmutter an, in der sich das Geheimnis der Menschwerdung erfüllt hat: in der und durch die „das Wort Fleisch geworden ist“. Zugleich betrachten wir dieses Geheimnis mit den Augen der drei Magier aus dem Osten. Wir betrachten es mit den Augen von Epiphanie. Die drei Magier kamen nach Betlehem. Sie folgten dem Licht des Sterns und „sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und 8 AUDIENZEN UND ANGELUS huldigten ihm . . . und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar“ (Mt 2,11). Die Sicht des Glaubens ermöglichte ihnen, das fleischgewordene Wort zu sehen. Das Wort, das bei Gott war, das (nach den Worten des Johannesevangeliums 1,1) Gott selbst war, der Fleisch geworden ist. 2. Heute steigt die Kirche hinab in die Tiefe des Menschen. Sie berührt sein Innerstes: das Innerste, in dem sich das gottmenschliche Drama der Epiphanie durch den Glauben abspielt. Und die Kirche wiederholt die Worte des Propheten Jesaja: „Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir leuchtet der Herr“ (Jes 60,2). Und die Kirche betet für jeden Menschen, daß sein innerer Blick die Finsternis durchstoße und die Freude der Erscheinung des Herrn erlebe: die Freude der Gotteserkenntnis, die Freude des Glaubens, die Freude, die von den drei Magiern aus dem Osten geteilt wurde. 3. Heute denken wir daher - durch das Geheimnis dieses Festes - an jeden einzelnen und an alle. Wir denken besonders an die Missionare und Missionarinnen, aber zugleich denken wir an alle, die allerorts und auf jedmögliche Weise Boten der Frohbotschaft, Diener des Glaubens sind. Die ganze Kirche ist ihrer Natur nach missionarisch, und an diesem Dienst hat jeder einzelne, haben alle Anteil. Und in diesem Geist laßt uns für alle beten. Mitteilung der Heilswahrheit Ansprache bei der Generalaudienz am 9. Januar 1. Wir haben in Erinnerung gerufen, daß die Katechese Werk der Kirche ist, die die Frohbotschaft in der Welt verkündet und durch eine bessere Kenntnis des Geheimnisses Christi ihr sakramentales Leben zu vertiefen sucht. Mit der Katechese wie mit dem gesamten Werk der Evangelisation gibt die Kirche bewußt Antwort auf die Grundprobleme des Menschen, auf jene Fragen, die sich jeder entweder bereits stellt oder die er sich früher oder später im Laufe seines Lebens stellen wird. Woher kommt der 9 A UDIENZEN UND ANGELUS Mensch? Wozu lebt er? Welche Beziehungen hat er zu Gott und zur unsichtbaren Welt? Wie muß er sich verhalten, um das Ziel seines Lebens zu erreichen? Warum ist er Leid und Tod unterworfen, und welche Hoffnung hat er? Auf diese Probleme gibt die Katechese die Antwort Gottes. Sie will eine Lehre begreiflich machen, die nicht einfach das Ergebnis persönlichen Suchens ist, sondern die Wahrheit, die durch die göttliche Offenbarung der Menschheit mitgeteilt wurde. Die Katechese ist daher bei der Mitteilung der Heilswahrheit bemüht, die im Herzen des Menschen sich regenden Grundfragen aufzudecken und zu zeigen, wie Gott darauf in seiner Offenbarung mit einem Geschenk der Wahrheit und des Lebens geantwortet hat, das die tiefsten Erwartungen des Menschen übersteigt (vgl. 1 Kor 2,6—9). Ihre Aufgabe ist es, Gewißheiten zu geben, die in der Autorität der Offenbarung gründen. 2. Weit davon entfernt, mit den von ihr betrachteten Fragen Zweifel oder Verwirrung zu stiften, ist die Katechese also bestrebt, den Verstand zu erleuchten und durch solide Überzeugungen zu stärken. Gewiß: mit den von ihr gegebenen Antworten führt sie den menschlichen Geist tiefer in das Geheimnis der Offenbarung ein; aber dieses Geheimnis schenkt dem Geist Licht, auch wenn dieses, solange wir auf Erden leben, nicht alle Dunkelheit zerstreut. Man vermag nicht alles zu verstehen, aber was man begreift, reicht aus, die Grundwahrheiten und den Sinn des Lebens anzuzeigen. Oft haben die Katechismusabschnitte mit einer Reihe von Fragen und Antworten die Grundstruktur der Katechese konkret und praktisch zum Ausdruck gebracht, die man eine Gegenüberstellung der Frage des Menschen und der Antwort Gottes nennen kann. Es ist wahr, daß die Frage des Menschen von der göttlichen Gnade inspiriert und bereits erleuchtet ist und daß anderseits die Antwort Gottes in den Grenzen und Unvollkommenheiten der menschlichen Sprache formuliert wird. Aber es handelt sich tatsächlich um des Menschen eigene Fragen, solche, denen die Katechese das göttliche Licht bringt. Das bedeutet, daß sich die Katechese, auch wenn sie die menschliche Seite der Fragen beachtet, nicht auf Überlegungen menschlicher Art, noch auf Untersuchungen philosophischer, psychologischer oder soziologischer Ordnung beschränkt und auch nicht auf das Bemühen, lediglich Präambeln zur Offenbarung zu formulieren. Sie ist sich bewußt, daß sie die geoffenbarte Wahrheit darlegen und ihre Annahme möglich machen muß, die sie nicht verkürzen oder abschwächen darf. Sie trachtet, ihre Lehre der 10 AUDIENZEN UND ANGELUS Aufnahmefähigkeit derer anzupassen, die sie empfangen, aber sie schreibt sich nicht das Recht zu, einen Teil der Wahrheit, die Gott selbst den Menschen mitteilen wollte, zu verschleiern oder zu verkürzen. 3. Es lohnt sich, hier an das zu erinnern, was ich im Apostolischen Schreiben Catechesi tradendae bezüglich der Vollständigkeit des Inhalts der Katechese hervorgehoben habe: „Damit die Opfergabe seines Glaubens vollkommen sei, hat jeder Jünger Christi das Recht, ,das Wort des Glaubens nicht verstümmelt, verfälscht oder verkürzt zu empfangen, sondern voll und ganz, in all seiner Macht und Kraft. Wer die Vollständigkeit der Botschaft in irgendeinem Punkt aufgibt, entleert in gefährlicher Weise die Katechese selbst und setzt die Früchte aufs Spiel, die Christus und Gemeinschaft der Kirche mit Recht von ihr erwarten“ (Nr. 30). Es kann geschehen, daß es schwierig scheint, die Botschaft begreiflich und annehmbar zu machen. In der Welt gibt es viele Ideen, die im Gegensatz zur Lehre des Evangeliums stehen, ja manche nehmen geradezu eine feindselige Haltung ein gegenüber allem, was im Namen der Kirche gelehrt wird. Angesichts der Widerstände, auf die derjenige stößt, der sich der Katechese widmet, könnte er versucht sein, zurückzuweichen, die christliche Botschaft nicht in ihrer vollen Wahrheit und mit all ihren Forderungen für das Leben darzulegen und sich auf einige leichter zugängliche Punkte zu beschränken. Hier muß er sich daran erinnern, daß er mit der Vermittlung einer Lehre beauftragt ist, die ihn übersteigt: Er muß sich bemühen, sie so darzulegen, wie er sie empfangen hat; er muß sich vor allem bewußt sein, daß er in seiner katechetischen Arbeit über eine göttliche Kraft verfügt, die ihn dazu befähigt, seinen Glauben weiterzugeben, und daß der Heilige Geist das Wort in dem Maß in das Herz seiner Zuhörer eindringen läßt, als es der Wahrheit, die es ausdrücken soll, treu ist. <1> <1> Das Problem der Katechese ist eine Glaubensfrage. Wer hätte bei der Geburt der Kirche gedacht, daß eine kleine Schar von Jüngern Jesu das Werk der Evangelisation und Katechese der ganzen Menschheit in Angriff nehmen könnte? Aber genau das ist geschehen: Es ist der christlichen Botschaft gelungen, von Anfang an in die Mentalität einer Vielzahl von Menschen einzudringen. Was die Gnade damals und in den Jahrhunderten danach immer vollbracht hat, das wirkt sie auch heute noch. Die Katechese setzt also auf die Macht der Gnade, um den Kindern und Erwachsenen das Geschenk des ganzen Glaubens weiterzugeben. Jeder Katechet hat die Aufgabe, die ganze christliche Botschaft zu vermitteln, 11 A UDIENZEN UND ANGELUS und empfängt von Christus selbst die Fähigkeit, diese seine Sendung vollständig zu erfüllen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Den Menschen den Glauben zu verkünden und sie darin tiefer zu unterrichten, gehört zu den bleibenden, wesentlichen Aufgaben der Kirche Christi. Sie versteht diese Verkündigung und Katechese als eine stets aktuelle Antwort auf die ewigen Grundfragen des Menschen: Woher komme ich? Warum bin ich da? Wohin bin ich unterwegs? Welche Wege führen zu meinem Lebensziel? Die Antworten der Kirche auf diese Fragen stammen nicht aus dem persönlichen Forschen der einzelnen, sondern aus dem Schatz an Wahrheit, der von Gott her der ganzen Menschheit auf verschiedenen Wegen offenbart worden ist. Diese Antworten des kirchlichen Glaubens beanspruchen durchaus, den Menschen Gewißheit und Sicherheit schenken zu können. Gewiß führen sie immer tiefer in das alles übersteigende Geheimnis Gottes hinein und lassen das Fragen des Menschen nie ans Ende kommen; zugleich aber geben sie ihm soviel Licht, wie nötig ist, um den Sinn seines Lebens zu erhellen und den Weg zum Ziel aufleuchten zu lassen. Dieser Schatz geoffenbarter Wahrheit gehört der ganzen Menschheit; und die Kirche ist beauftragt, ihn zu allen Zeiten und in seiner ganzen Fülle zu verkünden. Ich darf in diesem Zusammenhang an eine wichtige Stelle in dem Apostolischen Schreiben Catechesi tradendae erinnern, die so lautet: „Jeder Jünger Christi hat das Recht, das Wort des Glaubens nicht verstümmelt, verfälscht oder verkürzt zu empfangen, sondern voll und ganz, in all seiner Macht und Kraft. Wer die Vollständigkeit der Botschaft in irgendeinem Punkt aufgibt, entleert in gefährlicher Weise die Katechese selbst und setzt die Früchte aufs Spiel, die Christus und die Gemeinschaft der Kirche mit Recht von ihr erwarten“ (Nr. 30). In diesem Sinne erbitte ich euren Seelsorgern zu Hause die Gaben des Heiligen Geistes für eine gute und echte Glaubensverkündigung; euch allen aber erbitte ich einen wachen Verstand und ein offenes Herz, um hörend und betrachtend zur Sicherheit und Freude im Glauben zu gelangen. 12 AUDIENZEN UND ANGELUS „Beten wir für alle Opfer von Hunger und Gewalt!“ Appell während der Generalaudienz am 9. Januar Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Aufmerksamkeit noch einmal auf die große Tragödie lenken, die Millionen Männer, Frauen und Kinder in Äthiopien und in anderen Teilen Afrikas betroffen hat. Menschliches Leben wird von weitverbreitetem und andauerndem Hunger bedroht, geschwächt und zerstört. Leid und Tod, das gemeinsame Los so vieler Menschen, rufen nach einer unablässigen Antwort von Gebet, brüderlicher Liebe und menschlichem Mitleid seitens der übrigen Menschheit. Viel wurde bereits in aller Welt unternommen, um die Krise in den Griff zu bekommen: von verschiedenen Nationen, internationalen Organisationen, religiösen und karitativen Hilfsorganisationen und Initiativen einzelner und von Verbänden, einschließlich jener der katholischen Kirche. All dem möchte ich meine tiefe Bewunderung sowie den wortlosen Dank all jener zum Ausdruck bringen, die vor der Verzweiflung und dem Tod gerettet wurden. Ich ermutige alle, die unseren in harter Not befindlichen Brüdern und Schwestern beistehen. Im Namen der menschlichen Solidarität unter der Vaterschaft Gottes appelliere ich an alle, die meine Stimme hören oder meine Worte lesen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um dieses Problem, das jeden betrifft, lösen zu helfen. Auf dem Spiel stehen menschliches Leben, menschliche Würde und alle menschliche Solidarität. Und schließlich möge mit diesem und ähnlichen Appellen und durch die massiven brüderlichen Anstrengungen, die unternommen werden, ein neuer Aufbruch der Hoffnung die Menschen Äthiopiens und der anderen betroffenen Völker Afrikas erfassen. Mögen christliche Liebe und menschliche Anteilnahme für alle, die leiden, eine Hoffnung wachsen lassen, die nicht vergeblich sein wird! In diesem neubegonnenen Jahr erreichen uns leider weiterhin aus verschiedenen Teilen der Welt Nachrichten über Kriege und Gewalttaten, ganz im Gegensatz zu den Wünschen und Vorsätzen, die wir kürzlich am Weltfriedenstag erneuert haben. Manche dieser Nachrichten haben mich besonders schmerzlich getroffen, weil sie von Geschehnissen berichten, deren Opfer unschuldige Ordensleute sind. Am 3. Januar ist in Mozambique eine Combonianermissionarin, Schwester Teresa Dalle Pezze, in einem Guerilla-Hinterhalt erschossen worden. Bei einem ähnlichen Zusammenstoß wurde am Dreikönigstag in Angola 13 A UDIENZEN UND ANGELUS Bruder Arturo Augusto Paredes aus der portugiesischen Missionsgesellschaft getötet. Am selben Tag ist in Wankalai, Sri Lanka, Pater Mary Bastian unter noch nicht geklärten Umständen aus dem Pfarrhaus verschwunden; man fürchtet um sein Leben. Gestern haben in Beirut bewaffnete Unbekannte den Servitenpater Lawrence Jenco, Direktor des libanesischen Büros der Catholic Relief Services, der verdienstvollen Hilfsorganisation, entführt. Ich schließe mich dem Appell um seine Freilassung an. Besonders dort, wo gegen unbewaffnete Personen, die ihr Leben dem Dienst Gottes an den ärmsten und bedürftigsten Brüdern geweiht haben, gewalttätig vorgegangen wird, zeigt die Gewalt, wie blind, zwecklos und fremd sie gegenüber dem Menschen ist. Ich lade euch ein, euch meinem Gebet für diese Personen, für ihre Mitbrüder und die Familien anzuschließen, für alle, die Empfänger ihres apostolischen Eifers waren und heute ihren Verlust beweinen oder um ihr Schicksal bangen. Beten wir auch für alle Opfer der Kriege und jeder anderen Art von Gewalt und bitten wir den Herrn, allen Menschen das unschätzbare Geschenk des Friedens zu gewähren. „Das ist mein geliebter Sohn“ Vor dem Angelus am 13. Januar 1. Da öffnete sich der Himmel und die Stimme des Vaters sprach: „Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören“ (vgl. Mk 9,7). Heute hört die Kirche in der heiligen Liturgie jene Stimme, die sie an die Taufe Jesu im Jordan erinnert. Obwohl diese Taufe 30 Jahre später auf die Geburt Jesu in Betlehem und die Huldigung durch die Magier aus dem Osten folgte, bildet sie in der liturgischen Überlieferung der Kirche einen Bestandteil der Epiphanie, deren Leitgedanken wir am vergangenen Sonntag in Erinnerung gerufen haben. Die Epiphanie des heutigen Tages ist wie ein Siegel, das sich der ganzen Weihnachtszeit aufgedrückt hat: „Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören!“ 14 A UDIENZEN UND ANGELUS 2. Er ist Sohn und hat sich zum „Knecht“ gemacht! Davon spricht die heutige Liturgie ausdrücklich mit den Worten aus dem Buch des Jesaja: „Seht, das ist mein Knecht, ich halte ihn an der Hand; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, damit er den Völkern das Recht bringt“ (Jes 42,1). Jesus Christus: der Sohn ist zum Knecht geworden. Die Taufe im Jordan bestätigt das voll: Jesus kommt zu Johannes, um sich taufen zu lassen; dieser aber versucht, ihn daran zu hindern und sagt zu ihm: „Ich müßte von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“ {Mt 3,14). Als wollte er sagen: „Gerade du, der du die Heilsgnade bringst und Herr unseres Heils bist.“ Jesus jedoch antwortet: „Laß es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen“ {Mt 3,15). Jesus empfängt von Johannes die Taufe: die Taufe der Buße. Auf diese Weise offenbart er sich selbst als Diener unserer Erlösung. Er kommt als Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt (vgl. Joh 1,29.36). Er trägt in sich den Willen zum Gehorsam gegenüber dem Vater bis zum Tod. Er kommt als der, der „das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht“ {Jes 42,3). 3. Im „Engel des Herrn“ wiederholen wir die Worte der Gottesmutter: „Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast“ {Lk 1,38). Der Sohn Gottes, der von der Magd des Herrn geboren wurde, ist zum Knecht geworden: zum Gottesknecht, zum Diener unserer Erlösung. Das ist es, was uns die Epiphanie der Taufe im Jordan sagen will. Nach dem Angelus sagte der Papst: Heute wird der Tag des römischen Seminars begangen, der jedes Jahr von der Diözese veranstaltet wird, um die Gläubigen an die Wichtigkeit der Priesterausbildung und ihre Pflicht zu erinnern, mitzuhelfen - jeder entsprechend seinen moralischen und materiellen Möglichkeiten - und dieses wesentliche und grundlegende Werk der kirchlichen Gemeinschaft zu unterstützen. Als Thema dieses Tages schlagen die Organisatoren folgende Frage vor: „Kennst du das Seminar deiner Diözese?“ Denn man kann schließlich nicht lieben, was man nicht kennt. Ich lade euch daher ein, die große und schöne Wirklichkeit des römischen Diözesanseminars immer besser ken- 15 AUDIENZEN UND ANGELUS nenzulernen, das aus drei Einheiten besteht: dem Priesterseminar beim Lateran für die philosophischen und theologischen Studien, dem Konvikt am Viale Vaticano für die Gymnasialstudien und dem ehrwürdigen Colle-gio Capranica, das insbesondere für die Spätberufenen bestimmt ist. Ich lade vor allem die Jugendlichen ein, sie, die sich vor Gott nach dem tieferen Sinn ihres Lebens fragen. Und ich möchte sie an die Worte Jesu erinnern: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter' {Mt 9,37). Wenn der Herr spricht und ruft, hören wir auf seine Stimme und folgen ihm! Öffnen wir ihm die Pforten unseres Herzens. Machen wir uns zu Werkzeugen seiner Liebe. Betet um das Geschenk der Einheit! Beim Angelus am 13. Januar Heute möchte ich eure Aufmerksamkeit auf die bevorstehende Gebetswoche für die Einheit der Christen lenken. Das vorgeschlagene Leitthema: „Vom Tod zum Leben mit Christus“ (vgl. Eph 2,4-7; Leitwort im deutschen Sprachraum: „Durch Liebe zum Leben befreit“) weist uns auf den gemeinsamen Glauben aller, die an Jesus Christus, den Retter, glauben, und damit auf die Wurzel unserer Einheit hin. Wir alle sind von dem einen Herrn durch die Fülle seines Erbarmens erlöst worden. In der Enzyklika Dives in misericordia habe ich eine Betrachtung über die Liebe Gottes zur ganzen Menschheit vorgelegt; als Antwort auf dieses Wohlwollen Gottes für uns sind alle Getauften - Katholiken, Orthodoxe, Anglikaner und Protestanten - aufgerufen, zusammenzuarbeiten, damit die volle Einheit in einem einstimmigen Glaubensbekenntnis wiederhergestellt wird. Ich fordere daher die hier Anwesenden und - durch euch - alle Söhne und Töchter der katholischen Kirche auf, in dieser Woche besonders intensiv zu beten und sich in diesem Gebet mit den anderen Christen zu vereinen, um gemeinsam das Geschenk der Versöhnung und der Einheit zu erflehen. In unserer Stadt Rom hat die ökumenische Kommission der Diözese eine interkonfessionelle Gebetswache vorgesehen, die am 21. Januar in der Kirche San Francesco Saverio in der Garbatella stattfinden soll. Zum 16 AUD[ENZEN UND ANGELUS Abschluß der Weltgebetswoche werde ich am 25. Januar in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern einem feierlichen Gottesdienst vorstehen. Möge, wie das Konzilsdekret über den Ökumenismus wünschte, unsere Hoffnung ganz „auf das Gebet Christi für die Kirche, auf die Liebe des Vaters zu uns und auf die Kraft des Heiligen Geistes“ gesetzt sein (Unitatis redintegratio, Nr. 24). Katechese braucht neue Methoden Ansprache bei der Generalaudienz am 16. Januar 1. Die Katechese sieht sich vor Probleme der Pädagogik gestellt. Aus den Texten der Evangelien wissen wir, daß auch Jesus sich mit diesen Fragen auseinandersetzen mußte. Bei seiner Verkündigung an die Volksscharen bediente er sich der Gleichnisse, um seine Lehre in einer für das Auffassungsvermögen seiner Zuhörer geeigneten Weise mitzuteilen. In seiner Unterweisung an die Jünger geht er stufenweise vor, wobei er ihre Verständnisschwierigkeiten berücksichtigt; so kündigt er erst im zweiten Abschnitt seines öffentlichen Lebens ausdrücklich seinen Leidensweg an und erklärt erst am Ende offen seine Identität nicht nur als Messias, sondern als „Sohn Gottes“. Wir können auch feststellen, daß er in seinen Einzelgesprächen seine Offenbarung mitteilt, indem er auf die Fragen seiner Gesprächspartner antwortet und dabei eine ihrer Denkweise zugängliche Sprache verwendet. Manchmal stellt er selbst Fragen, wirft Probleme auf. Christus hat uns die Notwendigkeit gezeigt, daß die Katechese je nach den Gruppen und Personen, an die sie sich wendet, sich vielfältig anpassen muß. Er hat uns auch auf Natur und Grenzen dieser Anpassung hingewiesen; er hat seinen Hörern die ganze Lehre, zu deren Verkündigung er gesandt war, dargelegt und entgegen dem Widerstand derer, die ihm zuhörten, seine Botschaft mit all ihren Glaubensforderungen erläutert. Denken wir an die Rede über die Eucharistie anläßlich des Wunders der Brotvermehrung: Trotz der Einwände und der Abwendung vieler hat Jesus an seiner Lehre festgehalten und die Zustimmung seiner Jünger verlangt (vgl. Joh 6,60-69). Wenn er den Zuhörern seine Botschaft in ihrer Vollständigkeit mitteilte, zählte er auf das erleuchtende Wirken des Heiligen Geistes, der sie später begreifen lassen würde, was sie nicht 17 AUDIENZEN UND ANGELUS sofort verstehen konnten (vgl. Joh 14,26; 16,13). Die Anpassung der Katechese darf daher auch für uns nicht Verkürzung oder Verstümmelung des Inhalts der geoffenbarten Lehre bedeuten, sondern vielmehr das Bemühen um die Annahme dieser Lehre in gläubiger Zustimmung und im Licht und in der Kraft des Heiligen Geistes. 2. Indem die Kirche dem Beispiel des einen und einzigen Lehrers Jesus folgte, hat sie in ihrer Katechese versucht, sich denen anzupassen, denen sie das Licht des Evangeliums mitteilen wollte. Dieses Bemühen um Anpassung ist besonders in jüngster Zeit offenkundig geworden, die durch fortschreitende Spezialisierung in der Katechese gekennzeichnet ist: In der Tat entstanden immer mehr Institute für katechetische Ausbildung, systematisch wurden die Methoden der Katechese studiert und die wirksamsten Wege für die religiöse Unterweisung vorgeschlagen. Man kann nur wünschen, daß dieses Bemühen fortgesetzt wird und sich weiterentwickelt. Die Probleme der Anpassung sind zahlreich und schwierig, sie ändern sich nach Ort und Zeit und werden sich auch in Zukunft stellen. Man muß beachten, daß diese Probleme heutzutage mit denen der Entwicklung der neuen Medien der sozialen Kommunikation verbunden sind. Neben den einfachen und traditionellen Formen der Katechese ist dort Platz für eine katechetische Unterweisung, die von den modernsten Möglichkeiten der Verbreitung Gebrauch macht. Die Kirche kann Versuche, neue Formen der Übermittlung der Wahrheit des Evangeliums zu schaffen, nur ermutigen. Alle guten Initiativen auf diesem Gebiet sind mit Wohlwollen zu betrachten, und man muß diejenigen beglückwünschen, die hier die Rolle von Pionieren übernehmen. <2> <2> Die Katechese will also nicht in dem erstarren, was in der Vergangenheit galt. Die Katechese „braucht - wie ich in dem Apostolischen Schreiben Catechesi tradendae betont habe — eine ständige Erneuerung, was eine gewisse Erweiterung ihres Begriffes, ihre Methoden, die Suche nach einer angemessenen Sprache und die Verwendung von neuen Hilfsmitteln für die Weitergabe der Botschaft angeht“ (Nr. 17). Man kann sagen, daß sich die Katechese - wie die Kirche selbst - nach einer Zukunft ausstreckt, die besser ist als die Vergangenheit, einer Zukunft, die eine aktive Zusammenarbeit aller Betroffenen und eine wache Offenheit für die Fortschritte der menschlichen Gesellschaft erfordert. Die Notwendigkeit der Erneuerung verlangt ständiges Bemühen, über die erzielten Ergebnisse nachzudenken. Man kann nicht von dem Grundsatz ausgehen, alles, was neu ist, ist auch gut und fruchtbar: Es kommt darauf 18 A UDIENZEN UND ANGEL US an, mit Hilfe der Erfahrung die Wirksamkeit des eingeschlagenen Weges festzustellen. Auch wenn es in letzter Zeit ein beachtliches Bemühen um Entwicklung der katechetischen Methoden gegeben hat, läßt sich doch nicht übersehen, daß es mancherorts häufige Klagen über Mängel und nicht gerade glänzende Ergebnisse gewisser neuer Methoden gegeben hat. Die Synode von 1977 hat es nicht versäumt, „die Grenzen und Mängel der bis heute realisierten Formen“ aufzuzeigen, „bei allem unleugbaren Fortschritt an lebendigem katechetischem Wirken und verheißungsvollen Initiativen“ (Catechesi tradendae, Nr. 17). Diese Mängel müssen zu einer gewissenhaften Überprüfung der angewandten Methoden und der vermittelten Lehre führen. 4. Die Synode hat insbesondere die Notwendigkeit eines organischen und systematischen, nicht improvisierten Unterrichts hervorgehoben. Wenn es stimmt, daß „das routinemäßige Wiederholen zum Stillstand, zur Lethargie und am Ende zur Auflösung der Katechese führt“, muß man auch zugeben, daß „das unbedachte Improvisieren zur Verwirrung der Schüler und deren Eltern und - wenn es sich um Kinder handelt - zu jeder möglichen Entartung, zum Bruch und schließlich zur völligen Zerstörung der Einheit führt“ (ebd.). Außer auf den systematischen Charakter mit festem Programm und genauer Zielsetzung wurde bei den Schlußdiskussionen der Synode auf drei weitere charakteristische Merkmale des katechetischen Unterrichts hingewiesen. Es „geht um einen Unterricht, der das Wesentliche behandelt, ohne den Anspruch zu erheben, alle anstehenden Fragen zu behandeln oder zu theologischer Forschung und wissenschaftlicher Exegese zu werden; es muß dennoch ein vollständiger Unterricht sein, der nicht bei der Erstverkündigung des christlichen Geheimnisses stehenbleibt, wie es beim Kerygma gegeben ist; es soll eine vollständige Einführung ins Christentum sein, die sich für alle Bereiche des christlichen Lebens offenhält“ (Catechesi tradendae, Nr. 21). Der Wille, einen vollständigen Unterricht zu bieten, ergibt sich unwillkürlich aus einer Haltung des Glaubens und der Liebe, die der ganzen Offenbarung entspricht und sie weitervermitteln will. Der Geist des Glaubens ist für jede christliche Katechese wesentlich. Die Suche nach den angemessensten Methoden und deren Verfeinerung wäre unzureichend, wenn jenen dieser Glaubensgeist mangelte. Die wissenschaftlichen Aspekte der Pädagogik könnten einen Mangel an Glauben nicht aufwiegen. Tatsächlich ist es der Glaube, der den Katecheten veranlaßt, nach der besten Methode für die Darlegung und Weitergabe der Lehre zu suchen. 19 A UDIENZEN UND ANGELUS Der Glaube ist die Seele der Katechese und inspiriert beim religiösen Unterricht alles pädagogische Bemühen. Anderseits muß die Katechese als eine der Formen der Weitergabe der kirchlichen Offenbarung in Inhalt und Methodik sich nach der Struktur eben dieser Weitergabe richten, welche ein unauflösliches Band zwischen Heiliger Schrift, Überlieferung und Lehramt mit sich bringt (vgl. Dei verbum, Nr. 10). Auf diese Struktur werden wir bei unseren nächsten Ausführungen zurückkommen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die Glaubensunterweisung, die Katechese, ist eng verbunden mit Problemen der Pädagogik. Jesus selbst hat ihnen Rechnung getragen. Er bedient sich Bilder und Gleichnisse und führt seine Zuhörer nur schrittweise in die Glaubensgeheimnisse ein. Christus selbst zeigt uns die Notwendigkeit, daß die Katechese sich den verschiedenen Voraussetzungen der Hörer und Umstände anpaßt. Diese Anpassung darf jedoch nicht den Inhalt der Glaubenslehre selbst betreffen. Die christliche Lehre muß stets vollständig und unverfälscht verkündet werden. Gerade heute bieten sich der Glaubensverkündigung der Kirche durch die modernen sozialen Kommunikationsmittel neue ungeahnte Möglichkeiten. Die Kirche ermutigt und unterstützt alle Bemühungen, diese modernen technischen Mittel für die Verbreitung der Lehre des Evangeliums dienstbar zu machen. Wie das Apostolische Schreiben Catechesi tradendae unterstreicht, bedarf die Katechese einer ständigen Erneuerung, sowohl in den angewandten Mitteln und Methoden als auch im sprachlichen Ausdruck. Die katecheti-sche Glaubensunterweisung darf nicht improvisiert werden, sondern soll organisch und systematisch erfolgen. Sie muß sich auf das Wesentliche konzentrieren, soll umfassend sein und das gesamte Leben des Christen miteinbeziehen. Der Katechet, der andere im Glauben unterrichtet, muß selber zutiefst vom Glauben beseelt und durchdrungen sein. Ein gläubiger Geist ist wesentlich für jegliche katechetische Unterweisung. Mit diesen kurzen Überlegungen grüße ich herzlich alle deutschsprachigen Audienzteilnehmer und erteile ihnen mit besten persönlichen Wünschen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 20 AUDIENZEN UND ANGELUS „Ich reise, um die Brüder zu stärken“ Vor dem Angelus am 20. Januar 1. Wir beten den „Engel des Herrn“. Wir wiederholen die Worte der Jungrau aus Nazaret: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Im Anschluß daran verkünden wir die Frohbotschaft: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14). So drückt das Johannesevangelium die Frohbotschaft aus. 2. In der Lehrunterweisung des Briefes an die Hebräer (vgl. Hebr 10,7) hingegen ist in der Fassung desselben Geheimnisses ein Widerhall der Worte des Psalmisten zu vernehmen: „. . . Ja, ich komme. In dieser Schriftrolle steht, was an mir geschehen ist. Deinen Willen zu tun, mein Gott, macht mir Freude, deine Weisung trag’ ich im Herzen“ (Ps 40,8 f.). Diesen Psalm beten wir im Wortgottesdienst des heutigen Sonntags. 3. „Ja, ich komme“: Diese Worte legt der Hebräerbrief dem ewigen Sohn in den Mund, dem Wort - als es „Fleisch wird“. Denn es „wird Fleisch“: Indem er Mensch wird, „kommt“ der ewige Sohn, um hier auf Erden unter den Menschen und für die Menschen den Willen des Vaters zu erfüllen. Und das geschieht durch das Wirken des Heiligen Geistes. Es erfüllt sich durch den Gehorsam der Jungfrau aus Nazaret, die — dazu berufen, die Mutter des Wortes zu sein - antwortet: „Mir geschehe, wie du gesagt.“ 4. All das schließt unseren „Engel des Herrn“ ein. Die Kirche empfiehlt uns, jeden Tag, ja dreimal täglich uns auf all das neu zu besinnen. Es ist in der Tat notwendig, daß wir uns mit unablässiger Beharrlichkeit auf die Herzmitte des Geheimnisses besinnen, das uns bis auf den Grund enthüllt hat, daß „Gott die Liebe ist“; das uns in der ganzen Tiefe jener Liebe, die Er ist, mit Gott vereint hat. In dieser Liebe müssen wir bleiben. 5. Ende dieser Woche werde ich meine apostolische Reise nach Venezuela, Ekuador, Peru und Trinidad-Tobago antreten. Ich reise in diese Länder und nehme damit die von ihnen an mich ergangenen Einladungen an. Ich mache diese Reisen vor allem, um die Brüder und Schwestern, die zur großen katholischen Familie gehören, im Glauben zu stärken, sie zu 21 A UDIENZEN UND ANGELUS ermutigen, den Anforderungen ihrer christlichen Berufung entsprechend zu leben. Aber ich mache die Reisen auch, um mit allen Personen guten Willens zusammenzutreffen, die aufrichtig den Fortschritt der Menschheit in Eintracht und Frieden wünschen. Denn ich bin davon überzeugt, daß in der evangelischen Botschaft die Antwort auf die entscheidenden Fragen der modernen Welt enthalten ist, und ich fühle auf mir als Nachfolger des Petrus die Last der Verantwortung, nichts unversucht zu lassen, um der Sache der Gerechtigkeit und der Solidarität unter den Angehörigen ein und desselben Vaterlandes und zwischen den Nationen im Hinblick auf eine bessere Zukunft zu dienen. Euch alle und alle, die mich jetzt hören, bitte ich um den Beistand ihres Gebets, damit die pastoralen Zielsetzungen meiner Pilgerreise in diesen Ortskirchen erreicht werden. Nach dem Angelus sagte der Papst: Besonders herzlich begrüße ich die Jugend der Katholischen Aktion, die sich auf diesem Platz eingefunden hat und diesen Tag dem Thema Frieden widmet; damit gibt sie Antwort auf die diesjährige Neujahrsbotschaft: „Frieden und Jugend, zusammen unterwegs.“ Am vergangenen Sonntag haben mir einige von euch anläßlich meines Besuches in der Kirche San Carlo am Corso zwei Tauben geschenkt und den Wunsch ausgesprochen, ich möge sie von diesem Fenster aus, das sich zum Zeichen des Friedens für die Welt öffnet, fliegen lassen. Gern vollziehe ich diese Geste, die uns die Handlung des Erzvaters Noah in Erinnerung ruft (vgl. Gen 8,8), als er nach der Sintflut eine Taube aus der Arche freiließ, und dabei wünsche ich für die ganze Welt den so sehr ersehnten Frieden, dessen Symbol die Tauben sind. Am 9. Januar habe ich während der Generalaudienz meine tiefe Besorgnis über die Gewalttaten, deren Opfer in letzter Zeit in einigen Ländern Priester und Ordensleute geworden sind, ausgedrückt. In dieser Woche hat uns die Nachricht von einem weiteren schmerzlichen Vorfall erreicht: die Ermordung eines italienischen Karmelitenmissionars, P. Sergio Sorgon, auf Madagaskar. Er ist, wie es scheint bei einem Raubüberfall, grauenhaft verstümmelt worden. Wir wollen für ihn um die ewige Ruhe und für seine so schwer geprüfte Ordensfamilie und seine Angehörigen um Trost beten. Wenden wir uns gemeinsam an den Herrn, daß er überall auf Erden das Gefühl der Achtung vor dem Leben und der Brüderlichkeit unter seinen Kindern — ein wesentliches Fundament des. menschlichen Zusammenlebens - wecke. 22 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich die anwesenden deutschsprachigen Pilger. Mit besonderer Freude habe ich von der bevorstehenden Sonderkollekte „Ein Tag für Afrika“ durch die Deutsche Caritas, Misereor und andere katholische Hilfsorganisationen in der Bundesrepublik Deutschland erfahren. Von Herzen begrüße und empfehle ich diese außerordentliche gemeinsame Initiative gegen den Hunger unter den Ärmsten der Armen. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“, sagt Christus. Indem ihr ihm in den Hungernden Afrikas eure Liebe erweist, wird er selber auch eure hochherzigen Spenden und Opfer für sie reich lohnen. Alle, die an Jesus Christus glauben Ansprache bei der Generalaudienz am 23. Januar 1. In dieser Woche des besonderen Gebets für die Einheit der Christen ist es gut, wenn wir miteinander über dieses allen Getauften gemeinsame Anliegen nachdenken. In der ganzen Welt kommen in diesen Tagen Katholiken, Orthodoxe, Anglikaner und Protestanten zusammen, um miteinander den Herrn um das Geschenk der vollen Einheit zu bitten. Auf der südlichen Hemisphäre wird diese Gebetswoche über dasselbe Thema vor Pfingsten gehalten. Das eine Thema und das eine Ziel bewirken einen Einklang, der einen Vorgeschmack von der Eintracht der vollen Gemeinschaft bietet. In diesem Jahr findet die Gebetswoche für die Einheit zwanzig Jahre nach der Promulgation des Konzilsdekrets über den Ökumenismus, Unitatis redintegratio, statt. Seit jenem Tag (21. November 1964) bis heute hat die ökumenische Bewegung unvorhergesehene Ausbreitung erfahren. Allein Gottes Gnade konnte das alles anregen. Die Antwort der Gläubigen aber war hochherzig, manchmal durchlitten, immer aber von dem Wunsch bestimmt, in Einklang mit der christlichen Berufung ein neues Verhältnis zu den anderen Christen herzustellen. In den anderen, den bisher unbekannten oder sogar vermeintlichen Gegnern, wieder das Antlitz des Bruders zu entdecken, ist ein unbezahlbares Geschenk des Herrn, der alle in die Glaubens- und Liebesgemeinschaft berufen hat, die die Kirche Gottes ist. 23 A UDIENZEN UND ANGELUS Das Konzilsdekret über den Ökumenismus hat die katholischen Prinzipien für die Beteiligung an der ökumenischen Bewegung aufgezeigt, hat Mittel für ihre Anwendung empfohlen, die anderen Christen als Brüder mit einer eigenen Geschichte vorgestellt, die es sorgfältig zu beachten gilt, wenn man mit ihnen in Dialog treten will, um jene Unterschiede abzubauen, die das Ärgernis der Spaltung verursacht haben. Die katholische Kirche hat sich so auf den Dialog nach vielen Seiten hin eingelassen und ist mit allen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften des Ostens und des Westens in direkten Dialog getreten. Diese Dialoge, die getrennt voneinander geführt werden, um die spezifischen Unterschiede gründlich zu untersuchen, streben schließlich ein einziges Ziel an: die Unitatis redintegratio, die Wiederherstellung der vollen Einheit aller Christen. Es handelt sich um einen komplexen und heiklen Prozeß. Er umfaßt Probleme des Glaubens, der Lehre, der Liturgie und der Disziplin. Mit unterschiedlicher Kompetenz, Vorgehensweise und Verantwortung betrifft er alle Getauften, sowohl die Hirten und Theologen in ihren Bemühungen um den Dialog als auch alle anderen Gläubigen in ihrem christlichen Alltagsleben (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 5). In dieser Komplexität zeichnen sich in den Texten, die die verschiedenen gemischten Dialogkommissionen veröffentlichen, wichtige Übereinstimmungen über wesentliche Probleme für die Wiederherstellung der vollen Einheit ab. Diese positiven Ergebnisse ermutigen zur Fortführung des brüderlichen Kontakts und des theologischen Dialogs. Anderseits spornen zur Weiterführung gerade auch die aufgetretenen Schwierigkeiten sowie die noch nicht angeschnittenen Probleme an. Das Dekret Unitatis redintegratio bietet weiterhin einen starken Ansporn und sichere Richtlinien, um das vom Herrn selbst gesetzte Ziel zu erreichen: die volle Einheit. <3> <3> Durch das Gebet gewinnt die gesamte ökumenische Bewegung Unterstützung, Inspiration und Zusammenhalt. Jahr für Jahr ruft uns diese besondere Woche zur Sammlung auf und spornt uns zu vermehrtem Bemühen an. Die verschiedenen Themen zum Nachdenken, die in gemeinsamer Absprache zwischen unserem Sekretariat für die Einheit der Christen und dem Ökumenischen Rat der Kirche empfohlen werden, lassen uns miteinander wesentliche und sich ergänzende Aspekte der vollen Einheit aller Christen betrachten. Das Thema dieses Jahres unterstreicht die von Jesus Christus vollbrachte Erlösung, die uns „aus dem Tod ins Leben“ geführt hat. „Gott, der voll Erbarmen ist, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner 24 AUDIENZEN UND ANGELUS großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus wieder lebendig gemacht“ (Eph 2,4). Diese geheimnis- und erbarmungsvolle Wirklichkeit schließt alle ein, die an Jesus Christus glauben. Das Dekret über den Ökumenismus hat festgestellt, daß alle Christen in der Taufe durch den Glauben gerechtfertigt sind (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 3), und hinzugefügt: „Der Mensch wird durch das Sakrament der Taufe, wenn es gemäß der Einsetzung des Herrn recht gespendet und in der gebührenden Geistesverfassung empfangen wird, in Wahrheit dem gekreuzigten und verherrlichten Christus eingegliedert und wiedergeboren zur Teilhabe am göttlichen Leben“ (ebd., Nr. 22). Alle anderen Christen sind also unsere Brüder und stehen in einer gewissen wahren und tiefen, wenn auch noch nicht vollen Gemeinschaft mit der katholischen Kirche. Diese unsere gemeinsame Situation als in Jesus Christus Erlöste drängt zur vollen Einheit. Die Taufe will dazu führen, die Fülle des Lebens in Christus zu erlangen, den Glauben unverkürzt zu bekennen, voll in die Heilsinstitution, wie Christus sie gewollt hat, einzugliedern und schließlich die Eucharistie des Herrn gemeinsam zu feiern. Die in der einen Taufe verwirklichte gemeinsame Erlösung stellt die innere Dynamik der Gnade zur vollen Einheit hin dar. Die Suche nach der Einheit wird darum nicht von irgend etwas Äußerem oder Zufälligem motiviert. Sie entstammt innerlich unserem Glauben an den einen Herrn, der „für uns Menschen und um unseres Heiles willen“ Mensch geworden und am Kreuz gestorben ist, um uns alle zu erlösen. Die Situation der Welt macht jedoch heute das christliche Zeugnis der Versöhnung und Einheit noch dringender nötig. Es bedarf eines neuen Zeugnisses der Einheit, um die in der Welt vorhandenen positiven Anregungen für ein friedliches Zusammenleben zu fördern und die Versuchungen zu Tod und Haß auszumerzen und zu vermeiden, die sich unter den Menschen verbreiten. Folgen wir daher der Einladung des Apostels Paulus im Brief an die Epheser, dem ja auch das Thema dieser Gebetswoche entnommen ist: „Ich ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“ (Eph 4,1-3). Von dieser Berufung her trage jeder seinem Dienst und seinem Amt in der Kirche entsprechend zum Aufbau des Leibes Christi bei, „damit wir alle zur Einheit im Glauben gelangen“ {Eph 4,13). 25 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Darum laßt uns nun alle beten und gemeinsam sprechen: Gewähre uns, Herr, Frieden und Einheit. Der Friede Christi leite uns in unserem Leben: Im Frieden hat uns Gott alle dazu berufen, einen einzigen Leib zu bilden. Jesus Christus hat in seinem Fleisch jede Trennungsmauer niedergerissen; durch seinen Tod am Kreuz hat er alle Feindschaft getilgt. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe. Ein Leib, ein Geist, eine Hoffnung, zu der wir alle berufen sind. Gewähre uns, Herr, Frieden und Einheit. Laßt uns beten: Vater, schenke uns die Gnade, einander zu lieben, damit wir in der Einheit des Geistes unseren Glauben bekennen, indem wir in Eintracht und heiligem Frieden leben als Zeugen des Evangeliums vom Heil in dem einen Herrn des Himmels und der Erde, Jesus Christus, deinem Sohn, der lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die Gebetswoche für die Einheit der Christen vereint alle Getauften im gemeinsamen Bittgebet um die volle Gemeinschaft zwischen allen christlichen Kirchen. Seit der Veröffentlichung des Konzilsdekretes Unitatis redintegratio vor zwanzig Jahren hat die ökumenische Bewegung eine ungeahnte Ausbreitung gefunden. Die getrennten Christen haben sich wieder neu als Brüder kennen- und schätzengelernt, die durch das Sakrament der Taufe schon vieles gemeinsam besitzen und zur vollen Einheit im Glauben und in der Liebe berufen sind. Der Weg dorthin ist verwickelt und schwierig. Er fordert die Anstrengungen aller Christen entsprechend ihrer Zuständigkeit und Verantwortung. Die schon erarbeiteten Texte der verschiedenen gemischten Kommissionen zeigen wichtige Konvergenzen in wesentlichen Fragen für die Wiederherstellung der vollen Einheit. Es bedarf in einer besonderen Weise des Gebetes aller Christen. Das Thema der diesjährigen Gebetswoche lautet: „Durch Liebe zum Leben befreit.“ Es unterstreicht, daß alle Getauften bereits die Gnade der Erlösung durch Christus besitzen. Das Konzilsdekret über den ökumenis-mus hat erneut betont: „Der Mensch wird durch das Sakrament der Taufe ... in Wahrheit dem gekreuzigten und verherrlichten Christus eingegliedert und wiedergeboren zur Teilhabe am göttlichen Leben“ ( Unitatis redintegratio, Nr. 22). Deshalb sind alle Getauften unsere Brüder und uns schon zutiefst verbunden. In der gemeinsamen Taufgnade liegen die tiefste Wurzel und der stärkste Antrieb für die Wiederherstellung der vollen Einheit unter allen Christen. 26 AUDIENZEN UND ANGELUS Indem ich heute das Gebet für die Einheit euch allen aufrichtig empfehle, bitte ich auch um euer Gebetsgedenken für meine bevorstehende Pasto-ralreise nach Lateinamerika. Von Herzen erteile ich euch und allen euren lieben Angehörigen meinen besondern Apostolischen Segen. „Sie verlangen soziale Gerechtigkeit“ Vor dem Angelus am 10. Februar 1. In dem heutigen Sonntagsevangelium kommt Simon Petrus zu Jesus, der im Gebet verweilt, und sagt zu ihm: „Alle suchen dich“ (Mk 1,37). Unser häufiges Gebet ist notwendig; notwendig ist das Gebet des „Engel des Herrn“ dreimal am Tag; notwendig ist auch dieses gemeinsame Gebet des „Engel des Herrn“ auf dem Petersplatz, um Christus zu sagen: „Alle suchen dich“, um ihm das in Verbindung mit Maria, seiner und unserer Mutter, zu sagen! Ja, „alle suche dich“, Jesus Christus! Viele suchen dich direkt, indem sie dich voll Glaube, Hoffnung und Liebe beim Namen nennen. Es gibt solche, die dich indirekt suchen: durch die anderen. Und es gibt andere, die dich suchen, ohne es zu wissen... Und dann gibt es auch jene, die dich suchen, auch wenn sie dieses Suchen in Abrede stellen. Trotzdem suchen dich alle, sie suchen dich vor allem, weil du sie zuerst suchst; weil du für alle im Schoß der jungfräulichen Mutter Mensch geworden bist; weil du um den Preis deines Kreuzes alle erlöst hast. Auf diese Weise hast du den verworrenen und unwegsamen Wegen der Menschenherzen und der Bestimmung des Menschen den Weg eröffnet. An dich, der du der Weg, die Wahrheit und das Leben bist, wenden wir uns in diesem Gebet durch das Herz deiner Mutter, der seligsten Jungfrau Maria. <4> <4> Während wir heute auf diesem Platz in Rom unseren sonntäglichen Angelus beten, habe ich noch all jene Brüder und Schwestern vor Augen, die ich auf dem amerikanischen Kontinent besuchen konnte: in Venezuela, Ekuador, Peru und (auf dem Rückflug) in Trinidad-Tobago. Ich 27 AUDIENZEN UND ANGELUS habe jene Scharen von Söhnen und Töchtern der Kirche vor Augen, die vom Papst nicht lassen wollten auf allen Straßen seiner Pilgerfahrt. Tief hat sich meinem Herzen die dringende Bitte um Segen eingeprägt, die soviel aussagt über die Sehnsucht nach Gott, die diese Völker im Herzen tragen. Und zugleich ist darin das Verlangen nach Brot, das Verlangen nach sozialer Gerechtigkeit hörbar, dem die Wahrheit des Evangeliums durch den Evangelisierungsdienst der Kirche entgegenkom-men muß. Ihnen allen, von denen uns eine große, räumliche Distanz trennt und die zugleich dem Herzen der Kirche, das hier in Rom schlägt, so nahe sind, antworte ich noch einmal mit einem ganz herzlichen Danke und mit dem Segen im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit. Nach dem Angelus sagte der Papst: In unserer Diözese wird heute der „Tag des Gebets und der Spendensammlung für die neuen Kirchen und die religiöse Betreuung in den Randgebieten Roms“ begangen. Als Bischof von Rom richte ich einen dringenden Appell an die Priester, Ordensmänner, -frauen und die Gläubigen, zu diesem Anlaß ihren aktiven Beitrag zu leisten. Das Problem der religiösen Betreuung der Randgebiete der Stadt und die Errichtung neuer Pfarrkirchen sind aufs engste mit verschiedenen und heiklen Problemen sozialen und zivilen Charakters unserer Diözese verbunden: In den Zonen, wo die Kirche für die Eucharistiefeier und den Gottesdienst fehlt und wo keine geeigneten Räume für gesunde Erholung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen vorhanden sind, fühlen sich die Menschen und Familien gleichsam verlassen und verschiedenen Gefahren ausgesetzt, da ihnen der nötige Bezugspunkt fehlt, der ihnen helfen kann, als Gemeinde im christlichen Glauben zu wachsen und zu reifen. Ich empfehle daher Freigebigkeit und Engagiertheit für das Gelingen dieses Tages! 28 AUDIENZEN UND ANGELUS „Ich besuchte den Kontinent der Hoffnung“ Ansprache bei der Generalaudienz am 13. Februar 1. Heute möchte ich Gott, dem Guten Hirten, meinen tiefen Dank bekunden für den Dienst, den ich vom 26. Januar bis zum 6. Februar an der Kirche in Lateinamerika erfüllen durfte. Konkret: in Venezuela, Ekuador und Peru und, auf dem Rückflug, der Aufenthalt in Trinidad-Tobago. Die Bischöfe der genannten Länder hatten den Wunsch geäußert, der Bischof von Rom möge als Nachfolger Petri mittels seines pastoralen Amtes einige Tage lang an jener ständigen, systematischen apostolischen Arbeit teilnehmen, die sie zusammen mit dem Klerus und den Laien in den ihnen anvertrauten Ortskirchen ausüben. Dieser pastorale Dienst ist ein besonderer Ausdruck der Kollegialität der Bischöfe; er nimmt auch Bezug auf die ursprüngliche Tradition des apostolischen Besuchs und unterstreicht die Einheit und Katholizität der Kirche. Man kann sagen, daß sich darin der Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils widerspiegelt, insbesondere seine Ekklesiologie. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch den Kirchen und der Bevölkerung meine Dankbarkeit bekunden, deren Gastfreundschaft ich während der vergangenen Tage erleben durfte. Ich danke den Staatsoberhäuptern und den Verwaltungsorganen der verschiedenen Bereiche, die meinen Besuch erheblich erleichtert haben. <5> <5> Die drei Tage, die ich in Venezuela verbrachte, ließen mich mit den Problemen der Kirche in jenem Land näher vertraut werden und an den apostolischen Aufgaben teilnehmen, die sie zu bewältigen hat. Zusammengefaßt wurden diese Aufgaben zuvor in einer mehrmonatigen Volksmission, die dem Papstbesuch vorausgegangen war. Der Besuch selbst, der knapp drei Tage umfaßte, sollte allumfassend und zugleich notwendigerweise selektiv sein. Ich meine dennoch, daß ich die Möglichkeit hatte, dem nahezukommen, was das eigentlich Charakteristische an Geographie und Struktur der pastoralen Arbeit der Kirche in Venezuela ist. Die Hauptstadt des Landes, Caracas, bildete das Hauptzentrum für die Begegnungen. In Erinnerung habe ich vor allem die Konzelebration vor dem Gnadenbild Unserer Lieben Frau von Coromoto, der Patronin des Landes. Die Statue, die in ihrem neuen Heiligtum in Guanare verehrt werden soll, wurde in die Hauptstadt gebracht. Die zweite Großstadt an 29 A UDIENZEN UND ANGELUS der Westküste, Maracaibo (eine der Mittelpunkte der Erdölförderung), hat uns in eine andere Gegend der religiösen Tradition und der apostolischen Dynamik an der Karibikküste geführt. Und dann ging es nach Süden, in das Andengebiet, in die Stadt Merida, wo die religiösen Traditionen der hauptsächlich ländlichen Bevölkerung tief verwurzelt und noch immer lebendig sind. Schließlich die vierte Station: ein wachsendes, ausgedehntes Industriezentrum in Ciudad Guayana am Orinoco und zugleich eine junge Diözese, die sich mit den keineswegs leichten Aufgaben der Seelsorge in der Industriewelt konfrontiert sieht. Auf diese geographische Struktur des Besuches wurden auch die Themen abgestimmt. Die Begegnung mit den Bischöfen und der Überblick über die Geschichte der Kirche im Land, das seine Unabhängigkeit mit der Gestalt des Simon Bolivar in Verbindung bringt. Die Familie stand als Thema im Mittelpunkt der Zusammenkunft in Caracas; die Begegnung galt den Priestern, den Ordensmännern, Ordensfrauen und den Mitgliedern der Säkularinstitute, dann den wichtigsten Vertretern des Laienapostolates (darunter dem CLAT und den Mitarbeitern der Medien), der Jugend und schließlich der Welt der Arbeit, vor allem den Industriearbeitern in Ciudad Guayana. Venezuela hat eine Fläche von ungefähr 1 Million Quadratkilometern und etwa 16 Millionen Einwohner. Die Mehrheit wohnt nahe der Atlantikküste. Das weite Landesinnere ist kaum besiedelt, und die Seelsorge weist missionarischen Charakter auf. Auch wenn sich der Besuch auf einige Städte konzentrierte, hat man alles getan, damit sich das ganze Land und die ganze Kirche Venezuelas eingeschlossen fühlten. Hauptaufgabe für die Zukunft scheint zu sein, auf dem Hintergrund der lebendigen religiösen Tradition das Bewußtsein der Berufung als Christ und besonders die einheimischen Priester- und Ordensberufe zu festigen. Dazu kommt die Erhaltung und Entwicklung der positiven Traditionen, was die Verwirklichung der kirchlichen Soziallehre in den verschiedenen Lebensbereichen betrifft. <6> <6> Das Leben der Kirche in Ekuador konzentriert sich auf drei Provinzen (oder Großräume): Quito, Cuenca und Guayaquil. Diese drei Städte bildeten denn auch die drei Hauptetappen des Papstbesuches. In Quito, der Hauptstadt des Landes, galt der offizielle Teil des Besuches den staatlichen Autoritäten. Unter kirchlichem Aspekt haben wir in Quito eine feierliche Messe zum Gedenken an die vor 450 Jahren begonnene Evangelisierung Ekuadors zelebriert. Der Charakter der Stadt ist zugleich Zeugnis für den großen Beitrag, den Quito zur Geschichte der Verkündi- 30 AUDIENZEN UND ANGELUS gung des Evangeliums geleistet hat, sowie er auch Zeugnis gibt von der Geschichte der Kultur des Landes. Vor diesem Hintergrund gewannen die einzelnen Begegnungen ihre rechte Bedeutung: die mit den Bischöfen und dem Klerus in der Kathedrale bereits am ersten Abend; die mit den Jugendlichen, den Mitarbeitern der Medien (dem katholischen Nationalsender), den Ordensfrauen, den Vertretern von Kultur und Wissenschaft, der Arbeitswelt und dem Diplomatischen Korps, das in die Apostolische Nuntiatur eingeladen wurde. In Cuenca: feierliche Konzelebration für die Familie und die Priester- und Ordensberufe. In Guayaquil, der größten Stadt an der Pazifikküste, galt der erste Abend dem marianischen Programm in der neuen Kirche der Madonna von Tschenstochau und vor allem im Heiligtum der Alborada unter zahlreicher Beteiligung von Jugendlichen. Am folgenden Tag Besuch des Elendsviertel „Guasmo“ am Stadtrand von Guayaquil, wo die Priester und Ordensschwestern unter den Ärmsten, den in die Stadt Zugewanderten, arbeiten. Dann die Eucharistiefeier mit der Seligsprechung von Mutter Mercedes de Jesus Molina, Gründerin des ersten Frauenordens in Ekuador. Ein eigenes Kapitel des Besuches war die Begegnung mit den Eingeborenen und den Urbewohnern dieses Landes, den Indios, in Latacunga. Die Begegnung war reich an grundsätzlichen Inhalten sozialer Art, wie denn das Problem der gerechten Beteiligung der Indios am Leben Ekuadors von ihnen selbst und von der Kirche aufgeworfen wurde. Ebenso die Frage der sozialen Ungleichheiten, die noch immer auf eine gerechtere Lösung wartet. Die Kirche in Ekuador mit ihren Bischöfen, dem Klerus, den Ordensleuten (die sich große Verdienste erworben haben) und dem zunehmenden Apostolat der Laien scheint tief mit der Gesellschaft verbunden zu sein. Der Papstbesuch wurde lange vorbereitet; davon zeugen die unzähligen Beichten, die Kreuze, die von den Teilnehmern an die Begegnungsorte getragen wurden, und nicht zuletzt die großen Scharen von Menschen bei allen Feiern, in den Straßen und auf den Wegen. Auch wenn nicht alle Regionen des Landes besucht werden konnten, so hatte man doch den Eindruck, daß ein Großteil der Einwohner aus den verschiedenen Gebieten gekommen war, um daran teilzunehmen. <7> <7> Peru ist ein ausgedehntes Land (1300 000 Quadratkilometer, 18230000 Einwohner): Es umfaßt drei geographische Zonen (Küste, Hochland und Urwald). Ebenso verschieden ist es nach seiner ethnischen 31 AUDIENZEN UND ANGELUS Zusammensetzung. Hier bestand einst das Inkareich, und ein nicht geringer Teil der Bevölkerung spricht noch heute seine Sprachen (Quechua, Ayamara und andere). Zugleich ist das ganze Land katholisch, und die Kirche verbindet seine Bewohner auf besondere Weise. Weitreichend sind auch die sozialen Probleme, und groß ist die Verantwortung der Kirche für eine gerechte Lösung. Der Besuch begann in Lima. Die alte Kathedrale ist eines der ersten Zentren der Evangelisierung in Lateinamerika. Lima ist auch die Stadt zweier Heiliger dieses Kontinentes, der hl. Rosa und des hl. Martin von Porres. Das Programm des ersten Abends nahm seinen Anfang mit dem Besuch der Kathedrale und der Verehrung der Reliquien der beiden Heiligen; dieser Abend war den lebendigen Kräften der Kirche in Peru, dem Klerus und den Laien, gewidmet. Dann folgte der Besuch in der Residenz des peruanischen Staatspräsidenten, auf dessen Ersuchen hin ich den Vertretern der staatlichen Behörden und des Parlaments den Segen erteilte. Das weitere Besuchsprogramm führte uns in viele Orte des Landes, wo sich die Bewohner der einzelnen Regionen zur Liturgie und zum Gebet einfanden und dem Wort des Papstes lauschten. Ich besuchte folgende Orte: Arequipa, wo ich die Schwester Ana de los Angeles Monteagudo seligsprach und die Muttergottesstatue von Chapi krönte (2. Februar). Danach Cuzco, die Hauptstadt des alten Inkareiches, wo ich das Gnadenbild Unserer Lieben Frau von Paucartambo krönte und vor den Ureinwohnern, den Indios, einer Bevölkerung, die vorwiegend in der Landwirtschaft arbeitet, predigte (3. Februar). Darauf Ayacucho: das Angelusgebet und die Ansprache gegen die Gewalt. Am 4. Februar begann der Besuch im Norden, zunächst in Callao (Ansprache zum Thema: Kranke -Leiden, dann in Piura (Thema: Evangelisierung, denn hier begann die Evangelisierung im 16. Jahrhundert); schließlich in Trujillo (Eucharistiefeier mit Menschen aus der Arbeitswelt). Am letzten Tag, 5. Februar, Iquitos: Begegnung mit den Gemeinschaften der Eingeborenen des ama-zonischen Urwaldes. Jeden Tag kehrten wir in die Hauptstadt zurück; sie zählt sechs Millionen Einwohner, ein Drittel der Gesamtbevölkerung Perus. Dort fanden die wichtigsten Begegnungen statt: mit der Jugend (2. Februar); am Sonntag, 3. Februar, die Familienmesse mit Priesterweihe, die Begegnung mit dem Episkopat und der Besuch am Sitz der Bischofskonferenz sowie die Begegnung mit dem Diplomatischen Korps. Schließlich am Tag der Abreise (5. Februar) der Besuch in einem der „pueblos jovenes“, der Randviertel der Zuwanderer, einem der vielen Elendsviertel. 32 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Dieser Überblick gibt nur unzureichend die Atmosphäre des Besuches wieder, die überall von lebendigem Glauben, von Liebe und Vertrauen zur Kirche erfüllt war. Immer wieder wurde um den Segen (bendiciönl) gebeten, ein besonderer Ausdruck der Religiosität unserer Brüder im westlichen Teil Südamerikas. Ihre dringendsten Bedürfnisse scheinen sich in den Worten der Sprecher der „pueblos jövenes“ in Lima auszudrücken: „Hunger nach Gott und Hunger nach Brot.“ Ersterer ist ihr geistlicher Reichtum, und es muß alles getan werden, um ihn zu erhalten und zu vertiefen. Der zweite hängt mit der Armut und der Benachteiligung weiter Kreise und auch mit dem immer bewußteren Ruf nach sozialer Gerechtigkeit zusammen. Es muß alles zur Verwirklichung dieser Gerechtigkeit unternommen werden, ohne Gewalt und Totalitarismus, sondern vielmehr unter Wahrung der demokratischen Ordnung, mit der jene Gemeinschaften ehrlich verbunden sind. Niemals darf es jemandem an Brot fehlen! 6. Der kurze Besuch in Trinidad-Tobago war nicht nur ein „Anhängsel“ an die drei Länder Bolivaris. Die weltlichen und kirchlichen Gastgeber haben ihr Möglichstes getan, um diesen Aufenthalt zu einem wirklichen Besuch werden zu lassen. Dafür möchte ich ihnen meinen Dank aussprechen. Vor allem freut es mich, daß diese ihrer Herkunft nach so gemischte Gesellschaft, der jahrhundertelang das bittere Los der Sklaverei und der kolonialen Abhängigkeit beschieden war, heute eine Gesellschaft freier Bürger und ganz offensichtlich für diese Freiheit reif ist. Dann gebe ich meiner Freude darüber Ausdruck, daß die Kirche, die die ökumenische Tätigkeit und die Zusammenarbeit mit den Vertretern anderer Religionen (besonders mit den Hindus) aufgenommen hat, ihr Leben auf authentische Weise lebt und dem Wohl der gesamten Gesellschaft von Trinidad-Tobago dient. Der Name Trinidad geht bekanntlich auf Christoph Kolumbus zurück, der auf diese Weise die Heiligste Dreifaltigkeit ehren wollte. Noch einmal danke ich der Heiligsten Dreifaltigkeit, daß sie mir die Durchführung dieser apostolischen Pilgerreise gewährt hat! In ihrem Namen segne ich euch alle, liebe Brüder und Schwestern, und schließe in meinen Segen von Herzen alle Völker ein, denen ich in jenen Ländern des Kontinents der Hoffnung begegnet bin. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Bei der heutigen Audienz möchte ich Gott, dem Guten Hirten, meinen tiefen Dank bekunden für die Gnade der kürzlichen Pastoraireise nach 33 AUDIENZEN UND ANGELUS Venezuela, Ekuador, Peru und Trinidad-Tobago. Dieser pastorale Dienst des Bischofs von Rom in Gemeinschaft mit den Bischöfen der verschiedenen Ortskirchen ist ein besonderer Ausdruck ihrer Kollegialität und unterstreicht die Einheit und Katholizität der Kirche. Mein Dank gilt allen besuchten Kirchen sowie den staatlichen Behörden der verschiedenen Länder für die mir zuteil gewordene Gastfreundschaft und die vielfältige Unterstützung. Meine Reise führte mich zuerst nach Venezuela. An den verschiedenen Orten begegnete ich der reichen religiösen Tradition dieses Landes. Mit besonderer Freude erinnere ich mich an die Eucharistiefeier zu Ehren der Gottesmutter von Coromoto, der Patronin Venezuelas. Die Pastoral hat in den weiten, dünnbesiedelten Gebieten noch einen ausgesprochen missionarischen Charakter. Die Hauptaufgabe für die Zukunft wird es sein, das Bewußtsein der christlichen Berufung zu festigen und besonders die einheimischen Priester und Ordensberufe zu fördern. Hier wie in Ekuador begegnete ich an den einzelnen Orten den verschiedenen kirchlichen Gruppen: vor allem den Bischöfen, Priestern und Ordensleuten; den Laien, der Welt der Kultur und der Arbeit sowie den staatlichen Vertretern. Eine besondere Aufmerksamkeit gebührt in Ekuador den Ureinwohnern, den Indios, mit ihren Forderungen nach Gleichberechtigung und sozialer Gerechtigkeit. Religiöse Höhepunkte dieser Pastoraireise waren die beiden Seligsprechungen: von Schwester Mercedes de Jesus Molina in Guasmo (Ekuador) und von Schwester Ana de los Angeles Monteagudo in Arequipa in Peru. In der Hauptstadt Lima konnte ich die beiden Heiligen des lateinamerikanischen Kontinents verehren: die hl. Rosa und den hl. Martin de Porres. In Ayacucho wandte ich mich besonders gegen die Anwendung von Gewalt und Terror zur Lösung sozialer Fragen. Überall und immer stärker ist in diesen Ländern der Schrei nach sozialer Gerechtigkeit zu hören. Man muß alles tun, um diese zu verwirklichen, jedoch ohne Gewalttätigkeit und ohne Totalitarismus. Den Abschluß meiner Reise bildete schließlich der kurze Besuch in Trinidad-Tobago. Wo viele einmal das bittere Los der Sklaverei erduldet haben, ist heute eine Gemeinschaft von freien Menschen verschiedenster Herkunft und Religion. Toleranz und gegenseitige Achtung bilden die Grundlage ihres friedlichen Zusammenlebens. Mit diesem kurzen Rückblick auf meine letzte Pastoraireise grüße ich herzlich alle deutschsprachigen Audienzteilnehmer. Mit besten persönlichen Wünschen erteile ich euch und euren Lieben in der Heimat meinen besonderen Apostolischen Segen. 34 AUDIENZEN UND ANGELUS „Zeichen seiner Heilsmacht“ Vor dem Angelus am 17. Februar 1. „Jesus zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden“ {Mt 4,23). Diesen Jesus wollen wir mit unserem Gebet des „Engel des Herrn“ grüßen und anbeten. Denn er ist es, der der Jungfrau Maria aus Nazaret bei der Verkündigung geoffenbart wurde. Jener Jesus, der ewige Sohn Gottes, der durch den Heiligen Geist im Schoß Mariens als Mensch empfangen wurde, als sie auf die Worte des Erzengels antwortete: „fiat“ -„mir geschehe!“ „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ {Lk 1,38). Das ist Jesus von Betlehem und von Nazaret. Gottes- und Menschensohn. Als der dafür vorherbestimmte Zeitpunkt gekommen war, begann er die Frohbotschaft vom Reich zu verkünden und „im Volk alle Krankheiten und Leiden“ zu heilen. <8> <8> Ja, ihn wollen wir heute, kurz vor Beginn der jährlichen Fastenzeit, anbeten. Wir wollen ihn einladen und bitten, daß er mit derselben - und zugleich immer neuen - Macht „das Evangelium vom Reich verkünde“ in dieser Zeit des Kirchenjahres, die eine so wichtige und herausragende Rolle im Leben der ganzen Kirche spielt. Wir wollen ihn auch um die „Zeichen“ dieser Heilsmacht bitten, die zu den Menschen unserer Zeit sprechen sollen, so wie sie einst zu Beginn des Neuen Bundes zu Israel gesprochen haben. Wir wollen ihn in unsere Gemeinden und in unsere Herzen einladen. Wir wollen ihn bitten, daß er die Krankheiten der heutigen Menschen heilt: „alle Krankheiten“ der Seele. Und wie viele davon gibt es! Wir wollen ihn bitten, daß er uns hilft, uns zu bekehren, uns zu läutern, uns geistlich zu wandeln, uns zu erneuern. Wir wollen ihn bitten, „daß das Böse nicht Macht über uns gewinnt“. Daß er siegt: Jesus von Nazaret, unser Erlöser, der Gekreuzigte und Auferstandene. Dieses Gebet senden wir an der Schwelle der Fastenzeit 1985 zum Himmel empor. 35 AUDIENZEN UND ANGELUS Wege der Buße und der Umkehr Ansprache bei der Generalaudienz am Aschermittwoch, 20. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die heutige Audienz findet am Aschermittwoch statt, der den Beginn der Fastenzeit bedeutet. Die Lesung, die ihr soeben gehört habt, ist der Liturgie des heutigen Tages entnommen. Ihr Inhalt setzt das Bewußtsein voraus, daß wir aufgrund unserer Sünden Staub sind. Daher die Notwendigkeit, uns vor Gott zu verdemütigen. Das Auflegen der Asche bedeutet eben diesen Akt der Demut, der von der Hoffnung auf die göttliche Vergebung getragen ist. „Staub bist du, zum Staub mußt du zurück!“ (Gen 3,19). So lauten die strengen Worte, die Jahwe an unsere Stammeltern richtete, um eine der traurigen Folgen der begangenen Sünde zu verstehen zu geben. Mit dem Ausdruck „Staub“ will uns der biblische Text die Hinfälligkeit der menschlichen Natur als Folge der Erbsünde vor Augen führen. Gott hatte zwar den Menschen „aus Erde vom Ackerboden geformt“, aber er hatte in seiner schöpferischen Absicht auch „in seine Nase den Lebensatem geblasen“ (vgl. Gen 2,7), damit die materielle, irdische Dimension des menschlichen Wesens von dem „Hauch“ jenes spirituellen Lebens beseelt und geführt werde, das die menschliche Person als „nach dem Abbild und Gleichnis Gottes“ geschaffen auszeichnet (vgl. Gen 1,26-27). Durch die Sünde wurde dieses Abbild Gottes gleichsam betrübt; der Mensch verlor jene Gerechtigkeit und jene Unsterblichkeit, die er im Garten Eden besessen hatte; der „irdische“ Aspekt seines Wesens, den der hl. Paulus das „Fleisch“ nennen wird, trat im Gegensatz zum geistlichen Aspekt in den Vordergrund. Der Mensch wurde Staub, gebrechliche, hinfällige, sterbliche Wirklichkeit. Sein Durst nach dem Unendlichen, nach dem ewigen und bleibenden Leben, blieb ungestillt. Der Geist wurde zum Sklaven der niedrigen Kräfte. Es wurde der Mensch der Begierlichkeit geboren. <9> <9> Wenn uns die Liturgie des heutigen Tages an all das erinnert, so nicht deshalb, damit wir von Angst befallen werden in der Einsicht unserer traurigen Situation als dem Tod geweihte Sünder, sondern damit wir diese Lage beherzt zur Kenntnis nehmen und uns mit Glauben, gutem Willen und echter Bußbereitschaft anschicken, alle jene Mittel anzuwenden, die Jesus, der Erlöser, uns durch seine Kirche anbietet, um uns von unseren 36 AUDIENZEN UND ANGELUS Gebrechen zu heilen und uns die verlorene Würde zurückzugeben. Der Weg der Fastenzeit, den wir heute beginnen, lehrt uns, wie wir uns verhalten müssen, damit das „Ebenbild Gottes“, das trotz der Sünde in uns geblieben ist, seinen Glanz zurückgewinnen und unser Dasein somit wieder dem weisen ursprünglichen Plan des Schöpfers entsprechen kann. Es kommt vor allem darauf an - so lehrt uns der Glaube -, die Ur-Wurzel unserer Situation des Elends und der Knechtschaft zu erkennen: Diese Wurzel des Übels und des Todes ist die Sünde. Jeder von uns kann und muß mit seinem von der Gnade getragenen guten Willen dazu beitragen, diese Wurzel des Bösen aus sich selbst und der Welt auszureißen. Er kann und muß schon hier auf Erden jene radikale Lösung des Problems des menschlichen Unglücks vorbereiten, die im Himmel ihre volle Verwirklichung finden wird. Jeder von uns kann und muß, wenn er mit Eifer den heute beginnenden Weg der Fastenzeit geht, auch entscheidend mithelfen bei der Erlösung der sozialen Strukturen, der zivilen Ordnungen, des Gefüges der kirchlichen Gemeinschaft, der ganzen Menschheit. Wenn es stimmt - wie ich in meinem kürzlich veröffentlichten Dokument Reconciliatio et paenitentia (Nr. 16) gesagt habe -, daß es echte „Situationen der Sünde“ gibt, die als „kollektive Verhaltensweisen von mehr oder weniger breiten sozialen Gruppen oder sogar von ganzen Nationen und Blöcken von Staaten“ verstanden werden, dürfen wir trotzdem niemals vergessen, daß solche Situationen immer „die Frucht, die Anhäufung und die Zusammenballung vieler personaler Sünden“ sind, weil die Sünde im eigentlichen Sinn immer ein Akt des einzelnen, nie ein Akt der Gemeinschaft als solcher ist. Darum muß jeder von uns seine Verantwortung auch gegenüber den sogenannten „sozialen Situationen der Sünde“ wahrnehmen und sich bewußt sein, daß seine persönliche Bekehrung wichtige, wenn auch nicht entscheidende Auswirkungen in bezug auf die Lösung solcher Situationen mit sich bringt. <10> <10> Was weiter zu tun ist, ist ein entschlossener und unerbittlicher Kampf gegen die Sünde. Das bleibt hier auf Erden immer der erste Schritt, der um unseres Heils willen getan werden muß. Das ist der - wie ihn die geistlichen Führer herkömmlicherweise nennen - asketische Aspekt des christlichen Lebens. Ohne diesen strengen und unnachgiebigen Kampf gegen die eigenen Sünden gelangt man nicht zur christlichen Vollkommenheit der Gemeinschaft mit Gott und der brüderlichen Liebe. Solange wir hier auf Erden sind, wo der „alte Mensch“ sich immer irgendwie bemerkbar macht, dürfen wir nie denken, jener Kampf sei 37 AUDIENZEN UND ANGELUS beendet, mögen wir auch die höchsten Stufen der Gemeinschaft mit Gott und der Hingabe an die Brüder erreicht haben. Und wie uns die Heiligen lehren, ist ein Christ um so vollkommener, je mehr er seinen Weg der Buße und Umkehr zu verbessern vermag. Die christliche Vollkommenheit wächst in gleichem Maße wie die Fähigkeit, die Erfordernisse unserer Läuterung und Umkehr zu entdecken und diese immer besser zu verwirklichen. Die Heiligen haben sich auch am Ende ihres Lebens noch als Sünder betrachtet, eben deshalb, weil das Bewußtsein der eigenen Sünden und die Reue über sie ein Merkmal der christlichen Heiligkeit ist. Liebe Brüder und Schwestern, nutzen wir also jede Gelegenheit, die die Kirche uns anbietet, um auf dem Weg der Umkehr weiterzugehen. Bitten wir Gott, daß er uns hinsichtlich unserer inneren Situation immer mehr erleuchte und uns immer besser begreifen lasse, welche die Erfordernisse unserer Bekehrung sind. Versuchen wir hierzu, mit der Einfalt des Herzens die Aufforderungen zu Erneuerung und Versöhnung zu hören, die von der Kirche an uns ergehen. öffnen wir ihnen vertrauensvoll unser Herz. Nutzen wir den günstigen Augenblick: „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung!“ (2 Kor 6,2). Möge das Ostergeheimnis, auf dessen Feier wir uns durch diese Fastenzeit vorbereiten, uns auf dem Weg des Heils weiter fortgeschritten finden. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Am heutigen Beginn der Fastenzeit erinnert uns die Kirche durch die Auflegung der Asche an die Hinfälligkeit des menschlichen Lebens: „Gedenke, Mensch, daß du Staub bist und zu Staub wieder zurückkehren wirst!“ Durch die erste Sünde hat der Mensch seine ursprüngliche Gerechtigkeit und das Geschenk der Unsterblichkeit verloren. Zugleich wurde der gefallene Mensch zum Gefangenen der niedrigen Kräfte und Triebe: zum Menschen, der von der Begierde beherrscht wird. Die Kirche erinnert uns daran in der Fastenzeit, nicht um uns einzuschüchtern, sondern um uns aufzurütteln. Sie ruft uns auf, jene Heilsmittel zu benutzen, die Christus uns durch die Kirche anbietet, um unsere Schwächen und Krankheiten zu heilen und unsere verlorene Würde zurückzugewinnen. Wir müssen vor allem die Sünde als die Wurzel aller Übel erkennen und gegen sie ankämpfen. Indem wir die Sünde in unserem eigenen Leben zu überwinden suchen, tragen wir zugleich dazu bei, sündige Zustände in der Gesellschaft, im Zusammenleben der Menschen und Völker zu beheben. 38 AUDIENZEN UND ANGELUS Gefordert ist deshalb vor allem die persönliche Bekehrung, das stete asketische Bemühen des einzelnen um die Heiligung des Lebens und um die christliche Vollkommenheit, öffnen wir uns also nun in der Fastenzeit in diesem Aufruf der Kirche, denn, so sagt der hl. Paulus: „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung“ (2 Kor 6,2). Herzlich grüße ich mit diesen kurzen Erwägungen alle anwesenden deutschsprachigen Pilger und Besucher; unter ihnen besonders die Ordensschwestern, die an einem theologischen Kurs am Päpstlichen Institut „Regina Mundi“ hier in Rom teilnehmen. Ich wünsche euch durch eure Studien und den Aufenthalt in der Ewigen Stadt eine geistige Vertiefung eures Apostolates. Für eine geistlich fruchtbare Fastenzeit erteile ich euch und allen Audienzteilnehmern aus den Ländern deutscher Sprache von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. „ Würdige Früchte der Buße“ Vor dem Angelus am 24. Februar „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Munde kommt“ {Mt 4,4). 1. Diese feierliche Beteuerung aus dem Mund Christi, der vom Teufel versucht wird, führt uns in die unendliche Weite der Wüste. Dorthin hatte der Herr sich auf Geheiß des Geistes zurückgezogen, um sich in Gebet und Fasten auf die Mission vorzubereiten, die ihn erwartete. „Der Mensch lebt nicht nur von Brot...“ Diese Aussage stellt die Liturgie jedes Jahr passenderweise an den Beginn der Fastenzeit, jener Periode, in der wir aufgefordert sind, die wesentlichen Werte wiederzuentdecken, die unserem irdischen Dasein Sinn geben. Es sind nicht materielle Werte (das „Brot“ der Versuchung), sondern sie gehören dem Bereich des Geistes an, wo das „Wort, das aus Gottes Mund kommt“, zählt. <11> <11> Um dieses „Wort“ zu erfassen und seinen Reichtum richtig zu schätzen, müssen wir unser Herz bereiten für seine freudige Aufnahme. Das aber ist unmöglich, wenn wir uns nicht auf das Gebet und die Buße einlassen. Gebet und Buße: zwei Begriffe, die heute unmodern erscheinen mögen. 39 AUDIENZEN UND ANGELUS Und doch bleibt eine Tatsache bestehen, die von der Erfahrung nur zu genau bestätigt wird: Trotz des technischen Fortschritts, der ihm die Beherrschung der Natur erlaubt, gelingt es dem Menschen von sich aus nicht, sich selbst zu beherrschen. Er unterliegt seinen Instinkten und den entfremdenden Anstößen aus seiner Umgebung. Und daraus ergibt sich nun die paradoxe Konsequenz: Der Mensch fühlt sich angesichts immer größerer und komplizierterer Maschinen moralisch schließlich immer kleiner und elender, als Spielball der dunklen Kräfte seines Unbewußten oder jener nicht minder heimtückischen und mächtigen Kräfte der Massenpsychologie. 3. Um seine Freiheit wiederzuerlangen, hat der Mensch vor allem Hilfe von oben nötig, die seine von der Sünde erschütterte innere Welt wieder in Ordnung bringt: Diese Hilfe erhält er durch das Gebet. Sodann braucht er einen starken und entschlossenen Willen, der imstande ist, sich den trügerischen Einflüssen des Bösen zu entziehen, um sich mutig auf die Wege des Guten einzustellen: Das aber setzt die hochherzige Einübung in Verzicht und Opfer, das heißt den Mut zur Buße voraus, um jene Kontrolle über sich selbst zu erlangen, die ihm im Einklang mit der tiefsten Wahrheit des eigenen Daseins die mühelose Selbstbeherrschung erlaubt. Im liturgischen Jahr ist besonders die Fastenzeit dieser vorrangigen Verpflichtung des Christen gewidmet. In dem Apostolischen Schreiben Reconciliatio et paenitentia, wo ich davon sprach, habe ich unterstrichen, daß, obwohl mit dem Wort Buße in erster Linie der Wandel des Herzens gemeint ist, dieser auch die Änderung des Lebens zur Folge haben muß. So ist im „Buße tun“ notwendigerweise die Anstrengung eingeschlossen, „würdige Früchte der Buße hervorzubringen“. Und ich fügte hinzu: „Buße tun ist allerdings nur dann echt und wirksam, wenn es sich in Akten und Taten der Buße konkretisiert“ (Nr. 4). Nehmen wir, liebe Brüder und Schwestern, mit willigem Herzen den Augenblick der Gnade, den kairös Gottes, der die Fastenzeit ist, an. Auf diesem Weg des Wachsens und Reifens wird uns an den kommenden Sonntagen das eben genannte Apostolische Schreiben führen, wenn wir vor dem Angelusgebet eine kurze Betrachtung über den Wert und die Bedeutung der Bußpraxis halten. Die Jungfrau Maria, das unerreichbare Vorbild vollkommener Übereinstimmung der eigenen Wirklichkeit als Geschöpf mit dem transzendenten, liebevollen Geheimnis Gottes, stehe uns mit ihrer mütterlichen Fürbitte bei. 40 A UDIENZEN UND ANGEL US Nach dem Angelus sagte der Papst: Heute abend beginnen im Vatikan für die Römische Kurie die Exerzitien, die die ganze Woche dauern werden. Ich empfehle diese wichtigen Tage der inneren Sammlung und Reflexion eurem Gebet, damit der Herr durch die Fürsprache Mariens allen Beteiligten reiche geistliche Früchte schenke. Uns erreichte die Nachricht, daß Bischof Federico Escaler SJ, Prälat von Ipil, auf den südlichen Philippinen am vergangenen Freitag zusammen mit drei Ordensschwestern und drei Laien auf der Straße von Ipil nach Zamboanga entführt wurde. Die genauen Umstände und Beweggründe dieses ernsten Vorfalls sind unbekannt. Beten wir, daß durch die Fürbitte Mariens, Mutter der Kirche und Stütze unserer Hoffnung, der Bischof möglichst bald seiner Diözese zurückgegeben wird und daß die Ordensschwestern und die Laien nach Hause kehren können. Buße — Umkehr des Herzens Vor dem Angelus am 2. Fastensonntag, 3. März „Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören“ (Mk 9,7). 1. Wie schon bei der Taufe in den Wassern des Jordan, so bezeugt der himmlische Vater auch bei der Verklärung Jesus in feierlicher Weise: „Das ist mein geliebter Sohn.“ Auch hier am Berg der Verklärung, wo wir ihn mit der Liturgie des heutigen Sonntags sehen, fügt Gottvater ein klares Gebot hinzu: „Auf ihn sollt ihr hören!“ Auf den Sohn Gottes hören bedeutet vor allem, das vorhergegangene Gebot anzunehmen, das er von Beginn seines öffentlichen Auftretens an ebenso verkündet, wie er den Anbruch einer neuen Zeit proklamiert: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ {Mk 1,15). Dieses Gebot, liebe Brüder und Schwestern, ist während der Fastenzeit besonders eindringlich zu vernehmen. Der Weg der Fastenzeit ist ganz auf die Umkehr des Herzens ausgerichtet, das heißt auf die tiefgreifende Wandlung der Denkens- und Lebensart, die den Menschen den weltlichen 41 AUDIENZEN UND ANGELUS Modellen und Gewohnheiten entreißt, um ihn nach dem Bild Christi zu formen. Die Umkehr des Herzens kann nicht umhin, die Buße einzuschließen. Sie ist, wie ich in dem Apostolischen Schreiben Reconciliatio et paenitentia dargelegt habe, gewissermaßen deren wichtigstes, ja wesentliches Element. „Buße bezeichnet die innere Umkehr des Herzens unter dem Einfluß des Wortes Gottes und mit dem Blick auf das Reich Gottes“ (Nr. 4); sie ist das Bemühen, „das Gleichgewicht und die Harmonie, die durch die Sünde zerstört worden sind, wiederherzustellen und auch um den Preis von Opfern die Richtung zu ändern“ (Nr. 26). 2. Die gewollte Umkehr und Buße muß, wenn sie echt und bleibend sein soll, in konkrete Bußakte umgesetzt werden. Zwischen dem, was der Mensch in seinem Innersten ist, und den Handlungen, die seine Existenz ausmachen, muß ein getreuer, klarer Zusammenhang bestehen. „Buße ist also eine Umkehr, die vom Herzen hin zu den Taten geht und daher das gesamte Leben des Christen erfaßt“ (Reconciliatio et paenitentia, Nr. 4). Ein Lebensstil, der sich ehrlich von der Fastenzeit prägen läßt, widmet den Bußwerken breiten Raum. Es ist ein Lebensstil der Strenge gegenüber sich selbst, der Selbstdisziplin und maßvoller Entsagungen, die der Festigung des Willens dienen. Das beginnt damit, daß man die Unannehmlichkeiten, die das Alltagsleben als Folge des vielfach begrenzten Zustandes der Geschöpfe unvermeidlich mit sich bringt, geduldig annimmt. Man gelangt dann dazu, absichtlich nach den Gelegenheiten zu Buße und Abtötung zu suchen in der immer tieferen Überzeugung, daß sie Quelle des geistlichen Reichtums sind, der das Leben wertvoller macht. Das Wortgespann Umkehr - Buße stellt, wenn es in seiner zweifachen, der inneren und äußeren Dimension getreu gelebt wird, den Christen in die Nachfolge des göttlichen Meisters, der über die Passion das Grab und den Ostermorgen erreicht. Das ist der Weg, zu dem uns die Fastenzeit aufruft. Auf ihm begleite uns der mütterliche Schutz der seligsten Jungfrau Maria. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst auf deutsch: Herzlich grüße ich unter den Teilnehmern am heutigen Angelusgebet auch die Gruppe des Bauernverbandes Rosenheim in Bayern. Auf euch und eure lieben Angehörigen, auf eure Arbeit und eure Felder in der Heimat rufe ich Gottes reichen Segen herab. Grüß Gott! 42 AUDIENZEN UND ANGELUS Danach fuhr der Papst auf italienisch fort: Schließlich grüße und segne ich von Herzen die vor kurzem errichtete koreanische Pfarrgemeinde in Rom. Sie ist in diesem Augenblick auf der Terrasse des Instituts „Maria Bambina“, hinter den Kolonnaden, versammelt und wird gleich zu Ehren der von mir in Korea heiliggesprochenen Märtyrer 103 Luftballons in den Himmel steigen lassen. 3. In diesen Tagen gehen die Feierüchkeiten zum 600. Geburtsjahr der hl. Francesca Romana zu Ende, die zu Beginn der Renaissance in Rom gelebt hat und Mitpatronin dieser Stadt ist. Ihr Charisma der Liebe und Hingabe ist in der von ihr gegründeten Oblatinnenkommunität von Tor de’Specchi noch immer lebendig. Ich würde mir wünschen, daß das Zeugnis ihres Lebens als Beispiel auch für unser Jahrhundert und für jede christliche Frau Gültigkeit hat, denn sie war zuerst als Ehefrau und Mutter und dann als Ordensfrau und Angehörige eines beschaulichen Ordens ein Vorbild großer Liebe und tiefen Glaubensgeistes. 4. Zum Palmsonntag dieses Jahres werden Jugendliche aus allen Teilen der Welt zu dem geplanten internationalen Treffen nach Rom kommen. Ich weiß, daß die römische Diözese in Vereinbarung mit dem Päpstlichen Laienrat sich um die Vorbereitung einer angemessenen Aufnahme und Unterbringung der zahlreichen Jugendlichen, die kommen sollen, bemüht. Ich beglückwünsche die Familien, die sich aus diesem Anlaß bereits angeboten haben, einige Jungen oder Mädchen aufzunehmen, und fordere alle, die die Möglichkeit dazu haben, auf, ihrem Beispiel zu folgen. Meine Einladung richtet sich besonders an die Ordensinstitute der Stadt und der Umgebung, die Türen ihrer Häuser hochherzig zu öffnen, damit alle Pilger, die zu diesem Tag nach Rom kommen, eine Unterkunft finden können, wo sie mit herzlicher Gastfreundschaft aufgenommen werden, und dieses althergebrachte und noch immer aktuelle Zeugnis der Nächstenliebe zur Quelle der Freude für alle werde. 43 AUDIENZEN UND ANGELUS Katechese nicht bloße Berufsausübung, sondern Berufung und Sendung Ansprache bei der Generalaudienz am 6. März 1. Die Aufgabe der Katechese schließt für die Kirche ein intensives Bemühen um die Ausbildung der Katecheten ein. Wiederum ist es das Beispiel Christi, das uns erleuchtet. Jesus hat sich während seines Wirkens vor allem der Ausbildung derer gewidmet, die seine Botschaft in der ganzen Welt verbreiten sollten. Er hat viel Zeit auf die Predigt vor den Volksscharen verwendet, aber noch mehr Zeit behielt er der Ausbildung seiner Jünger vor. Er ließ sie in seiner Gesellschaft leben, um ihnen die Wahrheiten seiner Botschaft nicht nur mit seinen Worten, sondern durch sein Beispiel und den täglichen Umgang einzuprägen. Er hat seinen Jüngern die Geheimnisse seines Reiches enthüllt, er hat sie in das Geheimnis Gottes eingeführt, dessen Offenbarung er selbst brachte. Er hat in ihnen den Glauben geweckt und ihn durch eine immer vollständigere Unterweisung allmählich entfaltet. Als er ihnen den Auftrag erteilte, alle Völker zu lehren, konnte er ihnen diese Aufgabe anvertrauen, weil er sie mit der Lehre ausgestattet hatte, die sie verkünden mußten, auch wenn ihnen deren volles Verständnis erst durch den Heiligen Geist zuteil werden sollte, der ihnen die göttliche Kraft des Apostolats verleihen würde. Die Kirche, die diese Lehre von ihrem Meister empfängt, mißt der Ausbildung der mit der Verkündigung der geoffenbarten Wahrheit Beauftragten große Bedeutung bei. Zu ihnen gehören an erster Stelle die Hirten, die kraft des Priestertums den Auftrag erhalten haben, die Frohbotschaft im Namen Christi zu verkünden. Dazu gehören auch alle jene, die an der Sendung der Kirche zur Glaubensunterweisung teilhaben, insbesondere die Katecheten, sowohl die hauptberuflichen wie die freiwilligen. Die Ausbildung der Katecheten ist ein wesentliches Element des gemeinsamen Engagements für die Entfaltung und Lebendigkeit der Kirche. Sie ist überall notwendig; ihr Wert erweist sich als noch bedeutsamer in bestimmten Ländern, wo die Katecheten eine wichtige Rolle in den christlichen Gemeinschaften spielen, die nicht über eine ausreichende Anzahl von Priestern verfügen. Mancherorts kann man sagen, daß die Kirche dank der Tätigkeit der Katecheten lebt. <12> <12> Die Ausbildung für die Katechese wird oft von Fachinstituten wahrgenommen; man kann nur wünschen, daß die Katecheten zunehmend in 44 AUDIENZEN UND ANGELUS diesen Instituten ausgebildet werden, wo sie sowohl die unerläßliche Unterweisung in der Glaubenslehre als auch die Einführung in die pädagogischen Methoden erhalten. Die Ausbildung in der Glaubenslehre ist eine grundlegende Notwendigkeit, da sich ja die Katechese nicht darauf beschränken darf, ein Minimum gelernter und auswendig wiederholter Wahrheiten zu lehren. Wenn der Katechet den Auftrag hat, seinen Zuhörern die ganze christliche Lehre einzuprägen, muß er sie selbst zuvor gründlich gelernt haben. Er darf nicht nur einfach seinen persönlichen Glauben bezeugen; er muß den Inhalt dieses Glaubens vermitteln. Die Unterweisung, die er in Vorbereitung auf seine Taufe, Firmung und Kommunion erhalten hat, reicht oft nicht aus für eine genaue und tiefe Kenntnis des Glaubens, den er weitergeben soll. Es bedarf unbedingt eines systematischeren Studiums. Tatsächlich sahen sich die für die Katechese Verantwortlichen manchmal durch die Umstände dazu gedrängt, die Mitarbeit von Personen guten Willens, aber ohne angemessene Ausbildung in Anspruch zu nehmen. Solche Lösungen sind im allgemeinen unzulänglich. Um für die Zukunft eine solide Katechese sicherzustellen, muß diese Arbeit Katecheten übertragen werden, die sich durch Studium die fachliche Kenntnis des Glaubens angeeignet haben. Diese Ausbildung in der Glaubenslehre ist um so notwendiger, da der Katechet in einer Welt lebt, in der Ideen und Theorien jeglicher Art, die häufig mit der christlichen Botschaft unvereinbar sind, verbreitet werden. Er muß imstande sein, auf das, was er sieht und hört, zu reagieren, indem er das, was angenommen werden kann, von dem unterscheidet, was abgelehnt werden muß. Wenn er sich die christliche Lehre gut angeeignet und ihre Bedeutung gut verstanden hat, wird er in ihr getreu unterrichten können und sich doch einen offenen Geist bewahren. <13> <13> Auch wenn für die Erkenntnis der geoffenbarten Lehre ein Bemühen des Verstandes erforderlich ist, muß die lehrhafte Ausbildung zugleich eine Vertiefung des Glaubens sein. Wesentliches Ziel der Katechese ist die Vermittlung des Glaubens, und dieser Glaube muß das Studium der Lehre leiten. Ein Studium, das den Glauben in Frage stellen oder Zweifel an der geoffenbarten Wahrheit säen würde, könnte der Katechese nicht dienlich sein. Die Entfaltung des lehrmäßigen Wissens muß mit einer Entfaltung des Glaubens einhergehen. Darum sollen sich die Institute für katechetische Ausbildung vor allem als Schulen des Glaubens verstehen. Die Verantwortung der Dozenten dieser Institute ist um so größer, als 45 AUDIENZEN UND ANGELUS ihre Lehre sich durch die von ihnen ausgebildeten Katechten vielfältig auswirken wird. Es ist die Verantwortung eines Glaubens, der das eigene Zeugnis enthält und eifrig den authentischen Sinn alles dessen sucht, was die Offenbarung schenkt. Außerdem haben die katechetischen Ausbildungsinstitute die Aufgabe, in ihren Studenten missionarischen Geist zu wecken. Die Katechese kann nicht bloß als Berufsausübung betrachtet werden, denn sie dient wesentlich der Verbreitung der Botschaft Christi in der Welt und ist deshalb gleichzeitig Berufung und Sendung. Berufung als Anruf Christi an jene, die sich dieser Aufgabe widmen wollen. Sendung, Mission, weil von Anfang an die Katechese in der Kirche eingeführt wurde, um den Auftrag des auferstandenen Heilandes zu erfüllen: „Geht zu allen Völkern und ... lehrt sie...“ (Mt28,19-20). 4. Die Unterweisung in der christlichen Glaubenslehre hat nicht eine bloße Kenntnis der Wahrheit, sondern die Verbreitung des Glaubens zum Ziel; sie strebt ein Ja des Verstandes und des Herzens zu Christus an und möchte die christliche Gemeinde erweitern. Sie muß darum als eine Sendung der Kirche und eine Sendung für die Kirche aufgefaßt werden. Die Katecheten tragen zum Aufbau des mystischen Leibes Christi, zu seinem Wachstum in Glaube und Liebe bei. Diesen missionarischen Geist erwarten wir nicht nur von jenen Katecheten, die ihre Tätigkeit in den sogenannten Missionsländern ausüben, sondern auch von allen Katecheten der Kirche, wo immer sie lehren. Der missionarische Geist spornt den Katecheten dazu an, alle seine Kräfte und Talente in der Unterweisung einzusetzen. Er bringt ihm die Wichtigkeit seiner Tätigkeit stärker zum Bewußtsein und befähigt ihn, besser und mit größerem Vertrauen auf die Gnade, die ihn trägt, sich allen Schwierigkeiten zu stellen. Es ist daher unser Wunsch, daß die Fortschritte bei der Ausbildung der Katecheten überall die Entwicklung der Kirche und des christlichen Lebens auf der Grundlage jenes ehrlichen, überzeugten und konsequenten Glaubens begünstigen mögen, den die Katechese als Ziel anstrebt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die katechetische Glaubensunterweisung in der Kirche verlangt vor allem eine gründliche Ausbildung der Katecheten. Christus selbst hat seine Jünger durch sein Wort und Beispiel intensiv auf ihre spätere Sendung vorbereitet. Die Ausbildung der Katecheten geschieht in der Regel in 46 A UDIENZEN UND ANGELUS besonderen Instituten, wo sie die erforderliche Kenntnis der katholischen Glaubenslehre und der pädagogischen Methoden erhalten. Der Katechet darf nicht nur einfach seinen persönlichen Glauben bezeugen, sondern soll den Glauben der Kirche lehren. Deshalb muß er sich diesen zuerst durch ein systematisches Studium selber voll aneignen. Im Mittelpunkt sowohl des Studiums als auch der Katechese steht immer der Glaube, der ganze, unverkürzte Glaube der Kirche, den es zu vermitteln gilt. Die Tätigkeit des Katecheten ist nicht nur irgendeine Berufsbeschäftigung, sondern muß zutiefst von missionarischem Geist beseelt sein. Er nimmt Teil an der Sendung der Kirche, in der Welt unter den Menschen die Frohe Botschaft Christi auszubreiten. Begleiten wir alle, die heute in diesem weltweiten Verkündigungsauftrag als Katecheten mit-wirken, mit unserem beständigen Gebet. Mit diesen kurzen Ausführungen grüße ich herzlich alle anwesenden deutschsprachigen Audienzteilnehmer, unter ihnen besonders die Ordensschwestern verschiedener Kongregationen, die an einem Erneuerungskurs in La Storta teilnehmen. Mein aufrichtiger Willkommensgruß gilt vor allem den Richtern und Bandverteidigern des Erzbischöflichen Offizialats Paderborn, die zusammen mit einigen Mitgliedern des Berliner Bistumskonsistoriums an einem kanonistischen Fortbildungsseminar hier in Rom teilnehmen. Ich freue mich, daß Sie in diesen Tagen auch einige Tribunale und Dikasterien der Römischen Kurie besuchen, um so gewissermaßen „vor Ort“ Ihre Kenntnisse zu erweitern. Indem ich Ihnen für Ihre verantwortungsvolle Aufgabe in der Verwaltung und Anwendung des Rechts in der Kirche danke, erbitte ich Ihnen für Ihre weitere Arbeit Gottes besonderen Beistand. Ihnen und allen anwesenden deutschsprachigen Pilgern erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 47 AUDIENZEN UND ANGELUS „Gebet und Werke der Liebe“ Vor dem Angelus am 3. Fastensonntag, 10. März „Laß uns Vergebung finden durch Fasten, Gebet und Werke der Liebe.“ 1. So betet die Kirche am dritten Fastensonntag mit einer Aussage, die zwar an den Gott des Erbarmens gerichtet ist, in Wirklichkeit aber den Lebensweg des Christen im Ausblick auf Ostern vorzeichnet. Einen Weg, der das Fasten einschließt - ein Begriff, unter dem man sämtliche verschiedene Formen freiwilligen Verzichts verstehen kann, zu denen die Bußpraxis der Kirche einlädt. Das Fasten ist in einem gewissen Maße auch in der neuen Kirchenrechtsordnung erhalten. Denn wie ich in dem Apostolischen Schreiben Reconciliatio etpaenitentia betont habe, „könnte die Bußdisziplin der Kirche, auch wenn sie seit einiger Zeit erleichtert worden ist, nicht ohne großen Schaden für das innere Leben der Christen und der kirchlichen Gemeinschaft wie für ihre missionarische Ausstrahlungskraft aufgehoben werden“ (Nr. 26). Diese Disziplin stellt in der Tat einen Dienst an und einen Ansporn zu der Freiheit dar, die ein besonders edles, aber verletzliches Vorrecht des Menschen ist, das geschützt und gewissermaßen immer wieder erobert werden muß. Die Verletzlichkeit seiner Natur setzt es ständigen Gefahren aus. Es muß daher mit all jenen Mitteln geschützt werden, die zu einer gesunden und reifen Selbstbeherrschung beitragen. <14> <14> Der wahre und unerbittliche Feind der Freiheit ist die Sünde, die die Ordnung, in der der Mensch geschaffen wurde, dadurch erschüttert, daß sie in ihm Instinkte und Triebe entfesselt, von denen der Wille unvermeidlich beeinflußt wird. Die Bußleistung trägt dazu bei, Geist und Herz richtig zu orientieren und den Willen zu stärken, das Gute zu tun. Außerdem erfährt der Gläubige, der sich hochherzig auf die Übung der Buße einläßt, durch das Wirken der Gnade eine fortschreitende Identifizierung mit Christus, der der wahre Befreier des Menschen ist. „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“ (2 Kor 3,17). Heute sind die vom Gesetz der Kirche empfohlenen Bußübungen so begrenzt, daß sie die Pflicht und das Bedürfnis des einzelnen, Buße zu tun, nicht erschöpfen. Das Mehr bleibt der hochherzigen Initiative des einzelnen überlassen, es ist daher notwendig, daß die Gewissensreife des einzelnen Gläubigen ihn dazu treibt, spontan im Rahmen seiner eigenen Freiheit Formen und Weisen der Buße zu suchen, ja zu schaffen, die dem 48 AUDIENZEN UND ANGELUS persönlichen Bedürfnis nach Befreiung von der Sünde, Läuterung und Vervollkommnung entsprechen. Möge die Jungfrau Maria diese Bemühungen stärken - sie, die sich freiwillig dem göttlichen Plan unterworfen hat, auch wenn sie mit einem vom Schwert des Schmerzens durchbohrten Herzen daran teilhaben sollte. Wichtigstes Wort der Bibel: „Credo“ Ansprache bei der Generalaudienz am 13. März 1. Der erste und wesentliche Anhaltspunkt für diese Katechese sind die allgemein anerkannten christlichen Glaubensbekenntnisse. Sie werden auch „Symbola fidei“ genannt. Das griechische Wort symbolon bezeichnet die Hälfte eines zerbrochenen Gegenstandes (z. B. eines Siegels), die als Erkennungszeichen vorgewiesen wurde. Die zerbrochenen Teile wurden zusammengefügt, um die Identität des Trägers festzustellen. Daher stammen die weiteren Bedeutungen des Begriffes „Symbol“: der Nachweis der Identität, das Beglaubigungsschreiben und auch ein Abkommen oder Vertrag, dessen Beweis bzw. Bestätigung das symbolon war. Der Übergang von dieser Bedeutung zu der einer Sammlung oder einer Zusammenfassung der berichteten und dokumentierten Dinge war nur natürlich. In unserem Fall bezeichnen die „Symbole“ die Sammlung der wichtigsten Glaubenswahrheiten, das heißt dessen, woran die Kirche glaubt. In der systematischen Katechese werden die Anweisungen über das vermittelt, woran die Kirche glaubt, also über die Inhalte des christlichen Glaubens. Daraus ergibt sich auch die Tatsache, daß die Glaubensbekenntnisse der erste und grundlegende Anhaltspunkt für die Katechese sind. <15> <15> Unter den verschiedenen alten Glaubensbekenntnissen ist das bedeutendste das Apostolische Glaubensbekenntnis; es ist ältesten Ursprungs und wird gewöhnlich bei den Gebeten des Christen verwendet. In ihm sind die wichtigsten Wahrheiten des von den Aposteln Jesu Christi überlieferten Glaubens enthalten. Ein weiteres altes und berühmtes Glaubensbekenntnis ist das nizänokonstantinopolitanische Glaubensbekenntnis: Es enthält die Wahrheiten des apostolischen Glaubens, wie sie auf 49 A UDIEN ZEN UND ANGELUS den beiden ersten ökumenischen Konzilien der Universalkirche amtlich formuliert und erläutert worden sind: Nikaia (325) und Konstantinopel (381). Die Gepflogenheit, Glaubensbekenntnisse als Frucht der Konzilien der Kirche zu verkünden, wurde auch in unserem Jahrhundert fortgeführt: Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verkündete Papst Paul VI. das als „Credo des Volkes Gottes“ bekannte Glaubensbekenntnis (1968), das die Gesamtheit der Glaubenswahrheiten der Kirche enthält, mit besonderer Berücksichtigung jener Inhalte, mit denen sich das letzte Konzil beschäftigt hat, oder jener Punkte, bei denen in den letzten Jahren Zweifel erhoben worden waren. Die Glaubensbekenntnisse sind der wichtigste Bezugspunkt für die heutige Katechese. Sie verweisen jedoch auf den Gesamtumfang des Wortes Gottes, der aus der Heiligen Schrift und der apostolischen Überlieferung besteht; sie sind nur eine knappe Zusammenfassung davon. Auch wir wollen also durch die Glaubensbekenntnisse auf jenes unwandelbare Depositum zurückgreifen, und zwar an Hand der Auslegung, die die Kirche unter Beistand des Heiligen Geistes im Laufe der Jahrhunderte gegeben hat. 3. Jedes der genannten Glaubensbekenntnisse beginnt mit dem Wort „credo“, „ich glaube“. Jedes dient in der Tat nicht nur als Unterweisung, sondern als Bekenntnis. Inhalt dieses Bekenntnisses sind die Wahrheiten des christlichen Glaubens: Sie sind alle in dem Anfangswort „credo“ verwurzelt. Und eben auf dieses Wort „credo“ wollen wir uns bei dieser ersten Katechese konzentrieren. Den Ausdruck gibt es in der Alltagssprache, auch unabhängig von jedem religiösen und besonders jedem christlichen Inhalt. „Ich glaube dir“ heißt: Ich verlasse mich auf dich, ich bin überzeugt, daß du die Wahrheit sagst. „Ich glaube an das, was du sagst“ heißt: Ich bin überzeugt, daß der Inhalt deiner Worte der objektiven Wirklichkeit entspricht. In diesem allgemeinen Gebrauch des Wortes „ich glaube“ treten einige wesentliche Elemente hervor. „Glauben“ bedeutet, den Inhalt dessen, was gesagt wird, d. h. der Worte einer anderen Person (oder auch mehrerer Personen) aufgrund ihrer Glaubwürdigkeit als wahr und der Wirklichkeit entsprechend anzunehmen und anzuerkennen. Diese Glaubwürdigkeit bestimmt gegebenenfalls die besondere Autorität der Person: nämlich die Autorität der Wahrheit. Wenn wir also sagen, „ich glaube“, bringen wir damit zugleich einen zweifachen Bezug zum Ausdruck: zur Person und zur Wahrheit; zur Wahrheit im Hinblick auf die Person, die besondere Glaubwürdigkeit genießt. 50 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Die Worte „ich glaube“ tauchen sehr häufig im Evangelium und in der ganzen Heiligen Schrift auf. Es wäre äußerst nützlich, all jene Stellen des Alten und des Neuen Testaments zu vergleichen und zu analysieren, die uns ein Verstehen des biblischen Sinnes von „glauben“ gestatten. Neben dem Wort „glauben“ finden wir auch das Hauptwort „der Glaube“ als einen der wichtigsten Ausdrücke der ganzen Bibel. Wir finden schließlich bestimmte Definitionen des Glaubens, zum Beispiel: „Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr 11,1). Diese Bibelstellen wurden im Laufe der zwei christlichen Jahrtausende von den Kirchenvätern und Theologen untersucht, erklärt und entwickelt, wie die reichhaltige, exegetische und dogmatische Literatur beweist, die uns zur Verfügung steht. Wie in den Glaubensbekenntnissen, so ist auch in der Theologie „glauben“, „der Glaube“, eine fundamentale Kategorie und gleichzeitig Ausgangspunkt der Katechese, sozusagen der erste Akt, mit dem der Mensch auf die Offenbarung Gottes antwortet. 5. Bei der heutigen Begegnung wollen wir uns auf eine einzige Quelle beschränken, die aber alle anderen zusammenfaßt, die Konzilskonstitution Dei verbum des Zweiten Vatikanums. Dort lesen wir: „Gott hat in seiner Güte und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun (vgl. Eph 1,9): daß die Menschen durch Christus, das fleischgewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben und teilhaftig werden der göttlichen Natur (vgl. Eph 2,18; 2 Petr 1,4) ...“ (Dei verbum, Nr. 2). „Dem offenbarenden Gott ist der ,Gehorsam des Glaubens {Röm 16,26; vgl. Röm 1,5; 2 Kor 10,5-6) zu leisten. Darin überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, indem er sich ,dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft (/. Vatikanisches Konzil) und seiner Offenbarung willig zustimmt“ {Dei verbum, Nr. 5). Diese Worte des Konzilsdokuments enthalten die Antwort auf einige Fragen: Was heißt glauben? Die Erklärung ist knapp, sie faßt aber eine große inhaltliche Fülle zusammen. Wir werden in der Folge ausführlicher auf diese Erklärung des Konzils eingehen müssen, der sozusagen die Bedeutung einer „technischen Definition“ zukommt. Offensichtlich ist vor allem, daß ein genetisches und organisches Band zwischen unserem christlichen „Credo“ und jener besonderen Initiative Gottes, der Offenbarung, besteht. Darum muß die Katechese über den Glauben zusammen mit jener über die göttliche Offenbarung vorgebracht werden. Logisch und historisch 51 A UDIENZEN UND ANGELUS geht die Offenbarung dem Glauben voraus. Der Glaube ist von der Offenbarung abhängig (die Vorbedingung für den Glauben ist die Offenbarung). Er ist die Antwort des Menschen auf die göttliche Offenbarung. Wir sagen schon jetzt, daß diese Antwort möglich ist und gegeben werden muß, weil Gott glaubwürdig ist. Keiner ist das so wie er. Keiner besitzt wie er die Autorität der Wahrheit. In keinem Fall verwirklicht sich so wie im Glauben an Gott die begriffliche und semantische Bedeutung des in der menschlichen Sprache so gebräuchlichen Ausdrucks: „Ich glaube“, „ich glaube dir“. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In der systematischen Katechese geschieht die Unterweisung über das, was die Kirche glaubt. Deshalb sind für sie die Glaubensbekenntnisse eine erste wichtige Grundlage. Diese bieten in ihren verschiedenen Fassungen seit dem ältesten, dem sogenannten Apostolischen Glaubensbekenntnis, eine kurze Zusammenfassung der Grundwahrheiten des katholischen Glaubens. Jedes dieser Bekenntnisse beginnt mit dem Wort „ich glaube“. Dies ist ein Ausdruck, dem wir auch schon im alltäglichen Sprachgebrauch oft begegnen. „Ich glaube“ besagt: Ich vertraue dir; ich bin überzeugt, daß du die Wahrheit sagst. Und das deshalb, weil sich die andere Person mir gegenüber als glaubwürdig erweist. Besonders häufig begegnen wir dem Wort „glauben“ in der Heiligen Schrift und auch in der gesamten Theologie. Der Glaube hat eine zentrale Bedeutung. Er ist die Antwort des Menschen an Gott, der sich ihm in der Offenbarung erschließt und mitteilt. In der Dogmatischen Konstitution des Konzils über die göttliche Offenbarung heißt es darüber: „Dem offenbarenden Gott ist der ,Gehorsam des Glaubens“ zu leisten. Darin überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, indem er sich ,dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft“ und seiner Offenbarung willig zustimmt“ (Dei verbum, Nr. 5). Erbitten wir uns einander einen solch tiefen und lebendigen Glauben! Herzlich grüße ich alle heutigen deutschsprachigen Audienzteilnehmer, die Einzelpilger und die genannten Gruppen; unter ihnen besonders die Mitglieder der Katholischen Arbeitnehmerbewegung aus Darmstadt-Eberstadt, die Gruppe des Karl-Leisner-Kreises aus der Diözese Münster sowie die Wallfahrer aus den österreichischen Diözesen Graz-Seckau und Linz. Euch allen erbitte ich durch diese Rompilgerfahrt in der Fastenzeit eine tiefe Besinnung auf eure christliche Berufung und neue Bereitschaft 52 AUDIENZEN UND ANGELUS zu einer entschlossenen Christusnachfolge in den Aufgaben und Pflichten des Alltags, in euren Familien und am Arbeitsplatz. Dazu erteile ich euch allen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Die Hand nicht geschlossen halten! Vor dem Angelus am 4. Fastensonntag, 17. März „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). 1. Die Liturgie des vierten Fastensonntags fordert uns auf, in der Übung der Buße als Vorbereitung auf das Paschafest auszuharren im erhabenen Kontext der Liebe Gottes. Gott, der im Innersten seines Wesens Liebe ist, hat aus Liebe seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt, auf daß er für uns leide, sterbe und auferstehe. Die Antwort des Menschen auf diesen unsagbaren Plan, dessen Hauptfigur Gott ist, ist festgehalten in dem Gebot, auf das sich die Vollendung des ganzen Gesetzes stützt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken...; du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ {Mt 22,37-39). Das Christentum ist die Religion der gesellschaftlichen Verbundenheit, jener Verbundenheit, die im Gleichnis vom Samariter ihr programmatisches und lebendiges Vorbild, ihre konkreteste und verpflichtendste existentielle Verdeutlichung findet: „Geh und handle genauso!“ (Lk 10,37). <16> <16> Die Fastenzeit ist durch ihre enge Verbindung mit dem Ostergeschehen des Gott-Menschen eine privilegierte Zeit für die Übung der Nächstenliebe. Eine Zeit echter Nächstenliebe. Im Apostolischen Schreiben Reconciliatio et paenitentia, auf das ich mich bei den sonntäglichen Begegnungen dieser Fastenzeit beziehen möchte, habe ich unterstrichen, daß die Buße eine soziale Dimension besitzt. Die Kirche hat unter den verschiedenen Bußformen immer das Almosen als „ein Mittel“ empfohlen — und empfiehlt es noch heute —, „die Liebe konkret zu leben, indem man das, was man besitzt, mit dem teilt, der unter den Folgen von Armut leidet“ (Nr. 26). In der modernen Denkweise mit ihrer ausgeprägten Sensibilität für die 53 AUDIENZEN UND ANGELUS Normen der Gerechtigkeit sind nicht selten Gesten und Äußerungen anzutreffen, die gegen die Nächstenliebe im kleinen gerichtet sind. Doch Jesus versichert, daß auch ein Glas Wasser, das in seinem Namen gereicht wird, in der Lebensbilanz eines Menschen nicht vergessen werden wird (vgl. Mk 9,41). Es genügt das Wort des Meisters, um uns vor den Einflüsterungen des Egoismus zu schützen, der den Christen dazu verleiten möchte, die Hand geschlossen zu halten und dem, der ihn um eine Gabe bittet, den Rücken zuzukehren (vgl. Mt 5,42). Die Entsagungen der Buße, die sowohl im Gehorsam gegen die kirchliche Vorschrift als auch aus persönlichem innerem Antrieb geübt werden, finden ein nahezu unbegrenztes Anwendungsfeld. Das Drama des Hungers, das sich in mehr als nur einer Region unseres Planeten abspielt, interpelliert nachdrücklich an die Gewissen. Jeder Bruder, der Hungers stirbt, bedrückt das Gewissen aller. Auch die Jungfrau Maria spornt uns in dieser ernsten Verpflichtung zur Solidarität an mit den mahnenden Worten des Magnifikats: „Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen“ (Lk 1,53). Endlich Verhandlungen! Wort über Golf krieg und Libanon nach dem Angelus am 17. März Mit tiefer Betroffenheit erhalten wir täglich immer dramatischere Meldungen über die Angriffe auf Städte und zivile Ziele, die bereits seit zwei Wochen zwischen Iran und Irak im Gang sind. Unzählige waffenlose und unschuldige Menschen sind davon betroffen. Diese Meldungen schmerzen uns zutiefst und verstärken um so mehr den Wunsch, daß die beiden Parteien endlich den internationalen Aufforderungen Folge leisten und sich voll gutem Willen auf Verhandlungen einlassen, die endlich die Beendigung jenes blutigen Krieges ermöglichen, der seit vielen Jahren jene Völker heimsucht. Gleichzeitig gehen unsere Gedanken auch in den Libanon, dessen schmerzliche Lage erneut Grund zu wachsender Beunruhigung und Besorgnis bietet. Es handelt sich um eine Nation, die schon allzu lange, leider auch aufgrund interner Spaltungen und Entzweiungen, so schrecklich zu leiden hat. 54 AUDIENZEN UND ANGELUS Dieser so schwer geprüften Bevölkerung bin ich mit meiner Zuneigung und meinem Gebet nahe. Und ich lade euch alle ein, mit mir zur seligsten Jungfrau, der Königin des Friedens, zu beten. Gott suchen und ihn finden Ansprache bei der Generalaudienz am 20. März 1. In der Katechese der vergangenen Woche haben wir gesagt, daß die Offenbarung Voraussetzung für den Glauben ist und daß sie dem Glauben vorausgeht. Wir werden also versuchen müssen, den Begriff der Offenbarung zu klären und ihre Tatsächlichkeit aufzuweisen (wobei wir der Konstitution Dei verbum des Zweiten Vatikanischen Konzils folgen). Vorher aber wollen wir uns noch etwas mit dem Subjekt des Glaubens befassen: also mit dem Menschen, der sagt, „ich glaube“ und auf diese Weise Gott antwortet, der „sich in seiner Güte und Weisheit dem Menschen offenbart hat“. Noch ehe der Mensch sagt, „ich glaube“, hat er bereits einen gewissen Begriff von Gott, zu dem er durch das Bemühen seines Verstandes gelangt. Die Konstitution Dei verbum, die von der göttlichen Offenbarung handelt, erinnert an diese Tatsache mit folgenden Worten: „Die Heilige Synode bekennt, daß ,Gott, aller Dinge Ursprung und Ziel, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen sicher erkannt werden kann (vgl. Röm 1,20)“ (Nr. 6). Das Zweite Vatikanum beruft sich hier auf die vom vorhergehenden Konzil, dem Ersten Vatikanum, ausführlich dargelegte Lehre. Sie entspricht der gesamten Lehrtradition der Kirche, die ihre Wurzeln in der Heiligen Schrift, und zwar sowohl im Alten wie im Neuen Testament hat. <17> <17> Im Brief des hl. Paulus an die Römer finden wir einen klassischen Text über die Möglichkeit, Gott, vor allem seine Existenz, zu erkennen, indem wir von den geschaffenen Dingen ausgehen „. . . Denn was man von Gott erkennen kann, ist ihnen offenbart; Gott hat es ihnen offenbart. Seit Erschaffung der Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit. Daher sind sie unentschuldbar“ (Röm 1,19-20). Der Apostel denkt hier an die Menschen, „die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit 55 AUDIENZEN UND ANGELUS niederhalten“ {Röm 1,18). Die Sünde hält sie davon ab, Gott, den jeder Mensch erkennen kann, die geschuldete Ehre zu erweisen. Der Mensch vermag Gottes Existenz und bis zu einem gewissen Grad auch sein Wesen, seine Vollkommenheiten, seine Attribute zu erkennen. Der unsichtbare Gott wird gewissermaßen „in seinen Werken sichtbar“. Aus den Geschöpfen ist Gott zu erkennen Dieselbe Lehre wie der Apostel über die Möglichkeit, ausgehend von den geschaffenen Dingen, zu einer Erkenntnis der Existenz Gottes zu gelangen, verkündet im Alten Testament das Buch der Weisheit. Wir finden sie in einem etwas ausführlicheren Abschnitt, den als ganzen zu lesen sich lohnt: „Töricht waren von Natur alle Menschen, denen die Gotteserkenntnis fehlte. Sie hatten die Welt in ihrer Vollkommenheit vor Augen, ohne den wahrhaft Seienden zu erkennen. Beim Anblick der Werke erkannten sie den Meister nicht, sondern hielten das Feuer, den Wind, die flüchtige Luft, den Kreis der Gestirne, die gewaltige Flut oder die Himmelsleuchten für weltbeherrschende Götter. Wenn sie diese, entzückt über ihre Schönheit, als Götter ansahen, dann hätten sie auch erkennen sollen, wieviel besser ihr Gebieter ist; denn der Urheber der Schönheit hat sie geschaffen. Und wenn sie über ihre Macht und ihre Kraft in Staunen gerieten, dann hätten sie auch erkennen sollen, wieviel mächtiger jener ist, der sie geschaffen hat; denn von der Größe und Schönheit der Geschöpfe läßt sich auf ihren Schöpfer schließen. Dennoch verdienen jene nur geringen Tadel. Vielleicht suchen sie Gott und wollen ihn finden, gehen aber dabei in die Irre. Sie verweilen bei der Erforschung seiner Werke und lassen sich durch den Augenschein täuschen; denn schön ist, was sie schauen. Doch auch sie sind unentschuldbar: Wenn sie durch ihren Verstand schon fähig waren, die Welt zu erforschen, warum fanden sie dann nicht eher den Herrn der Welt?“ ( Weish 13,1-9). Den Grundgedanken dieses Abschnittes finden wir auch im Brief des hl. Paulus an die Römer {Röm 1,18-21): Gott kann aus den Geschöpfen erkannt werden - die sichtbare Welt bildet für den menschlichen Verstand die Grundlage für die Affirmation des Daseins des unsichtbaren Schöpfers. Der Abschnitt aus dem Buch der Weisheit ist ausführlicher. Der inspirierte Verfasser polemisiert darin gegen das Heidentum seiner Zeit, das Geschöpfen göttliche Herrlichkeit zuschrieb. Gleichzeitig bietet er uns Anstöße zur Überlegung und Hilfen für ein Urteil, die für jede, auch für unsere Zeit Gültigkeit haben können. Er spricht von der enormen Anstrengung, die für die Erkenntnis des sichtbaren Universums 56 AUDIENZEN UND ANGELUS aufgewendet wird. Er spricht auch von Menschen, die „Gott suchen und ihn finden wollen“. Er fragt sich, warum es dem menschlichen Wesen, das „die Erforschung des Universums“ ermöglicht, nicht gelingt, seinen Herrn zu erkennen. Der Verfasser des Weisheitsbuches sieht darin — wie später der hl. Paulus - eine gewisse Schuld. Aber auf dieses Thema werden wir noch eigens zurückkommen müssen. Vorläufig wollen auch wir uns nur folgende Frage stellen: Wie ist es möglich, daß der ungeheure Fortschritt in der Erkenntnis des Universums (des Makro- und des Mikrokosmos), seiner Gesetze und Abläufe, seiner Strukturen und Kräfte nicht alle dazu führt, den ersten Ursprung zu erkennen, ohne den die Welt unerklärlich bleibt? Wir werden die Schwierigkeiten untersuchen müssen, an denen sich nicht wenige Menschen heute stoßen. Wir heben jedoch mit Freude hervor, daß es auch heute viele wahre Wissenschaftler gibt, die gerade in der wissenschaftlichen Erkenntnis einen Anstoß zum Glauben finden oder zumindest dazu, sich vor dem Geheimnis zu verneigen. 3. In Übereinstimmung mit der Überlieferung, die, wie wir sagten, ihre Wurzeln in der Heiligen Schrift des Alten und Neuen Testaments hat, hat die Kirche im 19. Jahrhundert während des Ersten Vatikanischen Konzils an die Lehre von der Möglichkeit, mit welcher der Verstand des Menschen ausgestattet ist, aus den Geschöpfen Gott zu erkennen, erinnert und sie bestätigt. In unserem Jahrhundert hat das Zweite Vatikanische Konzil im Rahmen der dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung (Dei verbum) diese Lehre erneut in Erinnerung gerufen. Dem kommt eine große Bedeutung zu. Die „natürliche Theologie“ Die göttliche Offenbarung liegt in der Tat dem Glauben zugrunde: dem „Credo“ des Menschen. Gleichzeitig lehren uns die Abschnitte der Heiligen Schrift, in denen diese Offenbarung niedergelegt ist, daß der Mensch allein mit seinem Verstand Gott zu erkennen imstande ist: Er ist zu einer bestimmten „Wissenschaft“ von Gott fähig, wenngleich nur in indirekter, nicht unmittelbarer Weise. Neben das „Ich glaube“ tritt also ein gewisses „Ich weiß“. Dieses „Ich weiß“ betrifft die Existenz Gottes und bis zu einem gewissen Grad auch sein Wesen. Diese verstandesmäßige Erkenntnis Gottes wird von einer Wissenschaft systematisch behandelt, die natürliche Theologie heißt, philosophischen Charakter hat und aus dem Boden der Metaphysik, also der Philosophie vom Sein, hervorgeht. Sie konzen- 57 AUDIENZEN UND ANGELUS triert sich auf die Erkenntnis Gottes als Erstursache und auch als letztes Ziel des Universums. 4. Diese Probleme sowie die ganze umfangreiche mit ihnen zusammenhängende philosophische Diskussion können natürlich nicht im Rahmen einer kurzen Unterweisung über die Glaubenswahrheiten erschöpfend behandelt werden. Wir wollen uns hier auch nicht in detaillierter Weise mit jenen „Wegen“ befassen, die den menschlichen Geist bei der Suche nach Gott leiten (den „fünf Wegen“ des hl. Thomas von Aquin). Für unsere Katechese genügt es, sich die Tatsache vor Augen zu stellen, daß die Quellen des Christentums von der Möglichkeit der rationalen Gotteserkenntnis sprechen. Darum hat nach der Lehre der Kirche unser ganzes Denken über Gott aufgrund des Glaubens auch rationalen und verstandesgemäßen Charakter. Auch der Atheismus bleibt im Rahmen einer gewissen Bezugnahme auf den Gottesbegriff. Denn wenn er die Existenz Gottes leugnet, muß er auch wissen, wessen Existenz er leugnet. Es ist klar, daß sich die Erkenntnis durch den Glauben von der bloß rationalen Erkenntnis unterscheidet. Doch Gott hätte sich dem Menschen gar nicht offenbaren können, wenn dieser nicht schon von Natur aus fähig gewesen wäre, in bezug auf ihn etwas Wahres zu erkennen. Somit steht neben und über dem „Ich weiß“, das dem menschlichen Verstandesvermögen eigen ist, ein dem Christen eigenes „Ich glaube“, denn durch den Glauben hat der Glaubende, wenn auch dunkel, Zugang zum Geheimnis des innersten Lebens des sich offenbarenden Gottes. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit dem Glauben antwortet der Mensch dem sich ihm offenbarenden Gott. Gott aber könnte sich dem Menschen überhaupt nicht mitteilen, wenn dieser nicht fähig wäre, ihn schon von Natur aus — also vor jeder Offenbarung - in gewisser Weise zu erkennen. Im Einklang damit bekennt das Zweite Vatikanische Konzil in der Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung feierlich, „daß Gott, aller Dinge Ursprung und Ziel, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen sicher erkannt werden kann“ (Dei verbum, Nr. 6). Dies ist die Überzeugung der Heiligen Schrift, des Neuen wie des Alten Testaments und auch der Lehrtradition der Kirche. Wie wir in der heutigen Lesung aus dem Römerbrief gehört haben, betont der hl. Paulus ausdrücklich: „Seit der Erschaffung der Welt wird Gottes unsichtbare 58 AUDIENZEN UND ANGELUS Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit (Röm 1,20). Was der Mensch schon vor jeder Offenbarung von Natur aus erkennen kann, ist die Existenz Gottes und gewisse Umrisse seines Wesens und seiner Eigenschaften. Von dieser Erkenntnis Gottes handelt auf wissenschaftliche Weise die sogenannte „natürliche Theologie“. Sie betrachtet Gott vor allem als die Erst-Ursache und als das Letzte Ziel der Schöpfung und weist die verschiedenen Wege und Möglichkeiten auf, die auf natürliche Weise zu einer gewissen vernünftigen Erkenntnis Gottes führen. Es ist von entscheidender Wichtigkeit, daß unser Denken und Reden von Gott aufgrund der Offenbarung auch einen echten rationalen und intellektuellen Charakter hat. Mit diesen kurzen Darlegungen grüße ich sehr herzlich alle deutschsprachigen Audienzteilnehmer. Ich freue mich über euer Kommen und erbitte euch als Vorbereitung auf das nahende Osterfest die Gnade der Besinnung auf eure christliche Berufung und der Umkehr zu einer überzeugten Christusnachfolge. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Teilnehmerinnen am Generalkapitel der Franziskanerinnen von Salzkotten in der Diözese Paderborn. Dem neugewählten Generalrat eurer Gemeinschaft spreche ich meinen aufrichtigen Glückwunsch aus und versichere ihn meines Gebetes. Allen euren Schwestern danke ich für ihren Dienst vor Gott und für die Menschen, den sie in Treue zu ihrer Berufung und als Zeugnis für Christus in der Kirche verrichten. Euer Generalkapitel, bei dem ihr mit intensivem Gebet und geistlicher Beratung in franziskanischer Eintracht euren künftigen Weg neu überdacht habt, wird sich gewiß fruchtbar auswirken, wenn seine Entscheidungen und Anregungen mit derselben Gesinnung an alle Mitschwestern in den Konventen weitergegeben und dort in Liebe und Treue gelebt werden. Euch und allen euren Mitschwestern sowie allen hier anwesenden Pilgern und Besuchern aus den Ländern deutscher Sprache erteile ich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 59 AUDIENZEN UND ANGELUS Unbedingtes Ja der Magd des Herrn Vor dem Angelus in Avezzano am 24. März 1. Jetzt ist die Stunde des Angelus, des Gebets, das an das Geheimnis der Verkündigung des Engels Gabriel an Maria erinnert. Morgen feiert die Liturgie festlich dieses Geheimnis, das am Anfang der Heilsgeschichte, am Beginn unserer Erlösung steht: Denn das unbedingte Ja der Magd des Herrn zum göttlichen Plan des universalen Heils hat es in der Heilsinitiative Gottes ermöglicht, Wirklichkeit zu werden zum Wohl der ganzen Menschheit. Eben das war der Grund, weshalb der 25. März als Beginn des Heiligen Jahres der Erlösung gewählt wurde und weshalb ich die Weihe an das Unbefleckte Herz Mariens zusammen mit allen Bischöfen der Welt genau am Tag der Verkündigung letzten Jahres vollzogen habe. 2. Die dramatische Stunde, in der die Menschheit sich befindet, muß uns veranlassen, uns mit immer mehr Vertrauen an das Unbefleckte Herz Mariens zu wenden, damit sie mit uns und durch uns die erlösende Macht der Gnade Gottes erflehe. Die Jünger Christi sind heute mehr denn je auf gerufen, sich in der Kraft des Heiligen Geistes für das Heil der Welt einzusetzen, denn noch nie hat die Gefahr der Selbstzerstörung auf ihnen so gelastet wie heute. Die selige Jungfrau Maria komme uns im gegenwärtigen Kampf zwischen Gut und Böse zu Hilfe und erlange uns die Kraft, das Böse mit dem Guten zu überwinden und so zur Festigung des Friedens in der Welt beizutragen. Was heißt „ich glaube“? Ansprache bei der Generalaudienz am 27. März 1. Der Ausgangspunkt unserer Katechese über den sich offenbarenden Gott bleibt stets der Text des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Gott hat in seiner Güte und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun (vgl. Eph 1,9): daß die Menschen durch Christus, das fleischgewordene Wort, im Hl. Geist Zugang zum Vater haben und teilhaftig werden der göttlichen Natur (vgl. Eph 2,18; 60 AUDIENZEN UND ANGELUS 2 Petr 1,4). In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1,15; 1 Tim 1,17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,11; Joh 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3,38), „um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen“ {Dei verbum, Nr. 2). Doch wir haben bereits die Möglichkeit erwogen, Gott mit der Fähigkeit der bloßen menschlichen Vernunft zu erkennen. Nach der beständigen Lehre der Kirche, wie sie besonders vom Ersten Vatikanischen Konzil {Dei filius, Nr. 2) formuliert und vom Zweiten Vatikanischen Konzil (Dei verbum, Nr. 6) wieder aufgegriffen wurde, besitzt die menschliche Vernunft diese Fähigkeit und Möglichkeit: „Gott, aller Dinge Ursprung und Ziel“, heißt es dort, „kann mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen sicher erkannt werden“ (vgl. Röm 1,20), auch wenn es der göttlichen Offenbarung bedarf, damit „was im Bereich des Göttlichen der menschlichen Vernunft an sich nicht unzugänglich ist, auch in der gegenwärtigen Lage des Menschengeschlechtes von allen leicht, mit sicherer Gewißheit und ohne Beimischung von Irrtum erkannt werden kann“. Diese Erkenntnis Gottes mit Hilfe der Vernunft, die „von den geschaffenen Dingen aus“ zu ihm emporsteigt, entspricht der vernunftbegabten Natur des Menschen. Es entspricht auch dem ursprünglichen Plan Gottes, der den Menschen mit diesem Wesen ausstattet, um von ihm erkannt werden zu können. „Gott, der durch das Wort alles erschafft (vgl. Joh 1,3) und erhält, gibt den Menschen jederzeit in den geschaffenen Dingen Zeugnis von sich“ (vgl. Röm 1,19-20; Dei verbum, Nr. 3). Dieses Zeugnis wird dem Menschen als Geschenk gewährt und zugleich der menschlichen Vernunft als Objekt des Studiums überlassen. Indem sie aufmerksam und unaufhörlich Zeugnis der geschaffenen Dinge betrachtet, wendet sich die menschliche Vernunft Gott zu und nähert sich ihm. Das ist gewissermaßen der aufsteigende Weg: Auf der Stufenleiter der Geschöpfe erhebt sich der Mensch zu Gott, indem er das Zeugnis des Seins, der Wahrheit, des Guten und des Schönen liest, das die Geschöpfe in sich tragen. <18> <18> Dieser Weg der Erkenntnis, der in gewissem Sinn im Menschen und seinem Geist beginnt, erlaubt dem Geschöpf den Aufstieg zum Schöpfer. Wir können ihn als den Weg des Wissens bezeichnen. Es gibt noch einen zweiten Weg, den des Glaubens, der ausschließlich von Gott ausgeht. Diese beiden Wege sind voneinander verschieden, aber sie begegnen einander im Menschen selbst, ergänzen sich gewissermaßen und helfen sich gegenseitig. 61 AUDIENZEN UND ANGELUS Im Unterschied zur Erkenntnis durch die Vernunft, die „von den Geschöpfen“ ausgeht, die nur indirekt zu Gott führen, gewinnen wir die Erkenntnis durch den Glauben aus der Offenbarung, in der Gott sich selbst direkt „zu erkennen gibt“. Gott offenbart sich, d. h. er gibt sich selbst zu erkennen, indem er der Menschheit „das Geheimnis seines Willens“ kundtut (Eph 1,9). Gottes Wille ist, daß die Menschen durch Christus, das menschgewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben und der göttlichen Natur teilhaftig werden. Gott offenbart also dem Menschen „sich selbst“, indem er ihm gleichzeitig seinen Heilsplan für den Menschen enthüllt. Dieser geheimnisvolle Heilsplan Gottes ist der bloßen Kraft der menschlichen Vernunft nicht zugänglich. Deshalb ist auch das scharfsinnigste Ergründen des Zeugnisses Gottes in der Schöpfung nicht imstande, dem menschlichen Geist diese übernatürlichen Horizonte zu enthüllen. Sie eröffnet dem Menschen nicht „den Weg des übernatürlichen Heiles“ (wie sich die Konstitution Dei verbum, Nr. 3 ausdrückt), ein Weg, der eng mit der „Selbsthingabe Gottes“ an den Menschen verbunden ist. In der Offenbarung seiner selbst „lädt Gott den Menschen ein und nimmt ihn in seine Gemeinschaft auf“ (vgl. ebd., Nr. 2). 3. Nur wenn wir das alles vor Augen haben, können wir verstehen, was der Glaube wirklich ist: was der Inhalt des Satzes „Ich glaube“ ausmacht. Wenn es zutrifft, daß der Glaube darin besteht, als wahr anzunehmen, was Gott geoffenbart hat, so hat das Zweite Vatikanische Konzil in passender Weise hervorgehoben, daß er auch eine Antwort des ganzen Menschen ist, und seine existentielle und personalistische Dimension des Glaubens unterstrichen. Denn wenn Gott „sich selbst offenbart“ und dem Menschen das heilbringende „Geheimnis seines Willens“ kundtut, ist es recht, dem sich offenbarenden Gott einen „Gehorsam des Glaubens“ zu leisten, durch den sich der Mensch aus freien Stücken ganz Gott überläßt, indem er sich ihm „mit Verstand und Willen voll unterwirft“ (I. Vaticanum) und „seiner Offenbarung willig zustimmt“ (Dei verbum, Nr. 5). In der Erkenntnis durch den Glauben nimmt der Mensch den gesamten übernatürlichen heilbringenden Inhalt der Offenbarung als Wahrheit an; doch das führt ihn zugleich in eine zutiefst persönliche Beziehung zu dem sich offenbarenden Gott. Wenn der Inhalt der Offenbarung die heilbringende Selbstmitteilung Gottes ist, dann ist die Antwort des Glaubens in dem Maße richtig, in dem sich der Mensch — mit der Annahme jenes heilbringenden Inhaltes als Wahrheit - zugleich „ganz Gott überläßt“. Nur eine völlige Hingabe des Menschen an Gott ist eine angemessene Antwort. 62 AUDIENZEN UND ANGELUS Zu den deutschsprachigen Pilgern im Petersdom sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit besonderer Freude empfange ich euch in dieser Woche wiederum so zahlreich in Audienz hier in der Petersbasilika. Wie schon in den vergangenen Jahren gehört der Petersdom am Mittwoch vor der Karwoche - fast schon traditionell - den vielen Pilgern aus den Ländern deutscher Sprache. Ich danke euch für euer Kommen, das die tiefe Verbundenheit eurer Diözesen und Gemeinden mit der Ewigen Stadt und mit dem Nachfolger Petri bekundet. Herzlich grüße ich euch alle: die einzelnen Pilger und Besucher, die Familien und die genannten Gruppen; unter diesen besonders den großen Münsteraner Diözesanpilgerzug mit Gläubigen aus Gescher anläßlich des tausendjährigen Bestehens ihrer Pfarrei Sankt Pankratius. Euch allen erbitte ich aus der Begegnung mit den heiligen Stätten hier im Zentrum der katholischen Christenheit neue Glaubenskraft und Entschlossenheit, euch auch in den vielfältigen Aufgaben und Pflichten des Alltags als wahre Christen zu erweisen. Wer die Fastenzeit mit Ernst und Besinnung verlebt, wird auch der Freude des Osterfestes voll teilhaftig werden können. In Fortsetzung unserer wöchentlichen Ausführungen über die katecheti-sche Glaubensunterweisung möchte ich eure Aufmerksamkeit heute besonders auf die Frage nach der Erkenntnis Gottes lenken. Es ist die beständige Lehre der Kirche, daß wir Gott nicht nur auf Grund der Offenbarung kennen. Das Zweite Vatikanische Konzil bekennt feierlich, „daß Gott, aller Dinge Ursprung und Ziel, mit dem natürlichen Licht der menschlichen Vernunft aus den geschaffenen Dingen sicher erkannt werden kann“ (Del verbum, Nr. 6). Diese sogenannte natürliche Gotteserkenntnis aus der Schöpfung entspricht der geistbegabten Natur des Menschen. Diese befähigt ihn, von den geschaffenen Dingen auf deren Urheber, vom Geschöpf auf den Schöpfer zu schließen und dadurch nicht nur die Existenz Gottes, sondern auch gewisse Eigenschaften seines Wesens zu erkennen. Dies ist der „aufsteigende“ Weg der Gotteserkenntnis, der Weg des „Wissens“, der beim Menschen beginnt. Daneben gibt es einen zweiten Weg, den Weg des „Glaubens“, der ausschließlich „von oben“, von Gott seinen Ausgang nimmt. Gemeint ist die Erkenntnis Gottes durch die Offenbarung. Gott hat sich neben dem indirekten Weg über die Schöpfung dem Menschen auch auf direkte Weise mitgeteilt. Er hat ihnen sich selbst eröffnet und der Menschheit „das Geheimnis seines Willens“ kundgetan (Eph 1,9), nämlich seinen Entschluß, den Menschen durch Christus zu erlösen und ihn im 63 AUDIENZEN UND ANGELUS Heiligen Geist der göttlichen Natur teilhaftig zu machen. Das Wissen um diesen ewigen Heilsratschluß Gottes kann uns keine menschliche Vernunft vermitteln; wir erhalten es allein durch Gottes eigene Mitteilung und durch unsere gläubige Annahme. Im Glauben nehmen wir als wahr entgegen, was Gott uns offenbart. Beide Wege, der Weg des „Wissens“ und der Weg des „Glaubens“, ergänzen sich gegenseitig trotz ihrer grundlegenden Verschiedenheit. Offenbarung besagt jedoch nicht nur Mitteilung neuer, uns bisher unbekannter Wahrheiten, sondern ist vor allem Selbstmitteilung Gottes an uns. Deshalb ist der Glaube auch nicht nur ein abstraktes „Für-wahr-Halten“, sondern erfordert zutiefst unsere persönliche Hingabe an Gott. Durch den Glauben treten wir zu Gott in ein tiefes persönliches Verhältnis, in eine innige Lebensgemeinschaft mit ihm. Ich erbitte euch, liebe Brüder und Schwestern, als Gnade eurer Rompilgerfahrt einen solch tiefen und lebendigen Glauben als eure ganz persönliche Antwort auf Gottes unendliche Güte und Liebe zu uns in Jesus Christus. Von Herzen erteile ich euch und euren Lieben in der Heimat für reiche österliche Gnaden meinen besonderen Apostolischen Segen. Euch allen ein frohes und gesegnetes Osterfest! „Seht Maria, eure Mutter“ Vor dem Angelus am Palmsonntag, 31. März 1. Zur Stunde des Angelus an diesem Palmsonntag, der in der Liturgie auch Sonntag des Herrenleidens heißt, gehen unsere Gedanken zu Maria, die in das Geheimnis eines unermeßlichen Schmerzes versunken ist. Maria hat ihren göttlichen Sohn in diskreter Verborgenheit begleitet, wobei sie im Innersten ihres Herzens alles bedachte. Auf dem Kalvarienberg zu Füßen des Kreuzes, in der Größe und Tiefe des mütterlichen Opfers, hat sie Johannes, den jüngsten Apostel, an ihrer Seite. Und an ihn wendet sich der sterbende Gottessohn mit einem Auftrag, der von Liebe und Vertrauen bestimmt ist: „Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,27). Diesen heiligen Auftrag gebe ich an euch, liebe Jugend, meine Freunde, weiter. Seht Maria, eure Mutter! Die Mutter eurer Jugendzeit. Das beispielhafte Vorbild, an dem ihr euch inspirieren sollt. Die Stütze, an der ihr euch in den Schwierigkeiten des Lebens festhalten sollt. 64 A UDIENZEN UND ANGELUS 2. Mit der heutigen Meßfeier beginnt die Karwoche, die den Höhepunkten des irdischen Lebens Christi gewidmet ist. Es sollen Tage des Gebets, der Stille, der Meditation sein. Den Hinübergang des Gottessohnes vom Leben in den Tod und vom Tod in die Auferstehung kann man nicht auf ein bloß historisches oder gefühlsmäßiges Gedenken beschränken. Das Paschamysterium will in den Herzen und auf dem Boden der Gesellschaft eine Furche hinterlassen. Euch gilt die besondere pastorale Sorge der Kirche, wenn sie als liebevolle Interpretin der Erwartung des Herrn die Gläubigen zum eucharistischen Mahl ruft: „Ich habe mich sehr danach gesehnt, dieses Paschamahl mit euch zu essen“ (Lk 22,15). Auf diese Sehnsucht des Erlösers gebe unsere Sehnsucht hochherzig Antwort. Dazu helfe uns Maria, die Miterlöserin, zu der wir jetzt aus ganzem Herzen beten wollen. Nach dem Angelus richtete der Papst Grußworte in verschiedenen Sprachen an die Jugend. Auf deutsch sagte er: Am Ende dieser festlichen Palmsonntagsliturgie wende ich mich noch einmal an euch alle, liebe junge Freunde. Es war schön, zusammen mit euch zu beten und zu singen, Eucharistie zu feiern und Gott die Ehre zu geben. Er begleite euren weiteren Lebensweg mit seiner Liebe und Treue! Auf ihn könnt ihr bauen! Gehorsam der Vernunft und des Willens Ansprache bei der Generalaudienz am 3. April 1. Der Glaube — das, was sich im Ausdruck „ich glaube“ ausspricht -steht in wesentlichem Zusammenhang mit der Offenbarung. Die Antwort auf die Tatsache, daß Gott „sich selbst“ dem Menschen offenbart und gleichzeitig vor ihm das Geheimnis des ewigen Willens enthüllt, den Menschen durch „die Teilhabe an der göttlichen Natur“ zu retten, ist die Hingabe an Gott von seiten des Menschen, in der der Glaubensgehorsam seinen Ausdruck findet. Der Glaube ist der Gehorsam der Vernunft und des Willens gegenüber dem sich offenbarenden Gott. Dieser Gehorsam besteht vor allem darin, das, was Gott offenbart, als Wahrheit anzuneh- 65 AUDIENZEN UND ANGELUS men: Der Mensch bleibt in seinem Ja zum Inhalt der Offenbarung in Harmonie mit seiner Natur als Vernunftwesen. Aber durch den Glauben überläßt sich der Mensch ganz diesem Gott, der sich ihm selbst offenbart -und während er das Geschenk von oben erhält, antwortet er also Gott mit der Hingabe seines Menschseins. So beginnt mit dem Gehorsam der Vernunft und des Wilens gegenüber dem sich offenbarenden Gott eine neue Daseinsweise der ganzen menschlichen Person in ihrer Beziehung zu Gott. Die Offenbarung - und folglich auch der Glaube - „übersteigt“ den Menschen, weil sie die übernatürlichen Perspektiven vor ihm eröffnet. Aber in diesen Perspektiven liegt die höchste Erfüllung der in der geistlichen Natur des Menschen verwurzelten Sehnsüchte und Wünsche: das Wahre, das Gute, die Liebe, die Freude, der Friede. Der hl. Augustinus hat dieser Tatsache in dem berühmten Satz Ausdruck gegeben: „Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir“ (Bekenntnisse, I, 1). Der hl. Thomas widmet die ersten Fragen des Zweiten Teiles der Summa Theologica dem Versuch, wie in Entfaltung des Gedankens des hl. Augustinus, zu beweisen, daß nur in der Schau und in der Liebe Gottes die Fülle der Verwirklichung menschlicher Vollkommenheit und damit das Ziel des Menschen zu finden ist. Darum begegnet die göttliche Offenbarung im Glauben der transzendenten Fähigkeit des menschlichen Geistes, sich dem Wort Gottes zu öffnen. <19> <19> Die Konzilskonstitution Del verbum weist darauf hin, daß dieses Offenbarungsgeschehen sich seit Beginn der Menschheitsgeschichte entfaltet. Es „ereignet sich in Tat und Wort, die innerlich miteinander verknüpft sind: die Werke nämlich, die Gott im Verlauf der Heilsgeschichte wirkt, offenbaren und bekräftigen die Lehre und die durch die Worte bezeichneten Wirklichkeiten; die Worte verkündigen die Werke und lassen das Geheimnis, das sie enthalten, ans Licht treten“ (Dei verbum, Nr. 21). Man kann sagen, daß dieses Offenbarungsgeschehen eine besondere „göttliche Pädagogik“ in sich schließt. Gott teilt sich dem Menschen schrittweise mit, indem er ihn nach und nach in seine übernatürliche „Selbstoffenbarung“ einführt, bis zu dem Gipfel, der Jesus Christus ist. Zugleich vollzieht sich das ganze Offenbarungsgeschehen als Heilsgeschichte, deren Entwicklung und Fortgang die Geschichte der Menschheit von Anbeginn durchdringt. „Gott, der durch das Wort alles erschafft (vgl. Joh 1,3) und erhält, gibt den Menschen jederzeit in den geschaffenen Dingen Zeugnis von sich (vgl. Röm 1,19-20). Da er aber den Weg 66 AUDIENZEN UND ANGELUS übernatürlichen Heiles eröffnen wollte, hat er darüber hinaus sich selbst schon am Anfang den Stammeltern kundgetan“ (Dei verbum, Nr. 3). Wie also von Anfang an das „Zeugnis der geschaffenen Dinge“ zum Menschen spricht und seine Vernunft auf den unsichtbaren Schöpfer lenkt, so hält auch von Anbeginn in der Geschichte des Menschen die Selbstoffenbarung Gottes an, die in dem „Ich glaube“ des Menschen eine entsprechende Antwort verlangt. Diese Offenbarung ist von dem Sündenfall der ersten Menschen nicht unterbrochen worden. Denn Gott „hat sie nach ihrem Fall wiederaufgerichtet in Hoffnung auf das Heil, indem er die Erlösung versprach (vgl. Gen 3,15). Ohne Unterlaß hat er für das Menschengeschlecht gesorgt, um allen das ewige Leben zu geben, die das Heil suchen durch Ausdauer im guten Handeln (vgl. Röm 2,6-7). Später berief er Abraham, um ihn zu einem großen Volk zu machen (vgl. Gen 12,2), das er dann nach den Patriarchen durch Moses und die Propheten erzog, ihn allein als lebendigen und wahren Gott, als fürsorgenden Vater und gerechten Richter anzuerkennen und auf den versprochenen Erlöser zu harren. So hat er dem Evangelium den Weg durch die Zeiten bereitet“ {Dei verbum, Nr. 3). Mit dem Kommen Christi, als „in dieser Endzeit Gott zu uns gesprochen hat durch den Sohn“ {Hebr 1,1-2), ist der Glaube als Antwort des Menschen auf das Wort der göttlichen Offenbarung in die endgültige Phase eingetreten. <20> <20> „Jesus Christus, das menschgewordene Wort, als ,Mensch zu den Menschen“ gesandt,,redet die Worte Gottes“ {Joh 3,34) und vollendet das Heilswerk, dessen Durchführung der Vater ihm aufgetragen hat (vgl. Joh 5,36; 17,4). Wer ihn sieht, sieht auch den Vater (vgl. Joh 14,9). Er ist es, der durch sein ganzes Dasein und seine ganze Erscheinung, durch Worte und Werke, durch Zeichen und Wunder, vor allem aber durch seinen Tod und seine herrliche Auferstehung von den Toten, schließlich durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung erfüllt und abschließt und durch göttliches Zeugnis bekräftigt, daß Gott mit uns ist, um uns aus der Finsternis von Sünde und Tod zu befreien und zu ewigem Leben zu erwecken“ {Dei verbum, Nr. 4). Glauben im christlichen Sinne heißt, die endgültige Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus anzunehmen, indem wir auf sie mit einer „Hingabe an Gott“ antworten, deren Fundament, lebendiges Vorbild und heilbringender Vermittler Christus selbst ist. Ein solcher Glaube schließt daher die Annahme der ganzen „christlichen Heilsordnung“ als eines neuen und endgültigen Bundes ein, „der nie 67 AUDIENZEN UND ANGELUS vergeht“. Wie das Konzil sagt: . . Es ist keine neue öffentliche Offenba- rung mehr zu erwarten vor der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus in Herrlichkeit“ {Dei verbum, Nr. 4). So lehrt uns das Konzil, das uns in der Konstitution Dei verbum auf knappe, aber vollständige Weise die gesamte „Pädagogik“ der göttlichen Offenbarung vorlegt, zugleich auch, was der Glaube ist, was „glauben“ und insbesondere „in christlicher Weise glauben“ bedeutet, indem es gleichsam die Forderung Jesu selbst erwidert: „Glaubt an Gott und glaubt an mich“ (Joh 14,1). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Euch allen ein sehr herzliches Willkommen zu dieser vorösterlichen Audienz auf dem Petersplatz. Ich freue mich über eure so zahlreiche Teilnahme und grüße euch alle aufrichtig. Unsere heutigen Überlegungen gelten dem engen Verhältnis zwischen Glaube und göttlicher Offenbarung. Gott offenbart dem Menschen sich selbst und seinen ewigen Heilsratschluß, die Menschheit durch Christus zu erlösen. Die Antwort des Menschen darauf ist der Glaube, der Glaubensgehorsam und seine persönliche Hingabe an Gott. Indem der Mensch Gottes Botschaft als „wahr“ annimmt und darin Gott selbst begegnet, findet die tiefste .Sehnsucht seines Herzens Erfüllung. Denn unruhig ist des Menschen Herz, bis es ruhet in Gott, wie der hl. Augustinus sagt. Die Offenbarung Gottes an den Menschen beginnt schon am Anfang der Menschheitsgeschichte: zunächst durch die Werke der Schöpfung, dann durch Gottes Wirken mit seinem auserwählten Volk im Alten Bund und schließlich in Jesus Christus. Gott teilt sich den Menschen wie ein weiser Erzieher nur allmählich und stufenweise mit: durch Werke und durch Worte. Die „Ökonomie der Offenbarung“, die zugleich auch immer Heilsökonomie ist, erreicht in Christus, dem menschgewordenen Gotteswort, ihren endgültigen Höhepunkt, der nicht mehr überboten werden kann, Christus ist die vollkommenste Weise der Selbstmitteilung Gottes an den Menschen und zugleich das leuchtende Vorbild für unsere gläubiggehorsame Hingabe an den Willen des Vaters. Schließlich grüße ich noch besonders den großen Pilgerzug aus der Diözese Münster und die Gruppe der Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau, die an einem geistlichen Emeuerungskurs hier in Rom teilnehmen. Euch und allen Audienzteilnehmern wünsche ich in dieser Karwoche eine tiefe Besinnung auf den vorbehaltlosen und opferbereiten Glaubensgehorsam Christi seinem himmlischen Vater gegenüber - bis 68 A UDIENZEN UND ANGEL US zum Tod am Kreuz. Begleiten wir ihn auf seinem Kreuzweg, um dann auch um so inniger das Fest seiner Auferstehung feiern zu können. Für geistlich fruchtbare Tage und reiche österliche Gnaden erteile ich euch und euren Angehörigen daheim von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Euch allen ein frohes und gesegnetes Osterfest! In niederländischer Sprache sagte der Papst: Gaarne groet ik ook de leraren en leerlingen van verschillende scholen uit de provincie Limburg in Belgie en uit andere provincies, alsmede de leden van de Koninklijke Kadettenschool uit Lier en alle overige pelgrims uit Belgie en uit Nederland. Van harte verleen ik u en uw familieleden de Apostolische Zegen. To spoedig ziens in uw vaderland! Gnade ist Voraussetzung des Glaubens Ansprache bei der Generalaudienz am 10. April 1. Wiederholt haben wir in unseren Betrachtungen gesagt, der Glaube sei eine besondere Antwort des Menschen auf das Wort Gottes, der sich selbst offenbart bis zur endgültigen Offenbarung in Jesus Christus. Diese Antwort hat zweifellos Erkenntnischarakter, denn sie gibt dem Menschen die Möglichkeit, diese Erkenntnis (Selbsterkenntnis) aufzunehmen, die Gott mit ihm „teilt“. Die Annahme dieser Gotteserkenntnis, die im gegenwärtigen Leben immer provisorische und unvollkommene Teilerkenntnis ist, gibt aber dem Menschen die Möglichkeit, schon heute an der endgültigen und vollständigen Wahrheit teilzuhaben, die sich ihm eines Tages voll in der unmittelbaren Schau Gottes enthüllt. Wenn der Mensch in Antwort auf Gottes Selbstoffenbarung sich ihm ganz überläßt, hat er an dieser Wahrheit teil. Mit dieser Teilhabe beginnt ein neues, übernatürliches Leben, das Jesus „ewiges Leben“ nennt (Joh 17,3) und das man mit dem Hebräerbrief als „Leben durch den Glauben“ bezeichnen kann: „Mein Gerechter aber wird durch den Glauben leben“ (Hebr 10,38). <21> <21> Wenn wir also tiefer verstehen wollen, was der Glaube ist, was „glauben“ heißt, so fällt uns als erstes auf, wie einzigartig der Glaube 69 A UDIENZEN UND ANGELUS gegenüber der rationalen Erkenntnis Gottes durch die „geschaffenen Dinge“ ist. Die Einzigartigkeit des Glaubens besteht zunächst in seinem übernatürlichen Charakter. Wenn der Mensch im Glauben Antwort gibt auf die „Selbstoffenbarung Gottes“ und den göttlichen Heilsplan annimmt, der in der Teilhabe am Wesen und inneren Leben Gottes selbst besteht, dann muß diese Antwort den Menschen über alles hinausführen, was er allein mit den Möglichkeiten und Kräften seiner Natur erreicht, sei es mit seiner Erkenntnis, sei es mit seinem Willen; es handelt sich nämlich um die Erkenntnis einer unendlichen Wahrheit und um die transzendente Erfüllung der Sehnsucht nach dem Guten und nach dem Glück, die im Willen und im Herzen wurzelt: Es geht um das „ewige Leben“. „Durch seine Offenbarung - lesen wir in der Konstitution Dei verbum -wollte Gott sich selbst und die ewigen Entscheidungen seines Willens über das Heil der Menschen kundtun und mitteilen, um Anteil zu geben am göttlichen Reichtum, der die Fassungskraft des menschlichen Geistes schlechthin übersteigt“ (Nr. 6). Die Konstitution zitiert hier die Worte des Ersten Vatikanischen Konzils (Deifilius, Nr. 12), die den übernatürlichen Charakter des Glaubens unterstreichen. So bildet sich also die menschliche Antwort auf die Selbstoffenbarung Gottes und im besonderen auf seine endgültige Selbstoffenbarung in Jesus Christus innerlich durch die strahlende Kraft Gottes selbst, der in der Tiefe der geistigen Fähigkeiten des Menschen wirkt, und in gewisser Weise in all seinen Energien und Möglichkeiten. Diese göttliche Kraft heißt Gnade, im besonderen Glaubensgnade. <22> <22> Lesen wir wieder in der Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Dieser Glaube kann nicht vollzogen werden ohne die zuvorkommende und helfende Gnade Gottes und ohne den inneren Beistand des Heiligen Geistes, der das Herz bewegen und Gott zuwenden, die Augen des Verstandes öffnen und ,es jedem leicht machen muß, der Wahrheit zuzustimmen und zu glauben1“ (Worte des II. Konzils von Orange, zitiert vom I. Vatikanischen Konzil). „Dieser Geist vervollkommnet den Glauben ständig durch seine Gaben, um das Verständnis der Offenbarung mehr und mehr zu vertiefen“ (Dei verbum, Nr. 5). Die Konstitution Dei verbum spricht in gedrängter Form von der Glaubensgnade; dennoch ist diese synthetische Formulierung vollständig und gibt die Lehre Jesu selbst wieder, der gesagt hat: „Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zu mir führt“ (Joh 6,44). Gerade die Glaubensgnade ist eine solche Führung Gottes, die 70 A UDIENZEN UND ANGELUS sich im inneren Wesen des Menschen und indirekt in der ganzen menschlichen Subjektivität auswirkt, damit der Mensch voll auf die Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus antwortet und sich ihm anvertraut. Diese Gnade kommt dem Glaubensakt zuvor, weckt, unterstützt und leitet ihn: damit der Menwch fähig wird, vor allem „an Gott zu glauben“ und wirklich glaubt. So entsteht kraft der zuvorkommenden und mitwirkenden Gnade eine übernatürliche interpersonale „Gemeinschaft“, die die lebendige, tragende Struktur des Glaubens ist, durch die der Mensch, der an Gott glaubt, an seinem „ewigen Leben“ teilhat: „dich, den einzigen, wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (vgl. Joh 17,3); durch die Liebe tritt er in eine Freundschaftsbeziehung zu ihnen {Joh 14,23; 15,15). 4. Diese Gnade ist die Quelle der übernatürlichen Erleuchtung, die „die Augen des Geistes öffnet“; folglich erfaßt die Glaubensgnade besonders das Erkenntnisvermögen des Menschen und konzentriert sich darauf. Daraus folgt die Annahme aller Inhalte der Offenbarung, in der sich die Geheimnisse Gottes enthüllen und die Schritte seines Heilsplans mit dem Menschen. Aber gleichzeitig strebt die Erkenntnisfähigkeit des Menschen unter Einwirkung der Glaubensgnade nach einem immer tieferen Verständnis der Offenbarungsinhalte und richtet sich auf die volle von Jesus verheißene Wahrheit (vgl. Joh 16,13), auf das „ewige Leben“. Bei diesem Bemühen um wachsendes Verständnis findet sie Unterstützung in den Gaben des Heiligen Geistes, vor allem in denen, die die übernatürliche Erkenntnis des Glaubens vervollkommnen: die Gaben der Wissenschaft, des Verstandes und der Weisheit. Aus dieser kurzen Zusammenfassung ergibt sich die Einzigartigkeit des Glaubens als übernatürliches Leben, durch das die Selbstoffenbarung Gottes im menschlichen Verstand Fuß faßt und zur Quelle übernatürlichen Lichtes wird, mit dem der Mensch auf seine Weise, aber auf der Ebene der Gemeinschaft mit Gott an jener Erkenntnis teilhat, durch die Gott sich von Ewigkeit her selbst erkennt und in sich jede andere Wirklichkeit. Heute sind die Priester und Ordensleute der Tschechoslowakei mit Kardinal Frantisek Tomasek, den Bischöfen und Ordinarien in der alten Stadt Velehrad versammelt, um die 1000-Jahr-Feier des Todes des hl. Bischofs Method zu begehen, des großen Apostels der slawischen Völker. Wie ihr wißt, war der hl. Method - zusammen mit seinem Bruder, dem hl. Mönch Kyrill - nicht nur der Verkünder des Evangeliums bei jenen Völkern, sondern gab durch die Übersetzung der Bibel in die slawische 71 A UDIENZEN UND ANGELUS Sprache ihrem geistlichen Leben Inspiration und Orientierung und förderte damit die Kultur, die durch ihre hohen christlichen und menschlichen Werte ausgezeichnet ist. Aus diesem Grund habe ich in Erwägung des Lichts und des Beispiels, die aus dem Wirken und der Person der heiligen Brüder herausfließen, die heiligen Kyrill und Method zu Mitpatronen Europas, zusammen mit dem hl. Benedikt, erklärt. Im Vertrauen auf seinen Schutz fordere ich euch alle auf, mit mir zum auferstandenen Christus und seiner heiligsten Mutter zu beten für die Bischöfe, Priester und Gläubigen der lieben Tschechoslowakei. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In der Freude des Osterfestes grüße ich euch alle sehr herzlich und heiße euch willkommen zu dieser heutigen Audienz auf dem Petersplatz. Möge euch der auferstandene Herr - wie den beiden Jüngern von Emmaus -stets Wegbereiter, treuer Gefährte und Lehrer im Glauben sein. Der Tugend des Glaubens gelten heute unsere besonderen Überlegungen. Der Glaube ist die persönliche Antwort des Menschen auf den sich ihm offenbarenden Gott. Diese Antwort hat ohne Zweifel einen intellektuellen Charakter. Im Glauben beginnt der Mensch, Gott zu erkennen, zwar noch unvollkommen und bruchstückhaft, aber doch schon auf jene wirkliche Weise, die einmal in der unmittelbaren Schau ihre Vollendung finden wird. Glaube ist beginnende Teilnahme an der endgültigen Wahrheit Gottes und zugleich der Anfang eines neuen, übernatürlichen Lebens im Menschen. Christus nennt es das „ewige Leben“, der Hebräerbrief spricht vom „Leben durch den Glauben“ (Hebr 10,38). Das besondere Merkmal des Glaubens gegenüber dem verstandesmäßigen Erkennen besteht in seinem übernatürlichen Charakter. Er führt den Menschen über all das hinaus, was dieser mit den Fähigkeiten und Kräften seiner Natur erreichen kann. Die glaubende Antwort des Menschen auf Gottes Offenbarung erfolgt durch eine besondere Erleuchtung und Führung der göttlichen Gnade. Deshalb sprechen wir zu Recht von der „Gnade des Glaubens“. Jesus selbst hat gesagt: „Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zu mir führt“ (Joh 6,44). Durch diese zuvorkommende Gnade Gottes wird der Mensch fähig, zu glauben und mit Gott in eine übernatürliche Lebensgemeinschaft zu treten. Sie öffnet ihm die Augen für die Wirklichkeit Gottes und macht ihn bereit, seine Offenbarung in ihrer Gesamtheit anzunehmen und immer tiefer darin 72 AUDIENZEN UND ANGELUS einzudringen. Erbitten wir uns immer wieder neu diese Gnade des Glaubens! Ich erneuere von Herzen meinen Gruß an alle hier anwesenden Pilger deutscher Sprache. Ich grüße besonders die Seminaristen aus den Diözesen Salzburg und Gurk-Klagenfurt, die Gruppe der Diakone und der Kandidaten für das Diakonat im Bistum Trier sowie die Teilnehmer der Jubiläumswallfahrt des Vereins katholischer deutscher Lehrerinnen anläßlich des hundertjährigen Bestehens ihres Verbandes. Besonders ihnen gilt mein aufrichtiger Dank für ihr christliches Zeugnis im Bereich der Jugenderziehung. Für ihr so wichtiges Apostolat erbitte ich weiterhin Gottes besonderen Beistand. Ihnen und allen Pilgern erteile ich für reiche Gnaden des auferstandenen Herrn in aufrichtiger Verbundenheit meinen Apostolischen Segen. Der Tag, den der Herr gemacht hat Vor dem Angelus am 14. April 1. „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ (Ps 118,24). Die Einladung zur österlichen Freude, die in der ganzen Osterwoche laut wird, nimmt heute die Umrisse einer besonderen Tradition an. Dieser Sonntag hieß der „Weiße Sonntag“ (in albis) wegen der weißen Gewänder, die die Neugetauften während der ganzen Woche trugen, nachdem sie in der Nacht der Auferstehung des Herrn getauft worden waren. Die Freude, die von der Auferstehung Christi ausgeht, verschmilzt mit der geistlichen Freude über das neue Leben, über die Neugeburt in Christus. Wie vielsagend sind für die Neugetauften und auch für alle, die geglaubt haben, die Worte des auferstandenen Herrn, an die im Evangelium des heutigen Sonntags erinnert wird: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). <23> <23> Unter jenen, die geglaubt haben, obwohl sie nicht gesehen haben, befinden sich auch die beiden Töchter der Kirche, die heute durch den Seligsprechnungsakt zur Ehre der Altäre erhoben worden sind: 73 AUDIENZEN UND ANGELUS 1) Mutter Caterina Troiani, Italienerin, Gründerin der Franziskaner-missionarinnen vom Unbefleckten Herzen Mariens. 2) Mutter Pauline von Mallinckrodt, Deutsche, Gründerin des Instituts der Schwestern von der Christlichen Liebe. Die Einladung zur österlichen Freude am heutigen Tag entspringt in besonderer Weise diesem Ereignis. In ihm sehen wir noch ein weiteres Zeichen jenes „Sieges, der unser Glaube ist“, noch eine weitere Frucht des Ostergeheimnisses Christi. 3. „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen.“ Zur Osterfreude lädt die Kirche besonders die Mutter des auferstandenen Herrn ein. Und zugleich bittet sie sie, in mütterlicher Weise die Freude des Gottesvolkes zu mehren. Deshalb wird unser Angelusgebet an diesem Tag durch das Regina Caeli zum Ausdruck gebracht. Wir legen in dieses Gebet alle unsere Probleme und zugleich alle Sorgen und Hoffnungen der Kirche und der Menschheit in Rom und in der ganzen Welt. Nach dem Gebet des Regina Caeli sagte der Papst u. a. auf deutsch: Herzlich grüße ich alle anwesenden Pilger aus den Ländern deutscher Sprache, insbesondere jene unter euch, die eigens zur Seligsprechung der verdienten Ordensgründerin Pauline von Mallinckrodt gekommen sind. Ich wünsche euch allen innere Bereicherung und geistliche Freude in den Tagen eures Hierseins. Möge euch die Fürsprache der seligen Pauline von Mallinckrodt begleiten, auch auf eurem künftigen Lebensweg. Hierzu erteile ich euch und all euren Lieben zu Hause, insbesondere den Kranken in euren Familien, von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. Einander die Wahrheit mitteilen Ansprache bei der Generalaudienz am 17. April 1. Wenn die Eigenart des Glaubens in dem wesentlich übernatürlichen Erkenntnischarakter liegt, der ihm aus der Gnade Gottes und den Gaben des Heiligen Geistes zukommt, so gilt ebenso, daß der Glaube eine echt menschliche Eigenart besitzt. Denn wir finden in ihm alle Merkmale der 74 AUDIENZEN UND ANGELUS rationalen und vernünftigen Überzeugung von der in der göttlichen Offenbarung enthaltenen Wahrheit. Diese Überzeugung - oder eigentlich Gewißheit - entspricht vollkommen der Würde der Person als vernunftbegabtes und freies Wesen. Recht aufschlußreich für dieses Problem ist unter den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils die Erklärung über die Religionsfreiheit, die mit den Worten Dignitatis humanae beginnt. Wir lesen dort unter anderem: „Es ist ein Hauptbestandteil der katholischen Lehre, in Gottes Wort enthalten und von den Vätern ständig verkündet, daß der Mensch freiwillig durch seinen Glauben Gott antworten soll, daß dementsprechend niemand gegen seinen Willen zur Annahme des Glaubens gezwungen werden darf. Denn der Glaubensakt ist seiner Natur nach ein freier Akt, da der Mensch, von seinem Erlöser Christus losgekauft und zur Annahme an Sohnes Statt durch Jesus Christus berufen, dem sich offenbarenden Gott nicht anhangen könnte, wenn er nicht, indem der Vater ihn zieht, Gott einen vernunftgemäßen und freien Glaubensgehorsam leisten würde. Es entspricht also völlig der Wesensart des Glaubens, daß in religiösen Dingen jede Art von Zwang von seiten der Menschen ausgeschlossen ist“ (Dignitatis humanae, Nr. 10). „Gott ruft die Menschen zu seinem Dienst im Geiste und in der Wahrheit, und sie werden deshalb durch diesen Ruf im Gewissen verpflichtet, aber nicht gezwungen. Denn er nimmt Rücksicht auf die Würde der von ihm geschaffenen menschlichen Person, die nach eigener Entscheidung in Freiheit leben soll. Dies aber ist vollendet in Christus Jesus erschienen . . .“ (ebd., Nr. 11). <24> <24> Und hier zeigt das Konzilsdokument, wie Christus versucht hat, unter Ausschluß jeden Zwanges „den Glauben der Hörer anzuregen und zu bestätigen“. Er hat in der Tat durch Kreuz und Auferstehung ein bleibendes Zeugnis von der Wahrheit seines Evangeliums abgelegt, „dennoch wollte er sie denen, die ihr widersprachen, nicht mit Gewalt aufdrängen. Sein Reich . . . wird gefestigt im Bezeugen und Hören der Wahrheit und wächst in der Kraft der Liebe, in der Christus, am Kreuz erhöht, die Menschen an sich zieht“ (ebd., Nr. 11). Christus hat dann den Aposteln die gleiche Weise, von der Wahrheit des Evangeliums zu überzeugen, hinterlassen. Gerade dank dieser Freiheit besitzt der Glaube - das, was wir mit dem Wort „ich glaube“ zum Ausdruck bringen - seine menschliche Echtheit und Eigenart über die göttliche hinaus. Denn sie drückt die Überzeugung 75 AUDIENZEN UND ANGELUS und Gewißheit von der Wahrheit der Offenbarung kraft eines freien Willensaktes aus. Diese strukturelle Freiwilligkeit des Glaubens bedeutet keineswegs, daß Glauben dem „Belieben“ anheimgestellt wäre und somit eine grundlegend indifferente Haltung gerechfertigt werden könnte; sie bedeutet nur, daß der Mensch berufen ist, auf die Einladung und das Geschenk Gottes mit dem freien Ja seiner ganzen Person zu antworten. 3. Das Konzilsdokument über die Religionsfreiheit unterstreicht auch sehr deutlich, daß der Glaube eine Gewissensfrage ist. „Weil die Menschen Personen sind, d. h. mit Vernunft und freiem Willen begabt und damit auch zu persönlicher Verantwortung erhoben, werden alle - ihrer Würde gemäß - von ihrem eigenen Wesen gedrängt und zugleich durch eine moralische Pflicht gehalten, die Wahrheit zu suchen, vor allem jene Wahrheit, welche die Religion betrifft. Sie sind auch dazu verpflichtet, an der erkannten Wahrheit festzuhalten und ihr ganzes Leben nach den Forderungen der Wahrheit zu ordnen“ (Dignitatis huma-nae, Nr. 2). Wenn dies das wesentliche Argument für das Recht auf Religionsfreiheit ist, stellt es auch das grundlegende Motiv dar für das richtige Verständnis dieser Freiheit und ihre Beachtung im gesellschaftlichen Leben. <25> <25> Was die persönlichen Entscheidungen betrifft, „hat ein jeder die Pflicht und also auch das Recht, die Wahrheit im Bereich der Religion zu suchen, um sich in Klugheit unter Anwendung geeigneter Mittel und Wege rechte und wahre Gewissensurteile zu bilden. Die Wahrheit muß aber auf eine Weise gesucht werden, die der Würde der menschlichen Person und ihrer Sozialnatur eigen ist, d. h. auf dem Wege der freien Forschung, mit Hilfe des Lehramts oder der Unterweisung, des Gedankenaustauschs und des Dialogs, wodurch die Menschen einander die Wahrheit, die sie gefunden haben oder gefunden zu haben glauben, mitteilten, damit sie sich bei der Erforschung der Wahrheit gegenseitig zu Hife kommen; an der einmal erkannten Wahrheit jedoch muß man mit personaler Zustimmung festhalten“ (ebd., Nr. 3). In diesen Worten finden wir ein stark ausgeprägtes Kennzeichen unserer Glaubenszustimmung als eines zutiefst menschlichen Aktes, der der Würde des Menschen als Person entspricht. Diese Entsprechung drückt sich im Verhältnis zur Wahrheit durch die innere Freiheit und Gewissensverantwortung des glaubenden Menschen aus. Diese der Konzilserklärung über die Religionsfreiheit (Dignitatis huma-nae) entnommene Lehre kann auch begreiflich machen, wie wichtig eine 76 AUDIENZEN UND ANGELUS systematische Katechese ist, weil sie sowohl die Erkenntnis der Wahrheit über den in der göttlichen Offenbarung enthaltenen Liebesplan Gottes ermöglicht als auch hilft, die bereits erkannte und durch den Glauben angenommene Wahrheit immer tiefer zu bejahen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Das besondere Merkmal der Glaubenserkenntnis liegt in ihrem übernatürlichen Charakter. Der Mensch glaubt und erkennt durch den Glauben mit Hilfe der göttlichen Gnade. Zugleich ist der Glaube wahrhaft menschlich und entspricht der Würde der Person als einem vernünftigen und freien Wesen. Wie das Zweite Vatikanische Konzil in der Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae besonders unterstrichen hat, ist es ein Hauptbestandteil der katholischen Lehre, „daß der Mensch freiwillig durch seinen Glauben Gott antworten soll, daß entsprechend niemand gegen seinen Willen zur Annahme des Glaubens gezwungen werden darf. Denn der Glaubensakt ist seiner Natur nach ein freier Akt . . . Gott ruft die Menschen in seinen Dienst im Geiste und in der Wahrheit, und sie werden deshalb durch diesen Ruf im Gewissen verpflichtet, aber nicht gezwungen“ {Dignitatis humanae, Nr. 10 u. 11). Christus selbst hat seine Jünger nicht mit Gewalt, sondern in Geduld und Liebe zu gewinnen versucht. „Sein Reich . . . wird gefestigt im Bezeugen und Hören der Wahrheit und wächst in der Kraft der Liebe, in der Christus, am Kreuz erhöht, die Menschen an sich zieht“ {Dignitatis humanae, Nr. 11). Der Akt des Glaubens ist also frei, aber dennoch nicht in das Belieben des Menschen gestellt. Der Glaube ist eine Gewissensfrage. Wie dasselbe Konzilsdokument betont, werden alle Menschen ihrer Würde gemäß „von ihrem eigenen Wesen gedrängt und zugleich durch eine moralische Pflicht gehalten, die Wahrheit zu suchen, vor allem jene Wahrheit, welche die Religion betrifft“ {Dignitatis humanae, Nr. 2). Der Mensch ist somit auch verpflichtet zur Annahme des Glaubens, jedoch aus persönlicher Überzeugung und freier innerer Entscheidung. Erbitten wir uns gegenseitig immer wieder die Gnade des Glaubens! Durch diese kurze Zusammenfassung meiner heutigen Ausführungen grüße ich sehr herzlich alle anwesenden deutschsprachigen Pilger und Besucher: aus Deutschland, Österreich und der Schweiz; die einzelnen Gruppen, besonders die Ordensschwestern und Priester sowie die zahlreichen Jugendlichen. Zu eurer Romwallfahrt erbitte ich euch reiche österliche Gnaden. Gerade der auferstandene Herr verlangt von seinen Jüngern einen festen und lebendigen Glauben und preist die selig, die nicht 77 AUDIENZEN UND ANGELUS sehen und doch glauben. Er selbst bestärke euch in eurer christlichen Berufung und gebe euch Mut und Kraft zu einem wirklich christlichen Leben. Dazu erteile ich euch und euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Was wir gesehen haben, das verkünden wir Vor dem Angelus am 21. April 1. „Seht meine Hände und meine Füße an: Ich bin es selbst. Faßt mich doch an und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht“ (Lk 24,39). Das sagte der auferstandene Christus, als er im Abendmahlssaal in der Mitte seiner Apostel stand. Das sind die Worte, die Lukas im Evangelium niedergeschrieben hat und die die Kirche in der Liturgie des heutigen Sonntags nach Ostern liest. Wie nahe kommt der hl. Apostel Johannes diesen Worten, wenn er in seinem ersten Brief schreibt: „Was wir mit unseren Augen gesehen, was wir geschaut und was unsere Hände angefaßt haben, das verkünden wir . . .“ (1 Joh 1,1-3). Die Kirche ist aus der messianischen Sendung des Jesus von Nazaret geboren. Die nachösterliche Erfahrung bildet bei dieser Entstehung ein besonderes, entscheidendes Kapitel. Der Glaube der Apostel an Jesus Christus, den Herrn und Erlöser, hat seine entscheidende Quelle in der Tatsache, daß sie ihn gesehen, gehört, berührt haben: als Auf erstandenen nach dem Tod, den er am Kreuz erlitten hatte. Auf diese Weise sind die Apostel zu Zeugen der Auferstehung geworden. Aus ihrem Zeugnis wächst von Generation zu Generation der Glaube der Kirche. <26> <26> Unser Gebet zu dieser Mittagsstunde richtet sich an die Mutter Christi. Er läßt nach der Auferstehung seinen Leib, seine Hände und Füße sehen. Er beweist so vor den Aposteln seine Identität (im physischen Sinn): „Ich bin es selbst“ {Lk 24,39). „Ich“, derselbe, den ihr „von Anfang an“ gekannt habt: Ich bin Jesus von Nazaret selbst. Wenn man diese Worte hört, fällt es schwer, nicht an die Mutter zu denken. Die Auferstehung vervollständigt das Geheimnis der Mensch- 78 AUDIENZEN UND ANGELUS werdung. Er ist im Fleisch auferstanden, weil er im Fleisch geboren ist („das Wort ist Fleisch geworden“). Und diesen Leib hat er von ihr, von Maria, empfangen. Darum wendet sich die Kirche nach der Auferstehung Christi auch an Maria mit den Worten österlicher Freude: „Regina caeli, laetare!“ Die geoffenbarte Wahrheit annehmen Ansprache bei der Generalaudienz am 24. April 1. Wo können wir finden, was Gott geoffenbart hat, um ihm mit unserem überzeugten und freien Glauben zuzustimmen? Es gibt ein Glaubensdepositum, aus dem die Kirche schöpft, wenn sie uns seine Inhalte mitteilt. Wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt: „Diese Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift beider Testamente sind gleichsam ein Spiegel, in dem die Kirche Gott, von dem sie alles empfängt, auf ihrer irdischen Pilgerfahrt anschaut, bis sie hingeführt wird, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, so wie er ist (vgl. 1 Joh 3,2)“ (Dei verbum, Nr. 7). Mit diesen Worten faßt die Konzilskonstitution das Problem der für den Glauben jedes Christen wichtigen Weitergabe der göttlichen Offenbarung zusammen. Unter „ich glaube“, das den Menschen auf Erden darauf vorbereiten soll, Gott in der Ewigkeit von Angesicht zu Angesicht zu schauen, hängt in jedem Abschnitt der Geschichte von der getreuen und unversehrten Weitergabe, dieser Selbstoffenbarung Gottes ab, die in Jesus Christus ihren Höhepunkt und ihre Fülle erreicht hat. <27> <27> Christus selber „hat den Aposteln geboten, das Evangelium . . . allen zu predigen als die Quelle jeglicher Heilswahrheit und Sittenlehre und ihnen so göttliche Gaben mitzuteilen“ (Dei verbum, Nr. 7). Sie erfüllten die an sie ergangene Sendung vor allem in der mündlichen Predigt, und zugleich „schrieben einige von ihnen unter der Inspiration des Heiligen Geistes die Botschaft vom Heil nieder“ (Dei verbum, Nr. 7). Das taten auch einige aus dem Kreis der Apostel (Markus, Lukas). So nahm die Weitergabe der göttlichen Offenbarung in der ersten Christengeneration Gestalt an. „Damit das Evangelium in der Kirche für 79 AUDIENZEN UND ANGELUS immer unversehrt und lebendig bewahrt werde, haben die Apostel Bischöfe als ihre Nachfolger zurückgelassen und ihnen ,ihr eigenes Lehramt überliefert (vgl. Irenäus, Adv. Haer. III, 3,1)“ (Dei verbum, Nr. 7). 3. Wie man sieht, unterstützen und ergänzen sich gemäß dem Konzil bei der Weitergabe der göttlichen Offenbarung in der Kirche Überlieferung und Heilige Schrift gegenseitig, und mit ihnen nähren die neuen Generationen der Jünger und Zeugen Jesu Christi ihren Glauben, denn „was von den Aposteln überliefert wurde, umfaßt alles, was dem Volk Gottes hilft, ein heiliges Leben zu führen und den Glauben zu mehren“ {Dei verbum, Nr. 8). „Diese apostolische Überlieferung kennt in der Kirche unter dem Beistand des Heiligen Geistes einen Fortschritt: Es wächst das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen (vgl. L& 2,19.51), durch innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt, durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben; denn die Kirche strebt im Gang der Jahrhunderte ständig der Fülle der göttlichen Wahrheit entgegen, bis sich an ihr Gottes Worte erfüllen“ {Dei verbum, Nr. 8). Aber in dieser Ausrichtung auf die Fülle der göttlichen Wahrheit hin schöpft die Kirche unablässig aus dem einzigen ursprünglichen Schatz, der aus der apostolischen Überlieferung und der Heiligen Schrift besteht, denn „demselben göttlichen Quell entspringend, fließen beide gewissermaßen in eins zusammen und streben demselben Ziel zu“ {Dei verbum, Nr. 9). <28> <28> Mit dem Konzil muß man in diesem Zusammenhang feststellen und unterstreichen, daß „die Kirche ihre Gewißheit über alles Geoffenbarte nicht aus der Heiligen Schrift allein schöpft“ {Dei verbum, Nr. 9). Die Schrift „ist Gottes Rede, insofern sie unter dem Anhauch des Heiligen Geistes schriftlich aufgezeichnet wurde“. Aber „das Wort Gottes, das von Christus, dem Herrn, und vom Heiligen Geist den Aposteln anvertraut wurde, wird von der Heiligen Überlieferung unversehrt an deren Nachfolger weitergegeben, damit sie es unter der erleuchtenden Führung des Geistes der Wahrheit in ihrer Verkündigung treu bewahren, erklären und ausbreiten“ {ebd.). Durch dieselbe Überlieferung wird der Kirche der vollständige Kanon der Heiligen Bücher bekannt, in ihr werden die Heiligen Schriften selbst tiefer verstanden und unaufhörlich wirksam gemacht“ {Dei verbum, Nr. 8). 80 AUDIENZEN UND ANGELUS „Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schutz des Wortes Gottes. Voller Anhänglichkeit an ihn verharrt das ganze heilige Volk, mit seinen Hirten vereint, ständig in der Lehre und Gemeinschaft der Apostel . . {Dei verbum, Nr. 8). „Die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes. Voller Anhänglichkeit an ihr verharrt das ganze heilige Volk, mit seinen Hirten vereint, ständig in der Lehre und Gemeinschaft der Apostel“ (Dei verbum, Nr. 10). Darum müssen beide, die Überlieferung und die Heilige Schrift, mit derselben Verehrung und derselben religiösen Ehrfurcht umgeben werden. 5. Hier entsteht das Problem der authentischen Auslegung des geschriebenen oder von der Überlieferung weitergegebenen Wortes Gottes. Diese Aufgabe wurde „nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird“ (Dei verbum, Nr. 10). Dieses Lehramt „ist nicht über dem Wort Gottes, sondern dient ihm, indem es nichts lehrt, als was überliefert ist, weil es das Wort Gottes aus göttlichem Auftrag und mit dem Beistand des Heiligen Geistes voll Ehrfurcht hört, heilig bewahrt und treu auslegt und weil es alles, was es als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt, aus diesem einen Schatz des Glaubens schöpft“ (ebd.). 6. Wir haben hier ein neues Merkmal des Glaubens: Glauben im christlichen Sinn bedeutet auch, die von Gott geoffenbarte Wahrheit so anzunehmen, wie die Kirche sie lehrt. Gleichzeitig erinnert das Zweite Vatikanische Konzil daran, daß „die Gesamtheit der Gläubigen . . . nicht im Glauben irren kann. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert. Durch jenen Glaubenssinn nämlich, der vom Geist der Wahrheit geweckt und genährt wird, hält das Gottesvolk unter der Leitung des heiligen Lehramtes . . . den einmal den Heiligen übergebenen Glauben (vgl. Jud 3) unverlierbar fest. Durch ihn dringt es mit rechtem Urteil immer tiefer in den Glauben ein und wendet ihn im Leben voller an“ {Lumen gentium, Nr. 12). 7. Die Überlieferung, die Heilige Schrift, das Lehramt der Kirche und der übernatürliche Glaubenssinn des ganzen Gottesvolkes bilden jenen 81 AUDIENZEN UND ANGELUS lebenspendenden Prozeß, in dem die göttliche Offenbarung weitergegeben wird. „So ist Gott, der einst gesprochen hat, ohne Unterlaß im Gespräch mit der Braut seines geliebten Sohnes, und der Heilige Geist, durch den die lebendige Stimme des Evangeliums in der Kirche und durch sie in der Welt widerhallt, führt die Gläubigen in alle Wahrheit ein und läßt das Wort Christi in Überfülle unter ihnen wohnen (vgl. Kol 3,6)“ (Del verbum, Nr. 8). Glauben im christlichen Sinn heißt bejahen, daß wir vom Geist in die Fülle der Wahrheit in vollem Bewußtsein und mit freiem Willen eingeführt und geleitet werden. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In unseren Überlegungen über den Glauben fragen wir uns heute, wo wir das finden können, was Gott uns geoffenbart hat. Die Antwort lautet: im heiligen Glaubensschatz der Kirche. Wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt, sind die Heilige Schrift beider Testamente . .. gleichsam ein Spiegel, in dem die Kirche Gott, von dem sie alles empfängt, auf ihrer irdischen Pilgerschaft anschaut“ (Del verbum, Nr. 7). Die erste Glaubensverkündigung erfolgte zunächst durch die mündliche Predigt der Apostel, sodann durch das geschriebene Wort der Evangelien und der Apostelbriefe. Beides, Tradition und Heilige Schrift, haben ihren Ursprung bei den ersten Jüngern Jesu. Sie stehen nicht im Gegensatz zueinander, sondern stützen und ergänzen sich gegenseitig. Denn „demselben göttlichen Quell entspringend, fließen beide gewissermaßen in eins zusammen und streben demselben Ziel zu“ (Dei verbum, Nr. 9). Die Kirche stützt sich also in ihrer Verkündigung nicht nur auf die Heilige Schrift allein. Beide zusammen, „die Heilige Überlieferung und die Heilige Schrift, bilden den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes. Indem es diesen in Treue bewahrt, verharrt das ganze heilige Volk, mit seinen Hirten vereint, ständig in der Lehre und Gemeinschaft der Apostel {Dei verbum, Nr. 10). Die Kirche mit ihrem lebendigen Lehramt ist die von Gott gestellte Hüterin des geschriebenen und überlieferten Wortes Gottes. Ihre Aufgabe ist es, dieses verbindlich zu lehren und zu erklären. Deshalb heißt „glauben“ auch, die uns von Gott geoffen-barte Wahrheit anzunehmen, so wie die Kirche sie uns lehrt. Mit diesen kurzen Darlegungen grüße ich sehr herzlich alle heutigen deutschsprachigen Audienzteilnehmer. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen anwesenden Jugendlichen, der Pilgergruppe der Katholischen Männerbewegung aus Graz, den Mitgliedern der ehemaligen Sturmschar 82 AUDIENZEN UND ANGELUS des Katholischen Jungmännerverbandes sowie den Alumnen des Priesterseminars Würzburg. In der jetzigen Osterzeit ermahnt uns der auferstandene Herr in einer besonderen Weise, seine Zeugen zu sein: durch ein überzeugt christliches Leben, durch Bekennermut in Beruf und Gesellschaft und ein aufrichtiges Streben nach persönlicher Heiligkeit! Wie den Emmausjüngern sei Christus auch euch stets treuer Weggefährte! Das erbitte ich euch und allen anwesenden Pilgern von Herzen mit meinem besonderen Apostolischen Segen. „Auch andere hätten es verdient“ Papst Johannes Paul II. kündigt bei der Generalaudienz am 24. April für Pfingstsamstag ein Konsistorium an Ich freue mich jetzt, euch anzukündigen, daß am kommenden 25. Mai, dem Pfingstsamstag, ein einziges Konsistorium stattfinden wird, bei dem ich 28 neue Kardinäle ernennen werde. Ihre Wahl spiegelt die Universalität der Kirche und die Vielfalt ihrer Ämter wider; unter ihnen befinden sich nämlich durch ihren Dienst für den Hl. Stuhl hochverdiente Bischöfe; außerdem Oberhirten alter Bischofssitze oder erst vor kurzem errichteter Diözesen. Insgesamt gehören sie 19 Nationen an. Es gibt noch andere höchst würdige und wegen der hochherzigen Hingabe, mit der sie der Kirche dienen, meinem Herzen sehr nahestehende Personen, die es verdient hätten, in die Liste derer, die zur Kardinalswürde erhoben werden, mitaufgenommen zu werden; aber ich halte es für richtig, die von meinem Vorgänger Paul VI. festgelegte Zahl nicht zu überschreiten. In meinem Herzen bewahre ich außerdem noch immer den Bischof, dessen Ernennung beim Konsistorium am 30. Juni 1979 ich mir in pectore Vorbehalten habe. 83 A UDIENZEN UND ANGELUS Der Gute Hirt - Vorbild der geistlichen Berufe Vor dem Angelus am 28. April 1. „Ich habe noch andere Schafe . . . auch sie muß ich führen“ (Joh 10,16). Heute steht im Mittelpunkt der Liturgie der österlichen Zeit die Gestalt des Guten Hirten. Christus, der im Kreuzesopfer „sein Leben hingibt“ und durch die Auferstehung seine Macht offenbart, „es wieder zu nehmen“ (Joh 10,17), ist der Gute Hirte aller Menschen. Das neue Leben, das in seiner Auferstehung offenbar wird, ist zugleich „das Leben für uns“: Geschenk für alle. In Jesus Christus nährt uns der ewige Vater mit diesem göttlichen Leben. Er pflanzt es in unsere Seelen ein. Und auf diese Weise schreitet Christus immer als der Gute Hirt durch die Geschichte des Menschen. 2. Christus, der Gute Hirt, ist gleichzeitig eine unaufhörliche Inspiration für die Kirche. Die Kirche ist von Anbeginn berufen, mit ihm - dem Guten Hirten - die Sorge für das Leben Gottes in den Seelen der Menschen zu teilen; die Sorge für dieses Leben, das Unterpfand der Unsterblichkeit ist: Unterpfand des ewigen-Lebens des Menschen in Gott. 3. Von hier nimmt auch die christliche Berufung in ihrer ganzen Fülle und zugleich in jeder ihrer besonderen Formen ihren Ausgang. Christus, der Gute Hirt, schenkt uns die einzigartige Inspiration für die Priester-und Ordensberufe unter dem Volk Gottes. Gerade in bezug auf sie wird der heutige Sonntag zum Tag der geistlichen Berufe in der ganzen Kirche. <29> <29> Im Regina Caeli wenden wir uns an die Gottesmutter, die Mutter des auferstandenen Herrn, und bitten sie als Mutter der Kirche inständig um ihre Fürbitte für die Förderung dieser wichtigen Sache. Möge Maria die Gestalt des Guten Hirten vielen jungen Herzen nahebringen, damit sie ihm folgen und andere führen. Der Gute Hirt hat in jeder Generation „andere Schafe“, die er „führen muß“, und in jeder Generation sucht er Menschen, die seine evangelische Sorge mit ihm teilen sollen: die Hirtensorge für das Heil der Menschen. 84 A UDIENZEN UND ANGEL US Nach dem Angelus sagte der Papst: Ich begrüße alle Anwesenden auf dem Petersplatz und wende mich besonders an die jungen Menschen, die ich lebhaft dazu auffordere, die Einladung Christi, der auch in unseren Tagen „vorübergeht und beruft“, hochherzig zu folgen. Meine Gedanken gehen heute auch zu den lieben Brüdern im Libanon, wo Rivalitäten und Mißverständnisse immer noch Zerstörungen und unschuldige Opfer zur Folge haben. Nach den blutigen Zusammenstößen in den letzten Wochen in der Hauptstadt Beirut hat sich eine blinde Gewalt auch im Süden des Landes ausgebreitet. Aus der Stadt Sidon und den benachbarten Dörfern kommt die Nachricht von neuen Zusammenstößen mit einigen Dutzend von Opfern, von Christen, die gezwungen sind, ihre Häuser, ihr Hab und Gut zu verlassen und voll Angst und Verzweiflung zu flüchten. Dieses so große Leid ist eine dringende Aufforderung an alle, die an der Macht sind, der Spirale der Gewalt und der Rache ein Ende zu setzen. Auch ich richte an sie einen Appell, der mir von Herzen kommt, damit sie die Schmerzensschreie hören und nichts unversucht lassen bei dem Bemühen, den Frieden wiederherzustellen. Wir wollen miteinander den Herrn bitten, daß er die Leiden so vieler Personen und Familien lindere und das Herz derer rühre, die auf den verschiedenen Landes- wie internationalen Ebenen der Verantwortung diesem unnützen Blutvergießen ein Ende setzen können. Auf deutsch sagte der Papst: Herzlich grüße ich auch die Gruppe von Vertretern katholischer Arbeitnehmer Österreichs mit Angehörigen und Freunden: Diese österliche Zeit in Rom schenke euch neue Zuversicht für euren Weg als Christen und Vertreter eurer Kollegen am Arbeitsplatz! 85 AUDIENZEN UND ANGELUS Die rechte Weise der Auslegung Ansprache bei der Generalaudienz am 1. Mai 1. Wir wiederholen heute noch einmal die schönen Worte aus der Konzilskonstitution Dei verbum: „So ist Gott, der einst gesprochen hat, ohne Unterlaß im Gespräch mit der Braut seines geliebten Sohnes, und der Heilige Geist, durch den die lebendige Stimme des Evangeliums in der Kirche und durch sie in der Welt widerhallt, führt die Gläubigen in alle Wahrheit ein und läßt das Wort Christi in Überfülle unter ihnen wohnen (vgl. Kol 3,16)“ (Dei verbum, Nr. 8). Gehen wir noch einmal auf das ein, was „glauben“ heißt. Glauben im christlichen Sinn heißt genau: vom Heiligen Geist in die volle Wahrheit der Göttlichen Offenbarung eingeführt werden. Das will sagen: eine Gemeinschaft von Gläubigen sein, die für das Wort des Evangeliums Christi offen sind. Das eine wie das andere ist in jeder Generation möglich, da die lebendige Weitergabe der Göttlichen Offenbarung, die in der Uberlieferung und der Heiligen Schrift enthalten ist, dank des besonderen Dienstes des Lehramtes im Einklang mit dem übernatürlichen Glaubenssinn des Gottesvolkes in der Kirche unversehrt fortdauert. <30> <30> Um diese Auffassung von der Verbindung zwischen unserem katholischen Credo und seiner Quelle zu vervollständigen, ist auch die Lehre von der göttlichen Inspiration der Heiligen Schrift und deren authentischer Auslegung von Bedeutung. Bei der Darlegung dieser Lehre folgen wir (wie in den vergangenen Katechesen) vor allem der Konstitution Dei verbum. Das Konzil sagt: „Aufgrund apostolischen Glaubens gelten unserer heiligen Mutter, der Kirche, die Bücher des Alten wie des Neuen Testaments in ihrer Ganzheit mit allen ihren Teilen als heilig und kanonisch, weil sie, unter der Einwirkung des Heiligen Geistes geschrieben (vgl. Joh 20,31; 2 Tim 3,16; 2 Petr 1,19-91; 3,15-16), Gott zum Urheber haben und als solche der Kirche übergeben sind“ (Dei verbum, Nr. 11). Gott - als unsichtbarer und transzendenter Urheber - „hat Menschen erwählt, die ihm durch den Gebrauch ihrer eigenen Fähigkeiten und Kräfte dazu dienen sollten, all das und nur das, was er . . . geschrieben haben wollte, als echte Verfasser schriftlich zu überliefern“ (ebd.). Zu diesem Zweck wurde der Heilige Geist in ihnen und durch sie wirksam (vgl. ebd.). 86 A UDIENZEN UND ANGELUS 3. In Anbetracht dieses Ursprungs muß man festhalten, daß „die Bücher der Schrift sicher, getreu und ohne Irrtum die Wahrheit lehren, die Gott um unseres Heiles willen in heiligen Schriften aufgezeichnet haben wollte“ (Dei verbum, Nr. 11). Das bestätigen die Worte des hl. Paulus im Brief an Timotheus: „Jede von Gott eingegebene Schrift ist auch nützlich zur Belehrung, zur Widerlegung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit; so wird der Mensch Gottes zu jedem guten Werk bereit und gerüstet sein“ (2 Tim 3,16-17). Die Konstitution über die Göttliche Offenbarung drückt, dem hl. Johannes Chrysostomus folgend, Bewunderung aus für jenes besondere „Entgegenkommen“, gleichsam eine „Herablassung“ der ewigen Weisheit. „Denn Gottes Worte, durch Menschenzungen formuliert, sind menschlicher Rede ähnlich geworden, wie einst des ewigen Vaters Wort durch die Annahme menschlich-schwachen Fleisches den Menschen ähnlich geworden ist“ {Dei verbum, Nr. 13). 4. Aus der Wahrheit über die göttliche Inspiration der Heiligen Schrift folgen logisch einige Regeln für ihre Auslegung. Die Konstitution Dei verbum faßt sie kurz zusammen: Der erste Grundsatz lautet: „Da Gott in der Heiligen Schrift durch Menschen nach Menschenart gesprochen hat, muß der Schrifterklärer, um zu erfassen, was Gott uns mitteilen wollte, sorgfältig erforschen, was die heiligen Schriftsteller wirklich zu sagen beabsichtigten und was Gott mit ihren Worten kundtun wollte“ {Dei verbum, Nr. 12). Zu diesem Zweck muß man - das ist der zweite Punkt - unter anderem auf „die literarischen Gattungen“ achten. „Denn die Wahrheit wird je anders dargelegt und ausgedrückt in Texten von in verschiedenem Sinn geschichtlicher, prophetischer oder dichterischer Art oder in anderen Redegattungen“ {ebd.). Der Sinn dessen, was der Verfasser schreibt, hängt gerade von diesen literarischen Gattungen ab, die darum vor dem Hintergrund sämtlicher Gegebenheiten einer bestimmten Zeit und einer bestimmten Kultur betrachtet werden müssen. Deshalb der dritte Grundsatz für eine richtige Auslegung der Heiligen Schrift: „Will man richtig verstehen, was der heilige Verfasser in seiner Schrift aussagen wollte, so muß man schließlich genau auf die vorgegebenen umweltbedingten Denk-, Sprach- und Erzählformen achten, die zur Zeit des Verfassers herrschten, wie auf die Formen, die damals im menschlichen Alltagsverkehr üblich waren“ {Dei verbum, Nr. 12). 87 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Diese recht detaillierten Anweisungen für die geschichtlich-literarische Auslegung fordern eine tiefere Beziehung zu den Voraussetzungen der Lehre über die göttliche Inspiration der Heiligen Schrift. Sie muß „in dem Geist gelesen und ausgelegt werden, in dem sie geschrieben wurde“ (Dei verbum, Nr. 12). Gefordert ist daher, „daß man mit nicht geringer Sorgfalt auf den Inhalt der ganzen Schrift achtet, unter Berücksichtigung der lebendigen Überlieferung der Gesamtkirche und der Analogie des Glaubens“ (ebd.). Unter „Analogie des Glaubens“ verstehen wir den Zusammenhang der einzelnen Glaubenswahrheiten untereinander und mit dem Gesamtplan der Offenbarung und der Fülle des in ihr enthaltenen göttlichen Heilsplanes. 6. Die Aufgabe der Exegeten, d. h. der Forscher, die mit entsprechenden Methoden die Heilige Schrift studieren, ist es, nach den oben angeführten Grundsätzen zu „einer tieferen Erfassung und Auslegung des Sinnes der Heiligen Schrift“ beizutragen, „damit so gleichsam auf Grund wissenschaftlicher Vorarbeit das Urteil der Kirche reift“ (Dei verbum, Nr. 12). Da es „gottgegebener Auftrag und Dienst der Kirche ist, das Wort Gottes zu bewahren und auszulegen, untersteht alles, was die Kirche der Schrifterklärung betrifft, letztlich dem Urteil der Kirche“ (ebd.). Diese Regel ist wichtig und entscheidend für . die klare Bestimmung der Wechselbeziehung zwischen Exegese (und Theologie) und dem Lehramt der Kirche. Eine Regel," die in engster Beziehung zu dem steht, was wir früher im Zusammenhang mit der Weitergabe der Göttlichen Offenbarung ausgeführt haben. Es sei noch einmal hervorgehoben, daß das Lehramt sich der Arbeit der Theologen und Exegeten bedient und gleichzeitig auf geeignete Weise über die Ergebnisse ihrer Studien wacht. Denn das Lehramt ist berufen, die volle, in der Göttlichen Offenbarung enthaltene Wahrheit zu bewahren. 7. Glauben im christlichen Sinne heißt also dieser Wahrheit anhängen, indem man die Garantie der Wahrheit benützt, die aufgrund der Einsetzung durch Christus selbst von der Kirche kommt. Das gilt für alle Gläubigen - auch für die Theologen und Exegeten. Allen offenbart sich hier die barmherzige Vorsehung Gottes, der uns nicht nur das Geschenk seiner Selbstoffenbarung gewähren wollte, sondern auch die Garantie ihrer treuen Bewahrung, Auslegung und Erklärung, indem er sie den Händen der Kirche anvertraut hat. 88 AUDIENZEN UND ANGELUS „Die Kirche ist mit den Problemen der Arbeitnehmer solidarisch“ Grußwort an die Arbeitnehmer bei der Generalaudienz am 1. Mai Liebe Brüder und Schwestern! Heute begeht ein sehr wichtiger Teil der Gesellschaft, die lieben Arbeitnehmer, ihr Fest: den 1. Mai, den Tag der Arbeit. Die Kirche ist mit den Problemen der Arbeitnehmer solidarisch, sie steht ihnen nahe, teilt ihre Ängste und Bestrebungen, ihre Freuden und Befürchtungen. Die Kirche stellt den arbeitenden Menschen vor allem Christus im Hause Josefs, des Zimmermanns von Nazaret, vor. In diesem Haus hat Jesus von Josef gelernt, sich im Schweiß des Angesichts sein Brot zu verdienen. Darum führt die Kirche den arbeitenden Menschen das Vorbild des heiligen Handwerkers Josef, des Bräutigams der seligsten Jungfrau Maria und Schutzpatrons der Gesamtkirche, vor Augen, dem von Gott die erhabene und einzigartige Sendung übertragen wurde, Jesus, das fleischgewordene Wort Gottes, mit Liebe aufzunehmen, mit liebevoller Sorge zu beschützen, durch seine Arbeit zu erhalten und ihm mit Klugheit im menschlichen Wachstum beizustehen. Darum richte ich gleich zu Beginn dieser Audienz an alle Arbeitnehmer einen besonderen und herzlichen Gruß. Bitten wir den hl. Josef und die Gottesmutter, welcher der heute beginnende Monat Mai geweiht ist, daß sie uns die Gnade erwirken mögen, in unserem Alltagsleben die von Christus verkündete Botschaft der Liebe und Hingabe zu verwirklichen. 89 AUDIENZEN UND ANGELUS Würde der menschlichen Arbeit Grußwort an die deutschsprachigen Gruppen bei der Generalaudienz am 1. Mai Liebe Brüder und Schwestern! Am heutigen 1. Mai, an dem wir der Würde der menschlichen Arbeit und ihres Patrons, des hl. Josef, gedenken, heiße ich euch herzlich willkommen zu dieser Audienz. Unsere Überlegungen verweilen zur Zeit bei der Frage nach der inneren Beziehung zwischen Glaube und Offenbarung. Glauben im christlichen Sinne heißt, durch den Heiligen Geist in die ganze Wahrheit der Göttlichen Offenbarung eingeführt zu werden, und zwar in der Gemeinschaft der Kirche. Den Zugang zu den Quellen erschließen uns die von Gott inspirierten Bücher der Heiligen Schrift, die vom kirchlichen Lehramt verbindlich ausgelegt werden. Es gehört zur Glaubensüberzeugung der Kirche, daß alle Bücher des Alten und Neuen Testamentes unter der Eingebung des Heiligen Geistes geschrieben worden sind und deshalb letztlich Gott selbst zum Urheber haben. Er bedient sich der Mitwirkung der menschlichen Verfasser, um durch sie den Menschen „sicher, getreu und ohne Irrtum“ seine göttliche Wahrheit mitzuteilen (vgl. Dei verbum, Nr. 11). Deshalb ist es die wichtigste Aufgabe der Bibelforscher, wie das Konzil sagt: „zu erfassen, was Gott uns mitteilen wollte, sorgfältig zu erforschen, was die heiligen Schriftsteller wirklich zu sagen beabsichtigten und was Gott mit ihren Worten (uns) kundtun wollte“ (Dei verbum, Nr. 12). Dazu hilft besonders die genaue Erforschung der literarischen Gattungen wie auch der geschichtlichen und kulturellen Bedingungen, unter denen die heiligen Bücher verfaßt worden sind. Die Exegeten leisten dadurch die wissenschaftliche Vorarbeit, mit deren Hilfe dann das Lehramt der Kirche das verbindliche Urteil über den wahren Sinn der Heiligen Schrift fällt. Denn allein der Kirche wurde von Gott der Auftrag und Dienst anvertraut, „das Wort Gottes zu bewahren und auszulegen“ {Dei verbum, Nr. 12). Herzlich grüße ich noch einmal die genannten Gruppen und auch alle einzelnen Pilger. Einen besonderen Gruß richte ich an die Pilgergruppe der „Kameradschaft der Exekutive Österreichs“. Ihnen ist in Ihren verschiedenen Berufen in einer besonderen Weise die Wahrung und der Schutz der öffentlichen Ordnung anvertraut. Ich ermutige Sie, sich in Ihrem wichtigen Dienst für das Gemeinwohl stets als überzeugte Christen zu erweisen. 90 AUDIENZEN UND ANGELUS Einen aufrichtigen Willkommensgruß richte ich sodann an die große Romwallfahrt der „Marianischen Bürgersolidarität Trier“ unter der Leitung ihres Bischofs Spital. Ich beglückwünsche euch zur Jubiläumsfeier eurer Vereinigung. Persönliche Christusnachfolge unter der Führung Mariens ist ein für alle Zeit gültiges Lebensprogramm! Laßt es fruchtbar werden für euch, in euren Familien und Gemeinden. Euch und allen anwesenden Pilgern erteile ich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Christus als der Weinstock Vor dem Angelus am 5. Mai 1. „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht“ (Joh 15,5). Die heutige Sonntagsliturgie in der Osterzeit spricht zu uns mit dem Gleichnis vom Weinstock und den Reben. Das Gleichnis macht in besonderer Weise die gewissermaßen „organische“ Verbindung deutlich, die zwischen Christus und der Kirche besteht: zwischen Christus und allen, die aus ihm das Leben schöpfen - so wie der Rebzweig das Leben aus dem Weinstock bezieht. Das gilt für jeden einzelnen Menschen und zugleich für die ganze Gemeinschaft des Gottesvolkes: für die Kirche. Die ganze Kirche - als eine vielfältige, reiche Gesamtheit von Rebzweigen - bleibt in Christus: am Weinstock. Aus ihm bezieht sie das Leben. „Ohne ihn kann sie nichts tun“: nichts wahrhaft Heilbringendes. Das ganze Heil, die ganze Gnade findet sich in ihm: in Christus. Und von ihm, nur von ihm, und durch ihn in uns, in den Menschen. <31> <31> Wir wollen heute dem ewigen Vater danken. „Denn der Vater ist der Winzer“ für dieses Leben, das uns Menschen im gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus geoffenbart und geschenkt wurde. Wir sagen Dank für das österliche Geheimnis, in dem Christus sich ein für allemal als den Weinstock und zugleich seinen Vater als den geoffenbart hat, der ihn pflanzt und hegt. Wir wünschen, jeder Mensch, jeder Christ möge als „göttliche Pflanzung“ des Vaters im Sohn, im auferstandenen Christus, reifen. 91 A UDIEN ZEN UND ANGELUS Wir wünschen, daß jeder durch diese „organische“ Verbundenheit mit ihm vielfältige Frucht bringen möge. 3. Und wir wollen dieses unser Gebet der Mutter Christi, darbringen und sie zur österlichen Freude der Kirche einladen: laetare! Sie helfe uns, in ihrem Sohn, in Christus, dem Weinstock, zu bleiben, damit wir mit ihm einen Leib bilden, der vom Geist des österlichen Pfingsten belebt wird. Glauben in christlichem Sinn Ansprache bei der Generalaudienz am 8. Mai 1. Die Heilige Schrift besteht bekanntlich aus zwei großen Büchersammlungen: dem Alten und dem Neuen Testament. Das Alte Testament, das zur Gänze vor der Ankunft Christi verfaßt wurde, ist eine Sammlung von 46 Büchern verschiedener Art. Wir werden sie hier aufzählen und dabei zu Gruppen zusammenfassen, um wenigstens in großen Linien den Charakter jedes dieser Bücher kenntlich zu machen. 2. Die erste Gruppe, auf die wir stoßen, ist der sogenannte „Pentateuch“; sie besteht aus den Büchern: Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri und Deuteronomium. Sozusagen als Fortsetzung des Pentateuch sind das Buch Josua und das Buch der Richter anzusehen. Das kurze Buch Ruth stellt gewissermaßen die Einführung in die folgende Gruppe der Bücher historischen Charakters dar, die aus den zwei Büchern Samuel und den zwei Büchern der Könige besteht. Zu diesen Büchern muß man auch die beiden Bücher der Chronik, das Buch Esra und das Buch Nehemia zählen, die sich auf die Geschichte Israels nach der babylonischen Gefangenschaft beziehen. Das Buch Tobit, das Buch Judit und das Buch Ester weisen, auch wenn sie sich auf die Geschichte des auserwählten Volkes beziehen, eher die Züge allegorischer und moralischer Erzählung als tatsächlicher Geschichte auf. Die beiden Bücher der Makkabäer hingegen haben den historischen Charakter einer Chronik. <32> <32> Die sogenannten „Weisheitsbücher“ stellen eine Gruppe für sich dar, die Werke verschiedenen Charakters umfassen. Dazu gehören: das Buch 92 AUDIENZEN UND ANGELUS Ijob, die Psalmen und das Hohelied und ebenso einige Werke von weisheitlich-erzieherischem Charakter: das Buch der Sprichwörter, das Buch Kohelet (Ecclesiastes), das Buch der Weisheit und das Buch Jesus Sirach (Ecclesiasticus). 4. Die letzte Gruppe des Alten Testamentes bilden schließlich die Bücher der Propheten. Man unterschiedet die vier sogenannen „großen“ Propheten: Jesaja, Jeremia, Ezechiel und Daniel. Dem Buch Jeremia sind die Klagelieder und das Buch Baruch angeschlossen. Dann kommen die sogenannten „kleinen“ Propheten: Hosea, Joel, Amos, Obadja, Jona, Micha, Nahum, Habakuk, Zefanja, Haggai, Sacharja, Maleachi. 5. Mit Ausnahme der ersten Kapitel der Genesis, die sich auf den Ursprung von Welt und Menschheit beziehen, betreffen die Bücher des Alten Testaments, angefangen mit der Berufung Abrahams, ein von Gott auserwähltes Volk. Dazu lesen wir in der Konstitution Dei verbum: „Der liebende Gott, der um das Heil des ganzen Menschengeschlechtes besorgt war, bereitete es vor, indem er sich nach seinem besonderen Plan ein Volk erwählte, um ihm Verheißungen anzuvertrauen. Er schloß mit Abraham (vgl. Gen 15,8) und durch Mose mit dem Volk Israel (vgl. Ex 24,8) einen Bund. Dann hat er sich dem Volk, das er sich erworben hatte, durch Wort und Tat als einzigen, wahren und lebendigen Gott so geoffenbart, daß Israel Gottes Wege mit den Menschen an sich erfuhr, daß er sie durch Gottes Wort aus der Propheten Mund allmählich voller und klarer erkannte und sie unter den Völkern mehr und mehr sichtbar machte (vgl. Ps 21,28-29; 95,1-3; Jes 2,1-4; Jer 3,17). Die Geschichte des Heiles liegt, von heiligen Verfassern vorausverkündet, berichtet und gedeutet, als wahres Wort Gottes vor in den Büchern des Alten Bundes; darum behalten diese von Gott eingegebenen Schriften ihren unvergänglichen Wert . . .“ (Dei verbum, Nr. 14). 6. Die Konzilskonstitution weist sodann auf den Hauptzweck des Heilsplanes im Alten Testament hin: „das Kommen Christi, des Erlösers des Alls, und das Kommen des messianischen Reiches vorzubereiten, prophetisch anzukündigen (vgl. Lk 24,44; Joh 5,39; 1 Petr 1,10) und in verschiedenen Vorbildern anzuzeigen (vgl. 1 Kor 10,11) (Dei verbum, Nr. 15). Gleichzeitig erschließen die Bücher des Alten Testaments - entsprechend der Lage des Menschengeschlechts vor dem Kommen Christi - „allen Wissen über Gott und Mensch und die Art und Weise, wie der gerechte 93 AUDIENZEN UND ANGELUS und barmherzige Gott an den Menschen zu handeln pflegte. Obgleich diese Bücher auch Unvollkommenheit und Zeitbedingtes enthalten, zeigen sie doch eine wahre göttliche Erziehungskunst“ (Dei verbum, Nr. 15). „Ein lebendiger Sinn für Gott drückt sich in ihnen aus . . ., eine heilbringende menschliche Lebensweisheit“ und schließlich „wunderbare Gebetsschätze, in denen das Geheimnis unseres Heils verborgen ist“ (ebd.). Und deshalb müssen auch die Bücher des Alten Testaments von den Christen mit Ehrfurcht entgegengenommen werden. 7. Dann wird die Beziehung zwischen Altem und Neuem Testament von der Konzilskonstitution wie folgt erläutert: „Gott, der die Bücher beider Bünde inspiriert hat und ihr Urheber ist, wollte in Weisheit, daß der Neue im Alten verborgen und der Alte im Neuen erschlossen sei“ (nach den Worten des hl. Augustinus: „Novum in Vetere latet, Vetus in Novo patet . . .“, Quaest. in Hept. 2,73; PL 34,623). „Denn wenn auch Christus in seinem Blut einen neuen Bund gestiftet hat (vgl. Lk 22,10; 1 Kor 11,25), erhalten und offenbaren die Bücher des Alten Bundes, die als Ganzes in die Verkündigung des Evangeliums aufgenommen wurden, erst im Neuen Bund ihren vollen Sinn (vgl. Mt 5,17; Lk 24,27; Rötn 16,25-26; 2 Kor 3,14-16), wie sie diesen wiederum beleuchten und deuten“ (Dei verbum, Nr. 16). Wie ihr seht, bietet uns das Konzil eine genaue und klare Lehre, die für unsere Katechese ausreicht. Sie erlaubt uns, einen weiteren Schritt zu tun, um die Bedeutung unseres Glaubens zu ermitteln. Glauben im christlichen Sinn heißt, im Geist, von dem wir gesprochen haben, das Licht der göttlichen Offenbarung auch aus den Büchern des Alten Bundes zu schöpfen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Euch allen ein herzliches Willkommen zur heutigen Audienz. Bei unseren früheren Überlegungen über unseren Glauben sahen wir, daß die Heilige Schrift zusammen mit der Überlieferung für uns die wichtigste Glaubensquelle ist. Das gilt für die Schriften des Alten und des Neuen Testaments. Das Alte Testament besteht aus 46 Büchern verschiedenen Charakters. Auf die fünf Bücher des sogenannten „Pentateuchs“ folgen einige, die die Geschichte Israels in einer besonderen Weise zum Gegenstand haben, wie z. B. die Bücher der Könige und der Makkabäer. Eine weitere Gruppe bilden die „Lehrbücher“: so das Buch Ijob, die Psalmen und das Hohelied. Der 3. Teil des Alten Testaments besteht aus 94 AUDIENZEN UND ANGELUS den „prophetischen Büchern“; die bekanntesten davon sind die der Propheten Jesaja, Jeremia, Ezechiel und Daniel. Mit Ausnahme des Schöpfungsberichts beziehen sich alle Bücher des Alten Testaments auf die Profan- und die Heilsgeschichte des auserwählten Volkes. Als von Gott eingegebene Bücher, die sein Heilswirken unter den Menschen bezeugen, sind sie von bleibendem Wert - auch für uns Christen. Denn, so sagt das Konzil, „Gottes Geschichtsplan im Alten Bund zielte vor allem darauf, das Kommen Christi, des Erlösers des Alls, und das Kommen des messianischen Reiches vorzubereiten, prophetisch anzukündigen und in verschiedenen Bildern anzuzeigen“ (Dei verbum, Nr. 15). Nach der Lehre der Väter war der Neue Bund schon im Alten Bund verborgen, und der Alte wird im Neuen voll erschlossen. Deshalb heißt für den Christen „glauben“, das Licht der göttlichen Offenbarung nicht nur vom Neuen Testament, sondern auch aus den Büchern des Alten Testaments zu empfangen. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle einzelnen Gruppen und Pilger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Habt stets eine hohe Wertschätzung der Heiligen Schrift, in der Gott selbst zu uns spricht und unser Leben und Wirken mit seinem Licht erleuchtet. Zugleich empfehle ich meine bevorstehende Pastoraireise nach Holland, Luxemburg und Belgien auch ganz besonders eurem Gebet. Einen aufrichtigen Willkommensgruß richte ich sodann an die große Diözesanwallfahrt aus dem Bistum Graz-Seckau unter der Leitung ihres Bischofs Johann Weber. Möge euch das Erlebnis der weltweiten Kirche in der Ewigen Stadt eures Glaubens froh machen. Kehrt als erneuerte Christen in eure Heimat zurück, die sich auch in den Pflichten des Alltags mutig zu Christus bekennen. Euch und allen anwesenden deutschsprachigen Pilgern erteile ich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Ursprung der vier Evangelien Ansprache bei der Generalaudienz am 22. Mai 1. Das Neue Testament ist von geringerem Umfang als das Alte. Unter dem Gesichtspunkt der historischen Abfassung sind die Bücher, aus denen es besteht, in einem viel kürzeren Zeitraum geschrieben worden als 95 AUDIENZEN UND ANGELUS jene des Alten Bundes. Es besteht aus 27 Büchern, von denen manche sehr kurz sind. An erster Stelle nennen wir die vier Evangelien: nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Es folgt Die Apostelgeschichte, deren Verfasser ebenfalls Lukas ist. Die größte Gruppe wird von den Apostelbriefen gebildet, davon am zahlreichsten die Briefe des hl. Paulus: einer an die Römer, zwei an die Korinther, je einer an die Galater, Epheser, Philipper und Kolosser, zwei an die Thessalonicher, zwei an Timotheus, einer an Titus und einer an Philemon. Das sogenannte „corpus Paulinum“ schließt mit dem Brief an die Hebräer, der im Einflußbereich des Paulus entstanden ist. Es folgen: der Brief des hl. Jakobus, zwei Briefe des hl. Petrus, drei Briefe des hl. Johannes und der Brief des hl. Judas. Das letzte Buch des Neuen Testamentes ist die Geheime Offenbarung des hl. Johannes. 2. In bezug auf diese Bücher äußert sich die Konstitution Dei verbum wie folgt: „Niemandem kann es entgehen, daß unter allen Schriften, auch unter denen des Neuen Bundes, den Evangelien mit Recht ein Vorrang zukommt. Denn sie sind das Hauptzeugnis für Leben und Lehre des menschgewordenen Wortes, unseres Erlösers. Am apostolischen Ursprung der vier Evangelien hat die Kirche immer und überall festgehalten und hält daran fest; denn was die Apostel nach Christi Gebot gepredigt haben, das haben später unter dem Anhauch des Heiligen Geistes sie selbst und apostolische Männer uns als Fundament des Glaubens schriftlich überliefert: das viergestaltige Evangelium nach Matthäus, Markus, Lukas und Johannes“ (Dei verbum, Nr. 18). <33> <33> Die Konzilskonstitution unterstreicht in besonderer Weise die Geschichtlichkeit der Evangelien. Sie schreibt, daß die Kirche deren „Geschichtlichkeit ohne Bedenken bejaht“, indem sie unentwegt daran festhält, daß „die vier Evangelien . . . zuverlässig überliefern, was Jesus, der Sohn Gottes, in seinem Leben unter den Menschen zu deren ewigem Heil wirklich getan und gelehrt hat bis zu dem Tag, da er auf genommen wurde (vgl. Apg 1,1-2)“ (Dei verbum, Nr. 19). Was die Art der Entstehung der vier Evangelien angeht, so bringt die Konzilskonstitution sie vor allem mit der Lehrtätigkeit der Apostel in Verbindung, die nach der Herabkunft des Heiligen Geistes am Pfingsttag einsetzte. Wir lesen dazu: „Die Apostel haben nach der Auffahrt des Herrn das, was er selbst gesagt und getan hatte, ihren Hörern mit jenem volleren Verständnis überliefert, das ihnen aus der Erfahrung der Ver- 96 AUDIENZEN UND ANGELUS herrlichung Christi und aus dem Licht des Geistes der Wahrheit zufloß“ (Del verbum, Nr. 19). Diese glorreichen Ereignisse bestehen hauptsächlich aus der Auferstehung des Herrn und der Herabkunft des Heiligen Geistes. Man versteht, daß die Apostel im Lichte der Auferstehung endgültig an Christus glaubten. Die Auferstehung verbreitete wesentliches Licht über seinen Kreuzestod und auch über alles, was er vor seinem Leiden getan und verkündet hatte. Zu Pfingsten wurden die Apostel dann „vom Geist der Wahrheit erleuchtet“. 4. Von der mündlichen apostolischen Unterweisung ging man dann an die Abfassung der Evangelien, wozu die Konzilskonstitution folgendes sagt: „Die biblischen Verfasser haben die vier Evangelien redigiert, indem sie einiges aus dem vielen auswählten, das mündlich oder auch schon schriftlich überliefert war, indem sie anderes zu Überblicken zusammenzogen oder im Hinblick auf die Lage in den Kirchen verdeutlichten, indem sie schließlich die Form der Verkündigung beibehielten, doch immer so, daß ihre Mitteilungen über Jesus wahr und ehrlich waren. Denn ob sie nun aus eigenem Gedächtnis und Erinnern schrieben oder aufgrund des Zeugnisses jener, ,die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren, es ging ihnen immer darum, daß wir die ,Wahrheit der Worte erkennen sollten, von denen wir Kunde erhalten haben (vgl. Lk 1,2—4)“ {Dei verbum, Nr. 19). Diese knappe Konzilsaussage spiegelt den ganzen Reichtum der Forschungen und Studien wider, die die Bibelwissenschaftler unaufhörlich der Frage nach dem Ursprung der vier Evangelien gewidmet haben, und faßt sie kurz zusammen. Für unsere Katechese genügt diese Zusammenfassung. 5. Was die übrigen Bücher des Neuen Testamentes betrifft, äußert sich die Konzilskonstitution Dei verbum wie folgt: „... In ihnen wird nach Gottes weisem Ratschluß die Botschaft von Christus, dem Herrn, bestätigt, seine echte Lehre mehr und mehr erklärt, die heilbringende Kraft des göttlichen Werkes Christi verkündet; die Anfänge der Kirche und ihre wunderbare Ausbreitung werden erzählt und ihre herrliche Vollendung vorausverkündet“ {Dei verbum, Nr. 20). Das ist eine kurze, zusammenfassende Vorstellung des Inhalts jener Bücher, unabhängig von chronologischen Fragen, die hier weniger von Interesse sind. Wir wollen nur erwähnen, daß die Gelehrten für die Abfassung dieser Bücher die zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts angeben. 97 A UDIENZEN UND ANGEL US Was für uns mehr Gewicht hat, ist die Gegenwart Jesu, des Herrn, und seines Geistes in den Verfassern des Neuen Testaments, die also die Vermittler sind, durch welche Gott uns in die Neuheit des Geoffenbarten einführt. „Denn der Herr Jesus ist bei seinen Aposteln geblieben, wie er verheißen hatte (vgl. Mt 28,20), und hat ihnen als Beistand den Geist gesandt, der sie in die Fülle der Wahrheit einführen sollte (vgl. Joh 16,13)“ {Del verbum, Nr. 20). Die Bücher des Neuen Testaments führen uns gerade auf den Weg, der zur Fülle der Wahrheit der göttlichen Offenbarung bringt. 6. Das aber ist eine weitere Schlußfolgerung für einen umfassenden Glaubensbegriff. Glauben in christlichem Sinn heißt die Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus annehmen, die den wesentlichen Inhalt des Neuen Testaments ausmacht. Das sagt uns das Konzil: „Denn als die Fülle der Zeit kam (vgl. Gal 4,4), ist das Wort Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, voll Gnade und Wahrheit (vgl. Joh 1,14). Christus hat das Reich Gottes auf Erden wiederhergestellt, in Tat und Wort seinen Vater und sich selbst geoffen-bart und sein Werk durch Tod, Auferstehung, herrliche Himmelfahrt und Sendung des Heiligen Geistes vollendet. Von der Erde erhöht, zieht er alle an sich (vgl. Joh 12,32 griech.); denn er allein hat Worte des ewigen Lebens (vgl. Joh 6,68)“ (Del verbum, Nr. 17). „Dafür sind die Schriften des Neuen Bundes das unvergängliche und göttliche Zeugnis“ (ebd.). Und deshalb stellen sie eine besondere Stütze für unseren Glauben dar. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die wichtigste Quelle für unseren Glauben ist das Neue Testament: die vier Evangelien, die Apostelgeschichte, die Briefe der Apostel und die Offenbarung des Johannes. Die Kirche war stets davon überzeugt, daß die Evangelien geschichtlich zuverlässig überliefern, was Jesus in seinem Leben zu unserem Heil wirklich getan und gelehrt hat. Die in ihnen enthaltene Botschaft von Christus, dem Herrn, wird durch die anderen apostolischen Schriften bekräftigt, weiterentfaltet und vertieft. Glauben im christlichen Sinn heißt deshalb, Gottes Selbstoffenbarung in Jesus Christus anzunehmen, wie sie uns in den Schriften des Neuen Testaments berichtet wird. Mit diesen kurzen Darlegungen grüße ich sehr herzlich alle heutigen Audienzteilnehmer deutscher Sprache. Einen besonderen Gruß richte ich 98 AUDIENZEN UND ANGELUS an die Missionare verschiedener Kongregationen, die an einem Erneuerungskurs im Haus der Steyler Missionare in Nemi teilnehmen; ferner an die zahlreichen Pilger der Lesergemeinschaft der „Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln“. Ebenso grüße ich noch namentlich die „Chorgemeinschaft Musica Sacra Hamburg“, sowie den „Knabenchor Marianum“ aus Fulda. Euch und allen anwesenden deutschsprachigen Pilgern erbitte ich zum bevorstehenden Pfingstfest reiche Gnaden des Heiligen Geistes. Zugleich erteile ich euch und euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. „Komm, o Geist der Wahrheit!“ Vor dem Angelus am Pfingstsonntag, 26. Mai 1. „Sende aus deinen Geist, und das Gesicht der Erde wird neu!“ Am Pfingstfest ruft die Kirche Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist an: Sie bittet, daß der Geist komme. Sie bittet „im Namen Christi“. Sie bittet im Vertrauen auf die Macht des Kreuzes und der Auferstehung Christi. Sie bittet getreu den am Gründonnerstag im Abendmahlssaal empfangenen und im Augenblick der Himmelfahrt neuerlich bekräftigten Verheißungen Christi. Die Kirche betet. Die Urkirche, die mit Maria, der Mutter des Herrn, im Gebet verharrt, und ebenso die Kirche von heute in diesem Jahr des Herrn 1985. Sie betet um den Geist der Wahrheit, den Beistand. Sie betet besonders inständig am heutigen Tag, wo sie der Herabkunft des Heiligen Geistes gedenkt: an Pfingsten. <34> <34> „Sende aus deinen Geist, und das Gesicht der Erde wird neu!“ (Ps 104,30) singen wir in der Liturgie. „Die Erde ist voll von deinen Geschöpfen . . . sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen“ (Ps 104,24.30). Und zugleich wissen wir - das bezeugt der hl. Paulus -, „daß die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt“ (Röm 8,22), „denn sie ist der Vergänglichkeit unterworfen . . ., aber zugleich 99 AUDIENZEN UND ANGELUS hat sie die Hoffnung, von der Sklaverei und Verlorenheit befreit zu werden“ (Röm 8,20-21): Es handelt sich um die Vergänglichkeit aufgrund der Sünde! Und darum „wartet die ganze Schöpfung sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Kinder Gottes . . um einzutreten in deren Freiheit und Herrlichkeit“ (vgl. Röm 8,19.21). 3. Wie sehr entspricht doch dieses Bild der Welt, das der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer gezeichnet hat, unserer heutigen Situation! Und darum ruft die Kirche: Komm, o Geist der Wahrheit; überzeuge uns von der Stunde des Menschen in unserer Zeit; erneuere das Antlitz der Erde: Die Erde kann sich nur im Menschen, in den Menschenherzen, in den Gewissen der Menschen erneuern. Darum beten wir: „Wärme du, was kalt und hart, löse, was in sich erstarrt, lenke, was den Weg verfehlt“ (Sequenz). 4. Die Kirche betet zusammen mit Maria - wie zu Pfingsten im Abendmahlssaal. Sie, die „durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangen hat“: Braut und Mutter, ist die Hoffnung des Menschen und der Welt. An ihr ist die Verheißung, daß Gott die Erde erneuern wird, offenbar geworden. Und diese Verheißung dauert an. Nach dem Angelus sagte der Papst: 1. Heute nachmittag werde ich mich nach Salerno begeben, wo ich zum Gedenken an den 900. Todestag des hl. Gregor VII., des großen Reformpapstes, einen Pastoralbesuch abstatten will. Gregor VII. war einer der Meister der sittlichen und geistlichen Erneuerung, der, hauptsächlich von der benediktinischen Tradition inspiriert, dem mittelalterlichen Europa eine einheitliche Gestalt und eine neue Zeit des Friedens und des zivilen Fortschritts zu geben verstand. Er war ein großer Verteidiger des Glaubens, der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Freiheit. Er liebte die Kirche sehr, die er frei von der staatlichen Gewalt wissen wollte, und aus Liebe zur Kirche nahm er selbst die Prüfung der Verbannung auf sich. <35> <35> Die schöne Konzelebration heute vormittag zusammen mit den neuen Kardinälen war ein Augenblick besonders intensiver geistlicher Freude. Den Mitgliedern des Heiligen Kollegiums wünsche ich noch einmal von Herzen, daß der Heilige Geist und die Fürsprache der seligen Jungfrau ihnen beistehen möge bei der Verwirklichung ihres besonderen Dienstes 100 AUDIENZEN UND ANGELUS für die Kirche, während ich alle und jeden einzelnen herzlich grüße, die Gruppen und die Gemeinschaften, die sie begleitet haben und teilnehmen wollten an dem Jubel und der Freude dieses festlichen Ereignisses. Dann richtete der Papst Grußworte in englischer, niederländischer, deutscher, spanischer und französischer Sprache an die Pilger. Auf deutsch sagte er: Herzlich grüße ich auch die deutschsprachigen Pilger, die am heutigen Festgottesdienst mit den neuen Kardinälen aus ihrer Heimat teilgenommen haben. Möge der pfingstliche Geist euch mit seinen Gaben reich beschenken und das Band der Einheit unter euch und mit der Kirche Jesu Christi festigen. Das erbitte ich euch mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Das Vaterunser hat uns begleitet Ansprache bei der Generalaudienz am 29. Mai 1. Jesus Christus, dem Hirten und Hüter unserer Seelen (vgl. 1 Petri,25), möchte ich den gebührenden Dank abstatten, wenn ich ihm durch die Mutter der Kirche meinen gesamten pastoralen Dienst in den Benelux-Ländern empfehle. Dieser Dienst war mit einem Besuch verbunden und erfolgte auf die gemeinsame Einladung der Bischöfe Belgiens, der Niederlande und des Bischofs von Luxemburg. Die Einladung war bereits vor einigen Jahren an mich ergangen. Seit damals wurden vielfältige Vorbereitungen getroffen, für die ich sowohl meinen Brüdern im Bischofsamt wie dem gesamten Klerus und den Laien danken möchte, die sich in großer Zahl und großherzig auf verschiedenste Weise daran beteiligt haben. Gleichzeitig richte ich meinen Dank an die Instanzen der zivilen Verwaltung, die überall großes Verständnis, Wohlwollen und Fachkenntnis bewiesen haben. <36> <36> Insbesondere möchte ich dem König von Belgien, der Königin der Niederlande und dem Großherzog von Luxemburg mit ihren Familien meine gebührende Hochachtung zum Ausdruck bringen und ihnen für die Begegnungen und die Teilnahme danken. 101 AUDIENZEN UND ANGELUS In der Zeit zwischen dem 11. und dem 21. Mai konnte ich dreieinhalb Tage der Kirche in den Niederlanden widmen, eineinhalb Tage jener in Luxemburg und fünf jener in Belgien. Die Katholiken in den Niederlanden stellen zahlenmäßig eine Minderheit dar (fünf Millionen von 14 Millionen Einwohnern). Belgien und Luxemburg hingegen sind zur großen Mehrheit katholisch. Durch das Evangelium geprägt 3. Alle drei Länder wurden vor vielen Jahrhunderten von der ersten Evangelisierung geprägt. Sie ist vor allem mit der Gestalt des hl. Servatius verbunden, der am Ende des 4. Jahrhunderts dort wirkte. Das Grab des heiligen Bischofs befindet sich in Maastricht in den südlichen Niederlanden. Die weitere Entwicklung der christlichen Glaubensverkündigung vollzog sich im 6. und 7. Jahrhundert und ist mit dem hl. Willibrord verbunden, der Bischof von Utrecht war und dessen Grab sich in Echternach auf dem Gebiet des Staates Luxemburg befindet. Zu den Vätern des Christentums zählt auch der hl. Bonifatius, der Apostel Deutschlands. Die Kathedrale im belgischen Mecheln aber ist dem hl. Romboud geweiht. 4. Das Christentum, das im Lauf des ersten Jahrtausends nach Christus so tief Wurzel faßte, hat im Mittelalter besondere Früchte getragen. Die Kirchen im Rheinbecken waren in jener Zeit von einer großen Blüte des monastischen und des mystischen Lebens gekennzeichnet, das eine einzigartige Strömung in der Geschichte der christlichen Spiritualität darstellt. Die großen Mystiker jener Zeit waren Männer und Frauen, wie Hade-wych, der selige Jan van Ruusbroec, Geert Groote und Thomas a Kempis. In diesem Milieu ist das Buch Imitatio Christi (Die Nachfolge Christi) entstanden, das seit vielen Generationen eine klassische Lektüre für das geistliche Leben darstellt. Einen weiteren Ausdruck findet die christliche Kultur im Mittelalter in den herrlichen Kirchen, die in dem für jene Gegend charakteristischen gotischen Stil erbaut sind; ferner in den Werken berühmter Maler wie Van Eyck, Rembrandt, Memling und anderer nicht weniger berühmten. 5. Die Reformation des 16. Jahrhunderts hat die Christen vor allem im Bereich der Niederlande gespalten. Lange Zeit gab es dort überhaupt keine katholische Hierarchie. Erst ab 1853 konnte der Apostolische Stuhl in der niederländischen Kirchenprovinz, deren Metropolitansitz sich in Utrecht befindet, Bischöfe ernennen. 102 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Frage des ökumenismus So stellte sich die ökumenische Frage besonders auf niederländischem Gebiet und im benachbarten Belgien, wo sie in der Person des Primas, Kardinal Mercier, einen großen Vorkämpfer gefunden hat; ihm verdanken wir die berühmten „Mechelner Gespräche“ mit den Vertretern der anglikanischen Gemeinschaft in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts. Seit dem Zweiten Vatikanum hat die Frage des Ökumenismus neue Aktualität gewonnen, was von mir anläßlich dieser Reise mit meinen ökumenischen Begegnungen und Gebeten in Mecheln und Utrecht bekräftigt wurde. Die Begegnung von Utrecht fand im Haus Hadrians VI. (gest. 1523) statt, des Papstes in der Geschichte, den die Niederlande gerade zu Beginn der Reformationszeit gestellt haben. 6. Der Besuch in den Benelux-Ländern hat neuerlich die gewaltigen Anstrengungen deutlich gemacht, die die Kirche besonders in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts auf verschiedenen Gebieten unternommen hat: Vor allem im missionarischen Bereich. Ordensmänner und Ordensfrauen, Weltpriester und Laien, Männer und Frauen, haben in zahlreichen jungen Kirchen gearbeitet und arbeiten noch immer dort bis zum heutigen Tag. Dieses gewaltige missionarische Werk, das sich in einer großen Zahl von Berufungen zeigt, gibt Zeugnis von einer großen Liebe zur Kirche und zum Anliegen der Evangelisierung. Das Aufblühen dieser Berufe ist sowohl der Familie wie einer Missions-pastoral wie einem gut entwickelten Netz katholischer Schulen zuzuschreiben, die auch heute ihre Tätigkeit weiter entfalten und in verschiedener Hinsicht von den staatlichen Behörden unterstützt werden. 7. Ein anderer Erfolg, der bereits in die Zeit vor dem Konzil zurückreicht, war der weit entfaltete Einsatz der Laien, die sich in den zahlreichen Organisationen zeigt. In der Lehre des Zweiten Vatikanums hat das Laienapostolat bekanntlich starke Betonung gefunden. Zur Zeit macht sich sowohl im Bereich ad intra, das heißt innerhalb der Kirche, als auch ad extra, gegenüber der Welt, eine beachtliche Beteiligung von Laien in der Katechese und in den Pastoralräten bemerkbar: ein lebhaftes Interesse für die Probleme der Gesellschaft, besonders der sogenannten dritten Welt. Unter den Erfolgen der Kirche in Belgien in jüngster Zeit muß das 103 A UD1ENZEN UND ANGELUS Wirken von Pater Joseph Cardijn erwähnt werden, der von Paul VI. ins Kardinalskollegium berufen wurde: Sein Werk hat die Organisation der Christlichen Arbeiterjugend und die Methode des mit ihm verbundenen Apostolats: voir, juger, agir (sehen, urteilen, handeln) inspiriert. Hand in Hand damit ging das Bemühen, die christliche Soziallehre in das Leben umzusetzen. 8. Außerdem sei an das große Bemühen auf dem Gebiet der christlichen Kultur und akademischen Wissenschaft erinnert. Während meines Besuches war ich Gast der Universität Löwen und Louvain la Neuvre. Überdies konnte ich in Brüssel zu meiner Freude eine hl. Messe für die Künstler feiern. Außerdem kam es zu zahlreichen Begegnungen mit der Jugend in Amers-foort, Echternach und Namur und mit den Kranken in Utrecht und in Banneux. Auch bin ich mit Vertretern der Welt der Arbeit zusammengetroffen, zum Beispiel in Utrecht, Luxemburg, Laeken und Lüttich. Was die Begegnungen mit der Jugend betrifft, so verdient jene in Ypern besondere Erwähnung; dort ruhen 500000 Gefallene des Ersten Weltkrieges. Der Besuch fand am 40. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges und der Befreiung Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs statt. Die Begegnung in Ypern sollte ein Gedenken an die Kriegsopfer und zugleich ein inständiges Gebet für den Frieden sein. 9. Auf dem Programm standen auch internationale Begegnungen: mit dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, den Institutionen der Europäischen Gemeinschaft in Luxemburg und Brüssel sowie dem Diplomatischen Korps. Lösung der geistlichen Probleme vorrangig 10. In einer kurzen Rede sämtliche Einzelheiten dieses reichen Programms zusammenzufassen ist nicht leicht. Inmitten jenes christlichen Volkes war es mir eine Freude zu beten, die Hoffnung und die Forderungen des Evangeliums und der Lehre der Kirche in Erinnerung zu rufen und pastorale Ermutigungen zu geben, damit die Initiativen den christlichen Kriterien gemäß entfaltet werden und bessere Früchte tragen. Es kam auch zu einigen recht interessanten Kontakten, wobei ich häufig den Wunsch spürte, ein Glaubenszeugnis unter Achtung des Gewissens der anderen abzulegen. Auf allen Etappen meiner Reise hatte ich ein offenes Ohr für die Schwierigkeiten bzw. 104 AUDIENZEN UND ANGELUS Fragen, die mir von einigen Laien im Namen verschiedener Gruppen, Gemeinschaften oder Bewegungen vorgetragen wurden. Diese Fragen sind mir erinnerlich; auf manche von ihnen hat ja die Kirche durch ihr Lehramt oder nach reiflicher Überlegung während der Bischofssynoden bereits eine klare Antwort gegeben; diese Antworten in Sachen des Glaubens, der Moral und kirchlichen Disziplin gelten natürlich für die ganze Kirche. Andere Fragen waren ein Aufruf zu einer Präsenz der Kirche bzw. zu einem Apostolat, das den heutigen Bedürfnissen angemessener ist, oder zu einer verantwortungsbewußteren Teilnahme jedes Gliedes der Kirche, der Männer und Frauen, der Jugendlichen und Erwachsenen, an einer engeren Zusammenarbeit zwischen Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien. Diese Aufrufe können von Nutzen sein, und ich hoffe, daß sich die Katholiken weiterhin den Ermutigungen nicht verschließen, die ich an sie gerichtet habe. Es ist der Herr, der sie zu Beginn und im Verlauf jeder Epoche der christlichen Geschichte zur Umkehr ruft; in Verbundenheit und Gemeinschaft mit der ganzen Kirche sollen sie das Evangelium besser befolgen und geistliche Fortschritte machen. So wichtig auch eine Auseinandersetzung mit den in einem Klima der Säkularisierung besonders schwierigen äußeren Bedingungen ist, es kommt doch vor allem auf die Lösung der geistlichen Probleme an, die die Treue zum Glauben oder seine Kraft beinträchtigen. Es gilt, den inneren Menschen zu bilden und zu festigen. Alles in allem halte ich den geleisteten Dienst nicht nur für jede einzelne der besuchten Kirchen, sondern auch im Hinblick auf die Weltkirche als besonders wichtig. Mein besonderer Dank gilt meinen Brüdern im Bischofsamt, den Priestern und den männlichen und weiblichen Ordensfamilien. Das Gebot für die Priester- und Ordensberufe war einer der Leitfäden aller unserer Begegnungen, ebenso wie uns das so bedeutsame und schöne Thema des Vaterunsers immer begleitet hat. Außerdem konnten jeden Tag zahlreiche Gruppen von Gläubigen an der Feier des gemeinsamen Glaubens durch das Wort und die Eucharistie teilnehmen. Diese Gottesdienste, die alle gut vorbereitet waren, fanden in einer Atmosphäre des innigen Gebets, der Würde, der aktiven Teilnahme aller, vor allem durch Musik und Gesang - Gregrorianischer Choral und moderne Lieder - statt. Vor Jesus Christus, dem Hirten und Hüter unserer Seelen, der in der Vergangenheit und auch in jüngster Zeit im Volk Gottes in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg so große Taten vollbracht hat, wieder- 105 AUDIENZEN UND ANGELUS hole ich durch die Fürsprache der Mutter der Kirche ein inständiges Gebet für eine Evangelisierung dieser Länder, die den heutigen und zukünftigen Bedürfnissen entspricht. Denn Christus ist der Vater der zukünftigen Welt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Voll Dankbarkeit gegenüber Christus, dem Hirten und Hüter unserer Seelen, gedenke ich heute meiner kürzlichen Pastoraireise in die Benelux-Länder. Mein Dank gilt allen, die bei der Vorbereitung mitgewirkt haben und mir dann Gastfreundschaft gewährten, besonders der kirchlichen und staatlichen Obrigkeit in den Niederlanden, in Luxemburg und Belgien. In allen drei Ländern ist das Christentum seit den ersten Jahrtausenden tief verankert. Die ersten Glaubensboten waren der hl. Servatius, der hl. Willibrord und der hl. Bonifatius. Das Christentum hat hier besonders im Mittelalter reiche Früchte gebracht. Es herrschte ein blühendes monastisches und mystisches Leben. Herrliche Kirchen sind Zeugen hoher christlicher Kultur. Nach der Glaubensspaltung im 16. Jahrhundert konnte der Hl. Stuhl erst 1853 die kirchliche Hierarchie wieder in den Niederlanden errichten. Seither kommt der Frage des Ökumenismus eine vorrangige Bedeutung zu. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts hat die Kirche sich ausgezeichnet durch einen großen missionarischen Einsatz und ein fruchtbares Laienapostolat in zahlreichen Vereinigungen, in der katholischen Schule und in der Familie. Besonders erwähnenswert ist die Hilfsbereitschaft der Gläubigen für die notleidenden Menschen in der Dritten Welt. Für das bedeutende Wirken im Bereich der Kultur und Wissenschaft zeugt die Universität von Löwen. Bei den verschiedenen Veranstaltungen konnte ich dieser vielfältigen Wirklichkeit des kirchlichen Lebens in diesen Ländern begegnen; auch den konkreten Anliegen, Fragen und Schwierigkeiten der Kirche von heute. Unsere gemeinsamen Begegnungen galten dem Gotteslob und der Besinnung auf das Wort Gottes, wie es uns in Christus durch das Lehramt der Kirche vermittelt wird. Ich empfehle die großen Anliegen der Kirche in diesen Ländern auch ganz besonders eurem Gebet. Herzlich grüße ich bei der heutigen Audienz alle Pilger und Besucher aus Deutschland, aus Österreich und der Schweiz; besonders die Maria-Ward-Schwestern anläßlich der 400-Jahr-Feier der Geburt ihrer Gründerin sowie die Teilnehmer des großen Diözesanpilgerzuges aus Augsburg. Möge der Heilige Geist eure Liebe zu Christus und seine Kirche neu 106 AUDIENZEN UND ANGELUS entzünden und die brüderliche Einheit untereinander festigen. Auch ihr sollt seine Zeugen sein! Damit ihr mit neuem Glaubensmut in eure Heimat zurückkehrt, erteile ich euch und allen anwesenden Pilgern von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Unaussprechliches Geheimnis des Glaubens Vor dem Angelus am Dreifaltigkeitssonntag, 2. Juni 1. Herz Jesu, des Sohnes des ewigen Vaters. Heute, am ersten Sonntag des Monats Juni, findet die Kirche im Herzen Christi den Zugang zu Gott, der die Heiligste Dreifaltigkeit ist. Zum Vater, zum Sohn und zum Heiligen Geist. Dieser eine und zugleich dreifältige Gott ist ein unaussprechliches Mysterium des Glaubens. Wahrhaftig, er „wohnt in unzugänglichem Licht“ (1 Tim 6,16). Und zugleich hat der unendliche Gott sich vom Herzen jenes Menschen ergreifen und umfangen lassen, dessen Namen Jesus von Nazaret ist: Jesus Christus. Und durch das Herz des Sohnes nähert sich Gottvater auch unseren Herzen und kommt zu ihnen. So wird jeder von uns getauft „im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Jeder von uns ist von Anfang an eingetaucht in den einen und dreifältigen Gott: in den lebendigen und lebensspendenden Gott. Diesen Gott bekennen wir als Heiligen Geist, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der „das Leben gibt“. <37> <37> Das Herz Jesu wurde im „Schoß der Jungfrau Maria vom Heiligen Geist gebildet“. Gott, der „das Leben gibt“, der „sich dem Menschen hingibt“, hat die Verwirklichung seines Heilsplans damit begonnen, daß er Mensch wurde. In der jungfräulichen Empfängnis und in der Geburt durch Maria nimmt sein menschliches Herz, das „im Schoß der Jungfrau Maria vom Heiligen Geist gebildet“ wurde, seinen Anfang. Dieses Herz wollen wir im Monat Juni verehren. Dieses Herz wollen wir gerade heute zu einem einzigartigen Treuhänder für unsere armen Menschenherzen machen, für die auf mancherlei Weise geprüften, auf mancherlei Weise unterdrückten Herzen. Und zugleich zum Treuhänder der 107 AUDIENZEN UND ANGELUS Herzen, die auf Gottes Macht vertrauen und auf die heilbringende Macht der Heiligsten Dreifaltigkeit! 3. Maria, Jungfrau und Mutter, du kennst besser als wir das göttliche Herz deines Sohnes, vereine dich mit uns in der heutigen Anbetung der Heiligsten Dreifaltigkeit und zugleich im demütigen Gebet für die Kirche und für die Welt! Du allein sollst uns in diesem Gebet leiten. Nach dem Angelus sagte der Papst: Ein besonderer Gedanke gilt den Angehörigen, die der soeben beendeten Priesterweihe beigewohnt haben: Ich lade euch ein, dafür zu beten, daß der Herr diesen Neupriestern immer beistehe und ihr Apostolat fruchtbar mache. Gott „Schulter an Schulter dienen“ Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Juni 1. Der christliche Glaube begegnet in der Welt verschiedenen Religionen, die sich an anderen Lehrern und anderen Überlieferungen, außerhalb des Stromes der Offenbarung, inspirieren. Sie sind eine Tatsache, die man berücksichtigen muß. Wie das Konzil sagt, erwarten die Menschen von den verschiedenen Religionen „Antwort auf die ungelösten Rätsel des menschlichen Daseins, die heute wie von je die Herzen der Menschen im tiefsten bewegen: Was ist der Mensch? Was ist Sinn und Ziel unseres Lebens? Was ist das Gute, was die Sünde? Woher kommt das Leid, und welchen Sinn hat es? Was ist der Weg zum wahren Glück? Was ist der Tod, das Gericht und die Vergeltung nach dem Tode? Und schließlich: Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir gehen?“ (Nostra aetate, Nr. 1). Von dieser Tatsache geht das Konzil in der Erklärung Nostra aetate, über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, aus. Es ist von großer Bedeutung, daß sich das Konzil zu diesem Thema geäußert hat. Auch wenn glauben im christlichen Sinn Antwort geben heißt auf die Selbstoffenbarung Gottes, deren Fülle in Jesus Christus gegeben ist, so 108 AUDIENZEN UND ANGELUS entzieht sich dieser Glaube gerade in der modernen Welt nicht einem bewußten Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen, weil in jeder von ihnen irgendwie zum Ausdruck kommt, „was den Menschen gemeinsam ist und sie zur Gemeinschaft untereinander führt“ (Nostra aetate, Nr. 1). Die Kirche entzieht sich dieser Beziehung nicht, ja sie wünscht und sucht sie. Suche des Menschen — Offenbarung Gottes Vor dem Hintergrund einer großen Gemeinsamkeit in positiven geistlichen und sittlichen Werten zeichnet sich vor allem die Beziehung des „Glaubens“ zur „Religion“ im allgemeinen ab, die ein besonderer Bestandteil der irdischen Existenz des Menschen ist. Der Mensch sucht in der Religion die Antwort auf die genannten Fragen und bestimmt in verschiedener Weise sein Verhältnis zu dem „Geheimnis, das unser Dasein umgibt“. Die verschiedenen nichtchristlichen Religionen sind nun vor allem Ausdruck dieses Suchens von seiten des Menschen, während der christliche Glaube seine Grundlage in der Offenbarung Gottes hat. Und darin besteht - trotz mancher Verwandtschaft mit anderen Religionen -sein wesentlicher Unterschied ihnen gegenüber. <38> <38> Die Erklärung Nostra aetate versucht jedoch die Ähnlichkeiten zu unterstreichen. So lesen wir: „Von den ältesten Zeiten bis zu unseren Tagen findet sich bei den verschiedenen Völkern eine gewisse Wahrnehmung jener verborgenen Macht, die dem Lauf der Welt und den Ereignissen des menschlichen Lebens gegenwärtig ist, und nicht selten findet sich auch die Anerkenntnis einer höchsten Gottheit oder sogar eines Vaters. Diese Wahrnehmung und Anerkenntnis durchtränkt ihr Leben mit einem tiefen religiösen Sinn“ (Nostra aetate, Nr. 2). In diesem Zusammenhang können wir daran erinnern, daß man von den ersten Jahrhunderten des Christentums an gern die unaussprechliche Gegenwart des Wortes in den Herzen der Menschen und den Werken von Kultur und Zivilisation sah: „In der Tat vermochten alle Dichter und Schriftsteller durch den angeborenen, ihnen innewohnenden Samen des Logos, des Wortes, die Wirklichkeit geheimnisvoll zu durchschauen“, sagte der hl. Justinus (II, 13,3), der zusammen mit anderen Kirchenvätern nicht zögerte, in der Philosophie eine Art „kleiner Offenbarung“ zu sehen. Hier jedoch kommt es auf das richtige Verständnis an. Jener „religiöse Sinn“, das heißt die religiöse Anerkenntnis Gottes von seiten der Völker 109 AUDIENZEN UND ANGELUS geht zurück auf die Vemunfterkenntnis, zu der der Mensch mit seinen natürlichen Kräften fähig ist, wie wir an passender Stelle gesehen haben; gleichzeitig aber unterscheidet er sich von den rein rationalen Spekulationen der Philosophen und Denker über die Existenz Gottes. Er berührt den ganzen Menschen und wird in ihm zum Lebensimpuls. Er unterscheidet sich vor allem vom christlichen Glauben als Erkenntnis, die auf der -Offenbarung gründet, wie auch als bewußte Antwort auf die Hingabe des in Jesus Christus gegenwärtigen und wirkenden Gottes. Diese notwendige Unterscheidung schließt aber nicht, ich wiederhole es, eine Nähe und eine Übereinstimmung positiver Werte aus, so wie sie nichts in den Weg legt, mit dem Konzil anzuerkennen, daß die verschiedenen nichtchristlichen Religionen (unter denen im Konzilsdokument der Hinduismus und der Buddhismus besonders erwähnt und kurz charakterisiert werden) „bemüht sind, der Unruhe des menschlichen Herzens auf verschiedene Weise zu begegnen, indem sie Wege weisen: Lehren und Lebensregeln sowie auch heilige Riten“ (Nostra aetate, Nr. 2). 3. „Die katholische Kirche - fährt das Dokument fort - betrachtet mit aufrichtigem Ernst jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren, die zwar in manchem von dem abweichen, was sie selber für wahr hält und lehrt, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit erkennen lassen, die alle Menschen erleuchtet“ (Nostra aetate, Nr. 2). Mein seliger Vorgänger Paul VI. hat diese Position der Kirche in dem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi in eindrucksvoller Weise unterstrichen. Hier seine Worte, die Texte der alten Kirchenväter aufgreifen: „In ihnen (den nichtchristlichen Religionen) wird die Gottsuche von Millionen deutlich, ein unvollkommenes Suchen, aber oft belebt mit großer Aufrichtigkeit und Lauterkeit des Herzens. Sie besitzen einen eindrucksvollen Schatz tief religiöser Schriften. Zahllose Generationen von Menschen haben sie beten gelehrt. In ihnen finden sich unzählbar viele Samenkörner des Wortes Gottes“. Sie sind ... eine echte ,Vorbereitung auf das Evangelium““ (Evangelii nuntiandi, Nr. 53, in: Wort und Weisung 1975, S. 572-573). Deshalb mahnt auch die Kirche die Christen und Katholiken, daß sie „durch Gespräche und Zusammenarbeit mit den Bekennern anderer Religionen sowie durch ihr Zeugnis des christlichen Glaubens und Lebens jene geistlichen und sittlichen Güter und auch die sozial-kulturellen Werte, die sich bei ihnen finden, anerkennen, wahren und fördern“ (Nostra aetate, Nr. 2). 110 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Man kann also sagen, glauben im christlichen Sinn heißt, Christus, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) ist, um so vollkommener anzunehmen, zu bekennen und zu verkünden, je mehr sich in den Werten der anderen Religionen Zeichen, Spiegelungen und gleichsam Vorahnungen von ihm abzeichnen. Mit dem Glauben Abrahams verbunden 5. Unter den nichtchristlichen Religionen verdient die Religion der Jünger Mohammeds besondere Beachtung wegen ihres monotheistischen Charakters und ihres Bandes zum Glauben Abrahams, den der hl. Paulus als den „Vater ... unseres (christlichen) Glaubens“ bezeichnet hat (vgl. Röm 4,16). Die Muslime „beten den alleinigen Gott an, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft“. Aber noch mehr: Die Jünger Mohammeds verehren auch Jesus: „Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten“ (Nostra aetate, Nr. 3). 6. Ein besonderes Verhältnis - unter den nichtchristlichen Religionen -ist das der Kirche zu jenen, die den Glauben an den Alten Bund bekennen, die Erben der Patriarchen und Propheten Israels. Das Konzil gedenkt denn auch des „Bandes, wodurch das Volk des Neuen Bundes mit dem Stamme Abrahams geistlich verbunden ist“ (Nostra aetate, Nr. 4). Dieses Band, auf das wir bereits in der dem Alten Testament gewidmeten Katechese hingewiesen haben und das uns in die Nähe der Juden rückt, wird von der Erklärung Nostra aetate noch einmal hervorgehoben, wo sie auf die gemeinsamen Ursprünge des Glaubens Bezug nimmt, die sich bei den Patriarchen, bei Moses und den Propheten finden. Die Kirche „bekennt, daß alle Christgläubigen als Söhne Abrahams dem Glauben nach in der Berufung dieses Patriarchen eingeschlossen sind ... Deshalb kann die Kirche auch nicht vergessen, daß sie durch jenes Volk, mit dem Gott aus unsagbarem Erbarmen den Alten Bund geschlossen hat, die 111 AUDIENZEN UND ANGELUS Offenbarung des Alten Testamentes empfing“ (Nostra aetate, Nr. 4). Eben diesem Volk entstammt „dem Fleisch nach Christus“ {Rom 9,5), der Sohn der Jungfrau Maria, ebenso wie seine Apostel Söhne dieses Volkes sind. Dieses den Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe stellt gemeinsam ein organisches Fundament für ein gegenseitiges Verhältnis dar, auch wenn ein großer Teil der Kinder Israels „das Evangelium nicht angenommen hat“. Die Kirche jedoch erwartet (mit den Propheten und mit dem Apostel Paulus) „den Tag, der nur Gott bekannt ist, an dem alle Völker mit einer Stimme den Herrn anrufen und ihm ,Schulter an Schulter dienen“ (Soph 3,9)“ (Nostra aetate, Nr. 4). 7. Wie ihr wißt, ist nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ein eigenes Sekretariat für die Beziehungen zu den nichtchristlichen Religionen geschaffen worden. Paul VI. sah in diesen Beziehungen einen der Wege „des Dialogs des Heiles“, den die Kirche mit allen Menschen in der heutigen Welt vorantreiben muß (vgl. Enzyklika Ecclesiam suam, AAS 56 [1964], S. 654). Wir alle sind aufgerufen, dafür zu beten und zu arbeiten, daß das Netz dieser Beziehungen dichter wird und sich ausweitet, indem wir in immer umfassenderem Maß den Willen zu gegenseitigem Kennenlernen, zur Zusammenarbeit und zur Suche nach der Fülle der Wahrheit in Liebe und Frieden wecken. Genau dazu spornt uns unser Glaube an. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In der Erklärung Nostra aetate hat das Zweite Vatikanische Konzil auf die Beziehungen der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen hingewiesen. Mit ihnen verbindet die Kirche eine weitgehende Gemeinsamkeit in positiven Werten, der Spiritualität und der Sittlichkeit. Wie das Konzil sagt, erwarten „die Menschen ... von den verschiedenen Religionen Antwort auf die ungelösten Rätsel des menschlichen Daseins, die heute wie von je die Herzen der Menschen im tiefsten bewegen“ {Nostra aetate, Nr. 1). Die Kirche erkennt an, was in den nichtchristlichen Religionen wahr und heilig ist. Seit den ersten Jahrhunderten sieht das Christentum auch in ihnen Samen des göttlichen Logos gegenwärtig. Nicht selten findet sich in diesen Religionen auch die Anerkennung einer höchsten Gottheit oder sogar eines Vaters. „Diese Wahrnehmung und Anerkennung durchtränkt ihr Leben mit einem tiefen religiösen Sinn“ {Nostra aetate, Nr. 2). Deshalb besteht zwischen dem Christentum und den nichtchristlichen Religionen eine gewisse Verwandtschaft. Diese ist besonders eng mit dem 112 A UDIENZEN UND ANGELUS Islam und vor allem mit der jüdischen Religion, die beide den einen Gott und sich selbst als Söhne Abrahams, des „Vaters ... auch unseres (christlichen) Glaubens“ (vgl. Röm 4,16) bekennen. Trotz dieser Verwandtschaft aber bleibt zwischen dem Christentum und den nichtchristlichen Religionen - das Judentum ausgenommen - eine grundlegende Verschiedenheit. Während diese Religionen Ausdruck der Suche des Menschen nach letzter Wahrheit und nach Lebenssinn sind, gründet der christliche Glaube in der Offenbarung Gottes, durch die Christus sich den Menschen als „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) erschlossen und mitgeteilt hat. Herzlich grüße ich alle heutigen Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Seid euch stets eurer Würde und Sendung als Christen bewußt. Es ist eine große Gnade, zur Kirche Jesu Christi zu gehören. Wir haben dadurch aber auch eine um so größere Verantwortung für unsere Mitmenschen und für die Welt. Der Herr schenke euch Treue und Mut in eurem Bekenntnis zu Christus und seiner Frohen Botschaft. Das erbitte ich euch von Herzen mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Herz Jesu - heiliger Tempel Gottes Vor dem Angelus am 9. Juni 1. Zur Stunde des gemeinsamen Angelus wenden wir uns zusammen mit Maria - durch ihr unbeflecktes Herz - an das göttliche Herz ihres Sohnes: Herz Jesu - heiliger Tempel Gottes. Herz Jesu - Zelt des Allerhöchsten. Als Herz eines Menschen ist es den vielen, vielen anderen Menschenherzen ähnlich, aber zugleich das Herz des Gottessohnes. Wenn es also zutrifft, daß jeder Mensch irgendwie in seinem Herzen zu Hause ist, dann wohnt im Herzen des Menschen aus Nazaret, Jesu Christi, Gott. Es ist „Gottes Tempel“, da es das Herz dieses Menschen ist. <39> <39> Gottes Sohn ist mit dem Vater vereint, als ewiges Wort, „Gott von Gott, Licht ..., gezeugt, nicht geschaffen“. Der Sohn ist mit dem Vater eins im Heiligen Geist, der der „Hauch“ des Vaters und des Sohnes ist und in der göttlichen Dreifaltigkeit die personale Liebe. 113 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Herz des Menschen Jesus Christus ist also im trinitarischen Sinn „Gottes Tempel“; es ist der innerste Tempel des Sohnes, der mit dem Vater im Heiligen Geist durch die Einheit der Göttlichkeit vereint ist. Wie unerforschlich bleibt das Geheimnis dieses Herzens, das „Gottes Tempel“ und' „Zelt des Allerhöchsten“ ist! 3. Gleichzeitig ist es die wahre „Wohnung Gottes unter den Menschen“ (Offb 21,3), denn das Herz Jesu umfängt in seinem inneren Tempel alle Menschen. Alle wohnen dort, umfangen von der ewigen Liebe. An alle sind - im Herzen Jesu - die Worte des Propheten gerichtet: „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt“ (Jer 31,3). 4. Möge sich diese Kraft der ewigen Liebe im göttlichen Herzen Jesu heute in besonderer Weise den Jugendlichen mitteilen, die die Firmung empfangen haben! In ihnen soll in besonderer Weise der Heilige Geist wohnen. So mögen also auch ihre Herzen - ähnlich dem Herzen Christi - zum „heiligen Tempel Gottes“ und zum „Zelt des Allerhöchsten“ werden. Ich habe die Jugendlichen oft singen hören: „Wißt ihr, daß ich ein Tempel bin?“ Ja. Wir wissen, daß wir Gottes Tempel sind und der Geist Gottes in uns wohnt, wie der hl. Paulus sagt (vgl. 1 Kor 3,16). 5. Durch das unbefleckte Herz Mariens bleiben wir in der Verbundenheit mit dem Herz Jesu, das „Gottes Tempel“, das leuchtendste und vollkommenste „Zelt des Allerhöchsten“, ist. Kirche kommt uns zu Hilfe Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Juni 1. Glauben im christlichen Sinn heißt „die Einladung zum Gespräch mit Gott annehmen“, indem man sich vertrauensvoll seinem Schöpfer überläßt. Ein solcher bewußter Glaube bereitet uns auch auf jenen „Dialog des Heils“ vor, den die Kirche mit allen Menschen der heutigen Welt, auch mit den Nichtglaubenden, vorantreiben soll (vgl. Paul VI., Ecclesiam suam, AAS 56, 1964, S. 654). „Viele unserer Zeitgenossen erfassen aber 114 AUDIENZEN UND ANGELUS diese innigste und lebensvolle Verbindung mit Gott gar nicht oder verwerfen sie ausdrücklich“ {Gaudium et spes, Nr. 19), eine Verbindung, die der Glaube schafft. Darum hat das Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes auch zum Thema Unglaube und Atheismus Stellung genommen. Es sagt uns zudem, wie bewußt und reif unser Glaube sein müßte, von dem wir oft vor Ungläubigen und Atheisten Zeugnis zu geben haben. Gerade in unserer Zeit muß der Glaube so weit herangebildet werden, „daß er die Schwierigkeiten klar zu durchschauen und sie zu überwinden vermag“ {Gaudium et spes, Nr. 21). Das ist die wesentliche Voraussetzung für den Dialog des Heils. 2. Die Konzilskonstitution stellt eine knappe, aber erschöpfende Analyse des Atheismus an. Sie stellt zunächst fest, daß mit diesem Begriff „voneinander sehr verschiedene Phänomene bezeichnet werden. Manche leugnen Gott ausdrücklich (Atheisten); andere meinen, der Mensch könne überhaupt nichts über ihn aussagen (Agnostiker); wieder andere stellen die Frage nach Gott unter solch methodischen Voraussetzungen, daß sie von vornherein sinnlos zu sein scheint (Positivismus, Szientismus). Viele überschreiten den Zuständigkeitsbereich der Erfahrungswissenschaften und erklären, alles sei nur Gegenstand solch naturwissenschaftlicher Forschung, oder sie verwerfen umgekehrt jede Möglichkeit einer absoluten Wahrheit. Manche sind, wie es scheint, mehr interessiert an der Bejahung des Menschen als an der Leugnung Gottes, rühmen aber den Menschen so, daß ihr Glaube an Gott keine Lebensmacht mehr bleibt. Andere machen sich ein solches Bild von Gott, daß jenes Gebilde, das sie ablehnen, keineswegs der Gott des Evangeliums ist. Andere nehmen die Fragen nach Gott nicht einmal in Angriff, da sie keine Erfahrung der religiösen Unruhe zu machen scheinen ... Der Atheismus entsteht außerdem nicht selten aus dem heftigen Protest gegen das Übel in der Welt oder aus der unberechtigten Übertragung des Begriffs des Absoluten auf gewisse menschliche Werte, so daß diese an Stelle Gottes treten. Auch die heutige Zivilisation kann oft, zwar nicht von ihrem Wesen her, aber durch ihre einseitige Zuwendung zu den irdischen Wirklichkeiten, den Zugang zu Gott erschweren“ {Gaudium et spes, Nr. 19). <40> <40> Der Konzilstext zeigt also, wie man sieht, die Verschiedenartigkeit und Vielfalt dessen auf, was sich hinter dem Wort „Atheismus“ verbirgt. Zweifellos ist dieser Atheismus sehr oft eine pragmatische Haltung, die sich aus der Vernachlässigung oder dem Fehlen der „religiösen Unruhe“ ergibt. In vielen Fällen jedoch hat diese Haltung ihre Wurzeln in der 115 A UDIEN ZEN UND ANGELUS ganzen Denkungsart der Welt, besonders im wissenschaftlichen Denken. Denn wenn man als einzige Quelle sicherer Erkenntnis einzig die sinnlich wahrnehmbare Erfahrung gelten läßt, wird der Zugang zu jeder übersinnlichen, transzendenten Wirklichkeit versperrt. Eine solche Erkenntnishaltung liegt auch jener besonderen Auffassung zugrunde, die in unserer Zeit den Namen „Gott-ist-tot-Theologie“ erhalten hat. Die Motive des Atheismus und noch häufiger des heutigen Agnostizismus sind also auch erkenntnistheoretischer, nicht nur pragmatischer Natur. 4. Die zweite Gruppe von Ursachen, die vom Konzil hervorgehoben werden, hängt mit jener übertriebenen Verherrlichung des Menschen zusammen, die nicht wenige dazu verleitet, eine so selbstverständliche Wahrheit wie jene zu vergessen, daß der Mensch ein nicht notwendig existierendes und im Dasein begrenztes Wesen ist. Die Wirklichkeit des Lebens und der Geschichte läßt uns auf immer neue Weise feststellen, daß es zwar Gründe gibt, die große Würde und den Vorrang des Menschen in der sichtbaren Welt anzuerkennen, dies jedoch keinen Grund dafür bietet, in ihm das Absolute zu sehen und Gott abzulehnen. In Gaudium et spes lesen wir, daß im modernen Atheismus „das Streben nach menschlicher Autonomie so weit getrieben wird, daß er Widerstände gegen jedwede Abhängigkeit von Gott schafft. Die Bekenner dieses Atheismus behaupten, die Freiheit bestehe darin, daß der Mensch sich selbst Ziel und einziger Gestalter und Schöpfer seiner eigenen Geschichte sei. Das aber, so behaupten sie, sei unvereinbar mit der Anerkennung des Herrn, des Urhebers und Ziels aller Wirklichkeit, oder mache wenigstens eine solche Bejahung völlig überflüssig. Diese Lehre kann begünstigt werden durch das Erlebnis der Macht, das der heutige technische Fortschritt dem Menschen gibt“ (Gaudium et spes, Nr. 20). Der heutige systematische Atheismus erwartet nämlich die „Befreiung des Menschen vor allem von seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Befreiung“. Er führt einen programmatischen Kampf gegen die Religion mit der Behauptung, daß sie einer solchen Befreiung im Wege stehe, „insofern sie die Hoffnung des Menschen auf ein künftiges und trügerisches Leben richte und ihn dadurch vom Aufbau der irdischen Gesellschaft abschrecke“. Wenn die Anhänger dieses Atheismus in einem Staat zur Macht gelangen - so fährt der Konzilstext fort -, „bekämpfen sie heftig die Religion und breiten den Atheismus aus, auch unter Verwendung, vor allem in der Erziehung der Jugend, jener Mittel der Pression, die der öffentlichen Gewalt zur Verfügung stehen“ {Gaudium et spes, Nr. 20). 116 AUDIENZEN UND ANGELUS Dieses letztgenannte Problem erfordert, daß das Prinzip der Religionsfreiheit, das vom Konzil in einer zusätzlichen Erklärung, Dignitatis huma-nae, bekräftigt wurde, klar und bestimmt erläutert wird. 5. Wenn wir jetzt die Grundhaltung der Kirche gegenüber dem Atheismus bezeichnen wollen, so ist natürlich klar, daß sie ihn „mit aller Festigkeit“ ablehnt (Gaudium et spes, Nr. 21), weil er im Gegensatz zum Wesen des christlichen Glaubens selbst steht, der die Überzeugung ein-schließt, daß die Vernunft des Menschen an die Existenz Gottes heranreicht. Doch „wenn die Kirche auch den Atheismus eindeutig verwirft, so bekennt sie doch aufrichtig, daß alle Menschen, Glaubende und Nichtglaubende, zum richtigen Aufbau dieser Welt, in der sie gemeinsam leben, Zusammenarbeiten müssen. Das kann gewiß nicht geschehen ohne einen aufrichtigen und klugen Dialog“ (Gaudium et spes, Nr. 21). Man muß hinzufügen, daß die Kirche besonders aufmerksam für die Haltung jener Menschen ist, denen es nicht gelingt, die Existenz Gottes mit der vielfältigen Erfahrung des Bösen und des Leidens in Einklang zu bringen. Zugleich weiß die Kirche, daß das, was sie verkündet - also das Evangelium und der christliche Glaube -, „dann dem tiefsten Verlangen des menschlichen Herzens entspricht, wenn sie die Würde der menschlichen Berufung verteidigt und denen, die schon an ihrer höheren Bestimmung verzweifeln, die Hoffnung wiedergibt“ (Gaudium et spes, Nr. 21). „Außerdem lehrt die Kirche, daß durch die eschatologische Hoffnung die Bedeutung der irdischen Aufgaben nicht gemindert wird, daß vielmehr ihre Erfüllung durch neue Motive unterbaut wird. Wenn dagegen das göttliche Fundament und die Hoffnung auf das ewige Leben schwinden, wird die Würde des Menschen aufs schwerste verletzt..., und die Rätsel von Leben und Tod, Schuld und Schmerz bleiben ohne Lösung, so daß die Menschen nicht selten in Verzweiflung stürzen“ (Gaudium et spes, Nr. 21). Andererseits sucht die Kirche, auch wenn sie den Atheismus verwirft, „jedoch die tiefer in der atheistischen Mentalität liegenden Gründe für die Leugnung Gottes zu erfassen und ist im Bewußtsein vom Gewicht der Fragen, die der Atheismus aufgibt, wie auch um der Liebe zu allen Menschen willen der Meinung, daß diese Gründe ernst und gründlicher geprüft werden müssen“ {Gaudium et spes, Nr. 21). Insbesondere bemüht sie sich fortzuschreiten, „indem sie sich selbst unter der Führung des Heiligen Geistes unaufhörlich erneuert und läutert“ (vgl. ebd.), um aus ihrem Leben all das zu entfernen, woran der Nichtglaubende mit Recht Anstoß nehmen kann. 117 AUDIENZEN UND ANGELUS 6. Mit einem solchen Ansatz kommt uns die Kirche noch einmal zu Hilfe, um gerade vor dem Hintergrund von Unglaube und Atheismus, die bisweilen Formen eines systematischen Kampfes gegen die Religion und besonders gegen das Christentum annehmen, die Frage zu beantworten: Was ist der Glaube? Was heißt glauben? Gerade angesichts dieser Feindseligkeit muß der Glaube besonders bewußt, eindringlich und reif werden und von einem tiefen Sinn für Verantwortung und Liebe zu allen Menschen gekennzeichnet sein. Das Wissen um die Schwierigkeiten, die Gegensätze und Verfolgungen muß eine noch vollkommenere Bereitschaft wachrufen, Zeugnis zu geben von „der Hoffnung, die uns erfüllt“ (.1 Petr 3,15). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Glauben im christlichen Sinn heißt, „die Einladung zum Gespräch mit Gott annehmen“. Diese Gesprächsbereitschaft des Christen umfaßt auch alle Menschen, selbst die Nichtglaubenden. In der Pastoralkonstitution Gaudium et spes befaßt sich das Zweite Vatikanische Konzil ausdrücklich mit dem Problem des Unglaubens und des Atheismus. Es weist darauf hin, daß die Gründe für die Ablehnung Gottes durch den Menschen vielfältig sein können. Oft sind sie rein pragmatischer Natur. Man lehnt Gott ab, weil man sich für Religion überhaupt nicht interessiert. Doch können die Gründe für eine atheistische Einstellung auch philosophischer Natur sein. Der Mensch lehnt Gott ab, weil er meint, keine außersinnliche Wahrheit erkennen zu können; weil er jede absolute Wahrheit leugnet; weil er die Größe und Freiheit des Menschen so sehr betont, daß er es für notwendig erachtet, dafür Gottes Existenz bekämpfen und verneinen zu müssen. Der Atheist empfindet Gott als eine Bedrohung und Infragestellung der Autonomie und Unabhängigkeit des Menschen. Er vergißt dabei jedoch, daß der Mensch von Natur her ein abhängiges und begrenztes Wesen ist. Die Kirche lehnt deshalb den Atheismus mit aller Entschiedenheit ab. Dennoch sind ihr die Atheisten selbst nicht gleichgültig. Sie bemüht sich darum, die Gründe für ihre ablehnende Haltung zu verstehen und auch sie in ihren Heilsdialog mit einzubeziehen. Mit diesen kurzen Überlegungen grüße ich herzlich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Mitglieder der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung aus Kärnten, die Gruppe von Blinden aus der Erzdiözese Freiburg sowie die Soldaten mit Familienangehörigen des Korpskomman- 118 AUDIENZEN UND ANGELUS dos II aus der Dekanatspfarre in Wals, Erzdiözese Salzburg, die sich auf einer Pilgerreise ins Heilige Land befinden. Euch und allen deutschsprachigen Audienzteilnehmern erbitte ich die Gnade eines lebendigen Glaubens, Offenheit und Hilfsbereitschaft für eure Mitmenschen. Von Herzen erteile ich euch allen meinen besonderen Apostolischen Segen. Auf den Spuren Papst Pius’ X. Vor dem Angelus in Treviso am 16. Juni 1. Die Stunde des Angelus lädt uns ein, auf Maria zu blicken. Dazu lädt uns heute auch der Platz ein, in dessen unmittelbarer Nähe wir uns befinden, nämlich die Kirche Maria Ausiliatrice, die Papst Pius X. auf Wunsch des Bischofs, des Diener Gottes Andrea Giacinto Longhin, Treviso zum Geschenk machte. Zusammen mit der ganzen Stadt hatte er sie am 27. April 1917 der seligen Jungfrau geweiht. Nach der unmenschlichen Zerstörung durch den ebenso erbarmungslosen wie sinnlosen Luftangriff vom 7. April 1944 wollte das christliche Volk dieses Heiligtum der Nothelferin Maria noch schöner als zuvor Wiedererstehen lassen; eine Votivkapelle daneben sollte die sterblichen Überreste der Gefallenen des Krieges und in Brüderlichkeit die zivilen Opfer der Luftangriffe aufnehmen. Den Blick auf Maria zu richten, dazu verpflichtet uns auch die ganze Geschichte von Treviso, die weltliche wie die religiöse Geschichte, die sich großenteils um das Heiligtum rankt, das, vor zwölfhundert Jahren am Ufer des Cagnan erbaut, der seligsten Gottesmutter Maria geweiht ist. Durch das Unbefleckte Herz Mariens wollen wir uns an das göttliche Herz ihres Sohnes, an das Herz Jesu, wenden, das von unendlicher Majestät ist! Ja, die unendliche Majestät Gottes ist im menschlichen Herzen des Sohnes Mariens verborgen. Dieses Herz ist unser Bund. Dieses Herz ist die größte Nähe Gottes zu den Menschenherzen und zur menschlichen Geschichte. Dieses Herz ist die wunderbare Bereitwilligkeit Gottes: das menschliche Herz, das mit göttlichem Leben schlägt; das göttliche Leben, das im menschlichen Herz schlägt. 119 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. In der heiligsten Eucharistie entdecken wir mit dem „Sinn des Glaubens“ eben dieses Herz. - Das Herz der unendlichen Majestät, das in der menschlichen Liebe des Gott-Menschen Christus weiterschlägt. Wie tief hat der heilige Papst Pius X., ehemals Patriarch von Venedig, diese Liebe empfunden; - wie sehr hat er gewünscht, daß alle Christen von den Jahren der Kindheit an sich der Eucharistie nähern, indem sie zur Kommunion gehen: damit sie sich mit diesem Herzen vereinen, das zugleich und für jeden Menschen „Haus Gottes und Pforte des Himmels“ ist: „Haus“, ja, durch die eucharistische Gemeinschaft weitet das Herz Jesu seine Wohnstatt auf jedes menschliche Herz aus. Pforte, ja, in jedem dieser menschlichen Herzen öffnet er den Ausblick auf die ewige Einheit mit der Heiligen Dreifaltigkeit. 3. Muttergottes! Während wir betend über das Geheimnis deiner Verkündigung nachdenken, bringe uns dieses göttliche Herz, das Herz der unendlichen Majestät, das Haus Gottes und die Pforte des Himmels, näher, dieses Herz, das im Augenblick der Verkündigung durch den Engel neben deinem jungfräulichen und mütterlichen Herzen zu schlagen begonnen hat. Schriftlesung und Gebet Ansprache bei der Generalaudienz am 19. Juni 1. Wir wollen das Gespräch über den Glauben wieder aufnehmen. Nach der in der Konzilskonstitution Dei verbum enthaltenen Lehre ist der christliche Glaube die bewußte und freie Antwort des Menschen auf die Selbstoffenbarung Gottes, die in Jesus Christus zu ihrer Fülle gelangt ist. Durch das, was der hl. Paulus den „Gehorsam des Glaubens“ nennt (vgl. Röm 16,26; 1,5; 2 Kor 10,5-6), überantwortet sich der ganze Mensch Gott, indem er als Wahrheit annimmt, was im Wort der göttlichen Offenbarung enthalten ist. Der Glaube ist Werk der Gnade, die im Verstand und im Willen des Menschen wirksam und gleichzeitig ein bewußter und freier Akt des menschlichen Subjekts ist. Der Glaube, Gottes Geschenk an den Menschen, ist auch eine göttliche 120 A UDIEN ZEN UND ANGELUS Tugend und zugleich eine beständige Disposition der Seele, das heißt ein Habitus oder eine dauerhafte innere Haltung. Er verlangt daher, daß der gläubige Mensch ihn unablässig pflegt, indem er aktiv und bewußt mit der Gnade mitwirkt, die Gott ihm anbietet. 2. Da der Glaube seine Quelle in der göttlichen Offenbarung hat, stellt der ständige und möglichst systematische Kontakt mit der Heiligen Schrift einen wesentlichen Aspekt der Mitwirkung mit der Gnade des Glaubens dar. Teilt uns doch die Heilige Schrift die von Gott geoffenbarte Wahrheit in ihrer ursprünglichsten Form mit. Dies findet vielfältigen Ausdruck im Leben der Kirche, wie wir auch in der Konstitution Dei verbum lesen. „Wie die christliche Religion selbst, so muß auch jede kirchliche Verkündigung sich von der Heiligen Schrift nähren und sich an ihr orientieren. In den Heiligen Büchern ... ist solche Gewalt und Kraft ..., daß es für die Kirche Halt und Leben, für die Kinder der Kirche Glaubensstärke, Seelenspeise und reiner, unversieglicher Quell des geistlichen Lebens ist. Darum gelten von der Heiligen Schrift in besonderer Weise die Worte: ,Lebendig ist Gottes Rede und wirksam“ (Hebr 4,12), .mächtig aufzubauen und das Erbe auszuteilen unter allen Geheiligten“ (Apg 20,32; vgl. 1 Thess 2,13)“ (Dei verbum, Nr. 21). 3. Darum zögert die Konstitution Dei verbum, wo sie auf die Lehre der Kirchenväter Bezug nimmt nicht, die „beiden Tische“, nämlich den Tisch des Wortes Gottes und den Tisch des Leibes des Herrn, einander an die Seite zu stellen und darauf hinzuweisen, daß die Kirche „vor allem in der heiligen Liturgie“ von beiden Tischen „ohne Unterlaß das Brot des Lebens nimmt und den Gläubigen reicht“ (vgl. Dei verbum, Nr. 21). Tatsächlich sah und sieht die Kirche immer in der Heiligen Schrift zusammen mit der Heiligen Überlieferung „die höchste Richtschnur ihres Glaubens“ (ebd.), und sie bietet sie als solche den Gläubigen für ihr tägliches Leben an. <41> <41> Daraus ergeben sich einige praktische Hinweise, denen große Bedeutung für die Festigung des Glaubens an das Wort des lebendigen Gottes zukommt. Sie gelten in besonderer Weise für die Bischöfe als „Wahrer der apostolischen Lehre“ (hl. Irenäus, Adversus Haereses, IV, 32, 1, in: PG 7, 1071), die „vom Heiligen Geist als Hirten für die Kirche Gottes bestellt worden sind“ (vgl. Apg 20,28); aber jeweils auch für alle anderen Mitglieder des Gottesvolkes: die Priester, insbesondere die Pfarrer, die Diakone, die Ordensleute, die Laien und die Familien. 121 AUDIENZEN UND ANGELUS Vor allen Dingen „muß der Zugang zur Heiligen Schrift für die an Christus Glaubenden weit offenstehen“ (Dei verbum, Nr. 22). Hier erhebt sich die Frage der Übersetzungen der Heiligen Bücher. „Die Kirche hat schon in ihren Anfängen die älteste Übersetzung des Alten Testamentes, die griechische, die nach den Siebzig (Septuaginta) benannt wird, als die ihre übernommen. Die anderen orientalischen und die lateinischen Übersetzungen ... hält sie immer in Ehren“ (ebd.). Die Kirche bemüht sich auch unablässig darum, „daß brauchbare und genaue Übersetzungen in die verschiedenen Sprachen erarbeitet werden, mit Vorrang aus dem Urtext der Heiligen Bücher“ {ebd..). Die Kirche stellt sich nicht gegen Übersetzungen „in Zusammenarbeit mit den getrennten Brüdern“ {ebd): die sogenannten ökumenischen Übersetzungen. Sie können mit entsprechender Erlaubnis der Kirche auch von den Katholiken benützt werden. 5. Die nächste Aufgabe besteht im Zusammenhang mit dem richtigen Verständnis des Wortes der göttlichen Offenbarung: dem intellectus fidei (Glaubensverständnis), der seinen Höhepunkt in der Theologie erreicht. Zu diesem Zweck empfiehlt das Konzil „das Studium der Väter des Ostens wie des Westens und der heiligen Liturgien“ {Dei verbum, Nr. 23) und mißt der Arbeit der Exegeten und Theologen, die immer in enger Beziehung zur Heiligen Schrift erfolgen muß, große Bedeutung bei: „Die heilige Theologie ruht auf dem geschriebenen Wort Gottes, zusammen mit der Heiligen Überlieferung, wie auf einem bleibenden Fundament. In ihm gewinnt sie sichere Kraft und verjüngt sich ständig, wenn sie alle im Geheimnis Christi beschlossene Wahrheit im Lichte des Glaubens durchforscht ... Deshalb sei das Studium des Heiligen Buches gleichsam die Seele der heiligen Theologie“ {Dei verbum, Nr. 24). Das Konzil richtet einen Appell an die Exegeten und an alle Theologen, „dem Volk Gottes mit wirklichem Nutzen die Nahrung der Schriften zu reichen, die den Geist erleuchtet, den Willen stärkt und die Menschenherzen zur Gottesliebe entflammt“ {Dei verbum, Nr. 23). Entsprechend dem, was wir zuvor über die Richtlinien für die Weitergabe der Offenbarung gesagt haben, müssen die Exegeten und Theologen ihre Aufgabe „unter Aufsicht des kirchlichen Lehramtes“ {ebd) durchführen und dabei zugleich die entsprechenden Mittel und wissenschaftlichen Methoden anwenden (vgl. ebd). 6. Darauf folgt der umfangreiche und vielfältige Dienst des Wortes in der Kirche: „die seelsorgliche Verkündigung, die Katechese und alle christli- 122 AUDIENZEN UND ANGELUS che Unterweisung“ (insbesondere die Predigt im Gottesdienst) ... Dieser ganze Dienst „holt aus dem Wort der Schrift gesunde Nahrung und heilige Kraft“ (vgl. Dei verbum, Nr. 24). Darum wird allen, die den Dienst des Wortes ausüben, empfohlen, die „unübersehbaren Schätze des göttlichen Wortes ... den Gläubigen mitzuteilen“ (Dei verbum, Nr. 25). Zu diesem Zweck sind die Lesung der Heiligen Schrift, ihr Studium und betendes Meditieren unerläßlich, damit der Priester nicht zu einem „leeren und äußerlichen Prediger des Wortes Gottes wird, der in seinem Innern nicht darauf hört“ (hl. Augustinus, Serm. 179, 1: PL 38, 966). 7. Eine ähnliche Aufforderung richtet das Konzil an alle Gläubigen, wobei es sich auf die Worte des hl. Hieronymus bezieht: „Die Schrift nicht kennen heißt, Christus nicht kennen“ (hl. Hieronymus, Comm. inIs., Pro.: PL 24, 17). Das Konzil empfiehlt daher allen nicht nur die Lesung der Schrift, sondern auch das Gebet, das die Lesung der Heiligen Schrift begleiten muß: „So erfülle durch Lesung und Studium der Heiligen Bücher ... der Schatz der Offenbarung, der Kirche anvertraut, mehr und mehr die Herzen der Menschen“ {Dei verbum, Nr. 26). Dieses Erfülltsein des Herzens geht mit der Festigung unseres christlichen Credos einher, d. h. unseres christlichen Glaubens an das Wort des lebendigen Gottes. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Christlicher Glaube besagt die bewußte und freie Antwort des Menschen auf die Selbstoffenbarung Gottes, die in Jesus Christus ihre Fülle erreicht hat. Im Glaubensgehorsam überantwortet sich der Mensch Gott. Der Glaube ist zugleich ein Gnadengeschenk Gottes und eine theologische Tugend, eine innere Haltung des Menschen, die der Gläubige beständig in sich pflegen und vertiefen muß. Wir müssen mit der Gnade des Glaubens mitarbeiten, indem wir vor allem die Heilige Schrift gründlich kennenlemen und meditieren, die uns Gottes Wort zuverlässig überliefert. Sie ist für das Leben der Kirche und der Christen eine Quelle der Kraft und der Stärkung. Die Konzilskonstitution Dei verbum spricht sogar von den „zwei Tischen“, vom Tisch des Wortes Gottes und vom Tisch des Herrenleibes, der Eucharistie. Liturgie und Glaubensunterweisung müssen sich immer von diesen beiden Tischen nähren. Um den Gläubigen den Zugang zur Heiligen Schrift zu erleichtern, fördert die Kirche gute Übersetzungen in die jeweiligen Mutterspra- 123 AUDIENZEN UND ANGELUS chen. Exegeten und Theologen werden ermahnt, den Gläubigen zugleich ein tieferes Verständnis des Wortes Gottes in der Schrift zu eröffnen. Indem ich euch, liebe Brüder und Schwestern, zur heutigen Audienz sehr herzlich begrüße, empfehle ich euch ganz besonders die persönliche Lesung und Betrachtung der Heiligen Schrift. Diese Einladung richte ich vor allem an die zahlreichen Jugendlichen unter euch. „Die Heilige Schrift nicht kennen“ bedeutet nach dem hl. Hieronymus „Christus nicht kennen!“ - Mit besten Wünschen für die nun beginnende Ferienzeit erteile ich euch allen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Liebe, die nie verlischt Vor dem Angelus am 23. Juni 1. Herz Jesu - Feuerherd der Liebe. Beim Angelus wollen wir zusammen mit der Gottesmutter unsere Herzen dem Herzen ihres göttlichen Sohnes zuwenden. Die Anrufungen dieser herrlichen Litanei sprechen uns tief an, die wir vor allem im Monat Juni rezitieren oder singen. Helfe uns die Mutter, die Geheimnisse des Herzens ihres Sohnes besser zu verstehen. <42> <42> „Glutofen der Liebe“. Der Ofen brennt. Glühend verbrennt er jedes Material, sei es Holz oder anderer leicht brennbarer Stoff. Das Herz Jesu, das menschliche Herz Jesu brennt von der Liebe, die es erfüllt. Und das ist die Liebe zum Ewigen Vater und die Liebe zu den Menschen: zu den Adoptivsöhnen und -töchtern. Der brennende Ofen verlischt nach und nach. Das Herz Jesu hingegen ist ein unauslöschlicher Feuerherd. Darin gleicht es dem „brennenden Dornbusch“ im Buch Exodus, in dem sich Gott dem Mose offenbarte. Der Dornbusch, der brannte und doch nicht - „verbrannte“ (vgl. Ex 3,2). Denn die Liebe, die im Herzen Jesu brennt, ist vor allem der Heilige Geist, in dem sich der Sohn Gottes mit dem Vater auf ewig vereint. Das Herz Jesu, das menschliche Herz des Gott-Menschen, wird von der „lebendigen Flamme“ der dreifältigen Liebe umfangen, die niemals erlischt. 124 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Herz Jesu - Glutofen der Liebe. Wenn der Ofen brennt, erhellt er das Dunkel der Nacht und wärmt die Körper der frierenden Wanderer. Heute wollen wir die Mutter des ewigen Wortes bitten, daß auf dem Horizont des Lebens einer und eines jeden von uns das Herz Jesu - der brennende Feuerherd der Liebe — niemals zu brennen aufhöre. Daß es uns die Liebe offenbare, die nie verlöscht und nie nachläßt, die Liebe, die ewig ist. Daß es das Dunkel unserer Erdennacht erhelle und die Herzen erwärme. 4. Wie freut sich die Kirche darüber, daß sich an diesem göttlichen Herzen die Menschenherzen in Liebe entzünden! Wie freut sie sich heute, daß sie in solcher Liebe das Herz des Pater Benedetto Menni entzündet hat, Priester des Krankenpflegeordens des hl. Johannes von Gott und Gründer der Kongregation der Schwestern vom Heiligsten Herzen Jesu; und das Herz des Laienbruders Peter Friedhofen, Gründer der Barmherzigen Brüder von Mariahilf. 5. Während wir danken für die einzige Liebe, die die Welt und das menschliche Leben umzugestalten vermag, wenden wir uns zusammen mit der Unbefleckten Jungfrau im Augenblick der Verkündigung an das Göttliche Herz, das nicht aufhört, „Glutofen der Liebe“ zu sein. Das Herz, das brennt wie der „Dornbusch“, den Mose zu Füßen des Berges Horeb sah. Alle streben zur einen Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 26. Juni 1. Die Selbstoffenbarung Gottes, die in Jesus Christus ihre Fülle erreicht hat, ist die Quelle des christlichen Glaubens: das heißt jenes „Credo“, dem die Kirche in den Glaubenssymbolen Ausdruck verleiht. Doch im Bereich dieses christlichen Glaubens sind im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Entzweiungen und Spaltungen entstanden. „Sie alle bekennen sich als Jünger des Herrn, aber sie (die christlichen Gemeinschaften) weichen in ihrem Denken voneinander ab und gehen verschiedene Wege, als ob Christus selber geteilt wäre“ (vgl. 1 Kor 1,13). „Christus, der Herr, 125 AUDIENZEN UND ANGELUS hat eine einige und einzige Kirche gegründet, und doch erheben mehrere christliche Gemeinschaften vor den Menschen den Anspruch, das wahre Erbe Jesu Christi darzustellen“ (Unitatis redintegratio, Nr. 1), in Verschiedenheit von den anderen, besonders von der katholischen, apostolischen römischen Kirche. 2. Offen gestanden sind seit den apostolischen Zeiten Spaltungen unter den Jüngern Christi zu beklagen, und der hl. Paulus tadelt die Verantwortlichen streng als der Verurteilung würdig (vgl. 1 Kor 11,18—19; Gal 1,6-9; vgl. 1 Joh 2,18-19; vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 3). An Spaltungen sollte es auch in der nachapostolischen Zeit nicht fehlen. Besondere Beachtung verdienen jene, die „im Orient geschahen ... aufgrund einer dogmatischen Bestreitung von Glaubensformeln der Konzilien von Ephesus und Chalkedon“ (Unitatis redintegratio, Nr. 13), die die Beziehung zwischen der göttlichen und der menschlichen Natur Jesu Christi betreffen. 3. Hier müssen jedoch vor allem die beiden größten Spaltungen genannt werden, von denen die erste vor allem das Christentum im Osten, die zweite das im Westen betraf. Der Bruch im Osten, das sogenannte orientalische Schisma, das mit dem Datum 1054 verknüpft ist, geschah „durch die Aufhebung der kirchlichen Gemeinschaft zwischen den Patriarchaten des Orients und dem Römischen Stuhl“ (Unitatis redintegratio, Nr. 13). Infolge dieses Bruches gibt es im Bereich des Christentums die katholische (römisch-katholische) Kirche und die orthodoxe Kirche bzw. Kirchen, deren geschichtliches Zentrum Konstantinopel ist. „Andere Spaltungen entstanden sodann mehr als vier Jahrhunderte später im Abendland aufgrund von Ereignissen, die man die Reformation nennt. Seither sind mehrere nationale oder konfessionale Gemeinschaften vom Römischen Stuhl getrennt. Unter denjenigen von ihnen, bei denen katholische Traditionen und Strukturen zum Teil fortbestehen, nimmt die Anglikanische Gemeinschaft einen besonderen Platz ein. Indessen sind diese einzelnen Trennungen untereinander sehr verschieden, nicht allein bedingt durch ihre Entstehung und durch die Umstände von Ort und Zeit, sondern vor allem nach Art und Bedeutsamkeit der Probleme, die sich auf den Glauben und die kirchliche Struktur beziehen“ (ebd.). <43> <43> Es handelt sich also nicht nur um Spaltungen, die die Disziplin betreffen. Der Inhalt des christlichen „Credo“ selbst steht auf dem Spiel. Ein moderner protestantischer Theologe, Karl Barth, hat diesen Zustand der 126 AUDIENZEN UND ANGELUS Spaltung mit folgenden Worten ausgedrückt: „Alle glauben an einen einzigen Christus, aber nicht alle in der gleichen Weise.“ Das Zweite Vatikanische Konzil formuliert es so: „Eine solche Spaltung widerspricht ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen“ (Unitatis redintegratio, Nr. 1). Die heutigen Christen müssen mit besonderer Einfühlung der Worte des Gebetes gedenken, das Christus, der Herr, am Abend, an dem er verraten wurde, an den Vater richtete, und es bedenken: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). 5. Das lebhafte Echo dieser Worte sorgt dafür, daß wir besonders in der heutigen geschichtlichen Situation beim Sprechen des christlichen „Credo“ von einer brennenden Sehnsucht nach der Vereinigung aller Christen bis hin zur vollen Einheit im Glauben erfüllt werden. Im Konzilsdokument lesen wir: „Der Herr der Geschichte, der seinen Gnadenplan mit uns Sündern in Weisheit und Langmut verfolgt, hat in jüngster Zeit begonnen, über die gespaltene Christenheit ernste Reue und Sehnsucht nach Einheit reichlicher auszugießen. Von dieser Gnade sind heute überall sehr viele Menschen ergriffen, und auch unter unseren getrennten Brüdern ist unter der Einwirkung der Gnade des Heiligen Geistes eine sich von Tag zu Tag ausbreitende Bewegung zur Wiederherstellung der Einheit aller Christen entstanden. Diese Einheitsbewegung, die man als ökumenische Bewegung bezeichnet, wird von Menschen getragen, die den dreieinigen Gott anrufen und Jesus als Herrn und Erlöser bekennen, und zwar nicht nur einzeln für sich, sondern auch in ihren Gemeinschaften, in denen sie die Frohe Botschaft vernommen haben und die sie ihre Kirche und Gottes Kirche nennen. Fast alle streben, wenn auch auf verschiedene Weise, zu einer einen, sichtbaren Kirche Gottes hin, die in Wahrheit allumfassend und zur ganzen Welt gesandt ist, damit sich die Welt zum Evangelium bekehre und so ihr Heil finde zur Ehre Gottes“ (Unitatis redintegratio, Nr. 1). 6. Dieses lange Zitat ist dem Dekret über den Ökumenismus {Unitatis redintegratio) entnommen, in dem das Zweite Vatikanische Konzil genauer bestimmt, in welcher Art und Weise die Sehnsucht nach der Einheit der Christen den Glauben der Kirche durchdringen soll, wie diese Sehnsucht sich in der konkreten Glaubenshaltung jedes katholischen Christen widerspiegeln und Einfluß nehmen soll auf sein Handeln, das 127 AUDIENZEN UND ANGELUS heißt auf die Antwort, die er auf die Worte des Hohenpriesterlichen Gebetes Christi geben muß. Paul VI. hat im ökumenischen Bemühen den ersten und naheliegendsten Kreis jenes Heilsdialoges gesehen, den die Kirche mit allen Brüdern im Glauben, die zwar getrennt sind, aber immer Brüder bleiben, voranbringen muß! Viele Begebenheiten der letzten Jahre nach der von Johannes XXIII. ergriffenen Initiative - die Arbeit des Konzils und in der Folge die nachkonziliaren Bemühungen - helfen uns verstehen und erfahren, daß es trotz allem „mehr gibt, was uns eint, als was uns trennt“. Auch mit dieser geistigen Verfassung „überlassen wir uns Gott“ (vgl. Dei verbum, Nr. 5) beim Bekenntnis des Glaubens und erwarten von ihm vor allem die Gnade des Geschenkes der vollen Einheit aller Zeugen Christi in diesem Glauben. Wir wollen uns unsererseits in Gebet und Handeln ganz für die Einheit einsetzen und nach Wegen der Wahrheit in der Liebe suchen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die Selbstoffenbarung Gottes, die in Christus ihre Fülle erreicht hat, ist die Quelle des christlichen Glaubens. Christus hat eine einzige Kirche gestiftet, die seine Frohe Botschaft zu allen Völkern tragen soll. Doch gibt es unter den Christen seit den apostolischen Zeiten Entzweiungen und Spaltungen. Im Jahre 1054 erfolgte das große sogenannte Orientalische Schisma. Seit diesem Bruch zwischen Ost und West gibt es die römisch-katholische Kirche und die orthodoxen Kirchen mit ihrem geschichtlichen Zentrum in Konstantinopel. Im 16. Jahrhundert folgt sodann im Abendland die Kirchenspaltung der Reformation, in der sich mehrere nationale oder konfessionelle Gemeinschaften vom Römischen Stuhl getrennt haben. Diese Trennungen waren um so schwerwiegender, da sie sich vor allem auf Fragen des Glaubens und der kirchlichen Struktur bezogen. Wie das Zweite Vatikanische Konzil erneut unterstrichen hat, widerspricht eine solche Spaltung „ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schatten für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen“ (Unitatis redintegratio, Nr. 1). Mit um so größerer Freude stellen deshalb die Christen heute fest, daß in jüngster Zeit die gespaltene Christenheit von einer großen Sehnsucht nach Einheit ergriffen worden ist. Eine sich ausbreitende ökumenische Bewegung zur Wiederherstellung der Einheit aller Christen ist entstanden. Wir alle sind aufgerufen, diese weltweiten gemeinsamen 128 AUDIENZEN UND ANGELUS ökumenischen Bemühungen mit unserem Gebet und Opfer zu unterstützen. Mit dieser Einladung zum Gebet für die Ökumene grüße ich sehr herzlich alle anwesenden deutschsprachigen Pilger: die genannten Gruppen und auch einzelne Besucher und Familien. Einen besonderen Gruß richte ich an die zahlreichen Jugendlichen, an die Gruppe Franziskanerinnen von Salzkotten anläßlich des 125jährigen Bestehens ihrer Kongregation sowie an die Gruppe von Ordensfrauen verschiedener Kongregationen, die an einem geistlichen Erneuerungskurs in La Storta teilnehmen. Für Gottes Licht und Führung erteile ich euch und allen Pilgern von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Immer neue Zerstörungen Gebet für den Libanon bei der Generalaudienz am 26. Juni Heute fordere ich euch noch einmal auf, für den Libanon zu beten, der in meinen Gedanken und meinem Gebet stets gegenwärtig ist. Wie ich am vergangenen Mittwoch in Erinnerung gerufen habe, lebt diese Bevölkerung in einer ständigen und zunehmenden Angst vor neuen Bedrohungen und erneuten Leiden. Meine Gedanken sind besonders auf die Stadt Jezzine im südlichen Libanon gerichtet, wo die Angst um ihr eigenes Schicksal und das ihrer Stadt die christliche Bevölkerung bedrückt. Es sind einige zehntausend Personen, zur Hälfte Flüchtlinge aus verlassenen oder zerstörten Dörfern in der Umgebung. Es gilt unbedingt, die Gefahr abzuwenden, daß Jezzine die traurige Erfahrung zahlreicher anderer Zentren machen muß, wo so viele Familien ihre Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Religionsgemeinschaft mit hohem Blutzoll und Zerstörungen bezahlt haben. Darum bitten wir inständig mit dringenden Aufrufen die Christen aus allen Teilen des Libanon und auch zahlreiche Muslime, die ein wesentliches und ursprüngliches Element der Identität des ganzen Landes in der Anwesenheit verschiedener islamischer Gruppen und mit ihnen gleichsam in jedem Dorf friedlich verbundener Christen sehen. Beten wir gemeinsam, daß der Herr den Weg zu einer weisen Beilegung 129 AUDIENZEN UND ANGELUS der Gegensätze finden lasse und so neue Trauer und die daraus folgende Kette von Gewalttaten und Rache vermieden werde, die jeden Funken Hoffnung auf Verständigung zum Überleben des Libanon zunichte machen würde. Er wird „alles in allem sein“ Zum Angelus vor dem Heiligtum San Gabriele dell’Addolorata auf der Isola di Gran Sasso in den Abruzzen am 30. Juni 1. Herz Jesu, Heiligtum der Gerechtigkeit und der Liebe. Aus der Mitte unserer Versammlung, die am Abschlußtag des Eucharisti-schen Kongresses von Teramo sich hier eingefunden hat, erhebt sich - wie stets zu dieser Stunde - der Engel des Herrn. Zusammen mit der Jungfrau von Nazaret meditieren wir über den Augenblick der Verkündigung. Wir meditieren über das Geheimnis der Menschwerdung. „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14): Denn es hat im Schoße Mariens, unter ihrem Herzen Wohnung genommen. 2. Zwischen dem Herzen der Mutter und dem Herzen des Kindes, des Sohnes, bestand von Anfang an ein Band: eine wunderbare Verbindung der Herzen! Das Herz Mariens ist das erste, das zum Herzen Jesu spricht. Als erstes sozusagen rezitiert es die Litanei zu diesem Herzen. Wir alle wollen uns ihm anschließen. <44> <44> Herz Jesu, Heiligtum der Gerechtigkeit: In dir hat der ewige Vater der Menschheit die Gerechtigkeit angeboten, die in der Heiligsten Dreifaltigkeit, in Gott selbst gegeben ist. Die Gerechtigkeit, die von Gott stammt, bildet die endgültige Grundlage unserer Rechtfertigung. Diese Gerechtigkeit kommt durch die Liebe zu uns. Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben (vgl. Gal 2,20). Und mit dieser Hingabe durch die Liebe, die mächtiger ist als der Tod, hat er uns gerecht gemacht! „Wegen unserer Gerechtmachung wurde er auf erweckt“ (.Röm 4,25). 130 A UDIENZEN UND ANGELUS 4. Zur Stunde des Angelus betet der Eucharistische Kongreß von Teramo, indem er zusammen mit der Muttergottes die Geheimnisse des Heiligsten Herzens Jesu bekennt. Diese Geheimnisse, die in den Anrufungen der Litanei in so großartiger Weise zum Ausdruck kommen, mögen uns durch die Straßen des Erdenlebens zur ewigen Heimat des göttlichen Herzens führen, wo Gott alle Tränen von den Augen der Menschen abwischen wird (vgl. Offb 7,17; 21,4), wo er selbst „alles in allem sein wird“ (1 Kor 15,28). Von Gott sprechen - eine Entdeckungsreise Ansprache bei der Generalaudienz am 3. Juli 1. In unserer Katechese kommen wir heute zu dem großen Geheimnis des Glaubens, dem ersten Artikel unseres Glaubensbekenntnisses: Ich glaube an Gott. Von Gott sprechen heißt, sich mit einem Thema auseinandersetzen, das erhaben und grenzenlos, geheimnisvoll und fesselnd ist. Aber hier an der Schwelle empfinden wir die gleiche Notwendigkeit wie jemand, der sich auf eine lange, faszinierende Entdeckungsreise vorbereitet - und eine solche bleibt ein echtes Gespräch über Gott ja immer -, zuvor die rechte Marschrichtung einzuschlagen, indem wir unseren Geist auf das Verständnis höchster und entscheidender Wahrheiten vorbereiten. Zu diesem Zweck halte ich es für notwendig, gleich auf einige Fragen zu antworten, deren erste lautet: Warum soll man heute von Gott sprechen? <45> <45> In der Schule des Ijob, der demütig bekannte: „Siehe, ich bin zu gering . . . Ich lege meine Hand auf meinen Mund“ (Ijob 40,4), wird uns mit Nachdruck bewußt, daß gerade die Quelle unserer höchsten Gewißheit als Gläubige, das Gottesgeheimnis, noch zuvor sehr umfangreiche, tiefste Fragen hervorruft. Wer ist Gott? Können wir ihn als Menschen zuverlässig erkennen? Wer sind wir als Geschöpfe vor Gott? Die Fragen bringen seit jeher viele und manchmal quälende Schwierigkeiten mit sich: Wenn es Gott gibt, warum ist dann soviel Übel in der Welt? Warum siegt der Böse, während der Gerechte mit Füßen getreten wird? Überwältigt Gottes Allmacht nicht am Ende unsere Freiheit und Verantwortung? 131 AUDIENZEN UND ANGELUS Diese Fragen und Schwierigkeiten sind mit den Erwartungen und Sehnsüchten verflochten, zu deren universalen Wortführern die Menschen der Bibel, insbesondere in den Psalmen, geworden sind: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen?“ (Ps 42,2-3): Von Gott erwartet man sich das Heil, die Befreiung vom Bösen, das Glück und, mit einem wunderbaren zuversichtlichen Aufschwung, auch das Weilenkönnen bei ihm, „das Wohnen in seinem Haus“ (vgl. Ps 84,2 ff.). Wir sprechen also von Gott, weil dies ein nicht zu unterdrückendes Bedürfnis des Menschen ist. 3. Die zweite Frage ist, wie wir von Gott sprechen können, wie wir richtig von ihm sprechen können. Auch unter den Christen haben viele ein verzerrtes Bild von Gott. Man muß sich fragen, ob man richtig nachgeforscht und die Wahrheit aus echten Quellen, in einer entsprechenden Haltung geschöpft hat. Hier halte ich es für meine Pflicht, als erste Haltung vor allem die Ehrlichkeit des Verstandes zu fordern, das heißt das Offensein für jene Zeichen der Wahrheit, die Gott selber in der Welt und in unserer Geschichte hinterlassen hat. Da ist natürlich der Weg des gesunden Menschenverstandes (und wir werden noch Gelegenheit haben zu überlegen, was der Mensch aus eigener Kraft von Gott zu erkennen vermag). Aber hier drängt es mich zu sagen, daß Gott selber dem Verstand über seine natürliche Fähigkeiten hinaus ein großartiges Wissen über sich anbietet, das in der Sprache des Glaubens „Offenbarung“ heißt. Dem Glaubenden und jedem Menschen guten Willens, der das Antlitz Gottes sucht, steht vor allem der unermeßliche Schatz der Heiligen Schrift zur Verfügung, wahres Tagebuch Gottes über die Beziehungen zu seinem Volk, in dessen Mittelpunkt der unübertreffliche Mittler Gottes steht, Jesus Christus: „Wer mich sieht, sieht den Vater“ (/oft 14,9). Jesus wiederum hat sein Zeugnis der Kirche anvertraut, die es seit jeher mit Hilfe des Geistes Gottes zum Gegenstand leidenschaftlichen Suchens, fortschreitender Vertiefung gegen Irrtümer und Entstellungen gemacht hat. Das echte Wissen über Gott geht also über die lebendige Überlieferung, deren grundlegende Zeugen sämtliche Konzilien sind, von dem von Nizäa bis zu dem von Konstantinopel und dem von Trient, vom Ersten bis zum Zweiten Vatikanum. Wir werden bewußt auf diese echten Quellen der Wahrheit zurückgreifen. Die Katechese schöpft ihre Inhalte über Gott auch aus der doppelten 132 AUDIENZEN UND ANGELUS kirchlichen Erfahrung: aus dem verkündeten Glauben, der Liturgie, deren Formulierungen ein ständiges, unermüdliches Sprechen über Gott durch das Sprechen mit ihm sind; und aus dem Glauben, wie er von den Christen, insbesondere den Heiligen gelebt wurde, die die Gnade einer tiefen Gemeinschaft mit Gott hatten. Wir brauchen also nicht nur Fragen über Gott stellen, um uns dann in einem Gewirr von hypothetischen oder allzu abstrakten Antworten zu verlieren. Gott selber ist uns mit einer geordneten Fülle sicherer Hinweise entgegengekommen. Die Kirche besitzt durch Gottes Gnade in ihrem Erbe an Lehre und Leben die rechte Richtung, um mit Ehrfurcht und Wahrheit von ihm zu sprechen. Niemals fühlt sie sich wie heute verpflichtet, den Menschen aufrichtig und liebevoll die wesentliche Antwort anzubieten, auf die sie warten. 4. Das ist es, was ich bei diesen Begegnungen tun will. Aber wie? Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Katechese zu halten; ihre Legitimität hängt letzten Endes von der Treue zum unverkürzten Glauben der Kirche ab. Ich habe es für angebracht gehalten, den Weg zu wählen, der sich unmittelbar auf die Heilige Schrift beruft und auf die Glaubensbekenntnisse zurückgreift, in dem vertieften Verständnis, das uns christliches Denken in zweitausendjähriger Reflexion geschenkt hat. Es ist meine Absicht, mit der Verkündigung der Wahrheit über Gott euch alle einzuladen, außer der Gültigkeit des geschichtlich-positiven Weges auch die jenes Weges anzuerkennen, den uns die großen Konzilien und das ordentliche Lehramt der Kirche mit ihren lehrmäßigen Überlegungen bieten. Auf diese Weise werden wir die Fülle der biblischen Daten keineswegs schmälern und Glaubenswahrheiten als dem Glauben ganz nahe oder jedenfalls theologisch begründete Wahrheiten erläutern, während sie, dogmatisch-spekulativ formuliert, Gefahr laufen, weniger verstanden und von vielen Menschen unserer Zeit unter großer Verarmung der Kenntnis dessen beurteilt zu werden, der das unerforschte Geheimnis ist. 5. Diese einleitende Katechese unserer Rede über Gott könnte ich nicht beenden, ohne eine zweite grundlegende Haltung außer der oben genannten Redlichkeit des Verstandes zu erwähnen, nämlich die des gelehrigen und dankbaren Herzens. Wir sprechen von dem, den Jesaja uns als den dreimal Heiligen vorstellt (vgl. Jes 6,3). Wir müssen also von ihm mit tiefster und vollkommener Ehrfurcht, ja Anbetung sprechen, gleichzeitig jedoch mit zartester Liebe, da wir von dem getragen und gestärkt werden, „der am Herzen des Vaters ruht und uns Kunde gebracht hat“ (Joh 1,18), 133 AUDIENZEN UND ANGELUS von Jesus Christus, unserem Bruder. „Denn aus ihm und durch ihn und auf ihn hin ist die ganze Schöpfung. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen“ (Röm 11,36). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Unsere Überlegungen zur Katechese gelten heute dem höchsten Geheimnis unseres Glaubens: Gott selber. „Ich glaube an Gott“, so bekennen wir im Credo. Sogleich aber stellen sich uns Fragen und Schwierigkeiten: Wer ist Gott, und wer sind wir? Können wir ihn überhaupt erkennen? Wenn Gott existiert, warum gibt es dann so viel Böses in der Welt? Trotz dieser Fragen und Schwierigkeiten empfindet der Mensch in sich eine tiefe Sehnsucht nach Gott, wie es zahlreiche Psalmen so eindrucksvoll zum Ausdruck bringen. Er erwartet von ihm Befreiung vom Bösen, Glück und Heil. Wir müssen deshalb von Gott sprechen, weil dies für den Menschen eine unausweichliche Notwendigkeit ist. Wie aber sollen wir von Gott reden? Nicht wenige haben falsche Vorstellungen von ihm. Eine wichtige Voraussetzung ist eine intellektuelle Redlichkeit und Aufrichtigkeit. Wir müssen offen und empfänglich bleiben für die Spuren der Wahrheit, die Gott von sich in der Welt und in der Geschichte hinterlassen hat. Darüber hinaus hat Gott von sich aus auch unmittelbar Zeugnis gegeben durch die Offenbarung. Der Glaubende, der das Antlitz Gottes sucht, hat dafür in der Heiligen Schrift und in der lebendigen Tradition der Kirche einen überaus reichen Schatz zur Verfügung. Dazu schöpft die Katechese noch aus der Liturgie und aus dem gelebten Glauben der Christen, besonders der Heiligen. Die Kirche spürt heute in einer sehr dringlichen Weise den Auftrag, den Menschen aus diesem großen Glaubensschatz die grundlegenden Wahrheiten über Gott zu verkünden und ihnen auf ihre drängenden Fragen eine gültige Antwort zu geben. Um diese richtig aufnehmen und verstehen zu können, bedürfen wir vor allem eines bereiten und dankbaren Herzens. Erbitten wir uns dieses von Gottes Gnade. Herzlich grüße ich hiermit alle anwesenden deutschsprachigen Pilger und Besucher. Ich wünsche euch erlebnisreiche und geistig fruchtbare Tage in der Ewigen Stadt und Gottes Schutz für eine wohlbehaltene Rückkehr in eure Heimat. Von Herzen erteile ich euch und euren Lieben daheim meinen besonderen Apostolischen Segen. 134 A UDIENZEN UND ANGELUS „Im Geiste bei den Feiern anwesend“ Vor dem Angelus am 7. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute lade ich euch alle ein, geistig mit unseren Brüdern und Schwestern in der Tschechoslowakei verbunden zu sein, die in Velehrad feierlich den 1100. Jahrestag des Todes des hl. Method begehen, der der Überlieferung nach in jener Stadt erfolgt ist. Die vergangene Woche wurde von der Gesamtkirche im Gedenken an die heiligen Brüder Kyrill und Mehtod gelebt. Die Gläubigen tschechischer und slowakischer Herkunft in den verschiedenen europäischen Ländern sind in Ellwangen und auf der Reichenau in Deutschland zusammengekommen. Die Völker Jugoslawiens haben das heilige Brüderpaar am 4. und 5. Juli in Djakovo gefeiert. Ähnliche feierliche Kundgebungen finden in Kanada, in Unionville bei Toronto, statt. Ich selbst habe heute die heilige Messe in Anwesenheit der in Rom lebenden Tschechen und Slowaken gefeiert. Zu den Feierlichkeiten von Djakovo und Velehrad habe ich - da ich nicht, wie es mein Wunsch gewesen wäre, persönlich teilnehmen konnte — als meinen Legaten Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli entsandt, damit er auf diese Weise meine geistliche und deutliche Anwesenheit bei dem bedeutsamen Jubiläum bekunde, das die Frömmigkeit, die Kultur und die Geschichte der slawischen Völker, ganz Europas und der ganzen Kirche angeht und einbezieht. Unsere Gedanken gehen in dieser Stunde zu Kardinal Tomasek, zu Kardinal Casaroli, meinem Legaten nach Velehrad, den Bischöfen, Priestern, Ordensfamilien, zu allen Gläubigen der Tschechoslowakei, die in Velehrad am Grab des hl. Method öffentlich ihre überzeugte Zugehörigkeit zum christlichen Glauben bekennen wollen, den sie dem von den beiden heiligen Brüdern vor 1100 Jahren vollbrachten Evangelisierungswerk verdanken. <46> <46> Eben mit Bezug auf dieses bedeutsame kirchliche Jubiläum ist in diesen Tagen meine Enzyklika Slavorum Apostoli veröffentlicht worden, die das Datum vom 2. Juni, dem Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit, trägt. Mit diesem Rundschreiben wollte ich das heiligmäßige Leben und die großen apostolischen Leben und die großen apostolischen Verdienste der Brüder Kyrill und Method aus Saloniki (dem antiken Thessalonich) in 135 AUDIENZEN UND ANGELUS Erinnerung rufen, die unter den slawischen Völkern die Evangelisierung einleiteten, der sie ihr ganzes Leben widmeten. 3. Dank der missionarischen Bemühungen der beiden Heiligen konnten sich die Slawen ihrer eigenen Berufung bewußt werden und an der Heilsgeschichte teilnehmen; dank ihrer Verkündigung konnten sich jene Völker zusammen mit den anderen Nationen der Erde als Nachkommen und geistige Erben der Verheißung Gottes an Abraham fühlen. Die Übersetzung der Heiligen Bücher, die von den heiligen Kyrill und Method gemeinsam mit ihren Schülern durchgeführt wurde, verlieh der altslawischen Kirchensprache kulturelle Wirkkraft und Würde; sie wurde auch zur Amts- und Schriftsprache und sogar zur gemeinsamen Sprache der gebildeteren Klassen eines Großteiles der slawischen Nationen und insbesondere aller Slawen des orientalischen Ritus. Diese Verdienste gegenüber der slawischen Kultur machen das von dem heiligen Brüderpaar vollbrachte Evangelisierungswerk gewissermaßen ständig in Geschichte und Leben jener Völker und Nationen gegenwärtig; mit Recht wurden die beiden heiligen Brüder von der slawischen Völkerfamilie schon sehr bald als „Väter“ sowohl ihres Christentums als auch ihrer Kultur anerkannt. 4. Da die heiligen Kyrill und Method - zusammen mit dem hl. Benedikt -Mitpatrone Europas sind, bereiten sich die Episkopate des europäischen Kontinents darauf vor, die beiden Heiligen im kommenden Oktober hier in Rom feierlich zu verehren. Auch unsere orthodoxen Brüder haben die heiligen Kyrill und Method in ihrer Geburtsstadt Saloniki gefeiert, womit sie bestätigen, daß die beiden Heiligen so etwas wie eine geistige Brücke zwischen der östlichen und der westlichen Tradition sind, die beide in der einen großen Tradition der Universalkirche zusammenfließen. In diesem Sinne sind - wie ich in meiner vorhin erwähnten Enzyklika geschrieben habe - die hll. Kyrill und Method „für uns Beispiele und zugleich Fürsprecher in den ökumenischen Anstrengungen der Schwesterkirchen des Ostens und des Westens, um durch Dialog und Gebet die sichtbare Einheit in der vollkommenen und umfassenden Einheit wiederzufinden“ (Slavorum Apostoli, Nr. 27). 5. Während ich mit intensiver Anteilnahme den Feiern zu Ehren der heiligen Kyrill und Method folge, bete ich darum, daß das christliche und kulturelle Erbe, das die beiden Heiligen den slawischen Völkern hinterlassen haben, erhalten bleibe, neu erstarke und fortwährend Früchte der 136 A UDIENZEN UND ANGEL US Wahrheit, des Guten und der Gnade für jene Völker bringe, die als Erste die Wohltaten ihres Werkes empfangen haben, aber auch für ganz Europa und die gesamte Kirche. Es ist historisch erwiesen, daß Kyrill und Method, als sie ihr Charisma in die Tat umsetzten, einen entscheidenden Beitrag zur Bildung Europas leisteten, und zwar nicht nur in der christlichen Religionsgemeinschaft, sondern in seiner staatlichen und kulturellen Wirklichkeit. Gemäß ihrem Vorbild ist die katholische Kirche bereit, mit immer neuer Kraft und neuem Einsatz darauf hinzuwirken, daß alle Völker der Welt in gegenseitigem Verständnis, in gerechter Teilhabe an den geistigen und kulturellen Gütern, in Frieden und Eintracht leben und auch zur vollen Einheit in Christus gelangen können. Die Pflicht gebot es, daß die Kirche wieder einmal den beiden heiligen Brüdern tiefe Anerkennung für den unschätzbaren Beitrag bekundete, der von ihnen zur Verkündigung des Evangeliums unter den slawischen Völkern und zugleich zur Versöhnung, zum freundschaftlichen Zusammenleben, zur menschlichen Entfaltung und zur Achtung der Würde jeder Nation geleistet wurde. Heilige Kyrill und Method, bittet für uns! Nach dem Angelus sagte der Papst: Dieser Tage habe ich Kardinal Roger Etchegaray, den Präsidenten des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ und der Kommission „Justitia et Pax“, in den gepeinigten Libanon entsandt, damit er die schwergeprüfte Bevölkerung besuche und sie in ihren Leiden und Entbehrungen jeglicher Art, denen sie weiterhin ausgesetzt ist, tröste. Heute hält sich der Kardinal in der Stadt Jezzine im Süden des Landes auf, um den Tausenden von Christen, die sich dort in großer Angst hinsichtlich ihrer Zukunft zusammendrängen zu sagen, daß der Papst mit der ganzen Liebe seines Herzens bei ihnen ist, und sie der Solidarität der ganzen Kirche im Gebet und in der Liebe versichert. Möge der Herr mein und euer Gebet erhören und Geist und Sinn der Verantwortlichen auf wirksame Pläne zu Verständigung und Frieden ausrichten, so daß alle Menschen und die verschiedenen Gemeinschaften dieses geliebten Landes in Freiheit und Würde leben können. 137 AUDIENZEN UND ANGELUS Hinweise auf die Existenz Gottes Ansprache bei der Generalaudienz am 10. Juli 1. Wenn wir uns fragen: „Warum glauben wir an Gott?“, ist die erste Antwort die unseres Glaubens: Gott hat sich der Menschheit geoffenbart, er ist mit den Menschen in Kontakt getreten. Die höchste Offenbarung Gottes ist uns in Jesus Christus, dem menschgewordenen Gott, zuteil geworden. Wir glauben an Gott, weil Gott sich von uns als das höchste Wesen, als der große „Existierende“ erkennen ließ. Dieser Glaube an einen sich offenbarenden Gott findet jedoch auch in den Überlegungen unseres Verstandes eine Hilfe. Wenn wir nachdenken, stellen wir fest, daß es nicht an Beweisen für die Existenz Gottes fehlt. Diese wurden von den Denkern in Form philosophischer Beweisführungen im Rahmen einer strengen Logik erarbeitet. Aber sie können auch eine einfachere Form haben, und als solche sind sie jedem Menschen zugänglich, der zu verstehen sucht, was die ihn umgebende Welt bedeutet. 2. Wenn von Gottesbeweisen gesprochen wird, müssen wir unterstreichen, daß es sich dabei nicht um naturwissenschaftlich-experimentelle Beweise handelt. Die naturwissenschaftlichen Beweise im modernen Verständnis des Wortes gelten nur für die sinnlich wahrnehmbaren Dinge, denn nur auf diese lassen sich die Untersuchungs- und Prüfungsverfahren anwenden, deren sich die Wissenschaft bedient. Einen naturwissenschaftlichen Gottesbeweis zu verlangen, würde bedeuten, Gott auf die Ebene der Wesen unserer Welt herabzusetzen und sich somit bereits methodisch hinsichtlich dessen, was Gott ist, zu irren. Die Wissenschaft muß ihre Grenzen und ihr Unvermögen anerkennen, zur Existenz Gottes zu gelangen, sie kann diese Existenz weder behaupten noch leugnen. Daraus darf man freilich nicht den Schluß ziehen, die Wissenschaftler seien unfähig, in ihren Studien gute Gründe für die Annahme der Existenz Gottes zu finden. Wenn auch die Wissenschaft als solche Gott nicht zu erreichen vermag, so kann doch der Wissenschaftler, dessen Verstand nicht auf die sinnlich wahrnehmbaren Dinge beschränkt ist, in der Welt die Beweggründe für die Annahme eines Wesens entdecken, das diese Welt überragt. Viele Wissenschaftler haben diese Entdeckung gemacht und machen sie weiter. 138 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott schafft zielbewußt Wer mit offenem Geist daran denkt, was das Vorhandensein des Universums alles einschließt, kann nicht umhin, sich dem Problem des Ursprungs zu stellen. Wenn wir Zeugen bestimmter Ereignisse werden, fragen wir uns instinktiv, was denn deren Ursachen sind. Wie sollten wir da nicht die gleiche Frage für die Gesamtheit der Wesen und Erscheinungen, die wir in der Welt wahrnehmen, stellen? 3. Eine naturwissenschaftliche Hypothese wie die von der Expansion des Universums macht das Problem noch klarer: Wenn sich das All in ständiger Ausdehnung befindet, müßte man dann nicht zeitlich bis zu dem Punkt zurückgehen, den man als „Anfangspunkt“ bezeichnen könnte, in dem jene Ausdehnung begonnen hat? Aber was auch immer die Theorie für den Ursprung des Universums sein mag, der grundlegendsten Frage kann man nicht ausweichen. Dieses Universum in ständiger Bewegung erfordert die Existenz einer Ursache, die ihm mit dem Sein diese Bewegung mitgeteilt hat und sie weiter in Gang hält. Ohne eine solche höchste Ursache blieben die Welt und jede in ihr vorhandene Bewegung „unerklärt“ und „unerklärbar“, und unser Verstand wäre nicht befriedigt. Der menschliche Geist findet nur dann eine Antwort auf seine Fragen, wenn er ein Wesen annimmt, das die Welt mit ihrer ganzen Dynamik geschaffen hat und sie weiter in ihrem Dasein erhält. 4. Die Notwendigkeit, auf eine höchste Ursache zurückzugehen, drängt sich noch mehr auf, wenn man die vollendete Organisation betrachtet, die die Wissenschaft unaufhörlich in der Struktur der Materie entdeckt. Wenn der menschliche Verstand soviel Mühe darauf verwendet, die Zusammensetzung und die Wirkweisen der Materieteilchen zu bestimmen, sieht er sich dann etwa nicht veranlaßt, deren Ursprung in einer höheren Intelligenz zu suchen, die alles entworfen hat? Angesichts der Wunder der unendlich kleinen Welt des Atoms und der unendlich großen Welt des Kosmos fühlt sich der Geist des Menschen in seinen schöpferischen und selbst in seinen Vorstellungsmöglichkeiten ganz und gar überfordert und begreift, daß ein Werk von solcher Qualität und solchen Ausmaßen einen Schöpfer erfordert, dessen Wahrheit jedes Maß übersteigt, dessen Macht unendlich ist. 5. Alle Beobachtungen zur Entwicklung des Lebens führen zu einer analogen Schlußfolgerung. Die Entwicklung der Lebewesen, deren Stufen 139 AUDIENZEN UND ANGELUS die Wissenschaft zu bestimmen und deren Mechanismus sie zu erkennen sucht, weist eine innere Sinn- und Zielrichtung auf, die Bewunderung erregt. Diese Zielbestimmung, die den Lebewesen eine Richtung gibt, bei der sie weder Herr sind noch Verantwortung tragen, nötigt uns, einen Geist vorauszusetzen, der sie erdacht und geschaffen hat. Die Geschichte der Menschheit und das Leben jedes einzelnen Menschen lassen eine noch eindrucksvollere Zielrichtung erkennen. Natürlich kann sich der Mensch nicht selbst den Sinn von allem, was ihm widerfährt, erklären, und er muß daher erkennen, daß er nicht Herr über sein Schicksal ist. Nicht nur, daß er sich nicht selber geschaffen hat, er besitzt nicht einmal die Macht, den Verlauf der Ereignisse in der Entfaltung seines Daseins zu bestimmen. Doch er ist davon überzeugt, eine Bestimmung zu haben, und er versucht herauszufinden, wie er sie erhalten hat und wie sie seinem Sein und Wesen eingeschrieben wurde. In bestimmten Augenblicken vermag er leichter eine geheime Zielrichtung zu erkennen, die aus einem Zusammentreffen von Umständen oder Ereignissen klar wird. So sieht er sich veranlaßt, die Souveränität dessen anzuerkennen, der ihn geschaffen hat und der sein gegenwärtiges Leben lenkt. Der Zufall ist blind 6. Schließlich ist unter den Eigenschaften dieser Welt, die uns drängen, nach oben zu blicken, die Schönheit zu nennen. Sie zeigt sich in den verschiedenen Wundern der Natur; sie findet Ausdruck in den unzähligen Werken der Kunst, Literatur, Musik, Malerei und plastischen Kunst. Wir schätzen sie auch im sittlichen Verhalten: da gibt es viele gute Gedanken, viele hervorragende Haltungen. Dem Menschen ist bewußt, daß er „Empfänger“ all dieser Schönheit ist, auch wenn er mit seinem Tun an ihrem Sichtbarmachen mitwirkt. Er entdeckt und bewundert sie nur dann voll und ganz, wenn er ihre Quelle, die überirdische Schönheit Gottes, anerkennt. 7. All diesen Hinweisen auf die Existenz Gottes, des Schöpfers, setzen manche das Wirken des Zufalls oder der Materie eigene Wirkmechanismen entgegen. Angesichts eines Universums, das in seinen Elementen eine so komplexe Organisation und im Leben eine so wunderbare Zielrichtung aufweist, von Zufall zu sprechen, bedeutet, auf die Suche nach einer Erklärung der Welt, so wie sie sich uns darbietet, zu verzichten. Dies läuft in der Tat darauf hinaus, Wirkungen ohne Ursache annehmen zu wollen. Es handelt sich um eine Abdankung des menschlichen Verstan- 140 AUDIENZEN UND ANGELUS des, der hier darauf verzichten würde, zu denken und nach einer Lösung für seine Probleme zu suchen. Schließlich drängt eine Unzahl von Anzeichen den Menschen, der das Universum, in dem er lebt, zu begreifen versucht, seinen Blick zum Schöpfer zu erheben. Die Beweise für die Existenz Gottes sind vielfältig und konvergieren. Sie zeigen zugleich, daß der Glaube den menschlichen Verstand nicht ausschaltet, sondern ihn anspomt zum Nachdenken und ihm ermöglicht, alle Fragen, die die Beobachtung der Wirklichkeit stellt, besser zu ergründen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Wenn wir uns fragen: „Warum glauben wir an Gott?“, werden wir auf diese Frage mit unserem Glauben antworten: Gott hat sich in Jesus Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, geoffenbart und sich uns in seiner liebenden Allmacht gezeigt! Unser christlicher Glaube an den geoffenbarten Gott findet aber auch eine Hilfe im menschlichen Erkenntnisvermögen. So finden wir Beweise für die Existenz Gottes in philosophischen Gedankenausführungen, aber auch Zugang zum göttlichen Geheimnis in den einfachen Dingen der Welt, die uns umgeben. Freilich läßt sich die Existenz Gottes nicht auf der Ebene eines naturwissenschaftlichen Beweises nachprüfen. Gott ist nicht meß- und wägbar wie die Gegenstände der Natur. Wenn der Mensch jedoch seinen Blick über die sichtbaren Dinge hinaus hebt und weitet, wird er angesichts der Tatsache der Entwicklung des Universums nach dem Anfang alles Geschaffenen fragen müssen oder in den großartigen Gesetzen des Mikrokosmos und des Makrokosmos einen ordnenden und umfassenden Geist wahrnehmen können. Auch trägt das Leben selbst Sinn und Ziel nicht in sich, sondern empfängt sie von einem anderen, auf den es hingeordnet bleibt, den Schöpfer und Erhalter des Lebens. Unter den sichtbaren Erscheinungen der Welt läßt uns vor allem die Schönheit den Blick zum Höchsten erheben: in der Natur, in der Kunst, in der Dichtung, in der Musik. Ebenso vermag das Erleben sittlich-ethischer Haltungen von Menschen ein höchstes Gut, Gott, erahnen zu lassen. So weist die gesamte Schöpfung und das Leben in ihr unzählige „Spuren“ auf, die den Blick des Menschen auf Gott hin lenken. Sie tragen auch zur Einsicht bei, daß der Glaube der Vernunft nicht widerspricht, sondern hilft, die Wirklichkeit der Welt und des Lebens verstehbar zu machen. Mit diesen kurzen Überlegungen grüße ich alle deutschsprachigen Pilger 141 AUDIENZEN UND ANGELUS und Besucher herzlich, insbesondere die katholischen Familienhelferinnen aus der Diözese Graz, die zusammen mit ihrem Bischof Johann Weber auf einer Pilgerfahrt die heiligen Stätten Roms besuchen. Ich wünsche euch allen einen frohen und auch geistig reichen Aufenthalt in der Ewigen Stadt. Dafür und für eine gute Rückkehr in eure Heimat erteile ich euch und euren Lieben daheim von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Weg zur Wahrheit und zum Leben Vor dem Angelus am 14. Juli 1. Herz Jesu, „Heiligtum der Gerechtigkeit und der Liebe“. Das Angelusgebet erinnert uns jedesmal an jenen heilbringenden Augenblick, in dem unter dem Herzen der Jungfrau von Nazaret das Herz des Wortes, des Sohnes Gottes, zu schlagen begann. In ihrem Schoß ist er durch das Wirken des Heiligen Geistes Mensch geworden. Im Schoß Mariens ist der Mensch empfangen - und ist das Herz empfangen worden. 2. Dieses Herz ist - so wie jedes Menschenherz - ein Zentrum, ein Heiligtum, in dem mit einem besonderen Rhythmus das geistige Leben schlägt. Herz - unersetzliches Echo all dessen, was der Geist des Menschen erfährt. Jedes Menschenherz ist dazu berufen, im Rhythmus der Gerechtigkeit und der Liebe zu schlagen. Danach läßt sich die wahre Würde des Menschen ermessen. <47> <47> Das Herz Jesu schlägt im Rhythmus der Gerechtigkeit und Liebe nach göttlichem Maßstab! Das ist ja gerade das Herz des menschgewordenen Gottes. In ihm muß sich alle Gerechtigkeit Gottes gegenüber dem Menschen und in gewissem Sinne auch die Gerechtigkeit des Menschen gegenüber Gott voll erfüllen. Im menschlichen Herzen des Gottessohnes wird der Menschheit die Gerechtigkeit Gottes selber dargeboten. Diese Gerechtigkeit ist zugleich das Geschenk der Liebe. Durch das Herz Jesu tritt die Liebe in die Geschichte der Menschheit als eine Liebe ein, die besteht und Bestand hat: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). 142 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Wir wollen mit den Augen der Unbefleckten Jungfrau das Licht jenes wunderbaren Geheimnisses festhalten: die Gerechtigkeit, die sich als Liebe offenbart! Liebe, die jedes Maß der Gerechtigkeit bis zum Rand erfüllt! Und noch über ihn hinausgeht! Lasset uns beten: Daß durch Dein Herz, o Gottesgebärerin, das Herz Jesu als „Heiligtum der Gerechtigkeit und der Liebe“ für alle zum „Weg, zur Wahrheit und zum Leben“ werde. Nach dem Angelus sagte der Papst: In den nächsten Tagen wird in Aparecida (Brasilien) der elfte Nationale Eucharistische Kongreß Brasiliens abgehalten. Die dafür ausgewählte Stadt ist Sitz des wichtigsten Marienheiligtums des Landes, und das soll im Sinne der Organisatoren die sehr willkommene Absicht unterstreichen, diese bedeutsamen Tage moralischen und geistlichen Engagements unter den Schutz der Mutter des Herrn zu stellen. Ich werde als meinen persönlichen Vertreter Kardinal Sebastiano Baggio dorthin entsenden, und ich selbst werde geistig an diesem geheiligten und für mich unvergeßlichen Ort anwesend sein, den ich am 4. Juli 1980 besucht habe. Danach richtete der Papst in verschiedenen Sprachen Grußworte an anwesende Pilgergruppen. Auf deutsch sagte er: Herzlich grüße ich alle anwesenden deutschsprachigen Pilger und Besucher. Ich freue mich über euer Kommen und wünsche euch frohe und erfüllende Tage in Rom, die noch lange in eurem Alltag nachklingen mögen. Hierfür und für eine gute Heimkehr segne ich euch und auch alle eure Lieben daheim. Von Gott an der Hand geführt Ansprache bei der Generalaudienz am 17. Juli 1. Es ist eine weitverbreitete Meinung, daß die Männer der Naturwissenschaft im allgemeinen Agnostiker seien und daß die Naturwissenschaft von Gott entferne. Was ist an dieser Meinung Wahres? Die außerordentlichen Fortschritte, die die Naturwissenschaft besonders in den beiden letzten Jahrhunderten gemacht hat, haben mitunter zum 143 AUDIENZEN UND ANGELUS Glauben verleitet, sie sei imstande, allein auf alle Fragen des Menschen Antwort zu geben und alle seine Probleme zu lösen. Manche haben daraus den Schluß gezogen, daß wir nun Gott nicht mehr brauchen. Das Vertrauen in die Naturwissenschaft habe den Glauben ersetzt. Es gilt, so wird gesagt, zwischen Naturwissenschaft und Glauben zu wählen: entweder man glaubt an die eine oder man klammert sich an den anderen. Wer der wissenschaftlichen Forschung nachgeht, braucht Gott nicht; umgekehrt kann derjenige, der an Gott glauben will, kein ernstzunehmender Naturwissenschaftler sein, weil zwischen Naturwissenschaft und Glauben ein unversöhnlicher Gegensatz besteht. 2. Das Zweite Vatikanische Konzil hat eine wesentlich andere Überzeugung geäußert. In der Konstitution Gaudium etspes heißt es: „Vorausgesetzt, daß die methodische Forschung in allen Wissensbereichen in einer wirklich wissenschaftlichen Weise und gemäß den Normen der Sittlichkeit vorgeht, wird sie niemals in einen echten Konflikt mit dem Glauben kommen, weil die Wirklichkeiten des profanen Bereichs und die des Glaubens in demselben Gott ihren Ursprung haben. Ja, wer bescheiden und ausdauernd die Geheimnisse der Wirklichkeit zu erforschen versucht, wird, auch wenn er sich dessen nicht bewußt ist, von dem Gott an der Hand geführt, der alle Wirklichkeit trägt und sie in ihr Eigensein einsetzt“ {Gaudium et spes, Nr. 36). Man kann tatsächlich darauf hinweisen, daß es immer hervorragende Naturwissenschaftler gegeben hat und noch gibt, die im Rahmen der menschlichen Erfahrung als Naturwissenschaftler in positiver Weise an Gott geglaubt haben. Eine Erhebung, die vor 50 Jahren unter 398 der damals berühmtesten Naturwissenschaftler durchgeführt wurde, hat ergeben, daß sich nur 16 von ihnen als Nichtglaubende und 15 als Agnostiker, 367 aber als gläubig erklärten (vgl. A. Eymieu, La part des croyants dans les progres de la Science, 6. ed., Perrin 1935, S. 274). <48> <48> Noch interessanter und nützlicher ist es, sich darüber klar zu werden, warum viele Naturwissenschaftler von gestern und heute die nach strengen Gesetzen durchgeführte wissenschaftliche Forschung nicht nur für vereinbar mit der ehrlichen und freudigen Anerkennung der Existenz Gottes halten, sondern überzeugt sind, daß beides sich glücklich ergänzen kann. Aus den Betrachtungen, die ihr naturwissenschaftliches Bemühen oft wie ein geistliches Tagebuch begleiten, könnte man leicht erkennen, wie sich zwei Elemente überschneiden: Einerseits läßt selbst die mit äußerster 144 AUDIENZEN UND ANGELUS Strenge vorangetriebene Forschung im großen wie im kleinen immer Raum für weitere Fragen in einem Prozeß ohne Ende, der in der Wirklichkeit eine Unendlichkeit, Harmonie und Zweckbestimmtheit enthüllt, die sich mit Zufall oder durch rein naturwissenschaftliche Mittel nicht erklären lassen. Dazu kommt andererseits die nicht zu beseitigende Frage nach dem Sinn, nach einer höheren Vernunft, ja, nach etwas oder nach jemandem, der innere Bedürfnisse zu befriedigen vermag, die selbst der anspruchsvollste naturwissenschaftliche Fortschritt, weit davon: entfernt, sie zu erfüllen, noch verschärft. 4. Man sieht also, der Übergang zur religiösen Entscheidung erfolgt an sich nicht kraft der experimentell-naturwissenschaftlichen Methode, sondern kraft elementarer philosophischer Prinzipien, wie dem der Kausalität, der Finalität, des hinreichenden Grundes, die ein Naturwissenschaftler als Mensch im täglichen Kontakt mit dem Leben und der Wirklichkeit, die er erforscht, anwendet. Ja, die Stellung als Vorbote der modernen Welt, der zum ersten Mal etwas ungeheuer Kompliziertes und zugleich wunderbar Harmonisches in der Wirklichkeit ahnt, macht den Naturwissenschaftler zu einem priviligierten Zeugen der Berechtigung des Religiösen, zu einem Menschen, der zeigen kann, daß die Annahme der Transzendenz der Autonomie und den Zielsetzungen der Forschung keineswegs schadet, sondern sie im Gegenteil dazu anspornt, sich selbst zu übersteigen und darin das Geheimnis des Menschen zu offenbaren. Warum Naturwissenschaftler glauben Wenn man sodann bedenkt, daß heute der erweiterte Gesichtskreis der Forschung, vor allem was die Quellen des Lebens betrifft, besorgniserregende Fragen über den rechten Gebrauch der naturwissenschaftlichen Errungenschaften aufwirft, darf man sich nicht wundern, daß sich bei den Naturwissenschaftlern immer häufiger das Verlangen nach sicheren moralischen Kriterien einstellt, die den Menschen vor jeder Willkür bewahren können. Und wer, wenn nicht Gott, wird eine sittliche Ordnung begründen können, in der die Würde des Menschen — jedes Menschen — ständig geschützt und gefördert wird? Gewiß zeigt sich die christliche Religion, wenn sie bestimmte Bekenntnisse zum Atheismus und Agnostizismus im Namen der Naturwissenschaft nicht als begründet ansehen kann, doch ebenso fest entschlossen bei der Ablehnung von Aussagen über Gott, die von nicht streng vernunftsmäßig begründbaren Ausdrucksformen stammen. 145 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Hier wäre es sehr schön, sich anzuhören, aus welchen Gründen sehr viele Naturwissenschaftler die Existenz Gottes positiv behaupten, und zu sehen, welches persönliche Verhältnis zu Gott, zum Menschen und zu den großen Problemen und höchsten Werten des Lebens sie trägt. Wie oft mögen Schweigen, Meditation, schöpferische Vorstellung, gelassener Abstand von den Dingen, die soziale Bedeutung einer Entdeckung und die Lauterkeit des Herzens mächtige Faktoren sein, die ihnen eine Welt von Sinngehalten eröffnen, die von jedem, der mit gleicher Aufrichtigkeit und Liebe zur Wahrheit fortschreitet, nicht unbeachtet bleiben können. Wir wollen hier nur auf einen italienischen Wissenschaftler hinweisen, der vor wenigen Jahren gestorben ist: Enrico Medi. Er sagte in seinem Beitrag beim Internationalen Katechetischen Kongreß in Rom 1971: „Ich sage zu einem Jugendlichen: Schau, dort ist ein neuer Stern, eine Milchstraße, ein Neutronengestirn, 100 Millionen Lichtjahre von uns entfernt. Doch die Protonen, die Elektronen, die Neutronen, die Mesonen dort gleichen völlig denen in diesem Mikrophon . . . Die Identität schließt Wahrscheinlichkeit aus. Was identisch ist, kann nicht wahrscheinlich sein ... Es gibt also eine Ursache außerhalb von Raum und Zeit, Herrin des Seins, die dem Sein das So-Sein gegeben hat. Und diese Ursache ist Gott . . . Das Wesen, das - wissenschaftlich gesprochen - gemacht hat, daß die Dinge in einer Entfernung von einer Milliarde Lichtjahren identisch sind, existiert. Und von den identischen Teilchen im Universum haben wir 10 in der 85. Potenz . . . Wollen wir nun den Gesang der Milchstraße hören? Wenn ich Franz von Assisi wäre, würde ich sagen: ,0 Milchstraßen der unendlichen Himmel, lobt meinen Herrn, denn er ist allmächtig und gut. O Atome, Protonen, Elektronen, o Gesang der Vögel, o Atem des Laubes und der Luft, werdet in des Menschen Hand wie ein Gebet, singt den Lobpreis zu Gottes Ehre!“ “ (Akten des 2. Intern. Katechetischen Kongresses, Rom, 20.-25. September 1971, Rom, Studium, 1971, S. 449—450). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die außerordentlichen Fortschritte der Naturwissenschaft, besonders in den vergangenen zwei Jahrhunderten, haben bisweilen glauben zu machen versucht, daß sie allein imstande sei, auf alle Fragen des Menschen zu antworten und alle Probleme lösen zu können. Manche haben davon abgeleitet, man brauche Gott nun nicht mehr, und das Vertrauen in die Naturwissenschaft ersetze den Glauben. Zwischen Naturwissenschaft und Gottesglaube gebe es einen Gegensatz, der unaufhebbar sei. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt hierzu in der Pastoralkonstitution 146 A UDIEN ZEN UND ANGELUS über die Kirche in der Welt von heute: „Vorausgesetzt, daß die methodische Forschung in allen Wissensbereichen in einer wirklich wissenschaftliche Weise und gemäß den Normen der Sittlichkeit vorgeht, wird sie niemals in einen echten Konflikt mit dem Glauben kommen, weil die Wirklichkeiten des profanen Bereichs und die des Glaubens in demselben Gott ihren Ursprung haben. Ja, wer bescheiden und ausdauernd die Geheimnisse der Wirklichkeit zu erforschen versucht, wird, auch wenn er sich dessen nicht bewußt ist, von dem Gott an der Hand geführt, der alle Wirklichkeit trägt und in ihr Eigensein einsetzt“ (Gaudium et spes, Nr. 36). Die Geschichte der Naturwissenschaft zeigt bis heute, daß viele ihrer herausragenden Vertreter an Gott glauben und zugleich sich mit den Erfahrungen und den Erkenntnissen ihres wissenschaftlichen Bereichs in Einklang wissen. Ihr Forschen im großen wie im kleinen gibt ihnen immer weitere Fragen auf an eine Wirklichkeit, in welcher sich eine Unendlichkeit, eine Harmonie, eine Finalität offenbart, die nicht durch naturwissenschaftliche Erklärungen allein verstehbar ist. Hinzu kommt die Frage nach dem Sinn und nach dem, was dem Innersten des Menschen Erfüllung gibt. Genaugenommen geschieht der Schritt zur Bejahung der Existenz Gottes nicht kraft der naturwissenschaftlichen Methode, sondern kraft der philosophischen Grundprinzipien. Angesichts des erweiterten Horizontes der Forschung, wo der Mensch inzwischen mehr vermag als ihm erlaubt ist, wundert es nicht, daß viele Vertreter der Naturwissenschaft die Forderung nach sicheren moralischen Kriterien erheben, die den Menschen vor jeder Willkür bewahren. Und wer, wenn nicht Gott, vermag eine moralische Ordnung zu geben, welche die Würde des Menschen schützt und trägt? Nicht wenige Naturwissenschaftler bejahen die Existenz Gottes und leben aus einer personalen Gottesbeziehung: Schweigen, Meditation, Abstand zum Materiellen, sozialer Sinn in ihrem Forschen, Reinheit des Herzens sind wichtige Werte für sie. Kein Mensch, der in Treue und Liebe zur Wahrheit steht, kann letztlich von diesen Werten absehen. Mit diesen kurzen Überlegungen grüße ich die deutschsprachigen Besucher herzlich, insbesondere die Pilger aus der Diözese St. Pölten, die anläßlich des zweihundertjährigen Jubiläums ihrer Diözese zusammen mit ihrem Bischof Franz Zak zu den heiligen Stätten Roms wallfahren. Ich wünsche euch allen schöne und bereichernde Tage in der Ewigen Stadt und erteile euch für eine gute Rückkehr in eure Heimat und auch euren Lieben daheim von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 147 AUDIENZEN UND ANGELUS Herz Jesu - im Heilsplan Gottes lebendig geblieben Vor dem Angelus am 21. Juli 1. Herz Jesu, „überquellend von Güte und Liebe.“ Wir wollen uns in unserem Engel-des-Herrn-Gebet dem Herzen Jesu zuwenden und dabei den Worten der Litanei folgen. Wir wollen durch das Herz der Mutter zum Herzen des Sohnes sprechen. Was könnte es Schöneres geben als das Gespräch dieser beiden Herzen? An ihm wollen wir teilnehmen. 2. Das Herz Jesu ist ein „Glutofen der Liebe“, denn die Liebe hat etwas von der Natur des Feuers an sich, das glüht und brennt, um Licht zu verbreiten und zu wärmen. Gleichzeitig aber ist das Herz des Erlösers im Opfer auf Golgota vom Feuer des Leidens nicht vernichtet worden. Auch wenn es menschlich gestorben ist, wie der römische Hauptmann feststellte, als er mit seiner Lanze die Seite Christi durchbohrte, ist dieses Herz im Heilsplan Gottes lebendig geblieben, wie die Auferstehung offenbar gemacht hat. 3. Und eben dieses lebendige Herz des auf erstandenen und verherrlichten Erlösers ist es, das „überquillt von Güte und Liebe“: unendlich und übervoll. Das Überquellen des menschlichen Herzens erreicht in Christus das göttliche Maß. So war dieses Herz schon während seines Erdenlebens. Davon zeugt alles, was im Evangelium berichtet wird. Die Fülle der Liebe offenbart sich durch die Güte: Durch die Güte strahlte sie aus und verbreitete sich über alle — vor allem über die Leidenden und Armen. Über alle je nach ihren Bedürfnissen und echten Erwartungen. Und so ist das menschliche Herz des Gottessohnes auch nach der Erfahrung des Kreuzes und Opfers. Ja, noch mehr: Es quillt über von Güte und Liebe. <49> <49> Im Augenblick der Verkündigung hat das Gespräch zwischen dem Herzen der Mutter und dem Herzen des Sohnes begonnen. Schließen wir uns heute diesem Gespräch an, während wir im Angelus-Gebet das Geheimnis der Menschwerdung bedenken. Nach dem Angelus sagte der Papst: Meine Gedanken gehen in dieser Stunde mit einem Gefühl tiefen Schmerzes zu den Opfern der Dammbruch-Katastrophe, die im Fiemme-Tal über 148 AUDIENZEN UND ANGELUS das Tourismuszentrum Stava hereingebrochen ist. Ich nehme innerlich teil an dem unsagbaren Schmerz aller, die im tiefsten ihrer Gefühle getroffen worden sind, und ich bin geistig den Verletzten wie auch allen jenen nahe, die mitansehen mußten, wie die Frucht jahrelanger mühsamer Arbeit in wenigen Augenblicken vernichtet wurde. Ich lade euch ein, gemeinsam mit mir im Gebet den Herrn um ewigen Frieden für die Toten, Trost für die Angehörigen und Mut für alle anzuflehen, die sich nun an die Wiederaufbauarbeit machen müssen. Ich bin gewiß, daß es ihnen nicht an Unterstützung und allgemeiner Solidarität in dieser harten Heimsuchung mangeln wird, die unter so vielen unserer geliebten Brüder Tod und Verwüstung verbreitet hat. Wir sind mit ihnen verbunden und rufen für sie die allerseligste Jungfrau, Trösterin der Betrübten, an. Wie ihr bereits wißt, werde ich mich in einigen Wochen zum dritten Mal auf den afrikanischen Kontinent begeben. Ich werde sieben Länder besuchen und mich vom 16. bis 18. August in der Hauptstadt von Kenia, Nairobi, aufhalten, um am Abschluß des 43. Internationalen Eucharisti-schen Kongresses teilzunehmen. Das Thema des Kongresses, „Die Eucharistie und die christliche Familie“ besitzt nicht nur für jene Nation und für ganz Afrika, sondern für alle Teile der Weltkriche eine besondere Bedeutung. Ich lade alle ein, sich innerlich auf dieses außergewöhnliche kirchliche Ereignis vorzubereiten, das als ein geistliches Innehalten in Gebet und Reflexion über das eucharistische Geheimnis gelebt werden soll. In dieser Zeit der Vorbereitung fordere ich euch auf, die Offenbarung des erhabenen Geschenkes zu vertiefen, das Christus uns mit seiner Gegenwart im Sakrament gewährt hat, und immer aufmerksamer, verantwortungsbewußter und fruchtbringender an der heiligen Liturgie, besonders an der Sonntagsmesse, teilzunehmen. Danach begrüßte der Papst Pilger in verschiedenen Sprachen. Auf deutsch sagte er: Einen herzlichen Willkommensgruß entbiete ich allen deutschsprachigen Pilgern und Besuchern. Ich freue mich über euer Hiersein und wünsche euch schöne Ferientage mit vielen frohen Begegnungen und bereichernden Eindrücken. Hierfür segne ich euch und auch eure Lieben daheim und erbitte euch eine gute Heimkehr. 149 AUDIENZEN UND ANGELUS „Ich glaube an Gott, den Vater“ Ansprache bei der Generalaudienz am 24. Juli 1. Im Zyklus der vorausgegangenen Katechesen habe ich zu erklären versucht, was die Aussage: „Ich glaube“ bedeutet, was es heißt, „als Christen glauben“. In dem nun beginnenden Zyklus möchte ich die Katechese auf den ersten Glaubensartikel konzentrieren: „Ich glaube an Gott“, oder vollständiger: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer . . .“ So lautet diese erste und grundlegende Glaubenswahrheit im Apostolischen Glaubensbekenntnis. Fast den gleichen Wortlaut hat sie im nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis: „Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer. . Das Thema der Katechesen dieses Zyklus wird also Gott sein, der Gott unseres Glaubens. Und da der Glaube Antwort auf die Offenbarung ist, wird das Thema der folgenden Katechesen jener Gott sein, der sich dem Menschen zu erkennen gegeben, sich ihm „offenbart und das Geheimnis seines Willens kundgetan“ hat (vgl. Dei verbum, Nr. 2). 2. Von diesem Gott handelt der erste Artikel des „Credo“. Von ihm sprechen indirekt alle folgenden Artikel der Glaubensbekenntnisse. Sie alle bilden ja eine organische Einheit um die erste und grundlegende Wahrheit über Gott, der Quelle, aus der sie sich alle ableiten. Gott ist „das Alpha und das Omega“ (Ojfb 1,8): Er ist auch Anfang und Ende unseres Glaubens. Wir können in der Tat sagen, daß alle im Credo folgenden Wahrheiten es uns ermöglichen, den Gott unseres Glaubens, von der der erste Glaubensartikel spricht, immer vollkommener kennenzulernen: Sie lassen uns besser verstehen, wer Gott in sich selbst und in seinem innersten Leben ist. Denn wenn wir seine Werke kennenlernen, das Werk der Schöpfung und der Erlösung, wenn wir seinen ganzen auf den Menschen gerichteten Heilsplan kennen, dringen wir immer tiefer in die Wahrheit Gottes ein, die sich im Alten und im Neuen Testament offenbart. Es handelt sich um eine fortschreitende Offenbarung, deren Inhalt zusammenfassend formuliert ist. In der Entfaltung der Glaubensartikel zeigt sich die Wahrheit der ersten Worte: „Ich glaube an Gott“ in ihrer vollen Bedeutung. Natürlich in dem begrenzten Maß, in dem das Geheimnis Gottes uns durch die Offenbarung zugänglich ist. <50> <50> Der Gott unseres Glaubens, den wir im Credo bekennen, ist der Gott Abrahams, unseres Vaters im Glauben (vgl. Rom 4,12-16). Er ist „der 150 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott Isaaks und der Gott Jakobs“ (Mk 12,26 und Par.), der Gott des Mose und - schließlich und vor allem — „Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus“ (vgl. Röm 15,6). Das bekräftigen wir, wenn wir sagen: „Ich glaube an Gott, den Vater . . .“ Er ist der eine und gleiche Gott, von dem uns der Hebräerbrief sagt, daß er „einst viele Male und auf vielerlei Weise zu den Vätern gesprochen hat durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn . . .“ (Hebr 1,1-2). Er, der Urquell des Wortes, der seine fortschreitende Selbstoffenbarung in die Geschichte einschreibt, offenbart sich voll im menschgewordenen Wort, dem ewigen Sohn des Vaters. In diesem Sohn Jesus Christus bestätigt sich der Gott unseres Glaubens endgültig als Vater. Als solchen anerkennt und verherrlicht ihn Jesus, wenn er betet: „Ich preise dich, Vater. Herr des Himmels und der Erde . . .“ (Mt 11,25), und Jesus lehrt auch uns in aller Klarheit, in diesem Gott, dem Herrn des Elimmeis und der Erde, „unseren“ Vater zu entdecken (Mt 6,9). 4. So stellt sich der Gott der Offenbarung, „Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus“ (Röm 15,6) unserem Glauben dar als ein persönlicher Gott; als ein unerforschliches göttliches „Ich“ steht er vor uns, allen menschlichen „Ich“, vor jedem und vor allen. Ja, er ist ein unerforschliches „Ich“ in seinem tiefen Geheimnis, aber er hat sich in der Offenbarung uns gegenüber geöffnet, so daß wir uns an ihn als an das heiligste, göttliche „Du“ wenden können. Jeder von uns ist imstande, das zu tun, denn unser Gott, der alles in sich schließt, der alles, was ist, übertrifft und unendlich darüber hinausgeht, ist allen ganz nahe, ja er ist in unserem innersten Sein gegenwärtig: „innerlicher als mein Innerstes“, wie der hl. Augustinus schreibt (Bekenntnisse, Buch III, Kap. IV, 11; PL 32, 687). 5. Dieser Gott, der Gott unseres Glaubens, der Gott und Vater Jesu Christi, unser Gott und Vater, ist zugleich der „Herr des Himmels und der Erde“, wie Jesus selbst ihn angerufen hat (Mt 11,25). Er ist ja der Schöpfer. Als der Apostel Paulus von Tarsus sich den Männern Athens auf dem Areopag vorstellt, ruft er aus: „Athener,... als ich mir eure Heiligtümer ansah (d. h. die Statuen der Götter, die in der Religion des antiken Griechenland verehrt wurden), fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: ,Einem unbekannten Gott. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch. Gott, der die Welt erschaffen hat und alles in ihr, er, der Herr über Himmel und Erde, wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand gemacht sind. Er läßt sich auch nicht von Menschen 151 AUDIENZEN UND ANGELUS bedienen, als brauche er etwas: er, der allen das Leben, den Atem und alles gibt. Er . . . hat bestimmte Zeiten und die Grenzen ihrer (der Menschen) Wohnsitze festgesetzt. Sie sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten, denn keinem von uns ist er fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir . . .“ (Apg 17,23-28). Mit diesen Worten verkündet Paulus von Tarsus, der Apostel Jesu Christi, vor dem Areopag von Athen die erste und grundlegende Wahrheit des christlichen Glaubens. Es ist die Wahrheit, die auch wir mit den Worten bekennen: „Ich glaube an Gott (an den einen Gott), den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“ Dieser Gott, der Gott der Offenbarung, bleibt heute wie damals für viele „ein unbekannter Gott“. Er ist jener Gott, den heute wie damals viele suchen, „ob sie ihn ertasten könnten“ (Apg 17,27). Er ist der unerforschliche und unaussprechliche Gott. Aber er ist der, der alles umfaßt: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). Diesem Gott wollen wir bei unseren kommenden Begegnungen Schritt für Schritt näherzukommen suchen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Nach unseren einleitenden Erörterungen darüber, was es heißt, als Christen zu glauben, wenden wir uns heute der ersten Glaubensaussage des Credo zu: „Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater.“ Der Gott unseres Glaubens wird das Thema unserer kommenden Überlegungen sein. Von Gott spricht nicht nur der erste Glaubensartikel, sondern das ganze Glaubensbekenntnis der Kirche. Es lehrt uns, Gott zu erkennen, wer er ist und was er im Werk der Schöpfung und der Erlösung für uns getan hat. Das Credo bietet eine kurze Zusammenfassung der Grundwahrheiten unseres Glaubens, wie Gott sie uns im Alten und Neuen Testament geoffenbart hat. Der Gott unseres Glaubens ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Er ist vor allem der „Gott und Vater Jesu Christi“ (vgl. Röm 15,6). Er ist der eine und selbe Gott, der nach dem Hebräerbrief viele Male und auf vielerlei Weise einst zu den Vätern und durch die Propheten gesprochen hat und sich in der Fülle der Zeit in Christus voll geoffenbart hat (vgl. Hebr 1,12). Gott begegnet uns in Christus als ein persönlicher Gott, als ein unerforschliches göttliches „Ich“, das in sich ein tiefes Geheimnis bleibt, sich uns aber in der Offenbarung dennoch erschlossen hat. In unserem Gebet dürfen wir uns an ihn als ein göttliches „Du“ wenden, das uns allen nahe und zugänglich ist. Zugleich ist dieser Gott der Herr und 152 AUDIENZEN UND ANGELUS Schöpfer des Himmels und der Erde. Mit seiner Schöpfermacht umfaßt er alles: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). Möget ihr, liebe Brüder und Schwestern, diese Nähe Gottes in eurem Leben immer tiefer erfahren und daraus euren Alltag gestalten. Mit meinem herzlichen Willkommensgruß zu dieser Audienz erteile ich euch und euren lieben Angehörigen in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Von seinen Tugenden lernen Zum Angelus am 28. Juli 1. Herz Jesu - „Abgrund aller Tugenden“. Unter dem Herzen der Mutter ist der Mensch empfangen worden. Der Sohn Gottes wurde als Mensch empfangen. Um den Augenblick dieser Empfängnis, d. h. das Geheimnis der Menschwerdung zu verehren, vereinigen wir uns im Gebet des Angelus. Im Licht dieses Augenblicks der Empfängnis, im Licht des Geheimnisses der Menschwerdung schauen wir auf das ganze Leben Jesu, der aus Maria geboren wurde. Wir versuchen, indem wir den Anrufungen der Litanei folgen, dieses Leben in gewissem Sinn von innen her, nämlich durch das Herz zu beschreiben. 2. Das Herz entscheidet über die Tiefe des Menschen. Und in jedem Fall zeigt es das Ausmaß dieser Tiefe an, sowohl hinsichtlich der inneren Erfahrung eines jeden von uns, als auch was die zwischenmenschlichen Beziehungen angeht. Die Tiefe Jesu Christi, wie sie das Maß seines Herzens anzeigt, ist unvergleichlich. Sie ist größer als die jedes anderen Menschen, denn sie ist nicht nur menschlich, sondern gleichzeitig göttlich. <51> <51> Diese göttlich-menschliche Tiefe des Herzens Jesu besteht in der Tiefe der Tugenden, aller Tugenden. Als echter Mensch spricht Jesus die innere Sprache seines Herzens durch die Tugenden. Ja, wenn wir sein Verhalten analysieren, lassen sich all jene Tugenden entdecken und identifizieren, wie sie in der geschichtlichen Wirklichkeit aus der Erkenntnis der menschlichen Ethik entspringen, z. B. die Kardinaltugenden Klugheit, Gerechtig- 153 AUDIENZEN UND ANGELUS keit, Starkmut und Maß, und die anderen, die sich daraus ableiten. Die Heiligen und, mit der Gnade Gottes, auch andere große Gestalten der Menschheit, besaßen diese Tugenden in hohem Maß. 4. Die Anrufung der Litanei spricht in sehr schöner Form von einem „Abgrund“ der Tugenden Jesu. Dieser Abgrund, diese Tiefe bedeutet einen besonderen Grad der Vollkommenheit jeder dieser Tugenden und ihre besondere Stärke. Diese Tiefe und Stärke einer jeden Tugend kommen aus der Liebe. Je mehr alle Tugenden in der Liebe verwurzelt sind, um so größer ist ihre Tiefe. Wir müssen hinzufügen, daß außer der Liebe auch die Demut über die Tiefe der Tugenden entscheidet. Jesus hat gesagt: „Lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig“ {Mt 11,29). 5. Wenn wir den „Engel des Herrn“ beten, wollen wir Maria bitten, daß sie uns dem Herzen ihres Sohnes immer näher bringe. Daß sie uns helfe, von Ihm zu lernen, von seinen Tugenden. Auf deutsch sagte der Papst: Herzlich begrüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Ich wünsche euch frohe Urlaubstage. Möge zu diesen Urlaubstagen aber auch die Begegnung mit Gott an einer der ehrwürdigen Glaubensstätten Italiens oder im Gebet einer stillen Stunde gehören, damit auch eure Seele Atem holen kann. Hierfür segne ich euch und alle eure Lieben in der Heimat. Nach dem Angelus sagte der Papst zur Seligsprechung von Schwester Anwarite: Als ich am vergangenen Sonntag von meiner bevorstehenden Pastoraireise nach Afrika sprach, habe ich auch meine Teilnahme am Abschluß des in Nairobi stattfindenden Internationalen Eucharistischen Kongresses erwähnt. Heute möchte ich noch kurz von einem anderen bedeutsamen Abschnitt meiner Pilgerfahrt in Afrika sprechen: Am 15. August, dem Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel, werde ich in Kinshasa, der Hauptstadt von Zaire, eine Töchter dieser Nation mit der Seligsprechung ehren: die Dienerin Gottes, Schwester Maria Clementina Anwarite Nen-gapeta, die ihr ganzes Leben in Ober-Zaire zubrachte. Sie wollte schon, als sie noch ganz jung war, ihr Leben dem Herrn weihen als Schwester der Kongregation von der Hl. Familie, die sich vor allem der Jugenderziehung widmet. Um Christus nachzufolgen, versprach sie ihm ihre Treue und 154 AUDIENZEN UND ANGELUS weihte ihm ihre Jungfräulichkeit und fand dabei Kraft und Stütze in einer tiefen Marienverehrung. Am 30. November 1964 verteidigte sie ihre Jungfräulichkeit gegen einen Angreifer, der ihr eine Reihe heftiger Schläge versetzte und zu dem sie sagte: „Ich verzeihe euch, denn ihr wißt nicht, was ihr tut.“ Anwarite ist eine standhafte Zeugin für den unersetzbaren Wert des Einsatzes, den man für Gott auf sich genommen und, von seiner Gnade gestärkt, durchgehalten hat; sie hat der Kirche und der Welt die Schönheit der Gabe der Keuschheit um des Himmelreiches willen gezeigt. Sie ist die erste Frau von Zaire, die die Kirche als Selige verkündet, Jungfrau und Märtyrerin für den Glauben. Ihr Martyrium ist ein Zeichen für die Fortdauer der Passion Christi in der Geschichte des Gottesvolkes. Aus dem Dornbusch gesprochen Ansprache bei der Generalaudienz am 31. Juli 1. Wenn wir die Worte sprechen „ich glaube an Gott“, dann bringen wir vor allem die Überzeugung zum Ausdruck, daß Gott existiert. Dieses Thema haben wir in den Katechesen des vorausgegangenen Zyklus berührt, der die Bedeutung des Wortes „ich glaube“ behandelte. Nach der Lehre der Kirche ist die Wahrheit über die Existenz Gottes auch der rein menschlichen Vernunft zugänglich, sofern sie frei ist von Vorurteilen; so bezeugen es vor allem die bereits erwähnten Stellen aus dem Buch der Weisheit (13,1-9) und aus dem Brief an die Römer (vgl. 1,19-20). Sie sprechen von der Erkenntnis Gottes als Schöpfer (oder Erstursache). Diese Wahrheit ist auch auf anderen Seiten der Heiligen Schrift wiederzufinden. Der unsichtbare Gott wird in gewissem Sinn „sichtbar“ durch seine Werke. „Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, vom Werk seiner Hände kündet das Firmament. Ein Tag sagt es dem anderen, eine Nacht tut es der anderen kund“ (Ps 18/19,2-3). Dieser kosmische Lobeshymnus der Geschöpfe ist ein Preislied an Gott als den Schöpfer. Ebenso einige andere Texte: „Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Mit Weisheit hast du sie alle gemacht, die Erde ist voll von deinen Geschöpfen“ (Ps 103/104,24). „Er hat die Erde geschaffen durch seine Kraft, den Erdkreis gegründet durch seine Weisheit, durch seine Einsicht den Himmel ausgespannt. . . Töricht steht jeder Mensch da, 155 AUDIENZEN UND ANGELUS ohne Erkenntnis“ (Jer 10,12.14). „Gott hat das alles zu seiner Zeit auf vollkommene Weise getan . . . Jetzt erkannte ich: Alles, was Gott tut, geschieht in Ewigkeit. Man kann nichts hinzufügen und nichts abschneiden“ (Koh 3,11.14). 2. Dies sind nur einige Stellen, in denen die inspirierten Verfasser die religiöse Wahrheit über Gott, den Schöpfer, ausdrücken, wobei sie sich des Weltbildes ihrer Zeit bedienen. Es ist sicher ein vorwissenschaftliches Weltbild, aber von religiöser Wahrheit und auserlesener Poesie. Das Weltbild, über das der heutige Mensch dank der Entwicklung der philosophischen und naturwissenschaftlichen Kosmologie verfügt, ist unvergleichlich viel bezeichnender und eindrucksvoller für den, der sich vorurteilsfrei damit beschäftigt. Die Wunder, die uns die verschiedenen Einzelwissenschaften über den Menschen und seine Welt, über den Mikrokosmos und den Makrokosmos, über die innere Struktur der Materie und über die Tiefen der menschlichen Seele enthüllen, können nur die Worte der biblischen Schriftsteller bestätigen, die uns dazu führen wollen, das Dasein einer höchsten Intelligenz als Schöpfer und Ordner des Universums anzuerkennen. Gott zeigt uns, wer und wie er ist 3. Die Worte „ich glaube an Gott“ beziehen sich in erster Linie auf den, der sich selbst offenbart hat. Gott, der sich offenbart, ist der, der ist: Es kann sich ja nur jemand offenbaren, der wirklich existiert. Und auch im Glaubensbekenntnis wird die Existenz Gottes nicht in Frage gestellt oder als ein Problem in sich aufgefaßt. Wie schon gesagt, bestätigen die Heilige Schrift, die Überlieferung und das Lehramt die Möglichkeit einer sicheren Gotteserkenntnis durch die bloße Vernunft (vgl. Weish 13,1-9; Rom 1,19-20; DS 3004 Vatik. I, Kap. 2; Vatik. II, DV 6). Indirekt schließt eine solche Bestätigung das Postulat ein, daß die Erkenntnis Gottes durch den Glauben, äusgedrückt in den Worten „ich glaube an Gott“, rationalen Charakters ist und von der Vernunft vertieft werden kann. „Credo, ut intelligam“ (Ich glaube, damit ich erkenne), wie auch „intelligo, ut credam“ (ich erkenne, damit ich glaube): Das ist der Weg vom Glauben zur Theologie. <52> <52> Wenn wir sagen „ich glaube an Gott“, dann haben unsere Worte einen bestimmten Bekenntnischarakter. Uns bekennend geben wir Gott, der 156 AUDIENZEN UND ANGELUS sich offenbart hat, Antwort. Uns bekennend werden wir der Wahrheit teilhaft, die Gott offenbart hat und die wir als unsere Überzeugung ausdrücken. Derjenige, der sich selbst offenbart, macht es uns nicht nur möglich zu erkennen, daß er existiert, sondern er gestattet uns auch zu erkennen, wer er ist und wie er ist. So führt uns die Selbstoffenbarung Gottes zu der Frage nach dem Wesen Gottes: Wer ist Gott? 5. Hier wollen wir auf das biblische Ereignis zurückgreifen, das uns im Büch Exodus berichtet wird (3,1-14). Mose, der nahe beim Berg Horeb die Herde weidet, bemerkt eine außergewöhnliche Erscheinung. „Er schaut hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht“ {Ex 3,2). Er ging näher, da „rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab, denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen“ {Ex 3,4-6). Das vom Buch Exodus beschriebene Ereignis wird als Theophanie bezeichnet, das heißt als Kundgebung Gottes in einer außerordentlichen Form, und es erscheint unter allen Theophanien Gottes im Alten Testament besonders eindrucksvoll als Zeichen der Gegenwart Gottes. Die Theophanie ist keine unmittelbare Offenbarung Gottes, sondern nur eine Kundgebung seiner Gegenwart. In unserem Fall ist diese Gegenwart erkennbar sowohl durch die aus dem Innern des brennenden Dornbusches gesprochenen Worte als auch durch den Dornbusch selbst, der brennt, ohne zu verbrennen. 6. Gott enthüllt dem Mose die Sendung, die er ihm anvertrauen will: Er soll die Israeliten aus der ägyptischen Knechtschaft befreien und sie in das verheißene Land führen. Gott verspricht ihm auch seine machtvolle Hilfe bei der Erfüllung dieser Sendung: „Ich bin mit dir.“ Da sagt Mose zu Gott: „Gut, ich werde also zu den Israeliten kommen und ihnen sagen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Da werden sie mich fragen: Wie heißt er? Was soll ich ihnen darauf sagen? Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der ,Ich-bin-da‘. Und er fuhr fort: So sollst du zu den Israeliten sagen: Der ,Ich-bin-da‘ hat mich zu euch gesandt“ {Ex 3,12-14). So offenbart also der Gott unseres Glaubens, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, seinen Namen. Er lautet: „Ich bin, der da ist.“ Nach der Überlieferung Israels drückt sich im Namen das Wesen aus. 157 A UDIENZEN UND ANGELUS Die Heilige Schrift gibt Gott verschiedene Namen, z. B. „Herr“ (wie in Weish 1,1), „Liebe“ (2 Joh 4,16), „der Mitleidvolle“ (wie in Ps 85), „der Treue“ (2 Kor 1,9), „der Heilige“ (Jes 6,3). Doch der Name, den Mose aus der Tiefe des brennenden Dornbusches hörte, stellt nahezu die Wurzel aller anderen dar. „Ich-bin-da“, das ist das Wesen Gottes, der das Sein aus sich selbst ist, das Sein schlechthin, wie es die Theologen und Philosophen genauer beschreiben. Vor ihm können wir nur niederfallen und ihn anbeten. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Wenn ich an Gott glaube, so bin ich davon überzeugt, daß Gott existiert. Schon die menschliche Vernunft läßt uns aus den Werken der Schöpfung Gott als den Schöpfer erkennen, wie es einige Psalmen voll Freude bekennen: „Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, vom Werk seiner Hände kündet das Firmament“ (Ps 19,1). „Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Mit Weisheit hast du sie alle gemacht. . .“ (Ps 104,24). Was der Psalmist in seinem vor-wissenschaftlichen Weltbild erkennt und besingt, wird auch von den großartigen Entdeckungen der modernen Wissenschaft bestätigt. Sie bekräftigen, daß es eine höchste Intelligenz gibt, die das Universum umfängt und ordnet. Gott, der sich den Menschen offenbart, ist derjenige, der wirklich existiert und alles in seinen Händen hält. Er offenbart sich Mose im brennenden Dornbusch als „der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“ (Ex 3,14). Gott ist also der einfachhin Seiende, der Urgrund alles Seienden. Vor diesem heiligen Gott müssen auch wir wie Mose vor Gott im brennenden Dornbusch unsere Schuhe ablegen, uns in Ehrfurcht verneigen und anbeten. Nehmt, liebe Brüder und Schwestern, diese ehrfürchtige Haltung vor Gott, eurem Schöpfer und Erlöser, mit in euren religiösen Alltag. Ich grüße euch sehr herzlich zur heutigen Audienz und erteile euch und allen, die euch verbunden sind, von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 158 A UDIEN ZEN UND ANGELUS Gewalttaten gegen Priester beklagt Bei der Generalaudienz am 31. Juli Leider treffen immer wieder schmerzliche Nachrichten über Gewalttätigkeiten gegen Priester und Ordensleute ein. In den vergangenen Tagen haben zwei äußerst schwere Ereignisse die Kirche in Algerien getroffen: Der Prieseter Jean-Marie Jover, Pfarrer von Ech-Cheliff, wurde zur Nachtzeit in seinem Pfarrhaus ermordet. Ein alter Missionar der Weißen Väter, P. Paul Martz, wurde in der Notre-Dame-Basilika in Algier überfallen und hat schwere Verwundungen davongetragen. In tiefer Verbundenheit mit dem verehrten Erzbischof Kardinal Duval und der ganzen katholischen Gemeinde von Algier bitte ich euch alle, euch im Gebet mit mir zu vereinen, im Ausdruck der Solidarität mit denen, die durch diese Akte blinder und grausamer Gewalt zu leiden haben. An erster Stelle denke ich an den verwundeten Missionar, an die Angehörigen und die Mitbrüder der beiden Opfer und auch an die Gläubigen. Beten wir, daß der Herr PaterJoverdenewigenLohn schenke,denerfür den treuen Knecht bereithält, und daß die Kirche in Algerien aus dieser harten Prüfung neugestärkt im Glauben und im hochherzigen Zeugnis der Liebe Christi hervorgehe, und wir wollen hoffen, daß die Justiz diese grausamen Verbrechen an hochangesehenen Seelsorgern voll und ganz aufklärt. Helsinki — noch ist Hoffnung lebendig Bei der Generalaudienz am 31. Juli Seit gestern sind in Helsinki die Vertreter der europäischen Länder, der Vereinigten Staaten von Amerika, Kanadas und des Hl. Stuhls versammelt. Sie sind auf die Einladung der finnischen Regierung zusammengekommen, um den zehnten Jahrestag der Unterzeichnung der Schlußakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu begehen, die in dieser Hauptstadt am 1. August 1975 durch die Staats- oder Regierungsoberhäupter erfolgt ist. 159 AUDIENZEN UND ANGELUS Viele von euch und gewiß auch alle, die in Europa und in der Welt die Vorgänge im internationalen Leben aus der Nähe verfolgen, werden sich daran erinnern, welche große Bedeutung damals diesem Ereignis beigemessen wurde. Die Schlußakte von Helsinki enthielt die Verpflichtung, die Beziehungen zwischen den Unterzeichnerstaaten weiterzuentwickeln und neue Wege der Zusammenarbeit zu öffnen. Vor allem wurde die Möglichkeit besserer Lebensbedingungen für Männer und Frauen, und daher für die Völker, mit größeren Erleichterungen der Kommunikation und der Beziehungen erwogen. Der Hl. Stuhl hat zur Schlußakte von Helsinki einen besonderen Beitrag geleistet mit einem eigenen Vorschlag über die Achtung der Gewissens- und Religionsfreiheit, ein Problem, für das er sich dann weiterhin auch in den Nachfolgekonferenzen von Belgrad, Madrid und Ottawa eingesetzt hat. Seit Helsinki sind zehn Jahre vergangen. Gewiß, es hat, wenigstens anfangs, einige Resultate gegeben, aber es blieben noch, vor allem auf dem Gebiet der Menschenrechte, so viele Erwartungen und Wünsche offen, deren Verwirklichung ersehnt wird und möglich ist. Daher ist es nicht zu verwundern, daß manche sich enttäuscht fühlen. Bei gutem Willen aber kann der Prozeß, der damals eingeleitet wurde, noch weiter wirken, soweit die Hoffnungen noch lebendig sind, die die Schlußakte geweckt hat. Darum möchte ich, daß alle, denen das geistige und materielle Wohl der Menschen und Völker des europäischen Kontinents am Herzen liegt, sich mit meinem Wunsch und meinem Gebet vereinen, auf daß diejenigen, denen die Verantwortung zur Durchführung der Bestimmungen der Schlußakte und des Schlußdokuments von Madrid obliegt, so handeln, daß die Erwartungen und Wünsche so vieler Männer und Frauen erfüllt werden. Gottesdienst für Hiroshima Zum Angelus am 4. August 1. Wir haben uns hier wieder zusammengefunden, liebe Brüder und Schwestern, um den einzigartigen Moment in der Geschichte des Universums zu verehren, in welchem der Gottessohn Mensch wurde unter dem Herzen der Jungfrau von Nazaret. Es ist der Moment der Verkündigung, den das Angelusgebet so wiedergibt: 160 AUDIENZEN UND ANGELUS „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird. . . Sohn des Höchsten genannt .werden“ (Lk 1,31-32). Maria sagte: „Mir geschehe, wie Du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Und von diesem Moment an bereitet sich ihr Herz darauf vor, den Gottmenschen aufzunehmen: „Herz Jesu, allen Lobes würdig!“ 2. Vereinigen wir uns mit der Gottesgebärerin, dieses Herz des Menschen anzubeten, das mittels des Mysteriums der hypostatischen Union (Vereinigung der Naturen) gleichzeitig das Herz Gottes ist. Geben wir Gott die dem Herzen Jesu Christi seit dem ersten Augenblick seiner Empfängnis im Schoße der Jungfrau geschuldete Verehrung. Schenken wir ihm zusammen mit Maria die gleiche Anbetung im Augenblick der Geburt: Als er in äußerster Armut in Betlehem zur Welt kam. Beten wir ihn an, zusammen mit Maria, alle Tage und alle Jahre seines verborgenen Lebens in Nazaret - alle Tage und alle Jahre, in denen er seinen messianischen Dienst in Israel erfüllte und als die Zeit der Passion, der Entäußerung, der Erniedrigung und der Schmach des Kreuzes kommt. Vereinigen wir uns noch inniger mit dem Herzen der Mutter, um zu rufen: „Herz Jesu, allen Lobes würdig!“ Ja, allen Lobes würdig gerade wegen dieser Schmähung und Erniedrigung. In der Tat, jetzt erreicht das Herz des Erlösers den Höhepunkt der Liebe Gottes. Und wirklich ist die Liebe allen Lobes würdig! Wir aber sollen uns „allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen“ (vgl. Gal 6,14) - schrieb der hl. Paulus, während der hl. Johannes lehrte: „Gott ist die Liebe!“ (7 Joh 4,8). <53> <53> Jesus Christus ist in der Herrlichkeit Gottes, des Vaters. Mit diesem Ruhm umgab der Vater, im Heiligen Geist, das Herz seines in die Herrlichkeit erhobenen Sohnes. Diesen Ruhm verkündet in den Jahrhunderten die Aufnahme des Herzens seiner Mutter in den Himmel, und wir alle vereinigen uns mit ihr in dem Bekenntnis: „Herz Jesu, allen Lobes würdig, erbarme dich unser!“ Auf deutsch sagte der Papst: Herzlich grüße ich auch die deutschsprachigen Teilnehmer an unserem Angelus-Gebet. Pflegt dieses Gebet, in dem wir der Menschwerdung Christi durch Maria gedenken, auch in euren Familien und Gemeinden daheim. Möge euch der Schutz Mariens weiterhin begleiten und euch wohlbehalten an euer Ziel führen. Dazu segne ich euch alle von Herzen. 161 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: In zwei Tagen begehen wir den 7. Jahrestag des Todes Papst Paulus VI., der eben hier in Castel Gandolfo am Nachmittag des Festes der Verklärung des Jahres 1978 seine Seele Gott zurückgegeben hat. Mit Bewunderung und Dankbarkeit erinnern wir uns an diesen herausragenden Zeugen Christi in unserer Zeit, der in so persönlicher Weise an den Problemen und Ängsten des Menschen von heute teilzuhaben wußte. In der Überzeugung, daß nur im Christentum eine erschöpfende Antwort auf die Fragen des menschlichen Herzens gesucht werden könnte, wurde Paul VI. nicht müde, mit dem zeitgenössischen Menschen in Dialog zu treten und ihm, im höchsten Respekt, aber auch im loyalsten Freimut, das erlösende Wort des Evangeliums vorzuschlagen. Für ihn werde ich am 6. August in der Pfarrkirche von Castel Gandolfo eine Messe zelebrieren. In diesem eucharistischen Gottesdienst gedenke ich auch des 40. Jahrestages des Atombomben-Abwurfs auf Hiroshima, der am gleichen Tag begangen wird. Wir müssen den Herrn inständig darum bitten, daß der Menschheit weitere atomare Schrecken erspart bleiben und daß das nukleare Holocaust, das Hiroshima und Nagasaki getroffen hat, ein Ansporn sei, unsere Kräfte für den Frieden zu verstärken. Ein letztes Anliegen möchte ich eurem Gebet anvertrauen: In vier Tagen, genau am 8. August, beginne ich meine dritte Apostolische Reise in den afrikanischen Kontinent. Ich überbringe den Christen von sieben Ländern dieses Gebietes das Zeugnis der Kommunion in der Liebe seitens der ganzen Kirche. Wie ihr wißt, fällt die Pastoraireise in diesen Zeitraum, weil ihr Höhepunkt die Teilnahme an den Abschlußfeierlichkeiten des Internationalen Eucharistischen Kongresses in Nairobi (Kenia) sein wird. Fleht mit mir den Herrn an, daß mein Aufenthalt in diesen Ländern bei den Menschen Gutes bewirke und zur Ausbreitung des Reiches Gottes beitrage, welches das Reich der Liebe und des Friedens ist. 162 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott — absolute Fülle des Seins Ansprache bei der Generalaudienz am 7. August 1. „Wir glauben, daß dieser eine Gott absolut eins ist in seinem unendlich heiligen Wesen wie in all seinen Vollkommenheiten, in seiner Allmacht, in seiner Allwissenheit, in seiner Vorsehung, in seinem Willen und in seiner Liebe. Er ist der, der ist, wie er selbst sich dem Mose offenbart hat; und er ist die Liebe, wie uns der Apostel Johannes lehrt, so daß diese beiden Namen, Sein und Liebe, auf unaussprechliche Weise die gleiche göttliche Wirklichkeit dessen ausdrücken, der sich uns zu erkennen geben wollte und der, in unzugänglichem Lichte wohnend, in sich selbst über jedem Namen, über allen Dingen und jeder erschaffenen Intelligenz ist“ {Insegnamenti di Paolo VI,VI, 1968, 302). 2. Papst Paul VI. sprach diese Worte bei der Feier des 1900. Jahrestags des Martyriums der heiligen Apostel Petrus und Paulus, am 30. Juni 1968, in dem Glaubensbekenntnis, das „Das Credo des Gottesvolkes“ genannt wurde. Sie drücken in einer gegenüber den alten Glaubensbekenntnissen mehr erweiterten Form, aber doch noch kurz und zusammenfassend, jene Wahrheit über Gott aus, die die Kirche gleich zu Beginn des Glaubensbekenntnisses ausspricht: „Ich glaube an Gott.“ Er ist der Gott, der sich offenbart hat, der Gott unseres Glaubens. Sein Name: „Ich bin der ,Ich-bin-da‘, wie er sich dem Mose aus dem Innern des brennenden Dornbusches am Fuße des Berges Horeb kundgetan hat, klingt also heute noch wider in unserem Glaubensbekenntnis. Paul VI. verbindet diesen Namen - den Namen „Sein“, „Da-Sein“ - mit dem Namen „Liebe“ (nach, der Formulierung des 1. Johannesbriefes). Diese beiden Namen drücken das Wesentlichste der Wahrheit über Gott aus. Wir werden noch darauf zurückkommen müssen, wenn wir uns über das Wesen Gottes Gedanken machen und die Frage zu beantworten suchen: „Wer ist Gott?“ <54> <54> Paul VI. nimmt Bezug auf den Namen Gottes: „Ich bin“, „Ich-bin-da“, der sich im Buch Exodus findet. Nach der doktrinären und theologischen Überlieferung vieler Jahrhunderte sieht er in ihm die Offenbarung Gottes als das „Sein“: das „subsistierende“, selbständige Sein. Dieser Name drückt in der Sprache der Philosophie des Seins (Ontologie oder Metaphysik), die der hl. Thomas von Aquin verwendet, das Wesen Gottes aus. Man muß hinzufügen, daß nach der rein sprachlichen Interpretation der Worte „Ich bin der ,Ich bin1 “ auch andere Bedeutungen möglich sind, auf die wir in der Folge noch hinweisen werden. Die Worte Pauls VI. 163 A UDIEN ZEN UND ANGELUS lassen hinreichend klar werden, daß die Kirche bei der Antwort auf die Frage: „Wer ist Gott?“ weiterhin, in der Linie einer mehrhundertjährigen patristischen und theologischen Überlieferung vom Sein (esse) ausgeht. Es ist nicht ersichtlich, auf welche andere Weise sich eine haltbare und zugängliche Antwort formulieren ließe. 4. Das Wort, mit dem Gott sich offenbart, zeigt, nach der „Terminologie des Seins“ betrachtet, eine besondere Annäherung zwischen der Sprache der Offenbarung und der Sprache jener menschlichen Erkenntnis der Wirklichkeit, die seit der Antike als Grundlage jeder Philosophie bezeichnet wurde. Die Sprache dieser Philosophie erlaubt eine gewisse Annäherung an den Namen Gottes als „Sein“. Und doch können wir - wie einer der ausgezeichnetsten Vertreter der thomistischen Schule in unserer Zeit, dem hl. Thomas beistimmend (vgl. Contra gentes, I, cc. 14,30), bemerkt, auch wenn wir uns dieser Sprache bedienen, diesen offenbarten Namen, der das Wesen Gottes ausdrückt, bestenfalls nur „buchstabieren“ (vgl. E. Gilson, Le thomisme, Paris 1944 <55>, ed. Vrin, S. 33, 35, 41, 155-156). Die menschliche Sprache genügt in der Tat nicht, um in passender und erschöpfender Weise auszudrücken, „wer“ Gott ist. Unsere Begriffe von Gott und unsere Worte über ihn dienen eher dazu, zu sagen, wer er nicht ist, als zu sagen, wer er ist! (vgl. Summa Th., I, q. 12, a. 12 s.). <55> „Ich bin der, Ich-bin-da‘.“ Der Gott, der mit diesen Worten dem Mose antwortet, ist auch „der Schöpfer des Himmels und der Erde“. Hier ist es angebracht, für einen Augenblick vorauszunehmen, was wir in den folgenden Katechesen zur offenbarten Wahrheit über die Schöpfung sagen werden, und schon jetzt darauf aufmerksam zu machen, daß nach der geläufigen Erklärung die Worte „Schöpfer“, „erschaffen“ die Bedeutung haben: Aus dem Nicht-Sein, d. h. dem Nichts, ins Sein rufen. Erschaffen sein bedeutet, nicht in sich selbst die Quelle, den Grund des Daseins haben, sondern sie von einem anderen empfangen. Zusammenfassend bezeichnet eine lateinische Formulierung dies als „ens ab alio“. Derjenige, der erschafft, der Schöpfer, besitzt hingegen das Dasein in sich selbst und aus sich selbst („ens a se“). Das Sein gehört wesentlich zum Schöpfer. Sein Wesen ist das Sein. Er ist das Sein schlechthin (Esse subsistens). Gerade darum ist es für ihn unmöglich, nicht zu existieren, er ist das „notwendige“ Sein. Im Gegensatz zu Gott, der das „notwendige Sein“ ist, kann Bestehendes, das die Existenz von ihm empfängt, d. h. die Geschöpfe, ebensogut nicht existieren: Das Sein ist nicht ihr Wesen; sie bestehen „zufällig“. 164 AUDIENZEN UND ANGELUS 6. Diese Erwägungen bezüglich der offenbarten Wahrheit über die Erschaffung der Welt helfen uns, Gott als das „Sein“ zu verstehen. Sie erlauben uns auch, dieses „Sein“ mit der Antwort in Zusammenhang zu bringen, die Mose auf seine Fragen nach dem Namen Gottes erhielt: „Ich bin der ,Ich-bin-da‘.“ Im Licht dieser Überlegungen erhalten auch die feierlichen Worte, die die hl. Katharina von Siena hörte, ihre volle Transparenz: „Du bist das, was nicht ist, ich bin der, der ist“ (S. Cathari-nae Legenda major, I, 10). Das ist das Wesen Gottes, der Name Gottes, der von der Selbstoffenbarung Gottes inspiriert ist, der Name, der bestätigt wird im Licht der grundlegenden Wahrheit, die im Begriff „Schöpfung“ enthalten ist. Es wäre angemessen, das „Bin“ und „Ist“ groß zu schreiben, wenn es sich auf Gott bezieht, und die Kleinschreibung den Geschöpfen vorzubehalten. Das wäre auch ein Zeichen der richtigen Art des Denkens über Gott nach den Kategorien des Seins. Insofern Gott das Sein aus sich selbst ist, „ipsum Esse Subsistens“ — d. h. absolute Fülle des Seins und daher aller Vollkommenheit -, insofern ist Gott vollkommen transzendent im Hinblick auf die Welt. In seinem Wesen, in seiner Gottheit geht er unendlich weit hinaus über alles Erschaffene und übertrifft es, sowohl jedes einzelne Geschöpf, und sei es auch das vollkommenste, als auch das Gesamt der Schöpfung: die sichtbaren und unsichtbaren Wesen. So versteht man, daß der Gott unseres Glaubens, der, der ist, der Gott von unendlicher Majestät ist. Diese Majestät ist die Herrlichkeit des göttlichen Seins, die Herrlichkeit des göttlichen Namens, der in der Heiligen Schrift wiederholt gepriesen wird: „Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!“ (Ps 8,2). „Du bist groß und tust Wunder; du allein bist Gott“ (Ps 85/ 86,10). „Niemand, Herr, ist wie du . . .“ (Jer 10,6). Vor dem Gott der unendlichen Herrlichkeit können wir nur in einer Haltung demütiger und freudiger Anbetung die Knie beugen und mit der Liturgie im Lobgesang des Te Deum wiederholen: „Pleni sunt coeli et terra maiestatis gloriae tuae . . . Te per orbem terrarum santa confitetur Ecclesia: Patrem immensae maiestatis“: „Himmel und Erde sind voll der Herrlichkeit deiner Majestät . . . Dich preist die heilige Kirche auf dem ganzen Erdkreis, dich den Vater unendlicher Majestät.“ In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die allermeisten von euch glauben an Gott: Zu ihn betet ihr und versucht, in seiner Gegenwart zu leben. Wenn ihr nun fragt: „Wer aber ist Gott?“, 165 A UDIEN ZEN UND ANGELUS dann antwortet die Kirche mit den Worten, die Mose im Alten Bund erfahren hat. Dort nennt Gott sich selbst: Ich bin der „Ich-bin-da“. „Ich-bin-da“ - Das ist der Name Gottes. Nicht wie bei allen Geschöpfen, die immer fragen müssen: Wodurch bin ich? Wielange bin ich? Wozu bin ich? Gott aber ist einfach da, weil er der Grund allen Seins ist, weil es zu seinem Wesen gehört, da zu sein. Er kann gar nicht aufhören zu sein, weil er in sich selbst die Fülle des Seins trägt. Solche sprachlichen Versuche, das einzigartige, alles überragende Wesen Gottes zu bestimmen, sind über mehrere Jahrhunderte hinweg in der christlichen Philosophie entwickelt worden und behalten auch heute noch ihren Wert, weil sie bisher noch durch nichts Gleichwertiges ersetzt worden sind. Doch bleibt sich der christliche Glaube immer bewußt, daß alle unsere Begriffe und Sätze nur unvollkommen und schwach das göttliche Licht durchdringen können. Der hl. Thomas von Aquin, der große Systematiker dieser Seinsphilosophie von Gott und der Schöpfung, hat das selbst deutlich zugegeben. Bei ihm - wie bei allen heiligen Männern und Frauen - drängte das Nachdenken über Gott zur Anbetung Gottes. Und auch wir wollen versuchen, unsere ganze Person, all unser Denken und Lieben in solche Worte zu legen, wie sie z. B. die Psalmisten uns schenken: „Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde (Ps 8,2) ... Du bist groß und tust Wunder; du allein bist Gott“ (Ps 86,10). Mit dieser kurzen Katechese grüße ich herzlich alle heutigen Besucher deutscher Sprache, darunter in besonders dankbarer Verbundenheit die Gruppe von Jubilarpriestern aus dem Bistum Augsburg, dann auch die Jubiläumswallfahrt der Pfarrei Blaubeuren mit ihrem Pfarrer. Mit brüderlicher Anteilnahme darf ich an dieser Stelle auch eine Gruppe von Vietnamesen begrüßen und segnen, die in Deutschland und Frankreich eine neue Heimat gefunden haben. Euch allen sei Gott ein barmherziger und treuer Vater. Seine gütige Vorsehung begleite euch alle Tage eures Lebens. 166 AUDIENZEN UND ANGELUS Gegen jede Art von Rassendiskriminierung Worte bei der Generalaudienz am 7. August Am Vorabend meiner dritten apostolischen Reise nach Afrika möchte ich einen Gedanken herzlicher Freundschaft an alle Bewohner dieses Kontinents richten. In diesen Tagen sind sie mit ihren Erwartungen und Hoffnungen, ihren Problemen und Leiden meinem Herzen besonders nahe. Als Erben alter und reicher kultureller Überlieferungen, von kräftigen Impulsen der Entwicklung und des Wachstums beseelt, sehen sich die afrikanischen Völker sehr oft Schwierigkeiten gegenübergestellt, die manchmal dramatische Ausmaße annehmen und uns zu Solidarität und Hilfe aufrufen. Weite Gebiete leiden unter einer anhaltenden Trockenheit oder sind von anderen Naturkatastrophen heimgesucht, die ganzen Bevölkerungsgruppen schwere Entbehrungen auferlegen, sie vielfach auch der Hungersnot ausliefern und sie manchmal zum Auswandern aus ihrer Heimat zwingen. In anderen Ländern rufen rassische oder ideologische Gegensätze Leiden und Unruhen hervor. Millionen von Afrikanern sind von den Auswirkungen des Krieges und der Gewalt getroffen mit der traurigen Bürde der Mißachtung des Lebens und der Menschenrechte, der persönlichen und sozialen Unsicherheit und des Elends. Besonders denke ich an die Flüchtlinge und alle, die unter verschiedenen Formen der Unterdrückung zu leiden haben. All diesen Brüdern, die von Armut geprüft sind, von Unterentwicklung, Verfolgung, Bruderhaß und Brudermord, allen möchte ich ein Wort der Solidarität und des Trostes sagen. Ich kann nicht umhin, mit einem besonderen Gedanken an die Lage in Südafrika zu erinnern. In letzter Zeit sind Nachrichten eingetroffen, die in der öffentlichen Meinung weltweit tiefe Bewegung hervorgerufen und erneut das immer wieder sich erhebende Problem der sogenannten Apartheid vor das Gewissen der Menschheit gestellt haben. Unsere Ablehnung jeder Form von Rassendiskriminierung ist überzeugt und vollständig: Sie ist begründet im Bewußtsein der gleichen Würde eines jeden Menschen, der nach dem Bild und Gleichnis des Schöpfers gemacht und zu der Würde eines Gotteskindes berufen ist. Denen, die die Gewalt einer so unmenschlichen Situation erleiden, drücke ich Gefühle herzlicher Teilnahme und Unterstützung aus. An alle richte ich erneut einen besorgten 167 AUDIENZEN UND ANGELUS Appell, daß die Anerkennung der Würde einer jeden Person in einem Klima des Respekts und des Dialogs gewährleistet werde. Ein Gedanke besonderer Sorge gilt auch Uganda, das gerade einen sehr schwierigen Augenblick in seinem nationalen Leben durchmacht. Ich habe den lebhaften Wunsch, daß seine Bevölkerung baldigst Ruhe und Ausgeglichenheit wiederfinde und zu einem normalen sozialen Leben und einem echten und dauernden inneren Frieden zurückkehre mit der Zusicherung der Achtung der Rechte und Freiheiten der verschiedenen ethnischen und religiösen Gemeinschaften wie auch der einzelnen Bürger. Schließlich möchte ich - unter all den anderen, die meine Gedanken und mein Herz erfüllen - an ein Land erinnern, das mir besonders teuer ist: Burundi, wo die katholische Gemeinschaft blühend und voll Leben, aber jetzt von großen Schwierigkeiten geprüft ist. Zahlreiche Missionare sind gezwungen, das Land zu verlassen, und die Kirche sieht sich Maßnahmen ausgesetzt, die die Freiheit des Gottesdienstes und der Seelsorge einschränken. Wenn ein Glied leidet, dann leidet der ganze Leib der Kirche: Ich möchte, daß unsere Brüder in Burundi diese tiefe Solidarität der ganzen Kirche spüren und Trost daraus empfangen. Zugleich wünsche ich mir, daß die augenblicklichen Prüfungen mit dem guten Willen aller überwunden werden. Ich bitte euch, mit mir in diesen Intentionen für den ganzen afrikanischen Kontinent zu beten. Ich bin sicher, daß euer Gebet mich während meiner ganzen nahe bevorstehenden apostolischen Reise begleiten wird. Die Berufung zur Heiligkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 21. August 1. Heute möchte ich Gott und unserem Herrn, Jesus Christus, dem Hirten der Völker und der Menschen, Dank sagen für meine eben abgeschlossene Pilgerfahrt auf afrikanischer Erde. Der unmittelbare Anlaß zu diesem meinem dritten Besuch im schwarzen Kontinent war der 43. Eucharistische Weltkongreß, der vom 11. bis 18. August in Nairobi (Kenia) stattfand. Die Eucharistischen Weltkongresse sind, wie ihr wißt, der Ausdruck einer besonderen Verehrung und Liebe der ganzen Kirche zum heiligsten Sakrament. Zum ersten Mal hat ein solcher Kongreß im Herzen von 168 AUDIENZEN UND ANGELUS Afrika stattgefunden. Aus diesem Grund möchte ich meiner großen Freude Ausdruck geben, denn der Kongreß war ein Zeugnis für die christliche und pastorale Reife der Kirche in Afrika und vor allem der Kirche in Nairobi und in Kenia. Von ganzem Herzen beglückwünsche ich diese Kirche und ihre Hirten, besonders den Erzbischof von Nairobi, Kardinal Otunga. Diese Glückwünsche richte ich zugleich an die ganze Bevölkerung, an den Präsidenten und die Behörden von Kenia. Der Kongreß konzentrierte sich auf das Thema „Die Eucharistie und die christliche Familie“ und auf die grundlegenden moralischen und sozialen Werte, die sich im christlichen Leben ausgestalten, das von der Eucharistie gestärkt und gestützt wird. 2. Diese Pilgerfahrt zum Eucharistischen Kongreß in Nairobi bot Gelegenheit zur Begegnung mit der Kirche in verschiedenen afrikanischen Ländern, beginnend in Togo, dann weiter an der Elfenbeinküste, in Kamerun, in der Zentralafrikanischen Republik und in Zaire. Jeder dieser Abschnitte hatte sein eigenes Programm, auf das ich hier zusammenfassend zu sprechen kommen und dabei die hauptsächlichen und in gewissem Sinn gemeinsamen Elemente aufzeigen möchte. 3. Die Kirche in Afrika ist missionarische Kirche und Missionskirche. Sie trifft in jedem dieser Länder vor allem eine Bevölkerung an, die der traditionellen animistischen Religion angehört, und geht ihr mit dem Evangelium entgegen. Frucht dieser ersten Evangelisation sind Bekehrungen und Taufen. In Garoua in Kamerun, wo die Missionsarbeit erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit begonnen hat, hatte ich die Freude, dieses Sakrament zu spenden. Die Bewohner des schwarzen Kontinents hegen eine tiefe Dankbarkeit den Missionaren gegenüber, auch wegen deren sozialer Tätigkeit (Schulen, Hospitäler, alle Arbeit auf erzieherischem und karitativem Gebiet). Diese intensive Missionsarbeit bleibt weiterhin unverzichtbar notwendig. Die Bischöfe, die Kirchen und die afrikanische Gesellschaft wünschen Missionare (Priester und Laien) und bitten darum. 4. Gleichzeitig beginnt diese Kirche allmählich ihre eigenen Priester- und Ordensberufe zu haben. Es war für mich eine große Freude, daß ich in Kara, im Norden von Togo, sowie in Yaounde, der Hauptstadt von Kamerun, eine Gruppe von Priestern weihen konnte. Ebenso war die Ordensprofeß einheimischer Schwestern und Brüder in der Kathedrale von Yaounde und der Kathedrale von Kinshasa ein Grund zu großer Freude. 169 AUDIENZEN UND ANGELUS So erhält die afrikanische Kirche ihre eigene einheimische Identität und wird mehr und mehr selbständig. Sie beginnt auch daran zu denken, selber Missionare in Länder auszusenden, in denen sie notwendig gebraucht werden. Das Geschenk, das sie empfangen hat, möchte sie weitergeben. Im gleichen Schritt mit den Priester- und Ordensberufungen entwickelt sich auch das Bewußtsein der Berufung zum Apostolat der Laien, sowohl in der Familie wie in den verschiedenen Sektoren des sozialen Lebens. Das war richtungsweisend für den Eucharistischen Kongreß und auch für andere Initiativen und Begegnungen, wie z. B. in Bamenda (Kamerun) mit der Teilnahme von Laien und besonders von Jugendlichen. Ich möchte diesbezüglich das Treffen von Douala erwähnen. 5. Die Fülle der christlichen Berufung ist die Heiligkeit. Die Heiligkeit ist hauptsächlich die Frucht der Eucharistie. Deshalb bestand ein einzigartiger Abschnitt der afrikanischen Pilgerreise in der Seligsprechung der ersten Tochter Zaires, Sr. Anwarite Nengapeta, die 1964 bei der Verteidigung ihrer Christus geweihten Jungfräulichkeit das Martyrium erlitt. Sie ist also eine Gestalt, die uns zeitlich nahesteht. Ihre Eltern leben noch, und das Martyrium Anwarites ist mit den Ereignissen verbunden, die sich am Beginn der Unabhängigkeit Zaires abspielten. Diese Seligsprechung ist ein historisches Ereignis in den Annalen des Landes und der Kirche auf zairischem Boden, ja in der Geschichte ganz Afrikas. Die Gestalt dieser Seligen ist verbunden mit den Märtyrern von Uganda und zugleich auch mit der vielhundertjährigen Tradition der Heiligen, Märtyrer und Jungfrauen, in der Geschichte der universalen Kirche. Die Zeremonie der Seligsprechung wurde von Sr. Anwarites Landsleuten mit Begeisterung gefeiert. Sie fand in Kinshasa statt, am Fest der Aufnahme der heiligen Jungfrau Maria in den Himmel. Am folgenden Tag wurde in Lubumbashi die Votivmesse zu Ehren der neuen Seligen gefeiert, um ihre Fürsprache bei Gott für das Land und die Ortskirche anzurufen, die sie der Gesamtkirche geschenkt haben. <56> <57> <58> <56> Bei allen einzelnen Stationen der afrikanischen Pilgerreise war die Eucharistie der Mittelpunkt der Begegnung mit dem Volk Gottes und der Bevölkerung des Landes. So war es in Lome (Togo), an den vier erwähn- ten Orten in Kamerun, in Bangui in der Zentralafrikanischen Republik und dann in Zaire und in Kenia. Unter den Momenten, die diese zusammen mit dem Volk Gottes in Afrika unternommene „Wanderung“ hin zur Eucharistie gekennzeichnet haben, muß die Weihe der neuen Kathedrale von Abidjan (Elfenbeinküste) 170 AUDIENZEN UND ANGELUS erwähnt werden. Vor fünf Jahren war es mir vergönnt, dem Grundstein dieser Kathedrale den Segen zu geben. Nun konnte ich sie unter großer Beteiligung der Gläubigen und in Gegenwart des Präsidenten der Republik in einer sehr gut vorbereiteten Weiheliturgie konsekrieren. Die sorgfältige Vorbereitung der Liturgiefeiern, die ausgezeichnete Mitfeier der Eucharistie, die frische Natürlichkeit des Gesanges, die feinen Gesten des afrikanischen Tanzes und die Glut des Gebetes auf allen Etappen der Reise müssen anerkennend hervorgehoben werden. 7. Auch auf intellektuellem Gebiet reift das Bewußtsein; die Zusammenhänge mit der Religion und mit der Kirche werden erkannt. Das bekundet die Begegnung in Yaounde. Gleichzeitig steigt das Bedürfnis nach höheren kirchlichen Kulturzentren, derer es bisher nur wenige auf dem afrikanischen Kontinent gibt. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Initiative der ostafrikanischen Episkopate bedeutsam, die ein theologisches Institut in Nairobi errichtet haben. Ich hatte die Freude, während des Eucharisti-schen Kongresses dieses Institut in Gegenwart zahlreicher Kardinäle und Bischöfe, Verantwortlicher und Teilnehmer des Kongresses einzuweihen. 8. Ebenso hatte ich die Freude verschiedener Begegnungen mit Brüdern nichtkatholischer christlicher Kirchen und auch mit Muslimen und Anhängern der traditionellen Religionen. So war es in Lome, der Hauptstadt von Togo, in Garoua (Kamerun), wo ich bei der Feier der christlichen Einführungssakramente in der Homilie das Wort auch an die Söhne des Islam, an die Anhänger traditioneller religiöser Gruppen und an die Protestanten gerichtet habe; in Yaounde, der Hauptstadt von Kamerun, fand das ökumenische Treffen mit den Vertretern der christlichen Kirchen und der Muslimen statt; ebenso in Nairobi. Besonders kennzeichnend war das Gebetstreffen im Heiligtum Unserer Lieben Frau von der Barmherzigkeit am Togosee, wo ich zum ersten Mal auch mit Animisten gebetet habe. <59> <59> Auf jedem Reiseabschnitt hatte ich auch Begegnungen mit den staatlichen Autoritäten und mit dem Diplomatischen Korps. Den Präsidenten von Togo, der Elfenbeinküste, von Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik, von Zaire und Kenia sage ich anerkennend Dank für alle Zeichen der Höflichkeit, für die Erleichterungen der Reise und für die gute Zusammenarbeit mit der Kirche in deren Tätigkeiten. Besonderer Erwähnung bedarf der Besuch bei jenen Institutionen der Vereinten Nationen in Nairobi, die sich mit Umweltschutz- und Woh- 171 AUDIENZEN UND ANGELUS nungsproblemen befassen, also mit Fragen, die einen Bezug zur pastora-len Sendung der Kirche haben. Ich danke für die Einladung und für den herzlichen Empfang. 10. Auf dem Rückweg vom Eucharistischen Kongreß war es mir noch gegeben, auf die Einladung des Königs von Marokko, Hassan II., hin, Casablanca zu besuchen. Das gab mir die Möglichkeit, mich mit der zahlenmäßig kleinen katholischen Gemeinde zu treffen, die in diesem Land lebt, vereint um die Erzbischöfe von Rabat und Tanger. Zugleich konnte ich auch auf den ausdrücklichen Wunsch des Königs von Marokko zur muslimischen Jugend des Landes sprechen. Dieses Ereignis verdient besondere Aufmerksamkeit, denn es ist eine Form, den vom Zweiten Vatikanischen Konzil (Erklärung Nostra aetate) gewünschten Dialog mit den nichtchristlichen Religionen zu verwirklichen. Den muslimischen Brüdern in Marokko und ihrem König bringe ich meinen sehr herzlichen Dank zum Ausdruck. Der Empfang dort war von einer großen Offenheit gekennzeichnet und von großer Begeisterung von seiten der Jugendlichen, die sich religiösen Werten gegenüber sehr feinfühlig zeigten. 11. Bei meinem Aufenthalt in Togo habe ich beim marianischen Heiligtum von Togoville der Mutter Christi sowohl dieses Land wie ganz Afrika anvertraut, das sich seit einigen Generationen ihrem göttlichen Sohn geöffnet hat: Mögen diese Verfügbarkeit und dieser Eifer anhalten und sich vertiefen durch die Eucharistie und durch den Dienst des Wortes und der Sakramente. Allen Seelenhirten, die diesen Dienst erfüllen, meinen Brüdern im Bischofsamt und Priesteramt, den männlichen und weiblichen Ordensfamilien und allen Söhnen und Töchtern Afrikas entbiete ich noch einmal meinen Dank und segne alle von Herzen! In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In Dankbarkeit gegen Gott gedenke ich heute meiner kürzlichen Pastoraireise in verschiedene Länder Afrikas. Der Hauptgrund dafür war die Teilnahme am Internationalen Eucharistischen Kongreß in Nairobi, dem ersten auf afrikanischem Boden. Das Thema lautete: „Eucharistie und christliche Familie.“ Der gute und fruchtbare Verlauf dieses Kongresses zeugt von der christlichen und pastoralen Reife der Kirche in Afrika. Diese Kirche ist, wie ich in den verschiedenen von mir besuchten Ländern feststellen konnte, missionarische Kirche. Sie bedarf selbst noch der Hilfe ausländischer Missionare und denkt dennoch schon daran, eigene Missio- 172 AUDIENZEN UND ANGELUS nare in andere Ländern zu entsenden. Durch die wachsende Zahl einheimischer Priester- und Ordensberufe wird die afrikanische Kirche allmählich selbständig. Auch die Laien und vor allem die Jugend nehmen durch ihren apostolischen Einsatz aktiv an diesem Reifungsprozeß teil. Eine reife Frucht der christlichen Berufung Afrikas ist Sr. Anwarite Nengapeta, die ich als Märtyrerin der Reinheit in Zaire seliggesprochen habe. Ein weiteres wichtiges Ereignis dieser meiner Pastoraireise war die Weihe der neuen Kathedrale von Abidjan und die Eröffnung des neuen Theologischen Institutes in Nairobi. Zu den vielen Begegnungen mit den Katholiken der einzelnen Länder kamen Gespräche mit Vertretern anderer christlicher Kirchen, des Islams und der traditionellen Religionen. In besonders lebhafter Erinnerung ist mir die letzte Begegnung mit jungen Moslems in Casablanca. Den staatlichen und kirchlichen Autoritäten und allen, die zum Gelingen dieser letzten Pastoraireise beigetragen haben, gilt mein aufrichtiger Dank. Herzlich grüße ich mit diesem kurzen Rückblick auf die vergangenen erlebnisreichen Tage in Afrika alle deutschsprachigen Teilnehmer an der heutigen Audienz. Ich empfehle die großen pastoralen Anliegen der Kirche in Afrika auch ganz besonders eurem Gebet. Zugleich erbitte auch ich euch und euren Familien in der Heimat Gottes bleibenden Schutz und Beistand. Einen besonders herzlichen Willkommensgruß richte ich an die Rompilgerfahrt der Diözese Eisenstadt unter der Leitung ihres Bischofs Dr. Stefan Läszlö. Liebe Brüder und Schwestern! Ihr seid aus Anlaß des 25-Jahr-Jubiläums eurer Dözese mit eurem Oberhirten nach Rom gepilgert, um eure Verbundenheit mit der Weltkirche und dem Nachfolger Petri zu bezeugen. Ich danke für euer Kommen und wünsche der Kirche eurer Diözese, daß sie stets ein Volk bleibe, das Gott in Treue verbunden ist, das trotz seiner Vielfalt die Einheit bewahrt und so in Hoffnung und Freude hinpilgert zur Fülle des Lebens. Der Aufenthalt an den Gräbern der Apostel soll euch ermutigen, das Evangelium Jesu Christi in alle Lebensbereiche hineinzutragen und auch die Gesellschaft mit dem Sauerteig seiner Botschaft zu durchdringen. So möge eure junge Diözese immer mehr zu einer lebendigen Teilkirche innerhalb des großen Gottesvolkes der Kirche werden. Von Herzen erteile ich euch, eurer ganzen Diözese und allen hier anwesenden deutschsprachigen Pilgern in der Liebe Christi meinen besonderen Apostolischen Segen. 173 AUDIENZEN UND ANGELUS Kaltblütige Gewalt gegen wehrlose Bevölkerung Erneuter Libanonappell bei der Generalaudienz am 21. August Wie bei anderen Gelegenheiten, so lade ich euch auch heute ein, an den barmherzigen Gott ein vertrauensvolles Gebet für den Libanon zu richten, aus dem schmerzliche und sehr besorgniserregende Nachrichten eintreffen. Den furchtbaren Attentaten, die in den letzten Tagen in Beirut die christlichen und dann die muslimischen Viertel und auch andere Städte des Landes getroffen haben, sind heftige Bombardierungen und blutige Zusammenstöße zwischen den gegnerischen Parteien gefolgt. Es fehlen die Worte, um die Gefühle tiefen Schmerzes und entschiedener Verurteilung solcher Gewaltakte auszudrücken, die sich unterschiedslos gegen Häuser, Schulen, Märkte und manchmal auch gegen Stätten des Gebetes richten, wo Menschen jeden Alters den Sturm zu überleben suchen, der seit langem in diesem Land entfesselt ist. Eine derartig kaltblütig berechnende Gewalt - von welcher Seite auch immer sie komme -, die es darauf absieht, wehrlose Bevölkerung niederzumetzeln, muß mit allem Nachdruck von denen verurteilt werden, die Achtung haben vor dem Menschen und an die Fähigkeit der Menschen zu friedlichem Zusammenleben und zur Zusammenarbeit für die Freiheit, die Gerechtigkeit und das Gemeinwohl glauben. Wir wollen in aller Demut den allmächtigen Gott bitten, daß er mit den vielen Opfern Erbarmen habe, jene tröste, die ihre Lieben verloren haben, und die Herzen der Verantwortlichen erleuchte, damit sie der Spirale der Vergeltung und der Rache ein Ende setzen. Wir wollen für alle Libanesen guten Willens beten, die voll Hoffnung den Weg des Dialogs suchen, damit sie in ihren Anstrengungen, die ersehnte Verständigung herbeizuführen, bei den Völkern, die den Frieden lieben, wirksame Unterstützung und Hilfe finden. 174 A UDIEN ZEN UND ANGELUS „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ Vor dem Angelus am 25. August 1. „Herz Jesu, König und Mitte aller Herzen.“ Jesus Christus ist König der Herzen. Wir wissen, daß das Volk ihn während seines messianischen Wirkens in Palästina zum König ausrufen wollte, als es die Zeichen sah, die er vollbrachte. Es sah in Christus einen legitimen Erben Davids, der während seiner Herrschaft Israel zu höchster Blüte brachte. 2. Wir wissen auch, daß Jesus von Nazaret vor dem Gerichtshof des Pilatus auf die Frage: „Bist Du der König . . .?“ antwortete: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt . . . Deshalb bin ich geboren und in die Welt gekommen, um von der Wahrheit Zeugnis zu geben. Wer aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme“ (Joh 18,33,36-37). 3. In diesem Sinne ist Christus König der Herzen. Er wollte niemals irdischer Machthaber oder Inhaber von Davids Thron sein. Er wollte nur jenes Reich, das nicht von dieser Welt ist und das gleichzeitig durch die Wahrheit in den Herzen der Menschen Wurzeln schlägt: im Inneren des Menschen. Im Hinblick auf dieses Reich verkündete er das Evangelium und wirkte große Zeichen. Für dieses Reich, das Reich der an Kindes Statt angenommenen Söhne und Töchter Gottes, hat er sein Leben am Kreuz hingegeben. 4. Dieses Reich hat er von neuem bekräftigt, als er von den Toten auferstand und den Aposteln sowie den Menschen in der Kirche den Heiligen Geist sandte. So ist Christus König und Mitte aller Herzen. Mit ihm sind wir durch die Wahrheit vereint und nähern uns der Verbindung mit jenem Reich, in dem Gott alle Tränen trocknet (vgl. Offb 7,17), auf daß er „alles und in allem“ (7 Kor 15,28) sein wird. 5. Heute, vereint im üblichen Sonntagsgebet des Engels des Herrn, rufen wir — zusammen mit der Mutter Gottes — das Herz ihres Sohnes an: „Herz Jesu, König und Mitte aller Herzen, erbarme dich meiner.“ Das unbefleckte Herz Mariens leite unser Gebet, das heute dem Herrn für die jüngste apostolische Reise nach Afrika danksagen möchte. Für den 175 AUDIENZEN UND ANGELUS Empfang, der mir zuteil wurde, danke ich herzlich den Präsidenten der verschiedenen Länder, den Bischöfen, Priestern, Ordensleuten sowie den guten Menschen in Afrika. Ihnen allen möchte ich meine aufrichtige Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Auf deutsch sagte der Papst: Einen herzlichen Sonntagsgruß richte ich auch an alle Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, darunter vor allem an den Kirchenchor aus Hatting in der Diözese Innsbruck. Gott gebe euch in diesen Ferienwochen viel innere Gelassenheit und einen offenen Blick, um echte Freude an Natur und Menschen empfinden zu können. Ein wacher Mensch wird in ihnen dann auch leicht Gott selber begegnen. Mein Gebet sei mit euch und euren Familien! Gott - ein unerforschliches Geheimnis Ansprache bei der Generalaudienz am 28. August 1. Der Gott unseres Glaubens, der Mose am Berg Horeb auf geheimnisvolle Weise seinen Namen offenbart hat und erklärte „Ich bin, der ich bin“, ist der Welt gegenüber transzendent. Er „. . . ist wahrhaftig und wesentlich von der Welt getrennt. . ., und unaussprechlich erhaben über alle Dinge, die außerhalb von ihm selbst konzipiert sind oder sein können“ (AS3002): „. . . est-re et essentia a mundo distinctus, et super omnia, quae praeter ipsum sunt et concipi possunt ineffabiliter excelsus“ (Konst. De Filius, I. Vat. Konzil, Kap. I, ca 1—4). Dies ist die Lehre des Ersten Vatikanischen Konzils zum immerwährenden Glaubensbekenntnis der Kirche. In der Tat, auch wenn die Existenz Gottes erkennbar, beweisbar und sein Wesen gewissermaßen im Spiegel der Schöpfung erkennbar ist, so wie das Konzil gelehrt hat, gibt es kein Zeichen, kein Bild der Schöpfung, das der menschlischen Erkenntnis das Wesen Gottes als solches enthüllen kann. Es übersteigt alles, was in der erschaffenen Welt besteht, und alles, was der menschliche Geist erdenken kann: Gott ist der „ineffabiliter excelsus“! 176 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Auf die Frage: Wer ist Gott?, bezogen auf die Wesensart Gottes, können wir nicht mit einer Definition im engen Sinn des Wortes antworten. Das Wesen Gottes - d. h. seine Göttlichkeit - steht außerhalb jeglicher Kategorie von Art und Gestalt, die wir für unsere Definitionen benutzen; daher kann das Wesen Gottes nicht in irgendeiner Definition eingeschlossen sein. Wenn wir bei unserem Denken über Gott mit den Kategorien des Seins die Analogie des Seins anwenden, beleuchten wir damit viel mehr die Nichtähnlichkeit als die Ähnlichkeit, die Unvergleichbarkeit als die Vergleichbarkeit Gottes mit den Geschöpfen (wie auch das IV. Laterankonzil im Jahre 1215 gelehrt hat). Diese Behauptung gilt für alle Geschöpfe, sei es für die der sichtbaren Welt, sei es für die der spirituellen Ordnung, sowie auch für den Menschen, der geschaffen ist „nach Gottes Abbild und ihm ähnlich“ (vgl. Gen 1,26). Die Erkennbarkeit Gottes durch die Geschöpfe beseitigt also seine wesentliche Unverstehbarkeit nicht. Gott ist unverstehbar, wie das Erste Vatikanische Konzil proklamiert hat. So sehr der menschliche Intellekt eine gewisse Vorstellung von Gott haben mag und obgleich er durch die Offenbarung des Alten und des Neuen Bundes auf bedeutungsvolle Weise zu einer umfassenderen und tieferen Kenntnis seines Geheimnisses erhoben worden ist, kann er Gott nicht in angemessener und erschöpfender Weise verstehen. Er bleibt für den erschaffenen Verstand erhaben und erforschlich. Der Apostel Paulus schreibt: „Wer von den Menschen kennt den Menschen, wenn nicht der Geist des Menschen, der in ihm ist? So erkennt auch keiner Gott - nur der Geist Gottes“ (1 Kor 2,11). <60> <60> In der modernen Welt richtet sich das wissenschaftliche Denken vor allem nach dem, was anhand der heute zur Verfügung stehenden Mittel der Beobachtung und Forschung sowie angesichts der Sinneserfahrungen sichtbar und gewissermaßen meßbar ist. In einer Welt positivistischer Methodologien und angewandter Technologie wird diese Unverstehbarkeit Gottes von vielen noch stärker empfunden, besonders im Bereich der westlichen Kultur. Es haben sich daher besondere Voraussetzungen für die Ausbreitung agnostischer oder sogar atheistischer Verhaltensweisen herausgebildet, die ihren Grund in der vielen Menschen von heute gemeinsamen Denkweise haben. Einige sind der Meinung, daß diese intellektuelle Situation auf gewisse Weise die Überzeugung bestärken kann, die auch der religiösen Tradition angehört, die man universal nennen kann und die das Christentum unter gewissen Gesichtspunkten verschärft hat, nämlich, daß Gott unverstehbar ist. Es wäre eine Huldigung an die unermeßliche, transzendente Wirklichkeit Gottes, die unter 177 AUDIENZEN UND ANGELUS den Dingen unserer allgemeinen Erfahrung und Kenntnis nicht einzureihen ist. 4. Ja, in der Tat, der Gott, der sich selbst den Menschen offenbarte, hat sich kundgetan als der, der unverstehbar, unerforschlich und erhaben ist. „Die Tiefen Gottes willst du finden, bis zur Vollkommenheit des Allmächtigen Vordringen? Höher als der Himmel ist sie, was machst du da? Tiefer als die Unterwelt, was kannst du wissen?“ (Ijob 11,7-8). Wir lesen im Buch Exodus über ein Ereignis, das diese Wahrheit in bedeutungsvoller Weise unterstreicht. Mose fragt Gott: „Laß mich doch deine Herrlichkeit sehen!“ Der Herr antwortet: „Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen und den Namen des Herrn vor dir ausrufen“ (dies war bereits in der Theophanie am Fuße des Berges Horeb geschehen), „aber du kannst mein Angesicht nicht sehen; denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben“ {Ex 33,18-20). Der Prophet Jesaja seinerseits bekennt: „Wahrhaftig, du bist ein verborgener Gott. Israels Gott ist der Retter“ (Jes 45,15). 5. Dieser Gott, der durch die Propheten sprach und sich schließlich in seinem Sohn offenbarte, bleibt ein verborgener Gott. Zu Beginn seines -Evangeliums schreibt der Apostel Johannes: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ {Joh 1,18). Durch den Sohn hat sich der Gott der Offenbarung der Menschheit auf eine einzigartige Weise genähert. Der Begriff von Gott, den der Mensch durch den Glauben erwirbt, erreicht seinen Höhepunkt in dieser Annäherung. Aber obgleich Gott sich dem Menschen durch die Inkarnation noch mehr genähert hat, bleibt er in seinem Wesenskern der verborgene Gott. „Niemand hat den Vater gesehen außer dem, der von Gott ist; nur er hat den Vater gesehen“ {Joh 6,46), lesen wir im Johannesevangelium. Also bleibt Gott, der sich selbst dem Menschen geoffenbart hat, für ihn in diesem Leben ein unerforschliches Geheimnis. Dies ist das Glaubensgeheimnis. Der erste Artikel des Glaubensbekenntnisses „ich glaube an Gott“ drückt die erste und grundlegende Glaubenswahrheit aus, die gleichzeitig das erste und grundlegende Glaubensgeheimnis ist. Gott, der sich selbst dem Menschen offenbart hat, bleibt für das menschliche Denkvermögen jemand, der gleichzeitig erkannt und unverstehbar ist. Im Verlauf seines irdischen Lebens tritt der Mensch mit dem Gott der Offenbarung in Verbindung in der Nacht des Glaubens. Dies wird sowohl in der klassischen als auch in der modernen Theologie erklärt, die auf der 178 AUDIENZEN UND ANGELUS Erhabenheit Gottes besteht und besonders tief - und manchmal sogar schmerzlich - durch die Erfahrung der großen Mystiker bestätigt wird. Aber gerade diese „Nacht des Glaubens“ - wie der hl. Johannes vom Kreuz beteuert - ist das Licht, das unfehlbar zu Gott führt (vgl. Salita del Monte Carmelo 2, S. 9, 3). Dieser Gott ist, nach den Worten des hl. Paulus „der selige und einzige Herrscher, der König der Könige und Herr der Herren, der allein die Unsterblichkeit besitzt, der in unzugänglichem Licht wohnt, den kein Mensch gesehen hat, noch je zu sehen vermag“ (1 Tim 6,15-16). Die Nacht des Glaubens begleitet unvermeidlich die irdische Pilgerfahrt des menschlichen Geistes zu Gott in Erwartung des Lichtes der Herrlichkeit im späteren Leben, in der Ewigkeit. „Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht“ (1 Kor 13,12). „In lumine tuo videbimus lumen“ - „In deinem Licht schauen wir das Licht“ (Sal 35/36,10). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Der Gott unseres Glaubens, der sich Mose am Berg Horeb geoffenbart hat, ist der uns ganz nahe und zugleich doch ganz ferne Gott. Er ist unendlich über die Welt erhaben. Wir können zwar seine Existenz aus der Schöpfung erkennen, sein inneres Wesen hingegen bleibt uns völlig unzugänglich. Auf die Frage: Wer ist Gott? können wir nicht mit einer „Definition“ antworten. Wir können nur durch analoge Vergleiche mit den Geschöpfen einige Aussagen über Gott machen. Dabei bleibt aber die Unähnlichkeit immer unendlich größer als die Ähnlichkeit. Gottes Wesen übersteigt schlechthin die Fassungskraft des menschlichen Geistes. Besonders der moderne, wissenschaftliche Mensch empfindet schwer diese Unzugänglichkeit des göttlichen Geheimnisses. Gewiß, Gott hat sich uns geoffenbart, aber eben als der unerforschliche und unaussprechliche Gott. Trotz der Offenbarung bleibt das Geheimnis, das Dunkel des Glaubens. „Jetzt schauen wir in einen Spiegel“, sagt der hl. Paulus, „und sehen nur rätselhafte Umrisse; dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht“ (1 Kor 13,12). Nahen wir uns diesem erhabenen, unendlichen Gott immer im Geist der Verehrung und der Anbetung. Herzlich grüße ich mit dieser kurzen Betrachtung alle anwesenden deutschsprachigen Pilger und Besucher. Möge euch die Ferienzeit, die 179 A UDIEN ZEN UND ANGELUS Zeit der Muße, auch mit diesem Geheimnis Gottes neu konfrontieren und euch helfen, es in eurem eigenen Leben noch tiefer zu erkennen. Das wünsche ich euch mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Die Schätze der Weisheit Vor dem Angelus am 1. September 1. „Herz Jesu, in dem alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis sind.“ Diese dem Kolosserbrief (Kol 2,3) entnommene Anrufung aus der Herz-Jesu-Litanei macht uns die Notwendigkeit begreiflich, daß wir zum Herzen Christi gehen müssen, um in die Fülle Gottes einzudringen. 2. Die Erkenntnis, von der hier die Rede ist, ist nicht die auf menschlichem Vermögen ruhende Wissenschaft, die sich aufbläht (vgl. Kor 8,2). Es ist die göttliche Weisheit, ein Geheimnis, das von Ewigkeit her im Geist Gottes, des Schöpfers des Alls, verborgen war (vgl. Eph 3,9). Es ist eine neue Wissenschaft, die den Weisen und Klugen dieser Welt verborgen bleibt, aber den Unmündigen, die große Demut, Einfachheit und Reinheit des Herzens auszeichnet, offenbart wird (vgl. Mt 11,25). Diese Wissenschaft und diese Weisheit bestehen in der Erkenntnis des Geheimnisses des unsichtbaren Gottes, der die Menschen zur Teilnahme an seiner göttlichen Natur beruft und sie in die Gemeinschaft mit sich eintreten läßt. <61> <61> Wir wissen von diesen Dingen, weil Gott selbst sich gewürdigt hat, sie uns durch seinen Sohn, der Gottes Weisheit ist, zu offenbaren (vgl. 1 Kor 1,24). Alles, was im Himmel und auf Erden ist, wurde durch ihn und auf ihn hin erschaffen (vgl. Kol. 1,16). Die Weisheit Christi ist größer als die Salomos (vgl. Lk 11,31). Seine Reichtümer sind unergründlich (vgl. Eph 3,8). Seine Liebe übersteigt jede Erkenntnis. Mit Hilfe des Glaubens aber sind wir fähig, zusammen mit allen Heiligen ihre Breite und Länge, ihre Höhe und Tiefe zu ermessen (vgl. Eph 3,18). Wenn wir Jesus kennen, kennen wir auch Gott. Wer ihn sieht, sieht den Vater (vgl. Joh 14,9). Mit ihm ist die Liebe Gottes ausgegossen in unsere Herzen (Röm 5,5). 180 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Die menschliche Wissenschaft ist wie das Wasser unserer Quellen: Wer davon trinkt, wird wieder durstig. Die Weisheit und Wissenschaft Jesu dagegen öffnet die Augen des Geistes, bewegt das Herz in seinem innersten Sein und zeugt den Menschen in überirdischer Liebe; sie befreit vom Dunkel des Irrtums, vom Makel der Sünde, von der Gefahr des Todes und führt zur vollen Gemeinschaft jener göttlichen Güter, die die Fassungskraft des menschlichen Geistes übersteigen (vgl. Del verbum, Nr. 6). 5. Durch die Weisheit und die Wissenschaft Jesu sind wir in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet (Eph 3,17). So entsteht der neue, innere Mensch, der Gott in den Mittelpunkt seines Lebens und sich selbst in den Dienst der Brüder stellt. Das ist der Grad der Vollkommenheit, den Maria, die Mutter Jesu und unsere Mutter, erreicht hat, das einzigartige Beispiel der neuen Schöpfung, ausgestaltet mit der Fülle der Gnade und bereit, den Willen Gottes zu verwirklichen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mit mir geschehe, was du gesagt hast.“ Und darum rufen wir sie als „Sitz der Weisheit“ an. Beim Gebet des Angelus wollen wir bitten, daß er uns ihr und ihrem Sohn gleich mache. Nach dem Angelus sagte der Papst: In den letzten Tagen hat uns die Nachricht von der Ermordung eines Priesters und einer Ordensfrau aus der Kongregation vom Heiligsten Erlöser erreicht, die sich in der Diözese Ondjiva in Angola ereignet hat. Der Priester Leonardo Sikufinde und Schwester Luzia Kautudia, beide aus Angola, brachten zwei Kranke ins Spital, als man sich in blinder Raserei auf sie und fünf weitere Begleitpersonen stürzte. Das ist ein neuer, schmerzlicher Ausbruch der Gewalt, von der immer wieder Missionare, Ordensleute, Katecheten betroffen sind, womit dem Werk der Glaubensverkündigung und des Guten, das sie im Dienst des Herrn und ihrer Brüder in Angola vollbringen, ein Schlag versetzt wird. Schon zu lange wird die Bevölkerung dort von Trauer und Leid heimgesucht. Ich wiederhole bei dieser Gelegenheit die nachhaltigste Verurteilung jeglicher Gewalt, aus welchen Wurzeln und von welcher Seite auch immer sie stammen mag. Wir bitten den Herrn um den Lohn der Gerechten für die Opfer und den Trost für jene, die sie betrauern. Laut erheben wir unsere Stimme zur inständigen Bitte, daß alle Menschen guten Willens mit mutigem Einsatz ihren hochherzigen Beitrag für einen wahren Frieden in Gerechtigkeit in diesem geliebten Land erbringen. 181 AUDIENZEN UND ANGELUS Zu den deutschsprachigen Pilgern sagte der Papst: Gruß und Segen auch den Besuchern aus Deutschland, aus Österreich und aus der Schweiz! Bei eurem Aufenthalt in Italien und hier in Rom begegnet ihr vielfältigen Ausdrucksformen des christlichen Glaubens aus fast 2000 Jahren. Ja, auch zum heutigen Menschen gehört ein überzeugter Gottesglaube, der fähig ist, unser Zusammenleben zu gestalten und allen Dingen ihren tiefsten Sinn zu geben. Mögen solche wertvollen Ferienerfahrungen euch selbst in eurem Glauben stärken und ermutigen! Gott selbst ist die Ewigkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 4. September 1. Die Kirche bekennt unablässig den Glauben, wie er im ersten Artikel der ältesten christlichen Glaubensbekenntnisse formuliert ist: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“ Diese Worte spiegeln in knapper und zusammenfassender Form das Zeugnis wider, das der Gott unseres Glaubens, der lebendige und wahre Gott der Offenbarung, von sich selbst gegeben hat, als er - wie es im Hebräerbrief heißt - „durch die Propheten“ und zuletzt „durch den Sohn“ sprach (Hebr 1,1-2). Indem sie den wandelnden Erfordernissen der jeweiligen Zeit begegnete, hat die Kirche die Wahrheit über Gott immer weiter vertieft, wie die verschiedenen Konzilien bezeugen. Ich möchte hier auf das Erste Vatikanische Konzil Bezug nehmen, dessen Lehre von der Notwendigkeit bestimmt wurde, einerseits den Verirrungen des Pantheismus des 19. Jahrhunderts und anderseits den Irrtümern des Materialismus entgegenzutreten, der sich damals durchzusetzen begann. Die „Eigenschaften“ Gottes 2. Das Erste Vatikanische Konzil lehrt: „Die Heilige Kirche glaubt und bekennt, daß es nur den einen, lebendigen und wahren Gott gibt, den Schöpfer und Herrn des Himmels und der Erde, der allmächtig, ewig, unermeßlich und unbegreiflich ist und unendlich an Verstand, Willen und jeder Vollkommenheit; da er eine geistige Substanz, vollkommen einfach 182 AUDIENZEN UND ANGELUS und unwandelbar ist, muß er als wirklich und wesentlich verschieden von der Welt verkündet werden, als an sich und von sich aus in höchstem Maße glücklich und unaussprechlich erhaben über alle Dinge, die außerhalb von ihm bestehen und gedacht werden können“ (Konstitution Dei filius, can. 1—4, DS 3001). 3. Es ist leicht erkennbar, daß der Konzilstext von jenen alten Glaubensbekenntnissen ausgeht, die auch wir sprechen: „Ich glaube an Gott den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer des Himmels und der Erde“, daß er aber diese grundlegende Aussage entsprechend der in der Heiligen Schrift, in der Überlieferung und im Lehramt der Kirche enthaltenen Lehre weiterentfaltet. Dank dieser vom I. Vatikanum vorgenommenen Weiterentfaltung werden die „Eigenschaften“ Gottes in einer Form angeführt, die jene der ältesten Glaubensbekenntnisse vervollständigt. Unter „Attributen“ verstehen wir die Eigenschaften des göttlichen Seins, die von der Offenbarung wie auch von der besten philosophischen Reflexion bekundet werden (vgl. z.B. Summa Theol., I, q. 3 ff.). Die Heilige Schrift beschreibt Gott unter Verwendung verschiedener Adjektive. Diese sind Äußerungen der menschlichen Sprache, die sich vor allem dann als begrenzt erweist, wenn sie eine Aussage über jene völlig transzendente Wirklichkeit zu machen versucht, die Gott in sich selbst ist. 4. Der oben wiedergegebene Abschnitt des Ersten Vatikanischen Konzils beweist die Unmöglichkeit, Gott adäquat zu beschreiben. Er ist unbegreiflich und unaussprechlich. Der Glaube der Kirche und ihre Lehre über Gott begnügen sich jedoch, auch wenn sie an der Überzeugung seiner Unbegreiflichkeit und Unaussprechlichkeit festhalten, nicht damit - etwa nach Art der sogenannten „apophatischen“ Theologie —, sich auf negative Aussagen zu beschränken mit der Behauptung, die menschliche Sprache und somit auch die Sprache der Theologie vermöge ausschließlich oder nahezu ausschließlich nur das auszusagen, was Gott nicht ist, da es ihr an adäquaten Ausdrücken fehle, um erklären zu können, was Gott ist. 5. So beschränkt sich das I. Vatikanum nicht auf Aussagen, die von Gott nur in negativen Ausdrücken sprechen, sondern es macht auch positivbejahende Aussagen. Es lehrt z.B., daß dieser Gott, der wesentlich von der Welt verschieden ist (a mundo distinctus re et essentia), ein ewiger Gott ist. Diese Wahrheit wird an verschiedenen Stellen und in verschiedener Weise in der Heiligen Schrift ausgesagt. So lesen wir z.B. im Buch Jesus Sirach: „Der Herr, der in Ewigkeit lebt, hat alles insgesamt erschaf- 183 AUDIENZEN UND ANGELUS fen“ (Sir 18,1). Im Buch des Propheten Daniel heißt es: „Er ist der lebendige Gott; er lebt in Ewigkeit“ {Dan 6,27). Ähnlich lauten auch die Worte des 102. Psalms, auf die der Hebräerbrief Bezug nimmt. Im Pslam heißt es: „Vorzeiten hast du der Erde Grund gelegt, die Himmel sind das Werk deiner Hände. Sie werden vergehen, du aber bleibst; sie alle zerfallen wie ein Gewand; du wechselst sie wie ein Kleid, und sie schwinden dahin. Du aber bleibst, der du bist, und deine Jahre enden nie“ (Ps 102,27-28). Einige Jahrhunderte später wird der Verfasser des Hebräerbriefes die Worte des zitierten Psalms wieder aufgreifen: „Du, Herr, hast vorzeiten der Erde Grund gelegt, die Himmel sind das Werk deiner Hände. Sie werden vergehen, du aber bleibst; sie alle veralten wie ein Gewand; du rollst sie zusammen wie einen Mantel, und wie ein Gewand werden sie gewechselt. Du aber bleibst, der du bist, und deine Jahre enden nie“ {Hebr 1,10-12). Die Ewigkeit ist hier jenes Element, das Gott wesentlich von der Welt unterscheidet. Während diese Veränderungen unterworfen ist und vergeht, bleibt Gott über das Vergehen der Welt hinaus: Er ist notwendig und unveränderlich: „Du bleibst, der du bist. . .“ , Jenseits der Zeit“ Im Bewußtsein des Glaubens an diesen ewigen Gott schreibt der hl. Paulus: „Dem König der Ewigkeit, dem unvergänglichen, unsichtbaren, einzigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen“ {1 Tim 1,17). Dieselbe Wahrheit findet sich in der Geheimen Offenbarung noch einmal anders formuliert: „Ich bin das Alpha und das Omega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der Herrscher über die ganze Schöpfung“ {Offb 1,8). <62> <62> In diesen Zitaten der Offenbarung findet auch die vernunftmäßige Überzeugung Ausdruck, zu der man gelangt, wenn man bedenkt, daß Gott das subsistierende Sein und somit notwendig und ewig ist; weil er nicht umhin kann zu sein, hat er weder Anfang noch Ende noch eine Aufeinanderfolge von Momenten in dem einen und unendlichen Akt seiner Existenz. Die rechte Vernunft und die Offenbarung stimmen in diesem Punkt wunderbar überein. Wenn Gott die absolute Fülle des Seins (ipsum esse subsistens) ist, muß seine „in die Begrifflichkeit des Seins eingeschriebene“ Ewigkeit verstanden werden als „unteilbarer, vollkommener und gleichzeitiger Besitz eines Lebens ohne Ende“ und somit als Eigenschaft des absoluten Seins „jenseits der Zeit“. 184 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Ewigkeit Gottes geht nicht mit der Zeit der erschaffenen Welt einher, „sie entspricht ihr nicht“; sie geht ihr weder voraus noch verlängert sie sie ins Unendliche; sondern sie liegt außerhalb und über ihr. Die Ewigkeit mit allem, was zum Geheimnis Gottes gehört, umfaßt in einem gewissen Sinn „von jenseits“ und „von oben her“ alles, was „von innen“ der Zeit, der Veränderung und dem nicht Notwendigen unterworfen ist. Hier kommen uns die Worte des hl. Paulus vor dem Areopag in Athen in den Sinn: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). Wir sagen „von außen“, um mit diesem bildhaften Ausdruck die Transzendenz Gottes über die Dinge und die der Ewigkeit über die Zeit zu bezeichnen, auch wenn wir wissen und erneut bekräftigen, daß Gott jenes Sein ist, das dem Sein der Dinge und somit auch der Zeit innewohnt, die wie ein Aufeinanderfolgen von Augenblicken ist, von denen aber keiner außerhalb des ewigen Umfaßtseins durch Gott liegt. Der Text des I. Vatikanums drückt den Glauben der Kirche an den lebendigen, wahren und ewigen Gott aus. Er ist ewig als absolute Fülle des Seins, die - wie die angeführten Bibeltexte klar aussagen - nicht als eine Summe von Bruchstücken oder „Teilchen“ des Seins verstanden werden darf, die sich im Laufe der Zeit verändern. Die absolute Fülle des Seins kann nur als Ewigkeit verstanden werden, d. h. als der totale und unteilbare Besitz jenes Seins, das das Leben Gottes selbst ausmacht. In diesem Sinne ist Gott ewig: ein „Nunc“, ein subsistierendes „Jetzt“, das kein Werden kennt und dessen Seinsweise sich wesentlich von jener der Geschöpfe unterscheidet, die „der Zufälligkeit unterworfene“ Wesen sind. <63> <63> Daher also ist der lebendige Gott, der sich selbst geoffenbart hat, der ewige Gott. Treffender sagen wir, daß Gott die Ewigkeit selbst ist. Die vollkommene Einfachheit des göttlichen Seins (omnino simplex) verlangt eine solche Ausdrucksweise. Wenn wir in unserer menschlichen Sprache sagen: „Gott ist ewig“, nennen wir eine Eigenschaft des göttlichen Seins. Und da sich jedes Attribut konkret nicht vom Wesen Gottes selbst unterscheidet (während sich die menschlichen Eigenschaften von dem Menschen, der sie besitzt, sehr wohl unterscheiden), wollen wir mit der Aussage „Gott ist ewig“ bekräftigen: „Gott ist die Ewigkeit.“ Diese Ewigkeit ist für uns, die wir dem Raum und der Zeit unterworfen sind, unbegreiflich wie das göttliche Sein; sie läßt uns jedoch auch unter diesem Gesichtspunkt die unendliche Größe und Majestät des göttlichen Seins erfassen, während uns der Gedanke mit Freude erfüllt, daß dieses 185 A UDIENZEN UND ANGELUS ewige Sein alles in sich schließt, was geschaffen und nicht notwendig ist, auch unser kleines Sein, jede unserer Handlungen, jeden Augenblick unseres Lebens. „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir.“ In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Im ersten Satz des Credo bekennen wir unseren Glauben „an den einen Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde“. Diese Worte enthalten die Glaubenswahrheit, die Gott selbst über sich geoffenbart hat. Die Kirche hat sie später durch theologische Reflexion noch vertieft und weiterentfaltet. So bekennt das I. Vatikanische Konzil von Gott, dem Schöpfer, nicht nur, daß er allmächtig ist, sondern auch „ewig, unermeßlich, unbegreiflich und unendlich ... in jeder Vollkommenheit“. Als geistige Substanz, als reiner Geist, ist er wirklich und wesentlich verschieden von der Welt. Dieses Konzil bestätigt somit die Unmöglichkeit, Gott adäquat beschreiben zu können; es beschränkt sich aber auch nicht auf nur negative Aussagen. So lehrt es positiv, daß Gott unabhängig und außerhalb von Zeit und Welt existiert, also ein ewiger Gott ist. Auch diese Wahrheit ist in vielen Stellen der Heiligen Schrift ausgesagt; so im Buch Jesus Sirach: „Der Herr, der in Ewigkeit lebt, hat alles insgesamt erschaffen“ (18,1). Im Psalm 102 beten wir: „Vorzeiten hast du der Erde Grund gelegt, die Himmel sind das Werk deiner Hände. Sie werden vergehen, du aber bleibst . . . Du bleibst, der du bist, und deine Jahre enden nie“ (26-28). Die Theologen sprechen daran anschließend von Gott als dem subsistierenden Sein, dem Sein schlechthin, das notwendig und ewig ist. Gott ist die absolute Fülle des Seins, das keinen Anfang und kein Ende haben kann. Er ist außerhalb von Raum und Zeit, ein ewiges „Jetzt“, das alles, was ist, in einer gewissen Weise in sich schließt. Der hl. Paulus sagt von uns, daß wir in ihm leben, uns in ihm bewegen und in ihm sind (vgl. Apg 17,28). Gott ist nicht nur ewig, sondern ist selbst die Ewigkeit. Herzlich grüße ich bei der heutigen Audienz alle Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz; unter ihnen besonders die Gruppe von Priestern aus der Diözese Regensburg sowie die der Barmherzigen Schwestern aus Augsburg. Einen weiteren Willkommensgruß richte ich an die Teilnehmer der Romwallfahrt der Erzdiözese München und Freising und der Diözese Passau wie auch an die große Pilgergruppe der Katholischen Männerbewegung aus Graz. Euch und allen Audienz- 186 AUDIENZEN UND ANGELUS teilnehmern wünsche ich einen frohen und auch geistig fruchtbaren Aufenthalt in der Ewigen Stadt und erteile euch von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. „Rettet den ungeborenen Menschen!“ Vor dem Angelus am 8. September Liebe Brüder und Schwestern! Wenn wir jetzt, verbunden mit vielen Gläubigen in aller Welt, den „Engel des Herrn“ beten, so hat dieses marianische Gebet am heutigen Tag eine besondere Bedeutung. Der 8. September ist im liturgischen Kalender der Kirche das Fest der Geburt Marias, genau neun Monate nach dem Hochfest der Unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter am 8. Dezember. In der Festlegung dieser beiden Feiertage ist die Kirche dem natürlichen Zeitgesetz einer menschlichen Schwangerschaft gefolgt. Diese neun Monate in der Entwicklung eines Menschen im Mutterleib sind so in besonderer Weise geehrt und geheiligt. Das werdende menschliche Leben im Mutterschoß, entstanden durch die Schöpermacht Gottes im geheimnisvollen Zusammenwirken mit der lebenspendenden Kraft von Mann und Frau, ist vom ersten Augenblick der Empfängnis an ein besonders schützenswertes Gut. Auch die Mutter selbst, die unter dem Herzen das aufkeimende und sich entwickelnde Menschenkind trägt, verdient in hohem Maße Achtung, Ehrfurcht und Anerkennung. So rufe ich am heutigen Geburtsfest Mariens ganz besonders dazu auf, das werdende Kind im Mutterleib als vollwertigen Menschen anzuerkennen und einer werdenen Mutter mit Respekt und Wertschätzung; Liebe und Feinfühligkeit zu begegnen. Sagt ja zum menschlichen Leben in all seinen Phasen! Ihr setzt euch zu Recht ein für die Gesunderhaltung der Umwelt, der Pflanzen und der Tiere! Sagt noch viel entschiedener ja zum menschlichen Leben, das in der Rangordnung der Kreatur weit über allen geschaffenen Wirklichkeiten der sichtbaren Welt steht! Rettet den ungeborenen Menschen vor der Bedrohung durch den geborenen Menschen, der sich anmaßt, das Leben eines Kindes im Mutterschoß antasten und töten zu dürfen! Die große Freude, die wir als Glaubende über die Geburt der Gottesmut- 187 AUDIENZEN UND ANGELUS ter empfinden und heute festlich zum Ausdruck bringen, enthält für uns alle zugleich einen hohen Anspruch: „Wir sollten uns grundsätzlich freuen, wenn im Schoß einer Mutter ein Kind entsteht und wenn es das Licht der Welt erblickt. Auch wenn die Geburt eines Kindes bisweilen Härten, Verzichte, Einschränkungen und Belastungen mit sich bringen kann, so sollte sich dieses doch immer angenommen und in der Liebe seiner Eltern geborgen fühlen. Der verantwortungsbewußte und vor allem der gläubige Mensch wird in schwierigen Situationen - auch mit Hilfe anderer - meist eine menschenwürdige Lösung finden können. Er wird im Bewältigen solcher Probleme sogar selber reifen und einen klaren Blick für Wert und Würde, für Sinn und Ziel des menschlichen Lebens gewinnen. Maria, die Morgenröte des Heiles, die uns Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, geboren hat, vermittle durch ihr mütterliches Leuchten diesen klaren Blick, den die Menschen in der heutigen Welt so sehr nötig haben. Ihr Geburtsfest ist für uns ein Fest des Lebens. Im Vertrauen auf ihre Fürsprache beten wir nun den „Engel des Herrn“. Gott, unendlich vollkommener Geist Ansprache bei der Generalaudienz am 11. September 1. „Gott ist Geist“: Diese Worte hat unser Herr Jesus Christus im Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen in Sychar gesprochen. Im Licht dieser Worte wollen wir in der heutigen Katechese die Auslegung der ersten Wahrheit des Glaubensbekenntnisses fortsetzen: „Ich glaube an Gott.“ Dabei beziehen wir uns im besonderen auf die Lehre des 1. Vatikanischen Konzils in der Konstitution Deifilius, wo es im 1. Kapitel heißt: „Gott, der Schöpfer aller Dinge.“ Dieser Gott, der sich selbst geoffenbart hat, indem er „durch die Propheten und zuletzt durch den Sohn gesprochen hat“ (Hebrl,\), unterscheidet sich als Schöpfer der Welt, die er geschaffen hat. Er ist die Ewigkeit, wie wir in unserer vorhergehenden Katechese dargelegt haben, während alles Erschaffene der Zeit unterworfen ist und nicht notwendig existiert. <64> <64> Da der Gott unseres Glaubens Ewigkeit ist, ist er die Fülle des Lebens und unterscheidet sich als solche von allem, was in der sichtbaren Welt 188 AUDIENZEN UND ANGELUS lebt. Es handelt sich um ein „Leben“, das im höchsten Sinn des Wortes verstanden wird, wenn es sich auf Gott bezieht, der Geist, reiner Geist, und, wie das I. Vatikanum lehrt, auch unermeßlich und unsichtbar ist. An ihm finden wir nichts, was nach den Kriterien der geschaffenen und sichtbaren Welt und der Zeit, die den Fluß des menschlichen Lebens kennzeichnet, meßbar wäre, denn Gott steht über der Materie, er ist absolut immateriell. Doch die Geistigkeit des göttlichen Seins beschränkt sich nicht auf das, zu dem wir auf dem Weg der Negation gelangen können: Also nur auf die Unkörperlichkeit. Auf dem bejahenden Weg erkennen wir nämlich, daß die Geistigkeit eine Eigenschaft des göttlichen Seins ist, wenn Jesus von Nazaret der Samariterin antwortet: „Gott ist Geist“ (Joh 4,24). 3. Der Konzilstext des I. Vatikanums, auf den wir uns beziehen, bestätigt die Lehre über Gott, die die Kirche bekennt und verkündet, mit zwei grundlegenden Aussagen: „Gott ist eine einzige geistige Substanz, völlig einfach und unveränderlich“, und: „Gott ist unendlich an Verstand, Willen und jeder Vollkommenheit.“ Die von der Offenbarung überlieferte Lehre von der Geistigkeit des göttlichen Seins ist in diesem Text ganz klar in der „Terminologie des Seins“ formuliert. Das wird an der Formulierung „geistige Substanz“ deutlich. Das zeigt sich in dem Ausdruck „geistige Substanz“. Denn das Wort „Substanz“ gehört in die Sprache der Philosophie vom Sein. Der Konzilstext will mit diesem Satz aussagen, daß Gott, der sich durch sein Wesen von der ganzen geschaffenen Welt unterscheidet, nicht nur das subsistierende Sein, sondern als solches auch subsistierender Geist ist. Das göttliche Sein ist seinem Wesen nach absolut geistig. 4. Geistigkeit bedeutet Verstand und freien Willen. Gott ist in unendlichem Maß Verstand, Wille und Freiheit, so wie er auch unendlich und in jeder Hinsicht vollkommen ist. Diese Wahrheit über Gott findet vielfältige Bestätigung in den Aussagen der Offenbarung, die wir in der Heiligen Schrift und in der Überlieferung vor uns haben. Hier gehen wir nur auf einige der Bibelzitate ein, die die unendlich vollkommene Intelligenz des göttlichen Seins hervorheben. Der unendlich vollkommenen Freiheit und dem ebenso unendlich vollkommenen Willen Gottes werden wir die Katechesen der folgenden Wochen widmen. Da kommt uns vor allem der großartige Ausruf des hl. Paulus im Römerbrief in den Sinn: „O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkennt- 189 AUDIENZEN UND ANGELUS nis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforsch-lich seine Wege! Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt?“ (Röm 11,33-34). „Unermeßlich ist Gottes Weisheit“ Die Worte des Apostels klingen wie ein mächtiges Echo der Lehre der Weisheitsbücher des Alten Testaments. „Unermeßlich ist seine (Gottes) Weisheit“, verkündet der 147. Psalm (Vers 5). Mit der Weisheit Gottes ist seine Größe verbunden: „Groß ist der Herr und hoch zu loben, seine Größe ist unerforschlich” (Ps 145,3). „Man kann nichts wegnehmen und nichts hinzutun, unmöglich ist es, die Wunder des Herrn zu ergründen. Ist der Mensch am Ende angelangt, steht er noch am Anfang; wenn er es aufgibt, ist er ratlos“ (Sir 43,27-28). Während die Verfasser der Weisheitsbücher von Gott in der dritten Person - „er“ - sprechen, geht der Prophet Jesaja zur ersten Person über: „Ich“. Er läßt Gott sagen, der ihn inspiriert: „So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken“ (Jes 55,9). 5. In den Gedanken Gottes und in seiner Erkenntnis und Weisheit kommt die unendliche Vollkommenheit seines Seins zum Ausdruck: durch seinen aboluten Intellekt überragt Gott auf unvergleichliche Weise alles, was außerhalb von ihm besteht. Kein Geschöpf und besonders kein Mensch kann diese Vollkommenheit leugnen. „Wer bist du denn, daß du als Mensch mit Gott rechten willst? Sagt etwa das Werk zu dem, der es geschaffen hat: Warum hast du mich so gemacht? Ist nicht vielmehr der Töpfer Herr über den Ton?“, fragt der hl. Paulus (Röm 9,20-21). Diese Denk- und Ausdrucksweise ist ein Erbe aus dem Alten Testament: Fragen und Antworten dieser Art finden sich bei Jesaja (vgl. Jes 29,15; 45,9-11) und im Buch Ijob (vgl. Ijob 2,9-10; 1,21). Das Buch Deutero-nonium wiederum verkündet: „Preist die Größe unseres Gottes! Er heißt: der Fels. Was er tut, gelingt, jeder Weg, den er geht, führt zum Recht. Er ist ein unbeirrbar treuer Gott, er ist gerecht und gerade“ (Dtn 32,3-4). Das Lob der unendlichen Vollkommenheit Gottes ist nicht nur Bekenntnis der Weisheit Gottes, sondern auch seiner Gerechtigkeit und Redlichkeit, also seiner ethischen Vollkommenheit. 190 AUDIENZEN UND ANGELUS Gut in der ganzen Fülle des Guten 6. In der Bergpredigt mahnt Jesus Christus: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ (Mt 5,48). Dieser Aufruf ist eine Einladung zu dem Bekenntnis: „Gott ist vollkommen! Er ist „unendlich vollkommen“ (I. Vatikanum, DS 3001). Die grenzenlose Vollkommenheit Gottes ist in der Lehre Jesu Christi stets gegenwärtig. Er, der zur Samariterin sagte: „Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Joh 4,24), hat sich in sehr bezeichnender Weise ausgedrückt, als er dem jungen Mann, der sich mit den Worten: „Guter Meister . . .“ an ihn wandte, antwortete: „Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen“ (Mk 10,17-18). 7. Gott allein ist gut und besitzt die unendliche Vollkommenheit des Guten. Gott ist die Fülle alles Guten. So wie er die ganze Fülle des Seins ist, ist er gut in der ganzen Fülle des Guten. Diese Fülle des Guten entspricht der unendlichen Vollkommenheit seines Willens, so wie der unendlichen Vollkommenheit seines Intellekts und seiner Intelligenz die in ihm vorhandene absolute Fülle der Wahrheit entspricht, die als solche von seinem Intellekt als mit seinem Erkennen und seinem Sein identisch wahrgenommen wird. Gott ist unendlich vollkommener Geist, durch den diejenigen, die ihn erkannt haben, zu seinen wahren Anbetern werden: Sie beten ihn an im Geist und in der Wahrheit. Gott, dieses unendlich Gute, das absolute Fülle der Wahrheit ist, „diffu-sivum sui“ (Mitteilung seiner selbst) (Sumtima Theol. I, q. 5, a 4, ad 2). Auch dadurch hat Gott sich geoffenbart: Die Offenbarung ist das Gute selbst, das sich als Wahrheit mitteilt. Dieser Gott, der sich selbst geoffenbart hat, will sich auf unaussprechliche und unvergleichliche Weise mittei-len, ja hingeben! Das ist der Gott des Bundes und der Gnade. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern!- Auch mit euch möchte ich heute für einige Momente die Frage bedenken: „Wer ist Gott?“ Hierauf antwortet der Evangelist Johannes: „Gott ist Geist“ (Joh 4,24). Wenn Gott Geist ist, dann unterscheidet er sich grundsätzlich von allem, was materiell ist: Er hat keine Länge und Breite; er ist nicht der Zeit unterworfen, nicht an einen bestimmten irdischen Ort gebunden. In diesem Sinne ist er völlig anders als jede menschliche Person. 191 AUDIENZEN UND ANGELUS Aber auch der Mensch hat Anteil an der geistigen Welt, wenn auch nur im begrenzten Maß eines Geschöpfes. Zu dieser geistigen Welt gehört das Denken, das Wollen, das Gerechtsein, das Gutsein. Wenn wir nun sagen dürfen, daß Gott Geist ist, dann dürfen wir auch von ihm sagen, daß er auf seine göttliche, unendliche Art Verstand und Weisheit ist, daß er Wille und Gerechtigkeit ist. An ungezählten Stellen spricht die Heilige Schrift von diesen unendlichen Eigenschaften Gottes und fordert uns dabei auf, den Unterschied des göttlichen Denkens, Wollens und Gutseins von unserem so schwachen und gebrochenen Denken und Wollen zuzugeben und Gott als den rechtmäßigen und zugleich liebenden Herrn und Vater unseres Lebens anzuerkennen. Paulus schreibt dazu im Römerbrief: „O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege. Denn wer hat die Gedanken des Herrn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen?“ (ll,33f.). Das Erste Vatikanische Konzil hat diese Glaubenswahrheit knapp zusammengefaßt und mit folgenden Worten bleibend definiert: Gott ist „eine einzigartige, ganz und gar einfache geistige Substanz“; er ist „unendlich reich an Verstand, Willen und jeglicher Vollkommenheit“ (DS 1782). Indem ich euch diese Gedanken zur weiteren Vertiefung in eurem Denken und Beten anvertraue, erbitte ich Gottes reichen Segen für alle deutschsprachigen Besucher, heute vor allem für die Pilger der Trierer Kirchenzeitung mit ihrem Weihbischof Kleinermeilert. Der Herr schenke euch allen einen fruchtbaren Aufenthalt in der Ewigen Stadt. Gelobt sei Jesus Christus! Unter dem Kreuz stand die Mutter Vor dem Angelus am 15. September 1. „Herz Jesu, in dem die ganze Fülle der Gottheit wohnt.“ Seit dem Monat Juni schöpfen wir in unserem Angelus-Gebet im Verlauf dieses Sommers an den Sonntagen aus der Herz-Jesu-Litanei Motive zur Betrachtung. Wir halten bei den einzelnen Anrufungen inne und meditieren über den großen Reichtum des Inhalts, den sie in sich bergen. Das ist eine Quelle 192 AUDIENZEN UND ANGELUS der Inspiration für unser Innenleben: für unser Verhältnis zum Geheimnis Jesu Christi. 2. Gestern hat sich durch das Fest der Kreuzerhöhung die ganze Kirche erneut diesem Herzen geöffnet, in dem „die ganze Fülle der Gottheit wohnt.“ Das Geheimnis Christi, des Gottmenschen, wird besonders beredt, wenn wir auf das Kreuz blicken: Ecce homo! Seht, welch ein Mensch! Seht den Gekreuzigten! Seht diesen völlig entblößten Menschen! Den „wegen unserer Missetaten zerschlagenen“ Menschen! Den „mit Schmach gesättigten“ Menschen! Und zugleich: Seht den Gottmenschen! In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit. Eines Wesens mit dem Vater! Gott von Gott! Licht vom Licht! Gezeugt, nicht geschaffen. Das ewige Wort. In seiner Göttlichkeit eins mit dem Vater und mit dem Heiligen Geist. 3. Als der Soldat auf Golgota mit seiner Lanze den Gekreuzigten durchbohrte, floß aus dessen Seite Blut und Wasser. Das ist das Zeichen des Todes. Das Zeichen des menschlichen Todes des unsterblichen Gottes. 4. Zu Füßen des Kreuzes stand die Mutter. Die Schmerzensmutter. Ihrer gedenken wir am Tag nach der Kreuzerhöhung. Als die Seite Christi von der Lanze des Soldaten durchbohrt wurde, erfüllte sich an ihr die Prophezeiung des Simeon: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,35). Die Worte des Propheten sind eine Vorankündigung der endgültigen Verbindung der Herzen: des Sohnes und der Mutter; der Mutter und des Sohnes. „Herz Jesu, in dem die ganze Fülle der Gottheit wohnt.“ Herz Mariens - Herz der Schmerzensreichen Jungfrau - Herz der Gottesmutter. Möge sich unser heutiger „Engel des Herrn“ mit jenem wunderbaren Band der Herzen vereinen! Nach dem Angelus richtete der Papst Grußworte an verschiedene Pilgergruppen; in deutscher Sprache sagte er: Von Herzen grüße ich auch die Besucher deutscher Sprache, die sich am heutigen Sonntag unserem marianischen Mittagsgebet angeschlossen haben. Ja, der Tag des Herrn muß uns in besonderer Weise als betende Menschen sehen. Das Gebet der Gläubigen gibt dem Sonntag letztlich seinen tiefsten Sinn und seine öffentliche Berechtigung. Gott sei für euch und für eure Familien Schutz und Führung! 193 AUDIENZEN UND ANGELUS Gottes Allwissenheit und Allgegenwart Ansprache bei der Generalaudienz am 18. September 1. „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde . . Gott, der sich selbst geoffenbart hat, der Gott unseres Glaubens, ist unendlich vollkommener Geist. Darüber haben wir in der vorigen Katechese gesprochen. Als unendlich vollkommener Geist ist er die absolute Fülle der Wahrheit und des Guten und will sich verschenken. Denn das Gute verströmt sich: „Bonum est diffusivum sui“ {Summa Theol, I, q.5 a.4, ad 2). Diese Wahrheit über Gott, der als unendliche Fülle des Guten gesehen wird, findet in gewissem Sinne in den Glaubensbekenntnissen Aufnahme durch die Aussage, daß Gott der Schöpfer des Himmels und der Erde, aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge sei. Auch wenn wir uns mit der Wahrheit über die Schöpfung erst etwas später beschäftigen werden, ist es angebracht, daß wir im Licht der Offenbarung das vertiefen, was an Gott dem Geheimnis der Schöpfung entspricht. „Für Gott ist nichts unmöglich“ 2. Gott, den die Kirche als allmächtig bekennt („Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen“), ist als unendlich vollkommener Geist auch allwissend, d. h., er durchdringt alles mit seinem Wissen. Dieser allmächtige und allwissende Gott besitzt die Macht zu erschaffen aus dem Nicht-Sein, aus dem Nichts ins Dasein zu rufen. „Ist beim Herrn etwas unmöglich?“, lesen wir in der Genesis 18,14. „Du bist immer imstande, deine große Macht zu entfalten. Wer könnte der Kraft deines Armes widerstehen?“ verkündet das Buch der Weisheit {Weish 11,21). Denselben Glauben bekennt das Buch Ester mit den Worten: „Herr, Herr, König, du Herrscher über alles! Deiner Macht ist das All unterworfen, und niemand kann sich dir widersetzen“ {Est 4,17 b). „Für Gott ist nichts unmöglich“ {Lk 1,37), wird der Erzengel Gabriel bei der Verkündigung zu Maria von Nazaret sagen. <65> <65> Gott, der sich selbst durch den Mund der Propheten offenbart, ist allmächtig. Diese Wahrheit durchdringt zutiefst die ganze Offenbarung von den ersten Worten der Genesis an: „Gott sprach: Es werde . . .“ {Gen 1,3). Der Schöpfungsakt erweist sich als das allmächtige Wort 194 AUDIENZEN UND ANGELUS Gottes: „Der Herr sprach, und sogleich geschah es . . (ft 33,9). Indem er alles aus dem Nichts, das Sein aus dem Nicht-Sein erschafft, offenbart sich Gott als unendliche Fülle des Guten, das sich verströmt. Er, der ist, das subsistierende Sein, das unendlich vollkommene Sein, verschenkt sich gewissermaßen in diesem „Ist“, indem er den sichtbaren und unsichtbaren Kosmos ins Dasein ruft: die geschaffene Welt. Indem er die Dinge erschafft, setzt er den Anfang der Geschichte des Universums; indem er den Menschen als Mann und Frau erschafft, setzt er den Anfang der Geschichte der Menschheit. Als Schöpfer ist er somit der Herr der Geschichte. „Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen“ (1 Kor 12,6). 4. Der Gott, der sich selbst als Schöpfer und damit als Herr der Geschichte der Welt und des Menschen offenbart, ist der allmächtige Gott, der lebendige Gott. . . „Die Kirche glaubt und bekennt, daß es einen einzigen lebendigen und wahren Gott gibt, den allmächtigen Schöpfer und Herrn des Himmels und der Erde“, formuliert das I. Vatikanum (DS 3001). Dieser Gott, unendlich vollkommener und allwissender Geist, ist absolut frei und souverän auch in bezug auf den Schöpfungsakt. Wenn er der Herr all dessen ist, was er erschafft, ist er vor allem Herr des eigenen Willens beim Schöpfungswerk. Er erschafft, weil er erschaffen will. Er erschafft, weil das seiner unendlichen Weisheit entspricht. Als Schöpfer handelt er mit der unerforschlichen Fülle seiner Freiheit aus ewiger Liebe. 5. Der bereits mehrmals zitierte Text der Konstitution Dei filius des I. Vatikanums unterstreicht die absolute Freiheit Gottes bei der Schöpfung und in jeder seiner Handlungen. Gott ist „in sich und aus sich selbst unendlich glücklich”, er besitzt in sich und aus sich selbst die ganze Fülle des Guten und der Glückseligkeit. Wenn er die Welt ins Dasein ruft, tut er das nicht, um das Gute, das er ist, zu ergänzen oder zu vervollständigen, sondern allein und ausschließlich dazu, um der Welt der unsichtbaren und sichtbaren Geschöpfe das Gut eines vielgestaltigen Daseins zu schenken. Es handelt sich um eine vielfältige und verschiedenartige Teilhabe an dem einen, unendlichen, ewigen Guten, das mit dem Sein Gottes selbst zusammenfällt. Unabhängig vom geschaffenen Universum Auf diese Weise bleibt der im Schöpfungswerk absolut freie und souveräne Gott grundlegend unabhängig von dem geschaffenen Universum. 195 AUDIENZEN UND ANGELUS Das heißt aber keineswegs, daß er den Geschöpfen gegenüber indifferent bleibe; vielmehr führt er sie als ewige Weisheit, Liebe und allmächtige Vorsehung. 6. Die Heilige Schrift hebt besonders hervor, daß Gott bei diesem Werk allein ist. Der Prophet Jesaja sagt: „Ich bin der Herr, der alles bewirkt, der ganz allein den Himmel ausgespannt hat, der die Erde gegründet hat aus eigener Kraft“ (Jes 44 24). In der „Einsamkeit“ Gottes beim Schöpfungswerk zeichnet sich seine souveräne Freiheit und seine väterliche Allmacht ab. „Er ist der Gott, der die Erde geformt und gemacht hat, er ist es, der sie erhält; er hat sie nicht als Wüste geschaffen, sondern hat sie bewohnbar gemacht“ (Jes 45,18). Im Licht der Selbstoffenbarung Gottes, der „durch die Propheten und zuletzt durch den Sohn gesprochen hat“ (Hebr 1,1-2), bekennt die Kirche von Beginn an ihren Glauben an „den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt“. Dieser allmächtige Gott ist zugleich allwissend und allgegenwärtig. Besser noch sollte man sagen, daß Gott als unendlich vollkommener Geist gleichzeitig die Allmacht, die Allwissenheit und die Allgegenwart selbst ist. In der Geschichte der Menschheit gegenwärtig 7. Gott ist zuerst und vor allem sich selbst gegenwärtig: in seiner dreieinigen Gottheit. Er ist auch im Universum, das er geschaffen hat, gegenwärtig; er ist das infolge des Schöpfungswerkes durch die Schöpfungsmacht (per potentiam), in der sein transzendentes Wesen selber gegenwärtig ist (per essentiam). Diese Gegenwart überragt die Welt, durchdringt sie und erhält sie im Dasein. Dasselbe läßt sich von der Gegenwart Gottes durch sein Wissen sagen als unendlicher Blick, der alles sieht, durchdringt und erforscht (per visionem, oder per scientiam). Schließlich ist Gott in besonderer Weise in der Geschichte der Menschheit gegenwärtig, die zugleich Heilsgeschichte ist. (Wenn wir so sagen dürfen, ist die „persönlichste“ Gegenwart Gottes seine Gegenwart durch die Gnade, deren Fülle die Menschheit in Jesus Christus empfangen hat; vgl. Joh 1,16-17). Von diesem letzten Geheimnis des Glaubens wollen wir in einer unserer nächsten Katechesen sprechen. <66> <66> „Herr, du hast mich erforscht und du kennst mich . . .“ (Ps 139,1). Während wir die inspirierten Worte des Psalms wiederholen, bekennen 196 AUDIENZEN UND ANGELUS wir gemeinsam mit dem ganzen in allen Teilen der Welt anwesenden Volk Gottes den Glauben an die Allmacht, Allwissenheit und Allgegenwart Gottes, der unser Schöpfer, Vater und unsere Vorsehung ist! „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Eine der tiefsten Fragen, wie nur der Mensch sie stellen kann, lautet zu allen Zeiten: „Wer ist Gott?“ Wir Christen geben darauf Antwort mit den ersten Worten unseres Glaubensbekenntnisses: „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.“ Gott ist unendlich vollkommen in der ganzen Fülle des Seins, so vollkommen, daß er es sogar gleichsam wagen kann, sich zu verschenken: Er ruft eine Schöpfung aus dem Nichts ins Dasein, eine Schöpfung natürlich von nichtgöttlichen, begrenzten Dingen. Gott hat alle Voraussetzungen für eine solche Schöpfung: Wir bekennen ihn als allmächtig und allwissend. Die Heilige Schrift sieht Gottes schöpferische Kraft in seinem allmächtigen Wort; in einem Psalm heißt es: „Der Herr sprach, und sogleich geschah es; er gebot, und alles war da“ (Ps 33,9). Indem er die Dinge erschafft und sie in die Zeitlichkeit sendet, setzt er den Anfang der Geschichte des Universums; indem er den Menschen erschafft, setzt er den Anfang der Geschichte der Menschheit. So ist der Schöpfer zugleich der Herr der Geschichte seiner Schöpfung. In vollkommener göttlicher Freiheit bleibt Gott seiner Schöpfung zugewandt: Er ist allgegenwärtig und allwissend und umfaßt alles Seiende mit seiner Vaterliebe. So können wir zu Recht mit dem Psalm beten: „Herr, du hast mich erforscht, und du kennst mich“ (Ps 139,1). Mit dem ganzen Volk Gottes bekennen wir Gott als unseren Schöpfer und Vater, als unsere Vorsehung, oder mit den Worten der Apostelgeschichte: „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). Mit diesen Gedenken zum Fundament unseres Glaubens grüße ich alle Besucher aus den deutschsprachigen Ländern, aus Deutschland und Österreich, aus der Schweiz und aus Liechtenstein und erbitte euch die weise Führung Gottes für einen gesegneten Aufenthalt in der Ewigen Stadt. 197 AUDIENZEN UND ANGELUS Vertrauen auf Unsere Liebe Frau von Guadalupe An die Erdbebenkatastrophe von Mexiko erinnerte der Papst nach dem Angelus in Genua am Sonntag, 22. September Besonders nahe bin ich mit meinen Gedanken, meinem Herzen und meinem Gebet der Bevölkerung Mexikos und nehme innig teil an dem unermeßlichen Leid, das die Erdbebenkatastrophe verursacht hat. Ich erhebe zu Gott mein Fürbittgebet für alle Toten und bete auch um Beistand für die Verletzten und alle, die von dieser Tragödie betroffen sind: für die Angehörigen der Opfer, für alle, die obdachlos oder in ihrem Arbeits- und Tätigkeitsbereich betroffen sind. Der „Gott allen Trostes“ (2 Kor 1,3) sei in dieser schweren Stunde gemeinsamen Kreuzes jedem betrübten Herzen mit seiner Gnade nahe. Alle Leidenden vertraue ich in dieser Stunde der Madonna von Guadalupe an, die die Mexikaner so fromm verehren, wie ich selbst bei meinem Besuch dort feststellen konnte: Sie schenke ihren Trost, Hoffnung und vor allem die Kraft, sich wieder aufzurichten und voll Zuversicht und Beharrlichkeit das Zerstörte wiederaufzubauen. Darüber hinaus möchte ich zu jeder geeigneten Initiative ermutigen, die den erforderlichen Hilfsmaßnahmen entspricht, die in einem so tragischen Augenblick dringend an die menschliche Solidarität aller Völker und aller Nationen appellieren. Gott schenke jedem Menschenherzen und den Verantwortlichen der privaten und öffentlichen Hilfsorganisationen den Geist brüderlicher Liebe, der Hochherzigkeit, des Verlangens, den Leidenden zu helfen. Ich segne alle von Herzen und bete für alle. Der Gott des Bundes Ansprache bei der Generalaudienz am 25. September 1. In unseren Katechesen versuchen wir immer mehr auf die Frage zu antworten: Wer ist Gott? Es handelt sich um eine echte Antwort, weil sie sich auf das Wort der göttlichen Selbstoffenbarung gründet. Diese Antwort ist gekennzeichnet durch die Gewißheit des Glaubens, aber auch von der Überzeugung des vom Glauben erleuchteten Verstandes. Wir bezie- 198 AUDIENZEN UND ANGELUS hen uns in der Tat auf die Heilige Schrift, die Überlieferung und das Lehramt der Kirche, also auf ihre außergewöhnliche und gewöhnliche Lehrtätigkeit. 2. Wir kehren noch einmal an den Fuß des Berges Horeb zurück, wo Mose, während er die Schafe weidete, aus dem brennenden Dornbusch die Stimme hörte, die sprach: „Leg deine Schuhe ab, denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden!“ {Ex 3,5). Die Stimme fuhr fort: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ Es ist also der Gott der Väter, der Mose aussendet, sein Volk aus der ägyptischen Sklaverei zu befreien. Wir wissen, daß Mose, nachdem er diesen Auftrag empfangen hatte, Gott nach seinem Namen fragte. Er erhält zur Antwort: „Ich bin der ,Ich-bin-da‘.“ In der exegetischen, theologischen und lehramtlichen Tradition der Kirche, die auch von Paul VI. ins „Credo des Gottesvolkes“ (1968) auf genommen wurde, wird diese Antwort als Offenbarung Gottes als das „Sein“ ausgelegt. Aus der von Gott gegebenen Antwort: „Ich bin der ,Ich-bin-da“‘ kann man im Licht der Heilsgeschichte eine reichere und genauere Vorstellung von ihm herauslesen. Während er Mose kraft dieses Namens beauftragt, offenbart sich Gott-Jahwe vor allem als der Gott des Bundes: „Ich bin der ,Ich-bin-da‘ für euch“; „ich bin hier als der Gott, der für euch den Bund und das Heil will“, als der Gott, der euch liebt und rettet. Diese Interpretation stellt Gott als ein Sein vor, das Person ist und sich Personen, die er als solche behandelt, selbst offenbart. Gott ist bereits, als er die Welt erschuf, im gewissen Sinn aus seiner „Einsamkeit“ herausgetreten, um sich selbst mitzuteilen, indem er sich gegenüber den nach seinem Abbild und Gleichnis geschaffenen Menschen (vgl. Gen 1,26) öffnete. In der Offenbarung des Namens „Ich bin der ,Ich-bin-da“‘ (Jahwe) scheint vor allem die Wahrheit hervorzutreten, daß Gott das Sein als Person ist, das die Menschen kennt, sie liebt und an sich zieht, der Gott des Bundes. Gott, der die Menschen sucht 3. Im Gespräch mit Mose bereitet Gott einen neuen Abschnitt des Bundes mit den Menschen vor, einen neuen Abschnitt der Heilsgeschichte. Die Initiative des Gottes des Bundes ordnet tatsächlich die Heilsgeschichte durch zahlreiche Ereignisse, wie es im IV. Eucharisti-schen Hochgebet mit den Worten heißt: „Viele Male hast du den Menschen deinen Bund angeboten.“ 199 AUDIENZEN UND ANGELUS In dem Gespräch milt Mose am Fuß des Berges Horeb stellt sich Gott-Jahwe als „der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs“ vor, d. h. als der Gott, der bereits mit Abraham (vgl. Gen 17,1-14) und mit seinen Nachkommen, den Patriarchen, den Stammvätern des auserwählten Volkes, das zum Volk Gottes wurde, einen Bund geschlossen hatte. 4. Doch die Initiativen des Gottes des Bundes gehen noch in die Zeit vor Abraham zurück. Das Buch Genesis berichtet vom Bund mit Noach nach der Sintflut (vgl. Gen 9,1-17). Man kann auch vom Ur-Bund vor dem Sündenfall sprechen (vgl. Gen 2,15-17). Wir können feststellen, daß die Initiative des Gottes des Bundes von Anfang an die Geschichte des Menschen in die Perspektive der Heilsgeschichte stellt. Das Heil ist ewige Lebensgegemeinschaft mit Gott, deren Symbol im irdischen Paradies der „Baum des Lebens“ war (vgl. Gen 2,9). Jeder nach dem Sündenfall geschlossene Bund bekräftigt von seiten Gottes diesen gleichen Heilswillen. Der Gott des Bundes ist der Gott, der sich auf geheimnisvolle Weise an den Menschen „verschenkt“: der Gott der Offenbarung und der Gott der Gnade. Er gibt sich dem Menschen nicht nur zu erkennen, sondern er läßt ihn an seiner göttlichen Natur teilhaben (2 Petr 1,4). 5. Mit Jesus Christus erreicht der Bund seine endgültige Phase, er wird der „neue“ und „ewige Bund“ (Hebr 12,24; 13,20). Dies bezeugt die völlige Ursprünglichkeit jener Wahrheit über Gott, die wir im christlichen Credo bekennen. Im antiken Heidentum war die Gottheit eher Objekt der Sehnsucht des Menschen. Die Offenbarung des alten und noch mehr des Neuen Testaments zeigt uns Gott, der den Menschen sucht, der sich ihm nähert. Gott will den Bund mit den Menschen schließen: „Ich bin euer Gott, und ihr seid mein Volk“ {Lev 26,12). „Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein“ (2 Kor 6,16). 6. Der Bund ist so wie die Schöpfung eine völlig freie und souveräne Initiative Gottes. Er offenbart noch großartiger Bedeutung und Sinn der Schöpfung in der Tiefe von Gottes Freiheit. Weisheit und Liebe, die die überirdische Freiheit Gottes, des Schöpfers, leiten, treten noch stärker in der überirdischen Freiheit des Gottes des Bundes hervor. Gott bleibt transzendent 7. Es muß noch hinzugefügt werden, daß Gott, wenn er durch den Bund, besonders jenen vollen und endgültigen Bund in Jesus Christus, der Welt 200 AUDIENZEN UND ANGELUS gewissermaßen immanent wird, seine Transzendenz voll bewahrt. Der menschgewordene Gott und noch mehr der gekreuzigte Gott bleibt nicht nur unbegreiflich und unaussprechlich, sondern wird für uns sogar noch unbegreiflicher und unaussprechlicher, weil er sich als Gott unendlicher und unerforschlicher Liebe offenbart. 8. Wir wollen nicht Themen vorwegnehmen, die das Thema kommender Katechesen bilden werden. Kehren wir wieder zu Mose zurück. Die Offenbarung des Namens Gottes am Fuße des Berges Horeb bereitete jene Stufe des Bundes vor, den der Gott der Vöter mit seinem Volk am Sinai schließen wollte. In ihr wird ausdrücklich die monotheistische Bedeutung des auf den Bund gegründeten Glaubensbekenntnisses hervorgehoben: „Ich glaube an den einen Gott!“ Gott ist einer, ein einziger Gott. Dazu die Worte aus dem Buch Exodus: „Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten herausgeführt hat, aus dem Sklavenhaus. Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“(£x 20,2-3). Im Buch Deuteronomium finden wir die Grundformel des alttestamentlichen Glaubensbekenntnisses mit den Worten ausgedrückt: „Höre, Israel! Jahwe, unser Gott, Jahwe ist einzig“ (Dtn 6,4; vgl. Dtn 4,39-40). Jesaja sollte diesem monotheistischen Glaubensbekenntnis des Alten Testaments großartigen prophetischen Ausdruck geben: „Ihr seid meine Zeugen - Wort des Herrn - und auch mein Knecht, den ich erwählte, damit ihr erkennt und mir glaubt und einseht, daß ich da bin. Vor mir wurde kein Gott geschaffen, und auch nach mir wird es keinen anderen geben. Ich bin Jahwe, ich, und außer mir gibt es keinen Retter . . . Ihr seid meine Zeugen - Wort des Herrn. Ich allein bin Gott; auch künftig werde ich es sein“ {Jes 43,10-13). „Wendet euch mir zu und laßt euch erretten, ihr Menschen aus den fernsten Ländern der Erde; denn ich bin Gott und sonst niemand“ (Jes 45,22). Die Wahrheit über den einzigen Gott 9. Diese Wahrheit über den einen und einzigen Gott bildet die Grundaussage der beiden Testamente. Im Neuen Bund drückt das z. B. der hl. Paulus mit den Worten aus: „Ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ {Eph 4,6). Der gleiche Paulus bekämpfte den heidnischen Polytheismus (vgl. Röm 1,23; Gal 3,8) mit nicht geringerem Eifer, als das Alte Testament es getan hatte, und er verkündet mit ebensolcher Festigkeit, daß dieser einzige wahre Gott „der Gott aller ist, 201 AUDIENZEN UND ANGELUS der Beschnittenen wie der Unbeschnittenen, der Juden wie der Heiden“ (vgl. Röm 3,29-30). Die Offenbarung eines einzigen wahren Gottes, die dem auserwählten Volk Israel im Alten Bund gegeben wurde, war für die ganze Menschheit bestimmt, die im Monotheismus den Ausdruck der Überzeugung finden sollte, zu welcher der Mensch auch mit dem Licht der bloßen Vernunft gelangen kann: denn wenn Gott das vollkommene, unendliche, subsistierende Sein ist, kann er nur Einer sein. Im Neuen Bund ist durch Jesus Christus die im Alten Testament geoffenbarte Wahrheit zum Glauben der Universalkirche geworden, die bekennt: „Ich glaube an den einen Gott.“ In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die Kirche spricht im Glaubensbekenntnis: „Wir glauben an den einen Gott.“ Sie bekennt mit diesen Worten ihren Glauben an Gott, der sich in der Geschichte dem Menschen geoffenbart und sich ihm durch seine Nähe verbündet hat. In der Offenbarung seines Namens an Mose „Ich bin der ,Ich-bin-da“‘ scheint besonders jene Wahrheit auf, daß Gott Person ist, der erkennt, liebt und die Menschen zu sich ziehen will. Gott teilt sich dem Menschen mit, er ergreift die Initiative und geht auf den Menschen zu. Er lädt ihn zur Gemeinschaft ein und bietet ihm sein Heil an, das ein Leben ohne Ende mit Gott bedeutet. Der Gott des Bundes also, der sich dem Menschen in seiner Offenbarung auf geheimnisvolle Weise schenkt, will den Menschen an seiner Gottheit teilhaben lassen. Dieser Bund Gottes mit dem Menschen erreicht seinen endgültigen Ausdruck in Jesus Christus, dem Mittler des „neuen“ und „ewigen Bundes“ (Hebr 12,24; 13,20), in welchem Gott mit einer unendlichen und unergründlichen Liebe zu uns Menschen steht. Wenn die Kirche also ihren Glauben an den einen Gott bekennt, dann spricht sie mit diesen Worten auch ihren Glauben an jene Verheißung an das Gottesvolk aus, welche Paulus der jungen Christengemeinde in Korinth einschärfte und die der ganzen Kirche auch in unseren Tagen gilt: „Ich will unter ihnen wohnen und mit ihnen gehen. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein“ (2 Kor 6,16). Mit diesen kurzen Ausführungen zum Glaubensbekenntnis grüße ich alle deutschsprachigen Besucher, insbesondere die Pilgergruppen der „Katholischen Frauengemeinschaft“ aus der Erzdiözese Paderborn und der „Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln“ sowie die Kapitularen der Mariann- 202 AUDIENZEN UND ANGELUS hiller Missionare und den Vorstand und die Studenten des Priestersemi-nars „Georgianum“ in München. Ich wünsche euch allen frohe und bereichernde Tage in der Ewigen Stadt und erteile euch für eine gute Rückkehr in eure Heimat und auch euren Lieben daheim von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Zwanzig Jahre nach dem Konzil Vor dem Angelus am 29. September 1. Vor 20 Jahren war um diese Zeit die letzte Sitzungsperiode des II. Vatikanischen Konzils im Gange. In zwei Monaten, am Christkönigsfest, werde ich die Freude haben, die außerordentliche Bischofssynode zu eröffnen, die ich - wie ihr wißt - zum zwanzigsten Jahrestag des Abschlusses dieses großen kirchlichen Ereignisses einberufen habe. Zweck dieser Initiative ist, alle Glieder des Gottesvolkes zu einem immer vertiefteren Kennenlernen der Lehren des Konzils und einer immer getreueren Anwendung der Kriterien und Weisungen anzuspornen, die von dieser bedeutenden Versammlung ausgegangen sind. An den neun Sonntagen, die uns noch von der Synode trennen, möchte ich die Überlegungen und vor allem das Angelusgebet dieser mittäglichen Zusammenkünfte auf das Konzil ausrichten. 2. Die Vorsehung bestimmte, daß ich, als die Stunde des Konzils schlug, meine ersten Jahre im Bischofsamt erlebte, nachdem ich am 28. September 1958 die Bischofsweihe empfangen hatte. Ich hatte daher die einzigartige Gnade, an dem großen Ereignis teilzunehmen und meinen Beitrag zu seinen Arbeiten zu leisten. Auf diese Weise bildete das II. Vatikanische Konzil von den ersten Vorbereitungsschritten an - und nachfolgend in den verschiedenen Etappen seines Verlaufs wie schließlich in der Phase der Bemühungen um Anwendung - den Hintergrund, die Atmosphäre und den inspirierenden Mittelpunkt meines Denkens und Handelns als Bischof der geliebten Teilkirche, an die mich die Güte des Herrn berufen hatte. <67> <67> Wie ich in meiner Rundfunkbotschaft aus der Sixtinischen Kapelle am Tag nach der Übernahme des universalen Hirtenamtes erklärte, bleibt das 203 AUDIENZEN UND ANGELUS Konzil „ein Meilenstein und ein Ereignis von höchster Bedeutung in der 2000jährigen Geschichte der Kirche und infolgedessen in der religiösen Geschichte der Welt und der Menschheitsentwicklung“ (Botschaft Johannes Pauls II., 17. Oktober 1978, in: Wort und Weisung, III. Teil, S. 53). Mit dieser tiefen Überzeugung habe ich mir das Pontifikatsprogramm zu eigen gemacht, das von meinem geliebten Vorgänger Johannes Paul I. entworfen wurde, dessen erste Botschaft auch heute noch ihre ganze Kraft bewahrt: „Wir wollen das Erbe des II. Vatikanischen Konzils fortsetzen, dessen weise Richtlinien noch ganz zur Ausführung gelangen müssen; dabei müssen wir achtgeben, daß ein gutgemeinter, aber vielleicht unbedächtiger Anstoß nicht Inhalt und Bedeutung entstellt und demgegenüber hemmende und ängstliche Kräfte den großartigen Impuls zur lebendigen Erneuerung nicht zum Erliegen bringen“ (Rundfunkbotschaft an die Welt, 27. August 1978; in: Wort und Weisung, 1978, II. Teil, S. 37-38). Daß die kommende Synode die Inhalte und Bedeutungen des Konzils weiter erhellen und seinen Erneuerungs- und Lebensimpuls ermutigen möge, dafür erflehen wir inständig den Schutz Mariens, der Mutter der Kirche und Helferin der Christen. Nach dem Angelus sagte der Papst: Heute begehen wir auch das Fest der Erzengel Michael, Gabriel und Rafael, Führer der himmlischen Heerscharen, die in einigen Episoden der Heiligen Schrift erwähnt werden: - Michael bedeutet: „Wer ist wie Gott?“ Er wird uns in der Geheimen Offenbarung (12,7) vorgestellt, wie er die Mächte der Hölle bekämpft. - Gabriel heißt: „Kraft Gottes.“ Er wurde zur Jungfrau Maria entsandt, um ihr ihre Berufung zu verkünden, Mutter des Erlösers der Menschheit zu werden. - Rafael bedeutet: „Gott heilt.“ Er wurde nach dem Bericht der Bibel zu Tobias gesandt, um ihn von seiner Blindheit zu heilen. Die Liturgie lädt uns ein, diese drei Erzengel und unsere Schutzengel als Freunde und Hüter bei Gott zu betrachten. Sie schützen und geleiten uns auf dem Weg des christlichen Lebens. Noch einmal wiederholen möchte ich meinen Gruß an die Chorgemeinschaften, die mit ihrer Anwesenheit der heiligen Messe, die wir heute vormittag im Rahmen des Europäischen Jahres der Musik gefeiert haben, ein besonders festliches Gepräge verliehen haben. Ich danke für eure Teilnahme, liebe Mitglieder der Chorgemeinschaften, während ich den Wunsch ausspreche, daß euer Dienst stets ein Gebet sei, das den Lippen erlaubt, Gott in der Einheit von Geist und Herz zu loben, 204 AUDIENZEN UND ANGELUS indem es den innigsten und tiefsten religiösen Gefühlen des Menschen in harmonischer Weise Ausdruck gibt. Ich segne euch von ganzem Herzen. Mit banger Sorge verfolge ich die Nachrichten, die aus El Salvador eintreffen, wo die Tochter des Präsidenten der Republik, Ines Guadalupe Duarte, und ihre Sekretärin, Ana Cecilia Villeda, vor einiger Zeit von einer Gruppe bewaffneter Männer entführt worden sind. Noch weitere Personen derselben Nation - darunter einige Ortsbürgermeister - sind entführt worden. Während ich mein tiefes Bedauern über diese Gewaltakte, die auch in anderen mittelamerikanischen Ländern nicht selten sind, ausdrücke, wende ich mich mit meinem inständigen Gebet an Gott, damit er mit dem Trost seiner Gnade die Leiden der Opfer und ihrer Familien erleichtere und das Herz der Entführer rühre, indem er sie dahin bringt, ihr Vorhaben aufzugeben und die entführten Personen unverzüglich der Liebe ihrer Angehörigen zurückzugeben. Ein mächtiger und barmherziger Gott Ansprache bei der Generalaudienz am 2. Oktober 1. „Gott ist die Liebe . . .“: Diese Worte, die in einem der letzten Bücher des Neuen Testamentes, nämlich dem ersten Johnnesbrief (i Joh 4,16), stehen, bilden gleichsam den Schlußstein und die Krönung der Wahrheit über Gott, die sich durch zahlreiche Worte und viele Geschehnisse hindurch einen Weg gebahnt hat, um mit dem Kommen Christi und vor allem mit seinem Kreuz und seiner Auferstehung schließlich volle Glaubensgewißheit zu werden. In diesen Worten findet die Aussage Christi selbst einen treuen Widerhall: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ {Joh 3,16). Der Glaube der Kirche gipfelt in dieser letzten Wahrheit: Gott ist die Liebe! Er hat sich selbst im Kreuz und in der Auferstehung Christi endgültig als Liebe geoffenbart. „Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen. Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm“ {1 Joh 4,16). 205 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Die Wahrheit, daß Gott die Liebe ist, stellt gleichsam den Gipfel all dessen war, was „durch die Propheten und zuletzt durch den Sohn . . geoffenbart worden ist, wie es im Hebräerbrief heißt {Hebr 1,1). Diese Wahrheit erhellt den ganzen Inhalt der göttlichen Offenbarung und besonders die geoffenbarte Wirklichkeit der Schöpfung und des Bundes. Wenn die Schöpfung die Allmacht des Schöpfergottes offenbart, so erklärt sich die Ausübung der Allmacht endgültig durch die Liebe. Gott hat erschaffen, weil er es vermochte, weil er allmächtig ist; aber seine Allmacht wurde von der Weisheit geleitet und von der Liebe bewegt. Das ist das Schöpfungswerk. Das Werk der Erlösung ist noch beredter und bietet uns einen noch grundlegenderen Beweis: gegenüber dem Bösen, gegenüber der Sünde der Geschöpfe bleibt die Liebe als Ausdruck der Allmacht. Nur die allmächtige Liebe vermag das Gute aus dem Bösen hervorzuholen und das neue Leben aus Sünde und Tod. 3. Die Liebe als Macht, die Leben schenkt und mit Leben erfüllt, ist in der ganzen Offenbarung gegenwärtig. Der lebendige Gott, der Gott, der allen Lebenden Leben schenkt, ist der, von dem die Psalmen sagen: „Sie alle warten auf dich, daß du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit. Gibst du ihnen, dann sammeln sie ein; öffnest du deine Hand, werden sie satt an Gutem. Verbirgst du dein Gesicht, sind sie verstört; nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub der Erde“ (Ps 104,27-29). Das Bild ist der Schöpfung selbst entnommen. Wenn dieses Bild anthropomorphe Züge trägt (wie viele Texte der Heiligen Schrift), so ist dieser Anthropomorphismus in der Bibel begründet: Da der Mensch nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist, haben wir das Recht, von Gott „nach dem Bild und Gleichnis“ des Menschen zu sprechen. Anderseits verdunkelt dieser Anthropomorphismus nicht die Transzendenz Gottes: Gott wird nicht auf menschliche Dimensionen reduziert. Sämtliche Regeln der Analogie und der analogen Sprechweise sowie jene der Analogie des Glaubens werden gewahrt. 4. Im Bund gibt sich Gott den Menschen, allen voran dem von ihm auserwählten Volk zu erkennen. Einer fortschreitenden Pädagogik folgend, offenbart der Gott des Bundes die Eigenschaften seines Seins, die man seine Attribute zu nennen pflegt. Es sind das vor allem Eigenschaften moralischer Art, in denen sich schrittweise der Gott der Liebe enthüllt. Wenn sich Gott in der Tat vor allem im Sinaibund als Gesetzgeber, als höchste Quelle des Gesetzes, offenbart, findet diese gesetzgebende Autorität ihren vollen Ausdruck und ihre volle Bestätigung in den Eigenschaf- 206 AUDIENZEN UND ANGELUS ten des göttlichen Handelns, welche die Heilige Schrift uns kennenlehrt. Die inspirierten Bücher des Alten Testaments machen dies offenbar. So lesen wir zum Beispiel im Buch der Weisheit: „Deine Stärke ist die Grundlage deiner Gerechtigkeit, und deine Herrschaft über alles läßt dich gegen alles Nachsicht üben . . . Weil du über Stärke verfügst, richtest du in Milde und behandelst uns mit großer Nachsicht; denn die Macht steht dir zur Verfügung, wann immer du willst“ (Weish 12,16.18). Und weiter: „Keiner vermag seine Werke zu verkünden, und wer ergründet seine großen Taten?“ (Sir 18.4). Die Schriften des Alten Testaments betonen die Gerechtigkeit Gottes, aber auch seine Milde und sein Erbarmen. Sie unterstreichen besonders die Treue Gottes in dem Bund; diese Treue ist ein Aspekt seiner „Unwandelbarkeit“ (vgl. z. B. Ps 111,7-9; Jes 65,1-2; 16-19). Wenn vom Zorn Gottes die Rede ist, handelt es sich immer um den gerechten Zorn eines Gottes, der zudem „langmütig und reich an Gnade“ ist (Ps 145,8). Wenn sie schließlich - stets in der erwähnten anthropomor-phen Auffassung - die „Eifersucht“ des Gottes des Bundes gegenüber seinem Volk hervorheben, stellen sie das immer als ein Attribut der Liebe dar: „der leidenschaftliche Eifer des Herrn der Heere“ (Jes 9,6). Wir haben bereits früher gesagt, daß sich die Attribute Gottes nicht von seinem Seinswesen unterscheiden; es wäre daher zutreffender, nicht so sehr vom gerechten, treuen, weisen Gott zu sprechen als vielmehr von dem Gott, der Gerechtigkeit, Treue, Milde und Erbarmen ist - so wie der hl. Johannes geschrieben hat: „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,16). 5. Das Alte Testament bereitet mit der Fülle seiner Weisheitsbücher auf die endgültige Offenbarung Gottes als Liebe vor. In einem dieser Texte lesen wir: „Du erbarmst dich aller, weil du alles vermagst. . . Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehaßt, du hättest es nicht geschaffen. Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben, oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens“ ( Weish 11,23-26). Kann man denn nicht sagen, daß in diesen Worten des Buches der Weisheit durch das schöpferische „Sein“ Gottes bereits klar der Gott, der die Liebe ist (amor-caritas), durchscheint? Aber betrachten wir andere Texte, wie z. B. den des Buches Jona: „Denn ich wußte, daß du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langmütig und voll Güte, und daß deine Drohungen dich reuen“ {Jon 4,2). 207 AUDIENZEN UND ANGELUS Oder auch den Psalm 145: „Der Herr ist gnädig und barmherzig, langmütig und reich an Gnade. Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken“ (Ps 145,8-9). Je mehr wir in die Lektüre der Schriften der großen Propheten eindrin-gen, um so mehr enthüllt sich uns das Gesicht Gottes als des Gottes, der die Liebe ist. So spricht der Herr durch den Mund des Jeremia zum Volk Israel:„Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt“ (Jer 31,3). Und hier die Worte des Jesaja: „Zion sagt: Der Herr hat mich verlassen. Gott hat mich vergessen. Kann denn eine Frau ihr Kind vergessen, eine Mutter ihren eigenen Sohn? Und selbst wenn sie ihr Kind vergessen würde: Ich vergesse dich nicht“ (Jes 49,14-15). Wie bezeichnend ist doch in den Worten Gottes dieser Bezug zur mütterlichen Liebe: Die Barmherzigkeit Gottes gibt sich nicht nur durch die Väterlichkeit zu erkennen, sondern auch durch die unvergleichliche Zartheit der Mütterlichkeit. Hören wir noch einmal Jesaja: „Auch wenn die Berge von ihrem Platz weichen und die Hügel zu wanken beginnen -meine Gnade wird nie von dir weichen und der Bund meines Friedens nicht wanken, spricht der Herr, der Erbarmen hat mit dir“ (Jes 54,10). <68> <68> Diese wunderbare Vorbereitung, die von Gott in der Geschichte des Alten Bundes besonders mit Hilfe der Propheten getroffen wurde, wartete auf die endgültige Erfüllung. Und das endgültige Wort des Gottes, der die Liebe ist, kam mit Christus. Es ist nicht nur ausgesprochen, sondern im Ostermysterium des Kreuzes und der Auferstehung gelebt worden. Das verkündet der Apostel: „Gott aber, der voll Erbarmen ist, hat uns, die wir infolge unserer Sünden tot waren, in seiner großen Liebe, mit der er uns geliebt hat, zusammen mit Christus wieder lebendig gemacht. Aus Gnade seid ihr gerettet“ (Eph 2,4-5). Wahrhaft können wir also unserem Glaubensbekenntnis an Gott, den Vater, den Allmächtigen, Schöpfer des Himmels und der Erde“ tiefsten Ausdruck verleihen mit der großartigen Definition des hl. Johannes: „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,16). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,16). In dieser Aussage des ersten Johannesbriefes gipfelt der Glaube der Kirche an Gott, den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde. Diese Wahrheit ist bereits in der 208 AUDIENZEN UND ANGELUS Offenbarung des Alten Bundes andeutungsweise enthalten. Sie wird jedoch zur vollen Gewißheit mit dem Kommen Christi, mit seinem Kreuz und seiner Auferstehung: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt“, wie die Heilige Schrift sagt, „daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Gott hat sich den Menschen nur schrittweise geoffenbart. Er zeigt seine Liebe durch seine Allmacht in der Schöpfung als der lebendige Gott, der allen Lebewesen das Leben schenkt. Er offenbart im Handeln mit den Menschen seine Eigenschaften: Gerechtigkeit, die er aber mit Nachsicht übt; vor allem Milde und Erbarmen. So heißt es im Buch der Weisheit: „Du hast mit allen Erbarmen, weil du alles vermagst. . . Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast“ (Weish 11,23 ff.). Die Propheten lassen den Herrn sprechen: „Mit ewiger Liebe habe ich dich (Israel) geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt“ (Jer 31,3). „Auch wenn die Berge von ihrem Platz weichen . . ., meine Huld wird nie von dir weichen und der Bund meines Friedens nicht wanken“ (Jes 54,10). Mit einer Vielzahl solcher und ähnlicher Aussagen bereitet das Alte Testament die uns in Christus geschenkte und durch seinen Tod und durch seine Auferstehung bezeugte volle Offenbarung der Glaubenswahrheit vor, daß Gott die Liebe selber ist. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich herzlich alle Audienzteilnehmer aus den Ländern deutscher Sprache: aus Deutschland, Österreich und der Schweiz; vor allem die zahlreichen Jugendlichen von den verschiedenen Gymnasien. Ich danke euch für euer Kommen und wünsche euch einen lebendigen Glauben und ein frohes Bekenntnis zu Christus und seiner Kirche. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die anwesenden Chöre, unter ihnen die Singknaben der St.-Ursen-Kathedrale in Solothurn, wie auch an die Teilnehmer der Pilgerfahrt „Rom im Rollstuhl“ aus den Bistümern Basel, Chur, Sankt Gallen und Sitten. Letzteren bekunde ich meine aufrichtige Verbundenheit und Anteilnahme an ihrem Lebensschicksal. Ich erbitte euch Trost und Stärke, damit ihr euer schweres Los als überzeugte Christen zu tragen und für die Menschen und die Kirche fruchtbar zu machen versteht. Euch und allen deutschsprachigen Pilgern erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 209 A UDIEN ZEN UND ANGELUS Das Rosenkranzgebet der Synode widmen Vor dem Angelus am 6. Oktober 1. Der erste Inspirator des Konzils ist der Heilige Geist. Papst Johannes XXIII., der große Planer und erste Vater des Zweiten Vatikanischen Konzils, hatte diese Überzeugung tief in sich verwurzelt und brachte sie bei vielen Gelegenheiten zum Ausdruck. Das war der Gedanke, der ihn bis an die Schwelle der Ewigkeit beseelte. In seiner letzten Botschaft, die zu Beginn seiner Erkrankung aufgenommen und am Tag seines heiligmäßigen Todes in Westdeutschland über den Rundfunk ausgestrahlt wurde, war diese Überzeugung zum letzten Mal ausgesprochen: „Das Gelingen eines so großen Werkes erfordert die volle und einträchtige Zusammenarbeit aller Gläubigen; aber es darf niemals vergessen werden, daß das Ökumenische Konzil vor allem ein Werk des Heiligen Geistes ist, der gleichsam das Herz der Kirche und der stete Urheber und Spender ihres neu aufblühenden Frühlings ist“ (Discorsi di Giovanni XXIII, V, S. 274). 2. Wir alle, die wir an der ökumenischen Versammlung teilgenommen haben, konnten die mystische und wirksame Gegenwart des Heiligen Geistes spüren und haben daraus einen unaufhaltsamen Impuls zum Einsatz für die praktische Verwirklichung des Konzils geschöpft. Gestattet mir, daß ich mich auf einige Gedanken berufe, die ich damals meiner Krakauer Diözese gegenüber äußerte, nachdem ich den vier Sitzungsperioden des Konzils beigewohnt hatte: „Ein Bischof, der am II. Vatikanischen Konzil teilgenommen hat, fühlt sich diesem gegenüber als Schuldner. Das Konzil hat in der Tat... für alle, die daran teilgenommen und es zum Abschluß gebracht haben, eine einzigartige und unwiederholbare Bedeutung . . . Wir sind eine Verpflichtung gegenüber dem Heiligen Geist, gegenüber dem Geist Christi, eingegangen. Denn es ist der Geist, der zu den Kirchen spricht (vgl. Offb 2,7); während des Konzils und durch dieses ist sein Wort für die Kirche besonders deutlich und entscheidend geworden. Die Bischöfe, die Mitglieder des Bischofskollegiums, die von den Aposteln die von Christus im Abendmahlssaal ausgesprochene Verheißung als Erbe übernommen haben, sind angehalten, sich in besonderer Weise der ,mit dem Wort des Heiligen Geistes“ eingegangenen Verpflichtung bewußt zu sein, denn sie waren es, die das Wort Gottes in die menschliche Sprache übertrugen. Diese Ausdrucksweise mag, weil menschlich, unvollkommen und für 210 AUDIENZEN UND ANGELUS immer präzisere Formulierungen offen sein, doch gleichzeitig ist sie authentisch, weil sie eben das enthält, was der Geist in einem bestimmten geschichtlichen Augenblick ,der Kirche sagte“. Das Bewußtsein der Verpflichtung kommt also vom Glauben und vom Evangelium her, die es uns erlauben, das Wort Gottes in der Sprache des heutigen Menschen auszudrücken, indem wir sie an die Autorität des obersten Lehramtes der Kirche binden . . . Das Bewußtsein der Verpflichtung ... ist verbunden mit dem Verlangen, eine weitere Antwort zu geben. Der Glaube erfordert eine solche Antwort. Denn diese ist ihrem Wesen nach eine Antwort auf das Wort Gottes, auf das, was der Geist der Kirche sagt“ (K. Wojtyla, Alle fonti del Rinnovamento, L.E.V., S. 11—12). 3. Die außerordentliche Versammlung der Bischofssynode wird die Aufgabe haben, auf die Antwort, die von der Kirche im Lauf der 20 Jahre seit dem Abschluß des II. Vatikanums gegeben wurde, einzugehen. Ich lade alle, besonders die gottgeweihten Männer und Frauen und die christlichen Familien, herzlich ein, das Rosenkranzgebet in diesem Oktober den Arbeiten der bevorstehenden Synode zu widmen, die für die praktische Umsetzung dessen, was „der Geist der Kirche - durch das II. Vatikanum - sagte“, eine besondere Bedeutung haben werden. In dieser Meinung rufen wir jetzt Maria, die Königin der Apostel, an. „ Welches Gebot ist das erste?“ Ansprache bei der Generalaudienz am 9. Oktober 1. Die Kirche bekennt ihren Glauben an den einen Gott, der zugleich die Heiligste und unaussprechliche Dreifaltigkeit der Personen - Vater, Sohn und Heiliger Geist - ist. Die Kirche lebt aus dieser Wahrheit, die in den ältesten Glaubensbekenntnissen enthalten ist und die in unserer Zeit von Paul VI. anläßlich des 1900. Jubiläums des Märtyrertodes der hl. Apostel Petrus und Paulus (1968) im Glaubensbekenntnis wieder in Erinnerung gebracht wurde, das er als „Credo des Gottesvolkes“ vorgelegt hat und das allgemein bekannt ist. Allein „er, der sich uns zu erkennen geben wollte und der ,in unzugänglichem Licht wohnt (1 Tim 6,16), ist in sich selber über jeden Namen, über alle Dinge und über jede geschaffene Erkenntnis erhaben . . . und vermag 211 A UDI EN ZEN UND ANGELUS uns die richtige und volle Kenntnis von sich selbst zu geben, indem er sich uns als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart, an dessen ewigem Leben teilzuhaben wir durch seine Gnade berufen sind, hier unten in der Dunkelheit, des Glaubens und nach dem Tod im ewigen Licht. . (Insegnamenti di Paolo VI, vol. VI, 1968, S. 302-303). 2. Gott, der für uns unbegreiflich ist, hat sich selbst nicht nur als der eine Schöpfer und allmächtige Vater geoffenbart, sondern auch als Vater, Sohn und Heiliger Geist. In dieser Offenbarung enthüllt sich uns die Wahrheit über Gott, der die Liebe ist, in ihrer wesentlichen Quelle: Gott ist Liebe im inneren Leben einer einzigen Gottheit. Diese Liebe offenbart sich in einer unaussprechlichen Gemeinschaft von drei Personen. 3. Dieses tiefste Geheimnis - das Geheimnis vom innersten Leben Gottes selber - hat uns Jesus Christus geoffenbart: „Er, der am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18). Nach dem Matthäusevangelium waren die letzten Worte, mit denen Jesus Christus nach der Auferstehung seine Sendung auf Erden abschließt, an die Apostel gerichtet: „Geht zu allen Völkern . . ., tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ {Mt28,19). Diese Worte eröffne-ten die Sendung der Kirche, indem sie diese auf ihre grundlegende und wesentliche Aufgabe hinwiesen. Diese erste Aufgabe der Kirche ist Lehren und Taufen - und taufen heißt „eintauchen“ (darum wird mit Wasser getauft) in das Leben des dreieinigen Gottes. Jesus Christus schloß in diese letzten Worte all das ein, was er zuvor über Gott gelehrt hatte: über den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Er hatte tatsächlich von Anfang an die Wahrheit über den einen Gott verkündet, in Übereinstimmung mit der Überlieferung Israels. Auf die Frage: „Welches Gebot ist das erste von allen?“ hatte Jesus geantwortet: „Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr“ {Mk 12,29). Gleichzeitig wandte sich Jesus immer wieder an Gott als „seinen Vater“, wie er ihn nannte, bis er schließlich versicherte: „Ich und der Vater sind eins“ {Joh 10,30). Auf dieselbe Weise hatte er auch den „Geist der Wahrheit“ geoffenbart, „der vom Vater ausgeht“ und den - so hatte er versprochen - „ich euch vom Vater senden werde“ {Joh 15,26). 4. Die Worte über die Taufe „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“, die Jesus den Aposteln am Ende seiner Sendung auf Erden anvertraut hatte, haben eine besondere Bedeutung, denn sie 212 AUDIENZEN UND ANGELUS haben die Wahrheit über die Heiligste Dreifaltigkeit dadurch gefestigt, daß sie diese dem sakramentalen Leben der Kirche zugrunde legen. Das Glaubensleben aller Christen beginnt mit der Taufe, mit dem Eintauchen in das Geheimnis des lebendigen Gottes. Das beweisen die apostolischen Briefe, allen voran die des hl. Paulus. Unter den trinitarischen Formeln, die sie enthalten, ist die aus dem 2. Korintherbrief am bekanntesten und wird in der Liturgie immer wieder verwendet: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,13). Andere finden wir im 1. Korintherbrief; im Brief an die Epheser und auch im 1. Brief des hl. Petrus, am Beginn des 1. Kapitels (1 Petr 1,1-2). Dadurch hat das gesamte Gebetsleben der Kirche ein trinitarisches Bewußtsein und Gepräge angenommen: im Geist durch Christus zum Vater. 5. So hat der Glaube an den dreieinigen Gott von Anfang an in die Tradition des Lebens der Kirche und der Christen Einzug gehalten. Infolgedessen war und ist die gesamte Liturgie ihrem Wesen nach als Ausdruck des göttlichen Heilsplans trinitarisch. Zu betonen ist, daß zum Verständnis dieses höchsten Geheimnisses der Heiligsten Dreifaltigkeit der Glaube an die Erlösung, also an das Heilswerk Christi, beigetragen hat. Es bekundet die Sendung des Sohnes und des Heiligen Geistes, die innerhalb der ewigen Dreieinigkeit „vom Vater“ herkommen, indem es den in der Erlösung und in der Heiligung gegenwärtigen „trinitarischen Heilsplan“ offenbart. Die Heiligste Dreifaltigkeit wird vor allem durch die Heilslehre verkündet, das heißt durch die Kenntnis vom „Heilsplan“, den Christus in seiner messianischen Sendung verkündet und verwirklicht. Von dieser Kenntnis führt der Weg zur Kenntnis der „immanenten“ Trinität, des Geheimnisses des innersten Lebens Gottes. <69> <70> <71> <69> In diesem Sinne enthält das Neue Testament die Fülle der trinitari- schen Offenbarung. Gott, der sich in Jesus Christus offenbart, enthüllt, wer Gott für den Menschen, wer Gott in sich selber, also in seinem inneren Leben, ist. Die Wahrheit: „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,16), die im ersten Johannesbrief ausgesprochen ist, hat hier den Wert eines krönenden Schlußsteines. Wenn uns durch sie enthüllt wird, wer Gott für den Menschen ist, dann enthüllt sich uns auch (soweit es dem menschlichen Geist überhaupt möglich ist, das zu begreifen, und unserer Sprache, es auszudrücken), wer er in sich selber ist. Er ist Einheit, das heißt Gemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. 213 A UDIENZEN UND ANGELUS 7. Das Alte Testament hat diese Wahrheit nicht ausdrücklich geoffen-bart, sondern vorbereitet, indem es die Vaterschaft Gottes im Bund mit dem Volk aufzeigt und sein Handeln in der Welt durch seine Weisheit, sein Wort und seinen Geist offenkundig macht (vgl. z. B. Weish 7,22-30; Spr 8,22-30; Ps 33,4-6; Ps 147,15; Jes 55,11; Weish 12,1; Jes 11,2; Sir 48,12). Das Alte Testament hat hauptsächlich zunächst in Israel und dann außerhalb Israels die Wahrheit über den einzigen Gott, den Angelpunkt der monotheistischen Religion, gefestigt. Man muß daher folgern, daß das Neue Testament die Fülle der Offenbarung über die Heiligste Dreifaltigkeit gebracht hat und daß diese Wahrheit von Anfang an durch Taufe und Liturgie an der Wurzel des lebendigen Glaubens der Christengemeinde stand. Im gleichen Schritt folgten die Glaubensregeln, denen wir sowohl in den apostolischen Briefen wie im Zeugnis der Verkündigung, der Katechese und des Gebets der Kirche in reicher Fülle begegnen. 8. Ein eigenes Thema ist die Herausbildung des trinitarischen Dogmas im Rahmen der Verteidigung gegen die Häresien der ersten Jahrhunderte. Die Wahrheit über den dreieinigen Gott ist das tiefste Glaubensgeheimnis und ist auch am schwersten zu begreifen: Es gab daher die Möglichkeit zu Fehldeutungen, besonders als das Christentum mit der griechischen Kultur und Philosophie in Kontakt kam. Es ging darum, das Geheimnis vom dreieinigen Gott korrekt „in die Terminologie des Seins zu übertragen“, das heißt, die Begriffe, die sowohl die Einheit wie die Dreiheit des Gottes unserer Offenbarung unmißverständlich definierten, präzise in der philosophischen Sprache der Zeit auszudrücken. Das geschah vor allem auf den beiden großen ökumenischen Konzilien von Nizäa (325) und Konstantinopel (381). Das lehramtliche Ergebnis dieser Konzilien ist das nizänokonstantinopolitanische Glaubensbekenntnis, mit dem die Kirche seit damals ihren Glauben an den dreieinigen Gott - Vater, Sohn und Heiligen Geist - zum Ausdruck bringt. Wenn wir an das Werk der Konzilien erinnern, müssen wir einige besonders verdienstvolle Theologen, vor allem unter den Kirchenvätern, nennen. Für die Zeit von Nizäa erwähnen wir Tertullian, Cyprian, Origenes, Irenäus; für die Konzilszeit Athanasius und Ephraim den Syrer; für die Zeit unmittelbar vor dem Konzil von Konstantinopel nennen wir Basilius den Großen, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa und Hilarius, bis zu Ambrosius, Augustinus und Leo dem Großen. <72> <72> Aus dem 5. Jahrhundert stammt das sogenannte athanasianische Glaubensbekenntnis, das mit dem Wort „Quicumque“ beginnt und eine Art 214 AUDIENZEN UND ANGELUS Kommentar zum nizänokonstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis darstellt. Das „Credo des Gottesvolkes“ Pauls VI. bekräftigt den Glauben der Urkirche, wenn es verkündet: „Die wechselseitigen Bande, die von Ewigkeit her die drei Personen bilden, deren jede das einzige und identische göttliche Sein ist, sind das glückselige innere Leben des dreimal heiligen Gottes, das unendlich über allem steht, was wir nach menschlichem Maß erdenken und erfassen können“ (vgl. Dz.-Sch. 804 und Insegnamenti di Paolo VI, Bd. VI, 1968, S. 303): wahrhaftig, unaussprechliche und Heiligste Dreifaltigkeit - einziger Gott! In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Es ist mir eine besondere Freude, heute so viele Pilger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bei dieser Audienz zu begrüßen. Euch allen ein sehr herzliches Willkommen! Ich danke euch für eure so zahlreiche Teilnahme an dieser wöchentlichen Begegnung mit dem Nachfolger Petri und wünsche euch aus diesem Erlebnis weltweiter kirchlicher Gemeinschaft neuen Glaubensmut und reiche Gnaden für eure Bewährung als Christen im Alltag. Unsere katechetischen Überlegungen verweilen z. Z. beim ersten Satz vom Glaubensbekenntnis, bei unserem Glauben an Gott. Ihn bekennt schon das Alte Testament als den einen Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Erst Christus hat ihn uns geoffenbart in seinem innersten Geheimnis der Dreifaltigkeit, als den einen Gott in drei Personen, als Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Vor seiner Auffahrt in den Himmel sagt der Herr zu seinen Aposteln: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Das Neue Testament schenkt uns die Fülle der göttlichen Offenbarung. Es lehrt uns, was Gott für den Menschen ist und was Gott in sich selber ist. „Gott ist die Liebe“, so sagt der hl. Johannes. Er ist es für uns als unser Vater und Erlöser. Er ist es in sich selbst in der Einheit und liebenden Gemeinschaft von drei Personen, in der gegenseitigen Liebe von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Das Bekenntnis zum dreieinigen Gott steht am Anfang der Sendung der Kirche und auch am Anfang des Lebens eines jeden Christen in der Taufe. Getauft werden heißt „eingetaucht“, hineingenommen werden in das Leben und Heilswirken des dreifältigen Gottes. Die ganze Liturgie der Kirche, ihr und auch unser Gebet als Christen vollziehen sich im Heiligen 215 AUDIENZEN UND ANGELUS Geist und werden durch Christus dem Vater dargebracht. Der Glaube der Kirche an den dreieinigen Gott ist dann im Laufe der Jahrhunderte durch die Ökumenischen Konzilien und die theologische Reflexion noch weiter vertieft und entfaltet worden. In der frohen Gewißheit dieses unseres Glaubens an den einen Gott in drei Personen erbitte ich euch heute mit den Worten des hl. Paulus: „Die Gnade des Herrn, Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,13). Ich grüße noch einmal herzlich alle anwesenden Gruppen, auch die Familien und Einzelpilger; besonders den großen Pilgerzug der Erzdiözese Paderborn mit dem Paderborner Domchor und den angeschlossenen Pfarrgemeinden, ferner den Diözesanpilgerzug aus Münster, die Teilnehmer der Pilgerfahrt aus der Region Niederrhein unter der Leitung des Herrn Weihbischof Dr. Averkamp sowie die Pilgergruppe der Pfarr-gemeinde Marienfeld anläßlich des 800jährigen Bestehens ihres dortigen Konvents. Ebenso grüße ich auch die Pfarrei St. Dionysius aus Seppen-rade zu ihrer Jubiläumswallfahrt und zum heutigen Fest ihres Pfarr-patrons. Einen weiteren Willkommensgruß richte ich an die Pilgergruppe des Priesterseminars in Würzburg und an alle Rompilger, die zur morgigen Priesterweihe im Collegium Germanicum-Hungaricum in die Ewige Stadt gekommen sind. Gern empfehle ich die Weihekandidaten, die ihren priesterlichen Dienst einmal in euren Heimatländern verrichten werden, dem Gebet aller hier anwesenden deutschsprachigen Pilger. Es ist die Sorge des ganzen Gottesvolkes, daß der Herr auch heute zahlreiche, gute und würdige Arbeiter in seine Ernte sende. Bittet ihn darum ohne Unterlaß! Mit besten Wünschen für einen schönen und fruchtbaren Romaufenthalt erteile ich euch allen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. „Heimweh nach der Einheit“ Vor dem Angelus am 13. Oktober 1. Den heutigen Festgottesdienst haben wir im Gedenken an die heiligen Kyrill und Method erlebt. Dieses Gedenken ist wegen der Bedeutung des Werkes der beiden heiligen Brüder nicht zu trennen von einem großen 216 AUDIENZEN UND ANGELUS „Heimweh nach der Einheit“ zwischen den Schwesterkirchen in Orient und Okzident. Mit Heimweh meinen wir den bohrenden Schmerz, der die Erinnerung an die ferne Heimat umgibt und der uns unwiderstehlich antreibt, sie wiederzufinden. Dieses Heimweh, das dank eines vertieften Verständnisses des Mysteriums der Kirche noch stärker verspürt wird, ist die Seele der ökumenischen Bemühung um die Verwirklichung der originären und eigenständigen symphonischen Auffassung von Einheit, die im II. Vatikanischen Konzil herangereift ist, dessen Eröffnung vor 23 Jahren, am 11. Oktober 1962, wir heute gedenken wollen. Die Einheit ist wie die Wahrheit vielstimmig: Das hat das Konzil zur rechten Zeit klargemacht. 2. Mit einem prophetischen Geist, dessen ganze Tiefe wir jetzt, nach elfhundert Jahren, wahrnehmen, haben die heiligen Brüder aus Saloniki begriffen, daß die Dynamik der Einverleibung des christlichen Glaubens in das Lebensgefüge der neuen Völker von der vollen Gemeinschaft zwischen Rom und Konstantinopel, den beiden großen Strömen christlicher Tradition, im Schoß der einen Kirche angemessen gewährleistet würde. Ihre Mission sollte wie in einem wunderbaren Mosaik den einen Leib Christi durch herrliche neue Mosaiksteine bereichern. Sie verkündeten das Evangelium im Namen der ungeteilten Kirche. Ihre Arbeit war segensreich: Die ganze slawische Welt wurde direkt oder indirekt von ihr berührt. Vom alten Kiew aus hat das in slawischer Sprache verkündete Evangelium nach und nach die östlichen Gebiete unseres Kontinents erreicht. Die geliebten christlichen Völker, die heute in diesen Gebieten leben, wie Weißrussen, Russen und Ukrainer, schicken sich an, in drei Jahren das große Jubiläum ihrer Christianisierung zu feiern. Das Evangelium ist die wahre Muttersprache des Menschen, dazu bestimmt, in der Vielfalt der jeweiligen Sprachen der verschiedenen Völker zu erblühen. Wir sehen wohl - und das heute mehr denn je -, daß der missionarische Einsatz der Kirche aufs engste mit dem ökumenischen Einsatz verbunden ist, wie zwei Seiten ein und derselben Aufgabe. <73> <73> In der altslawischen Sprache gibt es zwei Worte, die Welt bedeuten: „svet“ und „mir“. Das erste heißt sowohl Welt wie Licht, das zweite bedeutet Welt und Frieden. Diese einfachen Worte mit ihren schwingenden Anspielungen bringen das Bewußtsein und die Erwartung des licht- 217 AUDIENZEN UND ANGELUS vollen Friedens, des friedlichen Glanzes des Seienden zum Ausdruck, das sein Gutsein ausstrahlt. Die Dinge sind dazu geschaffen, im Frieden und im Licht zu existieren. Die in diese Worte eingeschriebene Erwartung führt, wenn sie sich bewußt der Erfüllung öffnet, die Christus, unser Friede und unser Licht, ist, zur Heilung von der Ideologie, d. h. zur Heilung von jener besonderen Versuchung, die im Laufe der letzten Jahrhunderte in der Vielfalt ihrer geschichtlichen Erscheinungsformen den Menschen des europäischen Kontinents so sehr beeinflußt hat, ja ihn fast dieser Ideologie unterliegen ließ. Die Erinnerung an die heiligen Kyrill und Method stellt uns als eine vom Gedenken an sie nicht zu trennende Tatsache das Ziel der vollen Gemeinschaft vor Augen, die es der Kirche wieder erlauben wird, mit ihren beiden Lungen, der östlichen und der westlichen, zu atmen und mit erneuerter Effizienz dem heutigen Menschen die Heilswahrheit des Evangeliums anzubieten. Der Fürsprache Mariens, der Mutter der Kirche, vertraue ich den Wunsch an, daß bei der kommenden außerordentlichen Bischofssynode die Aufgabe, die die Kirche an der Schwelle eines neuen Zeitalters erwartet, in einem neuen Hinhören auf das Konzil klar bewußt werde. Nach dem Angelus richtete der Papst u. a. ein Grußwort in portugiesischer Sprache an Angola: Am heutigen Tag denke ich in der Liebe Christi an Angola: in Luanda, in der Pfarrei Unserer Lieben Frau von Fatima, proklamieren die Bischöfe, meine Brüder, feierlich anläßlich des 10. Jahrestags der Unabhängigkeit vor den versammelten Gläubigen zur Patronin der angolanischen Nation die seligste Jungfrau Maria, die unter dem Namen ihres Unbefleckten Herzens angerufen werden soll. Der Akt der Weihe Angolas an das Unbefleckte Herz Mariens, womit sie zur Patronin dieses geliebten Landes ernannt wurde, ist Anlaß zu großer Freude und neuer Hoffnung. Die Bischöfe der Kirche vertrauen Unserer Lieben Frau die ganze Nation in der Gewißheit an, daß sie mit ihrer Fürsprache bei ihrem göttlichen Sohn Jesus Christus, dem Erlöser des Menschen, rechnen können. Die seligste Jungfrau Maria schütze Angola und sei seinen Bewohnern mütterliche Führerin auf den Wegen der Eintracht, des Friedens und des Fortschritts. Ich lade alle ein, für diese geliebte Nation und den afrikanischen Kontinent, der mir so sehr am Herzen liegt, zu beten. 218 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott ist „mein Vater“ Ansprache bei der Generalaudienz am 16. Oktober 1. „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“ {Ps 2,7). In der Absicht, die volle Wahrheit von der Vaterschaft Gottes, die in Jesus Christus geoffenbart worden ist, verständlich zu machen, greift der Verfasser des Hebräerbriefes auf das Zeugnis des Alten Testaments zurück (vgl. Hebr 1,4-14) und zitiert u. a. das soeben gelesene Wort aus dem 2. Psalm und einen ähnlichen Satz aus dem Buch Samuel: „Ich will für ihn Vater sein, und er wird für mich Sohn sein“ (2 Sam 7,14). Das sind prophetische Worte: Gott spricht zu David von seinem Nachkommen. Während sich jedoch im Rahmen des Alten Testamentes diese Worte nur auf die Adoptivkindschaft analog zu der menschlichen Vater-und Sohnschaft zu beziehen scheinen, enthüllt sich im Neuen Testament ihre wahre und endgültige Bedeutung: Sie sprechen vom Sohn, der gleichen Wesens mit dem Vater ist, vom Sohn, der vom Vater wirklich gezeugt worden ist. Darum sprechen sie auch von der wirklichen Vaterschaft Gottes, einer Vaterschaft, der die Zeugung des mit dem Vater wesensgleichen Sohnes eigen ist. Sie sprechen von Gott, der Vater im höchsten und wahrsten Sinn des Wortes ist. Sie sprechen von Gott, der ewig das ewige Wort zeugt, den mit dem Vater wesensgleichen Sohn. Bezogen auf ihn, ist Gott im unaussprechlichen Geheimnis seiner Gottheit Vater. „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt.“ Das Adverb „heute“ spricht von der Ewigkeit. Es ist das Heute des inneren Lebens Gottes, das Heute der Ewigkeit, das Heute der Heiligsten und unaussprechlichen Dreifaltigkeit: Vater, Sohn und Heiliger Geist, der die ewige Liebe und ewig wesensgleich mit dem Vater und dem Sohn ist. <74> <74> Im Alten Testament war das Geheimnis von der innertrinitarischen Vaterschaft Gottes noch nicht ausdrücklich geoffenbart. Der gesamte Kontext des Alten Bundes war jedoch reich an Hinweisen auf die Wahrheit von der Vaterschaft Gottes, verstanden im moralischen und analogen Sinn. So offenbart sich Gott als Vater seines Volkes Israel, als er dem Mose befiehlt, die Befreiung des Volkes aus Ägypten zu fordern: „So spricht Jahwe: Israel ist mein erstgeborener Sohn. Ich sage dir: Laß meinen Sohn ziehen . . .“ (Ex 4,22-23). Dies ist eine Vaterschaft der Erwählung, die sich auf den Bund stützt und die im Schöpfungsgeheimnis wurzelt. Jesaja sagt: „Und doch bist du, 219 AUDIENZEN UND ANGELUS Herr, unser Vater. Wir sind der Ton, und du bist unser Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände“ (Jes64,7). Diese Vaterschaft bezieht sich nicht nur auf das auserwählte Volk, sondern erreicht jeden Menschen und geht über das zu den irdischen Eltern bestehende Band hinaus. Hören wir dazu einige Texte: „Wenn mich auch Vater und Mutter verlassen, der Herr nimmt mich auf“ (Ps 27,10). „Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über alle, die ihn fürchten“ (Ps 103,13). „Wen der Herr liebt, den züchtigt er, wie ein Vater seinen Sohn, den er gern hat“ (Spr 3,12). In den soeben angeführten Texten wird der analoge Charakter der Vaterschaft Gottes, des Herrn, deutlich, an den das folgende Gebet gerichtet ist: „Herr, Vater und Gebieter meines Lebens, bring mich durch sie nicht zu Fall!. . . Herr, Vater und Gott meines Lebens, überlaß mich nicht dem Plan meiner Gegner!“ (Sir 23,1-4). Im selben Sinn heißt es auch: „Ist der Gerechte wirklich Sohn Gottes, dann nimmt sich dieser seiner an und entreißt ihn der Hand seiner Gegner“ ( Weish 2,18). 3. Gottes Vaterschaft, sowohl was Israel als auch die einzelnen Menschen betrifft, offenbart sich in der erbarmenden Liebe. So lesen wir z. B. bei Jeremia: „Weinend kommen sie, und tröstend geleite ich sie . . . Denn ich bin Israels Vater, und Efraim ist mein erstgeborener Sohn“ (Jer 31,9). Zahlreiche Texte des Alten Testaments stellen uns die erbarmende Liebe des Gottes des Bundes vor Augen; z. B.: „Du erbarmst dich aller, weil du alles vermagst, und siehst über die Sünden der Menschen hinweg, damit sie sich bekehren ... Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens“ (Weish 11,23-26). Bei Jesaja stoßen wir auf ergreifende Zeugnisse von Sorge und Liebe: „Doch Zion sagt: Der Herr hat mich verlassen, Gott hat mich verlassen. Kann denn eine Frau ihr Kind vergessen, eine Mutter ihren eigenen Sohn? Und selbst wenn sie ihr Kind vergessen würde: Ich vergesse dich nicht!“ (Jes 49,14-15; vgl. auch 54,10). Es ist bezeichnend, daß in den zitierten Abschnitten des Propheten Jesaja die Vaterschaft Gottes durch Eigenschaften bereichert wird, die sich auf die Mutterschaft beziehen (vgl. Dives in misericordia, Anm. 52). 4. In der Fülle der messianischen Zeit verkündet Jesus mehrmals die Vaterschaft Gottes den Menschen gegenüber, indem er an die zahlreichen Formulierungen aus dem Alten Testament anknüpft. So sagt er über die göttliche Vorsehung den Geschöpfen, insbesondere dem Menschen gegenüber: „ . . . euer himmlischer Vater ernährt sie . . .“ (Mf 6,26; vgl. 220 AUDIENZEN UND ANGELUS Lk 12,24), „euer himmlischer Vater weiß, daß ihr das alles braucht“ {Mt 6,32; vgl. Lk 12,30). Jesus versucht, das göttliche Erbarmen dadurch verständlich zu machen, daß er die liebende Aufnahme des Vaters dem verlorenen Sohn gegenüber als eine Eigenschaft Gottes vorstellt (vgl. Lk 15,11-32); diejenigen, die sein Wort hören, ermahnt er: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist“ {Lk 6,36). Abschließend können wir sagen, daß für Jesus Gott nicht nur „der Vater Israels, der Vater der Menschen“ ist, sondern „mein Vater“. Darüber werden wir in der nächsten Katechese sprechen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! „Wer ist Gott?“ Diese ewige Frage des menschlichen Geistes findet in unseren christlichen Glaubensquellen eine Antwort, deren Tiefe wir niemals ganz ermessen können: Wir dürfen Gott „Vater“ nennen. Gott ist nicht nur Vater im inneren Geheimnis seines dreifältigen Lebens, Vater also des ewigen Sohnes, der eines Wesens ist mit Gott, dem Vater, und darum Gott ist wie er. Gott will in seinem analogen Sinne auch Vater sein für uns Menschen, seine Geschöpfe. Nach den Schriften des Alten Testamentes richtet sich diese vatergleiche Beziehung Gottes zunächst auf das ganze Volk Israel, dann aber auch auf jeden Menschen, der in den Lebensbund mit Gott eintritt. An geistlicher Tiefe übersteigt diese Beziehung sogar das Band zwischen einem Menschenvater und seinem Kind. In den Psalmen heißt es: „Wenn mich auch Vater und Mutter verlassen, der Herr nimmt mich auf“ {Ps 27,10). An diesem Text wird zugleich deutlich, daß die Vaterschaft Gottes für uns Menschen vor allem in seiner barmherzigen Liebe zu uns besteht. Hört hierzu den berühmten Text des Propheten Jesaja. Er läßt Gott so sprechen: „Zion sagt: Der Herr hat mich verlassen, Gott hat mich vergessen. Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: Ich vergesse dich nicht. Sieh hier: Ich habe dich eingezeichnet in meine Hände“ {Jes 49,14). Bedeutsam an diesen Worten ist, daß hier Gottes Verhalten mit mütterlichen Eigenschaften beschrieben wird: Gottes Liebe zu uns soll eben aufleuchten am Tiefsten und Reinsten, was ein Menschenvater und eine Menschenmutter ihrem Kind gegenüber empfinden. In den Evangelien vertieft Jesus selbst diese Sicht und ruft uns auf, unser Leben nach diesem göttlichen Maßstab auszurichten: „Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist“ {Lk 6,36). Mit dieser kurzen Darlegung zu einem beglückenden Geheimnis unseres 221 AUDIENZEN UND ANGELUS Glaubens grüße und segne ich alle Besucher deutscher Sprache und wünsche ihnen einen fruchtbaren Aufenthalt in der Stadt Rom bei den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus. Gelobt sei Jesus Christus! In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Gaarne groet ik de Nederlanders die op deze audientie aanzwezig zijn, met name de pelgrims uit Berg ein Dal, Kerkrade en Rijswijk, de leerlingen van het Sint-Janslyceum uit ’s-Hertogenbosch en de echtparen die zieh in het kader van de Internationale Gemeenschap „Het Werk“ inzetten voor de gezinspastoraal in het bisdom Roermond. Möge uw bezock aan Rome vruchtbaar zijn voor uw persoonlijk geloofsleven en voor uw apostolaat voor echte christelijke gezinnen. Van harte verleen ik aan u en aan al uw dierbaren in Nederland de Apostolische Zegen. Bei der Madonna vom „günstigen Wind“ Vor dem Angelus in Cagliari am 20. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich besonders, den gewohnten „Engel des Herrn“ an der Stätte sprechen zu können, die allen Söhnen und Töchtern Sardiniens am teuersten und heiligsten ist: dem Heiligtum der Madonna di Bonaria, d. h. „von der guten, reinen und sauberen Luft“ (buona aria), die unserem Leib Leben und Kraft gibt, oder - nach einer anderen Deutung - der Madonna vom „günstigen Wind“, der die Seeleute zum vorgenommenen Ziel führt. Die seligste Jungfrau erreicht durch ihre mächtige Fürsprache, daß der Vater und der Sohn den lebenspendenden und erquickenden Hauch des Heiligen Geistes ausströmen. Möge sie uns durch die Stürme des irdischen Lebens sicher zum Hafen des ewigen Heils führen. Ja, Maria selbst schenkt uns dadurch, daß sie uns den Sohn schenkt, gewissermaßen den Heiligen Geist, der uns durch den Sohn zum Vater führt. <75> <75> Als im Jahr 1970 mein Vorgänger Paul VI. anläßlich der 600-Jahr-Feier der wunderbaren Ankunft der Marienstatue auf eurer Insel und des 222 AUDIENZEN UND ANGELUS 100. Gedenktages ihrer Krönung als Pilger hierher kam, erinnerte er an die wesentliche Rolle der Gottesmutter im Heilsplan: Das Ja, das sie zum Willen des Vaters sprach, sagte er, „hat wesentlichen Anteil am Heilsmysterium“. Von ihr haben wir Christus empfangen, durch sie können wir leicht zu Christus gehen. Das ist der Gedanke, den auch ich euch als Erinnerung an meine Pilgerfahrt hinterlassen möchte: Die Verehrung der Muttergottes gehört zu den wesentlichen Pflichten eines Christen. Verstärkt eure Verehrung für Maria; sie wird euch in den Hafen des ewigen Heils führen: Sie wird uns zu Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, führen. 3. Der heutige Missionssonntag läßt uns an die Rolle denken, die euer schönes Heiligtum bei der Verkündigung und Festigung des Glaubens gespielt hat. Jenseits des Ablaufs der oft dramatischen und schmerzlichen Ereignisse und jenseits der Interessen und Geschicke der irdischen Mächte, die auf eurem Boden einander ablösten, war das Heiligtum der Madonna di Bonaria immer für die verschiedensten Nationen und Völker ein allgemeiner Anziehungspunkt, ein Leuchtturm der Sicherheit über alle Gegensätze und Entzweiungen hinaus. Es war der Mittelpunkt der Einheit und Eintracht. Seine vielhundertjährige ruhmreiche Geschichte zeugt davon, daß diese Wirkung weit über die Grenzen eurer Insel hinausging und sich in verschiedenen Teilen der Welt ausgebreitet hat, vor allem in Latein- und Mittelamerika, wo viele Orte - denken wir nur an die argentinische Hauptstadt Buenos Aires - sich nach der Muttergottes von der „guten Luft“ nennen: Buenos Aires. 4. Behüte, o seligste Jungfrau, weiterhin dieses Volk, dem du im Laufe der Jahrhunderte so viele Zeichen deines mütterlichen Schutzes erwiesen hast! Laß es ihm in dieser schwierigen Etappe der Geschichte nicht an deiner hilfreichen Gegenwart und Fürsprache fehlen. Dir, o Jungfrau, vertraue ich die Kirche auf Sardinien und seine gute und arbeitsame Bevölkerung an: Dir vertraue ich ihre Leiden und ihre Hoffnungen, ihre Ängste und Erwartungen an. Steh, o Maria, den Menschen dieser Insel bei, die sich in deinem Heiligtum von Bonaria vertrauensvoll an dich wenden und um Hilfe bitten in den Kämpfen zwischen Gut und Böse, die unsere heutige Welt erschüttern. Zeige erneut, daß du die Mutter der Güte und des Erbarmens bist. Noch ein besonderes Anliegen will ich dir, heilige Jungfrau, anvertrauen. 223 AUDIENZEN UND ANGELUS Du hast dich an diesem den Menschen Sardiniens so teuren Ort kundgetan: Breite von hier aus deinen mütterlichen Schutz aus auf die Bischöfe der Kirche, die in Kürze zur außerordentlichen Synode zusammentreten, um die Ergebnisse des Konzils zu überprüfen und ihre Wirksamkeit zum Wohl der Kirche zu entfalten. Die Arbeit, die sie erwartet, ist schwierig und umfangreich: Sie werden Opfergeist, Unterscheidungsvermögen bei den Bewertungen, Klugheit und Mut bei den Entscheidungen, aufmerksames Hören auf die Wahrheit, Treue zum Geist des Konzils, Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der heutigen Menschen benötigen. Sei du, Unsere Liebe Frau von Bonaria, ihnen Führerin und Stütze, damit die Arbeit, zu der sie sich anschicken, im christlichen Volk einen neuen Eifer bei der Verwirklichung dessen weckt, was beim Konzil „der Geist der Kirche gesagt hat“. Nach dem Angelus sagte der Papst: Eine Welle der Erregung hat sich in der Welt erhoben wegen der Hinrichtung des südafrikanischen Dichters Benjamin Moloise, zu dessen Gunsten zahlreiche und dringende Appelle um Begnadigung ergangen sind. Ein Todesurteil weckt immer Verwirrung und Beunruhigung im allgemeinen Empfinden. In diesem Fall kommt die Angst aufgrund einer anhaltenden Situation objektiver Ungerechtigkeit hinzu. Betet mit mir zum Herrn für alle Opfer des Hasses und der Rassendiskriminierung und bittet zugleich um Trost und Stärkung für alle, die diesen Tod beweinen. Die Bitterkeit und der Schmerz dieser Tage dürfen das Mitleid nicht ersticken, die Hoffnung nicht auslöschen. Rufen wir Maria, unsere Mutter, an, damit sie allen Licht und Mut erflehe, so daß in diesem leidgeprüften, mir so teuren afrikanischen Land sich endlich der Weg der Gerechtigkeit und der Achtung des Menschen zu neuem Frieden und neuer Sicherheit eröffne. 224 AUDIENZEN UND ANGELUS „Ein Gott und Vater aller“ Ansprache bei der Generalaudienz am 23. Oktober 1. In der Katechese der vergangenen Woche sind wir, wenn auch nur kurz, einigen Zeugnissen aus dem Alten Testament nachgegangen, die auf die Aufnahme der vollen, von Jesus Christus verkündeten Offenbarung des Geheimnisses von der Vaterschaft Gottes vorbereitet haben. Christus hat nämlich viele Male von seinem Vater gesprochen und dessen Vorsehung und erbarmende Liebe auf verschiedene Weise dargelegt. Aber seine Lehre geht darüber hinaus. Hören wir uns noch einmal die besonders feierlichen Worte an, die vom Evangelisten Matthäus (und parallel von Lukas) wiedergegeben werden: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. . .“, und weiter: „Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11,25.27; vgl. Lk 10,21f.). Für Christus ist also Gott nicht nur „der Vater Israels, der Vater der Menschen“, sondern „mein Vater“! „Mein.“ Gerade darum suchten die Juden Jesus zu töten, weil „er Gott seinen Vater nannte“ (Joh 5,18). „Seinen“ ist im wörtlichen Sinn zu verstehen: Den, den nur der Sohn als Vater kennt und von dem allein er seinerseits gekannt wird. Wir befinden uns hier bereits auf dem Boden, aus dem später der Prolog des Johannesevangeliums erwachsen sollte. <76> <76> „Mein Vater“, das ist der Vater Jesu Christi: Ursprung seiner Existenz, seiner messianischen Sendung, seiner Lehre. Der Evangelist Johannes hat die messianische Lehre ausführlich überliefert, die es uns erlaubt, das Geheimnis von Gott, dem Vater, und Jesus Christus, seinem eingeborenen Sohn, in der Tiefe zu ergründen. Jesus sagt: „Wer an mich glaubt, glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat“ (Joh 12,44). „Denn was ich gesagt habe, habe ich nicht aus mir selbst, sondern der Vater, der mich gesandt hat, hat mir aufgetragen, was ich sagen und reden soll“ (Joh 12,49). „Amen, amen, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht. Was nämlich der Vater tut, das tut in gleicher Weise der Sohn“ {Joh 5,19). „Denn wie der Vater das Leben in sich hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben in sich zu haben“ {Joh 5,26). 225 AUDIENZEN UND ANGELUS Und schließlich: „Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe . . {Joh 6,57). Der Sohn lebt durch den Vater vor allem, weil er von ihm gezeugt ist. Es besteht eine ganz enge Wechselbeziehung zwischen der Vaterschaft und der Sohnschaft eben kraft der Zeugung. „Mein Sohn bist du; heute habe ich dich gezeugt“ (Hebr 1,5). Als Simon Petrus bei Cäsarea Philippi bekennt: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“, antwortet ihm Jesus: „Selig bist du .. ., denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ {Mt 16,16-17), denn „niemand kennt den Sohn, nur der Vater“ {Mt 11,27). Nur der Sohn läßt uns den Vater erkennen: Der sichtbare Sohn läßt uns den unsichtbaren Vater sehen. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ {Joh 14,9). 3. Aus dem aufmerksamen Lesen der Evangelien ergibt sich, daß Jesus in einer ständigen fundamentalen Beziehung zum Vater lebt und wirkt. Er wendet sich häufig an ihn mit dem von Sohnesliebe überströmenden Wort „Abba“; auch beim Gebet in Getsemani spricht er dieses Wort aus (vgl. Mk 14,3.6 und Parallelstellen). Als die Jünger ihn bitten, sie beten zu lehren, lehrt er sie das Vaterunser (vgl. Mt 6,9-13). Nach der Auferstehung, unmittelbar vor seiner Himmelfahrt, scheint er noch einmal auf dieses Gebet Bezug zu nehmen, wenn er sagt: „Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott“ {Joh 20,17). „Anfang — ohne Anfang“ So also hat sich Gott durch den Sohn (vgl. Hebr 1,2) in der Fülle des Geheimnisses seiner Vaterschaft geoffenbart. Nur der Sohn konnte dieses Geheimnis in seiner Fülle offenbaren, weil „nur der Sohn den Vater kennt“ {Mt 11,27). „Niemand hat Gott je gesehen. Der einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ {Joh 1,18). 4. Wer ist der Vater? Im Licht des endgültigen Zeugnisses, das wir durch den Sohn, Jesus Christus, empfangen haben, besitzen wir das volle Glaubensbewußtsein, daß die Vaterschaft Gottes zuallererst zum Grundgeheimnis von Gottes innerem Leben, zum Geheimnis der Dreifaltigkeit gehört. Der Vater ist derjenige, der ewig das Wort zeugt, den Sohn, der mit ihm eines Wesens ist. In Einheit mit dem Sohn haucht der Vater ewig 226 AUDIENZEN UND ANGELUS den Heiligen Geist, der die Liebe ist, in welcher der Vater und der Sohn miteinander vereint bleiben (vgl. Joh 14,10). Der Vater ist also im Geheimnis der Dreifaltigkeit der „Anfang - ohne Anfang“. „Der Vater ist von niemandem weder gemacht noch geschaffen noch gezeugt worden“ (Glaubensbekenntnis „Quicumque“). Er ist von sich aus der Ursprung des Lebens, das Gott in sich selber hat. Dieses Leben, das heißt die Gottheit selbst, besitzt der Vater in. der absoluten Gemeinschaft mit dem Sohn und dem Heiligen Geist, die mit ihm eines Wesens sind. Paulus, der Apostel des Geheimnisses Christi, kniet in Verehrung und Anbetung vor dem Vater nieder, „nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird“ {Eph 3,15) und der Anfang und Vorbild ist. Denn es ist nur „ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ {Eph 4,6). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit besonderer Freude begrüße ich euch heute zu dieser Audienz am Petrusgrab. Zugleich grüße ich in euch auch alle Gläubigen, Diözesen und Pfarrgemeinden in euren Heimatländern. Durch eure so zahlreichen Romwallfährten bekundet ihr deren lebendige Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri und dem Zentrum der Weltkirche. Ihr vertretet eure Familien und Ortskirchen bei eurem Gebet an den Gräbern der Apostel. Schließt deshalb auch ihre Anliegen mit ein. Laßt euch selbst durch die einzigartigen Erlebnisse in der Ewigen Stadt in eurem Glauben und in eurer Liebe zur Kirche neu bestärken und ermutigen. Gebt davon dann Zeugnis in euren Heimatgemeinden, damit eure Romwallfahrt für euch und auch für eure Angehörigen und Glaubensbrüder und -Schwestern in der Heimat zu einem reichen Segen werde. Dafür erbitte ich euch auf die Fürsprache der Heiligen, deren Gräber ihr hier besucht, Gottes besondere Gnade, seine Erleuchtung und Führung. Mit meinen folgenden katechetischen Überlegungen lade ich euch heute ein zu bedenken, was es bedeutet, daß Christus Gott „seinen Vater“ nennt. Er tut das an vielen Stellen der Heiligen Schrift. So betet er: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. . . Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ {Mt 11,25.27). Wie Johannes bezeugt, suchen die Juden Christus gerade deswegen zu 227 AUDIENZEN UND ANGELUS töten, weil er „Gott seinen Vater“ nannte (Joh 5,18). In der Tat, Gott ist der Vater Jesu Christi, weil dieser ihm seine Existenz, seine messianische Sendung und seine Lehre verdankt. Jesus selbst sagt es uns: „Was ich gesagt habe, habe ich nicht aus mir selbst, sondern der Vater, der mich gesandt hat, hat mir auf ge tragen, was ich sagen und reden soll“ (Joh 12,49). Oder an einer anderen Stelle: „Amen, amen, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht“ {Joh 5,19). Ferner: „Wie der Vater das Leben in sich hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben in sich zu haben“ (Joh 5,26). Der Sohn hat das Leben vom Vater, weil dieser ihn von Ewigkeit her gezeugt hat. Deshalb bekennt Petrus von Christus bei Cäsarea Philippi: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Und Jesus bekräftigt: „Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleich und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ {Mt 16,16-17). Jesus lebt und wirkt in ständiger inniger Verbindung mit dem Vater. Und als die Jünger ihn bitten, sie beten zu lehren, lehrt er sie das „Vaterunser“. Vor seiner Himmelfahrt sagt er zu ihnen: „Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott“ {Joh 20,17). Wer ist nun der Vater? Aus der Offenbarung Christi wissen wir, daß die Vaterschaft Gottes zum Geheimnis seines innersten trinitarischen Lebens gehört. Der Vater ist derjenige, der von Ewigkeit her das Wort zeugt, den ihm wesensgleichen Sohn, und der in Einheit mit dem Sohn den Heiligen Geist hervorbringt, die Liebe, die Vater und Sohn miteinander verbindet. Der Vater ist also im Geheimnis der Dreifaltigkeit der „Anfang ohne Anfang“, der Ursprung des Lebens, das Gott in sich selber hat. Er ist die Gottheit an sich, Gott, der von niemandem gemacht, weder geschaffen noch gezeugt worden ist. Vor diesem ewigen Vater, „nach dessen Namen jedes Geschlecht im Himmel und auf der Erde benannt wird“ {Eph 3,15) und der in Jesus Christus auch unser Vater geworden ist, wollen wir uns mit dem hl. Paulus in Ehrfurcht und Anbetung verneigen und unsere Knie beugen. Herzlich grüße ich noch einmal alle anwesenden Pilgergruppen, Familien, Priester und Ordensleute und besonders auch die Jugendgruppen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und begleite euren weiteren Romaufenthalt mit meinen besten Wünschen. Zugleich erteile ich euch und euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 228 A UDIENZEN UND ANGELUS Konzilstexte weisen den Weg Vor dem Angelus am 27. Oktober 1. Bei unserer heutigen sonntäglichen Begegnung erinnern wir uns voll Freude und Ergriffenheit an die Wahl meines Vorgängers Johannes XXIII., die am 28. Oktober 1958, vor nunmehr 27 Jahren, erfolgte. Ungeachtet der Zeit, die seither vergangen ist, bleiben Name und Gestalt dieses außergewöhnlichen Papstes im Herzen der Kirche und der Welt vor allem wegen des Zweiten Vatikanischen Konzils lebendig, das er mit Einfachheit und Mut vorausschauend geplant, mit größter Sorgfalt vorbereitet und dann in der ersten Phase seiner Durchführung begleitet hat. Papst Johannes plante das Konzil als vorwiegend pastorales Ereignis, das der Kirche auf ihrem Weg neuen Antrieb geben sollte. Bei der Eröffnung der ökumenischen Versammlung der Bischöfe pries er mit jugendlicher Kraft die Kirche Christi, ihre Universalität, die Lebenskraft ihrer ewigen Sendung als „Mutter und Lehrmeisterin“. Hier nun eine Aussage, die der geliebte Papst uns damals anvertraute und in der er die dem beginnenden Konzil beigemessene Bedeutung zusammenfaßte: „Dem Ökumenischen Konzil geht es hauptsächlich darum: daß das heilige Depositum der christlichen Lehre wirksamer gehütet und gelehrt werde . . . Hauptzweck des Konzils ist also nicht die Diskussion über dieses oder jenes Thema der grundlegenden Lehre der Kirche . . . Dazu war kein Konzil erforderlich. Sondern von der neuen, klaren und ausgewogenen Zustimmung zur gesamten Lehre in ihrer Vollständigkeit und Präzision, wie sie noch in den Konzilsakten von Trient bis zum 1. Vatikanum leuchtend hervortritt, erwartet der christliche, katholische und apostolische Geist der Welt einen Fortschritt in Richtung auf eine lehrmäßige Durchdringung und Bewußtseinsbildung in verstärktem Einklang mit der authentischen Lehre, die allerdings auch in dem zeitgenössischen Denken angemessener Form von Untersuchung und literarischer Formulierung studiert und dargelegt werden muß“ (vgl. Discorsi di Giovanni XXIII, IV, S. 584-585). <77> <77> Die sechzehn Konzilsdokumente, jedes mit seiner eigenen Geschichte, seiner eigenen Gestalt, seinem eigenen Charakter, sind an diesem Kriterium zu erkennen. Sie sind das Ergebnis genauer und geduldiger Überlegungen, die die Bischöfe unter der Führung des Heiligen Geistes mit hauptsächlich pasto-raler Ausrichtung angestellt haben, um dem Wirken der Kirche Christi in 229 AUDIENZEN UND ANGELUS unserer Zeit neuen Nachdruck und stärkere Wirksamkeit zu verleihen. Somit hat sich das Zweite Vatikanische Konzil geschichtlich nicht als eine für sich getrennte, einmalige Episode ausgezeichnet, sondern als ein Ereignis, das im Terrain der Kirche tief verwurzelt ist; ein lebenswichtiger Abschnitt auf dem jahrhundertelangen Weg des „Gottesvolkes“; Ziel und zugleich Neubeginn. Deshalb war Paul VI. in einem eifrigen und leidenschaftlichen Bemühen, die den Konzilsentscheidungen innewohnende und von der göttlichen Gnade inspirierte Dynamik in die Tat umzusetzen, der unermüdliche Verteidiger der Übereinstimmung zwischen der Treue und dem „aggior-namento“. „Das Konzil - so seine Worte - hat so viel Wert, als das Leben der Kirche fortschreitet; es unterbricht das Leben der Kirche nicht, entstellt es nicht, erfindet es nicht, sondern stärkt, entfaltet, vervollkommnet und erneuert es“ (Insegnamenti di Paolo VI, IV, 1966, S. 623). 3. Die kommende außerordentliche Bischofssynode ist aufgerufen, das geistliche Klima des Konzils in denen, die es erlebt haben, wiederzuerwecken und in der ganzen Kirche zu verbreiten, indem sie jenem Fortschritt, den sich Papst Johannes gewünscht hatte und zu dem uns die Konzilstexte den Weg weisen, neuen Antrieb gibt. Daß diese Ziele voll erreicht werden, darum rufen wir jetzt Maria, die Mutter der Kirche, an. Nach dem Angelus sagte der Papst: In diesem Augenblick gehen meine Gedanken zu einem Land, das mir besonders teuer ist, nach Uganda, dessen Bevölkerung seit langem in einem Zustand der Unsicherheit lebt, der durch ständige Vorfälle der Gewalt, des Hasses und der Rache verschärft wird, während das ersehnte Einvernehmen über die nationale Einheit auf immer neue Schwierigkeiten stößt. Trotz des guten Willens der Verantwortlichen und der Anstrengungen aller, die gute Vermittlungsdienste zwischen den Parteien zu leisten versuchen, sieht man noch keinen Ausweg, der der Gerechtigkeit und dem Gemeinwohl entsprechen würde. Ich halte es für meine Pflicht, alle daran zu erinnern, daß der Friede möglich ist: Er erfordert Klugheit und Weitblick, Mut und Menschlichkeit, geduldiges Ausharren. Ich bringe meine Unterstützung und meine Ermutigung für die Friedensbemühungen zum Ausdruck, die von Kardinal Nsubuga und den anderen verdienstvollen Bischöfen der Ortskirche sowie auch von anderen Männern guten Willens unternommen werden. Ich hege den Wunsch, daß 230 AUDIENZEN UND ANGELUS nichts unversucht bleibt, der ugandischen Nation Ruhe und Sicherheit unter Respektierung der Rechte jedes einzelnen zu garantieren. Alle, die miteinander in Streit sind, rufe ich dringend zu Hochherzigkeit und zum offenen und vertrauensvollen Dialog auf, damit nicht die Möglichkeit zu einer raschen und befriedigenden Lösung der gemeinsamen Probleme gefährdet wird. Ich lade euch ein, euch meinem Gebet anzuschließen, damit der Herr allen die Notwendigkeit und den Wert des Friedens begreiflich mache. Die Wahrheit seiner Gottessohnschaft Ansprache bei der Generalaudienz am 30. Oktober 1. „Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, . . . Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: . . . Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater . . .“ Mit diesen Worten des nizänokonstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses, das die Aussagen der Konzilien von Nizäa und Konstantinopel, die die Lehre der Kirche über die Dreifaltigkeit dargelegt haben, zusammenfaßt, bekennen wir unseren Glauben an den Sohn Gottes. Damit nähern wir uns dem Geheimnis Jesu Christi, der wie in vergangenen Zeiten auch heute mit seinen Worten und seinen Werken die Menschen aufruft und fragt. Vom Glauben beseelte Christen bezeigen ihm Liebe und Verehrung. Aber auch unter den Nichtchristen gibt es viele, die ihn aufrichtig bewundern. Worauf beruht nun das Geheimnis der Anziehungskraft, die Jesus von Nazaret ausübt? Die Ergründung der vollen Identität Jesu Christi hat von Anfang an Herz und Verstand der Kirche beschäftigt, die ihn als Sohn Gottes, als zweite Person der Heiligsten Dreifaltigkeit verkündet. <78> <78> Gott, der wiederholt „durch die Propheten . . . und zuletzt durch den Sohn“ gesprochen hat, wie es im Hebräerbrief heißt (Hebr 1,1-2), hat sich selbst als Vater eines ewigen und mit ihm wesensgleichen Sohnes geoffenbart. Jesus seinerseits hat - indem er die Vaterschaft offenbarte -auch seine eigene Gottessohnschaft zu erkennen gegeben. Die göttliche Vaterschaft und die göttliche Sohnschaft stehen innerhalb des Geheimnis- 231 AUDIENZEN UND ANGELUS ses vom dreieinigen Gott in enger Wechselbeziehung zueinander. „Denn eine ist die Person des Vaters, eine andere die des Sohnes, eine andere die des Heiligen Geistes; aber die Gottheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ist eine (einzige), gleich ist ihre Herrlichkeit, von gleicher Ewigkeit ihre Majestät . . . Der Sohn ist nicht gemacht, noch geschaffen, sondern vom Vater allein gezeugt worden“ (Symbolum „Quicumque“ oder athanasianisches Glaubensbekenntnis). 3. Jesus von Nazaret, der ausruft: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“, bekräftigt auch in aller Feierlichkeit: „Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ {Mt 11,25.27). Der Sohn, der in die Welt gekommen ist, um „den Vater zu offenbaren“, so, wie nur er ihn kennt, hat sich zugleich selbst als Sohn offenbart, so, wie er nur vom Vater gekannt wird. Diese Offenbarung wurde von dem Bewußtsein getragen, mit dem Jesus bereits in seiner Jugend Maria und Josef darauf aufmerksam gemacht hatte, daß er „in dem sein muß, was seinem Vater gehört“ (vgl. Lk 2,49). Das Wort seiner Offenbarung wurde zudem vom Zeugnis des Vaters bestätigt, besonders in entscheidenden Situationen, wie bei der Taufe im Jordan, als die Anwesenden die geheimnisvolle Stimme vernahmen: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ {Mt 3,17), oder bei der Verklärung auf dem Berg (vgl. Mk 9,7 u. Par.). 4. Der Auftrag Jesu Christi, den Vater dadurch zu offenbaren, daß er sich selbst als Sohn kundtat, war nicht ohne Schwierigkeiten. Er mußte nämlich die Hindernisse überwinden, die aus der streng monotheistischen Gesinnung seiner Zuhörer stammten, die sich aus der Lehre des Alten Testaments in Treue zu der auf Abraham und Mose zurückgreifenden Tradition und im Kampf gegen den Polytheismus gebildet hatte. In den Evangelien, besonders im Johannesevangelium, finden wir viele Spuren dieser Schwierigkeit, die Jesus Christus mit Weisheit zu überwinden wußte, indem er mit höchstem pädagogischem Geschick jene Zeichen der Offenbarung setzte, die bei seinen aufgeschlossenen Jüngern auf Bereitschaft stießen. 232 AUDIENZEN UND ANGELUS Seine göttliche Vaterschaft Jesus sprach zu seinen Zuhörern klar und unmißverständlich: „Der Vater, der mich gesandt hat, legt über mich Zeugnis ab.“ Und auf die Frage (der Juden): „Wo ist dein Vater?“ antwortete er: „Ihr kennt weder mich noch meinen Vater; würdet ihr mich kennen, dann würdet ihr auch meinen Vater kennen“ . . . „Ich sage, was ich beim Vater gesehen haben . . Als seine Zuhörer darauf einwandten: „Wir haben nur einen Vater, Gott. . .“, erwiderte er: „Wenn Gott euer Vater wäre, würdet ihr mich lieben; denn von Gott bin ich ausgegangen und gekommen . . ., er hat mich gesandt. . ., ... Amen, amen, ich sage euch: Noch ehe Abraham wurde, bin ich“ (vgl. Joh 8, 12-59). 5. Christus sagt: „Ich bin“, so wie Jahrhunderte zuvor am Fuße des Berges Horeb Gott zu Mose, der ihn nach seinem Namen fragte, gesagt hatte: „Ich-bin-der-Ich-bin“ (vgl. Ex 3,14). Christi Worte „Noch ehe Abraham wurde, bin ich“ lösten die gewalttätige Reaktion der Zuhörer aus, die „darauf aus waren, ihn zu töten, weil er . . . Gott seinen Vater nannte und sich damit Gott gleichstellte“ (Joh 5,18). Und tatsächlich beschränkte sich Jesus nicht darauf zu sagen: „Mein Vater ist noch immer am Werk, und auch ich bin am Werk“ (Joh 5,17), sondern er verkündete sogar: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30). In den dramatischen Tagen, die sein irdisches Leben beschließen, wird Jesus vor das Gericht des Hohen Rates geschleppt, wo der Hohepriester selbst die Anklagefrage an ihn richtet: „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, sag uns: Bist du der Messias, der Sohn Gottes?” {Mt 26,63). Jesus antwortet: „Du hast es gesagt“ (ebd26,64). Die Tragödie nimmt ihren Verlauf, gegen Jesus wird das Todesurteil ausgesprochen. Christus, der den Vater und sich selbst als Sohn des Vaters offenbart hat, ist gestorben, weil er bis zuletzt Zeugnis gegeben hat von der Wahrheit seiner Gottessohnschaft. Mit einem Herzen voll Liebe wollen wir ihm auch heute wieder mit dem Apostel Petrus das Zeugnis unseres Glaubens aussprechen: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ {Mt 16,16). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Euch allen ein herzliches Willkommen zur heutigen Audienz in der Petersbasilika. Uns versammelt hier am Petrusgrab der gemeinsame 233 AUDIENZEN UND ANGELUS Glaube an Jesus von Nazaret, von dem Petrus feierlich bekannt hat: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ {Mt 16,16). Diesen Glauben bekennt die Kirche seit zweitausend Jahren. Ihn bezeugten durch ihr vorbildlich christliches Leben vor allem die Heiligen, derer wir am bevorstehenden Fest Allerheiligen in einer besonderen Weise gedenken. Am 1. November ehrt die Kirche Gott in seinen treuesten Dienern, die uns auf dem Weg des Glaubens siegreich vorangegangen sind und nun bei Gott leben. Wenn ihr in diesen Tagen an den Gräbern der Heiligen hier in Rom betet, dann denkt daran, daß Gott kein Gott der Toten, sondern der Lebenden ist. Die Heiligen im Himmel bilden jetzt die triumphierende Kirche vor Gottes Angesicht. Sie sind nicht tot, sondern leben. Daher können sie auch uns durch ihre Fürsprache helfen, unsere christliche Berufung nach ihrem Vorbild zu leben und einmal wie sie unsere ewige Erfüllung in Gottes Herrlichkeit zu finden. Mit ihnen zusammen erflehen wir zugleich Gottes Barmherzigkeit für jene verstorbenen Brüder und Schwestern, die am Läuterungsort noch der Buße und Reinigung bedürfen. So erinnern uns Allerheiligen und Allerseelen wiederum daran, daß die streitende, die leidende und die triumphierende Kirche eine einzige solidarische Gemeinschaft bildet, den einen mystischen Leib Jesu Christi. Jesus Christus, dem Mittelpunkt unseres Glaubens, gelten auch unsere folgenden katechetischen Überlegungen. Wir bekennen ihn im Glaubensbekenntnis als „Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“. Diese Worte entfalten, was schon Petrus in Cäsarea Philippi bekannt hat: Christus ist der Sohn des lebendigen Gottes. Christus selbst sagt von sich: „Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ {Mt 11,27). Indem Christus den Menschen den Vater offenbart, offenbart er sich ihnen zugleich selbst als sein Sohn. Schon in seiner Kindheit war er sich dieser seiner göttlichen Sohnschaft bewußt. Als seine Eltern ihn, den Zwölfjährigen, im Tempel wiederfinden, fragt er sie verwundert: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ {Lk 2,49). Gott selbst gibt später bei der Taufe Jesu im Jordan und während der Verklärung auf dem Berg Tabor die feierliche Bestätigung: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ {Mt 3,17; vgl. Mk 9,7). Weil die Juden nach der Lehre des Alten Testaments nur an 234 AUDIENZEN UND ANGELUS einen Gott im monotheistischen Sinn glaubten, fiel es ihnen schwer, die Wahrheit von der göttlichen Sohnschaft Christi anzunehmen. Und in der Tat suchten sie ihn dann, wie die Heilige Schrift berichtet, gerade deswegen zu töten, „weil er Gott seinen Vater nannte“ (Joh 5,18). Selbst im Angesicht des Todes steht Jesus zu seinem Wort. Als der Hohepriester beim Verhör auf ihn eindringt: „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, sag uns: Bist du der Messias, der Sohn Gottes?“, antwortet ihm Jesus: „Du hast es gesagt“ (Mt26,63-64). Deshalb bekennen auch wir heute hier am Petrusgrab voller Verehrung und Anbetung mit den Worten des Apostels: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16). Herzlich grüße ich noch einmal alle hier anwesenden Gruppen, Familien und Einzelpilger, besonders die Priester und Ordensleute wie auch die zahlreichen Jugendlichen. Den Chören, namentlich dem Cloppenburger Kinderchor, danke ich für ihren schönen Gesang. Zugleich erteile ich euch allen mit besten Wünschen für eine glückliche Rückkehr in eure Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Die endgültige Heimat im Blick Vor dem Angelus am Allerheiligenfest, 1. November 1. Am heutigen Allerheiligenfest richten sich unsere Gedanken auf das himmlische Jerusalem, das Reich der ewigen Seligkeit, sowie auf die unermeßliche Zahl derer, die dort sind und Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, und der seligsten Jungfrau Maria, der Königin des Himmels, der Königin der Engel und aller Heiligen, unaufhörlich Lobeshymnen darbringen. Die erhabene Vision der Geheimen Offenbarung, die uns die heutige Liturgie vermittelt, öffnet uns einen Blick auf unsere endgültige und ewige Heimat, in die uns die Heiligen vorausgegangen sind und zu der wir alle auf dem Weg sind. <79> <79> Auf diesen Endausblick sind die Blicke und Schritte der Kirche ständig gerichtet. Das Konzil hat ihm eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet, indem es diesen Endausblick als Mittelpunkt seiner Untersuchungen über das 235 AUDIENZEN UND ANGELUS Geheimnis der Kirche herausstellte, das es als Geheimnis an sich und in seiner Beziehung zu den Gliedern, die diese geistliche und sichtbare Wirklichkeit bilden, analysierte. „Die Kirche, zu der wir alle in Christus Jesus berufen werden und in der wir mit der Gnade Gottes die Heiligkeit erlangen, wird erst in der himmlischen Herrlichkeit vollendet werden“ (Lumen gentium, Nr. 48). So beginnt das Kapitel aus Lumen gentium über den endzeitlichen Charakter der pilgernden Kirche und ihre Einheit mit der himmlischen Kirche, ein Kapitel, das auf die Zeichen des Jüngsten Tages — Tod, Gericht, Hölle, Paradies - hin weist und die Wahrheit von der Erneuerung aller Dinge klar herausstellt, die bereits im Ostergeheimnis Jesu Christi ihren Anfang genommen hat und im neuen Himmel und in der neuen Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt (vgl. 2 Petr 3,13), voll offenbar werden soll. 3. Das Zweite Vatikanum hat auch daran erinnert, daß die Heiligkeit, die bereits im irdischen Wegabschnitt der Kirche vorhanden und wirksam ist, nicht ein Privileg von irgend jemandem ist, sondern eine Berufung, die sich an das ganze Gottesvolk ohne Ausnahme richtet. Und es hat alle -Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und Laien - in jeder menschlichen Befindlichkeit und Lage aufgefordert, den großen Appell Jesu in die Tat umzusetzen: „Seid vollkommen, wie auch euer Vater im Himmel vollkommen ist“ (Mt 5,48). Die Worte des Konzils lauten: „Alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges sind zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen. Durch diese Heiligkeit wird auch in der irdischen Gesellschaft eine menschlichere Weise zu leben gefördert“ (Lumen gentium, Nr. 40). Wenn die Heiligkeit einerseits eines der Grundelemente der Kirche ist, so ist sie anderseits der konkrete Beweis für die Konsequenz, die die Gläubigen aus ihrer Berufung ziehen: Hier, nirgends sonst, ist die Grundlage für eine echte Erneuerung zu suchen, zu der wir in der gegenwärtigen Geschichtsperiode alle verpflichtet sind. Die kommende Bischofssynode wird es sicher nicht versäumen, diese dringenden Erfordernisse im Licht der Weisungen, die aus der zwanzigjährigen Erfahrung seit dem Konzil stammen, entsprechend herauszustellen. Die seligste Jungfrau Maria, Königin aller Heiligen, segne und begleite schon jetzt diese schwere Aufgabe. Darum wollen wir nun miteinander beten. 236 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelus sagte der Papst: Heute am Allerheiligenfest möchte ich besonders den „Tag der weltweiten Heiligung“ in Erinnerung rufen, der seit einigen Jahren von der Bewegung „pro sanctitate“ begangen wird und dessen Thema dieses Jahr - in Einklang mit dem Internationalen Jahr der Jugend - „Die Jugend und die Heiligkeit“ lautet. Während ich meiner Freude über diese lobenswerte Initiative Ausdruck gebe, fordere ich lebhaft dazu auf, heute über das erhabene und hohe Ideal unserer Heiligung durch den Glauben, die Gnade und die Liebe nachzudenken und entsprechende hochherzige Ziele anzustreben. Ein unerschrockenes Zeugnis dargebracht Vor dem Angelus am 3. November 1. Heute ist ein großer Festtag für die Kirche. Die Schar der Sehgen wurde um ein neues Licht bereichert: P. Titus Brandsma, ein hervorragender Sohn der holländischen Erde und der Ordensfamilie der Karmeli-ten, gestorben am 26. Juli 1942 im Konzentrationslager Dachau. Der neue Märtyrer-Selige hat auf heroische Weise Christus sein unerschrockenes Zeugnis dargebracht. Das Zeugnis ist ein Thema von lebenswichtiger Bedeutung, seitdem Jesus, bevor er zum Himmel auffuhr, zu den Jüngern gesagt hat: „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Auf den Seiten der Konzilsdokumente kehrt es häufig wieder und taucht in verschiedenen Blickwinkeln auf, unter denen das Geheimnis der Kirche erforscht wird, vor allem im geistlichen Blickwinkel. Das Zweite Vatikanum „unterstreicht in der Tat ausdrücklich, daß das Zeugnis darin besteht, zu glauben und den Glauben zu bekennen, d. h. das Zeugnis Gottes selbst anzunehmen und gleichzeitig durch das eigene Zeugnis Antwort darauf zu geben. In diesem Ansatz finden wir die grundlegende Dynamik des Heilsdialogs wieder“ (Karol Wojtyla, Alle Fonti del Rinnovamento, L. E. V. 1981 (S. 187—188). <80> <80> Am Anfang steht also das Zeugnis Christi, der „die Offenbarung erfüllt und abschließt und durch göttliches Zeugnis bekräftigt, daß Gott 237 AUDIENZEN UND ANGELUS mit uns ist, um uns aus der Finsternis von Sünde und Tod zu befreien und zu ewigem Leben zu erwecken“ (Dei verbum, Nr. 4). Daraus ergibt sich für jeden Christen die Pflicht, seinerseits ein persönliches Zeugnis zu geben. Dies bekräftigt das Konzil wiederholt, indem es den besonderen Wert hervorhebt, den die Erfüllung dieser Pflicht in bezug auf die einzelnen Gruppen annimmt. „Die Bischöfe sollen sich ihrer apostolischen Aufgabe als Zeugen Christi vor allem Menschen zuwenden“ {Christus Dominus, Nr. 11). Die Priester „müssen allen das Zeugnis der Wahrheit und des Lebens geben“ {Lumen gentium, Nr. 28). „Jeder Laie muß vor der Welt Zeuge der Auferstehung und des Lebens Jesu, unseres Herrn, sein“ {Lumen gentium, Nr. 38). Das höchste Zeugnis ist das Martyrium. Die Konzilskonstitution Lumen gentium erläutert dazu: „Das Martyrium . . . wertet die Kirche als hervorragendes Geschenk und als höchsten Erweis der Liebe. Wenn es auch wenigen gegeben wird, so müssen doch alle bereit sein, Christus vor den Menschen zu bekennen“ (Nr. 42). 3. Die kommenden Synode wird in ihren Zusammenkünften zu Gebet, Meditation und Studium schon an sich einen Akt des Zeugnisses darstellen. Einen feierlichen Akt, der gekennzeichnet ist durch die Dimension der bischöflichen Kollegialität und des kirchlichen Charakters. Als solche wird die Synode imstande sein, konkrete Weisungen anzubieten für die allgemeine Festigung des christlichen Zeugnisses, das uns vom Konzil als Verpflichtung auf getragen wurde. Mit diesem Wunsch rufen wir den neuen Seligen an der Seite Mariens, der Königin der Märtyrer, an. Gott ist ewig und ohne Anfang Ansprache bei der Generalaudienz am 6. November 1. In der Katechese am vergangenen Mittwoch haben wir betrachtet, wie Jesus Christus, der den Vater offenbar machte, parallel dazu sich selbst als Sohn, eines Wesens mit dem Vater, offenbart hat. Indem sich die Kirche auf das von Christus gegebene Zeugnis stützt, bekennt und verkündet sie ihren Glauben an den Sohn Gottes mit den 238 AUDIENZEN UND ANGELUS Worten des nizänokonstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses: „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater . . Das ist eine Glaubenswahrheit, die durch das Wort Christi selbst verkündet, von seinem am Kreuz vergossenen Blut besiegelt, von seiner Auferstehung beglaubigt, von der Lehre der Apostel bezeugt und von den Schriften des Neuen Testaments weitergegeben worden ist. Unserem Geist verborgen Christus sagt: „Noch ehe Abraham wurde, bin ich“ (Joh 8,58). Er sagt nicht: „war ich“, sondern „bin ich“, das heißt: von jeher, in einer ewigen Gegenwart. Der Apostel Johannes schreibt im Prolog zu seinem Evangelium: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist“ {Joh 1,1-3). Jenes „Noch ehe Abraham wurde“ bedeutet demnach im Zusammenhang des Streitgespräches Jesu mit den Erben der jüdischen Überlieferung, die sich auf Abraham beriefen: „lange vor Abraham“ und wird aus den Worten des Prologs zum vierten Evangelium deutlich: „Im Anfang war es bei Gott“, das heißt in der nur Gott eigenen Ewigkeit: in der dem Vater und dem Heiligen Geist gemeinsamen Ewigkeit. Im Symbolum Quicumque heißt es dann auch: „In dieser Dreifaltigkeit ist nichts früher oder später, nichts größer oder kleiner, sondern alle drei Personen sind miteinander ewig und gleich.“ <81> <81> Nach dem Johannesevangelium war der Sohn, das Wort, im Anfang bei Gott, und das Wort war Gott (vgl. Joh 1,1-2). Denselben Gedanken finden wir in der apostolischen Lehrverkündigung. So lesen wir im Hebräerbrief, daß Gott den Sohn „zum Erben des Alls eingesetzt und durch ihn auch die Welt erschaffen hat; er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens; er trägt das All durch sein machtvolles Wort“ (Hebr 1,2-3). Und Paulus schreibt im Brief an die Kolosser: „Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ {Kol 1,15). Nach der Lehre der Apostel ist der Sohn also eines Wesens mit dem Vater, da er das göttliche Wort ist. In diesem Wort und durch es ist alles entstanden, ist das All erschaffen worden. Vor der Schöpfung, vor dem Anfang „aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge“, hat das Wort gemeinsam mit dem Vater das ewige Sein und das göttliche Leben und ist „der 239 AUDIENZEN UND ANGELUS Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens“ (Hebr 1,3). In diesem Anfang ohne Anfang ist das Wort der Sohn, weil es ewig vom Vater gezeugt wird. Das Neue Testament offenbart uns dieses für uns unbegreifliche Geheimnis von einem Gott, der einer und dreifältig ist: In der seinsmäßig absoluten Einheit seines Wesens ist Gott ewig und ohne Anfang der Vater, der das Wort zeugt, und der als Wort des Vaters gezeugte Sohn. 3. Diese ewige Zeugung des Sohnes ist eine Glaubenswahrheit, die von der Kirche viele Male (nicht nur in Nicäa und Konstantinopel, sondern auch auf anderen Konzilien, z. B. auf dem Vierten Laterankonzil im Jahr 1215) verkündet und definiert, von den Vätern und Theologen erforscht und auch erläutert wurde, natürlich nur soweit sich die unerforschliche Wirklichkeit Gottes mit unseren immer recht unzureichenden menschlichen Begriffen erfassen läßt. Diese Erklärung wird vom Katechismus des Konzils von Trient zusammengefaßt, der sehr richtig urteilt,, ... so groß ist die unendliche Fruchtbarkeit Gottes, daß er, indem er sich selbst erkennt, den wesensgleichen Sohn zeugt.“ Es ist in der Tat gewiß, daß diese ewige Zeugung in Gott absolut geistlicher Natur ist, denn „Gott ist Geist“. Analaog zu dem erkenntnistheoretischen Prozeß des menschlichen Geistes, durch den der Mensch, indem er sich selbst erkennt, ein Bild, eine Idee, einen Begriff von sich selbst hervorbringt, das heißt eine „empfangene Idee“, die nach dem lateinischen „verbum“ (Wort) häufig inneres Wort genannt wird, wagen wir, an die Zeugung des Sohnes bzw. den ewigen Begriff und das innere Wort Gottes zu denken. Indem Gott sich selbst erkennt, zeugt er das Wort, den Sohn, der Gott ist wie der Vater. In dieser Zeugung ist Gott gleichzeitig Vater als derjenige, der zeugt, und Sohn als derjenige, der gezeugt wird, Sohn in der tiefsten Identität der Gottheit, die eine Mehrzahl von „Göttern“ ausschließt. Das Wort ist der Sohn, gleichen Wesens mit dem Vater, und er ist mit ihm der einzige Gott der Offenbarung des Alten und des Neuen Testaments. 4. Diese Darlegung des für uns unerforschlichen Geheimnisses des innersten Lebens Gottes ist in der gesamten christlichen Überlieferung enthalten. Wenn die göttliche Zeugung unmittelbar in der Offenbarung enthalten und von der Kirche definierte Glaubenswahrheit ist, können wir sagen, daß die Erklärung, die die Kirchenväter und -lehrer davon geben, eine gut fundierte und sichere theologische Lehre ist. Aber wir können nicht behaupten, mit ihr sämtliche Nebel zu beseitigen, 240 AUDIENZEN UND ANGELUS die den, der „in unzugänglichem Licht wohnt“ {1 Tim 6, 16), unserem Geist verhüllen. Eben weil der menschliche Verstand nicht fähig ist, das göttliche Wesen zu begreifen, vermag er nicht in das Geheimnis des innersten Lebens Gottes einzudringen. Mit besonderem Recht gilt hier der Ausdruck: „Wenn du ihn begreifst, dann ist er nicht Gott.“ Jesus über allem geschichtlichen Werden Dennoch macht uns die Offenbarung mit den wesentlichen Begriffen des Geheimnisses bekannt, legt es uns dar und läßt es uns weit über jedes intellektuelle Verständnis hinaus in Erwartung und in Vorbereitung auf die himmlische Vision verspüren. Wir glauben daher, daß „das Wort Gott war“ (Joh 1,1), „Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ {Joh 1,14) und „allen, die ihn aufnahmen, Macht gab, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12). Wir glauben an den Sohn, den „Einzigen, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht“ (Joh 1,18) und der uns, ehe er die Erde verließ, verheißen hat, uns, seinen Kindern und Brüdern (vgl. Röm 8,15.23; Gal 4,5; Eph 1,5), in der Herrlichkeit Gottes „einen Platz vorzubereiten“ (vgl. Joh 14,2). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In jenem Gebet, das uns von Kindheit an so vertraut ist, im Vaterunser, sprechen wir Gott als unseren Vater an. Jesus Christus hat uns den Mut zu einer solchen Anrede gegeben, als die Jünger ihn einst baten, sie das rechte Beten zu lehren. Auch Jesus nennt Gott seinen Vater; er aber tut dies in einer ganz neuen, viel tieferen und völlig einmaligen Weise. In einem Gespräch mit den Schriftgelehrten konnte er sagen: „Noch ehe Abraham wurde, bin ich“ {Joh 8,58). Dieses „bin ich“ stellt Jesus über alles geschichtliche Werden, wie es den Abraham und alle Menschen mit ihm prägt. Mit einem solchen Wort bekennt Jesus, daß er teilnimmt an der ewigen Gegenwart Gottes: Er ist Gott wie Gott Vater; er ist der ewige Sohn des Vaters. Es ist uns Menschen nicht leicht, dieses tiefe Geheimnis der inneren Wurzel und Herkunft der Person Jesu zu begreifen und in Worte zu fassen. Es darf ja dabei nicht die Einheit Gottes verletzt werden, als wenn wir mehrere „Gottheiten“ behaupten wollten. Die Schriften des Neuen Testamentes haben uns zwei Möglichkeiten geschenkt, um die Beziehung Jesu zu Gott zu erahnen. Sie sprechen einmal von dem Verhältnis eines Sohnes zu seinem Vater, von einer ewigen Zeugung im geistigen Sinne. In 241 A UDIENZEN UND ANGELUS ihrem Glaubensbekenntnis spricht die Kirche daraufhin: Jesus Christus ist „wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater“. Dann sprechen die Glaubenszeugen auch von Jesus als dem ewigen „Wort“, das Gott Vater in göttlicher Fülle denkt und spricht; danach ist Jesus Christus das Wort Gottes, in dem Gott sich so vollkommen und ganz versteht und ausspricht, daß wiederum die volle Wesensgleichheit dieses göttlichen Wortes mit dem Vater folgt. So beten wir Jesus Christus an als die Brücke zwischen der Schöpfung und ihrem Schöpfer: Als Mensch ist er unser aller Bruder; als göttliches Wort nimmt er teil am innersten Leben des dreifältigen Gottes in der Liebe des Heiligen Geistes. Mit diesen kurzen Hinweisen zum tiefsten Fundament unseres Glaubens und der Kirche erbitte ich euch allen Gottes reichen Segen für euch und eure Familien zu Hause. Die Hoffnung auf Gott sei euch Licht an guten wie an schweren Tagen! Solidarisch mit der Menschheit Vor dem Angelus am 10. November 1. „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände“ (Gaudium et spes, Nr. 1). Im Einklang mit dieser gewichtigen Aussage des Konzils habe ich heute vormittag in der Predigt bei der heiligen Messe des 40. Jahrestages der FAO und zugleich des Inkrafttretens der Charta der Vereinten Nationen vor 40 Jahren gedacht. Die Kirche ist und fühlt sich zutiefst solidarisch mit der Menschheit, zu der sie gesandt worden ist und der sie selbst angehört. Ihr liegt deshalb auch der Fortschritt der Menschheit in bezug auf das irdische Leben am Herzen, wobei sie ihre vorrangige Aufmerksamkeit und größte Sorge jenen Bereichen zuwendet, wo die Probleme am größten sind und die Not am ärgsten ist. 242 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Die humanistischen Aspekte der kirchlichen Sendung und die Aufgaben, die daraus erwachsen, haben einen beachtlichen Teil der Arbeiten des Zweiten Vatikanums in Anspruch genommen. Die tiefe Bedeutung dieser Dimension der Konzilsgedanken hat Paul VI. in seiner denkwürdigen Ansprache zum Abschluß der letzten Sitzungsperiode erläutert. Die Kirche, so erklärte der unvergeßliche Papst, „beugt sich über den Menschen und über die Erde, aber sie erhebt sich empor zum Reich Gottes . . . Die katholische Religion und das menschliche Leben behaupten so wieder ihre Verbundenheit, ihre Übereinstimmung in einer einzigen menschlichen Wirklichkeit: Die katholische Religion ist für die Menschheit da; sie ist in gewissem Sinne das Leben der Menschheit“ (Insegnamenti di Paolo VI, III, 1965, S. 731). Die hier angeführten Gedanken und pastorale Sorge erfüllen das Lehramt meines geliebten Vorgängers und insbesondere die Enzyklika Populorum progressio, in der die Instanzen des Konzils auf die Formulierung des „vollen Humanismus“ hingewiesen werden: Entwicklung des Menschen, des ganzen Menschen, aller Menschen. 3. Wie ich in der Enzyklika Redemptor hominis geschrieben habe, „betrachtet die Kirche die Besorgnis des Menschen um seine Menschlichkeit, um die Zukunft der Menschen auf Erden und damit auch um die Richtung von Entwicklung und Fortschritt als ein wesentliches Element ihrer Sendung, das hiervon nicht getrennt werden darf“ (Nr. 15). Bei der Verfolgung der großen Zielsetzungen der Förderung des Menschen lassen wir uns von keinem Interesse antreiben, von keinem Ehrgeiz verleiten, der nicht Dienst am Wohl des Menschen selbst wäre, verstanden in der Wahrheit seines Seins und seiner zeitlichen und ewigen Bestimmung. Und in keiner Weise wird die Transzendenz unserer religiösen Vorstellungen verdunkelt, die ja nicht nur ein spezifischer, sondern ein stärkender und anregender Faktor der kirchlichen Solidarität mit der Sache des Menschen ist. Bei der bevorstehenden Tagung der Außerordentlichen Synode, die von der pastoralen Liebe beseelt ist, werden die Akzente der Lehren des Konzils und die Überlegungen über ihre Anwendung zweifellos zu dieser wichtigen Thematik zurückkehren. Und das ganze Volk Gottes wird daraus — das ist unser Wunsch — einen neuen Impuls zu der Treue empfangen, die uns alle mit dem großen Ereignis verbindet. Die gesegnete Jungfrau, die geistliche Muter der Menschheit, möge mit ihrer Fürbitte dafür eintreten, daß die Synode für die Sendung der Kirche unter den Menschen unserer Zeit neue Wohltaten erbringe. 243 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelus sagte der Papst: Nun richte ich meinen Gruß an alle Landwirte und Landarbeiter, die gemäß einer traditionellen Initiative des Nationalen Bauernvereins heute ihr Erntedankfest feiern. Ich möchte den einzelnen Bauern nahe sein, um gemeinsam mit ihnen Gott aufrichtig zu danken, der in seiner Vorsehung veranlaßt, daß die Frucht der Erde sie für ihre mühsame Feldarbeit entschädige. Den Bauern schließe sich jeder Mensch in dem Bewußtsein an, daß ohne den Ertrag ihrer Felder kein Leben möglich wäre. Aus der Erde lassen sich, wenn die unterschiedliche Bodenqualität berücksichtigt und das für die Nutzung der Felder richtige Gleichgewicht geschützt wird, reiche und für das Leben jedes Menschen unerläßliche Früchte gewinnen. Allen Bauern und ihren Organisationen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. „Ewiger Akt der Erkenntnis und Liebe“ Ansprache bei der Generalaudienz am 13. November 1. „Ich glaube an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten.“ Wie wir es getan haben, als wir vom Vater und vom Sohn sprachen, so bedienen wir uns auch heute zur Einleitung der Katechese über den Heiligen Geist der Formulierung des nizänökonstantinopolitanischen Glaubensbekenntnisses, entsprechend dem Gebrauch, der sich in der lateinischen Liturgie durchgesetzt hat. Im 4. Jahrhundert haben die Konzilien von Nizäa (325) und von Konstantinopel (381) zur Präzisierung der Begriffe beigetragen, die allgemein verwendet wurden, um die Lehre über die Heiligste Dreifaltigkeit darzulegen: ein einziger Gott, der in der Einheit seiner Gottheit Vater, Sohn und Heiliger Gesit ist. Die Formulierung der Lehre über den Heiligen Geist stammt insbesondere vom erwähnten Konzil von Konstantinopel. 244 A UDIENZEN UND ANGEL US 2. Die Kirche bekennt deshalb ihren Glauben an den Heiligen Geist mit den oben angeführten Worten. Der Glaube ist Antwort auf die Selbstoffenbarung Gottes: Er hat sich selbst zu erkennen gegeben „durch die Propheten, in dieser Endzeit aber . . . durch den Sohn“ (Hebr 1,1-2). Der Sohn, der uns den Vater geoffenbart hat, hat uns auch den Heiligen Geist geoffenbart. „Wie der Vater ist, so der Sohn, so der Heilige Geist“, verkündet das Glaubensbekenntnis Quicumque aus dem 5. Jahrhundert. Jenes „so“ wird von den anschließenden Worten des Glaubensbekenntnisses erklärt und soll heißen „nicht geschaffen, unendlich, ewig, allmächtig .. . nicht drei Allmächtige, sondern ein einziger Allermächtiger: also Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist... Es gibt also nicht drei Götter, sondern einen einzigen Gott.“ 3. Es scheint angebracht, mit der Erläuterung der Bezeichnung Geist — Heiliger Geist - zu beginnen. Das Wort „Geist“ erscheint bereits auf der ersten Seite der Bibel: „. . . Gottes Geist schwebte über dem Wasser“ (Gen 1,2), heißt es im Schöpfungsbericht. Geist ist die Übersetzung des hebräischen ruah, was soviel heißt wie Atem, Hauch, Wind, und wurde im Griechischen mit pneuma (von pneo - ich atme), im Lateinischen mit spiritus (von spiro) und auch im Polnischen mit duch, tchnac, tchnienie wiedergegeben. Die Etymologie ist wichtig, da sie uns, wie wir sehen werden, hilft, den Sinn des Dogmas zu erklären, und uns nahelegt, wie wir es verstehen sollen. Die Geisthaftigkeit ist eine Wesenseigenschaft der Gottheit: „Gott ist Geist..." - hat Jesus Christus im Gespräch mit der Samariterin gesagt {Joh 4,24). (In einer der vorangegangenen Katechesen haben wir von Gott als unendlich vollkommenem Geist gesprochen.) Bei Gott heißt „Geisthaftigkeit“ nicht nur höchste und absolute Unkörperlichkeit, sondern auch reiner und ewiger Akt der Erkenntnis und Liebe. 4. Die Bibel und besonders das Neue Testament bezieht sich, wenn sie vom Heiligen Geist spricht, nicht auf das Sein Gottes selbst, sondern auf jemanden, der in einem besonderen Verhältnis zum Vater und dem Sohn steht. Es gibt zahlreiche Stellen, beonders im Johannesevangelium, die diese Tatsache deutlich machen: In besonderer Weise gilt das für die Abschnitte der Abschiedsreden unseres Herrn, Jesus Christus, beim Letzten Abendmahl am Donnerstag vor dem Paschafest. Beim Abschied von den Aposteln kündigt Jesus ihnen das Kommen eines „anderen Beistands“ an. Er sagt: „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben 245 AUDIENZEN UND ANGELUS soll. Es ist der Geist der Wahrheit. . (Joh 14,16-17). „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren“ (Joh 14,26). Die Sendung des Heiligen Geistes, den Jesus hier „Beistand“ nennt, geschieht vom Vater im Namen des Sohnes. Sie wird kurz darauf von Jesus selbst noch weiter entfaltet: „Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen . . .“ (Joh 15,26). Der Heilige Geist, der vom Vater ausgeht, wird also den Aposteln und der Kirche sowohl vom Vater im Namen des Sohnes als auch vom Sohn selbst, der zum Vater zurückgekehrt ist, gesandt. Wenig später sagt Jesus noch: „Er (der Geist der Wahrheit) wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden“ (Joh 16,14-15). 5. Alle diese Worte sowie auch die anderen Texte, die wir im Neuen Testament finden, sind von größter Bedeutung für das Verständnis der Heilsökonomie. Sie sagen uns, wer der Heilige Geist im Verhältnis zum Vater und zum Sohn ist: Das heißt, sie besitzen eine trinitarische Bedeutung; sie sagen nicht nur, daß der Heilige Geist vom Vater und vom Sohn „gesandt“ wird, sondern auch, daß er aus dem Vater „hervorgeht“. Wir berühren damit Fragen, denen in der Lehre der Kirche über die Heiligste Dreifaltigkeit eine Schlüsselstellung zukommt. Der Heilige Geist wird vom Vater und vom Sohn gesandt, nachdem der Sohn seinen Erlösungsauftrag erfüllt hat und in seine Herrlichkeit eingegangen ist (vgl. Joh 7,39; 16,7), und diese Sendungen (missiones) entscheiden über die gesamte Heilsökonomie in der Menschheitsgeschichte. Diese Sendungen setzen die Vorgänge, die in Gott selbst sind, voraus und offenbaren sie. Der Sohn geht ewig aus dem Vater als der von ihm Gezeugte hervor und hat in der Zeit um unseres Heiles willen Menschennatur angenommen. Der Heilige Geist, der vom Vater und vom Sohn ausgeht, hat sich zuerst bei der Taufe und bei der Verklärung Jesu und dann am Pfingsttag über seinen Jüngern geoffenbart; er lebt in den Herzen der Gläubigen durch die Gabe der Liebe. Hören wir darum die Ermahnung des Apostels Paulus: „Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes, dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung“ (Eph 4,30). Lassen wir uns also von ihm leiten! Er führt uns auf dem Weg, der Christus ist, zur seligmachenden Begegnung mit dem Vater. 246 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Unsere katechetischen Überlegungen gelten heute dem Heiligen Geist. Wir bekennen ihn im Glaubensbekenntnis als den „Herrn und Lebensspender, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht“ und „mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird“. Christus hat uns mit dem Vater auch den Heiligen Geist offenbart. Die nachfolgenden Konzilien haben mit der Lehre über die Heiligste Dreifaltigkeit auch die geoffenbarte Wahrheit über den Heiligen Geist weiterentfaltet und vertieft. „Gott ist Geist“, sagt Jesus im Gespräch mit der Samariterin (Joh 4,24). Die Geistigkeit ist eine Wesenseigenschaft der Gottheit als solcher. Dennoch meint die Bibel an den meisten Stellen, wo sie vom Geist spricht, eine bestimmte Person, die in einem besonderen Verhältnis mit dem Vater und dem Sohn steht. So verheißt Jesus im Johannesevangelium das Kommen eines „anderen Beistands“: „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben wird“ (Joh 14,16). Etwas später heißt es noch genauer, daß der Vater den Heiligen Geist im Namen seines Sohnes senden wird. An einer anderen Stelle sagt Jesus dann sogar, daß er selber ihn sendet: „Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen“ (Joh 15,26). Diese Texte sind von entscheidender Bedeutung für das richtige Verständnis der Heilsökonomie. Sie sagen nicht nur, daß der Heilige Geist von Vater und Sohn „gesandt“ wird, sondern auch, daß er vom Vater „hervorgeht“. Diese „Sendungen“ des Heiligen Geistes offenbaren uns zugleich die gegenseitigen Beziehungen der drei Personen in Gott selber. Am Pfingst-tag wurde der Heilige Geist ausgegossen in die Herzen der Gläubigen. Deshalb ermahnt uns der Apostel Paulus: „Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes, dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung“ (Eph 4,30). Lassen wir uns also vom Heiligen Geist leiten. Er führt uns durch Chistus zum Vater. Herzlich grüße ich mit dieser kurzen Betrachtung alle anwesenden deutschsprachigen Pilger und Besucher; unter ihnen besonders die Teilnehmer der Romreise der Fischerchöre und die Gruppe von Lesern der Zeitschrift „Funk-Uhr“. Mit der Bitte um reiche Gaben des Heiligen Geistes erteile ich euch allen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 247 A UDIENZEN UND ANGELUS Aufgaben für die jungen Menschen Vor dem Angelus am 17. November Liebe Brüder und Schwestern, Römer und Pilger! 1. Heute sind drei neue Selige zu den Scharen der himmlischen Kirche hinzugekommen, drei Seelen, die sich im Ordensleben Gott geweiht hatten. Ein junger Mann aus der italienischen Provinz Romagna, Luigi Campi-delli, der durch den normalen Alltag im Orden der Passionisten, in dem er Klerikerprofesse war, die Vollkommenheit erlangt hat. Eine tapfere Frau deutscher Herkunft, Maria Theresia Gerhardinger, die ihr Charisma durch die Gründung des Ordens der Armen Schulschwestern Unserer Lieben Frau entfaltete. Eine weitere tapfere Frau, Rebecca Ar-Rayes de Himlaya, die aus dem biblischen, geliebten Land Libanon stammte und durch vielfältige Leiden, von frühzeitiger Verwaisung bis zu langjähriger Blindheit und Lähmung, die höchsten Gipfel erreichte. Drei verschiedene Persönlichkeiten, denen die Hochherzigkeit gemeinsam ist, mit der sie dem Ideal der evangelischen Räte der Armut, Ehelosigkeit und des Gehorsams folgten. <82> <82> „Die evangelischen Räte - so das Zweite Vatikanische Konzil - . . . sind eine göttliche Gabe, welche die Kirche von ihrem Herrn empfangen hat und in seiner Gnade immer bewahrt“ (Lumen gentium, Nr. 43). Sie sind eine Gabe, an der es Gott in seiner Güte nicht fehlen läßt, die jedoch in menschliche Hände gelegt wird und die Verantwortung zur Annahme und Erwiderung nach sich zieht. Das Konzil hat dieser wichtigen Komponente des Volkes Gottes tiefgehende Betrachtungen gewidmet, indem es die Bedeutung des „Zeichens“ als spezifisches evangelisches Zeugnis ins Licht stellte: „Jeder, der zum Lebensstand der Räte berufen ist, soll - so empfiehlt Lumen gentium -eifrig bemüht sein, in der Berufung, zu der er von Gott gerufen wurde, zu bleiben und sich darin mehr auszuzeichnen, zu vollerer Heiligkeit der Kirche, zur größeren Ehre der einen und ungeteilten Dreifaltigkeit, die in Christus und durch Christus Quelle und Ursprung jeder Heiligkeit ist“ (Nr. 47). 248 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Der junge Mann, der heute zur Ehre der Altäre erhoben wurde, bringt uns die Sorge in Erinnerung, die das Konzil in verschiedenen Dokumenten im Hinblick auf die Jugend als die „Hoffnung der Kirche“ (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 2) geäußert hat. Die Seelenhirten, insbesondere die Bischöfe, hat das II. Vatikanum um besondere Aufmerksamkeit für die jungen Generationen gebeten und nicht versäumt, auf die verschiedenen Aspekte ihrer ganzheitlichen Bildung mit Bemerkungen der Sympathie und des Vertrauens hinzuweisen. Die heutigen Jugendlichen sind in den Jahren des Konzils geboren. Der Weg der Geschichte hat sie in die Dynamik seines Erbes eingeführt. Die bevorstehende Synodentagung, die des 20 Jahre zurückliegenden Konzils gedenkt, wird das Interesse der jungen Menschen anziehen. Die Synodenväter werden die frischen Kräfte der Männer und Frauen von morgen und die Aufgaben, die auf sie warten, im Auge haben. Möge die himmlische Mutter erwirken, daß die Vertiefungen, die die Synode anstrebt, dem Organismus der Kirche neue geistliche Kräfte zuführen, so daß unsere Jugend darin immer offenkundiger und lebendiger das junge Antlitz Christi zu erkennen vermag. Nach dem Angelus sagte der Papst: Am kommenden Dienstag und Mittwoch findet in Genf eine Begegnung zwischen den höchsten Persönlichkeiten der Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion, Präsident Ronald Reagan und Herrn Michail Gorbatschow, zu Gesprächen statt, die seit längerer Zeit in der ganzen Welt Kommentare, Prognosen und Hoffnungen ausgelöst haben. In den letzten Wochen haben sich die Erwartungen und das Interesse für die Genfer Gespräche noch gesteigert. Im Hinblick auf das Gipfeltreffen habe ich an die beiden hohen Persönlichkeiten eine persönliche Botschaft gerichtet, in der ich die Hoffnung zum Ausdruck bringe, daß durch ihre Gespräche die Grundlagen für die Entwicklung eines Dialogs gelegt werden, der das Mißtrauen abbaut, die Kriegsgefahr abwendet und den Frieden begünstigt - in einem Kontext der Gleichberechtigung und Gerechtigkeit. Niemand kann sich die Schwierigkeiten verhehlen, die sich der ersehnten Verständigung über die Probleme, die untersucht werden sollen, vor allem die Abrüstungsfrage, in den Weg legen. Darum lade ich euch ein, mit mir die Fürsprache Mariens, der Königin des Friedens und Mutter des Guten Rates, anzurufen, damit der Herr alle Anstrengungen auf der Suche nach Lösungen, die die Erwartungen der Menschheit erfüllen, unterstütze und stärke. 249 AUDIENZEN UND ANGELUS Außerdem gedachte der Papst in spanischer Sprache der schwer heimgesuchten Menschen in Kolumbien: Im Herzen und im Gebet vereine ich mich mit dem tiefen Leid, das die geliebten Söhne und Töchter Kolumbiens nach dem tragischen Vulkanausbruch heimgesucht hat, der Tausende von Todesopfern, Verletzten, Obdachlosen gefordert und riesige Gebiete, vor allem in Armero und Chincirä, verwüstet hat. Mit der Bitte an Gott für die Seelenruhe der Toten und die baldige Genesung der Verletzten richte auch ich an die Katholiken sowie an alle Männer und Frauen guten Willens einen Aufruf, damit sie mit hochherziger Solidarität den vielen von dieser Naturkatastrophe hartgeprüften Menschen helfen. Ebenso ermutige ich zu jeder Initiative, die private und öffentliche Institutionen ergreifen, um der so schwer betroffenen Bevölkerung dringend zu helfen. Allen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Gabe des Heiligen Geistes Ansprache bei der Generalaudienz am 20. November 1. In der vorigen Katechese haben wir unsere Aufmerksamkeit auf den Heiligen Geist gerichtet, indem wir über die Worte des Nizänokonstanti-nopolitanischen Glaubensbekenntnisses entsprechend der in der lateinischen Liturgie üblichen Form nachgedacht haben: „Ich glaube an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten.“ Der Heilige Geist wird vom Vater und vom Sohn gesandt, wie er auch aus beiden hervorgeht. Darum wird er „der Geist des Vaters“ genannt (z. B. Mt 10,20; 1 Kor2,\\\ auch Joh 15,26), aber auch „der Geist des Sohnes“ {Gal4,6) oder „der Geist Jesu“ (Apg 16,7), denn Jesus selbst sendet ihn (vgl. Joh 15,26). Die lateinische Kirche bekennt daher, daß der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht („qui a patre filioque procedit“), die orthodoxen Kirchen verkünden, daß der Heilige Geist aus dem Vater durch den Sohn hervorgeht. Und er geht hervor durch den Willen, in der Weise der Liebe („per modum amoris“) - das ist eine 250 AUDIENZEN UND ANGELUS „sententia certa“, d. h. eine in der Lehrtätigkeit der Kirche allgemein anerkannte theologische Doktrin, die somit sicher und verbindlich ist. 2. Diese Überzeugung findet ihre Bestätigung in der Etymologie des Namens „Heiliger Geist“, auf die ich in der Katechese der Vorwoche hingewiesen habe: Geist, „Spiritus“, „pneuma“, „ruah“. Ausgehend von dieser Etymologie, wird der Hervorgang des Geistes aus dem Vater und dem Sohn als Hauchung beschrieben: „spiramen“ - Hauch der Liebe. Diese Hauchung ist nicht Zeugung. Einzig das Wort, der Sohn, geht durch ewige Zeugung aus dem Vater hervor. Gott, der ewig sich selbst und in sich selbst alles andere erkennt, zeugt das Wort. In dieser ewigen Zeugung, die auf dem Weg des Erkennens („per modum intellegibilis actio-nis“) erfolgt, ist Gott in der absoluten Einheit seines Wesens, das heißt seiner Gottheit, Vater und Sohn. Er „ist“, und nicht: er „wird“, er „ist“ es ewig. Er „ist“ von Anfang an und ohne Anfang. Unter diesem Gesichtspunkt muß das Wort „Hervorgang“ richtig verstanden werden: ohne jeglichen Bedeutungsgehalt eines zeitlichen Werdens. Dasselbe gilt für den Hervorgang des Heiligen Geistes. 3. Gott ist also durch die Zeugung in der absoluten Einheit der Gottheit ewig Vater und Sohn. Der zeugende Vater liebt den gezeugten Sohn, und der Sohn liebt den Vater mit einer Liebe, die mit jener des Vaters identisch ist. In der Einheit der Gottheit ist die Liebe auf der einen Seite Vaterliebe und auf der anderen Seite Sohnesliebe. Zugleich sind Vater und Sohn durch jene gegenseitige Liebe nicht nur als zwei unendlich vollkommene Personen geeint, sondern ihr gegenseitiges Wohlgefallen, ihre gegenseitige Liebe geht in ihnen und aus ihnen als Person hervor: Vater und Sohn hauchen den Geist der Liebe, der mit ihnen eines Wesens ist. Auf diese Weise ist Gott in der absoluten Einheit seiner Gottheit von aller Ewigkeit her Vater, Sohn und Heiliger Geist. Das Glaubensbekenntnis Quicumque verkündet: „Der Heilige Geist ist weder gemacht noch geschaffen noch gezeugt, sondern geht aus dem Vater und dem Sohn hervor.“ Und der Hervorgang erfolgt „per modum amoris“, wie wir ausgeführt haben. Deshalb nennen die Kirchenväter den Heiligen Geist: „Liebe, Agape (caritas), dilectio, Liebesband, Liebes-kuß.“ Alle diese Ausdrücke zeugen von der Weise des Hervorgangs des Heiligen Geistes aus dem Vater und dem Sohn. 251 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott ist in seinem inneren Leben Liebe 4. Man kann sagen, daß Gott in seinem inneren Leben „Liebe ist“, die im Heiligen Geist, dem Geist des Vaters und des Sohnes, Person wird. Der Geist wird auch Gabe genannt. Im Geist nämlich, der die Liebe ist, befindet sich die Quelle aller Gabenspendung gegenüber den Geschöpfen, die in Gott ihren Anfang nimmt: die Gabe des Daseins durch die Schöpfung, die Gabe der Gnade durch den gesamten Heilsplan. Im Licht dieser Theologie von der trinitarischen Gabe verstehen wir die Worte der Apostelgeschichte besser: ,. . . dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen {Apg 2,38). Das sind die Worte, mit denen Christus sich endgültig von den Seinen verabschiedet, als er zum Vater geht. In diesem Licht verstehen wir auch die Worte des Apostels: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Beschließen wir also unsere Überlegungen, indem wir mit der Liturgie inständig bitten: „Veni, Sancte Spiritus“ - „Komm, Heiliger Geist!“ „Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe!“ In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In unseren wöchentlichen Katechesen möchte ich heute einige weitere Gedanken zu unserem Glauben an den Heiligen Geist vorlegen. Im Großen Glaubensbekenntnis sprechen wir: „Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten.“ Der Heilige Geist wird vom Vater und vom Sohn „gesandt“, wie er auch aus beiden „hervorgeht“. In der Heiligen Schrift ist deshalb vom „Geist des Vaters“ die Rede (vgl. Mt 10,20; 1 Kor 2,11; Joh 15,26), aber auch vom „Geist des Sohnes“ {Gal4,6) oder vom „Geist Jesu“ {Apg 16,7). Die lateinische Kirche bekennt daher, daß der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, die orthodoxe Kirche bekennt, daß der Heilige Geist aus dem Vater durch den Sohn hervorgeht. Das Hervorgehen des Heiligen Geistes aus dem göttlichen Geheimnis geschieht „durch den Willen, durch die Liebe“: Das ist allgemeine theologische Aussage wie auch für die Kirche sichere Glaubensüberzeugung. Diese Überzeugung wird bestätigt durch die Wortbestimmung des 252 AUDIENZEN UND ANGELUS Namens „Heiliger Geist“: Geist, Hauch, Atem. Das Hervorgehen des Geistes aus dem Vater und dem Sohn wird von dieser Wurzel her als „Hauchung“ verstanden, als Atem der Liebe. Was vom Sohn gesagt wird, der aus dem Vater durch ewige Zeugung „hervorgeht“ und ewig ist ohne ein zeitliches Werden, das gilt auch für das „Hervorgehen“ des Heiligen Geistes aus dem Vater und dem Sohn von Ewigkeit her. Dieses „Hervorgehen“ von Sohn und Heiligem Geist ist ein innergöttlicher Vorgang, der die Einheit Gottes nicht antastet. Die Einheit des göttlichen Wesens besteht aber nicht nur im Liebesband von Vater und Sohn, sondern diese gegenseitige Liebe geht aus beiden als Person hervor: Vater und Sohn „hauchen“ den Geist der Liebe, der ihnen wesensgleich ist. Im Heiligen Geist findet sich die Quelle allen Lebens, des natürlichen aus der Schöpfung wie auch des gnadenhaften aus dem göttlichen Heilsangebot. Die Kirche besingt deshalb den Heiligen Geist in Liedern und Hymnen als Schatz, Licht, Liebe, Glut, Trost, Kraft, Lebensbrunn. Beschließen wir unsere Überlegungen mit der Bitte um den Heiligen Geist: „Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe!“ Herzlich grüße ich alle anwesenden Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. Ich wünsche euch einen bereichernden Romaufenthalt und Stärkung im Glauben und erteile euch und euren Lieben daheim von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. „Begleitet die Synode mit eurem Gebet“ Vor dem Angelus am 24. November „Groß ist der Herr und hoch zu preisen“ (Ps 18,1). 1. Ihm sage ich aus tiefstem Herzen Dank, daß er mich am heutigen Tag, dem Christkönigsfest, gemeinsam mit zahlreichen Kardinälen und den Mitgliedern der außerordentlichen Synode, die heute beginnt, über dem Grab des Apostels Petrus die Eucharistie feiern ließ. Das war eine große Freude für mich. Wir haben die Gebetserfahrungen der vier Konzilssessionen gleichsam wiedererlebt und haben die Brüder, die nach dem Konzil in das Bischofsamt berufen wurden, daran teilhaben lassen. 253 AUDIENZEN UND ANGELUS In aller Feierlichkeit, voll innerer Bewegung und mit Verantwortungsbewußtsein für die Sendung, zu der uns die Vorsehung berufen hat, haben wir unserem Glauben verkündet: der Glauben der einen, heiligen, katholischen, apostolischen Kirche. 2. Die Bereicherung und Vertiefung des Glaubens sind Leitmotive des konziliaren Lehramtes und bilden die Voraussetzungen für die praktische Ausübung dieses Lehramtes, als dessen unmittelbare Frucht sie bezeichnet werden können. „Dem offenbarenden Gott ist der ,Gehorsam des Glaubens <83> <84> (Röm 16,26 . . .) zu leisten. Darin überantwortet sich der Mensch Gott als ganzer in Freiheit, indem er sich ,dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwirft <85> (. . .) und seiner Offenbarung willig zustimmt“ (Dei verbum, Nr. 5). Diese Worte fassen wirksam die Dynamik des Glaubens als Akt zusammen, der die freien Fähigkeiten des Menschen zur Antwort auf das Handeln Gottes verpflichtet, und stellen eine Verbindung zu der dogmatischen Konstitution Dei filius des I. Vatikanischen Konzils her. <83> In engem Zusammenhang mit der Geschichte und dem Wesen des Konzils steht die von dem großen Papst Paul VI. gewünschte Feier des „Jahres des Glaubens“, die mit dem 1900. Gedenkjahr des Märtyrertodes der Apostel Petrus und Paulus zusammenfiel und mit dem als „Credo des Gottesvolkes44 bekannten feierlichen Bekenntnis ihren Höhepunkt fand. Der Glaube ist das grundlegende Prinzip, der Angelpunkt, das entscheidende Kriterium der vom Konzil gewollten Erneuerung. Vom Glauben leiten sich die sittlichen Richtlinien, der Lebensstil, die praktische Orientierung in jeder Situation her. Mit der Hilfe Gottes, dem Licht des Heiligen Geistes und dem Schutz der Jungfrau wird die Synode einen wertvollen Beitrag zur Bereicherung, zum Wachstum und zur Vertiefung des Glaubens leisten können und somit eine Sternstunde für die Reifung der Früchte des Konzils darstellen. Mit der Hilfe Gottes, dem Licht des Heiligen Geistes und dem Schutz der Jungfrau wird die Synode einen wertvollen Beitrag zur Bereicherung, zum Wachstum und zur Vertiefung des Glaubens leisten können und somit eine Sternstunde für die Reifung der Früchte des Konzils darstellen. Das II. Vatikanische Konzil versäumt es bei Bestätigung dieser Lehre nicht, die Aufgaben, Pflichten und Verantwortungen zu präzisieren, die den Gliedern des Gottesvolkes, besonders den Bischöfen (vgl. Christus Dominus, Nr. 12), den Mitarbeitern der Bischöfe (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 6) und allen, die Erziehungsaufgaben wahrnehmen, angefangen von den Eltern (vgl. Inter mirifica, Nr. 10), in diesem fundamentalen Bereich obliegen. Ein weiter Horizont, den das Konzil über dem Glauben eröffnet hat! 254 A UDIENZEN UND ANGEL US An alle Gläubigen in der ganzen Welt ohne Unterschied richte ich die herzliche Aufforderung: Begleitet diesen bedeutsamen Augenblick auf dem Weg der Kirche mit eurem unablässigen Gebet! Maria, die Königin der Apostel, die Virgo fidelis, die getreue Jungfrau, bleibe bei uns. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Herzlich grüße ich die Jugendlichen, die so zahlreich an der soeben in der Basilika konzelebrierten Eucharistiefeier teilgenommen haben und das Kreuz mitführten, das ich ihnen, den Jugendlichen, zum Abschluß des Heiligen Jahres der Erlösung übergeben hatte. Sie haben am Ende der Zeremonie ein herzliches Grußwort an mich gerichtet, das ich sehr zu schätzen weiß. Meine Lieben, ich freue mich über eure Anwesenheit in diesem für das Leben der Kirche so bedeutsamen Augenblick. Die Kirche ist aufgerufen, die Erfahrung jener außergewöhnlichen Gnadenzeit, die das II. Vatikanische Konzil gewesen ist, wieder neu zu verspüren, den Reichtum der in seinen Dokumenten enthaltenen Wahrheit neu zu entdecken, die damals unter der Führung des Geistes gereiften pastoralen Weisungen nochmals zu überdenken. Bei diesem Einsatz kann die Kirche nicht auf euch Jugendliche verzichten, stellt ihr doch ihre Zukunft dar und tragt somit in euch das Unterpfand ihrer Hoffnungen. Meine Lieben, begleitet mit eurem Gebet den Verlauf der Synode und nehmt darüber hinaus die Konzilsdokumente wieder zur Hand, macht euch mit ihnen vertraut, macht sie zur Nahrung eurer Spiritualität. In den Konzilstexten könnt ihr mit Sicherheit hören, was der Geist auch heute der Kirche sagt. Ihr jungen Menschen, das Konzil ist 20 Jahre alt wie ihr. Das Konzil ist jung! Macht es euch zu eigen und verkündet es in der Welt! Ein lebendiger und persönlicher Gott Ansprache bei der Generalaudienz am 27. November 1. „Unus Deus Trinitas . . .“ In dieser knappen Formel hat die Synode von Toledo (675) im Anschluß an die großen Konzilien, die im 4. Jahrhundert in Nizäa und Konstantinopel zusammengetreten waren, den Glauben der Kirche an den Dreieinigen Gott ausgedrückt. 255 AUDIENZEN UND ANGELUS In unseren Tagen hat Paul VI. im „Credo des Gottesvolkes“ demselben Glauben mit den Worten Ausdruck verliehen, die wir bereits während der vorigen Katechesen wiedergegeben haben: „Die gegenseitigen Bande, die ewig die drei Personen konstituieren, die jede das einzige und identische göttliche Sein sind, sind das innere glückselige Leben des allerheiligen Gottes, unendlich erhaben über alles, was wir nach menschlichem Maß zu denken vermögen“ (Insegnamenti di Paolo VI, vol. VT, 1968, S. 303). Wissen aus Offenbarung Gott ist unaussprechlich und unbegreiflich, Gott ist in seinem Wesen ein unerforschliches Geheimnis, dessen Wahrheit wir in den vorigen Katechesen zu erläutern versucht haben. Angesichts der Heiligsten Dreifaltigkeit, in der sich das innere Leben des Gottes unseres Glaubens ausdrückt, müssen wir dies mit noch größerer Überzeugungskraft wiederholen und feststellen. Die Einheit der Gottheit in der Dreizahl der Personen ist in der Tat ein unaussprechliches und unerforschliches Geheimnis! „Wenn du es begreifst, ist es nicht Gott.“ 2. Deshalb fährt Paul VI. in dem oben zitierten Text fort: „Indessen danken wir der göttlichen Güte dafür, daß zahllose Gläubige mit uns vor den Menschen die Einheit Gottes bezeugen können, auch wenn sie das Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit nicht kennen“ (ebd.). Die heilige Kirche fühlt sich in ihrem trinitarischen Glauben mit allen vereint, die den einen Gott bekennen. Der Glaube an die Dreifaltigkeit berührt nicht die Wahrheit vom einen Gott: Er hebt vielmehr deren Reichtum, deren geheimnisvollen Gehalt, deren inneres Leben hervor. 3. Dieser Glaube hat seine Quelle - die einzige Quelle - in der Offenbarung des Neuen Testamentes. Einzig durch diese Offenbarung ist es möglich, die Wahrheit über den Dreieinigen Gott zu erfahren. Denn das ist eines jener „in Gott verborgenen Geheimnisse, die - wie das I. Vatikanische Konzil sagt - nicht erkannt werden können, wenn sie nicht geoffen-bart werden“ (Konstitution Dei filius, De fide cath., IV). Das Dogma von der Heiligsten Dreifaltigkeit ist im Christentum immer als ein Geheimnis betrachtet worden: das grundlegendste und das uner-forschlichste. Jesus Christus selbst sagt: „Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ {Mt 11,27). 256 A UDIENZEN UND ANGELUS So lehrt auch das I. Vatikanische Konzil: „Die göttlichen Geheimnisse übersteigen von ihrer Natur her den geschaffenen Verstand, so daß sie, auch wenn sie durch die Offenbarung mitgeteilt und vom Glauben angenommen werden, den noch vom Schleier dieses Glaubens bedeckt und in eine Art Dunkel gehüllt bleiben, solange wir in diesem sterblichen Leben ,fern vom Herrn in der Fremde leben, denn als Glaubende gehen wir unseren Weg, nicht als Schauende (2 Kor 5,6-7)“ (ebd.). Diese Aussage gilt in besonderer Weise für das Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit: Auch nach der Offenbarung bleibt es das tiefste Geheimnis des Glaubens, das der Verstand von sich aus weder zu begreifen noch zu durchdringen vermag. Derselbe Verstand kann jedoch, vom Glauben erleuchtet, in gewisser Weise die Bedeutung des Dogmas erfassen und erklären. Und so ist er in der Lage, dem Menschen das Geheimnis vom inneren Leben des Dreieinigen Gottes näherzubringen. 4. Bei der Verwirklichung dieser hohen Aufgabe - sei es durch die Arbeit vieler Theologen und vor allem der Kirchenväter, sei es durch die Definition der Konzilien - hat sich der Begriff der „Person“ in seinem Unterschied zum Begriff der „Natur“ (oder des Wesens) als besonders bedeutsam und grundlegend erwiesen. Person ist der- oder diejenige, der oder die als konkretes menschliches Wesen existiert, als Individuum, das das Menschsein, das heißt die menschliche Natur besitzt. Die Natur (das Wesen) ist „all das, wodurch dasjenige, was konkret existiert, das ist, was es ist. So drücken wir, wenn wir z. B. von „menschlicher Natur“ sprechen, das aus, wodurch jeder Mensch Mensch ist mit seinen wesentlichen Bestandteilen und Eigenschaften. Wenn wir diese Unterscheidung auf Gott anwenden, stellen wir die Einheit der Natur, das ist die Einheit der Gottheit, fest, die in absoluter und ausschließlicher Weise dem gehört, der als Gott existiert. Sowohl im Licht des bloßen Verstandes und stärker noch im Licht der Offenbarung hegen wir zugleich die Überzeugung, daß er ein persönlicher Gott ist. Auch denjenigen, die die Offenbarung von der Existenz dreier Personen in Gott nicht erreicht hat, muß der Schöpfergott als ein persönliches Wesen erscheinen. Denn da die Person das Vollkommenste ist, das es in der Welt gibt („id quod est perfectissimum in tota natura“: hl. Thomas von Aquin, Summa TheoL, I, q. 29, a. 3), kann man dem Schöpfer diese Eigenschaft nicht absprechen, wenngleich unter Wahrung seiner unendlichen Transzendenz (vgl. ebd., in c. et ad 1 m). Eben deshalb begreifen die nichtchristlichen monotheistischen Religionen Gott als unendlich vollkommene und im Hinblick auf die Welt absolut transzendente Person. 257 A UDIENZEN UND ANGEL US ,,Person“ und „Natur“ von größter Bedeutung Indem wir unsere Stimme mit der jedes anderen Gläubigen vereinen, erheben wir auch in dieser Stunde unser Herz zu dem lebendigen und persönlichen Gott, dem einen Gott, der die Welt erschaffen hat und am Ursprung alles Guten, Schönen und Heiligen steht. Ihm sei Lob und Ehre in Ewigkeit. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Als Christen glauben wir an einen Gott in drei Personen: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Gott ist in seinem innersten Wesen ein unergründliches Geheimnis. Das gilt in einer besonderen Weise von der Einheit und der Dreifaltigkeit Gottes. Wir wissen um.dieses.unaussprech-liche und unbegreifliche Geheimnis des inneren göttlichen Leben nur aus der Offenbarung des Neuen Testamentes. Christus selbst sagt: „Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11.27). Wie aber das I. Vatikanische Konzil betont hat, bleiben auch die geoffenbarten Wahrheiten für den menschlichen Geist noch weitgehend dunkel und unbegreiflich, da wir noch als Glaubende und nicht als Schauende unseren Weg gehen (vgl. 2 Kor 5,7). Für die theologische Erörterung des Geheimnisses der Heiligsten Dreifaltigkeit sind von grundlegender Bedeutung die Begriffe „Person“ und „Natur“. Person ist ein Individuum, das „Ich“ sagen kann. Natur ist gleichbedeutend mit Wesen, wodurch etwas ist, was es ist. In Gott gibt es eine Natur, eine Gottheit. Es sind jedoch drei Personen, die diese eine göttliche Natur auf je eigene Weise besitzen. - Erheben wir zu diesem einen und dreipersönlichen lebendigen Gott unser Herz in Lobpreis und Dank. Ihm sei Ehre und Verherrlichung in alle Ewigkeit! Mit dieser Einladung zum Lobpreis Gottes verbinde ich zugleich einen herzlichen Willkommensgruß an alle deutschsprachigen Audienzteilnehmer. Ich grüße die genannten Gruppen und jeden einzelnen von euch in der innigen Verbundenheit des gemeinsamen Glaubens und unserer Liebe zu Christus und seiner Kirche. Mit besten persönlichen Wünschen erteile ich euch und euren Lieben daheim von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 258 A UDIEN ZEN UND ANGELUS „ Wir haben ein heiliges Erbe erhalten“ Vor dem Angelus am 1. Adventssonntag, 1. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute, am 1. Adventssonntag, beginnen wir den Weg des neuen Kirchenjahres. Das Konzil hat wirksam unterstrichen, daß die Kirche den Jahresablauf als einen wirklichen und echten Weg auf den Etappen „des Mysteriums Christi von der Menschwerdung und Geburt bis zur Himmelfahrt, zum Pfingsttag und zur Erwartung der seligen Hoffnung und der Ankunft des Herrn“ betrachtet (Sacrosanctum concilium, Nr. 102). Die Adventsbotschaft ist ganz durchdrungen von der trostreichen Feststellung: Der Herr kommt. Er kommt wieder, heute wie in der Fülle der Zeiten, die vor 2000 Jahren begonnen hat und noch immer in der Geschichte fortwirkt, die auf das dritte Jahrtausend zugeht. Die Liturgie des Advent läßt, darum das Geheimnis vom Kommen des Herrn in seiner Fülle wieder lebendig werden: die lange Erwartung durch die Jahrhunderte hin; der unsagbare Augenblick seines Eintritts in die menschliche Geschlechterfolge durch das Mysterium der Mutterschaft der Jungfrau; seine endzeitliche Wiederkunft, wenn die Zeit der Ewigkeit Platz machen wird. Auf diese Weise erneuert sich der freudige Sinn der Erwartung. Das Verlangen nach Bekehrung und Umkehr wird dringender. Die Hoffnung erneuert sich. 2. Die außerordentliche Bischofssynode hat die Hälfte ihres Weges zurückgelegt. Dafür danken wir dem Herrn. Mit aufgeschlossenem Herzen und aufmerksamem Zuhören habe ich den Gang der Arbeiten der Synodenmitglieder verfolgt und werde sie weiter verfolgen; sie bieten ein großartiges Bild der Einheit und Apostolizität der Kirche. Ich entnehme ihren Worten das glühende Zeugnis ihrer Liebe zur mystischen Braut Christi und der vollen Hingabe an die ihnen anvertrauten Dienstämter und zugleich den Wunsch, durch erneuten Elan immer geeignetere Wege für die Wertung desheiligen Erbes, das wir vom Konzil erhalten haben, zu finden. Mir kommen hier die ergreifenden Worte in den Sinn, mit denen Papst Johannes zu Weihnachten 1961 das Konzil einberufen hat: „Die Kirche - 259 A UDIENZEN UND ANGEL US so schrieb der verehrte und geliebte Papst - empfindet lebhaft den Wunsch, ihren Glauben zu stärken und sich in ihrer großartigen Einheit zu sehen; sie empfindet ebenso dringend die Pflicht, ihrer gesunden Lebenskraft größere Wirksamkeit zu geben und die Heiligung ihrer Glieder, die Verbreitung der geoffenbarten Wahrheit, die Festigung ihrer Strukturen zu fördern. Dieses Konzil wird eine Kundgebung der immer lebendigen und jungen Kirche sein, die den Rhythmus der Zeit spürt, die sich in jedem Jahrhundert mit neuem Glanz schmückt, neues Licht ausstrahlt, neue Errungenschaften aktualisiert und dabei sich immer identisch und dem göttlichen Bild treu bleibt, das der Bräutigam, Jesus Christus, der sie liebt und beschützt, ihrem Antlitz aufgeprägt hat“ (Apostolische Konstitution Humanae salutis, AAS 54, 1962, S. 8-9). Die Jungfrau Maria, die Mutter der Kirche, erwirke uns die Gnaden, deren wir bedürfen, um diese verpflichtenden Ziele tatsächlich zu verwirklichen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Gestern, am 30. November, wurde das Fest des hl. Andreas gefeiert, des ersten Jüngers, den Jesus berufen hat, ihm zu folgen, und der auch seinen Bruder Simon Petrus zu ihm führte. Nach seinem glorreichen Martyrium wurde der hl. Apostel Andreas Patron der Kirche von Konstantinopel. An der Feier, die in der Patriarchalkirche des Phanar in Istanbul stattfand, hat auch in diesem Jahr eine Delegation der katholischen Kirche unter der Leitung des Erzbischofs von Lyon, Kardinal Albert Decourtray, teilgenommen, um auf diese Weise die Geste der Gemeinschaft zu erwidern, die diese Kirche jedes Jahr mit der Entsendung einer Vertretung nach Rom zur Feier des Festes der Apostel Petrus und Paulus setzt. Ich fordere alle auf, das Gebet, den Dialog und die Aktivität zu intensivieren, damit wir sobald als möglich die volle Einheit des Glaubens in der Wahrheit erreichen. 260 AUDIENZEN UND ANGELUS Nicht drei Götter - ein einziger Gott Ansprache bei der Generalaudienz am 4. Dezember 1. „Unus Deus Trinitas . . Am Ende langer Reflexion, die von den Kirchenvätern vorangetrieben und in den Definitionen der Konzilien niedergelegt wurde, spricht die Kirche vom Vater, vom Sohn und vom Heiligen Geist als von drei „Personen“, die in der Einheit ihres identisch göttlichen Wesens subsi-stieren. Von „Person“ sprechen heißt Bezug nehmen auf ein einziges vernunftbegabtes Seiendes, wie schon Boethius in seiner berühmten Definition klarstellt („Persona proprie dicitur rationalis naturae individua substan-tia“, in De duabus naturis et una persona Christi, PL 64, 1343 D). Die alte Kirche stellt jedoch sofort klar, daß die Vernunftnatur in Gott mit den drei Personen nicht vervielfältigt wird; sie bleibt eine einzige, so daß der Gläubige mit dem Glaubensbekenntnis Quicumque sprechen kann: „Nicht drei Götter, sondern ein einziger Gott.“ Hier wird das Geheimnis besonders tief: drei verschiedene Personen und ein einziger Gott. Wie ist das möglich? Die Vernunft begreift, daß das kein Widerspruch ist, denn die Dreiheit betrifft die Personen und die Einheit die göttliche Natur. Es bleibt jedoch die Schwierigkeit: Jede der Personen ist ein und derselbe Gott; wie können sie also real voneinander unterschieden sein? 2. Die Antwort, die unser Verstand stammelt, stützt sich auf den Begriff der „Relation“. Die drei göttlichen Personen unterscheiden sich voneinander einzig durch die Relationen, die sie zueinander haben, und zwar durch das Verhältnis des Vaters zum Sohn, des Sohnes zum Vater; des Vaters und des Sohnes zum Geist, des Geistes zum Vater und Sohn. In Gott ist also der Vater reine Vaterschaft, der Sohn reine Sohnschaft, der Heilige Geist reines „Liebesband“ der beiden, so daß die Unterscheidung in Personen dieselbe und einzige göttliche Natur der Drei nicht teilt. Das 11. Konzil von Toledo (im Jahr 675) verdeutlicht sehr genau: „Das, was der Vater ist, ist er nicht in bezug auf sich selbst, sondern in der Beziehung zum Sohn; und das, was der Sohn ist, ist er nicht in bezug auf sich selbst, sondern in der Beziehung zum Vater; ebenso ist der Heilige Geist, der als Geist des Vaters und des Sohnes verkündet wird, das nicht in bezug auf sich selbst, sondern in Beziehung zum Vater und zum Sohn“ (DS 528). 261 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Konzil von Florenz (im Jahr 1442) konnte darum aussagen: „Diese drei Personen sind ein einziger Gott (. . .), weil sie eine einzige Substanz, ein einziges Wesen, eine einzige Natur, eine einzige Gottheit, eine einzige Unermeßlichkeit, eine einzige Ewigkeit haben; denn in Gott ist alles eins, soweit nicht ein Gegensatz der Beziehung besteht“ (DS 1330). 3. Die Relationen, die so den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist unterscheiden und sie in ihrem Sein selbst real einander zuwenden, tragen die ganze Fülle des Lichts und des Lebens der göttlichen Natur in sich, mit dem sie völlig identisch sind. Es sind subsistierende Relationen, die kraft der ihnen innewohnenden Lebensenergie sich aufeinander zu bewegen in einer Gemeinschaft, in der die Person in ihrer Ganzheit Offenheit für die andere ist, erhabenstes Beispiel der Aufrichtigkeit und geistigen Freiheit, wonach die zwischenmenschlichen Beziehungen streben müssen, die von diesem transzendenten Vorbild sehr weit entfernt sind. Gott-Gemeinschaft von Ewigkeit her In diesem Zusammenhang bemerkt das II. Vatikanische Konzil: „Wenn der Herr Jesus zum Vater betet, daß alle eins seien . . . wie auch wir eins sind (Joh 17,20-22), und damit Horizonte aufreißt, die der menschlichen Vernunft unerreichbar sind, legt er eine gewisse Ähnlichkeit nahe zwischen der Einheit der göttlichen Person und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe. Dieser Vergleich macht offenbar, daß der Mensch, der auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist, sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann“ (Gaudium et spes, Nr. 24). 4. Wenn die vollkommenste Einheit der drei göttlichen Personen der transzendente Höhepunkt ist, der jede Form echter Gemeinschaft unter den Menschen erleuchtet, ist es ganz richtig, daß unsere Gedanken immer wieder zur Betrachtung dieses Geheimnisses zurückkehren, auf das im Evangelium so oft hingewiesen wird. Es genügt, an die Worte Jesu zu erinnern: „Ich und der Vater sind eins“ {Joh 10,30); und: „Glaubt wenigstens den Werken . . . Dann werdet ihr erkennen und einsehen, daß in mir der Vater ist und ich im Vater bin“ {Joh 10,38). Und in einem anderen Zusammenhang: „Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke. Glaubt mir doch, daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist“ {Joh 14,10-11). 262 AUDIENZEN UND ANGELUS Die geistlichen Autoren der Antike und des Mittelalters erörtern immer wieder dieses gegenseitige Sich-Durchdringen der göttlichen Personen. Die Griechen nennen es „perichoresis“, im Abendland spricht man (besonders seit dem 11. Jahrhundert) von „circumincessio“ (= gegenseitiges Sich-Durchdringen) oder „circuminsessio“ (= gegenseitiges Einwohnen). Das Konzil von Florenz hat diese trinitarische Wahrheit mit folgenden Worten formuliert: „Durch diese Einheit (. . .) ist der Vater ganz im Sohn, ganz im Heiligen Geist; der Sohn ist ganz im Vater, ganz im Heiligen Geist; der Heilige Geist ist ganz im Vater, ganz im Sohn“ (DS1331). Die drei göttlichen Personen, voneinander verschieden, weisen, obwohl sie wechselseitige Beziehungen darstellen, dasselbe Sein, dasselbe Leben auf und sind derselbe Gott. Angesichts dieses überwältigenden Geheimnisses der Gemeinschaft, in dem sich unser kleiner Verstand nicht zurechtfindet, kommt uns unwillkürlich die Anrufung der Liturgie auf die Lippen: „Gloria Tibi Trinitas, aequalis, una Deitas et ante omnia saecula, et nunc et in perpetuum.“ (Ehre sei dir, o Dreifaltigkeit, in der Gleichheit der Personen, eine Gottheit vor aller Zeit und jetzt und in Ewigkeit.) (erste Vesper des Dreifaltigkeitsfestes, 1. Ant.) In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Am Beginn dieser Audienz haben wir soeben Worte Jesu aus dem Johannesevangelium gehört. Dort betet der Herr um die Einheit seiner Jünger; er sagt: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein . . . Sie sollen eins sein, wie wir eins sind“ (Joh 17,20-22). Mit diesen Worten gibt uns Christus das Maß an für unser Bemühen um Einheit: Das Maß ist die Einheit Jesu mit Gott dem Vater im Heiligen Geist. Über diese und ähnliche Worte Jesu haben Kirchenväter und Theologen über die Jahrhunderte hin viel nachgedacht. Der Herr offenbart uns ja darin die innige, liebende Gemeinschaft des Gottessohnes mit Gott Vater, geeint durch das Band des Heiligen Geistes. Diese Gemeinschaft beginnt aber nicht etwa in der Zeit; sie ist von Ewigkeit her. Sie gehört zu Gottes Wesen selbst; Gott ist ewige Gemeinschaft. Gemeinschaft aber besteht zwischen Personen; so auch in Gott. Der christliche Glaube sieht in Gott drei Personen, die sich einander liebend zuwenden: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Dabei nehmen wir natürlich das Erbe des Alten Bundes sehr ernst und beten nur einen einzigen Gott an. Über allen begrenzten, geschaffenen Wesen kann es ja nur eine 263 A UDIENZEN UND ANGELUS einzige unendliche, ungeschaffene, göttliche Natur geben. Die christliche Theologie faßt diese Dreiheit und diese Einheit so zusammen: Gott verwirklicht drei Personen in einer einzigen göttlichen Natur. So ist er das göttliche Urbild für alle Gemeinschaft und liebende Zuwendung unter den Menschen, vor allem aber unter uns Christen. Mit diesen kurzen Hinweisen auf das tiefste Geheimnis unseres Glaubens grüße und segne ich von Herzen die anwesenden Besucher deutscher Sprache, darunter die Gruppe von Schülerinnen aus Krastowitz in Österreich. Gelobt sei Jesus Christus! „Anfang einer besseren Welt“ Vor dem Angelus am 8. Dezember 1. „Initium mundi melioris.“ Die Kirche kehrt stets zu diesem Anfang zurück. Dreimal täglich betet sie den „Engel des Herrn“. Dieses Gebet erinnert uns daran, daß „das Wort Fleisch geworden ist und unter uns wohnt“. Und vollbracht wurde das durch den Heiligen Geist und zugleich durch das „fiat“, „es geschehe“, der Maria von Nazaret: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Das ist jener neue Anfang: der Anfang einer besseren Welt, der Welt Gottes im Menschen. Dieser neue Anfang dauert in der Geschichte der Menschheit immer fort. Auch wenn diese sich in menschlicher Weise entfaltet und verschiedene Wege durchläuft, auf denen große Menschenfamilien - Völker, Nationen, Generationen - in sie eintreten, ist doch dieser göttliche Anfang einer besseren Welt in all dem bereits gegenwärtig. Und daran erinnert uns der „Engel des Herrn“ immer wieder. 2. Seine erste Offenbarung hat dieser göttliche Anfang in der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau gefunden, die dazu ausersehen war, die Mutter des Gottessohnes zu werden. In ihr hat - durch den Erlöser - vom Augenblick der Empfängnis an die Gnade den Sieg über die Sünde davongetragen. Sie, die in der Gnade und nicht in der Erbsünde empfangen wurde, verkündet als erste den Anfang einer besseren Welt. Sie ist, wie es Papst Paul VI. ausdrückte, „die Morgenröte, die dem Licht unseres 264 AUDIENZEN UND ANGELUS Heils, Christus Jesus, vorangeht“ (Insegnamenti di Paolo VI, vol. 2, S. 525). Ihre Empfängnis ohne Erbsünde ist selbst Verkündigung. Die Kirche ist vom gekreuzigten und auferstandenen Christus zur Mitwirkung mit diesem heilbringenden Anfang berufen worden. Durch die Arbeit des II. Vatikanischen Konzils hat die Kirche ein neues Zeugnis dieser Berufung erbracht und zugleich im Kontext unserer Zeit diese Sendung auf sich genommen, an der sie im Heiligen Geist zugunsten der Menschheit, zugunsten der Welt teilhat. Die Bischofssynode dankt nach der außerordentlichen Tagung, die wir heute feierlich abschließen, allen, die ihr auf verschiedenste Weise und besonders durch das Gebet bei der Erfüllung dieser Sendung im Zusammenhang mit dem 20. Jahrestag des Konzilsabschlusses geholfen haben. Möge die Kirche unter Wahrung der vollen Treue gegenüber dem Geist Jesu Christi unermüdlich auf die „bessere Welt“ zugehen. Möge das menschliche Leben auf dieser Erde immer menschenwürdiger und zugleich reifer werden für die ewige Bestimmung, die es in Gott hat. Darum bitten wir durch Maria, deren Empfängnis ohne Erbsünde zum „Anfang der besseren Welt“ in Jesus Christus geworden ist. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: In diesem Monat sind hundert Jahre vergangen, seit P. Saverio Guego die erste Missionsstation in Laos auf der Insel Don im Mekong-Fluß gegründet hat, von wo aus sich die Evangelisierung dieser Völker entwickelt hat. Die Bischöfe von Laos haben zur Erinnerung an diesen bedeutenden Augenblick ihrer Kirche ein Jahr des Gebets und der geistlichen Erneuerung für alle Gläubigen angesagt, das am kommenden 10. Dezember beginnt. Aus diesem Anlaß möchte ich den Katholiken von Laos und ihren Hirten einen sehr herzlichen Gruß senden und meine Bewunderung für ihre Ausdauer und den unerschrockenen Mut ausdrücken, den sie in so vielen Prüfungen bewiesen haben. Ich fordere euch auf, euch dem Gebet zur Mutter des Erlösers anzuschließen, indem ich die Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Katecheten und Gläubigen von Laos ihrem Schutz anvertraue, damit ihr Zeugnis des Glaubens und der Liebe, das schon so leuchtend und beispielhaft ist, noch leuchtender werde und Sauerteig evangelischer Werte für das Leben dieses lieben Volkes sein kann. 265 A UDIENZEN UND ANGEL US „Er war, er ist, und er kommt“ Ansprache bei der Generalaudienz am 11. Dezember 1. „Heilig, heilig, heilig, Gott, Herr aller Mächte und Gewalten. Erfüllt sind Himmel und Erde von deiner Herrlichkeit“ (Liturgie der hl. Messe). Jeden Tag bekennt die Kirche die Heiligkeit Gottes. Sie tut das besonders in der Meßfeier nach der Präfation, zu Beginn des Eucharistischen Hochgebetes. Mit der dreimaligen Wiederholung des Wortes „heilig“ richtet das Gottesvolk sein Lob an den Dreieinigen Gott, dessen transzendente Größe und unerreichbare Vollkommenheit es bekennt. Die Worte der Eucharistiefeier stammen aus dem Buch Jesaja, wo die Theophanie beschrieben ist, in welcher der Prophet die Majestät der Herrlichkeit Gottes schauen darf, um sie dem Volk zu verkündigen: „. . . Ich sah den Herrn. Er saß auf einem hohen und erhabenen Thron. Serafim schwebten über ihm ... Sie riefen einander zu: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt“ (Jes 6,1-3). Zur Heiligkeit Gottes gehört seine Herrlichkeit „kabod Jahve“, die das innerste Geheimnis seiner Göttlichkeit ausmacht und zugleich auf die ganze Schöpfung ausstrahlt. 2. Die Geheime Offenbarung, das letzte Buch des Neuen Testaments, das viele Elemente des Alten Testaments wieder aufgreift, legt uns erneut das „dreimal Heilig“ des Jesaja vor und ergänzt es durch die dem Buch des Propheten Ezechiel (Ez 1,26) entnommenen Elemente einer anderen Theophanie. In diesem Zusammenhang also vernehmen wir noch einmal den Ruf: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung; er war, und er ist, und er kommt“ (Offb 4,8). 3. Im Alten Testament entspricht dem Wort „heilig“ das hebräische Wort „qados“, dessen Etymologie einerseits den Gedanken der „Entzo-genheit“ und andererseits den Gedanken des Lichts - „entzündet sein, leuchten“ - enthält. Darum enthalten die Theophanien des Alten Testaments das Element des Feuers, wie die Theophanie von Mose (Ex 3,2) und jene vom Berg Sinai (Dtn 4,12) sowie das Element des blendenden Lichtscheins, wie die Vision des Ezechiel (Ez 1,27-28), die bereits erwähnte Vision des Jesaja (Jes 6,1-3) und jene des Habakuk (Hab 3,4). In den griechischen Büchern des Neuen Testaments entspricht dem Wort „heilig“ das griechische Wort „hagios“. 266 AUDIENZEN UND ANGELUS Im Licht der alttestamentlichen Etymologie wird auch der folgende Satz aus dem Hebräerbrief verständlich: . . Unser Gott ist verzehrendes Feuer“ (Hebr 12,29; vgl. Dtn 4,24) sowie auch das Wort Johannes des Täufers am Jordan über den Messias: . . Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (Mf 3,11). Wir wissen auch, daß bei der Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel, die sich im Abendmahlssaal von Jerusalem ereignete, ihnen „Zungen wie von Feuer“ erschienen sind {Apg 2,3). 4. Wenn die modernen Vertreter der Religionsphilosophie (z. B. Rudolph Otto) in der Erfahrung, die der Mensch von der Heiligkeit Gottes macht, die Komponenten des „fascinosum“ und des „tremendum“ sehen, so findet das sowohl in der Etymologie des alttestamentlichen Ausdrucks, von der soeben die Rede war, als auch in den biblischen Theophanien, in denen das Element des Feuers erscheint, seine Entsprechung. Das Feuer symbolisiert einerseits den Glanz, die Ausstrahlung der Herrlichkeit Gottes (fascinosum), andererseits die Glut, durch welche die Furcht, die seine Heiligkeit hervorruft (tremendum), gewissermaßen verbrannt und vertrieben wird. Das „qados“ des Alten Testamentes schließt sowohl das anziehende „fascinosum“ als auch das abweisende „tremendum“ ein, das auf „die Entzogenheit“ und damit auf die Unnahbarkeit Gottes hinweist. „. . . der brennt und doch nicht verbrennt“ 5. Wir haben bei den vorigen Begegnungen dieses katechetischen Zyklus bereits mehrmals auf die Theophanie im Buch Exodus hingewiesen. In der Wüste, am Fuß des Berges Horeb, sieht Mose einen „Dornbusch, der brennt und doch nicht verbrennt“ (vgl. Ex 3,2), und als er sich jenem Dornbusch nähert, hört er die Stimme: „Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab, denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden!“ {Ex 3,5). Diese Worte machen die Heiligkeit Gottes deutlich, der aus dem brennenden Dornbusch dem Mose seinen Namen offenbart, („Ich bin der ,Ich bin da‘“, Ex 3,14) und ihm mit diesem Namen aufträgt, Israel aus Ägypten herauszuführen. In dieser Offenbarung ist das Element des „tremendum“ vorhanden: Die Heiligkeit Gottes bleibt für den Menschen unzugänglich („Komm nicht näher heran!“). Ähnliche Merkmale weist auch die ganze Beschreibung des auf dem Berg Sinai geschlossenen Bundes {Ex 19-20) auf. 267 AUDIENZEN UND ANGELUS 6. In der Folge tritt besonders in der Lehre der Propheten dieser Zug der für den Menschen unzugänglichen Heiligkeit Gottes zugunsten seiner Nähe, seiner Zugänglichkeit, seiner Herablassung zurück. Bei Jesaja lesen wir: „Denn so spricht der Hohe und Erhabene, der ewig Thronende, dessen Name ,der Heilige4 ist: Ich bin der Heilige und wohne in der Höhe, aber ich bin auch bei den Zerschlagenen und Bedrückten, um den Geist der Bedrückten wieder zu stärken und das Herz der Zerschlagenen neu zu belegen“ (Jes 57,17). Ähnlich lesen wir bei Hosea: „. . . Ich bin Gott, nicht ein Mensch, der heilige Gott in deiner Mitte. Darum komme ich nicht in der Hitze des Zorns“ (Hos 11,9). 7. Das höchste Zeugnis seiner Nähe hat Gott gegeben, indem er sein Wort, die zweite Person der Heiligsten Dreifaltigkeit, zur Erde sandte, das einen Leib wie den unsrigen angenommen und unter uns gewohnt hat. Dankbar für diese Herablassung Gottes, der sich uns nahen wollte und der sich nicht damit begnügte, durch die Propheten zu uns zu sprechen, sondern sich in der Person seines eingeborenen Sohnes an uns wandte, wiederholen wir mit demütigem und frohem Glauben: „Tu solus sanc-tus . . .“ „Du allein bis der Heilige, du allein der Herr, du allein der Höchste: Jesus Christus, mit dem Heiligen Geist zur Ehre Gottes des Vaters. Amen.“ In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Jeden Tag, besonders in der Meßfeier, bekennt die Kirche die Heiligkeit Gottes. Mit dem dreimaligen „Heilig, heilig, heilig“ nach der Präfation lobt die gläubige Gemeinde den Dreieinigen Gott, den sie in seiner unendlichen Größe und Vollkommenheit preist. Den Lobpreis der Heiligkeit Gottes finden wir im Alten und im Neuen Testament, den Gesang des dreimal Heilig bei dem Propheten Jesaja (6, 1-3) und in der Geheimen Offenbarung des Johannes (4,8). Dem Wort „heilig“ entspricht in der hebräischen Sprache das Wort „qados“, das etymologisch sowohl „Abstand“ als auch Licht beinhaltet. Die Gotteserscheinungen des Alten Testaments erfolgen meistens unter Feuer und blendendem Licht. Ebenso spricht der Hebräerbrief von Gott als einem „verzehrenden Feuer“ (Hebr 12,29). Im Matthäusevangelium verheißt uns Johannes der Täufer, daß Christus uns „mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ werde {Mt 3,11). Am Pfingsttag kommt der Heilige Geist schließlich in „Zungen wie von Feuer“ auf die Apostel herab (Apg 2,3). 268 AUDIENZEN UND ANGELUS Im Feuer und Licht der Gotteserscheinungen begegnet den Menschen das, was die modernen Religionsphilosophen als das „fascinosum“ und das „tremendum“ an der Heiligkeit Gottes bezeichnen. Während sich Gott darin vor allem als der Ferne, der ganz andere offenbart, unterstreichen die Propheten mehr die Zugänglichkeit und das herablassende Erbarmen Gottes. Der unendliche, unnahbare Gott wird zum „Gott-mit-uns“, und das auf vollkommenste Weise in der Menschwerdung des Sohnes Gottes. Erweisen wir ihm gerade jetzt in der Advents- und Weihnachtszeit wieder neu unsere ganze Liebe und Verehrung! Mit dieser kurzen Betrachtung über die Heiligkeit Gottes grüße ich die hier anwesenden Einzelpilger und Besucher deutscher Sprache sowie alle, die meine Worte über Radio Vatikan hören werden. Ich erbitte euch eine besinnliche und gnadenreiche Vorbereitung auf das Geburtsfest unsers Herrn und erteile euch allen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Unsere Bitten vor Gott bringen Vor dem Angelus am 3. Adventssonntag, 15. Dezember „Jauchzet und jubelt, denn groß ist der Herr . . . bringt in jeder Lage flehend eure Bitten mit Dank vor Gott.“ Diese Worte richtet der hl. Paulus in der Liturgie des 3. Adventssonntags an uns. Es ist die Liturgie der frohen Zuversicht. Advent bedeutet heilbringende Nähe Gottes, „der will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). „Jauchzet und jubelt, denn groß ist in eurer Mitte der Heilige Israels“ (Jes 12,6), verkündet der Kehrvers des heutigen Antwortpsalms. Diese Gewißheit ist die Quelle der Adventsfreude. Die ganze Sorge des Advents konzentriert sich auf das menschliche Herz: Wird sich der Mensch dem Kommen Gottes öffnen? Die Kirche betet für dieses Sich-Öffnen des Menschen. 2. „Bringt in jeder Lage . . . eure Bitten vor Gott.“ Die Kirche betet dafür, daß sich zwischen den Menschen immer mehr zu erfüllen vermag, was vom Heilswillen Christi beabsichtigt ist: das Sakra- 269 AUDIENZEN UND ANGELUS ment der vollen Gemeinschaft mit Gott und der Einheit der ganzen Menschheitsfamilie. Dieses mit den Worten des II. Vatikanischen Konzils bekundete und jetzt während der außerordentlichen Bischofssynode erneuerte Bewußtsein wird zum unaufhörlichen, glühenden Gebet: Die Kirche bittet darum, daß sich in ihr und durch sie der Advent Gottes erfülle. Die Kirche ist ja das „Sakrament“, mit dem „Er, der ist und der war und der kommen wird“ (Offb 1,4), dem Menschen begegnet. „Die Kirche ist - wie die Synodenväter in ihrem Schlußbericht geschrieben haben - Zeichen und Werkzeug der Gemeinschaft mit Gott und auch der Gemeinschaft und Versöhnung der Menschen untereinander“ (Schlußdokoment der außerordentlichen Bischofssynode, 11,2) und richtet ihr Gebet zum Himmel, auf daß im Herzen Treue und Wahrheit sprießen, die Gerechtigkeit sichtbar wird und Wohnung nimmt unter den Menschen (vgl. Ps 85,11 ff.), die sich dem Heilsdialog mit dem Gott der Ewigkeit, der unendlichen Güte immer mehr öffnen. „Mehr denn je erleuchtet heute das Evangelium die Zukunft und den Sinn des menschlichen Daseins. In der heutigen Zeit, in welcher besonders unter der Jugend ein brennender Durst nach Gott herrscht, könnte eine erneuerte Aufnahme des Konzils die Kirche noch tiefer in ihrer Sendung einen, der Welt die Botschaft des Heils zu verkünden“ (Botschaft an alle Christen in der Welt, III, in O.R. dt., 13. 12. 85, S. 16). 3. „Bringt in jeder Lage . . . eure Bitten vor Gott.“ Die Kirche betet stets und besonders in der Adventszeit auch für die Priester- und Ordensberufe. Denn sie sind in besonderer Weise Ausdruck von Gottes Ankunft, Ausdruck des Advents, der Ankunft Gottes unter uns. Sie sind als Frucht der in den Seelen - besonders in den Seelen junger Menschen - wirksamen Gnade auch eine Verwirklichung der geistlichen Reife der Kirche selbst. Beten wir deshalb alle, die wir hier zum Angelus zusammengekommen sind, daß der Herr der Ernte Arbeiter in seine Ernte sende. 270 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott ist in sich heilig Ansprache bei der Generalaudienz am 18. Dezember 1. In der Katechese der vergangenen Woche haben wir über die Heiligkeit Gottes und über die beiden Eigenschaften, die sie kennzeichnen, nachgedacht, nämlich die Unnahbarkeit und die Herablassung. Heute wollen wir die Aufforderung hören, die Gott während der verschiedenen Abschnitte des Alten Bundes an die ganze Gemeinschaft der Söhne Israels richtete: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig“ (Lev 19,2). „Ich bin der Herr, der euch heiligt“ (Lev 20,8), usw. Das Neue Testament, in dem Gott die Bedeutung seiner Heiligkeit vollends enthüllt, greift diese Mahnung in ihrer Fülle auf, wobei es ihr im Einklang mit dem neuen Ereignis des Kreuzes Christi besondere Merkmale verleiht. Denn Gott, der Liebe ist, hat sich in der vorbehaltlosen Hingabe von Kalvaria voll geoffenbart. Doch auch im neuen Zusammenhang nimmt die apostolische Lehre die aus dem Alten Bund überkommene Mahnung mit Nachdruck wieder auf. So schreibt zum Beispiel der hl. Petrus: „Wie er, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden“ (I Petr 1,15). 2. Was ist die Heiligkeit Gottes? Sie ist absolute Scheidung von jedem moralischen Übel, Ausschluß und radikale Ablehnung der Sünde und zugleich absolute Gutheit. Durch sie ist Gott, der in sich unendlich gut ist, dies auch in bezug auf die Geschöpfe (bonum diffusivum sui), natürlich je nach ihrer seinsmäßigen Aufnahmefähigkeit. In diesem Sinne muß die Antwort verstanden werden, die Christus dem Jüngling im Evangelium gibt: „Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen“ (AfA: 10,18). Bereits in den vorigen Katechesen haben wir an das Wort des Evangeliums erinnert: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ (Mf5,48). Die Aufforderung, die sich auf Gottes Vollkommenheit im moralischen Sinn, d. h. auf seine Heiligkeit bezieht, drückt somit denselben Gedanken aus, der in den oben angeführten Worten des Alten Testaments enthalten ist, welche der erste Petrusbrief wieder aufgreift. Die moralische Vollkommenheit besteht im Ausschluß der Sünde und in der absoluten Bejahung des sittlich Guten. Für die Menschen, für die vernunftbegabten Geschöpfe, findet eine solche Beja- 271 AUDIENZEN UND ANGELUS hung in der Übereinstimmung des Willens mit dem Sittengesetz ihre Verwirklichung. Gott ist in sich heilig, er ist die substantielle Heiligkeit, weil sein Wille mit dem Sittengesetz identisch ist. Dieses Gesetz existiert in Gott selbst als in seiner ewigen Quelle und heißt darum ewiges Gesetz (Lex aeterna) (vgl. Summa Theol. I—II, q. 93, La. 1). 3. Gott gibt sich dem Menschen als Quelle des Sittengesetzes und in diesem Sinne als die Heiligkeit selbst zu erkennen: vor der Ursünde den Stammeltern (vgl. Gen 2,16) und später, vor allem im Sinaibund (vgl. Ex 20,1-20) dem auserwählten Volk. Das Sittengesetz, das Gott im Alten Bund und vor allem Christi Lehre in den Evangelien geoffenbart hat, zielt darauf ab, die substantielle Überlegenheit und Wichtigkeit der Liebe schrittweise, aber mit Klarheit aufzuzeigen. Das Gebot: „Du sollst lieben“ (vgl. Dtn 6,5; Lev 19,18; Mk 12,30-31, u. a.) enthüllt uns, daß auch Gottes Heiligkeit in der Liebe besteht. All das, was in der Katechese mit dem Titel „Gott ist die Liebe“ gesagt wurde, bezieht sich auf die Heiligkeit des Gottes der Offenbarung. 4. Gott ist die Heiligkeit, weil er Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,16). Durch die Liebe ist er absolut getrennt vom sittlich Bösen, von der Sünde, und identifiziert sich wesenhaft, absolut und transzendental mit dem sittlich Guten in seiner Quelle, die er selbst ist. Denn Liebe bedeutet ja eben: das Gute wollen, dem Guten anhängen. Diesem ewigen Willen zum Guten entspringt die unendliche Güte Gottes den Geschöpfen und insbesondere dem Menschen gegenüber. Der Liebe entspringen seine gnadenvolle Huld, seine Bereitschaft zu beschenken und zu vergeben, die unter anderem in dem Gleichnis Jesu vom verlorenen Sohn, das bei Lukas zu finden ist (vgl. Lk 15,11-32), einen großartigen Ausdruck gefunden hat. Die Liebe offenbart sich in der Vorsehung, mit der Gott das Schöpfungswerk weiterführt und erhält. In ganz besonderer Weise wird die Liebe in dem Werk der Erlösung und der Rechtfertigung des Menschen ausgedrückt, dem Gott im Geheimnis des Kreuzes Christi seine eigene Gerechtigkeit darbietet, wie es der hl. Paulus in aller Klarheit ausführt (vgl. Briefe an die Römer und an die Galater). Somit führt also die Liebe, die das wesentliche und entscheidende Element der Heiligkeit Gottes ist, durch die Erlösung und die Rechtfertigung den Menschen mit der Macht des Heiligen Geistes zu seiner Heiligung. Auf diese Weise ergreift in der Heilsökonomie Gott selber als dreieinige Heiligkeit („dreimal heilig“) gewissermaßen die Initiative, um für uns und in uns das zu verwirklichen, was er mit den 272 AUDIENZEN UND ANGELUS Worten: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig“ (Lev 19,2), ausgedrückt hat. 5. An diesen Gott, der Heiligkeit ist, weil er Liebe ist, wendet sich der Mensch in tiefstem Vertrauen. Ihm vertraut er das ganze innerste Geheimnis seiner Menschlichkeit, seines menschlichen Herzens an: „Ich will dich lieben, Herr, meine Stärke, Herr, du mein Fels, meine Burg, mein Retter, mein Gott, meine Feste, in der ich mich berge, mein Schuld und sicheres Heil, meine Zuflucht. . .“ (Ps 18,2—3). Das Heil des Menschen ist aufs engste mit der Heiligkeit Gottes verbunden, denn es hängt von seiner ewigen, unendlichen Liebe ab. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Wilr sind es gewohnt, daß die Menschen und Gemeinschaften, mit denen wir leben, vielerlei von uns erwarten. Eine Erwartung aber muß uns besonders aufhorchen lassen: Gott erwartet von uns, daß wir heilig sind. „Seid heilig; denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig“, so spricht Gott im Alten Testament (Lev 19,2). Im 1. Petrusbrief wird dieses Thema aufgegriffen; es heißt dort: „Wie er, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden“ (2 Petr 1,15). Heiligkeit Gottes, das ist der größte Gegensatz zu aller Sünde, zu aller moralischen Unordnung. Gott ist absolute Güte in sich selbst. Was uns aber an dieser tiefen Wahrheit besonders beglückt, ist dies: Gottes Güte, seine Heiligkeit, will sich verschenken an seine Schöpfung, vor allem an den Menschen. Er, der von Natur aus heilig ist, will uns alle auf den Weg zur Heiligkeit bringen und uns auf diesem Weg, auch durch alles Versagen hindurch, treu begleiten. So verstehen wir, daß Gott im Neuen Bund auch einfach „die Liebe“ genannt wird (2 Joh 4,16): Sie erweist sich vielfältig im Wirken seiner Vorsehung, vor allem aber im Erlösungswerk Jesu Christi, den diese Liebe bis zum Lebensopfer am Kreuz gedrängt hat. Wer sich die Liebe Gottes zu jedem einzelnen von uns deutlich bewußt macht und täglich aus ihrer Wärme lebt, fühlt sich im Herzen angeregt, mit dem Psalmisten zu beten: „Du, Herr, läßt meine Leuchte erstrahlen, mein Gott macht meine Finsternis hell. Mit dir erstürme ich Wälle, mit meinem Gott erstürme ich Mauern. 273 AUDIENZEN UND ANGELUS Vollkommen ist Gottes Weg, das Wort des Herrn ist im Feuer geläutert. Ein Schild ist er für alle, die bei ihm sich bergen“ (Ps 18,29 ff.). Solche Gewißheit, wie sie in diesem Gebet zum Ausdruck kommt, wünsche ich euch allen aus dem Erleben der heiligen Weihnacht. Gott segne euch und eure Familien auf eurem Lebensweg durch das kommende Jahr. „Seid Apostel seiner Liebe!“ Vor dem Angelus am 4. Adventssonntag, 22.. Dezember 1. Oh Weisheit, die vom Höchsten ausgeht, und alles in Stärke und Milde ordnet! Oh Schlüssel Davids, der die Pforten des Himmelreiches öffnet! Oh Immanuel, Erwartung der Völker und ihr Befreier! Komm! 2. Unter diesen Adventsantiphonen, die die Kirche in der letzten Woche vor Weihnachten betet, ist auch die folgende: „Oh König der Völker und Eckstein der Kirche: Komm und rette den Menschen, den du aus Erde gemacht hast.“ Ja! Der Herr ist der gekreuzigte und auferstandene König aller Völker und der Eckstein des Heils. Als solchen hat ihn das christliche Volk durch die Jahrhunderte hin anerkannt. Die jüngste außerordentliche Bischofssynode hat unter Berufung auf das II. Vatikanum bestätigt, daß „Christus das Licht der Völker“ ist und deshalb „dieses Licht auf ihrem Antlitz sichtbarer machen muß“. Deshalb „wird sie am glaubwürdigsten, wenn sie weniger von sich spricht und immer mehr Christus, den Gekreuzigten, predigt und durch ihr Leben Zeugnis gibt“ (vgl. Schlußdokument II, 2). 3. An diesem Sonntag, der Weihnachten unmittelbar vorausgeht, sind die Kinder der römischen Pfarreien auf den Petersplatz gekommen, um ihre Krippenfiguren segnen zu lassen. Liebe Kinder, ich freue mich, euch zu sehen und euch ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest zu wünschen. Ich segne gern die Figuren des Jesuskindes, die ihr in den Händen tragt. Wenn ihr auf die Krippe schaut, auf das Geheimnis der Grotte von Betlehem, in der der Sohn Gottes Kind wurde wie ihr, könnt ihr verstehen, wie groß die Gütte Gottes ist und wie sehr ihr ihn deshalb lieben und euch zu Aposteln seiner Liebe bei euren 274 AUDIENZEN UND ANGELUS Kameraden und Freunden machen müßt, vor allem bei denen, die krank, arm und einsam sind. Bereitet euch eifrig auf Weihnachten vor und darauf, in der Welt von heute die Botschaft des Friedens ausstrahlen zu lassen, die aus der Grotte zu Betlehem kommt. 4. Wir verbinden uns heute in besonderer Weise mit der, die der Morgenstern des Advents ist. Maria trägt den Sohn Gottes unter ihrem Herzen. Es naht sich der Tag der Erfüllung, an dem sie ihn der Welt schenkt. Maria ist voll heiliger Erwartung. Beim Angelusgebet sind wir der Jungfrau von Nazaret besonders nahe, der heutigen Erwartung nahe, von der ihr Herz voll ist. Gegen Rassismus und Apartheid Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Auch die Teilnehmer der Kundgebung gegen Rassismus und Apartheid wollten am Angelusgebet teilnehmen. Es geht hier um die Verteidigung der ununterdrückbaren Werte und Rechte, die dazu beitragen, den Menschen zum Menschen zu machen und ihm zu helfen, sich seiner Würde als Geschöpf und Abbild Gottes bewußt zu werden, ihn sozial, kulturell und spirituell zu fördern. All das findet in Lehre und Wirken der katholischen Kirche Anerkennung, Billigung und Unterstützung. Ich hoffe, daß auch dieses bedeutsame Zeugnis als Impuls für ein verstärktes Bewußtsein von der evangelischen Botschaft der gegenseitigen Liebe diene, die aus allen Menschen eine Familie macht unter voller Achtung der menschlichen Person, ohne jede Diskriminierung. Ich habe mit Erleichterung erfahren, daß in Uganda ein Friedensabkommen zwischen dem Militärrat und den Vertretern der bewaffneten Opposition unterzeichnet wurde. Ich teile die Gefühle der Bischöfe und der Bevölkerung Ugandas und hoffe, daß die Übereinkunft ein konkreter und wirksamer Schritt ist, um das Land zu sichern und normalen Verhältnissen zurückzuführen, die ihm erlauben, auf den Weg eines echten Fortschritts zurückzufinden. Bitten wir die heilige Jungfrau, daß diese zarte Knospe des Friedens und der nationalen Versöhnung vor den noch nicht ganz erloschenen Störungen der allzulange dauernden Gewalt bewahrt bleibe und sich entwickeln könne, indem sie dem geliebten Volk von Uganda eine ruhige Zukunft sichert. 275 AUDIENZEN UND ANGELUS Möge die Kraft der Liebe siegen! Vor dem Angelus am 29. Dezember 1. Und das Wort ist Fleisch geworden. Ja, das Wort ist Fleisch geworden - und hat unter uns gewohnt. Der ewige Sohn Gottes hat, indem er Mensch wurde, unter den Menschen gewohnt. Er hat hier auf Erden sein Elternhaus gefunden. Heute erinnert die Kirche im Verlauf der Oktav der Geburt des Herrn an eben dieses Elternhaus Jesu in Nazaret. Sie erweist dem Ehre, der bis zu seinem 30. Lebensjahr Josef und Maria „gehorsam war“ und der gleichzeitig bereits als Zwölfjähriger seinen Lieben gegenüber den Willen des Vaters, für den er lebte, kundtat: „Wußtet ihr nicht, daß ich im Haus meines Vaters sein muß?“ (Lk 2,49) 2. Wie vielsagend ist doch das Wort „. . . hat. . . gewohnt“, wenn wir den „Engel des Herrn“ beten. „Wohnen “ steht in Beziehung zu dem Raum, in dem der Mensch lebt, sich entwickelt, seine Berufung erfüllt; in dem er immer mehr, Mensch „wird“ und „ist“. Raum finden unter den Menschen, unter den liebsten Menschen: in ihrer Anwesenheit, in ihrer Sorge, in ihren Herzen, Raum finden in den täglichen Beziehungen: den Raum, der von Wahrheit und Liebe erfüllt ist. Ein ebensolcher geistlicher „Raum“ wird „die Familie“ genannt. Ein solcher geistlicher Raum wird mit den Worten des II. Vatikanischen Konzils „Hauskirche“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 11; Apostolicam actuositatem, Nr. 11) genannt. Der Sohn Gottes hat einen solchen Raum in der Familie von Nazaret gefunden. Sie war dreißig Jahre lang seine Heimstatt auf Erden. Sie bildet auch die Grundlage seiner messianischen Sendung: die Heilige Familie von Nazaret. 3. Heute ehrt die Kirche diese Heilige Familie und umfängt durch sie gleichzeitig mit ihrem Gebet und ihrer Fürbitte alle Menschenfamilien der Welt. Am Schluß meines Apostolischen Schreibens über die Aufgabe der christlichen Familie in der Welt von heute schrieb ich, während ich den Schutz der Heiligen Familie von Nazaret anrief: „Durch den geheimnisvollen Ratschluß Gottes hat in ihr für viele Jahre der Sohn Gottes verborgen gelebt. Sie ist deshalb Urbild und Beispiel für alle christlichen Familien. Diese Familie, einzig in der ganzen Welt, hat unerkannt und still in einer kleinen Ortschaft Palästinas gelebt; sie ist von Armut, Verfolgung und 276 AUDIENZEN UND ANGELUS Verbannung heimgesucht worden und hat auf unvergleichlich erhabene und lautere Weise Gott verherrlicht. Diese Familie wird den christlichen Familien ihre Hilfe nicht versagen, ja sie wird allen Familien in der Welt beistehen in der Treue zu ihren täglichen Pflichten, im Ertragen der Ängste und Bedrängnisse des Lebens, in der hochherzigen Zuwendung zu den Nöten der anderen, in der freudigen Erfüllung ihrer Berufung“ (Familiaris consortio, Nr. 86) Indem wir uns an die Heilige Familie wenden, laßt uns beten, daß alle menschlichen Familien immer mehr zu einem geistlichen „Raum“ werden, in dem der Mensch wohnt und heranreift; daß sie echte „Hauskirchen“ werden. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Die weihnachtliche Festtagsstimmung wurde durch zwei schwerwiegende Bluttaten, die die öffentliche Meinung erschüttert haben, gestört: das Massaker am Flughafen von Fiumicino und jenes fast zur gleichen Zeit verübte auf dem Flughafen von Wien. Ein weiteres Mal hat die Gewalt unschuldige Leben in Mitleidenschaft gezogen und dadurch Angst und Schrecken in allen Teilen der Welt hervorgerufen. Es gibt keine angemessenen Worte, um solche kriminellen Untaten, vor denen das Gewissen eines jeden Menschen zurückschreckt, anzuprangern. Indem ich voll Trauer meine Stimme erhebe und jeden Bürger und insbesondere die Machthaber auffordere, alle Kräfte zu vereinen, um der sich ausbreitenden Gewalt Schranken entgegenzusetzen, richte ich mein Gebet zu Gott und bitte um den ewigen Frieden für die unglücklichen Opfer und um Trost für die Verwundeten und die trauernden Angehörigen. Möge die Kraft der Liebe über die dunkle Versuchung des Hasses siegen und die Herzen zu Brüderlichkeit und Eintracht zurückführen. 277 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen 1. Sechste Pastoraireise nach Lateinamerika (26. Januar bis 5. Februar) REISEN Ich möchte euch bestärken Fernsehbotschaft an das venezolanische Volk vom 21. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern Venezuelas! Da der Tag naht, an dem ich das Glück haben werde, zum ersten Mal eure geliebte Nation zu besuchen, möchte ich jetzt schon durch das Fernsehen allen Venezolanern meinen freundlichen und herzlichen Gruß entbieten. Ich habe mit großer Freude die liebenswürdige Einladung angenommen, die mir seinerzeit die venezolanischen Behörden und Bischöfe zum Besuch dieses jungen Landes überbrachten. Ich werde diese neue apostolische Reise zum amerikanischen Kontinent, zum „Kontinent der Hoffnung“, mit dem Wunsch antreten, mich u. a. mit den Mitgliedern der lebendigen und vielversprechenden Kirche zu treffen, die ihre Hoffnung in Venezuela lebt. Mit Gottes Hilfe vertraue ich darauf, gemeinsam mit euch einige festliche Tage der Kirche verbringen zu können, an denen wir alle zusammen unseren gemeinsamen Glauben an Christus, den Erlöser, feiern werden, um ihn später als erneuernde und treibende Kraft in das Leben und die konkrete Problematik der Gesellschaft einbringen zu können. Ich wünschte wirklich, alle Regionen eures Landes besuchen zu können, um mich in seinen Städten mit allen Katholiken Venezuelas zu treffen. Aber mein persönlicher Besuch muß sich aus einsichtigen organisatorischen Gründen auf Caracas, Maracaibo, Merida und Ciudad Guayana beschränken. Dort hoffe ich mit großer Freude Bewohner aller Teile des Landes zu treffen, an die alle sich der Besuch gleichermaßen richtet. Ich weiß, daß ich ein junges und hoffnungsvolles Volk vorfinden werde, das sich bereits auf die Feier des 500. Jahrestages der Evangelisierung Amerikas vorbereitet. Ich kenne den Enthusiasmus und die hochherzige Mitarbeit so vieler Tausender von Venezolanern, die sich geistlich auf den Besuch des Papstes vorbereiten, gut. Ich weiß vor allem von der großen Anzahl von Laienhelfern, die sich an der Volksmission beteiligen, um die Botschaft des Evangeliums, der Lehre der Kirche und der Stimme des Papstes selbst in die entferntesten Winkel des Landes zu bringen, und die dadurch Zeugnis von ihrem apostolischen Geist und ihrer Liebe zu den Brüdern geben. Ich möchte euch auf diesem Weg bestärken und mich schon jetzt für all eure Mitarbeit bedanken. Gleichzeitig möchte ich euch dazu anregen, den Herrn darum zu bitten, daß der Besuch des Nachfolgers Petri in 282 REISEN Venezuela mit einer gewissenhaften und verantwortungsvollen geistlichen Vorbereitung eine wirkliche Bekräftigung im Glauben sein möge (vgl. Lk 22,32). Laßt uns dieses Gebet und diese Absicht in das Herz Unserer Lieben Frau von Coromoto legen. Möge sie, die gnadenvolle, für uns bei ihrem Sohn Jesus die Gnade erlangen, die wir benötigen, um uns seinem Ruf, seiner Stimme, die unser Leben erneuern will, zu öffnen. Mit dieser Hoffnung segne ich alle Venezolaner im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Reichhaltige Früchte hervorgebracht Fernsehbotschaft an das ekuadorianische Volk vom 25. Januar Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt, geliebte Brüder und Schwestern von Ekuador! Da es jetzt nur noch wenige Tage bis zu meinem Besuch in eurem Land sind, möchte ich euch diese Botschaft durch das Fernsehen schicken, um von Rom aus jedem Ekuadorianer einen herzlichen und freudvollen Gruß zukommen zu lassen, euch allen, die ihr an der Küste wohnt, im Gebirge oder im Urwald. Mit der Hilfe Gottes werde ich am 29. d. M. in eurem Vaterland sein, das der Ursprung so vieler historischer, kultureller, menschlicher und christlicher Werte ist, die eine tiefe Anerkennung verdienen, und die Heimat von bemerkenswerten Persönlichkeiten, die eure Gesellschaft und Kirche bereichert haben. Ich werde zur 450-Jahr-Feier der ersten Verkündigung des Evangeliums nach Quito kommen. Das in der fruchtbaren Erde der ekuadorianischen Seele ausgetragene Saatgut hat reichhaltige Früchte hervorgebracht. In diesem historischen Kreuzzug, wo sich bald das 5. Jahrhundert der Entdeckung und Evangelisierung Amerikas vollendet, wird der Nachfolger Petri gern die Einladung annehmen, die ihm seinerzeit die Bischöfe und Autoritäten von Ekuador machten, und euch besuchen, um so den Auftrag Christi zu erfüllen, euch im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32). Mein apostolischer Besuch wird sich geographisch auf die Städte von Quito, Latacunga und Guayaquil konzentrieren. Ich hätte auch die anderen Städte und Dörfer zu besuchen gewünscht, aber da dies nicht möglich 283 REISEN ist und meine Reise sich gleichermaßen an alle Glieder dieser Ortskirchen richtet, möchte ich, daß alle schon jetzt die Stimme meiner Präsenz vernehmen. Diese Stimme umarmt im Herrn die Kirche von Quito mit ihrem Kardinal-Erzbischof, dem Koadjutor und den Weihbischöfen ebenso wie die Gläubigen der Diözesen Ambato, Guaranda, Ibarra, Latacunga und Tulcän mit ihren Oberhirten. Die Stimme der brüderlichen Liebe in Christus gilt der Metropolitankirche von Cuenca und ihrem Erzbischof, mit den Diözesen Azogues, Loja, Machala und ihren Bischöfen. Die Stimme des Friedens im Herrn richtet sich an die Erzdiözese Guayaquil mit ihrem Oberhirten und den Weihbischöfen, an die Diözese Portoviejo und die Prälatur Los Rios mit ihren Prälaten. Die Stimme der freudvollen Gemeinschaft im Glauben an Christus wendet sich auch an die Gläubigen der Vikariate und Präfekturen Esmeraldas, Mendez, Napo, Puyo, Zamora, Aguarico, Galäpagos, San Miguel de Sucumbios und des Militärvikariats mit ihren entsprechenden Ordinarien. Ich kenne den Enthusiasmus gut, mit dem ihr euch geistlich auf . den Besuch des Papstes vorbereitet. Ich drücke euch deshalb meine lebhafte Anerkennung und Hoffnung aus. Ich wünsche und bitte Gott darum, daß die Tage, die ich unter euch verbringen werde, eine frohe Feier unseres Glaubens und ein erneuertes Bemühen zu seiner Festigung sein mögen im Hinblick auf die Herausforderungen, die das nahende dritte Jahrtausend mit sich bringt. In die Hände der seligsten Jungfrau, unserer Mutter, lege ich die Ziele dieser Reise, und ihrem Schutz vertraue ich euch an. Möge der Herr reiche Gnaden über das ekuadorianische Volk aussenden. Ich segne euch alle im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Im Geist zu allen gereist Fernsehbotschaft an das peruanische Volk vom 26. Januar Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! Da nun der Tag naht, an dem ich, so Gott will, die Ehre haben werde, zum ersten Mal peruanischen Boden zu betreten, möchte ich euch allen durch 284 REISEN das Fernsehen meinen herzlichen und freundlichen Friedensgruß und Glückwunsch senden. Schon jetzt möchte ich mich öffentlich bei den Autoritäten und den Bischöfen von Peru für ihre liebenswürdige Einladung, euer geliebtes Land zu besuchen, bedanken, wo ich, wie ich hoffe, am 1. Februar ankommen werde, um mit euch allen einige Tage zu verbringen, die, und darum bitte ich Gott, von Vorteil für die Festigung eures Glaubens und die Erneuerung eures entschlossenen Engagements im christlichen Leben sein mögen. Ich freue mich ganz besonders darauf, zu den Stätten zu gelangen, die Gott durch die Anwesenheit von Heiligen gesegnet hat, die der ganzen Kirche zur Ehre gereichen und Grund des Stolzes für das peruanische Volk sind. Ein Volk mit tiefen Wurzeln und reicher Geschichte, zu dem der Nachfolger Petri auf einer Reise kommen möchte, die rein apostolischen Charakter besitzt. Er möchte kommen und den Glauben, die Würde jedes einzelnen Gotteskindes und die Versöhnung der Geister ermutigen. Während der vier Tage, die ich unter euch verbingen werde und die, so hoffe ich inständig, eine freudige Offenbarung unseres Glaubens, unserer Liebe und unserer Hoffnung auf Christus sein werden, habe ich die Möglichkeit, einen wichtigen Teil der ausgedehnten Geographie des alten Inkareiches kennenzulernen. In Lima-Callao, Arequipa, Cuzco, Ayacu-cho, Piura, Trujillo und Iquitos wünsche ich sehnlichst, die geliebten Söhne und Töchter Perus zu treffen, die der Papst schon seit langem besuchen wollte. Obwohl ich leider - trotz wiederholter Einladungen der kirchlichen oder zivilen Autoritäten und der Gläubigen - andere Regionen nicht werde besuchen können, möchte ich euch sagen, daß ich mich für alle diese Einladungen bedanke und diese Reise im Gedanken an alle unternehme mit dem Vorsatz, mich an alle Personen zu wenden, ohne Unterschied von ethnischer Herkunft, Kultur, Beruf, wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnissen. Ich habe von dem Enthusiasmus und dem Ernst gehört, mit dem ihr euch innerlich auf diesen apostolischen Besuch vorbereitet. Ich möchte euch schon jetzt meine Anerkennung für die hochherzigen Bemühungen aussprechen, die so viele Priester, Ordensleute und Laien unter der Leitung ihrer Bischöfe auf sich nehmen. Ich vereine mich mit euch im Gebet zum Allerhöchsten, damit dieser Besuch ein Anstoß auf dem Wege zu einer neuen Evangelisierung eures Landes und Lateinamerikas sei. Das waren auch die Ziele, die ich bei meiner jüngsten Reise in die Dominikanische Republik, zu Beginn der 285 REISEN Vorbereitung auf die 500-Jahr-Feier der Evangelisierung Amerikas, für den Kontinent festgelegt habe. Ich bitte auch innigst darum, daß der Frieden des Herrn und seine Gnade sich in euren Herzen, euren Familien und in der peruanischen Gesellschaft festigen und sich als Frucht der Umkehr der Herzen und des Werkes der Gerechtigkeit, der Eintracht, der Harmonie und der Brüderlichkeit unter allen Söhnen und Töchtern niederlassen. Möge die seligste Jungfrau, die ihr so innig als Mutter und Schutzpatronin verehrt, euch alle in der Versöhnung zum Kreuz ihres Sohnes führen. In der Erwartung, euch persönlich begrüßen zu dürfen, segne ich euch alle im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Verkündet die kirchliche Soziallehre! Ansprache an die Bischöfe Venezuelas in Caracas am 26. Januar Ehrwürdige und geliebte Brüder im Bischofsamt! 1. Obwohl mir die angenehme Erinnerung an euren Ad-limina-Besuch noch immer frisch im Gedächtnis ist, habe ich heute die Freude, euch in eurem Land zu besuchen. So kann die herzliche Einladung als erfüllt angesehen werden, die ihr vor einiger Zeit an mich gerichtet habt, daß ich kommen solle, um die gläubige Gemeinde Venezuelas zu sehen und auf ihrem Weg zu ermutigen. Ich möchte euch daher noch einmal für diese brüderliche Einladung und die gastfreundliche Aufnahme danken, die ihr mir gleich nach meiner Ankunft in eurem Land entbietet. „Ich kenne deine Werke und deine Mühe und dein Ausharren“ (Offb 2,2), könnte ich mit dem hl. Johannes zu jedem einzelnen von euch sagen, die ihr mit mir die Sorge für die ganze Kirche teilt (vgl. Lumen gentium, Nr. 2). Es ist mir daher willkommen, euch zu ermutigen bei dem Werk, das ihr für die Sache des Evangeliums vollbringt, indem ihr eure Kräfte für die Kirchen hingebt, die der Heilige Geist euch übertragen hat (vgl. Lumen gentium, Nr. 20). Ihr seid die Erben und Fortsetzer jenes Evangelisierungswerkes, auf dessen 500jährige Jubiläumsfeier wir uns vorbereiten, eines Werkes, das von selbstlosen und eifrigen Missionaren, die aus anderen Kirchen gekommen waren, begonnen und unter großen Schwierigkeiten und Opfern über nahezu ein halbes Jahrtausend fortgesetzt wurde. 286 REISEN Ein gewaltiges Werk, das mit knappen Mitteln und Mangel an Personal vollbracht wurde und dessen Frucht so tief in das Innerste der Nation eingedrungen ist, daß sie den katholischen Glauben zu einem entscheidenden Wesenszug der venezolanischen Identität gemacht hat. 2. Ich bin gerade erst in eurem Land eingetroffen. Ihr wißt, daß ich in meinen Besuch gern noch andere Orte einbezogen hätte, die aufzusuchen mir das festgelegte Programm nicht gestatten wird; trotz des lebhaften und nachdrücklichen Wunsches von Bischöfen, Autoritäten und Gläubigen. Ihr wißt auch, daß die Absicht dieser apostolischen Reise darin besteht, die christliche Gemeinschaft, das ganze Volk Gottes von Venezuela mit seinen Bischöfen an der Spitze zu besuchen. Darum will ich bei dieser Begegnung, die den Vorrang hat, den die Brüder und Glaubensführer dieser Teilkirchen verdienen, in eurer Person alle und jede einzelne der Diözesen Venezuelas grüßen. Mein herzliches Gedenken und mein Gruß gilt jedem einzelnen Mitglied eurer Diözesan-kirchen, den Seelsorgern, den in besonderer Weise geweihten Personen, den Diakonen, Seminaristen und Novizen, den Mitgliedern sämtlicher Bewegungen des Apostolats und des gläubigen Volkes. Niemand bleibt von meinem Gedanken, meiner Ermutigung in der Treue zu Christus, meinem Gebet ausgeschlossen. Vor allem, wenn es sich um Kranke handelt, um Menschen, die in Armut leben oder leiden. So also möge die Stimme des Apostels Petrus, zu deren Widerhall von Gemeinschaft sich sein Nachfolger auf dem römischen Stuhl macht, zu all euren Kirchen gelangen: „Friede sei mit euch allen, die ihr in Christus seid“ (I Petr 5,14). Friede der Kirche in Caracas, ihrem Kardinal-Erzbischof, den Weihbischöfen und dem Volk Gottes; den Gläubigen von Calabozo, La Guiara, Los Teques, San Fernando de Apire und ihren Bischöfen. Friede der Kirchengemeinde von Barquisimeto und ihrem Bischof, dem Weihbischof und dem Volk Gottes; den Bischöfen und Gläubigen von Guanare und San Felipe. Friede dem Metropolitansitz Ciudad Bolfvar mit seinem Erzbischof und Weihbischof zusammen mit den Gläubigen; Friede dem Volk Gottes von Barcelona, Ciudad Guayana, Cumanä, Margarita und Maturin mit ihren bischöflichen Hirten. Friede der Erzdiözese Maracaibo, ihrem Ordinarius und den Gläubigen; den Prälaten von Canimas und Coro mit dem Gottesvolk. Friede dem christlichen Volk von Merida, seinem Erzbischof und Weihbi- 287 REISEN schof, den Kirchengemeinden von Barinas, San Cristobal de Venezuela und Trujillo und den Hirten, die ihnen im Glauben vorstehen. Friede der Herde Christi von Valencia, ihrem Metropoliten und den Weihbischöfen; dem Volk Gottes von Maracay und San Carlos de Venezuela sowie ihren Prälaten. Friede allen, die in Christus sind, in den Vikariaten Caroni, Machiques, Puerto Ayacucho, Tucupita, und ihren Hirten. Ebenso auch eine Umarmung des Friedens den Bischöfen, die aus Altersgründen die Sorge für ihre Herde abgegeben haben und nun durch Arbeit, Gebet und Hoffnung die Kirche aufbauen. Friede euch allen, die ihr in Christus seid! 3. In euch, Brüder, die ihr ein reiches kirchliches Erbe weiterführt, möchte ich den Bischöfen, die euch vorausgegangen sind, Bewunderung und Anerkennung darbringen, angefangen bei Rodrigo de Bastidas (1532-1542), dem ersten Bischof Venezuelas, der vom Bischofssitz Santa Ana de Coro aus die Reihe der Hirten dieser Kirchen Gottes eröffnet, mit denen ihr durch die Bande einer gemeinsamen Bestimmung und der rechtmäßigen und ununterbrochenen apostolischen Nachfolge verbunden seid. Ich würde sie gern alle aufzählen, doch das würde zu weit gehen; ich werde mich also damit zufriedengeben, unter den vielen einzigartigen und des Lobes würdigen Gestalten ein paar Namen auszuwählen. Das begonnene Werk in neuem Rahmen fortführen Nennen möchte ich den gelehrten Bruder Pedro de Agreda (1561-1579), der angesichts des dringenden Bedarfes an Priestern für die Verkündigung des Evangeliums und die Bekehrung der Indianer persönlich damit begann, Unterrichtsklassen für Latein und Theologie aüfzubauen. Aus gleicher Sorge errichtete Bischof Antonio Gonzales de Acuiia (1670-1682) später das Seminar Santa Rosa de Lima in Caracas. Ebenso wollen wir Diego de Banos y Sotomayor (1682-1714) erwähnen, der die bedeutendste Synode der Kirche in Venezuela abhielt, deren Konstitutionen bis in die Anfänge dieses Jahrhunderts gültig waren. Ferner Diego Antonio Diez Madronero (1756-1769), einen sehr frommen und eifrigen Mann, einen großen Verehrer der heiligen Jungfrau unter der beeindruckenden Anrufung der Madonna des Lichts, der den Straßen von Caracas Mariennamen geben wollte. Mariano Marti (1770-1792), den umherziehenden Bischof, der zivilisatorisch tätig war 288 REISEN und Ortschaften gründete. 13 Jahre lang führte er zu Pferd die Pastoral-besuche in seinem immensen Bistum durch, das heute in 15 Diözesen unterteilt ist; und über die minuziös durchgeführte Visite in mehr als 300 Städten und Dörfern gab er einen so detaillierten Bericht, daß dieser eine einzigartige und unerschöpfliche Quelle für die Kolonialgeschichte und -Soziologie darstellt. Dann Francisco de Ibarra (1792-1806), der erste einheimische Bischof des Landes, erster Bischof von Guayana und erster Erzbischof von Caracas. Rafael Lasso de la Vega (1815-1828), Bischof von Merida, berühmt, weil er mit seinem Ansehen und durch seine Vermittlung zur Normalisierung der Beziehungen der entstehenden Staaten mit dem Stuhl Petri beigetragen hat. Ramon Ignacio Mendez (1827—1839), Vorkämpfer der Unabhängigkeit und unerschrockener Verfechter der Rechte und Freiheiten der Kirche, wofür er zweimalige Verbannung erleidet und im Exil stirbt. Silvestre Guevara y Lira (1852-1876), der ebensowenig zögert, sich den widerrechtlichen Einmischungen der weltlichen Macht zu widersetzen, und dem gleichfalls die harte Verbannung widerfährt. Und bereits in diesem Jahrhundert führen wir Antonio Ramon Silva (1894-1932), Bischof von Merida an, einen der großen Baumeister der Organisation der Kirche in den venezolanischen Anden. Juan Bautista Castro (1905-1915), eine eucharistisch beseelte Persönlichkeit, die den ersten Eucharistischen Kongreß Venezuelas abhält, die Republik dem Allerheiligsten Sakrament weiht und die verdienstvolle Kongregation der Dienerinnen des Allerheiligsten gründet. Francisco Antonio Granadillo (1923-1927), erster Bischof von Valencia, Ausbilder von beispielhaften Priestern. Lucas Guillermo Castillo (1923-1955), erster Bischof von Coro und dann Erzbischof von Caracas und Primas von Venezuela, ein eifriger und demütiger Flirte, der mit Vorliebe seine Hirtensorge den einfachen Menschen zuwandte. Jose Humberto Quintero, der die schöne Literatur pflegte und der erste venezolanische Kardinal war; seinen kürzlich erfolgten Heimgang beklagen wir noch immer. Das Werk, das diese und andere würdige venezolanischen Bischöfe mit der unersetzlichen Hilfe der Priester und mit dem wertvollen Beitrag der religiösen Orden und Kongregationen besonders auf dem Gebiet der Jugenderziehung vollbracht haben, kann wohl als vortrefflich bezeichnet werden; aber es fehlt freilich noch viel, um es als abgeschlossen zu betrachten. An euch liegt es, dieses Werk in dem neuen geschichtlichen Rahmen weiterzuführen und zu vervollständigen. Tatsächlich werfen der technische und industrielle Fortschritt des Landes, sein Bevölkerungswachstum, die sich zuspitzenden sozialen Gegensätze, 289 REISEN die neuen, kulturellen Bedingungen enorme Herausforderungen auf, auf die unbedingt geantwortet werden muß, fest und entschlossen, mit Opferbereitschaft und apostolischem Eifer, mit neuen und wirkungsvollen pastoralen Initiativen; durch Verpflichtung zu der allen Mitgliedern des Gottesvolkes gemeinsamen Aufgabe. 4. Während unserer Begegnungen in Rom aus Anlaß eures Ad-limina-Besuches - die heute nachmittag weitergehen -, dachten wir über einige programmatische Richtlinien der Tätigkeit nach, die noch immer Gültigkeit haben. Darum will ich mich jetzt nicht auf dieselben Themen einlassen. Trotzdem möchte ich, gleichsam als Anhang dazu, auf einige Aspekte, die mir besonders wichtig erscheinen, Bezug nehmen. Die Bischöfe sind in Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri „Zeugen der katholischen Wahrheit“ und „authentische, d. h. mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer“ (Lumen gentium, Nr. 25). Diese Beziehung zu dem Glaubensgut, das der Kirche von Christus anvertraut wurde, damit sie es hüte und verkündige, ist die Quelle der schweren Verpflichtungen, die das bischöfliche Amt kennzeichnen. Dazu gehören vor allem die unermüdliche, mutige Verkündigung des Wortes, „ob man es hören will oder nicht“ (2 Tim 4,2), wobei die überzeugte Mitarbeit aller Priester, Seelsorgshelfer und auch Gläubigen entsprechend der Funktion und Situation jedes einzelnen und in Übereinstimmung mit den Normen der Kirche gefördert werden muß. Die Verkündigung muß von pastoraler Liebe und Wachsamkeit begleitet sein, um „die der Herde drohenden Irrtümer fernzuhalten“ (Lumen gentium, Nr. 25; vgl. 2 Tim 4,1-4). Eine heikle Aufgabe, die besonderes pastorales Taktgefühl erfordert, um sowohl an den, der irrt, heranzukommen, als auch zu verhindern, daß der Glaube der Gemeinde Schaden leidet. Ihr wißt sehr wohl, daß es heute leider nicht an Leuten fehlt, die unter Mißbrauch des empfangenen Lehrauftrages der Kirche nicht die Wahrheit Christi, sondern ihre eigenen Theorien verkündigen; manchmal in offenem Gegensatz zum Lehramt der Kirche; ebensowenig fehlt es an Leuten, die die evangelische Botschaft entstellen, indem sie sie als Werkzeug für Ideologien und politische Strategien benutzen, auf der Suche nach einer illusorischen irdischen Befreiung, die weder die der Kirche noch die des wahren Wohles des Menschen ist. Angesichts derartiger Situationen müssen die Bischöfe und Glaubensführer des Gottesvolkes antworten, indem sie die richtige Lehre unverkürzt 290 REISEN und getreu darlegen, die Irrtümer rechtzeitig richtigstellen, die Irrenden mit Liebe und Festigkeit zurechtweisen und vor allem verhindern, daß die von der Kirche empfangene Macht mißbraucht wird. Aber der Glaube soll nicht nur geglaubt, sondern auch praktiziert auf das Leben angewandt werden. Es gibt keinen Bereich des persönlichen oder sozialen Tuns, der seiner Wegweisung entgehen könnte; er muß - ohne Nachteil für die legitime Autonomie der irdischen Wirklichkeiten - die soziale, wirtschaftliche und politische Ordnung mit dem Geist des Evangeliums durchdringen. Das Zweite Vatikanische Konzil bezeichnet „die Spaltung zwischen dem Glauben, den man bekennt, und dem täglichen Leben“ als eine der „schwersten Verirrungen unserer Zeit“ (Gaudium et spes, Nr. 43). Eine solche praktische Reaktivierung des Glaubens, die diese Inkohärenz überwindet, zu erreichen, ist eine gewaltige Aufgabe, der sich eure pastorale Sorge zuwenden muß. 5. Einer der Bereiche, wo der katholische Glaube des venezolanischen Volkes besonders deutlich hervortreten muß, ist die Familie; ihre;Schlüsselbedeutung für die Gesellschaft und für die Kirche wird niemals hoch genug eingeschätzt werden. Ich kenne die nicht wenigen und manchmal chronischen Übel, die die Familie in Venezuela befallen, sie schwächen und manchmal beinahe zerstören. Viele haben soziale und. historische Wurzeln, die: uralt genannt werden können. Sie lassen sich u. a. aus der Unwissenheit oder ungenügenden Bildung im Glauben, aus den unsicheren sozialen Verhältnissen, aus einer hedonistischen Lebensauffassung herleiten. Die pastorale und erzieherische Anwesenheit der Kirche kann für die venezolanischen Familien eine wertvolle Stütze darstellen, die ihnen hilft, den gefährlichen Ränken, die sie bedrohen, Einhalt, zu gebieten. Auch dem Staat fällt auf diesem Gebiet eine wichtige Rolle zu, wie die Verfassung Venezuelas anerkennt, wenn sie in ihrem Artikel 73 feststellt: „Der Staat wird die Familie als Grundzelle der Gesellschaft schützen und Sorge tragen für die Verbesserung ihrer moralischen und wirtschaftlichen Situation. Das Gesetz wird die Ehe schützen, die Einrichtung und Ordnung des unpfändbaren Familienbesitzes begünstigen und das Notwendige verfügen, um jeder Familie den Erwerb einer bequemen und hygienisch einwandfreien Wohnung zu erleichtern.“ Eine so feierliche Verfassungsverfügung muß eine demokratische und kohärente Entsprechung in den übrigen Gesetzen des Staates finden, die folglich die fundamentalen Werte der Institution der Familie, darunter 291 REISEN ihre Einheit und Unauflöslichkeit, fördern und schützen müssen; die die freie und angemessene Ausübung der Rechte der Eltern, besonders im Hinblick auf die Erziehung, und der Kinder auf ein geeintes und stabiles Zuhause begünstigen müssen. „Ihr seid das moralische Bewußtsein der Gesellschaft“ Hier wird euch eine schwere und unausweichliche Aufgabe auferlegt, die Klugheit und Festigkeit zugleich erfordert, um die Forderungen des Glaubens mutig darzulegen, Zweifel klarzustellen, zu ermutigen und zu überzeugen; ihr müßt mit einem Wort wissen, daß ihr das kritische moralische Bewußtsein der Gesellschaft seid, das auf Verantwortlichkeiten hinweist und eventuelle Abweichungen anzeigt. Dieser anspruchsvolle pastorale Dienst, auf den ich angespielt habe, ein ständiger und wachsamer, verständiger und schöpferischer, kluger und unerschrockener Dienst, muß in euch aus einer großen Liebe und Treue zu Jesus Christus, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist, und zu der von ihm gestifteten Kirche kommen. 6. Ich könnte diese Begegnung nicht beenden, ohne eure Aufmerksamkeit, wenn auch nur kurz, auf einige Bereiche hinzulenken, denen sich eure Sorge als Bischöfe und die eurer Mitarbeiter mit neuer Schöpferkraft öffnen muß. Die Welt der Kultur verlangt die besondere Sorge, die ihre große Bedeutung mit sich bringt. Ich weiß, daß ihr in Venezuela - mit Hilfe vor allem der Ordensinstitute - ständige Anstrengungen unternommen habt, um die notwendige Präsenz der Kirche in die Schule und die Kollegien zu tragen. Die höheren Ebenen der Erziehung und Bildung der Jugend, vor allem der Hochschulbereich, müssen euer Bemühen und die Einrichtung einer entsprechenden Pastoral auch auf diesem Gebiet hervorrufen. Das bringt natürlich die Auswahl gut qualifizierten und von tiefem kirchlichem und menschlichem Sinn bestimmten Personals mit sich. Dieses Personal muß in aufrichtiger Verbundenheit mit den Bischöfen und im vollen Bewußtsein seiner Treue zur Lehre und zu den Normen der Kirche in allen höheren schulischen Einrichtungen, wo die künftigen Führer des Landes ausgebildet werden, eine angemessene Pastoral durchführen. Zugleich muß es - mit einer geeigneten Evangelisierung der Kulturwelt -einen fruchtbaren Dialog zwischen Glaube und Kultur auf allen Ebenen einrichten und zur gegenseitigen Zusammenarbeit im Dienst der Wahrheit und zum Wohl der Männer und Frauen Venezuelas anregen. 292 REISEN Das Bemühen im sozialen Bereich ist ein weiteres Gebiet, das eine tatkräftige Verpflichtung sowohl seitens der Bischöfe wie der Kirche in eurer Nation verlangt. Euer Land besitzt reiche Schätze, was nicht verhindert, daß es breite soziale Schichten gibt, die in Armut, ja in extremer Armut versinken. Ich weiß, daß euch gerade diese schlimme Lage so vieler Venezolaner Sorge bereitet, die eine schlechte Verteilung des Vermögens der Gesellschaft und seiner nutzbringenden Auswertung anzeigt. Es stimmt, daß die Kirche ihre eigentliche und besondere Sendung in der Aufgabe der Glaubenserziehung und der Heilsrettung in Christus, dem Erlöser, sieht. Das darf niemals vergessen oder auf den zweiten Platz verwiesen werden. Anderseits steht auch fest, daß Christus die Würde jedes Menschen und des ganzen Menschen will. Darum müssen die Kirche, die Bischöfe, die Priester, Ordensleute und Gläubigen - vor allem die, deren eigentliche Aufgabe es ist, im Lichte des Glaubens die Welt von innen her zu verändern, - soweit als möglich an dieser Ausstattung des Menschen mit Würde und an seiner Erhebung mitarbeiten, um ihn menschlicher, entwickelter und offener für den Gott der Transzendenz zu machen. Ich ermahne euch darum, die Soziallehre der Kirche unter euren Priestern, Seminaristen, Ordensleuten und Gläubigen immer mehr bekanntzumachen. Sucht nach allen nur möglichen Wegen, die zu einer moralischen und materiellen Besserstellung der Notleidenden beitragen. Verkündet auch unermüdlich die sozialen Forderungen des Christentums und fördert alle Formen der Annäherung und Hilfe - natürlich mit evangelischen Kriterien und Zielsetzungen entsprechend den Weisungen der Kirche - für die Bedürftigsten unter euren Gläubigen, für den venezolanischen Menschen, der leidet. Die Förderung der Berufe zum Priester- und Ordensleben muß ein weiterer entschlossener Einsatz in euren Arbeitsprogrammen sein. Das ist die natürliche Schlußfolgerung aus dem, was wir vorhin gesagt haben. Denn für die angezeigten Zielsetzungen sind - immer mehr - Personen erforderlich, die sie verwirklichen. Das, was wir gleichsam ein endemisches Übel nennen könnten, nämlich der Mangel an Berufungen, ist dank der Großmütigkeit anderer Kirchen und der von ihnen gekommenen Personen etwas gelindert worden. Diese verdienen höchste Anerkennung und Dankbarkeit, wie ihr sie ja empfindet. Doch das entbindet euch nicht davon, neue Anstrengungen zu unternehmen, um zu versuchen, das Problem aus der Schöpferkraft und der Dynamik der Kirche in Venezuela zu lösen. 293 REISEN 7. Meine lieben Brüder! Noch andere Themen, die in eurem Denken und Fühlen als Bischöfe verbunden sind, würden unsere Reflexion benötigen, wir können uns jedoch nicht auf sie alle einlassen. Ich will schließen mit einem herzlichen Dank und mit der Ermutigung für euren schwierigen und opferbereiten Einsatz für die Kirche. Setzt dieses Bemühen fort mit großer Hoffnung. „Dann wird euch in reichem Maße gewährt, in das ewige Reich unseres Herrn und Retters, Jesus Christus, einzutreten“ (2 Petr 1,11). Er erfülle euch mit Freude und Zuversicht. Und die Gottesmutter und Schutzpatronin Venezuelas, die allerseligste Jungfrau von Coromoto, sei eure Führerin auf dem Weg in die ewige Heimat. Amen. Auf diesem Kontinent der Hoffnung Predigt bei der Messe für die Familien in Caracas am Sonntag, 27. Januar Herr Kardinal, bischöfliche Mitbrüder, Autoritäten, liebe christliche Familien, liebe Töchter und Söhne Venezuelas! <86> <86> Als Bischof von Rom, Nachfolger des heiligen Apostels Petrus und heute Pilger in eurem Vaterland, möchte ich mich zuallererst in Anbetung des einzigen Gottes im Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit niederwerfen. Zu Füßen der Mutter Gottes, der seligsten Jungfrau von Coromoto, der Schutzpatronin Venezuelas, die dieser Begegnung vorsteht, und vor so vielen Familien aus den uns nahen Stadtteilen verkünden wir heute alle gemeinsam in dieser Ebene von Montalban unser bescheidenes Lob der göttlichen Weisheit und Allmacht. Und wir tun das mit den Worten der Liturgie, besonders mit denen, die wir heute in der ersten Lesung aus dem Buch der Sprüche gehört haben. Wir tun das einem tiefen Bedürfnis unseres Glaubens gehorchend und im Namen aller Generationen, die im Laufe der Jahrhunderte in diesem Land aufeinander gefolgt sind, von der einheimischen Urbevölkerung bis hin zu den jüngsten Einwanderern. Gott schenkt mir die Gnade, euer ehrenwertes Land zu Anfang dieses Abschnittes von neun Jahren zu besuchen, in dem die Kirche von ganz Lateinamerika sich darauf vorbereitet, feierlich den fünfhundertsten Jahrestag des Beginns der Evangelisierung zu feiern, diese 500 Jahre der 294 REISEN Anwesenheit und des Dienstes am Volk Gottes auf diesem Kontinent der Hoffnung. 2. In der ersten Lesung haben wir das Loblied auf die Weisheit und Allmacht Gottes gehört, die er in der Schöpfung ausgedrückt hat. In welch unerwarteter Pracht erschien diese von Gott geschaffene Welt vor den Augen von Christoph Kolumbus und seinen Gefährten vor 500 Jahren! Das neue Land! Wie aus einem Abgrund auftauchend, erschienen vor ihren Augen Land und Felder, Berge und Hügel, die Brunnen voller Wasser (vgl. Spr 8,24-26). Plötzlich zeigte sich die Erdkugel anders, als sie es bis damals geglaubt hatten. Jetzt erschien sie wirklich wie eine „Erdkugel“ unter dem weiten Firmament, ohne daß das Wasser die Grenzen des soeben entdeckten Gebietes überschritt (vgl. Spr 8,24-29). Ich möchte, daß wir von dieser Stadt Caracas wie von einem Portikus des Kontinents den Blick 500 Jahre zurückschweifen lassen, um uns gemeinsam mit den Entdeckern in einer Haltung des Lobes und der Anbetung vor Gott, dem Schöpfer der Wunder der Neuen Welt, niederzuwerfen. 3. Die Kirche von Venezuela, ebenso wie die ganze Kirche von Lateinamerika, bereitet sich während dieser neun Jahre unter Anleitung ihrer Hirten auf das festliche Jubiläum des 500. Jahrestages der Ankunft des Evangeliums vor; sie bereitet sich für das feierliche Gedenken der großen Aussaat des Glaubens auf diesem Kontinent. Davor können wir nur mit den Worten aus dem Brief an die Epheser ausrufen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel“ (Eph 1,3). Ich habe den Pilgerstab ergriffen und bin bis zu euch gekommen, liebe Brüder und Schwestern, damit wir .alle uns die Worte des Apostels zu eigen machen und Gott, den Vaters unseres Herrn Jesus Christus, preisen. Ich bin gekommen, um zusammen mit euch dem dreieinigen Gott für die große Aussaat des Glaubens zu danken und für die Früchte der Evangelisierung, die sich unter euch, unter den verschiedenen Gruppen und Rassen gefestigt hat und bis heute andauert. Es ist für mich als Hirten der ganzen Kirche eine unerläßliche Pflicht, an die Pioniere der Evangelisierung in eurem Land zu erinnern und ihnen und allen Arbeitern im Weinberg des Herrn Ehre zu erweisen. Zu diesem Zweck muß ich unbedingt die Patres Francisco de Cordoba und Juan de Garces erwähnen, ebenso wie den ersten Bischof von Venezuela, Rodrigo 295 REISEN de Bastidas, den Bischof Pedro de Agreda, der die Lehrkurse organisierte, und die Franziskaner-Observanten, die die ersten Missionen durchführten. Bei dieser Missionsarbeit treten besonders Bruder Francisco von Pamplona und Bruder Juan de Mendoza hervor. Zu ihnen gesellen sich viele andere eifrige und vorbildliche Diener der Kirche, die ihr in den vergangenen fünfhundert Jahren in eurem Vaterland Festigkeit verliehen haben. Wenn ich Gott meinen Dank ausspreche, dann erbitte ich von seinem väterlichen Erbarmen, daß der Samen seines Glaubens auch weiterhin reifen und reichhaltige Früchte tragen möge, die den Herausforderungen und Bedürfnisse unserer und der herannahenden Zeit genügen. Möge auch der feierliche Akt der Krönung des verehrten Bildnisses Unserer Lieben Frau von Coromoto, der Schutzpatronin aller Venezuela-ner und der Familien des Landes, Ausdruck unserer Danksagung und unseres gemeinsamen Gebetes zum Vater sein. 4. Das Evangelium der heutigen Liturgie führt uns vor die Tore Betle-hems, und wir nähern uns gemeinsam mit den Hirten der Krippe. Sie waren die ersten Zeugen des großen Geheimnisses der Geburt des Gottessohnes: „So eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag“ (Lk 2,16). Kirche muß die Wahrheit über christliche Ehe und Familie verkünden Vor den Hirten erscheint dieses Bild, das im Gedächtnis der Kirche und der Menschheit für immer festgehalten ist: das Bild der Heiligen Familie. In seinem unendlichen Erbarmen hat uns der ewige Vater „mit allem Segen seines Geistes gesegnet“ durch das Geheimnis der Menschwerdung, in der Person Jesu Christi, des Menschensohns, der zum Kind wird, der als Neugeborener im Schoß einer Familie zur Welt kommt. Auf diese Art und Weise ist nach dem Beispiel der Heiligen Familie von Betlehem und Nazaret jede menschliche Familie von Gott dazu berufen, heilig und untadelig in Jesus Christus zu sein (vgl. Eph 1,4). 5. Damit auch die Heiligkeit der Familie bewahrt wird, muß die Kirche weiterhin die Wahrheit über die christliche Ehe und Familie verkünden, die von Gott ins Herz des Menschen geschrieben und durch Christus in ihrer ganzen Tiefe enthüllt worden ist. Der Ausgangspunkt der kirchlichen Lehre auf diesem Gebiet liegt im Konzept der in ihrer ganzen Wahrheit verstandenen ehelichen Liebe. Es 296 REISEN handelt sich um die Liebe als interpersonelle Vereinigung der Eheleute, die sich einander mit Leib und Seele hingeben. Diese wahre, interpersonelle Liebe, die Basis jeglichen Ehe- und Familienlebens (vgl. Gaudium et spes, Nr. 48), müßt ihr, liebe Eheleute, behüten und vergrößern. Denn die eheliche Liebe beginnt sich abzuschwächen, wenn die Hingabe der Eheleute schwächer wird, wenn sie sich im Egoismus verkapselt. Deshalb schrieben eure Bischöfe: „Leider müssen wir das Vorhandensein von Verbindungen feststellen, die zwar legitim sind, aber keine Einheit in Liebe bilden. In der Tat haben Egoismus, fehlende Reife, Unverständnis, zu stark beanspruchende berufliche Aktivitäten und andere Motive die Intensität der anfänglichen Liebe untergraben“ (Pastoralpredigt „Familie, Bevölkerung und Gerechtigkeit“, 18). 6. Die großartige Realität der ehelichen Liebe zeigt sich gerade in der Liebesgemeinschaft, der Gemeinschaft der Eheleute untereinander und der Eltern mit den Kindern, diesen innersten Banden, die aus der Familie ein Heim machen, ein Haus, wo die Herzensbildung durch Gott garantiert ist: „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut“ (Ps 127,1). Mehr noch: Die innere Größe der ehelichen Liebe liegt in der Berufung, an der schöpferischen Liebe Gottes mitzuwirken, so wie wir es uns im Antwortpsalm ins Gedächtnis gerufen haben: „Kinder sind eine Gabe des Herrn, die Frucht des Leibes ist sein Geschenk“ (Ps 127,3). Ja, die Kinder sind ein Geschenk der schöpferischen Liebe Gottes, vollendet durch die Liebe der Ehegatten. Etwas so Einzigartiges wie die Elternschaft muß mit voller Verantwortung verwirklicht werden dadurch, daß man die Zahl der Kinder und ihre Aufeinanderfolge entscheidet. Dabei sollen sich die Ehegatten „leiten lassen von einem Gewissen, das sich auszurichten hat am göttlichen Gesetz; sie müssen hören auf das Lehramt der Kirche . . .“ (Gaudium et spes, Nr. 50). Anderseits lehrt die Enzyklika Humanae vitae, daß „jeder eheliche Akt von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens hingeordnet bleiben muß“ (Nr. 11). Von daher sind auch die Verhütungsmittel und die Sterilisation mit empfängnisverhütenden Zielen immer schwer unerlaubt. Liebe Eheleute, die ihr aus Caracas und ganz Venezuela gekommen seid! Euer Auftrag in der Gesellschaft und in der Kirche ist erhalten. Bildet ein wahres Zuhause, geeinte und im Glauben unterwiesene Familien! Kämpft gegen die Plage der Scheidung, die die Familien zerrüttet und sich so nachteilig auf die Erziehung der Kinder auswirkt! Trennt nicht, was Gott 297 REISEN verbunden hat! Repektiert immer das Leben, das ein vortreffliches Geschenk Gottes ist (vgl. Familiaris consortio, Nr. 30). Bedenkt, daß es niemals erlaubt ist, menschliches Leben auszulöschen, sei es durch die Abtreibung, sei es durch die Euthanasie. Eure Verfassung ist diesbezüglich sehr klar und treffend. 7. Der hl. Paulus sagte uns in der zweiten Lesung: Gott hat uns dazu bestimmt, seine Söhne zu werden. Eure Kinder, alle Kinder der christlichen Familien werden durch die Taufe zu Kindern Gottes. Welche Größe und Verantwortung besitzen gleichzeitig die christlichen Eltern, die als Frucht ihrer Liebe zu Tempeln werden, in denen Gott sein Schöpferwerk verwirklicht! Seid euch dieser höchsten Sendung, die Gott in eure Hände gelegt hat, bewußt und macht eure Familien zu Tempeln Gottes, zu „Hauskirchen“. Um das zu erreichen, pflegt in euren Heimen das Gebet, das einigt und eine rechte Orientierungshilfe im Leben ist; lehrt eure Kinder beten und erzieht sie nach der Moral und den Erfordernissen des christlichen Lebens. Zu dieser Aufgabe sind Väter und Mütter in gemeinsamer Zusammenarbeit aufgerufen. 8. Nach diesen Überlegungen wenden wir nun unseren Blick des Glaubens auf die heilige Mutter Gottes. Heute wird der Papst, der Bischof von Rom, umgeben von seinen Brüdern, den Bischöfen von Venezuela, die Krönung des Bildnisses Unserer Lieben Frau von Coromoto vollziehen, das in ihrer neuen Basilika verehrt wird. Durch diese Handlung wollen wir hier in der Hauptstadt der Nation der edlen Mutter und Patronin von Venezuela, die ihre Kinder vom geliebten Wallfahrtsort Guanare aus begleitet, fromm unsere Verehrung und Liebe darbringen. Vor ihr pilgern der Papst, die Bischöfe und alle Gläubigen Venezuelas im Geist zu ihrem Heiligtum in einem großartigen Pilgerzug des Glaubens und der kindlichen Liebe. So danken wir Gott für die ganze Vergangenheit der Kirche in eurem Land. Das Evangelium von heute sagt uns: „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lk 2,19). Ja, Maria ist ständig im Geheimnis Christi und der Kirche zugegen. Wie uns das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, ist die Jungfrau in ihrer Eigenschaft als Mutter immer zugegen (vgl. Lumen gentium, Nr. 61). Sie war als Mutter in diesen fünf Jahrhunderten der Evangelisierung, die sich vollenden werden, zugegen. Sie bewahrt die Geschichte des Gottesvolkes dieses Landes, von Generation zu Generation, und denkt in ihrem Herzen darüber nach. 298 REISEN Heute möchte wir gleichsam diese Anwesenheit Mariens durch die Danksagung, die aus unsern Herzen aufsteigt, „krönen“ und verehren. Gleichzeitig bitten wir, sie möge auch weiterhin im Gottesvolk von Venezuela anwesend sein so wie in Betlehem, in Nazaret, zu Füßen des Kreuzes auf Golgota, im Abendmahlssaal an Pfingsten mit den Aposteln, in der Geburtsstunde der Kirche. Bitten wir Gott darum, daß Maria weiter bei uns bleibe und daß Gottvater euch durch ihre mütterliche Fürsprache „mit allem Segen seines Geistes . . . durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel“ (Eph 1,3) segnen möge, damit ihr, damit wir alle, die wir seit Jahrhunderten und Generationen „auf Christus gehofft haben“ (Eph 1,12), Ruhm seiner Herrlichkeit seien. Nach der Messe betete der Papst mit den Gläubigen den Angelus und das folgende Weihegebet an die Gottesmutter: Und jetzt möchten wir mit großer Zuversicht auf ihre mütterliche Hilfe heute morgen alle Kinder Venezuelas Unserer Lieben Frau von Coro-moto anvertrauen. Dir, o heiligste Mutter, der Schutzherrin des Glaubens des venezolanischen Volkes, vertraue ich heute den Glauben dieses Volkes an. Verteidige ihn gegen die Gefahren des Laizismus, gegen die Angriffe durch den Konsumismus, die rein horizontale Sicht des Lebens, die seine Festigkeit bedrohen. In deine Hände, o Maria, Mutter Christi und unsere Mutter, lege ich Freud und Leid, Hoffnung und Leiden, Sorgen und Bedürfnisse aller venezolanischen Familien. Schütze in ihnen das Leben - auch das ungeborene -, behüte die Kinder und Jugendlichen, tröste die Alten und Kranken, laß die Liebe der Eheleute wachsen, damit sie ständig im Licht deines Sohnes wandeln und die Festigkeit ihrer Verbindung im Sakrament suchen. Steh auch den Familien der Einwanderer bei, besonders jenen aus Cuba, der Dominikanischen Republik, aus Ekuador und aus Europa, die die zahlreichsten sind. Ich vertraue dir, o Maria, Mutter der Kirche, die Diener deines Sohnes an, die geweihten Seelen, die den Ruf zu ihrem Dienst verspürten, und ihre Brüder. Nähre ihren apostolischen Eifer, stärke ihre Treue, inspiriere sie zum Streben nach Heiligkeit, begleite ihre hochherzige kirchliche Hingabe. Ich empfehle dir auch das Problem des Mangels an Berufen. Inspiriere diese Kirche, damit sie ihre Lebenskraft verdoppelt und den Anreiz gibt zu ausgewählten und zahlreichen Berufen. Segne alle, die mit ihrer ehrenwerten Arbeit für das Wohl der Brüder 299 REISEN sorgen: den Bauern und den Arbeiter, den Unternehmer und den Handwerker, die Freiberufler und alle die, die Verantwortung in der Leitung der Gesellschaft übernommen haben. Hilf ihnen, ihre Aufgabe mit einem großen Sinn für Ehrenhaftigkeit, Fleiß und Moral zu erfüllen, indem sie auf den Ruf nach Gerechtigkeit, der aus so vielen Herzen aufsteigt, hören. Heilige Jungfrau von Coromoto! In kollegialer Einheit mit meinen Brüdern, den Bischöfen von Venezuela, bitte ich dich: Erhelle das Geschick Venezuelas; leite diese ehrwürdige Nation auf den Pfaden des Friedens und des christlichen Fortschritts; hilf all ihren Töchtern und Söhnen, damit sie an der Hand Christi, unseres Herrn und Bruders, den Weg zum gemeinsamen Vater in der Einheit des Heiligen Geistes finden. Amen. Für „evangelisierende Erziehung“ Predigt in Maracaibo (Venezuela) am 27. Januar Herr Erzbischof, Brüder im Bischofsamt, Autoritäten, liebe Brüder und Schwestern von Venezuela! „Zeige mir, Herr, deine Wege, lehre mich deine Pfade! Führe mich in deiner Treue und lehre mich; denn du bist der Gott meines Heiles“ (ft 25,4 f.). <87> <87> Mit den Worten des soeben gehörten Psalms möchte ich dem Dreieinigen Gott meinen tiefsten Dank aussprechen dafür, daß die Bewohner dieses Landes von Zulia und von ganz Venezuela das Wort des Glaubens, das ihnen vor fast fünf Jahrhunderten durch die Boten des Evangeliums gebracht wurde, aufgenommen haben; dafür, daß sie dem Weg des Herrn gefolgt sind und dafür, daß sie in Christus ihren Gott und Erlöser erkennen. Weiterhin sagen wir dem Allerhöchsten Dank für die liebevolle Anwesenheit der Mutter Gottes unter euch, der Heiligen Jungfrau von Chiquinquirä, der Schutzpatronin von Zulia, die ihr Bewohner dieses Gebietes so zärtlich „la Chinita“ nennt. Ihr verehrtes Bildnis, so getreu in seinen Zügen, führt den Vorsitz bei unserer Begegnung. Sie lehrt uns die Pfade des Herrn (vgl. Ps 25,4). Unterwiesen von Maria, der Magd des Herrn, die stets bereit war, der 300 REISEN Stimme des Vaters zu folgen (vgl. Lk 1,38), werden wir bei dieser Liturgiefeier das offenbarte Wort vernehmen, das uns helfen wird, in Treue die Wege Gottes zu gehen (vgl. Ps 24,5). In diesem Geist der Bereitschaft und Verfügbarkeit für die göttliche Unterweisung grüße ich herzlich den Erzbischof und Metropoliten von Maracaibo, die Oberhirten und Gläubigen der Nachbardiözesen Cabimas, Machiques und Coro sowie die Pilger, die aus Kolumbien, Honduras und von den Antillen gekommen sind; meinen besonders herzlichen Friedensgruß an die Kirchen von El Salvador und Nicaragua und ihre hier anwesenden Oberhirten aufgrund der gegenwärtigen Situation, in der sie sich befinden. Ich grüße außerdem alle hier Anwesenden, die aus Zulia und anderen Teilen Venezuelas gekommen sind. Ein weiterer Gruß gilt allen Autoritäten, Verantwortlichen und Mitgliedern der Universität, auf deren Boden wir uns befinden. 2. Heute vernehmen wir hier an den Ufern des Sees von Maracaibo, vereint mit dem Nachfolger des Fischers von Galiläa, die Worte Jesu von Nazaret, des Lehrers am See von Tiberias. Er beginnt seine messianische Mission in Galiläa mit den Worten: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Diese Worte schießen in gewissem Sinn das vollständige erzieherische und katechetische Programm ein, das unser Herr Jesus während seines öffentlichen Lebens entwickeln würde. Dieses Programm würde die Kirche von ihm als Erbe erhalten, um es bis ans Ende der Zeit fortzusetzen. Zu diesem Zweck bedient sich Christus des Dienstes seiner Apostel und ihrer Nachfolger. Er wählte dazu zwölf aus, die er drei Jahre lang mit aller Sorgfalt in seiner Schule ausbildete. In der Lesung dieser Messe hebt der Evangelist, der hl. Markus, die Berufung der zwei ersten hervor, des Fischers Simon und seines Bruders Andreas, die er zum Apostelamt beruft: „Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm“ {Mk 1,17-18). Gleich darauf folgt die Berufung von zwei anderen Brüdern, von Jakobus und Johannes: „Sofort rief er sie, und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus nach“ {Mk 1,20). Jesus von Nazaret sucht von Beginn an die Menschen, denen er eines Tages sein Evangelium anvertrauen möchte. Sie drangen nach und nach in das Geheimnis Christi ein, verstanden, daß die Zeit erfüllt, das Reich Gottes nahe war, und gaben sich der großen Aufgabe der Evangelisierung hin, der Aufgabe der Erziehung und der Katechese im Glauben. Von 301 REISEN Jesus unterwiesen, wurden sie zu Lehrern im Dienste des Meisters Christus. 3. Dieses Werk ist von Anfang an und von seiner ureigensten Grundlage her mit der Umkehr des Menschen zu seinem Gott verbunden. Das Gebot Christi, „Kehrt um!“, verlangt vom Menschen eine tiefe Umwandlung von Geist und Willen, um sich von dem begangenen Bösen abzuwenden und aufrichtig zum Gesetz des Herrn zurückzukehren. Gott will, daß die Menschen an seinem Reich teilhaben; darum stellt er bestimmte Forderungen. Ein vielsagendes Zeugnis finden wir heute in der ersten Lesung aus dem Alten Testament. Es wird uns vom Propheten Jona angeboten. Gott schickt ihn nach Ninive, in die große Stadt, die in der Sünde versunken ist. Jona rief den ganzen Tag laut die Drohung des Herrn aus: „Noch 40 Tage, und Ninive ist zerstört!“ (Jon 3,4). Diese Drohung Gottes wird als Aufruf zur Umkehr aufgenommen. Die Stadt war keineswegs unsensibel gegenüber der Stimme aus der Höhe: „Und die Leute von Ninive glaubten Gott. Sie riefen ein Fasten aus, und alle, groß und klein, zogen Bußgewänder an“ {Jon 3,5). Die rettungbringende Frucht dieser Buße ließ nicht auf sich warten: „Und Gott sah ihr Verhalten; er sah, daß sie umkehrten und sich von ihren bösen Taten abwandten. Da reute Gott das Unheil, das er ihnen angedroht hatte, und er führte die Drohung nicht aus“ {Jon 3,10). 4. Wir haben in diesem Abschnitt des Propheten Jona gesehen und auch im Evangelium des hl. Markus gehört, daß Glaube und Umkehr auf das engste miteinander verbunden sind. Mit Hilfe der Lesungen der heutigen Liturgie wollen wir bei der Eucharistiefeier unser Augenmerk auf ein so bedeutendes Thema wie das der Erziehung und der Katechese richten, entsprechend den Bedürfnissen und grundlegenden Aufgaben der Kirche in Venezuela. Das Wort der Offenbarung enthält in der Tat das göttliche Leben, das im Wort des Vaters, in Christus, Mensch geworden ist. Seine Botschaft ist der Gegenstand unseres Glaubens, der Grund unserer Hoffnung und das Ziel unserer Liebe. In der Kompetenz und der Pflicht zu Erziehung und Katechese, damit die vollständige Botschaft Jesu innerlich aufgenommen werden kann, liegt die eigentliche religiöse Sendung der Kirche. Der Glaube an das Evangelium und dadurch an Christus, der es verkündete, führt zu einer Einsicht, die den Horizont der Wissenschaft weit übersteigt, ohne aber je die Verbindung mit ihr abzubrechen. Daraus 302 REISEN leitet sich sein Einfluß auf dem Gebiet der Erziehung ab, so sehr, daß eine Erziehung, die von den Leitlinien des Evangeliums absähe, nicht vollständig wäre; ebenso wie man ein Evangelium mißverstände, das des erzieherischen Wertes bar wäre. Dieser Widerschein des Evangeliums im Erziehungsprozeß trifft nicht allein den Schüler, sondern er erreicht auch den Katechisten in seiner Eigenschaft als Lehrer und Glaubenserzieher. In der Tat schließt Markus, der seinen Bericht mit der Aufforderung eröffnet: „Glaubt an das Evangelium!“, sein Buch mit einem gleichartigen Imperativ: „Gehet hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Deshalb möchten wir heute hier in Maracaibo darüber nachdenken, welche praktischen Verpflichtungen diese beiden Aufträge des Herrn mit sich bringen. Sie zeigen uns die große Bedeutung der Evangelisierung für den zukünftigen Erziehungsprozeß in Venezuela, damit die Männer und Frauen dieses Landes wahrhaft die Wege des Herrn gehen und ihnen treu folgen können (Ps 25,4 f.). 5. Es besteht eine tiefe Beziehung zwischen Erziehung und Evangelium. Sie benötigen und beeinflussen sich wechselseitig. Der Psalmist zeigt uns das im Antwortpsalm, wenn er bittet: „zeige mir“, „lehre mich“, wie ich „deine Wege“, „deine Pfade“ gehen kann (Ps 25,4 f.). Das ist ein Gebet, das nach einer „erzieherischen Evangelisierung“ oder auch nach einer „evangelischen Erziehung“ verlangt. Es handelt sich hierbei um eine Realität von höchstem Interesse, die in Venezuela, in seinem lateinamerikanischen Kontext, einen Namen und ein Programm besitzt: die evangelisierende Erziehung (vgl. Puebla, 1024), in engster Verbindung mit der erzieherischen Katechese des Lebens, ja aller Aspekte des Lebens. Deshalb bemerkte Papst Paul VI. in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi: „Zwischen Evangelisierung und menschlicher Förderung - Entwicklung und Befreiung -bestehen in der Tat enge Verbindungen“ (Nr. 31). Das Evangelium sucht nämlich trotz seiner Transzendenz die Vervollkommnung aller Dimensionen des Menschen, ohne seine konkrete Situation in der Welt und in der Geschichte zu vergessen. Evangelisierende Erziehung, die, konkret auf die Jugend angewandt, eine der großen Optionen von Puebla war, ist ein Aufruf, im Schulbereich die Unterweisung in der offenbarten Wahrheit zu erneuern, auf dem Gebiet der Katechese neue Erfahrung des göttlichen Lebens zu vermitteln, vor allem des sakramentalen Lebens in der Pfarrei. Man braucht wohl nicht 303 REISEN darauf hinzuweisen, daß die evangelisierende Erziehung in der Familie beginnt, die „Grundschule“ und „Hauskirche“ ist. Die ideale Umgebung für die evangelisierende Erziehung ist die katholische Schule, in der der Lehrer mit vollkommener Treue seinen beruflichen Auftrag und seine apostolische Berufung leben kann. Dort haben die Ordensleute, die sich der erzieherischen Mission gewidmet haben, eine wichtige Aufgabe, die ihre Aktualität nicht verloren hat. Dort finden ebenso die Laien einen von Gott bestimmten Platz für ihr besonderes Zeugnis evangelischen Lebens und als Erzieher im Glauben. Aber die evangelisierende Erziehung darf sich nicht auf den Bereich der Konfessionsschule beschränken. Sie muß in allen Schulen ohne Ausnahme präsent sein. Deshalb drückt das Apostolische Schreiben Catechesi traden-dae, basierend auf den unveräußerlichen Rechten des Menschen und der Familien, die Hoffnung aus, „daß es allen katholischen Schülern . . . ermöglicht werde, in ihrer geistigen Bildung unter Mithilfe einer religiösen Unterweisung voranzuschreiten, die von der Kirche abhängt“ (Nr. 69). Es ist wohl selbstverständlich, daß die evangelisierende Erziehung bis in die Welt der sozialen Kommunikation Vordringen muß. Sie ist eine ungeheuer große Parallelschule, von den jungen Leuten äußerst gefragt und in Anspruch genommen, aber ihre erzieherische Garantie auf menschlichem und religiösem Gebiet ist nicht immer hinreichend gesichert. Die Bemühung um Glaubenserziehung verlangt nach konkreten Maßnahmen, um nicht einen Entschluß zu entkräften, der vielleicht providentiell war: Ich spreche von der Evangelisierung der Kultur. Das Evangelium in alle Formen der Jugenderziehung hineinzutragen bedeutet, auf christliche Art und Weise die Keimzellen für die Welt und die Kirche der Zukunft zu vermehren. Es bedeutet gleichzeitig und auf allen Ebenen, dem Eindringen der Wahrheit große Chancen zu verschaffen und die Führungskräfte der Gesellschaft in den Dienst des Evangeliums und der Sache des Menschen zu stellen. Ich kann das auf dem Boden der Universität verkünden, denn vor allem in der Universität muß Raum geschaffen werden, damit das Evangelium eindringen kann. Der Herr hat gesagt: „Geht und predigt allen Völkern!“ Und das ist vor allem im Universitätsbereich zu tun. Sie ist eine sehr wichtige Einrichtung. Ich wünsche eine gute Beziehung mit allen Wissenschaften - Universitas scientiarum et nationum -, jedoch im Licht des Glaubens. Daher muß man alle Möglichkeiten, die sich der Kirche auf dem Gebiet 304 REISEN der Erziehung und der Katechese, die so viele gemeinsame Verbindungspunkte haben, ausschöpfen. Denn die Katechese selbst ist in der Tat eine Erziehung „zum Glauben“, um dann den Menschen „im Glauben“ zu erziehen und ihn zum Maß der Reife in Christus zu führen, um diesen Menschen „mit Hilfe des Glaubens“ zum christlichen Leben zu befähigen, zum Leben „nach dem Glauben“, zum menschenwürdigen Leben, in dem er treu die Wege des Herrn geht (vgl. Ps 25,5). 6. Die evangelische Qualität der Erziehung muß durch den Blick auf das höchste Beispiel sichergestellt werden, auf das Beispiel des Gottessohnes, der im Schoß der Familie von Nazaret zunahm an Alter, an Weisheit und an Wohlgefallen vor Gott und den Menschen. Auf der anderen Seite, meine lieben Brüder und Schwestern, wissen wir, daß die Früchte der evangelisierenden Erziehung im großen Maße von der Qualität der Erzieher abhängen. Darum soll der Berufseifer vermehrt werden und soll die Schulung der Ausbilder eine Vorzugsstellung einnehmen, damit sie den Glauben mit gelehriger Bereitwilligkeit aufnehmen und ihn treu weitergeben als die große Gabe der Güte Gottes, der ständig zum rechten Weg ruft: „In deiner Huld denk an mich, Herr, denn du bist gütig. Gut und gerecht ist der Herr, darum weist er die Irrenden auf den rechten Weg (Ps 25,7 f.). Das setzt eine ständige Umkehr voraus. Denn die Erziehung führt zur Umwandlung des alten Menschen und zum Aufblühen der Talente, die dem Menschen von Natur aus und durch die Gnade gegeben sind. Daran erinnert uns der Psalmist im Text dieser Messe: „Denk an dein Erbarmen, Herr, und an die Taten deiner Huld, denn sie bestehen seit Ewigkeit“, „darum weist er die Irrenden auf den rechten Weg“, „die Demütigen leitet er nach seinem Recht“ (Ps 25,6.8.9.; vgl. hl. Johannes Chrysostomus, In Mt. Hom. 14,2). 7. Die heutige Liturgie, liebe Brüder aus Maracaibo, liebe Venezolaner, legt das Gebet des Psalmisten passend auf unsere Lippen. Es ist auch unser Gebet, das von Gott in erster Linie die Wahrheit erbittet. „Führe mich in deiner Treue und lehre mich, denn du bist der Gott meines Heiles“ (Ps 25,5). Die Liturgie bittet Gott ebenfalls darum, er möge dem Menschen, uns, helfen, die Sünde mit Hilfe der Gnade zu überwinden: „Denk an dein Erbarmen, Herr, und an die Taten deiner Huld; denn sie bestehen seit Ewigkeit. Denk nicht an meine Jugendsünden und meine Frevel! In deiner Huld denk an mich, Herr, denn du bist gütig“ (Ps 25,6—7). Gott möchte uns also mit Güte, mit Liebe erziehen. Dieser Aspekt der 305 REISEN Erziehung offenbart sich als ein Programm für die Katechese. Dieses Programm muß gut in der Sendung der Kirche hier in Venezuela verwurzelt sein, damit es Früchte tragen kann. Das ist eine Angelegenheit der ganzen Kirche. Man muß darum mit dem Beitrag, von allen rechnen können, eines jeden nach seinem Vermögen und seiner kirchlichen Verantwortung. 8. „Gut und gerecht ist der Herr, darum weist er die Irrenden auf den rechten Weg. Die Demütigen leitet er nach seinem Recht, die Gebeugten lehrt er seinen Weg“ (Ps 25,8-9). Jesus Christus, der Sohn Gottes und Herr unseres Heiles, weist seit fünf Jahrhunderten die Bewohner dieses Landes „auf den rechten Weg“. Das tat er mit Hilfe der Missionare, der Priester, der Ordensbrüder und -Schwestern so vieler Orden und Kongregationen; er tat das durch die Familie, die im Licht des Evangeliums zunehmend christlicher wurde. Bei diesem Auftrag waren Erziehung und Katechese miteinander verbunden. Heute, am Vorabend des 500. Jahrestages der Evangelisierung, möchte sich die Kirche Venezuelas auf dieses heilbringende Werk als fundamentale Aufgabe ihrer Sendung verpflichten. Sie möchte das in ihren 29 Diözesen und Vikariaten, unter den mehr als 16 Millionen Venezolanern, in den großen Regionen des Zentrums, des Ostens und Westens, mit 20 Ländern - angefangen mit diesem von Zulia -, in den Föderalterritorien, im Föderaldistrikt und den Föderalgebieten mit den 72 Inseln der Karibik. Sie möchte es tun an der Küste, in den Anden, in dieser Niederung am Maracaiba-See, in den Ebenen, in der Großen Steppe, im Urwald; unter den Nachkommen der Ureinwohner, der Aruaco oder Kariben, unter den Menschen, die sich der Landwirtschaft widmen, dem Handwerk und anderen Diensten, der Industrie oder der Erdölgewinnung. Sie möchte es im Schoße der modernen Gesellschaft tun, die große menschliche und berufliche Veränderungen durchmacht. Mit diesen Veränderungen meine ich z. B. den Übergang von den alten Lebensgewohnheiten der Bauern, der Sammler, der Jäger und Fischer zur gegenwärtigen Erdölindustrie, die allein für sich genommen schon mehr als 90 Prozent des gesamten Staatshaushalts aufbringt. Das wirft nicht wenige Probleme auf, die die Kirche mit dem Überdenken und Erneuern ihrer erzieherischen und katechetischen Methoden aufgreifen will. Die Kirche von Venezuela besitzt die Gewißheit, daß der Herr „gut und gerecht“ ist, weshalb er „die Irrenden auf den rechten Weg weist“. Das ist der Weg des Evangeliums Jesu Christi. Deshalb wünscht die Kirche, 306 REISEN deshalb wünschen Bischöfe, Priester, Ordensfamilien, Laien, zu einer großen Gemeinschaft zu werden, die Katechese erteilt und Katechese empfängt (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 45), die erzieht und erzogen wird. Was für eine große Aufgabe ist es, den Menschen zu erziehen, ihm die Wege zu zeigen, auf denen er sich in der Wahrheit und in der Liebe verwirklichen kann, d. h. die Wege Christi! Chrysostomus sagte mit Recht: „Es gibt keine höhere Kunst als diese. Denn was ist vergleichbar mit dem Gestalten einer Seele und dem Ausformen der Intelligenz und des Geistes eines Jugendlichen? Der, der diese Wissenschaft ausübt, muß dabei mit größerer Bedachtsamkeit Vorgehen als jeder Maler oder Bildhauer bei seinem Werk“ (In Mt. Hom. 59,7). Gemeinsam mit euch, liebe Brüder und Schwestern, möchte ich diese große Aufgabe, von der die ewige Zukunft jedes einzelnen und aller zusammen abhängt, in die Hände Mariens, der Mutter und Unserer Lieben Frau von Chiquinquirä, legen. „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ Glaubt und verwirklicht euren Glauben im alltäglichen Leben! Amen. Dreifache Treue zu Jesus Christus Predigt in Merida (Venezuela) am 28. Januar „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus!“ 1. Liebe Brüder und Schwestern! Ich möchte der göttlichen Vorsehung dafür danken, daß ich diese geliebten Landstriche der venezolanischen Anden besuchen kann. Diese Begegnung findet im Rahmen der historischen Stadt Merida statt, der Stadt der „fünf weißen Adler“, die seit zwei Jahrhunderten die geistliche Hauptstadt der Andenregion ist. Es freut mich, den ehrenhaften christlichen Traditionen dieses Gebietes meine Anerkennung aussprechen zu können und die großen Verdienste hervorheben zu dürfen, die sich der Klerus und die Gläubigen dieser Erzdiözese bei der Verbreitung des Glaubens erworben haben. Ich weiß, daß aus dieser Kirche viele Priester- und Ordensberufungen hervorgegangen sind. Viele dieser Priester und 307 REISEN Ordensleute arbeiten heute auch in anderen Teilen Venezuelas. Von den Gemeinden in den Anden ist mit Recht gesagt worden, daß sie gewissermaßen „die geistliche Reserve“ der Nation darstellen. Es sind gerade 200 Jahre vergangen, seit der erste Bischof, Fray Juan Ramos de Lora, Gründer des Priesterseminars und damit der späteren Anden-Universität, hierhin kam. Ein Glanz dieser Kirche von Merida war auch der Bischof Rafael Laso de la Vega, dem es gelang, die kirchliche Hierarchie nach den Wirren des Unabhängigkeitskrieges wiederherzustellen. Er unternahm auch die ersten Schritte zur Herstellung der Beziehungen zwischen der neuen Republik und dem Hl. Stuhl. Ich begrüße mit brüderlicher Freude den Herrn Erzbischof dieses Bischofssitzes, den Weihbischof sowie die anderen anwesenden Bischöfe; ich begrüße die Autoritäten, den Klerus, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Seminaristen und die engagierten Laien. Mein Gruß richtet sich auch an die hier versammelten Jugendlichen, an die Landarbeiter, an die Erzieher der Anden-Region und die Autoritäten und Professoren der Anden-Universität im 200. Jahr nach ihrer Gründung. 2. Als Bischof von Rom und Nachfolger des hl. Petrus bereitet es mir eine tiefe Freude, in diesem Moment vor euch den Glauben des Apostels ausdrücken zu können, indem ich mich auf den Brief beziehe, den er an die erste Gemeinschaft der Zeugen Christi schrieb und der soeben an einer bedeutsamen Stelle unserer liturgischen Versammlung verkündet worden ist. Es war in der Tat Petrus, der in einem entscheidenden Augenblick zu Christus sagen konnte: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ (Joh 6,68-69). Möge der Glaube des Petrus zu der hier versammelten Gemeinde sprechen, um so nach 20. Jahrhunderten von der beharrlichen Treue zu Christus, dem Heiligen Gottes, Zeugnis zu geben. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“ (1 Petr 1,3). Mit diesen Worten des Apostels Petrus grüße ich alle in der Einheit des Glaubens und der Kirche. 3. Die Kirche von Lateinamerika und die Kirche von Venezuela kehrt bei der Feier ihrer Novene von neun Jahren, die sie gerade begeht, in Gedanken an die eigentlichen Ursprünge des Glaubens auf dem ganzen Kontinent zurück. Dieser Ursprung vor nunmehr einem halben Jahrtausend wurzelt in dem Ereignis, an das uns das heutige Evangelium erinnert hat. Die elf Apostel 308 REISEN (nach der Apostasie des Judas Iskariot waren es elf) gingen „nach Galiläa, auf den Berg“ zur Begegnung mit dem auferstandenen Christus. Das war die letzte Begegnung, bevor Jesus von der Erde zum Vater aufstieg. Genau in dem Moment übermittelte ihnen Christus, der Herr, die volle Wahrheit über Gott, der Vater, Sohn und Heiliger Geist ist, und er erläuterte ihnen die Sendung der Kirche, die sie, die Apostel, als Weinberg des Herrn auf der ganzen Erde einpflanzen sollten. Jesus sprach die Worte: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,18-20). 4. Der Glaube, der durch die Jahrhunderte und Generationen unter den Menschen verschiedener Sprachen, Nationen und Rassen verbreitet worden ist, hat seinen Ursprung in der apostolischen Lehre. „Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben?“ (Röm 10,14), fragt der hl. Paulus. Auch euer Glaube, Christen von Venezuela, findet dort seinen eigentlichen Ursprung. Mit der gleichen Sendung, die die Apostel von Christus in „Galiläa, auf dem Berg“ erhielten, kamen vor fünf Jahrhunderten ihre Nachfolger zu euch und verkündeten die Frohe Botschaft. Von ihnen vernahmen eure Vorfahren das Wort des lebendigen Gottes, hier, in diesem Land. Aus dem Wort und der Gnade des Heiligen Geistes wurde in ihren Herzen der Glaube geboren. Er wurde geboren und wuchs. So war es von Generation zu Generation, bis in unsere Tage. 5. Der Psalm der heutigen Liturgie stellt uns eine wunderbare Szene vor Augen: „Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, vom Werk seiner Hände kündet das Firmament“ (Ps 19,2). Es ist wie ein großartiger und unaufhörlicher kosmischer Hymnus, der dem Menschen und dem menschlichen Geist die Wahrheit über den unsichtbaren Schöpfer enthüllt. „Ein Tag sagt es dem anderen, eine Nacht tut es der anderen kund“ (Ps 19,3). Dieser kosmische Hymnus über Gott, das Zeugnis der Schöpfung, war sicherlich für eure Vorfahren in diesem Land verständlich, selbst bevor noch die Zeugen des Evangeliums Christi hierherkamen. Und auch nach ihrer Ankunft hört jenes Zeugnis der Schöpfung nicht auf, zum Menschen zu sprechen, und es findet dabei im Evangelium eine Bestätigung und gleichzeitig eine neue Offenbarung. 309 REISEN In der Tat verkündet der Psalm: „Ohne Worte und ohne Reden, unhörbar bleibt ihre Stimme. Doch ihre Botschaft geht in die ganze Welt hinaus, ihre Kunde bis zu den Enden der Erde“ (Ps 19,4-5). Der Glaube ist der Beginn des neuen Lebens in Gott 6. In diesem kosmischen Hymnus der Schöpfung über den unsichtbaren Schöpfer gibt der Psalmist der Sonne einen besonderen Platz: „Sie tritt aus ihrem Gemach hervor wie ein Bräutigam; sie frohlockt wie ein Held und läuft ihre Bahn. Am einen Ende des Himmels geht sie auf und läuft bis ans andere Ende, nichts kann sich vor ihrer Glut verbergen“ (Ps 19,6-7). Auf dem Hintergrund der Schöpfung erscheint die Sonne der Gerechtigkeit, der Bräutigam der Kirche und jeder unsterblichen Seele, der Erlöser der Welt und des Menschen auf dieser Welt: Jesus Christus. Nichts kann sich vor der Glut seiner Liebe verbergen. Die Apostel, die von ihrem Meister die Mission erhielten, den Glauben in Wort und Sakrament zu übermitteln, waren die ersten, die die Glut dieser Liebe im engen Beisammensein mit Jesus von Nazaret spürten, vor allem in der Erfahrung seines Kreuzes und seiner Auferstehung. Deshalb schreibt der hl. Petrus auch in seinem ersten Brief, daß Gott „uns in seinem großen Erbarmen neu geboren (hat), damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben und das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe empfangen, das im Himmel für euch aufbewahrt ist“ (1 Petr 1,3-4). 7. Was also ist der Glaube? Der Glaube ist der Beginn des neuen Lebens in Gott. Und durch dieses Leben sind wir in Jesus Christus Erben des Himmels: Miterben des göttlichen Lebens. Und darum - so schreibt der hl. Petrus weiter: „Gottes Macht behütet euch durch den Glauben, damit ihr das Heil erlangt, das am Ende der Zeit offenbart werden soll“ (1 Petr 1,5). Auf diese Art und Weise vermittelt auch der Glaube eurem Leben hier auf der Erde einen neuen Sinn. Er schenkt ihm eine neue und übernatürliche Dimension. Dieser Sinn, diese übernatürliche Dimension des Glaubens führt uns dazu, das irdische Leben als Probe aufzufassen, durch die der Mensch in die Perspektive des ewigen Lebens gelangt: so wie „das Gold, das im Feuer geprüft wurde“ (1 Petr 1,7). Darum ermöglicht uns der Glaube 310 REISEN auch, die verschiedenen Prüfungen des Lebens sogar mit Freude aufzunehmen, besonders die Leiden. So schreibt der Apostel: „Deshalb seid ihr voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müßt. Dadurch soll sich euer Glaube bewähren, und es wird sich zeigen, daß er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist. . .“ (i Petr 1,6-7). 8. Der hl. Petrus schrieb diese Worte den ersten Christen, deren Glaube die Prüfung der manchmal blutigen Verfolgungen erleiden mußte. Welche Prüfungen muß der Glaube der gegenwärtigen Christen durchmachen? In welchen Prüfungen muß er hier in Venezuela reifen und wachsen? Wie muß dieser Glaube beschaffen sein, damit das apostolische Erbe wahrhaft dem Erbe der Jahrhunderte entspricht? Es freut mich zu wissen, daß ihr in den letzten Monaten eine Volksmission durchgeführt habt, die das Ziel hatte, den Glauben zu erneuern und zu stärken, diesen Glauben, der „wertvoller ist als Gold“ und der das große Erbe von fünf Jahrhunderten Evangelisierung ist. Dieser Glaube, der die Angriffe des Laizismus und Säkularismus erlitten hat, muß erneuert werden, und den Glauben erneuern heißt, die Kenntnisse der katholischen Lehre zu vertiefen; das heißt, die Liebe zu Gott und den Menschen auf eine vitale Art und Weise zu erfahren; das heißt, den anderen das Evangelium zu verkünden. Nur dieser erneuerte Glaube wird in der Lage sein, zur Treue zu führen: Treue zu Jesus Christus, zur Kirche und zum Menschen. An erster Stelle steht die Treue zu Jesus Christus. Sie entspricht genau dem, was ein „treuer Zeuge“ ist (Offb 1,5). Treue, die eine Frucht der Liebe sein muß. Sehr schön hat das der hl. Apostel Petrus in seinem ersten Brief ausgedrückt: „Ihn habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn, seht ihn auch jetzt nicht, aber ihr glaubt an ihn . . .“ (1 Petr 1,8). Doch eine Treue zu Jesus Christus ist untrennbar verbunden mit allen seinen Erfordernissen. Treue auch zur Kirche. Ihr treu sein bedeutet, sie wie unsere Mutter zu lieben, die sie ja auch ist. Sie, die uns Christus gibt, die uns ihre Gnade und ihr Wort gibt, die uns auf unserem Weg ermutigt, die in Freud und Leid an unserer Seite ist, die uns in ihren Erziehungszentren unterrichtet, die ihre Stimme gegen die Ungerechtigkeit erhebt und uns den Ausblick auf ein glückliches ewiges Leben eröffnet. Der Kirche treu sein bedeutet auch, in enger Verbundenheit mit ihren Hirten zu leben, die der Heilige Geist eingesetzt hat, um das Gottesvolk zu leiten; es bedeutet, bereitwillig ihr Lehramt anzunehmen; es bedeutet, 311 REISEN ihre Lehre bekanntzumachen. Der Kirche treu sein heißt, sich nicht von Lehren oder Ideologien mitreißen zu lassen, die dem katholischen Dogma entgegengesetzt sind, so wie es bestimmte, vom Materialismus oder von zweifelhafter Religiosität inspirierte Gruppen wollten. Erneuerter Glaube muß auch von der Treue zum Menschen begleitet sein. Der Glaube lehrt uns, daß der Mensch Ebenbild Gottes und daher mit einer unendlich großen Würde ausgestattet ist. Diesen Menschen, ein Kind Gottes, müssen wir aufnehmen, lieben und ihm helfen. Die Treue zum Menschen verlangt von uns, daß wir seine Traditionen und seine Kultur anerkennen und respektieren, ihm helfen, weiterzukommen, seine Rechte verteidigen und ihn an seine Pflichten erinnern. Diese dreifache Treue zu Jesus Christus, der Kirche und dem Menschen muß eine wahre Herausforderung gegenüber der Zukunft sein, um den Glauben des venezolanischen Volkes noch mehr in die Tiefe wachsen zu lassen. Ein solches Wachsen im Glauben verlangt den vollen Eifer der Hirten, der Pastoralhelfer, des engagierten Laientums, der Jugend, der christlichen Männer und Frauen, der Welt der Kultur. Nur so erreicht man innerlich erneuerte venezolanische Männer und Frauen, die in Christus zu einer vollkommenen Reife gelangt sind. Das bleibt eure Aufgabe in der Nachmission, die jetzt beginnt. Möge Gott dafür sorgen, daß sich dieses Wachstum im Glauben in christlichen Gemeinschaften niederschlage, die noch bewußter und apostolischer sind; in einer gründlichen Katechese vor allem der Familie, die in einer guten Vorbereitung auf die Ehe besteht; in einer neuen Lebenskraft der Laienbewegung; in einem Erwachen zahlreicher Priester-und Ordensberufungen. <88> <88> Am achten Tag nach seiner Auferstehung stellte sich der Herr Jesus erneut den beim Abendmahl versammelten Jüngern vor. Da glaubte schließlich auch Thomas, der bis dahin den Aposteln, die ihm die Auferstehung des Herrn bezeugt hatten, keinen Glauben hatte schenken wollen. Er warf sich Christus zu Füßen und bekannte: „Mein Herr und mein Gott.“ In diesem Augenblick vernahm er die bedeutsamen Worte des Auferstandenen: „Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 2,28-29). Der Apostel Petrus wird diese Seligpreisung in seinem ersten Brief wiederholen. Sie bezieht sich auf alle Generationen von Bekennern Christi, die auf das Wort der Frohen Botschaft hin an ihn geglaubt haben; in diesem Glauben sind sie gewachsen, in ihm haben sie ihr irdisches 312 REISEN Leben vollendet, in der Hoffnung auf eine Teilhabe an der Ewigkeit Gottes selbst. Auch ihr alle, geliebte Brüder und Schwestern, gehört zu diesen Generationen. Die täglichen Erfahrungen unterziehen euren Glauben einer Feuerprobe, „damit ihr das Heil erlangt, das am Ende offenbart werden soll“. Und deshalb möchte ich vor euch die Worte aus dem Brief des Petrus an die ersten Christen wiederholen: „Ihn habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht; aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude, da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: euer Heil“ (1,8-9). Seid Gott und seinem Plan treu! Ansprache an die Priester, Ordensleute, Seminaristen und Novizen in Caracas (Venezuela) am 28. Januar „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,46-47). 1. Diese Worte des Hochgesangs der Jungfrau, die wir eben gesprochen haben, werden in mir zu einem Dankgebet an den Herrn und zu tiefer Freude über die Begegnung mit euch, meine lieben Priester, Seminaristen, Ordensmänner und Ordensfrauen, Novizen und Novizinnen, Mitglieder der Säkularinstitute, die ihr eine auserwählte Schar der Kirche in Venezuela seid. Diese Worte des Magnifikat sind auch euer Lobpreis an Gott bei dieser Begegnung, bei der Christus unter uns gegenwärtig ist (vgl. Mt 18,20) und euren Dank für das Geschenk eurer Berufung in der Kirche empfängt. Der Papst dankt auch dem Herrn und Retter. Seine Dankbarkeit gilt euch allen, den unmittelbarsten und engagiertesten Mitarbeitern der Bischöfe, die ihr mit großem Enthusiasmus an der Vorbereitung dieser Papstreise gearbeitet habt. 2. Wenn ich euch so zahlreich anwesend sehe und an alle Brüder und Schwestern denke, die ihr vertretet; wenn ich die vielen Früchte der Ausdauer und Hingabe im kirchüchen Einsatz betrachte, freut sich meine 313 REISEN Seele im Herrn. Denn ihr seid die heutigen Freunde und Vertrauten Jesu, des Retters. Ihr seid die Zeugen einer fruchtbaren Vergangenheit der Evangelisierung in Venezuela, wo es in schweren Zeiten nicht an herausragenden Bekennern des Glaubens gefehlt hat: Bischöfen wie Ramön Ignacio Mendes, Silvestre Guevara y Lia, Salvador Montes de Oca, die ihre unerschütterliche Treue mit der Verbannung bezahlt haben; Priestern und Ordensmännern, Stiftern neuer Kongregationen, wie die Erzbischöfe Juan Bautista Castro und Antonio Ramön Silva; und Ordensgründerinnen, die den Duft der vortrefflichen christlichen Tugend zurückgelassen haben, wie Mutter Candelaria, Mutter Emilia und Mutter Maria de San Jose. Arbeiter und Arbeiterinnen der Ernte Christi Ihr seid vor allem Arbeiter und Arbeiterinnen der Ernte Christi im gegenwärtigen Leben der Kirche, das durchfurcht wird von so vielen Kräften der geistlichen Erneuerung und das zugleich großen Edelmut und große Heiligkeit bei den Priestern und Ordensmännern, bei den Ordensfrauen und den Mitgliedern der Säkularinstitute erfordert, um in den weitreichenden und schwierigen Aufgaben des Apostolats auf übernatürliche Weise wirksam zu sein. Ihr seid auch - und das sage ich mit besonderer Eindringlichkeit den jüngeren unter euch - die hoffnungsvolle Zukunft unserer Kirche, die ihren Blick bereits auf die Zukunft, auf eine neue Aufgabe evangelischen Zeugnisses gerichtet hat, nun da wir uns auf die Feier des 500jährigen Jubiläums der Evangelisierung Amerikas vorbereiten. Dieser Blick, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einfangen will, inspiriert sich auch am Gesang des Magnifikat, den wir gesprochen haben. Es ist die Jungfrau Maria, die uns einlädt, die Geschichte als ein Abenteuer der Liebe zu sehen, in der Gott seine Versprechungen hält und mit seiner Treue siegt. Eine Geschichte, in der Gott an uns herantritt, wie er an die Jungfrau herangetreten ist mit der Bitte, seine Verbündeten, seine Mitarbeiter zu sein, um von Generation zu Generation seinen Heilsplan verwirklichen zu können. Das erfordert, daß wir wie Maria Gott mit einem unwiderruflichen und totalen „Fiat“ antworten. 3. Die treue Jungfrau lädt euch heute ein, die Wunder zu betrachten, die der Mächtige an euch getan hat (vgl. Lk 1,49). Eine gemeinsame Gnade, die in einem jeden, seiner eigenen Berufung und seinem Charisma entsprechend, wie eine Knospe aufbricht, macht euch zu Brüdern und eint 314 REISEN euch. Ihr seid alle von Christus aufgerufen worden. Die Berufung ist in eurem Leben als Zeichen der Erwählung durch Gott, als Einladung zur totalen Liebe zu ihm erblüht. Ja, die Person Christi hat euch bezaubert, sein „Komm und folge mir nach“ {Mt 19,21) hat euch geführt. Die Berufung zum Priester- oder zum Ordensleben ist ein entscheidender Ruf, Christus zu folgen, sein Gnadenmysterium zu leben, mit ihm zu leben, ihm nachzufolgen. Sie ist eine Aufforderung, das Evangelium durch das Leben zu verkünden; ein jeder dem besonderen Ruf Christi entsprechend und alle vereint in der Kirche. Damit die Braut Christi in der Schönheit des Wortes des Lebens, des Evangeliums, erstrahle, gehüllt in das Brautgewand der Liebe, der evangelischen Räte, der Seligpreisungen des göttlichen Meisters. Damit die Kirche durch die geweihten Priester und Ordensleute heute vor der Welt den lebendigen Christus darstelle, die sein Heilswerk fortsetzt, die mit ihren Worten und Handlungen, mit ihrem ganzen Leben die Frohbotschaft verkündet. In der Heilsgnade mit uneingeschränktem Einsatz leben und sie vermitteln bedeutet, täglich in die Wunder der Liebe Gottes in der heutigen Welt, im Geheimnis eures Lebens und der Kirche sich zu vertiefen und sie zu betrachten. Euer Leben ist Dienst an der Liebe. Ihr seid Diener und Dienerinnen der Liebe aus Liebe zu Christus. Auf diese Weise verwirklicht ihr jene reife Menschlichkeit, die ihre Freiheit Gott darbringt und sie zu seinem Dienst gebraucht. Darum betrachtet und erneuert jeden Tag die Beweggründe des Glaubens, die eurem Leben, eurem Einsatz, eurer frohen und fruchtbaren, wenn auch opfervollen Treue Impulse geben und sie tragen. Und wenn ihr in der Stille des Gebets, das für euch immer unentbehrlich ist, die volle Gültigkeit eures Lebens prüft, dankt dem Herrn für seine großen Taten. Verkündet durch eure Heiligkeit, daß sein Name heilig ist“ (vgl. Lk 1,49). 4. Christus beruft euch, seine treuen Zeugen, Kanäle seiner heilbringenden Liebe in der heutigen Welt zu sein, sein Erbarmen weiterzugeben, das von Geschlecht zu Geschlecht alle erreicht, die ihn fürchten (vgl. Lk 1,50). Gemeinsame, konkrete Aufgabe eures Dienstes ist also die Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes: das Reich Gottes, das die Kirche ist, hier in Venezuela gegenwärtig zu machen; es gegenwärtig zu machen in eurem Leben und in eurer Umwelt, in der Schule, in der Familie, in der Jugend, im Dienst an Kranken und Einsamen, in den Einrichtungen der karitativen Nächstenliebe und Fürsorge, in den sozialen Werken; vor 315 REISEN allem in den Initiativen im Pfarr- und Katechesebereich, um die Liebe Christi zu allen zu bringen und den Menschen zu ihm. Nicht zu vergessen die bedeutsame Welt der Kultur, die so große Bedeutung für die Evangelisierung und die gerechte Ordnung der Gesellschaft besitzt. So wird das Evangelium in das Leben und die Kultur eures Volkes hineinwachsen, indem es die verschiedenen sozialen Schichten prägt und die wahren menschlichen und christlichen Werte fördert. Hier fügt sich das gemeinsame Vorhaben in einen Dienst an eurem Volk ein, das zum Volk Gottes geworden ist. Eine kostbare Aufgabe für euch alle, Söhne und Töchter der venezolanischen Heimat; und auch für euch, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Mitglieder der Säkularinstitute, die ihr eure Familie und eure Heimat verlassen und euch für eine Zeitlang oder für immer in dieser neuen Familie und geistlichen Heimat, die die Kirche in Venezuela ist, niedergelassen habt. Den einen wie den anderen sagt der Papst im Namen Christi und der Kirche: danke! Danke für euren Einsatz und eure Treue für das, was ihr seid und was ihr tut, für das, was ihr in die Ackerfurchen der Kirche gesät habt, die Gottes Saatfeld und Gottes Bau ist (vgl. 1 Kor 3,9) und die im geeigneten Augenblick durch die Fruchtbarkeit des Heiligen Geistes blühen und Frucht tragen wird. Mit dieser Hoffnung ermahne ich euch, auszuharren, die Versuchungen der Mutlosigkeit zu überwinden, eure Treue zu Christus und zum Evangelium inmitten der persönlichen und sozialen Schwierigkeiten zu erneuern, authentische Zeugen des göttlichen Erbarmens zu sein, das fortdauert von Geschlecht zu Geschlecht. 5. Euer Volk erhofft von euch ein überzeugendes Zeugnis von Christus. Dieses oft arme Volk, das aber nach den Gaben hungert, die die von Maria verkündete Liebe Gottes schenkt (vgl. Lk 1,53). Die Armen sind es, die nach dem Evangelium und im Hinblick auf eine volle Befreiung eure bevorzugte Hingabe verlangen. Die Armen, die nicht mit herabsetzenden, ausschließenden oder sich nur auf ihre materielle Armut beschränkenden Blicken gesehen werden dürfen. Das heißt alle, die Brot und Umkehr, innere und äußere Freiheit, materielle Hilfe und Reinigung von der Sünde nötig haben. Sie hoffen, daß ihr ihnen Christus, den Erlöser und Befreier, als Weg der Würde und Berufung zu einer überirdischen Bestimmung vergegenwärtigt (vgl. Ansprache an die Kardinäle und die Römische Kurie, 21. Dezember 1984, Nr. 10: O. R. dt., 4. 1. 1985, S. 5). Venezuela besitzt wie die anderen Nationen Lateinamerikas das Erbe des katholischen Glaubens und der Religiosität, mit dem sich die große 316 REISEN Mehrheit der Venezolaner identifizieren; und trotzdem muß der Glaube viel stärker in das Gefüge der Gesellschaft, in die Stabilität und Heiligkeit der Familie, in die regulierenden Strukturen der sozialen Gerechtigkeit Vordringen. Es gibt in der Kirche Venezuelas sichtbare Anzeichen einer geistlichen Erneuerung; und zugleich bestehen weiterhin und verstärken sich manchmal noch die weltlichen Strömungen, die das Gottesempfinden aus dem Bewußtsein und die Zeichen seiner Gegenwart aus der Gesellschaft tilgen wollen. Es gibt Bereiche, in denen sich sozialer Fortschritt und Wohlstand in einem verschwenderischen Egoismus äußern, während in anderen Bereichen die Menschen weiterhin im Elend, am Rand der Gesellschaft und im Analphabetismus bleiben. Alle diese Erscheinungen rufen die Kirche auf den Plan. Jedes Antlitz, jede Familie, jede Situation verlangt die lebendige Präsenz des Evangeliums. Die Kirche, die sich für den Menschen, besonders für den ärmsten und benachteiligten, engagiert, kann diese Situation nicht außer acht lassen. Sie darf nicht passiv resignieren und nicht zulassen, daß die Dinge so bleiben oder, wie es häufig geschieht, zu noch schlimmeren Situationen entarten. Im Namen Christi und der Kirche bitte ich euch, in Übereinstimmung mit den Weisungen eurer Bischöfe die Bemühungen zu verstärken, die für eine vollständige Evangelisierung der Menschen und ihrer Umwelt erforderlich sind. 6. Als Priester und Ordensleute, die sich für das Evangelium engagieren, seid ihr aufgerufen, vor allem durch euer Leben zu evangelisieren. Die Erneuerung des Glaubens beginnt damit, daß sich der Bote mit der Botschaft identifiziert. Seid also mit eurem ganzen vorbildlichen priesterlichen Leben Zeugen des Evangeliums; damit eure Gläubigen euch, liebe Priester, immer, auch äußerlich, als Diener Christi erkennen. Seid, liebe Ordensmänner und Ordensfrauen, transparent für die evangelischen Räte, das Charisma eurer Gründer und Gründerinnen, die brüderliche Gemeinschaft in einem einfachen und beispielhaften Leben. Ihr, Mitglieder der Säkularinstitute, bringt der Gesellschaft aus eurer Laiensituation heraus die Gegenwart Christi unter den Menschen durch ein Zeugnis nahe, das für alle, die mit euch Zusammenleben, entscheidende Frage und Herausforderung ist. 317 REISEN „Ich bitte euch um besondere Hingabe an die Jugend“ Bei den Aufgaben der Evangelisierung und Katechese, die zum kirchlichen Plan gehören, bitte ich euch um eine besondere Hingabe an die Jugend im Rahmen der Pfarrgemeinden, der katholischen Schule, der Gruppen und Verbände, der kirchlichen spirituellen Bewegungen. Und hört nicht auf, euch um die ganzheitliche Heranbildung von Laien zu bemühen, die sich in Kirche und Gesellschaft engagieren. Euch, junge Seminaristen, Novizen und Novizinnen, die ihr die stärkste Erneuerungshoffnung für die Kirche in Venezuela darstellt, sagt der Papst auch: Fürchtet euch nicht, bildet euch intellektuell und pastoral gut aus und faßt Mut, wenn ihr um euch blickt, denn die Ernte ist groß, und es gibt nur wenig Arbeiter. 7. „Meine Seele preist die Größe des Herrn . . . Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut...“ (Mk 1,47f.). Die Worte Mariens erinnern uns an unsere Geringheit angesichts der Sendung, die der Herr uns aufträgt. Doch sie erinnert uns auch daran, daß der Mächtige, der die Mächtigen von ihren Thronen stürzt und die Niedrigen erhöht, große Dinge an uns tun kann, wenn wir uns bedingungslos in seinen Dienst stellen. Angesichts des größten Hindernisses, das in dem Mangel vor allem an örtlichem Klerus besteht, müßt ihr alle euch dringend dazu aufgerufen fühlen, die Berufe mit allen euren Kräften zu fördern. Und damit die Neuberufenen die von uns gewünschten Früchte erbringen können, fördert mit großer Aufmerksamkeit - in Verbundenheit mit euren Bischöfen und Ordensobern - die gewissenhafte, tiefe und auf den heutigen Stand gebrachte Ausbildung in den Seminaren, Noviziaten und Instituten, die sie vorbereiten. Zögert nicht, dieser Aufgabe in ihren geistlichen, kulturellen und menschlichen Aspekten eure Zeit und Kraft zu widmen. In der Jungfrau des Magnifikat gibt es zwei großartige Formen der Treue, die auch eure Berufung kennzeichnen: eine Treue zu Gott, zu seinem Plan der erbarmenden Liebe, und eine Treue zu seinem Volk. Seid auch ihr Gott und seinem Plan treu! Seid eurem Volk treu! Dann werdet ihr, wie die Jungfrau aus Nazaret, Mitarbeiter Gottes, Diener eurer Brüder sein und mit dem besten Dienst, der euch eigen ist: allen die Botschaft Christi zu bringen. Möge euch immer in dieser zweifachen Treue mein herzlicher Apostolischer Segen unterstützen. 318 REISEN Vereint in der gleichen Berufung Ansprache an die Vertreter der Laienorganisationen von Venezuela in der Kathedrale in Caracas am 28. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Freude und Hoffnung sind die Gefühle, die mich beseelen bei dieser Begegnung mit euch als den in verschiedenen apostolischen Bewegungen und den Arbeiten der großen Misiön Nacional engagierten Laienführern und Vertretern verschiedener Gesellschaftsbereiche. Alle vereint in der gleichen Berufung: nämlich Zeugen der Auferstehung Christi zu sein. Denn ich bin sicher, daß das Ereignis eures katholischen Glaubens keine Nebensächlichkeit, sondern etwas Tiefes und Bewußtes ist; wie eben bei Menschen, die wahrhaftig an Jesus Christus, den Retter und Erlöser des Menschen und der Welt, glauben. Der schöne Rahmen dieser Kathedrale aus der Kolonialzeit von Caracas, dem geistlichen Mittelpunkt Venezuelas, macht unsere Begegnung noch bedeutsamer. Ein Ort glücklicher und trauriger Begegnungen, der die Geschichte der Heimat mit dem Murmeln des Gebetes begleitet hat. Dieser Ort ruft in uns wieder die historische Erinnerung an die beinahe 500 Jahre der Evangelisierung Lateinamerikas, Venezuela, wach, in denen die Präsenz der Laien so stark war. Denn neben den Sandalen des Missionars und dem Hirtenstab des Bischofs hat es immer Gruppen von Männern und Frauen gegeben, die aus dem Antrieb ihres Glaubens heraus Mut erkennen ließen, Kultur vermittelten, den Fortschritt der Menschen dieser Länder förderten. Es gab christliche Familien, Laienbruderschaften, dritte Orden, hervorragende Katecheten und Laien, wie Cecilio Acosta oder Dr. Jose Gregorio Hernändez, ein Vorbild bewundernswürdiger Tugenden. 2. Von dieser fruchtbaren Tradition her hat das Zweite Vatikanische Konzil die volle Teilhabe der Laien an der Aufgabe und Sendung der Kirche anerkannt, gewürdigt und ihr Auftrieb gegeben. Durch die Taufe lebendig mit Christus vereint und als Mitglieder der Kirche geben sie in ihrem priesterlichen, prophetischen und königlichen Stand im Leben der Menschen und Völker Zeugnis von der Macht der Auferstehung. Ist diese Begegnung nicht ein Zeichen mehr für diese Fruchtbarkeit des Konzils in venezolanischen Landen? Mit euch danke ich dem Herrn für die zahlreichen apostolischen Bewe- 319 REISEN gungen, die ihr vertretet, angefangen von der Katholischen Aktion bis zu den jüngeren Bewegungen, die in dem Nationalen Rat des Laienapostolats zusammengefaßt sind. Ich weiß auch von der Aufnahme und Mitarbeit vieler Laien rings um die Pfarrgemeinden, in den kirchlichen Erzie-hungs- und Fürsorgeinstituten, die sich der Katechese und Förderung des Menschen annehmen, und in vielen anderen Bereichen des selbstlosen christlichen Dienstes. Ebenso freut mich die Arbeit jener Laien, die sich als Baumeister einer Gott gemäßen Gesellschaft in der Verbreitung des Reiches Christi engagieren, Männer und Frauen, die inmitten der Welt vom Geist der Kirche erfüllt sind. Auch die 100 000 Laienevangelisatoren, die an der Mision Nacional teilgenommen haben und die das Evangelium in alle Teile eures Landes getragen haben, sind ein wunderbares Geschenk und eine Frucht des Herrn in seiner Kirche dank des vom Konzil ausgehenden Erneuerungsimpulses. Und zugleich sind sie Unterpfand und Hoffnung der Kontinuität bei der „neuen Evangelisierung“, um die ich die Kirche in Venezuela und in Lateinamerika bei der Eröffnung der neunjährigen Vorbereitungszeit auf die 500-Jahr-Feier des Glaubens in diesen Ländern in Santo Domingo gebeten habe. Unter diesem Gesichtspunkt möchte ich euch katholischen Laien drei grundlegende Weisungen geben. 3. Vor allem wachst im Herrn! Denn tatsächlich „hängt die Fruchtbarkeit des Apostolats der Laien von ihrer lebendigen Vereinigung mit Christus ab“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 4). Ihr seid durch die Taufe dazu berufen, euer Leben allmählich auf immer radikalere und transparentere Weise hin auf die volle Reife in Christus zu gestalten. Ihr seid ja wohl nicht zufällig „Christgläubige“? Öffnet also eurer Herz immer mehr Christus, nehmt seine geheimnisvolle und fruchtbare Gegenwart auf, pflegt die Vertraulichkeit mit ihm in der Begegnung, die das Leben verwandelt, die es im Vollsinn menschlicher macht, die die Wahrheit, die Würde, die Glückseligkeit der Menschen stärkt und ihnen grenzenlose Horizonte schenkt. Die Botschaft der Kirche läßt sich in der Aufforderung zusammenfassen, die Petrus am Pfingsten der Kirche an die Juden gerichtet hat und die ich als sein Nachfolger an euch Laien aus Venezuela richte: Bekehrt euch zu Christus, um die Gabe des Geistes zu empfangen (vgl. Apg 2,38). Diese Aufforderung ist an alle Männer und Frauen, an eure Landsleute in den Städten, Dörfern und im flachen Land, auf den Inseln, in den Bergen und in den Wäldern gerichtet. Wie viele Getaufte gibt es, die in ihrem Leben 320 REISEN diese Gegenwart und Begegnung mit dem Herrn noch nicht zur Entfaltung gebracht haben? Wie viele sind auch keine bekennenden Katholiken? Wenn wir uns heute über die 100 000 venezolanischen Evangelisatoren, junge Menschen, die bezeugen und verkündigen wollen, daß Christus der Herr ist, freuen, zweifelt nicht daran, daß euer Land bereits von der Saat des Evangeliums bearbeitet wurde; und daß es dafür gerüstet ist, daß es viel mehr, ja sehr viel mehr Christen geben kann, die jegliche Trennung zwischen empfangenem Glauben und persönlichem, familiärem und sozialem Leben überwinden; die einen lebendigen, kirchlichen Glauben mit all seinen Früchten an Heiügkeit, Gemeinschaft, Apostolat, Dienst am Menschen vertiefen und zur Reife bringen. Es geht - darauf habe ich seinerzeit in Mexiko hingewiesen - darum, die überwältigend große Aufgabe der Evangelisierung und Katechese, ein sorgfältiges und intensives Bemühen um die solide Glaubensausbildung der Laien zu fördern, die, mit der Kirche dynamisch verbunden, fest verankert in Christus sein müssen; „sie sollen ausdauernd sein im Bekennen und im Werk der Evangelisierung, konsequent und mutig ihre weltlichen Pflichten erfüllen, ständige Verfechter von Frieden und Gerechtigkeit gegen jede Gewalt und Unterdrückung sein sowie Tatsachen und Ideologien im Licht der kirchlichen Soziallehre scharf und kritisch beurteilen und dabei ihre Hoffnung auf den Herrn setzen“ (An die Mitglieder der Katholischen Organisationen, Mexiko-City am 29. 1. 1979, in: O. R. dt., 16. 2. 1979, S. 5). Ich weiß, daß ich von euch und den von euch vertretenen venezolanischen Laien nichts Geringes verlange. Deshalb wachst stetig im Herrn, um auf der Höhe all dieser Forderungen des ganzen christlichen Lebens zu bleiben. Wachst hin auf die Fülle in Gott (vgl. Eph 3,19). 4. Ich gebe euch eine weitere Weisung: belebt eure Laienverbände neu. Sie können und sollen eine grundlegende Rolle erfüllen. Ich hatte bereits Gelegenheit, eure Bischöfe bei ihrem jüngsten Ad-limina-Besuch darauf hinzuweisen: „entscheidend wird es auf die Organisierung in Gruppen und apostolischen Verbänden in den kommenden Jahren ankommen“; doch sie müssen auf „die ausreichende, von kirchlicher Einheit und tiefer Spiritualität getragene Bildung“ zählen (An die Bischöfe Venezuelas, 30. August 1984, Nr. 8, in: O.R.dt., 23. 11. 1984, S. IV). Die apostolischen Verbände stellen ein Zeichen der kirchlichen Gemeinschaft und ihrer evangelisatorischen Wirksamkeit dar - das hielt bereits das Zweite Vatikanische Konzil fest —, und sie sind um so notwendiger und ange- 321 REISEN brachter in einer Welt, die sich im Prozeß zunehmender Organisierung und Sozialisierung befindet. Offen für Dialog, Zusammenarbeit und gegenseitige Bereicherung Die Kirche in Venezuela erkennt das Gute an, das diese Verbände geleistet haben, ihren unverzichtbaren und bereichernden Beitrag, das viele, was sie noch von ihnen erhofft. Erforderlich ist jedoch eine stärkere Neubelebung der Verbandsstruktur von Laien in Venezuela und in Lateinamerika, damit zwischen den Führungsaufgaben der Bischöfe und dem christlichen Wurzelgrund im gläubigen Volk lebendige, starke und die christlichen Berufungen auf allen Ebenen und in allen Laienberufungen vervielfältigende Kräfte wirken. In aufrichtiger Gemeinschaft mit den Bischöfen und in unerschütterlicher Treue zur Wahrheit über Christus, über die Kirche und über den Menschen, ermutigt von ihren jeweiligen charismatischen Gaben, offen für den Dialog, für Zusammenarbeit und gegenseitige Bereicherung, bereit zur Verwirklichung der Pastoralpläne, müssen eure Bewegungen Schulen christlicher Bildung, der Erfahrung von Gemeinschaft und Teilhabe sein, Orte, die das Leben im Geist ausstrahlen, Saatstätten für Priester- und Ordensberufe, die eure kirchliche Gemeinschaft so dringend benötigt, missionarischer Sauerteig in allen Lebensbereichen, Keimstätten einer neuen Gesellschaft. 5. Aus diesem Wachsen im Herrn und aus dem Elan des venezolanischen Laientums müßt ihr mit neuer Konsequenz und Originalität die Kirche in eurer Gesellschaft, im geistlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt eurer Nation gegenwärtig machen. Das ist meine Weisung und eure Aufgabe. Gott hat euch im Landesinnern kostbare Naturschätze geschenkt, damit alle Venezolaner ein würdiges Leben führen können und auch damit sie, wenn ihre Grundbedürfnisse befriedigt sind, mit verantwortlich sein können bei der lateinamerikanischen Integration, von der der „Befreier“ geträumt hat und die in der Kirche mit einem wirksamen Zeichen der Realisierung rechnet. Da ihr ja außerdem über eine demokratische Tradition verfügt, die ihre Stabilität bestätigt, seid ihr verantwortlich für die zunehmende Förderung der Würde und der Teilhabe des Volkes an den Geschicken der Nation als Vorbild der Überwindung autoritärer Staatsformen verschiedenster ideologischer Prägung. Verteidigt in der Gesellschaft die großen menschlichen und christlichen 322 REISEN Werte: den Wert des Lebens - vom Augenblick der Empfängnis an -gegen jede Form der Gewalt, die Stabilität und Einheit der Familie als Wiege jedes echten zivilen und moralischen Fortschritts, die christliche Erziehung in Elementar-, höherer Schule und Universität. Verkündet und bezeugt, daß nur strenge Ehrenhaftigkeit in den verantwortlichen öffentlichen und privaten Verwaltungsaufgaben die Kraft für das Vorankommen des Vaterlandes verleiht. Unterliegt nicht den materialistischen und genießerischen Versuchungen - unbegrenztem Konsum der Wirtschaftsgüter, Sex, selbstmörderischem Drogenkonsum usw. -, wenn ihr das Leben und die Qualität des Lebens sucht. Das sind große Aufgaben und Herausforderungen. Darum, liebe venezolanische Laien, bleibt als Laien an der vordersten Front beim Aufbau eines Landes, das seinen katholischen Traditionen treu ist, in Freiheit und Gerechtigkeit gedeiht, streng und eifrig ist bei der Wahrnehmung seiner Verantwortlichkeiten, empfänglich für die Bedürfnisse der Schwächeren und Unterdrückten, solidarisch mit den Brudervölkern und -nationen: Liebt den wahren kulturellen Fortschritt. Gehört es etwa nicht zur vorrangigen Berufung der Laien, die gesamte zeitliche Ordnung mit dem Geist des Evangeliums zu prägen und vervollkommnen (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 7)? Wartet auf sie nicht die Welt der Kultur, der Familie, der pastoralen, wirtschaftlichen und sozialen Führung? Vergeßt also nicht, daß Venezuela mit Recht von den im Leben seines Volkes engagierten Laien erhofft, daß sie loyal, offen für den Dialog sind und mit allen Menschen guten Willens Zusammenarbeiten. Es hofft auf die Treue und Fruchtbarkeit dieser Berufung. Das ist eure Verantwortung. Das wird euer Verdienst sein. Das ist eure besondere Sendung. 6. Nun will ich an einige der hier anwesenden Gruppen einen besonderen Gruß richten: Zuerst an die Leiter der Lateinamerikanischen Arbeiterzentrale (CLAT), mit denen ich zu meiner Freude bereits in Rom Zusammentreffen konnte. Ich weiß, daß ihr in diesen Tagen auf eure Initiative hin und unter dem Schutz des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM an der Arbeiteruniversität eine wichtige Tagung veranstaltet über das Thema „Die kirchliche Soziallehre und die Welt der Arbeit im Lateinamerika der 80er Jahre“. Zahlreiche Bischöfe und Gewerkschaftsführer aus dem ganzen Kontinent stehen euch dabei zur Seite. Ich sehe diese Begegnung hier als großes Geschenk an, das dem Papst während seines Aufenthalts in Venezuela zuteil wurde; denn ihr wißt ja, 323 REISEN wie sehr ich mich für diese Problematik interessiere. Ich glaube, ich habe das unter anderem in meiner Enzyklika Laborem exercens deutlich gemacht, die ihr studiert und für deren Verbreitung ihr gesorgt habt. Ich ermutige euch, in eurer Aufgabe fortzufahren. Für die Kirche, für die Arbeiterbewegung, für Lateinamerika sind die Perspektiven, die ihr überdenkt und in Bewegung setzt, sehr wichtig. Und ich benütze diese Gelegenheit, um euch zu sagen, daß ich mich solidarisch fühle mit den Ängsten so vieler lateinamerikanischer Arbeiter, die sehen, wie sich ihre Lebensund Arbeitsbedingungen verschlechtern, vor allem jedoch ihre Werte und ihre Hoffnungen auf eine volle Befreiung und ein im Vollsinn menschliches Wachstum. Diese Worte sollen auch der Gruppe venezolanischer Unternehmer und Arbeiter gelten, die an dieser Begegnung teilnehmen. Morgen vormittag werde ich bei der Messe für die Arbeiter in Ciudad Guayana die Gelegenheit ergreifen, meine Gedanken detaillierter zu formulieren. Euch will ich jetzt sagen, daß ihr für die Zukunft Venezuelas verantwortlich seid. Nicht umsonst ist die Arbeit der Schlüssel zur sozialen und nationalen Frage. Eine freie und gerechte Nation baut sich aus authentischen Gemeinschaften menschlicher Arbeit auf, wo sich die Würde des Arbeiters mit der Solidarität und das Wohl des Unternehmens mit dem Wohl der Gesamtheit verbinden soll; um jenseits parteipolitischer Versuchungen, lukrativer Privilegien und klassenkämpferischer Dialektiken erneuerte Formen eines Geflechts der menschlichen und produktiven Gesellschaft zu schaffen. Ein Gruß auch an die angesehene Gruppe von Juristen, die hier bei uns sind. Ihr müßt weiterhin „Moral und Licht“ ausstrahlen, so wie es der Befreier Südamerikas in Angostura von den Justizbeamten des Kongresses verlangt hat. Als unbestechlichen Dienern des Gesetzes für das harmonische Zusammenleben der Gesellschaft möge euren Herzen und der Ausarbeitung und Anwendung eurer nationalen Gesetze auch das Gesetz Gottes eingeprägt bleiben, das Schöpfer der Freiheit, Hüter des Lebens, Werk des Erbarmens und der Gerechtigkeit, Gebot der Liebe ist. Zuletzt geht mein Gruß an die Vertreter der sozialen Kommunikationsmittel. Ich danke aufrichtig für die Mühe, die ihr aufwendet, um meinen Besuch in Venezuela möglichst vollständig aufzunehmen, und für den Raum, den ihr der Botschaft der Misiön Nacional Vorbehalten habt. Ihr seid euch der sozialen Bedeutung der von euch gehandhabten Medien bewußt. Ihr wißt um den entsprechenden Einfluß, den sie auf die Formung der Persönlichkeit des einzelnen und im Gemeinschaftsleben ausüben. 324 REISEN Vergeßt nicht die dringenden ethischen Forderungen, die die Funktion eines in den Medien Tätigen einschließt. Er muß die Würde der menschlichen Person und ihre legitimen Rechte gegen alle Widerstände respektieren; und er muß die Werte der Wahrheit, der sozialen Gerechtigkeit, des Zusammenlebens und des Friedens fördern. Venezolanische Laien, der Papst, die Kirche, euer Vaterland, Lateinamerika benötigen euren gültigen Beitrag. Auf diesem Weg ermutige euch mein herzlicher Segen. Tut das, was in eurer Macht steht! Ansprache an die Jugend im Olympiastadion in Caracas am 28. Januar Liebe Jugend! 1. Auf meinem apostolischen Besuch durfte die von mir so ersehnte Begegnung mit den jungen Leuten eines jungen Landes wie Venezuela nicht fehlen. Durch einen eurer Gefährten habt ihr mir vor wenigen Minuten gesagt: „Was begrüßen dich, Freund: Willkommen zu Hause!“ Nun gut, der Papst grüßt euch ebenfalls: Willkommen zu dieser Begegnung! Dieser Gruß richtet sich an jeden einzelnen von euch und an alle venezolanischen Jugendlichen, die sich mit uns verbunden fühlen. Während ich mich hier in diesem Olympiastadion der Universitätsstadt unter euch befinde und in dem Maße, wie ich in der Stimme eures Gefährten die Zweifel und Hoffnungen fühlte, die euch bestürmen, kam in meinem Inneren eine Frage auf: Werden sich die jungen Venezolaner gegenüber den Schwierigkeiten geschlagen geben oder werden sie den Mut besitzen, wahre Christen zu sein und eine gerechtere, brüderlichere, freundlichere und friedlichere Welt aufzubauen? Die positive Antwort habt ihr gegeben: „Wir wollen kraftvoll und ehrlich ausrufen können, daß wir Jugendliche mit Christus eine Kraft sind, die -mit dem Evangelium und unter dem Antrieb des Heiligen Geistes - den Menschen, die Gesellschaft und die Kirche verwandelt.“ Das ist eure Antwort, mit der ich mich voll solidarisch fühle, meine jungen Freunde, die ihr so viele Tausende von Jungen und Mädchen aus allen Teilen des Landes vertretet, von denen viele nicht mit uns Zusammensein konnten. 325 REISEN Eure fröhliche und festliche Anwesenheit, euer Durst nach Wahrheit und eure edlen und hohen Ideale ermutigen mich, weiterhin meinen Glauben und meine Hoffnung in die Jugend zu setzen wie die Kirche, als sie bei Beendigung des Zweiten Ökumenischen Vatikanischen Konzils in Gedanken an euch verkündete: „Die Kirche schaut mit Vertrauen und Liebe auf euch“ (Botschaft an die Jugend, 6). 2. Bei den Überlegungen, die wir nun gemeinsam anstellen werden, möchte ich mich auf eine Umfrage beziehen, die vor kurzem unter der venezolanischen Jugend durchgeführt worden ist. Die erste Frage war: Was befürchtest du und was erhoffst du von der Zukunft? Ihr lebt in einem historischen Moment, der nicht frei von Schwierigkeiten und Problemen ist: Krise der wahren, moralischen Wertvorstellungen, mangelnde Sicherheit, wirtschaftliche Probleme, Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche, ein Klima von Sittenlosigkeit, Ungerechtigkeit, Verbrechen, Mißbräuchen, Manipulationen und religiöser Gleichgültigkeit. Vor dieser schwierigen Situation könnte so manch einer der leichten Verlockung der Flucht und der Zerstreuung nachgeben, sich in einer Haltung egoistischer Isolation einschließen und sich auf seiner Flucht dem Alkohol, der Droge, dem Sex oder entfremdenden Ideologien oder solchen, die Haß und Gewalt predigen, hingeben. Hoffnung auf ein Leben in mehr Brüderlichkeit Gegenüber und trotz alledem müßt ihr eure Hoffnung wahren, wozu euch eure Beschaffenheit als Menschen, die sich dem Leben öffnen, Kraft gibt. Diese eure Hoffnung auf eine Überwindung der Vorgefundenen Situation, auf ein zukünftiges Klima, das in verstärktem Maß religiös, sozial und menschenwürdiger ist als das derzeitige. Diese Hoffnungen auf ein Leben in mehr Brüderlichkeit, in einer gerechteren, friedfertigeren und ehrlicheren Welt, die mehr als bisher auf den Menschen zugeschnitten ist. Um jedes Anzeichen von Pessimismus zu besiegen, fühlt ihr die Notwendigkeit, mit Begeisterung, Realismus und Hingabe den Bau einer christlicheren und menschlicheren Gesellschaft in Angriff zu nehmen, einer Gesellschaft, die im Zeichen der Liebe steht und in der eure zeitliche und ewige Berufung verwirklicht werden kann. Eure Zukunftshoffnungen und -ängste konzentrieren sich in der Frage, die ihr euch selbst häufig stellt: Welchen Sinn hat mein Leben? 326 REISEN Es ist gerechtfertigt, daß ihr euch diese Frage stellt, daß ihr über eine Realität nachdenkt, die eure ganze Existenz betrifft. Tatsächlich sind nämlich die Antworten auf diese grundlegende Frage vielfältig und oft widersprüchlich. Es mangelt nicht an Propheten des Hasses und der Gewalt, des Materialismus, der Genußsucht, des Egoismus und des Totalitarismus. Diese, meine Freunde, bieten keine Lösungen an, da sie letzten Endes eure edelsten Ziele verraten und euch mit leerer Seele zurücklassen. Die Antwort auf eine solche Frage liegt, liebe Freunde, in eurer eigenen Existenz begründet, die ihr als Bild und Gleichnis Gottes geschaffen seid (vgl. Gen 1,26-27). Sie liegt im christlichen Glauben, der euch mit Bestimmtheit lehrt: Ihr seid zu einer ewigen Bestimmung berufen, dazu, Kinder Gottes und Brüder in Christus zu sein (vgl. 1 3oh 3,1), dazu, Schöpfer der Brüderlichkeit aus Liebe zu Gott zu sein. Er, Christus, ist eure Antwort. Er lehrt euch, dem Menschen immer zu helfen, euch ihm hinzugeben. Das ist das Wort, das die Bibel verkündet. Wenn ich euch ein anderes Wort sagen würde, verriete ich meinen Dienst an Gott, und ich verriete euch, die ihr ein Recht auf die volle Wahrheit habt. Und denkt immer daran, daß ihr als Ebenbild Gottes fähig seid, ihn zu begreifen. Deshalb ruft euch Gott dazu auf, an seinem Leben, in dem ihr eure ganze Fülle und eure Krone finden werdet (vgl. Populorum progres-sio, Nr. 16), teilzunehmen. Die Öffnung hin zu Gott, die Beziehung zu ihm ist eingeprägt in das Innerste eurer Existenz. Deshalb soll auch die Religiosität nicht nur ein Beiwerk eurer menschlichen Struktur sein, sondern die allererste Dimension eurer Identität. Wenn ihr sie praktiziert, indem ihr Gott kennenlernt, dann füllt ihr euren Geist wirklich. Diese Religiosität zu praktizieren, Gott dabei über alles und den Nächsten wie euch selbst zu lieben bedeutet, euren guten Willen zu erfüllen und eure menschlichen Fähigkeiten zu verwirklichen. „ Vor allem möchte die Kirche mit eurer jungen Kraft rechnen“ 3. Die zweite Frage war: Was muß nach deiner Meinung die Kirche angesichts dieser Situation tun? Ihr habt viele Antworten gegeben. Aber laßt mich vor allem sagen, daß die Kirche auf euch rechnet und auf euch rechnen möchte, auf eure junge Kraft, die immer wachsam, hochherzig und bereit zur besten Hingabe und den edelsten Opfern ist. Deshalb bittet sie euch, nicht isoliert zu bleiben, um eine größere Wirksamkeit zu haben. Schließt euch den Bewegungen des Laienapostolats an. 327 REISEN Bei ihnen findet ihr eine konkrete Art und Weise, Kirche zu sein und zu gestalten, eine Schule für eure Ausbildung, einen Anstoß für eure schöpferische Hingabe voll neuen Geistes, eine Art und Weise, euer Leben als Gemeinschaft und Teilhabe zu verwirklichen. Welch großartige Sache für die Entwicklung eurer Persönlichkeit könnt ihr, liebe junge Leute, in der Kirche finden! In ihr findet ihr das richtungweisende Wort Gottes, das eurem Leben einen Sinn gibt. Dort findet ihr die alle Menschen verbrüdernde Tat Christi, die alle zu Kindern des gemeinsamen Vaters macht. Dort findet ihr auch die Antriebskraft für eure auf eine neue, gerechte und brüderliche Welt gerichteten schöpferischen Energien. Deshalb bietet sich die Kirche auch als Motor der Gerechtigkeit, der Wahrheit und des Kampfes gegen die Sünde in allen ihren Erscheinungsformen an. Deshalb möchte sie durch die Linien ihrer Soziallehre zu einer gerechteren Gesellschaft anleiten. Eine Lehre, die ihr Jugendlichen studieren und auf deren Umsetzung in die Praxis ihr bestehen müßt. Ich bin davon überzeugt, daß einer der besten Wege, den die Kirche zur Erneuerung des Glaubens der Venezolaner und als Beitrag zu einer besseren Gesellschaft einschlagen kann, eine ernsthafte und christliche Ausbildung der Jugend sowie ihre Einheit ist. Deshalb rufe ich zu einer lebendigen Tätigkeit in den Pfarrgemeinden und christlichen Familien, in der Schule, im Gymnasium und in der Universität auf. Das ist eine Herausforderung für die Kirche eures Landes. 4. Was denkst du über den Papst? Das war eine andere Frage in eurer Umfrage. Da ich nun hierhergekommen bin, möchte ich mich für eure Antwort bedanken, da nämlich die meisten von euch geantwortet haben, daß er euer Freund ist. Ich möchte euch sagen, daß das die Wahrheit ist, daß der Papst sich den Jugendlichen und ihren Hoffnungen sehr nahe fühlt. Darum vertraut er auf sie, auf euch: Deshalb ruft er euch in dieser Wertschätzung und diesem Vertrauen zu: Jugendliche! Freunde! Nehmt keine Haltungen ein, die im Inneren nur ein Zerrbild der Wirklichkeit wiedergeben. Sie zerstören eure Jugend. Denn Jugend ist nicht nur Passivität und Trägheit, sondern geballte Anstrengung zur Erreichung erhabener Ziele, auch wenn es schwer fällt; - Jugend heißt nicht die Augen zu verschließen vor der Wirklichkeit, sondern alle herkömmlichen Heucheleien abzulehnen, die Wahrheit zu suchen und zu tun; - sie bedeutet nicht Zerstreuung und Gleichgültigkeit, sondern solida- 328 REISEN rische Verpflichtung gegenüber allen, vor allem gegenüber den Bedürftigsten; - sie ist nicht die Suche nach dem egoistischen Genuß, sondern pausenloser Anstoß zur Öffnung und Wille zum Dienen; - sie ist kein gewaltsamer, revolutionärer Wirbelsturm, sondern Hingabe und Anstrengung, um mit friedlichen Mitteln eine menschlichere, brüderlichere und für die Teilhabe offenere Gesellschaft zu errichten. Gegenüber der Vergangenheit ist die Jugend die Gegenwart, gegenüber der Zukunft die Hoffnung und das Versprechen von Entdeckung und Erneuerung. Und gegenüber der Gegenwart muß sie eine dynamische und schöpferische Kraft sein. Aufgrund all dessen dürft ihr, Jugendliche, nicht denken, die gegenwärtige Situation sei etwas Fremdes für euch; sie ist etwas, für das ihr verantwortlich seid, als Menschen und als Christen. 5. In eurer Umfrage fragte man auch: Was bedeutet Christus in deinem Leben? Das ist so etwas wie der Zielpunkt der anderen Fragen. Mehr als einmal habt ihr euch diese Frage gestellt, und andere werden euch das auch gefragt haben. Ich möchte euch bei der Antwort, die so viele von euch schon gegeben haben, helfen. Für ein junges Mädchen und einen Jungen voller Idealismus, Hochherzigkeit und Mut soll und muß Christus die Wurzel des eigenen Lebens sein, die zentrale Achse und der ständige Bezugspunkt der eigenen Gedanken, der Entscheidungen, der hochherzigen Verantwortung gegenüber dem Guten. Sucht also Christus und nehmt ihn auf. Er verlangt viel, er begnügt sich nicht mit der Mittelmäßigkeit, er läßt keine Unentschlossenheit zu. Er ist der einzige Weg zum Vater (vgl. Joh 14,6), und derjenige, der auf diesem Weg geht, wandert nicht in der Finsternis (vgl. Joh 8,12). Christus ist die Gewißheit eurer Jugend und der Quell eurer Freude. In ihm, dem ewig jungen , werdet ihr den Sieg des Lebens über den Tod finden, den Sieg der Wahrheit über die Lüge und den Irrtum, den Sieg der Liebe über Haß und Gewalt. Aber Christus akzeptieren bedeutet gleichzeitig, seine Botschaft, sein in der Kirche Gottes authentisch überliefertes Wort liebevoll anzunehmen. Das Leben, das Christus für uns durch seinen Tod und seine Auferstehung erobert hat, zu leben, bedeutet, sich in die große von ihm gerettete Familie einzureihen'; das bedeutet, Teil des Gottesvolkes zu sein; das bedeutet, Kirche zu sein. Nicht nur das. Hier unter euch befinden sich diejenigen, die den Ruf gehört haben, sich ganz dem Dienst Gottes und der Menschen durch die Hingabe an den Priester- oder Ordensberuf zu widmen. Ihnen sage ich: 329 REISEN Nehmt diese Berufung mit Freude und Stolz auf! Sie ist ein wunderbares Geschenk, das euch erlaubt, näher bei Gott zu sein, um näher bei den Menschen zu sein und sie auf ihrem Weg zu begleiten. Alle anderen frage ich: Habt ihr daran gedacht, daß Christus vielleicht gerade einige von euch zu diesem hohen, schwierigen, aber lohnenden Dienst beruft? 6. Eure Umfrage schloß mit folgender Frage an jeden von euch: Was seid ihr bereit zu geben, um ein gerechteres Venezuela zu schaffen? „Euer Leben muß ein Geschenk für die anderen Menschen sein“ Da es sich bei euch um Jugendliche handelt, die Christus kennengelernt haben, den ersten unter den Brüdern, der die Würde und das Wohl von allen will, muß die Liebe zu ihm dazu führen, an alle übrigen zu denken. Sie muß dazu verpflichten, sich nicht im eigenen Egoismus einzurichten, sondern sich den anderen zu öffnen. Denn Gott ist unser gemeinsamer Vater, und folglich sind wir Brüder. Das sind die Erfordernisse des Erbarmens und der Liebe. Denn „Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,16), und er hat uns so sehr geliebt, daß er uns seinen eigenen Sohn Jesus hingab (vgl. Joh 3,16), der nicht kam, um bedient zu werden, sondern um zu dienen (vgl. Mt 20,28). Da ihr Bild Gottes seid, darf euer Leben nicht nur für euch allein dasein, sondern es muß eine Gabe, ein Geschenk für die anderen sein. Stellt also eure Fähigkeiten in den Dienst der anderen, besonders der Bedürftigsten. In dieser Öffnung zu Gott und den Menschen werdet ihr die Verwirklichung eurer Persönlichkeit finden. So werdet ihr auch Söhne und Töchter eures Vaterlandes ein, das auf euren Beitrag hofft und ihn auch nötig hat, um würdiger, gerechter und wohnlicher zu sein. Bleibt deshalb euch selbst, eurer Existenz als Christen und eurem Dasein als junge Venezolaner treu! Und wenn ihr nicht alles tun könnt, was ihr wollt, so tut das, was in eurer Macht steht, was von euch abhängt. Ohne Angst! Ohne Ausflüchte! Offen für Christus und in ihm für den Bruder! 7. Junge Venezolaner! Wir müssen unsere Begegnung beenden. Denkt daran, daß die Zukunft der Kirche, eures Landes und Lateinamerikas in euren Händen liegt. Der Segen Gottes und meine Gebete für euch alle werden euch bei dieser Aufgabe ermutigen. Möge Christus euch immer mit seinem Wort und Beispiel inspirieren. Möge die seligste Jungfrau, Unsere Liebe Frau und Mutter von Coro-moto, euch auf eurem Lebensweg begleiten. Amen. 330 REISEN Kein Gruppen- oder Klassenegoismus Predigt bei der Messe mit den Arbeitern in Ciudad Guayana (Venezuela) am 29. Januar 1. „Macht euch die Erde untertan“ (Gen 1,28). Mit diesem Wort der heutigen Liturgie, das dem Buch Genesis entnommen ist, heiße ich die ganze eucharistische Versammlung des Gottesvolkes von Venezuela, das in Ciudad Guayana, das ein stürmisches Wachstum aufzuweisen hat, zusammengekommen ist, willkommen und begrüße sie herzlich im Herrn. Ich begrüße herzlich den Bischof dieser Diözese, die Brüder im Bischofsamt, die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Gläubigen, die sogar aus anderen Diözesen und Gegenden des Landes gekommen sind. Seid alle willkommen! Ganz besonders begrüße ich die Welt der Arbeit, die nicht nur aus Venezuela, sondern auch aus anderen Ländern Lateinamerikas kommt: wegen der Entwicklung der Eisen- und Stahlindustrie, der Aluminiumherstellung und der Wasserkraft, die diese Stadt zu einem der wichtigsten Industriezentren Venezuelas gemacht hat. Aus diesem Grund steht das Problem der Arbeit, der menschlichen Arbeit im Mittelpunkt dieses Gottesdienstes. 2. Von diesem Problem zu sprechen zwingt uns, bis zum Ursprung der Schöpfung des Menschen zurückzugehen, so wie wir ihn dem Buch Genesis entnehmen. Gott ist der Schöpfer aller Dinge und des Menschen. Hier liegt der eigentliche Grund dafür, daß wir den Menschen Person nennen können: denn er ist Bild und Gleichnis Gottes, mit Verstand, Willen und der Macht, die Erde zu beherrschen, geschafften und ausgestattet. Das unterscheidet ihn von der übrigen Schöpfung, zumal er überdies durch die Gnade Jesu Christi zur Gemeinschaft mit Gott berufen ist. Der Mensch arbeitet, weil er Gott ähnlich ist. Unter allen Geschöpfen der Welt arbeitet nur der Mensch bewußt. Die Tiere sind sehr aktiv, keines arbeitet jedoch im Sinn menschlicher Arbeit. Denn arbeiten heißt die Erde unterwerfen oder beherrschen, wie wir im Buch Genesis lesen. Jede Arbeit, unabhängig von ihrem besonderen Merkmal, hat dieses Ziel. Man kann sagen, daß im göttlichen Plan die Arbeit eine Herrschaft mit von Gott empfangener Macht und Autorität ist, auch wenn sie in ihrem menschlichen Aspekt mehr dienenden Charakter annimmt. Die Arbeit, jede Arbeit, auch wenn der Mensch die Arbeit der anderen verwaltet und 331 REISEN leitet, mit einem Wort, jede Tätigkeit des Menschen besitzt diesen Charakter: die körperliche Arbeit wie die in der Industrie, in der Landwirtschaft und den Dienstleistungen, die intellektuelle, die künstlerische Arbeit, die reine und angewandte Forschung usw. 3. Das Buch Genesis sagt, daß der Schöpfer die ganze Erde, in gewissem Sinne die ganze sichtbare Welt dem Menschen geschenkt und unter seine Herrschaft gestellt hat. Als Bild und Gleichnis Gottes macht sich der Mensch die Erde untertan, macht sie sich zu eigen, indem er sie in verantwortlicher Weise humanisiert. Zugleich wurde diese Welt dem Menschen als Arbeitsaufgabe übergeben. Die niedrigeren Geschöpfe wurden dem Menschen unterworfen, und zugleich wurden ihm die in der geschaffenen Welt enthaltenen Mittel und Hilfen zur Verfügung gestellt, angefangen von den sichtbaren Reichtümern, auf die man sozusagen an der Oberfläche stößt, bis hin zu den tief in der Struktur der Materie verborgenen, die der menschliche Geist schrittweise entdeckt. Das Buch Genesis spricht von der Herrschaft über die Erde, das heißt über ihre sichtbaren und verborgenen Schätze: „Dann sprach Gott: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, nach unserer Gestalt. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land“ (Gen 1,26). Der Mensch unterwirft sich die Erde und beherrscht sie durch die Arbeit, eine Berufung, die Gott ihm geschenkt hat, damit er am Schöpfungswerk mitarbeite. Deshalb bedient sich der Mensch der Technik, um die persönliche Verwirklichung in der Arbeit zu finden. Heute sind wir Zeugen von Veränderungen, die der menschliche Verstand mittels Wissenschaft und Technologie verursacht hat. Doch wenn das Instrument der Technik einen positiven Wert besitzt, weil es die kluge und verantwortungsvolle Herrschaft des Menschen über die Erde auszuüben hilft, tauchen doch auch ernste Bedenken und Fragen auf; denn die Technik kann zur Entfremdung und Manipulation werden - und sie ist es auch geworden; und das in einem solchen Maß, daß man das Bestehen einer bestimmten Ideologie der Technik moralisch verwerfen muß, weil sie den Primat der Materie vor dem Geist, der Dinge vor der Person, der Technik vor der Moral fordert. Diese Tendenz der Enthumanisierung und Entpersönlichung macht uns klar, warum die Kirche nicht müde wird, eine radikale Überprüfung der Begriffe Fortschritt und Entwicklung zu fordern: das hat Papst Paul VI. vor nunmehr fast zwanzig Jahren in seiner Enzyklika Populorum progres- 332 REISEN sio getan; und das habe ich auf dem Stuhl Petri und auf meinen Pastoraireisen getan. Wie lange noch soll der Mensch, sollen die Menschen der Dritten Welt ungerechterweise den Vorrang des wirtschaftlichen Fortschritts vor den unverletzlichen menschlichen Rechten, besonders den Rechten der Arbeiter und ihrer Familien, ertragen? Hier an den Werten und unverletzlichen und geheiligten menschlichen Rechten der Person muß man die Begriffe Entwicklung und Fortschritt neu überdenken und definieren. 4. Das Buch Genesis sagt, daß der Schöpfer die menschliche Arbeit mit der Notwendigkeit der Ruhe und des Feierns verbunden hat: „Am siebten Tag erklärte Gott sein Werk, das er vollbracht hatte, für vollendet, und er ruhte am siebten Tag... Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig“ {Gen 2,2-3). In der Absicht Gottes ist ganz klar zu erkennen, daß die Arbeit für den Menschen und nicht der Mensch für die Arbeit da ist; daß die Arbeit der Verwirklichung seines Menschseins, seiner Berufung als Person und Kind Gottes dient. Dieser Grundsatz von der persönlichen Würde des Arbeiters muß die möglichen Strukturen der industriellen Produktionssysteme und des gesamten wirtschaftlichen, politischen und sozialen Fortschritts bestimmen; wenn man nicht das schreckliche Mißverhältnis des sehr kleinen Prozentsatzes, der den Wohlstand genießt, gegenüber einem hohen Prozentsatz von Menschen, denen die Güter des Lebens fehlen, bewahren will; das gilt vor allem für die Länder der Dritten Welt. Den großen Unterschieden in der sozialen Stellung und den Einkünften beider Gruppen fehlt die Proportion. Die Arbeit ist ein Gut des Menschen, aber ein Gut aller trotz der Mühe, die sie mit sich bringt - und nicht einiger weniger. Das wird noch klarer, wenn wir die Tatsache bedenken, daß „Gott den Menschen schuf... Als Mann und Frau schuf er sie“ {Gen 1,27), womit er den Anfang der Familie setzte. „Seid fruchtbar und vermehrt euch“ {Gen 1,28). Die Arbeit wird den eigentlichen Zielen des Menschen und der Menschheit untergeordnet, wobei die Familie als interpersonale Gemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die zur Weitergabe des Lebens an die Kinder berufen sind, den ersten Platz einnimmt; die Kinder sind die neuen, gleichfalls als Bild und Gleichnis Gottes geschaffenen Personen. Deshalb wird die Kirche nicht müde zu bekräftigen: die Arbeit ist für die Familie da und nicht die Familie für die Arbeit. 333 REISEN 5. Dieses grundlegende und ewige Bild der menschlichen Arbeit möchte ich dem Bewußtsein aller einprägen, die in dieser Region Venezuelas ein neues, wachsendes und blühendes Arbeitsfeld gestalten oder schaffen. Der große Konflikt zwischen Arbeit und Kapital Erlaubt mir, daß ich in den gegenwärtigen Verhältnissen von Ciudad Guayana, das sich im wesentlichen um und aufgrund der Industriearbeit entwickelt hat, mit Menschen, die aus allen sozialen Schichten kommen: Arbeitern, Technikern und Fachleuten, einige zentrale Gedanken meiner Enzyklika Laborem exercens über die menschliche Arbeit in Erinnerung bringe. 6. Der Schlüsselgedanke der ganzen Enzyklika ist das „zugrundeliegende Problem der menschlichen Arbeit“ (Nr. 11), das zu der Aussage führt, wonach „am Anfang der menschlichen Arbeit das Geheimnis der Schöpfung steht“ (Nr. 12). So gesehen und unter Berücksichtigung „der verschiedenen geschichtlichen Erfahrungen“ erscheint das Problem der Arbeit als „eine große Wirklichkeit, die mit dem Menschen - als ihrem Subjekt - und mit seinem vernünftigen Handeln eng verbunden ist“ (Nr. 11). Trotz der Mühe und Anstrengung, die sie erfordert, „bleibt die Arbeit dennoch ein Gut“. „Dieser durchaus positive und schöpferische, erzieherische und verdienstliche Charakter der menschlichen Arbeit muß die Grundlage der Wertungen und Entscheidungen bilden, die heute für den Bereich der Arbeit getroffen werden, und dies auch hinsichtlich der subjektiven Rechte des Menschen“ (ebd.). Ebenso ist es deshalb notwendig, „das Prinzip des Vorranges der Arbeit gegenüber dem Kapital“ (Nr. 12) stets an erste Stelle zu setzen. Im Licht dieses Prinzips muß der „große Konflikt“ studiert werden, der zwischen der „Welt des Kapitals“ und der „Welt der Arbeit“ aufgebrochen ist und seit zweihundert Jahren noch immer auftritt (Nr. 11). Wenn man anerkennt, daß die Arbeit und das.Kapital untrennbare Komponenten des Produktionsprozesses sind, erweist sich, wenn man den Antagonismus zwischen ihnen überwinden will, eine dauernde Abstimmung legitimer Interessen und Bestrebungen als notwendig; eine Abstimmung zwischen denjenigen, die über die Produktionsmittel verfügen, und den Arbeitern. „Der legitime Einsatz zur Sicherung der Rechte von Arbeitnehmern derselben Berufsgruppe muß allerdings immer den Beschränkungen 334 REISEN Rechnung tragen, welche die allgemeine Wirtschaftslage des Landes auferlegt. Die gewerkschaftlichen Forderungen dürfen nicht in Gruppenoder Klassenegoismus ausarten, wenngleich sie im Interesse des Gemeinwohls der ganzen Gesellschaft auch auf die Verbesserung all dessen abzielen können und müssen, was im System des Eigentums an den Produktionsmitteln oder in der Art, sie einzusetzen und über sie zu verfügen, fehlerhaft ist“ (Nr. 20). Im Zeitalter der Mechanisierung der Arbeit, wie sie im Ciudad Guayana entsteht, darf der Mensch seinen ihm vom Schöpfer geschenkten privilegierten Platz nicht verlieren: nämlich Träger der Arbeit und nicht Sklave der Maschine, der Technik zu sein. Die Technik wird verstanden als „die Gesamtheit der Instrumente, deren sich der Mensch bei seiner Arbeit bedient“, sie ist „zweifellos eine Verbündete des Menschen“, weil sie „ihm die Arbeit erleichtert, vervollkommnet, beschleunigt und vervielfältigt“. Doch die Technik kann sich aus einer Verbündeten in eine Feindin des Menschen verwandeln, „wie etwa dann, wenn die Mechanisierung der Arbeit den Menschen verdrängt und ihn jeder persönlichen Befriedigung und des Ansporns zu Kreativität und Verantwortung beraubt, wenn sie viele Arbeitnehmer um ihre Beschäftigung bringt oder durch die Verherrlichung der Maschine den Menschen zu deren Sklaven macht“ (Nr. 5). Deshalb muß das „Evangelium der Arbeit“ an die konkrete Alltagsarbeit herangetragen werden, indem wir die Botschaft Jesu in der Arbeit leben und wissen, daß Christus dem Arbeiter in seinem konkreten Leben nahe ist, daß er zur Welt der Arbeit gehört und daß diese auch das Zeichen seines Kreuzes trägt: Leiden, Mühe, Enttäuschung und Schmerz. Das ist auch der Weg der Kirche: der heutigen Welt der Arbeit näher zu sein. 7. Dieses Bild der Arbeit, das die kirchliche Soziallehre im Wort des lebendigen Gottes als Erbschaft empfängt, während es auf die stets lebendigen Erfahrungen der Welt der menschlichen Arbeit baut, hat jedoch noch einen anderen zentralen Bezugspunkt. Im Evangelium des heutigen Tages haben wird die Worte über den „Sohn des Zimmermanns“ {Mt 13,55) gehört. Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, gleichen Wesens mit dem Vater, ist als ewiges Wort Mensch geworden. Und als Mensch hat er während vieler Jahre seines verborgenen Lebens in Nazaret an der Seite des hl. Josef gearbeitet, der für die Menschen sein „Vater“ war. Darum wurde er „der Sohn des Zimmermanns“ genannt, denn Josef war Handwerker, Zimmermann. Jesus von Nazaret hat viele Jahre seines Lebens, das als ganzes messianische Sendung war, manuelle Arbeit vollbracht. 335 REISEN Auf diese Weise hat er die menschliche Arbeit mit dem Werk der Erlösung der Welt verbunden und zugleich die Würde dieser Arbeit bekräftigt, die ihren Ursprung in Gott hat. Darum blicken die arbeitenden Menschen und besonders jene, die manuell tätig sind, mit Recht auf den hl. Josef und den „Sohn des Zimmermanns“; sie suchen in ihnen die Bestätigung der wesentlichen Werte der Arbeit und der Würde, die dem arbeitenden Menschen entspricht. 8. Während ich zu den Industriearbeitern in dieser Region Venezuelas spreche, möchte ich mit unserer eucharistischen Gemeinschaft und mit dieser Homilie auch die großen Scharen von Menschen umfangen, die irgendwo arbeiten, vor allem jedoch die, die auf dem Land arbeiten: die Campesinos. Ja, die Camposinos, denn: „Ihr seid eine dynamisierende Kraft beim Aufbau einer Gesellschaft mit mehr Teilhabe“ (Puebla, 1245); und trotzdem wird euch - vielen von euch - die Möglichkeit verwehrt, „an Entscheidungen bezüglich eurer Arbeitsleistung teilzunehmen“, oder es wird euch „das Recht auf freie Vereinigung für einen berechtigten sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Fortschritt verweigert“ (Laborem exercens, Nr. 21); und trotzdem bietet ihr weiterhin „der Gesellschaft die für den täglichen Lebensunterhalt erforderlichen Güter“ (ebd.). Darum will ich erneut die große Würde eures Auftrags und eurer Person bekräftigen, die nicht minderwertiger ist als die irgendeiner anderen Gesellschaftsklasse. Lebt also euer Dasein als Campesinos mit Würde, mit dem Wunsch, es zu bewältigen, mit Solidaritätsgefühl untereinander, und unterlaßt nicht, von euren Feldern den Blick und das Herz emporzurichten zu Gott. Richtet ihn empor mit einem Gebet. 9. Hier das, was der Psalm der heutigen Liturgie verkündet: „Ehe die Berge geboren wurden, die Erde entsteht und das Weltall, bist du, o Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Du läßt die Menschen zurückkehren zum Staub und sprichst: ,Kommt wieder, ihr Menschen! <89> Denn tausend Jahre, sind für dich wie der Tag, der gestern vergangen ist, wie eine Wache in der Nacht“ (Ps 90,2-4). <89> In einer Atmosphäre sichtbarer kindlicher Liebe, der Begeisterung und Freude bin ich in dieser „sehr edlen und treuen“ Stadt San Francisco de Quito, der Wiege der ekuadorianischen Nation und dem Sitz der alten Hauptstadt der Quitas und der Inka Atahualpa, empfangen worden. Es ist das erste Mal, daß der Papst dieses schöne Land Lateinamerikas, Ekuador, besucht. Die Vorsehung hat es gefügt, daß mein Besuch mit dem 450-Jahr-Jubiläum der Gründung dieser Stadt und des Beginns der Evangelisierungsarbeit auf dem Boden Ekuadors zusammenfällt. Diese Evangelisierungstätigkeit bestand zugleich in menschlicher Förderung und christlicher Zivilsation, wie die Erziehungseinrichtungen, die großartigen Werke der Kunst und die in erster Linie religiösen Baudenkmäler beweisen, die Herrliche Worte! Tiefe Worte! Sie schließen den Lobpreis an den Schöpfer ein, der ewig und allmächtig ist. Sie schließen die Wahrheit über den Menschen ein, der über diese Erde geht: seine Jahre und Tage sind gezählt. Darum lautet das inständige Gebet des Psalmisten: „Unsere Tage zu zählen, lehre uns! Dann gewinnen wir ein weises Herz“ (Ps 90,12). Und das ist das Erste. 336 REISEN Und das Zweite: „Sättige uns am Morgen mit deiner Huld! Dann wollen wir jubeln und uns freuen all unserer Tage“ (Ps 90,14). Und schließlich das Wichtigste: „Zeig deinen Knechten deine Taten und ihren Kindern deine erhabene Macht!“ (Ps 90,16). Zusammen mit allen Arbeitern von Ciudad Guayana und ganz Venezuela bitte ich als Hirte der Kirche Gott, worum vor Jahrhunderten der Psalmist gebetet hat: daß die Arbeit für euch, liebe Brüder und Schwestern, zur Teilnahme am göttlichen Werk der Schöpfung und Erlösung werden möge; daß sie für euch und für eure Kinder die Garantie der Herrlichkeit Gottes sei. Gott segne euch und eure Arbeit! Und die Selige Jungfrau, Unsere Liebe Frau von Valle, begleite euch immer! Wertvoller Beitrag der „Basisgemeinden“ Ansprache an die Bischöfe, Priester, Ordensleute und Seminaristen in der Kathedrale von Quito (Ekuador) am 29. Januar Herr Kardinal! Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Diözesan- und Ordenspriester, Seminaristen und Anwärter auf das Priesteramt! <90> <90> In einer Atmosphäre sichtbarer kindlicher Liebe, der Begeisterung und Freude bin ich in dieser „sehr edlen und treuen“ Stadt San Francisco de Quito, der Wiege der ekuadorianischen Nation und dem Sitz der alten Hauptstadt der Quitas und der Inka Atahualpa, empfangen worden. Es ist das erste Mal, daß der Papst dieses schöne Land Lateinamerikas, Ekuador, besucht. Die Vorsehung hat es gefügt, daß mein Besuch mit dem 450-Jahr-Jubiläum der Gründung dieser Stadt und des Beginns der Evangelisierungsarbeit auf dem Boden Ekuadors zusammenfällt. Diese Evangelisierungstätigkeit bestand zugleich in menschlicher Förderung und christlicher Zivilsation, wie die Erziehungseinrichtungen, die großartigen Werke der Kunst und die in erster Linie religiösen Baudenkmäler beweisen, die 337 REISEN diese Stadt schmücken, die mit gutem Recht zum „kulturellen Erbe der Menschheit“ erklärt wurde. Es ist für mich ein Anlaß zu tiefer Freude, daß ich - als ersten Akt meines Besuches - eine Begegnung mit den Bischöfen der Teilkirchen haben kann, die darum baten, bei dieser Gelegenheit von den Diözesan- und Ordenspriestern, den Seminaristen und Studenten der kirchlichen Wissenschaften, die sich auf das Priestertum vorbereiten, umgeben zu sein. Als Nachfolger des Petrus, dem die Verantwortung obliegt, die Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32), will ich mit euch kurz einige Überlegungen anstellen, um euch in der Erfüllung eures pastoralen Sendungsauftrags zu ermutigen und zu stärken. 2. Diese Begegnung mit euch Bischöfen der Kirche in Ekuador erscheint mir wie eine natürliche Fortsetzung eures kürzlichen Ad-limina-Besuches, der mit der Heiligsprechung von Bruder Miguel zusammenfiel. Bei dieser Gelegenheit hatte ich die Möglichkeit, mit euch die wichtigsten Probleme eurer apostolischen Arbeit zu erörtern. Unter diesen möchte ich heute neuerlich die Aufmerksamkeit und Sorge betonen, die die Volksfrömmigkeit, die seelsorglichen Optionen für die Anwendung des Dokuments von Puebla, die Evangelisierung und Katechese, der verstärkte Ausbau der sozialen Kommunikationsmittel der Kirche, die christliche Erziehung auf allen Ebenen, die Formung des sozialen Gewissens der Gläubigen im Hinblick auf eine bevorzugte, aber nicht ausschließliche Option für die Armen und eine volle christliche Befreiung, wie sie in den kirchlichen Dokumenten wie Evangelii nuntiandi, dem Dokument von Puebla und der Instruktion der Glaubenskongregation über „Einige Aspekte der ,Theologie der Befreiung <91> “ präzisiert wird, verdienen. Heute nachmittag will ich gerade bei dieser Begegnung in besonderer Weise für eure besondere Sorge für das Priester- und Ordensleben danken sowie für die ausgezeichnete Pastoral der Priester- und Ordensberufe und deren angemessene Ausbildung. Ihr wißt gut, daß das ein wesentlicher und absolut vorrangiger Aspekt eures Hirtenamtes ist. <91> In einer Atmosphäre sichtbarer kindlicher Liebe, der Begeisterung und Freude bin ich in dieser „sehr edlen und treuen“ Stadt San Francisco de Quito, der Wiege der ekuadorianischen Nation und dem Sitz der alten Hauptstadt der Quitas und der Inka Atahualpa, empfangen worden. Es ist das erste Mal, daß der Papst dieses schöne Land Lateinamerikas, Ekuador, besucht. Die Vorsehung hat es gefügt, daß mein Besuch mit dem 450-Jahr-Jubiläum der Gründung dieser Stadt und des Beginns der Evangelisierungsarbeit auf dem Boden Ekuadors zusammenfällt. Diese Evangelisierungstätigkeit bestand zugleich in menschlicher Förderung und christlicher Zivilsation, wie die Erziehungseinrichtungen, die großartigen Werke der Kunst und die in erster Linie religiösen Baudenkmäler beweisen, die Ich freue mich, daß ihr euch lebendig eurer Pflicht bewußt seid, in Ekuador Gemeinden aufzubauen, die reich an Glauben und dynamisch in ihrem Einsatz für die Gerechtigkeit sind. Ein Glaube, der erhellt, geleitet und mit allen Mitteln unterstützt wird. Darum hat es mich befriedigt festzustellen, daß ihr bei der geistlichen Vorbereitung des ekuadorianischen Volkes auf den Papstbesuch die Glaubensverkündigung intensiviert und viele Tausende von Bibelexemplaren verteilt habt. Dazu kamen die Missionen und christlichen Versammlungen, in denen die Themen 338 REISEN „Wahrheit über Jesus Christus“, „Wahrheit über die Kirche“ und „Wahrheit über den Menschen“ entfaltet wurden. Sorgt mit allem Eifer dafür, daß diese Evangelisierung den Gläubigen eine Antwort der Umkehr und des lebendigen Glaubens ergibt. Dafür muß die Heilsbotschaft vorgelegt werden, wobei die konkrete heutige Situation, in der euer Volk lebt, sehr genau berücksichtigt werden sollte; damit das Evangelium durch die persönliche Bekehrung der evangelisierten Menschen die Wende, die die lateinamerikanische Gesellschaft fordert, wirksam beeinflussen kann. Achtet sorgfältig auf die Soziallehre der Kirche, die gültige Antworten auf den so stark empfundenen Durst nach Gerechtigkeit geben kann, um eine größere brüderliche Gleichheit zu fördern, die eine solide Grundlage für den Frieden bildet und die in euren Gläubigen den Dualismus zwischen Religion und Leben, zwischen Glaube und Sittlichkeits- und Gerechtigkeitsempfinden beseitigt. Ich möchte euch dazu ermutigen, bei diesem anspruchsvollen Bemühen würdige Nachfolger einer langen Reihe von Bischöfen zu sein, die die christliche Herde dieses Gebietes seit der Errichtung des Bischofssitzes von Quito im Jahre 1545 mit großem seelsorglichem Empfinden geweidet haben. Unter euren Vorgängern hat es Prälaten von glühendem missionarischem Eifer gegeben, wie Fray Pedro de la Pena, der auf seinen erschöpfenden Pastoralbesuchen ein ausgedehntes Territorium bereiste, oder Msgr. Cesar Antonio Mosquera, der sich Haus für Haus bis zu den Ärmsten seiner Gläubigen heranarbeitete; Prälaten von heiligmäßiger und strenger Lebensführung, wie Fray Jose Maria Yerovi, der hochw. Jose Ignacio Checa y Barba oder Bischof Juan Maria Riera; Prälaten, die ihren pastoralen Eifer der katholischen Erziehung widmeten, wie Fray Luis Lopez de Solis, der Gründer des ersten Kollegs in Quito, des Kollegs und Seminars San Luis, oder wie Kardinal Carlos Maria de la Torre, Gründer der Päpstlichen Katholischen Universität von Ekuador; weise Prälaten, die mit ihren Schriften zum Fortschritt der kirchlichen und der Humanwissenschaften beitrugen, wie der hochwürdige Alonso de la Pena y Montenegro, Verfasser des Seelsorgswerkes „Itinerario para pärrocos de indios“ (Handbuch für die Pfarrer der Indios), oder wie Erzbischof Federico Gonzalez Suarez, Verfasser der „Allgemeinen Geschichte der Republik Ekuador“. Durch diese Beispiele aus der Geschichte erleuchtet und gestärkt durch den Heiligen Geist, der euch an die Spitze der Herde gestellt hat, damit ihr für die Kirche Gottes sorgt, die Christus sich durch sein Blut erworben hat (vgl. Apg 20,28), setzt eure pastorale Arbeit fort und sucht nach einer 339 REISEN Antwort auf die Bedürfnisse und Probleme, die die Kirche heute in Ekuador erfährt. 3. Ich wende mich jetzt an euch, liebe hier anwesende Priester, und an alle Priester Ekuadors, die durch Delegationen ihrer Diözesen oder Gemeinden vertreten sind. Ich ermahne euch, über eure priesterliche Identität und über den Auftrag, den ihr in der Kirche habt, im Licht des Priestertums Christi nachzudenken. So werdet ihr euer Dasein und besonderes Wirken mit Freude, Begeisterung und Optimismus annehmen. Jeder Priester zeichnet seine Physiognomie als Nachfolge und Nachahmung des Guten Hirten. Seine grundlegende Option für Christus wird, gestärkt durch dauernde Heiligung, zum „Charakter“. Dieser wird durch das Sakrament der Priesterweihe empfangen als Gabe oder Charisma des Heiligen Geistes und läßt ihn an der Salbung und priesterlichen Sendung Christi teilhaben. Als notwendiger Mitarbeiter des Bischofs ist er zum qualifizierten Dienst an der kirchlichen Gemeinde eingesetzt, um „in der Person des Hauptes Christi handeln zu können“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 2). Die priesterliche Erscheinung und Spiritualität wird im wesentlichen von der seelsorglichen Liebe oder der eigenen Askese des Seelenhirten bestimmt, der dadurch, daß er sein Amt im Geist Christi ausübt, seine Heiligkeit erlangt. Diese seelsorgliche Liebe kommt der radikalen Nachfolge des Guten Hirten mit Hilfe der Tugenden der Demut im Amt, des Gehorsams, der Keuschheit und der Armut gleich, die so etwas wie das Zeichen und der Anreiz der Liebe und das Merkmal einer tiefen Freundschaft mit dem Höchsten Priester sind. Um zu einem Gleichgewicht oder einer Einheit des Lebens zu gelangen und die Extremhaltungen eines körperlosen Spiritualismus oder eines weltlichen Verhaltens zu vermeiden, muß man sich an das vertraute Gespräch mit Christus gewöhnen, damit man von ihm die Abstimmung auf die Heilspläne Gottes und die Nähe zum Menschen in seiner konkreten Situation lernt. Die Eucharistiefeier wird, wenn sie vorbereitet, genossen und gelebt wird, besonders bei der gemeinsamen Zelebration, stets der wahre Ausgleich sein, weil ja „die Heiligste Eucharistie das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle enthält“ und „sich als Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation zeigt“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Ich will euch, meine lieben Priester, daran erinnern, daß ihr nicht isoliert leben oder tätig sein könnt. Ihr müßt mit Hilfe der anderen Welt- und Ordenspriester die Priesterschaft als Familie und sakramentale Bruderschaft aufbauen, als Ort, an dem der Priester all den besonderen Mitteln 340 REISEN der Heiligung und Evangelisation begegnet. Euer Priestertum wird dann ein wirksames Zeichen der Heiligung und Evangelisation sein, wenn in ihm die Merkmale des Abendmahlssaales, das heißt das Gebet und die Brüderlichkeit der Apostel mit Maria, der Mutter Jesu (vgl. Apg 1,14), sichtbar festzustellen sind. Gerade diese Kathedrale, in der wir unsere Begegnung abhalten und die der Aufnahme der Jungfrau Maria in den Himmel geweiht ist, ist - mit ihrer wunderbaren künstlerischen Gestaltung - ein Symbol eurer brüderlichen Priesterwirklichkeit, die aktiv auf ein neues Kommen des Heiligen Geistes hofft. 4. Die Diözesanpriester möchte ich im besonderen auffordern: schaut auf eure zahlreichen Brüder, die sich der Kirche in den opfervollsten Aufgaben und in den ärmsten und abgelegensten Pfarreien widmen! Sie verstanden es dort, den christlichen Glauben heranzubilden und bei der menschlichen Förderung ihrer Gläubigen zu helfen, indem sie ihnen ihre Würde als Menschen und als Kinder Gottes bewußter machten. So haben sie die katholische Grundlage der Kultur eurer Völker gefestigt. Ihr Dienst ist ein wirkliches Zeugnis der bevorzugten Option für die Armen und ein wirksamer Beweis für die wertvolle Ausbildung gewesen, die sie unter anderem im Priesterseminar „San Jose“ in Quito erhalten haben. Euch Ordenspriester will ich auf die Bedeutung eures durch das Gelübde der evangelischen Räte geweihten Lebens hinweisen. Ich bin mir des wertvollen Dienstes bewußt, den die Ordensinstitute im Laufe der Geschichte für das Leben der Kirche in Ekuador geleistet haben und heute leisten. Wie viele Leben, die sich für das Evangelium und die Erhöhung des Menschen aufgeopfert haben! Die berühmte „Schule von Quito“ für Bildhauerei und Malerei, die uns an Eingeborenennamen, wie Pampite oder Caspicara, erinnert, ist ein schönes Beispiel dafür. Eure radikale Nachfolge Christi werde euch zum klaren Kennzeichen der Bergpredigt. Und dieser Weg im Rahmen eures vom Stifter ausgehenden Charismas lasse euch eure besondere Zugehörigkeit zur Teilkirche und zum Presbyterium entdecken, dessen Haupt der Bischof ist (vgl. Christus Dominus, Nr. 28), stets im Dienst der örtlichen und universalen kirchlichen Gemeinschaft. Euch alle, Diözesan- und Ordenspriester, bitte ich, der wahren, vom Zweiten Vatikanischen Konzil angeregten Erneuerung treu zu sein entsprechend den auf den Konferenzen von Medellin und Puebla anerkannten Leitlinien. Setzt zugleich die Weisungen eurer Bischöfe, die in der „Programmatischen Erklärung“ und in den „Seelsorgsoptionen“ enthalten sind, in die Praxis um. 341 REISEN Durch den wertvollen Beitrag der Ordensschwestern sowie auch der kleinen Gemeinschaften, wie der „Basisgemeinden“ und anderer apostolischer Laienverbände sollen eure Pfarreien, stets in herzlicher Verbundenheit mit den Bischöfen, eine Neubelebung erfahren. Fördert ebenso in der christlichen Gemeinschaft die verschiedenen Ämter und Dienste der engagierten Laien, indem ihr sie auf den Weg der Vervollkommnung, der Hingabe an das Apostolat, des unauffschiebbaren Einsatzes zu Gunsten der Gerechtigkeit und der Festigung der Sittlichkeit im gesamten öffentlichen Leben führt. Dazu vermittelt ihnen eine solide sittliche Formung und ermahnt sie, der kirchlichen Soziallehre zu folgen. 5. Ihr, liebe Seminaristen und Anwärter auf das Priesteramt, wißt, daß der Papst in euch die Hoffnung auf eine bessere Zukunft im Leben und Wirken der Kirche setzt. Eine besondere Freude empfinde ich, zu erfahren, daß dank des erneuerten Aufschwungs, den die Pastoral der Berufe erlebt hat, in diesen Jahren die Zahl der Seminaristen, der Anwärter auf das Priesteramt und auf das Ordensleben zugenommen hat. Es wurden neue Seminare gegründet, und man erlebte eine bemerkenswerte Entfaltung der Philosophisch-Theologischen Fakultät der Päpstlichen Katholischen Universität von Ekuador, die das gemeinsame Zentrum kirchlicher Studien für die Anwärter auf das Priesteramt ist. Meine lieben, jungen Leute, lebt diese wichtige Zeit eures Lebens mit Freude und Verantwortung! Bildet euch mit Christus durch das Gebet und die praktische Verwirklichung der Tugend. Ihr müßt euch eine solide geistliche, pastorale, menschliche und intellektuelle Bildung aneignen, die darauf abzielen muß, daß ihr zusammen mit der den Bedürfnissen der Zeit und des Ortes angepaßten allgemeinen Kultur in erster Linie eine weitreichende und solide Kenntnis der kirchlichen Disziplin in Treue zum Lehramt der Kirche erwerbt. Ihr müßt auch die erforderlichen Sprachen lernen, und das nicht nur für eure eigene Bildung, sondern auch für das pastorale Dienstamt, sowie auch die Sprache der Eingeborenen. All diese Konzilsanweisungen werdet ihr, auf euren Dienst angewandt, in der von der Bischofskonferenz Ekuadors ausgearbeiteten Ratio Institutio-nis sacerdotalis antreffen. 6. Liebe Brüder! In derselben Liebe zu Christus und zu seiner Kirche vereint, wollen wir schließen, indem wir unser Herz den Worten des Apostels Petrus öffnen. Sie sollen meinen Wunsch für eine intensive Vorbereitung auf das 500-Jahr-Jubiläum der Evangelisierung Lateiname- 342 REISEN rikas zum Ausdruck bringen. Sie sollen ein dringender Aufruf an eure missionarische Verfügbarkeit für Ekuador und außerhalb des Landes sein: „Eure Ältesten ermahne ich, da ich ein Ältester bin wie sie und ein Zeuge der Leiden Christi und auch an der Herrlichkeit teilhaben soll, die sich offenbaren wird: Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes, nicht aus Zwang, sondern freiwillig, wie Gott es will; auch nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Neigung; seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde! Wenn dann der oberste Hirte erscheint, werdet ihr den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen“ (1 Petr 5,14). Maria, unsere Mutter, führe uns auf diesem Weg. Amen. Vor allem: Qualität des Programms Rundfunkbotschaft beim Besuch der kathoüschen Radiostation in Quito (Ekuador) am 30. Januar 1. Von diesen Mikrophonen von Radio Catölica Nacional in Ekuador mit seinen zahlreichen Sendern, die über ganz Ekuador verteilt sind, grüße ich alle recht herzlich, die in der sozialen Kommunikation arbeiten: die Vertreter der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens sowie die Personen und Berufsgruppen, die die Gesamtheit der modernen Informationsunternehmen umfaßt. Mein persönlicher Dank gilt allen - darunter auch dem Ekuadorianischen Fernsehen -, die in diesen Tagen eine einzigartige berufliche und technische Anstrengung unternehmen , die es mir ermöglicht, auch diejenigen zu erreichen, die ich aus verschiedenen Gründen nicht persönlich während meines Aufenthaltes in Ekuador treffen kann. Ich kenne die Bedeutung der sozialen Kommunikationsmittel, deren Bedeutung in der Zukunft noch zunehmen wird und die Ausdruck der menschlichen Existenz als soziales Wesen sind, recht gut. 2. Eure so begeisternden wie auch delikaten Tätigkeiten dienen dem Menschen und seiner Vervollkommnung, jedem Menschen. Das verlangt an erster Stelle, daß als die eigentliche Wurzel jeder Tätigkeit immer die unbestechliche Objektivität und der Respekt vor der Würde des Menschen steht. Auf diesem Gebiet muß die Freiheit, Meinungen zu haben 343 REISEN und auch auszudrücken, im Einklang mit den Geboten eines rechten Gewissens gewährleistet sein. Aber daraus leitet sich auch ab, daß ein angemessenes Klima der Freiheit für die Stärke und den wirkungsvollen Dienst der sozialen Kommunikation unabdingbar ist. Ich weiß, liebe Ekuadorianer, die ihr auf diesem Gebiet arbeitet, daß ihr hier auf eine stolze Tradition zurückblicken könnt, die ihr auch standhaft verteidigt. Ich fordere euch auf, sie von Mal zu Mal besser zu verstehen und zu reinigen, sie vor den Gefahren, denen sie ausgesetzt ist, zu schützen und sie mit der moralischen Tiefe auszustatten, die ihr zusteht. Ihr dürft aber nicht vergessen, daß eure Freiheit da aufhört, wo die Rechte der anderen beginnen. Diese Grenze findet ihr häufig bei dem nötigen Respekt vor dem Intimbereich und dem guten Ruf von Personen und Institutionen. Ich möchte noch hinzufügen, daß ihr nie maßlosen Partikularinteressen, die darauf aus sind, sich auf Kosten des Gemeinwohls zu bereichern, zu Diensten sein dürft. Im Gegenteil, habt den Mut, euch auf Dinge zu verpflichten, die das auch wert sind: auf die Moral auf allen Ebenen, die Freiheit, die Gerechtigkeit, den Frieden, die Brüderlichkeit, die Rechte jeder einzelnen Person und die soziale Verbesserung. Diese Dinge treten täglich im Laufe der Ereignisse auf. Sie benötigen jemanden, der ihnen Aufmerksamkeit schenkt, der sie mit richtigem Augenmaß erkennt und der die anderen über die Richtungen aufklärt, die man immer wieder unermüdlich zur Überwindung der Konflikte einschlagen muß. Gott möge euch für eure Bemühungen in dieser Richtung segnen und euch für eure besten Bestrebungen in Zukunft ermutigen. 3. Die gegenwärtige Kultur, die sich so oft am Rand der christlichen Ideale befindet, stellt euch bekannte Herausforderungen auf, auf die ihr antworten müßt. Was für eine große Verantwortung für die Erziehung der Völker obliegt den Medien der sozialen Kommunikation! Und wie viele Versuchungen bedrohen euch in eurer täglichen Arbeit: Pressure-Groups, wirtschaftliche Interessen, leichter Profit, permissive Moral, Sensationslust, Anstiftung zum Haß und zur Gewalt! Erlaubt mir, daß ich euch jetzt darum bitte, in eurer Arbeit nicht die große, entscheidende Kommunikation zu vergessen, die Gott euch durch seinen Sohn Jesus Christus übermitteln wollte: die Frohe Botschaft, das Evangelium. Euer Tun muß sich, wie nur weniges andere, vom fruchtbaren Boden der Wahrheit nähren, die Christus ist, dessen erlösender Widerschein in jeder menschlichen Geste aufleuchtet und die noch so flüchtige Chronik der täglichen Ereignisse erhellt. Möge euch das Licht 344 REISEN des Lebens, Christus, beim Verständnis und der Weitergabe dessen, was geschieht, helfen, um so zur Bildung einer reifen und wohlorientierten öffentlichen Meinung beizutragen. Sucht selbst aufrichtig dieses Licht, macht es euch zu eigen durch die Liebe, verbreitet es und bewahrt es in Treue und Einheit mit der Kirche. 4. Das Zweite Vatikanische Konzil weist in seinem Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel ausdrücklich darauf hin, daß „vor allem die gute Presse zu fördern (ist). Um jedoch die Leser ganz mit christlichem Geist zu erfüllen, soll auch eine katholische Presse gegründet und gefördert werden, die diesen Namen wirklich verdient“ (Inter mirifica, Nr. 14). Es ist beruhigend, solche Errungenschaften wie diese hier von „Radio Catölica National“ in Ekuador vorzufinden. Dieses Radio wird mit der Hilfe Gottes ein wichtiges Instrument zur Evangelisierung und Unterrichtung breiter ekuadorianischer Bevölkerungskreise sein. Die Technik des Rundfunks im Dienst des Evangeliums könnte — und so zeigen es uns die Bischöfe und Priester anderer, besonders katholischer Sender - eine wertvolle Hilfe bei der Verbreitung des Gotteswortes sein, damit es in so vielen entlegenen Gebieten des Landes vernommen werden kann, wohin aufgrund des Mangels an Priestern oder anderen Pastoralhel-fern diese nicht mit der gewünschten Regelmäßigkeit gelangen können. Die Botschaft des Evangeliums und die Lehre der Kirche könnte so viele Orte und Menschenherzen erreichen, die das erhellende, unterweisende und tröstende Wort benötigen. Diese Tatsache sollte die Hirten dazu ermutigen, auch die Chance zur Evangelisierung zu nutzen, die ihnen die Fernsehprogramme bieten. Neben dieser spezifisch evangelisierten Mission des Radios wird dabei auch die nicht weniger bedeutende Arbeit der Erziehung und des Unterrichts nicht fehlen. Die Kirche von Ekuador, entschieden bemüht um die Fortbildung des Menschen, wird so auf wirkungsvolle Mittel zählen können, um bei der kulturellen, der gesundheitlichen, der Alphabetisierungsund anderen Erziehungskampagnen auf allen Ebenen mitzuarbeiten. Gleichzeitig wird sie objektive und im Dienst der Wahrheit stehende Information anbieten können, wenn diese nicht in dem gebührenden religiösen oder menschlichen Rahmen verbreitet wird. 5. Euch allen, die ihr hier in Radio Catölica Nacional von Ekuador, Ausdruck einer glücklichen evangelisierenden Initiative, arbeitet, möchte ich das wiederholen, was ich schon den ekuadorianischen Bischöfen bei 345 REISEN ihrem letzten Ad-limina-Besuch sagte: Zählt auf meine Ermutigung, auf meinen Dank und mein Lob. Ich ermutige euch, in euren Bemühungen fortzufahren, um aus diesem Instrument das zu machen, was die Kirche benötigt, hier und jetzt, damit nicht nur die technische Perfektion, sondern vor allem die Qualität des Programms wirkungsvoll dem Wohl der Kirche und der Fortbildung der Brüder diene. Euch und allen, die ihr in Ekuador in der Welt der sozialen Kommunikationsmittel arbeitet, möchte ich meine volle Anerkennung ausdrücken und für euch den Schutz und das Geleit des hl. Franz von Sales, eures Schutzpatrons, erbitten. Ich sehe hier unter den Anwesenden auch die ehrenwerte Gruppe von Personen, die der Ekuadorianischen Bischofskonferenz bei ihrer Arbeit behilflich ist. Ihr seid im Besitz des Privilegs, im Herzen der Teilkirche, die in diesem geliebten Land lebt, arbeiten zu dürfen. Ihr müßt folglich eine besondere Verantwortung spüren, um das Maß zu erfüllen, das Gott von euch bei eurer Hingabe für die tägliche Arbeit verlangt. Ich wünsche euch: Harret aus und sucht euch ständig zu verbessern. Schenkt der Kirche so viel Liebe, daß ihr ihr eine wirkungsvolle Hilfe und euren Hirten Erholung und Trost sein könnt. 6. Euch allen, die ihr mich hier über Radio Catölica Nacional von Ekuador und über den großen Rundfunksender AER (Asociaciön Ecua-toriana de Radiodifusiön) hört, besonders den Bewohnern der ländlichen Gebiete: des Urwalds, der Sumpfniederungen, der Ebene; den Menschen des Meeres, den Kranken und Gefangenen und allen, die ich in diesen Tagen nicht persönlich treffen kann, euch allen gilt mein herzlicher, väterlicher Gruß und mein Apostolischer Segen. Die wahre Liebe zur Welt beweisen Ansprache an die Jugend im Olympiastadion in Quito (Ekuador) am 30. Januar Liebe Jugend! 1. Ich kann meine Freude bei meiner Begegnung mit euch in diesem olympischen Stadion von Atahualpa nicht verbergen. Ich grüße euch herzlich und bedanke mich auch für eure herzliche Aufnahme dessen, der 346 REISEN zu euch als Freund und als Nachfolger des hl. Petrus kommt. Der Enthusiasmus und der lebhafte Klang eurer jugendlichen Stimmen wek-ken in meinem Geist Gefühle der Hoffnung. Mit euch fühlen die Kirche, Ekuador und die Welt, wie sich ihre Energien erneuern. Die majestätischen Anden, deren verschneite Gipfel uns zur Ehrung des Schöpfers einladen, bieten uns einen unvergleichlichen, natürlichen Rahmen für diese Feiern. 2. Wir haben soeben das Wort Gottes gehört. In dem gerade verlesenen Kapitel des Evangeliums stellt ein junger Mann Jesus die große Frage des menschlichen Daseins: „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Lk 18,18). Das ist die große Frage jedes Alters, aber in besonderer Weise desjenigen, der sich dem Leben öffnet. Es ist eure Frage, liebe Jugend: Wie erlange ich das Glück? Die Antwort Jesu läßt keine Zweifel aufkommen: „Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen. Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, ehre deinen Vater und deine Mutter!“ {Lk 19-20). Zusammenfassend hat Jesus geantwortet: Der Weg zum ewigen Leben ist der der Gebote; der der Liebe zu Gott, der allein vollkommen gut ist, kommt zuerst. Es ist der Weg der grundlegenden Anforderungen an die menschliche und christliche Moral. Die Antwort des Meisters ist voller Liebe zu dem jungen Mann, der ihm sagt: „Alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt“ {Lk 18,21). Dazu bemerkt der Evangelist Markus: „Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte...“ {Mk 10,21). Es war ein Blick, der zur Vertrautheit des jungen Mannes mit Christus aufrief, der danach verlangte, seinen Wünschen und Bemühungen einen Sinn zu geben, der eine gütige Antwort erhoffte. Als aber die Freundesstimme Jesu Forderungen stellt: „Eines fehlt dir noch: Verkauf alles, was du hast, verteil das Geld an die Armen... Dann komm und folge mir nach“ {Lk 18,22), antwortet der junge Mann nicht mit Liebe; er geht traurig weg, denn er war sehr reich (vgl. Lk 18,23). Wie sehr beeindruckt euch und mich die Entscheidung des jungen Mannes für den Reichtum und nicht für Gott! Diese Entscheidung, mit der er sich in seinem Egoismus verschließt, anstatt den anderen seinen Geist und seine Güter zu eröffnen. Das ist das große Drama so vieler Menschen heute, die sich mit ihrem Reichtum geistlich blind machen und aus dem Reich Gottes ausschließen (vgl. Ansprache in der Favela Vidigal, Rio de 347 REISEN Janeiro, 2. 7. 1980, 3,4), anstatt sich von der großen Aufgabe der Förderung der Gerechtigkeit in einer zunehmend gerechteren und folglich humaneren Gesellschaft bewegt zu fühlen (vgl. Ansprache in der Favela dos Alagados, Salvador de Bahia, 7. 7. 1980). Die Grundlage der Botschaft Christi von der Glückseligkeit liegt in der Unterordnung des Reichtums unter die Sache des Reiches. Sie liegt auch in der Option der Kirche für die Armen. Christus erwartet von euch den Beweis der Menschenliebe Was sagt euch das? Was bedeutet diese Stellungnahme für euch, junge Leute aus Ekuador? Wollt ihr euch traurig von Christus abwenden, um euch im sterilen Egoismus des Reichtums oder des unbeweglichen Herzens zu verschließen? Oder wollt ihr den Mitmenschen lieben und ihm auch unter Opfern eure Solidarität, Arbeit und Hilfe schenken, damit er menschlicher, freier, offener für Gott, kultivierter und brüderlicher sein kann? Christus erwartet von euch diesen Beweis der Menschenliebe, weil er sich den Menschen in seiner humanen und geistlichen Dimension immer würdiger wünscht, so auch in seinem Durst nach Gerechtigkeit und erlösender Gnade, in seinem Bestreben nach Befreiung von der Sünde und von den Zwängen, die seine Würde bedrohen. Eure Option für Christus schließt die Option für die Erhöhung des Menschen, des Ebenbildes Gottes, ein. 3. Die Option für Christus und für den Menschen, in seinem Licht betrachtet, hat in der Jugend von Ekuador wertvolle und eifrige Nachfolger gefunden. In den Felsschluchten des nahen und majestätischen Pichin-cha gab ein junger Held sein Leben und eroberte seinem Volk das große Gut der Freiheit. Das war Abdön Calderön. In dieser gleichen Heimat opferte eine junge Heilige, Mariana de Jesus, beispielhaft in blühender Jugend ihr Leben. Der hl. Bruder Miguel, der erst kürzlich zur Ehre der Altäre erhoben wurde, widmete sein Leben von Jugend auf ausschließlich der Hinführung der Kinder zu Christus. Mercedes de Jesus Molina, die ich seligsprechen werde, sorgte sich auch um die arme und verlassene Jugend. Und so zögerten Tausende und aber Tausende von jungen Menschen in Ekuador und der ganzen Welt nicht, ihr Leben aus Liebe zu Gott hinzugeben, wobei sie oft still und unbekannt blieben. Der Papst würde bei euch, junge Ekuadorianer, gern edle und hochherzige Seelen vorfinden, so wie sie der hl. Johannes in seinem ersten Brief beschreibt, wenn er sagt: „Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr 348 REISEN stark seid, daß das Wort Gottes in euch bleibt und daß ihr den Bösen besiegt habt“ (1 Joh 2,14). Ich weiß, daß zur Vorbereitung der Ankunft des Papstes einige von euch beim ersten nationalen Jugendpastoraltreffen gewesen sind. Das ausgewählte Thema ist sehr beredt und weitgreifend: „Christus in den jungen Menschen für eine neue Gesellschaft.“ Ich werde kurz auf die Punkte eurer Studie eingehen. 4. Beim Nachdenken habe ich eine Analyse der Realität eures Landes und der Stellung der Jugend in der ekuadorianischen Gesellschaft nicht unterlassen. Ein junger Mensch darf und kann die Augen vor der Welt, die ihn umgibt, nicht schließen. Christus lehrt ihn, die Welt mit einem kritischen Auge zu betrachten, um konsequent zu handeln. Nicht um unter den Dingen der Welt die irdischen Dinge zu heben oder bei ihnen stehenzubleiben (vgl. 1 Joh 2,15), sondern um sich über diese zu erheben, denn „wer... den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit“ {1 Joh 2,17). In diesem Zusammenhang erinnern wir uns an die Worte des Dokumentes von Puebla, das uns die konkreten Merkmale zeigt, an denen wir die Züge des leidenden Christus erkennen können, und das von „verunsicherten Jugendlichen“ spricht, „die ihren Platz in der Gesellschaft nicht finden und die, besonders in ländlichen und städtischen Randgebieten, wegen mangelnder Ausbildung und Beschäftigungsmöglichkeiten frustriert sind“ (Nr. 33). Bei eurem Treffen und bei anderen Einkehrtagen habt ihr gesehen, daß die ekuadorianische Jugend kein Opfer der Droge, des Alkoholismus, des Sex, der Gewalt, der systematischen Entfremdung von Gott oder eines Erziehungsystems, das die Religion offiziell nicht berücksichtigt, werden darf. Ihr habt auch festgestellt, daß die heutige Jugend in einer Konfliktwelt lebt, die voll von Problemen wie Macht, Wettbewerb und Massenkonsum ist. Darum wollt ihr zu Recht gegenüber dem Wettrüsten, dem Rassismus, den Verletzungen der Menschenrechte und der Würde des Menschen kritisch bleiben. Darum fühlt ihr wie am eigenen Leib die schwerwiegenden Probleme eurer an den Rand gedrängten Brüder, besonders der Indios und Gebirgsbewohner. Ihr leidet mit euren Eltern, Brüdern und Kameraden unter der schwierigen wirtschaftlichen Lage. Dort müßt ihr die wahre Liebe zur Welt beweisen, eure Liebe, Jugendliche, durch die ihr den Bösen besiegen wollt (vgl. 1 Joh 2,14). 5. Vor so vielen und so schweren Problemen könnte so manch einer die Versuchung zur leichten Lösung der Flucht, der Gleichgültigkeit oder der 349 REISEN Entmutigung verspüren. Aber der junge Christ fällt nicht, kann nicht in Hoffnungslosigkeit fallen. Der heilige Apostel Johannes wiederholt es euch: „Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr stark seid, daß das Wort Gottes in euch bleibt...“ (1 Joh 2,14). Ihr sollt wissen,daß ihr in eurem Kampf gegen das Böse und die Entmutigung nicht allein steht. Unter euch ist Christus, der Auferstandene, der gleiche, der zum endgültigen Vorbild für jeden Jugendlichen wurde. Er wuchs in seinem Zuhause von Nazaret heran, „und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,52). Deshalb beruhigt es mich, feststellen zu können, daß ihr entschlossen seid, nicht den Wegen der dem Glauben an Christus fernen Ideologien und Systeme zu folgen. In den Leitgedanken eurer Reflexion ist der besondere Enthusiasmus der Jugend sichtbar, den Herrn besser kennenzulernen, ihn in den frischen Seiten des Evangeliums zu entdecken, ihm mit Hochherzigkeit zu folgen, bis zur vollen Hingabe für das Reich. Eine neue Gesellschaft nach dem Willen Gottes aufbauen Ja, bis zur vollen Hingabe für ihn. Ihr selbst wißt in der Tat sehr wohl, daß die fleischliche Begierde, die Begierde der Augen und die Prahlerei mit dem Reichtum, von der der hl. Johannes spricht (vgl. 1 Joh 2,16), „nicht vom Vater kommt“ (ebd.), daß sie nicht euren Durst nach „unverfälschter“ Liebe stillen kann. Christus zeigt euch die wahre Liebe, indem er euch die Dimension des ewigen Lebens öffnet. Er zeigt euch das Geheimnis der christlichen Berufung, dieser Berufung, die sich sogar der gänzlichen Hingabe für ihn im Priesteramt oder im Gott und den Brüdern geweihten Leben öffnet. Warum nicht du, junger Ekuadorianer? Und wenn du den Ruf zum Familienleben und zur Ehe verspürst, hör nicht auf, von Christus die Liebe zu lernen, die mehr ist als solch unbefriedigender Liebesersatz wie der Genuß, der Sex, die Macht oder der Reichtum. Lerne von Christus die höhere Liebe, die opfervolle Liebe, die zu geben versteht, die schöne Liebe, die Liebe, die uns Maria, die Mutter der schönen Liebe, die „mater pulchrae dilectionis“, zeigt. Wenn ihr versteht, diese Liebe in eurem Leben aufzunehmen, dann habt ihr die Wahrheit des Wortes vom hl. Johannes begriffen: „Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr stark seid, daß das Wort Gottes in euch bleibt“ (1 Joh 2,14). 350 REISEN 6. Von den Themen, die ihr auf eurem nationalen Jugendpastoraltreffen behandelt habt, möchte ich eins hervorheben: „Der junge Mensch in der Kirche von heute“. Gemäß den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils habt ihr gesehen, daß wir alle, die Getauften, die Kirche sind, daß die Kirche auf die Jugend vertraut, die für sie Hoffnung auf eine fruchtbare Zukunft und Versprechen der Erneuerung ist. Ja, liebe Jugend, ich wiederhole euch gern mit Freude, was das Zweite Vatikanische Konzil verkündet hat, nämlich daß der Papst und die Kirche mit Vertrauen und Liebe auf euch bücken: „Die Kirche besitzt das, was die Kraft und die Freude der Jugend ausmacht: die Fähigkeit, sich über das, was beginnt, zu freuen, sich ohne Gegenleistung hinzugeben, sich zu erneuern und zu neuen Eroberungen aufzubrechen. Schaut, und ihr werdet in ihr das Antlitz Christi erkennen, des wahren, bescheidenen und weisen Helden, des Propheten der Wahrheit und der Liebe, des Gefährten und Freundes der Jugend“ (Botschaft des Konzils an die Jugend, 6). 7. Wenn ich noch einmal an den Ruf Christi: „Komm und folge mir nach!“ an den jungen Mann aus dem Evangelium denke (Lk 18,22), fallen mir die Worte meines Vorgängers Johannes XXIII. ein: „Das Leben ist die Verwirklichung eines Jugendtraumes. Möge jeder einzelne Jugendliche seinen Traum haben, um ihn in wunderbare Wirklichkeit zu verwandeln.“ Im Licht dieser Worte frage ich euch: Junge Ekuadorianer! - Wollt ihr vor dem Papst versprechen, lebendige Glieder der Kirche Christi zu sein? - Versprecht ihr, sogar euer Leben zum Wohl der anderen, besonders der Ärmsten, zu geben? - Wollt ihr euren jugendlichen Eifer dazu benutzen, eine neue Gesellschaft nach dem Willen Gottes aufzubauen? - Wollt ihr auf Gewalt verzichten, Brüderlichkeit und nicht Haß erzeugen? - Wollt ihr ständig Säleute der Gerechtigkeit, der Wahrheit, der Liebe und des Friedens sein? - Wollt ihr den anderen Jugendlichen Christus bringen? - Wollt ihr Christus treu bleiben, auch wenn es andere nicht tun? Ihr habt mit ja geantwortet. Wenn ihr diesem Programm treu bleibt, antworte ich euch mit dem heiligen Apostel Johannes: „Ihr habt den Bösen besiegt“ (1 Joh 2,14). Darum erteilt euch der Papst seinen Segen und ruft euch mit unendlicher Freude zu: Junge Ekuadorianer! Schreitet vorwärts an der Hand Christi und mit Maria! 351 REISEN Ist dein Herz dem Herrn treu? Predigt bei der Messe anläßlich der 450-Jahr-Feier der Evangelisierung Ekuadors in Quito am 30. Januar Herr Kardinal, Brüder im Bischofsamt, Autoritäten, liebe Brüder und Schwestern! „Ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein“ (Ez 36,28). Mit diesen Worten aus der ersten Lesung der heutigen Liturgie möchte ich diesen wichtigen Tag in der Geschichte der Evangelisierung Ekuadors in Erinnerung rufen. Als Bischof von Rom und Hirt der Kirche am Sitz des hl. Petrus ist es mir eine große Freude, hier bei euch sein zu können. Wir werden die Eucharistie feiern, das Zentrum des liturgischen Lebens der Kirche, die von Generation zu Generation den Glauben, die Hoffnung und die Liebe dieses Volkes ermutigt hat. Wir sind dazu hier als kirchliche Gemeinschaft am ersten Bischofssitz von Ekuador in Quito versammelt. Hier, an der Stelle, an der sich heute die historische Kapelle von Cantuna befindet, feierten die ersten Missionare zum ersten Mal das heilige Meßopfer. An diesem Bischofssitz von Quito möchte ich gemeinsam mit eurem Hirten, dem Herrn Kardinal-Erzbischof, mit meinen bischöflichen Brüdern, mit den Priestern, den Ordensmännern und -frauen, mit den Laien der verschiedenen kirchlichen Bewegungen und mit dem ganzen katholischen Volk von Ekuador dem Dreieinigen Gott für die reichhaltigen Früchte dieser 450 Jahre der Evangelisierung danken, einer Evangelisierung, die auf diesen Landstrichen wenige Jahrzehnte nach der Ankunft von Christoph Kolumbus in der Neuen Welt begann. 2. Im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit sandte der auferstandene Christus, kurz vor seiner Rückkehr zum Vater und nach Vollendung seiner messianischen Mission auf Erden, seine Apostel mit den Worten aus: „Mit ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ {Mt 28,18-19), und er fügte noch hinzu: „Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (20). Die Apostel Christi und später ihre Nachfolger haben den ihnen vom auferstandenen Herrn erteilten Auftrag erfüllt und sind Generation für 352 REISEN Generation damit fortgefahren, in allen Ländern Jünger zu gewinnen. So wie das Weizenkorn, das in die Erde gelegt wurde und keimte, so wurde der Samen des Evangeliums in die fruchtbare Seele der neuen Völker gesenkt, die von Mal zu Mal zahlreicher die Taufe im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit empfingen. Indem sie Christus als Herrn und Erlöser anerkannten, traten sie in die Familie der Kinder Gottes und der Kirche ein. Ein Volk dem Heiligsten Herzen Jesu geweiht 3. Auf diese Art und Weise erfüllte sich auch unter den neuen, zum Glauben wiedergeborenen Völkern des amerikanischen Kontinents die Vorhersage des Propheten Ezechiel, die wir in der ersten Lesung gehört haben: „Ich hole euch heraus aus den Völkern, ich sammle euch aus allen Ländern und bringe euch in euer Land. Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen“ (Ez 36,24-25). Das Versprechen des Herrn hat sich erfüllt, und ihr seht, wie die Völker der Neuen Welt zu einem neuen Volk werden: zum Volk Gottes: „Dann werdet ihr in dem Land wohnen, das ich euren Vätern gab. Ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein“ (Ez 36,28). 4. Das, was der Prophet Ezechiel ankündigte - er hatte dabei das Israel aus dem Alten Bund vor Augen - hat sich im neuen Bund verwirklicht. 15 Jahrhunderte nach der Ankunft Christi hat seine Heilsbotschaft unter euch Gestalt angenommen, angefangen von euren Vorfahren. In der Tat wurde die indohispanische Stadt San Francisco de Quito im Jahr 1534, so besagen es die Akten, mit der Absicht der Evangelisierung gegründet. Zehn Jahre später wurde diese Gemeinschaft Bischofssitz. Die „Doctrinas“, Vorläufer späterer Pfarrgemeinden, vervielfältigten sich in den Händen der franziskanischen, dominikanischen, augustinischen und mercedarischen Ordensbrüder. Am 29. August 1563, 20 Jahre nachdem diese kirchliche Gemeinde Bischofssitz geworden war, wurde politisch das Königliche Oberste Gericht von Quito gebildet. Nachdem sich die Patres der Gesellschaft Jesu dieser Aufgabe angeschlossen hatten, gedieh dieses kirchliche Werk in einem Netz von Schulen und Gymnasien, in der Dominikaneruniversität San Fulgencio, in der Jesuitenuniversität San Gregorio, in der Kunst der „Schule von Quito“, in der Heiligkeit einer Mariana de Jesus, in der Missionsarbeit im Gebiet des Amazonas, wo die Botschafter des Evangeliums mit ihrem Märtyrertod 353 REISEN Zeugnis von Christus ablegten. Im republikanischen Ekuador verbreiten und bestärken Bischöfe, Diözesanpriester, Ordensmänner und -frauen und hervorragende, engagierte Laien seit Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart das christliche und kulturelle Gepräge eurer Nation. 5. Nach diesen 450 Jahren Evangelisierung und angesichts der reifen Früchte, die das Wort Gottes und das Wirken des Heiligen Geistes in eurem geliebten Land haben reifen lassen, erfüllt es meine Seele mit Freude, daß ich hier, in San Francisco de Quito, als Nachfolger des hl. Petrus die Worte des ersten unter den Aposteln wiederholen kann, die wir in der zweiten Lesung gehört haben: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat . . . jetzt aber seid ihr Gottesvolk . . . jetzt aber habt ihr Erbarmen gefunden“ (1 Petr 2,9-10). Ein heiliger Stamm. Vor etwas mehr als einem Jahrhundert weihte sich dieser Stamm als Volk dem Heiligsten Herzen Jesu. Noch immer klingt in so vielen Menschen das Echo jener Worte nach, mit denen das ekuadorianische Volk seinen Weiheakt beging: „Das, o Herr, ist dein Volk. Immer wird es dich als seinen Gott anerkennen. Nie wird es seine Augen auf einen anderen Stern richten als auf den der Liebe und des Erbarmens, der in deiner Brust, dem Heiligtum der Gottheit und Arche deines Herzens, leuchtet.“ Dieses feierliche Bekenntnis des Volksglaubens ehrt diese Nation, die zu ihren Kindern so vortreffliche Beispiele der Heiligkeit-zählt wie die hl. Mariana de Jesus, den hl. Bruder Miguel, Mutter Mercedes de Jesus Molina, die übermorgen in Guayaquil seligzusprechen ich die Ehre haben werde. Sie alle sind die auserlesene Frucht der Evangelisierung Ekuadors. Sie ermutigen so viele Söhne und Töchter der Kirche und dienen ihnen als Vorbild, Menschen, die heute ihr Leben zu einer treuen Gefolgschaft Christi, zu einer bewußten Weihe in seinem Dienst und im Dienst der Menschen durch ihn machen wollen. Liebe Brüder und Schwestern! Nehmt als Zeichen der Treue das Erbarmen Gottes, des Vaters, in dem ihr aufgerufen worden seid, am göttlichen Leben Christi teilzuhaben und in dem ihr zu Tempeln Christi geworden seid. Ihr seid das vom Propheten Ezechiel angekündigte Volk, das sich durch Christus und im Heiligen Geist auf dem Weg zum Vater befindet (vgl. Lumen gentium, Nr. 4). Ihr seid Teil der Kirche, des mystischen Leibes Jesu Christi, des Erlösers der Welt. 354 REISEN An diesem glücklichen Tag, an dem wir dem Herrn unseren Dank für die 450 Jahre Evangelisierung darbringen, möchte ich in meinem Herzen und in meinem Gebet die ganze Kirche einschließen, die sich in Quito auf dem Weg zum Vater befindet, d. h. die ganze Kirche von Ekuador und die Kirchen, die euch während dieser Zeit mit Personal und finanziellen Mitteln geholfen haben. Diese Eucharistie, die wir hier in der Hauptstadt der Nation feiern, versammelt um den Altar Gläubige aus allen Teilen des Landes. So wie sich die Weizenkörner zur Herstellung des eucharistischen Brotes verbinden, so versammeln sich die Ekuadorianer hier mit ihren Hirten um den Papst, um im Glauben gestärkt zu werden, um die Hoffnung neu zu beleben, um mit Liebe ihren Vorsatz der Treue zu Christus zu bezeugen. Von der Amazonasniederung bis zur Küste; aus den Städten und Dörfern; aus den Anden und dem Flachland versammeln sich die Kinder dieses Landes, das in der Mitte der Welt hegt, heute, um Gott eine Dankeshymne für die Gabe des Glaubens zu singen. Da ich gekommen bin, alle zu besuchen, obwohl ich nicht überall hingehen kann, biete ich von diesem Altar aus, der Symbol der gemeinsamen Einheit im Glauben ist, allen meinen Gruß des Friedens, der Liebe und der Gemeinschaft in Christus, der uns „aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (1 Petr 2,9). Dieser Gruß gilt den Hirten und Gläubigen der Kirchenprovinzen von Quito, Cuenca und Guayaquil mit ihren jeweihgen Suffragandiözesen; er gilt denen aus der Prälatur los Rios, aus den Präfekturen und Apostolischen Vikariaten; allen vom Kontinent und den Inseln im Pazifik; den Dörfern der Indios und der übrigen Bevölkerung; er gilt Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Alten. In der Tat wünsche ich, daß jede Begegnung mit einer Gruppe oder einem Teil des Gottesvolkes in allen auf dem Besuchsprogramm stehenden Städten eine symbolische Geste sei, die die gleichen Gruppen oder Teile des gläubigen Volkes der ganzen Nation erreicht. 7. Im Antwortpsalm haben wir gesungen: „Der Herr ist' mein Hirte, nichts wird mir fehlen“ (Ps 23,1). Seit Anbeginn der Zeiten, noch bevor das Licht des Evangeliums hierhergelangte, hat die väterliche Güte Gottes die Gebiete des alten Königreiches von Quito mit unzähligen Schönheiten ausgestattet. All das hat Gott eingerichtet, damit es dem Menschen diene: die grünen Wiesen und die friedlichen Quellen, von denen uns der Psalm berichtet. Der Schöpfer zeigte damit seine ganze Liebe zum Geschöpf, das als sein Ebenbild 355 REISEN geschaffen war. Aber nur in der Menschwerdung des Wortes drückt sich die Liebe Gottes zum Menschen in ihrer ganzen Tiefe aus. Christus kommt, um der Hirt zu sein, der liebevoll seine Herde beschützt. Er ist der Gute Hirte, der sogar bereit ist, „sein Leben für die Schafe hinzugeben“ (Joh 10,11). Mit welcher Freude verkündet die heutige Liturgie diese Wahrheit des Evangeliums! „Der Herr ist mein Hirte ... er leitet mich auf rechten Pfaden . . . Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir . . .“ Er ist der Gute Hirte, Jesus Christus! Er ist der Weg, er ist das Licht, er „läßt mich ruhen“, er „deckt mir den Tisch“: das eucharistische Mahl, den Tisch des Wortes, das die Geheimnisse Gottes enthüllt, und den Tisch seines Leibes und seines Blutes, der Speise für das ewige Leben. Er verwirklicht die biblische Verheißung: „Du salbst mein Haupt mit Öl“, von der uns der Antwortpsalm spricht. Dieses Öl, dieser Wohlgeruch symbolisieren die Gnade, die von der Höhe eindringt, die Kraft des Geistes, der durch seine Salbung Duft schenkt und stärkt. Ein unschätzbares Gut des Glaubens und der Kultur Christus ist der Gesalbte Gottes, der Gute Hirte, der sein Werk der Heiligung mit Hilfe der Sakramente der Kirche fortsetzt. Er bleibt in der Gnade der Salbung dessen, der die Taufe empfängt, um damit Teil der einzigen Herde Christi zu werden; er ist in der Salbung des Sakramentes der christlichen Reife, der Firmung, gegenwärtig; er ist in der priesterli-chen Salbung desjenigen, der geweiht wird, gegenwärtig, um zu verkünden, das eucharistische Opfer darzubringen und die Sünden im Bußsakrament zu vergeben; er ist in der Gnade, die die Brautleute im Ehebund erhalten, gegenwärtig; er ist in der Salbung des Kranken, der sich auf die Reise zur Begegnung mit Gott vorbereitet, gegenwärtig. Mit Recht ruft der Psalmist voll Freude aus: „Du füllst mir reichlich den Becher!“ Hier liegt die symbolisierte, unaufhörliche Gemeinschaft von neuem und ewigem Bund, an der die teilhaben, die ihren Glauben an den gekreuzigten, auf erstandenen und zur Rechten des Vaters thronenden Christus bekennen. <92> <92> Gottesvolk, das du in diesem Land Ekuador wohnst! Meine Freude ist auch heute grenzenlos, denn der Herr ist dein Hirte, denn du nimmst teil am Opfer des neuen Bundes, denn du bekennst dich zum gestorbenen und auferstandenen Christus als deinem Gott und Herrn. 356 REISEN Mein Kelch fließt über vor Dankbarkeit, denn die Vorhersage des Ezechiel erfüllt sich: „Ihr werdet mein Volk sein, und ich werde euer Gott sein“ (Ez 36,28). Ein neues Volk, das aus dem Wasser und dem Heiligen Geist geboren wurde, das das Gebot Gottes in seinem Herzen als Lebensnorm anerkennt: „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch. Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, daß ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt“ (Ez 36,26-27). In einem Abstand von viereinhalb Jahrhunderten nach Empfang des Evangeliums frage ich dich, Gottesvolk von Ekuador, das du den Heiligen Geist erhalten hast, das Erbe des ersten Pfingsten: Ist dein Herz dem Herrn treu? Beobachtest du die Gebote des Herrn des Bundes, des Gottes des Evangeliums? Bleibst du in jenem „neuen Leben“, das vom Herrn kommt? 9. Die Generationen in diesem Land sind nacheinander vorübergezogen. Eine Generation hat der anderen das Licht Christi übermittelt, das durch viereinhalb Jahrhunderte hindurch den Weg des Gottesvolkes von Ekuador erhellt hat. In ihrer Seele trugen sie das unauslöschliche Zeichen der Taufe; in ihrem Herzen die glühende Hoffnung auf die künftige Auferstehung und das ewige Leben. Erneut sagen wir mit dem Psalmisten: „Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang, und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit“ (Ps 23,6). In unserer Danksagung heute morgen wollen wir all jener gedenken, die uns den Glauben verkündeten und die nun für ewige Zeiten im Haus des Herrn wohnen. Von ihnen habt ihr als Erbe diese herrliche Nation erhalten, die Kultur, den Glauben, dieses unschätzbare Gut des Glaubens, das Erbe des Geistes. Wir wissen, daß uns Schwierigkeiten und Herausforderungen erwarten. Aber laßt uns mutig in die Zukunft gehen! Christus, der Gute Hirte, ist der Herr des kommenden Zeitalters. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Bewahren wir die Einheit mit ihm und untereinander! Und folgen wir ihm! Mit der Hilfe Mariens wollen wir aushalten mit ihm! Amen. 357 REISEN Gemeinsam den Weg der Wahrheit bauen! Ansprache an die Repräsentanten der Welt der Kultur in Quito (Ekuador) am 30. Januar Exzellenzen, hochwürdigste Herren, meine Damen und Herren! 1. Ich habe die Ehre, mich heute mit Ihnen als ausgezeichnete Persönlichkeiten, die die Welt der ekuadorianischen Kultur vertreten, zu treffen. Mein Gruß gilt vor allem den Mitgliedern der Nationalakademien für Sprache und Geschichte, des Hauses der Kultur von Ekuador und des Kultur- und Forschungszentrums der Zentralbank von Ekuador. Er gilt den Autoritäten und Professoren der katholischen oder staatlichen Universitäten und besonders der katholischen Päpstlichen Universität. Mein ehrerbietiger Gruß erstreckt sich auch auf alle hier Anwesenden, Männer und Frauen, engagiert auf den Gebieten der Geisteswissenschaften, der Naturwissenschaften, der Kunst sowie der sozialen Führung. Ich möchte Ihnen zunächst aufrichtig für Ihre Anwesenheit danken und Ihnen gleichzeitig meine Bewunderung und meinen Respekt für all das, was sie auf dem Gebiet der ekuadorianischen Kultur repräsentieren, aussprechen, einer Kultur, die heute ein sehr vielfältiges Panorama besitzt, eine intensive intellektuelle und künstlerische Aktivität, die im internationalen Rahmen anerkannt ist und die Kreativität einer Nation ausdrückt, die in Harmonie und brüderlicher Zusammenarbeit mit den Nachbarländern und allen anderen Nationen ihre Würde und ihren Frieden bewahren möchte. 2. Dieses großartige Gotteshaus der Gesellschaft Jesu bietet einen vorzüglichen Rahmen für unser Treffen und drückt die Wertschätzung aus, die die Kirche in Ekuador seit Jahrhunderten für die künstlerischen Werte und ihre autochthone Verwurzelung gezeigt hat. Es erhebt sich als eine der vortrefflichen Errungenschaften, in denen die Kultur Ausdruck gefunden hat. Solch ein Werk, eines von vielen, die der Stolz eurer Nation sind, ist ein Beispiel für die Umwandlung der Materie, durch die der Mensch seine Geschichte ausdrückt, durch die er seine tiefsten Wünsche und Erfahrungen bewahrt und mitteilt, durch die er den kommenden Generationen ein geistliches Erbe aufbaut und übermittelt. Das geistliche Erbe, das die ekuadorianische Nation im Laufe der Zeit erbracht hat, ist das Ergebnis einer fruchtbaren Begegnung zwischen dem katholischen Glauben und der Religiosität der Ureinwohner des Landes. 358 REISEN Diese Begegnung hat eine künstlerische autochthone Kultur geschaffen, die Trägerin und Vermittlerin großer menschlicher, durch das Evangelium veredelter Werte ist. Es sind grundlegende Werte, von denen die Formen Ihres familiären, sozialen, privaten und öffentlichen Lebens geprägt und zusammengesetzt sind. Die tiefe Weisheit Ihrer Menschen, das historische Andenken an Kämpfe und Siege und die gemeinsame Liebe zum Vaterland finden sich gerade in den großen religiösen Themen symbolisiert, die in ihrem Volk als Impulse der kulturellen Aktivität lebendig sind und die Erziehung, die Kunst, das Handwerk, den Festtag und die Freizeit, die Organisation der Massen und der Gemeinschaften inspirieren. Hervorragende Beispiele solcher Symbole kann man in so vielen Werken bewundern, in denen die „Schule von Quito“ ihre Verehrung der großen Themen des Christentums ausgedrückt hat. Eben hier in dieser Kirche erzählen uns die Gemälde von der Geschichte der Erlösung. Über so viele Orte des Vaterlandes und noch über dessen Grenzen hinaus verteilt, finden sich die Skulpturen von der Geburt und dem Leidensweg des Herrn, die zahlreichen Zeichen der tiefverwurzelten Marienfrömmigkeit dieses Volkes, ausgedrückt z. B. in der bewundernswerten „Jungfrau von Quito“, die gleichzeitig Annäherung an den Bedürftigen und Zeichen des Jubels, der Hoffnung und der Brüderlichkeit für alle Ekuadorianer bedeutet. Angesichts dieser künstlerischen Zeichen und der lebendigen Kultur, die sie darstellen, angesichts der vortrefflichen menschlichen Werte dieser christlich geprägten Nation, ist es angebracht, an euren illustren Landsmann zu erinnern, der die Kirche als „Bildnerin der Nationalität“ in Ekuador definierte. Der „Wegbegleiter für Pfarrer bei den Indios“ des Bischofs von Quito, Alonso de le Pena, der erste Gründerbrief der Republik Ekuador, verfaßt von Priestern im Kirchenrat von Quito im Jahre 1812, die stark soziale und wissenschaftliche Ausrichtung der Lehrstühle der Jesuiten an der Nationalen Universität und ihre erste Polytechnische Schule sind, neben anderen, leuchtende Meilensteine dieser Aufgabe der Gestaltung und des Dienstes. 3. Das alles ist nicht nur Erinnerung an die Vergangenheit. Es ist Bemühen in der Gegenwart und Herausforderung für die Zukunft, die die schwere Verpflichtung einschließt, die die Söhne und Töchter der Kirche zur Fortführung der Evangelisierung der Kultur übernommen haben. Sie müssen fortfahren, den Glauben in der Kultur zu verkörpern, denn, so 359 REISEN habe ich es bei anderer Gelegenheit gesagt: der Glaube, der sich nicht in Kultur umsetzt, ist ein nicht gänzlich angenommener, nicht voll durchdachter, ein nicht in ganzer Treue gelebter Glaube. Deshalb ist es mir angenehm, daran zu erinnern, daß am Firmament der Kultur der Stern eines illustren ekuadorianischen Ordensbruders leuchtet. Ich spreche vom hl. Bruder Miguel, dem Akademiker, Erzieher und Katecheten, den heiligzusprechen ich erst kürzlich die Ehre hatte. Zu ihm gesellt sich Ihre „Nationalheldin“, deren Reliquien in dieser Kirche hier verehrt werden: die hl. Mariana de Jesus Paredes, die ihren Glauben im höchsten Ausdruck der Kultur, im Dienst an den Brüdern verwirklicht und ihr Leben für die Rettung ihres Volkes hingegeben hat. Sie alle, meine Damen und Herren, kennen meine Sorge um das Thema Kultur in der Kirche und ihre Ausstrahlung als Dialog mit der zeitgenössischen Gesellschaft. Bei meinem Besuch bei der UNESCO wollte ich die Grundlagen für eine neue Evangelisierung der kulturellen Welt legen, und mit der Gründung des Päpstlichen Rates für die Kultur war es mein Bestreben, die Basis für einen ständigen Dialog zwischen Glaube und Kultur, zwischen der Kirche und der Gesellschaft in Gestalt ihrer hohen Vertreter zu schaffen, die, wie Sie, Gesprächspartner bei einer gemeinsamen Aufgabe von entscheidender Wichtigkeit für die Menschheit sind. 4. Für die Kirche besitzt die Kultur als Bezugspunkt den Menschen, so wie er von Gott gewollt und geschaffen worden ist, mit seinen menschlichen Werten und geistlichen Zielen, mit seinen Bedürfnissen und seiner historischen Realität, mit seinen Reichtümern. Wir wissen, daß dieses Erbe an Werten nicht frei von Doppeldeutigkeiten und Irrtümern ist, daß es für Ziele manipuliert werden kann, die langfristig die Menschenwürde angreifen. Deshalb nimmt die Kirche gegenüber der Kultur eine aufmerksame und achtungsvolle Haltung ein. Sie kann aber nicht auf jene Evangelisierung der Kultur verzichten, die in der Verkündung der Frohen Botschaft des Evangeliums, der inneren Werte des Menschen, seiner Würde und seiner ständigen Erhöhung besteht, die sein Dasein als Sohn Gottes verlangt. Mit diesem Ziel stellt sie in den Horizont der Kultur das Wort, die Gnade und die Person des neuen Menschen, Jesus Christus, der „dem Menschen den Menschen selbst voll kundtut und ihm seine höchste Berufung erschließt“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22; Redemptor hominis, Nr. 8, 13). Die Kirche ist davon überzeugt, daß ihr Dialog und ihre Evangelisierung der Kultur einen hohen Dienst an der Menschheit, besonders an der heutigen Menschheit, darstellen, die paradoxerweise von dem bedroht 360 REISEN wird, was man als Errungenschaften ihrer autonomen Kultur betrachten könnte und die sich oft in Angriffe auf den Menschen, seine Würde, seine Freiheit und seine geistliche Berufung umkehren. Die wahre Kultur ist menschlich und vermenschlichend Deshalb fährt die Kirche fort, das Geheimnis Christi, das die tiefe Wahrheit des Menschen offenbart, zu verkünden; sie ist fest davon überzeugt, daß der Kontakt des Evangeliums mit dem Menschen, mit der Gesellschaft wahre Kultur erzeugt; sie weiß, daß die Kultur, die aus dieser Begegnung mit dem Evangelium erwächst, menschlich und vermenschlichend ist. Sie ist in der Lage, bis in die Tiefe des Herzens vorzustoßen und in allen Bereichen der Gesellschaft nutzbringend Fuß zu fassen, in der Geisteswelt, der Kunst, der Technik, in all den Bereichen, die wirkliche Kultur ausmachen. Sie leistet damit einen echten Beitrag zur Förderung und zum Ausdruck dessen, was der Schöpfer in das Herz und die Intelligenz der Menschen gelegt hat zum Wohl und zur Harmonie der ganzen Schöpfung. Diese Einstellung der Kirche muß sich auch in ihrem Kontakt mit den Kulturen der Minderheiten, die Respekt und Förderung verdienen, widerspiegeln. 5. In dieser Stunde Ihres Vaterlands und mit Blick auf die Zukunft möchte ich mich auf einige Fakten beziehen, die ich Ihnen als Botschaft anvertrauen möchte in der Hoffnung, daß sie reiche Früchte bringe. Vor allem scheint es mir angebracht, darauf hinzuweisen, daß das Werk der Evangelisierung der Kultur in Ihrer Nation gleichzeitig zweierlei bedeutet: erstens kann die Aufgabe der Evangelisierung nicht unabhängig von'dem verwirklicht werden, was Ihre nationale Kultur ist und sein soll; zweitens kann, analog dazu, die ekuadorianische Kultur, ohne sich selbst zu verraten, nicht an den religiösen und christlichen Werten Vorbeigehen, die sie in ihrem Innersten selbst trägt. Sie sollte vielmehr in einen fruchtbaren und bereichernden Austausch mit diesen Werten treten. Darüber hinaus möchte die Kirche Garant und Stätte des Dialogs, der Versöhnung und der Annäherung aller kultureller Bemühungen sein, die nach der Erhöhung des Menschen trachten. Erlauben Sie mir zu sagen, daß es an der Zeit ist, die Mißverständnisse und das Mißtrauen zu beseitigen, das zwischen der Kirche und den Vertretern der Kultur aufkommen konnte. Lassen Sie uns gemeinsam den Weg der Wahrheit bauen, die, weil einzigartig, die wohlgemeinten Vorhaben aller in sich aufnehmen wird; 361 REISEN lassen Sie uns gemeinsam eine Gesellschaft bauen, die der Würde des Menschen, der unbestechlichen Hochachtung der Moral, dem Respekt vor dem ehrlichen Gewissen entspricht, mit einem Wort, die Gesellschaft im Zeichen der Liebe, wobei wir verantwortungsbewußt die Pflichten der Treue zur gegebenen Lage und für die Zukunft übernehmen müssen. Unsere Begegnung ist schon ein Zeichen und eine Verpflichtung der Zusammenarbeit der Kirche und der kulturellen Institutionen Ekuadors, um so dem Menschen dieser Nation zu dienen, besonders dem Bedürftigsten, der die größte Hoffnung auf Fortschritt und Freiheit in die Sendung der Kirche und in das aufrichtige Verständnis der einflußreichen Männer seines Vaterlandes legt. Bei dieser Aufgabe müssen die Christen und die kirchlichen Kulturinstitute ihren Platz finden und verstehen, die Anforderungen des Glaubens und die Erfordernisse der Kultur miteinander in Einklang zu bringen. Das soll in einem Klima der Freiheit und des Respekts geschehen, unter echter Teilhabe am demokratischen Leben der Nation, im fruchtbaren Dialog mit allen Intellektuellen, ohne Privilegien oder Diskriminierungen und ohne darauf zu verzichten, den Respekt für die eigenen Werte zu fördern und zu verlangen. 6. Dieses breite Projekt erhält angesichts der neuen Herausforderungen des sozialen Zusammenlebens, der Einwirkung des Materialismus und der zunehmenden Bedrohung durch die Gewalt den Charakter der Dringlichkeit und Solidarität. Bis jetzt hat sich in diesem äußersten westlichen Zipfel Südamerikas die im christlichen Zeichen entstandene dynamische Synthese des sozialen Zusammenlebens bewahren können, die sich aus der Begegnung verschiedener Rassen, Weltanschauungen und Kulturen gebildet hat. Angesichts der neuen Erfordernisse der heutigen Gesellschaft, die zu Recht höhere, des Menschen würdigere Ziele verlangt, ist ein angestrengtes Bemühen um Gerechtigkeit notwendig, zugunsten eines Wandels der ungerechten Strukturen und zugunsten der Befreiung des Menschen von jeglicher Sklaverei, die ihn bedroht. Dabei dürfen wir vor der Aufgabe, die uns obliegt, nicht vergessen, daß bestimmte soziale Kräfte, die sich von jeder Art theoretischer oder praktischer Materialismen nähren, die gelenkten Analysen der sozialen Realität zu eigenen Zwecken instrumentalisieren wollen; währenddessen erarbeiten sie politische und ökonomische Strukturen, in denen der Mensch, seines innersten und transzendenten Seins beraubt, zu einem weiteren Zahnrad des Mechanismus wird, der 362 REISEN ihn um seine innere Freiheit und Würde, um seine Kreativität als freies Wesen gegenüber einer Kultur ohne Grenzen bringt. Da sich der 500. Jahrestag der heldenhaften Evangelisierung nähert, zeichnet sich die Möglichkeit eines Lateinamerikas ab, das der Welt ein Zivilisationsmodell anbietet, das mehr durch seine Werke und durch seinen Lebensstil als durch einfache traditionelle Rechtstitel christlich ist. Die Kirche ruft alle Christen Ekuadors, die in der intellektuellen Aufgabe der umfassenden kulturellen, sozialen und politischen Reflexion engagiert sind, dringend dazu auf, mit Glauben und Mut den Teil der Zusammenarbeit und des Risikos zu übernehmen, der ihnen in diesem gemeinsamen Unternehmen zusteht. Mögen diese Männer und Frauen wirksam zur Stärkung der Nationalität beitragen, ausgehend von den Wurzeln ihrer am Evangelium orientierten Moral, die durch die Lehre der Kirche gelebt und genährt wird. Möge der weise Humanismus dieses Volkes seine Wirkung auf die neuen Konfliktfelder ausdehnen, auf denen heute schon sein Morgen entschieden wird. So Gott will, möge die Synthese zwischen Glaube und Kultur zu einer neuen Ära des Friedens, des Fortschritts, des Aufstiegs der Armen, des bereichernden Zusammenlebens innerhalb und außerhalb der Grenzen dieses geliebten Landes führen. 7. Wenn auch nur zusammenfassend, so lassen Sie mich doch wenigstens einige Bereiche der kulturellen Verantwortung aufzeigen, die Sie und die Institutionen angehen, die Sie vertreten. Die Moralität im privaten und öffentlichen Leben ist die erste fundamentale Dimension der Kultur, was ich schon vor der UNESCO bekräftigen durfte. Wenn die moralischen Werte in der Pflichterfüllung, den Beziehungen des wechselseitigen Vertrauens, im Wirtschaftsleben, in den öffentlichen Dienstleistungen zugunsten der Menschen und der Gesellschaft zerbröckeln, wie können wir dann von Kultur und von Kultur im Dienst des Menschen sprechen? Die harmonische Anordnung der sozialen Lebensbedingungen ist eine der größten Pflichten unserer Zeit. Deshalb ist die Kultur im edelsten Sinn fest mit der Politik verbunden, die verstanden wird als Kunst des Gemeinwohls, der gerechten Beteiligung an den Ressourcen, der geordneten Mitarbeit innerhalb der Freiheit. Die Kultur muß bei dieser edlen politischen Aufgabe mithelfen, ohne zuzulassen, daß sich irgend jemand ungebührlich der Kultur bemächtigt und sie aus eigennützigen Machtinteressen instrumentalisiert. Es ist auch notwendig, daß Ihr Volk, erleuchtet durch die großen Grundsätze der kirchlichen Soziallehre, den Weg des Friedens und der sozialen 363 REISEN Gerechtigkeit in der Liebe und im gegenseitigen Respekt findet. Es handelt sich nicht darum, zwischen den alternativen Systemen, die sich gegenseitig die Macht streitig machen, zu wählen. Vom Standpunkt der christlichen Originalität und von der Weisheit eures Volkes aus muß ein gangbarer Weg gefunden werden, der zur Erhöhung und zum sozialen Frieden aller Söhne und Töchter Ihres Vaterlandes führt. Dieses kulturelle Bemühen drängt darauf, aus dem Innersten Ihres Volkes heraus ein Zusammenleben aufzubauen, das sich nicht auf entgegengesetzte, trügerische Ideologien stützen muß. Deshalb sind die Intellektuellen dazu berufen, eine ernste Gesellschaftsanalyse anzubieten, die die autonome Bedeutung der spezifisch kulturellen Faktoren wieder herstellt und über die rein ökonomischen Indikatoren, in denen das materialistische Gesellschaftsbild befangen bleibt, hinausreicht. 8. Schließlich, im globalen Zusammenhang der Kultur, ist die Erziehung stark an der Formung der Geister beteiligt. Auf diesem Gebiet besitzt die Universität ihren vorzüglichen Stellenwert. Euer Vaterland, das eine ernste und anerkannte Universitätstradition besitzt, muß die universitären und polytechnischen Zentren sowie andere Erziehungsinstitutionen fördern als unabkömmliche Sitze der Kultur. Man sollte dabei durch eine angemessene Kulturpolitik verhindern, daß diese Zentren sich in Orte des Kampfes und der Frustration für die Jüngeren verwandeln. Sie sollten vielmehr geheiligte Stätten der Wahrheit, der Aufrichtigkeit, des Sinns für Solidarität, Werkstätten des intellektuellen Schaffens, lebendige Gemeinschaften, wo man friedliche Formen einer größeren Partizipation und Zusammenarbeit ausprobiert und lebt, sie sollten Stätten des Wettkampfs um die Güter des Geistes sein. In dem breiten Panorama der wertvollen Universitäten Ekuadors muß ich unbedingt auf die katholischen Universitäten hinweisen, die von der Kirche abhängen und die der Staat durch internationale Verträge mit dem Hl. Stuhl anerkennt. Durch ihre Qualität als Universitäten, ihre eigene Identität und ihre Abhängigkeit von der Kirche sind sie besonders dazu berufen, das Programm der Evangelisierung der Kultur, das ich gerade angeführt habe, zu entwickeln. Zu guter Letzt kann ich die Päpstliche Katholische Universität von Ekuador mit ihren verschiedenen Niederlassungen nicht außer acht lassen. Dieser Titel „Päpstlich“ ist für mich Motiv der Freude und soll zur Treue verpflichten. Möge die gemeinsame Bemühung aller diesen Namen hochhalten sowohl durch die Ernsthaftigkeit und Authentizität ihrer 364 REISEN kulturellen Arbeit wie auch durch die volle Beteiligung aller, die an ihr mitwirken: Priester, Ordensleute und Laien; so wird sie, treu ihrer ursprünglichen Struktur, einen fruchtbaren Dialog mit den anderen kulturellen Institutionen des Landes begünstigen können. 9. Meine Damen und Herren! Ich habe nur einige der Wesenszüge Ihrer hohen Mission als Menschen der Kultur ausführen können, mit der ich mich respektvoll verbunden fühle. Wenn ich meine tiefe Wertschätzung für Ihre Funktion wiederhole, dann möchte ich Sie gleichzeitig dazu ermutigen, solidarisch mit einem allumfassenden und alle Mittel einbeziehenden Bemühen zur Förderung des ekuadorianischen Menschen beizutragen, dieses Menschen, der so oft leidet und unterdrückt wird; der so tief religiös und arbeitsam ist; der nicht in die Diktatur des Materialismus stürzen will; der mit einem außerordentlichen kulturellen Erbe ausgestattet ist, für dessen Verteidigung er kämpft, um so seine eigene Würde zu erhöhen; der für alle eine Schlüsselposition im Universum einnimmt und der für den Christen ein Wesen von unermeßlicher Würde ist, weil er in sich den Atem dessen trägt, der sich in der Geschichte offenbarte durch den Menschensohn, der Weg, Wahrheit und Leben ist. Amen. Weihe als Zeichen des „ Widerspruchs“ Ansprache an die Ordensfrauen Ekuadors in Quito am 30. Januar Liebe Ordensfrauen Ekuadors! 1. Mit Zuneigung und Dankbarkeit erwidere ich euren liebevollen Empfang. Es macht mir Freude, in dieser historischen Basilika „Voto Nacio-nal“, des „Gelübdes der Nation“, einem Bauwerk, das an die feierliche Weihe Ekuadors an die Heiligsten Herzen Jesu und Mariens erinnert, unter euch zu sein. Ich möchte euch gern in wenigen Worten, damit ihr sie leicht im Herzen bewahren könnt, sagen, was Christus von euch erwartet. Ihr habt euch ihm hingegeben als Antwort auf sein „Komm und folge mir nach“ (vgl. Mt 19,21), eine liebevolle Aufforderung, ihm bedingungslos zu folgen und ihm in den armen Brüdern zu dienen. Wenn ich euch hier versammelt sehe, habe ich die unvergeßliche Gestalt der hl. Mariana de Jesus vor mir. Sie lebte eine so echte und volle 365 REISEN Verpflichtung für den Herrn, daß sich in ihrem Leben ein echtes kontemplatives Beten, ein großes missionarisches und karitatives Wirken und der Geist der Buße auf wunderbare Weise miteinander verbanden. Die Zeit vermag den stürmischen Drang zur Weihe und Hingabe an den Herrn, in dem auch heute viele geweihte Seelen einzeln oder in Gemeinschaft leben, nicht aufzuhalten. Aber diese Weihe muß voll Bescheidenheit und Demut betrachtet werden, um schlicht und einfach zu erkennen, bis wohin die Anforderungen des göttlichen Rufes reichen. Denn eure Verpflichtung zu radikaler Hingabe erwächst ja nicht aus soziologischen Bedürfnissen, sondern aus dem beständigen „Folge mir“ des Herrn, der euch auf ruft, ihm im aktuellen Kontext von Kirche und Welt zu folgen und zu dienen. „Der direkte Bezugspunkt einer solchen Berufung ist die lebendige Person Jesu Christi“ (Redemptionis donum, Nr. 6). Die Freude darüber, ausschließlich Gott zu gehören 2. Eure Berufung ist besonders anziehend, weil sie euch zu Trägern der Freude und Hoffnung, der heiteren Gelassenheit und unbestreitbaren Treue zum Evangelium macht. Es ist die Freude darüber, ausschließlich Gott zu gehören. Der im Geist der Bergpredigt und durch das Gelübde der evangelischen Räte vollzogene Verzicht auf die irdischen Güter und Sicherheiten ist eine Weihe, die euren Dienst in eine Sendung der Nähe, der Präsenz und zugleich der Transzendenz verwandelt. Nähe auf dem gemeinsamen Weg mit den anderen Brüdern und Schwestern als Gefährten eurer Pilgerschaft; eine Nähe aber, die durch das Zeugnis eures Lebens bereits jenes „Jenseits“ transparent werden läßt, das sich in der endgültigen Begegnung mit Christus erfüllen wird. Eure Berufung ist aufmerksames und liebevolles Hören auf das Wort Gottes, das sich in euch durch das kontemplative Gebet und die Hingabe an die Brüder und Schwestern in eine hochherzige Antwort verwandelt. Durch euer Leben des Lobes, der Anbetung und des Dienstes für Gott arbeitet ihr an seinem Plan der Schöpfung, der Erlösung und der universalen Gemeinschaft mit. Eure Horizonte sind die des Herzens Jesu Christi, der sich um der Rettung der ganzen Menschheit willen dem Vater hingibt (vgl. Joh 17,19). 3. Euer Frausein ist schöpferisch; daraus erwächst eure unleugbare Fähigkeit zur Freude, zur Reinheit, zur Aufrichtigkeit. Eben dieses Sein verleiht euch eine besondere Fähigkeit zu Verständigung, Versöhnung 366 REISEN und Vergebung. Es verleiht euch die Kraft zur Einheit und zur Werbung um Berufe, um alle, die von der Liebe und dem brennenden Verlangen Christi, des Erlösers, gerufen werden, in den Schafstall des Guten Hirten zu führen (vgl. Joh, 10,16; 19,28). Ihr wißt sehr wohl, daß eure Fähigkeit zur Liebe und zur Hingabe an hohe Ideale die Zerstörungen des Hasses und der Gewalt vermeiden kann; sie vermag die Wunden des Egoismus zu lindern und die Ketten aller von der Sünde ausgelösten Unterdrückungen und Knechtschaften zu lösen. Aber damit eure Berufung und euer Stand als gottgeweihte Personen Früchte tragen können, indem sie euch zu Werkzeugen der Versöhnung, der Einheit und der schöpferischen Initiative machen, muß euer ganzes Sein auf den konzentriert sein, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist (Joh 14,6). „Unser Leben ist Christus“, sagte die hl. Theresia von Jesus (Moradas quintas, 2,4) indem sie sich die Mahnung des hl. Paulus zu eigen machte (vgl. Kol 3,3). Denkt auch daran, daß wir „diesen Schatz in zerbrechlichen Gefäßen tragen“ (2 Kor 4,7); darum darf neben einer kritischen, klaren und entschiedenen Haltung gegenüber einer oft materialistischen und auf ihre technischen Errungenschaften vertrauenden Welt nicht das Bewußtsein der eigenen Schwachheit und der Erfahrung des göttlichen Erbarmens im eigenen Leben fehlen. Auf diese Weise werdet ihr zu Instrumenten des Erbarmens und der Vergebung für alle werden. Natürlich muß man daran erinnern, daß es gerade eine tiefe Erfahrung des Erbarmens möglich macht, Mütter der Barmherzigkeit nach dem Vorbild Mariens zu sein. Denn „Maria hat auch auf besondere und außerordentliche Weise — wie sonst niemand — das Erbarmen Gottes erfahren und ebenso auf außerordentliche Weise mit dem Opfer des Herzens ihr Teilnehmen an der Offenbarung des göttlichen Erbarmens möglich gemacht“ (Dives in misericordia, Nr. 9). 4. Das Wort unseres Herrn und Meisters, das vom kirchlichen Lehramt ausgelegt, in der eucharistischen Liturgie gefeiert, im Herzen und Leben von den Heiligen betrachtet wird, muß die hochherzige und andauernde Treue zu eurer Berufung gegenüber Versuchungen zu egoistischer Selbstsucht, gegenüber Ideen und Initiativen am Rand des Evangeliums unterstützen. Euer geweihtes Leben läßt euch eintreten in das Herz Gottes, um mit seinen Plänen des universalen Heils im Einklang zu stehen. Dort werdet ihr die vorrangige, aber niemanden ausschließende Option Christi für die Ärmsten und Bedürftigsten finden. Kontemplation, Gemeinschaftsleben 367 REISEN und Dienst werden euch die einigende Ausgewogenheit eures Herzens geben, die euch dazu befähigt, allen Nöten der heutigen Welt nahezukom-men. Darum müßt ihr Missionarinnen ohne Schranken und Grenzen sein. 5. Euer geweihtes Leben erwächst aus einem Ausdruck der Liebe, die im „Folge mir“ alle Tage bekundet wird. Die evangelische Erkenntnis Christi und die lebendige Kraft der persönlichen und gemeinschaftlichen Begegnung mit ihm verleihen eurem Leben in Gehorsam, Armut und Keuschheit Gestalt. Ein dem Vater bis zum Kreuzestod gehorsamer Christus ist für die Welt eine Torheit (vgl. 2 Kor 1,23); aber er ist Erleuchtung für den, der in der schöpferischen Aufopferung des Willens gehorcht, die die Hingabe fruchtbar und die geistliche und apostolische Ernte reich macht. Der arme Christus, der sich jeder Macht entäußerte und sich aus Liebe zu uns hingab, ist der stärkste Beweis für die Armut und Freiheit, die in ihm zum Ausdruck kommt; die Armut Christi ist der beste Weg zur ganzheitlichen Befreiung des Menschen und der gesamten Gesellschaft. Der jungfräuliche Christus wird euch seine bräutliche Liebe mitteilen und euch lehren, alle Menschen um ihrer selbst willen, nicht wegen ihrer Qualitäten zu beachten, indem ihr in ihnen das in ihrem tiefsten Sein verborgene Geheimnis Christi seht; in eurem Blick und in eurem Dienst für die Gesamtheit werden sie den Blick des Guten Hirten entdecken. Durch diese Hingabe und innige Verlobung mit Christus werdet ihr zum Trägerzeichen Gottes, der die Liebe zu allen Menschen, besonders zu den Leidenden, den Armen und den Familien ist. „Die Welt bedarf des echten ,Widerspruchs der Ordensweihe als eines beständigen Sauerteigs heilsamer Erneuerung... Die heutige Welt und Menschheit bedürfen dieses Zeugnisses der Liebe“ (Redemptionis donum, Nr. 14). Eure Weihe wird zur größten Befähigung zur Vereinigung mit Christus und zum kirchlichen Dienst nach dem Vorbild Mariens in ihrer Hingabe an den Heilsplan. Die Gesellschaft im Zeichen der Liebe aufbauen 6. Liebe Ordensfrauen! Bevor ich schließe, möchte ich euch die Dankbarkeit der Kirche für eure apostolische Arbeit und eure Hingabebereitschaft bekunden. In der Stille der Klausur oder im tätigen Leben; im Bereich der Erziehung, in der Fürsorge für die Kranken und Notleidenden; in der Katechese, in den Missionsstationen und Pfarreien und auf so vielen anderen Gebieten, in denen ihre eure Berufung zum Dienst an den 368 REISEN Brüdern entfaltet, seid gewiß, daß ihr ein wirkliches Zeugnis von der Liebe Christi zu den Brüdern gebt. Ebenso tragt ihr, liebe geweihte Mitglieder der Säkularinstitute, durch das Charisma eurer Einordnung in die Welt, um sie zu heiligen, dazu bei, still und selbstlos die Kirche, die Gesellschaft im Zeichen der Liebe aufzubauen. Seid stets den Forderungen eurer christlichen und apostolischen Berufung treu; laßt euch von dem Geist erfüllen, damit ihr durch Ausstrahlung auf ihr Leben den Menschen eurer Umgebung Erwartung und Hoffnung einflößt. Ihr alle, liebe ekuadorianische Ordensfrauen: Denkt daran, daß das innere Leben nicht aufhört, die Seele des ganzen Apostolats zu sein. Pflegt daher euren Geist des Gebets, des Opfers und des kirchlichen Dienstes. Ich empfehle euch der Jungfrau Maria, der Mutter und dem Vorbild jeder geweihten Seele. Sie lasse reiche Berufungen zum Leben in besonderer Weihe erblühen zur größeren Ehre Gottes, zum Wohl der Kirche und zum Dienst der Liebe am Menschen. Und der Herr bewahre euch stets die Treue zu eurer Berufung. In seinem Namen segne ich euch aus ganzem Herzen. Wege der Mitverantwortung finden Ansprache an die Arbeiter in Quito am 30. Januar Liebe Arbeiter! 1. Von diesem historischen Ort aus, wo vor viereinhalb Jahrhunderten Pater Ricke und seine Gefährten das erste Weizenkorn in die fruchtbare Erde Ekuadors und damit den Samen des Evangeliums säten, richte ich meinen herzlichen Gruß an euch, Arbeiter, Arbeiterinnen, Campesinos, Familienangehörige und alle Männer und Frauen aus der über das ganze Land verbreiteten Welt der Arbeit. Als Rahmen für unsere Begegnung dient der wunderbare architektonische Komplex, der der „Escorial der Anden“ genannt wird: er ist Frucht der Mühe und des Schweißes vieler Arbeiter, die hier die Kirche, den Konvent und die Plaza de San Francisco errichteten. In der stummen Sprache des Steines stimmen sie unaufhörlich einen Hymnus auf den Glauben, auf die Kunst und besonders auf die Arbeit des ekuadoriani- 369 REISEN sehen Menschen an. Sie waren auch der Rahmen der „Kunstschule von Quito“, die soviel Schönheit hervorgebracht und die soziale Lage so vieler Menschen gehoben hat. Eure Anwesenheit, liebe Arbeiterbrüder, läßt meine Erinnerung zurückschweifen in meine Jugendjahre, zu meiner unvergeßlichen Erfahrung als Arbeiter, der wie ihr die Freuden und Betrübnisse, die Erfolge und Enttäuschungen erlebt hat, die euer hartes Arbeitsleben begleiten. Diese bleibende Erinnerung, verbunden mit den Verpflichtungen meines Hirtenamtes, hat mich dazu angespornt, bei zahlreichen Gelegenheiten den Problemen der Arbeit besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ihnen habe ich auch meine Enzyklika Laborem exercens gewidmet. Ich hoffe, daß alle Arbeiter und Gläubigen dieses geliebten Landes, in dem das genannte Dokument eine warme Aufnahme gefunden hat, wie das auch in anderen Ländern Lateinamerikas der Fall war, in seinen Seiten Licht für eine umfassendere und tiefere Kenntnis vom heutigen Denken der Kirche über die Arbeit und die Arbeiter finden mögen. 2. Die Problematik der häufig auftretenden Ungerechtigkeit und Ausbeutung des Arbeiters hat der Kirche seit altersher Sorgen bereitet. Um zu versuchen, eine Antwort auf diese Probleme zu finden, hat sie eine Reihe von Dokumenten herausgegeben, die die sogenannte Soziallehre der Kirche bilden. Diese Lehre, die als bedeutsamen Teil der Heilsbotschaft allen Menschen guten Willens zu verkünden die Päpste das Recht und die Pflicht haben, enthält Prinzipien, die überall gelten, sie müssen jedoch an die unterschiedlichen Verhältnisse jedes Volkes angepaßt werden. Wenn wir eure Situation konkret ins Auge fassen, können wir die keineswegs einfache Phase nicht übersehen, in der sich euer Vaterland auf wirtschaftlich-sozialem Gebiet befindet. Ebenso wie andere Länder Lateinamerikas und der übrigen Welt leidet euer Land — neben den strukturellen Mißverhältnissen von früher - z. Zt. unter der enormen Last der Auslandsverschuldung, die seine Entwicklung bedroht. Und infolgedessen unter einer Inflation, die die Preiserhöhung und sinkende Kaufkraft des Geldes mit sich bringt. Dazu kommt das ernste Problem der Arbeitslosigkeit, der Unterbeschäftigung und des Mangels an Arbeitsplätzen. Wir wissen, daß alle diese Probleme sehr komplexen Ursachen zuzuschreiben sind; und daß eine wirksame Lösung nicht gefunden werden kann, wenn nicht gleichzeitig Fragen gelöst werden, die von der internationalen Wirtschaftsordnung abhängen. Mich schmerzt vor allem, daß es 370 REISEN vorwiegend die Ärmsten, die Bedürftigsten sind, die besonders schwer unter den negativen Auswirkungen der Wirtschaftskrise leiden müssen. Die Gläubigen für die Soziallehre der Kirche interessieren Angesichts all dessen stimmt es, daß die Kirche weder die Zuständigkeit noch die Mittel besitzt, technische Lösungen für derartige Probleme anzubieten. Als integrierten Bestandteil ihres Sendungsauftrages kann und muß sie jedoch immer die sittlichen, menschlichen und christlichen Grundsätze und Werte des sozialen Lebens verkünden. Diese können wirksam mithelfen, die Gewissen zu erleuchten, die Herzen zu wandeln und den Willen aller Bürger anzuspornen, besonders derjenigen, die die Möglichkeit und die Verantwortung haben, die Mittel bereitzustellen, um eine gerechtere Sozialordnung zu schaffen, mit deren Hilfe es gelingt, auch die Schwierigkeiten zu überwinden, die sich in den verschiedenen widrigen Situationen einstellen. Wie ich in Puebla sagte, ist es dringend notwendig, „die Gläubigen für die Soziallehre der Kirche zu interessieren und empfänglich zu machen. Es ist vor allem notwendig, sich dafür einzusetzen, daß auf allen Ebenen und in allen Sektoren ein soziales Bewußtsein herangebildet wird. Wenn die Ungerechtigkeiten zunehmen und der Abstand zwischen Armen und Reichen leider noch immer größer wird, so muß die Soziallehre in schöpferischer Weise, die offen ist für die weiten Bereiche, in denen die Kirche präsent ist, ein wertvolles Instrument für die Unterweisung und für konkrete Initiativen sein“ (Ansprache bei der Eröffnung der dritten Generalversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla, 28. 1. 1979, Nr. III, 7, in O.R. dt., 2. 2. 79, S. 11). Wir müssen wieder einmal im Namen des Evangeliums alle Bürger zu einer ununterbrochenen Anstrengung aufrufen. Um eine gerechtere Gesellschaft zu errichten, in der das Leben aller menschlicher, menschenwürdiger ist. Wir müssen uns darum bemühen, nach und nach diese unerträgliche Kluft zu überbrücken, die die wenigen, die übermäßige Reichtümer besitzen, von der großen Masse der Armen und denen trennt, die im Elend leben. Es muß alles nur Mögliche und selbst das beinahe Unmögliche unternommen werden, damit sich vor allem diese Kluft nicht verbreitert, sondern um einer größeren sozialen Gleichheit willen verringert wird; und zwar so, daß die derzeitige, sehr oft ungerechte Verteilung der Güter, die mit Hilfe der Arbeit aller produziert werden, einer gerechteren Verteilung unter den verschiedenen Sektoren der Gesellschaft Platz macht. 371 REISEN Von diesem ständigen und unermüdlichen Bemühen um eine größere Gerechtigkeit als Frucht der Zusammenarbeit und der Solidarität aller Mitglieder der Gesellschaft hängen zudem Gegenwart und Zukunft der jungen Generation ab (vgl. Besuch in der Favela Vidigal, Brasilien, 2. 7. 1980, Nr. 3). 3. Liebe Arbeiter und Arbeiterinnen! Ich will euch nun einige Punkte in Erinnerung bringen, die die kirchliche Soziallehre bei ihrem Verständnis der Arbeit für grundlegend erachtet und die euch in diesem Kampf für eine gerechtere Sozialordnung leiten können. Das Wort Gottes bietet uns von den Seiten der Genesis bis zu den Abschnitten des Neuen Testaments, die uns das Vorbild Christi, des Arbeiters, vorstellen, vielfältige Zeugnisse von der Würde und tiefen Bedeutung der menschlichen Arbeit. Denn der als Ebenbild Gottes geschaffene Mensch nimmt durch seine Arbeit am Werk der Schöpfung und ihrer Vollendung teil; indem er das Gebot des Herrn erfüllt, sich die Erde untertan zu machen und über sie zu herrschen (vgl. Gen 1,28). Die Arbeit ist darüber hinaus „ein Gut für den Menschen - für sein Menschsein -, weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern auch sich selbst als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen ,mehr Mensch wird“ (Laborem exercens, Nr. 9,23). Das verleiht der Arbeit und dem, der sie ausführt, eine Würde, die ihn als Person verwirklicht und ihn solidarisch mit den anderen macht. Ihr Arbeiter wißt, was es bedeutet, zu arbeiten, um eure Bedürfnisse und die eurer Familien zu befriedigen; denn die Arbeit „bildet die Grundlage für den Aufbau des Familienlebens; und die Familie ist die erste häusliche Schule der Arbeit für jeden Menschen“ (Laborem exercens, Nr. 10). Eure Arbeit ist auch ein Dienst an den anderen, an der Stadt und dem Volk, in dem ihr lebt, an der ganzen Nation; denn „die Volksgemeinschaft ist eine große historische und soziale Inkarnation der Arbeit aller Generationen“ (ebd.). Vollbringt daher eure Arbeit in der Überzeugung eurer Würde; mit dem Bestreben, sie persönlich und familiär zu bewältigen; im Geist des Dienstes und der Solidarität; mit Gefühlsbewußtsein und Ernsthaftigkeit, die euch zur Arbeit aneifern sollen. Die Gesellschaft ihrerseits wird in euch, in eurer Arbeit eine der Grundlagen ihres eigenen Gedeihens und ihrer Zukunft erkennen müssen. Darum wird jede soziale Ordnung, die dem Menschen dienen will, ihrer Gesetzgebung, ihren Institutionen und ihrem produktiven Leben diese Wertschätzung der Arbeit ihrer Bürger zugrunde legen müssen, wobei stets vermieden werden muß, sie zu einer bloßen Ware, zu einem Gegenstand 372 REISEN zu machen, der auf dem Markt gekauft und verkauft wird, wie es in der Gesellschaft unserer Zeit unter dem Einfluß verschiedener Ideologien nur allzuoft geschieht. Deshalb die unerläßlichen Voraussetzungen persönlicher Würde, die jede Art von Arbeit, mag sie noch so bescheiden sein, begleiten müssen; die gerechte Entlohnung durch ein angemessenes Gehalt, damit die berechtigten Bedürfnisse der Familie befriedigt werden können; sowie die Einhaltung der Rechte, die die glückliche Entwicklung des Sozialbewußtseins den Arbeitern mit der Zeit zugestanden hat - wie soziale Sicherheit, Altersversicherung usw. -, sind moralische Forderungen, die die Gewissen verpflichten. Und das mit allem Ernst auch in den Fällen, in denen die geltende Gesetzgebung das noch nicht in wirksamen Rechtstexten zum Ausdruck bringen konnte. 4. Nun möchte ich vor allem an die Landarbeiter, die einen bedeutenden Teil der ekuadorianischen Arbeitswelt darstellen, einige Worte richten. In der Geschichte des Landes hat es nicht an Zeiten wie jener des sogenannten Erdölbooms gefehlt, als viele die Landarbeit verließen, um andere Verdienstmöglichkeiten in der Industrie oder in Dienstleistungsberufen zu suchen. Es läßt sich jedoch nicht leugnen, daß die Landarbeit im Leben Ekuadors weiterhin einen Platz ersten Ranges einnimmt. Ohne Zweifel „ist die Landwirtschaft, die der Gesellschaft die für den täglichen Lebensunterhalt erforderlichen Güter bietet, von grundlegender Bedeutung“ (Laborem exercens, Nr. 21), was nicht immer wirklich anerkannt wird. Ich weiß, daß die Lebensbedingungen des ekuadorianischen Landarbeiters wie auch in anderen Ländern Lateinamerikas oftmals nicht geringe Schwierigkeiten aufweisen: Arbeitszeiten bis zur Erschöpfung; Fehlen der notwendigen technischen Einrichtungen, unzureichende Entlohnung, mangelnde berufliche Ausbildung des Landwirts, fehlender Arbeits- und Versicherungsschutz, fehlender Schutz bei Alter, Krankheit oder Arbeitslosigkeit und ganz allgemein ein Lebensniveau, das unter dem der anderen Gesellschaftsgruppen liegt. Es ist daher dringend notwendig, durch die Zusammenarbeit aller die nötigen Veränderungen zu bewirken, damit der Landwirtschaft und dem Landvolk innerhalb der gesamten ekuadorianischen Gesellschaft ihr angemessener Stellenwert zuerkannt wird. So ergeht denn von hier aus meine Stimme der Ermutigung und des Ansporns an alle jene Initiativen, deren Ziel es ist, die Agrarreform in allen ihren Dimensionen durchzuführen; und zwar dadurch, daß die Campesinos mit jenen technischen, 373 REISEN finanziellen, gesetzlichen und kulturellen Mitteln ausgestattet werden, die ihnen die Steigerung des Ertrages ihrer Arbeit und die Hebung der Lebensqualität für sie und ihre Familien ermöglichen. Und ihr, liebe Landarbeiter, seid solidarisch und arbeitet mit an Initiativen, die ihr selbst fördern könnt. Legitime Interessen und Bestrebungen der Arbeit 5. Seit der Enzyklika Rerum novarum Leos XIII. hat die Soziallehre der Kirche die Bedeutung der „Solidarität der Arbeit“ und der „Solidarität mit den Arbeitern“ (vgl. Laborem exercens, Nr. 8) bei der Verteidigung ihrer Rechte und in dem langen Kampf gegen die Ungerechtigkeiten, denen sie seit Beginn des industriellen Zeitalters ausgesetzt waren, betont. Noch heute ist diese Solidarität unentbehrlich; sie muß in den Gewerkschafts- und Berufsorganisationen entsprechenden Ausdruck finden, wenn diese wirklich die legitimen Interessen und Bestrebungen der Arbeit und nicht der von ihnen getrennten politischen Kräfte vertreten. Ich möchte darum meine Ermutigung und Zuversicht in die Arbeiterverbände bekunden, die sich treu an die Grundsätze des Evangeliums und der kirchlichen Soziallehre halten und für ihre Mitglieder die Gesamtförderung der menschlichen Person suchen; die Achtung und Verteidigung ihrer unveräußerlichen Rechte; die Gerechtigkeit in den Arbeitsbeziehungen; die gegenseitige Solidarität und die aktive Teilnahme, auf dem Land wie in der Stadt, am Leben der Nation. 6. Schließlich gebe ich meinem großen Wunsch Ausdruck, daß die katholische Kirche in Ekuador mit ihren Bischöfen an der Spitze erneute Bemühungen auf die Evangelisierungsarbeit in der Welt der Arbeit verwenden möge. Ohne jene Errungenschaften der Vergangenheit aus dem Blick zu verlieren, die die an den christlichen Prinzipien inspirierten, an Menschlichkeit reichen und auf die Würde der Person des Arbeiters gegründeten Arbeiterverbände entstehen ließen, bitte ich meine Brüder im Bischofsamt, die Priester, die Seelsorgehelfer, die Arbeiterführer und die Arbeiter, daß sie das zu ihrer gemeinsamen Sache machen, wobei sie sich an den der heutigen Zeit angepaßten Prinzipien der kirchlichen Soziallehre inspirieren; damit es der Welt der Arbeit gelingt, Wege der Gerechtigkeit, der Freiheit, der Brüderlichkeit, der Mitverantwortlichkeit am gemeinsamen Schicksal zu finden; durch treues Festhalten an der Liebe Christi, der den wahren Frieden, die sittliche und materielle Befreiung des Arbeiters und aller Menschen lehrt. 374 REISEN Liebe Arbeiter von Ekuador! Seid euch eurer Würde als Menschen und als Christen bewußt! Euer christlicher Glaube und die Wirklichkeit, die er euch lehrt, sind ein großer Reichtum. Niemand darf in der Lage sein, euch diesen zu entreißen. Bemüht euch mit allen Mitteln, eure menschliche Situation zu verbessern, wie es die Kirche will. Doch keine lasse euch euren inneren Reichtum vergessen, euren Geist, der sich zu Gott und zu einer ewigen Bestimmung zu erheben vermag. Laßt niemals Gewaltsysteme zu, die im Gegensatz zu eurem katholischen Glauben stehen. Und trennt euch nicht von eurer Kirche, sondern bringt unter ihrer Führung Initiativen wachsender Förderung und Würde hervor, die euch größeren Wohlstand für den Leib und Erlösung für den Geist bringen sollen. So sei es. Mit meinem Segen für euch und eure Familien. Seid Lenker eures eigenen Fortschritts! Ansprache an die Indios in Latacunga (Ekuador) am 31. Januar Gelobt sei Jesus Christus! Liebe Söhne und Töchter! Pai Apunchic Jesucristo yupaichashca cachun! Cuyashca churicuna, ushushicuna! Ich bin glücklich, in dieser alten Stadt Latacunga unter euch wie ein Vater inmitten seiner geliebten, aber wenig bekannten Kinder zu sein. Mit herzlicher Liebe grüße ich alle Cayapas, Colorados, Otavalos, Panzaleos, Yamapuelas, Cangazambis, Caranquis, Hilnayas, Carahuelas, Yugulala-mas, Shuaras, Coyanes, Ashuara, Salazacas, Canaris, Saraghuros, Tibu-leos, Aucas und alle kleineren, hier anwesenden Gruppen. Ich sehe hier so viele, die — viele auch zu Fuß — aus den riesigen Wäldern im Osten und von den großen Flüssen an der Küste zusammen mit den Bewohnern der schönen Berge von Ekuador gekommen sind. Ihr bietet mir ein ermutigendes Schauspiel durch die Buntheit eurer Kleider und vor allem eure inbrünstige Liebe zu Jesus, dessen demütiger Bote ich bin. Empfangt zuerst meinen ganz herzlichen Dank dafür, daß ihr zu dieser Begegnung gekommen seid. 375 REISEN I. Die Werte der Eingeborenen 1. Vor 450 Jahren gelangte der Glaube an Jesus Christus zu euren Völkern. Schon vorher war Gott, ohne daß ihr das geahnt hättet, gegenwärtig und erhellte euren Weg. Der hl. Apostel Johannes sagt uns: Das Wort, der Sohn Gottes, „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt“ (Joh 1,9). Er war es, der das Herz eurer Völker erleuchtete, damit ihr die Spuren des Schöpfergottes in all seinen Geschöpfen findet: in der Sonne und im Mond, in der guten und großen Mutter Erde, im Schnee und im Vulkan, in den Lagunen und in den Flüssen, die von den Höhen eurer Anden ins Tal stürzen. Wie erregend war es für eure Vorfahren, als sie im Licht des Evangeliums entdeckten, daß sie selbst viel mehr wert waren als alle Wunder der Schöpfung, weil sie als Bild und Gleichnis Gottes, als seine wunderbaren Ebenbilder geschaffen worden waren! Was für eine Freude für eure Ahnen, als sie erfuhren, daß der große Gott, der alles geschaffen hat, damit es den Menschen diene, daß derselbe Gott uns ganz nahe kommen wollte in seinem Sohn, Jesus Christus, der Mensch wurde, damit wir seine Adoptivkinder würden! Was für eine Freude für sie zu erkennen, daß wir Menschen alle Brüder sind, weil auch wir alle das Leben Jesu - des Sohnes Gottes - haben können. Seit damals erhielt der euren Völkern so eigene Geist der Einheit und Solidarität mehr Tiefe und Kraft. Dieser Geist solidarischer Verbundenheit äußert sich noch in vielen Formen: in der Freude und Begeisterung eurer „mingas“, in euren schönen Festen, in der Freigebigkeit, mit der ihr die Fremden aufnehmt, in der Liebe, mit der ihr eure Nachbarn in ihren Sorgen begleitet. So erfüllt ihr das, worum Gott uns in seinem Wort bittet, wenn er sagt: „Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden!“ (Röm 12,15). Diese Einheit zeigt sich mit ihrem ganzen Reichtum in euren Familien, die durch Blutsbande oder durch geistliche Verwandtschaft verbunden sind, und auch in euren Organisationen, wie den „Kommunen“. 2. Schon vor der Evangelisierung gab es bei euren Völkern Saatkörner Christi: Ihr seid überzeugt, über den Tod hinaus vereint zu bleiben. Eure Völker identifizieren das Böse mit dem Tod und das Gute mit dem Leben; und Jesus ist das Leben. Eure Völker besitzen ein lebendiges Gerechtigkeitsgefühl; und Jesus preist jene selig, die nach Gerechtigkeit dürsten (vgl. Mt 5,6). Eure Völker legen großen Wert auf das Wort; und Jesus ist 376 REISEN das Wort des Vaters. Eure Völker sind offen für die gegenseitige Beziehung; ich würde sagen, ihr lebt für gegenseitige Beziehungen; und Christus ist der Weg für die Beziehung zwischen Gott und den Menschen und der Menschen untereinander. Das alles sind Samenkörner Christi, die die Evangelisierung vorgefunden hat und die sie dann reinigen, vertiefen und ergänzen mußte. Von Anfang an habt ihr, ohne dessen gewahr zu werden, auch in eurem Herzen den großen Wunsch Gottes empfunden, daß wir Menschen aller Rassen und Kulturen vereint wären in einer einzigen Gemeinschaft der Liebe, in einer großen Familie, deren Haupt Jesus ist, deren Vater der Vater Jesu Christi ist, deren Seele der Heilige Geist, der Geist Jesu und des Vaters, ist. Diese Familie ist die Kirche, die die Jungfrau Maria zur Mutter hat. 3. Eure Bischöfe wiesen in Puebla (vgl. Nr. 409) darauf hin, daß Lateinamerika und in ihm Ekuador seinen Ursprung in der rassischen und kulturellen Mischung Spaniens und eurer Völker hat. Diese Mischung ist Zeugnis geistiger Größe, wenn sie Quelle gegenseitiger Achtung zwischen den Nachkommen beider Gemeinschaften ist. Die tiefen Werte eurer Stämme sind nicht nur folkloristische Wirklichkeiten; sie sind gültige Wirklichkeiten (vgl. Puebla, Nr. 398), die ihr nicht ohne große Schwierigkeiten über Jahrhunderte hinweg bewahrt habt. Diese positiven Wirklichkeiten, Zeichen innerer Kraft, sprechen beredter zu uns als die Spuren eurer Kulturen, die an Orten wie Tolita, Valdivia, Manta, Pachusala, Chorrera, Angamarca und Ingapirca aufgefunden wurden. <93> <93> Probleme 1. Ich weiß um die Schwierigkeiten und Leiden, auf die ihr in eurer vergangenen und gegenwärtigen Geschichte gestoßen seid und die euch bisweilen an euch selbst und an eurer Identität zweifeln ließen. Ich weiß auch, daß zahlreiche Missionare, unter ihnen Bruder Bartolome de las Casas, Pater Vieira, Bischof Pedro de la Pena und andere, sowie Mitglieder der verschiedenen Konzilien für die Verteidigung der Rechte der Eingeborenen kämpften. Sie ließen die europäischen Mächte sehr nachdrücklich ihren anklagenden Aufschrei vernehmen. Männer mit großer Begabung und Herz, wie die Patres Vitoria und Suärez, sind diesen Protesten vorausgegangen mit der Erklärung, daß die Menschenrechte eurer Völker jedem anderen von menschlichen Gesetzen festgelegten 377 REISEN Recht vorgehen. Seit damals ist das „Völkerrecht“ das Maß der sich ändernden positiven Gesetze und das, was für ihre Richtigkeit und Wirksamkeit dringend erforderlich ist. Eure Gemeinschaft hat sich jahrhundertelang um die Bewahrung ihrer Werte und ihrer Kultur bemüht. Es handelt sich nicht um Widerstand gegen eine richtige Integrierung und ein Zusammenleben auf weiterer Ebene, das euren Gemeinschaften die Entwicklung ihrer eigenen Kultur erlaubt und sie befähigt, sich ihrerseits die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften anzueignen. Aber es ist vollkommen legitim, den Schutz und die Bewahrung des eigenen Geistes in seinen verschiedenen kulturellen Äußerungen zu suchen. So haben es eure Bischöfe in ihrem Dokument über „seelsorgliche Optionen“ formuliert. 2. Ein ernstes Problem ist augenblicklich, daß eure Gesellschaft kostbare Werte verliert, die andere Kulturen bereichern könnten: der religiöse Sinn wird schwächer; und man ist dabei, Gott zu vergessen; der Sinn für Gemeinschaft und Familie nimmt ab, vor allem weil ihr euch gezwungen seht, wegen Mangel an Grund und Boden und wegen des ungerechten Gefälles zwischen Landwirtschaft, Industrie und Handel auszuwandern. Es gibt noch andere Gefahren, die euch tödlich bedrohen. Ich will nur den Alkoholismus erwähnen, der die Lebenskraft eures Volkes zerstört. Mir entgeht nicht die Komplexität des Problems. Darum fordere ich euch zu einem sittlichen Verhalten auf, das dieses schmerzlich Phänomen vermeidet, und appelliere zugleich an alle, die daran mitarbeiten können, daß alle Ursachen bekämpft werden, die Erscheinungen dieser Art verschärfen oder begünstigen. Ein wirksamer Kampf wird nicht umhin können, der Unterernährung, dem Analphabetismus, dem Mangel an Kleidung, an menschenwürdigen Wohnungen, an Arbeit, an gesunden Erholungsmöglichkeiten abzuhelfen, mit einem Wort, dem Randgruppendasein und dem, was einen Hoffnungsschimmer für die menschliche Person und den Weg zu ihrer Würde als solcher auslöscht. III. Wünsche und Sehnsüchte Ich will mich jetzt zum Echo und Stimmführer eurer tiefsten Wünsche und Sehnsüchte machen. <94> <94> Vor allem wollt ihr mit Recht als Personen und Staatsbürger geachtet werden. Die Kirche macht diesen Wunsch zu dem ihrigen, da ja eure Würde nicht geringer ist als die irgendeiner anderen Person oder Rasse. Denn in der Tat ist jeder Mensch edel und erhaben, weil er das Bild und 378 REISEN Gleichnis Gottes ist (vgl. Gen 1,26-27). Und Jesus wollte sich mit dem Menschen, besonders mit den Armen und Randgruppen, soweit identifizieren, daß er erklärte, daß alles, was man einem dieser Brüder zu tun unterlassen hat oder unterlassen wird, ihm zu tun unterlassen wurde oder wird. Deshalb darf sich niemand einbilden, ein wahrer Christ zu sein, wenn er die anderen wegen ihrer Rasse oder Kultur verachtet. Der hl. Paulus schrieb: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie“ (1 Kor 12,13). Eine Tatsache, die im persönlichen und sozialen Leben konkrete Gestalt annehmen muß. Die besser Unterrichteten unter euch wünschen, daß eure Kultur, eure Tradition und Bräuche respektiert werden und daß auf die Regierungsform eurer Gemeinschaften Rücksicht genommen wird. Das ist ein legitimer Wunsch, der in den Rahmen der Ausdrucksvielfalt des menschlichen Geistes gehört. Das kann in nicht geringem Maße das menschliche Zusammenleben im Zusammenspiel von Bedürfnissen und Gleichgewicht einer Gesellschaft bereichern. 2. In diesem Zusammenhang möchte ich die Priester und Ordensleute ermutigen, den Glauben zu verkündigen und dabei eure Eingeborenenkultur zu berücksichtigen sowie mit Freude ihre autochthonen Elemente anzunehmen, an denen sie selbst teilhaben. Auf dieser Linie mache ich mir den Auftrag zu eigen, den eure Bischöfe in Puebla erteilten: „Die Teilkirchen sollen sich bei der Weitergabe der evangelischen Botschaft um Anpassung an die natürliche Sprache und an die Symbole der Kultur bemühen, in die man eindringt“ {Puebla, Nr. 404). Auch wenn die Kirche die Kulturen aller Völker und um so mehr die eurer Volksgruppen achtet und schätzt; auch wenn sie versucht, alles Positive in ihnen aufzuwerten, kann sie nicht auf ihre Pflicht verzichten, sich um die Hebung der Sitten zu bemühen, indem sie die Moral der Zehn Gebote, die fundamentalste ethische Äußerung der Menschheit, verkündet, die von Gott selbst offenbart und durch das von Christus gelehrte Gesetz der Liebe vervollständigt wurde. Zugleich sieht sie es als ihre Pflicht an, die Praktiken und Bräuche auszurotten, die zur Moral und Wahrheit des Evangeliums im Widerspruch stehen. Denn sie muß Gott und ihrer Sendung treu sein. „Darum kann die Evangelisierung, die zur Aufgabe falscher Auffassungen von Gott, widernatürlicher Verhaltensweisen und irriger Manipulationen des Menschen durch den Menschen auffordert, nicht als Gewalt angesehen werden“ {Puebla, Nr. 406). 379 REISEN 3. Als Teil der ländlichen Welt Lateinamerikas, der ihr angehört, liebt ihr die Erde und wollt mit ihr in Berührung bleiben. Eure Kultur ist an den tatsächlichen und würdigen Besitz der Erde gebunden. Ich weiß, daß seit einigen Jahren eine Landreform im Gange ist, an der sich die Kirche in Ekuador namhaft beteiligt. Ich möchte zu dieser lobenswerten Initiative ermutigen, die im Licht der Erfahrung die Fehler korrigieren soll, um mit der angemessenen technischen Beratung, mit der Hilfe anderer Wirtschaftsmittel, mit der Respektierung der euch eigenen Gemeinschaftsintegrierung ergänzt zu werden, so daß auch ein besserer Ertrag und die spätere Vermarktung der Produkte erzielt werden. Die unverzichtbare Respektierung eurer Umwelt kann manchmal zu Konflikten führen mit Forderungen wie der Nutzung von Wasser- und Bodenreserven. Es ist ein Konflikt, der für zahlreiche Völker eine echte Herausforderung aufwirft und für den es Lösungswege zu finden gilt, die die Bedürfnisse der Menschen über rein wirtschaftliche Gründe hinaus respektieren. Auf dem Weg eurer Förderung wollt ihr Führer und Lenker eures eigenen Fortschritts sein ohne Einmischungen von seiten derer, die euch gern zu gewalttätigen Reaktionen anstacheln oder euch in Situationen von unannehmbarer Ungerechtigkeit belassen möchten. Ihr wollt Schulter an Schulter mit euren ekuadorianischen Brüdern und in wirklicher Rechtsgleichheit an der Entwicklung eurer Nation teilnehmen. Das ist ein gerechter und unverzichtbarer Wunsch, dessen Verwirklichung ein echtes Fundament für den Frieden bilden wird, der ja Frucht der Gerechtigkeit sein muß. Denkt bei diesem Prozeß immer daran, daß Jesus uns zum Frieden ruft, daß er unser Friede ist (vgl. Eph, 2,14). Nur in ihm, mit ihm und durch ihn werdet ihr den Frieden wahrhaftig erlangen. 4. Was euren Platz in der Kirche betrifft, so wünscht sie, daß ihr den Platz einnehmen könnt, der euch in den verschiedenen Ämtern, einschließlich dem Priesteramt, zusteht. Glücklich der Tag, an dem euren Gemeinden Missionare und Missionarinnen, Priester und Bischöfe eures Blutes dienen werden, damit ihr an der Seite der Brüder anderer Völker den einen und wahren Gott verehren könnt, jeder mit seinen besonderen Eigentümlichkeiten, aber alle vereint in demselben Glauben, in ein und derselben Liebe. Ich freue mich aufrichtig, daß all eure Wünsche in den „seelsorgerischen Optionen“ gesammelt sind, die eure Bischöfe zusammengestellt haben, nachdem sie die verschiedenen Sektoren des Gottesvolkes gehört hatten: der Wunsch nach Gemeinschaft und Teilhabe an den Beziehungen zu 380 REISEN Gott, den Beziehungen der Menschen untereinander und den Beziehungen zur Welt (vgl. Puebla, Nr. 81). Ich will diese Wünsche, Bedürfnisse und Nöte der seligsten Jungfrau Maria anvertrauen, der Mutter, die seit Beginn der Evangelisierung ihren besonderen Schutz für euch zu erkennen gegeben hat: U. Lb. Frau von Quinche, von Cisne, von Las Lajas, der Schmerzensreichen, U. Lb. Frau von Agua Santa de Banos, von Macas, von Rocio, von Nube, vom Loskauf, vom Berg Karmel, von der Aufnahme in den Himmel, von Guayco, von La Paz. Bewahrt sie stets als Mutter und wendet euch mit der Liebe guter Kinder an sie. IV. Abschied Liebe Söhne und Töchter, die ihr zur Begegnung mit dem Nachfolger des Apostels Petrus gekommen seid: ich bin glücklich, daß ich bei euch sein konnte. Es tut mir leid, daß ich die Freude über dieses Zusammensein nicht verlängern kann, aber ich versichere euch, euch in meinem Herzen zu tragen. Ich weiß, daß ihr mich bitten wollt, den christlichen Gemeinschaften eurer Völker die Bibel -zu übergeben. Mit Freude habe ich erfahren, daß die Kirche in Ekuador anläßlich meines Besuches 200000 Exemplare der Bibel herausgebracht hat; ich will das Wort Gottes euren Animateuren, Katecheten, Missionaren, Lektoren und Akolythen anvertrauen, damit sie es, vereint mit ihren Bischöfen und Priestern, ihren Gemeinden als Kraft des Glaubens, der christlichen Hoffnung, der Freiheit, der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens mitteilen. Ehe ich von euch Abschied nehme, geht mein Ruf der Ermutigung und Dankbarkeit an alle, die euch mit Liebe dienen: an den Bischof dieser Diözese Latacunga, an die anderen Bischöfe, Priester, Ordensfrauen, Laien, die unter verschiedenen Bezeichnungen ihr Leben der Förderung eures Wohls widmen. Ich danke euch noch einmal, daß ihr zusammen mit euren Autoritäten und eurem Komitee mich und zahlreiche eurer Brüder so herzlich aufgenommen habt. 381 REISEN Berufungen keimen in der Familie Predigt bei der Messe in Cuenca (Ekuador) am 31. Januar Herr Erzbischof, meine Brüder im Bischofsamt, Autoritäten, hebe Brüder und Schwestern! „Lobet den Herrn, alle Völker“ (Ps 116,1). 1. Mit Begeisterung sprechen wir die Psalmworte, um Gott, den Schöpfer und Herrn der Geschichte, zu preisen, der durch Jesus Christus seit viereinhalb Jahrhunderten auf besondere Weise unter seinem Volk auf dem Boden Ekuadors gegenwärtig ist. Als Bischof von Rom und Nachfolger des hl. Petrus freut es mich, bei diesem wichtigen Jahrestag anwesend sein zu können, den Volk und Kirche in eurem Land feiern. Heute habe ich Gelegenheit, mit den Söhnen und Töchtern Ekuadors hier, in der Stadt Cuenca, zusammenzutreffen. Ein Impuls des Glaubens kam für sie im christlichen und menschlichen Leitwort zum Ausdruck: „Zuerst Gott und dann ihr.“ Der gleiche Glaube inspirierte hervorragende Bürger und Literaten wie Honorato Väzques, Remigio Crespo, Miguel Moreno und andere große Söhne dieser Stadt, des „Athens von Ekuador“. Der gleiche Glaube durchdrang Priester wie den Diener Gottes P. Julio Maria Matoveile, den Gründer der Kongregation der Oblatenpatres und -Schwestern, der auch für die Basilika des nationalen Gelöbnisses dieser Republik eingetreten ist, die erste, die dem Herzen Jesu geweiht wurde. Diese Stadt Santa Ana de los Rios de Cuenca ist eine eucharistische und marianische Stadt. 2. „Lobet den Herrn, alle Völker!“ Heute möchten wir den Kern dieses Volkes kennenlernen, das in eurer Heimat lebt. Dieser Kern ist - wie in allen Teilen der Welt - die Familie. Sie ist die fundamentalste menschliche Gesellschaftsform und gleichzeitig die kleinste Zelle jeder Gesellschaft und jeder Nation. Sie wurde auch -gemäß der Tradition der Kirchenväter - die „kleinste Hauskirche“ genannt. Auf diese Tradition nahm die Bischofssynode von 1980 Bezug, und für sie legte das Apostolische Schreiben Familiaris consortio Zeugnis ab, das nach der Synode veröffentlicht wurde. 3. Diese „Hauskirche“ entspringt einem genauen Plan Gottes, der nichts anderes ist als ein Plan der Liebe. Die Vereinigung von Mann und Frau im 382 REISEN Sakrament der Ehe, das am Anfang jeder christlichen Familie steht, nimmt gerade hier ihren Ursprung (vgl. Familiaris consortio, Nr. 11). Das Geschenk, das die Eheleute sowohl auf leiblicher als auch auf spiritueller Ebene einander machen, leitet hiervon seine große und unzerstörbare Bedeutung her, ist es doch, auch vom menschlichen Standpunkt aus betrachtet, eine rückhaltlose Verpflichtung von Mann und Frau für das ganze Leben, bis zum Tod. Aus dieser Ganzhingabe ergibt sich auch das Erfordernis der verantworteten Fruchtbarkeit, die, auf die Zeugung eines Menschen hingeordnet... diese ihre Natur (überragt) und... ein Gefüge von personalen Werten (berührt), deren harmonische Entfaltungen den dauernden, einträchtigen Beitrag beider Eltern verlangt“ (Familiaris consortio, Nr. 11). Nur so ist diese Hingabe in der Ehe, der von Gott gewollten Lebens- und Liebesgemeinschaft, möglich. Vorbild der Ehe ist der Liebesbund mit Gott Vorbild der ehelichen Vereinigung ist der Bund der Liebe zwischen Gott und seinem Volk in der Heilsgeschichte, ein Bund der Treue, dem ihre Natur, ihre Kraft und ihre Unauflöslichkeit entspringen. Darüber hinaus hat die eheliche Vereinigung den bräutlichen Bund zwischen Christus in der sakramentalen Ökonomie des Neuen Testaments als Vorbild, so daß die Eheleute, indem sie sich einander mitteilen, sein Abbild, sein beredtes „Zeichen“, ja sein wahrer Ausdruck sind. Das kostbare Geschenk der Kinder ist so der höchste Ausdruck dieses gegenseitigen Sich-Schenkens, das auf der Gabe Gottes für die Menschheit und auf der Gabe Christi für seine Kirche beruht (vgl. Familiaris consortio, Nr. 14). 4. Die heutige Liturgie führt uns auch ins Innere der Familie, indem sie uns vor allem mit dem Lukasevangelium das Leben der Heiligen Familie von Nazaret vor Augen stellt. In dieser Familie wurde die Erlösung der Welt durch die Tatsache Wirklichkeit, daß Jesus Christus Maria und Josef „gehorsam war“ wie ein Sohn seinen Eltern. Er aber „wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“. Maria, seine Mutter, aber „bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen“. Das verborgene Leben in Nazaret: diese Wirklichkeit gibt uns zu verstehen, daß eine besondere Aufgabe in der göttlichen Heilsökonomie an die menschliche Familie gebunden ist. In der Familie von Nazaret bereitete sich Jesus auf seine messianische Aufgabe vor: das Evangelium des Heils, 383 REISEN das seit der Taufe im Jordan weite Resonanz fand, zuerst bei den Generationen Israels und dann auf der ganzen Erde. Das Evangelium, die während des verborgenen Lebens in der Familie von Nazaret vorbereitete Frohbotschaft, beinhaltet jene Wahrheiten und Leitlinien, die jeder menschlichen Familie ihre Würde, ihre Heiligkeit und ihr Glück sichern. 5. Deshalb ruft der Apostel Paulus in der zweiten Lesung der heutigen Liturgie allen Familien zu: „Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch.“ Gleichzeitig legt uns der Apostel in seinem Brief an die Kolosser das wahrhaft dem Evangelium entsprechende Bild eines christlichen Familienlebens vor. „Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander!“ In diesem wunderbaren, reichen und lichtvollen, aber zugleich realistischen Abschnitt - beschreibt er doch die möglichen Schwierigkeiten des familiären Zusammenlebens - sind die verschiedenen Elemente der Familienspiritualität enthalten (Kol 3,12-21): - die gegenseitige Liebe: „Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht“; - Gehorsam und Achtung: der Männer den Frauen und der Frauen den Männern, der Eltern den Kindern und der Kinder den Eltern gegenüber: „wie es sich im Herrn geziemt... Denn so ist es gut und recht im Herrn“; - gegenseitiges Verstehen: „Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander. .. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr“; - Zuwendung echter Liebe: „Bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld.“ Gleichzeitig beschreibt der hl. Paulus die Familie - erste ekklesiale und menschliche Gemeinschaft, die jeder anderen vorangeht - als besonders geeignetes Milieu für die moralische und religiöse Erziehung: „Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit!... Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu.“ 6. Diese tiefe, der Familie eigene Ethik, wie sie der Apostel beschreibt, hat, zusammen mit anderen Elementen der Offenbarung und des kirchlichen Lehramtes, das schon erwähnte Apostolische Schreiben Familiaris consortio inspiriert, dessen Absicht es eben war, alle Aspekte der Familie, als Einheit von Personen betrachtet, ins Licht zu rücken, sei es, weil sie 384 REISEN durch die Erziehung die menschliche Person in die menschliche Gemeinschaft einführt, sei es vor allem, weil sie durch die Teilhabe am Heilswerk des Todes und der Auferstehung Christi „der natürliche Ort (ist), wo sich die Eingliederung der menschlichen Person in die große Familie der Kirche vollzieht“ (Nr. 15). Hier haben also die Verantwortung der christlichen Familie und die ihr eigenen Aufgaben ihren Ursprung; mit diesen Aufgaben beschäftigt sich der dritte Teil des Dokumentes: die Bildung einer Gemeinschaft von Personen; der Dienst am Leben, in der vollen freudigen Offenheit dem Plan Gottes gegenüber; die Teilhabe der Familie an der gesellschaftlichen Entwicklung als Erfahrung von Gemeinsamkeit und Mitverantwortung im zivilen sozialen und politischen Bereich; schließlich ihre Teilnahme an Leben und Sendung der Kirche, in der wachsenden Überzeugung, daß die christliche Familie eine „glaubende und verkündende Gemeinschaft“ ist, „Gemeinschaft des Dialogs mit Gott“ und „Gemeinschaft im Dienst des Menschen“. 7. Das Lukasevangelium ruft uns ein besonderes Ereignis aus der Geschichte der Heiligen Familie ins Gedächtnis: Als Jesus zwölf Jahre alt war, zogen seine Eltern mit ihm nach Jerusalem zum Osterfest. Während der Rückkehr nach dem Festtag stellen sie plötzlich fest, daß Jesus sich nicht unter den Heimkehrenden befindet. Nach dreitägiger Suche finden sie ihn im Tempel, und Maria sagt zu ihm: „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht“ (Lk 2,48). Die Antwort Jesu gibt zu denken: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ {Lk 2,49). Das Evangelium fügt hinzu, daß Maria und Josef diese Worte „nicht verstanden“. Gleichzeitig jedoch bleiben diese Worte dem Gedächtnis der Mutter eingeprägt und sind jene, die sie am tiefsten und genauesten „in ihrem Herzen“ bewahrte. Jesus spricht von seiner Berufung: von der Sendung, die der himmlische Vater seiner göttlich-menschlichen Natur von Anfang an gegeben hat. Im Tempel von Jerusalem wurde zum ersten Mal das angedeutet, was Jesus von Nazaret später, nach der Taufe im Jordan, immer tun sollte: er verkündete das Evangelium vom Reich Gottes; er offenbarte den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. In der Wahrheit dieser Berufung, die der himmlische Vater ihm mitgeteilt hatte, ging Jesus seinen Weg bis ans Kreuz, und mit der Macht Gottes erstand er von den Toten. 385 REISEN 8. Die Familie ist somit die erste und entscheidendste Umgebung, in der die christliche Berufung keimt, sich entwickelt und kundtut. Wie die Berufung Jesu Christi sich in der Familie von Nazaret kundtat, so keimt auch heute jede Berufung in der Familie und tut sich in ihr kund. Die Familien unserer Zeit müssen stets dieser grundlegenden und unveräußerlichen Aufgabe eingedenk sein, die sie von Gott empfangen haben: sie müssen ihre Kinder so erziehen, daß sie sich der Aufgabe bewußt werden, die Gott jedem in dieser Welt zugeteilt hat; sie müssen sich ihrer Berufung bewußt werden. Jeder hat eine Sendung zu erfüllen, die niemand an seiner Statt erfüllen kann. Jeder ist berufen: - als Getaufter; - als Glied der Kirche, der Stadt Gottes; - als Glied der Stadt der Menschen; - als Baumeister der Gesellschaft, gemeinsam mit den Mitmenschen; - als Friedensstifter; - als Zeuge der Liebe Gottes zu den Menschen. Wenn sich nun diese allgemeine Berufung als eine besondere erweist, „alles zu lassen“ (LK 5,11; vgl. Mt 4,20; Mk 1,18), einschließlich des Teuersten, das man in der Welt hat, um Christus im priesterlichen und im Ordensleben nachzufolgen, in der missionarischen Aufgabe und in den verschiedenen Ämtern der Laien, die hier durch zahlreiche hochverdiente Personen aus dem ganzen Land so gut vertreten sind; wenn es sich um diese Berufung handelt, erweist sich die christliche Familie auch - und vor allem - hier als das vorzüglichste Milieu, in dem der von Gott ausgestreute Same in den Herzen der Kinder Wurzel schlagen und reifen kann; als der Ort, an dem sich die Mitwirkung der Eltern an der priesterlichen Mission Christi auf die erhabenste Weise offenbart. Ein innerer Anruf Gottes, an den Menschen gerichtet 9. Die Berufung berührt die tiefsten Wurzeln der menschlichen Seele. Sie ist ein innerer Anruf, den Gott an den Menschen richtet, an den einen und unwiederholbaren Menschen. Der Prophet Jeremia sagt über die Berufung: „Das Wort des Herrn erging an mich: Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt“ (.Ter 1,4-5). „Noch ehe...“: Der Plan Gottes für den Menschen besteht vor dessen 386 REISEN Zeugung im Mutterleib. Er ist ewig. Dieser ewige Plan Gottes steht am Anfang jeder Berufung. Der Mensch muß ihn entdecken..., muß ihn richtig entdecken. Der Prophet Jeremia bezeugt ausdrücklich, daß er. sich ohne inneren Kampf nicht finden läßt. Der Mensch - der junge Mensch - weiß um seine Schwäche und möchte sich von ihr befreien. Die Gnade und Kraft Gottes ist jedoch größer als die menschliche Schwäche: „Wohin ich dich auch sende, dahin sollst du gehen, und was ich dir auftrage, das sollst du verkünden! Fürchte dich nicht von ihnen; denn ich bin mit dir, um dich zu retten...“ (Jer 1,7-8). 10. Heute haben wir in der Stadt Cuenca den Altar der Kirche, des Volkes Gottes auf dem Boden Ekuadors errichtet. Auf diesem Altar vollziehen wir das eucharistische Opfer Jesu Christi, Quelle der notwendigen Einheit; Einheit der Hirten untereinander und mit ihren Gläubigen. Wir wollen für alle Familien der Welt beten. Wir wollen für die Berufungen beten: für die christlichen, die Priester- und die männlichen und weiblichen Ordensberufungen. Wir wollen beten, indem wir uns die heiligsten Erinnerungen der Familie von Nazaret ins Gedächtnis rufen. Tatsächlich ist die Familie das Milieu, in dem sich die von Gott gewollte Berufung kundtut und wo sie reift. Allen wollen wir mit den Worten des Völkerapostels zurufen: „Das Wort Christi wohne mit all seinem Reichtum unter euch.“ Nehmt dieses Wort auf! Möge es Früchte christlichen Lebens tragen! Möge der Weg der Berufung offenbar werden! „Lobet den Herrn, alle Völker!“ Möge das Volk, das in diesem Land wohnt und das Wort Christi vernimmt, allzeit Gott loben, „denn mächtig waltet über uns seine Huld, die Treue des Herrn währt in Ewigkeit“ (Ps 117). 387 REISEN Heiligkeit besteht in der Liebe Predigt bei der Seligsprechung der ekuadorianischen Ordensgründerin M. Mercedes Molina de Jesus in Guayaquil am 1. Februar 1. „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen“ {Mt 11,25-26). Einst hat Jesus Christus im Heiligen Land diese Worte gesprochen, in denen sich das Geheimnis seines Vaters offenbart. Dieselben Worte sollen heute im fernen Ekuador, im Herzen der Stadt Guayaquil, nahe dem Pazifischen Ozean, laut werden. Denn seit sie zum ersten Mal gesprochen wurden, war die Bestimmung dieser Worte des Gottessohnes eine universale: alle Nationen und die ganze Schöpfung sollten sie hören; es sind Worte, in denen die Frohbotschaft des Heils ihren Höhepunkt findet. Wir alle, die wir heute diese im Evangelium des hl. Matthäus niedergeschriebenen Worte des Erlösers hören, sind hier zu einer außergewöhnlichen Feier zusammengekommen. Der Bischof von Rom und Nachfolger des Petrus ist zu euch gekommen, um die Seligsprechung und Erhebung zur Ehre der Altäre der demütigen Tochter Ekuadors, Mutter Mercedes de Jesus Molina y Ayala, Gründerin der Kongregation der Marianiten, vorzunehmen. 2. Mit frohem Herzen, meine lieben Brüder und Schwestern, will ich einen Gruß des Friedens und der Verbundenheit im gleichen Glauben und in der gleichen Hoffnung an euch richten. Ich begrüße zunächst den Oberhirten dieser Erzdiözese Guayaquil, die Weihbischöfe und die hier anwesenden Bischöfe Ekuadors, die Priester und Seminaristen, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Vertreter des Staates, das ganze um den Altar versammelte heilige Volk Gottes zu diesem Fest des Geistes, das die edelsten Gefühle der christlichen Frömmigkeit zum Schwingen bringt. Besonders herzlich begrüße ich alle Ordensfrauen der Marianisten, die sich heute über die Seligsprechung ihrer Gründerin freuen. Der Herr Bischof von Riocomba, Leonidas Proano, hat die Gestalt der neuen Seligen und die Gründe für ihre. Erhebung zur Ehre der Altäre vorgestellt. Mit dem Seligsprechungsakt, den ich soeben unterzeichnet habe, wollte ich diese Frau aus Ekuador, Mercedes de Jesus, symbolisch in den Mittelpunkt der ganzen Kirche stellen. In ihr erkennen wir das 388 REISEN Wirken der heiligmachenden Gnade, die ihre Tugenden zur Höhe eines beispielhaften Heldentums führte. Und mit diesem Akt wollen wir alle in die Gemeinschaft der Heiligen eintreten können, besonders jedoch die Kirche von Ekuador und die Ordensfamilie, die sie gegründet hat, ein Vorbild des Lebens, eine mächtige Fürsprecherin, eine Ermutigung auf dem Weg in die ewige Heimat, wie es in der Liturgie der Kirche heißt. Eine demütige Tochter dieses Landes, die selige Mercedes de Jesus Molina, erhält heute hier, nicht weit von ihrem Geburtsort Baba, die Anerkennung ihrer Tugenden. In ihr verehren wir eine vorbildliche Christin, eine Erzieherin und Missionarin, die sich wie ein mächtiger Rosenstrauch nach dem Traum und der Inspiration der Stifterin bereits über verschiedene Nationen ausbreitet und mit ihrem Apostolat die Kirche in Lateinamerika bereichert. Eine Freude für das ganze christliche Volk Ekuadors Und es ist für das ganze christliche Volk Ekuadors eine Freude, daß es von heute an zusammen mit der „Lilie von Quito“, der hl. Mariana de Jesus, die „Rose von Baba und Guayaquil“, die sei. Mercedes de Jesus, verehren kann. Sie sind Wohlgerüche der Heiligkeit und mächtige himmlische Fürsprecherinnen, Vorbild und Ansporn eines echten christlichen Lebens für alle Söhne und Töchter dieses Landes. 3. Im heutigen Evangelium wendet sich Jesus Christus mit einzigartigen Worten an den himmlischen Vater: „Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ {Mt 11,27). Und zugleich „preist“ der Sohn „den Vater“, „weil er das den Unmündigen offenbart hat“ {Mt 11,25). Mutter Mercedes de Jesus hat diese Offenbarung mit offenen Händen empfangen. In ihr war jene Liebe der Weisheit vorhanden, von der die erste Lesung der heutigen Liturgie spricht. Sie könnte gut mit dem Verfasser des Buches Jesus Sirach wiederholen: „Als ich jung und noch nicht unstet war, suchte ich eifrig die Weisheit. Sie kam zu mir in ihrer Schöheit, und bis zum Ende will ich nach ihr streben...“ {Sir 51,13-14). „Schon von Jugend an habe ich sie erkannt... Sie ist für mich zur Amme geworden; meinen Lehrer will ich preisen“ {Sir 51,15-17). Mercedes Molina suchte von Jugend an die Weisheit. Die ersten schmerzlichen Erlebnisse, die ihre Jugend in eine tiefe Begegnung mit Gott 389 REISEN verwandelten, waren ein erster Strahl der göttlichen Weisheit. Sie wog die Freuden ab, die die Welt bot, und die Hingabe, die das Evangelium forderte. Und sie wählte entschlossen Christus, den Gekreuzigten, Gottes Weisheit, zum Bräutigam ihrer Seele. Nachdem sie sich Gott geweiht hatte, lebte sie zunächst in der Welt unter der Führung hervorragender Jesuiten und folgte den Spuren der damaligen sei. Mariana de Jesus. Auf diese Weise versuchte sie sich durch Gebet und Buße mit dem gekreuzigten Christus zu identifizieren, den sie vor jeder anderen menschlichen Liebe erwählt hatte. 4. Es war die langsame Vorbereitung, mit der sie sich anschickte, dem Ruhm und Ehre zu erweisen, der ihr die Weisheit geschenkt hatte. Sehr bald schon sollte sie das Programm verwirklichen können, das in den Worten des Buches Jesus Sirach, die wir gelesen haben, gezeichnet wird: die zum Leben erweckte Weisheit: „Ich hatte im Sinn, Freude zu erleben, ich strebte ohne Rast nach Glück. Ich entflammte mein Verlangen nach ihr und wandte mein Gesicht nicht von ihr ab... Meine Hand öffnete ihre Tore, und ich nahm sie leibhaftig wahr... Ich fand die Weisheit in ihrer Reinheit“ (Sir 51,18-20). Diese glühende Geliebte der göttlichen Liebe, der Frohbotschaft von der Erlösung und des menschgewordenen Wortes, verlangt es danach, diese Schätze, die der Vater „den Unmündigen offenbart hat“, mit den anderen zu teilen: „Kehrt bei mir ein, ihr Unwissenden, verweilt in meinem Lehrhaus! Wie lange noch wollt ihr das alles entbehren und eure Seele dürsten lassen?“ (Sir 51,23-24). Während sie weiter den Weg der Liebe ging, begann Mercedes Molina, die den Beinamen „de Jesus“, „von Jesus“, angenommen hatte, um auf ihre ausschließliche Hingabe an Christus hinzuweisen, sehr bald mit der Verwirklichung der Werke zu Ehren ihres Bräutigams. Zuerst als Mutter und Lehrerin von Waisenkindern in Guayaquil, dann, den Spuren ihres Beichtvaters folgend, als unerschrockene und liebevolle Missionarin unter den Jivaras-Indianern von Gualaquiza; dann wiederum als Erzieherin und Beschützerin verlassener Kinder in Cuenca. All das war eine von der göttlichen Vorsehung bestimmte Vorbereitung, in der sich ihr Charisma als Ordensstifterin festigte, die schließlich am Ostermontag 1873 vom Bischof von Riobamba die Approbation für ihre Gründung enthielt, womit die Kongregation der Schwestern der Mariana de Jesus, der Marianisten, offiziell zu bestehen anfing. 390 REISEN 5. Der Geist der Weisheit hatte in der Liebe und im Schmerz das Charisma einer geistlichen Fruchtbarkeit geläutert, das sie mit dem Beispiel ihres Lebens, mit der unmittelbaren Sorge für die ersten Ordensschwestern ihren Töchtern weitergab, indem sie persönlich für den „Rosenstrauch“ des gekreuzigten Christus und der Jungfrau Maria, des Sitzes der Weisheit, Sorge trug. Hier erfüllen sich die Worte Jesu in den Herzen der Unmündigen, von denen er im heutigen Evangelium spricht; das sind jene, die sich weit öffnen, um die göttliche Weisheit anzunehmen, und die leben, wie es der Apostel im Korintherbrief verkündet: „Glaube, Hoffnung, Liebe...; doch am größten unter ihnen ist die Liebe“ (1 Kor 13,13). „Wenn ich alle Geheimnisse wüßte und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts“ (1 Kor 13,2). Mit den wohl schönsten Worten, die jemals gesprochen worden sind, verkündet der Apostel Paulus seinen Lobpreis auf die Liebe. Denn die Heiligkeit besteht in der Liebe. Das war in der Tat die Heiligkeit dieser Frau von der ekuadorianischen Küste: die Liebe zu Jesus leben in der Liebe zum Nächsten. Der kontemplative Blick der Mutter Mercedes war gefangengenommen von der Armut des Kindes von Betlehem und vom Schmerz des leidenden Antlitzes des Gekreuzigten. Sie wollte einfach und klar Liebe sein für den Schmerz entsprechend dem in ihren frühen biographischen Schriften enthaltenen Motto: „Liebe für die vielen Schmerzen, die es in der Welt gibt“; in ihren Werken die Liebe zu allen verkörpern, die in der Armut, im Schmerz, in der Verlassenheit das Geheimnis des armen Kindes von Betlehem oder des leidenden Christus von Golgata widerspiegeln. Sie war Mutter und Erzieherin von Waisenkindern, arme Missionarin und Friedensbotin unter den Indianern, Gründerin einer Ordensfamilie. Sie hat ihren Ordenstöchtern ihren Geist hinterlassen, der die Heiligkeit in einer apostolischen Liebe zu den Ärmsten, Verachtetsten, Verlassensten verdichtet. Es war ihre Sendung, „den schütz- und hilflosen Armen das Heil zu verkünden“, die Augen der bußfertigen Herzen zu trocknen, die Befreiung derer zu fordern, die Gefängnis und Verurteilung erleiden, alle Betrübten zu trösten. Liebe, die keine Grenzen kennt, die imstande ist, „allen betrübten Herzen, die es in der Welt gibt“, Hilfe und Trost zu bringen, wie es die Ordensmutter in ihren Konstitutionen zusammenfaßte. 391 REISEN 6. Auf diese Weise hat sich Jesus Christus durch seine demütige Dienerin Mercedes Molina in besondere Nähe zu den Menschen hier in Ekuador gebracht; er hat sich in ganz besonderer Weise gegenwärtig gemacht. Durch ihren Dienst schien er zu sagen: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werde ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht“ (Mt 11,28-30). Der Heilige Geist hat in das Gesicht von Mutter Mercedes die Züge des milden und demütigen, barmherzigen und gütigen Christus gezeichnet. In ihr spiegelt sich ganz klar die wahre bevorzugte Option für die Armen wider. Es ist die Option Christi und der Kirche durch alle Zeiten. Es ist die bevorzugte Liebe zu den Geringsten und Demütigsten, die der Heilige Geist im Herzen der Heiligen weckt. Und es ist das Programm, die weder ausschließliche noch ausschließende bevorzugte Option, die ich am Weihnachtstag feierlich als Verpflichtung der ganzen Kirche verkündet habe. Die selige Mercedes lehrt uns, daß in den Armen der arme Christus ist, daß sich in allen, die leiden, das liebevolle und geduldige Antlitz Jesu widerspiegelt. Er hat sich mit jedem Mann und jeder Frau unserer Welt identifizieren wollen, um allen zu garantieren, daß dort, wo eine Situation der Armut und des Leidens gelebt wird, das Erbarmen Gottvaters vorhanden ist, um die herzliche und wirksame Liebe der Brüder anzuziehen, denn „was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Vorbild der Liebe und des Dienstes Für die Kirche in Ekuador, für die Verantwortlichen der Gesellschaft dieser Nation ist die sei. Mercedes nicht nur eine Ehre, sie ist ein Lebensvorbild. Ihr Beispiel spricht zu uns von einer Liebe, die aus der kontemplativen Betrachtung des Evangeliums, aus der Gemeinschaft mit der Eucharistie hervorgegangen ist und in Werke des Erbarmens umgesetzt wurde. Deshalb stellt sie uns als Gegenwart Christi auf Erden die Herausforderung, das Evangelium der Liebe in denselben Bereichen zu verwirklichen, in denen sie von Anfang an ihre Verpflichtung der Liebe zu Christus in die Tat umzusetzen vermochte. In der Erziehung und kulturellen Förderung, in der Besserstellung der Frau, in der Bekräftigung der Rechte der Person, in der gerechten Verteilung der Wirtschaftsgüter, in der Achtung und Sorge für die Eingeborenen haben die Kirche von Ekuador und die Verantwortlichen für das 392 REISEN Sozialleben in der Seligen Mecedes de Jesus ein Vorbild der Liebe und des Dienstes. 7. Heute und von dieser Stunde an für immer wird die Selige, Tochter eures Landes, Tochter der Kirche in Ekuador, bei euch bleiben im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen. Wenn sie Gott „von Angesicht zu Angesicht“ schaut in der Liebe, „die nicht endet“, wird sie sich mit ihren Brüdern und Schwestern vereinen, ihre Gebete und Fürbitten hören. Und zusammen mit ihnen wird sie Gott preisen, wie es der Psalm der heutigen Liturgie ausdrückt: „Ich will den Herrn allezeit preisen; immer sei sein Lob in meinem Mund... Verherrlicht mit mir den Herrn, laßt uns gemeinsam seinen Namen rühmen... Da ist ein Armer; er rief, und der Herr erhörte ihn. Er half ihm aus all seinen Nöten... Kostet und seht, wie gütig der Herr ist; wohl dem, der zu ihm sich flüchtet!“ (Ps 34,1-9). Bei dieser Eucharistiefeier preisen und loben wir den Herrn für die Gegenwart des Geheimnisses Christi. Mit ihm und durch ihn steigt das Gebet der Kirche zum Himmel, Gebet und Bitte aller Armen, die den Herrn anrufen. In dem freudigen Erlebnis der eucharistischen Gemeinschaft haben wir teil an der Güte des Herrn, die ansteckend wirken will, damit alle daran teilhaben und zeigen, daß Gott unendliche Güte ist. Durch die Fürsprache der sei. Mercedes de Jesus bitte ich den gütigen und barmherzigen Vater, daß sie Güte ausstrahlen möge, besonders unter den Ärmsten und Bedürftigsten, damit wir alle, vereint bei dem Festmahl der Versöhnung und der brüderlichen Gemeinschaft, wahrhaftig wie an diesem Tag singen können: „Kostet und seht, wie gütig der Herr ist!“ Heute will ich alle Tränen sammeln Ansprache an die Bewohner des Elendsviertels „El Guasmo“ von Guayaquil (Ekuador) am 1. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit meinem ganz herzlichen und innigen Gruß erwidere ich den herzlichen Empfang, den ihr mir bei der Ankunft hier im Guasmo zuteil werden laßt. Ich bin äußerst glücklich, bei euch zu sein und diese Stunde 393 REISEN in eurer Gesellschaft zu verbringen. Gern würde ich jeden einzelnen persönlich begrüßen. Seid alle vom Papst umarmt, der vornehmlich zu euren Kindern, zu den Alten, zu jenen unter euch kommt, die aus irgendeinem Grund leiden. Der hl. Apostel Paulus sagte, als er an die Christen von Korinth schrieb: „Wer kommt zu Fall, ohne daß ich von Sorge verzehrt werde?“ (2 Kor 11,29). Er spürte am eigenen Leib die Nöte, Leiden und Ängste jener Christen seiner Zeit. Der Papst, der die Sorge für alle Kirchen auf seinen Schultern trägt, findet in diesen Worten Anregung, sich mit Zuneigung und Vorliebe jenen zu nähern, von denen der Herr sagte: „Selig ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes“ (Lk 6,20). Bei diesem meinem Besuch im Guasmo will ich vor allem das Interesse, die Solidarität, die Liebe des Papstes für euch und für alle Besitzlosen, für die Notleidenden, für alle bekunden, die für ein würdigeres und menschlicheres Lebensniveau auf dem ganzen weiten Gebiet dieser geliebten ekuadorianischen Nation kämpfen. Jesus Christus liebte diejenigen, die keine Stimme haben 2. Ich bringe euch eine Botschaft der Hoffnung, indem ich euch einlade, eure Augen mit dem Blick des Glaubens für eure innere Würde zu öffnen. Ich bringe euch die Frohbotschaft von Jesus Christus, der gesalbt wurde, „damit er den Armen eine gute Nachricht bringe“, „damit er die Zerschlagenen in Freiheit setze“ und „ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ {Lk 4,18-19). Jesus Christus liebte besonders die Armen, jene, die mittellos sind, die keine Stimme haben und in den Augen der Welt nicht zählen, die aber ihr Herz Gott und seinem Wort zu öffnen wissen. Ich sage euch ferner: Jesus ist aus freien Stücken mit den Armen arm geworden, denn wie der hl. Paulus sagt, wurde „er, der reich war, euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9). Von seiner Geburt in Betlehem bis zu seinem Tod am Kreuz hat der Herr mit seinem Leben und mit seiner Verkündigung den Weg der Einfachheit, der Demut, des Mitleidens mit den Bedürftigen aufgezeigt. Jesus verstand die Armen gut, und sie verstanden ihn. 3. Deshalb will ich mit meinem Besuch bei euch in dieser dichtbesiedelten Zone am Stadtrand von Guayaquil eurer tatsächlichen Wirklichkeit und eurer Lebenssituation nahekommen, um euch in eurem christlichen Dasein und in eurem Streben nach größerer menschlicher Würde zu 394 REISEN ermutigen. Wie auf meinen vorangegangenen apostolischen Reisen in verschiedene Länder Lateinamerikas will ich auch hier in den Guasmos und Favelas, in den Neusiedlungen und Callampas, in den Wellblechhütten und Elendsquartieren die Stimme Christi gegewärtig machen. Ich will euch auf richten und euren Leidensweg in mein Herz auf nehmen, jedes einzelnen von euch; eurer Familien, die einst von den Feldern des ganzen Landes auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen ihre Heimatorte verlassen haben, womit ein schmerzensreicher Weg in Richtung Stadt begann. Ich kann mir die unzähligen Schwierigkeiten eurer Ansiedlung vorstellen: ungewisse Ansässigkeit, mühseliges Auftreiben von Material für die Errichtung einer notdürftigen Unterkunft, unzureichende hygienische und sanitäre Verhältnisse, das Fehlen aller öffentlichen Dienste usw. Wie viele Kämpfe, um Bedrohungen jeder Art zu überwinden: Ausbeutung, Bonzentum, Demagogie, Gewalttätigkeit, Promiskuität! Wie viele Herausforderungen, um euch nicht von proselytenhaften Kampagnen verführen zu lassen, die von Gruppen oder Sekten mit wenig religiösem Inhalt angestiftet werden und darauf abzielen, euch von eurem katholischen Glauben abzubringen! Heute vormittag, liebe Brüder, will ich alle diese Tränen, die ihr auf eurem langen Pilgerweg vergossen habt, sammeln, um sie Christus zu Füßen zu legen, damit sie sich in heilbringende Gnade für euer Leben verwandeln, in ein lebendiges und hoffnungsfrohes Bewußtsein, daß ihr Kinder Gottes seid, in einen Impuls, an menschlicher Würde und christlichem Bewußtsein zu wachsen. 4. Es ist tröstlich für mich zu wissen, daß ihr seit eurer Ankunft in diesen Niederlassungen, die nun euer armseliges Zuhause sind, auf die Hilfe und den Dienst selbstloser Priester, Ordensschwestern und Laien zählen kon-tet, die euch, indem sie ein wunderbare Zeugnis christlicher Liebe abga-ben bei der Überwindung eurer Schwierigkeiten halfen, indem sie euch in euren Bemühungen und legitimen Bestrebungen ermutigten. Im Namen der Kirche will ich hier all diesen Aposteln lebhafte Anerkennung und Dankbarkeit bekunden, die in den Guasmos und in ganz Ekuador weiter selbstlos den Brüdern dienen. Der Papst möchte heute zusammen mit euren Bischöfen noch einmal die bevorzugte Option der Kirche für die Armen wiederholen. Eine Option, die weder ausschließlich ist noch jemanden ausschließt, sondern die im Gegenteil die Anstrengung aller vereinen möchte in der Verteilung und Förderung, der „Sache der Armen, ihrer Würde, ihrer Förderung, ihrer Personenrechte, ihres Stre- 395 REISEN bens nach unaufschiebbarer sozialer Gerechtigkeit“ (Predigt bei der Messe in Santo Domingo, 11. Oktober 1984, Nr. 5, in: O.R. dt., 2. 11. 1984, S. 9.). 5. Doch ich will hier auch daran erinnern, daß es „nicht nur die Armut gibt, die den Leib trifft, sondern auch eine andere, gefährlichere, die das Gewissen trifft und das innerste Heiligtum der Würde der Person verletzt“ ( Weihnachtsansprache an die Kardinale und die Römische Kurie, 21. Dezember 1984, Nr. 10, in: O.R. dt., 4. 1. 85, S. 5). Gegen diese Formen der Armut will die Kirche mit allen ihren Kräften kämpfen zugunsten der Förderung und Verteidigung der Würde und Rechte der menschlichen Person. Darum will ich nachdrücklich an das Gewissen der Regierenden und Verantwortlichen der Gesellschaft sowie an das Gewissen aller Katholiken, besonders jener, die über mehr Mittel oder Einflußmöglichkeiten verfügen, appellieren, für ein größeres soziales Gleichgewicht zu sorgen und auch mehr Solidarität mit dem Bedürftigen und Notleidenden an den Tag zu legen eingedenk der Worte Jesu: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Niemand fühle sich ruhig, solange es in Ekuador ein Kind ohne Schule, eine Familie ohne Wohnung, einen Arbeiter ohne Arbeit, einen Kranken oder Alten ohne angemessene Betreuung gibt. Die Kirche ihrerseits wird ihre apostolische und Fürsorgearbeit fortsetzen und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln helfen, um die Lebensqualität aller Bürger zu heben. Sie ist sich bewußt, daß ihre eigentliche Sendung geistlich-religiöser Art ist und ihr Reichtum die Gnade Christi. Aber aus der Tiefe und Forderung des Evangeliums ruft sie ihre Kinder auf und mobilisiert ihre Kräfte, damit sie das Los des in materieller und geistlicher Hinsicht Notleidenden teilen. 6. Man hat mich, liebe Brüder, über das vorbildliche Verhalten einzelner Personen und Gruppen eurer Gemeinden unterrichtet, die, obwohl sie selbst in Armut leben, ihre hochherzige Solidarität beweisen, indem sie das Wenige, das sie besitzen, mit den Ärmsten teilen, den Kranken beistehen, den Brüdern, die Opfer von Naturkatastrophen oder anderen Unglücksfällen geworden sind, helfen. Das sind großartige Gesten christlichen Zeugnisses, die als Vorbild und Ansporn dienen sollen, um eure Pfarreien und Gemeinden zu gastlicheren, brüderlicheren und wohnlicheren Orten zu machen. 396 REISEN „Zögert nicht, nein zu sagen zu jeder Art von Ausbeutung“ Seid somit ihr die ersten, die tun, was in eurer Macht steht, um eure Situation zu verbessern. Gott will, daß ihr menschlich und geistlich vorankommt. Dazu müßt ihr klare Verhaltensgrundsätze haben. Zögert nicht, nein zu sagen zu einer Ausbeutung, woher immer sie kommt, die euch zu bloßen Objekten machen will; nein zu einem Bonzentum, das euch zu bestimmten Zeitpunkten als Abhängige mißbrauchen will. Sagt nein zur Gewalt, die nichts aufzubauen vermag; nein zum Verbrechertum, nein zur Prostistution, nein zur Pornographie, nein zur Droge, nein zu Alkoholismus. Vermeidet Sinnlichkeit und Zügellosigkeit; denkt daran, daß einzig und allein die Einehe und die den Vorschriften der Kirche entsprechende verantwortete Elternschaft Fundamente einer geordneten Gesellschaft sind. Vergeßt nicht die alten Taditionen der Enthaltsamkeit, der Frömmigkeit, der unermüdlichen Arbeit eurer Familien. Habt Gott in eurem Leben gegenwärtig. Erzieht eure Kinder in christlichem Sinn. Weist die religiöse Gleichgültigkeit, die extremen Ideologien zurück, die Haß, Rache und Atheismus predigen oder die sich, von der anderen Ecke her, in den Dienst von Despotismus, Macht- und Geldgier stellen. 7. Liebe Brüder und Schwestern! Danke für eure Anwesenheit hier heute vormittag! Danke für euren Empfang und eure Zuneigung! Der Papst trägt euch in seinem Herzen und bittet Gott für euch um das Brot des Leibes und des Geistes. Die seligste Jungfrau, unsere Mutter, schütze und begleite euch stets auf eurem Weg zum Vater. In seinem Namen erteile ich allen herzlich den Apostolischen Segen. Seid lebendige Kräfte der Kirche! Ansprache an die Priester, Ordensleute und Vertreter des Apostolats in Lima (Peru) am 1. Februar Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Früchte. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Das ist mein Gebot: Liebt einander (vgl. Joh 15,1-17). 397 REISEN 1. Der Abschnitt des Evangeliums, den wir eben auf der Plaza de Armas in einer Stadt verkündet haben, die vor 450 Jahren zum ersten Mal die Lehre des Evangeliums vernahm, fordert uns zu einer freien und unwiderruflichen Entscheidung zur Treue und rückhaltlosen Liebe zu Jesus Christus auf. Er ist der lebensvolle Mittelpunkt eures Daseins, der Ursprung eurer Berufung zur Heiligkeit, der Gegenstand eurer apostolischen Pläne, meine lieben Priester, Ordensleute und Priesteramtskandidaten; Mitglieder der verschiedenen Apostolatsbewegungen, Bruderschaften und Gemeinschaften; der Gebets- und Bibelgruppen, der neokatechumenalen Bewegung, des Gebetsapostolates und anderer Gruppen, die hier versammelt sind. Seid lebendige Kräfte der Kirche in Peru. Die erste Kraft ist der, der sich selbst „das wahre Leben“ nennt, Jesus Christus. Zu uns allen sagt er: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Bleibt in mir..., denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,4-5). Das ist eine Einladung an uns, die durch die Taufe und später durch die anderen Sakramente und die ihnen entsprechenden Charismen in ihn eingegliedert wurden; eine Einladung, den inneren Reichtum seiner lebenspendenden Gnade zu suchen; eine Einladung, dem größten Charisma, der Liebe, zu leben (vgl. 1 Kor 13,13); eine liebevolle Einladung, immer mit Christus vereint zu bleiben als Garantie unserer persönlichen und apostolischen Fruchtbarkeit. Gleichzeitig ist die Einladung ein Appell zur Einheit der Kirche, verbindet uns doch die Gnade Christi unaufhörlich durch die Kirche, den Leib Christi und das Zeichen, das die Einheit mit ihm sichtbar macht und verwirklicht. Diese kirchliche Einheit verwirklicht sich in jeder Diözese mit dem Bischof als Mittelpunkt. Tatsächlich ist es Aufgabe der Bischöfe, in Einheit „mit und unter Petrus“ (vgl. Christus Dominus, Nr. 2) die Kirchlichkeit der Lehre, des Kultes und der Einheit in der Liebe in jeder Ortskirche zu garantieren. Deshalb wird eure kirchliche Aufgabe - als Priester, Ordensangehörige oder Laien - nur dann Frucht bringen, wenn sie in enger Verbindung mit dem legitimen Hirten ausgeführt wird. So sollt ihr denn in eurem Sein und Handeln voll der Freude und Zuversicht sein, weil ihr mit Jesus Christus und seiner Kirche vereint seid, mit diesem großen Baum, der viele Zweige trägt. Und wie der Zweig nicht ohne den Stamm leben kann und die Rebe nicht ohne den Weinstock, so sollt auch ihr euch eng an Christus binden. Denn in dem Maß, in dem jedes Glied und jede Ortskirche sich an ihn bindet, haben sie an dem lebenspendenden Strom Anteil, der den ganzen Baum tränkt. Diese Einheit mit dem Stamm wird durch die Bindung an den Hirten aller 398 REISEN Völker, den Bischof von Rom und Nachfolger Petri, zum Ausdruck gebracht und garantiert, der euch heute besucht. Deshalb muß dieser Pastoralbesuch bei euch der Stärkung eurer Bindung an den einen Weinstock, an Christus und seine Kirche, dienen. Ohne ihn widerfährt euch das Schicksal der vom Weinstock losgelösten Rebe, die vertrocknet, ohne Frucht zu tragen (vgl. Joh 15,6). 2. Liebe Diözesan- und Ordenspriester, die ihr aus allen Regionen des Landes zusammengekommen seid, um heute dem Papst zu begegnen: Christus spricht wiederum mit dem Klang unermeßlichen Vertrauens und größter Liebe zu euch. „Ihr seid meine Freunde..., denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15,12 ff.). Wie sehr müssen euch diese Worte in eurer Einsamkeit in abgelegenen Dörfern ermutigen, wo euch nur unter Schwierigkeiten ein brüderlicher Trost erreicht! Wie sehr müssen sie euch in eurer Besorgnis Kraft geben angesichts der „Tragödie des konkreten Menschen in euren Dörfern und Städten, der täglich selbst in seinem Überleben bedroht ist, der von Elend, Hunger, Krankheit und Arbeitslosigkeit niedergedrückt wird!“ (Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Peru, 4. Oktober 1984 in O.R. dt., 45/84). Wie müssen diese Worte euer Priesterherz angesichts aller Arten von Ungerechtigkeit, Macht, Mißbrauch, Gewalt den Schwachen und Kleinen gegenüber und - auf manchen Gebieten - Verlust der moralischen Werte stärken! Ich weiß um die Empörung, die in eurem Herzen aufsteigt, wenn ihr seht, daß in der Welt ein maßloses und rücksichtsloses Streben nach Besitz, Macht und Genuß Platz greift. Christus steht euch jedoch als guter Freund nahe; er weiß, was ihr und was euer mit Opfern verbundener Auftrag, Glaubenszeugen und Diener eurer Mitmenschen zu sein, für die Kirche bedeutet. Deshalb sagt der Papst zu euch: Habt neuen Mut! Eure Hoffnung wird nicht enttäuscht werden. Christus begleitet euch, und er hat die Welt besiegt! Freunde Jesu seid ihr, dazu bestimmt, bleibende Frucht zu tragen (vgl. Joh 15,16). Eure priesterliche Verpflichtung ist groß. Werdet ihrer nicht müde. Habt keine Angst, die Botschaft des Glaubens, der Gerechtigkeit und der Liebe zu verkünden. Seid stets mit euren Bischöfen vereint; seid einig untereinander durch Freundschaft und gegenseitige Hilfe. Vor allem aber seid stets mit Christus vereint im Gebet und in den Sakramenten, „dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr in meinem Namen bittet“ (Joh 15,16). Erinnert euch in diesem Sinn daran, daß die heilige Eucharistie Zweck eures Priestertums ist, insofern der Priester sich nicht 399 REISEN restlos selbst verwirklichen könnte, wenn die Eucharistie nicht Mittelpunkt und Wurzel seines Lebens wäre. Seid die Freude Jesu, dem ihr euer Leben geweiht habt. Erneuert ständig und freudig eure Verpflichtung zum Zölibat, „denn die Priester werden in neuer und vorzüglicher Weise Christus geweiht. Sie hängen ihm leichter ungeteilten Herzens an, schenken sich freier in ihm und durch ihn dem Dienst für Gott und die Menschen“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 16). Betrachtet jeden Tag die unendliche Liebe Christi, der sich an jeden von euch gewandt hat und euch sagte: Folge mir! Dieser Ruf hat seinen tiefsten Ursprung in der Liebe, mit der der Vater den Sohn hebt: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt“ (Joh 15,9). Das ist die wahrhaft göttliche Berufung, die ihr in ihrer echten Größe pflegen müßt. 3. Allen, besonders aber dem Priester, gelten die Worte des Herrn: „ich... habe euch dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt“ (Joh 15,16). Durch eure Predigten, eure Sakramentenspenden und die Werke der Nächstenliebe setzt Christus sein Erlösungswerk fort. Durch euch erweist er sein Erbarmen, das im Sakrament der Buße verzeiht. Übt schließlich hochherzig euer Amt aus, das die Gnade Christi fruchtbar machen wird. In dem kürzlich erschienenen Apostolischen Schreiben Reconciliatio et paenitentia habe ich über die Verwaltung des Sakraments der Buße und der Versöhnung gesagt: „Ohne Zweifel ist dieser Dienst des Priesters der schwierigste und delikateste, der am meisten ermüdet und die höchsten Anforderungen stellt; zugleich aber ist er auch eine seiner schönsten und trostreichsten Aufgaben“ (Nr. 29). Deshalb sollt ihr, die ihr mir zuhört -Priester, Ordensleute und Laien -, als erste oft dieses Sakrament empfangen mit echtem Glauben und echter Frömmigkeit (vgl. ebd., Nr. 31, VI); auch sollt ihr bei der Erfüllung eurer apostolischen Aufgaben nicht die Katechese über alle Wirklichkeiten außer acht lassen, die sich auf dieses Sakrament beziehen. Priester und Freunde Jesu, Verwalter seiner Erlösung: ihr seid berufen, Früchte der Heiligkeit und auch dem Evangelium entsprechende Früchte der Gerechtigkeit hervorzubringen, im Einklang mit der Soziallehre der Kirche. Deshalb ist es, wie ich kürzlich euren Bischöfen sagte, „notwendig, daß alle... ernsthaft - und dort, wo es die Lage erfordert, mit noch mehr Einsatz - für die Sache der Gerechtigkeit und der Verteidigung der Armen arbeiten“ (Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Peru, 4. Oktober 1984, in O.R. dt. 45/84). Bedenkt jedoch, daß es der 400 REISEN Auftrag der Kirche ist, „Christus der Welt zu offenbaren und jedem Menschen (zu) helfen, damit er sich in Christus selbst finde“ (Redemptor hominis, Nr. 11). 4. Christus ruft euch auch zu seiner Freundschaft, zur inneren Begegnung mit ihm, meine lieben hier anwesenden Priesteramtskandidaten. Vieles von dem, was ich zu den Priestern gesagt habe, gilt auch für jene, die sich auf das Priestertum vorbereiten. Auch für euch ist Jesus Weinstock, der Lebenssaft, die Kraft und das Beispiel. Deshalb müßt ihr von ihm lernen und mit seiner Person und seinem Heilsplan vertraut werden, auf daß er das Ideal eures Lebens werde und alle eure jugendliche Begeisterung durchdringe. Erinnert euch diesbezüglich an das, was ich euren Bischöfen anläßlich ihres letzten Ad-limina-Besuches sagte (24. Mai 1984). Inzwischen fordere ich euch auf, euch einen tiefen Sinn für das Übernatürliche in eurem Dasein zu eigen zu machen. Seid dem täglichen Gebet treu! Pflegt eine kindliche Frömmigkeit zu Maria und erbittet vertrauensvoll die Hilfe eurer Vorgesetzten und Erzieher. Erinnert euch daran, daß eure Ausbildung ein eingehendes, ernstes und opfervolles Studium erfordert. Ein Teil dieses Opfers wird der Verzicht auf andere Beschäftigungen sein, die eurer eigentlichen priesterlichen Ausbildung Zeit und Energien rauben würden. 5. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15,16). Der Widerhall dieses persönlichen Rufes Jesu hat in eurer Berufung Gestalt angenommen, liebe Ordensleute, die ihr freudig einen guten Teil der apostolischen Arbeit in Peru auf euch nehmt. Diese göttliche Initiative der Berufung ist eine Frucht der Liebe: „Ich habe euch geliebt“ {Joh 15,9); „ihr seid meine Freunde“ {Joh 15,14). Die Stimme Christi ist zu eurer rückhaltlosen und endgültigen Hingabe in den Gelübden der Armut, der Ehelosigkeit und des Gehorsams geworden. Das war eure freudige und hochherzige, kirchlich und übernatürlich motivierte Antwort. Lehnt jeden Versuch, euer Ordensleben zu säkularisieren oder es in sozialpolitische Projekte zu verwickeln, ab; diese Pläne müssen eurem Leben fremd sein. Auch dürft ihr nicht eure Verpflichtung vergessen, für die Gültigkeit eines durch und durch christlichen Lebensplanes angesichts der Gesellschaft und der Welt von heute Zeugnis abzulegen. Seid eurer Mission und den Charismen eurer Gründer im Gehorsam gegen die Kirche treu. „Viele Ordensfamilien beiderlei Geschlechts sind für die christliche Erzie- 401 REISEN hung von Kindern und Jugendlichen gegründet worden, zumal der verlassensten“ (Catechesi tradendae, Nr. 65). Möge euch die Sorge um den Dienst in anderen apostolischen Arbeitsgebieten nicht diesem Auftrag entfremden, den euch die Kirche anvertraut hat. Ich weiß, daß ihr auf diesem Gebiet viel leistet; tut das auch weiterhin mit hochherzigem Einsatz. „Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben“ (Joh 15,10). Die Treue stellt die Liebe auf die Probe. Darüber hinaus haben die Christen das Recht, von den Gottgeweihten eine aufrichtige Zustimmung und Gehorsam den Geboten Christi und der Kirche gegenüber zu fordern. Deshalb müßt ihr darauf bedacht sein, alles zu vermeiden, was den Eindruck erwecken könnte, in der Kirche gäbe es eine zweifache Hierarchie oder ein zweifaches Lehramt. Lebt und lehrt allezeit eine tiefe Liebe zur Kirche und eine loyale Zustimmung zu ihrer Lehre. Nie sollt ihr Unsicherheit verbreiten, sondern stets einen gesicherten Glauben. Gebt immer jene Wahrheiten weiter, die das kirchliche Lehramt verkündet, und nicht Ideologien, die vorübergehen. Um die Kirche aufzubauen, müßt ihr heiligmäßig leben. Die Heiligkeit wird euch, wenn nötig, bis zu den letzten Konsequenzen der Nächstenliebe führen, denn „es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ {Joh 15,13). In diesem Sinn möchte ich den Mitgliedern der Säkularinstitute und der Gesellschaften apostolischen Lebens meine Achtung zum Ausdruck bringen und ihnen Mut machen; arbeiten sie doch unermüdlich und legen mit der ihnen eigenen Präsenz in allen Bereichen kirchlichen Lebens für Christus Zeugnis ab. 6. Euch Laien der verschiedenen kirchlichen Bewegungen fordere ich auf, ebenfalls bei dieser Begegnung die Stimme Christi zu vernehmen: „Mein Vater wird dadurch verherrlicht, daß ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet“ {Joh 15,8). Ihr ständigen Diakone, erwägt diese Worte nachhaltig. Christus erwartet von eurer Arbeit, ihr Laienkatecheten, die ihr mit eurem anerkennenswerten Einsatz einen wichtigen Auftrag im Rahmen des Laienapostolates erfüllt, reiche Frucht. Kommt euren Aufgaben weiterhin mit Begeisterung nach; bildet euch, den Richtlinien eurer Hirten entsprechend, immer besser aus und lebt auf vorbildliche Weise das Wort, das ihr lehrt. Das Leben der Bruderschaften ist den Geheimnissen des Lebens, des Leidens und der Auferstehung des Erlösers, seiner seligsten Mutter und 402 REISEN den Heiligen gewidmet. Wie könnte man die Bruderschaft der „Lastenträger des Herrn der Wunder“ oder die verschiedenen anderen Bruderschaften vergessen, von denen viele an ihre heiligen Patrone erinnern? Christus erwartet als Frucht dieser Frömmigkeitsübungen, daß sie für alle einen ständigen Aufruf zur Bekehrung darstellen sowie zur treuen Erfüllung der Gebote Gottes, zu einem immer christlicheren Familienleben, zum häufigen Empfang der Sakramente der Buße und der Eucharistie und zum treuen Besuch der Sonntagsmesse. Die Kirche Christi ist, um ihrer Fruchtbarkeit sicher zu sein, stets eine betende Kirche. Das gilt auch für die Laien. Heute läßt sich im Innern der Kirche ein starker Zug zum Gebet feststellen. Auf diesem Gebiet ist eine sorgsame Unterscheidung der Geister unter der Autorität der Kirche erforderlich. Da dieser Zug zum Gebet darüber hinaus viele christliche Konfessionen berührt, müßt ihr sehr über die Echtheit eures Glaubens wachen. Schließlich möchte ich, um der engen Bindung an den Papst und der tiefen Verwurzelung in eurem Volk willen, die Mitglieder des Gebetsapostolats ermutigen, neue Früchte für die Kirche hervorzubringen; schließen sie sich doch mit ihrem Gebet dem meinen als Hirte der Weltkirche an. Auf vielen Gebieten erwarten Christus und die Kirche neue Blüten und Früchte, und das von seiten der einzelnen Laien wie auch von seiten der apostolischen Bewegungen, deren Aufgabe es ist, die Werte des Evange-lismus in der Welt präsent zu machen. Ich richte eure Aufmerksamkeit auf die Bereiche der Familie, der Erziehung, der sozialen Kommunikation, der politischen Aktivitäten, der Verteidigung der Würde und der unveräußerlichen Werte des Menschen, des Schutzes für die Schwachen und die Bedürftigen, der Moral im öffentlichen Leben, der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden (vgl. Puebla, Nr. 790-792). Für all das ist es von größter Wichtigkeit, daß das Volk Gottes sich immer mit Christus vereint fühlt, seine Identität nicht aufgibt und den Inhalt des Evangeliums weder politischen noch soziologischen Kategorien unterordnet. Alle, aber insbesondere die Hirten, sind dafür verantwortlich, daß die Kirche nicht ihr wahres Antlitz verliert. 7. Liebe Brüder und Schwestern! Angesichts der schwierigen Augenblicke, die ihr in eurem Gemeinschaftsleben kennenlernt; angesichts der Krise eurer Gesellschaft ist es notwendig, dank der Kraft der Liebe, die von Christus ausgeht, die Geister zu verjüngen. Eine grenzenlose Liebe des Menschen zu ihm, mit Selbstverleugnung gepaart, denn „es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 403 REISEN 15,13). Diese Liebe ermöglicht es uns, unser Leben würdevoller zu leben und es in den Dienst am Mitmenschen zu stellen, um ihm zu größerer Würde zu verhelfen. Diese Liebe befähigt uns, furchtlos der Zukunft entgegenzusehen und uns für die Formung eines neuen Menschen und einer neueren, gerechteren und menschlicheren Welt einzusetzen, die für Gott offen und nicht in trügerischen, materialistischen Lösungen befangen ist; „ein in sich geschlossener Humanismus, der die Augen vor den Werten des Geistes und vor Gott, ihrer Quelle, verschließt, könnte nur scheinbaren Erfolg haben. Gewiß, der Mensch kann die Erde ohne Gott gestalten, aber ohne Gott kann er sie letzten Endes nur gegen den Menschen formen“ (Populorum progressio, Nr. 42). So fordere ich euch, lebendige Kräfte der Kirche in Peru, auf, eure Hingabe an Christus zu erneuern und euch für ihn unverzagt für die Förderung des Menschen und seiner Befreiung von Sünde und Ungerechtigkeit einzusetzen. Folgt auf diesem Gebiet den gut anwendbaren Richtlinien, die eure Bischöfe in ihrem kürzlich erschienenen Dokument über die Befreiungstheologie festgelegt haben. Denkt stets daran, daß Christus der neue Mensch ist; nur jene, die ihm nachfolgen, können neue Menschen werden. Nur bei ihm finden wir die ganze Wahrheit über den Menschen, der ihn innerlich und äußerlich befreien und eine Gemeinschaft in Freiheit bauen kann. Nur er ist der Weinstock, dessen lebensvolle und fruchtbare Reben wir sein müssen. In ihn eingegliedert, von seinem Saft des Lebens genährt und von der Mutter der Hoffnung geführt, sollt ihr, Priester, Gottgeweihte und christliche Laien, vor den Menschen von heute ein fruchtbares Zeugnis für die Liebe des Vaters ablegen. Stützt euch auf ihn, mit meiner Ermutigung und meinem herzlichen Segen. Den Menschen in seiner Würde retten Ansprache an die Peruanische Bischofskonferenz in Lima am 2. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich freue mich zutiefst, mit euch, meinen bischöflichen Brüdern in den Ortskirchen, die ich besuche, am Sitz eurer Bischofskonferenz zusammenzutreffen, wo ihr euch im Geist tiefer Brüderlichkeit versammelt, um das Leben der Kirche in Peru zu organisieren, zu koordinieren und zu fördern. 404 REISEN Dieser Augenblick ist eine Fortsetzung und Ergänzung der Erfahrungen und Überlegungen bei eurem Ad-limina-Besuch. Gleichzeitig habe ich den angenehmen Eindruck, daß der Bruder auf dem Stuhl Petri voller Liebe den Besuch bei den Brüdern erwidert, die ihn zuvor besucht haben, wobei sie freilich die Kirchen, die mich heute im Glauben aufnehmen, zurückließen. Diese Begegnung findet an einem Datum von großer kirchlicher Bedeutung statt. Am heutigen Tag und unter dem mütterlichen Blick der Madonna von Chapi hatte ich die Freude, Schwester Ana de los Angeles Monteagudo seligzusprechen. In ihr konzentriert sich eine Vergangenheit beispielhafter bräutlicher Hingabe an Jesus Christus, den Herrn; aber sie weist auch uns eine Zukunft. Diese Zukunft konnten wir vor allem an den Tausenden von Jugendlichen ahnen, die sich zur Begegnung mit uns eingefunden hatten. Die lateinamerikanische Kirche hat rechtzeitig eine „Option für die Jugend“ ergriffen. Die jungen Menschen erwarten immer von uns, daß wir ihnen unzweideutig den Weg der Heiligen, ihrer vollen Verwirklichung als Christen zeigen; und wir dürfen sie nicht enttäuschen. Es ist ein wunderbares Privileg, einer Kirche anzugehören, in der die Heiligkeit blüht, doch auch eine Verantwortung. Die so feinfühlige und anspruchsvolle Jugend verpflichtet uns, den Blick emporzurichten, uns ständig auf den Weg zu machen, nicht nachzulassen in dem harten Bemühen, auf Jesus Christus hinzuweisen und ihm konsequent zu folgen. Sie sind die kritische Instanz, die uns darauf hinweist, daß wir immer noch etwas mehr tun können. Sie lassen uns entdecken, daß die Heiligkeit, die mit einer inneren Erneuerung beginnt, unbestreitbare soziale Dimensionen besitzt. Eure Kirchengeschichte ist reich an berühmten Vorbildern christlichen Lebens, die mit der Neuheit des Evangeliums die Gegenwart zu erleuchten und die Umwandlung in eine bessere Zukunft einzuleiten vermögen. In dieser Perspektive und als Bestätigung oder Ergänzung dessen, was wir in Rom behandelt haben, möchte ich mit euch einige Überlegungen teilen, die mir die prophetische und in euren Kirchen zentrale Gestalt des hl. Turibius von Mogrovejo eingibt, den ich vor kurzem zum Patron der Bischöfe Lateinamerikas ernannt habe. Darüber hinaus habe ich an seinem liturgischen Fest, dem 23. März, das Schlußdokument der dritten Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe approbiert, die in Puebla de los Angeles unter, dem Thema „Die Evangelisierung in der Gegenwart und Zukunft Lateinamerikas“ abgehalten wurde. Es gibt noch einen weiteren wichtigen historischen Umstand, warum wir auf die Gestalt des hl. Turibius blicken: seine große Aufgabe bestand 405 REISEN darin, erleuchtet vom Trienter Konzil, die erste Evangelisierung der Neuen Welt zu verwirklichen. Eure Aufgabe heute ist es, im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils eine neue Evangelisierung eurer Gläubigen durchzuführen, die — wie ich in der Ansprache an CELAM in Port-au-Prince sagte - „neu in ihrem Eifer, in ihren Methoden und in ihrer Ausdrucksweise“ sein muß (9. 3. 1983, Nr. III, in: O.R.dt., 18. 3. 1983, S. 17). Wir wollen die Aufmerksamkeit nur auf einige der großen Lehren lenken, die sich aus dem Beispiel des hl. Turibius ergeben. 2. Evangelisierung für die Heiligkeit Die erste Evangelisierung erfolgte dadurch, daß sie den Glauben zur Grundlage der lateinamerikanischen Seele im allgemeinen und der peruanischen im besonderen machte (vgl. Puebla, Nr. 412). Das war zu einem guten Teil die Frucht der bewundernswerten apostolischen Arbeit des hl. Turibius von Mogrovejo und seiner Arbeit auf dem dritten Konzil von Lima, wobei er von anderen hervorragenden Missionaren unterstützt wurde. Jene Evangelisierung hatte als Ergebnis beispielhafte Heilige. Das beweisen die mystische Gestalt der hl. Rosa von Lima, die Liebe zu den Armen beim hl. Martin des Porres und des hl. Juan Macias, die Solidarität und der missionarische Eifer des hl. Francisco Solano. Eine neue Evangelisierung in unseren Tagen wird den Söhnen und Töchtern Perus dieses Streben nach der Heiligkeit vermitteln müssen. So werden sie die bedrohenden Versuchungen des Materialismus überwinden können. Diese Aufgabe von innen her zu beseelen und anzuspornen, muß eure große Sendung sein. Diese neue Evangelisierung wird jene christlichen Werte, die sich dem Glauben des Volkes eingeprägt haben, wiederentdecken und stärken müssen; damit sie Antwort sein können auf die neuen Situationen und Erfordernisse unserer Zeit; damit sie das Evangelium zur bewegenden Kraft für die Hilfe am ärmsten Bruder machen, der in seiner Menschenwürde und als zur Begegnung mit Gott berufenes Geschöpf betrachtet wird. 3. Evangelisierung für die Einheit im Glauben Dieser heilige Erzbischof von Lima war ein vorbildlicher Stifter der kirchlichen Einheit. Er vermochte es, in seiner Evangelisierungsarbeit 406 REISEN Bischöfe, Ordensleute und Laien in einem wunderbaren Entschluß zur Gemeinsamkeit zu vereinigen. Das dritte Konzil von Lima ist das Ergebnis dieser Bemühung; es stand unter dem Vorsitz des hl. Turibius, wurde von ihm ermutigt und geleitet und erbrachte als Frucht in einem kostbaren Schatz der Einheit im Glauben pastorale und organisatorische Bestimmungen sowie gleichzeitig wertvolle Inspirationen für die ersehnte Integration Lateinamerikas. Er selbst war ein ausgezeichneter Lehrer in der Wahrheit, der stets den, der irrte, liebte, aber niemals darauf verzichtete, den Irrtum zu bekämpfen. Mit großem pastoralem Verantwortungsbewußtsein gab er zahlreiche Beispiele dieser vortrefflichen Liebe des Vaters und der Klarheit und Verständlichkeit des Lehrers. Fest davon überzeugt, daß Verharren in Untätigkeit angesichts der Glaubensabweichungen der Gläubigen niemals wahre Liebe sein kann, wachte er über die Treue zur Lehre der Kirche, das sichere Fundament der kirchlichen Gemeinschaft. Und er tat das in einem geschichtlichen Augenblick bedeutsamer theologischer Reflexion und geistlicher Arbeit im Dienst der Verkündigung der Frohbotschaft. Vor einer fragmentarischen und häufig widersprüchlichen Welt muß die Kirche Zeugnis geben von der Treue zu sich selbst, zu ihrem Stifter; sie muß helfen, Entfremdungen und Trennungen zu heilen; sie muß imstande sein, die Herzen zu einen, indem sie die unsolidarischen Spaltungen, die sich im Herzen des Menschen und der Gesellschaft einnisten, überbrückt und bei dem Bruch zwischen Glauben und Leben beginnt. 4. Evangelisierung für die Würde der Person Im hl. Turibius entdecken wir den mutigen Verteidiger oder Förderer der Würde der Person. Gegenüber Versuchen, die Tätigkeit der Kirche bei der Verkündigung ihrer Heilsbotschaft zu beschneiden, verstand er es, die Freiheit der Kirche kühn und mutig zu verteidigen. Er war ein echter Vorläufer der christlichen Befreiung in eurem Land. In voller Treue zum Evangelium prangerte er die Mißbräuche ungerechter Systeme gegenüber den Eingeborenen an; weder aus politischen Absichten noch aus ideologischen Bewegungsgründen, sondern weil er in ihnen ernste Hindernisse für die Evangelisierung sah und aus Treue zu Christus und aus Liebe zu den Geringsten und Schutzlosesten. Auf diese Weise wurde er zum eifrigen und hochherzigen Diener der eingeborenen Bevölkerung, der Negersklaven, der Randgruppen. Zugleich war er ein rücksichtsvoller Förderer der Kulturwerte der Ureinwohner, predigte in den Eingeborenensprachen und ließ das erste 407 REISEN gedruckte Buch in Südamerika veröffentlichen: den Einheitskatechismus in Spanisch, Quechua und Aymara. Er ist ein gültiges Vorbild, auf das ihr, liebe Brüder, öfters blicken sollt, vor allem in einer Zeit, in der die neue Evangelisierung der Würde der Person, ihren Rechten und berechtigten Bestrebungen starke Aufmerksamkeit schenken muß. In diesem Sinne habt ihr euch zur Veröffentlichung eures gemeinsamen Schreibens über die „Anwendung und Verbreitung der Enzyklika Laborem exercens in unserer pastoralen Wirklichkeit“ bewegen lassen. Als Bischöfe stellt ihr die tatsächliche Lage eures Volkes mit ihren Licht- und Schattenseiten dar, und das nicht in der Absicht, Entmutigung auszulösen, sondern alle anzuspornen, die diese Lage verbessern können. Von der harten Wirklichkeit im heutigen Peru herausgefordert, bekräftigt ihr erneut eure Verantwortung, durch die Aufgabe der Evangelisierung in der Welt der Arbeit präsent zu sein entsprechend den besonderen Funktionen, die der Herr den verschiedenen Gliedern des Gottesvolkes übertragen hat, in klarer Übereinstimmung mit dem Evangelium, indem ihr vermeidet, in Einschränkungen irgendwelcher Art zu verfallen, und durch Überwindung der Hindernisse, die ihre Mission behindern. Ihr seid euch - wie ihr in verschiedenen Dokumenten eurer Konferenz zusammenfassend erklärt habt - bewußt, daß die in einem langen Zeitraum kirchlicher Erfahrung erarbeitete Soziallehre der Kirche die Probleme der Welt mit dem Licht der natürlichen Vernunft, des Glaubens und der Moral der Kirche beleuchtet. Von hier geht der evangelische Impuls aus, den Menschen in seiner ganzen Würde zu retten. Denn man darf nicht vergessen, wie viele Konsequenzen für das soziale Leben ihre Wurzel im Evangelium haben, woran das Dokument von Puebla erinnert: „Unser soziales Verhalten ist integrierender Bestandteil unserer Nachfolge Christi“ (Nr. 476). Es freut mich in diesem Zusammenhang, daß ihr in eurem lobenswerten Bemühen um Klärung, um das rechte Gleichgewicht zwischen Immanenz und Transzendenz in der Arbeit eurer Teilkirchen zu erreichen, jüngst das Dokument über die Theologie der Befreiung veröffentlicht habt. Ich vertraue darauf, daß mit eurem Eifer, mit eurem kirchlichen Sinn und eurer Ausdauer die von euch aufgezeigten pastoralen Richtlinien die erwünschten Früchte bei der notwendigen und gerechten Option für die Ärmsten erbringen werden. 408 REISEN 5. Evangelisierung in ständigem Einklang mit dem Apostolischen Stuhl Am hl. Turibius läßt sich ein wichtiges Element erkennen, das heute grundlegend für die peruanische und lateinamerikanische Volksfrömmigkeit ist und bei dessen Aufbau er mit seinem Leben und Werk mitgeholfen hat: die geistliche Nähe und die herzliche Liebe zum Nachfolger Petri, den der Herr als Haupt der Kirche eingesetzt hat (vgl. CIC, can. 331). Ihr seid aufgerufen, in inniger Gemeinschaft mit ihm die vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorgezeichnete kirchliche Erneuerung durchzuführen in dem Bewußtsein, Führer des Gottesvolkes und Diener der Wahrheit des einzigen Evangeliums Jesu zu sein. Euch wurde die Sendung anvertraut, für das in Peru pilgernde Volk Gottes Sorge zu tragen; eure Aufgabe ist es, in Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl, so wie ihr es ja tut, die Wege der Evangelisierung abzustecken unter Beachtung der Impulse, mit denen der Heilige Geist die Kirche segnet. Daraus ergibt sich euer Bemühen und eure Verpflichtung, parallele Lehrämter zu vermeiden, die kirchlich unannehmbar und pastoral steril sind, und mit großer Liebe über das Wohl und die Treue der Kirche zu wachen. 6. Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich erinnere mich mit großer Freude an die Begegnungen mit euch während eures Ad-limina-Besuches, die mich die große Liebe zur Kirche erkennen ließen, die euch beseelt. Nach dem Vorbild dieses eures großen Vorgängers und Patrons, des hl. Turibius von Mogrovejo, seid die weisen und heiligen Hirten, die Peru braucht, die wahren Animateure des geistlichen Lebens, die unermüdlichen Förderer der Würde der Menschen und der Versöhnung. In der Morgendämmerung vor dem 500-Jahr-Jubiläum der Evangelisierung Lateinamerikas möge die Kirche, die ihr führt, Zeichen und Instrument der Hoffnung sein, indem sie mit Klugheit und Mut die berechtigten Bestrebungen nach irdischer Förderung mit den wesentlichen Werten des Geistes in Einklang bringt. Der hl. Erzbischof helfe euch mit seinem Beispiel, die Anforderungen eurer Aufgabe zu vertiefen für die Gegenwart und Zukunft der Evangelisierung in Peru. Und die Muttergottes, die treue Jungfrau, begleite euch in eurer hochherzigen und opferbereiten Hingabe an diese junge Kirche, die unter dem Wirken des Geistes auf dem Weg zum Vater ist. Das wünsche ich euch in brüderlicher Liebe. 409 REISEN Es ist die Stunde der Mutigen Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend im Hippodrom von Lima am 2. Februar Liebe Jugend! 1. In dieser Begegnung, die ich so sehr gewünscht habe und auf die ihr euch voll Freude mit zahlreichen Initiativen vorbereitet habt, hat Jesus zu uns gesprochen. Wir haben soeben einen der Texte des Evangeliums gehört, der die Welt im Laufe der Jahrhunderte wohl am meisten bewegt hat: die acht Seligpreisungen der Bergpredigt. Mit ausdrucksvollen Worten bezog sich Papst Paul VI. auf diese Stelle, die er als „einen der erschütterndsten und im besten Sinn revolutionären Texte“ vorstellte. „Wer hatte es vorher gewagt, die Armen im Geiste, die Trauernden, die Gewaltlosen, die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, die Barmherzigen, die, die reinen Herzens sind, die Friedensstifter, die Verfolgten, die Geschmähten ,selig“ zu preisen...? Diese Worte, ausgesprochen inmitten einer Gesellschaft, die auf Kraft, Macht, Reichtum, Gewalt und Mißbrauch gegründet war, konnten als ein Programm der Feigheit und Energielosigkeit ausgelegt werden, unwürdig des Menschen. Doch sie waren die Verkündigung der neuen Gesellschaft im Zeichen der Liebe“ (Homilie beim Gottesdienst in der Petersbasilika am 29. Januar 1978, in: Wort und Weisung, 198, S. 116). 2. Liebe Freunde! Das evangelische Programm der Seligpreisungen ist für das Leben des Christen und für den Lebensweg aller Menschen von transzendentaler Bedeutung. Für die Jungen und Mädchen ist es einfach ein faszinierendes Programm. Man kann wohl sagen, daß derjenige, der die acht von Jesus aufgestellten Seligpreisungen verstanden und sich vorgenommen hat, sie auszuführen, das ganze Evangelium verstanden hat und es verwirklichen kann. Denn um in vollen und konkreten Einklang mit den Seligpreisungen zu gelangen, muß man das Wesentliche der Botschaft Christi, ihre Tiefe und alle ihre Dimensionen erfassen, muß man das ganze Evangelium vorbehaltlos annehmen. Gewiß ist das Ideal, das der Herr in den Seligpreisungen vorstellt, hoch und anspruchsvoll. Aber gerade deshalb stellt es sich als ein Lebensprogramm vor, das der Jugend angemessen ist. Denn charakteristische Merkmale der Jugend sind Edelmut, Offenheit für das Hohe und Schwierige, konkreter und entschlossener Einsatz für Dinge, die in menschlicher und 410 REISEN übernatürlicher Hinsicht der Mühe wert sind. Die Jugend befindet sich immer in der Haltung des Suchens, unterwegs zu den Gipfeln, zu den edlen Idealen, indem sie Antworten auf die Fragen zu finden versucht, die das menschliche Dasein und das geistliche Leben unaufhörlich stellt. Und gibt es nun etwa ein höheres Ideal als jenes, das uns Jesus Christus vor Augen stellt? Deshalb halte ich es als Pilger der Evangelisation für meine Pflicht, heute abend vor euch Jugendlichen Perus zu verkünden, daß sich allein in Christus die Antwort auf die tiefsten Sehnsüchte eures Herzens, auf die Fülle all eurer Bestrebungen findet; einzig und allein im Evangelium der Seligpreisungen werdet ihr den Sinn des Lebens und das volle Licht finden, das die Würde und das Geheimnis des Menschen erhellt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). 3. Jesus von Nazaret begann seinen messianischen Sendungsauftrag mit der Verkündigung der Bekehrung im Namen des Gottesreiches. Die Seligpreisungen sind genau das konkrete Programm dieser Bekehrung. Mit dem Kommen Christi, des Gottessohnes, wird das Reich unter uns gegenwärtig: „Es ist in uns, und zugleich stellt dieses Reich die Eschatologie, das heißt das Endziel der menschlichen Existenz, dar. Jede der acht Seligpreisungen deutet also auf dieses jenseitige Ziel hin. Aber zugleich betrifft jede Seligpreisung unmittelbar und ganz den Menschen in seiner irdischen Existenz. Sämtliche Situationen, die die Gesamtheit des menschlichen Schicksals und des Verhaltens des Menschen verkörpern, werden in den Seligpreisungen eigens genannt. Sie sind besonders Hinweis und Ausrichtung für das Verhalten der Jünger Christi, seiner Zeugen. Die acht Seligpreisungen bilden so den kürzesten Kodex der evangelischen Moral des christlichen Lebensstils. Die Worte Jesu vor 2000 Jahren Die Worte, die Jesus vor zweitausend Jahren in der Bergpredigt verkündete, sind noch immer von lebenswichtiger Aktualität. Während sie die Geschichte erleuchteten, sind sie bis zu uns gelangt. Die Kirche hat sie stets wiederholt und tut das auch jetzt, indem sie sie vor allem an die Jugend richtet, die von Herzen großmütig und offen für das Gute ist. Hört also. 4. Jesus sagt: Selig die Trauernden: das heißt die Betrübten, jene, die unter physischen Schmerzen oder moralischen Qualen leiden; denn sie sollen getröstet werden (Mt 5,5). 411 REISEN Das Leid ist gewissermaßen die Bestimmung des Menschen, der unter Schmerz geboren wird, sein Leben in Kummer und Betrübnis verbringt und sein Ende, die Ewigkeit, durch den Tod erreicht, der eine große reinigende Läuterung ist, durch die wir alle hindurchgehen müssen. Daher ist es so wichtig, den christlichen Sinn des menschlichen Leidens herauszufinden. Das ist das Thema meines Apostolischen Schreibens Salvifici doloris, das ich vor einem Jahr an das ganze Volk Gottes gerichtet habe. Ich habe darin die Welt des menschlichen Leidens mit ihren tausend Gesichtern und ihren schrecklichen Konsequenzen zu beschreiben versucht; und ich habe versucht, im Licht des Evangeliums Antwort zu geben auf die Frage nach dem Sinn des Leidens. Den Blick „auf alle Kreuze des heutigen Menschen“ (Salvifici doloris, Nr. 31) geheftet, sagte ich, daß „Leiden eine besondere Kraft in sich birgt, die den Menschen innerlich Christus nahebringt“ (ebdNr. 26). Das ist der Trost der Trauernden. Wenn die Jugendlichen ihren Edelmut in die Tat umsetzen, dürfen sie sich niemals von dem im Licht der Seligpreisungen betrachteten Leiden fürchten. Sie müssen immer denen, die leiden, nahe und in der Lage sein, in den eigenen Betrübnissen und in denen der Brüder den Heilswert des Schmerzes, die evangelisatorische Kraft jedes Leidens zu entdecken. 5. Selig, die ein reines Herz haben. Jesus versichert, daß die, die diese Seligpreisungen in die Tat umsetzen, Gott schauen werden (vgl. Mt 5,8). Die Menschen mit reinem und durchsichtigem Herzen schauen schon in diesem Leben durch Gott, sehen im Licht des Evangeliums alle Probleme, die eine besondere Reinheit erfordern: das gilt für die Liebe und die Ehe. Zu diesem Thema hat sich die Kirche immer und vor allem in unserer Zeit mit großer Klarheit und Eindringlichkeit geäußert, wobei sie mit dem Licht ihrer Lehre besonders die Jugend zu gewinnen sucht. Wichtig ist es, die Jungen und Mädchen zur „schönen Liebe“ zu erziehen, um sie vor allen Schlingen und Fallen zu bewahren, die den Schatz ihrer Jugend zu zerstören trachten: vor der Droge, der Gewalt, der Sünde im allgemeinen; und sie auf den Weg hinzuweisen, der zu Gott führt: in der christlichen Ehe, die der tatsächliche Weg für die menschliche Verwirklichung und Heiligung der meisten Frauen und Männer ist; und auch, wenn Christus ruft, in der radikalen Hingabe, die der Priester- oder Ordensberuf erfordert. Die Kirche braucht heute viele Apostel, um die Welt des heranrückenden neuen Jahrtausends zu evangelisieren, und sie hofft und erwartet, diese Verkünder des Evangeliums unter euch, junge Männer und Frauen Perus, zu finden. 412 REISEN 6. Selig die Barmherzigen {Mt 5,7). Die Barmherzigkeit bildet den eigentlichen Mittelpunkt der Offenbarung und des Bundes. Die Barmherzigkeit, so wie sie Jesus, „der voll Erbarmen ist“ {Dives in misericordia, Nr. 2), lehrte und übte, ist der echteste Ausdruck der Liebe, sie ist die Fülle der Gerechtigkeit. Im übrigen ist die barmherzige Liebe nicht bloßes Mitleid mit dem Leidenden, sonder effektive und affektive Solidarität mit allen Leidenden und Betrübten. Der edelmütige, hochherzige und gute junge Mensch muß sich auszeichnen durch Mitgefühl, Sensibilität gegenüber den Leiden der anderen, gegenüber jedem Mißgeschick, gegenüber jedem Übel, das den Menschen trifft. Erbarmen ist nicht Passivität, sonder entschlossenes Handeln zugunsten des Nächsten, das aus dem Glauben erwächst. Wie viele Scharen Jugendlicher sieht man heute, die sich allerorts und unter den schwierigsten Lebensumständen mit größter Freude dem Dienst an den Brüdern widmen! Die Jugendzeit ist Dienst. Und das Zeugnis von Dienst und Brüderlichkeit, das die heutige Jugend gibt, ist eine der tröstlichsten und großartigsten Tatsachen unserer Welt. Als Belohnung schenkt der Herr den Barmherzigen das Erbarmen, die Freude, den Frieden. Verlangen nach einer gerechten und solidarischen Gesellschaft 7. Die Friedfertigen, die Friedensstifter: das ist eine außergewöhnliche Gruppe von Menschen, die Jesus selig preist. Das Wohlgefallen, das der Herr denen zuwendet, die im Bereich von Familie und Gesellschaft, von Arbeit und Politik, auf nationaler und internationaler Ebene den Frieden suchen, besitzt eine auffallende Aktualität. Ihr spürt mit Recht und sollt immer das Verlangen nach einer gerechten und solidarischen Gesellschaft spüren; doch folgt nicht denen, die behaupten, die sozialen Ungerechtigkeiten können nur durch den Klassenhaß oder Anwendung von Gewalt und anderen antichristlichen Mitteln verschwinden. Allein die Umkehr des Herzens vermag einen Wandel der Strukturen sicherzustellen, die geeignet sind für die Errichtung einer neuen, besseren Welt. „Man wird das Opfer einer tödlichen Illusion, wenn man auf gewalttätige Mittel vertraut in der Hoffnung, mehr Gerechtigkeit zu erwirken. Gewalt erzeugt Gewalt und entwürdigt den Menschen. Sie schändet die Würde des Menschen in der Person der Opfer, und sie erniedrigt diese gleiche Würde bei denen, die Gewalt abwenden“ (Kongregration für die Glaubenslehre, Instruktion über einige Aspekte der „ Theologie der Befreiung“, 413 REISEN XI, 7). „Nur wenn man sich an die sittlichen Fähigkeiten der Person und an die beständige Notwendigkeit der inneren Umkehr hält, wird man die sozialen Veränderungen erreichen, die wahrhaftig im Dienste des Menschen stehen“ (Puebla, IV, 3, 3.3). Den Frieden heute und den Frieden von morgen, den Frieden des Jahres 2000 aufbauen: das ist eure Aufgabe, wenn ihr „Kinder Gottes“ genannt werden wollt. Vergebt nie, was ich in meiner Botschaft zum Jahresbeginn gesagt habe: „der Friede und die Jugend sind zusammen unterwegs.“ 8. „Selig, die keine Gewalt anwenden“ (Mt 5,4). So spricht der gütige Meister, der, als er das Reich Gottes verkündete, auch zu seinen Jüngern sagte: „Lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29). Gütig ist, wer in Gott lebt. Es handelt sich nicht um Zaghaftigkeit oder Feigheit, sondern um den echten geistlichen Wert dessen, der es fertigbringt, der feindseligen Welt nicht mit Zorn noch mit Gewalt, sondern mit Güte und Freundlichkeit gegenüberzutreten, indem er Böses mit Gutem vergilt, das Einigende und nicht das Trennende, das Positive und nicht das Negative sucht, um so „die Erde zu besitzen“ und auf ihr die „Gesellschaft im Zeichen der Liebe“ aufzubauen. Hier liegt eine begeisternde Aufgabe vor euch. 9. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit (Mt 5,6). Mit diesen Worten ruft uns Jesus zur Heiligkeit, zur Gerechtigkeit oder Vollkommenheit auf, die aus dem Hören des Gotteswortes entsteht, das zum Lebensstil, zum sozialen Verhalten, zur täglichen Lebens- und Daseinsform geworden ist. Das ist die Gerechtigkeit, die die Kirche durch ihre Soziallehre, die ihr jungen Menschen mit Interesse studieren und beharrlich anwenden müßt, wirksam unter den Menschen fördern will. Denen, die arm sind vor Gott, gehört das Himmelreich Der wahre Christ muß die sozialen Forderungen, die ihm sein Glaube stellt, annehmen. Die Sicht der Welt und des Lebens, die uns das Evangelium vermittelt und die katholische Soziallehre erklärt, spornt viel mehr zu konstruktivem Handeln an als irgendeine Ideologie, mag sie noch so anziehend erscheinen. Und darum, Jugendliche, Mut! Die Kirche geleitet euch auf den Wegen, die zu dem „neuen Himmel und der neuen Erde“ führen, „in denen die Gerechtigkeit wohnt“ (2 Petr 3,13). Überhört ihre Stimme nicht! Nehmt ihre Lehren voll an. 414 REISEN 10. Selig, die arm sind vor Gott {Mt 5,3). Das ist genau die erste der acht Seligpreisungen, die Jesus in der Bergpredigt verkündete. „Die arm sind vor Gott, sind jene, die offen für Gott sind und ,Gottes große Taten verkünden“ {Apg 2,11). Arm, weil sie bereit sind, immer jene hohen Gaben anzunehmen, die von Gott selbst kommen. Arm vor Gott -das sind jene, die in dem Bewußtsein leben, alles aus den Händen Gottes als unentgeltliche Gabe erhalten zu haben, und jedes empfangene Gut ehren. In fortwährendem Dank wiederholen sie: .Alles ist Gnade . . . Wir danken dem Herrn, unserem Gott“. .. Die offenen Herzens sind für Gott, sind deshalb auch offen für die Menschen. Sie sind bereit zu helfen. Bereit, alles, was sie haben, zu teilen; bereit, in ihrem Haus Witwen oder Waisenkinder aufzunehmen, die verlassen sind. Sie finden immer noch einen Platz inmitten der Enge, in der sie leben. Und so finden sie auch immer einen Bissen Nahrung, ein Stück Brot auf ihrem kargen Tisch. Arm, aber großzügig. Arm, aber großherzig“ {Ansprache im Elendsviertel Vidigal in Rio de Janeiro, 2. Juli 1980, Nr. 2, in: O.R. dt. 11.7.80, S. 1). Arm vor Gott sind somit jene, die trotz der Entbehrung irdischer Güter die Werte einer gotterfüllten geistlichen Armut mit menschlicher Würde zu leben wissen; und jene, die trotz Besitzes materieller Güter die innere Selbstlosigkeit und die Teilung der Güter mit denen, die Not leiden, leben. Denen, die arm sind vor Gott, gehört das Himmelreich. Das ist die Belohnung, die Jesus ihnen verheißt. Mehr kann man gar nicht versprechen. Diese Seligpreisung, die in gewissem Sinn alle übrigen einbezieht, müssen wir auf die wirklich Armen anwenden, indem wir sämtliche Klassen und Formen der Armut, die es in unserer Welt gibt, berücksichtigen und auch an die vielen reichen Menschen denken, die in Wirklichkeit furchtbar arm sind (vgl. Weihnachtsbotschaft 1984). Während sie also alle ins Auge faßte, die unter materiellen oder geistigen Entbehrungen leiden, hat die Kirche ihre vorrangige, aber weder ausschließliche noch ausschließende Option für die Armen getroffen. In dieser Option, für die sich der lateinamerikanische Episkopat bereits in Medellin und Puebla entschied und die ich neuerlich in meiner letzten Weihnachtsbotschaft ausgesprochen habe, müßt ihr Jugendlichen von Peru - und ich weiß, daß ihr es seid - ganz mit der Kirche und ihren Bischöfen verbunden sein. <95> <95> Zusammen mit der ersten will ich nun die letzte Seligpreisung anführen, die sich auf jene bezieht, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt 415 REISEN werden, die verfolgt werden, weil sie Zeugnis von ihrem Glauben geben: sie sind wahrhaftig arm vor Gott, und deshalb sagt Jesus auch von ihnen, daß ihnen das Himmelreich gehört (M/5,10). Ich fordere euch zu einer besonderen Solidarität mit diesen Armen auf, die in unserer heutigen Welt so zahlreich sind: Opfer jener Formen der Armut, die die geistlichen und sozialen Werte der Person beeinträchtigen. Die jungen Menschen, die den Wert der Freiheit so hochschätzen, können sehr gut begreifen, was es heißt, unter Mangel an Freiheit, vor allem unter Mangel an religiöser Freiheit zu leiden. Vergessen wir niemals diese unsere Brüder, an denen Christus in seiner achten Seligpreisung sein Wohlgefallen zum Ausdruck bringt. Sie sind die „Lieblinge“ des Herrn und müssen deshalb auch die Lieblinge der Freunde Jesu, die Bevorzugten der Kirche sein. 12. Liebe, junge Freunde! Wenn ihr wirklich glücklich sein wollt, sucht die Identifikation mit Christus. „Er ist die wahre Hauptperson der acht Seligpreisungen: nicht nur, daß er sie gelehrt und verkündet hat, sondern er ist es vor allem, der sie in und mit seinem ganzen Leben auf vollkommenste Weise verwirklicht hat“ (Predigt in der römischen Pfarrei San Marco, 29. Januar 1984). Es stimmt, daß die Seligpreisungen keine Gebote sind. Aber sie sind natürlich alle in dem Gebot der Liebe enthalten, das das „erste“ und „größte“ ist. Die Seligpreisungen sind wie das Bild Christi eine Synthese seines Lebens, und „darum werden sie auch als ein,Lebensprogramm“ für seine Jünger, Bekenner und Nachfolger vorgestellt. Das ganze irdische Leben des Christen, der Christus treu ist, läßt sich in dieses Programm in der Perspektive des Gottesreiches aufnehmen“ (vgl. obengenannte Homilie). Jugendliche, ihr seid imstande, euch für dieses Programm zu begeistern. Um es aber verwirklichen zu können, müßt ihr euch an das Gebet halten, voll Demut, Vertrauen und Aufrichtigkeit im Sakrament der Versöhnung Hilfe suchen und voll Hingabe an der Eucharistie teilnehmen. Ihr müßt auch auf die seligste Jungfrau blicken, die die Überheferung der Kirche ewig selig genannt hat. Maria sei eure Mutter. Bemüht euch, durch häufige Meditation zu entdecken, mit welcher Treue sie den Geist der Seligpreisungen gelebt hat. Maria führe euch stets auf dem Weg der Wahrheit, des Guten, der Liebe und des Edelmuts. Das ist nicht der Augenblick für Unschlüssigkeiten, für unterlassenes oder fehlendes Engagement. Es ist die Stunde der Mutigen, derer, die Hoffnung haben, die bestrebt sind, das Evangelium in seiner Fülle zu leben, 416 REISEN und derer, die es in der heutigen Welt und in der künftigen Geschichte verwirklichen wollen. Setzt nach dem Vorbild der jugendlichen Heiligen Rosa von Lima eure Kräfte ein, um ein Peru aufzubauen, wo die Heiligkeit leuchtet, wo die Seligpreisungen des Gottesreiches Gestalt annehmen. Baut ein brüderlicheres und versöhntes Peru auf! Baut ein viel gerechteres Peru auf! Baut ein Peru ohne Gewalt, die immer antichristlich ist, auf! Baut ein Peru, wo Ehrenhaftigkeit, Wahrheit, Friede herrschen, auf! Baut ein menschlicheres Peru auf, wo das Geheimnis jedes Menschen im Licht des Geheimnisses Gottes erfahren wird! Besonders in diesem Jahr der Jugend baut ein Peru auf, wo die zu Mut und Hoffnung gewordenen Worte des Apostels ihren Widerhall finden: „Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr stark seid, daß das Wort Gottes in euch bleibt und daß ihr den Bösen besiegt habt“ (1 Joh 2,14). Euer Sieg wird nicht der Sieg der Waffen, sondern der des Geistes der Seligpreisungen sein, die selbst Leben geworden und der Welt verkündet worden sind. Damit es so wird, schenke ich euch meine Ermutigung, mein Gebet, meinen Segen. Weihe der peruanischen Jugend an die Gottesmutter Maria, Mutter Jesu und unsere Mutter, die peruanische Jugend, die sich heute um den Stellvertreter Christi versammelt hat, um ihren Glauben, ihre bedingungslose Hingabe an Jesus Christus und ihre Bereitschaft zum Aufbau einer gerechteren, brüderlicheren und christlicheren Welt zu bekunden, will sich dir weihen. Im Bewußtsein unserer Schwäche kommen wir zu dir mit dem Vertrauen des Kindes, das den Schutz seiner Mutter sucht. Wir legen unsere Sehnsüchte , unsere Beunruhigungen, unsere Hoffnungen in deine Hände. Wir wollen eine bessere Welt aufbauen, wo Liebe, Gerechtigkeit und Frieden herrschen. Wir bringen dir alle unsere jugendlichen Kräfte dar, entschlossen, der Lehre Christi zu folgen mit dem Ziel, uns nicht bedienen zu lassen, sondern zu dienen, unseren Brüdern — je bedürftiger sie sind, um so mehr - zu dienen. Der Kirche, dem universalen Heilssakrament, zu dienen, Peru, unserer Heimat, zu dienen, damit dein Sohn, Jesus, von der Jugend geliebt und auf genommen wird. Wir bringen dir unsere Jugendjahre dar, damit wir, von deiner mütterlichen Liebe gesegnet, in der Lage sind, unsere Pflicht über jeden eigenen Vorteil hinaus zu erfüllen. 417 REISEN Lege Fürbitte für uns ein, damit wir in diesem Abschnitt unseres Lebens die Botschaft erfassen und in uns aufnehmen, die Christus der Welt gebracht hat, ohne sie zu verkürzen oder zu verdrehen, und sie in ihrer ganzen Fülle und in ihrem Anspruch annehmen. Gewähre uns die Gesinnung, unsere Fehler und Schwächen zu erkennen, und die Kraft, uns unablässig zu Christus, dem Retter, zu bekehren. Laß uns die Gnade zuteil werden, daß unser Leben nicht leer sei, sondern in der Lebenssituation, die Gott für jeden von uns will, ein lebendiges Zeugnis, eine Anziehungskraft sein kann, damit sich die Menschen nähern und das umwandelnde Wirken Gottes erfahren. Maria, Mutter der Kirche und unsere Mutter, nimm unsere Hingabe an und begleite uns auf unserem Weg durch die Welt. Amen. Erhöhung der Armen und Niedrigen Predigt bei der Seligsprechung der peruanischen Ordensfrau Ana de Los Angeles Monteagudo in Arequipa (Peru) am 2. Februar 1. „Lumen ad revelationem gentium!“ „Ein Licht, das die Heiden erleuchtet!“ (Lk 2,32). Heute feiert die Kirche auf der ganzen Erde das Fest der Darstellung des Herrn im Tempel von Jerusalem 40 Tage nach seiner Geburt in Betlehem. Dort, im Tempel von Jerusalem, wurden die prophetischen Worte gesprochen, die die Kirche täglich in ihrer Liturgie wiederholt und die sie heute mit besonderer Feierlichkeit verkündet. Hier nimmt der greise Simeon das Kind aus den Armen der Mutter und spricht, vom Heiligen Geist erleuchtet, die prophetischen Worte: „Nun läßt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ {Lk 2,29-32). 2. Heute wiederholen wir diese Worte hier in Arequipa auf peruanischem Boden. Gemeinsam bekennen wir mit ihnen den Glauben an Jesus Christus; diesen Glauben, der das Volk dieses Landes schon vor beinahe 500 Jahren erleuchtet hat. 418 REISEN In diesem Namen und in diesem Licht vereinigen wir uns heute und begrüßen uns gegenseitig. Ich habe die Freude, als Bischof von Rom mit euch an diesem großen Fest der Kirche in eurer Heimat teilzunehmen. Ein Fest, das uns einen zweifachen Anlaß zur Freude bietet: die Seligsprechung von Schwester Ana de los Angeles Monteagudo und die Krönung des Gnadenbildes der Madonna von Chapi durch den Papst, der Mutter und Königin von Arequipa, die bei unserer Feier den Vorsitz führt. Zu diesem Fest der Kirche in Peru möchte ich in Anwesenheit aller seiner Bischöfe das ganze gläubige peruanische Volk begrüßen, das zu besuchen ich gekommen bin, auch wenn ich nicht, wie es eigentlich mein Wunsch wäre, jeden Menschen und jeden Ort des Landes einzeln aufsuchen kann. Doch wird es in diesen Tagen bei jeder Begegnung mit einer Gruppe oder einem Teil des Gottesvolkes meine Absicht sein, mich damit an alle zu wenden. So also auch jetzt: Christus, das Licht der Völker, erleuchte die Mitglieder dieser Kirche Gottes in Arequipa, die mich heute aufnimmt, ihren Bischof und die Weihbischöfe sowie die Kirchen von Puno, Tacna, Ayaviri, Chuquibamba und Juli mit ihren Oberhirten. Das Licht Christi führe die Kirche in Lima mit ihrem Kardinal-Erzbischof und den Weihbischöfen, die Hirten und Gläubigen von Callao, Huacho, Ica und Yauyos. Christus, das Licht der Welt, erhelle den Weg der Bischöfe und Gläubigen von Ayacucho, Huancavelica und Caraveli. Christus sei stets das Licht der Kirchen in Cuzco, Abancay, Chuquibam-billa und Sicuani und ihrer Bischöfe. Das Licht Christi leuchte in dem gläubigen Volk von Huancayo, Huänuco, Tarma und in ihren Vätern im Glauben. Christus begleite mit seinem Licht das heilige Volk Gottes in Piura, Chachapoyas, Ciclayo, Chota, Chulucanas und seine Prälaten. Das Licht Christi erstrahle in den Hirten und Diözesen von Trujillo, Cajamarca, Huaraz, Chimbote, Huari, Huamachuco und Moyobamba. Christus bezeichne mit seinem Licht den Weg des Glaubens für die Ordinarien und Kirchen von Iquitos, Jaen, Pucallpa, Puerto Maldonado, Requena, San Jose del Amazonas, San Ramön und Yurimaguas und für den Ordinarius und die Mitglieder des Militärvikariats von Peru. Schließlich sei Christus das Licht für alle hier Anwesenden, die aus nah und fern gekommen sind, und besonders für die dominikanische Ordensfamilie, die in ihrer Schwester, der Seligen Ana de los Angeles, eine neue Ehre für die Söhne und Töchter des hl. Dominikus und einen getreuen Abglanz des Lichtes Jesu Christi sieht. 419 REISEN 3. Dieser Jesus von Nazaret, über den 40 Tage nach seiner Geburt der greise Simeon die prophetischen Worte sprach, steht als Licht vor uns. Hören wir, was er uns im Evangelium der heutigen Liturgie sagt: „Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater; und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ {Mt 11,27). Christus ist das Licht der Menschen, weil er ihnen Gott offenbart. Nur er kennt Gott: er kennt den Vater und wird von ihm gekannt. Ebenso trägt er, er allein, das Licht der göttlichen Offenbarung in die Herzen der Menschen. Dank ihm haben wir den Vater erkannt und den Sohn und den Heiligen Geist, den dreieinigen Gott, der „der Anfang und das Ende“ von allem ist, was existiert. In ihm ist unser ewiges Heil. 4. Denn dieser Gott ist - wie Johannes heute in der zweiten Lesung verkündet - der, der „uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh 4,10). So ist es. „Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, daß Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben“ (i Joh 4,9). Der Sohn ist das Licht der Welt, weil er uns das Leben Gottes schenkt. Dieses göttliche Leben ist für uns ein Geschenk, d. h. die Gnade. Und die Gnade kommt aus der Liebe und pflanzt in uns die Liebe ein. So sind wir Menschen, die von Menschen, von unseren Eltern, geboren worden sind, zugleich aus Gott geboren: „Jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott“ (1 Joh 4,7). Christus ist das Licht der Menschen, weil wir dank ihm aus Gott geboren sind; und als solche, die in Christus aus Gott geboren sind, können wir auch „ Gott erkennen“: Wir erkennen den Vater, so wie auch der Sohn den Vater erkennt. Hingegen „wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8). 5. Das ist die großartige Botschaft des heutigen Festes. Die Botschaft des Lichtes und des Lebens, die Botschaft der Wahrheit und der Liebe. Im Inhalt dieser Botschaft erkennen wir auch diese auserwählte Tochter eures Landes, die ich heute als Selige der Kirche verkündigen kann: Schwester Ana de los Angeles Monteagudo. Der Herr Erzbischof von Arequipa hat in seiner offiziellen Bitte um die Seligsprechung von Schwester Ana ihre Biographie kurz zusammengefaßt und auf die Merkmale ihres heiligmäßigen Lebens, auf die Verdienste und 420 REISEN himmlischen Gnaden hingewiesen, die dazu geführt haben, sie als verehrungswürdiges Vorbild der ganzen Kirche, besonders der Kirche in Peru, zur Ehre der Altäre zu erheben. In ihr bewundern wir vor allem ihr christliches Beispiel als kontemplative Dominikanernonne aus dem berühmten Kloster Santa Catalina, einem Denkmal der Kunst und der Frömmigkeit, auf das die Bewohner von Arequipa mit Recht stolz sind. Schwester Ana verwirklichte in ihrem Leben das dominikanische Programm von Licht, Wahrheit, Liebe und Leben, zusammengefaßt in dem bekannten Satz: „Betrachten und das Betrachtete weitergeben.“ Schwester Ana de los Angeles verwirklichte dieses Programm in einer intensiven, strengen und radikalen Hingabe an das monastische Leben, dem Stil des Dominikanerordens entsprechend in der Kontemplation des Geheimnisses Christi, der Wahrheit und Weisheit Gottes. Gleichzeitig jedoch hatte ihr Leben eine einzigartige apostolische Ausstrahlung. Sie war geistliche Lehrmeisterin und führte die Bestimmungen der Kirche, die auf die Reform der Klöster drängten, treu durch. Sie wußte alle ihre Untergebenen gut anzunehmen und führte sie auf den Wegen der Vergebung und des Gnadenlebens. Der Ruf der Heiligkeit ihres verborgenen Lebens erregte auch jenseits der Mauern ihres Klosters Aufmerksamkeit. Bischöfen und Priestern half sie durch ihr Gebet und ihren Rat; Wanderer und Pilger, die zu ihr kamen, begleitete sie mit ihrem Gebet. Sie hat ihr langes Leben beinahe zur Gänze innerhalb der Klostermauern von Santa Catalina verbracht; schon im zarten Alter als Zögling, später als Ordensfrau und Oberin. In ihren letzten Jahren verzehrte sie sich in einem schmerzreichen Einswerden mit dem Geheimnis des gekreuzigten Christus. Schwester Ana de los Angeles bestätigt mit ihrem Leben die apostolische Fruchtbarkeit des kontemplativen Lebens im mystischen Leib Christi, der Kirche. Des kontemplativen Lebens, das sehr bald, bereits in den ersten Jahren der Evangelisierung, auch hier Wurzel faßte und das weiterhin einen geheimnisvollen Reichtum der Kirche in Peru und der ganzen Kirche Christi ausmacht. 6. Schwester Ana hat sich gewiß in ihrem Leben von diesem Grundsatz des hl. Evangelisten Johannes leiten lassen: „Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander heben“ (i Joh 4,11). In der Schule des göttlichen Meisters wurde ihr Herz geformt, bis es die Sanftmut und Demut Christi erlernte, entsprechend den Worten des Evangeliums: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin 421 REISEN gütig und von Herzen demütig... Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht“ (Mt 11,29-30). Die Liebe und den kirchlichen Sinn ihrer Patronin Katharina von Siena nachahmend, gewann sie ein mildes und demütiges Herz, das offen war für die Nöte anderer, besonders der Ärmsten. In ihr begegneten alle der echten Liebe. Die Armen und Geringen fanden Aufnahme und Hilfe, die Reichen ein Verständnis, das die Aufforderung zur Umkehr nicht scheute; Bischöfe und Priester wurden durch Gebet und Rat unterstützt; Kranke fanden Erleichterung, Trauernde Trost; Wandernden wurde gastfreundliche Aufnahme zuteil, Verfolgten Begnadigung erwirkt, Sterbende fanden die Hilfe inständigen Gebetes. In der betenden, helfenden Liebe von Schwester Ana waren in besonderer Weise die Verstorbenen, die Seelen im Fegfeuer, gegenwärtig, die sie „ihre Freundinnen“ nannte. Dem uralten Brauch des Gebetes für die Verstorbenen gab sie durch das Licht der kirchlichen Lehre neue Leuchtkraft, und nach dem Beispiel des von ihr sehr verehrten hl. Nikolaus von Tolentino schloß sie auch die Verstorbenen durch ihre Fürbitten in ihre Liebe ein. Wenn wir uns an diese Einzelheiten aus dem inneren Leben der neuen Seligen erinnern, an ihre Büßfertigkeit und Barmherzigkeit, ihr ständiges, inbrünstiges Gebet für andere, dann läßt uns das an die Worte aus dem Buch Tobias denken: „Es ist gut, zu beten und zu fasten, barmherzig und gerecht zu sein. Lieber wenig, aber gerecht, als viel und ungerecht. Besser barmherzig sein als Gold aufhäufen... Wer barmherzig und gerecht ist, wird lange leben“ (Tob 12,8-9). So wie sie, die reich an Tugenden und Verdiensten in hohem Alter starb. 7. Heute möchte die Kirche in Arequipa und in ganz Peru Gott in besonderer Weise wegen der Wohltaten preisen und verehren, die er dem Volk Gottes durch den Dienst einer demütigen Ordensfrau gewährt hat: Schwester Ana de los Angeles. Wenn sie das tut, erfüllt die Kirche die Aufforderung aus dem Buch Tobias, die in der heutigen Liturgie an uns ergeht: „Gebt Gott die Ehre und bezeugt vor allen Menschen voll Ehrfurcht seine Taten. Hört nie auf, ihn zu preisen! Es ist gut, das Geheimnis eines Königs zu wahren; die Taten Gottes aber soll man offen rühmen“ (Tob 12,6-7). Auf diese Weise wird jenes Geheimnis der Gnade Gottes, das im Schoße der Kirche eures Landes verborgen war, offenbar und enthüllt: es ist Schwester Ana de los Angeles, die Selige der Kirche! Die Heiligkeit des Menschen ist Gottes Werk. Niemals wird ihm genug 422 REISEN Dankbarkeit für dieses Werk bezeugt werden. Wenn wir seine Werke, die Werke Gottes, verehren, verehren und preisen wir vor allem ihn selber, den allheiligen Gott. Und unter allen Werken Gottes das größte ist die Heiligkeit eines Geschöpfes: die Heiligkeit des Menschen. 8. Aber hier bei diesem Fest heute in Anwesenheit der ganzen Kirche ist auch jene zugegen, die die Heiligste ist: die Mutter Christi, Maria. Wir betrachten sie, 40 Tage nach der Geburt ihres Sohnes, wie sie, von Josef begleitet, Jesus in den Tempel von Jerusalem bringt. Der greise Simeon preist in dem Kind das Licht Gottes: „Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2,32). Und an Maria richtet er die Worte: „Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,34-35). Eingedenk der Worte des Simeon wollen wir heute dem Gnadenbild der Muttergottes von Chapi die päpstliche Krone aufs Haupt setzen. Diese Handlung, die wir auf der Erde vollziehen, entspricht der Erhöhung, die der Muttergottes im Himmel zuteil wurde: die Erhöhung der Armen und Niedrigen, wie sie von ihr im Magnifikat verkündet wurde (vgl. Lk 1,52). Mit dieser Handlung will der Papst die Verbindung besiegeln, die zwischen der Stadt Arequipa, der Kirche in Peru und der seligen Jungfrau bereits besteht und die noch gefestigt werden soll. Denn diese überaus marianische „weiße Stadt“, die unter dem Schutz Unserer Lieben Frau am Fest Mariä Himmelfahrt des Jahres 1540 entstanden ist, hat stets große Verehrung für die Mutter Gottes an den Tag gelegt. Davon zeugen die drei schönen und bekannten Marienheiligtümer der Stadt: das von Cayma, das von Characato und besonders das von Chapi. Die Krönung ist auch ein Gedenken an die Liebe, die die Selige Ana de los Angeles zur heiligen Jungfrau hegte. <96> <96> Dem Gnadenbild Unserer Lieben Frau lege ich die Anliegen der ganzen Kirche, besonders der Kirche in Peru und in Arequipa, zu Füßen: „Mutter Christi, heilige Muttergottes, mit so inniger Liebe vom Volk Gottes überall auf dieser peruanischen Erde verehrt; Mutter und Königin aller Heiligen, die dieses Land hervorgebracht hat: Turibius von Mogro-vejo, Rosa von Lima, Martin von Porres, Juan Macias, Ana de los Angeles, die am heutigen Tag seliggesprochen wurde. 423 REISEN Höre nicht auf, Jesus in deinen Händen zu tragen; trage ihn zu allen Herzen, die in diesem Land so liebevoll auf dich vertrauen. Bringe ihn immer, so wie du ihn in den Tempel von Jerusalem gebracht hast; auf das sich die Augen unseres Glaubens in jedem Augenblick öffnen, so wie sich die Augen des Simeon geöffnet haben. Mit ihm bekennen wir: „Licht, das die Heiden erleuchtet!“ Mögen in ihm die Augen unseres Glaubens stets das Heil sehen, das von Gott kommt... Von Gott selber! Amen. Menschen Gottes, Menschen für die anderen Predigt bei der Messe und Priesterweihe in Lima am Sonntag, 3. Februar 1. „Und ich heilige mich für sie . . .“ (Joh 17,19). In der Lesung aus dem Evangelium des hl. Johannes, die wir gehört haben, sind die Worte verkündet worden, die Christus im Abendmahlssaal sprach, kurz bevor er nach Getsemani ging, wo sein Leiden und sein Opfer beginnen sollte. Es sind die Worte, mit denen sich Christus im Hohepriesterlichen Gebet an den Vater wendet. Christus bittet für seine Jünger, für die Kirche, für die Menschheit. Er bittet, daß die Liebe des Vaters mit uns sei. Mit diesen Worten, die heute mitten in dieser Versammlung des Gottesvolkes erklangen, im historischen Zentrum des alten Inkareiches, kommt der Bischof von Rom zu euch, liebe Brüder und Schwestern. Er dankt der Vorsehung, seinen Dienst als Nachfolger Petri erfüllen zu können: seine Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32). Der Papst kommt in dem Augenblick zu euch, wo die Kirche sich vorbereitet, der 500jährigen Evangelisierung Amerikas zu gedenken, und er will sich mit dem gläubigen Volk in Lima vereinen, an diesem bedeutenden Platz, der Hauptstadt Limas, die einer der zentralen Brennpunkte war, von wo aus das Licht des Evangeliums in der Neuen Welt aufstrahlte. 2. In der Tat wurde am 18. Januar 1535 eure Stadt gegründet, die vor kurzem ihr 450jähriges Bestehen feierte. Kurz darauf erhob sie Papst Paul III. zur Erzdiözese. Auch wenn die Stadt nur wenige Bewohner zählte, die Ausstrahlung der Erzdiözese, war sehr weitreichend, denn sie erstreckte sich bis Nicaragua, Chile und zum Rio de la Plata. Fast ganz Südamerika war praktisch für einige Zeit von diesem Metropolitansitz abhängig. 424 REISEN Ihr einzigartiger Hirte war der hl. Turibius von Mogrovejo, der zweite Erzbischof von Lima, der fast 25 Jahre lang mit beispielhaftem Eifer das religiöse Leben dieses ausgedehnten Sitzes beseelte, indem er das Gebiet in seiner ganzen Ausdehnung bereiste. In seiner Zeit fand das 3. Konzil von Lima statt (1582-1583), dessen Richtlinien für die Evangelisierung und die kirchliche Organisation jahrhundertelang galten. Von hier aus nahm ein bewundernswerter missionarischer Einsatz seinen Anfang, der noch heute Bewunderung auslöst, wenn man bedenkt, welch große Schwierigkeiten diese mutigen Boten der Frohbotschaft überwinden konnten. Dieser Einsatz und die Hingabebereitschaft der beispielhaften Bischöfe, Ordensmänner und -frauen und Gläubigen ermöglichte das Aufblühen des christlichen Lebens, das im Laufe der Jahre Wurzeln schlug, die zu auserlesenen Früchten reiften, wie die hl. Rosa von Lima, ein Martin des Porres, Juan Macias und die neue Selige Ana de los Angeles, eine Ehre der Kirche, des peruanischen Volkes, dieser Stadt der Heiligen in der Neuen Welt. Das Ehesakrament erwächst aus dem Erlösungsopfer Christi Heute hat eure Erzdiözese fast fünf Millionen Gläubige. Eine Gemeinschaft, die alle Spannungen der modernen Welt erfährt im wirtschaftlichsozialen, im politischen und ideologischen Bereich. In diesem Zusammenhang will Christus seine Botschaft des Heiles und der Hoffnung allen ihren Bewohnern, ganz Peru und euch bringen, die ihr das Erbe der Vergangenheit in eure Hände nehmen müßt, um es verstärkt den künftigen Generationen weiterzugeben. In dieser Hinsicht möchte ich meinen brüderlichen und herzlichen Gruß dem Herrn Kardinal und Oberhirten dieses historischen Sitzes von Lima entrichten, allen Weihbischöfen und ebenso allen Brüdern im Bischofsamt in Peru. Sie wollten sich mit dem Papst vereinen beim herzlichen Empfang der Diakonie, die zu Priestern geweiht wurden. In gleicher Weise grüße ich die Priester, Ordensmänner und -frauen, die in hochherziger Hingabe ihren Dienst an der Kirche in den verschiedenen Pastoralbereichen leisten, ebenso die Laien der Apostolatsbewegungen, der katholischen Organisationen und alle anwesenden Gläubigen. 3. Einen besonderen Gruß richte ich an die Familien aus Lima und an alle Familien Perus, denen diese Eucharistiefeier gewidmet ist. Sie sind die „Hauskirchen“ (vgl. Lumen gentium, II), von denen man in den ersten 425 REISEN christlichen Texten liest. Sie bilden einen besonderen Ort der Gegenwart Gottes, durch die Gnade Christi geheiligt im Sakrament. Das Ehesakrament erwächst wie aus einer Quelle aus dem Erlösungsopfer Christi, der uns durch sein Leiden und seinen Tod die heiligmachende Gnade gibt. Von der beeindruckenden Majestät des Kreuzes aus richtet sich der Herr an alle Familien, an alle Eheleute, um ihnen zu sagen: „Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ (Joh 17,19). Deshalb lehrt die Kirche, daß im Sakrament der Ehe „den Ehegatten Kraft verliehen“ wird „und sie gleichsam für die treue Erfüllung ihrer Pflichten vor der Welt geweiht“ werden (Humanae vitae, Nr. 25; vgl. Gaudium et spes, Nr. 48). In diesem Zusammenhang wird die Priesterweihe im Verlauf der heutigen Eucharistiefeier stattfinden. Diejenigen, die geweiht werden, sind eure Söhne, liebe Familien Perus. Sie sind die Frucht eurer Liebe, Treue und ehelichen Redlichkeit. Sie haben das Licht in diesen „Hauskirchen“ gesehen, die eure Familien darstellen. Jetzt geben sie ihren Leib und ihre Seele für den Dienst der Kirche hin. An erster Stelle in Peru, aber auch in jedem beliebigen anderen Teil der Kirche, wohin Gott sie ruft. 4. Das Evangelium der Liturgie des heutigen Tages versetzt uns im Geist und im Herzen in den Abendmahlssaal. Christus, Opfer und Priester des Paschamysteriums, setzt die Eucharistie ein und zur gleichen Zeit das Sakrament des Priestertums des Neuen und Ewigen Bundes. Hier nahm Jesus zum erstenmal das Brot in seine Hände und gab es seinen Jüngern, damit sie davon aßen: „Das ist mein Leib.“ Und ebenso den Wein: „Das ist der Kelch meines Blutes.“ Auf diese Weise setzte er das Sakrament der Eucharistie ein. Er schließt mit den Worten: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Dem Gebot des Herrn gehorchend, feiern wir das Meßopfer zum Lob der Heiligsten Dreifaltigkeit und zum Heil der Welt. Eben diesem Gebot getreu, spenden wir Bischöfe, Nachfolger der Apostel, das Weihesakrament den Brüdern, die die göttliche Stimme vernehmen und berufen sind, für die Bedürfnisse der Kirche Sorge zu tragen. 5. Und es gibt heute sehr viele Bedürfnisse der Kirche! Vor dem Priester öffnet sich eine gewaltige Aufgabe, als Jesus dem Vater im Hohepriesterlichen Gebet sagt: „Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie gehörten dir, und du hast sie mir gegeben, und sie haben an deinem Wort festgehalten“ {Joh 17,6). Diese Worte sind grenzenlos. Der Vater hat dem Sohn alle 426 REISEN Menschen anvertraut, damit „sie gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Am Vorabend seines Leidens wendet sich der Herr an den Vater und denkt dabei an seine Jünger: „Ich habe ihnen dein Wort gegeben . . . dein Wort ist Wahrheit. Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt“ (Verse 14,17 u. 18). Eine grenzenlose Sendung tut sich vor der Kirche auf. Eine Aufgabe, die sich über alle Zeiten erstreckt, die alle Generationen umfaßt. Heute wiederhole ich, der Nachfolger Petri, zusammen mit meinen Brüdern im Bischofsamt, mit dem Blick auf diese heutige Generation, die sich dem Ende des zweiten Jahrtausends nähert, euch, die ihr soeben das Weihesakrament empfangen habt, die Worte des Herrn: „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt“ (Joh 17,18). Nehmt die erhabene Sendung an, die ihr kraft des Wortes Gottes und kraft des Sakraments der Kirche empfangen habt. Sie möge euch den vollen Sinn eures Lebens geben. „Ich bitte nicht, daß du sie aus der Welt nimmst, sondern daß du sie vor dem Bösen bewahrst“ (Joh 17,15). 6. Liebe, junge Menschen! Ihr seid berufen zum Dienst am Gottesvolk, das schon seit jeher durch den Instinkt des Glaubens einen geschärften Sinn für die Sendung des Priesters und seine Notwendigkeit in der Kirche hat. Dies erkannte der in dieser Stadt geborene Pater Francisco del Castillo, ein vorbildlicher Priester. Deshalb bittet dieses Volk seine Priester, daß sie echte Lehrer des Glaubens, der Wahrheit und des geistlichen Lebens sind, nicht nur rein menschliche Führer. Dennoch müssen sie sich auch im Licht des Evangeliums besonders um den menschlichen, kulturellen und sozialen Fortschritt ihrer Brüder kümmern. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15,16), sagt uns der Herr heute. Ihr seid geweiht worden, um ein Leben zu führen, das euch mit Christus durch ein unsagbares und unauflösliches Band sakramentalen Charakters verbindet. Da ihr den Auftrag der Kirche empfangt, werdet ihr „an Christi statt“ handeln, indem ihr den Leib und das Blut konsekriert, die Sünden vergebt, das Wort verkündet und die übrigen Sakramente spendet. Euer Leben muß daher Zeugnis der Liebe des Dienstes sein: Menschen Gottes, Menschen für die anderen. An diesem Tag eurer Priesterweihe bitte ich, daß der Heilige Geist mit Feuer jene Worte des Apostels Paulus in eure Herzen einpräge: „Wir sind also Gesandte an Christi statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt“ (2 Kor 5,20). 427 REISEN Seid in dieser Aufgabe, gestützt auf ein unablässiges Gebet und treu in eurer Hingabe im Zölibat, treue Mitarbeiter eurer Bischöfe. Sie brauchen, ebenso wie Mose, wie wir in der heutigen Lesung gehört haben, Mitarbeiter, die „an der Last des Volkes tragen“ (Num 11,17). 7. Jedoch ist es erforderlich, daß die diözesane Gemeinschaft die Verantwortung für diese Notwendigkeiten übernimmt. Deshalb möchte ich mich heute an die christlichen Familien Perus wenden, damit sie diese Aufgabe wahrnehmen. Wenn eure Heime sich nicht in wahre „Hauskirchen“ verwandeln, in denen die Kinder von ihrer frühesten Kindheit an den Glauben von ihren Eltern empfangen und durch ihr Beispiel ein rechtes moralisches Verhalten lernen, werden schwerlich Priesterberufungen auf-blühen, die die Kirche in Peru braucht, um ihr Werk der Evangelisierung zu verwirklichen. „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so sende auch ich sie in die Welt“ (Joh 17,18). Die Kirche hat im Zweiten Vatikanischen Konzil in diesen Worten ihres Herrn und Meisters nicht nur die ewig gültige Lehre über die priesterliche Berufung und Sendung, sondern auch die Lehre des Evangeliums über die Berufung und Sendung der Laien, der Jünger Christi, erblickt. Diese Sendung, die aus dem Sakrament der Taufe und der Firmung entsteht, verpflichtet die Laien zu der ihnen eigenen Aufgabe: dem Einsatz, die Welt von innen her im Geist des Evangeliums umzuformen. Auf diese Weise zeigt sich die Rolle der christlichen Familien in ihrer ganzen Klarheit. Das ist eure Sendung, eine echte Herausforderung für euch, christliche Familien Perus! Ich kenne eure Hoffnungen und Ängste und komme deshalb als apostolischer Pilger, um euch in eurem christlichen Eifer zu bestärken. „In euren Heimen möge nie das Familiengebet fehlen“ Die Worte Jesu, „was aber Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen“ (Mt 19,6), müssen das Gesetz für alles sein, was sich christlich nennt. Erinnert euch deshalb daran, daß der wahre Christ mit Entschiedenheit die Ehescheidung, die nicht durch das Sakrament geheiligte Gemeinschaft, die Sterilisation, die Empfängnisverhütung und die Abtreibung, die ein unschuldiges Leben auslöscht, zurückweisen muß. Daß, im Gegenteil, der Christ sich mit ganzer Seele einzusetzen hat für die Verteidigung der unauflösbaren Liebe in der Ehe, für den Schutz des 428 REISEN menschlichen Lebens, auch des ungeborenen, für die Festigkeit der Familie, die eine ausgeglichene Erziehung der Kinder unter der Fürsorge der väterlichen und mütterlichen Liebe, die sich gegenseitig ergänzen, begünstigt. Um diesem anspruchsvollen Programm treu zu sein, möge in euren Heimen nie das Familiengebet fehlen, wie es eure besten Familientraditionen bezeugen: die Verehrung der Jungfrau Maria im Familienkreis, die so tief in euch verwurzelt ist, die Verehrung und Weihe der Familie an das Herz Jesu, das vom peruanischen Volk so sehr geliebt wird. Bei dieser Gelegenheit möchte ich die Familien ermutigen und segnen, die in ihren Heimen die Herz-Jesu-Verehrung als Zeichen ihrer Treue und als Vorbereitung des Papstbesuches gepflegt haben. Liebe Eheleute und Kinder, Familienangehörige! Erneuert in dieser Eucharistiefeier eure gegenseitige Treue und Liebe, indem ihr sie auf eine aufrichtige Liebe zu Christus stützt. 8. Ich danke dem einen und dreifältigen Gott für diese große betende Versammlung des Gottesvolkes von Lima. Eure Anwesenheit ist Zeichen der Einheit aller Familien. Sie sind die „Hauskirchen“, aus denen als Forderung des Glaubens die Priesterberufe erwachsen sind, denen ich heute mit Freude das Sakrament der Priesterweihe spenden durfte. Ich möchte an dieser Stelle die Worte wiederholen, die der hl. Paulus mit tiefer Bewegung an die „Ältesten“ der Kirche von Milet richtete: „Gebt acht auf euch und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist zu Bischöfen bestellt hat, damit ihr als Hirten für die Kirche Gottes sorgt, die er sich durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben hat“ (Apg 20,28). „Seid also wachsam“ (ebd., Vers 31). Der Apostel erwähnt auch bei dieser Gelegenheit die „reißenden Wölfe“, die die Herde bedrohen; und er erwähnt auch die „verkehrten Lehren“, die vom rechten Weg wegführen. Es sind Worte, die seiner Hirtensorge und seiner Liebe zum Kreuz Christi entspringen. Zum Schluß sagte er: „Und jetzt vertraue ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade an, das die Kraft hat, aufzubauen und das Erbe in der Gemeinschaft der Geheiligten zu verleihen“ {ebd.., Vers 32). Ich möchte.diese Worte für euch, liebe Brüder im Bischofsamt, für euch Priester und besonders für die, die soeben geweiht wurden, für die Ordensmänner und -frauen der verschiedenen Kongregationen, für die Eheleute, Väter und Mütter, die Jugendlichen und Kinder, für das gesamte Volk Gottes von Lima und von Peru wiederholen. Euch alle empfehle ich Gott an! Ja, das Wort seiner Gnade hat die Macht, „die Kirche des Gottesvolkes“ 429 REISEN aufzubauen, um „das Erbe mit allen Geheiligten“ zu erlangen in der Gemeinschaft der Heiligen. Dieses Erbe ist euer. Hütet es gut! Ihr seid die „Kirche Gottes“, die er mit seinem Blut erkauft hat. Bleibt in ihr! Für euch hat sich Christus „geheiligt, damit auch ihr in der Wahrheit geheiligt seid“. Bleibt ihm treu! Bleibt ihm treu! Gott befohlen! Die „Sprungfeder zur Befreiung“ Ansprache an die Campesinos in Cuzco am 3. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das Wort Gottes, das wir gehört haben, führt uns auf das Feld, wo die Mähleute die Ernte einholen. Dieses Wort des Alten Testamentes ist dem Buch Rut entnommen. Das Feld gehört Boas, der aus Betlehem stammt, dem Ort, wo Jahrhunderte später Jesus Christus geboren werden sollte. Boas ist der Eigentümer des Feldes, und zur Erntezeit wird er die Schnitter sehen. Unter ihnen begegnet er Rut, der Moabiterin. Boas fragt nach ihr, die ihm nicht bekannt ist und die nicht zu seinen Arbeitern gehört, sondern freiwillig auf das Feld gekommen ist. Nun, da er weiß, wer Rut ist, freut er sich über ihre Anwesenheit unter den Mähleuten und bekundet ihr großes Wohlwollen und Herzlichkeit. Aus demselben Heiligen Buch wissen wir, daß Rut die Gattin Boas’ wird. 2. Das Wort Gottes, das wir heute in dieser Feier gelesen haben, ist ausgewählt worden, damit wir uns mit dem befassen können, was den Inhalt eures täglichen Lebens ausmacht, meine lieben Campesinos und Bewohner der Anden Perus. Euch alle und auch die, die nicht kommen konnten, obwohl sie gewollt hätten, begrüße ich mit brüderlicher Umarmung. Euch, die ihr aus der Umgebung von Cuzco, aus Puno oder Apurimac kommt, ebenso wie die, die aus anderen Regionen Perus stammen oder sich dort den Aufgaben der Landwirtschaft widmen. Mit diesem Besuch in den Höhen der Anden möchte euch der Papst die 430 REISEN große Liebe, die er für euch empfindet, bekunden, seinen lebhaften Respekt vor euren kulturellen und sozialen Bedingungen. Er möchte euch ermutigen, damit euer Leben immer mehr der Würde des Menschen und des Christen entspricht. Ich begrüße auch mit Hochachtung den Erzbischof und Hirten dieses Bischofsstuhls der alten Hauptstadt des Inkareiches. Ihm werde ich in Kürze das Pallium auflegen, Symbol der Metropolitanwürde und seiner besonderen Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri. Mit ihm begrüße ich auch herzlich die Bischöfe der angrenzenden Diözesen und Prälaturen, die sich mit so großem Eifer und unter Opfern bemühen, euch in eurem Glaubensleben und euren kulturellen und materiellen Bedürfnissen zu helfen. Auch die anwesenden Priester, Ordensmänner und -frauen vergesse ich nicht. Ihnen möchte ich aus ganzem Herzen sagen, daß ich ihnen in ihrer entsagungsreichen und harten Arbeit ganz nahe bin. Ich weiß, daß nicht wenige von ihnen aus anderen Ländern gekommen sind, um auf hochherzige Weise mit der Kirche in Peru zusammenzuarbeiten, die sie ganz als die ihre ansehen. Euch und allen, die ihr kirchliches Werk in den anderen Teilen dieses geliebten Peru verwirklichen, sei Dank gesagt im Namen Christi für eure wertvolle Hingabe. Einen herzlichen Gruß besonderen Dankes an die Campesinos-Brüder und -Schwestern, die als christliche Animateure, Glaubensanimateure, Katecheten, Gesundheitshelfer oder durch die Müttervereine so viel Gutes an den anderen tun. Ich weiß, daß ihr, von Priestern und Ordensfrauen geleitet, wertvolle Dienste an den an Leib und Seele Notleidenden verrichtet und so oft dem Priestermangel abhelft. Meine lebhafte Dankbarkeit für eure Aufgabe im Namen der Kirche und aller Campesinos von Peru. 3. Die Bibelstelle, die wir zuvor gelesen haben, führt uns Rut vor Augen, die Fremde, die zur Ernte geht, weil sie nichts zu essen hat. Die Bauern des Ortes lassen sie die Ähren einsammeln, damit sie sich und die Ihren ernähren kann. Der Eigentümer des Feldes bietet ihr sogar einen Teil seines eigenen Mahles an: „Halte dich an meine Mägde.“ „Komm und iß!“ (Rut 2,8; 14). Es ist eine schöne Lehre, die die Heilige Schrift den Menschen aller Zeiten und Länder erteilt. Eine Lektion gegenseitiger Solidarität: sich als Bruder und Schwester der Notleidenden zu fühlen, sich gegenseitig zu helfen, wie die Bauern aus Betlehem von ihrer Ernte einer armen Witwe abgaben, die kam, um etwas für ihren Lebensunterhalt zu suchen.. 431 REISEN Oft habe ich reden hören von eurem Sinn für Gastfreundschaft, von eurer Bereitschaft, den Waisen zu helfen, von eurer Hochherzigkeit, trotz eurer eigenen Bedürftigkeit mit dem zu teilen, der noch weniger hat; von eurer Fürsorge für jeden Notleidenden. Ich möchte euch ermutigen in diesen beneidenswerten menschlichen und christlichen Tugenden, die ihr habt und auf die ihr stolz sein könnt. Wißt, daß jeder Fortschritt im Sinn der Zusammenarbeit, um dadurch die Organisation eurer Landarbeit zu verbessern und zu erweitern, euch nicht wenig in eurer sozialen Situation helfen wird. So werdet ihr einander beistehen, die schwierige Situation der Unsicherheit, der Not, des Nahrungsmangels, des Fehlens an Heilmitteln für eure Gesundheit und die eurer Kinder zu erleichtern, und ihr werdet euch gegenseitig helfen, euer Recht auf den notwendigen und dringend erforderlichen menschlichen Fortschritt zu verteidigen. Wenn ihr dies mit all euren Kräften versucht, erlaubt nicht, daß eure moralische und religiöse Würde nachläßt, indem ihr Gefühlen des Hasses und der Gewalt nachgebt, sondern liebt immer den Frieden. Den kraftvollen Aufruf zur Solidarität, den das Buch Rut uns vor Augen führt, will der Papst all denen, die in Städten wohnen, und allen, die das Land bebauen, vermitteln, damit sie beispielgebend für eine gerechte Zusammenarbeit zwischen Land und Stadt in ganz Peru und in der Welt sind. Vaterland bedeutet nicht nur Stadt oder Land. Es ist notwendig, untereinander solidarisch zu sein, einander zu lieben und zu helfen, ohne daß der eine den andern ausnutzt, denn wir alle sind Brüder, Kinder desselben Gottvaters, obwohl wir verschiedene Dienste in der Gemeinschaft wahrnehmen. Diese gewaltige Festung von Sacsayhuamän, vor der wir uns befinden, ist ein Symbol gemeinschaftlicher Zusammenarbeit. Ohne die gemeinsame Arbeit eurer Vorfahren, ohne die aus so vielen Steinen zusammengefügte Einheit hätte sie nicht erbaut werden können. Ebensowenig wird man ein großes Vaterland bilden können ohne Brüderlichkeit und gegenseitige Hilfe, ohne Gerechtigkeit zwischen Landbewohnern und Stadtbevölkerung, ohne Gleichgewicht zwischen technischem und materiellem Fortschritt, ohne wache Aufmerksamkeit für die landwirtschaftlichen Probleme. Dieser Bereich verlangt eine pflichtbewußte Sorge seitens der öffentlichen Autoritäten mittels angemessener und dringend erforderlicher Maßnahmen, die, falls nötig, die gebührenden Reformen am Eigentum und seiner Nutzung einschließen. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit und Menschlichkeit. 4. Die Solidarität schließt jede Form von Egoismus, die Unkraut in das Zusammenleben sät, aus. Es ist das völlige Gegenteil solcher Ideologien,. 432 REISEN die die Menschen in feindliche und unversöhnliche Gruppen einteilen und einen fanatischen Kampf bis zur Vernichtung des Gegners führen. Auch in eurem geliebten Vaterland leidet ihr unter diese Plage in Form von unmenschlicher Gewalt wie auch unter anderen, weniger spektakulären, aber nicht minder schädlichen Plagen. Eine von ihnen ist der extreme gesellschaftliche Klassenunterschied. Auffallender Wohlstand auf der einen Seite, auf der anderen Seite die Armut vieler Campesinos und der Bewohner der Randsiedlungen eurer Städte, denen das unumgängliche Minimum fehlt, um ein würdiges Leben zu führen. Es ist eine Situation, die das Feld für unüberlegte Initiativen öffnet, die von Unmut und Gewalt inspiriert sind. Ebenso verhält es sich mit jenen Praktiken, in denen sich einseitige und ungerechte Interessen über das Gemeinwohl stellen. So ist das im Fall der Bestechung in der öffentlichen und privaten Verwaltung; des Betrugs, um den gerechten Beitrag zu den Erfordernissen der Gemeinschaft zu umgehen; bei der gelegentlichen ungebührenden Nutzung öffentlicher Mittel zur persönlichen Bereicherung. Der Egoismus ist auch die Ursache des korrupten Handels, der sich rund um den Kokainanbau entwickelt hat. Ein Produkt, das die Eingeborenen manchmal auf natürliche Weise als Stimulans für die menschliche Tätigkeit benutzten, hat sich, weil es zur Droge geworden ist, in ein tödliches Gift verwandelt, das einige ohne den geringsten Skrupel ausnutzen. Daß der wirtschaftliche Gewinn einiger auf Kosten der körperlichen und seelischen Gesundheit vieler Personen geht, vor allem heranwachsender und junger Menschen, die in vielen Fällen nicht mehr fähig sind, ein würdiges Leben zu führen, diese schwere moralische Verantwortung kümmert sie sehr wenig. Gegenüber all diesen Wurzeln des unsolidarischen Egoismus, die in menschlichen Herzen nisten, bemüht sich die Kirche, die dringende Notwendigkeit der moralischen und geistlichen Erneuerung zu verkünden, den Menschen von seinem Innern her zu ändern, ihn zu den tiefsten Wurzeln seines Menschseins umkehren zu lassen. Sie kämpft auch weiterhin für die Gerechtigkeit anhand der Soziallehre und ihres Beitrages zum Fortschritt so vieler Männer und Frauen. Und vor allem will sie bei den Ärmsten sein und solidarisch mit ihnen. Sie hat ihren Ursprung im demütigen und bedürftigen Volk, den Armen Jahwes, und so will sie auch heute für diese bevorzugte Schar des Herrn arbeiten, die den ersten Platz in ihrer Liebe einnimmt. Denn wenn sie sich nicht so verhielte, wäre sie nicht ihrem Gründer Jesus Christus treu. Aber sie will dies nicht aus politischen Beweggründen, sondern vom Evange- 433 REISEN lium her tun; nicht mit den Methoden des Klassenkampfes, nicht mit dem Blick auf scheinbare und partielle Befreiungen, die nicht oder nur ungenügend die geistige Dimension des Menschen beachten oder ihn in eine neue und nicht geringere Versklavung führen, indem sie ihm die Freiheit rauben (vgl. Ansprache an die Kardinäle und Mitglieder der Römischen Kurie 10, vom 21. 12. 1984). Es ist notwendig und unumgänglich, sich für die Sache der Armen und ihre Förderung einzusetzen. Es ist Sache aller: die eure als Glieder der Kirche, die der Hierarchie, der Priester und der religiösen Gemeinschaften. Hier möchte ich die Aufmerksamkeit auf die aktuellen Richtlinien lenken, die von euren Bischöfen herausgegeben wurden (vgl. Dokument über die Theologie der Befreiung, Oktober 1984). 5. Das Buch Rut, das unsere Begegnung mit seiner Lehre inspiriert hat, zeigt uns auch die religiöse Dimension jener Feldarbeiter. Auf den spontanen Gruß Boas: „Der Herr sei mit euch“, antworten sie: „Der Herr segne dich“ {Rut 2,4). Der christliche Glaube und die Frömmigkeit, zu denen ihr euch bekennt, liebes Landvolk, haben euch im tiefsten Innern eures Seins Jesus Christus fühlen lassen. Sie haben im Laufe der Jahrhunderte in den Frömmigkeitsübungen ihren Ausdruck gefunden, die ihr im Jahreskreis feiert. Es sind eure Prozessionen, mit denen ihr euer christliches Leben auf gemeinschaftliche und öffentliche Weise nach außen hin bekundet, eure Wallfahrten zu den großen Heiligtümern Unseres Herrn von Huanca, Unseres Herr von Koylloriti, der Jungfrau von Cocharcas, eure tiefempfundene Verehrung zu Unserem Herrn von Temblores, eure eucharistische Frömmigkeit, die am Fronleichnamsfest Ausdruck findet, euer kindliches Empfinden in den vielen Anrufungen an Maria, die seligste Jungfrau, Mutter Gottes und unsere Mutter. Diese Frömmigkeit, die eure Seele geprägt hat, ebenso wie die Lateinamerikas, indem sie seine geschichtliche Identität gezeichnet hat, reinigt und verstärkt immer mehr eure Erkenntnis Christi und eure Liebe zu ihm, wenn ihr den Lehren eurer Bischöfe und Priester folgt. Und dieser Glaube helfe euch, außerdem die Weisheit des „christlichen Humanismus“ zu erlangen, indem ihr die Würde der ganzen menschlichen Person als Kind Gottes entschieden bekräftigt und eine grundlegende Brüderlichkeit errichtet. Auf diese Weise kann und soll dieses Volksfrömmigkeit, die in eurer Kultur Gestalt angenommen hat, die stärkste Sprungfeder zur Befreiung von den ungerechten Strukturen sein, die eure Völker bedrücken. 434 REISEN 6. Die ersten Verkünder des Evangeliums senkten hochherzig den christlichen Glauben in das Herz eurer Andenvölker. Einen Glauben; der sich tagtäglich entfalten soll, um reifere Frucht zu bringen, meine lieben Campesinos. Die Seele bedarf ebenso wie die gute Erde einer wachsamen Sorge, um Frucht zu bringen. Man muß in ihr den Samen des Wortes Gottes auf nehmen, das von der Kirche gelehrt wird; man muß sie häufig mit den Sakramenten tränken, die uns die Gnade eingießen; man muß sie düngen mit dem Bemühen, die christlichen Tugenden zu praktizieren, man muß das Unkraut der ungezügelten Leidenschaften jäten; man muß ihre Früchte durch das gute Beispiel und die Verkündigung des Glaubens austeilen. Es gibt keinen bedeutenderen Anbau als diesen, keinen, der sicherere Frucht bringt, eine Frucht, die zum ewigen Leben führt. Um brüderlich zu leben, müssen wir uns zunächst als gute Söhne und Töchter Gottes verhalten, indem wir treu die religiösen Pflichten erfüllen. Gott zu verehren durch die Teilnahme an der heiligen Messe an Sonn-und Feiertagen, wird ein klares Zeichen für den religiösen Sinn eures Lebens sein. Den in der Eucharistie gegenwärtigen Herrn häufig zu empfangen und die göttliche Verzeihung im Bußsakrament anzunehmen, wird euch helfen, einen rechten christlichen Lebenswandel zu führen. Das Hören des Gotteswortes und der Empfang der von Christus eingesetzten Sakramente sind unverzichtbare Mittel für alle, Männer und Frauen, Junge und Alte. 7. Auf meinem Weg durch die historische Hauptstadt der Inkas habe ich flüchtig einige Höhepunkte eurer Geschichte bewundern können. In dieser Ebene haben eure Vorfahren die Sonne als Quelle des Lebens kultisch verehrt. Heute seid ihr hierhergekommen, um die Worte des Papstes zu hören, des Vertreters dessen, der die wahre „Sonne der Gerechtigkeit und der Liebe ist, Christus unser Heiland“, der nicht nur das Leben in dieser Welt gibt, sondern das Leben, das nach dem Tod fortdauert, das Leben, das nie endet, das ewige Leben. An diesem Ort bekunde ich euch aufrichtig meinen tiefen Respekt vor eurer Frömmigkeit und Religiosität, die sich, als sie das Licht Jesu Christi empfing, in die Kunst und Schönheit der Basiliken und Heiligtümer eurer Städte im weiten Gebiet der Anden verwandelte. _ In der Tat eignet sich die Kirche die Kulturen aller Völker an. In ihnen findet man stets die Spuren und die Saat des Wortes Gottes. So taten eure Vorfahren, als sie der Erde (Mama Pacha) ihren Tribut entrichteten, nichts anderes, als die Güte und wohltätige Gegenwart Gottes anzuerkennen, 435 REISEN der ihnen durch den Boden, den sie kultivierten, Nahrung gab. Oder als sie die sittlichen Gebote in der dreifachen Vorschrift zusammenfaßten AMA SUA, AMA QUELLA, AMA LLULLA (sei kein Dieb, sei nicht faul, lüge nicht), wo die Achtung vor der Würde und dem Eigentum des Nächsten verlangt wird (AMA SUA); die Verpflichtung zur Vervollkommnung seiner selbst und zum Beitrag an das Gemeinwohl (AMA QUELLA); die Übereinstimmung des Handelns und Sprechens mit dem eigenen Herzen (AMA LLULLA). Dabei taten sie nichts anderes, als das Naturgesetz ihrer eigenen Mentalität anzupassen. Bewahrt daher eure angestammten menschlichen Werte, die so christlich sind. Festigt eure historischen Wurzeln im Licht Christi, ohne sie zu vergessen, indem ihr den Lehren eurer Bischöfe und Priester folgt. Ihr, die ihr in der Pastoral tätig seid, sorgt dafür, die Kultur eurer Völker mit dem Licht des Evangeliums zu erfüllen, dadurch, daß ihr sie respektiert und alles Gute, das sie besitzen, fördert. Damit zerstört ihr nicht ihre Kultur, sondern ihr vervollkommnet sie, wie Jesus Christus das Gesetz des Alten Bundes in der Bergpredigt mit den wohlbekannten Paragraphen erfüllte, in denen er wiederholt: Früher ist euch gesagt worden... Ich aber sage euch... Man muß daher den Gläubigen das ganze christliche Novum in Lehre und Moral vergegenwärtigen. Diese taktvolle Evangelisierung möge das menschliche, christliche, familiäre und soziale Leben eurer Gläubigen, der ländlichen Welt Perus, erhöhen. <97> <97> Noch einmal wollen wir zum Feld des Boas zurückkehren, von dem uns der Bibeltext dieser Liturgiefeier berichtet. Das Alte Testament lehrt uns, daß Rut die Gattin des Boas war und durch ihren Sohn Isai die Großmutter des Königs David. Von der Frau aus seiner Nachkommenschaft wurde der Messias Jesus von Nazaret geboren. So ist also das Feld der Schnitter, auf dem Rut, die Moabiterin arbeitet, in die lange Ahnenreihe der Messiaserwartung eingetreten; der Erwartung des Erlösers, auf dessen Kommen sich alle Generationen des alten Israel vorbereiteten. Auf dieses Wort Gottes gestützt, wünsche ich euch allen, Landarbeitern und Campesinos, daß die Feldarbeit sich für einenjedenvoneuchindieTeilhabe am Erlösungswerk Jesu Christi, des Heilandes der Welt, verwandle. Ihr könnt die Botschaft Jesu besser verstehen, der oft vom Gras des Feldes, von der Lilie, von den Vögeln, vom Sämann, der die Saat ausstreut, vom Landmann, der die Pflanzen beschneidet, spricht. Bemüht euch daher, die Gegenwart Gottes in der Natur, in der Vorsehung zu sehen, die mit dem Licht, dem Regen oder mit der Hitze die Saat gedeihen und wachsen läßt. 436 REISEN Legt in eure Furchen oder Schollen einen Blick auf Gott und ein Gebet für euch und für die anderen. Empfindet, vereint mit Jesus, der wie ihr mit seinen Händen arbeitete, die Würde eures Daseins als Campesinos. Legt euren Geist des Dienens hinein. Wer für die Ernährung der Gesellschaft sorgt und an den Plänen Gottes mitarbeitet, leistet einen wertvollen Dienst. So werdet ihr mit Stolz euren Beitrag für das Wohl aller empfinden. Zum Schluß umarme ich als Vater und Freund mit tiefer Achtung und Wertschätzung euch und jeden Campesino Perus und segne all eure Heime herzlich; ich bete für eure Frauen und lieben Angehörigen, schenke euch eine Liebkosung, damit ihr sie einem jeden eurer Kinder bringt. Unsere Liebe Frau vom Karmel, deren Bild von Paucartambo ich heute krönen werde, begleite und beschütze euch. Auf indianisch sagte der Papst: Liebe Campesinos-Söhne von Cuzco und dem ganzen Andengebiet! Mit großer Begeisterung und Freude bin ich heute bei euch, um euch meine aufrichtige und väterliche Zuneigung zu zeigen. Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist sei mit euch! Böses niemals ein Weg zum Guten Ansprache in Ayacucho (Peru) am 3. Februar Herr Erzbischof! Liebe Brüder im Bischofsamt! Geliebte Brüder und Schwestern! <98> <98> Ich wollte nicht, daß während meiner apostolischen Reise in Peru ein Besuch des Papstes in Ayacucho ausbliebe. Bei diesem Besuch möchte ich an dem Schmerz der Bewohner dieses Gebietes teilnehmen, euch ein Wort der Ermutigung sagen und zu der ersehnten Versöhnung der Herzen beitragen. In diesen Zonen ist wie leider auch in anderen Gegenden dieses geliebten Landes der Angstschrei seiner Menschen zu vernehmen, die inständig um Frieden bitten. Ich weiß, daß die Spirale der Gewalttätigkeit, die mitten 437 REISEN unter euch ihre Zentrale errichtet hat, viel Leid auslöst. Ich teile aus tiefstem Herzen mit euch die Zerrissenheit, die ihr erleidet. Wolle Gott, daß der Schmerz, der eure Familien verwundet, bald ein Ende findet und daß ihr ihn inzwischen mit evangelischem Geist zu bekämpfen vermögt. Was nicht Entmutigung bedeutet, sondern Kraft, mit Würde zu reagieren, indem man zu den legitimen Mitteln zum Schutz der Gesellschaft greift und nicht zur Gewalt, die immer mehr Gewalt hervorruft. Die schwere Herausforderung für euch ist, diese Gewalt mit den Waffen des Friedens zu bekämpfen und jene, die der Versuchung des Hasses verfallen sind, davon zu überzeugen, daß allein die Liebe wirksam ist. Wenn wir wirklich eine neue Welt auf bauen wollen, gibt es keinen anderen Weg als den, den uns Jesus, der „Friedensfürst“ (Jes 9,6), zeigt. 2. Wir müssen jedoch an die Wurzeln bestimmter schmerzlicher Situationen rühren, die manchmal in so vielen schuldlosen Opfern immer neuen Schmerz hervorrufen und so die Tragödie vergrößern. „Es ist kein Zufall - wie eure Bischöfe in ihrer Erklärung vom September vergangenen Jahres sagten -, daß sich die Anfänge der Gewalt gerade in den unterentwickelten und entkräfteten Zonen der nationalen Gemeinschaft zeigen, ein Umstand, der jahrelang dazu benützt wurde, um in die Seele der Kinder und Jugendlichen die unheilvolle ideologische Saat des Hasses, der Gewalt und des bewaffneten Kampfes als einzigen Weg für die Veränderung der Gesellschaft zu säen.“ Man kann und darf die tatsächliche Situation von Männern und Frauen, die unter der Ungerechtigkeit leiden, nicht leugnen. Diese schmerzliche Wirklichkeit muß zu wirksamem Handeln antreiben. In allen Menschen muß die Würde anerkannt werden, Ebenbild Gottes zu sein. Allen muß das Recht zugestanden werden, an den geistlichen, kulturellen und materiellen Gütern jedes Volkes und der Menschheit teilzuhaben kraft der universalen Bestimmung dieser Güter. Die ungerechten Ungleichheiten und das An-den-Rand-gedrängt-Sein sind, ja müssen für jedes christliche Gewissen ein ständiger Stachel sein. Haß und Gewalt entstehen im Herzen des Menschen Man muß sich deshalb einsetzen für die Hebung des kulturellen Niveaus durch die Schaffung und Stärkung der privaten und öffentlichen Erziehungszentren; für die Förderung des Lebensniveaus durch die Einführung einer Industrie- und Landwirtschaft, in der alle eine würdige und ausreichend bezahlte Arbeit finden; schließlich für den Einsatz der menschli- 438 REISEN chen und wirtschaftlichen Möglichkeiten in Werken von sozialem Nutzen. Das sind die Hauptlinien der Entwicklungsarbeit, in der die staatlichen Autoritäten, die Behörden und die Verantwortlichen alle verfügbaren Kräfte engagieren müssen, um zu gerechten Sozialstrukturen, zu einer angemesseneren und menschlicheren Verteilung der materiellen und kulturellen Güter zu gelangen. 3. Wenn auch die Ungerechtigkeit und das Elend ein günstiges Klima dafür schaffen können, daß Bitterkeit und Haß konkrete Gestalt annehmen, so reichen sie doch allein nicht aus, um dieses Phänomen zu erklären, noch sind sie deren wahre Wurzel. Haß und Gewalt entstehen im Herzen des Menschen, aus seinen Leidenschaften oder abwegigen Überzeugungen, aus der Sünde. Der Haß hat dieselbe Wurzel wie die Sünde. Der Haß läßt erkennen, daß der Mensch, anstatt sich für die Liebe zu entscheiden, zugelassen hat, daß in ihm Aggressivität, Ressentiments und als Folge davon Unvernunft und Tod siegen. Auf den Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Liebe und Haß, der im Herzen des Menschen und mit besonderem Nachdruck im Herzen des leidgeprüften Menschen ausgefochten wird, können ideologische Überzeugungen mächtigen Einfluß ausüben. Wir alle sind zu Zeugen geworden, daß Gruppen von Menschen, die auf die Trostlosigkeit der sozialen Lage zu reagieren versuchten, indem sie Wege der Befreiung verhießen, mitunter Konflikte und Gewalttätigkeiten entfesseln, die letzten Endes nur noch größere Enttäuschungen und Schmerz hervorrufen. Schwerwiegend ist die Verantwortung der Ideologien, die den Haß, den Zorn und das Ressentiment als Antriebskräfte der Geschichte verkünden. Ebenso wie die Verantwortung derer, die den Menschen auf wirtschaftliche Dimensionen reduzieren, die im Gegensatz zu seiner Würde stehen. Ohne den Ernst vieler Probleme und die Ungerechtigkeit zahlreicher Situationen bestreiten zu wollen, ist es unerläßlich, mit aller Deutlichkeit auszusprechen, daß der Haß kein Weg ist: allein die Liebe und das konstruktive persönliche Bemühen können den Grund der Probleme berühren. Es wird also eine echte und radikale Bekehrung des Herzens des Menschen notwendig. So lange man weiterhin den zentralen Punkt, nämlich die Wurzel der Übel, die das Leben der Menschen und Völker erschüttern, umgeht, werden die Konfliktsituationen, die Gewalt und die Ungerechtigkeit weiterhin ungelöst bleiben. 439 REISEN „Bekämpft mit den Waffen der Gerechtigkeit jede Sünde“ 4. Heute mehr denn je muß man auf den wahren Sinn des Kreuzes zurückkommen, des Kreuzes, das in Peru so verehrt wird. Das Kreuz des Herrn ist für uns Ausdruck des Geschenkes der Versöhnung mit Gott und der Menschen untereinander (vgl. Röm 5,10; Eph 2,14—16). Dazu ist der Papst nach Ayacucho gekommen, um euch eine Botschaft der Liebe, des Friedens, der Gerechtigkeit, der Versöhnung zu bringen; um euch alle aufzufordern, euch mit Gott zu versöhnen, euch von der Sünde und ihren Folgen abzuwenden; damit ihr euch zur Liebe bekehrt, indem ihr das Geschenk der Versöhnung in eure Herzen aufnehmt, um seine Früchte im persönlichen und gemeinschaftlichen Leben zu leben. Aus diesem Grund wende ich mich an erster Stelle an euch Waisen und Witwen, mit denen zusammenzukommen mein Wunsch war und für die ich Mitleid und unendliche Zuneigung empfinde. Ja, euch alle, die ihr durch euer Golgata mit Christus vereint seid, lade ich ein, denen, die euch das Böse angetan haben, zu verzeihen, „denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,24). Ich bitte euch, bezeigt bei der erhofften und wirksamen Verteidigung, die euch zusteht, vor der Welt die erhabene Geste der evangelischen Vergebung, der Frucht der christlichen Liebe, gegenüber denen, die euch das Leben eurer Lieben entreißen, gegenüber denen, die die Früchte eurer Arbeit zerstören, gegenüber denen, die eure Würde mit Füßen treten, gegenüber denen, die euch im Namen einer Ideologie des Hasses zu manipulieren trachten. So werdet ihr dazu beitragen, auch sie für die Liebe zu gewinnen dadurch, daß sie den falschen Weg aufgeben. Die staatlichen Autoritäten und die Verantwortlichen für die öffentliche Ordnung, deren Pflicht es ist, die rechte Ordnung der Gesellschaft zu verteidigen und die Wehrlosen zu schützen - wie das bei so vielen Bewohnern dieses Gebietes von Ayacucho der Fall ist -, und deren Aufgabe sich unter den gegenwärtigen Umständen als äußerst heikel, ja sogar als undankbar und mißverstanden erweist, will ich an die Worte der peruanischen Bischöfe erinnern, die ich mir damit zu eigen mache: „Es ist wichtig, daß die Einrichtungen, die mit der Aufsicht über die öffentliche Ordnung und der Verwaltung der Gerechtigkeit beauftragt sind, deren Aufgabe die Verteidigung des Lebens und der Rechtsordnung ist, in der Lage sind, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen, damit sie so zur Stärkung des Zusammenlebens im Sinn des Gesetzes in unserem Land beitragen“ (Erklärung vom 6. September 1984). 440 REISEN Um die ersehnte Versöhnung zu erreichen, ist in Peru noch immer aktuell, was ich vor beinahe zwei Jahren in El Salvador gesagt habe: „Es ist dringend an der Zeit, die Gewalt zu verbannen . . . Wie das geschehen soll? Durch eine wahre Umkehr zu Jesus Christus. Durch die Versöhnung, die es zustande bringt, all diejenigen, die heute noch durch politische, soziale, ökonomische und ideologische Barrieren voneinander getrennt sind, zu Brüdern zu machen. Als Mechanismen und Instrumente dazu nenne ich die echte Teilhabe im ökonomischen und sozialen Bereich, weiterhin den Zugang aller zu den Gütern der Erde sowie die Möglichkeit der Entfaltung durch die Arbeit... In diesem Zusammenhang bedarf es auch einer mutigen und hochherzigen Anstrengung zugunsten der Gerechtigkeit, von der niemals abgesehen werden kann“ (Predigt in San Salvador, 6. März 1983, Nr. 7, in: O.R.dt., 18. 3. 1983, S. 9). 5. Ich wende mich auch an alle diejenigen, die aufgrund verschiedener Funktionen besondere Verantwortung für die Zukunft dieser geliebten Nation besitzen: Politiker und Wissenschaftler, Unternehmer und Gewerkschaftler, Sozialführer und Vertreter der Kulturwelt. Bekämpft mit den Waffen der Gerechtigkeit wirksam jede Sünde gegen das Gemeinwohl und seine Erfordernisse in dem weiten Rahmen der Rechte und Pflichten der Bürger. Bietet dem Notleidenden aus christlicher und noch mehr aus menschlicher Gesinnung einen selbstlosen Dienst an. Die Botschaft Jesu beschränkt sich nicht auf den Gewissensbereich. Sie hat klare und konkrete Rückwirkungen auf die soziale Ordnung, wie das Apostolische Schreiben Reconciliatio etpaenitentia in Erinnerung ruft: „Sozial kann die Sünde einer Tat oder Unterlassung auf seiten der Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung sein, die sich, obwohl sie es könnten, nicht mit Klugheit um die Verbesserung oder Reform der Gesellschaft entsprechend den Erfordernissen und Möglichkeiten der jeweiligen Zeit bemühen“ (Nr. 16). Am Horizont Perus stellt sich euch eine unaufschiebbare Aufgabe: mit gewaltlosen Mitteln für die Wiederherstellung der Gerechtigkeit in den menschlichen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu arbeiten und auf diese Weise Förderer und Baumeister der Versöhnung zwischen allen zu sein, weil ja der Friede aus der Gerechtigkeit wächst. Es ist notwendig, daß alle Peruaner guten Willens ihren Blick auf das Leiden des Volkes in Ayacucho und anderen leidgeprüften Gegenden Perus richten. Und daß sie dort Motivierung und Ansporn für ein entschlossenes Bemühen finden, die Ungerechtigkeiten, die Benachteiligung, die bürgerliche Gleichgültigkeit zu vermeiden und zu beheben. Die Auf- 441 REISEN gäbe, zu Baumeistern der Versöhnung zu werden, muß sich in konkreten Taten äußern, die sofort die sozialen Gegebenheiten beseitigen, die die Würde der Menschen verletzen und die im kulturellen Bereich zu explosiven Situationen führen können, wenn sie die Gewalt fördern, Erbitterung erzeugen und schmerzlicher Niedergeschlagenheit Raum geben. Die Soziallehre der Kirche legt radikale sittliche Kriterien vor. Jeder Christ muß sich angespornt fühlen, sie in die Tat umzusetzen. Dazu bedarf es nicht nur der Großmut des Herzens, sondern des wirksamen Einsatzes und technischer Kompetenz. Es ist notwendig, daß überzeugte Christen, die zugleich Fachleute in den verschiedenen Wissensgebieten sind und aus eigener Erfahrung die Bereiche der Politik, der Wirtschaft und des Sozialen kennen, grundlegende Überlegungen über die Probleme der heutigen Gesellschaft anstellen, um sie mit dem Licht des Evangeliums zu durchleuchten (vgl. Glaubenskongregation Instruktion über einige Aspekte der Theologie der Befreiung, XI, 14). Aus dieser Reflexion ergeben sich in vielen Fällen Richtlinien und Leitgedanken, die die Menschen zum Handeln anspornen und sie führen. Aus diesem Austausch zwischen denkenden und handelnden Menschen wird dann die Besserung der Gesellschaft, die Gerechtigkeit und damit der Frieden erwachsen können. Die internationalen Institutionen müssen gerechte Mittel anwenden Die internationale Gemeinschaft ihrerseits und die im Bereich der Zusammenarbeit zwischen den Völkern tätigen Institutionen müssen in ihren - vor allem wirtschaftlichen - Beziehungen mit den Entwicklungsländern gerechte Mittel anwenden. Sie müssen jede diskriminierende Behandlung in den wechselseitigen Handelsbeziehungen, vor allem auf dem Rohstoffmarkt, unterlassen. Wenn sie die nötige finanzielle Hilfe anbieten, müssen sie in gemeinsamem Übereinkommen nach Bedingungen suchen, die es erlauben, diesen Völkern zu helfen, aus einer Situation der Armut und Unterentwicklung herauszukommen; indem sie darauf verzichten, ihnen finanzielle Bedingungen aufzuerlegen, die, auf weite Sicht gesehen, diesen Völkern nicht helfen, ihre Situation zu verbessern, sie nur noch mehr unterdrücken, ja, sie sogar in verzweifelte Situationen führen können, die Konflikte auslösen, deren Tragweite sich nicht abschätzen läßt. 6. Ich will nun ein eindringliches Wort an die Menschen richten, die ihr Vertrauen auf den bewaffneten Kampf gesetzt haben; an jene, die sich 442 REISEN von falschen Ideologien so weit haben täuschen lassen, daß sie meinen, der Terror und die Aggressivität, die die bereits beklagenswerten sozialen Spannungen verschlimmern und gewaltsam eine äußerste Konfrontation herbeiführen, könnten eine bessere Welt bringen. Ihnen will ich sagen: Das Böse ist niemals ein Weg zum Guten! Ihr dürft nicht das Leben eurer Brüder auslöschen; ihr dürft nicht weiter Panik unter Müttern, Bräuten und Töchtern verbreiten. Ihr dürft nicht fortfahren, alte Menschen mit dem Tod zu bedrohen. Nicht nur, daß ihr euch von dem Weg entfernt, den uns Gott, der die Liebe ist, mit seinem Leben zeigt, sondern ihr behindert die Entwicklung eures Volkes. Die mitleidlose Logik der Gewalt führt zu nichts! Wohl niemand hält sich für verpflichtet, zu ihrer Vermehrung beizutragen. Wenn euer Ziel ein gerechteres und brüderliches Peru ist, sucht die Wege des Dialogs und nicht die der Gewalt. Denkt an das, was die lateinamerikanischen Bischöfe wiederholt gelehrt haben: daß nämlich die „Kirche die Gewalt nach Terror- und Guerillaart ablehnt, die, wenn einmal entfesselt, grausam und unkontrollierbar ist. Auf keinen Fall läßt sich das Verbrechen als Weg der Befreiung rechtfertigen. Die Gewalt bringt unerbittlich neue Formen der Unterdrückung und Versklavung hervor, die noch ärger sind als jene, von denen zu befreien sie vorgibt. Vor allem aber ist es ein Anschlag gegen das Leben, das allein vom Schöpfer abhängt. . . Wir müssen auch unterstreichen, daß eine Ideologie, die sich auf die Gewalt beruft, damit ihre eigene Unzulänglichkeit und Schwäche zu erkennen gibt“ (Puebla, Nr. 532). Darum bitte ich euch schmerzlichen Herzens und zugleich mit Festigkeit und Hoffnung, denkt nach über die Wege, die ihr eingeschlagen habt. Euch Jungen sage ich: Laßt nicht zu, daß man eure eventuelle Hochherzigkeit und euren Altruismus als Werkzeug benützt! Die Gewalt ist kein Mittel des Aufbaus. Sie beleidigt Gott, den, der sie erleidet, und den, der sie ausübf (vgl. Predigt in Loyola, 6. November 1982, Nr. 6). Noch einmal wiederhole ich, daß das Christentum den edlen und gerechten Kampf für die Gerechtigkeit auf allen Ebenen anerkennt, jedoch dazu auffordert, sie zu fördern durch Verständigung, Dialog, wirksame und selbstlose Arbeit, Zusammenleben, dagegen Lösungen durch Mittel des Hasses und des Todes auszuschließen. Ich bitte euch im Namen Gottes: Ändert die Richtung! Bekehrt euch zur Sache der Versöhnung und des Friedens! Noch habt ihr Zeit! Die vielen Tränen unschuldiger Opfer warten auf eure Antwort. 443 REISEN Werkzeuge der Versöhnung, der Hoffnung und der Befreiung 7. Die Glieder der Kirche in Peru ermutige ich, die ersten zu sein, die sich zum Werkzeug der Versöhnung, der Hoffnung, der den ganzen Menschen befreienden Gerechtigkeit machen. Bei diesem unumgänglichen Bemühen um Wandlung der Menschen und der Struktur denkt immer daran, daß der Einsatz für die Befreiung, der sich nicht ausschließlich an der Wahrheit und Gerechtigkeit und der Liebe inspiriert, der nicht von Aktionen zugunsten der Versöhnung und des Friedens begleitet wird, nicht christlich ist. Achtet also auf euer eigenes Herz, auf eure Interessen und Absichten, die die Gegensätze vorsätzlich zuspitzen. Seid, geleitet vom Evangelium, Baumeister der Gerechtigkeit und folgt getreu den in diesem Zusammenhang von euren Bischöfen festgelegten Normen (vgl. Dokument über die Theologie der Befreiung, Oktober 1984). Hirten und Gläubige der Kirche in Peru, sucht persönlich Christus, um ihn den anderen bringen zu können. In der gegenwärtigen Lage Perus, des lateinamerikanischen Kontinents, der Welt hat die Kirche eine eigene Aufgabe zu erfüllen: se muß daran erinnern, daß allein Christus Prinzip und Fundament einer echten sozialen Aussöhnung sein kann. <99> <99> Liebe Brüder! Ich will diese Begegnung mit einem Aufruf der Hoffnung beenden. Laßt euch nicht vom Schmerz, der schwer auf eurem Leben lastet, zu Boden drücken! Vergeßt nicht die stete Fähigkeit der Bekehrung des menschlichen Herzens zu Gott. Verliert nicht die Hoffnung und den Vorsatz, das Böse durch das Gute zu besiegen. Christus begleitet uns, und er hat das Böse besiegt! Hört also nicht auf, euer Leben in der Sicht des erlösenden und versöhnenden Kreuzes Jesu zu sehen, das uns auf die ewigen Ziele unseres Daseins hinweist. Maria, der Mutter der Hoffnung, vertrauen wir diese Nöte an. Wir wollen nun gemeinsam den „Engel des Herrn“ beten: Bitten wir sie, daß sie die Regierenden erleuchte, die Lebenskräfte des Landes ansporne, die Gewalttätigen befriede und den Leidenden helfe. Maria erlange von ihrem Sohn für die Toten dieser Region den ewigen Frieden! Die treue Jungfrau lege bei ihrem Sohn Fürbitte ein für die Opfer des Terrorismus, damit sie wirksamen Trost, Hilfe und Solidarität finden! Die Mutter des Erlösers des Menschen ermutige die Anstrengungen zur Verbesserung der Situation in allen Ländern, die Ungerechtigkeit oder Armut durchmachen! 444 REISEN Die Mutter der Kirche sporne ihre Kinder dazu an, sich in den Dienst einer ganzheitlichen Entwicklung ihrer ärmsten Brüder zu stellen! Auf indianisch sagte der Papst: Katholische Söhne und Töchter von Huamaga, ich bringe euch die Liebe unseres Gottes, damit, wenn sie in eurem Lande ausgesät wird, sie euren Herzen die Auferstehung bringe. Vom Kreuz Christi fällt ein Lichtstrahl Ansprache bei der Begegnung mit den Kranken und Alten in Callao am 4. Februar „Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen . . . Nachdem er so vieles ertrug, erblickt er das Licht. . . Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht“ (Jes 53, 4,11). <100> <100> Liebe Kranken! Soeben haben wir den Abschnitt aus dem Buch Jesaja vernommen, in dem fünf Jahrhunderte vor Christus die Leiden des Messias beschrieben werden. Der Evangelist Matthäus wendet den eben zitierten Text auf Jesus an: „Er hat unsere Leiden auf sich genommen und unsere Krankheiten getragen“ {Mt 8,17). So bietet uns dieser wunderbare Hymnus vom Gottesknecht, wie er genannt wird, nicht nur eine Beschreibung der Leiden des Herrn, sondern den Sinn seiner Passion, die in der Auferstehung gipfelt (vgl. Jes 53,10; 52,16). Es handelt sich hier um den Sinn des Leidens des Menschen, insbesondere wenn er mit Christus vereint ist, um den Sinn eures Leidens - liebe Brüder und Schwestern, die ihr alle Kranken Perus vertretet -, wie ich es in meinem Dokument über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens erklären wollte: „Indem er die Erlösung durch das Leiden bewirkte, hat Christus gleichzeitig das menschliche Leiden auf die Ebene der Erlösung gehoben“ {Salvifici doloris, Nr. 19). Ich besuche euch, die ihr krank seid. Eure Situation ist mir gut bekannt, da auch ich diese Erfahrung machen mußte. Ich beziehe mich auf die Situation der Niedergeschlagenheit, weil die natürlichen Kräfte abnehmen und sich der Mensch in gewisser Weise zum Gegenstand in den Händen seiner Pfleger herabgesetzt fühlt. Die Niedergeschlagenheit und das 445 REISEN unfreiwillige Nichtstun können im Kranken die Versuchung hervorrufen, sich auf seine eigene Person zu konzentrieren. Es ist daher nicht verwunderlich, daß die Krankheit entweder näher zum Herrn oder in die Verzweiflung führen kann; die Krankheit ist jedoch für den Leidenden immer ein Augenblick besonderer Nähe Gottes. Jesus näherte sich den Kranken mit Liebe und reichte ihnen gütig seine Hand, sollten sie doch ihren Glauben neu beleben und mit ganzem Herzen die volle Erlösung anstreben. Er heilte viele (vgl. Mk 1,34), vor allem aber besiegte er das Leid, indem er es in den Dienst des Erlösungsgeheimnisses stellte. Diese Haltung Jesu, deren Nachahmung er uns empfahl, ist einer der charakteristischen Züge des christlichen Herzens. Wir können sagen, daß die Sorge um den Kranken und der Dienst an ihm eines der Merkmale des christlichen Volkes ist. Bei diesem Dienst, der Opfer fordert, scheint die höchste Tugend auf: die Liebe. 2. Verschiedene Umstände des modernen Lebens und der Egoismus, der sich im menschlichen Herzen einnistet, führen nur allzuoft zur Vernachlässigung der Kranken, die, vielleicht unbewußt, als ungeeignete Subjekte erachtet werden. Obwohl man ihnen die für ihre Genesung erforderlichen Mittel verschafft, läuft man Gefahr, die Zeit, die notwendig ist für den Krankenbesuch oder für den Trost am Krankenbett, als verloren zu betrachten. Liebe Brüder und Schwestern! Ihr wißt aus Erfahrung, daß die technischen Dienstleistungen und die medizinische Versorgung nicht ausreichen, auch wenn sie von gelernten Fachkräften ausgeübt werden. Der Kranke ist eine menschliche Person und bedarf als solche der Zuwendung und des Beistands der ihm teuren Menschen und Freunde. Dieser Beistand, diese geistlichen Heilmittel sind für uns Anlaß, das Leben zu lieben, mit innerer Kraft um es zu kämpfen, und haben einen entscheidenden Einfluß auf die Wiedererlangung der Gesundheit. Morgen können wir, die heute Gesunden, auf dem Schmerzenslager liegen, und dann wird auch für uns die Solidarität und die Zuneigung von Verwandten und Freunden eine Erleichterung sein. Wie sehr beeindruckt in diesem Sinn ein Abschnitt aus dem Buch Jesaja: „Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet“ (Jes 53,3). In weiten Bereichen der technischen Zivilisation hat man vielleicht den von Arbeit und Produktion verhärteten, fast gefühllosen Menschen erdacht. Jesus hingegen lehrt uns, den Menschen um seiner selbst willen, 446 REISEN in seiner Größe und seiner Hilfslosigkeit zu lieben. Gerade im letzteren Fall wird die Hilfe besonders notwendig und echt. „Die Welt des menschlichen Leidens fordert sozusagen unaufhörlich eine andere Welt: die Welt der menschlichen Liebe; und jene uneigennützige Liebe, die in seinem Herzen und seinem Handeln erwacht, verdankt der Mensch in gewissem Sinn den Leiden. Der Mensch als ,Nächster“ kann im Namen der grundlegenden menschlichen Solidarität und erst recht im Namen der Nächstenliebe nicht gleichgültig am Leiden des anderen vorübergehen“ (Salvifici doloris, Nr. 29). Im Leid Anteil nehmen an der Passion des Herrn Nur jener Mensch, der fähig ist, die erbarmende Liebe in sich aufzunehmen, ist imstande, sie selbstlos weiterzugeben. Deshalb sind für Jesus die Kranken eines der Zeichen der menschlichen Würde; er setzt sich für sie ein und fordert uns auf, ihnen zu dienen als Ausdruck echter Menschenliebe. 3. Jede schwere Krankheit führt zu Augenblicken tiefster Mutlosigkeit, und die Betroffenen fragen sich nach dem Sinn des Lebens, eben weil wir uns von ihm losgelöst fühlen. In solchen Momenten stellt die lautlose und betende Präsenz der Freunde für uns eine wirksame Hilfe dar. Letzten Endes jedoch kann nur die Begegnung mit Gott unserem verwundeten Herzen das geheimnisvolle Wort der Hoffnung mitteilen. Wenn wir, wie Jesus, in unserer trostlosen Lage innerlich rufen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ (Ps 22,2; Mt 27,46; Mk 15,34), können wir nur von ihm die Antwort empfangen, die uns beruhigt und gleichzeitig tröstet. Das ist der Trost, dem wir im Gottesknecht inmitten des Schmerzes begegnen: „Er wird Nachkommen sehen und lange leben. Der Plan des Herrn wird durch ihn gelingen“ (Jes 53,10). Vom Kreuz Christi fällt so ein Lichtstrahl auf das Geheimnis des menschlichen Leidens; nur im Kreuz findet der Mensch eine befriedigende Antwort auf die Fragen, die sich im Herzen des Leidenden erheben. Die Heiligen haben das gut verstanden und waren imstande, das Leid anzunehmen, was manchmal bis zu dem brennenden Wunsch ging, an der Passion des Herrn Anteil zu nehmen, indem sie sich die Worte des Apostels zu eigen machten: „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinen irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1,24). Wenn sich der Mensch mit Christus am Kreuz identifiziert, erfährt er, daß der Schmerz Reichtum und der Tod Gewinn ist (vgl. 447 REISEN Phil 1,21); er kann erfahren, wie die Liebe zu Christus dem Leid Würde verleiht, es lindert und erlöst (vgl. Salvifici doloris, Nr. 24). 4. Das ist der Trost der Gläubigen, wenn uns die Gnade Gottes aus dem Glauben leben läßt, unsere Hoffnung wachhält und unsere Nächstenliebe neu belebt. So wird in uns die Befreiung, die uns Jesus erwirkt hat, schon jetzt Wirklichkeit, und auf geheimnisvolle, aber wirksame Weise wird in gewissem Sinn für uns der Tod zum Leben. Der selbstlose Tod des Weizenkorns ist es, der eine reiche Ernte der Erlösung hervorbringt (vgl. Joh 12,24). Das bringt der Hymnus Jesajas auf so lebendige Weise zum Ausdruck: „Nachdem er so vieles ertrug . . . mein Knecht, . . . macht (er) die vielen gerecht“ (Jes53,11). „Deshalb gebe ich ihm seinen Anteil unter den Großen“ {ebd., Vers 12). Dem Krankenhaus haftet immer etwas vom Kalvarienberg an, denn dort wird, vereint mit dem Opfer des Erlösers, so manches Leben für die Erlösung der Welt aufgeopfert, wie Jesus, unser „unbeflecktes Lamm“ (Offb 5,6), sein Leben für uns alle, uns Sünder und für alle, die an seinem Leid und am Geheimnis seiner Erlösung teilhaben, dem Vater aufopfert (vgl. Salvifici doloris, Nr. 19). Liebe Kranke von Peru, ich schließe mich herzlich und mit brüderlicher Liebe eurem Leben an. Ich erbitte vom Herrn das Beste für euch: Gesundheit, Freude, Frieden, die Präsenz eurer Lieben; vor allem aber bete ich für euer Einswerden mit Christus in seinem Erlösungsopfer. Ihr dürft euer Leben und diese Zeit der Krankheit nicht als etwas Nutzloses betrachten. Diese Augenblicke können vor Gott die entscheidendsten für euer Leben und die fruchtbarsten für eure Lieben und für alle Mitmenschen sein. 5. Nun wende ich mich an euch, hebe Brüder und Schwestern, die ihr in vorgerücktem Alter steht und euch dem Übergang aus diesem zeitlichen Leben in die ewige Wohnstatt nähert. Das Alter ist für viele schwierig, man wird nicht verstanden und ist einsam. Deshalb richte ich auch an euch die zuvor für die Kranken bestimmten Erwägungen. Für viele andere ist das Alter jedoch eine Zeit der Ruhe, des Friedens und der Freude, die ihnen das Zusammensein mit „ihren Kindern und Kindeskindern“ schenkt. Für alle gilt, was das Buch der Sprichwörter sagt: „Die Zier der Alten (ist) ihr graues Haar“ (Spr 20,29). Alle habt ihr, was man nur im Lauf der Jahre und auf keine andere Weise erwirbt: die Erfahrung und Reife, um tiefer in das Geheimnis des Lebens einzudringen und zu verstehen, daß, obwohl es richtig ist, nach irdischem 448 REISEN Glück zu streben, nur in der Kraft des Geistes, die uns zu Gott, dem ewigen Vater, erhebt, die Fülle all dessen verborgen ist, was wir alle suchen. Ich bete zu Gott, daß er euch dies zu verstehen gebe, denn so werdet ihr den Frieden finden und Einsamkeit und Unverständnis überwinden. In den Ländern, in denen die Christen, den Versuchungen des Materialismus widerstehend, den Werten des Geistes den ersten Platz einräumen, werden viele betagte Menschen liebevoll von den eigenen Verwandten, Freunden oder Nachbarn betreut. Diese wertvolle Gabe müßt ihr weiterhin bewahren, um so mehr als durch die Abwanderung im Landesinnern immer mehr Menschen in fortgeschrittenem Alter fern von ihrem Geburtsort, ihren Familien und ihren Gepflogenheiten leben. Darüber hinaus können sich nur wenige von ihnen ihres Ruhestandes erfreuen. Für sie bitte ich um besonderes Verständnis, nicht nur seitens der Regierung, sondern seitens aller, die ihnen nahe sind. Es ist mir bekannt, daß die verdienstvollen Schwestern der verlassenen Alten und andere Einrichtungen sich mit beispielhafter Hingabe den alten Menschen widmen, doch ist ihre Zahl nicht ausreichend, um alle zu pflegen, die in vorgerücktem Alter stehen. Ich bitte auch, weiterhin mit Eifer der Fürsorgepflicht für die Betagten nachzukommen, die in schwierigen Augenblicken besonderer Unterstützung bedürfen. Allen, die sich um den alten Menschen mühen, ob Ordensleute oder Laien, sowie allen in der ambulanten Altenpflege Tätigen spreche ich meinen Dank aus und erflehe für sie den Schutz Unserer Lieben Frau von den Verlassenen: Möge es ihnen beschieden sein, allen alten Menschen Verständnis, Zuwendung und Liebe entgegenzubringen. Euch allen, den Kranken und den alten Menschen Perus und allen, die euch pflegen, erteile ich von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Christus ist der wahre Hirte Ansprache an die Bevölkerung von Piura (Peru) am 4. Februar „Ich bin der gute Hirt und kenne meine Schafe. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind“ (Joh 10,14.16). Herr Erzbischof! Brüder im Bischofsamt! Autoritäten! Liebe Brüder und Schwestern! 449 REISEN 1. Mit seinem Besuch in diesem hochgelegenen San Miguel de Piura möchte der Papst einem Antrieb seines Vaterherzens gehorchen und nicht nur seine Pflicht als Hirte der ganzen Kirche erfüllen. Ich komme, um mich mit den lieben Söhnen und Töchtern dieser Erde zu treffen, in deren Dasein noch die Spuren des von den Naturkatastrophen verursachten Leidens vorhanden sind, die vor knapp einem Jahr Wohnungen, Ernten, Bewässerungskanäle, Kommunikationswege zerstörten, zahlreiche Familien in unsägliche Schwierigkeiten brachten und die Frucht langer Jahre der Mühsal und Arbeit vernichteten. Darum will mein Besuch vor allem ein Zeichen der Solidarität und der Ermutigung sein, euch im Unglück nicht niederdrücken zu lassen, sondern in Christus Gründe zur Hoffnung und zur gegenseitigen Hilfe und den Willen zu finden, das Verlorene wiederaufzubauen. Ich bete zu Gott, daß die Wassermassen, die Zerstörung und Tod verursachten, zur Befruchtung eurer Felder gedient haben und daß euch die Hoffnung auf reichere Ernten, um euer Leben weiterführen zu können, aufrichte. Ich komme auf einer Pilgerfahrt des Glaubens zu den Quellen der Evangelisierung Perus, da ja von dieser Gegend aus unter dem Schutz des hl. Erzengels Michael die Pioniere der Verkündigung Jesu Christi, seiner Frohbotschaft und seiner Kirche in das ausgedehnte Gebiet des alten Inkareiches aufbrachen. Deshalb erhebt sich von diesem Ort aus unser Herz spontan zu Gott, um ihm für die Evangelisierung Perus, für seine Helden und Heiligen zu danken. Und unser Geist sammelt sich im Gebet, um über jene Evangelisierung nachzudenken und die Forderungen zu entdecken, die sich aus der Annahme des Evangeliums ergeben. 2. Das Wort Gottes, das wir gehört haben, soll dieses Nachdenken erleuchten, indem es uns auffordert, das vertraute Bild von Jesus, dem Guten Hirten, inmitten seiner Schafe mit den Augen des Evangelisten Johannes zu betrachten. In diesem bekannten Text stellt sich Christus nicht nur als Hirte vor, sondern auch als „die Tür zu den Schafen“. Er ist der wahre Hirte im Unterschied zu vielen anderen, die sich vor ihm als Hirten dargestellt haben, aber nur bezahlte Knechte und Räuber waren. Der Herr tritt durch die Tür des Schafstalles ein, d. h. er kommt als der, der vom Vater gesandt ist, als der, der seine Geheimnisse offenbart und die ganze Wahrheit mit sich bringt, indem er den Weg des wahren Lebens zeigt. Jesus verhält sich also wie die guten Hirten: er kennt seine Schafe, jedes einzeln, in ihrer konkreten Situation, er ruft sie bei ihrem Namen, und die Schafe erkennen seine Stimme und folgen ihm. Er geht vor den Schafen 450 REISEN her, um ihnen den Weg zu zeigen, um den Gefahren zuvorzukommen, um sie vor dem Wolf und dem Räuber zu schützen. Sie müssen ihre Schafe durch die Tür eintreten lassen Jesus ist „die Tür zu den Schafen“. Nur er führt sie auf die grünen Weiden, wo sie Nahrung, Sicherheit, „Leben in Fülle“ (Joh 10,10) finden. Der Herr Jesus ist Verkünder des Glaubens - als Hirte und als Tür zu den Schafen. Er verkündigt nicht nur die Wahrheit, sondern er ist selbst die Wahrheit, die den Menschen angeboten wird; er weist nicht nur den Weg, sondern er ist der Weg; er verheißt nicht nur das Leben, sondern er ist das wahre Leben. Kein anderer Verkünder des Glaubens kann von sich dasselbe sagen. Und alle anderen Glaubensverkünder müssen, wenn sie wirksam sein wollen, imstande sein, den einzigen Guten Hirten zu repräsentieren und nachzuahmen; sie müssen ihre Schafe durch die Tür eintreten lassen, die Christus ist; sie müssen sie bei ihrem Namen rufen und mit der einzigen Stimme, die sie erkennen und die die Stimme Jesu ist. Mit jedem anderen Vorgehen riskiert man, wie derselbe Jesus sagt, „ein Fremder“ oder Unbekannter zu sein. 3. Das Evangelisierungswerk der Kirche entfaltet sich, wenn Christus, der Hirte und Verkünder des Glaubens, andere Evangelisatoren beruft, vorbereitet und aussendet, damit sie in allen Sprachen und an allen Orten die Frohbotschaft von der Heilsrettung verkünden; und damit sie in der Gemeinschaft der Gläubigen - also der Kirche - die versammeln, die gerettet werden sollen. So nahm einst das Werk der Evangelisierung Amerikas seinen Anfang. Ich selbst habe in Santo Domingo die neunjährige Vorbereitungszeit des amerikanischen Kontinents auf die 500-Jahr-Feier eines so bedeutsamen kirchlichen Ereignisses eröffnet. So begann auch mit der ersten Messe, die hier in Piura, in der ersten christlichen Siedlung, gefeiert wurde, die Evangelisierung Perus. Mein heutiger Besuch in eurer edlen Stadt, zusammen mit meinen Brüdern im Bischofsamt, Priestern, Ordensmännem, Ordensfrauen und allen Gläubigen, will außer einer Danksagung an Gott für die Evangelisierung Perus ein verdienter Ausdruck der Anerkennung an die vielen eifrigen Missionare sein, die, während sie ungenannt blieben, den Samen des Glaubens in diese fruchtbare Erde säten. Sie hatten ihre Heimatländer verlassen und opferten ihr Leben - ihren Leib ließen sie hier zurück - in der Glaubensunterweisung der eingeborenen Bevölkerung, die sie antrafen, auf. 451 REISEN Unter tausend Hindernissen, verursacht durch die unermeßliche Ausdehnung des Landes, die hohen Gebirge, die Vielfalt der Sprachen, das Fehlen von Hilfsmitteln, aber im Vertrauen auf die Macht des Wortes Gottes vollbrachten sie jenes gewaltige Werk, das so viele Früchte hinterlassen hat. Wenn wir an die heutige Situation der Evangelisierung denken, ist vielleicht das erste, was wir tun müssen, dieses Werk genau betrachten, um daraus Motive der Ermutigung im Hinblick auf die Zukunft zu gewinnen. Doch dieses Evangelisierungswerk ist beendet. Jede christliche Generation muß ihren Teil an Anstrengung hinzufügen. Ohne das würde etwas Wesentliches fehlen. Es würde ein für die Evangelisierung Perus unersetzliches Element fehlen, wenn es heute am hochherzigen Bemühen für die Sache der Evangelisierung mangelte. Dieses Bemühen ist das Zeichen der Treue zu Christus, zu seinem Gebot und zeigt zugleich die Lebenskraft des Glaubens der Kirche. Aus diesem Grund ist es an erster Stelle euer Werk, meine Brüder im Bischofsamt. Es ist eure Sache, Priester, als unersetzliche Mitarbeiter eurer Bischöfe. Es ist eure Sache, Ordensmänner und Ordensfrauen, da es ja die Sache Christi ist, die ihr übernommen habt. Es ist eure Sache, christliche Laien, die ihr inmitten der Welt auf gerufen seid, das Reich Gottes zu errichten. Wenn eure Kirche diese Botschaft Jesu aufnimmt, wird sie wahrhaftig von sich sagen können, daß „sie ihm folgt, weil sie seine Stimme, die Stimme Christi, kennt“ (vgl. Joh 10,4). 4. Dieses Erkennen der Stimme des Meisters und Guten Hirten, ohne der Stimme der Fremden zu folgen, macht das wesentliche Element aus, das die Evangelisierung im heutigen Peru kennzeichnen muß: die Treue zur Lehre Jesu Christi, des einzigen Meisters und Herrn. Mein Vorgänger Papst Paul VI. lehrt in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi: „Evangelisieren besagt zuallererst, auf einfache und direkte Weise Zeugnis zu geben von Gott, der sich durch Jesus Christus geoffenbart hat im Heiligen Geist. Zeugnis davon zu geben, daß er in seinem Sohn die Welt geliebt hat; daß er in seinem menschgewordenen Wort allen Dingen das Dasein gegeben und die Menschen zum ewigen Leben berufen hat“ (Nr. 26, in: Wort und Weisung, 1975, S. 555). So haben also Evangelisierende und Evangelisierte die unumgängliche Pflicht der festen und liebevollen Treue zur Lehre Jesu. Denn die Glaubensverkünder sind ja nicht „Herren“ des Gotteswortes, sondern seine Diener. Und andererseits hat, wie ich in meinem Apostolischen Schreiben Catechesi tradendae in Erinnerung rief, „jeder Jünger Christi das 452 REISEN Recht, ,das Wort des Glaubens“ nicht verstümmelt, verfälscht oder verkürzt zu empfangen, sondern voll und ganz, in all seiner Macht und Kraft“ (Nr. 30). Das heißt in voller Treue zu seinem Ursprung: Christus; zu seinem Offenbarungsgehalt, zu seinen Empfängern, die sich retten müssen, indem sie durch die Tür eintreten: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden“ (Joh 10,9). Man darf jedoch nicht vergessen, daß die Evangelisierung die konkreten Aspekte des Umfeldes, in dem sie geschieht, berücksichtigt. In diesem Sinn hat die Evangelisierung in Peru im gegenwärtigen Augenblick eigene Aspekte. Wir können bei dieser Feier nicht alle aufgreifen, aber einige von ihnen möchte ich doch kurz hervorheben. 5. Evangelisieren heißt die Botschaft Christi allen bringen, damit sie zum Leben wird. Es bestehen daher enge Verbindungen mit der Förderung des Menschen. In diesem Sinne stellt die Evangelisierung auch die Dringlichkeit vor, die Würde des Menschen ganzheitlich zu fördern, ihm zu helfen, die ungerechten Situationen und Strukturen, die diese Würde verletzen, zu ändern. Jesus hatte während seines öffentlichen Auftretens Gelegenheit, vielen Personen zu begegnen, die von verschiedenen physischen und moralischen Leiden betroffen waren. Als Zeichen für die Anwesenheit des Reiches vollbrachte er Wunder (vgl. Mt 12,4-6) und nahm sich des Wohles aller Menschen, denen er begegnete, an. Als die Leute all das sahen, staunten sie und sagten: „Er hat alles gut gemacht; er macht, daß die Tauben hören und die Stummen sprechen“ (Mk 7,37). Deshalb schrieb mein Vorgänger Paul VI.: „Zwischen Evangelisierung und menschlicher Erfahrung - Entwicklung und Befreiung - bestehen in der Tat enge Verbindungen . . . Wir haben an die Unmöglichkeit erinnert, hinzunehmen, daß das Werk der Evangelisierung die äußerst schwierigen und heute so stark erörterten Fragen vernachlässigen kann und darf, die die Gerechtigkeit, die Befreiung, die Entwicklung und den Frieden in der Welt betreffen. Wenn das eintreten würde, so hieße es, die Lehre des Evangeliums von der Liebe zum leidenden und bedürftigen Nächsten vergessen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 31, in: Wort und Weisung, 1975, S. 558-559). Die lateinamerikanischen Bischofskonferenzen, die in Medellin und Puebla zusammengetreten waren, haben besonderen Nachdruck auf die Evangelisierung und menschliche Förderung in den Ländern dieses Kontinents gelegt, besonders durch die sogenannte vorrangige „Option für die Armen“. 453 REISEN Liebe Brüder, ich möchte hier anführen, was ich kürzlich in diesem Zusammenhang präzisiert habe: „Ja, die Kirche macht die vorrangige Option für die Armen zu der ihren. Eine vorrangige Aktion, wohlgemerkt, nicht eine ausschließliche oder ausschließende Option, denn die Heilsbotschaft ist für alle bestimmt. Eine Option, die sich im übrigen wesentlich auf das Wort Gottes gründet und nicht auf Kriterien, die von Humanwissenschaften oder gegensätzlichen Ideologien angeboten werden und die die Armen oft nur in abstrakten sozialpolitischen oder wirtschaftlichen Kategorien sehen . . . Aber eine feste und unaufschiebbare Option“ (Weihnachtsansprache an die Kardinäle und die Römische Kurie, 21. 12. 1984, Nr. 9, in: O.R.dt., 4. 1. 1985, S. 5). Diesem Aspekt der Evangelisierung in voller Treue zu Christus, zum Evangelium und zum Menschen, gemäß den Kriterien der Kirche, kommt in Peru gegenwärtig und im Hinblick auf die Zukunft deutliche Aktualität zu. 6. Die Verkündigung des Evangeliums schließt den ständigen Ruf zur Umkehr an alle Christen ein und muß nicht nur das Leben des einzelnen und der Familie durchdringen, sondern auch die sozialen Strukturen, damit sie den Erfordernissen der Gerechtigkeit besser entsprechend gestaltet werden. Vergessen wir niemals, daß nur bekehrte und innerlich erneuerte Herzen den moralischen und menschlichen Stil der Gesellschaft verbessern werden. Beständige Katechese ohne zu rasten und zu ermüden Lebt daher diesen Erfordernissen entsprechend und durchtränkt die irdische Wirklichkeit mit dem Glauben an Christus! Ich denke ganz konkret an das Lebenszeugnis und die evangelisatorische Kraft, die von der christlichen Familie gefordert werden: daß die Eheleute das Sakrament zwischen Christus und der Kirche leben; daß sie die „Hauskirche“ stiften und beseelen, die Familie, mit der Verpflichtung der fruchtbaren und unauflöslichen Verbindung zur ganzheitlich sittlichen und religiösen Erziehung der Kinder; daß sie den Jugendlichen die Horizonte der verschiedenen christlichen Berufe erschließen als volle Herausforderung zu den Alternativen des Konsum- und Genußdenkens oder des atheistischen Materialismus. Das ist für die Evangelisierung in Peru ein Gebiet von brennender Aktualität. 454 REISEN 7. Besondere Bedeutung kommt auch der Evangelisierung der Kultur in eurem Land zu. Um die Kultur im Geist des Evangeliums zu befruchten, in dem ihre vielhundertjährigen Wurzeln verankert sind. In der Tat nimmt ja die Evangelisierung, wenn sie richtig durchgeführt wird, mächtigen Einfluß auf die Kultur und das ganze Leben des Menschen. Bemüht euch daher, daß die Gesetze und Gewohnheiten dem Sinn des Menschen für das Transzendente und den moralischen Aspekten des Lebens nicht den Rücken kehren. Mit dem Blick auf die Männer der Wissenschaft und insbesondere auf die Universitätsangehörigen hier und in allen Teilen des Landes wiederhole ich die Feststellung, die ich vor der Vollversammlung der UNESCO ausgesprochen habe: die Verbindung des Evangeliums mit dem Menschen ist in ihrem Fundament selbst kulturschaffend, da sie lehrt, den Menschen in seinem Menschsein und in seiner besonderen Würde zu lieben (vgl. Ansprache am Sitz der UNESCO, 2. 6. 1980, in: Wort und Weisung, 1980, S. 228). Hier in Peru hat die Kirche eine echte Herausforderung, die sie schöpferisch aufgreifen und in ihre Evangelisierungstätigkeit einbeziehen muß. In diesem Zusammenhang bringe ich den Männern und Frauen der peruanischen Kulturwelt meine tiefe Wertschätzung zum Ausdruck und ermutige sie zugleich, ihrer wichtigen Mission und dem in seiner Ganzheit im Licht Gottes gesehenen Menschen treu zu bleiben. <101> <102> <101> Dieser neue, evangelisatorische Auftrieb wird eine Reihe koordinierter Bemühungen um eine vertiefte Katechese erfordern, die organisch und systematisch vermittelt werden muß. Das ist eine Lebensnotwendigkeit. Es bedarf also einer dauernden, beständigen Katechese, ohne zu rasten und zu ermüden, auf allen Ebenen und an allen Orten: von der Predigt bis zum Katechismusunterricht in der Familie, von der Pfarrei bis zur Schule. Einer Katechese, die, während sie den Menschen Jesus Christus näherbringt, auf die rechte Gewissensbildung des Christen bedacht ist, indem sie mit Wärme an jede Seele die gütige Forderung des Erlösers heranzutragen vermag. Auf diese Aufgabe gilt es große Sorgfalt zu verwenden, damit der Verkündigung Jesu Christi die angemessene Feier seines Geheimnisses in der Liturgie der Kirche entspricht; denn das Leben Christi teilt sich den Gläubigen durch die Sakramente mit, wie ich zu euren Bischöfen sagte (vgl. Ansprache beim Ad-limina-Besuch, 4. 10. 1984, Nr. 3). Mehr noch, die gemäß den Vorschriften der Kirche und unter aktiver Beteiligung gefeierte Liturgie ist in sich die echteste Katechese durch die Worte und die heiligen Zeichen. 455 REISEN 9. In der konkreten Situation Perus muß die aus dem Herzen des Volkes geborene Volksfrömmigkeit ein Träger und wichtiger Ort der Evangelisierung sein. Sie offenbart oft in erstaunlicher Weise den Sinn für den Glauben, den Gott denen schenkt, die einfachen Herzens sind; eine Frömmigkeit, reich an Gefühlen und ausdrucksstark in ihren Gesten. Es ist bekannt, wie tief in euch Gläubigen Perus die volkstümliche Verwurzelung der Verehrung des Kreuzes Christi ist, dem man an vielen Orten, an denen sich euer Leben abspielt, begegnet. Die Verehrung des Kreuzes der Eroberung oder die Verherrlichung des Mayo-Kreuzes sind ein guter Beweis dafür. Dasselbe gilt für die tiefe Liebe der Peruaner zum gekreuzigten Christus, der als Unser Herr der Milagros, der Gefangene Herr von Ayabaca, als Unser Herr von Luren, von Huanca, Unser Herr der Temblores, von Koilloriti, von Burgos, von Huamantanga und anderen verehrt wird. Dasselbe ist mit der tiefen Verehrung, die ihr, peruanische Katholiken, für unsere Mutter und heilige Jungfrau empfindet, unter deren Schutz ihr euch oft flüchtet, auch in den verschiedenen Marienheiligtümern, die sich in großer Zahl in eurem Land finden. Bleibt diesen Frömmigkeitsformen treu; sie mögen euch jedesmal mehr zu Christus, dem Mittelpunkt unseres Glaubenslebens, dem einzigen Hirten und Erlöser, hinführen. Ihr, Bischöfe und Führer dieses Volkes, seid ihm behilflich, in respektvoller Weise diese Formen der Volksfrömmigkeit zu reinigen, damit sie für die Herde des Herrn Wege zu ihm sind, der einzigen Tür zu den Schafen, wo sie die wahre Weide finden (vgl. Joh 10,9) und das „Leben in Fülle“ haben werden (V. 10); das Leben, das er für seine Schafe hingibt (V. 15) und das bis zum ewigen Leben in Christus dauert, der „Macht hat, sein Leben hinzugeben, und Macht, es wieder zu nehmen“ (vgl. Joh 10,18). Diese Volksfrömmigkeit eröffnet heute der Kirche in Peru weitreichende Möglichkeiten für die Evangelisierung. <103> <103> Schließlich muß die Evangelisierung in der gegenwärtigen Situation Perus den Glauben erhellen und die Gefahren vermeiden, denen sich das gläubige Volk ausgesetzt sieht. Die Lesung dieser liturgischen Feier spricht von denen, die „durch Christus“ in den Schafstall eintreten. Auch sie gehören zu der Herde, aber zugleich beteiligen sie sich aktiv an der Sendung Christi als Glaubensverkünder und Hirte. An dieser Mission nehmen die Bischöfe, Priester, Ordensmäriner, Ordensfrauen und von der Kirche ausgesuchte Laien teil. Sie sind die Säleute des Evangeliums. 456 REISEN Absolute Treue zur ganzen Botschaft Christi Was für ein Gefühl großer Verantwortung und sorgfältiger Aufmerksamkeit bei unserem Dienst müssen uns die Worte strenger Verurteilung einflößen, die Jesus gegen die ausspricht, die „nicht durch die Tür hineingehen“, sondern, „anderswo einsteigen wie ein Dieb und Räuber“. Gegen die, die für die Herde „Fremde“ sind; und deshalb werden die Schafe „einem Fremden nicht folgen, sondern sie werden vor ihm fliehen, weil sie die Stimme des Fremden nicht kennen“ (Joh 10,1-5). „Der Dieb kommt nur, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten“ (Joh 10,10). Diese strengen Worte des Meisters verwerfen alle Verfälschungen des Evangeliums und der wahren Evangelisierung, die Unwahrheiten und falschen Propheten, das Neulesen des Evangeliums als Schlüssel für unkirchliche Auslegungen, die sich an der Mode oder an gesellschaftspolitischen Anschauungen inspirieren. Damit wird der Dienst an der Wahrheit zu einem Dienst an der Verwirrung, wenn nicht gar an der Lüge. Angesichts dieser Gefahren, die immer in der Kirche lauern, ist es notwendig, daß die Bischöfe, die Seelsorger und die Gläubigen absolute Treue zur ganzen Botschaft Christi bewahren, daß sie seine Stimme hören, daß sie wie er bereit sind, den höchsten Beweis der Liebe zur Wahrheit und zu ihren Schafen zu erbringen: „Deshalb liebt mich der Vater, weil ich mein Leben hingebe . . . Diesen Auftrag habe ich von meinem Vater empfangen“ (Joh 10,17.18). Auf diese Weise wird die vertieft und gründlich vorgenommene Evangelisierung die Gläubigen von den Gefahren befreien, die aus dem sektiererischen Treiben von Gruppen herrühren, das kaum wirklich religiösen Inhalt besitzt. <104> <104> Meine heben Brüder und Schwestern! Wir haben diese Überlegungen zur Evangelisierung in Peru in der heutigen Situation der Kirche angestellt.' Ich möchte euch meine herzliche Anerkennung und Ermutigung bekunden für die großen Anstrengungen, die ihr, Bischöfe, Seelsorger und Gläubigen, vollbringt, um Christus, dem ersten Verkünder des Glaubens, dem Hirten und der Tür zum Schafstall, getreu zu folgen. Erneuert euren Vorsatz auf diesem Weg, damit die Kirche in Peru eine — innerhalb und außerhalb der peruanischen Grenzen - stark evangelisatorische Kirche ist, die Kirche Christi, die immer seine Stimme hört. Der Stern der Evangelisierung, U. Lb. Frau vom Loskauf, inspiriere von ihrem Heiligtum in Paita aus alle eure Vorsätze und begleite in ihrer 457 REISEN Treue zu Christus die Söhne und Töchter dieser Region und ganz Perus, die ich von Herzen segne. Das Brot soll zu allen gelangen Predigt bei der Messe für die Arbeiter in Trujillo (Peru) am 4. Februar Herr Erzbischof, hebe Brüder und Schwestern! „Im Namen Jesu Christi, des Herrn, . . . haben wir Tag und Nacht gearbeitet“ (2 Thess 3,6-8). 1. Diese Worte des hl. Paulus laden uns alle hier anwesenden Vertreter der Welt der Arbeit dazu ein, uns im Geist des Evangeliums zur Eucharistiefeier zu vereinen. Ich empfinde große Freude während meines Aufenthaltes in dieser schönen Stadt Trujillo, die in der Epoche vor Kolumbus Zentrum der Chimükultur war. Ihre Spuren haben sich in jener monumentalen Tonstadt Chan Chan verewigt, die dem nagenden Zahn der Zeit und der Witterung standgehalten hat. Es ist gleichzeitig eine tiefe und bewegende Freude für mich, dieser Eucharistiefeier zu einem Zeitpunkt vorstehen zu dürfen, in der sich Trujillo auf den 450. Jahrestag seiner Gründung und dabei auch der ersten Messe, die zur gleichen Zeit in dieser Stadt gefeiert wurde, vorbereitet. Ich begrüße vor allem den Hirten der Diözese, die anwesenden Bischöfe und Autoritäten. Ich bin besonders glücklich darüber, persönlich unter allen, die hierhergekommen sind, weilen zu können und im Geist ebenfalls bei denen, die über das ganze Land verstreut arbeiten. Euch, Kindern der in der Welt der Arbeit vertretenen Kirche, gilt mein herzlicher Gruß und mein Verständnis. Er gilt allen, die ihr auf dem Land, in den Bergwerken, den Steinbrüchen, der Industrie, in der Fischerei im Kampf gegen die Meeresbrandung arbeitet. Er gilt denen, die in den Dörfern und der Stadt arbeiten, in den Genossenschaften und den Büros, denen, die sich hier im Norden befinden, und denen, die im restlichen Peru wohnen. Er gilt auch den Brüdern Unternehmern und allen geistigen und manuellen Arbeitern, die ihr die große Gemeinschaft der Arbeit bildet. 2. Jesus Christus, ein Mann der Arbeit. Der Text des Evangeliums, den wir soeben gehört haben, berichtet uns von der menschlichen Arbeit, die 458 REISEN für den Christen ihre höchste Inspiration und ihr höchstes Beispiel in der Person Christi, des Menschen der Arbeit, findet. Bevor er seine messiani-sche Arbeit der Verkündigung des Evangeliums vor den Völkern begann, hat er 30 Jahre in dem stillen Haus von Nazaret gearbeitet. Von seiner frühesten Jugend an lernte Jesus an der Seite Josefs in dessen Schreinerwerkstatt zu arbeiten, und deshalb nannte man ihn auch „Sohn des Zimmermanns“ (Mt 13,55). Diese Arbeit des Gottessohnes macht das erste und grundlegende Evangelium aus, das Evangelium der Arbeit. Später, im Verlauf seiner apostolischen Predigt, bezog er sich ständig, besonders in seinen Gleichnissen, auf die verschiedenen Arten der menschlichen Arbeit. Jesus predigte vor allem das Reich Gottes und gleichzeitig die endgültige Bestimmung des Menschen in der Einheit mit Gott. Aber diese übernatürliche Perspektive enthüllte ebenfalls die Bedeutung der menschlichen Arbeit, denn sie beschränkte sich nicht auf die irdische ökonomische Ordnung der menschlichen Gesellschaft, sondern sie bezieht sich auch auf die göttliche Heilsökonomie. Und wenn auch die Arbeit nicht nur dem ewigen Heil dient, so wird der Mensch doch auch durch seine Arbeit erlöst. So lautet die Lehre des Evangeliums, die uns die Heilige Schrift an so vielen Stellen, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament, vermittelt. 3. Die heutige Lesung, der Schrift des hl. Matthäus entnommen, greift in dem Gleichnis von den Talenten diese grundlegende Lehre auf. Drei Personen erhalten von ihrem Herrn Talente. Der erste fünf; der zweite zwei; der dritte eins. Ein Talent bedeutete damals eine Münze, man könnte sagen, ein Kapital. Heute würden wir es vor allem Begabung, Fähigkeit zur Arbeit nennen. Der erste und der zweite Diener haben das, was sie erhalten haben, verdoppelt. Der dritte hingegen verbirgt sein Talent unter der Erde und vervielfältigt dessen Wert nicht. Die drei Fälle berichten uns indirekt von der Arbeit. Ausgehend von diesen Gaben, die der Mensch vom Schöpfer über seine Eltern erhält, kann jeder einzelne in seinem Leben, mit mehr oder weniger Glück, die Sendung, die Gott ihm anvertraut hat, verwirklichen. Immer durch seine Arbeit. Das ist der normale Weg zur Verdoppelung des Wertes der Talente. Wenn man hingegen auf die Arbeit verzichtet und nicht arbeitet, verschwendet man nicht nur das „einzige Talent“, von dem das Gleichnis spricht, sondern jede beliebige Anzahl von erhaltenen Talenten. Mit diesem Gleichnis von den Talenten zeigt uns Jesus, zumindest indirekt, daß die Arbeit zur Heilsökonomie gehört. Von ihr hängt das 459 REISEN göttliche Urteil über die Gesamtheit des menschlichen Lebens und damit das Reich Gottes als Lohn ab. Dagegen ruft „die Verschwendung der Talente“ die Zurückweisung Gottes hervor. 4. Die Lehre des hl. Paulus. Den Text des hl. Paulus, den wir in der ersten Lesung aus dem Brief an die Thessalonicher gehört haben, können wir als einen apostolischen Kommentar zu dem Gleichnis Christi betrachten und in gewisser Weise zum ganzen Evangelium der Arbeit, das Jesus von Nazaret uns durch sein Leben und Wort lehrte. Der Apostel warnt vor allen denen, die nicht arbeiten, die ungeordnet und in ständiger Unruhe leben; das gleiche hatte Jesus von denen gesagt, die ihre Talente verschwenden. Außerdem ist der hl. Paulus für die Briefempfänger, die Thessalonicher, ein Beispiel für persönliche Arbeit neben seiner unermüdlichen apostolischen Tätigkeit, um keinem von euch zur Last zu fallen“. Das Verhalten des Apostels ist ein Hinweis und sollte für die, die nicht arbeiten, Grund zur Reue sein. Deshalb fügt er hinzu: „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“, und er mahnt und gebietet ihnen, „in Ruhe ihrer Arbeit nachzugehen und ihr selbstverdientes Brot zu essen“. 5. Auf diese Weise erscheint das Thema und das Problem der Arbeit schon von Beginn des urchristlichen Lebens an als grundlegend. Es ist im Laufe der Zeit zu einem festen Bestandteil der kirchlichen Soziallehre geworden, besonders im vergangenen Jahrhundert, als die Arbeit zum Mittelpunkt der sogenannten „sozialen Frage“ und aller mit einer gerechten sozialen Ordnung verbundenen Probleme wurde. Dieses Problem stellt sich mit schwerwiegenden und zum Teil tragischen Begleiterscheinungen in Lateinamerika. Die Kirche, in Person ihrer Hirten und geleitet durch das Zweite Vatikanische Konzil, hat das dementsprechend feststellen und verurteilen können, zuerst in Medellin und erst kürzlich in Puebla: „Im Lichte des Glaubens ist der immer tiefer werdende Abgrund zwischen den Armen und den Reichen ein Skandal und ein Widerspruch zum christlichen Dasein. Der Luxus einiger weniger wird auf dem Hintergrund des Elends der breiten Massen zur Beleidigung. Das ist gegen den Plan des Schöpfers und die ihm gebührende Ehre {Puebla, 28). Ich selbst habe eure Bischöfe erinnert an „die Tragödie des konkreten Menschen in euren Dörfern und Städten, der täglich selbst in seinem Überleben bedroht ist, der von Elend, Hunger, Krankheit und Arbeitslosigkeit niedergedrückt wird; dieser unglückliche Mensch, der in unmenschlichen Verhältnissen oftmals mehr überlebt als lebt. Hier 460 REISEN herrscht gewiß weder Gerechtigkeit noch das geringste Maß an Würde, wie sie die Grundrechte fordern“ (Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Peru, 4. Oktober 1984). An der Wurzel dieser Übel der Gesellschaft finden sich gewiß ökonomische, soziale und politische Situationen und Strukturen von manchmal weltweitem Ausmaß, die die Kirche als „soziale Sünden“ verurteilt. Aber sie weiß gleichzeitig, daß dies alles auch Frucht der Anhäufung und Konzentration von vielen persönlichen Sünden ist, die es notwendigerweise als Wurzel des Problems zu vermeiden gilt: von „Sünden dessen, der Unrecht erzeugt, begünstigt oder ausnutzt; der, obgleich er etwas tun könnte, um gewisse soziale Übel zu vermeiden, es aus Trägheit oder Angst, aus komplizenhaftem Schweigen oder geheimer Beteiligung oder aus Gleichgültigkeit doch unterläßt, die Welt zu verändern, und der sich den Mühen und Opfern entzieht“ (Reconciliatio et paenitentia, Nr. 16). Sünde der Leiter und Verantwortlichen, der Gesellschaft und auch der Arbeiter, die ihre Pflichten nicht erfüllen. Alles in allem, Sünden der mangelnden Solidarität und des Egoismus, der Suche nach Macht und. Luxus, die dem Dienst am Nächsten vorangestellt wird. Angesichts dieser Situationen läßt sich die Kirche weiterhin vom Evangelium und ihrer eigenen Soziallehre inspirieren, um ihre ständige und entschiedene Mitarbeit an der Sache der Gerechtigkeit anzubieten. Deshalb möchte ich in der Nähe der ungerecht Behandelten und der Ärmsten sein, um ihre Situation auf allen Gebieten zu verbessern, nicht nur im Bereich der Ökonomie, sondern auch auf dem der Kultur, des Geistes und der Moral. Denn arm ist der, dem es an materiellen Dingen fehlt, aber nicht weniger der, der in die Sünde verstrickt ist; derjenige, der seine persönliche Dimension nicht erkennt, die über den Tod hinausreicht; der keine Freiheit besitzt, um nach seinem Gewissen zu denken und zu handeln; der von den Führern der Gesellschaft Einschränkungen ausgesetzt wird, durch die derjenige, der seinen Glauben praktiziert, um die Früchte gebracht wird, die denen zuerkannt werden, die den von oben gegebenen Normen folgen; der als reines Produktionsobjekt betrachtet wird. Die Kirche wünscht eine Befreiung von jeder Form der Sklaverei. Auf dieser Linie bewegen sich auch eure Bischöfe bei den Normen, die sie kürzlich in ihrem Dokument zur „Theologie der Befreiung“ (Oktober 1984) festgelegt haben. 6. In der christlichen Gesellschaftskonzeption erscheint immer als grundlegendes Prinzip die unverletzliche Würde des Menschen und folglich 461 REISEN auch die Würde jedes Arbeiters. Zu dieser Menschenwürde gehören eine Reihe von Grundrechten. Das erste von allen ist das Recht auf Arbeit, eine Arbeit, um zu leben, sich als Mensch zu verwirklichen und die Familie zu ernähren; eine Arbeit, die die Gesellschaft bereichert; eine Arbeit, die sich in menschenwürdigen Bedingungen abwickeln muß, d. h. Bedingungen, die weder der physischen Gesundheit noch der moralischen Integrität der Arbeiter schaden. Deshalb ist auch die Arbeitslosigkeit und selbst die Unterbeschäftigung ein Übel, das oft „ein wirkliches soziales Elend darstellt“ (Laborem exercens, Nr. 18) Es demütigt die Menschen und ruft Gefühle der Frustration hervor mit gefährlichen psychologischen und moralischen Konsequenzen, besonders unter Jugendlichen und Familienvätern. Die erste Sorge aller Verantwortlichen muß also die Arbeitsbeschaffung für alle sein. Das ist keine leichte Aufgabe, aber sie sollte die Energien der ganzen Nation mobilisieren. Dem Arbeiter muß außerdem technisch und kulturell dabei geholfen werden, sich darauf vorzubereiten, eine Arbeit auszuführen, die ihn befriedigt und zur gleichen Zeit zum Wohl der Gesellschaft beiträgt. Die Kirche besitzt auf diesem Gebiet eine Tradition, die sie bewahren und verbessern muß. Ein gerechter Lohn, der die normalen Bedürfnisse einer Familie deckt, ist weiterhin der konkrete Maßstab der Gerechtigkeit in jedem sozioökono-mischen System und, auf jeden:Fall, seines gerechten Funktionierens (vgl. Laborem exercens, Nr. 19). Das gleiche gilt auch für alle Sozialleistungen (Sozialhilfen, Rente, Unfallgelder, Recht auf Erholung usw.), deren Ziel es ist, das Leben und die Gesundheit der Arbeiter und ihrer Familien zu sichern (ebd.). Ich bin mir der Schwierigkeiten bewußt, die die Realisierung dieser Rechte in dieser so zugespitzten sozioökonomischen Krisensituation mit sich bringt. Trotzdem möchte ich an alle direkt und indirekt für die sozioökonomische Ordnung Verantwortlichen appellieren, damit sie sich bemühen, dieses Ideal so bald wie möglich zu verwirklichen. Die Kirche und die Christen haben das Recht und die Verpflichtung, dabei im Rahmen ihrer Möglichkeiten mitzuhelfen, indem sie sorgfältig ihre entsprechenden Pflichten erfüllen. Sie müssen das vereint und durch die Verbände und Institutionen tun, die die Gesellschaft zur Erreichung des Gemeinwohls aller Mitbürger einrichtet. Ein Wort schließlich an die Unternehmer, ohne die die Verwirklichung vieler dieser Rechte nicht möglich wäre. Ich möchte sie mit der kirchlichen Soziallehre daran erinnern, daß sie ihren Unternehmen einen sozia- 462 REISEN len Geist geben müssen. Sie sollten sie nicht nur als Faktoren der Produktion und des Luxus betrachten, sondern auch als Gemeinschaft von Menschen (Puebla, 1246). Von der Einheit der Arbeiter und der Unternehmer unter der verantwortungsvollen Führung der Männer der Regierung hängt die schrittweise Verwirklichung einer gerechteren Gesellschaft ab. 7. Kehren wir nun erneut zum Wort Gottes, zur heutigen Liturgie zurück. Wir haben im Gleichnis von den Talenten durch die Worte Christi das Evangelium der Arbeit gehört. Wir haben die apostolischen Lehren des hl. Paulus erhalten. Wir haben, anhand der kirchlichen Soziallehre, versucht darzulegen, daß die menschliche Arbeit Teil der irdischen Wirtschaftsordnung, aber auch Teil der göttlichen Heilsökonomie ist. Im Lichte dieser Lehre haben wir einige dieser dringenden Probleme eurer Gesellschaft untersucht. Sowohl in der einen als auch der anderen Dimension der menschlichen Arbeit finden die Wünsche des Apostels an die Völker Anwendung: „Der Herr des Friedens aber schenke euch den Frieden zu jeder Zeit und auf jede Weise. Der Herr sei mit euch allen“ (2 Thess 3,16). Zusammengefaßt heißt das: Frieden. Frieden durch die Arbeit: „In Frieden der Arbeit nachgehen und das selbstverdiente Brot essen.“ Das Brot soll zu allen gelangen. Es darf nicht bei einigen (die vielleicht nicht arbeiten) im Überfluß vorhanden sein und den übrigen (trotz Arbeit) fehlen. Arbeit für das ewige Heil. Arbeit für die Entwicklung des Menschen und der Völker. Arbeit für den, den Paul VI. den „neuen Menschen des Friedens“ nannte. Folglich: Entwicklung durch die Arbeit und Frieden als Frucht wahrer Entwicklung; Entwicklung von allen und für alle. Das sind die Grundprinzipien des Evangeliums der Arbeit, das die Kirche der Welt von heute verkündet. „Der Herr sei mit euch allen.“ 463 REISEN Die wahren Befreiungswege Ansprache an die Zugewanderten in den Randsiedlungen in Lima am 5. Februar 1. Mit welcher Freude habe ich diese Begegnung mit euch, liebe Bewohner von Villa El Salvador, erwartet! Seit meiner Ankunft in Peru und selbst vor meiner Ankunft hatte der Besuch in dieser Randsiedlung, die uns schon durch ihren Namen ihre Verbundenheit mit Christus, dem Retter der Welt, kundtut, einen Vorzugsplatz in meinem Reiseprogramm, weil es sich nämlich um die ganz besonders Bedürftigen handelte. Während dieser Tage, die ich zusammen mit dem geliebten Volk von Peru verbringe, habe ich häufig an jene Passage aus dem Evangelium gedacht, die wir soeben gehört haben, wo Jesus Mitleid mit der Menge bekam, „denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Und er lehrte sie lange“ (Mk 6,34). Aber außerdem befahl er seinen Jüngern: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mk 6,37). An diesem Morgen, an dem ich euch besuchen komme, möchte ich euch sagen, daß jene Worte Jesu im Papst eben jenes Mitgefühl mit den Bewohnern aller Randsiedlungen, mit den Verlassenen, den Kranken, den Alten, den Arbeitslosen und mit den Kindern ohne Brot und Ausbildung für die Zukunft weckt. Ich komme euch besuchen, um mit euch das zu teilen, was ich habe: das Brot des Wortes Christi, das dem Leben Sinn und volle Würde gibt; um euch meine Nähe zu euch, die ihr ein wichtiger Teil der Kirche seid, zu bezeugen. Ihr, Hebe Brüder, seid alle Teile des Leibes Christi, und wenn einer leidet, leiden alle anderen mit ihm mit (vgl. 1 Kor 12,26). 2. Der Text des Evangeliums, den wir gehört haben, macht zwei Geheimnisse der Kirche deutlich. Das Geheimnis des Wortes und das Geheimnis des Dienstes in der Messe: „Jesus lehrte sie lange“, er „brach die Brote und gab sie den Jüngern, damit sie sie an die Leute austeilten“ (Mk6, 34; 41). Es ist ein zweifacher Dienst, den die Kirche von Anfang an als den ihren betrachtet hat, um für alle, soweit es von ihr abhing, das Brot des Geistes und das des Leibes zu beschaffen. Welchen Sinn hat das heute in Peru und in dieser Randsiedlung? Vom ersten Moment an möchte ich euch sagen, daß ich die uneigennützige Arbeit der Priester, Ordensleute und Laien bewundere und ermutige, die hier nach dem Beispiel Jesu und in Einheit mit der ganzen Kirche sich eurem Dienst und eurer Hilfe widmen. Sie sind Zeugen Christi, der reich 464 REISEN war und freiwillig arm wurde, der in der Armut einer Krippe geboren wurde, der den Armen die Befreiung verkündete, der sich mit den Bedürftigen identifizierte, sie zu seinen Jüngern machte und ihnen sein Reich versprach. So wie ich es kürzlich gegenüber euren Bischöfen ausdrückte, möchte die Kirche an ihrer bevorzugten, niemanden ausschließenden Option für die Armen festhalten und die Bemühungen aller unterstützen, die sich, getreu den Richtlinien der Hierarchie, hochherzig dem Dienst an den Bedürftigsten hingeben (vgl. Ansprache beim Ad-limina-Besuch der peruanischen Bischöfe vom 4. Oktober 1984). Das bekräftigte ich auch in der jüngsten Weihnachtsbotschaft: „Wir bekunden unsere Solidarität mit allen Armen der heutigen Welt, mit ihren Leiden, die uns jeden Tag in dramatischer Weise aktuell und konkret vor Augen geführt werden“ (vgl. 1 Kor 12,26). 3. Die Worte des Evangeliums, die zu Beginn unserer Begegnung verkündet worden sind, zeigen die Aufmerksamkeit Jesu für die zweifache Dimension des Menschen: für seinen Geist und seinen Leib. Das ist ein Beispiel, das die Kirche wiederaufzunehmen versucht. Deshalb bemühen sich eure Hirten und ihre Mitarbeiter mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, euch dabei behilflich zu sein, in einer wachsenden menschlichen Würde zu leben, die eure Existenz als Kinder Gottes verlangt. Aber sie verfügen leider nicht über alle notwendigen Mittel, obwohl sie die Sorge als Hirten über die euch fehlenden Mittel verspüren (vgl. Mk 6,34). Anderseits wissen sie wohl, daß es vor allem ihre Aufgabe ist, für euren inneren Reichtum zu sorgen, der sich nicht in der irdischen Dimension des Menschen erschöpft. Wenn sie euch deshalb lehren, im Vaterunser zu beten: „Unser tägliches Brot gib uns heute“, dann ermutigen sie euch dazu, nach größerer Würde und materiellem Fortschritt zu streben und zu suchen, ohne dabei aber folgendes zu vergessen: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ {Mt 4,4). Mit einem Wort: Sie wünschen euch auch die Würde des Geistes, die bewußte Würde eurer inneren Freiheit und den Fortschritt in eurem moralischen und christlichen Leben. Wenn aber die Kirche auch die Pflicht fühlt, ihrem primär geistlichen Sendungsauftrag treu zu sein, so vergißt sie dennoch nicht, daß das Bemühen zugunsten des konkreten Menschen und seiner Bedürfnisse untrennbarer Bestandteil ihrer Treue zum Evangelium ist. Das Mitleid Jesu für den bedürftigen Menschen sollen sich die Hirten und Glieder der Kirche zu eigen machen, wenn sie wie hier in Villa EI Salvador und in so 465 REISEN vielen anderen Randsiedlungen in Peru auf die Wunden des Elends und der Krankheit, der Arbeitslosigkeit und des Hungers, der Diskriminierung und der Marginalisierung aufmerksam machen. In allen solchen vFällen wie den euren dürfen wir „die Leidenszüge Christi, des Herrn, nicht vergessen, der anklagt und mahnt“ (Puebla, 31); - der jede Gleichgültigkeit und Passivität anklagt und den wahren Jünger Christi zur Solidarität mit dem leidenden Bruder mahnt; - der die wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen, in der Privilegien und Verschwendung Hand in Hand mit Situationen des Elends und der Entbehrung gehen, mahnend anklagt; - der Kriterien, Mechanismen und Strukturen mahnend anklagt, die nur auf Prinzipien des rein ökonomischen Nutzens gründen, ohne die Würde jedes einzelnen Menschen und seine Rechte zu berücksichtigen; - der die unersättliche Gier nach Geld und Konsum mahnend anklagt, die, allein geleitet durch die Egoismen und die heimtückische Gewalt des Gesetzes des Stärkeren, das soziale Gewebe zersetzt. Ich weiß sehr wohl, daß in bestimmten Situationen von Ungerechtigkeit die Illusion verführerischer Ideologien und Alternativen entstehen kann, die gewaltsame Lösungen versprechen. Die Kirche ihrerseits will einen Weg der wirkungsvollen Reformen, ausgehend von den Grundsätzen ihrer Soziallehre, denn jede ungerechte Situation muß angeprangert und korrigiert werden. Aber der Weg verläuft nicht über Lösungen, die in Freiheitsbeschränkungen ausufern, in der Unterdrückung des Geistes, in Gewalt und Totalitarismus. 4. Das Wort des Evangeliums, das unsere Begegnung inspiriert, zeigt uns Jesus, der, nachdem er den Leuten auf eine wundervolle Art zu essen gegeben hat, die Reste einsammeln läßt (vgl. Mk 6,43). Es war das Brot einer bedürftigen Menge, das aber Brot der Solidarität, geteilt mit den anderen Bedürftigen, sein sollte; nicht Brot der eigennützigen Verschwendung. Dieses Wort des Evangeliums hat unter euch sehr große Bedeutung. Es war mir eine große Freude zu hören, mit welcher Hochherzigkeit viele von den Bewohnern dieser Randsiedlung den ärmeren Brüdern der Gemeinschaft helfen, in den Volks- und Familienkantinen, in den Krankenpflegegruppen, in den Solidaritätskampagnen zur Unterstützung der von Naturkatastrophen schwer betroffenen Brüder. 466 REISEN Die „Armen im Herzen“ sind offener für Gott Das sind vorzügliche Zeugnisse christlicher Nächstenliebe, die die Größe der Seele des Armen beim Teilen zeigen. „Selig die Barmherzigen“, rief der Herr in der Bergpredigt (vgl. Mt 5,7). Selig die, die im Inneren Barmherzigkeit besitzen; die ihr Herz vor den Bedürfnissen der Brüder nicht verschließen; die mit dem Hungrigen das Wenige, das sie besitzen, teilen. Jesus selbst lobte ohne Einschränkungen jene arme Witwe, die als Almosen nicht das gab, was übrigblieb, das Überschüssige, sondern das, was sie zum Leben brauchte (vgl. Lk 21,1-4). Und tatsächlich sind oft die „Armen im Herzen“, die Gott deshalb selig nannte, häufig offener für Gott und die anderen; sie erwarten alles von ihm; sie vertrauen auf ihn und setzen auf ihn ihre Hoffnung. Liebe Brüder, gebt weiterhin christliches Zeugnis würdigen Verhaltens und moralischer Erhöhung, damit die anderen „eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ {Mt 5,16). Aber bekämpft gleichzeitig, wo ihr dieses Beispiel bewundernswerter Öffnung des Geistes gebt, all das, was eure moralische Situation erniedrigt oder euch in die Sünde stürzt: den Alkohol, die Drogen, die Prostitution, den sexuellen Chauvinismus, der die Frau erniedrigt und ausbeutet, die Promiskuität und die wilde Ehe. Gebt euren Familien Stabilität, schützt eure Kinder, ordnet eure Verbindungen, indem ihr sie durch das Sakrament der Ehe heiligt. Möge die gegenseitige Achtung die Norm unter den Eheleuten sein; möge die verantwortete Elternschaft im Sinn der Kirchenlehre das Kriterium für die Zeugung und Erziehung der Kinder sein. Vergeßt nicht, daß die moralische Kraft der Personen, der Familien, der Gemeinschaft grundlegende Bedingung dafür ist, stark und reich an Menschlichkeit zu sein, fähig, den Schwierigkeiten des Lebens entgegenzutreten und Wege zu ihrer Überwindung zu finden. 5. Dieses von Christus gesprochene „Gebt ihnen zu essen“ klingt weiterhin in den Ohren der Kirche, des Papstes, der Hirten und Mitarbeiter. Es ist. die Stimme Jesu, gestern und heute. Die Kirche möchte mit dieser Stimme Christi Anwalt der Armen und Hilflosen sein. Sie bietet ihre Soziallehre als Ermutigung zum Bau wahrer Befreiungswege an. Sie hört nicht auf, die Ungerechtigkeiten zu verurteilen, und sie will vor allem die ethischen und religiösen Kräfte in Bewegung setzen, damit sie Keime neuen Ausdrucks von Würde, Solidarität, Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit seien. Sie hilft, soweit sie kann, bei der Lösung der konkreten Probleme, aber sie weiß, daß ihre Möglichkeiten allein unzureichend sind. 467 REISEN Deshalb möchte sie von hier aus mit Hilfe meiner Stimme einen dringenden Appell an alle Autoritäten und andere Personen erlassen, die über reiche Mittel verfügen oder zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Entrechteten beitragen können. Das „Gebt ihnen zu essen“ soll in ihren Ohren und in ihrem Bewußtsein klingen. Gebt ihnen zu essen! Tut euer Möglichstes, um diesen Siedlungen die Würde, die Erziehung, die Arbeit, ein Zuhause und eine sanitäre Versorgung zu geben, die sie jetzt nicht haben. Verdoppelt die Bemühungen zugunsten einer gerechteren Ordnung, die die Mißverhältnisse und Ungleichheit der Verteilung der Güter korrigiert, damit so jede Person und jede Familie mit Würde über ihr tägliches Brot für den Leib und für den Geist verfügen kann. Was euch angeht, Bewohner von Villa El Salvador, seid die ersten in dem Bemühen um eure Erhöhung! Gott liebt die Armen, die in seinem Reich bevorzugt werden, und die Würde eines für Gott und den anderen geöffneten Armen ist sehr viel höher als die eines Reichen, der sein Herz verschließt. Aber Gott wünscht nicht, daß ihr in einer Form von Armut verharrt, die demütigt und erniedrigt; er möchte, daß ihr euch anstrengt, euch in allen Bereichen zu verbessern. So sagte ich schon in Brasilien: „Es ist für niemanden statthaft, sich im eigenen Elend und dem seiner Familie“ abzukapseln. „Es ist notwendig, alles zu tun, was erlaubt ist, um für sich und die Seinen all das sicherzustellen, was zum Leben und zum Lebensunterhalt notwendig ist“ (Ansprache in der Favela Vidigal in Rio de Janeiro, 4 vom 2. 7. 1980, in O.R.dt., 1980/28). 6. Meine lieben Brüder und Schwestern! Bevor ich mich von euch verabschiede, möchte ich euch erneut meine tiefe Freude ausdrücken. Ich versichere euch, daß ich mich euch sehr nahe fühle und für euch beten werde, besonders für die Schwächsten, die Waisen, die Kranken, die Alleinstehenden, die niemanden haben, der sich um sie kümmert, die Alten, die Kinder, die Jugendlichen, die keine Arbeit finden, die ungerecht Behandelten, die Gefangenen, die ihr Leben ändern und sich nützlich in die Gesellschaft eingliedern wollen, die Opfer der menschlichen Egoismen. Bitte betet auch ihr für den Papst. Ich vertraue euch der seligsten Jungfrau an, eurer, meiner und der ganzen Kirche Mutter, und ich bitte sie inständig darum, daß sie Gefühle der hochherzigen Öffnung in denen hervorrufen möge, die Mittel und Menschlichkeit besitzen; damit in allen Randsiedlungen und in der ganzen peruanischen Nation Ernsthaftigkeit, Gerechtigkeit und Frieden herrsche. Mit diesen Wünschen segne ich von Herzen euch, eure Ehepartner, Kinder und Familien. 468 REISEN Laßt euch vom Evangelium erleuchten! Ansprache bei der Begegnung mit den Eingeborenen in Iquitos (Peru) am 5. Februar „Macht alle Menschen zu meinen Jüngern.“ 1. Am Ende seiner Mission, bevor er zum Vater zurückkehrt, gibt Jesus seinen Aposteln seine letzten Weisungen: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,18-19). Aufgrund dieses letzten Gebotes erhalten die Nachfolger der Apostel und an erster Stelle die Nachfolger des hl. Petrus von ihrem Meister und Herrn eine immerwährende Verpflichtung. Deshalb hat für euch die Begegnung, die heute im Rahmen dieser apostolischen Pilgerfahrt nach Lateinamerika und durch Peru stattfindet, eine besondere Bedeutung. Ich danke dem ewigen Vater, daß ich hier in eurer Mitte sein kann und teile euch meine Freude mit, daß die Boten des Evangeliums in diese Gegend gekommen sind, um ihren Bewohnern, die Abbild Gottes und der größte Schatz inmitten der ausgedehnten Wälder sind, die Gnade der Taufe zu bringen. 2. In diesem grenzenlosen und überreichen Urwald des Amazonas angekommen, der von großen, verschiedene Länder durchquerenden Flüssen durchzogen wird, soll sich mein Gruß auf alle Bewohner dieses Urwalds erstrecken. In erster Linie begrüße ich den Hirten dieser Stadt Iquitos, der mich aufnimmt; den Hirten dieser Stadt, an deren Stelle sich der Busch ausdehnte, wo vor 224 Jahren Pater Jose Bahamonde seine Sendung in der Absicht begann, das Evangelium allen Eingeborenen dieses Gebietes zu verkünden, die der Stadt ihren Namen gegeben haben. Mein Gruß gilt auch allen Bewohnern des Apostolischen Vikariats Iquitos sowie den Hirten und Gläubigen der Vikariate San Jose des Amazonas, Jaen, Yurimaguas, San Ramön, Madre de Dios und Pucallpa und der Prälatur Moyobamba. Zugleich mit den Hirten grüße ich auch sehr herzlich die Patres der Augustiner, Franziskaner, Dominikaner, Jesuiten- und Passionistenorden und der Gesellschaft für die Auswärtigen Missionen von Quebec sowie die 469 REISEN 16 Brüder, die 182 Ordensschwestern und die 46 Laienmissionare, die hier im Amazonasgebiet tätig sind. Ganz besonders grüße ich jedoch die etwa 250 000 eingeborenen Bewohner, die inmitten der zwei Millionen zählenden Bevölkerung des peruanischen Amazonasgebietes leben. Ich weiß, daß sie 12 Sprachfamilien und 60 ethnischen Gruppen angehören. Ich wünsche daher, daß mein Gruß jedes einzelne Mitglied dieser Gruppen erreiche, zu denen die Campa-Ahaninca, die Aguaruna-Huambisa, die Cocama-Cocamilla-Omagua, die Quichua-Lamista, die Shipibo-Conibo, die Machinguenga-Napo, die Chayahuita, die Ticuna, die Amuesha, die Candoshi und die Piro zählen. Es ist für mich eine große Freude, euch begegnen zu können, die ihr so viele und so verschiedene Gruppen von Einheimischen Perus vertretet. Alle sind doch verbrüdert in „einem Herrn, einem Glauben, einer Taufe, einem Gott und Vater aller, der über allem, durch alles und in allem ist“ {Eph 4,5). Ich wollte bis hierher kommen, um euch zu sagen, daß der Papst tiefe Liebe zu euch fühlt, eben weil ihr lange Zeit hindurch die Vergessensten gewesen seid. In erster Linie danke ich euch, daß ihr gekommen seid, um dem Papst zu begegnen. Ich kenne die Schwierigkeiten, die langen und unbequemen Wege über Flüsse und auf Pfaden, die viele von euch zurückzulegen hatten. Den Spuren der selbstvergessenen Missionare folgend 3. Den Spuren der selbstvergessenen Missionare folgend, die euch seit Beginn der Evangelisierung suchten, um euch die Frohbotschaft des Evangeliums zu verkünden, kommt heute der Papst zu euch. In seinem Herzen hallt das Gebot Christi wider: „Macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ {Mt 28,18). Zu den Empfängern der Botschaft Jesu Christi gehört auch ihr, denn für den Papst und die Kirche gibt es keinen Unterschied der Rassen oder Kulturen, da es vor Gott weder Griechen noch Juden, weder Sklaven noch Freie gibt; vielmehr ist Christus alles in allen (vgl. Kol 3,9-11). Schließlich komme ich, um euch die Lehren Jesu, unseres Herrn und Erlösers, des Sohnes Gottes, der Mensch wie wir geworden ist, um uns zu erlösen, wieder ins Gedächtnis zu rufen. Er wurde als Kind in Bethlehem geboren, verkündete das, was wir glauben, und lehrte uns, wie wir uns verhalten müssen; er starb freiwillig für unsere Sünden, erstand von den Toten und bietet uns das Leben an, das niemals endet, das ewige Leben, wenn wir das tun, was er von uns will; er gründete die Kirche unter der Führung des hl. Petrus und seiner Nachfolger und ist allzeit in ihr 470 REISEN gegenwärtig; er hinterließ uns als Vermächtnis seiner Botschaft die Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen. Der gleiche Jesus wollte unser Bruder werden und lehrte uns die wunderbare Wahrheit, daß wir, wenn wir die Taufe empfangen, Kinder Gottes werden (vgl. Röm 8,21). Gerade um uns dieses unerwartete Geschenk der Gotteskindschaft mitzuteilen und uns die Freiheit der Kinder Gottes zu schenken, sendet Jesus Christus seine Jünger zu allen Völkern, um sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zu taufen (vgl. Mt 28,19). Damit sie ihm treu bleiben und sich so das ewige Leben verdienen, befiehlt er seinen Aposteln, alle Völker zu unterweisen und sie zu lehren, „alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,20). 4. Diese Freiheit der Kinder Gottes in Christus, erworben durch die Befreiung aus den engen Fesseln der Sünde, und die Würde jedes Menschen als Bild Gottes und Geschöpf mit einer ewigen Bestimmung, verlangt die Befreiung von anderen Fesseln kultureller, wirtschaftlicher, sozialer und politische Art, die letzten Ende ihren Ursprung in der Sünde haben und ernste Hindernisse für ein Leben des Menschen darstellen, das seiner Würde als Kind Gottes entspricht (vgl. Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre Libertatis nuntius, Einführung). „In der Verteidigung eurer Rechte niemanden als Feind betrachten“ Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus ist euer Gott und Vater. Er war immer in eurer Mitte, obwohl ihr ihn nicht seit jeher gekannt habt. In ihm ist letztlich eure Würde als Menschen verwurzelt, die er liebt und die er in ihrer Würde wachsen sehen möchte, „damit Jesus Christus jeden einzelnen auf seinem Lebensweg begleiten kann mit jener kraftvollen Wahrheit über den Menschen und die Welt, wie sie im Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung enthalten ist, mit der Macht jener Liebe, die hiervon ausstrahlt“ (Redemptor hominis, Nr. 13). Deshalb müßt ihr euch um einen rechten Fortschritt in eurem Leben sorgen und um die Verteidigung eurer Rechte, doch sollt ihr das so tun, wie es Christus uns geboten hat (vgl. Mt 28,20), nicht von Haß, sondern von Liebe beseelt. So könnt ihr, wenn ihr die euch zustehenden Rechte verteidigt, niemanden als Feind betrachten. Ich weiß, daß ihr Leid zu tragen habt. Als friedliche Besitzer dieser Wälder und „Cochas“ seit undenklichen Zeiten müßt ihr oft Zusehen, wie die Habsucht der Neuankömmlinge erwacht, die eure Reservate bedrohen, wohl wissend, daß vielen von euch die Dokumente zugunsten eurer 471 REISEN Gemeinschaften fehlen, die den Besitz eures Grundes und Bodens gesetzlich garantieren. Den peruanischen Gesetzen und den von euren Vorfahren überlieferten Rechten entsprechend, schließe ich mich den Bitten eurer Bischöfe der Urwaldregion an, damit euch ohne ungerechtfertigte Belastungen oder Verzögerungen die euch gebührenden Zuteilungen bewilligt werden (Hirtenbrief\ März 1982, Nr. 32). Ihr könnt euch jedoch nicht von euren Mitmenschen abkapseln. Öffnet jenen die Türe, die sich euch mit einer Botschaft des Friedens und mit hilfsbereiten Händen nähern. Nehmt die Verbindung mit anderen Kulturen und breiteren Umfeldern ein, um euch gegenseitig zu bereichern, ohne eure berechtigte Identität zu verlieren. Laßt euch vom Evangelium erleuchten, das eure Traditionen läutert und veredelt. Erachtet nicht die Aufgabe dessen als Verlust, was euch von den Lehren Christi fernhalten würde (vgl. Mt 18,20), und trachtet infolgedessen danach, ein Leben zu führen, das der Würde von Kindern Gottes entspricht. Deshalb kann auch, wie ihr selbst erfahren habt, die Evangelisierung nicht als Zwang betrachtet werden, lädt sie doch mit Respekt dazu ein, falsche Vorstellungen von Gott und naturwidrige und verfehlte Manipulationen des Menschen aufzugeben (vgl. Ansprache an die Eingeborenen von Guatemala, Quezaltenango, 7. März 1983, Nr. 3). Verteidigt eure Wälder, euren Grund und Boden und eure Kultur als etwas, was euch mit Recht gehört, jedoch ohne die allen gemeinsame Kondition der Kinder eines gleichen Gottes zu vergessen, der Gewalt, Rache und Haß verwirft. Betrachtet die anderen Rassen, Völker und Personen, die unter dem gleichen Himmel und inmitten der gleichen Flüsse und Wälder leben wir ihr: sie sind wahrhaftig Brüder in Christus, durch sein kostbares Blut erkauft und gemeinsam mit euch zu einem friedlichen Zusammenleben berufen. Ebenso müßt ihr von euren Mitmenschen eingeschätzt werden: als Kinder Gottes, Glieder der einen Kirche, Brüder unter Brüdern. 5. Auf diesem Weg der Förderung des Menschen im Licht Christi ist, das weiß ich, ein weniger auffälliges Problem von besonderer Bedeutung: das der Erziehung in euren Eingeborenengemeinden. Trotz aller Bemühungen sowohl der zuständigen öffentlichen Stellen als auch der Institutionen der katholischen Kirche und anderer religiöser Gemeinschaften fehlt es manchmal an einer würdigen und wirkungsvollen Aufmerksamkeit für die konkreten Notwendigkeiten eurer Gemeinden. In eurer Daseinswirklichkeit findet sich eine Vielzahl von Kulturen und ethnischen Gruppen, zugleich Reichtum und Herausforderung, wie die 472 REISEN Bischöfe Perus in ihrem Hirtenbrief von 1982 über „Gesamtheitliche Glaubenserziehung im kulturellen und erzieherischen Rahmen Perus“ feststellten. Auf diese Herausforderung muß die Gesellschaft und die Kirche in Peru eine Antwort geben. Aus diesen Gründen bitte ich die Regierung, sie möge - im Namen eurer Würde - wirksame und entsprechende Gesetze erlassen, die euch ausreichenden Schutz gegen die in eurem Umfeld vorkommenden Mißbräuche und die für eure normale Entwicklung erforderlichen Mittel sichern. 6. Das sind die Wege, die uns unser Herr Jesus Christus gewiesen hat, wenn er in Galiläa die für alle geschichtlichen Epochen verbindlichen Worte verkündete: Tauft alle Völker und „lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,20). In tiefer Liebe zu euch ermahne ich euch auch, ihr möget euch nicht auf die menschliche Förderung und die soziale Besserstellung beschränken. Bildet euch im Hinblick auf die ethischen und religiösen Erfordernisse heran. Laßt euch nicht von der Trunksucht überwältigen. Erliegt nicht der schrecklichen und unmoralischen Geißel des Rauschgiftkonsums und -handeis. Vergeßt vor allem nicht auf jenes Gebot, das die Christen auszeichnet: „Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh 13,34). Der Papst möchte, daß ihr glücklich seid, und um das zu sein, ist es notwendig, daß ihr zu allem, was euch von Gott entfernt, nein, und zu allem, was der Herr uns befolgen lehrt, ja sagt. Zur besseren Kenntnis und Einhaltung des christlichen Weges sollt ihr nicht die Erklärungen vernachlässigen, die die Katechese bietet. Besucht die Sonntagsmesse; empfangt die Sakramente; betet selbst und lehrt eure Kinder die grundlegenden Gebete, die ihr gelernt habe, wie das Vaterunser, das Gloria, das Credo, das Ave Maria; sorgt für die Bildung und das Wohlergehen eures Geistes, indem ihr darauf bedacht seid, alles zu kennen und praktisch zu leben, was uns der Herr geboten hat (vgl. Mt 28,20). Es ist mir ebenfalls bekannt und betrübt mich, daß ihr eurer leiblichen Gesundheit nur ungenügende Aufmerksamkeit schenken könnt, fehlt es doch an Ärzten und an Mitteln, um ein gesundes Leben zu führen. Deshalb bitte ich den Rest des Landes, doch nicht dieses Gebiet zu vergessen, das für seinen spirituellen und materiellen Fortschritt so vieler Intellektueller bedarf (vgl. Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre Libertatis nuntius, XI, 14). Es bleibt in diesen weiten Gebieten noch viel für das Wohl aller zu tun. 473 REISEN 7. Auch euch, geliebte Siedler, die ihr auf der Suche nach neuem Ackerland aus anderen Orten Perus hierher gekommen seid, fordere ich auf, alles zu befolgen, was der Herr euch geboten hat (vgl. Mt 28,20). Ihr habt das Recht, an dem Gottesgeschenk der Erde Anteil zu haben; vergebt jedoch nicht, daß diesem Recht eine Grenze gesetzt ist, die dort liegt, wo das Recht der anderen beginnt, in erster Linie das der Eingeborenen und der Uferbewohner; wenn ihr feststellen müßt, daß sie - auch ohne Dokumente zu besitzen - seit langem mit ihren Familien und Gemeinden dieses Land bewohnt haben. Zeigt mit eurer Gegenwart und eurem Verhalten, worin der Wert des Glaubens besteht, den ihr von euren Vorfahren ererbt habt. Ihr sollt wissen, daß ich mich auch mit euch in Liebe verbunden fühle. Ich weiß, daß viele von euch ihre ursprüngliche Heimat nur mit Schmerz verlassen haben, um auf der Suche nach einem Unterhalt und angesichts von Erscheinungen wie Dürre oder Erschöpfung des Bodens in dieses andere Gebiet zu kommen. Möge euer berechtigtes Sehnen nach Erfüllung eurer Wünsche euch nicht euren inneren Reichtum vergessen lassen: den Glauben und eure religiösen und familiären Traditionen. „Möge euch die Liebe zur Erde immer näher zu Gott führen“ Die Kirche blickt mit tiefer Sympathie auf euch und setzt, was ihre Aufgabe der Evangelisierung betrifft, große Hoffnungen in euch. Möge euch die Liebe zur Erde immer näher zu Gott führen und euch veranlassen, euren Brüdern im Urwald zu helfen, mit denen ihr nun zusammenlebt. 8. Wenn ich jetzt sehr herzlich die Uferbewohner begrüße, die den größten Teil der Bevölkerung Amazoniens ausmachen, kommen mir wieder die Worte des Meisters in den Sinn: Macht alle Menschen zu meinen Jüngern und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe (vgl. Mt 28,19 f.). Tatsächlich weiß ich, daß sich unter euch nicht wenige christliche Laien befinden, die die Worte Jesu mit Begeisterung aufgenommen haben. Es handelt sich dabei um jene, denen ihr den bezeichnenden Namen „Animateure der christlichen Gemeinden“ gegeben habt; sie haben an der Verantwortung der Bischöfe, Priester und Ordensleute für Katechese und Evangelisierung Anteil. Ich weiß, wie sehr ihr euch bemüht, euren Glauben mit größerer Hingabe zu leben, indem ihr euch mit euren Gemeinden für all das einsetzt, was zu ihrer Entwicklung und ihrem Wachstum beiträgt, damit sie so wirklich christlich werden (vgl. Hirtenbrief der Bischöfe des Urwalds, 1982, Nr. 8). 474 REISEN Euch spreche ich aus ganzem Herzen den Dank und die Ermutigung der Kirche für eure kostbare Arbeit aus; ich vertraue darauf, daß eure Gemeinden sich dem Ruf des Herrn öffnen, der ihre Kinder zum vollen Dienst für die Kirche als Priester oder Gottgeweihte beruft. Zu diesem Zweck sollt ihr aus euren Familien, die durch das Ehesakrament geheiligt sind, Stätten des Gebetes und des christlichen Lebens, „Hauskirchen“ machen, um, wo es möglich ist, in der Berufung zum Priestertum oder zum Ordensleben die Stimme des Herrn zu vernehmen. 9. Erlaubt mir schließlich, im Namen Christi den Missionaren und Mis-sionarinnen meinen lebhaftesten Dank auszusprechen. Dem Gebot des Herrn, „geht . . . und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19), folgend, sind sie Pioniere des Glaubens gewesen, angefangen von P. Gaspar de Carvajal - als Kaplan der Expedition von Orellana - bis zu unseren Tagen. Durch den humanen und respektvollen Kontakt mit euren Kulturen haben sie auch um den Preis großer Opfer das Evangelium verkündet und haben sogar das höchste Zeugnis für die Liebe gegeben, die das Opfer des Lebens für die Freunde einschließt (vgl. Joh 15,13). Wie viele von ihnen haben in vergangenen Zeiten und auch kürzlich hier ihr Leben geopfert. Seit dem ersten Augenblick suchten sie euch im Namen des Herrn, verteidigten euch zu Zeiten der Verfolgung und organisierten eure Lebens- und Kulturform. Die Reservate von Maynas, das Werk von P. Samuel Fritz und das eurer Väter im Glauben legen heute ein beredtes Zeugnis dafür ab. In dieser Richtung möchte die pastorale Koordinierung für den Urwald und das Amazonaszentrum für Anthropologie und praktische Anwendung sich weiterhin bewegen. Euch, Missionaren und Missionarinnen des peruanischen Urwaldes, angefangen von den geliebten Mitbrüdern im Bischofsamt, möchte ich meine Hochschätzung und meine Ermutigung aussprechen, euch, die ihr die Vorhut der Kirche in einem Gebiet seid, in dem die Natur verschwenderisch ist, wo jedoch die Verbindungen äußerst schwierig sind. Danke für euren Einsatz, danke für euer selbstloses Opfer, danke für euer Leben des Dienstes für die Kirche und den Menschen. Eure Bemühungen um das Studium und die Einpflanzung der christlichen Botschaft in die Wirklichkeit und das Leben der Eingeborenen in diesem Urwald sind mir bekannt. Sie hegen auf der Linie der Inkulturation, von der ich bei anderen Gelegenheiten gesprochen habe (vgl. Familiaris consortio, Nr. 10) und die für ein Eindringen des Evangeliums nötig ist, das die Kulturen respektieren und stärken will. Alles, was ihr in diesem Sinn tut, wird von der Kirche gutgeheißen. 475 REISEN Erinnert euch stets daran, daß, wie ihr wohl wißt, der Grund eures Hierseins die Verkündigung des Evangeliums ist, dem Willen Jesu entsprechend: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15). Seid Missionare, Priester oder Ordensleute, die den Auftrag Christi erfüllen, das Evangelium allen Völkern zu verkünden. Seid Missionare Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes (vgl. 1 Kor 4,1), seid Ordensleute, bevor ihr Anthropologen, Philologen und Soziologen seid. Seid Sendboten der Liebe und der Einheit unter den Völkern und den verschiedenen Sprachgruppen. Laßt euch daher in eurem Wirken von keiner Gruppe in Anspruch nehmen und vermeidet es, daß euer Einsatz für die Ärmsten euch zum „Dienst an einer Sache veranlaßt, die nicht unbedingt dem Evangelium entspricht und eher politisch gefärbt ist, so daß der sublime Charakter eurer Mission an Kraft verliert“ (Hirtenbrief der Bischöfe des Urwaldes, März 1982, Nr. 15). Die Botschaft, die ihr mitbringt, ist universalen Inhalts: „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Ziel eurer Arbeit ist es, die Einheit einer Bevölkerung zu schaffen, die aus Menschen verschiedener Kulturen zusammengesetzt ist, wie es auch unter euch der Fall ist, die ihr eure so verschiedenen Herkunftsländer verlassen habt. Auf der Suche nach dieser Einheit werden Eingeborenengemeinden entstehen, junge Kirchen in voller Gemeinschaft mit ihren Hirten und mit dem Apostolischen Stuhl, die sich im Lob Gottes und in der Liebe zu ihren Brüdern zusammenfinden; Kirchen, die sich, wie die gesamte Kirche in Peru, nicht in sich selbst verschließen können, sondern sich als Zeichen von Reife und Hochherzigkeit für die Missionstätigkeit in anderen Gebieten öffnen müssen. Das sind eure Wünsche, und in diese Richtung weisen eure Mühe und eure Gebete; deshalb setzt ihr euch auch mit Recht für die Weckung neuer Berufungen ein. Ihr sollt wissen, daß eure Stimmen und Gebete sich den meinen anschließen, damit die begonnene Arbeit fortgesetzt werden kann. <105> <105> Am Ende dieses Besuches, der dem ganzen gläubigen Volk Amazo-niens galt, verlasse ich Peru, ein Land, das mit Marienwallfahrtsorten übersät ist. Ihr, Maria, der Königin des Urwaldes Amazoniens, empfehle ich alle Anliegen und Nöte der für den Glauben Verantwortlichen und auch die des ganzen Volkes, das dieses weite Gebiet bewohnt. Sie möge euch beschützen und begleiten. Sie möge euch ermutigen und euch die große innere Ruhe und Freude schenken, die von den Worten Jesu ausgehen: 476 REISEN Geht, lehret alle Völker und tauft sie. „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Dank für die Gnade des Glaubens Predigt bei der Messe in Port of Spain (Trinidad und Tobago) am 5. Februar 1. Ehre sei dir, Dreifaltigkeit! Gestattet mir, liebe Brüder und Schwestern, mit der Verehrung der Heiligsten Dreifaltigkeit zu beginnen, deren Namen euer Land trägt: Trinidad und Tobago. Ihr seid nach dem Namen des dreieinigen Gottes genannt, des Gottes, der die Liebe ist. Dieser heiligste Name ist euer Ruhm. Im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, grüße ich euch alle. Ich grüße euch als Bischof von Rom und als Nachfolger des Apostels Petrus, als jener, der bei den Pilgerfahrten, die er unternimmt, die Gemeinschaften der Kirche in den verschiedenen Teilen der Welt besucht. Nehmt diesen Besuch an und den apostolischen Dienst als Zeichen und Ausdruck meiner Hirtenliebe in Christus. Es ist eine große Freude für mich, daß ich Gelegenheit habe, mit einer so großen Versammlung von Gläubigen der katholischen Kirche in dieser Nation die Eucharistie zu feiern. Besondere Grüße möchte ich gleichzeitig auch den Vertretern anderer christlicher Gemeinschaften und den Anhängern anderer Religionen entbieten, die heute hier mit uns zusammen anwesend sind. Ich versichere Sie meiner brüderlichen Wertschätzung und meiner Hochachtung für Sie alle. Während ich Gott für diesen gesegneten Augenblick preise, möchte ich euch zugleich wissen lassen, daß ich es sehr bedauere, nicht für eine längere Zeitspanne bei euch sein zu können. Vor allem tut es mir leid, daß die Zeit nicht ausreicht, um die Insel Tobago zu besuchen. Aber ich freue mich zu wissen, daß viele Vertreter von Tobago bei dieser Eucharistiefeier anwesend sein können, und ich bitte euch, bei eurer Heimkehr all euren Nachbarn und Freunden die herzlichen Grüße, guten Wünsche und Gebetsversprechen des Papstes zu überbringen. 477 REISEN 2. In dem Evangelium, das wir soeben gehört haben, sagt Jesus zu seinen Jüngern: „Laßt uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen“ (Mk 1,38). Während der Jahre seines öffentlichen Dienstes teilte Jesus von Nazaret seine Zeit zwischen Gebet und Verkündigung des Evangeliums. Oft umgaben ihn große Volksmengen, vor allem Kranke und solche, die von bösen Geistern geplagt waren. So geschah es auch damals, als Jesus, nachdem er die Schwiegermutter des Simon Petrus geheilt hatte, noch länger in ihrem Haus blieb. Der hl. Markus berichtet uns: „Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt, und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten“ (Mk 1,33). Nach einem kurzen Aufenthalt jedoch ging er von dort fort, um auch anderen Orten in Galiläa das Wort Gottes und den Dienst des Heils zu bringen. Die Worte, die Petrus damals sprach, waren in der Tat prophetisch: „Alle suchen dich“ (Mk 1,37). 3. Später ging der Dienst am Evangelium auf die Apostel über, und diese empfanden ihrerseits das gleiche Bedürfnis, „allen alles zu werden“. In seinem ersten Brief an die Korinther erörtert der hl. Paulus, wie er sich gedrängt fühlt, das Evangelium zu verkündigen. Mit tiefer Überzeugung schreibt er: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16). Er unterstreicht die Tatsache, daß er „das Evangelium unentgeltlich verkündet“. Und er fügt hinzu: „Ich habe mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen . . . Den Schwachen wurde ich ein Schwacher . . . Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben“ (1 Kor 9,19; 22-23). Das Wort Gottes in der heutigen Liturgiefeier weist uns hin auf den Anfang der Evangelisation, um deutlich zu machen, daß auch ihr, Hebe Brüder und Schwestern, berufen seid, am Evangehum und seinem Segen Anteil zu haben. So zeigt es ja auch der Name eures Landes: Trinidad und Tobago, das Land der Heiligsten Dreifaltigkeit! Den Versuchen, das Evangelium hier zu verkünden, begegneten am Anfang ernste Schwierigkeiten und Rückschläge. Die ersten Missionare, die kamen, waren Dominikaner. Sie wurden 1513 auf tragische Weise ums Leben gebracht, weil man sie irrtümlich mit Sklavenhändlern in Verbindung gebracht hatte, die die einheimische Bevölkerung entführten und in die Sklaverei ins Ausland verkauften. Es vergingen mehr als 50 Jahre, ehe das EvangeHum hier wieder gepredigt wurde. Unter den neuen Missionaren war der hl. Ludwig Bertrand. Aber nach verhältnismäßig kurzer Zeit wurde die Evangelisierung wiederum unterbrochen. Später 478 REISEN suchten dann außer den Dominikanern auch Franziskaner, Jesuiten und Kapuziner trotz zahlreicher Bedrängnisse das Samenkorn des Evangeliums in die Herzen eurer Vorfahren zu säen. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts machten die tapferen Bemühungen der Missionare es durch die Gnade Gottes möglich, daß der erste Apostolische Vikar ernannt werden konnte. Schließlich wurde 1850 die Erzdiözese Port of Spain errichtet, und der Apostolische Vikar Patrick Smith wurde zum ersten Erzbischof ernannt. Das Werk der Evangelisierung schritt nun beständig fort. Außer den bereits erwähnten Ordensleuten leisteten dann auch die Augustiner, die Kongregation vom Heiligen Geist, Benediktinermönche, Brüder von der Darstellung Mariens, Schulbrüder des hl. Johann Baptist de la Salle, Josephsschwestern von Cluny, Corpus-Christi-Karmelitinnen, Sisters of the Holy Faith, Schwestern und kontemplative Ordensfrauen aus dem Dominikanerorden, Barmherzige Schwestern und Schwestern von der Schmerzhaften Mutter bedeutende Beiträge. Der Eifer und die Anstrengungen anglikanischer und anderer nichtkatholischer Christen müssen ebenfalls erwähnt werden. 5. Die reiche Frucht dieser Evangelisierung liegt heute klar zutage. Mit 380 000 Gläubigen ist die Erzdiözese Port of Spain die größte unter allen Diözesen der Bischofskonferenz der Antillen. Ihr habt Katechese- und Pastoralzentren, ein gut ausgestattetes Rundfunk- und Fernsehstudio, eine katholische Wochenzeitung und andere bedeutende Publikationen. Ferner gibt es zahlreiche blühende Laienorganisationen und eine Anzahl von gemeinschaftlichen Entwicklungsprogrammen zum Besten der Jugend und zur Unterstützung der Armen. Ihr könnt stolz sein auf ein ausgezeichnetes katholisches Schulsystem und gut entwickelte katechetische Programme, dank der geschätzten Beiträge der Laien-Lehrkräfte und des hochherzigen evangelischen Zeugnisses all der Ordensleute, die euch so großmütig ihren Dienst leisten. Vor allem aber seid ihr eine in der Liebe Christi und der Einheit der Kirche verbundene Gemeinschaft. Ganz besonders freut es mich zu erfahren, daß die Laien in zunehmendem Maß eine aktive Rolle in der Sendung der Kirche in diesem Land übernommen haben. Keine Nation kann bestehen, die menschliches Leben mißachtet Ebenso erfüllt die wachsende Zahl von Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben mein Herz mit besonderer Freude. Durch das Regionalseminar hier in Trinidad und Tobago habt ihr nicht nur für die Ausbildung 479 REISEN von Diözesanpriestern für euer eigenes Land, sondern auch für die anderen Diözesen der Karibischen Inseln Sorge getragen. 6. Während ihr dankbar die Früchte der Evangelisierung wahrnehmt, die in so reichem Maß in eurem Land sichtbar werden, bleiben doch auch noch einige bedeutende Probleme, mit denen ihr euch nun gegen Ende des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen müßt. So viele Hindernisse bedrohen das Familienleben in allen Ländern der Welt, und leider bildet eure Gesellschaft darin keine Ausnahme. Die Familien leiden an Übelständen wie ehelicher Untreue und Ehescheidung, und das Leben der Ungeborenen wird durch das unsagbare Verbrechen der Abtreibung ausgelöscht. Denkt stets daran, daß die Achtung vor der Heiligkeit des Lebens die Stabilität der menschlichen Gemeinschaft gewährleistet. Keine Gesellschaft kann überleben, keine Nation kann bestehen, wenn nicht alles menschliche Leben geachtet und geschützt wird. Die trügerische Anziehungskraft von Materialismus und Konsumismus mit ihren Glücksversprechungen, die aber nur zu Enttäuschung und Verlust der Selbstachtung führen, ist auch an euch nicht spurlos vorübergegangen. Vor allem junge Leute sind anfällig für die gefährliche Verlok-kung von Drogen, Alkohol und vorehelichen Geschlechtsbeziehungen. Aber, meine lieben jungen Menschen von Trinidad und Tobago, mit allem Ernst und aller Eindringlichkeit sage ich euch: Weist die Täuschung des Bösen zurück und sucht eure Zukunft nicht auf so schwankendem Grund aufzubauen, sondern auf dem festverankerten Felsen echter moralischer und religiöser Werte, auf großmütig schenkender Liebe, auf der vollen Wahrheit des Evangeliums Christi, des Gottessohnes und Welterlösers. Er lehrt uns durch sein Evangelium, wie wir mit dem Willen unseres Vaters im Himmel im Einklang leben können. Es ermutigt mich zu wissen, daß bei eurem Bemühen hinsichtlich dieser und anderer Probleme, denen die Kirche sich hier gegenübergestellt sieht, eine gute ökumenische Gesinnung unter den Christen und ein echter Sinn für orüderliche Zusammenarbeit mit den Migliedern anderer Religionsgemeinschaften euch stärkt. Fahrt auch fort, in euren nächtlichen Gebetswachen euch Kraft zu holen sowie in dem besonderen Jahr des Gebetes, des Fastens und der Buße, das ihr kürzlich begonnen habt. 7. „Jerusalem, preise den Herrn, lobsinge, Zion, deinem Gott!“ (Ps 147,12). Diese Psalmworte, die wir in der heutigen Liturgiefeier gesungen haben, spiegeln die Freude Jerusalem wider, der Stadt, die von Gott besonders geliebt und auserwählt wurde. Die Kirche nimmt diesen Lobge- 480 REISEN sang auf, und wie Jerusalem preist sie Gott für alle seine Werke in der geschaffenen Welt, für die ganze Ordnung des Universums. Zuerst und vor allem aber verherrlicht sie Gott - und damit folgt sie dem Beispiel Jerusalems - wegen seines Offenbarungswertes: „Es verkündet Jakob sein Wort, Israel seine Gesetze und Rechte. An keinem anderen Volk hat er so gehandelt, keinem sonst seine Rechte verkündet“ (Ps 147,19-20). Da ich heute diesen Pastoralbesuch mache, möchte ich diese Danksagung Jerusalems und der Kirche hier zusammen mit euch wiederholen. Gemeinsam laßt uns Gott, der Heiligsten Dreifaltigkeit, Dank sagen für das Geschenk der Offenbarung und für die Gnade des Glaubens, die ihr seit vielen Generationen in der Seele tragt. Laßt uns Jesus Christus Dank sagen, weil die Apostel in Gestalt ihrer Nachfolger hierhergekommen sind. Laßt uns Maria, seiner Mutter, danken, weil sie Mutter der Bewohner von Trinidad und Tobago geworden ist. Laßt uns Gott für den hl. Louis Bertrand und für all die eifrigen Missionare preisen, die die Frohe Botschaft von der Erlösung in diesem Land verkündet haben. Lob sei der Heiligsten Dreifaltigkeit, weil sie euren Vorfahren und jedem von euch das kostbare Geschenk des Glaubens anvertraut hat! Wie aus einem Herzen und mit einer Stimme laßt uns rufen: „Jerusalem, preise den Herrn, lobsinge, Zion, deinem Gott!“ (Ps 147,12). <106> <106> Es ist mein sehnlichster Wunsch, daß das Erbe des Evangeliums immer mitten unter euch bleibt: mit seiner Kraft, die Unterdrückten und Erschöpften aufzurichten, Heilung und Hoffnung zu bringen und dem Leben Sinn zu geben; mit seiner Macht, Bekehrung und Versöhnung zustandezubringen. Und ich bete, daß dieses Evangelium des Heils durch die Katechese immer weiter verbreitet wird und daß die Christen es in ihrem Leben sich immer voller zu eigen machen. Das ist mein tiefster Wunsch für eure ganze Gemeinschaft. Ich danke euch für eure Gastfreundschaft und den herzlichen Willkommensgruß. Möge diese Zusammenkunft eure Einheit mit der Kirche in Rom festigen, die das Zentrum der allgemeinen Einheit bleibt (vgl. Irenäus, Adversus haereses, 3,3,2). Noch einmal versichere ich euch mit den Worten des hl. Paulus, daß ich „um des Evangeliums willen“ (1 Kor 9,23) gekommen bin, damit ihr alle an seinem Segen Anteil haben mögt! Die Liebe Gottes des Vaters, die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen. 481 2. Pastoralbesuch in den Niederlanden (11. bis 15. Mai) REISEN Unseren gemeinsamen Glauben feiern Fernsehansprache an die Katholiken der Niederlande am 9. April Dierbare vrienden in Nederland, Zoals u weet, zal ik binnenkort de katholieke geloofsgemeenschap van uw land bezoeken. Hiermee ga ik in op een uitnodiging van Kardinaal Willebrands, welke hernieuwd is door zijn opvolger op de aartsbisschop-pelijke zetel van Utrecht, tezamen met de bisschoppen van de zes andere bisdommen van Nederland. Vervolgens zal ik ook ingaan op de uitnodiging van de bisschoppen van Belgie en Luxemburg. Ik verheug mij zeer over de broederlijke ontmoeting met uw bisschoppen die de Heilige Geest heeft aangesteld om Gods Kerk te hoeden. Ik zal hen ontmoeten met hun priesters en gelovigen, die zullen deelnemen aan verschillende bijeenkomsten. Het pastorale bezoek zal mij bovendien de gelegenheid geven met de leiders van andere kerken en kerkelijke gemeenschappen samen te zijn. De dagen die ik bij u zal doorbrengen, moeten iets van bemoediging en vriendschap, van vrede en vreugde, van hoop en geloof uitstralen. Dit zijn genadegaven van de Heer, maar het zal ook de vrucht zijn van onze gezamenlijke goede wil. Kort samengevat zie ik als voornaamste doel van onze vriendschappelijke ontmoeting de viering van het GELOOF, van „ons gemeenschappelijk geloof, het uwe zowel als het mijne“, volgens de woorden van Sint Paulus (vgl. Rom 1,12): het geloof in Christus, onze Verlosser, die heel de mensheid vernieuwt; het geloof dat wij samen zullen beleven, ervaren en bezingen. Wij zullen dit doen tijdens de bidtocht in Den Bosch, waar wij de Moeder van de Heer zullen vereren, die de leerlingen van haar Zoon steeds begeleidt met haar zorg. En wij zullen dit doen door de Eucharistie te vieren, de gedachtenis van het lijden en de verrijzenis van Jezus, te Utrecht, den Haag en Maastricht. Dat geloof zullen wij ook vieren bij de ontmoetingen met de religieuzen en met hen die hun beste krachten wijden aan het onderwijs, ann missie en ontwikkelingswerk, aan het maatschappelijke leven en aan de opbouw van hun parochies. Onder hen die naar mij luisteren, zijn er zeker - zoals in ieder land - die niet in de stemming zijn om het geloof te vieren. Zij ondervinden teleurstellingen en ondergaan lijden, in hun persoonlijk leven, in hun gezin, in hun werk, en ook in hun Kerk. Ja, ik weet dat er veel spanningen zijn in uw Kerk. Sommige beslissingen kan men moeilijk begrijpen. Ik vertrouw echter op Gods genade en op de grote geestelijke rijkdom die in 484 REISEN u is, om samen de moeilijkheden te overwinnen. Vele vormen van lijden drukken op het hart van mannen en vrouwen, van jongeren en zieken, van eenzamen en werklozen. De bisschop van Rome kan bi zijn bezoek deze noden niet wegnemen. Zij lijken soms op de steen die het graf van de goddelijke Gekruisigde afsloot en waarvan de vrouwen zeiden: „Wie zal de steen voor ons van de ingang van het graf wegrollen?“ (Marcus 16,3). Bij dit lijden moeten wij denken aan de woorden van Christus welke een beroep doen op ons geloof: „Wat niet in de macht der mensen ligt, ligt wel in die van God“ (Lucas 18,27). In deze paastijd wil de liturgie ons steeds meer overtuigen van de overwinning van het leven op de dood en de zonde, door Christus en in Christus. De apostelen en Petrus in het bijzonder hebben getuigenis afgelegd van het gebeuren op paasmorgen, dat de sleutel is voor de geschiedenis van de mensheid. Als nederige opvolger van de eerste leider van het apostelcollege kan ik niet anders dan dit getuigenis met kracht laten weerklinken; tot eer van de Geest die Christus uit de dood heeft opgewekt; tot eer van de mens en de schepping, die geroepen zijn tot een bevrijding en vernieuwing welke Christus mogelijk heeft gemaakt. Dierbare kijkers, lidmaten van de katholieke Kerk, bewoners van steden en dorpen, van eilanden en polders, van harte moedig ik u aan om de gezamenlijke viering van ons geloof goed voor te bereiden. Door er in een rüstige sfeer persoonlijk of gemeenschappelijk over na te denken. Maar meer nog door nederig en vertrouwvol gebed. Probeer daartoe opnieuw aandacht te schenken aan het gebed dat Jezus ons geleerd heeft, het Onze Vader. De inhoud hiervan moet ons hart opwekken en zuiveren. Ik bid dit gebed voor ieder van u en ik vraag u zo goed te zijn dit ook voor mij te doen, voor het welslagen van mijn verblijf in uw midden. Bij voorbaat dank ik u voor de gastvrijheid die u mij wilt verlenen. Ik kom naar u als een broeder en vriend. Möge de Heer u en onze ontmoeting zegenen! 485 REISEN Freundschaft entsteht, wenn man sich kennenlernt Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Eindhoven am 11. Mai 1. Voll Freude preist mein Herz den Herrn! Ja, mein Herz ist voll Freude, weil ich dieses Land besuchen darf. Wie der Erzbischof von. Utrecht schon sagte, hat nur einmal, im 11. Jahrhundert, der Bischof von Rom die Niederlande besucht. Das war Papst Leo IX., der aus dem Elsaß stammte. Ich denke auch an Hadrian VI., der in Utrecht geboren wurde und der zu Beginn des 16. Jahrhunderts Papst war, der letzte nichtitalienische, bis im Oktober 1978 der erste slawische Papst gewählt wurde. Diese Erinnerungen an eine weit zurückliegende Vergangenheit und an eine menschlich sehr reiche und gottesfürchtige Geschichte Ihrer Nation haben in mir den Wunsch geweckt, ehrerbietig den Boden Ihres Vaterlandes zu küssen. Mein verehrter Vorgänger Paul VI., der die Initiative für die apostolischen Reisen der Päpste in unserer Zeit ergriffen hat, vollzog oft diese symbolische Geste. 2. Ich grüße Sie, Exzellenz, und danke Ihnen für Ihre Anwesenheit als Vertreter der niederländischen Regierung. Ihre Gegenwart ist mehr als nur Ausdruck der Höfüchkeit, sie ist ein Zeichen für das gute Verhältnis, das zwischen dem Hl. Stuhl und diesem Land besteht. Ein Zeichen für den beständigen Willen zu Verständnis und Zusammenarbeit im Interesse der Niederlande und der Menschheit. Gern grüße ich auch Sie, sehr geehrter Herr Kommissar der Königin für die Provinz Nordbrabant. Ihnen, Herr Erzbischof, danke ich für Ihren herzlichen Willkommensgruß. Ich habe mit Befriedigung die kurze, aber lebendige Übersicht über die Evangelisation in den Niederlanden angehört, von den heiligen Servatius, Willibrord und Bonifatius an bis in unsere Zeit. Ich schätze aufs höchste, daß Sie die Verbundenheit der niederländischen Katholiken mit dem Bischofsstuhl von Rom bezeugt haben. Eine Verbundenheit, die tiefer geht, als manche Seite der Religionsgeschichte von heute uns zeigen will. Ich habe auch mit Freude gehört, wie Sie Ihrer Hoffnung im Hinblick auf die Jugend und gegenüber der geistlichen Krise, die die westliche Welt durchmacht, Ausdruck gegeben haben. Zusammen mit Ihnen, Exzellenz, grüße ich meine Amtsbrüder, die Bischöfe von 486 REISEN Breda, Groningen, Haarlem, ’s-Hertogenbosch, Roermond und Rotterdam, und die anwesenden Weihbischöfe. Ich grüße auch alle herzlich, die persönlich oder im Namen verschiedener Organisationen mir vom ersten Augenblick meines Besuches an ihre Achtung zu erkennen gaben. Schließlich grüße ich alle Bewohner der Niederlande. Gerne würde ich sie länger und im engeren Kreis besuchen. Denn Freundschaft entsteht und wächst, wenn man die anderen, die anders zu sein scheinen, als man gedacht hat, besser kennenlernt. Ich würde gern alle Orte besuchen, die Ihnen lieb sind: die alten Städte von Provinz zu Provinz, die vielen Dörfer zwischen der Wattensee und der Schelde, die Museen mit den Gemälden Ihrer großen Meister. Ich würde gern in die Schulen und Universitäten gehen, in die Industriebetriebe und die Häfen, wo die Arbeiter arbeiten, zu den Poldern, in die Krankenhäuser usw. Ich werde mich auf alle Fälle bemühen, das Leben in Ihrem Land aufmerksam zur Kenntnis zu nehmen, um es unter all seinen positiven und blühenden Aspekten besser zu verstehen und noch mehr schätzen zu können. 3. Die apostolischen Reisen des Bischofs von Rom sind natürlich nicht mit dem Tourismus zu vergleichen, der sich in der heutigen Zeit so stark entwickelt hat. Die Notwendigkeit dieser Reisen hat schon Paul VI. deutlich erkannt, der ins Heilige Land, in das Herz Afrikas, nach Südamerika und in die Vereinigten Staaten gepilgert ist. Die Gründe dazu liegen im Wesen der Kirche Christi selber, die Weltkirche und gleichzeitig Ortskirche ist. Die Weltkirche gab es nie ohne Ortskirchen. Überall, wo in der katholischen Gemeinschaft die Eucharistie gefeiert wird, ist die Kirche voll gegenwärtig. Die Gemeinschaft ist ein Glaubensfaktor, der in geeigneten, konkreten Zeugnissen sichtbar werden muß. Es ist wahr, daß die Bischöfe aus der ganzen Welt den Nachfolger Petri regelmäßig besuchen. Aber warum sollte dieser in der heutigen Zeit, in der die Verbindungsmöglichkeiten vereinfacht worden sind, nicht dorthin gehen, wo seine Brüder für das Evangelium Christi arbeiten, um sie und ihre Gläubigen „im Glauben zu stärken“? Ziel der apostolischen Reisen ist es, die Botschaft des Evangeliums zu verkünden, die Einheit zu fördern. Die Lebendigkeit der Ortskirchen wächst oder wird wiedererweckt in dem Maß, in dem sie bemüht sind, sich nicht einzukapseln und vom Zentrum der Einheit zu distanzieren. Möge der Herr mir helfen, meine besondere Sendung im Dienst der Weltkirche immer gut zu erfüllen! 487 REISEN 4. Nach diesen Erläuterungen über die Bedeutung der apostolischen Reisen will ich nicht vergessen, daß das niederländische Volk den 40. Jahrestag seiner Befreiung gefeiert hat. Ich will mich der Ehrenbezeigung anschließen, die man all denen erwiesen hat, die gelitten haben oder sogar ihr Leben hingegeben haben für die Freiheit ihres Vaterlandes. Wie könnte man auch ihre Opfer vergessen? Und insbesondere das tragische Los und die Opfer von Abertausenden Juden? Wir bitten ihren Gott, der auch unser Gott ist, daß das auserwählte Volk weiter in Friede und Sicherheit leben darf. Sie, die sich für die Freiheit geopfert haben, fragen uns: „Was habt ihr mit der teuer bezahlten Freiheit getan?“ Ihr seid ein Volk, das die Freiheit liebt und stolz darauf ist. Wir werden noch Gelegenheit haben, auf das wichtige Problem vom wahren Sinn und vom Gebrauch der Freiheit zurückzukommen. Wir werden im Angesicht Christi, des göttlichen Befreiers von Geist und Herz, darüber nachdenken. Er will allen Menschen, die guten Willens sind, helfen, die Gesellschaft, in der wir leben, von allen Nöten und Gebrechen zu befreien. Von ganzem Herzen danke ich euch für : euer herzliches Willkommen. Laßt uns in diesen für euch und mich historisch so bedeutungsvollen Tagen beten zu unserem Herrn: daß er uns Friede, Freude und Freiheit schenken möge und auch den Edelmut, der nötig ist, um die Lebensqualität in diesem Land gedeihen zu lassen, das immer reich war an menschlichen und religiösen Kräften, damit es seinen Beitrag leiste zum Gemeinwohl der anderen Völker - was es schon oft unter Beweis gestellt hat. Die wahre Freiheit in Christus Ansprache beim Wortgottesdienst in der St.-Johannes-Kathedrale in ’s-Hertogenbosch am 11. Mai <107> <107> „Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels“ {Gen 28,17). Liebe Brüder und Schwestern! Diesen Ausspruch Jakobs machen wir heute abend zu unserem. Ich sehe, daß diese schöne Kathedrale nach langen Restaurierungsarbeiten wieder in ihrer alten Schönheit erstrahlt. Ich erlebe hier eine Schönheit, die alles 488 REISEN Sichtbare übersteigt: Es ist das Haus Gottes, worin wir mit dem Himmel verbunden sind. Als Papst Leo IX. im 11. Jahrhundert in die Niederlande gekommen war, weihte er in Voerendaal eine Kirche. Heute, an meinem ersten Besuchstag, werde ich einen Altar weihen dürfen. Mit der gleichen Absicht wie vor 900 Jahren: die Gläubigen zu einer Weihe Zusammenkommen zu lassen, die nicht nur die Steine, die Kirche oder den Altar betrifft, sondern auch die Herzen aller, die daran teilnehmen. Ich grüße euch alle, die ihr um mich versammelt seid, und ich freue mich, in eurer Mitte weilen zu dürfen, unter euch, die ihr das „Volk Gottes“ seid. So nannte das Zweite Vatikanische Konzil die Kirche: „Volk Gottes“. Von ganzem Herzen grüße ich auch meine Brüder im Bischofsamt, den Altbischof, Exzellenz Bluyssen, und den neuen Bischof, Exzellenz Ter Schure. Auch grüße ich die Priester, die Ordensleute und Laien, die an der Sendung der Kirche unter der Führung des Bischofs mitarbeiten, dem ich nochmals meine brüderlichen Wünsche ausspreche und meine aufrichtige Unterstützung in der Verbundenheit des Bischofskollegiums Zusage. 2. Ich bin froh, daß ich zusammen mit euch die Prozession durch die Straßen der Stadt machen konnte. Sie war ein Symbol des geistlichen Weges, den das Volk Gottes gehen muß. Wir sind zusammen unterwegs zum gleichen Vaterhaus. Meine Anwesenheit in eurer Mitte zeugt von der Einheit der niederländischen Kirche mit der Kirche von Rom und auch mit der Weltkirche. Wir sind ein pilgerndes Volk. Das Konzil spricht von der Kirche als dem Volk Gottes, „das auf der Suche nach der kommenden und bleibenden Stadt (vgl. Hebr 13,14) in der gegenwärtigen Welt einherzieht“ (Lumen gentium, Nr. 9). Unterwegssein in dieser Welt heißt, daß wir wirklich in der uns umgebenden Welt leben, in ihrer Kultur und unter den heutigen Lebensumständen. Der Wunsch, nach dem Evangelium leben zu wollen in einer Weise, die unserer Zeit angemessen ist, ist lobenswert, denn er zeugt von der lebendigen Kraft des Volkes Gottes in eurem Land. Doch eine Gesellschaft, wie die eure, die auf wissenschaftlichem und technischem Gebiet beträchtliche Fortschritte gemacht hat, bedarf um so mehr der geistlichen Inspiration. Sie bedarf auch der moralischen Kräfte, die sie die Hindernisse überwinden läßt, die einer authentischen Entwicklung im Wege stehen. Die Kirche bietet ihr die geistliche Inspiration und die moralischen 489 REISEN Kräfte an, die sie nötig hat. Sie bemüht sich, in allen Bereichen die Lebensqualität zu fördern. 3. Der Bittgang hat uns hier eigentlich nach Hause geführt. Ich freue mich, daß ich den Altar weihen kann. Denn er ist ein Sammelpunkt für das Volk Gottes und Symbol eines grundlegenden Aspektes. Das Konzil hat gesagt, daß das Haupt des messianischen Volkes Christus ist, „der wegen unserer Verfehlungen . . . hingegeben, wegen unserer Gerecht-machung . . . auferweckt“ wurde (Röm 4,25). Am Altar feiern wir das Gedenken des Paschamysteriums, das das Fundament der Kirche ist. Hier findet das pilgernde Volk das Brot des Lebens, das die Kraft schenkt, den Weg stets fortzusetzen, auch unter größten Schwierigkeiten. Hier findet und entdeckt wiederum ein Volk seine Einheit. Das Volk unterwegs ist noch unvollkommen. Das Wort Christi hat es uns in Erinnerung gerufen: „Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe“ (Mt 5,23-24). Ich weiß, daß ihr die Notwendigkeit der Versöhnung sehr stark empfindet. Ihr sagt, daß ihr euch in der Situation der jungen Kirche von Korinth wiedererkennt, wo einige sagten: „Ich bin des Paulus“, andere: „Ich bin des Apoll“, andere wiederum: „Ich bin des Kephas.“ Als Nachfolger des Petrus ist meine Aufgabe vor allem der Dienst an der Einheit. Ich will alles in meiner Macht Stehende tun, um die Versöhnung zu fördern. Und mit dem hl. Paulus wiederhole ich, daß unsere Einheit in Christus zustande kommt, in seinem Tod und seiner Auferstehung, die wir an diesem Altar feiern. Wenn wir uns aus ganzem Herzen mit unseren Brüdern versöhnen, dann wird die Eucharistie uns alle zu Gliedern des einen Leibes Christi machen. 4. Auf der Pilgerschaft in dieser Zeit bleibt die Kirche nicht in sich selbst verschlossen. Wie das Konzil betont, ist das Volk Gottes zur kommenden und bleibenden Stadt unterwegs. Dieses Volk weiß, daß es zu einem Leben berufen ist, das seine Erfüllung in einer geheimnisvollen und wunderbaren Zukunft finden wird. Es weiß mit Sicherheit, daß seine Wünsche, die während seiner irdischen Pilgerschaft nicht erfüllt werden, unfehlbar und vollkommen in der himmlischen Gemeinschaft Erfüllung finden. Die Hoffnung, die durch das Heilswerk hervorgerufen wird, kann nicht trügen. 490 REISEN Sie spornt uns an, hier auf Erden alles nur Mögliche zu tun, um die menschliche Gesellschaft zu verbessern; und schenkt uns die Gewißheit, daß die unvermeidlichen Unvollkommenheiten dieser Welt in der zukünftigen Welt zur Vollendung kommen. In seiner Güte hat Christus der Kirche Führer gegeben, die den Weg weisen können. Der „ewige Hirt Jesus Christus (hat) die heilige Kirche gebaut. . ., indem er die Apostel sandte, wie er selbst gesandt war vom Vater (vgl. Joh 20,21). Er wollte, daß deren Nachfolger, das heißt die Bischöfe, in seiner Kirche bis zur Vollendung der Weltzeit Hirten sein sollten. Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den hl. Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament eingesetzt“ (Lumen gentium, Nr. 18). Die Weisheit Christi hat also eine Struktur gewollt, die den Hirten die Aufgabe überträgt, das Volk Gottes zum himmlischen Ziel zu führen, wohin es strebt. Diese Hirten stehen ganz im Dienst ihrer Brüder und müssen sich ganz der Entfaltung christlichen Lebens widmen. Um ihre Aufgabe erfüllen zu können, ist es notwendig, daß sie akzeptiert werden. Ich weiß, daß ihr schwere Wochen erlebt habt. Die jüngsten Bischofsernennungen haben einige von euch schwer getroffen. Sie fragen sich: Wozu diese Spannungen? Ich will euch in aller Ehrlichkeit sagen, daß der Papst vor jeder Bischofsernennung das Leben einer Ortskirche zu verstehen versucht. Er läßt sich informieren und beraten, so wie es kirchlichem Recht und Brauch entspricht. Ihr werdet verstehen, daß die Meinungen manchmal geteilt sind. Letztlich muß dann doch der Papst entscheiden. Muß er seine Entscheidung begründen? Die Diskretion erlaubt es nicht. Glaubt mir, Brüder und Schwestern, dieses Leiden an der Kirche bereitet mir Schmerzen. Aber seid davon überzeugt, daß ich wirklich zugehört, alles gut erwogen und gebetet habe. Und ich habe im Angesicht Gottes denjenigen ernannt, der mir dafür der geeignetste erschien. Akzeptiert ihn um der Liebe Christi willen als denjenigen, der mitten unter euch den Guten Hirten der Kirche verkörpert. Christus hat seine Kirche wie ein wohlgeordnetes freies Volk geordnet. Ihr seid ein Volk, das seine Freiheit als sehr hohen Wert hebt. Euer Volk hat achtzig Jahre lang für seine politische Freiheit gekämpft. Oft habt ihr im Laufe der Jahrhunderte Menschen bei euch auf genommen, die in ihrem eigenen Vaterland verfolgt wurden. 491 REISEN Die Autorität derer ehren, die zum geistlichen Amt berufen sind Aber ihr habt auch erfahren, daß man die Freiheit nicht mißbrauchen darf. Wenn die Freiheit kein Ziel hat, wenn sie nichts von dem Gesetz wissen will, das in die menschlichen Herzen eingeschrieben ist, wenn sie nicht auf die Stimme des Gewissens hört, dann wendet sie sich gegen den Menschen und gegen die Gesellschaft. Auch im kirchlichen Leben muß sie sich entfalten in Ehrerbietung vor der Autorität derer, die von Christus in ihr geistliches Amt berufen sind. So muß die Zusammenarbeit „frei und geordnet“ sein. Die Erfahrung zeigt übrigens, daß die Freiheit sich am besten entwickelt, wenn sie sich an die Regeln des Sittengesetzes hält und die Richtlinien annimmt, die die Hirten des Volkes Gottes geben. Unser Glaube lehrt uns, daß wir die wahre Freiheit in Christus finden, der gesagt hat: „Die Wahrheit wird euch freimachen“, und auch: „Ich bin die Wahrheit.“ Wirklich, Christus ruft uns zur wahren Freiheit. Nur er kann uns ganz freimachen. Darum verwendet die Kirche überall in der Welt soviel Sorge auf die Verteidigung und Förderung wirklicher menschlicher Freiheit. 5. In diesem Augenblick sind wir alle um Maria versammelt, die süße Mutter von Den Bosch. Millionen Menschen haben im Laufe der Jahrhunderte auf ihrem Lebensweg kurz innegehalten, um bei ihr sein zu können, um ihr ihre Wünsche, ihre Sorgen, ihre Gedanken anzuvertrauen, um bei ihr zu beten und neue Kräfte aus ihrer liebenswürdigen Heiligkeit zu gewinnen, die zur gleichen Zeit auch von soviel evangelischer Einfalt durchwoben ist. Das Zweite Vatikanische Konzil hat Maria als Muster der Gläubigen dargestellt, die über allen steht und ein ganz besonderes Glied der Kirche ist. Im Glauben und in der Liebe ist sie das typische Vorbild der Kirche. Gerade weil Maria auf den Anruf und die Offenbarung Gottes Antwort gegeben hat, ist sie zum Zeichen der Hoffnung und des Vertrauens geworden. Ihr Leben war gezeichnet vom tiefsten Leid und Schmerz und von Unsicherheit. Sie ist daran nicht zugrunde gegangen. Sie behielt den festen Glauben, daß in Erfüllung gehen würde, was ihr der Herr gesagt hatte. Ihr ganzes Leben lang wiederholte sie es, erfüllt vom Heiligen Geist, oder in dürrer Finternis: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut“ (Lk 1,46-48). 492 REISEN Sie ist „Bild und Anfang der in der kommenden Weltzeit zu vollendenden Kirche . . so leuchtet sie auch hier auf Erden in der Zwischenzeit bis zur Ankunft des Tages des Herrn (vgl. 2 Petr 3,10) als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voran“ (Lumen gentium, Nr. 68). Es ist eine gute Angewohnheit, nach dem Vaterunser ein Ave Maria zu beten. So wenden wir uns an die Mutter des Herrn mit den Worten, mit denen der Erzengel Gabriel sie begrüßte: „Gegrüßet seist Du, Maria, voll der Gnade.“ Und wir bitten um ihre Fürbitte „jetzt und in der Stunde unseres Todes“. Von Maria können wir Pilger lernen, daß der christliche Glaube letzten Endes in der vertrauensvollen Hingabe an Gott wurzelt, der die Liebe selbst ist. Maria ist das leuchtende Vorbild solcher Hingabe. Mögen wir wie sie Gottes Wort in unserem Herzen bewahren und so reiche Frucht bringen. Amen. Ziele christlicher Unterweisung Ansprache an die Vertreter der katholischen Schulen in ’s-Hertogenbosch am 11. Mai Von Herzen begrüße ich Sie, die Sie für den katholischen Unterricht hier in den Niederlanden verantwortlich sind: Leiter und Rektoren, Lehrer, Laien und Ordensleute, Repräsentanten der Elternvertretungen und Eltern, die für ihre Kinder eine katholische Schule gewählt haben. Ich versichere Ihnen, daß ich mich sehr freue, mit Ihnen über die edle und ernste Aufgabe sprechen zu können, die Sie erfüllen und lieben. Die Schule ist ein Sektor des menschlichen Lebens, der in vielen Ländern ernsthafte Probleme mit sich bringt, mag das auch am Vorabend des Jahres 2000 recht sonderbar erscheinen. Leider nicht nur in den Gebieten, die noch alphabetisiert werden müssen und in denen das gesellschaftliche Leben stagniert, oder dort, wo der Staat unrechtmäßig das unveräußerliche Recht unterdrückt, das den Familien zubilligt, eine Schule wählen zu können, die der moralischen und religiösen Überzeugung angemessen ist, sondern auch in hochentwickelten Ländern: dort, wo Spannungen herrschen bei den verantwortlichen Stellen, die einander in 493 REISEN richtiger Weise ergänzen sollten, oder dort, wo der Lehrstoff und die Erziehungsmethoden andauernd so sehr in Frage gestellt werden, daß es die Schüler und Eltern verwirrt und die Lehrer entmutigt. 1. Die katholischen Schulen haben in den Niederlanden eine Stellung, um die sie viele Länder beneiden. Die niederländische Gesetzgebung, welche die Rechte des konfessionellen Unterrichts regelt, wird als eine der besten der Welt angesehen. Sie dürfen nämlich aufgrund des Grundgesetzes selber die Ausgangspunkte und das Ziel Ihrer katholischen Schulen festlegen und innerhalb der gesetzlich bestimmten Bedingungen für die Rechtmäßigkeit auch die innere Ordnung selbst. Sie dürfen selber Lehrer anstellen und zugleich gesetzlich garantierte Ansprüche auf dieselbe finanzielle Unterstützung aus öffentlichen Geldern wie die Staatsschulen geltend machen. Ihre Vorfahren haben all das mit großem Einsatz und schweren Opfern zustande gebracht. Dafür sollten Sie ihnen danken. Im vergangenen und zu Beginn dieses Jahrhunderts ist der katholische Unterricht in diesem Land von Priestern und Ordensleuten mit großer Hingabe entwickelt und zur Blüte gebracht worden, auch durch die großen finanziellen Anstrengungen der Eltern. Heute sind Leistung und Unterricht Ihrer katholischen Schule meistens in den Händen von Laien. Die Sorge für einen guten katholischen Unterricht ist sicher eine der wirksamsten und fruchtbarsten Tätigkeiten, womit sich Laien an der Heilsarbeit der Kirche beteiligen können. Ich freue mich sehr darüber, daß Laien in einem Dienst eingesetzt werden, der für die Kirche von außergewöhnlicher Bedeutung ist. Für den Reichtum und die Vollständigkeit des kirchlichen Bekenntnisses hoffe ich, daß die im Erziehungssektor tätigen Ordensgemeinschaften, die langjährige Erfahrung haben, mit viel Begeisterung weiter an der menschlichen und christlichen Erziehung junger Menschen arbeiten werden. Aus dem Grund meines Herzens möchte ich Ihnen allen danken für Ihren täglichen Einsatz und die Treue gegenüber dem kostbaren Erbe, das Ihnen die Vorfahren hinterlassen haben. 2. Neue Herausforderung für den katholischen Unterricht Dieses Erbe muß man mit großer Sorgfalt behandeln. Denn wie so viele andere althergebrachte Einrichtungen wird auch die katholische Schule andauernd mit neuen gesellschaftlichen Problemen konfrontiert, auf die sie eine geeignete christliche Antwort geben muß. - Die große Pluralität unter den Katholiken stellt uns in der heutigen Zeit 494 REISEN die besondere Aufgabe, einstimmig miteinander im Geist Christi zu leben und zusammenzuarbeiten. - Die jungen Menschen haben nicht mehr oder nur noch unzureichend das Glück, in einem Familienverband leben zu können, der ihr Glaubensleben stärkt. - Hinzu kommt noch, daß viele durch die Säkularisation nicht mehr deutlich sehen, wie Gott in unserer Welt wirkt und wie wir, als Hüter seiner Schöpfung, mit dem Menschen und der Welt umzugehen haben. - Die Kinder anderer Religionen und Kulturen benötigen Ihre besondere Aufmerksamkeit, wenn Sie sie zu unterrichten haben. - Schließlich haben die Kinder in der heutigen Zeit viele Informationen und die unterschiedlichsten Meinungen mittels der Medien zu verarbeiten. Gerade diese Informationen, zusammen mit dem, was sie rund um sich herum wahrnehmen und hören, führen sie oft in die moralische Krise unserer Zeit. Darum ist es für Eltern und Lehrer eine schwere Aufgabe, die jungen Menschen so anzusprechen und zu begleiten, daß sie „Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen“ (Eph 4,13) können, was doch eines der Ziele katholischer Unterweisung ist. Gute Unterweisung heißt Wissen anbieten, damit Einsicht und Fähigkeiten beim Kind entwickelt werden und ihm in der Entwicklung seiner ganzen menschlichen und christlichen Persönlichkeit geholfen wird. Weil die Motive und Erwartungen seitens der Eltern in dieser Zeit so verschieden sind, hat die Schulleitung darauf zu achten, daß die Basis des katholischen Unterrichts nicht verlassen wird. Die Lehrer dürfen nie das Ziel aus den Augen verlieren, das sie im Einklang mit den der katholischen Schule eigenen Merkmalen verfolgen. Es genügt nicht, nur Kenntnisse der Frohen Botschaft zu vermitteln. Die Lehrer und Lehrerinnen sind fortwährend dazu aufgerufen, den Glauben an den Sohn Gottes, den Erlöser der Welt, in der Praxis hochherzig vorzuleben, wie ihn die Kirche bekennt. Das ist darum so wichtig, weil die Jugend die Autorität der Erwachsenen erst gelten läßt, wenn diese in ihrer Lebensweise das wahrmachen, was sie sagen. Der Umgang miteinander und die ganze Unterrichtsorganisation müssen aus diesem Grund von einer beispielhaften Treue zu den christlichen Werten geprägt sein und den Erwartungen der Kirche entsprechen. 3. Die christlichen Werte Die Erklärung des Konzils über die christliche Erziehung bleibt sehr inspirierend und erhellend. Ich nehme mir die Freiheit, einige sehr 495 REISEN bedeutsame Zeilen zu zitieren: „Die Präsenz der Kirche im schulischen Bereich zeigt sich in besonderer Weise durch die katholische Schule. Diese verfolgt nicht weniger als andere Schulen die Bildungsziele und die menschliche Formung der Jugend. Ihre besondere Aufgabe aber ist es, einen Lebensraum zu schaffen, in dem der Geist der Freiheit und der Liebe des Evangeliums lebendig ist. Sie hilft dem jungen Menschen, seine Persönlichkeit zu entfalten . . ., so daß die Erkenntnis, welche die Schüler stufenweise von der Welt, vom Leben und vom Menschen gewinnen, durch den Glauben erleuchtet wird. So erzieht die katholische Schule, indem sie sich den Anforderungen der Zeit gebührend aufschließt, ihre Schüler dazu, das Wohl der irdischen Gemeinschaft wirksam zu fördern, und bereitet sie zum Dienst an der Ausbreitung des Reiches Gottes vor“ (Gravissimum educationis, Nr. 8). In einem Land wie dem Ihren, mit so vielfältigen Glaubensrichtungen und - in den großen Städten - mit so vielen Menschen ganz verschiedener kultureller Herkunft, werden diese Unterschiede mehr als anderswo Achtung vor dem anderen verlangen. Jeder Mensch ist, ungeachtet seiner Möglichkeiten und Grenzen, seiner Eigenart und Herkunft ein Abbild Gottes; das verleiht ihm eine einzigartige Würde, die die größte Achtung verdient. Er hat ein Recht auf den Raum und die Möglichkeiten, sich zu dem Menschen zu entwickeln, zu dem ihn Gott in seiner Güte bestimmt hat. Die Achtung vor dem anderen umfaßt auch, daß man sich für ihn einsetzt. Die katholischen Schulen sollen diese gegenseitige Achtung zur Solidarität untereinander ausbauen. Wir sind alle Brüder und Schwestern, Kinder des einen Vaters. Unter anderem zeigt sich aufgrund der vielen Kinder von Immigranten in Ihrem Land die Gefahr, daß der „andere“ als Last empfunden wird oder sogar die eigene Existenz bedroht. Der andere ist aber unser Bruder, ist unsere Schwester. Man muß ihn dann auch entsprechend behandeln. Die Kinder, die Ihrer Sorge anvertraut sind, werden - wie Sie selbst -zugleich mit komplizierten Strukturen konfrontiert, die das Leben in unserer Gesellschaft oft so schwierig und verwirrend machen. Die jungen Menschen suchen Einsicht und Durchsicht, um nicht darin gefangen zu werden. Sie suchen eine Perspektive. Das ist richtig so. Denn eine Jugend ohne Zukunft, ohne Hoffnung ist keine Jugend. Defätismus ist verhängnisvoll für die Zukunft und für das Heute von Kindern und Jugendlichen. Sie wollen Einsicht in die komplizierten Strukturen und Mittel, mit denen sie Bedrohung und Unheil abwenden und eine Welt aufbauen können, in 496 REISEN der es sich zu leben lohnt. Da könnt ihr sie auf das Vorbild Christi weisen, der unsere Hoffnung ist (vgl. 1 Tim 1,1). Christus hat sich durch die Vorurteile und Gewohnheiten seiner Glaubensgenossen und Landsleute nicht abhalten lassen, auch nicht durch Eigennutz. Selbst daß er mit dem Tod bedroht wurde, hat ihn nicht von seinem Einsatz für die Schwachen und Bedrängten oder von seinem Zeugnis, daß Gott, unser Vater, uns treu ist und uns vergibt, abbringen können. Diese Hoffnung und der vertrauensvolle Umgang mit Mensch und Welt, der daraus folgt, sind durch die Jahrhunderte das typische Merkmal der Christen gewesen und auch jetzt noch das größte Gut, das ihr der Jugend zu bieten habt. Die Hoffnung für die Zukunft erfordert nicht nur Solidarität und Brüderlichkeit der Menschen untereinander, sondern auch die Einsicht, daß Gott in unserer Welt voll Liebe wirkt. Glaube und Liebe sind die Stützen der Hoffnung. Die Achtung des Mysteriums, die Erfahrung von Prüfungen und Sünde, von Freundschaft und Liebe sollen dem jungen Menschen helfen, den Sinn des Lebens zu entdecken. Ich bitte Sie, der Jugend auch im Glauben ein Vorbild zu sein. 4. Die Katechese Die Katechese, die einen wesentlichen Teil im katholischen Unterricht einnimmt, hat einen ganz besonderen Stellenwert unter den Elementen, die für eine harmonische Entwicklung der Persönlichkeit notwendig sind. Nicht die Katechese allein macht eine Schule katholisch. Im Gegenteil, es sind die Strukturen und die Gesamtatmosphäre einer katholischen Schule, die die Katechese ermöglichen. Ihre Aufgabe ist es, den Kindern und jungen Menschen eine Glaubenshaltung beizubringen und ihnen langsam eine lebendige und vollständige Kenntnis von der Wahrheit des Glaubens zu vermitteln. Sie muß auch in verständiger Weise die Reichtümer der Offenbarung vor ihnen entfalten, damit das Leben der jungen Menschen von heute mit seinen Fragen und konkreten Situationen durch den Herrn und seine Kirche, die Hüterin des Glaubensgutes ist, erhellt wird. Solch eine Katechese wird es der Jugend ermöglichen, die Wahrheit vom Schein zu unterscheiden, die Wege der Täuschung und der Verzweiflung zu meiden und den Weg des Glücks einzuschlagen. Das Apostolische Schreiben Catechesi tradendae enthält zu diesem Thema viele Anregungen, die euch zweifellos sehr hilfreich sein können. Eindeutig ist es Aufgabe jedes Lehrers, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Katechese im natürlichen Zusammenhang mit dem ganzen Schul- 497 REISEN betrieb steht. Dies ist nur möglich, wenn die christlichen Werte einen zentralen Platz in der Erziehung einnehmen. Verwaltung, Rektorat, Elternvertretungen und die Schüler selber tragen alle auf ihre Weise mit dazu bei, daß die Schule eine Gemeinschaft werden kann, in der sich die evangelischen Werte voll entfalten können. Nur in einem solchen Terrain kann die Katechese wirklich Wurzel fassen. Von Verwaltung und Schulleitung darf erwartet werden, daß sie den Lehrern und den Schülern die Stunden und die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen, damit den Kindern der unerschöpfliche Reichtum der Lehre Christi regelmäßig und systematisch angeboten werden kann. Eine anziehende Aufgabe der Schulkatechese ist es zu ermöglichen, daß die Offenbarung in fruchtbarer Weise die Lebenserfahrungen junger Menschen in den verschiedenen Phasen ihrer Entwicklung erhellt. Das ist sicher keine leichte Aufgabe in einer Zeit, in der den jungen Menschen immer mehr die Bindung an eine Glaubensgemeinschaft fehlt, die ihren Erfahrungen und Fragen einen Sinn geben kann. Der Religionsunterricht hat diese Fragen und Erfahrungen im Licht der Offenbarung Gottes zu prüfen und zu erhellen. So wird den jungen Menschen nach und nach die nötige Perspektive eröffnet werden. Die niederländischen Bischöfe haben 1982 diese Sichtweise der Katechese in ihrem Hirtenbrief „Die Übermittlung des Glaubens zwischen jung und alt“ vertreten. Ich weiß, daß sich hier auch Vertreter aus dem Bereich der katholischen Universität befinden. Sie haben ihre besonderen, eigenen Möglichkeiten und Schwierigkeiten. Mir fehlt die Zeit, darauf näher einzugehen. Ich würde mich gern mit Ihnen über die Probleme unterhalten, die aus dem katholischen Glauben und der Ausübung der Wissenschaft entstehen. Ich hoffe, daß Sie zusammen mit meinen für Unterricht, Wissenschaft und Kultur zuständigen Mitarbeitern hierüber beraten werden. Katholische Niederländer, wieviel Christen überall in der Welt beneiden Sie um Ihr hervorragendes Unterrichtssystem, das Ihre Vorfahren zusammen mit ihren protestantischen Brüdern aufzubauen wußten. Hüten Sie es gut, erneuern Sie es zum Wohl der Kirche und Ihrer Gesellschaft! 498 REISEN Ein Zeugnis der Bruderliebe geben Predigt während der Laudes mit den Ordensleuten in der Kathedrale in Utrecht am 12. Mai Liebe Brüder und Schwestern! Es freut mich, daß ich diesen Augenblick des Gebetes mit euch verbringen darf, mit euch, die hier die niederländischen Ordensleute vertreten: die Nonnen und Mönche, die den Herrn nicht nur durch ihr Gebet und ihre Liturgie verehren, sondern auch durch ihre Arbeit und ihre Gastfreundschaft; die Tausenden von Schwestern und Brüdern, die sich dem Unterricht, der Krankenpflege und der Missionsarbeit im eigenen Land und in vielen anderen Ländern widmen; die Ordenspriester, die für die Kirche Christi in allen Bereichen der Seelsorge arbeiten. 1. Die Kirche in den Niederlanden hat den Ordensleuten viel zu danken: Englische und irische Mönche haben hier als erste das Evangelium verkündet. Viele Orden und Kongregationen haben in der Geschichte der Emanzipation der Kathoüken in eurem Land eine wichtige Rolle innegehabt. Das Gebet und die Hingabe der Ordensleute haben eurer Kirche ein eigenes Gesicht gegeben. Sogar Straßennamen in dieser Stadt erinnern an die Gegenwart von Ordensgemeinschaften, die hier im Laufe der Jahrhunderte ansässig waren. Die Steine der Kathedrale der hl. Katharina würden uns eine lange und fesselnde Geschichte erzählen können von den Karmelitern und Johannitern, die hier einst gelebt haben. Dieses Gotteshaus kannte Zeiten des Aufbaus und der Blüte, der Krise, des Niedergangs und der Wiedergeburt. Läßt sich darin nicht eine gewisse Ähnlichkeit mit dem religiösen Leben in eurem Land erkennen? Auch dieses hat Blütezeiten erlebt, in denen als Antwort auf die geistige Not zahlreiche Klostergemeinschaften entstanden, die in eurem Land und in den Missionsländern hervorragende Arbeit geleistet haben. Seit einigen Jahren scheint das Ordensleben auf junge Menschen weniger Anziehungskraft auszuüben; das bringt eine besorgniserregende Überalterung mit sich, die viele Erneuerungspläne lähmt. Auch die Ordensgemeinschaften leben aus dem Paschamysterium. Aus dem Mysterium des Todes und der Auferstehung müssen sie den Mut schöpfen, um den Problemen gewachsen zu sein, die sich für die Zukunft des klösterlichen Lebens abzeichnen. 499 REISEN 2. Ich teile eure Besorgnis über den Rückgang der Berufungen. Wo liegt die Ursache? Zweifellos läßt sich manches durch die kulturellen Veränderungen in unserer Zeit erklären. Aber man muß ebenso an den Säkularisierungsprozeß denken, von dem auch das Ordensleben betroffen ist. Es gibt eine Form der Anwesenheit in der Welt, die langsam aber sicher dazu führt, daß die Identität und Transparenz des geweihten Lebens nicht mehr wahrzunehmen ist. Es gehört zum Ordensleben, ein „Zeichen des Widerspruchs“ zu sein (Ansprache an die Ordensleute, 2. Februar 1984). Nicht gegen den Menschen, aber gegen das, was unmenschlich ist in unserer gegenwärtigen Gesellschaft. Nicht gegen die moderne Welt, sondern gerade zu ihrer Rettung. Das Ordensleben behält seine Anziehungskraft, wenn es den Mut hat, Gott im täglichen Leben sichtbar werden zu lassen. Besorgnis um eine falsch verstandene menschliche Entfaltung oder um das Wohlbefinden der Kommunität sowie eine gewisse Verbürgerlichung haben das Suchen nach dem „allein Notwendigen“ geschwächt, von dem das Ordensleben doch Zeugnis geben soll. Die Krise der Berufungen ist nicht an erster Stelle einem Mangel an Edelmut bei den jungen Menschen zuzuschreiben. Sie ist eher eine Folge der Tatsache, daß im Ordensleben nicht mehr genügend ein prophetisches Zeichen der Gegenwart Gottes erkennbar wird, was doch der wichtigste Aspekt dieses Lebens ist. 3. Die Ordenschristen müssen wirklich auf kreative Art erkennen lassen, daß schon ihr Leben als solches eine Bedeutung hat. Die Kirche bedarf weniger der Arbeit der Ordensleute als vielmehr ihrer Anwesenheit. Sie haben auf eine besondere Weise Anteil an dem geweihten Charakter des Volkes Gottes. Sie machen auf ihre Weise verschiedene Aspekte des Evangeliums sichtbar. Aber an erster Stelle bringen sie ihren Zeitgenossen durch ihr Gebetsleben, durch den persönlichen Dialog jedes einzelnen und den der ganzen Gemeinschaft mit ihm, der ihr erster und wichtigster Gesprächspartner im arbeitsreichen Tag bleiben muß, in Erinnerung, daß ein Moment der Ruhe, der wahren Anbetung, fruchtbarer ist als alle anderen Tätigkeiten, auch die apostolischen (vgl. meine Botschaft an die Vollversammlung der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute vom 7. März 1980). Ohne das Zeugnis von Menschen, die in inniger Verbundenheit mit dem Herrn leben, bleiben Predigt und Seelsorge ohne Wirkung. Die Ordensleute müssen durch ihr ganzes Leben Christus sichtbar machen, „wie er auf dem Berg in der Beschauung weilt oder wie er den Scharen das Reich Gottes verkündigt oder wie er die Kranken und Schwachen heilt und die 500 REISEN Sünder zum Guten bekehrt oder wie er die Kinder segnet und allen Wohltaten erweist, immer aber dem Willen des Vaters gehorsam ist, der ihn gesandt hat“ (Lumen gentium, Nr. 46). Unter Ordensleuten ist es gebräuchlich, „Bruder“ und „Schwester“ zueinander zu sagen. Diese Benennung lädt euch ein, wie eine Familie zusammen zu leben. Sie erinnert daran, daß unsere Beziehung zu Gott, der unser Vater ist, sich auswirken muß in einem brüderlichen Verhältnis zwischen allen Menschen. 4. Ihr habt euch zu einem Leben der Jungfräulichkeit „um des Himmelreiches willen“ entschieden. Das ist ein Gnadengeschenk, das das Herz frei macht für eine glühende Liebe zu Gott und euren Mitmenschen. So wird es zur Quelle geistiger Fruchtbarkeit. Zweifellos bringt die Ehelosigkeit, die ihr freiwillig gewählt habt, manchmal ein Gefühl der Einsamkeit mit sich. Das läßt euch eine Leere empfinden, die euch helfen kann, das Leid derjenigen besser zu verstehen, die unfreiwillig zur Einsamkeit verurteilt sind. Und wenn diese Leere bereitwillig angenommen und von Christus erfüllt wird, macht sie euch auch fähig, den Menschen die Liebe des Erlösers nahezubringen und sie zu ihm zu führen. So wird sein Reich der Liebe kommen, und sein Name, der Liebe ist, wird geheiligt werden. Die Wahl, die ihr getroffen habt, ermöglicht es euch nicht nur, euch ganz der Sache des Herrn zu widmen, sondern sie bringt auch das Leben aller Menschen dem eschatologischen Reich Gottes näher und macht es in gewisser Weise schon in der Welt gegenwärtig (vgl. Redemptionis donum, Nr. 11). 5. Ihr seid auch berufen, Christus in seiner Armut darzustellen. Ihr habt ein einfaches, ja ein armes Leben gewählt. Jeden Tag betet ihr: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ Der Kern dieses Gebetes ist das Vertrauen auf Gott. Er sorgt dafür, daß auf dieser Welt für jeden genug da ist, wenn nur die Menschen der Versuchung widerstehen, sich durch Aufhäufen von Konsumgütern sicherstellen zu wollen. Die Edelmütigkeit des niederländischen Volkes ist beispielhaft, und seine Ordensleute setzen sich voll Eifer für viele gute Werke ein. Die Kirche sieht in der Liebe zu den Armen - seien es geistig oder materiell Arme - einen wesentlichen Teil der Nachfolge Christi in seiner Armut. Wenn ihr in materieller Armut lebt, entsprecht ihr damit der Bitte: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ 6. Ihr habt ein Leben in Gehorsam gewählt, um so dem Gehorsam des Erlösers demütig nachzufolgen. Euer tägliches Gebet: „Dein Wille 501 REISEN geschehe“ bezeugt euer brennendes Verlangen, die Absicht Gottes mit der Welt zu verwirklichen. Gewiß, die Unterwerfung unter den Willen Gottes und der Gehorsam gegenüber seinem Gebot sind eine Bedingung für jedes christliche Leben. Doch durch euer Gehorsamsgelübde weist ihr noch besonders auf Christus hin, der gehorsam war bis in den Tod. In diesem Gehorsam zeigt sich eure volle Verfügbarkeit gegenüber dem Heiligen Geist, der vor allem in der Kirche wirkt, sich aber auch in den Regeln und Konstitutionen eurer Gemeinschaften kund tut. Diese Verfügbarkeit wird die Seele eurer Unterwerfung gegenüber euren rechtmäßigen Obern sein, die, mit den Augen des Glaubens betrachtet, den Willen Gottes vermitteln. Sie wird auch Gestalt finden im großmütigen Gehorsam gegenüber dem Lehramt der Kirche, das die Reinheit der Lehre und den rechten Gottesdienst schützen muß und pastorale Leitungsaufgaben erfüllt. Euer freiwilliger Gehorsam ist ein besonderer Ausdruck eurer inneren Freiheit. Indem ihr so den Willen des Vaters erfüllt, wirkt ihr durch euer „Ja“ mit am Aufbau der Kirche seines Sohnes im Heiligen Geist, der das Ordensleben erweckt. Um den Willen des Vaters immer besser erfüllen zu können, darf der regelmäßige Empfang des Sakramentes der Versöhnung nicht vernachlässigt werden. 7. Liebe Brüder und Schwestern! Ich möchte hier den Dank der Kirche aussprechen für euer Leben nach den evangelischen Räten, das eure große Liebe zu Christus zum Ausdruck bringt. Ich wiederhole auch, daß sie großes Vertrauen in euch setzt und auf eure hochherzige Mitarbeit rechnet, in Übereinstimmung mit ihrer Lehre und ihren Richtlinien zu denken und zu handeln. Die Kirche in den Niederlanden kann viel von eurem Einsatz erwarten. Ich fordere euch auf, euch erneut zu bemühen und euch nicht entmutigen zu lassen durch die Schwierigkeiten einer säkularisierten Welt. Wenn das Ordensleben in großer Treue und ganzer Hingabe gelebt wird, dann bedeutet es eine Kraft zur Erneuerung des ganzen christlichen Lebens. Gebt großzügig Antwort auf diese Herausforderung. <108> <108> Wir sind aber Sünder und bekennen das auch, wenn wir im Vaterunser bitten: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem.“ Dieses tägliche Gebet für euer Gemeinschaftsleben wird eine kostbare Hilfe sein bei den Schwierigkeiten, die sich in euren gegenseitigen Beziehungen zeigen können. So werdet ihr Zeugnis ablegen von wahrer Brüderlichkeit, die erkennen läßt, daß Christus in eurer Mitte lebt. Dieses Zeugnis der Bruderliebe wird für die Menschen der Gegenwart, 502 REISEN die geistig müde geworden sind, eine Stütze und eine Hoffnung sein. So wird die Welt von heute die Frohe Botschaft nicht von bedrückten und traurigen Menschen empfangen, sondern von Dienern des Evangeliums mit der Ausstrahlungskraft jener Freude, die sie selber von Christus empfangen haben (vgl. Redempüonis donum, Nr. 16). Die Jungfrau Maria, die ganz und vollkommen Gott geweiht war, das erhabenste Vorbild aller gottgeweihten Menschen, möge eurer Hochherzigkeit neuen Antrieb geben. Sie schenke euch in eurem gottgeweihten Leben ihren besonderen Beistand (vgl. Redemptionis donum, Nr. 17). Mit dieser Bitte an sie verbinde ich mein Gebet zu ihrem Sohn, euch Licht und Kraft zu schenken. Ich segne euch von ganzem Herzen. „Maria beschütze euch und eure Familien“ Vor dem Regina Caeli in Utrecht am 12. Mai Zu dieser Stunde werden wir eingeladen, unsere Gedanken mit dem traditionellen Gebet des Regina Caeli auf Maria zu richten. Die niederländischen Katholiken haben im Laufe der Jahrhunderte ihre Verehrung für die Gottesmutter nachdrücklich bezeugt. Sie haben ihr Kirchen und Kapellen geweiht und in allen ihren Nöten voll Vertrauen die Marienfeste gefeiert. Ich mache mich zum Wortführer dieser tiefverwurzelten Überzeugung, die eure Vorfahren euch überliefert haben und die ihr voll Stolz bewahrt. Zusammen mit euch und mit allen, die über Rundfunk und Fernsehen mit uns verbunden sind, richte ich das Regina Caeli an die seligste Jungfrau Maria. Eine Welle österlicher Freude durchströmt die Verse dieser herrlichen Antiphon. Maria beschütze euch und eure Familien sowie das ganze Gottesvolk, das, angespornt von der Hoffnung auf die himmlische Heimat, in dieser Region auf dem Weg ist. Nach dem Regina Caeli sagte der Papst: Ich möchte euch auch auffordern, für die Flüchtlinge zu beten und euren Einsatz für sie zu verstärken. Am 11. Mai des vergangenen Jahres habe ich in Thailand ein Flüchtlingslager besucht und konnte mich einmal mehr von der dramatischen Situation überzeugen, die Millionen Menschen betrifft. Es ist ein äußerst ernstes menschliches Problem, das mein Herz 503 REISEN bedrückt. Während ich mein inständiges Gebet für die Leiden so vieler unschuldiger Menschen an die selige Jungfrau erneuere, möchte ich noch einmal ihre Sache bei allen Personen vertreten, die aufrichtig für die Förderung der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt arbeiten. Das Gewissen - Weg zur Wahrheit Ansprache an die Vertreter der gesellschaftlichen Organisationen in Utrecht am 12. Mai Meine Damen und Herren, Vertreter der gesellschaftlichen Organisationen! 1. Ihre freundliche Wortführerin hat die große Freude aller über diese Begegnung mit dem Papst zum Ausdruck gebracht. Ich danke ihr dafür von Herzen. Seien Sie versichert, daß diese Freude beiderseitig ist. Ich habe das Gefühl, daß ich durch Sie zahlreichen wichtigen Sektoren des gesellschaftlichen Lebens in den Niederlanden begegne. Darum gelten meine herzlichen Grüße, die zuallererst an Sie gerichtet sind, ebensosehr den Männern und Frauen, die Sie vertreten. Allen, die tätig sind in Landwirtschaft und Gartenbau, in Handel und Industrie, in Schiffahrt und Fischerei, in der öffentlichen Dienstleistung und behördlichen Einrichtungen, in Frauenbewegungen und im Gesundheitswesen, in Sport und Tourismus, im Informationswesen und im Bereich der Kultur, im Feld der Sozialarbeit unter Gastarbeitern und Erwerbslosen. All diese Organisationen und noch viele andere mehr sind ein Abbild der Freuden und der Sorgen der niederländischen Gesellschaft. Ich empfinde diesen Organisationen gegenüber Achtung und Interesse. 2. Sie werden verstehen, daß es nicht möglich ist, mit Ihnen allen ins Gespräch zu kommen über die wichtigsten Themen, die von den verschiedenen Sprechern und Sprecherinnen berührt worden sind, nämlich Dienst und Sorge, Emanzipation und Solidarität. Zu diesen Fragen gehören technische Aspekte, die nicht unter meine Kompetenz fallen. Und vor allem, ich beginne erst, mit Ihrer Sprache einigermaßen vertraut zu werden. Als ich jedoch anhörte, was Sie vorhin gesagt haben, habe ich gut 504 REISEN verstanden, daß das Hauptanliegen all Ihrer Organisationen die Sorge um die Würde des Menschen ist, mit allen Folgen, die sich daraus ergeben. „Der Mensch zählt“, sagen Sie. Ich begreife, daß diese Erklärung aus Ihrem Mund ein Beweis der Treue gegenüber den allerersten Seiten der Bibel (vgl. Gen 1,26-27) und der Lehre Christi ist. Ich denke sogar, daß Sie, wie viele Christen, von den Worten Pilatus’ beim Prozeß gegen Jesus beeindruckt sind, Worte, die einen viel tieferen Sinn besitzen, als der Statthalter von Judäa vermuten konnte: „Ecce homo“ - „Seht den Menschen!“ Ja, Jesus von Nazaret, der sich Gott ganz öffnete und sich radikal für seine Brüder einsetzte, ist das einmalige Vorbild des Menschen. Ihr Motto „Der Mensch zählt“ zeigt auch, daß Sie mit der Lehre des kirchlichen Lehramts in Einklang bleiben wollen. Ihre Überzeugungen und Ihr Handeln gründen sich auf diese Quellen. Sie haben zum Beispiel sicherlich den Reichtum erfaßt, den der folgende Satz aus der Pastoral-konstitution Gaudium et spes des Zweiten Vatikanischen Konzils birgt: „Nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes klärt sich das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf“ (Nr. 22). 3. Ja, der Mensch zählt! Da es nicht möglich ist, alle aufgeworfenen Fragen mit Ihnen zu behandeln, will ich lieber auf einen Aspekt eingehen, der für uns alle von grundlegender Bedeutung ist, ob wir uns zu einer Religion bekennen oder nicht, nämlich das Gewissen. Mir scheint, daß es für Sie wichtig und nützlich wäre, persönlich und gemeinsam nach der Formung und Erneuerung des Gewissens zu streben. Die optimistischsten Beobachter unserer Gesellschaft können nicht verhehlen, daß auf diesem wichtigen Gebiet große Verwirrung herrscht. Sie sprechen von einem zügellosen Subjektivismus des Gewissens und von einem Relativismus, der durch die Medien .und die Pluriformität der Gesellschaft erheblich gefördert wird. Ist dies nicht die tiefste Tragödie in unseren sogenannten hochzivilisierten Ländern? Und ist dies keine Gefahr für die Völker der Dritten Welt, mit denen die reichen Länder zahlreiche wirtschaftliche, kulturelle und touristische Verbindungen unterhalten? Gewiß, fast überall bemühen die Regierungen sich, soziale und politische Reformen durchzuführen. Aber ruht darauf keine Hypothek, zumindest teilweise, wenn das Gewissen des Menschen falsch funktioniert und der menschliche Geist seine Klarheit und moralische Kraft verloren hat? 4. Unsere pluralistische Gesellschaft, die allen Strömungen ausgesetzt ist, erfordert ein menschliches Gewissen, das erleuchtet, frei und verantwortungsbewußt ist. In der Pastoralkonstitution Gaudium et spes heißt es mit Recht: „ ... Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, 505 REISEN das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft und, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt: Tu dies, meide jenes. Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet wird. Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist. Im Gewissen erkennt man in wunderbarer Weise jenes Gesetz, das in der Liebe zu Gott und dem Nächsten... seine Erfüllung hat. Durch die Treue zum Gewissen sind die Christen mit den übrigen Menschen verbunden im Suchen nach der Wahrheit und zur wahrheitsgemäßen Lösung all der vielen moralischen Probleme, die im Leben der einzelnen wie im gesellschaftlichen Zusammenleben entstehen. Je mehr also das rechte Gewissen sich durchsetzt, desto mehr lassen die Personen und Gruppen von der blinden Willkür ab und suchen sich nach den objektiven Normen der Sittlichkeit zu richten“ (Nr. 16). 5. Was hat dies mit den konkreten Fragen zu tun, die manche von Ihnen vorhin gestellt haben? Sicherlich sehr viel! Das menschliche Gewissen kann in solchen Angelegenheiten die Werte von den Unwerten, die befreienden Elemente von den Faktoren der Zersetzung niemals genügend unterscheiden. Das menschliche Gewissen, das seines Namens würdig ist, ist auf dem Weg zur Wahrheit. Die geheimnisvolle Forderung des Herrn, die von Natur aus im Gewissen widerhallt, wird durch das Wort Gottes verdeutlicht, das durch die lebendige Tradition der Kirche bewahrt wird. Sehr verehrte Damen und Herren, Sie alle, Männer und Frauen, die Sie mir zuhören wollen, ich wage Ihnen zu sagen: Vertiefen Sie Ihren Umgang mit Jesus Christus! Er ist der Erzieher zu einem erwachsenen Gewissen. In den drei Jahren seines öffentlichen Lebens ergriff er jede Gelegenheit, das Gewissen seiner Zuhörer, insbesondere der zwölf Apostel, zu erleuchten. Er appellierte an das Gewissen des Schriftgelehrten, der ihn fragte, was er zu tun habe, um das ewige Leben zu erlangen (vgl. Lk 10,25-26). Den Schriftgelehrten und Pharisäern, die eine Frau zu ihm brachten, die beim Ehebruch ertappt worden war, stellte Jesus eine Frage, die an das Gewissen jedes einzelnen von ihnen appellierte (vgl. Joh 8,7). Als er sah, wie die Pilger ihre Gaben in den Opferstock warfen, nutzte er diese Gelegenheit dazu, seine Jünger zu tiefem Nachdenken über den persönlichen Wert des Gebens zu bringen (vgl. Mk 10,41-44). Der Anruf, den er an den reichen jungen Mann richtete, wurde für seine 506 REISEN Apostel Anlaß, sich wieder auf die Forderungen ihrer eigenen spontanen Entscheidung für ihn zu besinnen (vgl. Mk 10,23-28). Wie oft hören wir von unserem Meister einen Hinweis auf die entscheidende Rolle des Herzens, wenn es darum geht, den Wert des menschlichen Handelns zu bestimmen! In das Herz wird das Wort Gottes gesät, um dort Frucht zu tragen (vgl. Mt 13,19). Nur aus einem reinen Herzen können gute Worte und Taten kommen, vor allem Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Treue (vgl. Mt 12,34; 18,35; 23,23-26). Äußerliche Befolgung des Gesetzes bedeutet sehr wenig, wenn das Herz verblendet oder böse ist; denn einer solchen unreinen Quelle entspringt das Unrechte Denken und Handeln, das den Menschen unrein macht (vgl. Mt 9,34; 15,18-20). Darin besteht der tragische Zwiespalt des Herzens: Es ist die Quelle unseres sittlichen Handelns, kann aber böse und mitschuldig an Ungerechtigkeit werden. Das Herz, mit anderen Worten das Gewissen, muß also gereinigt und geformt werden. So lehrt uns Jesus: „Achte also darauf, daß in dir statt Licht nicht Finsternis ist“ (Lk 11,35). Das Gewissen ist eine lebendige, keine statische Wirklichkeit. Es entwickelt sich auf eine immer bessere Kenntnis der Werte hin. Christus spornt seine Jünger an, auf diesem Weg fortzuschreiten. Und nach und nach enthüllt er ihnen, daß es einen Wert gibt, der alle anderen übersteigt: die Liebe. Das Gebot der Liebe, das das Gesetz des Alten Bundes und die Propheten einschließt, muß das Gesetz des eigenen Gewissens werden. Wie kann man menschliches Gewissen und Gesetz, Liebe und Gebote des Herrn gegeneinander stellen? Die Formulierung der Zehn Gebote ist sicherlich schematisch. Man kann aber doch sagen, daß sie eine Synthese des gesamten Inhalts des Gewissens der Menschheit ist, alles dessen, was der Schöpfer in das Herz der Menschen eingeschrieben hat, bevor er es im Dekalog niederlegte, den er Mose gab. 6. Männer und Frauen der Niederlande, die Sie zu dieser Begegnung gekommen sind! Der Papst freut sich über ihre Aufmerksamkeit. Er setzt sein volles Vertrauen in Sie. Im Namen Christi ermutigt er Sie, Ihren Brüdern und Schwestern auf den verschiedenen Bereichen Ihrer Berufstätigkeit zu dienen. Arbeiten Sie ebenso bescheiden wie eifrig an der Erneuerung der Gewissen. Setzen Sie sich für ein neues Aufblühen eines authentischen Humanismus ein, der zugleich personalistisch und sozial ist. Ich beende meine Ansprache mit einem Text meines Vorgängers, Paul VI.: „ ... Es geht darum, eine Welt zu bauen, wo jeder Mensch, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der Abstammung, ein volles menschliches Leben führen kann, frei von Versklavung seitens der Men- 507 REISEN sehen oder einer noch nicht hinreichend gebändigten Natur; eine Welt, wo die Freiheit nicht ein leeres Wort ist, wo der arme Lazarus an derselben Tafel mit dem Reichen sitzen kann“ (Populorum progressio, Nr. 47). Männer und Frauen der Niederlande! Die Generationen, die Ihnen vorausgegangen sind, haben viel zur Geschichte der Zivilisation beigetragen. In dem Kontext eines Europa und einer Welt, die gewiß verschieden sind, sind Sie Ihrerseits dazu aufgerufen, den Menschen zu retten, in Ihrem eigenen Land und auch außerhalb. Ihr Realitätssinn und Ihr Durchsetzungsvermögen, Ihr Einfallsreichtum und Ihre Anhänglichkeit an die evangelischen Werte geben mir Zuversicht. Und vor allem: Der Herr geht Ihnen auf wunderbare Weise voraus und begleitet Sie bei der Errichtung seines Reiches: des Reiches der Wahrheit und des Lebens, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens, des Reiches der Heiligkeit, das zugleich die Herrlichkeit Gottes und das Glück des Menschen ist. Auf Sie alle, die Sie hier versammelt sind, und auf die Männer und Frauen in Ihren verschiedenen Arbeitskreisen flehe ich Gottes Licht und Kraft herab, auf daß Sie alle zusammen an der Erweckung und Formung des Gewissens mitarbeiten mögen, das das unersetzliche Fundament für eine Zivilisation ist, die sowohl des Menschen wie auch Gottes würdig ist. Braucht man noch Missionare? Ansprache bei der Begegnung mit den Missionaren und Hilfseinrichtungen für die Dritte Welt in Utrecht am 12. Mai <109> <109> Es freut mich, euch hier begrüßen zu können, Missionare und alle, die an der Mission und Hilfe in den Entwicklungsländern mitarbeiten. Eure Arbeit kennzeichnet sich durch die große Unterschiedlichkeit der Einrichtung und Dienste, wie Gesundheitswesen, wirtschaftliche und technische Hilfe, Begegnungszentren, oder Werke, die sich mehr auf die Evangelisation ausrichten, wie die Päpstlichen Missionswerke, die eng verbunden sind mit meiner seelsorgerischen Aufgabe als erster Verkündiger des Evangeliums. Das alles zeugt von eurem Sinn für das Umfassende, von der weltweiten Sicht eures Einsatzes als Mitglieder der großen Familie, welche die Weltgemeinschaft bildet (vgl. Ansprache an die Internationale Konferenz für Arbeit in Genf vom 15. Juni 1982). Durch euer Beispiel weist ihr auf das, was in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes des 508 REISEN Konzils geschrieben steht, deren 20. Jahrestag wir in diesem Jahr begehen: „Wer immer im Gehorsam gegen Christus zuerst das Reich Gottes sucht, der stärkt und läutert dadurch seine Liebesgesinnung, um allen seinen Brüdern zu helfen und unter dem Antrieb der göttlichen Liebe das, was die Gerechtigkeit verlangt, zur vollen Verwirklichung zu führen“ (Nr. 72). 2. Die liturgischen Texte der Eucharistiefeier, zu der wir am 6. Sonntag der Osterzeit heute abend versammelt sind, sind sehr geeignet, einen starken Widerhall in euren Herzen zu wecken und euren Eifer anzuspornen. Die Lesung aus der Apostelgeschichte berichtet uns vom Besuch des Petrus beim Hauptmann Kornelius in Caesarea und von der Offenbarung, die dem Haupt der Apostelgemeinschaft zuteil wurde: daß alle Menschen berufen sind, der Kirche anzugehören: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, daß Gott nicht auf die Person sieht, sondern daß ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist“ (Apg 10,34-35). Und der Text aus dem Evangelium des Johannes lädt uns ein, zu verstehen, daß die Berufung durch Gott ein Geschenk, aber gleichzeitig eine Verantwortung ist: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). 3. Während meiner vielen apostolischen Reisen bin ich zu meiner Freude verschiedentlich auf Zeugnisse von Antworten gestoßen, die euer Land auf den Ruf Christi gegeben hat. Ihr habt - wie die Apostel - den Ruf vernommen, eure Deiche zu verlassen, die Deiche, die für euch dem Meer ein nicht unbeträchtliches Landstück abgerungen haben. Ihr wart bereit, in See zu stechen: Eure Missionare, zahlreiche männliche und weibliche Ordensgemeinschaften sowie engagierte Laien sind ausgezogen, anderen Völkern die Frohbotschaft zu bringen, die ihr vor ihnen empfangen habt. Und euer Werk hat heute noch bleibende Früchte gebracht. Die Kirche eures Landes hat den Namen Christi und die Wohltaten seiner Liebe zu allen Völkern getragen, von den Inseln des Indischen Ozeans bis nach Amerika, vom Stillen Ozean bis nach Afrika. Als heutige Früchte sehen wir die blühenden jungen Kirchen mit einheimischen Berufungen und dem einheimischen Klerus. Zahlreiche karitative Einrichtungen werden durch eure hochherzige Unterstützung der Mission in vielfacher Weise gefördert, angefangen vom Päpstlichen Missionswerk zur Verbreitung des Glaubens und dem Kindermissionswerk bis hin zum Einsatz von Fach- und Mitarbeitern. Nicht zu 509 REISEN vergessen ist die unermüdliche Hingabe zahlreicher Missionare und Mis-sionarinnen, Priester und Ordensleute aus ihrem Land. 4. Angesichts der Entwicklung neuer Christengemeinden, die selbständig sein wollen, angesichts des Entstehens eines Klerus und einheimischer Ordensleute, angesichts der sachkundigen Katecheten, die ihre Umgebung evangelisieren, stellt sich die Frage: Braucht man eigentlich noch Missionare? Warum soll man aus unseren westlichen Ländern Missionare entsenden, die weniger gut verstanden werden und sich weniger gut in die Kultur vor Ort integrieren können? Das Zweite Vatikanische Konzil hat zu Recht unterstrichen, daß die ganze Kirche missionarisch ist: Der Austausch zwischen verschiedenen Kirchen und der Dialog unter den Kulturen sind für ihre Sendung wesentlich. Die Beziehungen zwischen den Kirchen haben sich im Laufe der Geschichte sicher geändert. Man kann heutzutage keinen deutlichen Unterschied mehr machen zwischen Kirchen, die evangelisieren, und Kirchen, die zu evangelisieren sind. Wir haben einen Wandel der Missionsstrukturen festgestellt, der, wie ihr auch selbst erfahren habt, mit Schwierigkeiten und Sorge verbunden war, wie das beim Werden und Wachsen immer der Fall ist. Aber es ist und bleibt wahr, daß der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen alten und jungen Kirchen für die Lebendigkeit aller Kirchen notwendig sind und eine Bereicherung für alle bedeuten. Die Mission dient auch dem Frieden Durch die Verkündigung wird gleichzeitig die ganze Kirche evangelisiert. Eine Teilkirche würde in ihrem Kirche-Sein verarmen, wenn sie sich von anderen Kirchen absondern würde und den universalen Charakter der Kirche Christi vergäße, von dem uns in der Lesung aus der Apostelgeschichte berichtet wird. Im brüderlichen Austausch zwischen den Teilkirchen gibt und empfängt jede Kirche, in der Einheit der einen „universalen Kirche... ohne Schranken und Grenzen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 61). Der Reichtum einer jeden Kirche kommt allen zugute. Papst Paul VI. hat bereits gesagt: „Für die Kirche geht es nicht nur darum, immer weitere Landstriche oder immer größere Volksgruppen durch die Predigt des Evangeliums zu erfassen, sondern zu erreichen, daß durch die Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien, die bestimmenden Werte, die Interessenpunkte, die Denkgewohnheiten, die Quellen der Inspiration und die Lebensmodelle der Menschheit, die zum Wort Gottes und zum Heilsplan im Gegensatz stehen, umgewandelt werden“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 19). 510 REISEN 5. Wie könnte man nicht die wahre Bedeutung der Sendung der Kirche sehen? Gewiß, die Missionierung muß mit dem Bemühen um die Förderung des Menschen, die für gesellschaftliche Entwicklung, die Befreiung von Unterdrückung, verbunden mit der Bekämpfung alles dessen, was den Menschen zu einem menschenunwürdigen Leben verurteilt, Hand in Hand gehen. Von Anfang an haben sich die Missionare für diese Ziele eingesetzt und so einen überzeugenden Beweis der Glaubwürdigkeit ihrer missionarischen Tätigkeit geliefert. Diese hochherzige Tradition soll fortgesetzt werden. Die vielen Organisationen, die daraus entstanden sind, zeugen von eurem Willen, diesen Weg der Solidarität fortzusetzen. Doch die kirchliche Sendung der Evangelisation darf nicht auf ausschließlich sozialwirtschaftliche Hilfeleistung reduziert und auch nicht mit ihr verwechselt werden. Die Evangelisation ist die erste Pflicht und der besondere Auftrag der Kirche: Sie besteht in der Verkündigung der Frohbotschaft vom Heil in Jesus Christus, der uns vom Bösen und der Sünde befreit hat und uns zur Liebe Gottes führt, in der alle Menschen Brüder sind. In diesem Sinn ist die Kirche da, „um zu evangelisieren“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 14). Nur so bringt sie den Menschen zur vollen Entfaltung, weil sie ihn für Gott, das Absolute, öffnet. Dieses Offen-Sein für Gott ist in der Tat die eigentliche Würde des Menschen, sein innerlicher Reichtum, die Energiequelle, die ihn befähigt, die höchsten persönlichen und gesellschaftlichen Werte zu verwirklichen. Diese riesige Aufgabe verlangt zahlreiche überzeugte Mitarbeiter. In eurem Land, das so viele Missionsberufe hervorgebracht hat, richte ich einen besonderen Aufruf an die junge Generation. Viele von euch sind in der Lage, darauf zu hören. Der Herr hält mich dazu an, in die Jugend Vertrauen zu haben. Wie oft schon hat sich meine Hoffnung erfüllt! 6. Es geht um einen Auftrag, der den Einsatz jedes einzelnen Christen verlangt, der aber unsere Möglichkeiten übersteigt. Allein der Heilige Geist kann die Gnade schenken, welche die Herzen für die Verkündigung des Evangeliums öffnet. Wir wollen deshalb innig darum beten, damit wir diese Gnade von Gott erlangen. Trotz Prüfungen und Schwierigkeiten verspürt die Kirche in unserer Zeit das starke Wehen des Geistes. Die Gläubigen in den jungen Kirchen und die Gläubigen in den Ländern alter christlicher Tradition, z. B. in eurem Land, erleben zahlreiche Zeugnisse der unverwüstlichen Lebendigkeit der Kirche, so wie es ihr Gründer bereits dem Petrus verheißen hat: „Die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18). Das Gebet verbindet uns mit Gott, läßt uns an seiner Liebe teilhaben und 511 REISEN gibt uns Kraft und Mut zur Tat. „Mehr als irgend jemand ist der wahre Liebende erfinderisch im Entdecken der Ursachen des Elends, im Finden der Mittel, es zu bekämpfen und zu besiegen (Populorum progressio, Nr. 75). Das Gebet soll es euch auch ermöglichen, in den Menschen, denen ihr technische oder materielle Hilfe leistet, eure Brüder und Schwesten zu sehen. „Jedes Volk merkt sehr schnell, ob seine Helfer mit oder ohne Zuneigung zugreifen, ob sie nur Technik bringen oder die Würde der Menschen fördern wollen. Ihre Botschaft wird nur dann angenommen, wenn sie von brüderlicher Liebe getragen ist“ (ebdNr. 71). 7. Unsere Welt wird „durch Kriege und durch Streitigkeiten der Völker untereinander gespalten und durch die Möglichkeit einer schrecklichen Atomkatastrophe bedroht. Deshalb ist es nützlich, nochmals daran zu erinnern, daß der Friede nicht allein nur ,die Abwesenheit des Krieges ist, Frucht des stets unsicheren Gleichgewichts der Kräfte. Er wird Tag für Tag aufgebaut durch das Bemühen um die gottgewollte Ordnung, die eine größere Gerechtigkeit unter den Menschen hervorbringt“ (Pacetn in terris, Nr. 163). So sind die Wege der missionarischen Tätigkeit auch die Wege des Friedens, weil sie die Menschen zusammenführt und in einer Bewegung echter Solidarität vereinigt mit dem Ziel, gemeinsam aufzubauen. <110> <110> Liebe Brüder und Schwestern! Ich ermutige euch, eure Arbeit, die vom Eifer für das Reich Gottes und das Heil der Menschen beseelt wird, mit neuem Elan und mit erneuertem Vertrauen in die Sendung der Kirche fortzusetzen. Tut dies in dem Bemühen, die Einheit des Geistes in der Vielfalt der Aufgaben und Pflichten zu bewahren. Diese Einheit ist eine wesentliche Bedingung für das Gelingen der Evangelisation. Jesus selbst hat uns das deutlich gemacht im Gebet an seinem Lebensende: „Alle sollen eins sein..., damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Als Volk Gottes, das hier versammelt ist, wollen wir unsere brüderliche Begegnung beschließen, indem wir das Vaterunser in verschiedenen Sprachen singen. Damit werden wir in gewissem Sinn ein neues Pfingsten erleben, um Maria geschart, den „Leitstern der Evangelisierung“, nach dem treffenden Wort meines verehrten Vorgängers Paul VI. (Evangelii nuntiandi, Nr. 82). Wir Menschen verschiedener Kulturen und Sprachen, alle Kinder des einen himmlischen Vaters, werden unser Ohr und unser Herz öffnen für die eine Sprache des Heiligen Geistes. Er wird uns lehren, die Saat der Gerechtigkeit und Liebe auszustreuen, damit das Reich Gottes komme, damit sein Name geheiligt werde, damit 512 REISEN jedes Kind Gottes, das heißt jeder Mensch, sein tägliches Brot finde, das Brot, das den Leib ernährt, und das Brot, das seine geistlichen und sozialen Erwartungen nährt. Bedenkt die „Zeichen der Zeit“ Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern der Pfarrgemeinden in Utrecht am 12. Mai 1. Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Pfarrer, Diakone, pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ihr alle, die ihr einen Großteil eurer Freizeit in den Aufbau eurer Pfarreien investiert: ich grüße euch alle von Herzen. Ich grüße auch die Zehntausenden von Gläubigen, die in den Pfarreien sowie anderen diözesanen und landesweiten Organismen tätig sind, desgleichen alle, die mit uns über Funk und Fernsehen verbunden sind. Im Namen Christi, des Herrn der Kirche, danke ich euch aufrichtig für euren Einsatz. Ich bin hier, um euch zu ermutigen und anzuspornen, eure Arbeit weiterzuführen. Oft ist sie unauffällig und bleibt unbemerkt. Wie unerläßlich ist sie aber für die Lebenskraft der Kirche, den mystischen Leib Jesu Christi! Ich wünsche von Herzen und bitte den Herrn, daß meine Worte einem jeden von euch neuen Eifer vermitteln und neuen Elan geben als Stütze für euren Einsatz; daß sie euch zugleich neues Licht schenken und die Wege zeigen, die ihr für einen immer wirkungsvolleren Dienst an der Frohbotschaft des Heils nötig habt. 2. Mit großem Interesse bin ich eurer Darstellung der verschiedenen Weisen, wie sich das Pfarrleben in den Niederlanden entfaltet, gefolgt. Ich habe die zahlreichen Aspekte liturgischer, katechetischer und karitativer Aktivitäten bewundert, die sich dank der hochherzigen Beteiligung der verschiedenen Gruppen, aus denen das Gottesvolk besteht, entfalten. Gerade anhand dessen möchte ich euch eine erste Überzeugung mitgeben, die ich häufig betone, nämlich die wesentliche Rolle der Pfarrei im heutigen gesellschaftlichen Kontext und im städtischen Milieu. Wenn man vom Einsatz für die Erneuerung des christlichen Lebens spricht, dann 513 REISEN muß man an erster Stelle die Bedeutung der Pfarrei betonen. Gelegentlich drohen der Pfarrei, ja erschüttern sie schwere Krisen. Dennoch bleibt sie der normale Ausdruck des religiösen Lebens der Christen. Es ist wahr, daß die Pfarrei nicht sich selbst genügt. Sie muß in ein größeres Ganzes aufgenommen sein und Unterstützung von außen erhalten. Aber sie bleibt ein unentbehrliches Organ im Leben der Kirche. Nach der Familie ist sie die erste Schule des Glaubens und des Gebets und der sittlichen Formung. Nach der Familie ist sie der günstigste Raum für die Übung der Nächstenliebe. Sie ist das erste Organ für pastorales und soziales Wirken. Sie ist auch der geeignetste und wichtigste Ort für die Verkündigung und Katechese. In dieser Hinsicht ist die Definition, die der neue Codex des kanonischen Rechtes von einer Pfarrei gibt, sehr deutlich. Er umschreibt sie als eine „bestimmte Gemeinschaft von Gläubigen, die in einer Teilkirche auf Dauer errichtet ist“ (can. 515, Par. 1). Um dies zu verwirklichen, muß die Pfarrei von neuem entdecken, daß sie eine Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe ist. Sie ist nicht nur eine Gemeinschaft von Menschen, die eine Reihe sozialer Funktionen erfüllt. Die Pfarrei stellt vielmehr eine Gemeinschaft von Gläubigen dar, die im Glauben, den sie gemeinsam bekennt, den Grund für ihr Zusammensein findet: das Wort Gottes, das in der Feier der göttlichen Mysterien verkündet und gehört wird. Gottes eigenes Volk berufen zur Verkündigung 3. Gerade und vor allem am Tisch der Eucharistie findet die christliche Gemeinschaft ihre Identität: als auserwähltes Geschlecht, als königliches Priestertum, als heilige Nation, Gottes eigenes Volk, berufen zur Verkündigung seiner ruhmvollen Taten (vgl. 1 Petr 2,9). Wenn der Gläubige an der Eucharistiefeier teilnimmt, drückt er am deutlichsten seine priesterli-che Würde aus, die ihm zukommt, weil er durch die Taufe in Christus zu einem neuen Menschen wiedergeboren ist. Am Tisch der Eucharistie wird aber auch offenbar, daß innerhalb des einen priesterlichen Volkes die Teilhabe an dem einen Priestertum Christi verschieden ist. Denn der, der in der Feier vorsteht, „vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gottes dar“, wie das Zweite Vatikanische Konzil unterstreicht, während „die Gläubigen kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mitwirken“ (Lumen gentium, Nr. 10). Christus selbst hat diesen Unterschied gewollt, der ein Unterschied „dem Wesen und nicht nur dem Grad nach“ ist (ebd.). Er hat es aber gewollt um 514 REISEN des allgemeinen Priestertums der Gläubigen willen, damit ihr Glaube immer lebendiger, ihre Hoffnung immer glaubwürdiger und ihre Liebe immer tatkräftiger wird. Unser Tun, liebe Brüder im Priesteramt, ist daher kein Privileg, sondern ein Dienst. Christus erwartet von uns die gleiche volle Bereitschaft, uns selbst zu schenken, die ihn zum Menschen für die anderen machte. „Gemeint ist die demütige Bereitschaft, die Gaben des Heiligen Geistes anzumahnen und die Früchte der Liebe und des Friedens den anderen weiterzuschenken. Wir müssen bereit sein, ihnen jene Glaubensgewißheit zu vermitteln, die sie den Sinn der menschlichen Existenz tiefer verstehen läßt und sie befähigt, im Leben des einzelnen und in den Lebensbereichen der Menschen die moralische Ordnung zur Geltung zu bringen“ (Brief an die Priester zum Gründonnerstag 1979, Nr. 4). Der Priester, der in diesem Geist seine Sendung lebt, wird den Einsatz von Laien in der Pfarrei gewiß nicht unterbinden, sondern beleben und anregen. Voller Freude wird er sich dem Wirken des Heiligen Geistes überlassen, der „unter den Gläubigen jeglichen Standes besondere Gnaden verteilt. Durch diese macht er sie geeignet und bereit, für die Erneuerung und den vollen Aufbau der Kirche verschiedene Werke und Dienste zu übernehmen gemäß dem Wort: Jedem wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt (1 Kor 12,7)“ (Lumen gentium, Nr. 12). 4. Alle sind berufen, das Leben der Pfarrei aufzubauen. Die Laien sind dabei nicht nur Empfänger oder Gegenstand der Seelsorge. Sie müssen aufgrund ihrer Berufung als Christen Mitvollzieher von Kirche sein. Jeder einzelne ist berufen, Zeugnis vom Geist abzulegen, der ihm geschenkt wurde, gemäß seinen Talenten und Fähigkeiten. Laien haben großen Anteil an der Pastoralarbeit In den Beschlüssen der Partikularsynode der niederländischen Bischöfe wird in Nr. 33 ausdrücklich gesagt: „Die Synodenteilnehmer sind sich bewußt, daß die Laien großen Anteil an der pastoralen Arbeit der Kirche haben. Sie sprechen daher ein Wort der Dankbarkeit den Tausenden von Laien aus, die völlig selbstlos regelmäßig und auf so viele verschiedene Weise mitwirken an Aufgaben wie der Liturgie, Sozialarbeit, Kinder- und Erwachsenenkatechese, gegenseitiger Hilfeleistung sowie der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden. Diese Laien setzen sich dafür ein, daß die Kirche in einer immer stärker säkularisierten Welt präsent ist, und unter 515 REISEN schwierigen Bedingungen.“ Die Synode spricht auch den zahlreichen Christen ihren aufrichtigen Dank aus, „insbesondere den Kranken und Alten, die das Wirken der Kirche mit ihren Gebeten und Opfern unterstützen“. Unter den Laien möchte ich mich besonders an die zahlreichen Pastoral-arbeiter und -arbeiterinnen wenden, die sich hochherzig und mit Überzeugung im Dienst der pastoralen Sendung der Kirche einsetzen. Die Aufgabe, die ihnen vom Bischof übertragen wurde, verpflichtet sie, in enger Zusammenarbeit mit den Priestern und Diakonen das Wort Gottes zu verkündigen, Zeugen der Botschaft Christi zu sein und alle gesellschaftlichen Bereiche mit den Werten des Evangeliums zu durchdringen. Durch eine angemessene theologische und pastorale Bildung und in unterschiedlichen und vielseitigen Aufgaben sollen sie den Sinn ihrer eigenen Sendung vertiefen, in der sie sich als Laien mit der pastoralen Sendung der Kirche verbunden wissen. Sie werden es ablehnen, bloße kirchliche Funktionäre zu werden oder sich Aufgaben anzumaßen, die in die Zuständigkeit der Priester und Diakone gehören. Ihre Aufgabe ist wichtig, zumal in einer Welt, die zunehmend entchristlicht und säkularisiert wird. Sie leisten alle einen eigenen Beitrag, der seinem wahren Wert nach einzuschätzen ist. Für das Leben des Leibes der Kirche ist es notwendig, daß alle Glieder ihrer Sendung gerecht werden in Übereinstimmung mit ihrer eigenen Identität: in Einheit des Geistes bei der Vielfalt der Aufgaben. Paulus schrieb: „Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn? Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach. Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib? So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib“ (1 Kor 12,17-21). 5. Wenn wir über Pfarreien sprechen, können wir nicht die verschiedenen Gruppen unerwähnt lassen, die wir „Basisgemeinschaften“ nennen. Diese Gemeinschaften machen positive Werte sichtbar, wenn ihre Mitglieder danach trachten, dem Evangelium in einfacher und aufrichtiger Weise in ihrem täglichen Leben Gestalt zu geben. Aber die Gefahr, die diesen neuen Gemeinschaften droht, ist, daß sie sich selbst als die einzige Form des Kirche-Seins betrachten. Sie laufen dann Gefahr, sich in kleinen Gruppen abzusondern und gegen das, was sie die „Institution Kirche“ nennen, abzusetzen. Es gehört zu den Aufgaben des Seelsorgers, des Bischofs und aller, die am Aufbau der Pfarreien beteiligt sind, sich den positiven Werten dieser 516 REISEN Gemeinschaften zu öffnen, damit sie den Pfarreien zugute kommen. Es muß aber klar herausgestellt werden, daß diese Basisgemeinschaften sich nicht als Alternative der Pfarreien darstellen können. Wie jeder Christ haben auch sie die Pflicht, zum Dienst an der Pfarrei und der Diözesankir-che bereit zu sein. Sie müssen sich in den Kontext der Pfarrei und des Bistums einfügen. Nur dann werden die Erfahrungen und Überzeugungen dieser Gemeinschaften wirklich von Wert sein. Liebe Brüder und Schwestern! Für das Leben der Pfarrei und Diözese ist es von entscheidender Bedeutung, daß die einzelnen Gläubigen, Vereine und Bewegungen Zusammenarbeiten gemäß den Initiativen, die der Bischof zusammen mit seinem Priesterrat und dem Pastoralrat für das ganze Bistum festlegt. Nur unter dieser Voraussetzung ist es möglich, auf das gesellschaftliche Milieu Einfluß auszuüben, es in christlicher Weise zu beseelen und auf Gott auszurichten, der das letzte Ziel der Geschichte ist. Man wird hier an die Mahnung Christi denken: „Jedes Reich, das in sich gespalten ist, geht zugrunde, und keine Stadt und keine Familie, die in sich gespalten ist, wird Bestand haben“ (Mt 12,25). 6. Darum fordere ich euch auf, Gefühle gegenseitiger Liebe zu hegen, die sich in konktreter und tätiger Zusammenarbeit äußern. Ich möchte hier einige Punkte nennen, die mir für eine angemessene und wirksame pastorale Aktion besonders wichtig und dringend erscheinen. An erster Stelle nenne ich die Pflege der Berufungen. Dieses Problem hängt eng zusammen mit dem Leben der Kirche und mit dem Beweggrund der Evangelisierung der Welt. Die Botschaft Christi und die lebenspendende Kraft seiner Gnade werden im allgemeinen durch das umfangreiche und beharrliche Wirken von Priestern und Missionaren vermittelt. Gewiß, die Berufung hängt von der Initiative Gottes ab, wie Christus selbst betont hat: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15,16). Aber die Annahme einer inneren Berufung setzt eine ganze Anzahl von Elementen persönlicher und gesellschaftlicher Art voraus, bei denen unvermeidlich die Verantwortung des einzelnen und die der Gemeinschaft eine Rolle spielt. Darum sollte die Pfarrei eine geeignete Pastoral für geistliche Berufe entwickeln, die den Richtlinien und Hilfen des Diözesanzentrums entspricht. Ferner wird es nötig sein, ganz besondere Sorge den Bildungsinstituten zuzuwenden, wo die jungen Menschen, die dem Ruf Gottes Folge geleistet haben, sich auf ihren künftigen Dienst vorbereiten können. Der Einfluß, den die intellektuelle, sittliche und religiöse Formung in den Seminarjahren auf den künftigen Priester hat, ist 517 REISEN immer entscheidend. Ich kann nicht genug empfehlen, diesem Aspekt des kirchlichen Lebens größte Aufmerksamkeit zu widmen. Das Kapital an Liebe, Intelligenz, Zeit und Mittel, das hier investiert wird, wird zu gegebener Zeit Früchte bringen, die alle Opfer aufwiegen. 7. An zweiter Stelle möchte ich die Pflege der Familienpastoral betonen. Bei anderen Gelegenheiten habe ich bereits die Überzeugung ausgesprochen, die Zukunft der Evangelisierung hänge großenteils von der „Hauskirche“ ab. Die Gläubigen der Kirche von morgen werden so sein, wie die Familie sein wird. Die Bischofssynode von 1980 hat dieses Thema mit großem pastoralem Einfühlungsvermögen behandelt. Sie hat auch eine große Fülle an Richtlinien und Weisungen bereitgestellt, die ich später dem Volk Gottes im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio vorgelegt habe. Ich hoffe, daß man sich in der ganzen Kirche wirksam einsetzen wird, um der Familie an verschiedenen Stationen ihres Weges zu helfen. Ich spreche meine Hochachtung für alle Initiativen aus, die bereits durchgeführt worden sind. Ich rechne auch damit, daß man diese so dringende pastorale Aufgabe weiter hochherzig pflegt und nach den besten Wegen sucht, jungen Ehepaaren zu helfen, den Plan Gottes mit der menschlichen Liebe zu erfassen und sodann voll zu verwirklichen. Diese Aufgabe ist nicht leicht angesichts der erheblichen Entstellungen dieses Planes, die von verschiedenen „Informationsquellen“ in der heutigen Welt verbreitet werden. Auch wenn die Aufgabe schwierig ist, darf uns das nicht entmutigen. Der Gläubige weiß, daß er mit der Hilfe Gottes rechnen kann in einer Sache, die so sehr die Würde und die zeitliche und ewige Bestimmung des Menschen betrifft. Abschließend möchte ich, liebe Brüder und Schwestern, im Zusammenhang mit der Familie euch eine dritte pastorale Zielsetzung vor Augen halten. Der heutige gesellschaftliche Kontext stellt allen Menschen guten Willens als besondere Aufgabe den Einsatz für die Verteidigung des Lebens vom Augenblick der Empfängnis an bis zum letzten Atemzug. Angesichts einer Welt, die immer mehr der Anziehungskraft einer Kultur der Gewalt und des Todes erliegt, sind die Christen wohl mehr denn je aufgerufen, Zeugnis zu geben für ihren Glauben an einen Gott, der „kein Gott von Toten, sondern von Lebenden (ist), denn für ihn sind alle lebendig“ (Lk 20,38). Einer der wichtigsten Dienste, die die Kirche heute der Welt anbieten kann, ist dieser: durch ihr Zeugnis in Wort und Vorbild eine echte Kultur des Lebens zu fördern. 518 REISEN Alle Kräfte müssen vereint werden 8. Liebe Brüder und Schwestern, ein aufmerksames Bedenken der „Zeichen der Zeit“ erlegt jenen, die Christus an der Wende des zweiten Jahrtausends nachfolgen wollen, eine schwere, aber erhabene Aufgabe auf. Um dieser Aufgabe gewachsen zu sein, müssen die Reihen geschlossen und die Kräfte vereint werden, müssen wir wetteifern im gegenseitigen Verständnis und in echter Liebe. Einer Liebe, die alles sammelt um den Bischof und seinen Vertreter vor Ort, den Pfarrer. Um ihn herum gilt es, eine lebendige Gemeinschaft von Personen zu bilden, die einander achten und lieben, eine Gemeinschaft, die allen ein „Zuhause“ bieten kann, die gemeinsam mit den anderen Pfarrangehörigen in der Nachfolge Christi leben wollen. Dieses „Zuhause“ muß so beschaffen sein, daß man sich füreinander und für die Stimme Gottes öffnet. Eure Bischöfe haben hierzu gesagt: „Ein Zuhause entsteht nicht von selbst, sondern es wächst in dem Maß, in dem Menschen es einander schenken. In der Glaubensgemeinschaft ist es nicht anders. Sie wird in dem Maße ein Zuhause, in dem alt und jung es in gegenseitigem Vertrauen erbauen“ (Glaubensvermittlung: Bischöflicher Brief, Nr. 1,6, Seite 12). Im Hebräerbrief lesen wir: „Laßt uns aufeinander achten und uns zur Liebe und zu guten Taten anspornen. Laßt uns nicht unseren Zusammenkünften fernbleiben, wie es einigen zur Gewohnheit geworden ist, sondern ermuntert einander, und das um so mehr, als ihr seht, daß der Tag naht“ (.Hebr 10,24-25). Mit dieser Ermutigung, die aus der Lebenserfahrung der Urkirche zu uns kommt, möchte ich diese Begegnung beenden. Ich bin glücklich, euch begegnet zu sein, denn danach hat mein Herz besonders verlangt. Habt Vertrauen! Ihr werdet alle Schwierigkeiten überwinden, wenn ihr in Gebet und Gehorsam festhaltet an Jesus Christus, dem Hirten der Kirche, dem Hirten eines jeden Bistums, dem Hirten auch eurer Pfarrgemeinde. Gelobt sei Jesus Christus! 519 REISEN Der sich schenkt, weil er Liebe ist Predigt bei der Messe in der Irenehalle in Utrecht am Sonntag, 12. Mai 1. „Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes“ (Ps 97/98,3). Dieses Wort des Propheten Jesaja haben wir in den Laudes gehört, die wir zu Beginn dieses 6. Sonntags der Osterzeit zusammen gesungen haben. Den ganzen Tag über klangen diese Worte in uns nach. Sie standen uns vor Augen bei der Begegnung mit den verschiedenen Gruppen, die ein Zeichen der Vitalität der Kirche in den Niederlanden sind: Ordensleute, Vertreter der sozialen Organisationen, der Missionswerke und der Hilfsorganisationen für die unterentwickelten Länder, endlich Vertreter der Pfarreien, Priester und Laien. Die Worte des Propheten hören wir wieder, wenn wir jetzt zur Eucharistiefeier versammelt sind. „Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes. Jauchzt vor dem Herrn, alle Länder der Erde, freut euch, jubelt und singt“ ( Verse 3-4). 2. Diese Aufforderung zur Teilnahme an der Osterfreude möchte ich an euch alle richten, die ihr die Eucharistie mitfeiert. Ich grüße euch alle mit den Worten Jesu an die Apostel: Friede sei mit euch! Besonders begrüße ich alle jene, die heute morgen und heute mittag an den verschiedenen Begegnungen teilgenommen haben, ferner die Mitglieder der Ersten und Zweiten Kammer und der Generalstaaten sowie alle, die aus den Pfarreien des Erzbistums Utrecht, aus den Bistümern Haarlem, Rotterdam und Groningen hierher gekommen sind. Es ist für mich eine große Freude, hier in Utrecht weilen zu dürfen, in dieser Stadt, deren erster Bischof der hl. Willibrord war. Er wurde gegen Ende des 7. Jahrhunderts in Rom durch Papst Sergius I. zum Bischof geweiht. In dieser Stadt wurde ferner Adriaan Florenszoon im Jahr 1459 geboren, der 1523 unter dem Namen Hadrian VI. zum Papst gewählt wurde, der einzige niederländische Papst in der ganzen Kirchengeschichte. Als im Jahre 1853 die katholische Hierarchie in den Niederlanden wiedererrichtet wurde, wurde Utrecht erneut Hauptsitz der Kirchenprovinz und Sitz des Erzbischofs. Einen besonderen herzlichen Gruß richte ich an den derzeitigen Erzbischof Msgr. Adrianus Simonis sowie an alle Brüder im Bischofsamt, die hier anwesend sind. In dem Opfer Christi in der Kirche, das wir jetzt feiern, wollen wir alle Menschen einschließen, die in diesem Lande wohnen und die uns nahestehen. Aber auch alle Unbekannten und Fremden. Gott, unser himmlischer 520 REISEN Vater, kennt ihre Namen und ihre Herzen durch Christus, unsern Herrn und unsern Bruder, im Heiligen Geist, dem Tröster. 3. „Alle Enden der Erde schauen das Heil unseres Gottes.“ Worin besteht das Heil? Was ist das Heil für den Menschen von gestern, heute und morgen - für den Menschen unserer Tage, der alles andere als gefügig ist? Für den Menschen in seinen Kümmernissen, seiner Niedergeschlagenheit, der umherirrt und zu verzweifeln droht, obwohl er in Wohlstand und Luxus lebt? Was ist Heil...? Die Antwort finden wir im Wort Gottes in der heutigen Liturgie; sie kommt wie immer aus dem Herzen des Evangeliums. Das Heil ist Gott selbst, der sich dem Menschen zuwendet und sich ihm schenkt, weil er Liebe ist. Das Heil ist also Liebe, jene Liebe, mit der Gott sich dem Menschen hingibt, sein Herzensinnere erfüllt und es zugleich öffnet für die anderen, den Nächsten und alle Menschen, nah und fern. In diesem Sinn spricht heute der Apostel Johannes zu uns: „Liebe Brüder, wir wollen einander lieben; denn die Liebe ist aus Gott, und jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott... denn Gott ist die Liebe“ (.1 Joh 4,7-8). 4. Gott ist Liebe, und die Liebe kommt von Gott. Sie kommt zum Menschen als Geschenk! Dieses Geschenk hat in der Menschheitsgeschichte eine greifbare und bleibende Form angenommen: sie heißt Jesus Christus. „Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, daß Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben“ (7 Joh 4,9). Der Ursprung der Liebe liegt also in Gott; der Ursprung jener Liebe, die den Menschen frei macht, ist Gott selber. Die Quelle des Heils liegt in Gott: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (7 Joh 4,10). 5. Wir sind hier zur Eucharistiefeier versammelt. Sie ist ein Sühnopfer für die Sünden der Welt, für unsere Sünden. Gerade deswegen ist sie Heilsopfer. Darin überwindet die Liebe die Sünde, den Haß und den Tod. 521 REISEN Dieses Opfer wurde ein für allemal durch den Kreuzestod und die Auferstehung Christi auf Golgota vollbracht. Kraft der Einsetzung durch Christus wird es auf sakramentale Weise in der Eucharistie, in jeder heiligen Messe vollzogen. So sind wir also versammelt, um teilzuhaben am Sakrament der Liebe, am Sakrament der Erlösung. Wir wissen uns verbunden mit jenen, die als erste dieses Sakrament gefeiert haben. Christus hat zu ihnen, den Aposteln, gesagt: „Wie der Vater mich geliebt hat, so habe ich euch geliebt. Bleibet in meiner Liebe“ {Joh 15,9). Diese Worte besitzen einen reichen und herrlichen Inhalt: Sie bringen Heil! Christus überträgt auf uns jene Liebe, mit der der Vater ihn von Ewigkeit her liebt und mit der er von Ewigkeit her den Vater liebt. Er überträgt auf uns Menschen jene Liebe, die unser Heil ist. Er gießt sie über die Menschen aus: in ihre Herzen und Gewissen, in ihren Willen und ihre Taten. Die Liebe ist ein Geschenk: „Sie ist in unsere Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, der uns geschenkt wurde“ (Rom 5,5). Christus hat dies für uns erwirkt. Diese Liebe ist in die Herzen der Apostel im Abendmahlssaal ausgegossen worden. Sie ist ebenfalls ausgegossen worden in die Herzen des Hauptmanns Cornelius und seiner Hausgenossen, als der Apostel Petrus sie in Caesarea besuchte; es geschah kraft der sichtbaren Ausgießung des Heiligen Geistes, wie wir in der ersten Lesung aus der Apostelgeschichte gehört haben. 6. Die Liebe ist also ein Geschenk. Auch die Erlösung ist ein Geschenk: das Geschenk Gottes selbst. Die Liebe ist gleichzeitig eine Aufgabe, die Gott den Menschen stellt. Auch das Heil ist eine Aufgabe. Gott erlöst uns durch die Kraft des Heiligen Geistes, aber er tut es nicht ohne uns. Darum machte Christus das Gebot der Liebe zum Kern des Evangeliums und in gewissem Sinn zum Kern der Eucharistie. „Dies ist mein Gebot, daß ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe“ {Joh 15,12). Und im Gedanken an das Kreuzopfer, das ihm bevorsteht, fügt er hinzu: „Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde“ {Joh 15,13). In seiner Liebe bleiben bedeutet daher: seine Gebote halten, an erster Stelle das Gebot der Liebe. Und er fügt noch hinzu: „wie ich die Gebote meines Vaters halte und in seiner Liebe bleibe“ {Joh 15,10). Derjenige, der dies sagt, ist der Sohn, eines Wesens mit dem Vater: Gott 522 REISEN von Gott. Gleichzeitig ist er wahrer Mensch. In der göttlichen Dreieinigkeit ist sein Wille eins mit dem Willen des Vaters, aber zugleich ist der Wille des Vaters für ihn als Mensch ein Gebot. Dieser Wille des Vaters - der ewige Wille des Vaters - geht dahin, daß alle Menschen durch die Liebe gerettet werden. 7. Der Sohn Gottes kommt, um diese Liebe zu offenbaren. Er verkündet das Gebot der Liebe. Er kommt, um Freundschaft zu schließen mit den Menschen durch diese Liebe, die von Gott stammt. „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage... ich habe euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15,14-15). Sakrament der Freundschaft Gottes mit dem Menschen Das heißt Eucharistie feiern. Wir sind also in der gleichen Weise wie jene zusammengekommen, die diese Worte zuerst gehört haben, wie die Apostel, die als erste an der Eucharistie beim Letzten Abendmahl teilgenommen haben. Kraft des ausdrücklichen Auftrags Christi haben sie sie dann selbst gefeiert und den Auftrag zu dieser Feier an ihre Nachfolger in der Kirche weitergegeben. Wir feiern die Eucharistie, das wunderbare Sakrament der Freundschaft Gottes mit dem Menschen, des Sohnes Gottes mit den Menschenkindern. Diese Freundschaft wurde besiegelt durch das Paschaopfer, durch den Kreuzestod und die Auferstehung. Diese Freundschaft wird durch das Sakrament des Altares, durch das Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn immer dauerhafter. Die Freundschaft vertieft sich. Die Liebe, mit der Gott uns von Ewigkeit her liebt, wird besiegelt. Das Heil, das von Gott zu den Menschen kommt, wird durch die Liebe gefestigt. Das Heil, das ein Geschenk, ein Gebot, ein Auftrag ist. <111> <111> Jesus sagt: „Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt“ (Joh 15,16). Im Verlauf dieses Tages haben viele in dieser Stadt sich über die Weise geäußert, wie sie das Gebot Christi erfüllen sollen. Wie sie „hingehen und Frucht bringen“ können. Die Ordensleute tun es kraft ihrer besonderen Berufung, indem sie arm, keusch und gehorsam leben. Damit wollen sie beitragen zum Heil des Volkes Gottes. Andere tun es durch ein kontemplatives Leben des Gebetes; wieder andere durch ein aktives Leben im 523 REISEN eigenen Land oder in den Missionsgebieten, wo sie gemeinsam mit vielen hochherzigen Laien für die Evangelisierung und die menschliche, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung der Bevölkerung arbeiten. Viele andere tun es durch ihren Einsatz auf sozialem Gebiet, durch ihren Dienst an den Kranken, Alten und Gefangenen, den Menschen, die an den Rand gedrängt sind, den Behinderten und Kindern, im Schulwesen und im sozialen und politischen Einsatz. Dabei wollen wir alle jene nicht vergessen, die sich in ihren Pfarreien einsetzen für den Aufbau einer echten Glaubensgemeinschaft, in der die Liebe auf vielerlei Weise voll erblüht. In dem Maße, wie sie alle Anteil haben an der Erlösung, treten sie auf verschiedene Weise in den Dienst der Heilsvermittlung; wollen sie auf verschiedene Weise das Gebot der Liebe praktisch erfüllen, in der Liebe Christi bleiben und sie mit anderen teilen. Liebe Brüder und Schwestern, bringt zu diesem eucharistischen Mahl das Geschenk eures Gebets und eurer Arbeit, eurer Sorgen und Leiden, damit durch die Gabe eines jeden und aller sich die Wesensverwandlung vollzieht: daß mein und eurer Opfer zum Opfer Christi selbst werde, zum Opfer des ewigen Heils. 9. Gemeinsam mit euch bitte ich innig, daß eure Früchte bleiben mögen! Daß die Liebe bleibt, eine Liebe, die langmütig ist und gütig, sich nicht ereifert, nicht prahlt und sich nicht aufbläht, die nicht ungehörig handelt, nicht ihren Vorteil sucht, nicht zürnt und das Böse nicht nachträgt, sich nicht über das Unrecht freut, sondern an der Wahrheit ihre Freude hat (vgl. 1 Kor 13,4-6). Kurz gesagt, eine Liebe, die „erkennt“ (vgl. 1 Kor 8,2). Die niederländischen Katholiken haben in ihrem Land und auch in anderen Ländern der Welt, in den Missions- und Entwicklungsländern viel aufgebaut. Diese reiche Frucht von Glauben und Liebe soll nicht verlorengehen, sondern bleiben und noch weiter wachsen. Darum sollen alle Spaltungen und Widerstände, die den Glauben verunsichern und die Liebe erkalten lassen, in Liebe und Wahrheit überwunden werden. Denn sonst nehmen sie der christlichen Gemeinschaft die Freude, die eine Gabe des Heiligen Geistes ist, den der erhöhte Herr gesandt hat. Aus ganzem Herzen hoffe ich, daß im Leben der Kirche in den Niederlanden die Worte Christi über die Freude wahr werden: „daß meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“ (Joh 15,11). Diese Freude möge also in euch leben und vollkommen sein, wenn ihr in der Liebe Christi bleibt; wenn ihr die Gebote haltet, vor allem das Gebot der Liebe, das er „sein Gebot“ genannt wissen wollte. Möge diese Liebe 524 REISEN die Einheit der Kirche in den Niederlanden stärken, so daß sie wirklich in voller Freude zu leben vermag. In der Freude, die ein Vorgeschmack der Freude ohne Ende ist, die uns alle einmal im Hause des Vaters zusammen mit seinem Sohn, unserem Bruder und Herrn Jesus Christus, vereinen wird. Amen. „Seid Zeugen seines Trostes“ Predigt bei der Messe mit den Kranken und Behinderten in Den Haag am 13. Mai „Gepriesen sei der Gott und Vater Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater des Erbarmens und der Gott allen Trostes“ (2 Kor 1,3). 1. Mit diesen Worten des Apostels Paulus und mit tiefer Zuneigung grüße ich euch alle, liebe Brüder und Schwestern, in diesem weiten Raum der Liebe und Hoffnung. Ich heiße euch alle von Herzen willkommen, euch, die ihr krank und behindert seid, aber ebenso euch alle, die Pfleger und Betreuer. Denn die Kranken und Behinderten wären ohne die helfende Hand jener Menschen, die für sie sorgen, nicht hierhergekommen. Ich grüße auch alle Kranken und Behinderten, die nicht hier, sondern über das Fernsehen mit uns verbunden sind und sich von der herzlichen Zuwendung jener Menschen umgeben wissen, die in ihrer unmittelbaren Umgebung leben. Die erste Lesung aus dem zweiten Brief des hl. Paulus an die Korinther weist auf den Trost hin, der von dem Glauben an Gott, den Vater unseres Herrn Jesus Christus, den Vater des Erbarmens und Gott allen Trostes, herkommt. Der Glaube an die Liebe und die Vorsehung des Vaters schenkt uns in der Tat die Gewißheit, daß Gott uns wirklich in all unserer Not nahe ist, „damit auch wir die Kraft haben, alle zu trösten, die in Not sind, durch den Trost, mit dem auch wir von Gott getröstet werden“ (2 Kor 1,4). Dieser Glaube erwacht in uns im Aufblick zu Christus, der am Kreuz um unseres Heiles willen gestorben ist. „Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteil geworden sind, so wird uns durch Christus auch überreicher Trost zuteil“ (2 Kor 1,3-5). Der hl. Paulus gesteht offen ein, daß sein Leben als Apostel vom Leiden gekennzeichnet ist, aber auch von der Genugtuung, die sein Dienst ihm bereitet. Voller Gewißheit bezeugt er, daß sowohl die Bedrängnis, die er erfährt, als auch die 525 REISEN Ermutigung, die ihm zuteil wird, Trost und Heil für die Gläubigen sind: „Unsere Hoffnung für euch ist unerschütterlich; wir sind sicher, daß ihr mit uns nicht nur an den Leiden teilhabt, sondern auch am Trost“ (ebd., 1,7). Diese Worte haben einen tiefen Sinn und enthalten eine reiche christliche Lebensweisheit. Sie sind eine Botschaft und eine Unterweisung für die Christen aller Zeiten. Von der Hoffnung, die in ihnen lebt, sollen sie immer, besonders aber, wenn sie leiden, Zeugnis geben. 2. Auch ihr alle seid aufgerufen, Apostel und Zeugen Christi zu sein, sei es durch euer Leiden, sei es durch liebevolle Sorge für die Leidenden. Ich denke hier in eurem Land an eure großen Vorgänger im Glauben: Servatius, Willibrord, Bonifatius und Plechelmus, Geert Groote, Thomas von Kempen, die Märtyrer van Gorkum, Peerke Donders, Edith Stein und viele andere. In eurer Mitte denke ich besonders an Liduina von Schiedam. Ihr wißt, daß sie im Alter von 15 Jahren auf dem Eis zu Fall kam und danach 38 Jahre lang ans Krankenbett gefesselt war. Sie war gewiß nicht frömmer als ihre Altersgenossinnen und hatte einen ungeduldigen Charakter. Viele Jahre hat sie gerungen mit der Frage: „Warum gerade ich?“ Aufbegehren und Mutlosigkeit wechselten einander ab, bis zu dem Augenblick, da sie nach vielen Jahren unter dem Einfluß des Geistes Gottes dieses Geheimnis zu entdecken begann: ihr Leiden konnte ein Weg der Liebe werden. Viele suchten sie nun auf, nicht um sie zu trösten, sondern um selbst gestärkt und getröstet zu werden durch ihren Glauben und ihre Hingabe. Ich denke ferner an Titus Brandsma. In der vergangenen Woche habt ihr der Befreiung eures Landes vor 40 Jahren gedacht. Titus Brandsma ist einer von jenen, die ihr Leben für eure Freiheit hingegeben haben. Schon das Zeugnis seines Lebens hat ihn zum Heiligen gestempelt. Noch in seinen letzten Erdentagen ermutigte er seine Mitgefangenen: „Wir sind nicht dazu berufen, im öffentlichen Leben große, sensationelle, aufsehenerregende Dinge zu tun... Es ist vielmehr unsere Pflicht, die gewöhnlichen Dinge auf außerordentliche Weise zu tun, in lauterer Absicht und unter Einsatz unserer ganzen Persönlichkeit.“ So faßte er seine Lebenseinstellung zusammen. 3. Meine Gedanken gelten aber vor allem dem Text, den wir aus dem Johannesevangelium gehört haben. Beim Letzten Abendmahl spricht Jesus zu den Aposteln von dem Leiden, das sie erwartet, damit sie nicht zu Fall kommen, wenn es sie trifft: Sie werden gehaßt und aus den Synago- 526 REISEN gen verbannt werden, ja sie werden getötet werden von Menschen, die meinen, eine gottgefällige Tat zu vollbringen. Doch Jesus versichert sie auch der Gegenwart und des Trostes des Geistes der Wahrheit, der vom Vater ausgeht. Jesus wird ihn senden, damit er Zeugnis ablegt von ihm und seiner Sendung der Offenbarung und der Erlösung. Auch die Apostel müssen Zeugnis geben, weil sie von Anfang an bei ihm waren, seine Worte hörten und seine Werke sahen (vgl. Joh 15,26-27; 16,1-6). Diese Worte der Verheißung, des Trostes und der Ermutigung richtet Jesus auch an alle Christen. Gottes Wort ist Mensch geworden und hat uns die Wahrheit und die Erlösung gebracht. Er hat aber das Leiden nicht beseitigt, sondern versprochen, den Geist des Trostes zu senden, daß jeder, der an ihn glaubt, den Heilsplan voll erfahren und sich vertrauensvoll der Vorsehung überlassen kann, um so zu bezeugen, daß der Wert und der Trost des Glaubens gerade im Leiden offenbar werden: „Nehmt euer Kreuz auf euch und folgt mir nach... Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ (vgl. Lk 9,23; Mt 11,28). In Zeiten des Leidens und der Bedrängnis müssen wir stets bedenken, daß Gott andere Maßstäbe anlegt und daß er darauf achtet, was in der Stille, in Demut, im Verborgenen, in unfreiwilliger Inaktivität erfahren und getan wird. Kein einziges Menschenleben ist ohne Wert 4. Hier in eurer Mitte wandern meine Gedanken auch zu dem verborgenen Leben Jesu - dreißig scheinbar nutzlose Jahre im Dorf Nazaret, wo er seinen Eltern untertan war und mit den Jahren wuchs an Weisheit und Wohlgefallen bei Gott und den Menschen (vgl. L& 2,51-52). Wir dürfen nicht der Versuchung verfallen zu denken, der Wert unseres Lebens hänge von greifbaren Erfolgen ab. Kein einziges Menschenleben ist ohne Wert. Im Licht des Lebens Jesu gewinnen die einfachen Dinge des täglichen Lebens an Bedeutung: die Arbeit zusammen mit anderen, die Güte derer, die ihren Nächsten helfen, und die Dankbarkeit jener, die diese Güte erfahren. Das alles macht uns zu Zeugen der Frohbotschaft. Das Überraschende an der verborgenen Kraft Gottes ist, daß sie uns dort wachsen und blühen läßt, wo er uns hingestellt hat. Er ermutigt uns, in den kleinen Dingen groß zu sein. Das war auch die Haltung Mariens, als sie dem Engel antwortete: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Es kommt darauf an, das Gute dort zu suchen, wo wir stehen, das heißt: dem Leben, das uns der Herr geschenkt hat, Wert zu verleihen. Nach der 527 REISEN Himmelfahrt des Herrn sehnten sich die Apostel nach seiner leiblichen Gegenwart. Doch erleuchtet und gestärkt durch den Heiligen Geist, waren sie den gewaltigen Schwierigkeiten der Verkündigung des Evangeliums in einer feindlichen und heidnischen Welt gewachsen. Sie erlebten Verfolgungen und Rückschläge, Niederlagen und Demütigungen. Der hl. Paulus strömte über von Freude bei allem, was ihm widerfuhr (vgl. 2 Kor 7,4). So soll es für alle sein, die Christus nachfolgen, durch den Trost des Heiligen Geistes. So soll es auch bei euch Kranken und euren Betreuern sein, durch den Frieden und die Kraft, die aus dem Glauben an ihn, der uns tröstet, entspringen. 5. Ihr müßt die Hefe im Teig sein, das Licht für die Welt! Die Menschen achten darauf, wie die Christen sich verhalten, um Gewißheit, Mut und Hoffnung zu erlangen, um in ihnen und durch sie den wahren Sinn des Lebens zu finden. Ihr lebt in einem Land, das sich hervorragender Einrichtungen des Gesundheitswesens rühmen kann: moderner Krankenhäuser und Pflegeheime, Einrichtungen für geistig Behinderte und Schwachsinnige, in denen Ärzte, Pflegekräfte und viele andere Mitarbeiter ihre Aufgabe mit großer Hingabe erfüllen, ohne den Menschen hinter dem Patienten aus dem Auge zu verlieren. Ich denke ferner an die vielen Männer und Frauen, die dieses Liebeswerk in der Vergangenheit oft uneigennützig verrichtet haben, in eurem eigenen Land und in fernen Ländern als Zeugnis für Gottes Sorge um den leidenden Menschen. Mit großer Hochachtung und Wertschätzung nenne ich ferner das Werk des Weltkrankenapostolats, das vor sechzig Jahren in eurem Land gegründet wurde, sowie die Arbeit der „Memisa“ und der „Lonnebloem“. Für Kranke und Behinderte wird viel getan. Denn niemand kann das eigene Leiden immer allein bewältigen. Das betonen eure Bischöfe in ihrem Hirtenschreiben „Über das Leiden und Sterben Kranker“. Sie weisen darauf hin, daß ein Kranker neben sachkundiger Behandlung und Pflege vor allem menschliche Zuwendung und Anteilnahme braucht. Die Angehörigen, Nachbarn, Freunde und Freiwillige können hier eine wichtige Rolle spielen, schreiben die Bischöfe. Kranke und Gesunde gehören zusammen. Für andere ist es immer schwer, sich in eure Lage zu versetzen. Trotz aller Zuwendung und allem Verständnis müßt ihr das Leiden und die Einsamkeit selbst tragen. 528 REISEN Dem, was andere für euch tun, einen tiefen Sinn geben 6. Worte vermögen indessen nicht auszudrücken, was Menschen füreinander bedeuten können, selbst in ihrem Leid. Mit eurer Lebenserfahrung, eurem Gebet und eurer Dankbarkeit könnt ihr andere glücklich machen und damit dem, was die anderen für euch tun, einen tiefen Sinn geben. Ich habe im vorigen Jahr einen Brief über den christlichen Sinn des Leidens geschrieben. Darin habe ich die tiefe Bedeutung eures Lebens als Kranke dargelegt. Ein Mensch, der Leid zu tragen hat, darf sich im Glauben mit dem Herrn verbunden wissen, dem der Leidende am Herzen liegt. Auf die verständliche Frage, warum es so viel Leid in unserer Welt gebe, hat er niemals eine direkte Antwort gegeben. Durch sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung aber hat er das menschliche Leid von innen her umgewandelt und gleichsam mit seiner Gegenwart erfüllt. Jesus identifiziert sich mit dem Menschen, zumal dem leidenden Menschen, und mit allen, die sich bemühen, das Leid zu lindern und mitzutragen, so daß er dereinst sagen wird: „Ich war krank, durstig, ein Fremdling, im Gefängnis“ (vgl. Aff 25,35-36), ich sah keinen Ausweg mehr; ich war einsam, ich hatte Angst. Dennoch bleibt es unsere erste menschliche Aufgabe, uns einander vor dem Leid zu bewahren und den Nächsten vom Leid zu befreien. Besonders gilt das für uns, die wir uns berufen wissen, dem Herrn, der Wohltaten spendete, zu folgen. Darum bitten wir auch in dem Gebet, das Jesus uns gelehrt hat: „Erlöse uns von dem Bösen.“ Ja, erlöse uns von der Selbstsucht, die so viele Menschen leiden läßt; erlöse uns auch von dem Leid, das uns unvorhergesehen überfällt. Erlöse uns von dem Leid in so vielen Formen: Naturkatastrophen, Hunger, Krankheit, Einsamkeit, Krieg, Verfolgung, Diskriminierung und Verdächtigung. Erlöse uns von dem Übel, daß Menschen keinen Anteil haben an den Gütern der Erde, obwohl sie daran teilhaben sollten. 7. Besonders in euch, Brüder und Schwestern in Christus, erblickt die Kirche die Quellen und Träger ihrer verborgenen göttlichen Kraft. Auf euch, die ihr am Leiden Christi teilhabt, blickt sie, um zu sehen, wie ihr die Hoffnung lebendig haltet, so daß das Leiden einen Sinn hat, wenn es in Liebe getragen wird. Sie blickt auf euch als Christen, die von Freude erfüllt sind und vom Glauben Zeugnis geben und so den Weg Mariens gehen können, die wir heute als Unsere Liebe Frau von Fatima ehren. Sie ist ihren Weg in Einfalt und bereit zum Dienst an Gott und den Menschen 529 REISEN gegangen. Die Kirche schaut auf euch, um zu sehen, wie ihr in eurem Leben von dem Zeugnis gebt, worauf es ankommt; wie ihr zu unterscheiden wißt zwischen dem Vergänglichen und dem, was Ewigkeitswert hat, zwischen dem Wesentlichen und dem Nebensächlichen. Wer vom Geist beseelt ist, kann hören, trösten helfen, Verantwortung tragen, Frieden stiften und neue Hoffnung wecken. Sind doch die Früchte des Geistes „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5,22). Wo solche Früchte reifen, bricht bereits etwas von der ewigen Freude durch. Möge der Herr euer Herz dafür empfänglich machen. Der Geist des Herrn wird auch euch trösten und stärken, wie er einst die Apostel und den hl. Paulus begleitet und ermutigt hat in ihrer Arbeit, die schwierig war und auf Widerstand stieß. Der Herr sagt: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir“ (Offb 3,20). Öffnet die Türen eures Herzens für den Herrn, denn auch ihr sollt Zeugen seiner Gegenwart und seines Trostes sein. Maria, die Magd, möge euch begleiten und beistehen mit ihrem mütterlichen Schutz. Um neue Welten zu entdecken Ansprache bei der Begegnung mit dem niederländischen Ministerpräsidenten Rudolphus F. M. Lubbers in Den Haag am 13. Mai Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Es freut mich wirklich, Sie begrüßen zu können, zusammen mit den hochgeschätzten Mitgliedern Ihrer Regierung und der beiden Kammern der Generalstaaten, die so freundlich sind, hier im Catshuis zusammenzukommen. Ich danke Ihnen sehr für Ihren herzlichen Willkommensgruß; er bestärkt mich in dem Gefühl, daß ich hier in Ihrem Land wie zu Hause sein werde. Meine Anwesenheit in den Niederlanden hat natürlich vor allem pastorale Bedeutung. Aber solch ein Besuch wäre ohne die bereitwillige Mitarbeit der Regierung und verschiedener anderer ziviler Autoritäten nicht mög- 530 REISEN lieh gewesen. Ihnen, Herr Ministerpräsident, und allen anderen, die mitgeholfen haben, möchte ich meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Als ich am Samstag meinen Fuß auf niederländischen Boden setzte, war ich mir der besonderen Rolle, die die Niederlande in der Geschichte der modernen Zivilisation einnehmen, wohl bewußt. Meine Gedanken schweiften zu den heldenhaften Männern, die von diesen Küsten ausfuh-ren, um neue Welten zu entdecken, mit anderen Völkern und Kulturen in Kontakt zu kommen, Kulturen, von denen man in Europa noch kaum etwas gehört hatte. Diese Männer wollten neue Beziehungen anknüpfen, die für die ganze Menschheit von großer Bedeutung werden sollten. Ich dachte auch - voll Stolz - an die vielen Männer und Frauen aus den Niederlanden, die als Missionare zur Verkündigung des Evangeliums in viele Länder gezogen sind. In der weltweiten katholischen Gemeinschaft gibt es kaum einen Ort, der nicht von niederländischen Priestern, Ordensleuten und Laien beeinflußt worden ist. Gleich den Männern, die über das Meer fuhren, hatten sie oft viele Schwierigkeiten zu überwinden und Entbehrungen zu ertragen. Sie taten es, um die Liebe ihres Herrn Jesus Christus zu verbreiten. Ihr Hinweis auf den großen Einfluß des Christentums auf die Kultur Ihres Volkes und die reichen Früchte, die es im religiösen und gesellschaftlichen Bereich gebracht hat, hat mich sehr bewegt. Der Einfluß des Evangeliums spiegelt sich in Ihrer Literatur, Ihrer Musik und in anderen Kunstwerken. Dies hat zu einer gesunden Vaterlandsliebe beigetragen, die mit einer hohen Achtung der Rechte und Werte anderer Völker einhergeht. Sie ist Teil der individuellen und nationalen Eigenständigkeit und ermöglicht echte Anteilnahme und Hilfe für die bedürftigen Mitmenschen. Die guten Traditionen der Vergangenheit leben unter vielen Aspekten der heutigen niederländischen Gesellschaft weiter. Nehmen wir den mutigen Einsatz seitens der Regierung und des niederländischen Volkes für die europäische Einheit und Zusammenarbeit. Der Hl. Stuhl war schon immer ein Befürworter der europäischen Einheit und Zusammenarbeit, denn er ist davon überzeugt, daß dieser Prozeß nicht nur dem Frieden und dem Fortschritt förderlich ist, sondern auch dem Wohl der ganzen Menschheit dient, wenn er selbstlos angestrebt wird. Ich denke auch an die Bereitschaft der Niederlande, sich für die Menschenrechte und die Würde eines jeden Menschen einzusetzen. Wir sind leider noch lange nicht so weit in der Welt, daß diese Grundwerte von allen respektiert werden. Doch dürfen wir den Kampf nicht aufgeben, denn jedesmal wenn die Würde eines Menschen verletzt wird, wird jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind Unrecht getan. 531 REISEN Zum Schluß will ich noch meine Hochschätzung aussprechen für die hochherzigen Hilfeleistungen der Regierung und des niederländischen Volkes, sei es privat oder staatlich, zugunsten der ärmeren Völker in aller Welt. Ihr lobenswertes Vorbild wird sicherlich andere Nationen und Völker ermutigen, gemeinsam die tiefe Kluft zu überbrücken versuchen, die zwischen den Industrie- und den Entwicklungsländern besteht. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! Die katholische Gemeinschaft der Niederlande war schon immer ein Verfechter dieser Initiativen. Ich bin davon überzeugt, daß Ihre und die nächsten Regierungen genau soviel Unterstützung erhalten werden für alle Projekte, die die Sache des Friedens und der Gerechtigkeit fördern wollen. Ich teile Ihre Freude über alles, was Sie bisher geleistet haben als arbeitsames, erfinderisches Volk, das in den Zeiten des Wohlstandes wie auch in weniger günstigen Zeiten es nicht versäumt hat, für die Sorge zu tragen, die im eigenen Land und in aller Welt in Not waren. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft, und ich vertraue darauf, daß die Niederlande das christliche Erbe pflegen und gegen alles, was es schwächen könnte, verteidigen werden. Damit gewährleisten Sie den wahren Wohlstand und die Sicherheit. Gott, der Allmächtige, segne die Niederlande und ihre Bewohner! Die Suche nach dem Gemeinwohl auf der Grundlage der Gerechtigkeit Ansprache vor dem Internationalen Gerichtshof im Friedenspalast in Den Haag am 13. Mai Herr Präsident! Sehr geehrte Richter des Gerichtshofes! Meine Damen und Herren! <112> <112> Mit tiefempfundener Achtung und Wertschätzung bin ich heute zum Internationalen Gerichtshof gekommen. Ich bin glücklich, daß ich diese Begegnung in das Programm meines Pastoralbesuches in den Niederlanden einbeziehen konnte, und ich freue mich, daß sie in Anwesenheit der Mitglieder des Ständigen Schiedsgerichtshofes und des Diplomatischen 532 REISEN Korps stattfindet. Ich versichere Ihnen meinen Dank für die freundlichen Begrüßungsworte, die an mich gerichtet wurden. In der Tat fühle ich mich geehrt, daß ich bei Ihnen in diesem historischen Friedenspalast sein kann und die Gelegenheit habe, zu Ihnen zu sprechen. Der Hl. Stuhl mißt seiner Zusammenarbeit mit der Organisation der Vereinten Nationen und den verschiedenen Körperschaften, die einen wichtigen Bestandteil ihrer Arbeit darstellen, große Bedeutung bei. Das Interesse der Kirche am Internationalen Gerichtshof reicht bis in die ersten Anfänge dieses Gerichtshofes und zu den Ereignissen zurück, die mit seiner Errichtung verknüpft waren. Ich denke an das hohe Maß persönlichen Engagements und Interesses meines Vorgängers Leo XIII. an der 1899 in Den Haag abgehaltenen Friedenskonferenz, die den Weg bahnte für den Ständigen Schiedsgerichtshof, für den Ständigen Gerichtshof für Internationales Recht und schließlich für den Internationalen Gerichtshof. Sobald Leo XIII. durch Zar Nikolaus II. von der Initiative erfahren hatte, trat er für sie ein. Er unterstützte sie auch in einem Briefwechsel mit Königin Wilhelmina, der Herrscherin des Gastlandes, der Niederlande. Selbst als es offensichtlich wurde, daß der Hl. Stuhl seinerseits an der Friedenskonferenz in Den Haag nicht teilnehmen konnte, blieb das Interesse Leos XIII. an der Friedenskonferenz unvermindert, und er ermutigte weiter dazu. Durch seinen Staatssekretär, Kardinal Rampolla, machte er deutlich, warum er die Friedenskonferenz für so wichtig erachtete, und seine Gedanken haben mehr als bloß historischen Wert: „Die internationale Gemeinschaft verfügt über kein System moralischer und gesetzlicher Mittel, um die Rechte jedes Menschen festzusetzen und zu gewährleisten. Es gibt daher keine Alternative als der Rückgriff zu direkter Gewaltanwendung. Das erklärt den Wettstreit unter den Staaten, militärische Stärke zu entwickeln . . . Die Einführung der Vermittlung und Schlichtung durch ein Schiedsgericht scheint der geeignetste Weg zu sein, um mit dieser schreckenerregenden Situation fertigzuwerden; sie befriedigt in jeder Hinsicht die Wünsche des Hl. Stuhls“ (11. Januar 1899). Weg der friedlichen Beilegung von Konflikten Die Kirche hat die Entwicklung einer internationalen Rechts- und Schiedsgerichtsverwaltung konsequent unterstützt als einen Weg der friedlichen Beilegung von Konflikten und als Teil der Entwicklung eines weltweiten Rechtssystems. Der Hl. Stuhl hat herkömmlicherweise die 533 REISEN Rolle des Vermittlers in Streitfällen gespielt. Erwähnenswert ist z. B. die Vermittlung Leos XIII. in dem Streit zwischen Deutschland und England über die Karolineninseln. Dann gab es die wiederholten Versuche Benedikts XV., während des Ersten Weltkrieges zu vermitteln, und seine Unterstützung für die Schaffung eines Völkerbundes, der wirklich den Forderungen der Gerechtigkeit, des Friedens und der Förderung des Gemeinwohls in den internationalen Beziehungen entsprechen würde. Pius XII. und seine Nachfolger begrüßten besonders und unterstützten die Errichtung und Entfaltung der Organisation der Vereinten Nationen. Johannes XXIII. sprach von dem Problem in seiner Enzyklika Pacem in terris, während Paul VI. seine Unterstützung persönlich zum Ausdruck brachte, als er am 4. Oktober 1965 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen sprach: Zwei Jahre später wiederholte er in Populorum progressio seine Befürwortung „einer weltweit anerkannten Rechtsordnung“ (Nr. 78). Auch ich konnte - am 2. Oktober 1979 - zur Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York sprechen und danach in meiner Botschaft an die Zweite Sondersitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen über Abrüstung am 7. Juni 1982 meine Befürwortung wiederholen. Ich schätze mich auch glücklich, daß ich 1979 zur FAO in Rom, 1980 in Paris vor der UNESCO, 1982 zur Internationalen Arbeiterorganisation in Genf und 1983 zu den Internationalen Organisationen in Wien sprechen konnte. Auf der Linie dieser Zeugnisse ständiger Unterstützung und Interesses habe ich mit großer Freude und starker innerer Anteilnahme die Einladung des Vorsitzenden des Internationalen Gerichtshofes angenommen, der zusammen mit dem Ständigen Schiedsgerichtshof nach herkömmlicher Weise hier im Friedenspalast stationiert ist. Ich hoffe, daß dieser Besuch klar und deutlich den Umfang sichtbar machen wird, in dem die katholische Kirche die Anstrengungen dieser internationalen Körperschaften unterstützen möchte. 2. Wenn wir uns nun dem Hintergrund der heutigen Situation zuwenden, müssen wir erkennen, daß heute eine noch größere moralische Notwendigkeit als in früheren Jahren besteht, Konflikte friedlich und auf der Grundlage der Gerechtigkeit zu lösen. Erstens deshalb, weil wegen der fortgeschrittenen Rüstung Krieg in unserer Zeit in wachsendem Maß totale Vernichtung des Gegners bedeutet. Jeder Krieg droht zu einem totalen Krieg zu werden. Der zweite Grund ist die neue Art der gegenseitigen Abhängigkeit 534 REISEN zwischen den Nationen. Mehr als je zuvor sind die Geschicke einzelner Nationen miteinander verbunden: Die Tatsache, daß viele ihrer Interessen übereinstimmen, ist weitaus wichtiger als der Umstand, daß sich manche im gegenseitigen Konflikt befinden. Außerdem ist in unserer Zeit die Schaffung des Weltfriedens einfach zu einer realen Möglichkeit im technischen Sinn geworden; man verfügt über Kommunikationsmittel, und eine große Zahl von Weltorganisationen ist bereits entwickelt worden. Was jetzt notwendig ist, ist der Wille, den wahren Frieden tatsächlich zu erlangen. Weltweite Förderung des Friedens notwendig und möglich In der heutigen Zeit ist die weltweite Förderung des Friedens sowohl notwendig als möglich. Aber die Entwicklung von Gesetzen und die Ausbildung von Gesinnungen ist in einer Gemeinschaft, die auf dem Prinzip der absoluten Souveränität der einzelnen Staaten beruht, hinter anderen Entwicklungen zurückgeblieben in einem Zeitalter, in dem zerstörerische Gewalt und allumfassende Kommunikationen das Bild der Welt bestimmen. Wir leben noch immer zu oft mit Reflexen von Verdächtigung und Aggression, die für die Beziehungen zwischen den Nationen schädlich sind. 3. Leider ist in der heutigen Welt selbst die friedliche Beilegung von Streitigkeiten oft der Sektor einer Diplomatie, die mehr von Eigeninteressen als von den Erfordernissen des Gemeinwohls der internationalen Gemeinschaft bestimmt wird - eines Gemeinwohls, das auf Recht und Gerechtigkeit gründet. Dieser Umstand kann einen hemmenden Einfluß auf die Arbeit sowohl des Internationalen Gerichtshofes wie des Ständigen Schiedsgerichts haben. Nichtsdestoweniger haben diese Organisationen eine äußerst wichtige Rolle zu spielen. Der Ständige Schiedsgerichtshof hat zur Beilegung einer Reihe von Konflikten und zur Abwendung des Gebrauchs von Waffengewalt beigetragen. Der Internationale Gerichtshof hat in schwierigen Gebieten interveniert, und es ist ihm gelungen, mehr zu tun, als lediglich die bestehenden Gesetze anzuwenden: er hat auch zur Entwicklung des Rechts beigetragen. Die Entscheidungen des Gerichtshofes hatten nicht selten einen weitreichenden Zweck, weil sie im Rahmen der Regeln des internationalen Rechts und der internationalen Gesetzesbestimmungen gesehen werden sollen. Die Aufgabe des Internationalen Gerichtshofes sowie des Ständigen 535 REISEN Schiedsgerichts besteht darin, ein Element der Unparteilichkeit und Objektivität in die zwischenstaatlichen Beziehungen einzubringen. Zu ihren Mitgliedern gehören viele hervorragende Rechtsanwälte. Zusammen mit der Internationalen Rechtswissenschaftlichen Akademie bilden die beiden Organisationen ein internationales Zentrum bemerkenswerter juristischer Tätigkeit. 4. Es versteht sich freilich von selbst, daß der Beitrag des Internationalen Gerichtshofes zur Entwicklung neuer Bestimmungen des internationalen Rechts so lange behindert werden wird, als die Staaten sich nicht über die Grundprinzipien und allgemeinen Regeln des internationalen Rechts einig sind. Es ist notwendig, in diesem Fall daran zu erinnern, daß der Fortschritt, der im Laufe der Jahre erzielt wurde, begrenzt wurde. Es ist noch ein weiter Weg zu gehen - mit Zuversicht und erneuter Entschlossenheit. Streng genommen, ist der gegenwärtige Gerichtshof nicht mehr - aber auch nicht weniger - als ein erster Schritt auf das hin, von dem wir hoffen, daß es eines Tages eine voll wirksame Gerichtsautorität in einer friedlichen Welt sein wird. Nach Ansicht des Hl. Stuhls gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, in denen das gerichtliche Element in internationalen Beziehungen eine größere Rolle spielen könnte: - durch intensivere Inanspruchnahme des Internationalen Gerichtshofes von seiten der Staaten und internationalen Organisationen; - durch eine umfassendere Annahme der sogenannten verpflichtenden Rechtssprechung des Gerichtshofes; - durch häufigere Anrufung des Schiedsgerichtshofes; - durch die Entwicklung juristischer und politisch-humanitärer Organisationen auf Regionalebene, um die Weltorganisationen zu ergänzen und zu unterstützen; - durch die Entwicklung des Gesetzes der humanitären und strafrechtlichen Verantwortung gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Diese Elemente lassen sich in vielen Entwicklungen der letzten Zeit klar erkennen: den internationalen Erklärungen und Verträgen über Menschenrechte, der Arbeit von Menschenrechtsorganisationen auf regionaler und internationaler Ebene, der Arbeit des Roten Kreuzes und anderer Einrichtungen im humanitären Bereich und insbesondere bei Hilfsmaßnahmen für die Opfer bewaffneter Auseinandersetzungen; der Arbeit von Privatorganisationen und der erweiterten Rolle des Internationalen Gerichtshofes als Antwort auf die Anträge seitens internationaler Organisationen um beratende Stellungnahmen. Die Notwendigkeit zur Entwick- 536 REISEN lung eines Weltrechtssystems ist auch von der internationalen Gemeinschaft selbst zum Ausdruck gebracht worden. 5. Das alles verdient Bestätigung und Förderung. Die katholische Kirche ist auf diesem Gebiet, wie man sehen kann, stark engagiert, z. B. durch ihre aktive Beteiligung an internationalen Organisationen und durch die zahlreichen positiven Erklärungen des Hl. Stuhls für diese Organisationen. Damit zeigt die Kirche die Kriterien auf, die die Entwicklung eines internationalen Rechtssystems erfüllen muß. Juristisch gesprochen, kann das als die Anerkennung der Menschenrechte formuliert werden: das Recht jedes Individuums auf Leben, das Recht auf ein annehmbares menschenwürdiges Dasein und das Recht auf Schutz durch das Gesetz; Anerkennung des Rechtes der Völker auf Selbstbestimmung und Unabhängigkeit und ihr Recht auf einen gerechten Anteil am wirtschaftlichen Reichtum der Welt. Pacem in terris formuliert die grundlegenden Kriterien mit moralischen Begriffen als Wahrheit, Liebe, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. 6. Diese Kriterien müssen in den internationalen Beziehungen in der Form von Verhandlungen und Verträgen und in der Arbeit der internationalen Organisationen ihren Ausdruck finden, unterstützt von dem wachsenden allgemeinen Bewußtsein der Bevölkerung von der Pflicht, die Grundrechte der menschlichen Person unter allen Umständen zu respektieren. Wenn das geschieht, dann werden die Kriterien auch eine weiterreichende Wirkung auf die Verwaltung des internationalen Rechts und des Schiedsgerichts haben. Es kommt hier entscheidend auf die Unterstützung der Regierungen und der öffentlichen Meinung an. Entwicklungen in der Welt folgen ja nicht selbstverständlich einer geraden Linie in Richtung Frieden. Sie werden — oft ganz entscheidend - vom Zusammenstoß nationaler Interessen, Kulturen und Ideologien beeinflußt, von den Versuchen eines Volkes oder einer Rasse, eine andere zu beherrschen, und von der Mißachtung der Rechte einzelner und ganzer Völker. Auch während der Gerichtshof im Friedenspalast tagt, erheben sich in vielen Teilen der Welt weiter die Schreie der Gefangenen und Unterdrückten, die Schreie von Völkern, die ausgerottet werden, die Schreie von Völkern, deren kulturelle und geistige Freiheit behindert wird - denen die persönliche Freiheit abgesprochen wird. 537 REISEN Jede Form der Diskriminierung für immer unannehmbar Für Christen und für alle, die an einen Bund glauben, d. h. an ein unzerreißbares Band zwischen Gott und dem Menschen und zwischen allen Menschen, ist jede Form der - gesetzlichen oder tatsächlichen -Diskriminierung aufgrund von Rasse, Herkunft, Hautfarbe, Kultur, Geschlecht oder Religion für immer unannehmbar. Daher wird kein System der Apartheid oder getrennter Entwicklung jemals als Modell für die Beziehungen zwischen Völkern und Rassen akzeptabel sein. Auch der Internationale Gerichtshof gerät unter Druck, wodurch er davon abgehalten werden soll, über Ideologien und Interessen hinauszugehen. Die Mitglieder des Gerichtshofes müssen als internationale Richter und Beamte größte Unabhängigkeit und vollkommene Integrität unter Beweis stellen. Und aus diesem Grund verpflichten sie sich vor Annahme ihrer erhabenen Rolle feierlich dazu, ihre Funktionen völlig unparteiisch und ihrem Gewissen entsprechend auszuüben (vgl. Art. 20 der Statuten). Sie müssen solchem Druck widerstehen und müssen in ihren diesbezüglichen Anstrengungen unterstützt werden. Wir müssen der Politik der Machtkämpfe und Eigeninteressen eine Form der Politik entgegensetzen, die auf die Stärkung der Werte abzielt, auf die sich der Friede stützt. 7. Die Entwicklung des Internationalen Rechts und die Ausweitung und Stärkung der internationalen Organisationen sind lebenswichtige Aufgaben für die heutige Menschheit. Was aber bei allem das absolut Entscheidende ist, ist die Suche nach dem Gemeinwohl auf der Grundlage der Gerechtigkeit, entsprechend den Bestimmungen eines echten, universalen Rechtssystems. Ohne ein Verständnis der Quelle von Recht und Gesetz, der Begründungen für Recht und Gesetz und des Zieles von Recht und Gesetz kann es kein eigentliches Rechtssystem geben. Ohne ein Verständnis der Kriterien für die friedliche Beilegung von Konflikten kommen solche Lösungen nicht zustande. Der springende Punkt der Sache ist, daß der Mensch Gott über alles andere lieben und seinen Nächsten lieben muß wie sich selbst. Es kommt für die Menschen wesentlich darauf an zu erkennen, daß sie nach Gottes Abbild und Gleichnis geschaffen wurden und deshalb sich gegenseitig achten müssen, statt sich auszubeuten, zu foltern und zu töten. Und ebenso müssen Staaten - als Einheiten, in denen Menschen Zusammenleben - sich gegenseitig achten und helfen. Jeder Rechtsanwalt und jeder gewöhnliche Mensch weiß, daß Menschengesetz nicht vollkommen ist. Gesetzesformulierungen lassen immer Wün- 538 REISEN sehe offen. Da ist immer noch Platz für Verbesserungen und Neuentwicklungen, und die Notwendigkeit, gesetzliche Einrichtungen zu verbessern. Das gilt genauso für Grundsatzdokumente wie die Erklärungen und Verträge über Menschenrechte. Gottes Gesetz, das in die Herzen der Menschen eingeschrieben ist und von der Kirche verkündet wird, stellt die Formen und Impulse für diese Verbesserung bereit, denn Gottes Gesetz überschreitet die Zeit. Es spricht eine Sprache, die jeder verstehen kann, wie z. B. das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Es liefert eine Antwort auf die Sehnsucht des Menschen nach einem Sinn des Lebens, eines Lebens, das mit dem Tod nicht endet. Es drückt aus, was Menschen voneinander erwarten. Jesus Christus verkündet ein Reich der Wahrheit, der Liebe und des Friedens, drei voneinander untrennbare Elemente. Die Menschen müssen das Bedürfnis haben, daß diese drei Elemente in ihr Leben und in ihre gegenseitigen Beziehungen Eingang finden. Der Friede kommt nur dann, wenn Menschen sich in ihrem Ursprung miteinander um Wahrheit und Liebe bemühen, wenn sie entdecken, wer sie wirklich sind, und ihre Ziele gegenseitig anerkennen. Friede wird nicht aus Angst vor der Bombe oder aus der Macht des einen über den anderen geboren. Wir sollten natürlich betroffen sein angesichts der Atomwaffen, aber unsere erste Sorge sollte den Menschen selbst gelten, der Art und Weise, in welcher junge Menschen über ihr Leben und die Gesellschaft denken und sprechen. Es gibt wenige Themen, über die soviel Unwahrheit gesagt wird wie über den Frieden; wenige sind derartig manipulationsanfällig. Das ist die erste Gefahr. Die Kirche spricht im Namen dessen, der einmal kommen wird, alle Menschen zu richten, sein Urteil zu sprechen über die Geschichte auf der Grundlage der Wahrheit. Von ihm gesandt, will sie helfen, das Gewissen und Verhalten der Menschen zu bilden. Sie will ihnen einen Weg zeigen, einen Weg, der schwierig, aber sicher ist - einen Weg, auf dem jeder einzelne Kraft gewinnt, um jenen Frieden zu fördern, der Frucht menschlichen Bemühens und Geschenk Gottes ist. Es ist ein Weg, auf dem es auf die Anstrengungen jedes einzelnen ankommt, denn die verschiedenen Bereiche menschlichen Tuns und die verschiedenen Lebensbereiche sind alle eng miteinander verbunden. Gewalt und verbrecherisches Verhalten bei Völkern und Kulturen fördern Gewalt und verbrecherisches Verhalten in den internationalen Beziehungen. Das Fehlen der Solidarität innerhalb eines Landes fördert den Mangel an Solidarität in der Welt. Moderne Gesellschaften sind von zunehmender Zersplitterung und Entfremdung gekennzeichnet. Das führt 539 REISEN zu einer Situation, in der die Menschen mehr von einem System erwarten als von eigener Anstrengung und Zusammenarbeit. Darum kann Unzufriedenheit sie zu Gegnern von Systemen machen, und das Ergebnis ist, daß die Gesellschaft immer schwieriger zu regieren ist. Eine Gesellschaft, die lediglich als System gesehen wird, kann nicht für ein angemessenes menschliches Dasein der Bürger sorgen. Je mehr sich die Menschen bewußt werden, daß die Gesellschaft für den Menschen da ist, um so mehr werden sie imstande sein, wieder einander zu suchen und zu entdecken, wie sie in wahrhaft menschlicher Weise miteinander umgehen können. So werden sie herausgefordert, über nationale Grenzen hinauszublicken. 8. Ehe ich schließe, möchte ich noch ein Wort aufrichtiger Wertschätzung für die Niederlande aussprechen, die intensiv in der Gastgeberrolle für den Internationalen Gerichtshof und den Ständigen Schiedsgerichtshof engagiert sind. Die Niederlande sind ein Land mit starken christlichen Traditionen und einer langen Geschichte in Freiheit. Sie haben wertvollen Dienst in der Sache der Entwicklung des internationalen Rechts geleistet, für Frieden, Entwicklung, Zusammenarbeit und Menschenrechte. Sie sind ein Land, in dem gewöhnliche Bürger und private Organisationen stark mit der übrigen Welt verknüpft sind. Diese Anstrengungen verdienen Hochschätzung und Dankbarkeit. Vor allem erkenne ich lobend die Bemühungen der Richter des Internationalen Gerichtshofes an, des Ständigen Schiedsgerichtshofes und aller jener, die aufgrund ihrer Liebe zur Gerechtigkeit auch für deren Förderung in der Welt tätig sind. Der Psalmist des Alten Testaments sagt: „Der Gerechte gedeiht wie die Palme, er wächst wie die Zedern des Libanon“ (Ps 92,13). Ich bete, daß Gott Sie in Ihren Bemühungen, gerecht zu sein und die Gerechtigkeit zu fördern, stärke. Er segne Ihre Arbeit reich, damit sie dazu beitrage, größere Harmonie in der Welt hervorzubringen und die Grundlagen eines echten und dauerhaften Friedens zu stärken. 540 REISEN Die Unterschiede ernst nehmen! Ansprache bei der ökumenischen Begegnung in Utrecht am 13. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Die Gnade Jesu Christi, unseres Herrn, sei mit euch allen!“ (2 Thess 3,18). Während meiner pastoralen Besuche in den verschiedenen Ländern ist es für mich immer wieder eine große Freude, den Brüdern und Schwestern der christlichen Kirchen und Gemeinschaften zu begegnen, die nicht die volle Gemeinschaft des Glaubens und des sakramentalen Lebens mit der katholischen Kirche teilen, jedoch mit uns verbunden sind, und zwar sehr real, durch den Heiligen Geist, der in ihnen wirkt durch seine heiligende Kraft (vgl. Lumen gentium, 15; Unitatis redintegratio, 3). Ich hoffe — und dafür bete ich auch -, daß dieser Besuch die Bande, die schon zwischen uns bestehen, stärkt; daß wir unsere Trennung noch mehr bedauern und daß unser Verlangen nach Einheit intensiver wird. Dieses Verlangen ist ja unsere Antwort auf den deutlichen Willen Christi, den er in seinem Gebet ausgesprochen hat: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21). Dieses Verlangen ist auch immer eingeschlossen in unser Gebet: „Dein Wille geschehe“, im Gebet, das Jesus uns gelehrt hat, in dem wir uns an unseren gemeinsamen Vater wenden. Gemeinsames Wegstück in Gebet und Dialog 2. Während ich Ihrer Ansprache, deren tief christlichen Inhalt ich sehr schätze, zuhörte, wurde mir bewußt, welches Wegstück wir schon gemeinsam auf unserem Weg zur Einheit zurückgelegt haben. Wie Sie schon sagten, wir kommen hier in der Gemeinschaft unseres Herrn, Jesus Christus, zusammen. Diese Begegnung ist der prägnante Ausdruck all dessen, was während vieler Jahre in Gebet und Dialog zustande gekommen ist. Beide sind charakteristisch geworden für das christliche Leben sowohl international wie vor Ort. Gebet und Dialog haben uns auch zum gemeinsamen Studium der Lehre der Heiligen Schrift und der Kirche hingeführt sowie zur Lehre über zentrale Glaubensthemen, insbesondere die Taufe, die uns schon fundamental als Glieder Christi vereinigt. Gebet und Dialog haben uns auch zum Beginn einer Zusammenarbeit in wichtigen Angelegenheiten geführt, für das Evangelium Zeugnis abzulegen, vor allem in der säkularisierten Welt von heute. Besondere Aufmerksamkeit 541 REISEN haben Fragen gefunden, die mit Menschenrechten, Gerechtigkeit und Frieden Zusammenhängen. Auf diese Weise ist ein Anfang gemacht mit einem gemeinsamen Glaubenszeugnis. Dieses Zeugnis ist positiv, auch dann wenn es noch Einschränkungen gibt, solange wir noch nicht die volle Einheit im Glauben und als Gemeinschaft besitzen. Doch sogar diese Einschränkung muß uns anregen, um für die Wiederherstellung der Einheit unermüdlich weiterzuarbeiten. Wir streben nach Einheit, weil Christus diese will. Wir erstreben außerdem eine bestimmte Einheit, die Christus will. Die Einschränkung in unserem gemeinsamen Glaubenszeugnis ist ja auch eine Folge der Tatsache, daß unsere Verschiedenheit im Befolgen aller Forderungen Christi noch andauert. Unser gemeinsames Zeugnis kann in den Augen der Welt noch nicht die volle Glaubwürdigkeit besitzen, solange es nicht die Glaubwürdigkeit Christi selbst enthält (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 77). 3. Sie haben von Unterschieden und Schwierigkeiten gesprochen. In der Vergangenheit hatten wir weniger Kontakt, wir schenkten den Problemen der Trennung zwischen Christen und ihren Kirchen auch weniger Aufmerksamkeit. Wir ließen uns vor allem dazu verführen zu betonen, was uns trennt, und achteten weniger auf das, was uns gemeinsam ist. Jetzt, da wir versuchen, dem Drängen der Gnade zu entsprechen: jetzt, da wir uns der fundamentalen Einheit durch die Taufe neu bewußt werden, gibt diese Verbundenheit selbst uns eine tiefere Einsicht in das innere Leben unserer Glaubensgemeinschaften. Gerade diese engere Verbundenheit in Jesus Christus bewirkt, daß wir die noch nicht gelösten Schwierigkeiten, die uns daran hindern, als Glaubensgemeinschaft ganz eins zu sein, schärfer empfinden. Aber können wir dies alles nicht auch als einen Impuls betrachten, die Arbeit, die wir begonnen haben, überzeugt voranzutreiben in der festen Hoffnung, daß Gott, der uns schon so weit geführt hat, uns noch weiter führen wird? Außerdem wissen wir, daß wir den Millionen von Jugendlichen, die sich nach einer wahrhaften Einheit in der Fülle unseres Glaubens sehnen, keine oberflächlichen Lösungen anbieten können. 4. Gern möchte ich auf einige spezifische, von Ihnen erwähnte Probleme, die aber auch sehr heikel sind, etwas näher eingehen. Diese Probleme entstehen ja gerade, weil wir das gleiche Ziel erstreben. Sorgen wir uns nicht beide um das Ideal einer christlich geführten Ehe und einer christlichen Familie, für die Weitergabe des Glaubens an die nächsten Generationen, für das Reifen in Heiligkeit aller verheirateten Christen? Wir 542 REISEN verlangen alle nach der Feier einer einzigen Eucharistie; alle wollen wir dem Auftrag Christi entsprechen: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ Wir betrachten dieses Sakrament als die größte Gabe, die Christus seiner Kirche geschenkt hat. Wir glauben alle an eine Taufe, durch die jeder Getaufte in den Augen Gottes gleich ist. Darum sehen wir es auch als sehr wichtig an, daß Frauen die Gelegenheit bekommen, um in der Kirche Gottes die Dienste zu verrichten, die ihnen zustehen. Vor diesem Hintergrund möchte ich auf die Frage näher eingehen, die Sie gestellt haben. Doch wissen Sie genauso gut wie ich, daß solche heiklen Probleme nicht durch einen Austausch von Ansprachen allein gelöst werden können. Sie entstehen ja gerade aus unserer Glaubensüberzeugung, insbesondere aus unserem Kirchen Verständnis. Sie hängen zusammen mit unserer Auffassung vom Dienst der Kirche, um Männern und Frauen aller Zeiten und Orte das Heilswerk Christi nahezubringen. Um hier zu einer ehrlichen Lösung zu gelangen, ist beharrliches Gebet vonnöten, aber auch Studium und gut vorbereitete Dialoge, verbunden mit längerfristiger Erfahrung in Zusammenarbeit und Gebet. Ich danke Gott dann auch für den internationalen Dialog, der zwischen dem Weltbund der Reformierten Kirchen und der katholischen Kirche geführt wird. Ich drücke die Hoffnung aus, daß dieser Dialog in den Ortskirchen weitergeführt und dementsprechendes Echo finden wird. Ernste pastorale Aufgaben in den Familien 5. Der erste Punkt Ihrer Ansprache bezog sich auf die Ehe zwischen den Christen verschiedener Kirchen. Wenn diese Ehe in Übereinstimmung mit den Regeln geschlossen wird, dann ist diese Ehe, nach der katholischen Lehre ein Sakrament, ein getreues Bild der Liebe Christi zu seiner Braut, der Kirche. Diese Ehe ist geheiligt und gesegnet, sie ist ein Zeichen der Gegenwart Christi in der Kirche und in der Welt. Die so Verheirateten sind dazu berufen, „Bauleute der Einheit“ zu sein (artifices unitatis, vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 71). Ähnlich wie alle Bauleute der Einheit müssen sie sich zuerst die Schwierigkeiten vor Augen führen. In einer konfessionsverschiedenen Ehe ergeben sich diese Schwierigkeiten aus den Glaubensunterschieden, die zwischen Gliedern von Kirchen und Glaubensgemeinschaften bestehen, die voneinander getrennt sind. In einer Ansprache vor drei Jahren in England habe ich zu den Partnern einer konfessionsverschiedenen Ehe gesagt: „Sie erleben und leben in Ihrer Ehe die Hoffnungen und die Schwierigkeiten des Weges zur christlichen Einheit. Geben Sie dieser Hoffnung im gemeinsamen Gebet, in der 543 REISEN Einheit der Liebe Ausdruck. Laden Sie miteinander den Heiligen Geist der Liebe in Ihre Herzen und in Ihre Heime ein. Er wird Ihnen helfen, in gegenseitigem Vertrauen und Verständnis zu wachsen“ (Predigt in York, 31. Mai 1982). Wir müssen es als ernste pastorale Aufgabe ansehen, diesen Familien besondere Sorge zu widmen. Mit Recht haben Sie erklärt, daß in sehr vielen Fällen von könfessionsverschiedenen Ehen das Band der Eheleute mit ihren Kirchen verlorengeht. Vor allem deswegen fordert die katholische Kirche vom katholischen Partner die Zusicherung, daß er oder sie bereit ist, all das zu tun, was in der Einheit der Ehe möglich ist, um den Glauben loyal zu leben und getreu weiterzugeben. Der katholische Partner ist aufgerufen, loyal gegenüber seiner Glaubenstradition zu sein, diese zu leben und weiterzugeben. Diese Aufgabe ist ernst und bei weitem nicht einfach. Diejenigen, die Vorhaben, eine konfessionsverschiedene Ehe zu schließen, sollten deshalb den besonderen Charakter einer solchen Ehe mit ihren besonderen Möglichkeiten und Schwierigkeiten ernsthaft bedenken. Papst Paul VI. hat aus dieser pastoralen Sorge heraus die kirchliche Regelung im Motu proprio Matrimonia mixta (1970) revidiert. Seine Hauptlinien finden sich im neuen Kirchenrecht. In realistischer Weise und mit evangelischem Mut sprach Papst Paul über die Schwierigkeiten, die einer konfessionsverschiedenen Ehe eigen sind. Eine völlige Lösung ist erst möglich, wenn die Einheit zwischen den Christen wiederhergestellt ist. Er sprach auch über die Notwendigkeit für katholische geistliche Leiter, in aller Ehrlichkeit, Offenheit und gegenseitiger Verständnisbereitschaft, Beziehungen mit den Leitern anderer Glaubensgemeinschaften anzuknüpfen, um diesen Ehen Hilfe zu bieten (vgl. Nr. 14). Auch örtliche Gemeinden können hier eine Aufgabe finden, sowohl bei der Vorbereitung als auch in den wichtigen ersten Jahren der Ehe, in denen die Eheleute einander tiefer kennenlernen und aufeinander Zuwachsen. Ihr lebendiger Glaube kann nicht nur in einem bestimmten Minimum, in dem sie übereinstimmen, zum Ausdruck kommen, sondern auch in einer echten Anerkennung der Werte und Praktiken beider Partner in Übereinstimmung mit ihrer eigenen geistlichen Tradition. Ich versichere Sie meines Gebetes dafür, daß diese Ehen einen wertvollen Beitrag zur Versöhnung leisten mögen. Ich bitte auch die Hirten, die Gemeinschaften und Gruppen, daß sie diesen Ehen die pastorale Sorge und Hilfe schenken, die sie erwarten dürfen. 544 REISEN Wie können die Unterschiede überwunden werden? 6. In diesen Ehen - aber auch in anderen Fällen enger ökumenischer Kontakte - wird es als besonders peinlich erfahren, daß man nicht gemeinsam zum Tisch des Herrn gehen kann. Dies wird deshalb so empfunden, weil wir alle der sakramentalen Feier des Paschageheimnisses Christi im Leben der Kirche und jedes Christen einen solch zentralen Platz einräumen. In diesem Sakrament feiern wir ja das Geheimnis unseres Glaubens. Der Herr ruft uns zu einem Glauben (vgl. Eph 4,5). Er ruft uns auf, „daß ihr an den glaubt, den er gesandt hat“ (Joh 6,29). Im überaus bekannten und auch beliebten Kapitel 6 des Johannesevangeliums ruft Jesus uns zum Glauben an sein Wort als das Brot des Lebens auf, damit wir zum Glauben an das Sakrament seines Leibes und Blutes kommen. Alle Sakramente sind für die Kirche Sakramente des Glaubens; sie setzen den Glauben voraus, so wie sie ihn auch nähren, stärken und bezeugen (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 59). In seinem Hohepriesterlichen Gebet betet Jesus zum Vater für alle, die durch das Wort der Apostel zum Glauben an ihn kommen, damit sie eins seien (vgl. Joh 17,20). Zu dieser Einheit im Glauben und sakramentalen Gottesdienst fordert Jesus seine Jünger auf. Würden die Schwierigkeiten wirklich verschwinden, wenn trotz der Unterschiede im Glauben, die bestehen bleiben, Christen verschiedener Kirchen zur vollen Gemeinschaft in der Feier der Eucharistie oder des Abendmahles zugelassen werden? Meint die Einladung des Herrn wirklich diese Form von Einheit? Müssen wir nicht vielmehr feststellen, daß eine Minderung in der Glaubensüberzeugung zur Folge hat, daß die Unterschiede bezüglich der sakramentalen Struktur der Kirche, des kirchlichen Lehramtes und der Sakramente selbst quasi nicht mehr mitzählen? Können diese Unterschiede, die unsere Kirchen im Dialog miteinander besprechen, überwunden werden, wenn wir sie nicht mehr ernst nehmen? Wird auf diese Weise nicht bloß der Schmerz gelindert, während die Krankheit der Trennung gegen den Willen Christi bleibt? Es ist meine ehrliche Hoffnung, daß der Dialog, den wir, unterstützt durch unser gemeinsames Gebet, begonnen haben, uns zu jener vollen Gemeinschaft im Glauben führen wird, die ihren Ausdruck und ihre Feier in der sakramentalen Gemeinschaft, die den Herrn im Geist und in der Wahrheit anbetet, findet. Der Herr lädt uns dazu ein, und er ruft uns auch dazu auf, und wir verlangen glühend, seinen Willen zu tun. Genau wie Sie kennen wir den Schmerz unserer Trennung, vor allem bei der Feier dieses Sakramentes. Wir müssen Gott aber auch dafür danken, 545 REISEN daß er uns diesen Schmerz kennengelernt und uns so das Verlangen, nach Einheit gegeben hat (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 1). Wir haben im Dialog über den Glauben wirkliche Fortschritte gemacht. Dies möge uns mit der Hoffnung erfüllen, daß wir auch Ausschau halten können nach der Zeit, da eine gemeinsame Feier der Eucharistie möglich sein wird. 7. Diese unsere Hoffnung hat außerdem eine sakramentale Grundlage in der einen Taufe, die wir alle empfangen haben. Darum gibt es „nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau, denn ihr alle seid ,einer in Christus Jesus“ {Gal 3,28). Diese Worte habe ich auch wegen der Stellung der Frau in der Kirche zitiert. In fast jeder Gesellschaft wird heutzutage die Stellung der Frau neu überdacht und neu beurteilt. Für uns Christen muß diese Tatsache ein Grund sein, um uns zu fragen, ob wir den Willen des Herrn richtig erfüllt haben. Die Auffassung der Gesellschaft in einem bestimmten Moment der Geschichte ist an sich noch kein Maßstab für die Wahrheit, aber kann doch ein Grund sein für uns, eingehender, gemäß den Kriterien der Kirche, zu prüfen, ob wir die volle Wahrheit erkannt haben, die der göttlichen Offenbarung entspricht. Denn die Gaben, Talente und spezifischen Eigenschaften der Frau tragen zum Gesamt der Arbeit und Sendung der Kirche sehr stark bei. Wir dürfen nie vergessen, wieviel in der Geschichte der Kirche durch zahllose heilige Frauen, angefangen mit Maria, der Mutter Gottes, getan worden ist. Aber vieles muß noch getan werden, um die Frauen in die Lage zu versetzen, ihren Auftrag ganz anzunehmen in den modernen Situationen des Lebens, so daß sie diese Aufgaben, die ihnen mit Recht zustehen, im Leben der Kirche erfüllen können. Die katholische Kirche weiß sich, wie auch die orthodoxe Kirche, durch ihre Treue an das Wort Gottes gebunden, so wie sie dies versteht, ausgehend vom Beispiel des Herrn, vom Zeugnis der Heiligen Schrift, von der fast zweitausendjährigen Tradition. Darum läßt sie Frauen nicht zum sakramentalen Priesteramt zu. Vielleicht weist dies auch auf Unterschiede hin, die noch zwischen uns bestehen, was die Auffassung der Weihe selbst betrifft. Das bedeutet keinesweges, daß Frauen aus dem Leben der Kirche ferngehalten werden: noch weniger, daß das Studium über die eigene Aufgabe der Frau und die Konsequenzen daraus behindert werden soll. Die Aufgabe der Frau ist eine wichtige Frage, die jede christliche Gemeinschaft heute angeht. Wir können viele Aspekte dieses Problems gemeinsam untersuchen. Unsere Unterschiede in der speziellen Frage 546 REISEN nach der Weihe der Frau dürfte uns nicht dafür blind machen, daß es viele positive Möglichkeiten gibt, die auch besprochen werden können. 8. Ich habe gemeint, mich verbreiten zu müssen über die::Erobleme, auf die Sie hingewiesen haben und die noch vor uns liegen. Ich hoffe, daß meine Erörterung nicht den falschen Eindruck erweckt, daß ich das, was bis jetzt geschehen ist, nicht hochschätze. Ich habe über das gemeinsame Zeugnis gesprochen, das wir in vielen vitalen Lebensbereichen geben können im Hinblick auf die drohenden-Gefahren und Wirren unserer Zeit. Denn die Einheit der Christen ist immer bestimmt, das Evangelium der Versöhnung in die Welt zu tragen. Dieses selbst ist ein Zeichen unserer ökumenischen Verpflichtung, so wie es der von Ihnen genannte Dialog auf Landes- und Ortsebene ist, durch den die. Katholiken - unter der Leitung der Bischöfe und in Übereinstimmung mit den Richtlinien des Ökumenismusdekretes des Zweiten Vatikanischen Konzils - an den Diskussionen über die Taufe, die Eucharistie und das Amt teilgenommen haben. Es ist ein Grund zur Freude, daß wir, mehr denn je zuvor im Gebet, und im Dialog einander nähergekommen sind. Daran sollten Sie auf keinen Fall zweifeln: Die katholische Kirche ist unwiderruflich zur ökumenischen Berufung verpflichtet. Mit allem Nachdruck will ich Ihnen versichern -wie ich es vom ersten Tag meiner Erwählung zum Obersten Hirten der katholischen Kirche getan habe -, daß die Wiederherstellung der- Einheit der Christen eine pastorale Priorität im Leben der Kirche besitzt. Ich möchte Sie bitten, einzelne Entscheidungen, die mit dieser Erklärung in Widerspruch zu stehen scheinen, von dieser Versicherung her - als Treue am Wort Gottes - zu interpretieren. Wenn das gegenseitige Vertrauen da ist, brauchen eventuelle Schwierigkeiten, kein Hindernis zu werden. Sie können vielmehr auch zum größeren gegenseitigen Verständnis beitragen. <113> <113> Diese Begegnung findet im Paushuize (Haus des Papstes) statt, das uns an Papst Hadrian VI. von Utrecht erinnert. Er war Papst in einer Zeit schmerzlicher Streitigkeiten und Probleme, Streit in der Welt, Streit in der Kirche. Es war die Zeit der Reformation, in der Fürsten und kirchliche Führer einander bekämpften. Feindschaft herrschte, anstatt der Geist der Versöhnung. Die Inschrift über dem Grab Papst Hadrians VI. in der Kirche Santa Maria dell’Anima in Rom zeugt davon: „Pro dolor, quantum refert in quae tempora optimi cuiusque virtus incidat“ (O Schmerz, wieviel hängt doch davon ab, in was für eine Zeit die Tüchtigkeit eines ausgezeichneten Menschen fällt). Er war auf gewachsen in der niederlän- 547 REISEN dischen Spiritualität großer Persönlichkeiten wie der Mystiker Jan van Ruusbroeck, des Gründers der Brüder des „Gemeinen Lebens“, Geert Grote, und des geistlichen Schriftstellers Thomas von Kempten. Er verstand die geistliche Not seiner Zeit, was sich in seinem bekannten Brief, seiner Instruktion für den Reichstag zu Nürnberg (1522-23) zeigt. Wir dürfen diesen Brief als ein ökumenisches Dokument betrachten. Heute begegnen wir uns in diesem Haus, in seiner Geburtsstadt, im ökumenischen Geist, fest entschlossen, unter dem Beistand des Heiligen Geistes gemeinsam den Willen Christi zu erfüllen. Ich danke Gott dafür. Es hat mich tief bewegt, daß Sie am Schluß Ihrer Grußadresse mich baten, Ihrer Kirchen zu gedenken. Liebe Brüder und Schwestern! Ich denke an Sie und werde Ihrer weiter gedenken in meinem Gebet. Ich bin der Überzeugung, daß Gott mit unbesiegbarer Macht sein Werk in uns vollenden wird. Nach dem Wort des hl. Paulus: „Darum höre ich nicht auf, für euch zu danken, wenn ich in meinen Gebeten an euch denke . . . Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, . . . gebe euch den Geist der Weisheit und Offenbarung, damit ihr ihn erkennt. Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, . . . wie überragend groß seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist“ (Eph 1,16-19). Möge sein Wille in uns geschehen zur Ehre seines Namens und zum Wachstum seines Reiches. Amen. Ein besonderes Wort des Dankes richte ich an Sie, lieber Bruder in Christus, Erzbischof Glazemaker, Vorsitzender der Utrechter Union, der Sie im Namen der Altkatholiken in diesem Land gesprochen haben. Aus Ihren Worten sprach Sorge um die Einheit der Kirche, insbesondere auch für das Band mit dem Hl. Stuhl in Rom. Es ist ein Grund zur Freude und Dankbarkeit, daß das Zweite Vatikanische Konzil das Bewußtsein kirchlicher Gemeinschaft in uns wieder hat aufleben lassen. Das hat auch in den Niederlanden seinen Ausdruck gefunden in einer theologischen Klärung und engerer pastoraler Zusammenarbeit. Möge der Herr der Kirche uns geben, daß für die Schwierigkeiten, die es zwischen unseren Kirchen noch gibt, eine Lösung gefunden werde, so daß ein glaubwürdiges gemeinschaftliches Zeugnis gegeben werden kann von dem, was uns eint: „verita-tem facientes in caritate“ (die Wahrheit in Liebe tun) (vgl. Eph 4,15). 548 REISEN „Der Herr braucht nicht viele Worte“ Wort im Verlauf des ökumenischen Gebetstreffens in der Peterskirche in Utrecht am 13. Mai Brüder und Schwestern in Christus! In der kurzen Zeit, die uns geschenkt ist, haben wir miteinander gesprochen und gemeinsam zum Herrn gebetet. Was ist die Bedeutung dessen, was hier geschieht? Ist es zu wenig, weil die Zeit so begrenzt war? Wir haben über wichtige pastorale und ökumenische Fragen gesprochen, Fragen, die wir als Brüder und Schwestern gestellt haben, die die Einheit, die der Herr wünscht, zusammen wiederherstellen wollen. Nicht die Kürze oder Länge ist ausschlaggebend, sondern der Geist bestimmt den Wert dessen, was geschieht. Wir haben mit dem Vaterunser unser Gebet beendet. Dieses Gebet ist das Thema meines pastoralen Besuches an die niederländische Kirche. Wir haben es absichtlich gewählt, weil dieses Gebet sich besonders für die Ökumene eignet. Beten nicht alle Schüler des Herrn täglich dieses Gebet? Ist das Gebet auch kurz, der Herr hat nicht viel Worte nötig. Die ganze Gebetstradition, die in dem Bund gründet, den Gott am Anfang mit dem Volk Israel geschlossen und im Neuen Bund in Jesus Christus vollendet hat, lebt in diesem Gebet. Wir beten: „Dein Wille geschehe!“ In diesem Wort ist das ganze Leben Jesu zusammengefaßt. Bei seinem Eintritt in die Welt sagt er: „Ja, ich komme . . ., um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10,7). Er nimmt den Tod auf sich mit den Worten: „Nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22,42). All das ist für uns geschehen. Hat er uns auch seinen Willen kundgetan, uns seinen Willen hinterlassen? Er hat in seinem Hohepriesterlichen Gebet für uns gebetet, für alle, die nach den Worten der Apostel an ihn glauben, „daß sie alle eins seien“. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe. „So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,23). Möge von nun an, immer wenn wir sagen: „Dein Wille geschehe!“ unsere Sorge, unser Wunsch, daß die Einheit wiederhergestellt werde, in diesem Gebet beschlossen sein. 549 REISEN Eine geeinte und festgefügte Familie Predigt bei der Messe in Maastricht am 14. Mai 1. „So wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe“ (Joh 15,10). Die Apostelgeschichte berichtet uns heute über die Erwählung des Apostels Matthäus. Er wurde dazu bestimmt, den Platz einzunehmen, der nach dem Verrat und dem Tod des Judas frei geworden war. Die Kirche feiert heute das Fest des hl. Matthäus, der kurz nach der Himmelfahrt Jesu in die Gemeinschaft der Apostel aufgenommen wurde. Das war ein bedeutsames Ereignis. Christus hat zwölf Apostel gemäß der Tradition des Alten Testaments berufen, wonach Gott mit den zwölf Stämmen Israels einen Bund geschlossen hat. Nach der Himmelfahrt Jesu hat die apostolische Urkirche es als ihre Pflicht erachtet, diese Zahl wieder aufzufüllen, weil sie eine besondere Bedeutung in der Heilsökonomie hat und eine heilige Zahl ist. Durch die Wahl wurde ein Mann bestimmt, der wie die anderen Apostel Zeuge der Auferstehung Christi gewesen ist. Das war die wesentliche Voraussetzung. Matthäus war Zeuge der Art und Weise, wie Jesus „die Gebote des Vaters gehalten hat und in seiner Liebe geblieben ist“ (vgl. Joh 15,10). Später konnte er bezeugen, daß der Vater deshalb Jesus von den Toten auferweckt und verherrlicht hat. 2. Im Laufe der Jahrhunderte haben die Nachfolger der Apostel und die Missionare das Zeugnis von Christus an neue Orte und zu anderen Völkern gebracht. Zu Beginn des 4. Jahrhunderts ist der hl. Servatius nach Maastricht gekommen, um hier und in eurer ganzen Region die Kirche zu gründen. Später kam der hl. Willibrord, um mit großem Eifer das Evangelium zu verkünden. Er hat Tausende von Männern und Frauen getauft, die das Geschenk des Glaubens fanden und einen Teil der christlichen Gemeinschaft darstellten. Das Volk Gottes hat zusammen mit den Ordensleuten in diesem Bistum eine reiche religiöse Tradition geschaffen, wovon zahlreiche Kirchen und Kapellen Zeugnis geben und die der gesamten Kultur ihr Siegel aufgedrückt hat. Voll Freude begegne ich heute in euch dieser Kirche, die hier seit 16 Jahrhunderten Christus bekennt, ihn, der „die Gebote des Vaters treu gehalten hat und in seiner Liebe geblieben ist“. Ich freue mich, meine Brüder im Bischofsamt zu begrüßen, Msgr. Hijzen, den Oberhirten des Bistums Roermond. Herzlich grüße ich auch seinen Weihbischof, die 550 REISEN Priester und Ordensleute, die Mitglieder der Säkularinstitute, die Seminaristen von Rolduc und die Laien: Erwachsene und junge Menschen. Ich weiß, daß sich alle aktiv einsetzen für das diözesane Leben. Auch grüße ich all diejenigen, die aus anderen Bistümern und sogar aus anderen Ländern, aus Deutschland und Belgien, gekommen sind. 3. Wir haben die Worte gehört, die Jesus am Vorabend seines Leidens gesprochen hat, ... so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe“ (Joh 15,10). Welche sind diese Gebote? Zuerst das Gebot der Nächstenliebe: Jesus will, daß die, die ihm nachfolgen, dieses Gebot, einander zu lieben, wie er sie geliebt hat, halten. Er will, daß sie auf diese Weise eng untereinander und mit seinem Vater vereint bleiben. Das ist es, was ich allen Gemeinschaften der Kirche in den Niederlanden wünsche: Sucht in den Worten Christi Inspiration für euer Handeln und für den Sinn eures Gemeinschaftslebens in eurer Pfarrgemeinde und in den zahlreichen Einrichtungen, für die ihr euch einsetzt. Es gibt kein anderes Modell, keine andere Grundlage für die Kirche, als ihn, der uns geliebt hat, wie der Vater ihn geliebt hat. Ihr alle, die ihr Sorge tragt für die Verkündigung des Evangeliums und den Aufbau der Kirche, ihr, die ihr euch zum Gebet versammelt, ihr, die ihr euch der Jugenderziehung widmet, ihr, die ihr den Kranken und den ärmsten unserer Brüder dient, ihr, die ihr euch aus Solidarität über alle Grenzen hinweg für die Mitmenschen einsetzt, reicht einander die Hand: Zusammen bildet ihr die Gemeinschaft, die Christus um das apostolische Dienstamt gegründet hat. Sie wird durch die Liebe des Vaters zusammengehalten und ist dazu berufen, am göttlichen Leben, zu dem uns der Erlöser hinführt, teilzunehmen: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt“ (Joh 15,9). „Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). 4. Christus hat die Zwölf berufen, um an der Liebe teilzuhaben, aus der er in der vollen Gemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des Geistes lebt. Sie bildeten den Kern der neuen Gemeinschaft der Liebe Gottes unter Menschen. Durch alle Jahrhunderte hindurch wird die Kirche nach diesem Muster immer aufgebaut. Auch jetzt ruft Christus uns auf, ihm nachzufolgen, uns zu öffnen für die anderen, uns an sie zu verschenken und so das Glück eines Edelmutes, der sich in Werken ausdrückt, kennenzulernen. Er offenbart uns das einzigartige Mysterium der Dreifaltigkeit und der unendlichen Liebe zwischen 551 REISEN den göttlichen Personen. Er lädt uns dazu ein, auf dieselbe Weise zu lieben, uns selbst um der anderen willen zu vergessen und das Leben, daß Gott uns geschenkt hat, nicht für uns selbst zu behalten, sondern dem Herrn zu überlassen dadurch, daß wir seine vielen Gaben mit dem Nächsten teilen. Der erste Bereich, in dem man die Liebe Gottes mitteilt, ist die Familie, in die man geboren wird und in der man miteinander und füreinander zusammenlebt. Es ist der erste Bereich, in dem der Mensch, der nach Gottes Bild geschaffen ist, seiner Ebenbildlichkeit mit seinem Schöpfer Ausdruck geben kann. In unserer heutigen Zeit erfährt die Familie viel Widerspruch. Sie wird von einigen in Mißkredit gebracht, denn sie meinen, daß sie die Freiheit einschränkt. Aber viele schätzen die Familie, weil sie spontan erkennen, daß es wirklich eine Quelle des Glücks ist. Die Meinungsumfragen beweisen es. Gewiß, alle Familien haben ihre Grenzen und bleiben hinter dem Maß ihrer hohen Berufung zurück. Doch wir wissen, welche Wunden diejenigen an sich tragen, die entbehren müssen, was die Familie aus eigener Kraft zur Entwicklung des Kindes, des jungen Menschen, von Mann oder Frau beiträgt. Die Kirche ist sich dessen so sehr bewußt, daß sie nicht aufhört, an die Bedeutung der Bildung einer geeinten Familie, an die Unauflösbarkeit des Ehebundes und an die Würde der Liebe, die sich durch die Sprache des Leibes und des Geistes ausdrückt, zu erinnern. Wir alle wissen, wie sehr das Zweite Vatikanische Konzil in der Pastoral-konstitution Gaudium et spes und Papst Paul VI. in der Enzyklika Humanae vitae die Bedeutung der Familie für die Gesellschaft betont haben. Wir haben die Würde der Ehe und der verantwortlichen Elternschaft gepriesen und die Erfordernisse für eine gesunde Familienethik in der Linie der katholischen Tradition präzisiert. Im Jahr 1980 hat die Bischofssynode hierüber nachgedacht. Ihre Vorschläge haben ihren Ausdruck in dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio gefunden. 5. Laßt mich einfach den Familien in den Niederlanden sagen, wie wichtig ihre Rolle für die Entwicklung jedes Menschen ist. Die Berufung des Menschen ist es, zu lieben und geliebt zu werden. Um diese Berufung besser zu begreifen, müssen wir immer wieder zurückgreifen auf das Wort Christi und der Apostel, die uns die unversiegbare Quelle der Liebe offenbaren, die das Leben Gottes selbst ist. Dieses entdeckt man zuallererst im Schoß einer geeinten, festgefügten - 552 REISEN Familie. In ihr wird man mit offenen Armen empfangen, und man braucht seine Anwesenheit nicht zu rechtfertigen. In ihr ist man der Zuneigung der anderen um so gewisser, je schwächer oder verletzbarer man ist. In ihr lernt man leben. In ihr baut man allmählich seine Persönlichkeit auf. In ihr entdeckt man auch, daß man nicht der Mittelpunkt der Welt ist: Man lernt das Anderssein der anderen kennen, was eine gegenseitige Bereicherung ist. Man lernt, geliebt zu werden, andere und auch sich selbst zu lieben. Man macht in ihr auch die Erfahrung der Prüfungen, der Konflikte und des Leidens. Aber die Familie ist der Raum, in dem die Liebe so weit gehen kann, daß man „sein Leben gibt“ aus Liebe, gemäß dem Wort Jesus. Man kann in ihr den anderen helfen, wenn sie eine Krise durchmachen, Wunden heilen und durch gute Beziehungen zu den anderen entdecken, daß die Selbstbeherrschung Freude schenkt und die echte Versöhnung Glück bringt. 6. Durch die Erfahrung, die der Mensch in der Familie macht, wird er bereichert und kann so besser seine Rolle in der Gesellschaft erfüllen. Ich zitiere hier einen Text aus dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio: „Die Beziehungen zwischen den Mitgliedern der Familiengemeinschaft werden vom Gesetz des unentgeltlichen Schenkens geprägt und geleitet, das in allen und in jedem einzelnen die Personwürde als einzig entscheidenden Wertmaßstab achtet und fördert, woraus dann herzliche Zuneigung und Begegnung im Gespräch, selbstlose Einsatzbereitschaft und hochherziger Wille zum Dienen sowie tiefempfundene Solidarität erwachsen können. So wird die Förderung einer echten und reifen Gemeinschaft von Personen in der Familie zu einer ersten unersetzlichen Schule für gemeinschaftliches Verhalten“ (Nr. 43). Die Familie ist der Bereich, in dem man lernt, den Schwierigkeiten des Lebens die Stirn zu bieten, gegen die menschliche Schwäche anzukämpfen und nicht den leichtesten Weg zu wählen, wie z. B. den Weg der Ehescheidung. In der Familie erwirbt man auch die persönliche Freiheit und das Unterscheidungsvermögen, die einem dabei helfen, nicht zum Spielball eines verhängnisvollen sozialen Druckes zu werden. Dank der Reife, die man in der Familie erlangt, kann man einen positiven Beitrag zur menschlichen und christlichen Gesellschaft leisten. Die Kirche ist im Leben der Familie gegenwärtig 7. Zum Abschluß will ich nochmals an den Namen erinnern, mit dem das Zweite Vatikanische Konzil die Familie bezeichnet hat: „Hauskirche“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 11). 553 REISEN Darin wird zum Ausdruck gebracht, daß die Kirche im Leben der Familie gegenwärtig ist, daß sie die Freundschaft Christi erfährt, der gesagt hat: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage . . . Vielmehr habe ich euch Freunde genannt“ (Joh 15,14.15). Damit wird auch gesagt, daß die kleine Gemeinschaft der Familie teilnimmt am Leben der großen Gemeinschaft der Kirche, besonders der Gemeinschaft der Feier der Sakramente; ganz besonders zeigt sich dies in der Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier. Damit wird auch zum Ausdruck gebracht, daß die Rolle der Familie besonders in ihrer erzieherischen Funktion ein echter Dienst an der Verkündigung und Weitergabe des Evangeliums ist. So wird das ganze Familienleben ein Weg des Glaubens, der christlichen Initiation und der Nachfolge Christi. Wenn die Familie sich dieser Gabe bewußt ist, dann - so schreibt Paul VI. - „verkünden alle Familienmitglieder das Evangelium, und es wird ihnen verkündet“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 71). Darum möchte ich euch zu eurem Zentrum für Fämilienpastoral beglückwünschen, das ihr in dieser Diözese errichtet habt und das sicherlich reiche Frucht bringen wird. In der Familie entstehen und reifen die verschiedenen Berufe der jungen Christen, insbesondere die Priester- und Ordensberufe. Euer Land hat - wie ihr wißt - zahlreiche Missionare in die Welt geschickt, und noch bis vor kurzem gab es hier viele Priester. Gebe Gott, daß die Kinder in den niederländischen Familien auch in der heutigen Herausforderung dem Ruf des Herrn antworten und ihr Leben seinem Dienst weihen! 8. Liebe Brüder und Schwestern! Ich weiß, daß es oft eine schwere Aufgabe für eure Familien ist, einem jeden Gelegenheit zu geben, sich zu entfalten, seine Rolle im gesellschaftlichen Leben zu erfüllen und Stützpfeiler des kirchlichen Lebens zu sein. In allen Ländern haben die zivilen Autoritäten die Aufgabe, die Familie institutionell zu verteidigen und zu schützen. Wenn die Familie daran gehindert wird, sich normal zu entfalten, oder wenn man zu viele Konzessionen macht, die der Familie schaden, werden die Schwierigkeiten zu groß. Ich spreche den Wunsch aus, daß die Familienpolitik in eurem Land und überall in Europa die Familie als Fundament der Gesellschaft respektieren und begünstigen möge. <114> <114> Wir wollen uns zum Schluß unserer Überlegungen über die Erfüllung unserer Aufgaben innerhalb der Kirche und der christlichen Familie gemeinsam an die Mutter Christi wenden. Sie ist auch die „Mutter der 554 REISEN Kirche“. Eure Diözese Roermond hat sie zur Patronin erwählt unter dem Titel der Unbefleckten Empfängnis. Zahlreiche Wallfahrtsorte in dieser Region sind ihr gewidmet, und ihr geht dorthin, um zu beten. O Maria, du hast in enger Verbindung mit dem Vater, dem Sohn und dem Geist gelebt; du hast das Wort von Gott empfangen, du hast das Familienleben in Nazaret gekannt, du hast mit den Aposteln an der Wiege des neuen Gottesvolkes gestanden; bleib bei uns! Bleib bei uns, um uns zur wahren Liebe zu führen in all den Gemeinschaften, denen wir angehören! Mögen sie zu Orten des Lebens und der Wahrheit, der Liebe und des Friedens, des Mutes und der Hoffnung werden! O Maria, bleib diesem Volke nahe, das ich heute besuche! Ich vertraue es deinem mütterlichen Herzen an. O Maria, hilf den Christen der Niederlande, auch heute Zeugen der Auferstehung deines Sohnes zu sein, wie es damals die Apostel waren. Hilf ihnen, das Werk der Evangelisierung zu bewahren und fortzusetzen, das der hl. Servatius begonnen hat. Mach ihre Herzen bereit in der Erwartung der Wiederkunft des Meisters (vgl. Mt 24,42-47), damit er sie treu gegenüber dem Evangelium befindet, das du ihnen geschenkt hast. Hilf ihnen, in der Einheit zu leben, in der sie sich als Jünger deines Sohnes wiedererkennen. Mögen sie nach deinem Vorbild im Herzen die Worte Christi bewahren: „Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe“ (Joh 15,9-10). Christus verläßt sieh auf euch Ansprache an die Jugend in Amersfoort am 14. Mai Liebe Freunde! 1. Mein Besuch in den Niederlanden geht zu Ende. Am letzten Tag meines Aufenthaltes möchte ich in eurer Mitte sein, und ich freue mich sehr darüber. Ich freue mich, weil die niederländische Kirche noch eine große Zukunft vor sich hat. Und diese Zukunft kann sich nur auf euch stützen. Ihr seid die Kirche von morgen. Mit Recht seid ihr stolz darauf. Aber ihr müßt euch auch dafür verantwortlich fühlen. Christus verläßt sich auf 555 REISEN euch, die ihr die Generation derjenigen seid, die an der Schwelle des dritten Jahrtausends erwachsen sein werden. Ihr habt die Aufgabe, die Botschaft Christi an die Generation des Jahres 2000 weiterzugeben. 2. Die Weise, in der wir jetzt hier versammelt sind, wird wohl nicht die Zustimmung aller finden. Ich weiß das aus sehr vielen Fragen, die ihr mir im Laufe der Vorbereitung deses Papstbesuches geschickt habt. Viele von euch haben mir geschrieben, daß sie einen direkten Kontakt mit mir haben wollen. Laßt mich zunächst sagen, daß ich aufrichtig dankbar bin für diesen Wunsch, der mich sehr froh macht. Seid euch gewiß, daß ich dasselbe Verlangen empfinde. Ich würde gern mit jedem von euch persönlich sprechen, jeden hören, jedem Fragen stellen, die Freude und den Schmerz mit jedem von euch teilen wollen. Ich würde gern mit jedem von euch in die Zukunft blicken und im Evangelium Christi die Antworten auf die Fragen suchen, die euch sehr am Herzen liegen. Leider ist das praktisch unmöglich - wenigstens für den Augenblick. Aber wir müssen auch etwas übriglassen für unser Paradies . . . Ich bin euch sehr dankbar für all die Fragen, die ihr mir geschickt habt. Damit habt ihr nach einer Form des Dialogs gesucht, die im Augenblick möglich ist. Eure Fragen sind sehr wichtig, denn ihr habt sie sicher gestellt aus Sorge um eure Kirche hier in den Niederlanden und aus Sorge um den Glauben, den ihr weitergeben müßt. Wenn junge Menschen keine Fragen mehr stellen, sind sie keine jungen Menschen mehr. Auf die Fragen, die ihr mir vorgelegt habt, will ich jetzt versuchen, eine Antwort zu geben, so ehrlich wie möglich. Ich hoffe, ein bißchen eure Sprache zu sprechen. Die häufigsten Fragen sind soeben von euren Vertretern formuliert worden. 3. Ihr habt mich gefragt, ob ich ein Wort der Ermutigung und der Hoffnung mitgeben will. Ich kann diese Frage sehr gut verstehen. Ihr stellt sie, weil ihr täglich mit Problemen konfrontiert werdet, die kaum zu lösen sind. Die Menschen laufen Gefahr, mutlos zu werden, wenn sie sehen, daß das Problem des Hungers nur größer wird; wenn die Kluft zwischen Reichen und Armen nicht überbrückt, sondern immer breiter wird; wenn der Rüstungswettlauf jedes Jahr mehr Geld verschlingt; wenn Menschen unterdrückt werden und nicht sagen können, was sie denken und glauben. In der Tiefe eures jungen Herzens leidet ihr unter dem Unrecht, das Menschen auf der ganzen Welt angetan wird. Ihr weist auf die große Einsamkeit hin, an der eure Mitmenschen leiden: betagte Menschen, aber 556 REISEN oft auch eure eigenen Altersgenossen. Es fehlt auch an echter Freundschaft, an der ihr ein so großes Bedürfnis habt. Ihr stellt betrübt fest, daß die Schwächsten manchmal die schwersten Lasten tragen müssen. Ihr müßt zuweilen ungerechtfertigte Vorurteile ertragen. Ihr erfahrt am eigenen Leib die Folgen des ungelösten Problems der Jugendarbeitslosigkeit. Ihr bekommt dann das Gefühl, überflüssig zu sein. Ihr habt mich wissen lassen, daß ihr bei all diesen Problemen wenig Unterstützung von der Kirche bekommt. Und doch wollt ihr gern im Glauben bleiben. 4. Das ist das Wichtigste, liebe, junge Leute, daß ihr im Glauben bleibt. Denn der Schlüssel für die Lösung der erwähnten Probleme und für alle anderen Probleme des Lebens liegt im Glauben. Das war die Erfahrung des Apostels Johannes, die er der ersten Generation der Christen anvertraute: „Wer sonst besiegt die Welt außer dem, der glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist“ (1 Joh 5,4). Und bedenkt wohl: Er, der so sprach, war kein Sieger, sondern ein Verlierer, der gebückt unter der Übermacht der Herrscher seiner Zeit ging. Und doch war seine Aussage wahr. Wir können das noch Jahrhunderte später feststellen. Auch heute machen viele Christen die gleiche Erfahrung wie der Apostel. Mögen sie sich immer seiner Worte erinnern und in den Prüfungen mutig standhalten. Der Sieg des Glaubens wird im Herzen des Menschen gewonnen durch die Möglichkeit, die ihm in Christus gegeben wird, um den Weg zu gehen, der vom Kreuz ausgeht und zur Auferstehung und zum Leben führt. Er wird in der Geschichte der Menschheit errungen durch den allmählichen Wandel der Auffassungen, der Gewohnheiten und der Strukturen, indem die Grundsätze des Evangeliums die Gesellschaft durchdringen, was die Frucht des Einsatzes von uns allen ist. Liebe, junge Leute! 20 Jahrhunderte Christentum sind nicht vergeblich vorübergegangen. Wenn ihr die Geschichte, die echten Fortschritte der modernen Zivilisation betrachtet, dann könnt ihr sehen, daß sie oft christlichen Ursprungs sind. Meine erste Antwort ist also: Habt den Mut, im Glauben an Christus zu bleiben. Wenn er mit euch ist, könnt ihr den größten Problemen von heute die Stirn bieten und sie lösen. Welches Bild habt ihr von Christus? Ihr habt mich nach konkreten Hinweisen für einige dieser Probleme gefragt. Nun, ich erinnere daran, daß die Kirche sich schon deutlich zu 557 REISEN zahlreichen Problemen geäußert hat. Sie fühlt sich verpflichtet, den Menschen die Forderungen der richtigen sittlichen Ordnung vor Augen zu halten und ihre Übertretungen anzuklagen, von welcher Seite sie auch kommen mögen. Ihr wißt, wie oft der Papst selbst auf das Mißverhältnis zwischen der ständig wachsenden Rüstung und der Not der unterernährten und unterentwickelten Menschen hingewiesen hat. Oftmals habe ich die Gesellschaft, die Regierungen und die Vertreter der Völker und die Arbeitgeber auf ihre Pflicht hingewiesen, das Problem der Arbeitslosigkeit und vor allem das Problem der Jugendarbeitslosigkeit anzugehen. Die Probleme sind oft sehr kompliziert. Aber gerade deshalb werden solche Menschen gebraucht, die sich durchzusetzen wissen. Und wie wir die anderen fragen, sollten wir nicht auch euch, die Jugend, fragen: Müßt ihr nicht den Mut, die Phantasie und die Energie haben, um diese schwierigen Ziele zu erreichen? Ihr müßt das kritische Gewissen der Gesellschaft bleiben. Die Älteren brauchen euch. Laßt sie nicht im Stich! Was sie auch darüber denken mögen, ohne euch können sie nicht ein einziges der Ziele erreichen, denen sie zustreben. 5. Ihr habt noch mehr Beschwerden und Bedenken bezüglich der Kirche. Ihr habt mich wissen lassen, daß ihr die Kirche als eine Institution erfahrt, die nur Regeln und Vorschriften erläßt. Ihr denkt, daß sie zu viele Schranken errichtet, vor allem auf dem Gebiet der Sexualität, was die Struktur in der Kirche und was die Stellung der Frau in der Kirche betrifft. Und ihr kommt zu der Schlußfolgerung, daß es eine tiefe Kluft zwischen der Frohen Botschaft Christi und dem Druck, den die Disziplin der Kirche euch auferlegt, gibt. Liebe Freunde, erlaubt mir, offen zu sprechen. Ich weiß, daß ihr mit guter Absicht gekommen seid. Aber seid ihr davon wirklich überzeugt, daß das Bild, das ihr euch von Christus macht, mit der Wirklichkeit übereinstimmt? Denn das Evangelium zeigt uns einen Christus, der viel verlangt, der zu einer radikalen Bekehrung des Herzens (vgl. Mk 1,5), zur Loslösung von irdischen Gütern (vgl. Mt6,19-21) aufruft. Er ruft uns dazu auf, denen, die uns Böses antun, zu vergeben (vgl. Mt 6,14f.), die Feinde zu lieben (vgl. Mt5,44), Unrecht geduldig zu ertragen (Ml5,39 f.) und sogar das eigene Leben aus Liebe zum Mitmenschen aufzuopfern (vgl. Joh 15,13). Auf dem Gebiet der Sexualethik fällt vor allem seine klare Stellungnahme zugunsten der Unauflöslichkeit der Ehe auf (vgl. Mt 19,3-9) und die Verurteilung, die er über den Ehebruch ausgesprochen hat, auch wenn er nur im Herzen gepflegt wird (vgl. Mt5,21 f.). Und wird 558 REISEN man etwa nicht beeindruckt von der Aufforderung, sein Auge auszureißen und seine Hand abzuhacken, wenn diese Glieder Anstoß geben (vgl. Mt 5,29 f.)? Mit diesen Aussagen des Evangeliums vor Augen, zeugt es dann etwa von Wirklichkeitssinn, wenn man sich einen Christus vorstellt, der auf dem Gebiet der ehelichen Liebe Zugeständnisse macht, oder was die Abtreibung, sexuelle Beziehungen vor oder außerhalb der Ehe oder homosexuelle Beziehungen betrifft? Die frühchristliche Gemeinschaft, die von denen unterwiesen wurde, die Christus noch selbst gekannt haben, ist sicher nicht permissiv gewesen. Es genügt hier, auf die zahlreichen Texte aus den Paulusbriefen zu verweisen, die von diesen Themen handeln (vgl. Röm 1,26 ff.; 1 Kor 6,9; Gal 5,19 usw.). Die Worte des Apostels sind deutlich und streng. Und es sind Worte, die von Gott inspiriert sind. Sie bleiben Maßstäb für die Kirche aller Zeiten. Nachgiebigkeit macht den Menschen nicht glücklich. Auch die Konsumgesellschaft bringt kein Glück. Der Mensch wird nur wirklich Mensch, wenn er die Forderungen auf sich zu nehmen versteht, die ihm die Würde auferlegt, „als Abbild Gottes“ (Gen 1,27) geschaffen zu sein. 6. Wenn die Kirche unangenehme Aussagen macht, dann tut sie das deshalb, weil sie sich dazu verpflichtet weiß. Sie tut es aus Ehrlichkeit. Es wäre allerdings viel leichter, bei Gemeinplätzen zu bleiben. Aber zuweilen muß sie in Übereinstimmung mit dem Evangelium an höheren Idealen festhalten, auch wenn sie im Gegensatz zü den gängigen Auffassungen stehen. Aber stimmt es dann noch, daß das Evangelium eine frohe Botschaft ist? Ja, das ist es gewiß! Wie ist das möglich? Die Antwort besteht in einem einzigen Wort, das kurz, aber dessen Inhalt so tief wie das Meer ist. Das Wort heißt „Liebe“. Die Strenge der Vorschrift kann sehr wohl in Einklang gehen mit der Freude des Herzens, wenn man bei seinem Handeln von der Liebe angetrieben wird. Wer liebt, hat keine Angst vor dem Opfer. Ja, er sucht sogar das Opfer, das ein überzeugender Beweis für die Echtheit seiner Liebe ist. Ist das nicht die Erfahrung, die ihr selbst mit denjenigen macht, die ihr liebt? Um was sie euch auch bitten, ihr werdet nicht müde, es zu tun, und das Opfer, das es euch kostet, wird selbst zu einer Qüelle der Freude. Das ist, liebe, junge Leute, das Geheimnis eines konsequenten und frohen christlichen Lebens. Das Geheimnis liegt in einer aufrichtigen, persönlichen und tiefen Liebe zu Christus. Mein Wunsch ist, daß jeder von euch diese Liebe finden möge. Dann werden die Werte, die das Fundament der 559 REISEN Normen sind, wirklich sichtbar, und die Schwierigkeiten, die einem bei ihrer Erfüllung widerfahren, werden leichter. Augustinus sagt: „Was man mit Liebe tut, tut man ohne Mühe, oder man liebt die Mühe selbst“ (De bono viduitatis, 21,26). Junge Leute, das ist also meine Antwort: Liebt Christus, und ihr werdet die Forderungen, die die Kirche euch in seinem Namen stellt, annehmen, weil es Forderungen Gottes, des Schöpfers und Erlösers des Menschen, sind. Nehmt in eurem Leben diese Forderungen an, und ihr werdet eure Würde entdecken. Dafür müßt ihr immer wieder aufs neue das Wort Gottes hören und dem auferstandenen Herrn oft in der Eucharistie begegnen. Im Zusammenhang damit rate ich euch, die Würde des Sakramentes der Versöhnung nicht zu unterschätzen. So werdet ihr den Verpflichtungen nachkommen können, die ihr bei der Firmung auf euch genommen habt. 7. Ich möchte nun auch etwas zu der dritten Gruppe von Fragen sagen, die ihr mir gestellt habt. Die Fragen beziehen sich auf euren Platz in der Kirche. Ihr wollt wissen, was der Papst von euch verlangt. Und ob er überhaupt etwas von euch verlangt. Und ob ihr jung sein dürft in der Kirche. Die Kirche, liebe Jungen und Mädchen, soll immer eine junge Kirche sein. Sie muß sich von Tag zu Tag erneuern, sich fortwährend bekehren. Sie muß Antwort geben auf die Fragen unserer Zeit. Ihr wißt besser als wir, um welche Fragen es geht. Ihr seid doch mehr als wir Kinder dieser Zeit. Und darum übt ihr Kritik an der Kirche, zuweilen unverblümte Kritik. Ihr müßt begreifen, daß wir Älteren damit manchmal unsere Mühe haben. Manchmal fügt ihr uns auch Schmerzen zu. Und doch hätten wir es nicht gern, wenn ihr aufhört. Ihr müßt uns weiterhin alles ehrlich sagen. Aber ihr müßt auch auf die Kritik von unserer Seite achten. Eure Kritik muß der echten Sorge um die Kirche entspringen, denn die Kirche muß das tun, was Christus von ihr erwartet. Darauf kommt es vor allem an. Die Kirche hat sich nicht selbst erfunden. Sie weiß, daß sie die Furcht der erfinderischen Liebe Christi ist. Darum ist sie nur darauf bedacht, den Willen ihres Herrn sorgfältigzu beachten und ihn mit dem Beistand des Geistes immer besser zu verstehen, um seine heilbringenden Ziele zum Wohl der Menschheit voll zu verwirklichen. Sie ist davon überzeugt, daß derjenige, der eine Aufgabe in der Kirche hat, niemals Anlaß hat, auf den eifersüchtig zu sein, der eine andere Aufgabe hat. Die Verschiedenheit der Aufgaben ist kein Grund dazu, sich einem anderen überlegen zu fühlen. Man muß nur danach streben, in der Liebe überlegen zu sein (vgl. 560 REISEN 1 Kor 13,13-14). Im Himmelreich wird es nur eine Hierarchie der Liebe geben. Bemüht euch also, in der Liebe zu wachsen, und erfüllt hochherzig die Rolle, zu der euch der Geist Christi in der Kirche ruft, deren lebendige Glieder ihr seid. Ihr, wir alle sind die Kirche. Sprecht daher nie wie ein Außenstehender über die Kirche, sondern immer wie einer, der mit Überzeugung beteiligt ist. Sprecht vor allem nie zu der Kirche oder über sie, als ob sie nicht für euch da sei oder euch gleichgültig ließe oder, noch schlimmer, als ob sie ein Feind wäre. Sie ist eine Mutter, denn sie hat euch geboren für Christus. Man klagt eine Mutter nicht an, sondern liebt sie. Mit einer Mutter spricht man im Vertrauen. Man geht zu einer Mutter, um ihr das Herz zu öffnen, um zusammen mit ihr die Last des Lebens, die Sorgen der Familie zu tragen. Die Kirche wartet auf euch, so wie ihr seid. Ich möchte euch auch bitten, nicht so zu fragen, daß ihr nicht mehr zuhören könnt. Verschließt euch nicht. Bleibt miteinander verbunden. Wir müssen einander stützen. Ebenso wie in den Familien sollen wir in der Kirche Geduld miteinander haben: ihr mit unserem vielleicht zu bedachtsamen Gang und wir mit eurem Ungestüm. Wir wollen Ehrfurcht voreinander haben. Glaubt mir: Wir können euch nicht entbehren. Ihr seid unersetzlich. <115> <115> Liebe, junge Leute, der Glaube ist immer eine Herausforderung. Das ist nie anders gewesen. Wer in dieser Zeit Christ sein will, erfährt Schwierigkeiten. Aber in der Vergangenheit gab es andere Schwierigkeiten. Und in der Zukunft werden neue Generationen junger Menschen auf neue Schwierigkeiten stoßen. Das ist eine Voraussage, die man machen kann, ohne Gefahr zu laufen, daß sie sich als falsch erweist. Christsein ist nie eine leichte Wahl gewesen und soll es auch nie sein. Aber wird die Entscheidung für Christus nicht gerade deshalb anziehend? Was schwer ist, erfordert Mut. Und gerade im Mut kommt der echte Adel zum Ausdruck. Ihr dürft auch nicht vergessen, daß in anderen Ländern der Welt junge Menschen einen,, sehr hohen Preis für das Zeugnis eines Lebens, das am Evangelium orientiert ist, bezahlen. Trotzdem lächeln und singen sie gern. Ihre Erfahrung lehrt uns, daß die Freude aus dem Opfer entspringt, wenn es aus Liebe zu Christus gebracht wird. Ich hoffe, daß das auch eure Erfahrung sein möge. In anderen Ländern müssen die Jugendlichen Armut und Mangel ertragen. Doch sind sie trotzdem voller Freude und Eifer. Im Vergleich mit ihnen seid ihr bevorzugt. Ihr verfügt über einen großen Wohlstand und 561 REISEN eine hohe Entwicklungsstufe, wodurch ihr viele Möglichkeiten zu einem menschenwürdigen Leben habt. Haltet euch fest an Christus, um den Weg des Evangeliums in der heutigen Welt mit Freude zu gehen, ohne euch zu verirren. Haltet euch auch an der Jungfrau Maria, der Mutter Christi und unserer Mutter, fest. Sie ist für uns alle ein Beispiel für die Hingabe an den Willen Gottes. Mit ihr werdet ihr sicher und voll Freude der Zukunft entgegengehen können. „Augenblick der Gnade und der Gemeinschaft“ Ansprache an die Mitglieder der Niederländischen Bischofskonferenz in Amersfoort am 14. Mai Ehrwürdige Brüder! 1. Noch immer sind mir die Tage der Sondersynode, die zu Beginn des Jahres 1980 abgehalten wurde, und die Begegnung, die ich danach mit dem niederländischen Episkopat anläßlich des Ad-limina-Besuchs hatte, in lebhafter Erinnerung. Mit einem von brüderlicher Zuneigung erfüllten Herzen komme ich jetzt gewissermaßen, um jene Besuche zu erwidern. Ich kann wohl mit dem hl. Paulus sagen: „Mein Herz ist weit geworden. In uns ist es nicht zu eng für euch“ (2 Kor 6,11 f.). Ich bin zudem gewiß, daß ich auf eure Zuneigung mir gegenüber zählen kann. Wir wissen ja, daß wir ein einträchtiges Kollegium bilden müssen. Kraft der wunderbaren Vorsehung, durch die wir unsere verschiedenen Dienstämter empfangen haben, spiegelt sich in uns das Apostelkollegium wider, das um Petrus und unter seiner Leitung vereint war und dem der Herr Jesus die pastorale Führung seiner Kirche anvertrauen wollte (vgl. Lumen gentium, Nr. 20 und 22). Möge er, den der Apostel Petrus den „Hirten und Bischof unserer Seelen“ (1 Petr 2,25) und „obersten Hirten“ (7 Petr 5,4) nennt, diese Äußerung herzlicher und wahrhaftiger Kollegialität fruchtbar machen und segnen. 2. Während ich euch mit der Versicherung meiner ehrfurchtsvollen und brüderlichen Hochachtung grüße, gehen meine Gedanken zu Beginn dieses Gespräches mit euch spontan zu den zwei großen Bischöfen, mit 562 REISEN denen die Kirche in den Niederlanden durch tiefe und unzerreißbare Bande verbunden ist. Der erste dieser vortrefflichen Männer hieß Servatius. Er besaß das Charisma der Kirchenstifter, die den Boden bereiten für die Saat und die Fundamente ausheben für den Bau. Er kam von weither, um sich in einem ihm unbekannten Land einer Sendung zu widmen, von der er sich gar keine Vorstellung machen konnte. So tritt an seinem bischöflichen Dienst ein Aspekt hervor, der, auf welche Weise auch immer, im Wirken des Bischofs nicht fehlen darf: das Bewußtsein, gesandt zu sein, bzw. die völlige Bereitschaft, in ein Wirkungsgebiet zu gehen, das man als eigenes Arbeitsfeld annimmt, auch wenn es einem fremd vorkommt, weil es von Säkularismus und Entchrist-lichung gekennzeichnet ist. Weite Teile Europas werden zu Missionsgebieten, die von den Bischöfen einen hochherzigen missionarischen Geist verlangen. Sie dürfen es sich nicht in der Wärme des bischöflichen Hauses gemütlich machen, sondern müssen auf die Menschen zugehen, um ihnen die Frohbotschaft vom Heil zu bringen. Das ist das Profil des Hirten, das Servatius den heutigen Bischöfen vor Augen stellt. Aus den biographischen Angaben und aus zuverlässigen historischen Berichten ersteht vor uns die Gestalt dieses Hirten, der in den unbarmherzigen, durch die Irrlehre des Arianismus in der Kirche entbrannten Streit hineingezogen wurde. In den schwierigsten Augenblicken des Kampfes für den Glauben hielt er treu zu dem großen Athanasius. Kurze Augenblicke des Zögerns und verminderter Kraft und Klarheit überwand er rasch und festigte um so mehr seine Bereitschaft, mit vollkommener Eindeutigkeit die Lehre der Kirche zu verkündigen und zu verteidigen. Stimmt es nicht, daß das Zeugnis des Servatius noch 1500 Jahre nach seiner Lebenszeit seine ganze Kraft bewahrt hat? Welcher Bischof spürt nicht, da er von ihm lernen muß, die geoffenbarte Wahrheit, deren Hüterin die Kirche ist, wachsam, klar und unzweideutig darzulegen und zu verteidigen? Und welcher Bischof wird nicht aus dem Vorbild dieses Mitbruders aus früheren Zeiten neuen Mut schöpfen wollen für die Erfüllung der Aufgabe, den wahren Glauben in seiner ganzen Fülle und unversehrten Reinheit zu verkündigen? 3. Die andere Gestalt, die uns vor Augen steht, ist Willibrord, der nahezu 400 Jahre nach Servatius lebte. Auch er kam von weither, aus seinem Geburtsland Nordhumbrien. Aus der Abtei Ripon, in der er in früher Jugend, „statim ablactatus“ (nach Alkuin) als Novize eingetreten war, 563 REISEN und aus dem Kloster Rathmelsigi (Mellifont) in Irland, wo er in der Schule großer Mönche, wie Egbert, ausgebildet wurde. Im Herbst des Jahres 690 landete er als junger Priester in Friesland, dem Arbeitsfeld, das Papst Sergius I. ihm und einigen Gefährten anvertraut hatte, um dort die Missionsarbeit aufzunehmen. Wegen seiner unermüdlichen Arbeit machte ihn der Papst am 21. November 695 zum Erzbischof des ausgedehnten Gebietes. Ohne Unterlaß war er unterwegs, um zu predigen, zu taufen und Gemeinden zu bilden. Er zog durch Friesland, Flandern, Kempen, Luxemburg, den Rhein entlang und nach Zeeland und errichtete seinen Bischofssitz zuerst in Antwerpen, dann in Utrecht und schließlich in Echternach. Welche Tugenden muß ein Bischof besitzen? Er hat das Bild eines Bischofs hinterlassen, dem die Anhänglichkeit an das monastische Leben - Stillschweigen, Abtötung und Gebet - kein Hindernis war, sondern eine Triebkraft zu eifrigem und unermüdlichem apostolischen und pastoralen Wirken. Als nicht minder bemerkenswerte Kennzeichen seiner Aktivität haben die Biographen aufgezeigt: - die Fähigkeit, das eigene Leben, die Sprache und den Dienst ganz und gar auf die Menschen Frieslands und ihre Umwelt abzustimmen, jedoch ohne den geringsten Abstrich von der Botschaft des Evangeliums, als deren Verkünder er kam, und ohne zu verschleiern, daß er Jünger Christi war; - den Eifer und die Offenheit, mit denen er sich sowohl an die Einfachen und Geringen als auch an die Klugen und Mächtigen zu wenden wußte; - das Organisationstalent, womit er als Oberhirte die Kirche aufzubauen verstand (ihm wird die Ernennung von Weihbischöfen zugeschrieben, die ihn bei seinen pastoralen Aufgaben unterstützen sollten); - die väterliche Güte, gepaart mit strenger persönlicher Lebensführung; - die unerschütterliche Flingabe an den Stuhl Petri; - das Zusammengehen von Überlegung, Mut und Zähigkeit bei den großen Werken, die er für die Glaubensverkündigung unternahm; Tugenden, die ein Führer besitzen muß. Diese Charakterzüge sind auch heute noch voll aktuell. Jeder Bischof ist aufgerufen, in seinem Leben und Wirken diese Tugenden ständig zu verwirklichen. Glücklich der Bischof, der sie konsequent und kompromißlos nachzuahmen versteht. 564 REISEN 4. Im Licht des unvergänglichen Vorbildes dieser Bischöfe und gleichsam, um aus ihren bischöflichen Qualitäten Frucht zu ziehen, möchte ich spontan die Aspekte unterstreichen, die die Nachfolger Servatius’ und Willibrords als Kennzeichen ihres heutigen Bischofsamtes ansehen. Das Bischofsamt ist vor allem Dienst an der Gemeinschaft. Nicht zufällig erklären die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils, daß sowohl der Bischof der Weltkirche als auch die Bischöfe der Teilkirchen aufgrund ihres ursprünglichen Charismas Zeichen und Baumeister, Förderer und Verteidiger, Apostel und Garanten der kirchlichen Gemeinschaft sind. Dieser Dienst an der Gemeinschaft ist ein kostbarer und unentbehrlicher Dienst, vor allem, wenn es darum geht, die Einheit aufzubauen und inmitten von Konflikten und in der Unruhe von Zwietracht und Uneinigkeit zu bewahren. Die erwähnte Sondersynode des Jahres 1980 hat uns allen die Verpflichtung hinterlassen, die Gemeinschaften aufzubauen. Gemeinschaft in den Vorhaben und Plänen der Bischöfe untereinander. Gemeinschaft der Bischöfe mit ihrem Klerus und mit den einzelnen Priestern. Gemeinschaft der Hirten mit ihren Gläubigen, die oft uneinig und gespalten sind, und zwar nicht nur durch ideologische und politische Optionen, sondern auch durch gegensätzliche Auffassungen von der Kirche, durch Polarisation und gegenseitigen Ausschluß. Gemeinschaft der Teilkirchen mit den Schwesterkirchen im Gefüge der Weltkirche; dadurch öffnet man sich dem Atem und der Weite des Universalen, das das allzu Kleine und auf die eigene Erfahrung Beschränkte durchbricht. Und auf dieser Ebene Gemeinschaft der Bischöfe mit dem Bischof von Rom und mit seinem Petrusamt im Dienst der Teilkirchen und der Universalkirche. Aber wir wissen alle, daß die Gemeinschaft, die zum Wesen der Kirche selbst gehört, nur unter bestimmten grundlegenden Gegebenheiten, die das konkrete Band der Gemeinschaft bilden, zustande kommen, bestehen und fortdauern kann. Diese realen Gegebenheiten haben ihren Mittelpunkt in einer Person: in Jesus Christus, dem ewigen Wort, das Mensch geworden ist, dem Sohn Gottes und Sohn Mariens. Um ihn, um die Wahrheit, die er ist, und um die Wahrheit, die er verkündet, wird die Gemeinschaft in Liebe aufgebaut. Darum ist jeder Bischof in seiner eigenen Kirche Lehrer, Diener und Zeuge Christi, der die Wahrheit ist. Er erzieht seine Herde zum Glauben, der im Anhängen an die Wahrheit Christi besteht. Das bedeutsame Vorbild Servatius’ und Willibrords als Verkünder des Evangeliums in diesen Gegenden verdeutlicht das „munus docendi“, die 565 REISEN Aufgabe des Lehrens, die'jedem Bischof obliegt, nämlich seine Pflicht, stets als der für das Kerygma Erstverantwortliche zu denken und zu handeln, als Erstverantwortlicher für die erste und grundlegende Verkündigung Jesu in einer säkularisierten, ihn immer mehr verkennenden Umwelt und auch als Verantwortlicher für die Glaubensvertiefung mit Hilfe der Predigt und Unterweisung auf verschiedenen Ebenen; ferner für eine Katechese, die sowohl hinsichtlich des Inhalts als auch der Methode und der Sprache zuverlässig ist. Erstverantwortlicher schließlich für die theologische Unterweisung und somit für das heikle Amt der Theologen in den Priesterseminaren, an den Universitäten, in den Instituten, Ordenshäusern. 5. Das Lehramt der Wahrheit muß im übrigen unter der Inspiration und dem Ansporn der Liebe ausgeübt werden. Auch das haben die beiden vortrefflichen Hirten in reichem Maße gezeigt und gelehrt. Beide haben ihre missionarische und pastorale Tätigkeit mit vorbildlicher Standhaftigkeit und Treue durchgeführt, inmitten unsagbarer Schwierigkeiten und Behinderungen. Ihr Werk bleibt ein Beweis für ein „dilexit in finem“ („er liebte bis zum Ende“), das kein anderes Ziel hat, als brüderliche Liebe und eine Gemeinschaft brüderlicher Liebe zu wecken. Eine Sendungsaufgabe, die der Bischof nicht vernachlässigen darf, ist das „veritatem facere in caritate“ (in Liebe das Wahre tun), das heißt, so zu handeln, daß in allen christlichen Gemeinschaften die Liebe die „suprema lex“, das oberste Gebot, ist, damit nicht nebensächliche Dinge, die zur Entzweiung führen, über das Wesentliche, das eint und verbindet, die Oberhand gewinnen. 6. In diesem Licht zeichnen sich im Lehrer die Züge des Hirten ab, der zugleich Vater ist. Der Bischof muß die Aufgabe, die er bei seiner Weihe auf sich genommen hat, ohne Konzessionen und ohne Kompromisse erfüllen. Die Festigkeit, mit der er die Wahrheit verkündet, lehrt und verteidigt, muß ihr richtiges Maß erhalten durch das „innige Erbarmen“, worin er sich als Vater erweist, der beschützt, und als Hirte, der die Seinen auf die „grünen Weiden“ führt. Die Verantwortung des Amtes, für das er geweiht wurde Der Bischof weist deutlich die Züge eines Vaters und eines Hirten und nicht nur die eines Führers oder Managers auf, - wenn er seiner Herde in allen ihren Nöten nahe ist, vor allem in ihrem Verlangen nach Gott; 566 REISEN - wenn er zusammen mit seiner Herde geht, ihr vorausgeht, um ihr den Weg zu weisen und sie vor Gefahren zu warnen, um sie gegen die Wölfe zu verteidigen und ihr ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Nicht hinter der Herde, so als müßte er geführt, beschirmt und verteidigt werden. Nicht getrennt von der Herde, so als sorgte er sich nicht um ihr Los. Der Bischof ist Hirte und Vater, wenn er klar die ganze Verantwortung des Amtes auf sich nimmt, für das er geweiht und vom Heiligen Geist eingesetzt wurde; - wenn er sich ausschließlich von Jesus, dem ewigen Hohenpriester, leiten läßt; - wenn er sich mit den anderen Bischöfen verbunden fühlt und bereit ist, die Dienste aller Instanzen in Anspruch zu nehmen, die ihm bei dem anspruchsvollen Dienst, der ihm vom Herrn und von der Kirche anvertraut wurde, helfen können, ohne jedoch auf seine ganz persönliche Verantwortung zu verzichten; - wenn er unter den verschiedenen Wegen, die die Kirche anbietet, oder die sein Eifer, seine Weisheit und seine Kreativität ihm raten, den besten Weg findet, um den Menschen, denen er als Hirte und Vater gegeben ist und die er aneifern soll, möglichst nahe zu sein. 7. Wie könnte man schließlich einen letzten Zug in dem leuchtenden Bild der beiden heiligen Bischöfe verschweigen, deren Wirken für immer mit der Geschichte der Kirche in dieser Nation verbunden bleiben wird? Dieses Werk tiefgreifender Evangelisierung war vor allem darauf gerichtet, „das Volk mit der Erfahrung des Heils zu beschenken ... in der Vergebung der Sünden“ (vgl. Lk 1,77). In zwei verschiedenen Augenblik-ken der Geschichte sind die beiden großen Bischöfe aus der Ferne gekommen, um zahlreichen Menschen in diesen Landen das unerforsch-liche Geheimnis von der Güte und Gnade des lebendigen Gottes zu offenbaren und so ein ganzes Volk von Gläubigen zur Heiligkeit zu führen. Auf der Linie der unvergänglichen Lehre der Kirche hat das Zweite Vatikanische Konzil uns daran erinnert, daß die Aufgabe, das Volk zu heiligen, die die beiden hervorragenden Bischöfe mit großem Eifer verfolgt haben, für jeden Bischof kennzeichnend ist. Er muß heiligen durch das Wort, das er verkündet, durch die Kraft der Sakramente, die er spendet, durch die evangelischen Tugenden, die er zur Entfaltung bringen muß, durch den aus Liebe geübten Gehorsam gegenüber dem Evangelium, den er weckt, durch die geistliche Führung, die er anbietet. Der Bischof muß sich dieses Sendungsauftrags der Heiligung bewußt sein. 567 REISEN Durch seine persönliche Arbeit und durch die Koordinierung der Arbeit seiner Mitarbeiter muß er alles nur Mögliche tun, um in allen, die der oberste Hirte und Hohepriester Jesus Christus seiner Hirtensorge an vertraut, die christliche Berufung zum Wachsen zu bringen. Die Partikularsynode war Ausdruck echter Kollegialität 8. Ehrwürdige und geliebte Brüder! Alles, was ich euch bei dieser Begegnung als Ausdruck meiner aufrichtigen Einheit und Verbundenheit mit euch und mit eurem Bischofsamt habe sagen wollen, führt uns in Gedanken zu jenem bedeutenden Augenblick im Leben der Kirche in den Niederlanden, nämlich zur Partikularsynode zurück. Ich zögere nicht zu sagen - und wer dabei gewesen ist, kann es bestätigen -, daß sie ein Augenblick der Gnade, der Einheit, der Hoffnung und des Mutes, der Arbeitsamkeit und der Entscheidungen gewesen ist. Für euch und für eure Gläubigen war das eine Fortsetzung der einzigartigen Gnade des Konzils. Es ist eine Pflicht, standhaft und treu an dieser Gnade festzuhalten. Es ist nicht nur nötig, die Vorschläge und Beschlüsse der Synode durchzuführen, sondern auch den Geist walten zu lassen, von dem sie beseelt war und der weiterlebt im Buchstaben der Beschlüsse, zu denen man damals gelangt ist. Ihr, die ihr selbst bei der Synode zugegen wart, oder eure Vorgänger habt an eure Priester und Gläubigen geschrieben: „Nun können wir euch die Ergebnisse und Beschlüsse mitteilen, zu denen wir gemeinsam gelangt sind und die vom Papst angenommen und approbiert wurden. Sie sollen uns leiten bei der Verwirklichung des Aufbaus und der Errichtung der Kirche als Gemeinschaft Christi.“ Die Partikularsynode war Ausdruck echter Kollegialität. Sie will, ja verlangt Norm und Inspiration zu werden für das Leben vor allem derer, die durch den Heiligen Geist eingesetzt sind, die Kirche in diesem Land zu leiten, und sodann für die ganze kirchliche Gemeinschaft. Mögen euch also die Worte und der Geist der Beschlüsse dazu anspornen, mit Freude und Elan die gewaltigen und erhabenen Forderungen eurer Sendung zu erfüllen als „doctores fidei“, Lehrer des Glaubens, als geistliche Väter, als Hirten und Führer, als „perfectores“, Vollender, und Heiligmacher für so viele, die, öffentlich oder im stillen (vielleicht ohne es selbst zu wissen), von euch wirksame Hilfe erwarten. i Mögen die Beschlüsse euch ermutigen, euren Priestern ganz nahe zu sein und sie anzuspornen, den Anforderungen ihrer Berufung in dieser Stunde der Kirche in den Niederlanden immer treuer zu sein. Mögen sie euch anspornen und unterstützen in eurem Einsatz und eurem Bemühen um 568 REISEN eine tatkräftige Förderung der Priester und Ordensberufe, so daß die Niederlande wieder eine blühende und vielversprechende Pflanzstätte für Priester und Ordensleute werden, auch im Dienst des Sendungsauftrages unter den Völkern. Mögen die Beschlüsse auch ein wertvoller Wegweiser sein für eure Aufgabe, zahlreiche Laien heranzubilden, die fähig sind, ihrem Charisma zu entsprechen und aktiv in der Welt anwesend zu sein und die irdische Wirklichkeit mit dem belebenden Sauerteig des Evangeliums zu beseelen. Mögen sie schließlich bei allen Gläubigen den Geist der Gemeinschaft und der Offenheit für die Weltkirche bewahren. Mit diesen Wünschen, die ich der mütterlichen Fürsprache Mariens anvertraue, segne ich euch alle von Herzen. Bemüht, einander zu verstehen Ansprache vor seinem Abflug von Amsterdam am 15. Mai Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Schon ist für mich der Augenblick gekommen, Ihr schönes Land zu verlassen. Ich habe seine Ordnung und Schönheit, seinen Wohlstand und seine Gastfreundlichkeit, den Fleiß und die Frömmigkeit seiner Bevölkerung schätzen gelernt. Mein Herz ist voller Dankbarkeit und Freude. Sie, Herr Ministerpräsident, bitte ich, Königin Beatrix nochmals meine aufrichtige und ehrerbietige Dankbarkeit auszusprechen. Mir ist noch ihre große Herzlichkeit, die ich schon während ihres Vatikanbesuches erfahren durfte und die durch die hervorragende Mitarbeit der Regierung in dem guten Verlauf dieser Pastoraireise deutlich zum Ausdruck gekommen ist, in unauslöschlicher Erinnerung. Von ganzem Herzen danke ich den Verantwortlichen und den Mitgliedern der öffentlichen Dienste für ihre Zuvorkommenheit und ihren wirksamen Einsatz. 2. Ihnen allen, liebe Bischöfe der Niederlande, möchte ich meine große Dankbarkeit und tiefe Zufriedenheit bezeugen. Vor und während dieser historischen Reise haben Sie alles unternommen, daß es ein Erfolg werden konnte. Diese Erfahrung der engen Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem Bischof von Rom wird sich auswirken auf das Leben der 569 REISEN Ihnen anvertrauten Bistümer und wird Ihre Einheit im Denken und Handeln verstärken. Könnte Ihr berühmter Landsmann Papst Hadrian VI. in diesem Augenblick an meiner Stelle das Wort führen, würde er nur zu Recht seine Befriedigung und seine Glückwünsche ausdrücken können und Sie ermutigen, das Werk Gottes in dem Land der heiligen Willibrord und Servatius weiterzuführen. Sie haben mein Vertrauen und meine Unterstützung. Die öffentliche Meinung hat sich schon ausführlich genug zu den Schwierigkeiten zwischen Rom und der Kirche der Niederlande geäußert. Liebe Brüder, es ist mein und Ihr innigster Wunsch, daß dieser apostolische Besuch unsere Bemühungen, einander zu verstehen und brüderlich zusammenzuarbeiten, auch weiterhin fördern möge, damit wir vor der Welt das Zeugnis der Einheit geben können, auf das sie wartet. 3. Ich denke auch an unsere Brüder im Priesteramt und an alle Ordensleute, die am Leben der Bistümer beteiligt sind. Möge der kurze Aufenthalt des demütigen Nachfolgers Petri in ihrer Mitte in ihnen das Feuer des Anfangs wiederentfachen als ein Quell inniger Freude für sie selbst und zum Ansporn für ihre Brüder! 4. Allen Katholiken dieses Landes, ob sie an den veranstalteten Begegnungen teilgenommen oder diese über die Medien verfolgt haben, will ich meinen frohen und herzlichen Dank für die Aufnahme aussprechen. Alle, denen ich begegnet bin, haben in mir den Eindruck einer christlichen Glaubensgemeinschaft hinterlassen, die das Reich Gottes in der Wirklichkeit von heute konkret gestalten will. Männer und Frauen, junge Menschen und Kinder der katholischen Gemeinden in den Niederlanden, bleibt mit euren Hirten und untereinander eng verbunden. Dann werden eure Gemeinden, eure Bistümer und Apostolatsverbände gedeihen und gleichsam eine kirchliche Symphonie bilden, die mit der Blumensymphonie eures schönen und liebenswerten Landes zu vergleichen ist. Ich verlasse euch, aber das nur im gewissen Sinn. Ich trage euch alle in meinem Herzen und in meinem Gebet, und ich segne euch nochmals im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit. Maria, die Mutter der Kirche, beschütze euch! 570 3. Pastoralbesuch in Luxemburg (15. bis 16. Mai) REISEN Die Liebe zu Christus und zur Kirche neu entfachen Fernsehbotschaft an die Luxemburger, ausgestrahlt am Ostersonntag, 7. April Liebe Freunde! Schon lange habt ihr mich zu einem Besuch eingeladen. Euer Bischof und Seine Hoheit Großherzog Jean haben sich zu warmherzigen Dolmetschern eures Wunsches gemacht. Jetzt, in einigen Wochen, habe ich die Freude, zwei Tage im Großherzogtum zu verbringen. Heute sollt ihr wissen, daß ich mit Gefühlen hoher Achtung für euer Land komme. Ihr habt eure Eigenständigkeit und eure eigene Tradition bewahren können, ihr konntet euren Platz im Herzen des modernen Europa behaupten und habt zahlreiche Menschen aus anderen Ländern bei euch aufgenommen. Es drängt mich, alles zu entdecken, was zum Gleichgewicht eures Staates beiträgt. Weil ich Nachfolger des Petrus bin, wird meine Reise vor allem eine Pilgerfahrt zu dem Teil des Gottesvolkes sein, der in Luxemburg wohnt. Mit den Jungen und den Alten, den Arbeitern, den Seelsorgern, den Familien, mit euch allen werden wir den Glauben feiern, unsere Liebe Frau vom Trost, eure Patronin, anrufen, zum himmlischen Vater beten und die Worte bedenken, die Jesus uns anvertraut hat, um uns zu führen. In aufrichtiger Vorfreude auf meinen Besuch grüße ich schon heute alle sehr herzlich, denen ich in eurem Land begegnen werde und die mich mit ihrem Wohlwollen und Gebet begleiten werden. Ich danke denjenigen, die unsere verschiedenen Begegnungen mit Umsicht und Hingabe vorbereiten und so wesentlich dazu beitragen, daß diese für alle zu einem frohen und tiefen Erlebnis werden können. Ich freue mich vor allem über eure geistliche Vorbereitung darauf und erbitte euch dafür Gottes besonderen Beistand und Segen, damit es Tage der Gnade werden, die euch im Glauben festigen, in der christlichen Hoffnung bestärken und die Liebe zu Christus und seiner Kirche in euch neu entfachen. Ich lade euch herzlich ein, in den kommenden Tagen und Wochen in dieser Meinung das Gebet des Herrn, das Vaterunser, zu beten, mit dem wir immer wieder die wichtigsten Anliegen unseres Lebens vertrauensvoll vor Gott tragen. Bitten wir um das tägliche Brot und um alles, dessen wir bedürfen, um ein menschenwürdiges Leben zu führen. Bitten wir Gott vor allem, daß sein Reich immer mehr Wirklichkeit unter uns werde: sein Reich der Wahrheit, der Gerechtigkeit und des Friedens. Den Härgott soll Letzeburg an all seng Awunner senen a beschützen! 572 REISEN Unabhängigkeit in Würde wiedererlangt Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Luxemburg am 15. Mai Königliche Hoheiten! Ehrwürdiger Bruder im Bischofsamt! Exzellenzen, meine Damen und Herren! Liebes Volk von Luxemburg! 1. Groß ist meine Freude in diesem Augenblick, wo ich im Rahmen meiner Pastoraireise in die Beneluxländer in diesem so geliebten Land Luxemburg eintreffe. Während ich den Boden des Großherzogtums betrete, freue ich mich, die freundliche Einladung zu erwidern, die Eure Königliche Hoheit und Ihre Regierung sowie Msgr. Jean Hengen, der Bischof von Luxemburg, an mich gerichtet haben. Sehr bewegt haben mich die edlen und herzlichen Begrüßungsworte, mit denen Eure Königliche Hoheit soeben den geistlichen Auftrag und die Verpflichtung, die ich gegenüber allen Katholiken übernehme, und die Anstrengungen würdigte, die diese Mission zugunsten des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt mit sich bringt. Mit Hochachtung und Dankbarkeit grüße ich alle hochgestellten Persönlichkeiten, die mir zusammen mit Ihren Königlichen Hoheiten, dem Großherzog und der Großherzogin, entgegengekommen sind, um mich auf diesem Flugplatz zu begrüßen. Durch sie ergehen meine herzlichen Grüße an die gesamte Bevölkerung Luxemburgs, die hier durch Delegationen aus den verschiedenen Regionen des Landes anwesend ist. Alle Bewohner, Luxemburger und Zugewanderte, Katholiken und Angehörige anderer Konfessionen, Gläubige und Nichtglaubende, mögen meiner aufrichtigen Sympathie gewiß sein. Allen, Männern und Frauen, bin ich verbunden durch eine intensive Sorge um den Menschen und durch eine unauslöschliche Verpflichtung seiner Würde und Freiheit gegenüber. 2. Ich weiß, daß diese Werte in den demokratischen Institutionen eures Landes eingeschrieben sind. Sie sind in das Herz der Bürger um so tiefer eingeprägt, als eure lange, wechselvolle Geschichte und Leiden aus jüngster Zeit euch gelehrt haben, deren wahren Wert zu ermessen. So kann ich mich nur mit ganzem Herzen dem Gebet anschließen, das ihr in eurer Nationalhymne an Gott, den Allerhöchsten, richtet: „Looss viru blenken d’Fräiheets-Sonn, dei mir esou laang gesin“ (Laß immer leuchten die Sonne der Freiheit, die wir so lange gesehen haben). 573 REISEN Arbeit für ein vereintes Europa Seit nunmehr 40 Jahren habt ihr dank eurer Verbündeten und eures eigenen Mutes die Unabhängigkeit in Würde wiedererlangt. Euer Volk, das den religiösen und moralischen Werten und ganz besonders dem katholischen Glauben anhängt, ist unter dem Schutz Unserer Lieben Frau, Trösterin der Betrübten, Schutzpatronin der Stadt und des Landes Luxemburg, gestärkt durch seinen Zusammenhalt und seinen Friedenswillen aus dem Schmelztiegel der Prüfung hervorgegangen. Luxemburg steht von Anfang an in vorderster Linie bei der Arbeit für ein vereintes Europa, in welchem Nationen, die sich einst feindlich gegenüberstanden, versuchen, ihre Anstrengungen für die Förderung des Gedeihens und Wohlergehens aller zu vereinen. Ein glücklicher Zufall will es, daß die Stadt Luxemburg, die lange wegen ihrer uneinnehmbaren Festung bekannt war, heute durch die Anwesenheit wichtiger Institutionen der Europäischen Gemeinschaft bekannt und. berühmt ist. Auf diese Weise bleibt euer Land seiner Berufung treu, an diesem wichtigen Knotenpunkt der Zivilisation ein Ort des intensiven Austausches und. der Zusammenarbeit zwischen einer wachsenden Zahl von Ländern zu sein. Ich.wünsche inständig, daß dieser Wille zur Solidarität die nationalen Gemeinschaften immer stärker miteinander vereine und sich auf alle Nationen der Welt, insbesondere der ärmeren, ausdehne. 3. Diese apostolische Reise, wurde unter das Zeichen des Vaterunsers gestellt, des Gebetes für jeden Tag unseres Lebens. Wenn wir uns darauf besinnen, werden wir uns besser bewußt werden, daß alle Menschen von Gott, unserem Vater, erschaffene und geliebte Söhne und Töchter sind; und wir werden auch unsere brüderliche Solidarität festigen, denn es ist derselbe Vater, der uns mit sich und untereinander versöhnt, der uns durch seinen Willen zur Liebe und zum Frieden eint und verbindet. Man kann den Menschen nicht von Gott trennen, ohne den Menschen zu schmälern. Wer sich von Gott entfernt, läuft Gefahr, den Grund zur Achtung seines eigenen und des Lebens der anderen zu verlieren. Gott will den Menschen nicht unterdrücken; er ist sein Freund, er garantiert seine Größe und seine Freiheit, er steht den Armen und Schwachen bei. Das sind einfache und grundlegende Überzeugungen. Mein pastoraler Auftrag verpflichtet mich, diese Wahrheiten besonders in Erinnerung zu rufen in einem Augenblick, da die westliche Gesellschaft in Glaube und Sitte erschüttert ist und unter Besorgnis und Zweifel leidet. Zuerst den Katholiken, dann auch allen Menschen guten Willens, die be- 574 REISEN reit sind, mich zu hören, sage ich: Angesichts dieser „Demoralisierung“, die am Lebensnerv nagt, angesichts der Abdankung des Menschen gilt es, das Feuer des Glaubens an dem neu zu entfachen, der der „Gott der Lebenden“ ist. Wir müssen die Fackel der Hoffnung in eine Zukunft hoch-halten, für die es sich einzusetzen lohnt. Diese Zukunft, die alle unsere Erwartungen übersteigt, hat Gott uns in seinem Reich verheißen. Zugleich aber kann dieses Reich schon heute im Keim in unsere Zeit kommen und uns im täglichen Dasein mit neuem Leben beschenken. Die einzige Bedingung dafür ist, daß wir es mit reinem Gewissen, rechtschaffenem Herzen und im Gebet bereitwillig aufnehmen. „Gottes Reich - das Leben des Menschen“ Ihr habt dies, wie mir scheint, richtig verstanden, da ihr das Gebet des Herrn in dem schönen Leitwort zusammengefaßt habt: „Gottes Reich -das Leben des Menschen.“ Am Beginn meines Pastoralbesuches bei euch ist es mein brennender Wunsch und mein inniges Gebet, das ich durch die Fürsprache Mariens, der Patronin von Luxemburg, und durch die Vermittlung Jesu Christi zu unserem Vater im Himmel emporsende: „Dein Reich komme!“ Es komme dein Reich des Lebens und der Wahrheit, der Gnade und der Heiligkeit, der Gerechtigkeit und des Friedens. Es möge für alle Menschen in diesem Lande zur Quelle der Kraft, der Hoffnung und des Segens werden! Den Härgott soll Letzeburg an all seng Anwunner senen a beschützen! Wege zur wahren Solidarität Ansprache vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaft in Luxemburg am 15. Mai Herr Präsident des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft, meine sehr verehrten Vertreter der Institutionen der Gemeinschaft! <116> <116> Im Namen der Vertreter der Institutionen und Organe der Europäischen Gemeinschaft in Luxemburg hat Lord Mackenzie Stuart mich mit Worten begrüßt, die mich besonders berührt haben. Indem ich Sie begrüße, meine Damen und Herren, möchte ich Sie der hohen Wertschätzung 575 REISEN versichern, die ich für die Institutionen, in denen Sie beschäftigt sind, hege. In Erledigung der Ihnen übertragenen Aufgaben wirken Sie täglich auf das große Ziel hin, das den Europäischen Gemeinschaften zugrunde liegt, nämlich zwischen den Nationen dieses Kontinents die Solidarität entstehen zu lassen, die so schmerzlich vermißt wurde, als Europa in zwei Kriege verstrickt wurde, welche sich über die ganze Welt erstreckten. Die Gründerväter der Gemeinschaft hatten den Mut, die Wiederherstellung einer Einheit in Angriff zu nehmen, die in den letzten Jahrhunderten verlorenging, und die Grundlagen für eine Gemeinschaft zu bilden. Für den Menschen Zeugnis geben In einigen Tagen werde ich bei meinem Pastoralbesuch in Belgien Gelegenheit haben, ebenfalls den Sitz des Ministerrats und der Kommissionen der Europäischen Gemeinschaft zu besuchen. Bei diesem ersten Besuch des Papstes bei den Gemeinschaftsinstitutionen möchte ich hier vor Ihnen Fragen behandeln, die mir an die Art Ihres Auftrags gebunden scheinen. Ich beabsichtige sicher nicht, mich in die Zuständigkeit der hier angesiedelten Organe und in Ihre Tätigkeitsbereiche einzumischen. Ich komme hierher als oberster Hirt der katholischen Kirche, die seit zwei Jahrtausenden einen besonderen Platz in der Geschichte und Kultur Europas, also im Leben der Menschen, innehat. Und ich komme hierher, um für den Menschen zu zeugen, den durch den Glauben an Gott über den Sinn seines Lebens erleuchteten Menschen. 2. Es ist bemerkenswert, daß Nationen, die jeweils eine inhaltsreiche Vergangenheit haben, es fertiggebracht haben, hauptsächlich im Interesse ihrer Wirtschaft einen Teil ihrer Befugnisse an Gemeinschaftsstellen abzutreten und unter Überwindung großer Schwierigkeiten zu der Übereinstimmung zu gelangen, die für das gute Funktionieren dieser Institutionen erforderlich ist. Diese gründen sich auf Verträge, deren Anwendung abgestimmt ist. Das harmonisierte Vorgehen dieser Staatengruppe beruht auf dem Vorrang, der dem Recht eingeräumt wurde. Die Existenz eines Gerichtshofes spricht dafür, daß die Europäischen Gemeinschaften sich dem Recht verschrieben haben. Angesichts der Versuchungen der Macht und der leider unvermeidlichen Interessenkonflikte ist es Aufgabe des Rechts, zum Ausdruck zu bringen und dafür einzutreten, daß die einzelnen Völker und Menschen in ihrer Würde gleich sind. Ist es nicht ein wesentliches Verdienst einer auf dem Recht gegründeten Kultur, daß sie die Ihren gegen jede Form von Gewalt 576 REISEN schützen kann? Ist es nicht Aufgabe des Rechts, den Frieden durch gerechte Regelung der Beziehungen zwischen den Menschen und zwischen den Menschen und ihren Institutionen zu sichern? Es ist beglückend, festzustellen, daß Sie dazu beitragen, daß die Solidarität der Gemeinschaft gegenüber Einzelinteressen überwiegt, indem Sie den Bürgern der einzelnen Staaten eine Anlaufstelle bieten. Sicherlich bleiben noch beträchtliche Schwierigkeiten bestehen, doch Ihre Aufgabe liegt schon jetzt darin, dafür zu sorgen, daß die sogenannten „institutionellen Mechanismen“ niemanden beeinträchtigen noch ihn in seinen legitimen Ansprüchen behindern können. Aufgabe jeder Rechtsprechung ist insbesondere der Schutz der Gruppen und Personen, die wegen ihrer Armut, ihrer Gesundheit, ihrer mangelnden Ausbildung oder ihrer Entwurzelung benachteiligt sind - um nur einige Benachteiligungen zu nennen, die in der Gesellschaft vielen ihrer Mitglieder auferlegt sind. Voneinander unabhängige Rechtstraditionen Die Gemeinschaft befindet sich in einer einzigartigen Lage, um auf diese Grunderfordernisse einzugehen. Bei Ihnen sind Nationen vereint, die im Verlauf ihrer Geschichte mit zunehmender Selbständigkeit und Wegfall der relativen Gleichheit der Kulturen im Altertum und Mittelalter voneinander unabhängige Rechtstraditionen geschaffen haben. Jetzt haben Sie die Aufgabe, unterschiedliche Gesetzgebungen einander anzunähern und dafür zu sorgen, daß die ihnen zugrunde liegenden großen Traditionen einander begegnen. Mir scheint, daß Sie mit der Schaffung einer selbständigen europäischen Rechtsprechung die Möglichkeit haben, über die einfache Nebeneinanderstellung der Gesetze und über pragmatische Kompromisse hinauszugehen in einem Prozeß, der noch ganz am Anfang steht. Ihre Aufgabe wird Sie nach und nach dazu bringen, daß die große Gesamtheit Europas durch die einzelnen Beiträge seiner Teile bereichert wird. Ich wünsche Ihnen, daß Sie so beim Recht eine besonders nutzbringende Form des Fortschritts in der Kultur verwirklichen, in der Europa im Verlauf seiner Geschichte bereits viele Stadien durchlaufen hat. Die Übereinstimmung bestimmter Wünsche Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint eine Vervollkommnung des Rechtes, ausgedehnt auf den Umfang einer großen Gemeinschaft, um so erforderlicher, als sich die Gesellschaft, der es dient, unter zahlreichen, oft 577 REISEN einander entgegengesetzten Einflüssen ständig ändert. Die Menschen, deren wesentliche Erwartungen das Recht begünstigen soll, neigen dazu, sich in der Verfolgung zahlreicher unterschiedlicher Ziele so zu verzetteln, daß es schwierig wird, das Wesentliche zu erkennen. Die Übereinstimmung bestimmter Wünsche, noch verstärkt durch ihre Wiedergabe in den Medien, die angesichts der Gewalt und Instabilität, die die Welt bedrohen, empfundenen Befürchtungen, die zweifelhaften Verführungen, die von den unerhörten Möglichkeiten der Biowissenschaften ausgehen - all das bringt den Menschen von heute in die Lage, daß er seinen Weg nicht mehr erkennen kann, daß er sich von dem Schwindel des Zweifels ergreifen läßt und schließlich die Grundlagen einer gesunden Ethik aus dem Auge verliert. Das zeigt, wie schwer die Aufgabe derjenigen ist, die die Regeln für das Leben miteinander formulieren müssen. Sie brauchen große geistige Redlichkeit, sie brauchen großen Mut, um schwierige, aber unerläßliche Entscheidungen zu treffen. Die Kirche ihrerseits tut alles in ihrer Macht Stehende, um die Grundwerte der Achtung des Lebens in allen Stadien, das unveräußerliche Gut der Institution der Familie, die Ausübung der Grundrechte des Menschen, die Freiheit des Gewissens und der Religionsausübung, die Entfaltung der Persönlichkeit in einer freien Gemeinschaft mit den Mitbürgern zu verteidigen. Ich bin davon überzeugt, daß diese Absicht Sie beseelt. Und ich hege von ganzem Herzen den Wunsch, daß Europa auf alles zu reagieren weiß, was die Errungenschaften einer gerechten Ethik schwächen könnte, um die Wahrheit des Menschen ans Licht zu bringen. Und wie sollte man nicht wünschen, daß alle Länder Europas durch einen verstärkten Kulturaustausch die ihnen gemeinsamen Werte fördern? 3. Meine Damen und Herren! Diese meine Überlegungen zu Recht und Gerechtigkeit in der Gesellschaft finden eine natürliche Fortsetzung in den wirtschaftlichen Zielsetzungen, die von den Europäischen Gemeinschaften verfolgt werden; mehrere in dieser Stadt ansässige Organe leisten einen direkten Beitrag hierzu. Die gegenwärtigen Bedingungen des Wirtschaftslebens, das zugleich in Änderung begriffen ist und eine Krise durchläuft, lassen seine Fortentwicklung schwierig und sein Gleichgewicht bedroht erscheinen. Man ist versucht, dem Dringlichsten abzuhelfen. Es besteht die Gefahr, daß die technischen Erfordernisse einer schwierigen Regelung in gewissem Maße die Ziele verdunkeln, die Produktion und Handel zugrunde liegen. Um so nötiger ist es, wie mir scheint, daß diejenigen, die für die integrale 578 REISEN Wahrheit des Menschen zeugen, nicht abseits stehen. Sie müssen einen Grundsatz betonen: Alle verfügbaren Ressourcen und die Arbeit haben nur das eine Ziel, allen Menschen die Möglichkeit zu bieten, ihr Leben unter Achtung ihrer Würde zu führen. Der Begriff der Gerechtigkeit muß voll ausgeschöpft werden. Gerechtigkeit ist eine Grundforderung für jede Personengruppe, sie enthält eine neue Dimension in einer größeren Gesamtheit, in der mehrere Nationen verbunden sind. Ich weiß, wie zahlreich die Probleme sind, an deren Lösung Sie arbeiten. Wir sehen uns vielen Ungleichheiten gegenüber. In Europa befinden sich die einzelnen Regionen in derart unterschiedlichen Entwicklungsstadien, daß ihre Bewohner bei weitem nicht einen vergleichbaren Lebensstandard haben. Die Entwicklung von Technik und Handel in der ganzen Welt ist so, daß ganze Tätigkeitsbereiche der Rezession anheimgegeben werden, ohne daß dies durch ausreichende Neuanschaffungen ausgeglichen wird. Der Preis, den die Menschen hierfür hauptsächlich zahlen, ist Arbeitslosigkeit, und wir alle wissen, welches Unglück insbesondere bei der Jugend daraus folgen kann. Man kann nicht oft genug betonen, daß jeder von uns aufgerufen ist, nicht zu resignieren, daß jeder nach seinen eigenen Fähigkeiten tätig werden muß. Alle Ursachen müssen gründlich untersucht werden, Lösungen müssen beschlossen und verwirklicht werden, wobei man akzeptieren muß, daß einige dafür auf gewisse Vorteile verzichten müssen, damit die anderen die Beschäftigung finden, auf die sie ein Anrecht haben. Eine wesentliche Verpflichtung stellt die Jugend dar: Die Gesellschaft muß sich so organisieren, daß die Jugendlichen die Ausbildung erhalten können, die für ihre Eingliederung in das Erwerbsleben und für ihre eigene Mitwirkung an der Schaffung der Zukunft unerläßlich ist. Zu diesem Thema habe ich mich ausführlicher geäußert in meiner Enzyklika über die Arbeit (Laborem exercens, vgl. Nr. 18) und in der Rede, die ich bei meinem Besuch bei der Internationalen Arbeitsorganisation gehalten habe (Genf, 15. Juni 1982, vgl. Nr. 11-12). Außerdem möchte ich noch eine weitere wahrlich menschliche Verpflichtung betonen, nämlich, daß den am stärksten benachteiligten und gefährdeten Personen unter uns durch gerechte, brüderlich vereinbarte Teilung der Ressourcen gestattet wird, ihren Platz in der Gemeinschaft einzunehmen. Verantwortung in den Nord-Süd-Beziehungen 4. Die wirtschaftliche Stärke Europas läßt es zu einer der begünstigten Regionen der Welt werden, trotz seiner tatsächlich vorhandenen Pro- 579 REISEN bleme. Diese Lage läßt ihm eine Verantwortung in den Nord-Süd-Bezie-hungen entstehen, in denen auch die menschliche Gerechtigkeit gelten muß. Während Europa für sich die Wege einer internen Solidarität unter Ausschaltung hegemonialer Versuchungen sucht, kommt es ihm in demselben Geiste zu, diese Solidarität in möglichst großem Ausmaß auf die Länder auszudehnen, die keine eigenen Entwicklungsmöglichkeiten haben. Ich weiß, daß dies eine Ihrer Bestrebungen ist und daß auf viele Bemühungen Taten folgen wie im Rahmen der verschiedenen Abkommen von Lome. Angesichts eines wesentlichen Teils der Menschheit, insbesondere in Afrika, wo Hungersnot herrscht, wo das Land immer ärmer wird, wo die Staaten durch ihre Auslandsschuld gebunden sind und kaum Möglichkeiten zu produktiven Investitionen haben, muß man sich unaufhörlich fragen, ob alles, was möglich und gerecht ist, getan wurde. Könnte man gegen die Armut nicht mehr tun? Die Tragödie der Armut verlangt, daß alle Energien mobilisiert werden. Ein positives Element muß hier hervorgehoben werden: die Zusammenarbeit der Gemeinschaftsinstitutionen mit nichtstaatlichen Organisationen, die für die Entwicklung tätig sind, darunter auch vielen christlich inspirierten; sie arbeiten an Ort und Stelle eng mit den örtlichen Behörden zusammen und haben oft die Möglichkeit, die Hilfe auf ihre Empfänger abzustimmen, die Bemühungen der Landwirte zur Verbesserung der Lebensmittelproduktion zu unterstützen und die Zusammenarbeit zu einem wahrlich menschlichen Austausch werden zu lassen. Gestatten Sie mir, hier eine oft geäußerte Sorge vorzubringen, die Beispielcharakter hat? Ich meine, daß viele sich an dem Gegensatz stoßen zwischen der Not der Völker ohne Nahrung und der Anhäufung von Lebensmittelüberschüssen in Europa. Zwar finden umfangreiche Hilfssendungen statt, deren praktische Bedingungen jedoch schwierig bleiben, und das Problem ist nicht einfach arithmetisch zu lösen. Doch könnte man angesichts der Dringlichkeit der Lage nicht mehr tun? Ist man gewillt, alles zu unternehmen, damit die Früchte der Erde denjenigen zukommen, die sie unbedingt brauchen - zu einem Zeitpunkt, zu dem andere Reich-tümer so weitgehend ausgetauscht werden? Sich dafür einzusetzen, eine krasse Ungleichheit zu überwinden, bedeutet ganz konkret, einen Meilenstein auf dem Wege der wahren Solidarität zwischen Menschen zu setzen, die alle das Recht haben zu leben; und dies ist wahre Friedensarbeit. 580 REISEN Einschränkungen des Lebens in der Ferne 5. Meine Damen und Herren, bevor ich Sie verlasse, möchte ich die Mitglieder des Europäischen Parlaments herzlich grüßen, die an diesem Treffen teilnehmen wollten. Ich hoffe, daß ich eines Tages der an mich ergangenen Einladung Folge leisten und mich an den Sitz der Versammlung in Straßburg begeben kann. Und ich möchte auch denjenigen, die die Arbeit des Parlaments im Generalsekretariat unterstützen, meine Achtung bezeugen; ihre Arbeit dient einer lebendigen Beziehung der Menschen zu ihren Institutionen und einer stärkeren Eindringung des Geistes des Gemeinschaftsvorhabens in das Bewußtsein der Europäer. Viele Aufgaben verlangen von den für sie zuständigen Beamten wahre Aufopferung. Sie müssen mit den Einschränkungen des Lebens in der Ferne und den Erfordernissen des gegenseitigen Verstehens fertig werden. Ich wünsche Ihnen, daß die Tatsache, daß Sie Aufgaben im Interesse aller Ihrer Mitbürger erfüllen, Ihnen Befriedigung bereitet. Ich begrüße ebenfalls die Anwesenheit von Jugendlichen verschiedener Nationen in dieser Stadt, insbesondere derjenigen der Europaschule mit ihren Lehrern; sie sind das sichtbare Zeichen dafür, daß die neuen Generationen zu einer Welt der Brüderlichkeit und des Friedens beitragen können. Ihnen allen möchte ich Mut zusprechen. Ich versichere Sie meiner aufrichtigen Hochachtung. Ich bete zu Gott, er möge Sie erleuchten, Sie und Ihre Familien segnen. Im Gebet bitte ich darum, daß Ihre Tätigkeit getreu allem, was die Traditionen Europas an Positivem aufzuweisen haben, immer mehr ein konstruktiver Beitrag zur Sache des Rechtes und der Gerechtigkeit wird. „Seht da, eure Mutter!“ Ansprache in der Kathedrale von Luxemburg an Kranke, Behinderte und alte Menschen am 15. Mai Gelobt sei Jesus Christus! 1. Dieser Lobpreis, liebe Brüder und Schwestern, gilt Jesus von Nazaret, den wir in der heutigen Lesung aus dem Lukasevangelium auf dem Weg zum Gottesdienst in die Synagoge seiner Heimatstadt begleiten (vgl. 581 REISEN Lk4,16). Er gilt jenem Jesus, der schon als zwölfjähriger Knabe im Tempel von Jerusalem bekannte: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49). Wir bekennen ihn heute mit der ganzen Kirche - in Erfüllung der alttestamentlichen Weissagung des Propheten Jesaja - als den Gesalbten Gottes, auf dem der Geist des Herrn ruht und der gesandt worden ist, um den Armen die Heilsbotschaft zu verkünden (vgl. Lk 4,18). Es ist von tiefer Bedeutung, daß auch mich heute der erste Weg bei meinem Pastoralbesuch in Luxemburg in dieses Gotteshaus führt, in die Kirche des Bischofs, wo das Herz eurer Ortskirche schlägt und die Quellen des Heiles für eure Gemeinden entspringen. Hier steht der Altar, an dem der Bischof die heiligen Geheimnisse feiert, an dem er als Hirt seiner Kirche die Priester, seine Mitarbeiter im Hirtenamt, weiht und hinaussendet in eure Städte und Dörfer. Hier steht die Kathedrale des Bischofs, wo er dem Volk Gottes das Wort des Herrn verkündet und erklärt. Hier ist wirklich das Gotteshaus der Kirche von Luxemburg. Bei unserer ersten Begegnung an diesem Altar, der letztlich Christus selber versinnbildet, grüßt der Bischof der Kirche von Rom, die unter allen Kirchen des Erdkreises den Vorsitz in der Liebe führt, in brüderlicher Verbundenheit die Kirche von Luxemburg, alle Gläubigen und ihren verehrten Oberhirten. Gern gebe ich dem Wunsch Ausdruck, daß die Schäden des kürzlichen Brandes an diesem Gotteshaus bald wieder behoben werden können. Vor dem Gnadenbild der Gottesmutter Diese Kathedrale beherbergt aber zugleich auch das Gnadenbild der Gottesmutter, vor dem gläubige und hilfesuchende Menschen von nah und fern Maria, die Mutter Jesu, als „Trösterin der Betrübten“ anrufen und verehren. Noch bevor dieses Gotteshaus vor 115 Jahren Bischofskirche wurde, war es schon lange Zeit Wallfahrtsziel ungezählter Pilger, die seit über 300 Jahren der Trösterin der Betrübten ihr Leid geklagt haben und getröstet heimgekehrt sind. Wie oft mag im Laufe der Jahrhunderte hier der Gruß aus der Festmesse dieses Gnadenortes erklungen sein: Ave Maria! Ave spes nostra! (Introitus). Diesen Gruß bringt heute auch der Nachfolger des Apostels Petrus der Mutter des Herrn dar: Ave Maria! Ave Patronin dieser Kirche, ave Schutzherrin dieser Stadt und dieses Landes, ave Maria, Trösterin der Betrübten! 2. Mein Blick fällt sodann auf euch, die ihr heute in diesem Gotteshaus versammelt seid. Ich sehe Kranke und Behinderte jeden Lebensalters, 582 REISEN unter ihnen auch Jugendliche; ich sehe gebrechliche und von der Last des Alters gebeugte Menschen. Ihr alle seid gekommen, von hilfreichen Menschen begleitet, um den Stellvertreter Christi zu sehen und zu hören. Eng mit uns verbunden sind darüber hinaus noch viele andere kranke und vom Leid gezeichnete Brüder und Schwestern, die durch Radio und Fernsehen an dieser Feierstunde teilnehmen. Es ist mir eine besondere Freude, daß meine ersten Worte hier in Luxemburg an euch, liebe Kranke, gerichtet sein sollen, seid ihr doch offensichtlich die Lieblinge Jesu Christi - damals und auch heute. Und wir, seine Kirche, versuchen mit unseren schwachen Kräften den Herrn auch darin nachzuahmen. Überall wo christliche Familien ihre kranken, behinderten und altersschwachen Angehörigen zu Hause pflegen und umsorgen, tun sie es ja in der Liebe Christi, da wirklich - wie der Apostel Paulus sagt -dadurch der eine des anderen Last trägt und so das Gesetz Christi erfüllt (vgl. Gal 6,2). Auch hier sehe ich an eurer Seite viele Krankenpflegerinnen und -pfleger, die euch betreuen. Sind sie nicht die Hand des Herrn, der lindert und aufrichtet? Sind sie nicht Zeichen dafür, daß der Kirche auch heute der Dienst an den Kranken am Herzen liegt? Die Kirche von Luxemburg konnte sich immer zahlreicher Ordensberufe erfreuen, die gerade in der Pflege der Kranken und Alten, der Gebrechlichen und Hilflosen ihren Weg der Nachfolge Christi sahen. Im Namen Jesu Christi danke ich den vielen Ordensschwestern und Ordensbrüdern, die diesen Weg auch heute noch gehen! Zugleich bitten wir voll Vertrauen den Herrn, auch zu unserer Zeit in jungen Menschen den Wunsch zu solcher Nachfolge zu wecken, damit die Kirche weiterhin wie Jesus selbst den Kranken zu dienen vermag. An alle, die in der Krankenpflege tätig sind, richte ich die Bitte: Übt euren Dienst an den Kranken und Behinderten immer mit Liebe aus! Seid davon überzeugt, daß ihr dadurch die Sendung Christi fortführt, der gekommen ist, um zu dienen. Die Freude, die ihr den Kranken bereitet, wird in euer eigenes Herz zurückkehren und euch selbst bereichern. 3. Über dem Eingang in diese Kathedrale findet sich ein kunstvolles Glasfenster: Maria, die Trösterin der Betrübten, breitet ihren Mantel aus über das gläubige Volk. Nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges hat euer Volk zum Dank für den Schutz Mariens dieses Bild gestiftet. Die Farben eurer Nation: Rot, Weiß und Blau, durchziehen das ganze Bild, einer Nation, die damals nach vier qualvollen Jahren ihre Freiheit wiedererlangt hatte. Im Mittelpunkt des Bildes aber steht Maria, ganz in Weiß, 583 REISEN die Immaculata. Diesen Titel gaben die Jesuiten schon 1621 der Jungfrau Maria, als sie ihr diese Ordenskirche weihten. Immaculata, Gnadenvolle, so steht Maria immer vor uns, um uns zu zeigen, daß Gott treu ist, daß er die Seinen nicht verläßt. Mit Recht nennen wir Maria auch „Hilfe der Christen“, Hilfe, die Gott uns auf Mariens Fürbitte gewährt. Dieses Glasfenster zeigt deutlich, wie sehr wir Christen diese Hilfe brauchen, wenn es in roter Farbe die apokalyptischen Reiter darstellt, die Tod und Verderben über die Erde bringen (vgl. Offb 6). Zu der Zeit, da in eurer Heimat die Verehrung zur Trösterin der Betrübten aufblühte, waren es der 30jährige Krieg und sein Gefolge von Pest und Hunger, die die Menschen heimsuchten. Auch in späteren Zeiten fehlten solche Schrecken nicht. Vor allem aber in der Zeit des Zweiten Weltkrieges verstanden die Menschen diese Bilder der Offenbarung des Johannes. In all diesen Nöten nahmen die gläubigen Luxemburger ihre Zuflucht zu Maria, ihrer Patronin. Sie wurden nicht enttäuscht. Ihr Vertrauen setzten sie auf die, die selbst aus dem Gottvertrauen lebte; ihren Trost fanden sie bei der, die unter dem Kreuz ausharrte und dort vom Gott allen Trostes so gestärkt und getröstet wurde, daß sie jetzt alle trösten kann, die in Not sind (vgl. 2 Kor 1,4). Auch ihr, liebe Kranken, stellt euch unter ihren Schutzmantel, auch ihr bittet um ihren Trost. Und mit Recht! Sind nicht die apokalyptischen Reiter immer unterwegs, mit immer neuen Namen? Wenn wir auch heute die Pest nicht mehr kennen, so gibt es doch allzu viele andere Krankheiten und Plagen, die den Menschen von heute befallen! Trotz aller Fortschritte der Medizin gibt es auch heute unheilbare Krankheiten, die die Menschen oft in hilflose Angst stürzen. Und die Plage des Krieges, die uns sooft heimgesucht hat, liegt sie nicht immer noch drohend über der heutigen Welt, drohend mit millionenfachem Tod und unvorstellbarer Zerstörung? Und wer kennt nicht die Schreckensbilder des Hungers, die uns täglich aus vielen Regionen der Erde erreichen? In all diesen und den vielen anderen Nöten, die ich nicht alle nennen kann, müssen wir Gläubige unsere Zuflucht zu Maria nehmen, auch heute, genau so wie unsere Väter es in früheren Zeiten getan haben. Ja, meine Lieben, rufen wir sie immer wieder an: Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns! Das ist nicht ein Wegschauen von den Problemen, das ist keine Flucht vor der Not; es ist einfachhin christliches Vertrauen in die Hilfe Gottes, der uns ja selbst Maria zur Mutter gegeben hat. Und wo ist eine Mutter, die ihre Kinder nicht um Hilfe bitten können? Die Votivmesse, die zur Wallfahrtszeit hier am Gnadenbild sooft gefeiert wird, hat mit Recht als Evangelium 584 REISEN jene Stelle von Johannes, wo Maria unter dem Kreuze Jesu stand. Dort gab Jesu sie uns allen - in der Person des Lieblingsjüngers Johannes - zur Mutter: „Siehe da, deine Mutter“ (Joh 19,27). Genau so rufe ich euch, liebe Kranken, heute zu: Seht da, eure Mutter, eure Trösterin, die das Leiden ihres Sohnes mitgelitten hat und dadurch zur Trösterin und zum Beistand aller Leidenden geworden ist. Dasselbe rufe ich zugleich allen Gläubigen Luxemburgs zu: Seht da, eure Mutter! Ihr habt sie 1666 und 1678 zu euer Patronin erwählt. Bleibt dieser Wahl treu! Maria ist euch treu geblieben, treu in ihrem Schutz über euer Land, über eure Gemeinden und eure Familien. Bleibt auch ihr treu dieser Mutter, treu vor allem aber auch ihrem Sohn Jesus Christus. Sein Kreuz und seine Auferstehung sind die Quelle allen Heiles, Quelle allen Trostes, Quelle aller Hoffnung. 4. Am Kreuz ist unser Herr in allem unser Bruder geworden: auch im Leiden, in der Gottverlassenheit, im Todeskampf, ja, auch im Tod selber. Er wurde in allem uns gleich, außer der Sünde (vgl. Phil 2,7; Hebr 4,15). So können wir gerade im Leiden, in der Krankheit, in der Gebrechlichkeit des Alters auf ihn schauen. Und da er das Leiden ja wegen unserer Sünden auf sich nahm, können wir sogar dann zu ihm aufschauen, wenn wir unser Versagen, unsere Schwäche, unsere Sünde erleben. Wer auf ihn schaut, wird seine Stimme hören: Folge mir nach! Komm, „nimm mit deinem Leiden teil am Werk der Erlösung der Welt, die durch mein Leiden vollbracht wird, durch mein Kreuz! Während der Mensch sein Kreuz auf sich nimmt und sich dabei geistig mit dem Kreuz Christi vereint, enthüllt sich vor ihm mehr und mehr der heilbringende Sinn seines Leidens“ (Salvifici doloris, Nr. 26). Diese Worte, die ich im vergangenen Jahr im Apostolischen Schreiben über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens Salvifici doloris geschrieben habe, richte ich heute an euch, liebe Kranken. Schaut auf den Gekreuzigten, schaut auf den Auferstandenen. Und vergeßt eines nicht: „An eurem Leib könnt ihr“, wie der hl. Paulus im Brief an die Kolosser schreibt, „ergänzen, was am Leiden Christi noch fehlt“ (vgl. Kol 1,24). Wertvoller Beitrag zum Erlösungswerk Durch eure enge Verbundenheit mit Christus erhält euer Leiden eine große, eine neue Dimension: Es wird ein wertvoller Beitrag zum Erlösungswerk Gottes! Dies ist die Frohe Botschaft, die Christus, der Gesalbte Gottes, euch in eurer Prüfung und Bedrängnis verkündet. Er hat das Gna- 585 REISEN denjahr des Herrn ausgerufen und den Gefangenen die Freiheit, den Blinden das Augenlicht und den Zerschlagenen die Freiheit verheißen. Die endzeitliche, volle Erfüllung dieser Verheißungen nimmt er schon heute dadurch voraus, daß er diesen Leiden ihre Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit nimmt. Damit verlieren die Betroffenen das niederdrückende Gefühl, unnütz zu sein. „Ihr Kranken, Behinderten und vom Alter Gebeugten werdet im Gegenteil zu unersetzlichen Mittlern und Urhebern der für das Heil der Welt unerläßlichen Güter“ (Salvifici doloris, Nr. 27), wenn euer Leiden nur bewußt mit dem Opferleiden Christi verbunden und von seinem Opfergeist durchdrungen ist. Darum wendet sich die Kirche immer wieder gerade an euch, die Leidenden: Teilt den Schatz der Erlösung, den ihr durch euer Mitleiden mit Christus besitzt, der Welt mit, die immer mehr von der Sünde, vom Bösen bedroht ist; teilt ihn den Mitmenschen mit, die das Licht der Erlösung, den göttlichen Sinn ihres Lebens aus den Augen verloren oder noch nicht gefunden haben. So bitte ich euch, die ihr leidet, die Kirche zu unterstützen; werdet zum Kraftquell für die Kirche und für die Menschheit. „Möge in dem schrecklichen Kampf zwischen den Kräften des Guten und des Bösen, der sich vor uns in der heutigen Welt abspielt, euer Leiden in Einheit mit dem Kreuz Christi siegen“ (ebd., Nr. 31). Dazu erflehe euch Maria, die unter dem Kreuz Jesu stand, von ihrem Sohn den nötigen Glauben, die Geduld und die Hoffnung. Diese Gnade erbitte auch ich euch mit meinem besonderen Apostolischen Segen. „Laß das Werk unserer Hände gedeihen!“ Predigt bei der Messe für Arbeiter und Emigranten in Esch-sur-Alzette (Luxemburg) am 15. Mai <117> <117> „Herr, laß gedeihen das Werk unserer Hände!“ (Ps 90,17). Dieses Gebet will ich heute mit euch zusammen an den Herrn richten: Er segne die Arbeit der menschlichen Hände und des menschlichen Verstandes, er segne die ganze Arbeit des Menschen. Heute nehmen die Arbeiter Luxemburgs am eucharistischen Opfer Christi und der Kirche teil. So wird die Arbeit selbst auf dem Altar des Gottesvolkes dargebracht; in gewissem Sinne stellt die Arbeit durch das Brot und den Wein, zu deren Herstellung sie beigetragen hat, die Materie dieses Opfers dar. 586 REISEN Und wir sind an einer wichtigen Stätte der Arbeit in eurem Land Luxemburg zusammengekommen. Wir befinden uns vor einem Hüttenwerk, das auch heute abend in Betieb ist. Ich möchte darin ein ausdrucksvolles Zeichen dafür sehen, daß „die Arbeit unserer Hände“ dem Herrn dargebracht wird. Wenn ich hier mit euch zusammentreffe, weiß ich sehr wohl, was die Industriearbeit für euch bedeutet, und ich begrüße euch brüderlich, die ihr an sehr verschiedenen, aber in gleicher Weise unentbehrlichen Aufgaben teilhabt, die ihr unterschiedliche Sachkenntnisse, aber jeder eine gleiche Würde besitzt. Ich begrüße euch, die ihr gemeinsam zu dem Werk beitragt, das Gott dem menschlichen Verstand an diesem Ort des modernen Wirtschaftslebens anvertraut, wo ihr nur zu gut die Schwierigkeiten und die Erfolge unserer Zeit kennenlernt. Zusammen mit den Luxemburgern begrüße ich die hier anwesenden Mitglieder verschiedener Sprach- und Volksgruppen sowie die Pilger, die aus dem Elsaß, aus Lothringen und aus dem Saarland hierher gekommen sind. Ihr bildet einen Kreuzungspunkt der Nationen und tragt eure verschiedene Wesensart, eure Lebensweisen und Ausdrucksformen des Glaubens zur gegenseitigen Bereicherung zusammen. Ich begrüße diejenigen, die sich glücklich schätzen, hier Lebens- und Entfaltungsmöglichkeiten zu finden. Ich begrüße herzlich jene, für welche die Arbeit hart ist, jene, die ohne Beschäftigung, und jene, die von mancherlei Leid betroffen sind. Besonders mit ihnen möchte ich die Bitte des Psalms wiederholen: „Herr, wende dich uns zu! Sichere uns das Werk unserer Hände!“ (vgl. Ps 90,13.17). 2. Wenn unsere auf dem Altar niedergelegte Opfergabe von Brot und Wein zum Opfer Christi selbst, zu seinem Leib und seinem Blut geworden ist, werden wir alle, die wir an der Eucharistie teilnehmen, uns in dem Gebet des Vaterunsers vereinen, das der Herr Jesus selbst uns gelehrt hat. Dieses Gebet wurde zum Leitthema meiner Pilgerreise nach Luxemburg, in die Niederlande und nach Belgien gewählt. Heute erinnert uns das Evangelium an den Augenblick, in dem Jesus seine Zuhörer, vor allem die Apostel, das Gebet des Vaterunsers gelehrt hat. Seit damals hat dieses Gebet im Leben des Gottesvolkes jeden Tag seinen Platz. Es kommt aus dem Mund junger und alter Menschen. Die Väter und Mütter der christlichen Familien machen es sich zur Pflicht, dieses Gebet ihren Kindern weiterzugeben. Sie beten es gemeinsam zu Hause und in der Kirche. 587 REISEN Wir wenden uns an den Vater Es ist auch das Gebet, das unsere Arbeit begleitet. Heute möchte ich mit euch, liebe Brüder und Schwestern, über die bedeutsamen Probleme der menschlichen Arbeit im Licht der verschiedenen Worte des Gebetes nachdenken, das Jesus uns geschenkt hat. Unter dieser Anleitung werden wir besser auf die Aufforderung des hl. Paulus antworten können, der sagt: „Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. . . Tut eure Arbeit gern, als wäre sie für den Herrn . . .“ (Ko/3,17.23; erste Lesung). 3. „ Vater unser im Himmel“ Wenn wir uns an Gott wenden, wenden wir uns an den Vater: an den allmächtigen Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde, und wir wünschen, daß sein „Name geheiligt werde“. Der Name des Vaters bezeichnet für uns den, „der da ist“, wie es einst Mose aus dem brennenden Dornbusch am Fuß des Berges Horeb vernahm (vgl. Ex 3,14). Die Geheime Offenbarung (1,4) sagt uns, daß Gott der ist, „der ist und der war und der kommt“ - der, der ewig ist und unsterblich. Der Psalm der Liturgie des heutigen Tages gibt von ihm Zeugnis: „Herr, du warst unsere Zuflucht von Geschlecht zu Geschlecht. Ehe die Berge geboren wurden, die Erde entstand und das Weltall, bist du, o Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Ps 90,1-2). Aber die Worte sind unzureichend. Über jedes menschliche Maß hinaus überragt Gott in seinem Sein die gesamte Schöpfung und umfängt zugleich alle Dinge. Alles hat in ihm seinen Ursprung. Und da Jesus uns erlaubt, Gott mit dem schönen Namen Vater anzurufen, werden wir uns bewußt, daß wir keine nach allen Richtungen geschüttelten Zufallsprodukte sind, sondern geliebte Kinder unseres Schöpfers. 4. Als Gott den Menschen schuf, wollte er ihn mit einer einzigartigen Würde ausstatten, er hat ihn nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen, fähig, ein Werk zu vollbringen, für das er verantwortlich ist. Somit gehört die menschliche Arbeit selbst zum Schöpfungswerk, wie bereits das erste Kapitel des Buches Genesis bezeugt. Denn er sprach, als er den Menschen, Mann und Frau, schuf, zu ihnen: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch“ (Gen 1,28). Das ist sozusagen das erste Gebot Gottes, das mit der Schöpfungsordnung selbst verknüpft ist. Die menschliche Arbeit ist somit Antwort auf den Willen Gottes. Wenn 588 REISEN wir sprechen „dein Wille geschehe“, dann haben wir bei diesen Worten auch die Arbeit im Blick, die alle Tage unseres Lebens ausfüllt! Wir machen uns klar, daß wir diesem Willen Gottes entsprechen, wenn unsere Arbeit und die mit ihr verbundenen menschlichen Beziehungen von den Werten der Initiative, des Mutes, des Vertrauens und der Solidarität geprägt sind, die alle ein Widerschein der Gottebenbildlichkeit in uns sind. Aber wir wissen auch, daß viele Arbeiter sich in schwierigen oder dem Willen des Schöpfers entgegengesetzten Situationen befinden. Ich werde nur auf einige Beispiele hinweisen, ich kann hier nicht alles sagen. Unter euch gibt es zahlreiche Männer und Frauen, die ihr Heimatland verlassen mußten, um in einem neuen Land, das gewiß gastfreundlich, aber eben doch Ausland ist, neu zu beginnen. Trotz der Anstrengungen aller bleibt ihr Leben oft von Problemen gekennzeichnet, wie z. B. der Isolierung aufgrund der Sprachschranken, der unzulänglichen Wohnmög-lichkeiten oder der Erziehung der Kinder, die zwischen zwei Kulturen hin- und hergerissen sind. Aber ich weiß, daß man viel tut, damit die einen wie die anderen in ihrer ursprünglichen Eigenart respektiert werden und zum Leben in einer Gemeinschaft beitragen können, in der der hohe Anteil an Einwanderern als positive Bereicherung anerkannt wird. Wir vergessen hier auch alle jene nicht, die nicht arbeiten können, angefangen von denen, die Krankheit und Schwäche daran hindern oder die angepaßte Arbeitsplätze brauchen. Es muß allen ihren Brüdern daran liegen, für sie eine wirksame und warmherzige Solidarität in Gang zu bringen. Der Solidarität bedarf es auch angesichts des Problems der Arbeitslosigkeit. Auch wenn diese Geißel Luxemburg im Verhältnis zu anderen Ländern in geringerem Ausmaß heimsucht, muß doch unaufhörlich wiederholt werden, daß sie immer ein Übel ist, vor allem, wenn sie die Jugendlichen trifft (vgl. Laborem exercens, Nr. 18). Ist man sich hinreichend des Dramas bewußt, das die Arbeitslosigkeit für die Jugendlichen darstellt, die „ihren ehrlichen Arbeitswillen und ihre Bereitschaft, die ihnen zukommende Verantwortung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gesellschaft zu übernehmen, schmerzlich frustriert sehen“ (ebd.)? Wenn man die wirtschaftlichen Faktoren analysiert und wenn man die für ihre Entwicklung notwendigen Entscheidungen fällt, muß man sich die Frage stellen, in welchem Geist die menschlichen Faktoren berücksichtigt werden, damit eine wirkliche Solidarität aller zustande kommt, welches auch immer die beruflichen Fähigkeiten, das Alter oder die Herkunft der Arbeitslosen sein mögen. 589 REISEN Nach dem Ebenbild Gottes geschaffen 5. Der Schöpfer hat den Menschen mit der Macht ausgestattet, die Erde zu beherrschen; er verlangt also von ihm, durch seine Arbeit den Bereich, den er ihm anvertraut, zu meistern und alle seine Fähigkeiten einzusetzen, um zu glücklicher Entfaltung seiner eigenen Persönlichkeit und der ganzen Gemeinschaft zu kommen. Durch seine Arbeit gehorcht der Mensch Gott und erwidert sein Vertrauen. Das ist nicht ohne Bezug auf die Bitte des Vaterunsers: „Dein Reich komme“: damit Gottes Plan verwirklicht wird, handelt der Mensch im Bewußtsein, daß er nach dem Ebenbild Gottes geschaffen wurde und daß er also seine Kraft, seinen Verstand und seine Fähigkeit, in selbstloser Liebe zu seinen Brüdern eine Lebensgemeinschaft zu bilden, von ihm empfangen hat. Alles, was im Leben des Menschen positiv und gut ist, entfaltet sich und erreicht sein wahres Ziel im Reich Gottes. Ihr habt das Motto gut gewählt: „Reich Gottes - Leben des Menschen“, denn die Sache Gottes und die Sache des Menschen sind miteinander verbunden; dank der Gaben Gottes, die den Dynamismus des Menschen ermöglichen, schreitet die Welt auf das Reich Gottes zu. Mit anderen Worten, um das Kommen des Reiches Gottes zu beten, heißt, mit seinem ganzen Sein nach der Wirklichkeit zu streben, die das letzte Ziel der menschlichen Arbeit ist. 6. Aber wir beten auch schlicht darum, daß Gott uns die Lebensmittel, „unser Brot heute“, gibt. Diese Bitte sieht nicht von der Arbeit ab, sie unterstreicht vielmehr, daß die Arbeit die notwendigen Früchte für das Wohlergehen des Menschen nur erzeugen kann, wenn sie sich all das zu Nutzen macht, was ihr die Schöpfung zur Verfügung stellt: die Fruchtbarkeit der Erde, den Reichtum an Pflanzen und Mineralien, ebenso wie die eigenen Fähigkeiten des Menschen, die alle zusammen in den Dienst des Lebens gestellt werden. Gott gebe, daß wir durch unsere Arbeit unseren Leib und unseren Geist mit Nahrung versorgen, unsere verschiedenen und einander ergänzenden Kulturen vertiefen und über die Mittel verfügen können, die für die menschliche Existenz der ganzen Gemeinschaft unentbehrlich sind! Denn wenn wir Gott um unser Brot bitten, sind wir nicht von unseren Brüdern isoliert; wir können dieses Gebet in Wahrheit nur in einem Geist der Solidarität sprechen, in einer Bereitschaft zum Teilen, offen gegenüber der ganzen Menschheit und mit einer konkreten Liebe zu den Millionen von Menschen, die nichts zum Leben haben. 590 REISEN 7. Wenn wir uns so beim Beten des Vaterunsers des weiten Weges bewußt werden, der noch zurückzulegen ist, damit die Arbeit aller das Brot hervorbringe, das gerecht zwischen allen geteilt wird, dann werden wir begreifen, daß wir weiterbeten müssen mit der Bitte an den Vater: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem.“ Wir erinnern uns der Worte Jesu selbst, als er sein Leben am Kreuz hingab. Allzuoft haben auf dem Bereich der Arbeit Schuld und Sünde des Menschen gelastet. Hier besonders hat die Sünde eine soziale Dimension angenommen, denn der Egoismus der einen beraubt die anderen des Notwendigen, der Stolz und der Machtwille der einen gefährdet die Würde und die Rechte der anderen. Das zeigte sich in vielen Formen ungerechter Ausbeutung innerhalb einer bestimmten Region oder über die Grenzen hinaus. Und in einer manchmal tragischen Verkettung hat die Last der sozialen Ungerechtigkeit vor allem im Lauf der letzten Generationen oft gewalttätige Reaktionen, ja sogar Revolutionen, Kämpfe zwischen den sozialen Gruppen und Kriege zwischen den Nationen ausgelöst. Es gilt, unablässig für die Etablierung einer besseren Gerechtigkeit zu kämpfen. Es handelt sich dabei um einen Kampf nicht gegen die Menschen, sondern gegen die Ungerechtigkeiten, und das in der Liebe und Achtung der Person. Und das Gebet Jesu erinnert uns daran, daß ohne den Geist der Versöhnung, der ein Geschenk Gottes ist und der unser Tun inspirieren muß, unser Bemühen großenteils umsonst wäre. „Die Welt der Menschen kann nur dann ,immer menschlicher“ werden, wenn wir in alle gegenseitigen Beziehungen, die ihr geistiges Antütz prägen, das Element des Verzeihens einbringen, welches für das Evangelium so wesentlich ist. Das Verzeihen bezeugt, daß in der Welt eine Liebe gegenwärtig ist, die stärker ist als die Sünde“ (Dives in misericordia, Nr. 14). Ja, die Kirche, die jeden Tag betet: „Vergib uns . . ., wie wir vergeben“, nimmt im Geiste des Herrn teil an der Geschichte der Gesellschaft. Sie widersetzt sich allem, was den Haß schürt. Durch ihre Soziallehre fordert sie dazu auf, nach den Wegen der Erneuerung zu suchen, die es dem Menschen erlauben, seine Arbeit bzw. das Kapital, über das er verfügt, für die Überwindung von Konflikten und zur Vermeidung der Ungerechtigkeit einzusetzen und so dem Plan Gottes näherzukommen, „der wollte, daß alle Menschen eine Familie bilden und einander in brüderlicher Gesinnung begegnen“ (Gaudium et spes, Nr. 24). Auf diesem Weg lasse Gott uns begreifen, daß der Mensch „sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann“ (vgl. ebd.). 591 REISEN 8. „Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.“ Im Rahmen unserer Meditation über die Arbeit ist auch diese Bitte notwendig. Sie kann uns auf die Lippen kommen, wenn uns die Unruhe packt. Möge sich das Werk des menschlichen Verstandes und der menschlichen Hände, das Werk der Wissenschaft und der Technik nicht gegen den Menschen wenden! Welche Bedrohungen für den Menschen stecken in dem, was seine Arbeit herstellt! Er steigert die Waffenproduktion in erschreckendem Ausmaß. Während er die Erde beherrscht, entwürdigt er sie und nimmt ihr die Gestalt, er verschwendet die Vorräte. Während er sein Können vervollkommnet und seine Aufgaben vereinfacht, verringert er die Zahl der Arbeitsplätze. Wir kennen alle das Ausmaß der widernatürlichen Auswirkungen eines Fortschritts, den wir nicht mehr beherrschen können bzw. den wir um seinen positiven Sinn bringen. Erlöse uns, Vater, von dem Bösen, das unser Tun und Handeln, wenn es ungezügelt ist, auf so viele Weisen zeitigt! Gib, daß unsere Arbeit deinem Willen gemäß für die Menschheitsfamilie von Nutzen sei! Daß sie auf die Bedürfnisse dieser immer zahlreicheren Familie der Völker, der ganzen Gesellschaft antworte! Gib, daß unsere Arbeit dazu diene, allen ein menschenwürdiges Leben in Gerechtigkeit und Frieden zu gewähren! Dank der Macht des Erlösers, der uns von den Fesseln des Bösen befreit, wollen wir den positiven Sinn der menschlichen Arbeit, die Wahrheit des Auftrags, den uns der Schöpfer erteilt, wiederfinden! Und wir wollen arbeiten, um für alle Menschen die Zivilisation der Liebe zu entwickeln! Hören wir noch den Apostel Paulus: „Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht“ {Kol 3,14). 9. Das ist der Geist, in dem ich mit euch, liebe Brüder und Schwestern, bete, ich, der Bischof von Rom und Diener der Diener Gottes: Ich bete für die Arbeit aller Arbeiter, für die Arbeit aller Männer und Frauen in eurem Land, in Europa und auf allen Kontinenten der Erde, die durch den Willen des Schöpfers zur Heimat des Menschen geworden ist. Eine unsichtbare Gegenwart des Herrn „Herr, laß das Werk unserer Hände gedeihen!“ „Vater unser, ... dein Reich komme!“ Ich begrüße die lieben Brüder und Schwestern portugiesischer Sprache: Die Botschaft des Vaterunsers gilt für alle. Indem sie es jeden Tag betet, will die Kirche Zeichen der Liebe des barmherzigen Gottes sein, unseres 592 REISEN gemeinsamen Vaters, durch seinen ewigen Sohn Jesus Christus, der Mensch geworden und von der Jungfrau Maria geboren worden ist. Wenn jemand auswandert, nimmt er seinen Glauben und die religiöse Tradition in seinem geistigen Gepäck mit. Treue Kinder eures Heimatlandes bleibend, arbeitet ihr, Emigranten, ehrlich für „das tägliche Brot“ in dem Land, das euch als ergebene Bürger brüderlich aufnimmt; und in Treue zu Gott und zur Kirche betet ihr hier mit allen das Vaterunser: „Vater unser im Himmel“; in der großen Menschheitsfamilie wollen wir alle wahre Brüder sein! Ihr setzt eure tiefverwurzelte Marienverehrung fort und vertraut Unserer Lieben Frau eure Bitte und Hoffnung an: „Heilige Muttergottes, bitte für uns!“ Liebe Italiener, ich grüße euch herzlich in eurer schönen Sprache und ermutige euch, immer und überall Zeugnis zu geben von der untrennbaren Einheit der Familiengemeinschaft. Möge unter euch die Bereitschaft erhalten bleiben und wachsen, den Plan Gottes für die Familie mit Liebe und gutem Willen treu zu leben. Das Geheimnis der Auferstehung verleihe euch Kraft und Beistand. Der Herr läßt seine Jünger und Freunde anscheinend allein zurück; er weilt jedoch in einer intensiveren und universaleren unsichtbaren Gegenwart unter ihnen. Er begleite euch und stärke eure Arbeit und euren Glauben. Ich heiße euch herzlich willkommen und begrüße euch, meine Brüder und Schwestern, liebe Landsleute, für die es sich - nach der Fügung göttlicher Vorsehung - ergeben hat, hier eure menschliche und christliche Berufung zu verwirklichen, indem ihr einen schöpferischen Beitrag zum Leben der neuen Gesellschaft leistet, mit der euer eigenes Schicksal verknüpft ist. Wem letzten Endes die Zukunft gehört Predigt bei der Messe auf der Place du Glacis in Luxemburg am Fest Christi Himmelfahrt, 16. Mai <118> <118> „Verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15). Diese Worte des Herrn gelten für jeden Tag, seit fast 2000 Jahren. Heute aber haben sie eine ganz besondere Bedeutung; denn heute feiert die Kirche den Tag, an dem sie zum ersten Mal ausgesprochen wurden: den Tag der Himmelfahrt Christi. „Der Herr steigt empor; es freut sich der Himmel“ (vgl. Ps 47,6). 593 REISEN Es ist zugleich der Tag seines Abschieds von der Erde. Jesus von Nazaret beendet endgültig seine messianische Sendung in Israel, dem auserwählten Volk des Alten Bundes. Durch sein Kreuz und seine Auferstehung hat er den Neuen und Ewigen Bund begründet. Durch sein Fleisch und Blut hat er die Eucharistie eingesetzt: das einzigartige Opfer dieses Neuen Bundes zwischen Gott und den Menschen. Und hier nun seine letzten Worte auf dieser Erde. Er spricht sie zu den Aposteln: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15). 2. Diese Worte des scheidenden Herrn sind von der Kirche im Lauf ihrer Geschichte mit Mut und Opfergeist befolgt worden und werden auch heute noch immer wieder Wirklichkeit. Auch diese Gegend, wo sich jetzt euer Land Luxemburg befindet, war schon früh das Ziel von Glaubensboten, die die Frohe Botschaft vom auferstandenen und erhöhten Herrn euren Vorfahren verkündet haben. Bereits in spätrömischer Zeit verbreiteten Soldaten und Kaufleute sowie einzelne Wandermissionare von Trier und Lüttich aus das Evangelium in eurer Gegend. Viele bedeutende Abteien und Klöster wurden hier gegründet und entfalteten ihr segensreiches Wirken. Unter ihnen das Kloster Echternach, in dem ihr das Grab seines Gründers, des heiligen Willibrord, noch heute verehrt. Die Stürme der Reformation und die glaubens- und kirchenfeindlichen Strömungen im Gefolge der Französischen Revolution hat euer Land in Treue zum katholischen Glauben eurer Väter gut überstanden. Die verdiente Frucht dieses gereiften, überzeugten Glaubens war die Gründung der selbständigen Diözese Luxemburg im Jahre 1870. So bildet ihr heute eine voll entfaltete Ortskirche; jene Ortskirche, die sich hier zu einem großen Glaubensfest versammelt hat, an dem auch ich als Pilger und Bruder, als Bischof von Rom und Nachfolger des heiligen Petrus teilnehmen darf. Maria, „Trösterin der Betrübten“ Mit Freude grüße ich euren Oberhirten, Bischof Hengen, und alle anwesenden Bischöfe sowie die Priester und Ordensleute. Ich grüße in Ehrerbietung die großherzogliche Familie und die Vertreter aus Staat und Gesellschaft. Schließlich weitet sich mein Gruß aus auf euch alle, das ganze Volk Gottes in Luxemburg und die zahlreichen Gäste aus den Nachbarländern. Euch allen gilt mein Besuch. Euch alle möchte ich im Auftrag Christi im Glauben ermutigen und bestärken, die wir gemeinsam 594 REISEN die große Gemeinschaft der Kirche bilden, die sich auch jenen noch verbunden weiß, welche in ihrem Glauben müde geworden sind und sich dem kirchlichen Leben entfremdet haben. Auch diesen, wo immer sie unsere Eucharistiefeier am Fest Christi Himmelfahrt verfolgen, gilt unser Gruß und unsere brüderliche Hand. Wir empfehlen sie und uns alle hier vor dem so hochverehrten Bild Mariens in einer besonderen Weise der Fürsprache der „Trösterin der Betrübten“, der Mutter der Hoffnung und allen Trostes für das pilgernde Gottesvolk. 3. Christi Himmelfahrt - das bedeutet Aufbruch zum Vater: „Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater“ (Joh 16,28). Gott selbst ist durch seinen Sohn in die Geschichte der Welt und der Menschheit getreten. Dadurch hat er diese endgültig auf das Heil ausgerichtet. In Jesus Christus hat die Heilsgeschichte ihren Höhepunkt erreicht. Der Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, ist Mensch geworden. Durch das Wirken des Heiligen Geistes wurde er von der Jungfrau Maria geboren. Er lebte sein irdisches Leben als wahrer Mensch; dieser Mensch aber, der inmitten des Volkes Israel heranwuchs, nannte Gott seinen Vater. Er konnte sagen: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30). Und aus dieser tiefen Einheit mit dem Vater lehrte er auch uns Menschen beten: „Vater unser . . .“ Dieses Gebet enthält gleichsam das ganze Evangelium, die gesamte Frohe Botschaft. Diese Frohe Botschaft besagt: Du, Mensch, hast deinen Ursprung in Gott, und in Gott liegt auch dein endgültiges Ziel. In ihm findest du ewiges Leben. Das ist die Wahrheit, die Christus uns offenbart hat: Vor seinem Volk Israel und vor allen Menschen der Erde hat er dies ein für allemal kundgetan. Seine messianische Sendung zeigt sich gerade darin, daß er vom Vater ausgegangen ist und zu ihm wieder zurückkehrt. Sein irdischer Weg führt dabei über jedes „unruhige Menschenherz“, das sucht und nach dem Heil ausschaut. Wie tief und inhaltsreich sind die Worte, die Jesus am Ende seiner Erdentage an den Vater richtet: „Verherrliche mich jetzt bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, bevor die Welt war“ (Joh 17,5). Diese Worte sprechen von der ewigen dreifältigen Einheit des Sohnes mit dem Vater im Heiligen Geist. Sie deuten auch hin auf das Sterben Christi auf Kalvaria und verkünden zugleich, daß dieser Tod zur Auferstehung führt. Jene gleiche Herrlichkeit, die Gott Sohn seit Ewigkeit her vom Vater hat, ist jetzt auch dem Menschensohn geschenkt, der zur Rechten des Vaters sitzt. Für eine gewisse Zeit - das Evangelium spricht von vierzig Tagen - 595 REISEN wurde sie in der Verherrlichung des Auferstandenen auch den Menschen, der jungen Kirche, gezeigt. Ihre Vollendung erreicht die Herrlichkeit Christi, als er in seiner Himmelfahrt endgültig zum Vater geht. 4. Die Augenblicke des Abschieds vor seinem Heimgang zum Vater beschreibt uns die Apostelgeschichte. Beim letzten gemeinsamen Mahl gebietet er den Aposteln, auf die Verheißung des Vaters zu warten, die er ihnen angekündigt hat: „Johannes hat mit Wasser getauft. . . Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,5.8). Diese Worte stimmen genau überein mit dem Auftrag Jesu am Ende des Markusevangeliums: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15). Ja, mit der Himmelfahrt endet die Zeit Christi auf dieser Erde und beginnt die Zeit der Kirche. Zehn Tage später, am Pfingstfest, wird diese Zeit der Kirche durch den Heiligen Geist, der im Abendmahlssaal von Jerusalem auf die Apostel herabkommt, offenbart und feierlich verkündet. Jeder Augenblick dieses Weges der Kirche durch die Geschichte behält jedoch seine tiefe Wurzel im messianischen Leben und Handeln Christi auf Erden. Immer wieder neu begegnen wir dabei auch dem Geheimnis der Himmelfahrt. Auf ihrer Pilgerfahrt durch die Jahrhunderte verkündet die Kirche stets denjenigen, der vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen ist, der dann die Welt wieder verlassen hat und zum Vater heimgekehrt ist. Das ist Christus: der ewige Sohn Gottes, der nun als Mensch beim Vater weilt. Auf diese Weise ist er zum „Weg“ des Menschen geworden, zum Weg für alle Menschen, die alle - ohne Ausnahme - in seine Nachfolge, auf den Weg zum Vater, gerufen sind. 5. Liebe Brüder und Schwestern! Die Kirche in Luxemburg ist ihrerseits aufgerufen, den Weg Jesu Christi einzuschlagen; auch sie ist eine pilgernde Kirche. Aber wo befindet sie sich heute auf ihrem Pilgerweg? Welches ist ihr Weg im Jahr 1985? Euer Land Luxemburg hat in der Vergangenheit viele Schwierigkeiten glücklich überwunden und sehr viele Bedrohungen, wie Krieg, politische Unruhen und Not, aus dem Weg geräumt. Dank eues Dynamismus hat sich das Lebensniveau im Land gehoben. Ein Flugplatz, Radio- und 596 REISEN Fernsehsender, internationale Organisationen und Banken haben eure Stadt für Europa geöffnet und sie zu einem gastlichen Ort für alle gemacht. „Luxemburg gehört zur Wohlstandsgesellschaft mit ihren Vorteilen, ihren Schatten und ihren Übertreibungen“, so drückte sich eure vierte Diözesansynode aus. Doch auf diesem Platz, der Zeuge der ersten Verehrung des Gnadenbildes der „Trösterin der Betrübten“ gewesen ist, möchte ich heute einige bedeutende Fragen wieder aufgreifen, die euch euer Bischof in seinem Hirtenbrief im vergangenen Oktober gestellt hat: „Wie steht es mit dem Glauben und dem Gebet in unseren Familien, mit der Heiligung des Sonntags, mit der Weitergabe des Glaubens an die junge Generation? Woran mangelt es unserer Glaubensgemeinschaft, wenn die Priester- und Ordensberufungen so gering an Zahl sind? Ist unsere Hoffnung jenes Salz der Erde, das dem in der geistigen Leere unserer Zahl schal und geschmacklos gewordenen Leben so vieler Menschen wieder Geschmack, das heißt Sinn und Fülle, verleihen soll? Sind unsere christlichen Gemeinden jene Städte auf dem Berg, deren Licht den Augen der Menschen leuchtet, damit sie unseren Vater im Himmel preisen? Öffnet uns die Liebe, die Gott uns bezeugt, die Augen für das, was sich in unseren menschlichen Beziehungen ändern muß, damit unsere Gesellschaft stärker von Gerechtigkeit und Liebe durchdrungen wird?“ Christus hat uns gelehrt, unser Leben zu führen als ein Unterwegssein zum Vater. Unser Denken und Handeln als Christen muß unablässig Gott im Himmel im Blick behalten, ja, ihm den ersten Platz einräumen. „Vater unser im Himmel“: Da wir dieses Gebet sprechen dürfen, wollen wir es immer wieder tun, ohne daran müde zu werden! Wenn wir die Himmelfahrt Christi betrachten, wenn wir in seiner Nachfolge zum Vater gehen, geschieht das nicht etwa deshalb, um wie im Traum zum Himmel zu blicken, passiv zu bleiben und unsere täglichen Verantwortlichkeiten im konkreten Alltagsgeschehen zu vergessen. Im Gegenteil, das Vaterunser lehrt uns, daß wir beten und zu gleicher Zeit auch alles tun müssen, was uns möglich ist, damit der Wille Gottes schon jetzt unter uns verwirklicht wird, damit „der Himmel auf die Erde kommt“, damit in unseren Herzen, in unseren Familien und in der Gesellschaft das Reich Gottes begründet wird. Auf den Vater im Himmel schauen Von Fortschritt und Wohlstand verblendet, richten die heutigen Menschen jedoch ihren Blick oft nur mehr auf die Erde; sie blicken nicht mehr 597 REISEN über die Welt hinaus, wo sie sich abkapseln; sie akzeptieren die Säkularisierung. Man gestaltet seine Lebensweise bewußt nur in Beziehung zu den irdischen Wirklichkeiten, ohne Gott und seinen Willen auch nur zu beachten. Es ist seit eh und je dieselbe Versuchung, Gott zu vergessen oder zumindest so zu leben, als gäbe es ihn nicht (vgl. Weish 2,1-9). Eine Lebensführung, die es ablehnt, auf den Vater im Himmel zu schauen, kann jedoch im Menschen nicht die tiefe Sehnsucht zum Erlöschen bringen, die in ihm ist, weil er eine ewige Bestimmung hat. Dennoch verführt ihn seine Blindheit dazu, sich von Illusionen zu nähren, die irdischen Dinge zu Götzen zu erheben: das enttäuscht ihn zutiefst, und es kommt zu selbstzerstörerischen Verhaltensweisen. Wenn der Mensch meint, sich aus seinen eigenen Kräften zu verwirklichen, bringt er das Verlangen nach Gott, das in ihm ist, zum Schweigen, um sich der unersättlichen und egoistischen Vergnügungssucht zu überlassen. Aber ich möchte als ein Bote der Freude bei euch sein (vgl. 2 Kor 1,24). Im Namen dessen, der uns die Fülle des wahren Lebens verheißen hat, ermuntere ich euch gerade an diesem Fest Christi Himmelfahrt dazu, euren Blick, euer Denken und euer Suchen „nach oben“ zu richten, zu Christus, der uns vorausgeht. Wir haben diesen Blick zum Himmel nötig, denn er hilft uns, die irdischen Güter richtig zu gebrauchen, und so werden wir auch das ewige Gut, nämlich die Freundschaft Gottes, nicht verlieren. Wir müssen als Gläubige unseren Blick auf Gott richten, der der Vater aller ist. Er allein befähigt uns zu dieser Brüderlichkeit, die notwendig ist, damit wir Mut haben, den Hunger unter den Menschen zu bekämpfen, den Frieden in der Welt zu stiften, die Konflikte beizulegen -das Böse durch die Vergebung zu besiegen und anstatt des Todes das Leben zu wählen. 6. Die Worte, die Mose an das Volk Gottes im Alten Bund richtete, behalten für uns Christen ihren Wert: „Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen“ (Dtn 30,19). Der Weg unserer irdischen Pilgerschaft verlangt, daß wir unaufhörlich zwischen Leben und Tod wählen: Das ewige Leben findet sich nur in Gott; die Welt aus sich kann den Menschen letzten Endes nur die Gewißheit des Todes bieten. Der Glaube lenkt unseren Blick auf den Vater, er zieht uns zu ihm hin durch Christus, der die Welt überwunden hat. Öffnet eurer Leben für Gott, öffnet jeden Tag durch das Gebet euer Leben für Gott! Betet jeden Tag das Vaterunser, wie es sich die Christen seit den Anfangszeiten zur 598 REISEN Gewohnheit gemacht haben, öffnet durch die Heiligung des Sonntags und die regelmäßige Teilnahme an der Eucharistie eure Arbeitswoche für Gott! Achtet den Tag des Herrn als ein kostbares Gut! Das kann verhindern, daß wir zu Sklaven der Arbeit oder des Vergnügens werden. Erinnert euch in der Ehe und Familie an die Verantwortung, die ihr füreinander habt. Heiligt das häusliche Leben gemäß der Lehre der Kirche! Lebt aus dem Glauben, auf daß der christliche Glaube auch bei euren Kindern und bei der Jugend wachsen kann. Wählt das Leben, das Gott euch in der Kirche durch Christus schenkt, denn seine Verheißung gilt für immer! Räumt in eurem Leben den geistigen und religiösen Werten den ersten Platz vor den materiellen Werten ein! Verteidigt in der Gesellschaft die moralischen Grundwerte; sie allein garantieren ein menschenwürdiges Leben miteinander. Wer sich dort, wo er seine persönliche Verantwortung ausübt, entschlossen für Recht und Gerechtigkeit einsetzt, kann sich auch für die nachdrückliche Verteidigung der großen Bestrebungen der Völker und der Menschheit einsetzen. Und wer das im Geist Christi tut, weiß, daß er auf diese Weise zum Kommen des Reiches Gottes in unserer Zeit beiträgt; im Vaterunser beten wir dafür, daß dieser Weg bereitet werde. Trotz aller tatsächlichen Bedrohungen, mit denen der Atomkrieg und der Sittenverfall die Menschheit belasten, weiß der Glaubende, wem letzten Endes die Zukunft gehören wird. Das Evangelium von der Himmelfahrt verkündet uns: „Er wird wiederkommen!“ Gott ist der Erste, er wird auch der Letzte sein. Jesus ist das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende der ganzen Geschichte, er ist der, der ist und der war und der kommt (vgl. Offb 1,8). 7. Liebe Brüder und Schwestern, möge euch mein Pastoralbesuch, der unter dem Thema des Vaterunsers steht, dabei behilflich sein, euch wieder besser der Gnade eurer christlichen Berufung und eurer Verantwortungen bewußt zu werden! Das Fest Christi Himmelfahrt verleiht dem Gebet des Herrn eine unvergleichliche Kraft: indem sie den in den Himmel aufgestiegenen Christus feiert, wendet sich die ganze Gemeinde dem Vater zu, wie wir es jeden Tag voll Demut in dem Gebet tun, das der Herr uns anvertraut hat. Der Apostel Paulus schrieb im Brief an die Epheser: „Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und Offenbarung, damit ihr ihn erkennt. Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den 599 REISEN Heiligen schenkt und wie überragend groß seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist durch das Wirken seiner Kraft und Stärke“ (Eph 1,17-19). Möge dieses Gebet euch eine Stütze sein In diesem Land haben die Zeugen des Glaubens Christus verkündigt, ihn, den Menschen, der am Kreuz verherrlicht wurde und „zur Rechten des Vaters sitzt“. In diesem Land haben zahlreiche Generationen von Menschen immer wieder das Vaterunser gebetet. Ihr selbst habt es als Leitthema des Besuches gewählt, den der Bischof von Rom, der Nachfolger des Petrus, bei euch durchführt. Möge dieses Gebet für euch, liebe Brüder und Schwestern, immer eine Stütze sein: - möge es eurer Generation und den künftigen Generationen helfen, Gott tiefer zu erkennen; - möge es „die Augen eures Herzens erleuchten“, damit euch nichts beunruhige oder blende; - möge es euch „die Hoffnung, zu welcher er euch, Christen, beruft“, immer bewußter machen; - möge es euch begreifen lassen, „welchen Reichtum euch die unermeßliche Herrlichkeit des Erbes schenkt“, das Christus uns dank seiner Geburt aus der Jungfrau Maria hinterlassen hat; - möge es euch „die überragende Macht“ entdecken lassen, „die er für uns Gläubige entfaltet“: diese Macht, die durch seine Auferstehung und seine Himmelfahrt offenbar geworden ist! Jesus Christus: wahrer Sohn Gottes! Jesus Christus: wahrer Mensch, der sitzt „zur Rechten Gottes“! Amen. Schau auf diese Kirche! Gebet nach der Messe in Luxemburg am Fest Christi Himmelfahrt, 16. Mai Christus, Herr, des Vaters geliebter Sohn, Freund des Menschen, Meister, der das Leben liebt, du vergißt kein Geschöpf. Schau auf die Kirche in Luxemburg, sende ihr den belebenden Hauch und das Feuer deines 600 REISEN Geistes. Bezeichne sie mit dem Siegel des Heiligen Geistes, erinnere die Getauften daran, daß sie Glieder deines Leibes sind. Wohne in ihren Herzen durch den Glauben. Verwurzele und gründe sie in der Liebe. Öffne sie zum Lob deiner Herrlichkeit. Christus, Herr, Gottes Macht und Weisheit, du wirst alles zur Vollendung führen, denn die Macht deiner Liebe übersteigt alle Erkenntnis; du vermagst uns mehr zu geben, als wir erbitten können. Gib deinem Volk einen Geist der Weisheit, erleuchte die Augen seines Herzens, auf daß es in deinem Wort den Keim seines ganzen Lebens - von Familie und Gesellschaft, von Arbeit und Freizeit, von Kindheit und Jugend, Erwachsenen- und Greisenalter - auf nehme. Christus, Gottes Weisheit, leuchtender Widerschein seiner Herrlichkeit und Ausdruck seines Seins, du trägst das All durch die Macht deines Wortes. Lehre dieses Volk den wahren Sinn der Dinge dieser Welt und die Liebe zu den ewigen Gütern, damit es deine Gaben zu benutzen verstehe, indem es Gut und Böse unterscheidet. Schenke ihm die Liebe im Band der Familie, die Gerechtigkeit in den sozialen Beziehungen, die Wahrheit in der Kommunikation, die Versöhnung in den Konflikten. Hilf den Menschen dieses Landes, die Zeit auszukaufen, um deinen Vater und all ihren Brüdern zu dienen, um sich gegen die Kräfte des Bösen zu wappnen und als Kinder des Lichtes zu leben. Christus, Sohn Gottes, du hast dich entäußert und Knechtgestalt angenommen, und du bist den Menschen ähnlich geworden bis zum Tod am Kreuz. Erstgeborener von den Toten, auferstandener Christus, durch dich hat es dem Vater gefallen, alles, was da lebt, zu versöhnen. Durch unsere Taufe auf deinen Tod und deine Auferstehung verleihst du auch uns, in einem neuen Leben zu wandeln. Durch die Jungfrau Maria, deine Mutter mit dem unbefleckten Herzen, bitten wir dich: Laß uns die in dir verborgenen Schätze der Weisheit entdecken. Mit Maria wollen wir sie bewahren und in unseren Herzen betrachten. Laß uns mit Maria, die inmitten der Jünger zugegen war, getreue Zeugen in Glauben und Liebe sein. Amen. 601 REISEN „Gottes Reich ist schon angebrochen“ Ansprache bei der Begegnung mit den Priestern, Ordensleuten, Di-özesanräten und katholischen Organisationen in Luxemburg am 16. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine große Freude, an diesem Morgen von Christi Himmelfahrt, bevor wir mit vielen Tausenden von Gläubigen gemeinsam die heilige Eucharistie feiern, im engen Kreis mit euch Zusammentreffen, die ihr auf vielfältige Weise im besonderen Dienst des Volkes Gottes steht. Euch allen, an eurer Spitze meinem verehrten Mitbruder im Bischofsamt, den Priestern und Ordensleuten und euch, die ihr als Laien mitten in der Welt euren Glauben lebt und bezeugt: Euch allen entbiete ich heute morgen den Gruß des auferstandenen Herrn an seine Jünger: Pax vobis -Der Friede sei mit euch! Wir sind hier vereint im Gebet und im gemeinsamen Hören auf das Wort Gottes. Wir sind versammelt im Namen des Herrn. Deshalb ist Christus, der auferstandene Herr selbst, in dieser Stunde inmitten seiner Gemeinde gegenwärtig und wirksam. Denn, so hat er uns versichert, „wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). 2. Diese Stunde am Himmelfahrtsmorgen ist für uns eine Stunde der Besinnung und der Sendung; der Besinnung auf das kostbare Erbe, das Christus uns bei seinem Heimgang zum Vater in der Kirche hinterlassen hat, und der Sendung, weil der Herr auch uns heute sagt: „Geht hinaus und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Er steht auch an diesem Morgen am Ufer des Sees von Tiberias und ruft dem Petrus und den übrigen Jüngern, dem Papst und euch allen zu: „Werft das Netz... aus, und ihr werdet etwas fangen“ (Joh 21,6). Petrus hatte schon einmal ein ähnliches Wort aus dem Mund des Herrn vernommen. Damals hatte er geantwortet: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen“ (Lk 5,5). Diese Worte des Petrus will sein Nachfolger heute zusammen mit euch wiederholen. Ich möchte, daß ihr alle, denen ein Amt oder ein Dienst in der Kirche aufgetragen ist, Bischof und Priester, Ordensleute und Laien, mit mir sprecht: Meister, auf dein Wort hin will ich das Netz auswerfen! Nach anstrengender und vielleicht sogar vergeblicher Arbeit steht immer wieder Jesus am Ufer und läßt uns die 602 REISEN beglückende Gewißheit zuteil werden: „Es ist der Herr!“ (Joh 21,7). Seine verheißende Gegenwart gibt uns Kraft und Zuversicht zu immer neuem Einsatz in seinem Auftrag für Gottes Reich in dieser Welt. Mit Nachdruck hat das II. Vatikanische Konzil das ganze Gottesvolk und alle seine Glieder zur aktiven Mitwirkung an der Sendung Christi und der Kirche verpflichtet. Denn es besteht „eine wahre Gleichheit in der allen Gläubigen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi“ (Lumen gentium, Nr. 32). Ebenso haben wir gerade in der Schriftlesung aus dem Epheserbrief gehört: „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,4-6). Diese fundamentale Gleichheit aller Gläubigen, die auch in dieser gemeinsamen Begegnung von Laien, Ordensleuten, Priestern und Bischof mit dem Papst ihren Ausdruck findet, darf uns andererseits nicht vergessen lassen, daß die Kirche zugleich eine organisch verfaßte Gemeinschaft ist, ein Leib mit vielen Gliedern, die nicht alle den gleichen Dienst verrichten: „Jeder von uns empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat. Und er gab den einen das Apostelamt, andere setzte er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,7.11-12). Die Kirche braucht zu ihrem Leben und zu ihrer Sendung die ganze Vielfalt der Berufungen und Gnadengaben. Werft deshalb auch ihr, jeder entsprechend des ihm anvertrauten Dienstes, im Auftrag Jesu Christi die Netze aus! Verkündet das Evangelium in Wort und Tat allen Geschöpfen! Laßt sein Licht leuchten in eurem persönlichen Leben und in euren Familien, damit die Menschen „eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt, 5,16). Macht durch euer Zeugnis brüderlicher Liebe, die sich der heutigen Formen geistiger und materieller Not annimmt, aus jeder Gemeinde wieder eine Stadt auf dem Berge, die nicht verborgen bleiben kann (vgl. Mt 5,14), ein Haus, das auch dem Letzten und Ärmsten offensteht. Werft für Christus eure Netze aus! Tragt seine Frohe Botschaft in alle Bereiche der Schöpfungswirklichkeit: in die Gemeinden, in Staat und Gesellschaft, in die Welt der Arbeit, in Erziehung und Schule, in das kulturelle und wissenschaftliche Schaffen, in die Welt der Presse und der Medien, in Sport und Freizeit, in. die Gestaltung des öffentlichen Lebens. Nicht um diese Bereiche zu beherrschen, sondern um ihnen einen wertvollen Dienst zu erweisen, um alles auf das wahre Wohl des Menschen 603 REISEN auszurichten. Das Evangelium bringt ja die Dinge zu ihrer letzten Wahrheit und öffnet sie auf Gott hin, so daß der Mensch in ihnen zu seiner wahren Vollendung gelangen kann. Bleibt zugleich auch treu der ruhmrei-chen-missionarischen Tradition eures Landes! Es bedarf hochherziger Menschen Neben den großzügigen Spenden für die Weltmission, für die ich euch im Namen der jungen Kirchen aufrichtig danke, bedarf es auch heute vor allem hochherziger Menschen, die sich als Priester, Ordensleute und Laien in den Dienst der weltweiten Glaubensverkündigung stellen. Möge das leuchtende Beispiel der vielen Luxemburger Missionare auch in unseren Tagen zahlreiche junge Menschen eures Landes dazu bewegen, sich für diese im Leben der Kirche so notwendige Form opferbereiter Christusnachfolge zu entscheiden. 3. Liebe Brüder und Schwestern im Laienstand! Eure Berufung zur Teilnahme an der Sendung der Kirche gründet im Sakrament der Taufe, durch das ihr Christus selber eingegliedert wurdet. Seid deshalb vor allem darauf bedacht, diese vitale Verbindung mit dem gekreuzigten und aufer-standenen Herrn durch das Gebet und den häufigen Empfang der Sakramente, besonders der Eucharistie und der Buße, lebendig zu erhalten und zu festigen. Bemüht euch, „ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging“ (Eph 4,1). Von besonderer Wichtigkeit für ein fruchtbares Apostolat ist eine solide Ausbildung und stete Weiterbildung, in der die Formung einer verantwortungsbewußten christlichen Persönlichkeit Hand in Hand geht mit einer gründlichen Schulung in der Glaubenslehre und im geistlichen Leben. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist ein vertrauensvolles Verhältnis zu denen, die der Heilige Geist bestellt hat, die Kirche Gottes zu leiten (vgl. Apg 20,28), konkret gesprochen, zu eurem Bischof und zu den Priestern, die das Hirtenamt in den verschiedenen Formen des Laienapostolates vertreten. Das gilt besonders für diejenigen, die zur direkten Mitarbeit mit ihren Seelsorgern im Dienst der Gemeinden berufen werden und dabei - in Katechese und Krankenseelsorge, in Familien- und Gemeindepastoral, beim Gottesdienst und in anderen Bereichen - verschiedene Aufgaben übernehmen. Die enge Verbindung mit dem Hirtenamt ist aber ebenso unerläßlich für jede andere Form von Laienapostolat in den schon erwähnten vielfältigen Bereichen der Welt. Auch die Evangelisierung der 604 REISEN irdischen Wirklichkeiten ist Aufgabe der ganzen Kirche. Den Hirten obliegt es dabei vornehmlich, die Grundsätze über das Ziel der Schöpfungsordnung zu verkünden sowie sittliche und geistliche Hilfen zu geben, während sich die Laien um die unmittelbare Gestaltung der zeitlichen Ordnung bemühen. Dieses ureigene Feld des Laienapostolats scheint in den letzten Jahren mancherorts zugunsten innerkirchlicher Aufgaben etwas vernachlässigt worden zu sein. Es ist an der Zeit, hier das rechte Gleichgewicht wiederherzustellen und den spezifischen Bewegungen des Laienapostolates wieder jene dynamische Kraft zu geben, ohne die sie ihre Aufgaben in der Gesellschaft nicht wirksam erfüllen können. Die apostolischen Laienbewegungen müssen ihrerseits darauf bedacht sein, sich auf die neuen Lebensbereiche einzustellen, in denen die Evangelisierung heute besonders dringlich ist. Ich nenne die für euer Land - zumindest in ihrer heutigen Tragweite und Ausprägung - relativ neuen Bereiche der Informatik, des Bankwesens, der internationalen Organisationen, der Medien, des Gesundheitswesens. Den jungen Menschen ein Zeugnis geben Schließlich möchte ich eurer christlichen Verantwortung noch besonders die Sorge um die jungen Menschen in eurem Land anempfehlen. Die Jugendlichen haben Hunger nach dem wahren Leben und schauen oft verzweifelt aus nach Sinngehalten, die ihr Leben lebenswert machen. Das ist eine große Chance für den Glauben und das Evangelium. Es ist eine ernste Verpflichtung, der jungen Generation durch ein konsequent gelebtes Glaubenszeugnis in den Familien, in Schule und Jugendarbeit den Weg zu Christus zu erschließen. Die Jugend hat ein Anrecht auf die volle Wahrheit des Glaubens. Hier liegen auch der Wert und die Verantwortung eines sachgemäßen Religionsunterrichtes, der mit der übrigen Bildung Schritt hält und um dessen institutioneile Festigung ihr euch mit allen, die für einen ethischen Erziehungsauftrag der Schule eintreten, zu Recht bemüht. 4. Vor diesem Hintergrund der allgemeinen Berufung der Laien in der Kirche tritt nun das im Weihesakrament begründete besondere Dienstamt des Priesters deutlich hervor. Kraft des Weihesakramentes seid ihr, liebe Mitbrüder im Priesteramt, wie das II. Vatikanische Konzil prägnant sagt, „zur Verkündigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den Gläubi- 605 REISEN gen und zur Feier des Gottesdienstes geweiht und so wirkliche Priester des Neuen Bundes“ (Lumen gentium, Nr. 28). Besonderer Dank für ältere Priester Diese priesterliche Identität wird in euren Reihen nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Mit Ernst und Treue sucht ihr euren priesterlichen Aufgaben zu entsprechen. Dabei gilt ein besonderer Dank den älteren Priestern, die über ihre Emeritierung hinaus noch weiter wertvolle pastorale Dienste leisten. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß mancher Mitbruder in seinem Priestertum verunsichert ist. Vielerlei Entwicklungen in der Mentalität der Menschen und in den gesellschaftlichen Strukturen lassen in manchem von euch die Frage aufkommen, ob er am richtigen Platz ist, ob sein Priestertum noch sinnvoll ist. Diese Verunsicherung spitzt sich zu durch die beklemmende Frage, wer bei der spärlichen Zahl von neuen Priesterberufen das Werk fortsetzen soll; eine Sorge um die Zukunft, die uns alle bedrückt. Reaktionen auf diese inneren Spannungen können sein: übertriebene Härte oder Treibenlassen, Enttäuschung und Resignation, Rückzug auf das strikte Minimum eines rituellen Vollzugs des priesterlichen Auftrages. Unter menschlichen Gesichtspunkten mögen diese Verhaltensweisen verständlich sein. Aber die unserem Priestertum angemessene Antwort ist eine andere: Es ist der Glaube an den auch heute gegenwärtigen Herrn; es ist das Vertrauen auf sein Wort: „Werft eure Netze aus!“, das uns Priestern in besonderem Maße gilt. Es kommt also an erster Stelle darauf an, daß wir Menschen eines festen Glaubens sind. Erinnern wir uns an das, was Jesus dem Petrus kurz vor seinem Gang zum ölberg gesagt hat: „Simon..., ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich bekehrt hast, dann stärke deine Brüder“ (Lk 22,31-22). Das ist nicht nur die besondere Aufgabe des Petrus, es ist auch die Aufgabe eines jeden Priesters gegenüber seinen priesterlichen Mitbrüdern und gegenüber den Gläubigen, zu denen er gesandt ist. Der im Feuer der Prüfungen gehärtete und in der Vergebung versöhnte Glaube ist eine Kraft, die auch heute noch Berge zu versetzen vermag. Er ermutigt uns, immer wieder in missionarischem Geist auch den verirrten Schafen nachzugehen. Durch einen solchen Glauben folgt unser Leben dem Weg Christi, des Gekreuzigten und Auf erstandenen: Von ihm allein leitet unsere priesterliche Existenz ihren Sinn und Auftrag ab. Darum kann sich unser Priester- 606 REISEN tum auch nur entfalten, wenn es im österlichen Geheimnis verwurzelt ist. Nicht die irdischen Maßstäbe von „Erfolg“ sind für unser Tun bestimmend, sondern das Gesetz des Weizenkorns, das in die Erde fallen und sterben muß, um reiche Frucht zu bringen (vgl. Joh 12,24). In diesem österlichen Licht seht auch die vielfältigen Formen des Verzichts, die euer Priestertum prägen, nicht zuletzt die gegenüber Christus und seiner Kirche eingegangene Verpflichtung zum Zölibat. Der in der lateinischen Kirche geforderte priesterliche Zölibat konkretisiert in höchst angemessener Weise die einzigartige Beziehung des Priesters zu Christus, die im Weihesakrament grundgelegt ist. Der Priester ist ja dazu bestellt, Christus als das Haupt des Leibes in der Kirche zu vergegenwärtigen, und somit berufen, sich möglichst eng der Lebensform Jesu anzugleichen. Daraus erwächst ihm auch eine größere Freiheit zum ungeteilten Dienst für Gott und die Menschen. Es sind dies, liebe Mitbrüder, kostbare Geschenke, die wir in „zerbrechlichen Gefäßen“ tragen (vgl. 2 Kor 4,7). Wir müssen sie hüten und pflegen durch das tägliche Gebet, durch die heilige Meßfeier, durch den häufigen Empfang des Bußsakramentes und durch das besondere Band der Brüderlichkeit, das die Glieder des Presbyteriums mit ihrem Bischof und untereinander verbindet. Dieser Brüderlichkeit gilt es, auch heute einen greifbaren Ausdruck zu geben im gemeinsamen Beten und in verschiedenen Formen gemeinsamen Lebens und stets hilfsbereiter Zusammenarbeit. Auch eine ständige solide Weiterbildung ist notwendig. Tun wir uns doch oft deshalb schwer mit der Denkart der heutigen Menschen, weil wir die moderne Kultur nicht genügend kennen und zur Bildungswelt unserer Zeit keinen rechten Zugang finden. Vor allem sollte uns das Studium der Heiligen Schrift und der Theologie helfen, die pastorale Lage richtig, das heißt im Licht des göttlichen Heilsplanes, einzuschätzen. Die Heilsgeschichte läßt nämlich keinen Zweifel daran, daß das messianische Gottesvolk, auch wenn es oft als kleine Herde erscheint, „tatsächlich für das ganze Menschengeschlecht die unzerstörbare Keimzelle der Einheit, der Hoffnung und des Heils“ ist (Lumen gentium, Nr. 9). Das ist unsere unerschütterliche Hoffnung, um derentwillen es sich auch heute lohnt, Priester zu sein - oder Priester zu werden. Euch, meine jungen Freunde, die ihr euch auf das Priestertum vorbereitet, möchte ich diese Hoffnung besonders tief ins Herz schreiben. Schreitet froh und entschlossen voran auf dem Weg, auf den der Herr euch berufen hat. Ich weiß, mit welcher Güte und Fürsorge euer Bischof euch auf 607 REISEN diesem Weg begleitet. Ihr dürft auch der väterlichen Liebe und des Gebetes des Papstes allzeit gewiß sein. 5. Die Kirche, der wir dienen, ist das im Mysterium gegenwärtige Gottesreich. Gerade euer Leben, liebe Brüder und Schwestern im Ordensstand, ist dieser Innenseite der Kirche, der verhüllten Wirklichkeit des bereits erfolgten und in seiner Endgültigkeit noch ausstehenden Kommens Gottes zu den Menschen, in besonderer Weise gewidmet. Durch die in freiem Entschluß übernommene Verpflichtung zu den evangelischen Räten habt ihr euch aufs innigste Gott übereignet. So vollzieht sich in eurem Leben mit einer beispielhaften Zeugniskraft, um was wir alle im Vaterunser beten: „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.“ In einer Lebensform, die im Gebet, der Stille und der Sammlung, der geistlichen Lesung und der Betrachtung den ersten Platz einräumt und seinetwegen manches andere - scheinbar Dringliche - zurückstellt, macht ihr ernst mit der Weisung des Herrn: „Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit. . .“ (Mt 6,33). Ihr erinnert eure Mitchristen daran, sich nicht im Vorläufigen zu verlieren und das einzig Notwendige nicht zu vergessen. Euer Verzicht auf die vorletzten Werte, die in dieser Welt Geltung haben - Selbstbestimmung und Anerkennung, Reichtum und Vermögen, Ehe und Familie -, ist die eindringliche Mahnung, die die gesamte Kirche braucht, um sich nicht auf dieser Erde einzurichten, sondern sich immer wieder als wanderndes Gottesvolk auf das kommende Reich in seiner Vollendung auszustrecken. Von aller Selbstsucht geläutert werden Gleichzeitig aber soll eure Existenz sichtbar machen, daß Gottes Reich hier und heute schon angebrochen ist. Durch eine in der Schule der Bergpredigt von aller Selbstsucht geläuterten echten Menschlichkeit könnt ihr bezeugen, daß Gottes Reich in Wahrheit das Leben der Menschen ist, wie euer Motto für diese Tage lautet, und daß die radikale Nachfolge Jesu der wahren Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und der menschlichen Freiheit dient. Vor allem müssen eure Gemeinschaften nach dem Beispiel der Urkirche, in der „die Gemeinde der Gläubigen ein Herz und eine Seele war“ (Apg 4,32), darauf ausgerichtet sein, durch aufrichtige und herzliche Brüderlichkeit die Verheißung einer in Christus versöhnten Menschheit bereits jetzt im Ansatz zu verwirklichen. 608 REISEN Diesem in der Kirche schon gegenwärtigen Reich Gottes dient ihr durch die vielfältigen Aufgaben des Apostolats und der Caritas, die ihr übernommen habt: durch eure Präsenz in der Schule, in der Jugendarbeit, am Bett der Kranken und in den verschiedenen Formen evangelischen Erbarmens, wie sie euch die Zeichen der Zeit im Gehorsam gegenüber Gottes Geist und dem Erbe eurer Gründer eingeben. Seid fest überzeugt, euer Leben nach den evangelischen Räten ist für das Wohl der Kirche und der Menschen unverzichtbar. Liebt eure Berufung und werdet ihrer immer wieder von Herzen froh. Dann wird Gott euren Gemeinschaften auch heute junge Menschen zuführen und sie durch die Hilfe des Heiligen Geistes wachsen lassen. Dies ist mein Gebet und meine zuversichtliche Hoffnung ebenso für die Priesterberufe sowie für das Erstarken einer von apostolischem Geist beseelten Laienschaft. Von Herzen erteile ich euch, den hier anwesenden Brüdern und Schwestern, und zugleich allen Priestern und Ordensleuten sowie allen Gläubigen der Kirche in Luxemburg meinen besonderen Apostolischen Segen. Leben mit Wert und Sinn Ansprache an die Jugend im Hof der Abtei von Echternach (Luxemburg) am 16. Mai Meine lieben, jungen Freunde! 1. Die Lesung aus der Apostelgeschichte, die ihr gewählt habt, spricht von Petrus. Sie spricht aber auch von euch: „Petrus erhob sich im Kreis der Brüder“ (Apg 1,15). Obwohl es viele waren, werden mehrere mit ihrem Namen genannt; so persönlich sind sie gemeint: die Apostel, die Frauen mit Maria, der Mutter Jesu, und die anderen. So persönlich möchte ich auch euch ansprechen; jeden einzelnen betrachte ich als Bruder oder Schwester. „Im Kreis der Brüder“ stehe ich hier und richte mein Wort an euch. Werden wir uns verstehen können? Hierfür nennt uns dieselbe Lesung eine wichtige Bedingung: „Sie verharrten einmütig im Gebet“ (Apg 1,14). So erwarteten sie die Gabe des Heiligen Geistes. So wollen auch wir uns für den gemeinsamen Weg als Christen gegenseitig ermutigen und bestärken. 609 REISEN Der Nachfolger des Petrus ist sich dabei seines Auftrages bewußt: „Stärke deine Brüder“ - „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!“ - Sei wie ein Fels für die Kirche Christi und ihre Einheit! (vgl. Lk 22,32; Joh 21,15 ff.; Mt 16,18). Im Gedenken an den hl. Willibrord 2. Soeben kniete und betete ich am Grab des heiligen Willibrord. Er hat der Stadt Echternach, deren Einwohner ich herzlich grüße, Rang und Namen gegeben, als er hier im Jahre 698 die hochberühmte Abtei gründete. Ich verehre ihn hier als den Glaubensboten weiter Teile des nordwestlichen Europas und nicht zuletzt als den Begründer der niederländischen Kirche, die ich in diesen Tagen besuchen konnte. „Von apostolischem Eifer getrieben, brach er mit dreiunddreißig Jahren auf, um viele Völker zum Glauben zu führen.“ So preist die Liturgie das Wirken des großen Missionars (Offizium des hl. Willibrord), Und wie drängte es den heiligen Willibrord, „Petrus zu sehen“ {Gal 1,18) und seine Mission unter den Heiden durch die Verbindung mit dem Papst in das Leben der Gesamtkirche einzubringen! Zweimal zieht er in beschwerlicher Reise über die Alpen nach Rom, um dort Rat und Weisung für seine Sendung einzuholen und schließlich mit der Bischofsweihe die Bestätigung für seine Kirchengründung unter den Friesen zu empfangen. So ist es Willibrord zu verdanken, daß diese nordischen Gemeinden mit der römischen Mutterkirche und mit der gesamten apostolischen Überlieferung zu einer lebendigen Einheit kamen; beide Seiten sollten in den folgenden Jahrhunderten dadurch bereichert werden. 3. Es freut mich zu wissen, daß auch ihr, liebe, junge Freunde, diesen großen Heiligen, seine Basilika und seine Stadt Echternach liebt. Jahr für Jahr kommt ihr am Pfingsttag hier zusammen, um in der Springprozession durch das Gebet des Herzens und des Leibes die Fragen und Probleme, die Sorgen und Ängste, aber auch die tiefe Sehnsucht, die Hoffnung und den Glauben eures jungen Lebens vor Gott zu tragen. Mit Recht habt ihr diese Stätte, die euch vertraut und lieb geworden ist, für unsere heutige Begegnung ausgewählt. Durch diese Wahl tut ihr zugleich kund, daß euch das Erbe der Vergangenheit nicht gleichgültig ist. Gerade an einem Ort wie diesem, wo uns die steinernen Zeugen einer glaubensstarken christlichen Vergangenheit umstehen, wird uns bewußt, daß wir eine Zukunft, die Bestand hat, nur aufbauen können auf dem Fundament der grundlegenden Wahrheiten 610 REISEN und der bleibenden Werte des Evangeliums, wie sie in der Kirche von Generation zu Generation überliefert werden und zu allen Zeiten von großen Glaubensgestalten bezeugt und vorgelebt werden. Stellvertretend für viele nanntet ihr Willibrord, Franz von Assisi, die unbekannte Ordensschwester, den fernen Missionar. Sie sind es, die in euch den Traum einer besseren Welt wachhalten. In ihrem Geist wollt ihr die Zukunft ins Auge fassen. Denn nicht der Vergangenheit, sondern der Zukunft gehört naturgemäß euer Herz. Ja, in der Jugend leuchtet bereits auf, was morgen sein wird. Allein, diese Zukunft fällt euch nicht in den Schoß wie eine reife Frucht. Sie ist euch zur verantwortlichen Gestaltung aufgetragen. Euch kommt die Verantwortung zu für das, was eines Tages mit euch zusammen Gegenwart werden wird. Für das, was heute ist, das Gute und das Schlechte in unserer Welt, sind andere Generationen verantwortlich; aber was morgen und übermorgen, was im Jahre 2000 sein wird, das hängt mehr und mehr von euch ab. An eurer Lebenseinstellung und eurem Einsatz, am Stand eures sittlichen Bewußtseins und an eurem Gewissen wird es liegen, ob sich der Traum einer besseren Welt verwirklichen wird. 4. Durch Spiel und Gesang und die Worte eurer Sprecher habt ihr vorhin bekundet, daß ihr entschlossen seid, am Aufbau einer besseren Welt Hand anzulegen. Ihr wollt es tun in der grenzüberschreitenden Freundschaft mit euren Nachbarn aus Belgien, Deutschland und Frankreich, denen ihr alljährlich im Zeichen von Pax Christi die Hand zur Springprozession reicht. Ich danke euren Freunden aus den Nachbarländern, daß sie auch heute bei-diesem Fest dabei sind. Ihr alle wollt ja gemeinsam einem neuen Europa die Wege bereiten; einem Europa nicht nur der Waren und Güter, sondern der Werte, der Menschen und der Herzen, einem Europa, das im Glauben an Gott und an Christus und in der Besinnung auf seine eigene christliche Vergangenheit seine Seele wiederfindet. Die christliche Seele Europas Dieser Seele Europas, seiner echten, christlichen Seele, die einmal den europäischen Menschen geformt hat, entspricht es, sich immer wieder von den ängstlichen Sorgen um die eigenen Interessen zu lösen und sich im Dialog und im brüderlichen Teilen weltweit für die Menschen in anderen Erdteilen zu öffnen. Es ist die ureigene Berufung Europas, das vor anderen Kontinenten die Aussaat des Evangeliums in so reichem Maß empfangen hat, dieses Geschenk nicht nur für sich zu behalten, sondern es 611 REISEN weiterzureichen im Wort der Verkündigung und in den Zeichen der Liebe, die das Wort des Heils begleiten. 5. Ein solches Zeichen habt ihr heute gesetzt. Das Haus, an dem ihr baut, das Haus einer besseren Zukunft, ist gegründet auf das Vertrauen in Gott, unseren Vater; es ist fest gefügt in der Solidarität, die aus der Liebe Christi erwächst; es gipfelt in der Freiheit, die Gott uns schenkt. Dieses Haus darf uns kein Luftschloß sein; es verlangt nach praktischer Solidarität mit Menschen, die kein Haus haben, handfeste Hilfe für Slumbewohner in Nairobi, die kein Dach über dem Kopf haben. Aufrichtig beglückwünsche ich euch darum zu dieser großherzigen Initiative christlicher Nächstenliebe. Ich freue mich, bei meiner Afrikareise im August euren Beitrag zu einem menschenwürdigeren Leben nach Kenia überbringen zu dürfen, und danke euch im Namen der Empfänger von ganzem Herzen für diesen Erweis eurer wahrhaftig katholischen, weltweiten Gesinnung. Wenn ich all das sehe und bedenke, was hier in unserer Mitte lebt, der ganze Reichtum eurer Jugend und Ideale, dann erwächst in mir der brennende Wunsch, daß dies alles möglichst fruchtbar für das Reich Gottes werde. Darum möchte ich euch junge Christen näher zu Jesus selbst hinführen, dem Guten Hirten, der gesagt hat: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Mit dem jungen Mann im Evangelium zögert nicht, dem Meister die Frage zu stellen: „Was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ {Mt 19,16). Was muß ich tun, damit mein Leben seinen vollen Wert und Sinn habe? 6. „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ {Mk 10,17). So spricht der junge Mann im Evangelium. Wir könnten das etwa so übersetzen: Was muß ich tun, damit mein Leben einen Sinn, seinen ganzen Sinn und seinen ganzen Wert erhält? Und Jesus antwortet zunächst mit einer anderen Frage: „Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen“ {Mk 10,18). Dann fährt er fort: „Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!“ {Mk 10,19). Liebe Freunde, wenn ihr den Weg des Vertrauens, der Solidarität, der Freiheit einschlagt, habt ihr eure Wahl getroffen: Es ist der Weg der Gebote, der vor allem ein Weg des Lebens ist. Hat nicht Mose zu seinem Volk gesagt, als er ihm die Zehn Gebote als Erbe hinterließ: „Leben und Tod lege ich dir vor, Segen und Fluch. Wähle also das Leben, damit du 612 REISEN lebst, du und deine Nachkommen. Liebe den Herrn, deinen Gott, hör auf seine Stimme und halte dich an ihm fest, denn er ist dein Leben?“ (Dtn 30,19-20). Wie kann der Mensch seine Beziehungen zu den anderen gemäß den Geboten leben, wenn er kein Vertrauen hat? Ein Vertrauen, das die Achtung vor dem gegebenen Wort, die Achtung vor der Wahrheit, die Achtung vor der Würde des Menschen bis hinein in seinen Körper, die Achtung seiner Identität als Mann und Frau miteinschließt; ein Vertrauen, das auch zuverlässige Treue in der Liebe ist. Und wie will man sich das Leben der einzelnen und der Völker anders vorstellen als in Solidarität? Eine Solidarität, die freilich etwas anderes ist als das Gesetz der Wiedervergeltung (vgl. Ex 21,24); Solidarität, die dazu drängt, mehr zu tun, als die anderen für uns tun (vgl. Mt7,12); Solidarität, die sich auf das Gebot der Liebe selbst gründet (vgl. Lev 19,18; Mt22,39) und die bis zu der neuen Gerechtigkeit des Evangeliums geht, der Aufforderung zur Feindesliebe (vgl. Mt 5,44). Vom Gesetz Gottes formen lassen 7. Ihr werdet mir vielleicht sagen: Kann man von der Liebe als einem Gebot sprechen? Kann man zugleich unter dem Gesetz und in der Freiheit leben? Zunächst scheint jedes Gesetz eine Einschränkung zu sein, bis zu dem Augenblick, in dem man es als den rechten Ausdruck des Gewissens begreift. Die Gebote, an die Jesus den jungen Mann erinnert, sind dem Menschen ins Herz geschrieben (vgl. Röm 2,14-15). Paulus bezeugt das: Dieses Gesetz drückt den tiefsten Wunsch, das tiefste Verlangen unseres Seins aus, selbst wenn wir im Grund unseres Herzens den Gegensatz zu dem anderen Gesetz erleben, das uns an die Sünde kettet. Wenn wir uns vom Gesetz Gottes formen lassen, macht es uns frei von den Ketten eines Daseins, das Affekten und Leidenschaften unterworfen ist, und bringt in uns das Leben der Freiheit ans Licht. Hier nun erhält das Wort Jesu an den jungen Mann seinen ganzen Sinn: „Niemand ist gut außer Gott, dem Einen“, weil Gott Liebe ist. Weil die Liebe das ganze Gesetz zusammenfaßt, in ihr alle Werte ihre erste Quelle haben - in ihr allein bestätigen sie sich als echt und entscheidend (vgl. Apostolisches Schreiben an die Jugend der Welt, 31. März 1985, Nr. 4). Das gilt für die Werte, von deren Bedeutung ihr gesprochen habt. In der Tat, wie soll man „das Vertrauen wagen“ in einer unsicheren und unbeständigen Welt voller Lügen? Allein durch das Vertrauen in die Güte des von Gott, der die Liebe ist, geschaffenen Menschen. Wie kann man im 613 REISEN Vertrauen bis ans Ende gehen? Indem wir unseren Weg in der Nachfolge Christi gehen, der in der letzten Stunde der Treue sagen konnte: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Vertraut euch mit Christus dem Vater an! Laßt euch im Glauben in die Arme Gottes fallen! Er wird euch nicht enttäuschen. Seine Treue versagt niemals. 8. Sodann werdet ihr aus eurer Erfahrung wissen, daß die Treue stark, daß sie schön, daß sie möglich ist und daß sie von der Liebe untrennbar ist. Ihr habt gesagt, daß die eheliche Treue bis zum Tod euch vor Probleme stellt. Um euch herum gehen zu viele eheliche Bindungen in Brüche, und ich weiß, wieviel Leid das mit sich bringt. Manche zögern, sich auf die Bande der Ehe einzulassen. Aber der Schmerz ist das Zeichen dafür, daß die Auflösung des geheiligten Bandes der Ehe eine Verwirrung und Entstellung des Abbildes Gottes im Menschen darstellt. Christus wollte die Ehe in ihrer ganzen Schönheit, in ihrer ursprünglichen Unversehrtheit, in der Wahrheit des Anfangs, die den tief in die menschliche Natur eingeschriebenen Plan Gottes offenbart, wiederherstellen (vgl. Familiaris consortio, Nr. 13). Weil der Mensch sein Geschick nach dem Abbild eines absolut treuen Gottes verwirklichen muß und wegen ihrer eigenen Treue zum Wort ihres Stifters, muß die Kirche die Forderung nach der Unauflöslichkeit der Ehe bekräftigen. Sie weiß sehr wohl, daß diese Forderung von vielen als eine Herausforderung empfunden wird. Aber heißt es etwa nicht dem Menschen dienen, wenn man ihn ermutigt, bis an die äußerste Grenze seiner Liebesfähigkeit zu gehen? Die Kirche ist überzeugt von den unendlichen Fähigkeiten zu Liebe, Treue und Verzeihung eines Herzens, das in der Taufe erneuert, vom Brot der Eucharistie gespeist und im Bußsakrament mit Gott, mit sich selbst und mit den anderen versöhnt wurde. Der Geist, den der Herr ausgießt, schenkt dem Menschen ein neues Herz, das fähig ist zu lieben, wie Gott liebt. „Ihr Männer - sagt der hl. Paulus -, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat“ (Eph 5,25). Das ist die Berufung der christlichen Ehe. <119> <119> Ihr gebt heute ein hochherziges Zeugnis der Solidarität. Paulus sagt euch, was der Maßstab dafür ist: „Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder . . .“ (Eph 5,1). Die Liebe Christi soll der Maßstab für eure Liebe sein: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh 13,34). Worin besteht diese Neuartigkeit? Die Liebe, die Jesus von uns verlangt, ist die Liebe, die er selbst bis zur Hingabe seines Lebens lebt. Die Forderung ist groß, 614 REISEN seien wir demütig. Aber es gibt tausend Weisen, sein Leben hinzugeben, Selbstverzicht zu üben, sich in der Hochherzigkeit zu übertreffen. Seid auf allen Wegen, die ihr einschlagt, bereit, für euer Leben euch diese Liebe zum Vorbild zu nehmen: in der Familie, untereinander, im Dienst an Behinderten, Kranken und Armen. Wenn ihr den Ruf des Herrn vernehmt Und wenn ihr den Ruf des Herrn vernehmt, ihm euer ganzes Dasein zu schenken in einem Leben, das ganz ihm und den Brüdern geweiht ist, zögert nicht. Die Menschheit und die Kirche brauchen Männer und Frauen, die durch ihre absolute Hingabe an den Herrn von der Liebe Zeugnis geben, mit der uns Gott in Christus liebt, und von der Hoffnung auf die ewige Gemeinschaft mit ihm. Um frei zu sein, so zu lieben wie er, lassen sie die Güter des Reichtums, der Macht und der menschlichen Liebe hinter sich. Sie bringen in die Kirche das besondere Zeugnis des Priester- und Ordenslebens „um des Himmelreiches willen“ ein {Mt 19,12). Diejenigen, die die Größe dieser Berufung erfassen, werden auch die Gründe des priesterlichen Zölibats verstehen. Dazu berufen, auf sakramentaler Ebene Christus in seiner Funktion als Haupt des Leibes und als Hoherpriester darzustellen, muß der Priester diese Angleichung an Christus durch ein Leben glaubwürdig machen, das dem Leben Christi ganz nahe und von anderen Bindungen als denen seines Dienstes frei ist. <120> <120> Jesus hat seinen Freunden versprochen: Der Geist Gottes „wird euch in die ganze Wahrheit führen“ {Joh 16,13), und „die Wahrheit wird euch befreien“ {Joh 8,32). Die wahre Freiheit! Von den drei Werten, die ihr verkündet habt, ist sie es, die am empfindlichsten, am schwierigsten zu erfassen und zu verwirklichen ist. Denken wir an die Geschichte der Befreiung Israels aus der Sklaverei: Sie hat begonnen, als Mose zum Pharao ging und ihn bat, dem Volk zu gestatten, in die Wüste zu ziehen, um ein Fest zu Ehren des Herrn zu feiern (vgl. Ex 5,1). Das ganze Gesetz des Bundes hat zum Endziel die Gewährleistung dieser Freiheit: der Freiheit, den Herrn anzubeten, der Möglichkeit für den Menschen, eine freie Beziehung zu Gott zu leben und den Armen und Unterdrückten zu dienen. 615 REISEN „Ebenbild, des unsichtbaren Gottes“ Aber die Wüste des Exodus war nur ein vorläufiges Bild der vollen Erlösung in Christus. Jesus, unser Befreier, hat uns durch sein Kreuz von der eigentlichen und grundlegenden Knechtschaft der Sünde befreit, in der alle sklavischen Abhängigkeiten und Entwürdigungen des Menschen ihre Wurzel haben. Als „Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), als „Abglanz seiner Herrlichkeit“ (Hebr 1,3) ist Christus der vollkommene Mensch, der in uns die schon mit dem Sündenfall entstellte Gottebenbildlichkeit wiederherstellt. Das Paradox unserer Freiheit ist, daß wir dahin gelangen, indem wir uns durch Christus vom Gesetz der Sünde und des Todes befreien lassen. Er, der gestorben und auferstanden ist, erschließt uns den unendlichen Raum der Freiheit. Er macht uns fähig, auf die Begehrlichkeit, die uns in uns selbst verschließt, zu verzichten und nach dem zu verlangen, was die Freude des „neuen Menschen“ ausmacht, „der nach dem Bild Gottes geschaffen ist“ (Eph 4,24) und zu dem wir durch die Taufe werden. 11. Das also waren einige Bausteine, die ich zu eurem Bau beitragen wollte: zur Gestaltung eures Lebensplanes und zum Aufbau einer neuen Welt. Ich trage diese Bausteine bei als ein „Ältester“ in der Gemeinde, als Zeuge Jesu Christi, als Zeuge der Kirche, die eine lange und lebendige „Erfahrung in Menschlichkeit“ besitzt (vgl. Paul VI. an die Vollversammlung der Vereinten Nationen, 1965). Ich wollte „keinen anderen Grund legen als Jesus Christus“ (vgl. 1 Kor 3,11). Und noch immer ist unser Herr „der Stein, den die Bauleute verworfen haben“ (1 Petr 2,1), „der, durch den der ganze Bau zusammengehalten wird“ {Eph 2,21). So will ich gern, liebe Freunde, entsprechend eurer Bitte in diesem Sinn den Schlußstein zu diesem Bau setzen, der euer Suchen und eure Großherzigkeit symbolisiert, indem ich den Herrn bitte, daß alles, was ihr unternehmt, stets von ihm, der das Haupt ist, Festigkeit und Zusammenhalt empfange (vgl. Kol2,19). 616 REISEN „ Was Christus euch sagt, das tut!“ Vor dem Regina Caeli in Luxemburg am Himmelsfahrtstag, 16. Mai Liebe Brüder und Schwestern! Am Ende unseres festlichen Gottesdienstes, bei dem wir uns unserer Sendung als Jünger des auferstandenen Herrn wieder neu bewußt geworden sind, wenden wir uns noch einmal an Maria. Eure Vorfahren haben sie zur Schutzherrin und Patronin eures Volkes erwählt. Mit ihrer mütterlichen Hilfe haben sie ihren katholischen Glauben immer wieder gefestigt und zur Reife gebracht. Ihr Schutz begleite auch euren heutigen Glaubensweg. Sie erinnert uns daran, daß wir Christen sein können nur in lebendiger Einheit mit dem überlieferten Glauben der Kirche, wie ihn das Lehramt aus dem Wort Gottes für heute auslegt. Vertrauensvoll und fest sagt sie uns immer wieder: „Was er (Christus) euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Auf ihr Wort als liebende Mutter antworten wir mit ganzer Bereitschaft und Hingabe. Ihr übereignen wir uns und unsere Familien, die Jungen und die Alten, die Starken und die Schwachen. Ihrem mütterlichen Schutz vertrauen wir an euren Bischof, die Priester und Ordensleute, alle Gläubigen und Bürger dieses Landes. Maria gehe an der Spitze des pilgernden Gottesvolkes Christus entgegen, ihrem auferstandenen Sohn, der erhoben ist zur Rechten des Vaters. In froher Erwartung der Pfingstgaben des Heiligen Geistes preisen wir zusammen mit ihr die Größe des Herrn, der Wunderbares getan hat an Maria und an uns allen. 617 REISEN „Gemeinsam haben wir Himmelfahrt gefeiert“ Ansprache bei der Abschiedszeremonie auf dem Luxemburger Flugplatz am 16. Mai Meine Damen und Herren! Liebe luxemburgische Freunde! Wir haben soeben zwei Tage gemeinsam verbracht, die ich in wunderbarer Erinnerung behalten werde. Ich konnte selbst in kurzer Zeit das Land Luxemburg mit seinen denkwürdigen historischen Stätten und auch den Zentren des Wirtschaftslebens und des Dienstes der internationalen Gemeinschaft entdecken. Aber vor allem freue ich mich, daß ich mit euch, Freunde aus Luxemburg, und mit jenen Angehörigen anderer Nationen, die unter euch leben, Kontakt aufnehmen konnte. Eure lebendigen Traditionen und eure schöpferische Tätigkeit machen euer Land wirklich anziehend. Wenn ich euch heute abend verlasse, weiß ich, daß ich das warmherzige Volk des Großherzogtums nicht vergessen werde. Ich habt dem Bischof von Rom eine Empfang bereitet, für den ich sehr aufgeschlossen war und für den ich euch danke. Im besonderen möchte ich Ihren Königlichen Hoheiten, dem Großherzog Jean und der Großherzogin, meinen Dank zum Ausdruck bringen für die feinfühlige Aufmerksamkeit, die sie ebenso wie die Regierung Luxemburgs mir in reichem Maße zuteil werden ließen. Bischof Jean Hengen und allen seinen Mitarbeitern wiederhole ich nochmals, wie sehr ich die Sorgfalt zu schätzen wußte, die sie auf die Vorbereitung meines Besuches sowohl auf pastora-ler Ebene wie in seinem praktischen Ablauf verwandt haben. Und von Herzen möchte ich denen danken, die zur äußeren Organisation und geistigen Gestaltung dieser Tage beigetragen haben, indem sie zahlreiche Aufgaben oft sehr unauffällig wahrnahmen. Aufgrund des Themas dieser Pilgerreise zur luxemburgischen Kirche haben wir über all das nachgedacht, was uns das Vaterunser gibt. Und gemeinsam haben wir das Fest Christi Himmelfahrt gefeiert. Ich hoffe, daß unsere Begegnung ein Augenblick wahrer Begegnung mit Gott gewesen ist. Ich hoffe, daß unsere Zusammenkünfte eine Richtschnur auf dem Weg der Kirche in eurer Diözese und eine Einladung sein werden, das Reich Gottes immer besser in euer menschliches Leben aufzunehmen. Nun nehme ich Abschied von euch und hinterlasse euch die Weisung, die der Apostel Paulus den Korinthern gab: „Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid stark! Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (I Kor 618 REISEN 16,13-14). In diesem Geist ermuntere ich euch, eurer christlichen Gemeinschaft neue, jugendliche Frische, neue Großherzigkeit zu geben. Allen Luxemburgern wünsche ich Glück und Zufriedenheit für sich selbst wie für ihre Familien. Ich wünsche euch, daß ihr es versteht, mutig für das Gemeinwohl zu wirken und eine Solidarität zu leben, die die Grenzen jeder einzelnen Gruppierung übersteigt. Ich wünsche euch die frohe Erfahrung friedlicher Verständigung und gegenseitiger Bereicherung zwischen den Menschen unterschiedlicher Traditionen. Ich wünsche euch die Freude, in jedem Menschen einen Bruder zu erkennen. Über Luxemburg rufe ich die Hilfe Unserer Lieben Frau, der Trösterin der Betrübten, herab: Sie begleite euch in euren Sorgen und in euren Freuden! Ich bitte Gott, eure Treue zu stützen, euer Leben als Christen zu erleuchten, euch die Kraft der Hoffnung zu schenken, euch im Frieden zu halten. Ich bitte den Herrn, euch zu segnen. Gott segne und schütze Luxemburg und alle seine Bewohner! Es ist mir angenehm, euch eine gute Nachricht bekanntzugeben, die euch, glaube ich, sehr freuen wird: Zum Abschluß meines Pastoralbesuches in Luxemburg verleihe ich Msgr. Jean Hengen, Bischof von Luxemburg, mit heutigem Datum den persönlichen Titel des Erzbischofs. Durch diese Ehrung eures Bischofs will ich die Diözese, die mit ihm zusammenarbeitet, ehren. 619 4. Pastoralbesuch in Belgien (16. bis 21. Mai) REISEN „Gemeinsam wollen wir den Glauben feiern“ Fernsehansprache an die Gläubigen in Belgien, ausgestrahlt am Ostersonntag, 7. April Liebe Freunde in Belgien! Ich freue mich, in Kürze bei euch zu sein, als Hirte einen Teil eurer Provinzen zu besuchen, dieses Land, das ich ein wenig kenne, wiederzusehen und mit eurem Volk, für das ich eine herzliche Hochachtung hege, zu sprechen. Wie viele andere Episkopate das für ihre Länder tun, so haben mich eure Bischöfe seit langem im Namen der Katholiken eingeladen, und die zivilen Autoritäten, angefangen von Seiner Majestät König Baudouin, haben gern ihre Zustimmung gegeben. Ich weiß, daß sich viele von euch um die Vorbereitung dieses Besuches bemühen. Dafür danke ich ihnen. Als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus habe ich als Sendungsauftrag den Dienst an der Einheit und der Stärkung aller, die den christlichen Glauben teilen, erhalten. Gemeinsam wollen wir diesen Glauben feiern. Ich hoffe, Zeuge eurer religiösen Lebenskraft sein zu können, die ihr aus einer großen Vergangenheit ererbt habt und die aufgerufen ist, sich inmitten der Fragen unserer Zeit zu erneuern. Und ich meinerseits möchte Zeuge des Glaubens der Universalkirche sein, der im Glauben der Apostel wurzelt. Wir werden gemeinsam beten und dabei die wesentlichen Elemente des Gebetes vertiefen, die Jesus betont hat, als er uns das Vaterunser schenkte. Euer Mitwirken mit der Gnade und eure Vorsätze werden auf die der Kirche und der Welt stoßen, und in mehreren Marienheiligtümern wird es uns möglich sein, besser mit Maria zu beten. Mit euren Bischöfen und euren Priestern werden wir jeden Tag das ganze Volk Gottes versammeln, um die Eucharistie zu feiern und so am Leben des gestorbenen und auferstandenen Christus teilzuhaben. Wir werden miteinander Gedankenaustausch pflegen. Ich würde gern eigens nicht nur mit euren Bischöfen, sondern mit allen Laien sprechen, die eine aktive Rolle in der Kirche spielen, unter anderem mit den katholischen Bewegungen und Organisationen, mit der Welt der Arbeiter, den Angehörigen der Universitäten, den Künstlern, mit jenen, die politische Ämter bekleiden, mit denen, die im Dienst der Europäischen Gemeinschaft arbeiten. Einen eigenen Platz werden wir den Kranken und der Jugend einräumen. 622 REISEN Gern möchte ich mit den anderen christlichen Gemeinschaften Zusammentreffen und mit ihnen beten oder auch mit den Vertretern anderer Gemeinschaften. In Achtung des Gewissens aller Belgier, die ich als Zeuge der Liebe Christi besuchen will, wollen wir den Sinn und das Verständnis für das brüderliche Leben, für die Aufgeschlossenheit, den Frieden, die Solidarität mit den Entrechteten und Benachteiligten dieser Erde vertiefen. Ich möchte mir wünschen, daß sich daraus für alle ein Fortschritt in der gegenseitigen Achtung, in der Einheit der Geister und Herzen und für alle, die es wollen, ein neuer Aufschwung in Gott, dem Vater Jesu Christi und unserem Vater, eine größere Liebe zur Kirche, eine festere Hoffnung trotz aller Prüfungen, ein neues Engagement im Dienst an den anderen ergibt. Beten wir darum, daß das eintrifft! Und daß der Herr euch segne, daß er eure Familien und euer liebes Land segne! Dierbare vrienden in Belgie! Binnenkort zal ik onder u zijn. Ik ben er blij om als herder enkele van uw provincies te kunnen bezoeken, en het land terug te zien dat ik vroeger reeds enigszins heb leren kennen. Graag zal ik de dialoog opnemen met het volk dat ik diep waardeer en in mijn hart draag. Zoals vele andere episkopaten hebben ook uw bisschoppen mi] sedert lang uitgenodigd in naam van alle katholieken. De burgerlijke overheden, en in de eerste plaats Zijne Majesteit Koning Boudewijn, hebben zieh daar welwillend bij aangesloten. Ik weet dat velen onder u zieh inzetten om dit bezoek voor te bereiden. Aan allen rieht ik mijn beste dank. Als bisschop van Rome en opvolger van de Apostel Petrus heb ik de zending ontvangen om de dienst van de eenheid te verzekeren en allen die ons christelijk geloof delen, te bevestigen. Samen zullen wij ons geloof vieren. Bij u hoop ik getuige te mögen zijn van een godsdienstige levenskracht die uw groots verleden u als erfgoed heeft nagelaten, en die zieh steeds moet vernieuwen midden de vele probleemstellingen van onze tijd. Van mijn kant wil ik getuigenis afleggen van het geloof van de universele kerk, geworteld in het geloof van de Apostelen. Samen zullen wij bidden. We zullen de wezenselementen uitdiepen van het gebed, zoals Jezus deze heeft benadrukt, toen Hij ons het „onze Vader” gaf. Daarin zullen uw dankzegging en uw smeekbeden samenvloeien met deze van de Kerke en 623 REISEN de wereld. In verschillende mariale heiligdommen zullen wij, samen met Maria, beter leren bidden. Met bisschoppen en priesters samen, zullen wij iedere dag het ganse godsvolk bijeenbrengen om de Heilige Eucharistie te vieren en zo deel te nemen aan het leven van de gestorven en verrezen Heer. Samen zullen wij van gedachten wisselen. Het zal voor mij een grote vreugde zijn mij te kunnen onderhouden, niet alleen met de herders, maar ook met de vele leken die een aktief aandeel hebben in de kerk: de katholieke organisaties en bewegingen, de wereld van de arbeid, de universiteiten, de wereld van de kunst, zij die politieke verantwoordelijk-heid dragen, en zij die in dienst staan van de Europese Gemeenschappen. Ik zie ook gaarne uit naar de ontmoeting, vooral in gezamenlijk gebed, met andere christelijke gemeenschappen van uw land en met de vertegen-woordigers van andere groepen. Met diepe eerbied voor de overtuigingen van ieder van u wil ik uw land bezoeken als getuige van de liefde van Christus. Samen zullen we diper peilen naar de zin van het leven in broederlijkheid, van de gastvrijheid, van de rechtvaardigheid, van de vrede, en van de solidariteit met de minder bedeelden. Het is mijn wens dat hieruit voor allen vooruitgang mag groeien in eerbied voor elkaar en in diepere eenheid van geest en van hart. Möge het, voor hen die het zoeken, leiden tot een vernieuwd geloof in God, de Vader van de Heer Jezus en onze Vader; tot grotere liefde voor de Kerk; tot krachtiger hoop tegen alle beproevingen in; en tot een nieuwe inzet ten bäte van de medemens. Ik nodig u uit om te bidden dat de Heer dit alles möge waar maken, en dat zijn zegen möge körnen over u allen, uw families en uw dierbaar land! 624 REISEN ,,Allen wünsche ich Frieden“ Ansprache bei der Ankunft in Brüssel am 16. Mai 1. Ich empfinde große Freude und tiefe Rührung, Belgien nun den Pasotralbesuch abstatten zu können, der mir seit langem schon am Herzen lag und der schon wiederholt Gegenstand freundlicher Einladungen war. Ich war bereits mehrmals in diesem liebenswürdigen Lande zu Gast. Es ist aber das erste Mal, daß ich hierherkomme, seit die Vorsehung Gottes mir die Sorge für alle Kirchen anvertraut hat. Zum ersten Mal in der Neuzeit besucht auch ein Papst diese Region, die dem Apostolischen Stuhl sehr nahe steht. Ich danke euch allen für den herzlichen Empfang. 2. Ich richte mich zunächst an Seine Majestät den König der Belgier und an die Königin. Sire, Madame, Sie haben darauf bestanden, schon bei der ersten Begegnung anwesend zu sein. Als König und Königin Belgiens gehören Sie einer Familie an, die schon seit der Gründung dieses Königreichs eng mit seiner Geschichte verbunden ist. Sie haben sich die Hochschätzung aller, nicht nur der Belgier, sondern auch der anderen Völker erworben. Ich weiß außerdem, daß Sie aufgrund Ihrer Überzeugung lebhaftes Interesse für das geistliche Leben Ihrer Landsleute wie auch für die Entwicklung aller Komponenten zeigen, die ihr Menschsein fördern. Ich möchte Ihnen für den freundlichen und herzlichen Empfang hier in Belgien danken. Ich grüße auch die Amtsträger der Regierung, der Provinzen und der Gemeinden, die mich mit Sympathie empfangen, sowie alle kirchlichen und zivilen Autoritäten, die sich hierherbegeben haben, um mir zu begegnen. Und indem ich Sie grüße, grüße ich das gesamte belgische Volk, das Sie vertreten. Im Laufe seiner bewegten Geschichte hat dieses Volk bewiesen, daß es in Freiheit und mit seinem tiefverwurzelten religiösen Glauben und seinen Kulturen leben wollte. Jeder kennt den edlen und tief innerlichen Charakter seiner Kunstwerke, aber auch seinen Unternehmungsgeist und seine wirtschaftliche Vitalität, seine Suche nach einem politischen Gleichgewicht, das die verschiedenen Überzeugungen und die unterschiedlichen Traditionen im ethnischen und kulturellen Bereich berücksichtigt, seine Beziehungen zu großen afrikanischen Staaten, die es tief geprägt hat, und, was ich hinzufügen möchte, den weitreichenden geistlichen Einfluß seiner zahlreichen Missionare in der ganzen Welt. Dieses Land hat unter den Nationen und vor allem in Westeuropa einen bedeutenden Platz eingenommen, unter anderem dadurch, daß die euro- 625 REISEN päischen Institutionen hier einen wichtigen Teil ihrer gemeinschaftlichen Organisationen etabliert haben. Die diplomatischen Beziehungen, die Belgien mit dem Hl. Stuhl geknüpft hat, sind besonders wertvoll; sie bestehen fast ohne Unterbrechung seit dem Jahr 1832. Die Gesamtkirche ist in der Ortskirche präsent Ich denke an alle diese positiven Realitäten, wenn ich in einer symbolischen Geste diesen Boden küsse. Ich vergesse dabei jedoch nicht die weltlichen oder geistlichen Schwierigkeiten der Bürger dieses Landes, ihre täglichen Probleme, ihre Anstrengungen, ihre Prüfungen und ihre Grenzen. Ich bin gekommen, um diesem Volk zu begegnen, ihm meine Achtung und meine Zuneigung auszudrücken. Und ich bin gekommen, um das Zeugnis seiner Menschlichkeit und seines Glaubens zu empfangen. 3. Nun wende ich mich insbesondere an die Menschen katholischen Glaubens und begrüße euren geliebten Kardinal Godfried Danneels, den Erzbischof von Mecheln-Brüssel und Präsidenten der Bischofskonferenz. Zusammen mit ihm begrüße ich die Bischöfe von Antwerpen, Brügge, Gent, Hasselt, Lüttich, Namur und Tournai, ohne die Bischöfe im Ruhestand, an erster Stelle Kardinal Suenens, zu vergessen. Ich danke ihnen herzlich für ihre Einladung und für die geistliche Vorbereitung des christlichen Volkes auf diesen Besuch und auch für seine Organisation. Indem ich euch begrüße, meine lieben Brüder im Bischofsamt, grüße ich alle eure Diözesanen, Priester, Ordensleute und Laien, denen ich auf den verschiedenen Etappen meiner Reise begegnen werde. Im ganzen Lande bezeugen viele Denkmäler eure über 14 Jahrhunderte alte Glaubenstraditionen: Kathedralen, Stiftskirchen, Klöster, Abteikirchen, Beginenhöfe und viele andere Kunstwerke. Es gibt aber auch viele moderne und lebendige Zeichen eures Glaubens, wie die katholischen Organisationen, in denen das Engagement der Christen zum Ausdruck kommt. In der Tat hat mein Besuch vor allem pastoralen Charakter: Es ist der Besuch des Nachfolgers des Apostels Petrus bei den Nachfolgern der anderen Apostel, es ist der Besuch des Bischofs von Rom bei den Bischöfen der Teilkirchen, die als Diener Jesu für diese Kirchen die volle Verantwortung tragen. Für uns Katholiken ist die volle Einheit der kirchlichen Gemeinschaften von entscheidender Bedeutung: Sie ist ein Teil des Plans Christi, des Gründers der Kirche. Die Gesamtkirche ist in jeder Ortskirche präsent, die um ihren Bischof geschart betet, die Eucha- 626 REISEN ristie feiert und ihren Glauben und ihre Liebe bezeugt. Und unter all diesen Ortskirchen, die innerhalb des vielfältigen Reichtums des gesamten Leibes, der die Kirche ist, ihren eigenen Charakter behalten sollen, besteht eine grundlegende Einheit zwischen dem Glauben und der Lehre, eine Solidarität in der universalen Sendung und Bande der Zuneigung und der gegenseitigen Hilfe. Die Kirche wird von dem Geist Jesu beseelt, er ist die unsichtbare Quelle ihrer Einheit, die durch Petrus eine bleibende Grundlage und ein sichtbares Fundament erhalten hat. Das wißt ihr wohl, geliebte Katholiken Belgiens, denn in eurer Geschichte habt ihr der Einheit mit dem Bischof von Rom und durch ihn mit der Kirche der Welt große Bedeutung beigemessen. Es ist weder der Ort noch die Zeit, bei dieser ersten Begegnung alle ergreifenden Zeichen dieser Bande aufzuzählen. Der Hl. Stuhl hält die Erinnerung an sie wach, und ich bin glücklich, euch heute ausdrücklich sagen zu können, wie sehr er sie schätzt. Außerdem tragen mehrere Söhne dieses Landes große Verantwortung innerhalb der Römischen Kurie: Kardinal Maximilien de Furstenberg, Msgr. Jean-Jeröme Hamer und Msgr. Jan Schotte. Die Gemeinschaft wird u. a. dann konkret vollzogen, wenn ihr, die Bischöfe und die Pilger dieses Landes, „ad limina apostolorum“ nach Rom reist. Aber in der Weiterführung der positiven Initiative meines Vorgängers Paul VI. ist es ebenfalls nützlich, daß der Bischof von Rom sich an die Orte begibt, wie dies bereits der Apostel Paulus gern tat, um dort zu sein, wo seine Brüder und Schwestern für das Evangelium arbeiten, und sich zu bemühen, ihren Glauben der großen Tradition entsprechend zu stärken, damit sie mit neuer Hoffnung und einer weltweiten Liebe der Zukunft entgegengehen. 4. Dieser Besuch sieht notwendigerweise auch Großveranstaltungen zu gemeinsamem Gebet vor, wenn möglich in Form einer Eucharistiefeier, auch im Herzen eurer großen Städte. Denjenigen, die sich über den eindrucksvollen und öffentlichen Charakter solcher Veranstaltungen wundern, möchte ich einfach sagen, daß es zur Pflicht des Hirten gehört, die ihm anvertraute Gemeinschaft zu versammeln wie die Herde, von der Jesus im Evangelium spricht. Es ist ganz normal, den Gläubigen gelegentlich die Möglichkeit zu geben, den Glauben öffentlich zu bekennen, den sie im Herzen tragen, und ihre Einheit zu stärken, da sie ja gewöhnlich verstreut leben. Wir tun dies mit dem größten Respekt denen gegenüber, die unseren Glauben nicht voll teilen. Mehr noch, wir möchten dabei Brücken der Freundschaft zu ihnen hin bauen, vor allem zu den anderen 627 REISEN Christen, und bei unserem Herrn Jesus Christus die Liebe erbitten, die wir allen unseren Mitmenschen entgegenbringen wollen. Ich werde aber auch Begegnungen haben mit besonderen Gruppen der verschiedenen Bereiche des Volkes Gottes: Studenten und Professoren, Künstler und Arbeiter, christliche Laienverbände, Erwachsene und Jugendliche, wie auch mit Amtsträgern aus Regierung, Diplomatie und europäischen Institutionen. Ich bekunde mein aufrichtiges Bedauern gegenüber allen anderen, die mich ebenso zu einer Begegnung mit ihnen eingeladen haben und die eine solche in gleicher Weise verdienen würden. Man mußte sich jedoch beschränken, wie es ein bereits dichtes Programm von fünf Tagen erfordert. 5. Ich habe soeben von meinen katholischen Brüdern gesprochen, aber ich wiederhole, daß meine Gedanken und Herzensgefühle der gesamten Bevölkerung dieses Landes gelten. Allen wünsche ich Frieden. Allen, die nach ihrem rechten Gewissen handeln, indem sie sich für ihre Familie, für ihren Nächsten, für ihr Land und für die Dritte Welt einsetzen und dabei die Aufgaben erfüllen, die das Gemeinwohl erfordert, allen, die versuchen, in Gerechtigkeit, Wahrheit und Frieden eine humanere Welt aufzubauen, allen, die mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, drücke ich meinen Respekt, meine Hochschätzung und meine Ermutigung aus. Ich möchte auch meinen Teil zu dem beitragen, was euch am meisten am Herzen liegt, zum Wohl eures Landes und der Welt. Der Herr segne meine Pilgerfahrt in diesem Land! Er schenke euch allen die Fülle seines Friedens und seiner Freude! Eine Stadt, reich an Funktionen Ansprache an die Bevölkerung von Brüssel am 16. Mai Liebe Brüder und Schwestern der Kirche von Brüssel, liebe Bewohner der Stadt, die ihr heute abend zur ersten Begegnung mit dem Nachfolger des Apostels Petrus versammelt seid, euch alle grüße ich voll Freude. <121> <121> Ich bin glücklich, heute abend mit euch auf diesem unvergleichlichen Brüsseler Markt zusammenzusein. Diese herrlichen Fassaden zeugen von einer ruhmreichen Vergangenheit. Sie bürgen auch für die Zukunft. 628 REISEN Brüssel ist im Herzen eures Landes und Europas ein Ort der Begegnung und des Dialogs. Der Reichtum eurer eigenen Kultur, der Beitrag eurer aus anderen Ländern zugewanderten Brüder und Schwestern, die so verschieden sind, aber mit euch zusammen den täglichen Lebenskampf bestreiten, die Anwesenheit ausländischer Studenten, die Fragen der zahlreichen Flüchtlinge, die von Belgien als einer neuen Heimat träumen, die Anwesenheit internationaler Institutionen und Organisationen, die Tätigkeiten mehrerer Organe der Europäischen Gemeinschaft sind alles Elemente, die diese Stadt zu einer weltoffenen Stadt machen. Vom Balkon dieses Rathauses aus grüße ich alle gebürtigen oder zugewanderten Brüsseler, die aus den verschiedenen Pfarrgemeinden der Stadt, aus dem Stadtzentrum, aus den Vororten oder aus weiter entfernten Ortschaften gekommen sind. Ich grüße auch alle Belgier, die uns, die wir in der Hauptstadt ihres Landes sind, hören oder sehen; diese Hauptstadt symbolisiert die reiche Geschichte ihrer Nation, die in Freiheit leben wollte, treu ihren Traditionen und zur Verwirklichung des Gemeinwohls aller Regionen Belgiens. 2. Ich darf aber auch nicht die neuen Fragen vergessen, die sich angesichts der Entwicklung eurer großen Stadt stellen. Als erstes: Wie kann man dem Bedürfnis nach persönlicher, kultureller und religiöser Identität und dem Recht darauf entsprechen? Wie soll man die zahlreichen, damit verbundenen sozialen Probleme in Angriff nehmen, die Probleme, die sich auf Familie, Erziehung, Wohnverhältnisse und Umwelt wie auch auf das tägliche Zusammenleben beziehen? Ich zweifle nicht daran, daß es euch gelingen wird, gemeinsam diese Probleme zu lösen. Denn eure Stadt hat immer versucht, die besonderen Situationen zu erkennen und Menschen, die in Not sind, aufzunehmen. Diese Menschen in Not kommen von überall her; sie sind anonym über die ganze Stadt verstreut, aber sie hoffen auf eine gute und verständnisvolle Aufnahme. 3. Zahlreiche andere Aspekte kennzeichnen eure Stadt. Das Stadtzentrum ist tagsüber der Treffpunkt der Angestellten, und zahlreiche Dienststellen haben sich dort niedergelassen. Die verschiedensten Institutionen haben dort ihren Sitz: die Verwaltungen mit ihren vielen Pendlern aus den umliegenden Gegenden; die Handelszentren, die Hotels und der Tourismus; auch die Institutionen, die im Bereich der Kultur, der Kunst, der Freizeitgestaltung und des Sports tätig sind, ohne das gesamte Unterrichts- und Gesundheitswesen zu vergessen. Ich erwähne dies nur, um den 629 REISEN Reichtum und die Vielfalt der Funktionen hervorzuheben, die in eurer Stadt und im Großraum von Brüssel erfüllt werden. 4. Die folgende Frage, die euch Christen und Katholiken von Brüssel um so dringender angeht, lautet: Was ist eure spezifische Berufung im Herzen der Stadt? Ich weiß, daß ihr deutliche Antworten sucht. Eure Räte, eure Gemeinschaften und eure verschiedenen pastoralen Gruppen, die um eure Hirten versammelt sind, helfen euch dabei. Persönlich möchte ich euch ermutigen, in zweierlei Richtungen zu wirken. In Belgien ist der Glaube seit Jahrhunderten tief verwurzelt; er hat sich prächtig entfaltet; er hat zahlreiche Stürme und Prüfungen überstanden und sich um die Bischöfe gefestigt, die gemeinsam mit dem Bischof von Rom wirken. Diejenigen, die heute dieses Erbe annehmen und es sich zu eigen machen, haben die Aufgabe - unter voller Respektierung der anderen -, Zeugen Christi zu sein, die Glauben und Liebe ausstrahlen und imstande sind, von der Hoffnung, die in ihnen lebt, Zeugnis zu geben. Das Bedürfnis, das alle verspüren, als eigenständige Persönlichkeit anerkannt zu werden, fordert euch dazu auf, eure eigene Identität als Christen genauer zu definieren. Denn gleichzeitig seid ihr die geliebten Kinder des himmlischen Vaters, die seine Liebe vor den Brüdern und Schwestern bezeugen sollen. Das Ziel eurer pastoralen Sorge muß es also sein, in euren christlichen Gemeinschaften, in euren Pfarreien, Orte des Friedens und der Hilfe zu schaffen, Zentren der vertieften Spiritualität, des Gebetes und der Glaubensbelebung, des Austausches und des Dialogs. 5. Andererseits möchte ich auch betonen, wie wichtig euer kulturelles und soziales Engagement ist. Unter Berücksichtigung der Bedeutung des ausgedehnten Netzes der öffentlichen und privaten Einrichtungen, in denen ihr tätig seid, möchte ich euch vorschlagen, vor allem deren menschlichen Charakter, deren sozialen Nutzen und deren Bereitschaft zur Zusammenarbeit zu fördern. Ich möchte euch dazu ermutigen, die Bitte des Vaterunsers in die Realität des täglichen Lebens umzusetzen: „Unser tägliches Brot gib uns heute!“ Warum könnte der Herr sich weigern, es uns zu geben, wenn wir bereit sind, es mit anderen zu teilen? Unsere Würde, unsere Freude am Leben, unser Besitz, unsere Kenntnisse, unsere Macht: Diese Gaben hat uns der Herr anvertraut, damit jeder am Gemeinwohl teilhaben kann und ihm die Möglichkeit gegeben ist, solidarisch zu sein mit den anderen im Dienst der Entfaltung aller. So werdet ihr der Sauerteig sein und zu einer neuen Solidarität unter den 630 REISEN Bürgern zur Schaffung einer Gesellschaft mehrerer Kulturen beitragen, in der die Identität jedes Menschen anerkannt und gefördert wird und die Werte der gegenseitigen brüderlichen Hilfe und der sozialen Interessen mit den gerechten individuellen Interessen verbunden werden können. In dieser Hinsicht kann eure Stadt zu einem Symbol der Hoffnung und eure Kirche zum Zeichen des Hauses Gottes unter den Menschen werden. 6. Liebe Glaubensbrüder und -Schwestern, liebe Bewohner der Stadt Brüssel! Schon bricht die Nacht herein. Möge die Finsternis der Nacht eure Herzen nicht verdunkeln! Wacht oder ruht im Frieden Gottes, damit sein Licht morgen in euren Herzen noch schöner und stärker scheine. Dieses Licht erleuchte eure Häuser und lenke eure Schritte auf dem Weg zum wahren Glück, auf dem Weg zur Fülle des Heils, das Gott für uns bereitet hat. Bevor wir auseinandergehen, möchte ich euch deshalb auffordern, alle zusammen das Gebet zu sprechen, das Jesus uns als Erbe hinterlassen hat und das das Gebet jedes Christen und jeder christlichen Familie sein soll. Wir beten zusammen mit Maria, die mit den Aposteln gewacht und auf das Kommen des Heiligen Geistes gewartet hat. Vater unser . . . „Ihr seid in meinem Herzen“ Botschaft an die Insassen der Strafanstalten in Belgien vom 16. Mai An meine Brüder und Schwestern in Haft in Belgien! Ich grüße euch von ganzem Herzen. Während meines Pastoralbesuches in Belgien werde ich nicht die Gelegenheit haben, euch zu treffen, zumal ihr, Männer und Frauen, in vielen verschiedenen Strafvollzugsanstalten im ganzen Land untergebracht seid. Aber ich versichere euch, daß ihr in meinen Gedanken anwesend seid, und ich möchte eine Botschaft an euch richten: Sie wird euch das übermitteln, was ich jedem von euch, ihm die Hand reichend, gern mündlich in einem persönlichen Gespräch gesagt hätte, wie ich es schon verschiedentlich in meiner Diözese in Rom tun konnte. Ihr wißt, daß meine Mission nicht darin besteht, menschliche Gerechtig- 631 REISEN keit in der Weise auszuüben, daß ich mich an die Stelle der gesetzgebenden Institutionen eines Landes setze. Aber ich habe erfahren, und das freut mich sehr, daß eine große Anzahl unter euch aus Anlaß meines Pastoralbesuches in Belgien in den Genuß eines Straferlasses, eines bescheidenen Hoffnungszeichens, gelangen wird. Ich danke den verantwortlichen Behörden dafür sehr. Ich habe eine pastorale Aufgabe, wie die Anstaltsgeistlichen, die euch zur Verfügung stehen. Ich möchte ihnen in aller Öffentlichkeit aufs herzlichste danken. Sie bieten euch ihre weise, geduldige, respektvolle und diskrete Hilfe an. Liebe Brüder und Schwestern! Viele unter euch sind gläubige Christen. Es gibt auch Männer und Frauen - ich sage dies mit allem Respekt -, die sich vom Glauben oder von der Kirche distanziert haben. Gott allein kann die Situation eines jeden beurteilen. Er ist stets der „Gott, der voll Erbarmen ist“ (Eph 2,4). Dies ist das Thema einer Enzyklika, die ich am 30. November 1980 veröffentlicht habe. Meine lieben Freunde! Ich erlaube mir, mit euch das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus auf der erschütternden Seite des Jüngsten Gerichts (vgl. Mt 25,31-46) aufzuschlagen und mich nur auf den einen Satz zu beschränken: „Ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen...“ Diese auf den ersten Blick unglaubliche Identifizierung Jesu mit den Gefangenen, aber auch mit den Kranken, den Fremden, den Hungernden, den Schlechtgekleideten und schließlich mit den Geringsten derer, die er seine Brüder nennt, ist eine göttliche Offenbarung. Schon der biblische Schöpfungsbericht stellt den Menschen als die Krönung des Werkes des Schöpfers dar in dem Sinn, daß er Abbild Gottes ist. Wir wissen sehr wohl, daß jedes menschliche Wesen - Mann und Frau -sich verirren oder sich weit vom rechten Weg des eigenen Gewissens abbringen lassen kann, und für die Glaubenden bedeutet das ein Abweichen von den Zehn Geboten, die Mose verkündet wurden, und von den Wegen, die Jesus im Evangelium klar aufgezeigt hat. Die Würde des Menschen wird verletzt, sogar ausgelöscht, und dem Nächsten wird ungerechterweise schwerer Schaden zugefügt, den es wiedergutzumachen gilt. Aber diese Würde kann niemals völlig zerstört werden. Sie kann stets ihre Kraft, ihren Glanz wiederfinden. Welch unermeßliches Geheimnis der menschlichen Person! Stets ist der Sieg des Geistes über das Materielle, über die Instinkte, über das Böse möglich! Die Geschichte birgt das Andenken einer Vielzahl von „Bekehrungen“ auf rein menschlicher Ebene oder auf menschlicher und religiöser Ebene in sich. Ebenso bezeugt uns die Geschichte, daß Männer und Frauen immer und überall ihren Brüdern und Schwestern helfen konnten, den 632 REISEN Weg des Lebens und des wahren Glückes wieder aufzunehmen. „Ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.“ Als ob ich euch vor mir sähe, fühle ich die Notwendigkeit, die Worte zu wiederholen, die mein verehrter Vorgänger Paul VI. anläßlich seines Besuches bei den Gefangenen Roms am 9. April 1964 ausgesprochen hat: „Ich liebe euch, nicht etwa aus romantischer Sentimentalität oder aus humanitärem Mitleid, sondern ich liebe euch wirklich deshalb, weil ich in euch stets das Bild Gottes entdecke, die Ähnlichkeit mit Christus, vollkommene Menschen, die ihr immer noch seid und sein könnt.“ Brüder und Schwestern, die ihr Gläubige seid oder nur an der Grenze des Glaubens steht, denkt mehr an Jesus von Nazaret! An Jesus, der auf dem Ölberg festgenommen, von Gericht zu Gericht geführt, verurteilt, gegeißelt und verspottet und letztlich zwischen zwei Verbrechern gekreuzigt wurde, von denen der eine zu sagen wagte: „Dieser aber hat nichts Unrechtes getan“ (LA: 23,41). Jesus hat alles Menschliche auf sich genommen mit Ausnahme der Sünde; oder vielmehr ist es so, als ob Gott ihn für uns „zur Sünde gemacht“ hätte (2 Kor 5,21), ihm die Strafe des Sünders auferlegt hätte. Jesus ist in gewisser Weise in die Tiefen des menschlichen Leidens hinabgestiegen, um es zu erleuchten, ihm einen Sinn, das Gewicht der Erlösung, zu geben. Denen, die Gott heben, gereicht alles zum Heil, selbst das Leid, selbst die bereute Sünde. In einem anderen Dokument, das am 11. Februar 1984 veröffentlicht wurde, wollte ich dem christlichen Volk helfen, über das große Geheimnis des Leidens nachzudenken und das einzige entscheidende Licht zu empfangen, das uns auf dieser Ebene gegeben worden ist: Christus in Person, der unschuldige Christus, der gekreuzigte Christus, Christus, der Sieger über Leiden und Tod, Christus, der seinen Brüdern anbietet, in ihnen und mit ihnen das Geheimnis seines Leidensweges und seiner Auferstehung fortzuleben. Meine Freunde, ich lade euch dazu ein, wann immer ihr könnt, euch einige Augenblicke zum Gebet zu sammeln, euch im Geist mit Christus, dem Retter, zu vereinen. Diesem Verhalten haftet nichts Ungewöhnliches, Künstliches an. Christus, den die Gläubigen als den ewigen lebendigen Gott bekennen, hat sozusagen eine universale Dimension, die es ihm erlaubt, für jeden Menschen da zu sein, im besonderen für die Leidenden, die Verirrten. Vertraut ihm ganz einfach ohne Worte euer Unglück an. Es ist zu schwer für euch allein. Mit ihm könnte, wenn ihr ihm euer Herz öffnet, euer Gefängnisaufenthalt zu einer neuen Sicht der Existenz, einem positiven Charakterwandel und für einige zur Entdeckung des wahren Antlitzes Gottes führen. 633 REISEN Teuerste Brüder und Schwestern! Das schlimmste Gefängnis wäre ein verschlossenes und verstocktes Herz, es wäre das schlimmste Unglück, die Verzweiflung. Ich wünsche euch Hoffnung. Ich erbitte sie, und ich werde noch beim Herrn für euch darum bitten: die Hoffnung, einen normalen Platz in der Gesellschaft einzunehmen, in das Familienleben zurückzukehren und bereits jetzt würdevoll zu leben dadurch, daß ihr, denen eine schwere Prüfung auferlegt worden ist, euch bemüht, untereinander mehr Gerechtigkeit, brüderlichen Geist und freundschaftliche Hilfe walten zu lassen. Mit einem Wort, ich wünsche euch, den Plan des Herrn, der euch ins Leben gerufen hat, zu verwirklichen. Denn er verzweifelt niemals an seinen Geschöpfen. Meine Freunde, ihr seid in meinem Herzen und in meinem Gebet. Übermittelt ebenfalls euren Familien, euren Ehepartnern und euren Kindern meine herzlichsten Grüße zusammen mit der Versicherung meines Gebets. Der auferstandene Christus lädt euch zu einem neuen Leben ein und segnet euch durch meine Vermittlung. Brüssel, 16. Mai 1985 PAPST JOHANNES PAUL II. Eure Namen sind „im Himmel verzeichnet“ Predigt beim Wortgottesdienst mit den Laien im kirchlichen Dienst in der Kathedrale von Antwerpen am 17. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Jesus sandte seine Jünger zu zweit mit dem Auftrag aus, den Menschen zu verkünden: „Das Reich Gottes ist euch nahe“ (Lk 10,9). „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ (M/4,17). Das Wachsen des Reiches Gottes ist eurem Laienapostolat anvertraut. Gott ist zu uns gekommen. „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Er hat unter uns gewohnt. Er will in allem gegenwärtig sein, was Menschen sind und zustande bringen. Auch wenn der Herr seinen Jüngern, den Hirten, einen besonderen Auftrag erteilt hat, will er „ja sein 634 REISEN Reich auch durch die gläubigen Laien ausbreiten, das Reich der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens“ (Lumen gentium, Nr. 36). 2. Jeden Tag flehen wir um das Reich, wenn wir im Gebet des Herrn bitten: „Dein Reich komme!“ Das ist das erste, was Jesus von denen erwartet, die er gesandt hat, daß sie nach seinem Vorbild den Vater darum bitten, daß sein Reich komme. So bitten wir darum, daß Gottes Werk zur Vollendung gelange, und nicht nur das unsrige; das Reich Gottes komme, so wie der Vater es will. Ein solches Gebet heilt den Menschen von der Illusion, sich selbst allein für dieses Reich verantwortlich zu fühlen. Niemand kann die Sorge um das Reich Gottes mit eigener Kraft tragen, ohne dadurch erdrückt zu werden. Jesus sagt uns: „Bittet den Vater darum!“ Wer auf diese Weise betet, schließt sich an Gottes Initiative an. Das Vaterunser ist das besondere Gebet eines jeden engagierten Christen. 3. Aber der Herr will auf Menschen bauen, damit sein Reich zur Vollendung gelangt, damit die Schöpfung Gott verherrlicht, damit seine geoffen-barte Wahrheit bekannt, seine Liebe wirksam wird in jeder menschlichen Begegnung, in jeder Beziehung, in jeder Familie und im gesamten sozialen Leben. Der Herr will auf Menschen bauen, damit sein Geist die am weitesten abseits gelegenen Gemeinschaften und selbst die härtesten Strukturen durchdringt, damit die Türen für sein Heilswerk weit offen stehen. Ihr seid Zeugen und gleichzeitig Werkzeuge Christi Darin habt ihr, liebe Brüder und Schwestern, eine unersetzliche Rolle zu spielen. Ihr habt eure eigene Berufung: „In der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen.“ Ihr seid „von Gott gerufen, ... so wie ein Sauerteig zur Heilung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen“ {Lumen gentium, Nr. 31). Mehr noch, seit dem Konzil seid ihr euch dieser Berufung mehr und mehr bewußt, und darüber freue ich mich. Es geht nicht um ein aktuelles Zugeständnis seitens der Hirten, die ihr aufgrund deren geringerer Anzahl oder der Ernsthaftigkeit der Probleme dringend brauchen würdet. Ihr habt Anteil an der Heilssendung der Kirche. Zu diesem Apostolat seid ihr durch eure Taufe und eure Firmung {vgl. ebd., Nr. 33) berufen. Als Glieder des Leibes Christi habt ihr Anteil an der priesterlichen Aufgabe Christi, indem ihr euch selbst zusammen mit ihm als eine 635 REISEN geistliche Opfergabe dem Vater anbietet. Ihr habt Anteil an seiner prophetischen Aufgabe durch euer ausdrückliches Glaubensbekenntnis und durch das Zeugnis eures Lebens, das vom Glauben beseelt wird. Das ist eure Art, andere mit Christus bekanntzumachen. Ihr habt Anteil an seiner königlichen Aufgabe, damit die Welt, von Sünden befreit, vom Geist Christi durchdrungen wird. Christus ist es, der sozusagen durch euch auf die Freude und das Leid seiner Brüder aufmerksam wird; Christus ist es, der sie liebt und sich mit ihnen auf den Weg macht. Ihr seid Zeugen und gleichzeitig lebendige Werkzeuge der Sendung der Kirche nach dem Maß der Gabe Christi. Denn ihr stellt die aktive Anwesenheit der Kirche an den Orten und in den Umständen sicher, wo sie durch euch allein das Salz der Erde und das Licht der Welt werden kann (vgl. ebd., Nr. 33). Ihr seid dazu berufen, unter dem Volk die Seligpreisungen zu verkörpern. Ihr setzt euch dafür ein, zusammen mit vielen anderen Menschen, die guten Willens sind. In einer Welt, die unvollendet und verwundet ist, gebt ihr dauernd Rechenschaft über die Grenzen eures Handelns. Aber auf diese Art und Weise tragt ihr zur Vorbereitung der neuen Erde bei, die Gott verheißen hat. Euer Engagement ist ein Zeichen der Hoffnung in der Geschichte der Menschheit. 4. Die Bereiche, in denen ihr tätig seid, sind sehr vielfältig und ergänzen sich gegenseitig. Die kirchlichen Gemeinschaften brauchen euch, damit in einer pastoralen Gruppe alle Dienste erfüllt werden, die einen vertieften Glauben, ein intensives Gebetsleben und eine opferbereite Liebe ermöglichen. In diesen Pastoralgruppen arbeitet ihr mit euren Hirten in Ehrfurcht vor ihrem geweihten Amt zusammen. Ich möchte deshalb auch alle diejenigen unter euch ermutigen, die an der Vorbereitung der Sakramen-tenspendung, an der Katechese bei Kindern und Erwachsenen beteiligt sind. Ich möchte ebenfalls diejenigen unter euch anspornen, die mit Menschen in Kontakt kommen, die der Kirche fernstehen, sowie alle, die bei der Betreuung der Kranken, der Alten und der Immigranten in den Missionswerken und in der Entwicklungshilfe für die Dritte Welt mitarbeiten. Es handelt sich hier um eine echte Mitverantwortung vor allem derjenigen, die an der Arbeit der Pastoralräte auf Diözesan- und Gemeindebene beteiligt sind. Die Gemeinden sind die bevorzugten Orte eures Engagements. Dort vereint der Herr Männer und Frauen aller Gesellschaftsschichten. Vor allem während der Eucharistiefeier nimmt diese Gemeinschaft sichtbar 636 REISEN Gestalt an. Von einer Gemeinde muß man sagen können, daß die Christen in ihrer Vielfalt „ein Herz und ein Geist“ sind. Dieses konkrete Leben in der Gemeinschaft ist der erste Ort, wo ihr eure Dienste zur Verfügung stellen könnt. Ich habe soeben den Nachdruck auf eure Rolle in der Kirche gelegt. Aber ich denke auch an eure Rolle im Herzen der Welt, so wie ich es euren französischsprachigen Brüdern und Schwestern in Lüttich sagen werde. Für die christlichen Laien kommt es in der Tat darauf an, sich so einzusetzen, daß alle weltlichen Angelegenheiten von moralischen Werten und einem evangelischen Geist durchdrungen werden: die Kultur, die Kunst, die Erziehung, das Gesundheitswesen und die medizinischen Berufe, die Beziehungen im Berufsleben, die sozialen Beziehungen, die wirtschaftlichen Transaktionen, die nationalen bürgerlichen Verantwortlichkeiten und die internationalen Beziehungen. In diesem Zusammenhang fällt der Familie als Liebesgemeinschaft eine bevorzugte Rolle zu. Um ihre eheliche Liebe, den Respekt vor dem Leben und die Erziehung nach dem Plan Gottes beherzigen zu können, erwarten die Eheleute Hilfe und Unterstützung. Es geht dabei nicht allein um ethische Werte oder um ein soziales Engagement, sondern um die Spiritualität der Ehe und der Familie selbst, d.h. um ein Leben nach dem Geist. Dann kommt Gottes Anwesenheit in der Familie zur Geltung, die mit Recht „Hauskirche“ genannt wird. 5. Eine Anzahl gläubiger Laien trägt eine große Verantwortung in der Gesellschaft. Ihre Qualitäten und ihre Ausbildung kommen vielen zugute. Sie setzen ihre Talente voll ein. Aber das Zeugnis einfacher Christen ist genauso wichtig. Ihre Stimmen müssen in der Kirchengemeinschaft stärker gehört werden. Sie haben oft mit offenen Herzen das Evangelium gehört und bewahrt. Bei solchen Zeugnissen jubelt Jesus: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“ (Lk 10,21). Das individuelle Apostolat in all seinen Formen bleibt als Zeugnis des Lebens, das von Glaube, Hoffnung und Liebe genährt wird, in allen Situationen der Ausgangspunkt und die Bedingung für jedes - auch in Gemeinschaft ausgeübte - Laienapostolat (vgl. Dekret Apostolicam actuositatem, Nr. 16-17). Das gemeinsam ausgeübte Apostolat hat den Vorteil, Zeichen der Gemeinschaft und der Einheit der Kirche in Christus zu sein. Diese Form des Apostolats fördert die gegenseitige Unterstützung der Mitglieder und 637 REISEN ist wirksamer in den stets zahlreicher werdenden Gebieten, die einen gemeinschaftlichen Einsatz erfordern (vgl. ebd., Nr. 18). Sagt das Evangelium nicht, daß der Herr seine Jünger „zu zweit“ aussandte (Lk 10,1)? Dem Evangelium in der Gesellschaft konkrete Gestalt verleihen So kann man unter Katholiken, die ebenfalls in profanen pluralistischen Vereinigungen nichtkonfessioneller Art tätig sind, Zusammenkünfte für eine neue Vertiefung der Lehre, eine Besinnung über das Leben und Gebetstreffen veranstalten. Dies alles, damit sie in den weltlichen Institutionen, die dem Gemeinwohl dienen, zusammen mit anderen Menschen, die guten Willens sind, nach ihrem christlichen Ideal handeln können. Aber die Gläubigen haben auch das Recht und oft die Pflicht, innerhalb ihrer eigenen Strukturen ihre Werte zu verwirklichen. In eurem Land sind sehr viele christliche Organisationen und Institutionen tätig. Sie erfüllen eine Art Brückenfunktion. Dadurch erweisen die Christen der gesamten Gemeinschaft gewisse Dienste. In zahlreichen sozialen und kulturellen Organisationen für Männer und Frauen und in den Jugendbewegungen gelangt man zu einer Integration des Glaubens in das Leben. Außerdem gibt es noch die christlichen Erziehungseinrichtungen und einen stark entwickelten karitativen Sektor. Auch in unserer Zeit bleiben all diese Organisationen sehr sinnvoll. Sie sind notwendig, um dem Evangelium in der Gesellschaft konkrete Gestalt zu verleihen. Gerade deshalb müssen sie stets aufs neue zu ihrer Quelle, zum Geist des Evangeliums, zurückkehren. Nur so werden sie der Versuchung zur Routine entkommen. Nur so werden sie sich stets für die Armen und Unmündigen einsetzen können. Es ist von entscheidender Wichtigkeit, daß sich jedes Institut und jede Bewegung auf allen Ebenen mit dem Evangelium regelmäßig konfrontiert. 6. Viele gläubige Laien jedoch stehen allein und sind manchmal einsam in einer pluralistischen Umgebung. Zusammen mit Andersdenkenden, die oft ihre Freunde sind, arbeiten sie an der Förderung der menschlichen Werte. Gerade deshalb können sie Zeuge der Botschaft Gottes sein. Sie finden ihre Kraft und ihre Inspiration in der Eucharistie. Im Zyklus des liturgischen Jahres wird ihnen das Evangelium dargeboten. Sie können Unterstützung in ihrem Familien- und Freundeskreis finden. Aber vielleicht muß auch noch etwas anderes getan werden. Wäre es nicht 638 REISEN sinnvoll, sich eingehender mit dem Vorschlag der belgischen Bischöfe zu beschäftigen, den diese in ihren Hirtenbriefen über Europa und über die Wirtschaftskrise formuliert haben? In diesen Dokumenten schlagen sie vor, „Keime der Hoffnung“ zu schaffen. Es handelt sich um kleine Gruppen von Christen, die ihre Erfahrungen austauschen. Sie konfrontieren ihr Leben mit dem Evangelium. Sie ermutigen sich gegenseitig. Diese Gruppen der Freundschaft könnten mit geringem organisatorischem Aufwand geschaffen werden, und sie würden in allen Bereichen des Lebens eine Rolle spielen: im wirtschaftlichen und sozialen Umfeld, in den Berufsvereinigungen, in der Welt des Sports, der Freizeit und der Kultur. Es sind kleine, starke missionarische Gemeinschaften, die sich mit dem Evangelium befassen wollen. 7. Viele christliche Frauen tragen in dieser Ortskirche eine große Verantwortung. Sie tun dies im Rahmen blühender sozialer und kultureller Organisationen, in christlichen Einrichtungen, in der Familienkatechese und an so vielen anderen Orten. Der Beitrag der Frau ist unentbehrlich für die Vollständigkeit und die Harmonie des kirchlichen Lebens. Man begreift, daß Frauen unter gewissen Formen des Paternalismus und der Diskriminierung leiden. Die christliche Gemeinschaft muß dem Beitrag und der Verantwortung der Frauen Wertschätzung entgegenbringen und ihnen dafür dankbar sein. Die christliche Gemeinschaft erlangt durch das Engagement der Frau in der Kirche sehr viel, aber sie erlangt noch mehr, wenn sie in der Frau ein Bild der Kirche wiedererkennt. Durch ihre eigene innere Erlebniswelt und ihr unersetzliches Charisma bringt die Frau ihr Zeugnis von Glaube, Hoffnung und Liebe. Sie bereichert gleichzeitig die Kirche und die Gesellschaft. Sie bringt Tiefe, Echtheit, Wärme, Spontaneität ein, zusammen mit noch vielen anderen spezifischen Qualitäten. Wie hätte das Reich Gottes ohne Maria, die Mutter Jesu, kommen können? War es nicht Maria Magdalena, die als erste gesehen und begriffen hat, daß Jesus auferstanden war? Spielte Maria nicht eine zentrale Rolle während der Pfingstereignisse? Die gläubige Gemeinschaft erwartet den bereichernden Beitrag der Frau nicht nur in der Familie, wo ihre Rolle ihrem Mann und ihren Kindern gegenüber von wesentlicher Bedeutung bleibt, sondern in allen Bereichen des Lebens: im geistlichen und theologischen Denken, im Gemeinschaftsleben, in der Missionsberufung, in den Beratungsorganen und in den Pastoraldiensten. 8. In der Gesellschaft sollen die Laien, Männer und Frauen, an erster Stelle Verkünder der Seligpreisungen Christi sein. Jesus legte seinen 639 REISEN Jüngern folgendes ans Herz: „Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als erstes: Friede diesem Haus“ (Lk 10,5). Das erste Wort des auferstandenen Jesus war ein Friedenswunsch, der in seiner Kirche eine übliche Begrüßung geworden ist. Diese Botschaft muß für den einfachen Menschen eine gute Nachricht sein. Der Friedensgruß trägt Güte, Liebe und die Absage an Gewalt in sich. „Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“ (Lk 10,3). Der Geist des Friedens impliziert auch Mut, um dem Bösen und der Versuchung zu widerstehen. Diese Friedensbotschaft ist vor allem auf die Heilung aller gerichtet, die an ihrem Leib leiden und in ihrem Herzen verwundet sind. Diese Friedensbotschaft ist auch eine Aufforderung zu mehr Gerechtigkeit. Das Reich Gottes, jenes „Reich der Gerechtigkeit und des Friedens“, wird an erster Stelle den im Sinn des Evangeliums „Bevorzugten“ verkündet werden. Das sind die Unmündigen, die Einfachen, die Ausgeschlossenen, die Fremden, die Opfer der Wirtschaftskrise und der Gewalt, die Kranken und die Einsamen. Alle erwarten eine konkrete und wirkungsvolle Hilfe. Denn Frieden verkündigen heißt, für die Gerechtigkeit zu arbeiten, und beinhaltet auch, daß man sich für die Strukturen und Gesetze einsetzt, die die Gerechtigkeit fördern. In Krisenzeiten gibt es in der Tat aufgrund der Strukturen, die nicht der wirklichen Not angepaßt sind, zahlreiche Opfer, die unbekannt bleiben. <122> <122> Gute Freunde, ihr wißt, daß eure große Sendung als Laien eine gewisse Einstellung und Vorbereitung erfordert. Im Evangelium sandte Jesus seine Jünger „in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte“ {Lk 10,1). Die Jünger werden also an Jesu Stelle von ihm ausgesandt. Sie müssen die Vorbereitungen treffen und sogar Jesus zeigen. Sie müssen durchsichtige Menschen sein, so daß Jesus in ihnen erkennbar wird. Um bei seiner Ernte mitzuarbeiten, müßt ihr erst zu Vertrauenspersonen werden, so wie die Jünger. Ihr müßt regelmäßig mit dem Herrn im Gebet verbunden sein (vgl. Lk 10,2). Durch das Gebet kommt ihr mit dem Herzen Jesu auf dieselbe Wellenlänge; ihr wachst im kindlichen Vertrauen gegenüber dem Vater und werdet von den Seligpreisungen durchdrungen. Der Friede Gottes kommt in euer Leben, und ihr strahlt den Frieden aus (vgl. Lk 10,5-6). Ein betender Jünger stellt sich in den Dienst seines Herrn; er klammert sich nicht an Erfolg und noch weniger an Mißerfolg. Er freut sich einfach, weil sein Name im Himmel verzeichnet ist (vgl. Lk 10,20). 640 REISEN Vertrauenspersonen werden so wie die Jünger Eurem Auftreten als Jünger des Herrn liegen zwei grundlegende Überzeugungen zugrunde. Zunächst, daß Gott uns erst geliebt hat und daß er nicht aufhört, uns zu lieben, daß wir durch ihn leben (vgl. 1 Joh 4,9), durch seine Gnade, so wie eine Rebe vom Weinstock lebt, denn getrennt von ihm können wir nichts tun (vgl. Joh 15,5). Die zweite Überzeugung ist folgende: Wer sich Gottes Erbarmen öffnet, erhält Kraft und Energie, um Jesus zu folgen, um sich dem Aufbau der Welt zu widmen, so wie das Evangelium es verlangt: eine Welt, die durch Jesu Liebe gekennzeichnet ist. Wer so lebt, kann dem Kreuz nicht entgehen. Aber er wird es tragen im Glauben an die Auferstehung und in der Gewißheit, daß die Liebe letzten Endes siegen wird. Ihr christlichen Laien, Christus sendet euch als seine Jünger aus (Lk 10,1). Genährt durch das Gebet, gestärkt durch die Überzeugungen, über die ich soeben sprach, sollt ihr euch mit dem ganzen Evangelium vertraut machen und am Quell des Glaubens trinken. In einer säkularisierten Gesellschaft ist es wichtig, Möglichkeiten zu schaffen, damit Laien ihren Glauben vertiefen können. Organisation und Beratung dürfen nicht beiseite gelassen werden. Aber die Menschen brauchen heute vor allem Vorbilder des Lebens nach dem Evangelium. Bei jedem Zusammentreffen versuchen Gläubige, ihre Lebenserfahrungen auszudrücken, gemeinsam dem Evangelium gemäß zu urteilen und so ihre Verantwortung gegenüber der Welt zu bestimmen. Gemeinsam „sehen, urteilen und handeln“ im Geist Cardijns bleibt eine bemerkenswerte Pädagogik für den Aufbau der Welt im Geist des Evangeliums. Ihr teilt die Sendung der Kirche. Es ist die Kirche, die das lebendige Gedächtnis Jesu bewahrt, auslegt und anwendet. Jeder Christ kann im Glauben wachsen, und zwar in Verbundenheit mit der Kirche, unter Leitung des Petrus und der Bischöfe. Sein manchmal suchender und umstrittener Glaube wird dadurch gestärkt. Leider ist die Kirche nie „ohne Makel“ gewesen. Aber Jesus hat der Kirche seine Frohbotschaft anvertraut wie auch die üblichen Wege, über die seine Gnade uns erreicht. Der Laie, der in seinem Leben Zeuge Jesu Christi sein will, muß die Kirche lieben; sie ist sein Leib, sein Volk, das sich auf dem Weg befindet. Er soll die Kirche nicht nur lieben, sondern sich den Weisungen ihrer Lehre und ihren grundlegenden pastoralen Richtlinien anschließen. So handelt er in Solidarität mit der Kirche. Wer Jesus Christus bezeugen will, muß gegenüber der Weltkirche offen 641 REISEN sein. Die Kirche Flanderns ist Teil der universalen oder katholischen Kirche. Eure Kirche ist sehr hochherzig gewesen beim Aussenden von Missionaren in die ganze Welt. Heute kann sie die Vorteile aus der Gnade der jungen Kirche ziehen. Ohne die weltweite Mission vernachlässigen zu wollen, müssen sich die Christen besonders um ihre suchenden oder nichtglaubenden Brüder bemühen. So wie die Jünger Jesu müssen die Christen sich dafür einsetzen, denen das Heil zu bringen, die insgeheim vom Leben verwundet worden sind. Sie müssen ihnen das Geheimnis der zärtlichen Liebe Gottes übermitteln, das in ihrem eigenen Leben Freude und Glück bringt. Die Christen müssen freimütig über das sprechen, was das Evangelium ihnen geoffenbart hat, und über die Lebensfragen, die sie mit ihnen besprechen. Dazu sind Respekt und Feingefühl wie auch Vertrauen erforderlich, daß Gott im Herzen eines jeden Menschen wirkt. So wie ich in dem Apostolischen Schreiben über Versöhnung und Buße erläutert habe (vgl. Nr. 34), müssen wir in schwierigen Situationen Mitleid und Erbarmen bezeugen und die notleidenden Menschen nicht ihrer hoffnungsvollen Perspektiven berauben. Gleichzeitig müssen wir die Wahrheit bezeugen und kohärent sein, indem wir deutlich zu erkennen geben, daß nach dem Gesetz Gottes ein unabwendbarer Widerspruch zwischen dem Bösen und dem Guten besteht. <123> <123> Ein letztes Wort, liebe Brüder und Schwestern, über die Priester- und Ordensberufe. Ich danke euch dafür, daß ihr diesbezüglich selbst eure Besorgnis zum Ausdruck gebracht habt. Die Rolle der Hirten ist nun ebenso wie die der Laien unentbehrlich. Die Hirten erlauben euch, eure eigene Sendung im tiefsten zu erfüllen, indem ihr euren christlichen Eifer mit dem Evangelium und den Sakramenten nährt. Sie sind es, die die Gemeinschaft zur Kirche machen. Wenn Jesus bedauert, daß es so wenige Arbeiter gibt für seine Ernte, wenn er dazu auffordert, um Arbeiter zu beten, dann denkt er zweifellos an seine ganzen pastoralen Arbeiter und im besonderen an die, die sich der Sendung voll widmen. Wenn eure Familien für die Erfüllung dieses Anliegens innig beten und die, die sich dem Herrn geweiht haben, mit Ehrfurcht und Sorge unterstützen, dann bin ich sicher, daß in euren kirchlichen Gemeinschaften die Priester, und Ordensberufe, die sie unbedingt brauchen, geweiht werden. Der Herr stärke euch, jeden nach seinem eigenen Charisma. Möget ihr echte, feurige und glückliche Zeugen Jesu Christi sein. Und ich betone erneut, daß die Kirche auf euch vertraut. Im Namen des Herrn segne ich euch und eure Familien und sende euch aus, die Botschaft Gottes zu 642 REISEN verkündigen, um von der Wahrheit Zeugnis abzulegen, um verwundete Herzen zu heilen, um Frieden zu stiften und um Gemeinschaften der Liebe zu errichten. Ich sende euch aus, das Reich Gottes zu verkündigen und aufzubauen. „ Wenn wir schweigen . . Ansprache bei der Friedensfeier in Ypern am 17. Mai Liebe Freunde! 1. Friede sei mit euch! Es lag mir viel daran, nach Ypern zu kommen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zuerst liegt diese Stadt mitten in den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges. Sie ist das Symbol des unermeßlichen Leides geworden, das der Krieg bringen kann. Zugleich ist sie das Sinnbild des Wiederaufbaus und des Friedens. Eure Stadt ist also der geeignete Ort, um über Frieden zu reden. Ich weiß auch, daß eure Stadt und eure Gegend am Ende des Zweiten Weltkrieges von polnischen Soldaten befreit wurde und daß ihr euch noch immer treu daran erinnert. Glaubt mir, ich fühle mich davon tiefbewegt. Ich komme auch besonders, um die Gläubigen der Diözese Brügge zu treffen, von denen heute viele anwesend sind. Eure Diözese ist bis weit über die Grenzen dafür bekannt, daß ihre Priester und Laien im Pastoralleben viel Dynamik beweisen und sich für die Missionen und die jungen Kirchen edelmütig einsetzen. Schließlich sind hier viele Jugendliche zusammengekommen, Jungen und Mädchen, junge Männer und Frauen; sie fühlen sich an der Problematik des Friedens beteiligt. Hierhergekommen sind auch Seminaristen: Sie bereiten sich vor, die Diener des Friedens unseres Herrn Jesu Christi zu werden. Ich begrüße euch alle sehr herzlich, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ich begrüße auch meine Mitbrüder im Bischofsamt und ganz besonders den jungen Bischof dieser Diözese, Msgr. Roger Vangheluwe, und seine Weihbischöfe. Voll Dankbarkeit wünsche ich Msgr. Emiel-Jozef De Smedt die Freude und den Frieden unseres Herrn: Msgr. De Smedt ist mehr als dreißig Jahre lang euer Hirt gewesen, jetzt ist er euer betender Bischof. 643 REISEN Beim Herrn Bürgermeister und bei den Schöffen der Stadt will ich mich für die gastfreundliche Aufnahme bedanken, die mir zuteil wird. Mit Respekt begrüße ich auch die bürgerlichen Behörden und die ganze Bevölkerung Westflanders. Friede sei mit euch allen! Meine Wünsche des Friedens in unserem Herrn sind auch an alle Freunde, die Französisch sprechen, Belgier und Fremde, besonders an diejenigen, die aus den Städten und Dörfern Nordfrankreichs gekommen sind, gerichtet. Den Friedenswillen mit klaren Begriffen verbinden Diejenigen, die über die Nordsee hierhergekommen sind, grüße ich herzlichst. Die Tatsache, daß ihr heute hier seid, erinnert uns an die lange Tradition der Freundschaft und der Gastfreundlichkeit, die die Stadt Ypern mit den Familien, Freunden und Nachfolgern der Soldaten verbindet, die ihr Leben auf den Schlachtfeldern Flanderns geopfert haben. Der Friede des Herrn sei mit euch allen! Ich bin hierhergekommen, in dieses Land, wo manche an den Gräbern derjenigen stehen, die hier als Kriegsopfer den Tod gefunden haben: Männer aus allen Landern, besonders junge Männer, Menschen, von denen jeder das Kind einer Mutter war. Ich bin hierhergekommen, um zusammen mit euch über den Sinn dieser vielen Toten und über das Opfer dieser jungen Leute nachzudenken. Bei den zahlreichen Gräbern, die die Landschaft in diesem Land wie in vielen anderen Ländern überall auf der Welt prägen, bei den vielen Grabmälern der Soldaten und Bürger, die alle Opfer der Kriegsgewalt waren, muß sich die Menschheit die grundlegende Frage vorlegen: Welchen Sinn hat das Leben jedes Menschen, das Leben jeder Nation und das Leben der Menschheitsfamilie ? Die schreckliche Erfahrung des Ersten Weltkrieges ist schon siebzig Jahre alt, aber sie bleibt für einige unter euch eine lebendige Erinnerung. Sie ist mit bekannten Namen und Ereignissen verbunden. Für die heutige Generation ist dies eine Erinnerung, die im Nebel der Vergangenheit allmählich verschwindet, die aber lebendig bleibt und lebendig bleiben muß. Sie wird durch Zeichen, die im Boden wurzeln, Gräber und Denkmäler, und auch durch Bücher und Bilder hervorgerufen. Diese Erinnerung an die Kriegsopfer und an ihr Lebensopfer darf nicht ausgelöscht werden. In meiner diesjährigen Osterbotschaft habe ich von den Toten des Zweiten Weltkrieges gesprochen und gesagt: „Auch heute noch fragt die Menschheit nach dem Sinn dieser Opfer. Man 644 REISEN muß zunächst an die Männer und Frauen denken, die in jedem der beteiligten Länder ihr Leben für die gerechte Sache der Menschenwürde geopfert haben. Sie gingen in den Tod als wehrlose Opfer, der Vernichtung ausgeliefert, oder als solche, die mit der Waffe in der Hand ihre Freiheit verteidigten. Sie leisteten Widerstand, nicht um der Gewalt neue Gewalt, dem Haß weiteren Haß entgegenzusetzen, sondern um ein Grundrecht und die Freiheit zu beanspruchen für sich selbst und für die anderen, auch für die Nachkommen jener, die damals noch ihre Unterdrücker waren“ (s. O.R. dt,1985/Nr. 16, S. 16). Die Lehre der Geschichte ist hart. Sie spricht von der Verwundbarkeit der Menschen und Völker, wie hier auf diesem Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges. Über Menschen und Völker, die vom Traum der Herrschaft erfaßt werden, das Beste ihrer Person vergessen können und die Waffen anwenden, um andere Länder zu erobern oder um ganze Völker in Systemen und Ideologien zu unterwerfen, die trotz ihrer Erklärungen der Würde und den Grundrechten der Menschen, auch dem Selbstbestimmungsrecht der Völker widersprechen. Diese Gräber um uns herum hören nicht auf, über die Verletzlichkeit der menschlichen Gemeinschaft zu reden. Diejenigen, die Realitätssinn besitzen und die echte Freiheit und die Achtung der Menschen und Völker lieben, werden davon überzeugt, daß es rechtmäßig ist, sich zu verteidigen, wenn man einem ungerechten Angreifer gegenübersteht. 2. Die Erinnerungen, die hier wachgerufen werden, rufen ebenso Gedanken an den Frieden hervor, dieses so begehrte Gut, das immer wieder gefährdet ist: Dies ist die Botschaft, die uns alle Kriegsopfer hinterlassen haben. Der Frieden ist unentbehrlich, das Streben nach Frieden ist für jeden von uns eine Pflicht. Das Gewährleisten von Freiheit und Sicherheit darf nie von einer breiteren Aufgabe getrennt werden: dem Aufbau des Friedens. Diese Aufgabe wird um so dringender und aktueller, als wir heute vor einer internationalen Situation stehen, deren Verwicklung immer größer wird. Der wissenschaftliche und technische Fortschritt schafft neue Mittel, die den Frieden fördern, die aber auch manipuliert werden können, um dem Krieg zu dienen. Die Problematik des Friedens kann nicht mehr mit Worten oder einseitigen Parolen behandelt werden. Tiefe Überzeugung und totaler Einsatz sind erforderlich. Einfache Sentimentalität genügt nicht mehr. Entschlossener Friedenswille muß mit klaren Begriffen verbunden werden. Diese Aufgabe ist manchmal schwierig, wenn wir den vielen verschiedenen 645 REISEN Interessen gegenüberstehen. Der Einsatz für den Frieden muß mit einem klaren Begriff der Grundsätze und Werte verknüpft werden, die auf dem Spiel stehen. Je größer die Bedrohung für die Menschheit wird, desto mehr muß die menschliche Reife zunehmen. Es wäre gefährlich, sich mit einem beschränkten Erfolg zufriedenzugeben. Man darf also nicht von Frieden sprechen, nur weil es keinen Krieg gibt. Frieden ist ein Ganzes von unverletzlichen Werten: der Freiheit der menschlichen Person und dem Respekt vor seiner Würde, der Gerechtigkeit und der Solidarität, des Erbarmens und der Nächstenliebe, des Muts zur Wahrheit und Hoffnung. Die Gefahren und Bedrohungen, die den Frieden beeinträchtigen, können nur durch menschlichen Fortschritt und wahre Werte gebannt werden und nicht durch die Verleugnung derselben Werte. 3. Auf den Gräbern und den eindrucksvollen Denkmälern, die hier in Ehren gehalten werden, steht folgende Inschrift: „Plus jamais la guerre!“ - „Nooit meer oorlog!“ - „War never again!“ - „Nie wieder Krieg!“ So lautet die Botschaft derjenigen, die hier gefallen sind. Hier auf diesem denkwürdigen Platz, vor diesen Hallen, die nach dem Krieg mit Liebe und Verehrung wieder aufgebaut wurden, weiß ich, daß die Menschen immer den Mut finden, die Trümmer zu beseitigen und alles wieder neu aufzubauen. Ich weiß, daß das Haus der Liebe und des Friedens aus den Trümmern des Hasses entstehen kann. In französischer, deutscher, englischer und niederländischer Sprache sagte der Papst nacheinander: Ich bin hierhergekommen in diese Stadt und in dieses Land, ein Land unter den vielen, wo der Krieg seine tiefen Spuren für viele Jahrhunderte hinterlassen hat. Ich bin hierhergekommen als ein Pilger des Friedens. Auf französisch fuhr der Papst fort: In diesem Land der unzähligen Kriegsgräber steigt in unserem Herzen das stille Gebet auf: Herr, gib uns Frieden, gib uns Frieden! Aber vor diesen Grabsteinen soll man auch sprechen, und es gibt viele Gründe, die Stimme zu erheben. Wenn wir schweigen, wird sich die Vision des Propheten Jesaja nicht bewahrheiten: „Er spricht Recht im Streit der Völker, er weist viele Nationen zurecht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg. Ihr vom Haus Jakob, 646 REISEN kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn“ (Jes 2,4-5). Wenn wir schweigen, wird der Lärm der Gewalt den Schrei der Völker ersticken, die nach Gerechtigkeit und Frieden rufen. Wenn wir schweigen, werden die Drohungen des Krieges und der Selbstsucht den Dialog und die Suche nach gegenseitigem Verständnis lahmlegen. Wenn wir schweigen, wird sich der Rüstungswettlauf fortsetzen und Kapitalien, Energie und Kreativität verschlingen. Dann wird wenig Geld und Aufmerksamkeit für Ernährung, Gesundheit, Entwicklung und Wohnung übrigbleiben, besonders in den ärmeren Länder. Wenn wir schweigen, löschen wir die Botschaft unseres Herrn Jesus Christus, des Friedensfürsten „Princeps Pacis“, aus. Der Friede Gottes als Geschenk und Aufgabe 4. Ja, wenn wir schweigen, wird der Frieden unseres Herrn nicht in das Herz des Menschen eindringen können. Wie kann ein Mensch Frieden finden und Frieden stiften, wenn ihm Gott den Frieden nicht schenkt? Wie soll der Mensch im Frieden leben, wenn er den ihm von Gott geschenkten Frieden nicht sucht und annimmt? Im Geheimnis des Menschen besteht auch die Sünde. Im Geheimnis Gottes besteht ein Überfluß von Gnade, wie es Jesus Christus gesagt hat, ein Überfluß von Erbarmen und Versöhnung. In niederländischer, englischer, deutscher, französischer Sprache sagte der Papst nacheinander: „Der Frieden sei mit euch. Frieden sei in diesem Hause.“ Das ist nach dem Wunsch des Herrn der brüderliche Gruß des Christen: Frieden sei mit allen; Frieden sei in jedem Haus; Frieden sei in der ganzen Welt! Auf niederländisch fuhr der Papst fort: In unserem christlichen Gruß wünschen wir einander den Frieden. Ein Gruß genügt aber nicht. Wir müssen bereit sein, von unserem Mitmenschen den Frieden anzunehmen und ihn trotz unserer Schwächen in unserem Herzen wie auch unter den Bewohnern unseres Landes zu verwirklichen. Wir müssen bereit sein, für diesen Frieden in der Welt zu eifern. Deshalb müssen wir unser Herz öffnen für das Wort des Herrn, das wir soeben im Johannesevangelium gehört haben; ein Wort, das wir nie genug hören können, das in jeder Eucharistiefeier wiederholt wird. „Frie- 647 REISEN den hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt“ (Joh 14,27). Jeden Sonntag lädt die Kirche ihre Gläubigen zur Eucharistiefeier ein. Diese Sonntagspflicht ist eine heilige Pflicht, weil wir dabei dem Herrn begegnen, an seinem Opfertod teilhaben und in seinen Frieden aufgenommen werden. Dabei können wir den Frieden des Herrn einüben, die Sprache des Friedens lernen und einander den Frieden des Herrn wünschen. Wir erhalten dann den Frieden des Herrn nicht nur als Geschenk, sondern auch als Aufgabe. Gott schenkt uns seinen Frieden, damit wir ihn fruchtbar machen. In niederländischer, französischer, deutscher und englischer Sprache sagte der Papst nacheinander: Seinen Frieden, den echten Frieden, können wir nur finden, wenn wir demjenigen folgen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Er ist der Weg zum Frieden und die allerletzte Wahrheit über den Frieden: Jesus Christus. Auf niederländisch fuhr der Papst fort: 5. „Schaut . . . auf Jesus!“ (Hebr 3,1). Richtet euren Blick auf den auferstandenen Jesus. Bei ihm werdet ihr den echten Frieden finden. Denn Frieden suchen heißt ihn begleiten, ihm folgen, sein Wort annehmen, seine Taten nachahmen. Der letzte und längste Weg; den er dem ewigen Frieden entgegengegangen ist, war der Kreuzweg. Bei euch stehen in allen Kirchen die Stationen des Kreuzwegs; man hält den guten christlichen Brauch noch aufrecht, am Karfreitag zusammen den Kreuzweg zu gehen. Folgt dem Herrn auf seinem Kreuzweg, denn das Geschick des Friedens hängt von diesem Kreuzweg ab. Schaut auf Jesus, besonders ihr jungen Menschen, denn der Herr Jesus ist euer Frieden! In meiner Botschaft zum Weltfriedenstag 1985 habe ich erläutert, daß der Frieden und die jungen Menschen Zusammengehen. „Da wir uns darauf vorbereiten, in ein neues Jahrhundert und ein neues Jahrtausend einzutreten, müssen wir uns bewußt werden, daß die Zukunft des Friedens und darum auch die Zukunft der Menschen in besonderer Weise den moralischen Grundentscheidungen anvertraut ist, die eine neue Generation von Männern und Frauen zu fällen berufen ist. In nur wenigen Jahren werden die jungen Menschen von heute der Verantwortung für das „Leben der Familien und der Völker, für das Gemeinwohl aller und für den Frieden in ihren Händen halten“ (Friedens- 648 REISEN botschaft 1985, Nr. 2; in O.R. dt. vom 21.12.84, S. 1). Liebe junge Leute! Die Zukunft des nächsten Jahrhunderts hängt zum großen Teil von euch ab. Fürchtet euch nicht! Geht mit dem Herrn Jesus den Weg des Friedens! Er wird euch die Größe der menschlichen Berufung zeigen. In seinem Licht und mit seiner Kraft werdet ihr auf diese Berufung antworten können mit Respekt und Eifer für die Wahrheit über den Menschen, für die Menschenwürde, für die unveräußerlichen Rechte des Menschen und für die Erfordernisse des Gemeinwohls. Das Leben im Mutterschoß respektieren 6. Der Krieg und die Gewalt entspringen der Mißachtung der fundamentalen Menschenrechte. Gewalt, die Wohngebäude und andere Bauten zerstört, ist äußerst schwerwiegend, aber unerträglich und unmenschlich ist die Gewalt, die gegen die Menschenwürde gerichtet ist. Wer für den Frieden arbeitet, wird zuerst unbedingt die Menschenwürde achten, ohne sie manipulieren oder in den Dienst einer Ideologie stellen zu lassen. Die Menschenwürde achten heißt, das Leben des Mitmenschen, jedes menschliche Leben und in erster Linie das Leben im Mutterschoß zu respektieren. Die Menschenwürde achten heißt auch, jeden Menschen als Bruder oder Schwester zu betrachten. Wir alle sind Kinder desselben Vaters. Das heißt auch, daß man sich vom Unglück und der Armut derjenigen betroffen fühlt, die nichts besitzen oder sich in Not befinden. Je reicher ein Mensch ist, desto mehr Pflichten hat er gegenüber den Armen. Schaut auf Jesus, ihr jungen Menschen, geht mit Christus! Antwortet auf seinen Ruf, folgt unserem Herrn Jesus Christus, dem Friedensfürsten. In ihrem Hirtenbrief „Abrüsten, um Frieden zu bauen“ haben euch die Bischöfe den richtigen Weg gezeigt, „den wirksamen Weg, den Weg der Liebe als Antwort auf die Liebe des Vaters und den Weg des Glaubens an seine Verheißung, den Weg der Liebe, der es nie an Phantasie, Kreativität und Hoffnung mangelt“ (HirtenbriefJuli 1983, Nr. 2). In französischer, englischer, deutscher und niederländischer Sprache sagte der Papst nacheinander: Liebe Jugendliche, ich sage euch: Hört niemals auf, vom Frieden zu sprechen und zu singen; hört niemals auf, zu hoffen und für den Frieden zu arbeiten! Wo immer ihr hingeht, stiftet Frieden! 649 REISEN Dann fuhr er in niederländischer Sprache fort: Den anwesenden jungen Seminaristen sage ich besonders: Geht mit Christus den Weg der Vorbereitung auf euer Priesteramt und euer Leben als Seelsorger! Fürchtet euch nicht! Mit Christus werdet ihr Bauleute des Friedens sein und Frieden verbreiten. 7. Euch allen, die ihr an dieser Feier teilnehmt, sage ich: Geht euren Weg mit Christus. Auf diesem Weg werdet ihr auch seine Mutter treffen. Ja, auf unserem Weg zum Frieden müssen wir auch Maria finden. Auf ihre Fürbitte hin beten wir um den Frieden, den uns nur ihr Sohn Jesus Christus geben kann. Wir sind alle für den Frieden verantwortlich. Laßt uns zu Maria beten in diesem flämischen Land, das ihr soviel Verehrung entgegenbringt, zu Maria, die wir in der Litanei als „Königin des Friedens“ anrufen, zu ihr, die in dieser Stadt den Namen Unsere Liebe Frau von Thyne trägt. Möge sie rund um uns einen Garten des Friedens bauen! Möge sie uns in alle Welt senden, damit wir Gärten des Friedens bauen. Unsere Liebe Frau von Thyne bitte für uns, bitte um den Frieden! Amen. „Kehrt zurück zum Abendmahlssaal“ Predigt bei der Messe in Sint-Denijs-Westrem am 17. Mai 1. „Wenn aber der Beistand kommt,. . . der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen“ (Joh 15,26). Liebe Brüder und Schwestern! Der Herr Jesus Christus hat diese Worte am Vorabend seines Leidens gesprochen. Nach der Einsetzung der Eucharistie wandte er sich mit diesen Worten an die Apostel, die im Abendmahlssaal versammelt waren. Diese Worte sind im Johannesevangelium aufgezeichnet. Jesus bereitet seine Apostel auf seinen „Heimgang“ vor, das heißt auf seinen Kreuzestod und seine Himmelfahrt. In dieser Perspektive verspricht er „einen Beistand“ (Joh 14,16). Dies ist eine große Verheißung, auf die die Kirche sich immer stützt. „Und ich werde den Vater bitten“ sagt Christus, „und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit“ (Joh 14,16-17). „Dann wird er Zeugnis für mich ablegen“ (Joh 15,26). 650 REISEN 2. Diese Worte sind in der Liturgie dieser Tage besonders aktuell. Die Kirche kehrt nach der Himmelfahrt des Herrn in gewissem Sinn in den Abendmahlssaal zurück. Da sind tatsächlich die Apostel mit Maria, der Mutter des auferstandenen Herrn versammelt, um im Gebet auf den Beistand, den Geist der Wahrheit, zu warten. Ja, in diesen Tagen nach der Himmelfahrt versucht die Kirche auf eine besondere Art, sich im Abendmahlssaal zu versammeln. Im Gebet bereitet sie sich auf Pfingsten, auf die Herabkunft des Heiligen Geistes, vor. An diesem Tag hat sich die große Verheißung des Meisters erfüllt; der Geist der Wahrheit, der vom Vater kommt, hat Zeugnis abgelegt vom auferstandenen Christus. Er tat das in der Weise, daß die Apostel selbst zu Zeugen des auf erstandenen Erlösers wurden. Denn beim Abschied hatte Jesus das so angekündigt: „Und auch ihr sollt Zeugnis ablegen, weil ihr von Anfang an bei mir seid“ (Joh 15,27). Und siehe: Sie begannen Zeugnis abzulegen, die Männer, die zuvor noch von Furcht ergriffen und mutlos waren. Durch den Geist sind sie zu unerschrockenen Zeugen der Wahrheit geworden, vor den Juden in Jerusalem und vor den Bewohnern aller Regionen der damals bekannten Welt. So ist die Kirche entstanden. Sie ist durch das Zeugnis der Menschen, die den Heiligen Geist empfangen und aufgenommen haben, entstanden. 3. So ist im Laufe der Geschichte die Kirche immer wieder aufs neue entstanden. So ist sie auch im Herzen des Äthiopiers entstanden, von dem heute die erste Lesung berichtet, die der Apostelgeschichte entnommen ist. Die Kirche ist gleichzeitig mit dem Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Christus unter dem Einfluß des Zeugnisses des Diakons Philippus entstanden. Diesem Beamten am Hof der Königin von Äthiopien erklärte er die genaue Bedeutung der Worte des Propheten Jesaja über Christus. 4. So entstand der Kirche auch hier im Laufe der Geschichte. Mit der ersten Generation, die hier die Taufe empfing und den Glauben an die folgenden Generationen weitergab. Wir danken Gott für die Missionsarbeit des hl. Amandus im 7. Jahrhundert, der am Zusammenfluß von Schelde und Leie gewirkt hat. Kurz danach entstanden hier die Abteien St. Bavo und St. Peter. Die Stadt Gent entwickelte sich, mit dem christlichen Glauben zutiefst verbunden, sowohl in Zeiten des Ruhmes als auch in denen der Prüfungen, die diese stolze, flämische Stadt gekannt hat. Ich grüße heute das christliche Volk Ostflanders herzlich, ebenso all 651 REISEN diejenigen, die aus den anderen flämischen Provinzen zu dieser Eucharistiefeier gekommen sind. Durch eure Treue dem Heiligen Geist gegenüber, den ihr empfangen habt, und dadurch, daß ihr in der katholischen Kirche verwurzelt seid, seid ihr ein auserwählter Teil der universalen Kirche, die der Herr mich zusammen mit euren Bischöfen beauftragt hat, im Glauben zu festigen. 5. Ihr alle, die ihr hier versammelt seid, ihr bildet die heutige Generation der Jünger Christi in Belgien. Diese Worte, die der Herr am Vorabend von Pfingsten sprach, gelten auch für euch: „Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben ... Er ist der Geist der Wahrheit ... Er wird Zeugnis für mich ablegen. Und auch ihr sollt Zeugnis ablegen“ (Joh 14,16-17; 15,26-27). Diese Worte gelten besonders euch jungen Firmlingen, euren Eltern, Paten und Katecheten und allen, die sie begleiten. Das Sakrament der Firmung gibt allen Getauften auf eine neue Weise den Heiligen Geist, um ihr ganzes Leben lang Zeugen Christi sein zu können. 6. Liebe, junge Leute: Ihr, die ihr hier soeben oder während der vergangenen Jahre das Sakrament der Firmung empfangen habt, und ihr, die ihr im Begriff seid, es zu empfangen, seid euch dieses Geschenks Gottes bewußt. Jeder von euch hört dann diese Worte des Bischofs: „Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist.“ Durch das Sakrament der Taufe habt ihr durch den Hauch des Geistes, des Geistes der Wahrheit, im Keim den Glauben auf übernatürliche Weise empfangen. Durch diese Taufe hat Gott euch seine Liebe gezeigt, eine unentgeltliche Liebe, eine Liebe, die immer als erste beginnt. Umgeben von den Eltern und von der Gemeinschaft, die in eurem Namen den Glauben der Kirche bekannt haben, wurdet ihr in die Familie der Kinder Gottes aufgenommen, wurdet ihr Christus einverleibt. Wiedergeboren durch Wasser und den Heiligen Geist, seid ihr Teilhaber am Erlösungstod Christi geworden: Ihr seid „begraben“ worden, wie Paulus sagt, um an seiner Auferstehung teilzuhaben (vgl. Röm 6,3-4). Damals ist ein tiefes, geistliches Band mit Gott entstanden. Dieses Band prägte jedem von euch ein unauslöschbares Siegel ein, das Merkmal der Kinder Gottes. Bei eurer Firmung wurde dieses Merkmal bereichert mit dem Siegel des Jüngers Christi. Der Jünger ist gerufen, wie die Apostel Zeugnis abzulegen. Er wird gestärkt vom Heiligen Geist, den er auf eine neue, noch tiefere Weise empfangen hat. 652 REISEN Ihr selbst nehmt dann den Glauben und die Verpflichtung auf euch, wie es eure Eltern und Paten an eurer Statt gelobt haben. Für den Bischof, den Nachfolger der Apostel, oder seinen Stellvertreter, in Anwesenheit der Gemeinde, bestätigt ihr dann mit lauter Stimme: „Ich glaube.“ Und der Herr nimmt euren Glauben an und besiegelt ihn. Der Bischof legt euch die Hände auf: In diesem Augenblick ist es der Herr, der von euch Besitz ergreift, der euch mit seiner Hand beschützt, der euch führt und euch eine Sendung anvertraut, als wollte er sagen: „Habt keine Angst, ich bin bei euch!“ Der Bischof salbt euch dann im Namen Jesu Christi mit dem wohlriechenden Chrisam. Es ist Christus - dessen Namen „Gesalbter“ bedeutet -, der sich als erster in der Prophezeiung Jesaja hat erkennen können: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt“ (Lk4,18). Durch die Firmung seid ihr, liebe Freunde, dem Herrn geweiht. Sein Geist durchdringt eure Seelen, wie das heilige Öl eure Stirn durchdringt, um seine Jünger zu sein, um ihm zu gleichen und mit ihm zu arbeiten jeden Tag eures Lebens. So strömt ihr in bestimmtem Sinn seinen herrlichen Duft aus wie der Balsam des heiligen Chrisams. Der Bischof bezeichnet eure Stirn mit dem Zeichen des Kreuzes, mit dem Zeichen der Treue Jesu zu seinem Vater, dem Zeichen seines Opfers, das er mit Liebe zum Heil des Menschen gebracht hat. Auch ihr werdet das Kreuz mit Christus tragen. „Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist.“ Möget ihr, liebe Firmlinge, Gott für diese einzigartige Gabe danken ohne Unterlaß, denn diese Gabe „bleibt bei euch“ (vgl. Joh 14,17). Deshalb singen wir mit dem Psalm dieser Liturgie: „Singt dem Herrn ein neues Lied; denn er hat wunderbare Taten vollbracht. Er hat mit seiner Rechten geholfen und mit seinem heiligen Arm . . . Jauchzt vor dem Herrn, alle Länder der Erde, freut euch, jubelt und singt!“ (Ps 98/97,1.4). Lebt jetzt wie am Pfingsttag. Löscht den Heiligen Geist niemals aus! Öffnet ihm alle Möglichkeiten in eurem Inneren. Wirkt zusammen mit ihm. Er schenkt euch die Fülle seiner Gaben. Sagt ja mit dem Geist der Wahrheit zu allem, was wahr, gut, schön, gerecht, rein, edel und liebenswert ist. Möge sein Licht wie bei den Aposteln euren Glauben erleuchten, möge seine Glut eure Verbundenheit mit Christus feurig machen, möge sein Atem euch überall für ihn zeugen lassen, wohin das Leben euch führen wird. Die Firmung ist das Sakrament der Gläubigen, die die Reife des Glaubens erlangt haben und Verantwortung in der Kirche übernehmen. Die Kirche 653 REISEN rechnet auf euch alle, um die Frohbotschaft zu verbreiten. Und die Kirche weiß schon, daß eine bestimmte Anzahl von euch berufen ist, dem Herrn das eigene Leben zu weihen als Priester oder im Ordensstand. 7. Und ihr, Eltern und Paten der Täuflinge und Firmlinge, seid gesegnet für alles, was ihr für diese jungen Menschen getan habt und noch tun werdet. Zweifellos haben euer Glaube und euer Beispiel diese Jugendlichen zu dieser Stufe christlichen Lebens geführt. Sie können und wollen nun allein ihren Weg in der Nachfolge Jesu gehen. Respektiert den notwendigen Reifungsprozeß ihrer Persönlichkeit, aber laßt sie nicht allein. Euer vertrauensvolles Gespräch, euer Zeugnis sind ihnen nötiger denn je. Helft ihnen, ihre Berufung zu entdecken und sie auch zu erfüllen. Und ihr, Priester, Diakone, Ordensleute, Laienkatecheten, Lehrer und Erwachsene, die ihr euch der Katechese dieser jungen Menschen widmet, wißt, daß eure Aufgabe wichtig war und es auch bleibt. Gott vertraut euch die jungen Menschen an. Begleitet sie mit all eurer Liebe und mit großer Geduld. Stellt ihnen immer wieder die Forderungen Jesu vor Augen, wie es dem jungen Mann im Evangelium geschah. Mögen sie mit euch ihren noch unsicheren Glauben vertiefen, ihr Gebetsleben intensivieren, sich in eine lebendige kirchliche Gemeinschaft eingliedern und sich einsetzen für die Aufgaben, die sie in Kirche und Gesellschaft erwarten. In dieser entscheidenden Phase ihres Lebens, inmitten einer Welt, die sie durch die Meinungsvielfalt oder die Säkularisierung verwirren kann, brauchen diese jungen Menschen Führer, Zeugen und Freunde. Ich weiß, daß man in diesem Land auf den Einsatz sehr vieler Katecheten rechnen kann. Möge der Heilige Geist diese Erzieher der Jugend weiterhin anspornen und unterstützen. <124> <124> Ich richte mich an euch alle, Brüder und Schwestern aus Flandern, die ihr hier anwesend seid. Lebt auch ihr eure Taufe und eure Firmung, die euch für das Leben gezeichnet haben. Mit Christus könnt ihr sagen: „Der Geist des Herrn ruht auf mir“ (Lk 4,18). Was kann er heute in euch bewirken? Zuerst und vor allen Dingen kann er den Glauben, der in euch keimte, vertiefen und entwickeln. Beschränkt euch nicht auf eine gefühlsmäßige Bindung, eine Routine, die Gefahr läuft, den rationalen Fragen dieser Zeit nicht gewachsen zu sein. Entsprecht hingegen allen Anforderungen des Geistes, der die Wahrheit ergründen will. 654 REISEN Übereinstimmung von Glaube und Leben nötig In der Vergangenheit stützte sich der Katholizismus in Belgien auf eine starke Tradition. Das war unter anderem, weil die gesellschaftlichen und kulturellen Organisationen aus den Quellen ihres Glaubens zu schöpfen wußten und weil sie ihr Denken und Tun aus einer tieferen Sicht der christlichen Botschaft her inspirierten. Andererseits hat der einfache Glaube der Menschen in dieser Gegend nicht weniger als die geistigen Bemühungen zur Lebendigkeit der christlichen Tradition beigetragen. Ich lade euch alle ein, diesen tiefen Glauben, diese Jugendlichkeit des Herzens zu finden oder wiederzuentdecken. Ja, heute sollt ihr euch auf neue Weise der Fundamente eures Glaubens und seiner ethischen Implikationen bewußt werden, um euren eigenen Beitrag für die Kirche und den Aufbau eurer Gesellschaft zu leisten. Bittet auch den Heiligen Geist, daß er euch die Kraft gibt, Rechenschaft ablegen zu können für diesen Glauben. Außer der liturgischen Weise, den Glauben zu bekennen, gibt es viele Gelegenheiten, den Glauben kundzutun unter vollem Respekt für die, die ihn nicht teilen, aber die vielleicht, wie der Äthiopier aus der Apostelgeschichte, warten, bis ihn ihnen jemand offenbart auf eine Art, die sie verstehen können. Verzichten wir nie aus Angst oder Scham darauf, Zeugnis zu geben. Wer wird in einer säkularisierten Welt den Menschen, die zweifeln oder zur Gleichgültigkeit neigen, helfen, wenn nicht Christen, die transparent, die ihres Glaubens froh sind und den Mut haben, ihrem Glauben Ausdruck zu geben? Das Zeugnis des Wortes ist aber nur dann glaubwürdig, wenn die tägliche Lebensführung dem Glauben und all seinen Anforderungen entspricht, wie sie die Kirche in Erinnerung bringt. „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ {Mt 5,16). Möget ihr genügend aus den Quellen des Gebets schöpfen, damit der lebendige Glaube eure Lebensart und eure Werke der Nächstenliebe, der Treue, Reinheit, Wahrheit, Gerechtigkeit und des Friedens durchdringen kann. Machen wir uns aber keine Illusionen. Diese Treue setzt voraus, daß ihr die Kräfte des Bösen, das in uns selbst und in der Welt wirksam ist, bekämpft. Durch die Firmung sind wir gesalbt, um gestärkt zu sein, um mit Christus zu kämpfen. Dennoch, die Treue schützt uns nicht vor Umwälzungen, vor Leiden, vor dem Widerstand der Menschen, sogar vor Verfolgung ihrerseits. In diesem Augenblick werden in der Kirche ganze christliche Gemeinschaften täglich mit einer neuen Art von Märtyrertum 655 REISEN konfrontiert. Der Heilige Geist schenkt den Jüngern Christi die Kraft, es ohne Wanken zu ertragen, ohne ungemäße Kompromisse einzugehen und auch ohne daß daraus Aggressivität oder Haß entstünden. Die Gaben des Heiligen Geistes führen zu Frieden, zur Vergebung, zur Gelassenheit und schließlich zur Freude. 9. Meine lieben Brüder und Schwestern! Es sind der tiefe Glaube und die Kraft des Heiligen Geistes, die euch als Zeugen Christi mitten in diese Welt gesandt haben. Euer Zeugnis ist wohl immer persönlich, doch es bekommt noch mehr Einfluß, wenn ihr zusammen Zeugnis ablegt: Der Herr sandte seine Jünger zu zweit aus. Euer Einsatz nimmt die Gestalt eines doppelten Dienstes an. Einerseits beabsichtigt ihr den Aufbau der Kirche, wenn ihr, euren Möglichkeiten und Charismen entsprechend, aktiv teilnehmt an der Erfüllung der verschiedenen Aufgaben der christlichen Gemeinschaften, u. a. der Katechese, des Gebets, der gegenseitigen Hilfe. Andererseits will euer Einsatz auch ein Beitrag im Geist des Evangeliums sein zur Verbesserung des Lebens der Gesellschaft, damit der Frieden wachse, damit die Gerechtigkeit herrsche, damit die Armen wieder Hoffnung schöpfen, damit das Leben geachtet werde, damit die Liebe über Egoismus und Haß siege. Erinnert euch an die Worte Jesu: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lk 4,18-19). Ohne Missionare kann die Kirche nicht leben 10. Die ganze Kirche ist Mission, jetzt und immer. Manche unter euch haben das besser verstanden als andere: Sie haben all ihre Kräfte eingesetzt, indem sie ihr Vaterland verließen und in ferne Länder zogen. Tausende von Missionaren stammen aus dem flämischen Volk. Das ist eine Gnade für euch und für die Gesamtkirche. Sie sind außergewöhnlich empfänglich gewesen für das Gebet Jesu am Tag der Himmelfahrt: „Macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19). Sie zogen nach Afrika, Asien, Amerika, Ozeanien. Manche sind heute in unserer Mitte auf der Durchreise in Belgien, bevor sie wieder zu ihren Missionen zurückkehren oder sich nach der Erfüllung ihrer schweren Aufgabe ausruhen. Im Namen der Kirche danke ich allen belgischen Missionaren. Ihre 656 REISEN Aufgabe ist sicherlich jetzt anders als früher. Heute dienen sie auf eine neue Weise den jungen Kirchen, die gerade durch ihre Anstrengungen von gestern ihre eigene Identität gefunden haben und durch ihre Lebenskraft selbst ihren Beitrag zur Weltkirche liefern. Geist und Tätigkeit der Missionare, Priester, Ordensleute und Laien bleiben aber immer notwendig. Ohne Missionare kann die Kirche nicht leben. Sie helfen überdies der Ortskirche in Belgien, damit diese sich nicht in sich selbst verschließt, sondern für die Nöte der Brüder und Schwestern in anderen Ländern offen bleibt und ihr Zeugnis annehmen kann. Endlich bringen wir allen Getauften und Gefirmten in diesem Land, jüngeren und älteren, in Erinnerung, daß sie hier, in ihrer Familie, ihrer Schule, ihrem Wohnviertel und an ihrem Arbeitsplatz, ein Apostolat zu erfüllen haben. Die Lebenskraft dieser Kirche hängt davon ab, jetzt und in Zukunft. 11. Die Missionsarbeit ist niemals rein menschlicher Einsatz, viel weniger noch eine unbescheidene Propaganda. Sie ist Zeugnis der Ehrfurcht für den Nächsten. Sie weckt ihn auf und lädt ihn ein zum Guten, zum Glauben. Sie ist zuerst und vor allem eine Antwort auf das Gebot des Herrn. Das erste, was er uns lehrte, war, unseren Vater im Himmel zu bitten: „Geheiligt werde dein Name“, das heißt: dein Name werde bekannt, geehrt, angebetet und geliebt. Die Missionsarbeit beginnt mit diesem Gebet. Sie ist auch Erfüllung des Gebotes des Herrn: „Ihr sollt meine Zeugen sein!“ Sie ist Mitwirken mit dem Heiligen Geist. Sie fordert eine geistliche Vorbereitung. In diesen Tagen, in denen es mir vergönnt ist, euer Vaterland zu besuchen, bitte ich euch alle, liebe Brüder und Schwestern: Kehrt miteinander zurück zum Abendmahlssaal: - dort wurde die Kirche empfangen und geboren; - dort hat Christus die Eucharistie eingesetzt; - dort haben die Apostel mit Maria nach der Himmelfahrt im beharrlichen Gebet die Herabkunft des Heiligen Geistes, die Erfüllung des großen Osterversprechens, erwartet. Laßt auch uns dahin gehen! Laßt uns im Geist zu den Quellen unseres Glaubens pilgern! Zum Anfang der Kirche! Möge Christus uns am Pfingsttag den Beistand empfangen lassen. Mögen wir in unserem ganzen Leben die neue Kraft des Glaubens empfangen, die aus dem Atem des Heiligen Geistes, des Geistes der Wahrheit, geboren wird. Amen. 657 REISEN Einheit, die zugleich Versöhnung ist Ansprache bei der ökumenischen Feier in der Kathedrale in Mecheln am 18. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Jetzt aber seid ihr, die ihr einst in der Ferne wart, durch Christus Jesus, nämlich durch sein Blut, in die Nähe gekommen. Denn er ist unser Friede . . . Durch ihn haben wir beide in dem einen Geist Zugang zum Vater“ {Eph 2, 13-14,18). Mit großer Freude nehme ich die Worte des Apostels Paulus in mich auf, um darin sowohl unseren gemeinschaftlichen Wert als auch die Verantwortung zu entdecken, die jedem Getauften zufällt: danach zu trachten, unser Leben durch das Blut Christi in gegenseitiger Gemeinschaft stets zu bessern. Ich bin glücklich, an diesem Wortgottesdienst mit euch allen, die die verschiedenen Kirchen und christlichen Gemeinschaften Belgiens vertreten, am Lobpreis und am Gebet teilnehmen zu können. Ich grüße euch alle brüderlich und ehrerbietig. „Ihr seid also jetzt Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19). Es ist schön, sich in dieser Kathedrale zum gemeinsamen Gebet zu treffen. Sie ist das Symbol der Ortskirche von Mecheln-Brüssel und schon seit Jahrhunderten ein gemeinsames Zentrum der verschiedenen Bistümer, die die katholische Kirche eures Landes bilden. Hier ruht in Erwartung der Auferstehung in Christus Kardinal Mercier, der vor mehr als 60 Jahren in der römisch-katholischen Kirche dem ökumenischen Werk seine Inspiration gab. Mit großer Ehrerbietung gedenke ich des hochherzigen Dieners der Kirche, der für den Fortschritt und die Einheit der Kirche eingetreten ist. Die „Gespräche von Mecheln“ sind ein Wendepunkt in der Geschichte der ökumenischen Bewegung. Ich bin glücklich, daß meine Pilgerfahrt mich hierhergeführt hat, an diesen Ort von so großer Bedeutung für die Annäherung der Christen. 2. Auf den ersten Blick schien Belgien historisch nicht genügend vorbereitet zu sein, um sich tatkräftig am ökumenischen Dialog zu beteiligen, da seit Jahrhunderten die religiöse Tradition der Bevölkerungsmehrheit von der römisch-katholischen Kirche bestimmt war. Diese Position hätte dazu führen können, jeden Kontakt mit Andersgläubigen auf ein Minimum zu reduzieren. 658 REISEN Die ökumenische Idee weiterverfolgen Es ist deshalb eine Gnade für die Kirche und für euer Land, daß der Herr so viele dynamische Mitarbeiter hat, die durch ihre Initiative zur Förderung der Einheit beigetragen haben. Neben der Rolle der kirchlichen Hierarchie seit Kardinal Mercier, die während des Zweiten Vatikanischen Konzils genauer definiert wurde, möchte ich auch den Anteil der Ordensgemeinschaften in Erinnerung rufen, die auf den Gebieten des geistlichen Ökumenismus und der Auslegung der kirchlichen Lehre tätig sind. Besonders weise ich auf den Beitrag des Klosters von Amay-Chevetogne hin und auf den prophetischen Impuls, der von Dom Lambert Beauduin ausging. Dank ihrer wissenschaftlichen Kenntnisse, dank ihrer Einsicht in die historische Entwicklung, dank ihrer Liebe zur Kirche und ihrer Fähigkeit zum Dialog haben die belgischen Theologen sich in hohem Maße in den Dienst der Ökumene gestellt. Viele Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils wurden mit Hilfe ihres Fleißes erstellt. Euer im Herzen Westeuropas liegendes Industrieland hat jahrzehntelang Männer und Frauen aus verschiedenen Ländern aufgenommen, die entweder auf der Suche nach Arbeit oder nach freiem Lebensraum waren. Viele waren Christen verschiedener Tradition. War das nicht eine Einladung für euch, edelmütig, gastfreundlich und brüderlich mit allen Jüngern des Herrn zusammenzuarbeiten? Die Anwesenheit einer so großen Zahl von Immigranten, besonders in manchen Gegenden, sowie die Anwesenheit internationaler Organisationen in Brüssel sind ebenfalls Faktoren, die zum Wachstum des ökumenischen Bewußtseins beigetragen haben. 3. Auch wenn ich nur kurz den Beitrag Belgiens zum Werk der Wiederherstellung der christlichen Einheit streifen kann, bitte ich euch trotzdem inständig, eurer Vergangenheit treu zu bleiben, und fordere euch auf, jeder in seinem Kreis, die ökumenische Idee weiter zu verfolgen. Ist dies nicht eines der ergreifendsten Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils? Daran habe ich auch bei meinem Besuch beim Weltkirchenrat in Genf im vergangenen Jahr erinnert. „Von Beginn meines Dienstes an als Bischof von Rom habe ich mit Nachdruck betont, daß die Mitarbeit der katholischen Kirche in der ökumenischen Bewegung unwiderruflich und die Suche nach der Einheit eine ihrer pastoralen Prioritäten ist“ (Ansprache an den Weltkirchenrat in Genf am 12. Juni 1984, in: O.R.dt. Nr. 25/ 1984, S. 1). 659 REISEN Auf seine Gnade vertrauen Noch vor kurzem habe ich im Apostolischen Schreiben über Versöhnung und Buße auf die Dringlichkeit dieser Aufgabe und auf die Modalitäten zur Ausführung mit Nachdruck hingewiesen. „Die Kirche von Rom sucht eine Einheit, die, um Frucht und Ausdruck einer echten Versöhnung zu sein, weder die trennenden Elemente einfach übergeht noch sich auf Kompromisse gründet, die ebenso leichtfertig wie oberflächlich und hinfällig wären. Die Einheit muß das Ergebnis einer wahren Bekehrung aller, der gegenseitigen Vergebung, des theologischen Dialogs, des brüderlichen Umgangs miteinander, des Gebetes, der vollen Offenheit für das Handeln des Heiligen Geistes sein, der auch der Geist der Versöhnung ist“ (Nr. 9). 4. Natürlich stoßen wir auf unserem Weg auf verschiedene Schwierigkeiten, die uns manchmal entmutigen und am Ergebnis unserer Bemühungen zweifeln lassen. In bestimmten Momenten läßt der Herr uns die Last des Unternehmens spüren, damit wir unser Vertrauen nicht nur in die eigenen Kräfte setzen, sondern in die Macht seiner Gnade und die Wirkung seines Geistes. Der Fortschritt unserer Beziehungen macht uns für die schmerzliche Uneinigkeit innerhalb der Kirche, für die Last der Geschichte, für die anhaltende Polemik und das nicht sehr rühmliche Verhalten gewisser Christen empfindsam. Trotz all dieser Hindernisse, trotz der Armut unseres Glaubens, müssen wir auf den Ruf der Kirche antworten und weiter „mit lauterer Absicht, mit Ausdauer, Demut und auch Mut die Wege der Annäherung und der Einheit suchen“ (Redemptor hominis, Nr. 6). Es geht hier um unsere Treue zu Christus, der „selbst allen Haß ein für allemal ausgelöscht hat“, aber auch um unsere Anhänglichkeit an das, was den Ausgangspunkt des ökumenismus ausmachte: Die Verkündigung des Evangeliums ruft die gemeinsame Aussage aller Jünger des Herrn hervor. Wie andere auch, steht euer Land vor einer tiefen Krise auf geistlichem Gebiet. Ihr müßt die Herausforderung annehmen, den jüngeren Generationen und der von den technologischen Errungenschaften gekennzeichneten Welt den Glauben zu vermitteln. Diese Probleme stellen sich allen christlichen Konfessionen, mit ihnen werden die Verantwortlichen und die Mitglieder aller Kirchen konfrontiert. Müssen wir uns nicht treffen, um zusammen und einstimmig die Hoffnung, die in uns ist, gegenseitig auszutauschen? 5. Die während des Zweiten Vatikanischen Konzils im Dekret über den Ökumenismus gegebenen Weisungen haben die Überlegungen und 660 REISEN Aktionen der katholischen Kirche inspiriert und stimuliert. In diesem Dokument werden die Katholiken dazu aufgefordert - und ich bin sicher, daß dies auch euer Wunsch ist alles, was uns gemeinsam ist, zu betonen und sich des Reichtums und des dynamischen Wertes der Taufe bewußt zu werden. Ich weiß, daß ihr ein Schreiben über die gegenseitige Anerkennung der Taufe als Band der Einheit und als Ausgangspunkt für eine immer tiefere Gemeinschaft verfaßt habt. Die Taufe ist Zeichen des Bundes zwischen Gott und der Menschheit, Beweis der treuen und erbarmenden Liebe des Erlösers. Sie ist Frucht des Opfertodes Jesu Christi: Am Kreuz hat Christus zwischen Himmel und Erde das unauslöschliche Zeichen des Bundes zwischen Gott und der gesamten Menschheit gegeben (vgl. Eucharistisches Hochgebet von der Versöhnung), so wie Gott Noah mit dem Regenbogen und den Wolken ein Zeichen des Bundes mit der gesamten Schöpfung gegeben hatte (vgl. Gen 9,8.12.16). Die Taufe schafft unter allen, die sie empfangen, eine Verbindung, die stärker als alle Uneinigkeit ist, denn sie ist die Quelle des Lebens, des Heils und der Erneuerung. Ist es nicht die Taufe, die uns alle befähigt, treu und wahr, eines Herzens, das Gebet der Gotteskinder, das Vaterunser, zu sprechen, das das Hauptthema meines Pastoralbesuches in eurem Land darstellt? Dank der Arbeit eurer ökumenischen Ausschüsse, der Treffen und Austausche zwischen den örtlichen Gemeinschaften konnten große Fortschritte im gemeinsamen Studium der Heiligen Schrift, in der Pastoral der bekenntnisverschiedenen Ehen und in der Krankenseelsorge erreicht werden. Gegenüber den Gemeinschaften, die nur wenige Mitglieder zählen und denen es an Kult- und Versammlungsorten mangelt, habt ihr Gastfreundschaft und Hilfe gewährt. Für diese und für andere konkrete Verwirklichungen des Ökumenismus danke ich Gott, dem Herrn, für euch und mit euch. 6. Diese Zusammenarbeit zwischen den Jüngern Christi muß weitergeführt und auf neue Wirkungsbereiche ausgedehnt werden. Haben wir alle Möglichkeiten ausgeschöpft, die das Konzilsdekret Unitatis redintegratio (12) den Katholiken nahegelegt hat und die in den Dokumenten der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften angegeben sind? Heute steht ihr in eurem Land vor der Tragödie neuer, durch die Wirtschaftskrise bedingter Formen der Armut. Aus zahlreichen Teilen der Welt werdet ihr gerufen, das Elend eurer Brüder zu lindern, die Menschlichkeit zu fördern und ihre Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden zu unterstützen. Ihr hört die Rufe derer, deren Würde und Rechte verletzt werden. 661 REISEN Sind dies keine bevorzugten Gebiete für ein gemeinschaftliches Werk? Eure bevorzugte Lage im Herzen Westeuropas ist auch ein Ansporn, eure Verantwortung beim Aufbau Europas nicht zu vernachlässigen. Die christliche Dimension darf dabei nicht fehlen. Vergeßt in diesem Jahr, in dem der heiligen Kyrill und Method gedacht wird, die mit dem hl. Benedikt Schutzpatrone Europas sind, nicht, was diese beiden Apostel aus den slawischen Ländern bedeuten. Sie symbolisieren die zweite Komponente Europas, seiner Kultur, seines besonderen Beitrages zum christlichen Glauben, seines Leidens, seiner Kämpfe und Hoffnungen. Es bleibt viel zu tun; es gibt Gelegenheiten, die nicht verpaßt, Gnaden, die nicht vernachlässigt werden dürfen, um den Erwartungen des Herrn hinsichtlich der Getauften entgegenzukommen. Dank der unermüdlichen Arbeit der Theologen und eines geduldigen Aufeinander-Hörens haben Dokumente zur Kirchenlehre es ermöglicht, die unterschiedlichen wie auch die gemeinsamen Ansichten besser ange-hen zu können. Es ist wichtig, daß alle Kirchen sich für diese theologische Dimension des ökumenischen Dialogs interessieren, der einer ehrlichen und ernsten Prüfung der zunehmenden Annährungen bedarf. Gleichförmigkeit mit Christus als Norm 7. Zum Schluß dieser Ansprache möchte ich euch dazu auffordern, die Bedeutung des geistlichen Ökumenismus nicht aus den Augen zu verlieren. Je treuer die Kirche gegenüber Jesus Christus, ihrem Herrn, sein wird, je transparenter seine Anwesenheit und seine Wirkung sein werden, desto authentischer wird sie sein. In diesem ständigen Wunsch nach der vollen Einheit der Kirchen sei uns die Gleichförmigkeit mit Christus, diese auf Jesus Christus gerichtete Ekklesiologie, stets Richtschnur! War das nicht schon der Wunsch unseres ehrwürdigen Vorgängers Paul VI., als er am 14. September 1964, bei der Eröffnung der dritten Sitzungsperiode des Konzils, verkündete: „Die Kirche will immer ganz Christus angehören, in ihm und für ihn, und will auch immer den Menschen angehören, unter ihnen und für sie da sein, als bescheidene und ruhmvolle Vermittlerin zwischen dem Erlöser und der Menschheit.“ Das Evangelium von der Verklärung enthält den Wunsch Gottes, unseres Vaters: „Das ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören!“ (Lk 9,35). Mehr denn je werden alle Kirchen und Christen dazu aufgefordert, sich von ihm, der unser Ausgangspunkt, unser Weg, unser Führer, unsere Hoffnung und unser Ziel ist, unterweisen und formen zu lassen. 662 REISEN Eine neue Evangelisierung nötig Ansprache an die Belgische Bischofskonferenz in Mecheln am 18. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich war glücklich, euch anläßlich eures Ad-limina-Besuches am 18. September 1982 in Rom empfangen zu können. Ich bin noch glücklicher darüber, euch heute einen Gegenbesuch abstatten zu können und euer Land zu bereisen, in dem viele Orte mir schon vertraut waren. Es freut mich, dem geliebten belgischen Volk vor Ort zu begegnen, das Glaubenszeugnis eurer kirchlichen Gemeinschaften entgegenzunehmen und mit euch zusammen eure Priester, Ordensleute und Gläubigen in ihrer christlichen Berufung zu bestärken. Der wichtigste Augenblick einer solchen apostolischen Reise bleibt das Gespräch, das ich mit euch, den Hirten dieser Kirche, führen kann, um mit euch zusammen erneut das Weiheamt zu überdenken, das der Herr uns als Nachfolger der Apostel anvertraut hat. 2. Zunächst müssen wir Gott für das gesamte apostolische Werk danken, das hier, in Belgien, seit der Gründung der Kirche und durch die Kraft des Heiligen Geistes zustande gekommen ist. Die Bistümer Tongeren und Tournai bestanden nach sicheren Überlieferungen bereits im 6. Jahrhundert. In unserer Zeit, in der wir die Evangelisierung als ein sehr schwieriges Unterfangen betrachten, ist es gut, sich an den Glauben und an den missionarischen Mut der Pioniere, der Gründer und der Prediger des Evangeliums zu erinnern, die den Ureinwohnern und den Nachkommen derer, die in verschiedenen Invasionswellen in unser Land eingefallen sind, die Fähigkeit zugetraut haben, das Evangelium aufzunehmen und gemäß seiner Botschaft zu leben. Erwähnen wir wenigstens die heiligen Amandus und Remaklus aus dem 7. und Norbert und Bernhard aus dem 12. Jahrhundert. Die Abteien, die immer zahlreicher wurden, förderten gleichzeitig die Entwicklung des Glaubens, der Kultur und der Landwirtschaft, wie es innerhalb der lateinischen Kirche an vielen Orten der Fall war. Sowohl die Gemeinschaften um die Kapitel- und Stiftskirchen wie auch später die Klöster der Franziskaner und der Dominikaner und die der Frauenorden: der Norbertinerinnen, Zisterzienserinnen, Franziskane-rinnen und Beginen, entwickelten sich. Die Mystiker bildeten im Mittelalter eine eigene Sparte, wie die heilige Juliana von Cornillon und der selige Jan van Ruusbroec. 663 REISEN Symbiose von Glaube und Kultur Auch eure Städte sind blühende religiöse Zentren geworden. In ihnen entstand eine christliche Zivilisation, die sich in Harmonie mit den Kirchen der anderen Ländern innerhalb der katholischen Gemeinschaft entwickelt hat, aber auch mit eigenen Merkmalen und Traditionen, die die Kunst und die Bräuche in jeder Provinz beeinflußt haben. Denken wir nur an die flämische Malerei mit ihrem Sinn für Innerlichkeit und an die Blütezeit der Miniaturen in den Brevieren. Was man damals die Niederlande nannte, war durch einen mit dem christlichen Glauben verbundenen Humanismus gekennzeichnet. Die Universität Löwen ist seit 1425 das Symbol dieser Symbiose von Glauben und Kultur. Die neuen religiösen Institute der Jesuiten, der Kapuziner, der Rekolletten und der Oratorianer trugen zu einem christlichen Wiederaufleben bei. Es fällt auf, wie treu das Christenvolk vom Mittelalter bis heute gewesen ist und wie es seine Ideale und sein Engagement in vielen Vereinigungen zum Ausdruck gebracht hat. Die Geschichte zeigt deutlich den Mut und die feste Anhänglichkeit der belgischen Bevölkerungsgruppen an den katholischen Glauben. Ihre Haltung gegenüber dem Glauben der Reformation oder gegenüber den Maßnahmen der protestantischen Fürsten ab dem 16. Jahrhundert wie auch bei dem Aufstand von 1830 läßt hierüber keinen Zweifel; ebensowenig der Widerstand der belgischen Katholiken und ihrer Bischöfe gegen die Lehren der französischen Enzyklopädisten, gegen die antikirchlichen Gesetze Österreichs, gegen die antireligiöse Politik der französischen Besatzung. Die Treue zum katholischen Glauben war einer der grundlegenden Faktoren, die die Einheit der belgischen Nation garantiert haben. Diese katholische Überzeugung ist auch immer in einer besonderen Bindung zu Rom und dem Apostolischen Stuhl wie auch in einer bedingungslosen Treue zur Person des Papstes zum Ausdruck gekommen. Dies haben die Ereignisse von 1870 in bewegender Weise gezeigt. Aus der jüngeren Vergangenheit möchte ich den wichtigen Beitrag belgischer Bischöfe bei den Konzilien erwähnen, und zwar von Kardinal Dechamps beim Ersten Vatikanischen Konzil, von Msgr. De Smedt, Msgr. Charue, Msgr. Heuschen und Kardinal Suenens beim Zweiten Vatikanischen Konzil. In der Vergangenheit und auch heute haben mehrere eurer Landsleute große Verantwortung im Dienste des Hl. Stuhls übernommen. Ich möchte hier zwei verstorbene Freunde erwähnen: Msgr. Marcel Uylenbroeck und Msgr. Albert Descamps. Als Zeichen christlicher Vitalität müßte ich hier auch die zahlreichen 664 REISEN Kongregationen erwähnen, die seit dem vergangenen Jahrhundert entstanden sind, wie auch die vielen katholischen Werke, die von Laien aufgebaut wurden. Schließlich möchte ich einen Reichtum erwähnen, dem die ganze Kirche große Bedeutung beimißt: die missionarischen Berufungen, ad intra und ad extra. Es genügt, hier folgende Namen zu nennen: Pater Verbiest in China, Pater Lievens in Indien, Pater Damiaan auf Molokai, dessen Heiligsprechung bevorsteht, Pater Theophile Verbist, der Gründer des Ordens der Scheutisten, und alle Missionare dieser religiösen Familie. Dazu kommen noch etwa 3000 Missionare, Männer und Frauen, die in das damalige Belgisch-Kongo gegangen sind, und schließlich, in einem anderen Sinn, Kardinal Cardijn. So hatte Belgien in der universalen Kirche und in der Welt eine Ausstrahlung, die in keinem Verhältnis zur geographischen Größe des Landes stand. In mehreren asiatischen, amerikanischen und vor allem afrikanischen Ländern ist das Christentum auch dank der Belgier aufgebaut worden, die alles aufgegeben haben, um dort die Frohe Botschaft zu verkünden. Ja, meine lieben Brüder, die Kirche Belgiens kann stolz sein, und dieses Gefühl des Stolzes habe ich mit euch teilen wollen. Dieser Stolz ist vor allem ein Dank an den Herrn. Er impliziert aber auch eine hoffnungsvolle Perspektive: Gott bereut nicht, was er gegeben hat. Der Weg bleibt offen in seiner ganzen Schönheit, auch wenn die heutigen Umstände nicht mit den früheren zu vergleichen sind. Wie hätte man voraussehen können, daß hier eine Quelle des christlichen Lebens versiegt, daß die missionarische Beseelung erlöscht, wo doch der Heilige Geist gestern wie heute derselbe ist? Im Gegenteil, die Zeit ist jetzt angebrochen, mit der zweiten Evangelisierung zu beginnen, die ihr wünscht und zu der ihr aufruft. 3. In eurem eigenen Land seid ihr in der Tat mit der Notwendigkeit einer neuen Evangelisierung konfrontiert. Die Aufgabe mag neu und schwieriger als je zuvor erscheinen. Die Realitäten der pluralistischen Gesellschaft, der Säkularisierung, des Laizismus, der Distanz gegenüber den religiösen Institutionen, der religiösen Gleichgültigkeit oder gar des Atheismus stellen Herausforderungen dar, die einige eurer Priester und Gläubigen entmutigen. Ich weiß, daß ihr Bischöfe nüchtern, wachsam, erfinderisch bleiben wollt, ohne auf irgendeine Weise vor diesen Herausforderungen zu kapitulieren. Nüchtern, d. h. den Tatsachen ins Auge zu blicken, den Untersuchungen und Statistiken entsprechend, und vor allem sich der Ursachen einer größeren Schwierigkeit bewußt zu werden, an einen persönlichen Gott zu glauben, für die unverkürzte christliche Botschaft und die aus ihr folgen- 665 REISEN den ethischen Konsequenzen einzutreten, ein objektives persönliches Bewußtsein zu formen, die Heiligkeit der Liebe und des menschlichen Lebens zu respektieren, an die Kinder den Glauben und die Taufe weiterzugeben, regelmäßig die Sakramente der Eucharistie und der Buße zu empfangen und sein Leben ausschließlich in den Dienst des Herrn und der Kirche zu stellen. Als Erklärung könnte man anführen, daß es in der Gesellschaft und gleichzeitig in den Lebensauffassungen Veränderungen gibt, die offensichtlich sind. Die verschiedensten Gedankenströmungen üben manchmal ohne Vorbereitung auf die Jugendlichen und Erwachsenen einen starken Druck aus. Die Konsumgesellschaft und der Hedonismus beschränken -in der Mehrzahl der reichen und freiheitlichen westlichen Länder - die Perspektive auf das Materielle und gewöhnen die Menschen daran, jede Mühe zu scheuen. In scheinbarem Gegensatz dazu tragen gewisse Arbeitsrhythmen, vor allem bei Frauen, gewisse Entwurzelungen, die Wohnungsnot und der große Mangel an Arbeitsplätzen zur Verringerung der Glaubenstreue und -praxis bei. Aber unsere Aufmerksamkeit darf sich nicht auf diese Elemente beschränken, die eher Ursachen als mehr oder weniger ungünstige Bedingungen sind; in gewissem Sinn sind sie eigentlich nicht schwerer als die Schwierigkeiten, mit denen die Evangelisierenden der vergangenen Jahrhunderte konfrontiert waren, oder die Hindernisse, die heute andere Kirchen in der ganzen Welt, vor allem die, die unfrei und mittellos sind, kennen. Wir wollen vielmehr auf die spirituellen Ursachen eingehen, die aus dem Innern des Menschen oder der Familien und namentlich vom Mangel an Glauben, Kraft, Bildung und kirchlicher Unterstützung herrühren. Diese Krise ist bedeutend und tief. Heute ist die Versuchung groß, Gott im Namen des eigenen Menschseins abzulehnen. Und die Säkularisierung, die an sich nur ein Aspekt der legitimen Unterscheidung zwischen Weltlichem und Geistlichem sein könnte (vgl. Gaudium et spes, Nr. 36), ist in dem Maße bedenklich, indem sie die Kirche selbst, sogar das priesterliche und religiöse Leben, antastet. Das Zweite Vatikanische Konzil hat der Kirche die Grundprinzipien und die Mittel gegeben, eine angemessene geistliche Erneuerung durchzuführen. Aber weil sie falsch in Angriff genommen, falsch verstanden und falsch angewandt wurde, hat dies hier und da zu Verwirrungen und zur Uneinigkeit geführt, so daß ein Verfall des Religiösen unumgänglich war. Statt nur über die schwierigen Bedingungen zu klagen, sollten wir eher etwas gegen die Unzulänglichkeiten der Christen im Geistlichen unternehmen: anders ausgedrückt, an der Gestal- 666 REISEN tung ihres Glaubens arbeiten und allen Zeitgenossen den Glauben verkündigen. Und da der Mensch kein isoliertes Individuum ist, sondern in einem Netz sozialer Einflüsse gefangen ist, die durch die Medien noch verstärkt werden, müssen wir das christliche Gesicht der Gesellschaft wiederherstellen. Ein dreifacher Auftrag: lehren, heiligen, verwalten 4. Die Wiederherstellung dieses Gesichts zu wünschen, bedeutet unter anderem, an die verschiedenen christlichen Organisationen zu erinnern. Ich weiß, daß sie in eurem Land, im Rahmen der von der Verfassung anerkannten Freiheiten, zahlreich und stark sind. Sie sind der normale Ausdruck einer lebendigen und freien Kirche. Diese Institutionen haben es nicht nur ermöglicht, den Glauben der Katholiken gemäß den Anforderungen ihres Gewissens zu stützen, sondern sie waren ein Mittel, der Gesellschaft ihr Zeugnis und ihren Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten, zum Beispiel in den Bereichen des Unterrichts- und des Gesundheitswesens, der gegenseitigen Hilfe. Sie behalten weiterhin ihre Existenzberechtigung durch die Achtung und Wertschätzung anderer Initiativen, anderer sozialer Gruppen, durch die Zurückweisung jeglicher Konkurrenz, jeglichen Sektierertums oder Getto Verhaltens. Die Harmonie dieser besonderen Beziehungen ist eine Bereicherung für eine Gesellschaft, die die rechte Vorstellung vom Gemeinwohl mit der freien Beteiligung jedes einzelnen hat. Auf jeden Fall ziehen die katholischen Organisationen keine Trennlinien zwischen den Christen und den anderen. Für die Christen ist es ein Herzensanliegen, auch in anderen, nichtkonfessionellen Organisationen Zeugnis zu geben und zu wirken. Mögen die einen wie die anderen für das Sorge tragen, was ehrenhaft und wahr ist, die Freundüchkeit, den Geist der Brüderlichkeit und der Zusammenarbeit, sagen wir, die Liebe, die für das Leben einer Gesellschaft notwendig ist und die man von den Jüngern Jesu stets erwartet. Aber wesentlich ist es - wie wir bereits gesagt haben -, echte Christen heranzubilden und sie mit allen Mitteln zu unterstützen. In diesem Zusammenhang möchte ich mit euch den dreifachen Auftrag betrachten, den wir mit unserer bischöflichen Weihe erhalten haben: unterweisen, heiligen, verwalten. Ich weiß, daß ihr euch dessen sehr wohl bewußt seid; ich selbst habe den Eifer vieler belgischer Bischöfe der Vergangenheit und der Gegenwart bewundert. Ich denke vor allem an eure Mitarbeiter, die 667 REISEN zusammen mit euch Lehrer des Glaubens, Verwalter des heiligen Geheimnisses, Hirten sein sollen. 5. Unsere erste bischöfliche Aufgabe ist die Glaubensunterweisung (vgl. Lumen gentium, Nr. 25; Dekret Christus Dominus, Nr. 12—24). „Predigt rechtzeitig und gegen die Zeit, ermahnt mit unermüdlicher Geduld und mit der Sorge zu lehren“, wie der konsekrierende Bischof in Erinnerung an den hl. Paulus zu uns gesagt hat. Es liegt nicht in unserer Macht, die Anhänglichkeit zu bewirken, die von vielen günstigen und ungünstigen Bedingungen von der persönlichen Freiheit und der Gnade Gottes abhängig ist. Aber dennoch müssen wir „Herolde des Glaubens“, „echte Lehrer“, „Seelenführer“ sein, damit die Wahrheit des Evangeliums klar und überzeugend erscheint. Laßt uns nicht vergessen, daß uns das Evangelienbuch während unserer Weihe auf das Haupt gelegt wurde. Es handelt sich gleichzeitig darum, das Kerygma - das Wesentliche der Botschaft, die diejenigen zum Glauben ruft, die noch am Anfang stehen, und diese sind heute sehr zahlreich - zu verkündigen, aber auch sich in das volle Geheimnis Christi und die Kenntnis der gesamten kirchlichen Lehre zu vertiefen, dort Neues und Altes herauszulesen unter Berücksichtigung der Identität des uns Anvertrauten und unter Beantwortung der Fragen der heutigen Mentalität, mit den uns zur Verfügung gestellten modernen Mitteln. „Eine theozentrische Perspektive geben“ Die Lehre ist Heilslehre. Es handelt sich um einen großen messianischen Plan für den Menschen mit seinen ethischen Implikationen, seinen sozialen Konsequenzen für die Person, die Familie, die Gesellschaft, für die Gerechtigkeit und den Frieden usw. (vgl. Christus Dominus, Nr. 12). Aber unsere für diese Dimension empfänglichen Zeitgenossen bringen die Moral nicht immer mit einem persönlichen Gott in Verbindung; sie trennen leicht die Gebote gegenüber dem Nächsten von den Geboten gegenüber Gott. Wir müssen ihnen eine theozentrische Perspektive geben, da sich unser christlicher Humanismus auf Gott, den Schöpfer und Erlöser, stützt. Alle irdischen Realitäten sind zum Heil des Menschen bestimmt. In Rom habe ich euch aufgefordert, vor Ort selbst Bischof und Theologe zu sein in Zusammenarbeit mit den Berufstheologen, die methodisch den Inhalt des Glaubens erforschen, ohne ein paralleles Lehramt zu bilden, denn sie lehren aufgrund der Aufgabe, die ihnen vom legitimen Lehramt 668 REISEN zugeteilt worden ist (vgl. Pius XII., AAS 1954, S. 314-315). Es gibt nur ein Lehramt, das den mit Petrus verbundenen Aposteln und ihren Nachfolgern anvertraut worden ist. Möget ihr zusammen mit diesen Theologen Förderer des Glaubensverständnisses sein. Es gibt Irrtümer, die man beim Namen nennen muß; es gibt neue Angebote des Glaubens, die man vertiefen muß. Ich weiß, daß ihr eurerseits eure Kräfte dem Dienst des Wortes in den Predigten und den verschiedenen Unterweisungen, den Hirtenbriefen, den öffentlichen Erklärungen und den zahlreichen Treffen mit euren Christen widmet. Aber das Problem besteht darin, allen Christen eine gründliche Glaubenserziehung zu vermitteln und infolgedessen euren Priestern, euren Ordensmännern und -frauen, euren christlichen Lehrern, euren zahlreichen Laienkatecheten zu helfen, echte Glaubenserzieher zu sein. Achtet darauf, ihnen eine solide, anspruchsvolle, vollständige Ausbildung in der Kirchenlehre zu geben; bei ihnen eine große Treue gegenüber dem authentischen Lehramt hervorzurufen, denn sie müssen den erhaltenen Glauben mit der Liebe der Kirche und einem klugen Eifer vermitteln, um den Glauben anzubieten, nach dem zu leben sie sich selbst bemühen. Möge die Katechese auf allen Ebenen gepflegt werden: Katechese für Kinder, in der Schule, in der Vorbereitung auf die Sakramente, für Heranwachsende und für Erwachsene. Man kann somit hoffen, daß diese Christen die hinreichende Reife besitzen, nicht mehr von den verschiedenen Lehren hin- und hergerissen zu werden, sondern Zeugen Christi zu sein und selbst mit den getrennten Brüdern, mit denen, die auf der Suche sind, und mit den Nichtglaubenden einen „Dialog des Heils“ mit Vernunft und Liebe, Wahrheit und Güte zu eröffnen (vgl. Christus Dominus, Nr. 13). 6. Wir haben gleichzeitig die Aufgabe, das uns anvertraute Volk zu heiligen. Schon das Wort Gottes heiligt es in der Wahrheit (vgl. Joh 17,17). Aber man muß dieses Volk unterweisen, indem man es auffordert, zu beten und die Sakramente in rechter Weise zu empfangen. Uns selbst hat der konsekrierende Bischof gesagt: „Legt Fürbitte ein im Gebet und im Opfer.“ Die Gnaden der Bekehrung, der Erneuerung und der Heiligkeit gehören einer anderen Ordnung an als unsere Methoden des Apostolats; sie werden nur einer betenden Kirche gegeben. Viele Jugendbewegungen haben übrigens die Notwendigkeit des Gebets erkannt; diejenigen aber, die sich von ihrem sozialen Engagement voll vereinnahmen lassen und das Gebet nicht pflegen, laufen Gefahr, ihren christlichen Charakter und ihre wahre Wirksamkeit zu verlieren. Die 669 REISEN Kontemplation und die Anbetung müssen ihren Platz im Leben des christlichen Volkes wiedererlangen. Euren Mitarbeitern, Priestern und Ordensleuten wird es ein Herzensanliegen sein, Zeugen und Lehrer des Gebets zu sein. Unsere Christen müssen auch die große Bedeutung der Sakramente erfassen. Wir haben wenig Gelegenheit während dieser Reise, die dem wesentlichen Thema des Vaterunsers gewidmet ist, darüber zu sprechen. Laßt uns den Eltern die außerordentliche Gnade der Taufe ihrer Kinder verständlich machen, die sie natürlich dazu verpflichtet, die christliche Erziehung zu gewährleisten. Die Tatsache, daß die Taufe und die Glaubenserziehung in einigen Familien vernachlässigt werden, ist ein besorgniserregendes Zeichen. Ich kenne anderseits die mutige Pastoralarbeit, die ihr entwickelt, um die Firmlinge darauf vorzubereiten, ihren Glauben zu bekennen und, ausgerüstet mit den Gaben des Heiligen Geistes, ihren Platz in der Kirche einzunehmen. Die Bedeutung des Sonntags, des Tages des Herrn, des Tages der sonntäglichen Eucharistiefeier, und die große Notwendigkeit, sich um den Leib des Herrn zu versammeln, um wirklich nach seinem Leben zu leben, müssen vielleicht Gegenstand einer intensiveren, deutlicheren Katechese sein, damit die Gläubigen und vor allem die Jugendlichen nicht zu der Einschätzung gelangen, daß es dabei um eine zweitrangige, unverbindliche Handlung geht, die man lediglich vollzieht, wenn man den Wunsch oder das Bedürfnis danach hat. Und laßt uns gleichzeitig darüberwachen, daß diese Feiern würdig, lebendig, andächtig und allen zugänglich sein mögen in der Achtung vor dem Geheimnis des Glaubens. Hat Belgien nicht einen bemerkenswerten Beitrag zur liturgischen Bewegung geleistet? Das Konzil hat im übrigen die Bischöfe daran erinnert, daß sie „die Leitung, Förderung und Aufsicht des gesamten liturgischen Lebens . . . innehaben“ (Christus Dominus, Nr. 15). Was das Sakrament der Buße oder der Versöhnung angeht, bedarf es noch vieler Bemühungen, um dessen Reichweite und Notwendigkeit verständlich zu machen, indem man den Sinn für Gott und den Sinn für die Sünde erneuert. Dazu habe ich die Überlegungen der Synodenväter und meine in dem euch bekannten Aufruf zum Ausdruck gebracht. Das persönliche Handeln, die persönliche Beichte und die persönliche Absolution bleiben - soweit möglich, auf gemeinschaftlicher Ebene vorbereitet -weiterhin der übliche Weg. Ich weiß, daß diese Pastoral auf viele Hindernisse, Vorurteile und entgegengesetzte Praxis stößt. Dennoch werden die Gläubigen nur um diesen Preis vor Gott in der Wahrheit sein; d. h. im 670 REISEN Zustand der Bekehrung. Laßt uns unsere Priester an den Platz erinnern, den sie dem Dienst der Vergebung einräumen müssen. 7. Schließlich hat der Herr uns aufgefordert, das Volk Gottes zu führen, genau wie der Gute Hirte. Der Gute Hirte ist derjenige, der vorangeht, der den Weg weist, der die Fallen sieht, der die Herde zu dem führt, was für sie wirklich Nahrung ist. Er liebt seine Schafe, kennt sie gut und steht ihnen in der Not zur Seite. Mitten unter ihnen steht er im Dienst der Wahrheit. Er ist wie ein Vater mit der Autorität, die ihm sein Amt verleiht, bedacht; er ist wie ein Stellvertreter und ein Gesandter Christi. Er steht im Dienst der Liebe und des Erbarmens, und zwar in der Wahrheit, wie ein Bruder. Er steht im Dienst der Gemeinschaft. Der Bischof ist ein Friedensstifter Die Sorge um die Einheit stellt einen besonders wichtigen Teil des Amtes eines Bischofs dar. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben nicht alle Gläubige denselben Rhythmus gefunden. Manche sind aus Nostalgie oder Ungeduld unzufrieden. Andere streiten untereinander aus Gründen, die mit ihrer sozialen Herkunft, mit Methoden des Apostolats oder mit kulturellen Unterschieden verbunden sind. Der Auftrag des Bischofs besteht darin, die legitimen Motive der Uneinigkeit oder des Ärgernisses zu beseitigen und seine Diözesanen zu lehren, wie man einander unter Berücksichtigung der Verschiedenheiten schätzt und liebt, wie man sich gegenseitig versteht, akzeptiert und wie man in gegenseitiger Ergänzung zusammenarbeitet. Der Bischof selbst muß vermeiden, daß einzelne Gruppen das Apostolat auf eine ausschließliche Weise ausüben. Denn das Apostolat richtet sich an alle, und alle können daran beteiligt sein. Man kann unterschiedliche Einstellungen dazu haben. Der Bischof ist der Hirte des ganzen Volkes. Er ist ein Friedensstifter. Wo Mißtrauen, Uneinigkeit oder Bruch drohen, steht er im Dienst der Einheit, denn er verkündigt die Liebe und eint das christliche Volk um die grundlegenden Realitäten des Glaubens in der Wahrheit. Meine lieben Brüder, diese Einheit wollt ihr an erster Stelle mit Herz und Seele untereinander erleben, d. h. innerhalb der Bischofskonferenz. Und zwar trotz der Verschiedenheit der Probleme, der Sprachen und der Kulturen. Dieses Zeugnis ist für die Kirche und das Land von großer Bedeutung. Eure Kollegialität der Gefühle und der Taten umfaßt schließlich und 671 REISEN notwendigerweise auch die weitgehende Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl. Es handelt sich dabei nicht nur um ein Gefühl der Verbundenheit. Ich weiß, daß der belgische Episkopat in dieser Hinsicht auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Es handelt sich auch um eine gemeinsame Sorge um die universale Kirche und eine Zustimmung zu den Entscheidungen und Orientierungen: „Alle Bischöfe müssen nämlich die Glaubenseinheit und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin fördern und schützen sowie die Gläubigen anleiten zur Liebe zum ganzen mystischen Leib Christi“ (Lumen gentium, Nr. 23). 8. Indem ich diese Worte ausgesprochen habe, meine lieben Brüder, habe ich auch an eure Priester gedacht. Abgesehen von der Messe in Beauraing, werde ich keine besondere Gelegenheit haben, mich mit ihnen zu treffen. Bringt ihnen meine Zuneigung, mein Vertrauen und meine Hoffnung zum Ausdruck. Als ich an die Erfordernisse des Priestertums erinnert habe - im Zusammenhang mit der dreifachen Sendung des Bischofs -, habe ich es wegen der Wahrheit ihrer Berufung und zum Wohl des Gottesvolkes getan, das - vor allem die Jugend - so sehr mit ihrer Unterstützung als ihre geistlichen Väter rechnet! Mögen sie sich von Theorien distanzieren, die zu einer bestimmten Zeit versucht haben, ihre einzigartige Identität als Priester in den Schatten zu stellen! Mögen sie nicht zulassen, daß ihr Priestertum auf ein bloßes Amt beschränkt wird mit der Begründung, daß die Laien zu vielen Diensten in der Kirche berufen sind. Die Laien selbst können ihre eigene Aufgabe in angemessener Weise nur erfüllen dadurch, daß sie mit den Priestern Zusammenarbeiten, deren ganzes Leben, deren ganzes Wesen - Leib, Herz und Seele -dem Herrn und seiner Sendung gewidmet sind. Verantwortung für das Priesterseminar Ich weiß, daß ihr darauf besteht, ihnen eure Zuneigung zu zeigen und ihnen wie Söhnen und Freunden zur Seite zu stehen. Ich hoffe, daß auch sie euch gegenüber bereitwillig sind, wie es erforderlich ist, um auf kohärente Weise im Dienst des Volkes Gottes zu stehen, denn euch wurde die Leitung der Pastoralarbeit anvertraut. Ich habe gemerkt, daß ihr viele ständige Diakone habt. Das freut mich. Ein großes Problem bleibt aber der Priesternachwuchs, die Förderung neuer Berufungen, die Ausbildung von Seminaristen und Priestern. Wir haben uns während des Ad-limina-Besuchs schon über dieses Thema unterhalten. Ich ermutige euch in allem, was ihr für die Berufung von 672 REISEN Erwachsenen tut; vergeßt aber nicht, daß die Berufung zum Priestertum oft schon in der Kindheit beginnt. Habt keine Angst, Menschen zu berufen! Alle Bistümer eures Landes haben ein eigenes Seminar, und das ist auch gut so. Ihr tragt an erster Stelle die größte Verantwortung dafür, daß in jedem Seminar die Bedingungen, die für das geistliche Leben, die Ausbildung in der Lehre, den pastoralen Sinn und das Gemeinschaftsleben erforderlich sind, geschaffen werden. Wir müssen uns natürlich in demselben Maße für Berufungen zum Ordensleben einsetzen. Wir wissen alle, daß viele junge Männer und Frauen die Fähigkeit haben, sich mit Freude der Liebe des Herrn hinzugeben und in Dienst seiner Kirche zu leben, deren dringende Nöte sie gespürt haben. Wie hat sich die belgische Kirche in der Hinsicht ausgezeichnet! Was fehlt noch, damit diese Berufungen sich entfalten und völlig zur Reife kommen? Wir werden alle dafür beten. 9. Ich weiß, wie wichtig auch andere pastorale Themen für euch sind: die Zusammenarbeit zwischen Priestern und Laien, die Rolle der Laien, Männer und Frauen, bei der Evangelisierung, Kind und Familie, die Katechese, die Erneuerung der katholischen Institutionen, Christen und Wirtschaftskrise, die Sendung der Missionare ins Ausland. Es handelt sich ohne Zweifel um schwerwiegende Probleme. Ich denke dabei vor allem an die Familie. Als ich auf dem Weg von Polen nach Rom Kardinal Cardijn begegnete, sagte er mir: „Richte alle Deine Bemühungen auf die Bildung christlicher Familien.“ Das ist auch eindeutig Gegenstand eurer Sorge. Die Begegnungen, die im ganzen Land vorgesehen sind, namentlich mit den Laien, der Jugend und den Missionaren, erlauben es mir, diese Fragen mit euch ausführlich zu besprechen. Weitere Fragen sind Gegenstand einer besonderen Reflexion und eurer Suche nach angemessenen pastoralen Methoden. Wir haben uns erneut mit unseren wesentlichen Aufgaben als Bischöfe befaßt. Der Heilige Geist stehe euch mit seinem Licht und seiner Kraft zur Seite! Er helfe euch, euer christliches Volk in aller Hoffnung zu einem reiferen Glauben und zu einem neuen missionarischen Elan zu führen! 673 REISEN „Ihr kennt die Wege der Treue“ Predigt bei der Messe in Beauraing am 18. Mai 1. „Amen, Amen, ich sage euch: Was ihr vom Vater erbitten werdet, das wird er euch in meinem Namen geben“ (Joh 16,23). Das sind, liebe Brüder und Schwestern, die Worte, die wir soeben in der Liturgie gehört haben. Christus hat sie am Vorabend seiner Passion zu den Aposteln im Hinblick auf seinen Abschied, die Himmelfahrt, gesagt. „Vom Vater bin ich ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater“ (Joh 16, 28). In dieser Perspektive wird der Aufruf Christi besonders deutlich. Mit aller Inbrunst seines Herzens fordert Christus zum Gebet auf, mehr noch, er bittet uns zu beten, er besteht darauf. Diesmal spricht er nicht mehr in Gleichnissen, sondern direkt: zu den Aposteln spricht er offen vom Vater (vgl. Joh 16,25). Zum Gebet auffordern heißt in der Tat in besonderer Weise vom Vater sprechen, denn es bedeutet: „Der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich geliebt und mir geglaubt habt, daß ich von Gott ausgegangen bin“ {Joh 16,27). Ja, der Zugang zum Vater ist weit geöffnet worden. Deshalb „bittet, und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen ist“ {Joh 16,24). 2. Nach der Himmelfahrt des Herrn kehrt die gesamte Kirche in den Abendmahlssaal zurück, um betend auf das Herabkommen des Heiligen Geistes am Pfingsttag zu warten. Zu diesem Zeitpunkt kommen wir nach Beauraing. Wir kommen hierher, um einmütig im Gebet zu verharren wie die Apostel mit Maria, der Mutter des Herrn (vgl. Apg 1,14). Seit mehr als fünfzig Jahren ist dieser Ort ein bedeutender Marienwallfahrtsort für ganz Belgien und die Nachbarländer geworden; ein bevorzugter Ort des Gebetes und der Erneuerung, wo die Gläubigen auf besondere Weise die Anwesenheit Mariens, der makellosen Jungfrau, der Königin des Himmels, empfinden und ihre mächtige Fürsprache für die Bekehrung der Sünder erfahren. Zur Aufnahme der Wallfahrer habt ihr dieses Heiligtum unter freiem Himmel mit dem Standbild Mariens ausgestattet und eine Kapelle gebaut, deren Steine Zeugnis geben vom Ursprung des Wallfahrtsortes. Dann habt ihr eine große Kirche gebaut, ihr habt Aufnahmeräume für die Kranken, das Exerzitienhaus Castel Sainte-Marie und einen Ort der Beschauung, des Gebets, geschaffen. Das alles freut mich, denn durch eure Glaubenshaltung und eure gemeinsamen Gebete wird die Jungfrau 674 REISEN Maria verehrt. Und mit ihr werden ihr göttlicher Sohn, Gott Vater und der Heilige Geist verherrlicht. Auf diese Weise nähert sich die Kirche noch mehr der Quelle des Heils. Marienverehrung wichtig Es ist gut, daß jede Region im Einvernehmen mit den verantwortlichen Bischöfen ein oder mehrere aus einem besonderen Anlaß errichtete Marienheiligtümer besitzt. So verwirklicht sich die im katholischen Glauben so wichtige Marienverehrung, die im Zweiten Vatikanischen Konzil am Höhepunkt der Konstitution über die Kirche in helles Licht gerückt worden ist. Maria hat „beim Werk des Erlösers in durchaus einzigartiger Weise in Gehorsam, Glaube, Hoffnung und brennender Liebe mitgewirkt zur Wiederherstellung des übernatürlichen Lebens der Seelen. Deshalb ist sie uns in der Ordnung der Gnade Mutter ... In den Himmel aufgenommen, hat sie diesen heilbringenden Auftrag nicht aufgegeben, sondern fährt durch ihre vielfältige Fürbitte fort, uns die Gaben des ewigen Heils zu erwirken (Lumen gentium, Nr. 61,62). Wenn sie die Aufmerksamkeit ihrer Kinder an manchen Orten und zu bestimmten Zeitpunkten durch Vorfälle, deren Interpretation dem Urteil des Lehramts der Kirche unterworfen sind, auf besondere Weise auf sich zieht, ist die Muttergottes ständig in der Sendung Christi und der Kirche gegenwärtig. Das Heiligtum, Ort des ununterbrochenen Gebets mit Maria, bewirkt, daß dort auf eine besondere Weise diese Gegenwart spürbar wird. 3. Welches Gebet spricht die Kirche, die im Abendmahlssaal in Jerusalem Gestalt annimmt? Die heutige Liturgie lehrt uns, daß die Kirche vor allem dankt: „Wir danken dir, Herr, Gott und Herrscher über die ganze Schöpfung, der du bist und der du warst; denn du hast deine große Macht in Anspruch genommen und die Herrschaft angetreten“ (Offb 11,17). Die Kirche dankt für das messianische Ostergeheimnis; sie dankt für das Kreuz, durch das Christus den Sieg errungen hat; und sie dankt für die Auferstehung - in ihr hat Christus die Macht Gottes über den Tod geoffenbart und endgültig seine Herrschaft in der Geschichte des Menschen und der Welt angetreten. Die Kirche dankt für das Erlösungswerk: „Jetzt ist er da, der rettende Sieg, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Vollmacht seines Gesalbten“ (Offb 12,10). Die Kirche dankt für die Rechtfertigung des Menschen vor Gott, „denn 675 REISEN gestürzt wurde der Ankläger unserer Brüder, der sie bei Tag und bei Nacht vor unserem Gott verklagte“ (Offb 12,10). Durch sein Kreuz und seine Auferstehung hat Christus den Menschen gerechtfertigt, den Satan nicht aufhörte - und nicht aufhört - „anzuklagen“, indem er über ihn die Gewalt seiner Abtrünnigkeit, das Geheimnis des Bösen und die Herrschaft der Sünde ausbreitet. So haben also die Menschen, die Söhne Adams, „ihn besiegt durch das Blut des Lammes und durch ihr Wort und Zeugnis; sie hielten ihr Leben nicht fest, bis hinein in den Tod“ (Offb 12,11). Die Kirche dankt für die Fortdauer des apostolischen Zeugnisses durch die Generationen hindurch. In dieser Gebetsgemeinschaft mit Maria verbunden, danken auch wir der Mutter der Kirche in Beauraing, in Belgien. Wir erinnern uns der Treue und des Mutes so vieler Gläubiger auf der Welt, durch Jahrhunderte hindurch. Die Berufung - ein Geschenk Gottes 4. Vereint im Gebet, spricht die Kirche gleichzeitig eine Bitte aus. Worum bittet sie? Sicher bat sie in diesen Tagen im Abendmahlssaal in Jerusalem darum, als Kirche Gestalt annehmen zu können, aus dem Heiligen Geist geboren werden zu können. Und worum bittet sie heute, hier in Beauraing? Worum sollte sie bitten? Ich denke, daß sie um dasselbe bittet - bitten sollte. Tatsächlich ist die Kirche aus dem Kreuz Christi und dem Heiligen Geist geboren. Unaufhörlich, in allen Generationen, an jedem Ort, in jeder Nation. Sie lebt durch die Kraft, die sie ins Dasein gerufen hat. Sie erblüht, sie entwickelt sich in den verschiedenen Epochen. Unaufhörlich ist sie bemüht, „die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden ... ein Leib und ein Geist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alle und in allem ist“ (Eph 4,3-6). Die Kirche bemüht sich unaufhörlich, diese Einheit zu wahren. Die Einheit, die sie von Gott erhalten hat, für die sie mit immer größerem Eifer betet. 5. Sie betet im Namen dieser „einen Hoffnung“, zu der wir berufen wurden. Im Namen der Hoffnung, die uns durch unsere Berufung geschenkt ist (vgl. Eph 4,4). Wo Hoffnung ist, nimmt auch das Gebet seinen Anfang. Wo gebetet wird, wird auch die Hoffnung wiederbelebt. 676 REISEN Der Inhalt dieser Hoffnung und des Gebets ist unsere Berufung in Jesus Christus, unsere christliche Berufung. Das jüngste Konzil hat eine enge Verbindung zwischen der „Sache der Kirche“ und der „Sache der Berufung“ hergestellt. Wenn wir heute, am Ende des 2. Jahrtausends nach Christus, den Erfordernissen unserer heutigen Zeit entsprechend und gemäß unserer einzigartigen Hoffnung, die unserer christlichen Berufung entspringt, um eine Wiederbelebung der Kirche in diesem Lande beten, beten wir auch darum, daß viele Berufungen geweckt werden. 6. „Aber jeder von uns empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat, . . . um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,78.12). In der Kirche sind alle Christgläubigen, die durch die Taufe Christus einverleibt sind, zum Volk Gottes gemacht worden und des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi teilhaftig. Sie sind alle zur Heiligkeit berufen und üben alle für ihren Teil die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt aus (vgl. Lumen gentium, Nr. 31,39). Aber die einzelnen Berufungen sind verschiedener Art. Der Heilige Geist „teilt den einzelnen, wie er will. . . seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden. Durch diese macht er sie geeignet und bereit, für die Erneuerung und den vollen Aufbau der Kirche verschiedene Werke und Dienste zu übernehmen“ (Lumen gentium, Nr. 12). In Belgien habe ich dreimal, in Antwerpen, in Laeken und in Lüttich, die Gelegenheit, zu den Laien über ihre christliche Sendung in Kirche und Welt zu sprechen. Heute konzentriert sich unsere Aufmerksamkeit besonders auf die Berufung zum Priestertum und Ordensstand. 7. Ja, mit größer Freude und Zuneigung begrüße ich hier neben den Bischöfen Belgiens zahlreiche Priester, Diakone, Seminaristen, Ordensleute, Mitglieder apostolischer und missionarischer Institute, Mitglieder weltlicher Einrichtungen. Liebe Freunde, ich lade euch zuerst ein, Gott zu danken. Er hat euch ein unvergleichliches Geschenk gemacht, indem er euch berufen hat, alles zu verlassen, um ihm auf diese Art zu folgen. Dieser Anruf ist sicher auf verschiedene Weise an euch ergangen; es ist das Geheimnis jedes einzelnen; dann hat ihn die Kirche bestätigt. Behaltet die Wohltaten des Herrn 677 REISEN in Erinnerung, und bleibt auf dem Weg der Hoffnung. Der Herr schenkt seine Gaben ohne Vorbehalt. Im Priester- und Ordensleben begegnet ihr natürlich dem Kreuz, wie Christus, wie Maria. Ihr leidet unter den Hindernissen, auf die das Evangelium stößt, und seid doch dazu berufen, es der Welt zu predigen; ihr leidet auch unter eurer Müdigkeit, euren Grenzen und manchmal unter euren Schwächen. Aber blickt mit Vertrauen auf den, der euch gerufen hat, der bei euch bleibt, der in euch und durch euch wirkt. Dankt dem Heiligen Geist. Freut euch, Christus so nahe und der Kirche so nützlich zu sein. Selbst wenn ihr oft die Ergebnisse eures Dienstes nicht sichtbar erkennen könnt, freut euch, wie Jesus seinen Aposteln sagte, daß eure Namen im Himmel verzeichnet sind (vgl. Lk 10,20). Wenn ihr treu seid, werdet ihr immer den Frieden Christi finden. Diese Worte Jesu an seine Apostel richten sich speziell an euch: „Der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich liebt“ (Joh 16,27). Ihr kennt die Wege der Treue. Stellt das Gebet in den Mittelpunkt eures Lebens. Lebt in enger Verbundenheit mit Christus. Lebt all eure Begegnungen oder Tätigkeiten eures Apostolates mit ihm. Bleibt eng miteinander verbunden, damit keinem von euch der brüderliche Beistand mangle. <125> <126> <125> Vor allem aber facht die Gabe, die ihr bekommen habt, neu an. Stellt eure Identität im Volk Gottes nicht in Frage. Haltet demütig, aber unerschütterlich an einem lebendigen Bewußtsein eurer Berufung fest, denn sie ist ein Geschenk Gottes. Die Laien brauchen eure Treue zu eurer Berufung. Für euch und für sie rufe ich diese mit einem Wort in Erinnerung. Liebe Priester, ihr wißt, wie unentbehrlich euer Dienst in der Kirche ist: Ihr arbeitet am bischöflichen Dienst mit, um auf eine besondere Art teilzuhaben an dem Auftrag Christi, des einzigen Vermittlers, Haupt der Kirche, um in seinem Namen zum übernatürlichen Wohl aller Getauften, die Glieder seines Leibes sind, zu handeln (vgl. Lumen gentium, Nr. 28). Der Apostel Paulus schrieb an die Epheser: „Er gab den einen das Apostelamt, andere setzte er als Propheten ein, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer“ (Eph 4,11). Ihr verkündet das Wort Gottes, ihr heiligt die Gläubigen durch die Sakramente; den Guten Hirten nachahmend, versammelt und führt ihr sie, besorgt, daß sich kein Schaf durch eure Nachlässigkeit verirrt. Dieses heilige Amt erfordert nicht nur einige Augenblicke eures Lebens, einige Gesten, sondern verlangt die Hingabe eurer ganzen Persönlichkeit, eures Lebens, eurer Liebe, an Jesus Christus. Dieses Geheimnis ist groß! 678 REISEN 9. Und ihr, liebe Ordensleute, habt alles verlassen, um Christus nach den evangelischen Räten zu folgen. Ihr habt einen geeigneten Stand gewählt, der es euch ermöglicht, diese Räte täglich zu verwirklichen. Der Ordensstand ist unzertrennlich mit dem Leben und der Heiligkeit der Kirche verbunden. In einer Welt, die verschiedenartige Abhängigkeiten kennt oder sich mit nebensächlichen Reichtümern belastet, könnt ihr den Radikalismus des Evangeliums, seine Freiheit, den Gehorsam und die Armut Christi kundtun. In einer Welt, die dem Gegenwärtigen verbunden ist, die ihren Horizont auf irdische Realitäten begrenzt, die sich an ihren eigenen Errungenschaften berauscht oder, im Gegenteil, verzweifelt, verkündet ihr die künftige Herrschaft Gottes. In einer Welt, die zweifelt oder sich Gott fern glaubt, zeigt ihr, daß Gott es wert ist, für sich selbst, unentgeltlich, geliebt zu werden. Von nun an weiht ihr ihm auf eine besondere Art alle Gaben eures Herzens. Ihr seid frei für das Gebet im Herzen der Kirche oder für die verschiedenartigen Dienste an den christlichen Gemeinschaften, die eine weitgehende Bereitschaft verlangen. Ich denke gleichzeitig an alle diejenigen, die in Säkularinstituten ihr Leben Gott weihen. Das Verhalten ist entscheidend Das Konzil versicherte, daß das Zeugnis des Ordenslebens einen wirksamen Einfluß auf die mutige Erfüllung der Aufgaben der christlichen Berufung ausüben kann und muß (vgl. Lumen gentium, Nr. 44). Ich fordere alle hier versammelten Christen, alle Christen Belgiens, dazu auf, eure Priester- und Ordensberufung zu ehren, für sie zu danken, euch zu unterstützen und für euch zu beten. Man kann sich eine Kirche ohne Priester tatsächlich nicht vorstellen. Und eine Kirche ohne Ordensleute wäre einer gewaltigen Zeugniskraft beraubt. <127> <127> „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“ (Lk 10,2). Die Berufungen liegen mir sehr am Herzen. Wie können wir sie fördern? Der Apostel Paulus sagte: „Ich, der ich um des Herrn willen im Gefängnis bin, ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging“ {Eph 4,1). Ich möchte euch diese Ermahnung wiederholen: Das Verhalten, das eurer Berufung als Christen, Priester, Ordensleute entspricht, wird neue Berufungen hervorgehen lassen. Dieses Verhalten bildet eine ständige Grund- 679 REISEN läge für das Gebet: es bereitet es vor, es findet im Gebet seine Entfaltung; und umgekehrt ruft das Gebet dieses Verhalten hervor. Priester- und Ordensberufe setzen in den Familien und kirchlichen Gemeinschaften ein Klima christlichen Lebens, das Nachdenken über das Evangelium und ein transparentes Zeugnis voraus. Den reichen Jüngling hat Christus zuerst gefragt, ob er die Gebote hält. Man muß zuerst ein rechtschaffenes Leben führen, das dann von dem Entschluß, sein Leben hinzugeben, gekrönt wird. Die Berufungen setzen also die Sorge um ein sittliches Leben und die Erziehung zum Dienen, zur selbstlosen Hingabe seiner selbst voraus. Sie setzen vor allem eine Gebetsatmosphäre, die Gewohnheit, mit Christus zu sprechen, voraus, die den Jungen oder das Mädchen von Kind an erfüllt. Die Priester, Diakone und Ordensleute haben eine besondere Verantwortung, Berufungen zu wecken und zu fördern. Wenn sie wirklich von der Freude, auf diese Art Christus zu dienen, Zeugnis ablegen, wenn sie ihres Glaubens wegen, trotz ihrer Müdigkeit, Hoffnung ausstrahlen, wenn sie sich wirklich den Seelen hingeben, wenn sie fähig sind, zum Gebet, das ihr eigenes Leben durchdringt, anzuleiten, wie kann man dann noch daran zweifeln, daß sich um sie neue Berufungen scharen werden? Wie in meinem diesjährigen Brief an die Priester bitte ich: Seien wir den jungen Menschen, von denen viele den Sinn ihres Lebens suchen, nahe. Laden wir sie zur Mitarbeit an unseren pastoralen Aufgaben ein: der Liturgiefeier, der Katechese, der Sorge für die Armen und Kranken, der Leitung verschiedener Bewegungen. Laden wir sie ein, unser religiöses Leben zu teilen: „Kommt und seht!“ Schrecken wir nicht davor zurück, ausdrücklich zu diesem Dienst aufzurufen. Hören wir auf, pessimistisch, resigniert und schüchtern zu sein, wenn es darum geht, über die Berufungen zu sprechen. Der Same ist zweifellos im Herzen vieler Jugendlicher und wartet auf eine günstige Gelegenheit, zu keimen. <128> <128> Vergessen wir in unserem Gebet diese Fürbitte nicht: Beten wir und lassen wir für Priester- und Ordensberufe beten. Die ganze Kirche hat dieses Gebet wirklich nötig. Die Kirche eures Vaterlandes braucht dieses Gebet für sich selbst und um ihren missionarischen Beitrag den anderen Kirchen gegenüber fortsetzen zu können. „Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lk 10,2). Deshalb sind wir hier versammelt, wie die Apostel nach der Himmelfahrt. Beten wir mit Maria, Unserer Lieben Frau von Beauraing. Sie ist die Erstberufene an der Schwelle des Neuen Testamentes. Sie ist das Vorbild 680 REISEN des Herzens, das Gott gefällt, das Gott nahe ist. Sie bleibt für die Priester das Vorbild der Mitarbeit am Werk Christi, der Verfügbarkeit für den Heiligen Geist. Sie ist das Vorbild eines gottgeweihten Lebens. Sie richtet die Jünger auf Christus aus, damit sie sich in Liebe an ihn binden und alles tun, was er sagt. Mit ihr wird es uns leicht, im Vaterunser zu sagen: „Dein Wille geschehe!“ Mit ihr verfolgen wir im Rosenkranzgebet Schritt für Schritt das freudige, schmerzhafte und glorreiche Leben ihres Sohnes und ihr eigenes Leben. Öffnen wir unsere Herzen mit Maria dem Heiligen Geist. Beten wir im Namen Christi. Vielleicht habt ihr bis jezt nicht genug im Namen Christi gebetet (vgl. Joh 16,24). Seid ihr überzeugt davon, daß für Gott nichts unmöglich ist (vgl. Lk 1,37)? „Bittet, und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen ist“ {Joh 16,24). Ja, die Berufungen sind Frucht des Gebets, sie sind Quelle der Freude für die Kirche. Amen. Anders leben, um die Welt zu verändern Ansprache an die belgische Jugend in Namur am 18. Mai 1. „Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr stark seid, daß das Wort Gottes in euch bleibt und daß ihr das Böse besiegt habt“ (1 Joh 2,14). Diese Worte des Apostels Johannes habe ich aus dem Brief zitiert, den ich am 31. März an die Jugend der Welt gerichtet habe. Ich wollte sie, wie der Apostel Petrus, darauf vorbereiten, die in ihnen wohnende Hoffnung zu rechtfertigen (vgl. 1 Petr 3,15). Es ist dieselbe Botschaft der Hoffnung, liebe Jugend, die ich heute abend mit euch teilen möchte. Dieser Augenblick der Begegnung ist eine Gnade für euch und für mich. Die Erfahrung der Jugend ist ein einzigartiger Reichtum. Die Kirche betrachtet euch nicht nur mit Sympathie und Hoffnung, es ist ihr auch bewußt, daß die Zukunft von euch abhängt; in euch sieht sie sich selbst und ihre Aufgabe in der Welt. Eure Gegenwart ist wie ein wunderbares Geburtstagsgeschenk für mich. Ich danke euch, daß ihr der Einladung eurer Bischöfe, meiner Brüder im Episkopat, vertrauensvoll gefolgt seid. 681 REISEN 2. Ich habe gut gehört und gesehen, was ihr mir durch das Szenenspiel über die Schwierigkeiten der Jugend in eurer Gesellschaft habt sagen wollen. Ihr habt für euch und für andere Gesellschaftsgruppen frei über Ausschluß, Verwerfung, Bruch gesprochen, und man spürt euren tiefen Schmerz angesichts dieser Nöte, die euer Streben behindern und eure Zukunft belasten. Ich verstehe und respektiere eure Besorgnis. Eure Fragen und eure Hoffnungen sind dieselben wie die vieler anderer Jugendlicher, denen ich in der ganzen Welt begegnet bin, z. B. in Fribourg oder in Montreal. Ihr weist u. a. darauf hin, daß es in eurer Gesellschaft unmöglich ist, eine euren Fähigkeiten entsprechende Arbeit zu finden, obwohl die Ausübung eines Berufes wesentlich ist, um zu leben und um mehr Mensch zu werden; der Mensch hat ein Recht darauf. Manche Jugendliche fühlen sich übergangen, ausgeschlossen von der Verantwortung, vom Zugang zu einem menschenwürdigen Leben, von der Möglichkeit, sich auszudrücken. Macht euch zu den Wortführern derer, die an den Rand gedrängt werden, deren Menschenwürde verletzt wird. Ohne von einem eigentlichen Ausschluß zu reden, gibt es ohnehin schon genug störende und sogar vernichtende Zwietracht in den Familien, zwischen Eheleuten, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Freunden, zwischen Nachbarn, zwischen Arbeitskollegen, zwischen Generationen, zwischen sozialen Gruppen ein und desselben Landes! Und es gibt noch andere Nöte, unbewußt oder erkannt, aber genauso gefährlich, wie z.B. die geistliche Leere in unserer Konsumgesellschaft. Der Herr schickt mich, um sein Zeuge zu sein Ich werde dem, was euer klarer Blick entdeckt, worunter euer Herz leidet, nicht widersprechen. Man muß bei der Wahrheit bleiben. Die Propheten Jesaja, Jeremia und viele andere prangerten nachdrücklich die Übel und Ungerechtigkeiten an, die ihre Zeit kennzeichneten. Ich möchte euch sogar dazu einladen, euren Blick und euer Herz zu öffnen für noch dramatischere und tiefer greifende Nöte, von denen Millionen Männer und Frauen in der Welt betroffen sind. Ja, ihr dürft mit gutem Recht die früheren Generationen fragen, wie ich es in meinem Brief an die Jugend tat: „Warum ist man soweit gekommen? Warum ist man zu dieser Bedrohung der ganzen Menschheit auf dem Erdball gelangt? Was sind die Ursachen für die augenfälligen Ungerechtigkeiten? Warum sterben so viele an Hunger? Warum gibt es so viele Milhonen von Flüchtlingen an den verschiedenen Grenzen? So viele Fälle, in denen die elementaren Men- 682 REISEN schenrechte mit Füßen getreten werden? So viele Gefängnisse und Konzentrationslager, soviel systematische Gewalt, so viele Mißhandlungen von Menschen, so viele Folterungen, so viele Qualen, die Menschen körperlich oder in ihrem Gewissen zugefügt werden? Und mitten darin finden sich auch Menschen in jugendlichem Alter, die viele unschuldige Opfer auf dem Gewissen haben“ (Nr. 15). Hier kann man wirklich von Ausgestoßenen reden. 3. Diese negativen Tatsachen darf man weder leugnen noch vergessen. Aber es ist wichtig, in dieser Schattenzone nicht stehenzubleiben. Es ist nicht damit getan, mit dem Finger auf den oder jenen zu zeigen, wenn die Verantwortung so breit gestreut ist und vielleicht auch bei uns liegt. Man muß nach dem Warum suchen, nach den geistlichen Ursachen: Warum kehrt sich dieser große Fortschritt in der Beherrschung der Materie in macher Hinsicht gegen den Menschen? Warum entstehen im Herzen der Menschen so viel Zwietracht, Diskriminierung und Ungerechtigkeit? (vgl. Gaudium et spes, Nr. 10). Auf jeden Fall, bleibt nicht passiv mit dem Gefühl des Unvermögens oder der Nutzlosigkeit! Es ist wichtig zu fragen: Was müssen wir tun? Man muß erst einmal das Licht suchen und auf die Motive der Hoffnung Nachruck legen. Ich bin heute abend gekommen, um euch zu sagen: „Richtet euch auf und erhebt eure Häupter, denn eure Erlösung ist nahe!“ (Lk 21,28). Es beginnt schon zu tagen. Die Rettung ist in Sicht! Schon jetzt könnt ihr die positiven Zeichen dieses Lichtes, dieser Rettung erkennen, die sich gegen die Folgen dieses Ausschlusses wendet. Reichtü-mer an innerer Schönheit, die Fähigkeit, gut zu sein zum Nächsten wohnen in den Herzen zahlreicher Zeitgenossen, denn, auch wenn sie es nicht wissen, ein jeder von ihnen wurde als Bild Gottes geschaffen. Und Gesten der Liebe, der Versöhnung, des Sich-selbst-Schenkens sind in jedem, der sich vom Heiligen Geist inspirieren läßt. Aber ich will mich nicht mit diesen Zeichen zufriedengeben. Ich will euch die Botschaft Gottes, der das Licht ist, ohne jedes Dunkel enthüllen oder in Erinnerung rufen. Der Herr schickt mich zu euch, um sein Zeuge zu sein; er, der sich Petrus und den Zwölfen anvertraut hat, um sich allen Nationen mitzuteilen. 4. Zu dem reichen Jüngling im Evangelium sagt Jesus: „Gott allein ist gut“ (Mk 10,18). Er allein ist das Gute, das Licht, die Wahrheit. Er ist die Grundlage aller Werte. Er allein gibt unserer menschlichen Existenz ihren entscheidenden Sinn. Und Gott allein ist gut, denn er ist die Liebe 683 REISEN (vgl. 1 Joh 4,8.16). Er ist die Liebe in der mystischen Dreifaltigkeit. Er ist die Liebe, denn „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Dies ist die frohe Botschaft für alle Menschen, die guten Willens sind. Die Güte, die wir im Angesicht und im Herzen Christi sehen, spiegelt die Güte des Vaters wider. Er ist in der Nacht gekommen: Er ist das wahre Licht, das den Weg aller Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9). Er kam zu Gleichgültigen; er wurde von den Seinen nicht angenommen; aber er liebte und hat uns lieben gelehrt: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt {Joh 15,13). Er wußte und hat angekündigt, daß er durch seine Generation, durch die Ältesten und Führer seines Volkes, verurteilt würde; er ließ sich freiwillig verstoßen und nahm die Erniedrigung am Kreuz auf sich; dies erlitt er aus Gehorsam zu seinem Vater, aus Liebe zu seinen Brüdern. Er wurde aus dem Leben gerissen (vgl. Jes 53,8), aber Gott hat ihn verherrlicht und hat ihn auferstehen lassen. Er ist der Stein, den die Bauleute „verworfen“ haben, aber er wurde zum Eckstein (vgl. Mt 21; Apg 4,11), und es gibt kein Heil außer in ihm. Erniedrigt und verstoßen, blickt auf zu ihm in der Hoffnung, von ihm verherrlicht und versöhnt zu werden. Er ist gekommen, um mit seinem Blut, durch seinen Opfertod, den Bund Gottes mit den Menschen zu besiegeln, an dem alle eingeladen sind, durch den Glauben und die Taufe teilzuhaben. Er hat gleichzeitig die Mauer des Hasses durchbrochen, die die Menschen trennte und die Nichtjuden fernhielt und vom Bund der Verheißung ohne jede Hoffnung ausschloß (vgl. Eph 2,12-14). Diese Allianz ist kein einfacher Freundschaftsbund; sie ist die Adoption des Kindes durch seinen Vater, der auch unser Vater ist; er, der Sohn, gab „allen aber, die ihn aufnahmen, . . . Macht, Kinder Gottes zu werden“ {Joh 1,12). In ihm haben wir, die wir uns über den Mangel an menschlicher Teilnahme beklagen, Anteil am göttlichen Leben selbst, an der göttlichen Natur. Christus, liebe Freunde, ist unter uns: „Ich bin immer bei euch“ (vgl. Mt 28,20). Mit ihm sind wir nie von Gott getrennt, „wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen“ {Joh 6,37). Er verbringt sein irdisches Leben damit, jene aufzunehmen, die von anderen ausgestoßen wurden: Aussätzige, Besessene, Zöllner, Sünder, Samariter, Heiden. Bis zum jüngsten Gericht identifiziert er sich mit den Verstoßenen, den Bedürftigen, den Hungrigen, Kranken, Gefangenen. Er bittet uns, zu glauben und zu lieben. Die Liebe Gottes soll unsere 684 REISEN Herzen durchdringen, die Liebe des lebendigen Gottes, des Vaters aller Menschen. Erwachsene werden im Leben wie im Glauben heißt, sich zu verhalten wie ein Sohn, wie eine Tochter des Vaters, unseres Vaters im Himmel. Christus blickt auf jeden Menschen mit Liebe. Er sieht euch alle, wie er den reichen Jüngling mit seinem reinen Gewissen und seinem Verlangen nach dem ewigen Leben gesehen hat: Jesus sah ihn und liebte ihn (vgl. Mk 10,21). 5. Wenn ihr der Liebe Gottes in Jesus Christus gewiß seid, von der uns nichts trennen kann (Röm 8,39), könnt ihr, liebe Freunde, nicht nur an diesem großen Bund Gottes mit den Menschen teilhaben, sondern auch aktiv daran mitarbeiten. Die eben erwähnte Hoffnung soll euch die Gewißheit geben, daß eure ehrlichen Bemühungen, in dieser Welt den Frieden, die Gerechtigkeit und die Brüderlichkeit aufzubauen, nicht vergebens sein werden; diese Bemühungen werden mit Erfolg gekrönt sein, wenn wir das Kreuz auf uns nehmen und viel Geduld aufbringen; so werden wir eine neue Welt vorbereiten, die unsere Vorstellungskraft übersteigen wird. Diese fesselnde Aufgabe wird eure ganze Energie erfordern; ihr werdet am Kampf „für die Würde des Sohnes Gottes“ teilnehmen, wie es euer Kardinal Cardijn sagte. Dies wird eure Aufgabe sein, aber gleichzeitig das Werk Gottes in euch und durch euch. Es wird eine ständige Eroberung und gleichzeitig eine Gabe Gottes sein, also eine im Gebet zu erbittende Gnade. Beten heißt, nicht Gott in unseren Dienst zu stellen, sondern heißt, auf seinen Plan einzugehen, auf den Jesus im Vaterunser hinweist. Es ist wichtig, sich immer nach diesem Gebet zu richten, wenn man die Welt im Sinn Gottes verändern will. Denn „Vater unser, . . . unser tägliches Brot gib uns heute“ bedeutet zu bitten, daß jeder Mensch hier und überall auf der Welt seinen Hunger stillen und über das verfügen kann, was ihm erlaubt, würdig zu leben; und selbst zu arbeiten, um eine bessere Produktion, eine bessere Verteilung und Nutzung der geschaffenen Güter zu erlauben. Das heißt auch: dafür kämpfen, daß der Mensch Arbeit finden kann, um sein Leben würdig zu führen. Das heißt: uns selbst über den Sinn befragen, den wir dem Gewinn, dem Geld, dem Teilen, der Arbeit in der Schule, den schöpferischen Möglichkeiten beimessen. 685 REISEN Die Frage des reichen Jünglings Wenn wir sprechen: „Vergib uns unsere Schuld“, dann heißt das, Gott um Versöhnung mit ihm zu bitten, die wir uns nicht selbst verschaffen können. Das heißt: unsere ganze Kraft aufzuwenden, die anderen zu verstehen, zu vergeben, Friedensstifter zu sein und niemanden auszuschließen. Wenn wir sprechen: „Vater unser, . . . führe uns nicht in Versuchung“, dann heißt das, Gott um Klarheit und Kraft zu bitten, nicht in die Fallen zu laufen, durch die unsere Gesellschaft die Schwachen ausbeutet, durch die der Schlaue unsere Schwächen und unsere Leidenschaften ausnützt. Dies geschieht durch Versprechungen auf sofortigen und leichten Genuß, zügellose Sexualität, Drogen aller Art, Neuheiten, teure Moden, Verkauf von Illusionen, kurz alles, was unserem Egoismus dient. Ein Christ des 2. Jahrhunderts schrieb bereits: „Das Fleisch haßt die Seele und bekämpft sie, ohne daß diese ihm Unrecht getan hätte, nur weil sie es daran hindert, Freuden zu genießen“ (Brief an Diognet). Er meint mit „Fleisch“ nicht den Leib selbst, der ein herrlicher Ausdruck der menschlichen Person ist, sondern den Zustand des schwachen und sündigen Menschen. Der Christ kennt die Versuchungen der „Welt“, er muß sie erkennen, bekämpfen, das Gute wählen, Opfer bringen, und dies immer mit Gebet. Wenn wir sprechen: „Vater unser, . . . erlöse uns von dem Bösen“, dann heißt das, in sich selbst und um sich herum gegen das anzukämpfen, was den Glauben zu zerstören sucht: Gleichgültigkeit, systematischer Zweifel, Skepsis, als bestünden das Glück und die Größe des Menschen nur darin, sich von Gott zu befreien. Es heißt, gegen die Verzweiflung und den Weltschmerz anzukämpfen, als hätte das Leben keinen Sinn. Es heißt, gegen Verirrungen der Liebe anzukämpfen, gegen die Verführungen der Gewalt und des Hasses, die man damit rechtfertigt, sie seien ein wirksames Mittel, die Welt zu verändern, ohne die Herzen ändern zu müssen. Es heißt, gegen die Lüge und den Vater der Lüge anzukämpfen: „Ich schreibe euch, ihr jungen Männer“, sagt der hl. Johannes, „daß ihr den Bösen besiegt habt“ (1 Joh 2,13). Aber wie ihn besiegen? Der Jünger, den Jesus liebte, fügte hinzu: „Weil ihr den Vater kennt.“ Wenn wir sagen „Vater unser, . . . geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf Erden, dann heißt das, sich dem Willen Gottes zu öffnen; es heißt, all unsere Kräfte ihm zur Verfügung zu stellen, damit die Menschheit befreit wird und sich mit dem 686 REISEN wahren Ursprung des Lebens in Liebe versöhnt. Es heißt, alle Menschen als Kinder desselben Vaters zu betrachten, als unsere Geschwister. Für Gott gibt es niemals Menschen, die auszuschließen sind. Mögen nie Menschen durch Menschen ausgestoßen werden! Dies ist eine Gnade, die man erbitten muß, um die Herzen der Menschen zu bekehren. Und es ist ein Kampf, der geführt werden muß, nicht gegen die Menschen, sondern gegen die Kräfte des Bösen, gegen das Böse. 6. Ihr versteht dieses Programm, liebe Freunde. Ich bin sicher, daß ihr euch ihm anschließt. Aber konkret kann jeder von euch sich fragen: Welchen Weg soll ich einschlagen, was soll ich tun? Das war die Frage des reichen Jünglings im Evangelium. Jesus sollte später zu seinen Aposteln sagen: „Ich bin der Weg“ (Joh 14,6). Bei dem jungen Mann beginnt er mit den Worten: „Du kennst die Gebote“ (Mk 10,19), diese Gebote, die fordern, alles zu vermeiden, was dem Nächsten schaden könnte, die fordern, den Nächsten zu ehren. Dies ist der Moralkodex, den man beachten muß. Er ist einem jeden Menschen ins Gewissen geschrieben, ins reine und recht geformte Gewissen, so wie es im Gesetz Mose gegeben wurde und besser noch im Evangelium, das alles im Gebot der Liebe zusammenfaßt: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten“ {Mt 7,12). Christus fragt euch, liebe Freunde, wie weit ihr seid in eurer moralischen Urteilsfähigkeit, in eurem Gewissen. Ihr seid doch Menschen des Gewissens? Deshalb, sucht die Wahrheit! Und seid wahrhaft frei, d. h. fähig, eure Freiheit so zu gebrauchen, wie die Wahrheit es verlangt. „Nehmt euch Zeit für das Gebet“ Aber wie der Jüngling im Evangelium wollt ihr zweifellos mehr tun als nur die Gebote befolgen. Deshalb sagt euch Christus: „Was du besitzt, gib den Armen und folge mir! Nicht alle werden dies im wahrsten Sinne des Wortes konsequent ausführen können; aber Jesus gibt die Richtung an, die für alle gilt. Er bittet euch, das Geschenk Gottes zu verstehen und euer Leben unter das Zeichen des Schenkens zu stellen, des Sich-selbst-Schenkens, der uneingeschränkten Selbsthingabe an Gott und an die anderen. Diejenigen, die zum Priesteramt berufen sind, zur Gnade des Ordenslebens, haben dies richtig verstanden. Und jenen sage ich: Unterdrückt 687 REISEN diesen Ruf nicht. Laßt ihn reifen. Der Herr sucht solche Arbeiter für seine reiche Ernte. Aber ich denke dabei auch an all die anderen jungen Christen, die hier versammelt sind. In eurem Alter macht man Zukunftspläne. Dieser Zukunftsplan ist auch eine Berufung: die christliche Berufung des getauften und geformten Laien. Überhört bei euren Zukunftsplänen nicht den Ruf Gottes; denkt an seinen Dienst! Was diesen Dienst betrifft, nehmt euch zu Herzen, Talente zu entwickeln, die euch von Gott geschenkt worden sind, vererbt durch eure Eltern und eure Erziehung in der Familie, durch die Kultur eures Volkes. Nehmt die Bildung auf, die von der Schule kommt, die Selbstbildung, die von der Arbeit kommt. Nehmt schrittweise all das in euch auf, was die Natur euch zu lehren hat, oder die Kenntnisse der großen Errungenschaften der Menschheit, was sich im Umgang mit anderen, in der Kameradschaft und Freundschaft, an Wahrem, Gutem, Schönem und auch an Leid entdecken läßt. All dies formt eure Persönlichkeit, läßt eure Berufung reifen, die ihrerseits die Gaben des Heiligen Geistes bereichern. Wenn Gott euch erlaubt, in Weisheit und Gnade zu wachsen und zu reifen, ist es nicht deshalb, daß ihr euren Beitrag zu einer Gesellschaft im Zeichen der Liebe leistet? Ich denke an die Liebe zwischen Brautleuten und Eheleuten, das Schönste, was es für die meisten von euch gibt. Bereitet euch auf diese eheliche Liebe, auf dieses Sakrament vor. Es ist der Plan Gottes. Verderbt nicht seine Schönheit! Ich denke auch an alle Möglichkeiten, wo ihr eure Hochherzigkeit beweisen könnt: der Aufnahme, des Teilens, des Schenkens, des Verzeihens, die ihr gemeinsam mit wachsender Solidarität - wie es in vielen Fällen schon geschieht - wahrnehmt. Denn heute wird durch eure Hände und eure Herzen eine neue Welt in Liebe gebaut. 7. Es ist ein begeisterungswürdiges Unternehmen, auf diese Weise die Kräfte des Lebens und der Liebe zu wecken, neue Hoffnung entstehen zu lassen. Es ist ein anspruchsvoller Weg. „Das Tor, das zum Leben führt, ist eng, und der Weg dahin ist schmal“, sagt Jesus {Mt 7,14). Ihr braucht Nahrung und Unterstützung. Um die Welt zu ändern, wird von euch verlangt, anders zu leben. Nicht an der Oberfläche, im Bann vieler Versuchungen, die euch unsere Konsumgesellschaft bietet, sondern in der Tiefe. Nehmt euch Zeit für das Gebet, für die Besinnung, für die Stille, um in Wahrheit zu euch selbst zu finden in einer wahren Beziehung zu Gott und somit zu den anderen. Es wird euch ein Bedürfnis sein, eine wirkliche Glaubenssolidarität zu 688 REISEN erleben. Einige unter euch, in den Schulen, bei der Arbeit oder in der Freizeit, haben bereits die schmerzliche Erfahrung der Isolation gemacht, sind manchmal verspottet oder gar ausgestoßen worden wegen ihres Glaubens und fühlen sich schwach. Man kann nicht im Glauben leben und wachsen, ohne in einer Gruppe, einer christlichen Gemeinschaft, verankert zu sein. Ich weiß, daß es bei euch zahlreiche Gebetsgruppen, Katechesengruppen, Bibelstudiengruppen und karitative Gruppen gibt sowie Gruppen, die ihren geistigen und materiellen Besitz teilen. Hier könnt ihr lernen, zusammen eine bessere Welt zu bauen. Diese Gruppen sollten keine in sich geschlossenen Einheiten bilden. Sie müssen sich auch auf andere Jugendliche ausweiten können wie heute abend oder wie bei internationalen Jugendtreffen, so wie es in Rom am Palmsonntag stattgefunden hat. Sie müssen sich den anderen Mitgliedern des Gottesvolkes öffnen können, und die Pfarrgemeinde mit ihrer sonntäglichen Eucharistiefeier ist dazu der bevorzugte Ort. Sie ermöglicht uns, die universale katholische Kirche, die sich auf die Apostel, auf das Evangelium Christi, seinen Geist, sein Verzeihen, seine Eucharistie stützt, an der Quelle zu erreichen, um wahrhaftig Jesus Christus in euch aufzunehmen. Außerhalb dieser Kirche wird eine Glaubensgemeinschaft schnell steril oder einseitig. Haltet euch nicht bei Unzulänglichkeiten auf; wir sind alle für sie verantwortlich. Sucht in der Kirche nicht nur den Spiegel eurer selbst. Sie ist das Sakrament des Heils, das nicht von hier stammt; sie ist das wahrhafte Zeichen Jesu Christi. Ich habe so zu euch gesprochen, liebe Jugend, „daß ihr stark seid, daß das Wort Gottes in euch bleibt, und daß ihr den Bösen besiegt habt“ (vgl. 1 Joh 2,14). So wie ein Feld sich bestellen läßt, so öffnet auch ihr heute abend euer Herz für das Wort der Wahrheit und der Hoffnung, das Gott an euch richtet. Wie der Regen die Saat aufgehen läßt, so laßt auch ihr ab morgen diese Worte durch das Gebet in euch aufgehen. Und wie der Sämann geduldig auf die aufgehende Saat wartet, so sollt auch ihr als Kinder Gottes darauf vertrauen, daß der Geist euch morgen zur Reife führen wird. Wie der Bauer sich auf die Erntezeit vorbereitet, so sollt auch ihr euren Verstand und euer Herz bereiten, damit ihr zur Stelle seid, wo Männer und Frauen sich erheben, um gemeinsam eine neue Welt nach dem Herzen zu bauen. Mit euren Bischöfen bitte ich euch, beteiligt euch am Leben eurer Kirche. Seid die Jugend dieser Kirche, seid Zeugen der Jugend Gottes in unserer Welt! 689 REISEN Eine Kirche, die zu Hause beginnt Predigt bei der Eucharistiefeier in Koekelberg (Brüssel) am Sonntag, 19. Mai 1. „Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ {Joh 17,19). Liebe Brüder und Schwestern! In der Liturgie des heutigen Tages, am Sonntag nach der Himmelfahrt des Herrn, verkündigt die Kirche die Worte des Hohepriesterlichen Gebets Christi. Diese Worte sind noch frisch im Gedächtnis der Apostel, die mit Maria, der Mutter Christi, im Abendmahlssaal zum Gebet versammelt sind. Christus hatte diese Worte kurz zuvor in seiner Abschiedsrede, am Abend des Gründonnerstags, ausgesprochen, bevor er seinen Leidensweg antrat. Er richtete sich damals an seinen Vater, wie er es schon so oft getan hatte, diesmal aber auf eine völlig neue Weise. Er betete wie folgt: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“ (Joh 17,11). Bewahre sie . . . wie ich sie bewahrt habe, wie ich sie behütet habe (vgl. Joh 17,12). Aber „jetzt gehe ich zu dir“ (Joh 17,3). Ich komme. Ich bleibe nicht länger in der Welt. „Ich bitte nicht, daß du sie aus der Welt nimmst, sondern daß du sie vor dem Bösen bewahrst“ (Joh 17,15). „Heilige sie in der Wahrheit, dein Wort ist Wahrheit“ (Joh 17,17): Heilige sie in der Wahrheit, alle, die ich in die Welt gesandt habe, wie du mich in die Welt gesandt hast (vgl. Joh 17,18). „Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ (Joh 17,19). 2. Das ist das hohe Gebet aus dem Herzen Christi. Heute wird dieses Gebet in der Liturgie gesprochen, die wir gemeinsam im Zentrum eures Landes vor der Basilika des Heiligsten Herzens Jesu feiern. Es ist die Sprache unseres Erlösers. Wir finden hier die tiefsten Haltungen ausgedrückt, die sein ganzes Leben, seine ganze messianische Sendung gekennzeichnet haben. Der Augenblick ist gekommen, wo sein Leben und seine Sendung zu Ende gehen, aber gleichzeitig auch ihre Krönung finden. Das Gebet des Herrn „Ich heilige mich“ erklärt diesen Höhepunkt. Ein tiefes und geheimnisvolles Wort. Es heißt soviel wie „Ich gebe mich ganz und gar dem Vater hin“. Oder auch „Ich opfere mich auf“, „Ich opfere 690 REISEN meine ganze Person und mein Leben und biete sie Gott als eine heilige Opfergabe an für die Menschen, und so verlasse ich diese Welt, um zu meinem Vater zu gehen.“ Es ist das letzte, entscheidende und gleichzeitig das höchste Wort im Dialog zwischen Sohn und Vater. Durch diese Worte versieht Jesus in gewissem Sinn das gesamte Erlösungswerk mit dem messianischen Siegel. Gleichzeitig sind auch die Apostel in dem „Ich heilige mich“ aufgenommen; hier wird die ganze Kirche bis ans Ende der Zeiten einbezogen. Auch wir alle, die wir hier vor der Basilika des Heiligsten Herzens Jesu versammelt sind. Im Hohepriesterlichen Gebet wird die Kirche aus der Hingabe des Sohnes an den Vater geboren, um danach am Kreuz geboren zu werden, wo Jesu Worte gewissermaßen „Fleisch“ werden, indem sein Herz von einem römischen Soldaten mit der Lanze durchbohrt wird. 3. Was erbittet Jesus für seine Apostel, für die Kirche, für uns? Daß auch wir in der Wahrheit geheiligt sind. Diese Wahrheit ist das Wort des lebendigen Gottes. Das Wort des Vaters, der Sohn. Und das ist auch das Wort des Vaters, das uns über den Sohn vermittelt wird: Das Wort ist Fleisch geworden, es ist mitten in der Welt zum Tragen gekommen, mitten in der Geschichte der Menschheit. Und gleichzeitig ist er, Christus, das menschgewordene Wort, „nicht von der Welt“ (vgl. Joh 17,14). Das Wort des Vaters, das er übermittelt hat, die Frohe Botschaft, das Evangelium, ist nicht von dieser Welt. Und all diejenigen, die dieses Wort wirklich annehmen, können - eben weil sie nicht von dieser Welt sind - leicht den Haß auf sich ziehen. Und dennoch ist dieses Wort allein Wahrheit. Es ist die endgültige Wahrheit. Es ist die vollkommene Wahrheit. Durch sie hat man an der Wahrheit teil, aus der Gott selbst lebt. Durch die feierliche Ausdrucksweise des Hohepriesterlichen Gebets, durch die tiefe Bewegung des Herzens Christi ist der Kirche ein für allemal bewußt, daß diese Wahrheit allein Heil bringt, daß es ihr auf gar keinen Fall erlaubt ist, diese Wahrheit gegen irgendeine andere auszutauschen, sie mit irgendeiner anderen zu verwechseln, selbst wenn diese -nach menschlichem Ermessen - „wahrscheinlicher“ und anregender wäre oder der Tagesmentalität besser entspräche. Durch den Schrei des Herzens Jesu im Abendmahlssaal und durch das Kreuz, das ihn bestätigt hat, fühlt die Kirche sich in dieser Wahrheit bestärkt: geheiligt in der Wahrheit. Das Hohepriesterliche Gebet ist gleichzeitig ein großes Bittgebet der 691 REISEN Kirche. Der Apostel Paulus wird es in seinem Brief an Timotheus wieder aufnehmen: „Bewahre, was dir anvertraut ist“ (depositum custodi: 1 Tim 6,20), oder auch: „Gleicht euch nicht dieser Welt an“ (nolite conformari huic saeculo: Röm 12,2), anders ausgedrückt: Gleicht euch nicht dem an, was vergänglich ist, was die Welt verkündet. 4. Das ist das große Gebet, das aus dem Herzen des Erlösers kommt. Es erklärt die ganze Absicht der Erlösung, und die Erlösung findet in ihm ihre Erklärung. Worum bittet der Sohn den Vater? „Bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“ (Joh 17,11). Die Kirche ist aus diesem Gebet des Herzens Jesu mit dem Stempel der göttlichen Einigkeit entstanden. Nicht nur der menschlichen oder soziologischen, sondern der göttlichen Einheit, denn sie sollen eins sein, „wie wir eins sind“ (vgl. Joh 17,21). Diese Einheit ist das Ergebnis der Liebe. Gottes Plan für Ehe und Familie erwägen „Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns . . .“ Wir erkennen an, daß wir in ihm bleiben und er in uns bleibt; er hat uns von seinem Geist gegeben . . . Gott ist Liebe: „Und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm“ (1 Joh 4,12-13.16). Es handelt sich folglich um die Einheit, die ihren Ursprung in Gott hat. Die Einheit, die in Gott ist, ist das Leben des Vaters im Sohn und das Leben des Sohnes im Vater, in Einheit mit dem Heiligen Geist. Der einige und dreifältige Gott vertraut sich dem menschlichen Herzen, dem menschlichen Gewissen und den menschlichen Gemeinschaften in dieser Einheit durch den Heiligen Geist an. 5. „Sie sollen eins sein, wie wir eins sind“ (Joh 17,22). Die Einheit, die Christus schenkt, findet ihre erste Verwirklichung in der Ehe und in der Familie: in der „Hauskirche“, der Kirche, die zu Hause beginnt. Das liegt seit Anbeginn im Plan des Schöpfers beschlossen: „Darum bindet sich der Mann an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“ (vgl. Gen 2,24) Dies ist auch die Bestimmung von Mann und Frau, die von Jesus Christus erlöst worden sind: Die sakramentale Verbundenheit der Ehegatten wird zum Zeichen für die vollkommene Liebe Jesu zu seiner Kirche, für seine unverbrüchliche Verbundenheit mit ihr. „Dies ist ein tiefes Geheimnis“ (Eph 5,32). Die beiderseitige Selbsthingabe der Part- 692 REISEN ner für das ganze Leben wird von einer menschlichen Liebe beseelt werden, die vollkommen, treu und ausschließlich und empfänglich für neues Leben ist (vgl. Humanae vitae, Nr. 9). Die christlichen Ehegatten sollen sich stets zu Herzen nehmen, den Plan Gottes für Ehe und Familie zu erwägen. Sie sollen handeln in Übereinstimmung mit dem, was Gott von ihnen erwartet auf der Ebene der beiderseitigen persönlichen Beziehungen, der Weitergabe des Lebens, der ehelichen Enthaltsamkeit, der Kindererziehung, der Teilnahme an der Entwicklung der Kinder und der Teilnahme an der Entwicklung der Gesellschaft nach der Lehre der Kirche, wie ich ihnen, als Wiedergabe dessen, was die Bischöfe der ganzen Welt auf der Synode von 1980 ausgesprochen haben, in dem Apostolischen Schreiben Familiaris consor-tio in Erinnerung gerufen habe. Deshalb bin ich glücklich, mich besonders an euch, liebe Eheleute und Eltern, zu wenden, die ihr im Familienverband zu dieser Eucharistiefeier gekommen seid. Ihr wißt aus der Lehre der Kirche und aus eurer Erfahrung, was alles erforderlich ist, um die Liebe der Eheleute und Eltern täglich zu erneuern. Jeden Tag erhält sie in Gefühlen und Taten ein konkretes Gesicht, wodurch der Leib die Einheit des Geistes in sich trägt und zum Ausdruck bringt. Sie setzt unter anderem voraus: - feinfühlige Aufmerksamkeit für den anderen; - Dankbarkeit für das, was der andere ist und was er euch schenkt; - der Wille, das beste in ihm zu fördern; - das Teilen von Freude und Prüfungen sowie das Verbannen von Egoismus und Hochmut aus eurem Leben; - die Zeit, die ihr einander widmet im offenherzigen Gespräch über alles, was euer Herz bewegt; - das Teilen des „täglichen Brotes“; - wenn nötig, die Vergebung, um die wir im Vaterunser bitten. Auf diese Weise erfüllt eure Liebe euch mit großer Freude, und ihre Ausstrahlung erstreckt sich über eure Familie noch weiter hinaus. Vergeßt vor allem nicht, daß eure Einheit, eure Treue und die Ausstrahlung eurer Liebe Gnaden sind, die von Gott, aus dem Schoß der Dreieinigkeit, kommen. Das Ehesakrament erlaubt es euch, fortwährend aus der Quelle zu schöpfen. Aber darum sollt ihr Gott, der Liebe ist, oft bitten, daß er euch hilft, in der Liebe zu bleiben (vgl. 1 Joh 4,16). Welche Kraft, welches Zeugnis, wenn ihr die Einfachheit besitzt, im Familienkreis zu beten, Eltern und Kinder! Wenn ihr in Gegenwart des Vaters, des Heilands, beisammen seid, kann euer ganzes Leben Licht und Freude 693 REISEN finden. Ja, dann verdient die Familie täglich ihren Namen „Hauskirche“, Kirche, die zu Hause beginnt. 6. „Vater, bewahre sie in deinem Namen!“ Ist dieses Gebet Jesu für seine Jünger nicht auch das Gebet der Eltern für ihre Kinder? Eure tiefe eheliche Liebe „in der Wahrheit“ und eure gemeinsame Liebe für eure Kinder sind für diese das erste Buch, in dem sie über Gottes Liebe lesen. Diese Lektüre bleibt auf ewig im Gedächtnis ihres Herzens eingeprägt und macht sie bereit und frei, die Offenbarung von Gottes inniger Liebe aufzunehmen. In unseren Tagen ist die Verbundenheit in der Familie gewiß nicht immer eine leichte Aufgabe. Beeinflußt von einer Gesellschaft mit ihren Werten und Gegenwerten, gehen die Kinder, denen ihr das Leben geschenkt und euer Bestes gegeben habt, zuweilen andere Wege, auch wenn es - laßt uns das hoffen - nur für kurze Zeit ist. Für euch sind das schmerzliche Augenblicke, die aber auch tiefe Treue erfordern. Mit euch vereint, bete ich so, wie Jesus gebetet hat: „Vater, ich bitte nicht, daß du sie aus der Welt nimmst, sondern daß du sie vor dem Bösen bewahrst“ (Joh 17,15). Die christlichen Familien bleiben privilegierte Orte der Weitergabe des Evangeliums, nicht nur an die Kinder, sondern auch an die Nachbarschaft und an die ganze Kirchengemeinde. Sie können ihr Haus denen gastfreundlich öffnen, die von Sorgen beladen sind, den Kindern, den Jugendlichen, die ihren Glauben als Vorbereitung auf ihre Firmung oder ihre Ehe vertiefen wollen. In den christlichen Familien lernen die Jugendlichen, sich nach dem Vorbild ihrer Eltern auch für ihre Mitmenschen einzusetzen, sowohl in ihrer Pfarrei als auch in anderen Kreisen, in denen sie sich aufhalten. Liebe Eltern, vielleicht wart ihr betroffen von der Weise, wie Petrus - in der ersten Lesung dieser Feier - vorgeschlagen hat, einen neuen „Zeugen der Auferstehung Jesu“ zu wählen, einen neuen Apostel (Apg 1,22). Die Wahl wurde mit einem Gebet vorbereitet: „Herr, du kennst die Herzen aller; zeige, wen von diesen beiden du erwählt hast“ (Apg 1,24). Der Herr kennt die Herzen der Jugend dieser Zeit. Er kennt auch eure Hochherzigkeit, die manchmal von den Erwachsenen gebremst wird. Er durchschaut auch die Herzen eurer eigenen Kinder. Betet, damit sie ihre Berufung entdecken, und falls sie den Weg des Evangeliums einschlagen, seid dankbar. Und ihr, liebe Kinder, das Schönste, das ihr von euren Eltern verlangen könnt, ist das, worum die Jünger Jesus baten: „Lehre uns beten!“ 694 REISEN Im übrigen sollt ihr glücklich sein, wenn eure Eltern viel für andere Menschen tun, selbst wenn ihr Engagement an einigen Abenden ihre häusliche Abwesenheit erfordert. Ihr sollt versuchen, in der Familie miteinander immer brüderlich zu sein. Ihr sollt ferner versuchen, aus eurem Leben schon einen Dienst am Nächsten zu machen. Auch für euch gilt das Wort Jesu: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Einheit in jeder Ortskirche gegenwärtig 7. „Damit sie eins sind wie wir“ (Joh 17,11). Dieses Gebet Jesu gilt nicht nur für die Familien, sondern auch für alle Gemeinschaften seiner Jünger, überall dort, wo sie Wirklichkeit werden: für eure Pfarrgemeinden und für eure christlichen Bewegungen, die hier zahlreich vertreten sind. Möge man dort stets die von Christus hinterlas-sene Einheit finden! Die Treue an seine Wahrheit! Die brüderliche Aufnahme und die wirkungsvolle Unterstützung derjenigen, die bedürftig sind, der Kranken oder der Freunde. Ich grüße hier ganz besonders herzlich die Kranken und die Behinderten, vor allem diejenigen, die gestern an den „Spartakiaden“ teilgenommen haben. Liebe Brüder und Schwestern! Für euch - auch für eure Familien und für diejenigen, die wegen ihres Alters oder ihrer Krankheit nicht anwesend sein können - bete ich zu Gott, damit er euch nicht nur in seinem Namen behüte, sondern damit er euch in dieser Welt überall, wo eure Beziehungen und eure berufliche Tätigkeit euch hinführen, zu Zeugen seiner Wahrheit, seiner Liebe mache. Auf daß ihr ein lebendiges Zeugnis von Christus, dem Heiland, von der Frohen Botschaft ablegt, um euren Zeitgenossen den Zugang zum Glauben zu erleichtern. Auf daß ihr dazu beitragt, eure Gesellschaft zusammen auf den Weg des Friedens und der Gerechtigkeit, der Treue, der Brüderlichkeit zu bringen, was dem Reich Gottes entspricht. <129> <129> Die von den Aposteln ererbte Einheit ist die der universalen Kirche, die den Bischöfen in Verbindung mit dem Nachfolger Petri anvertraut worden ist. Sie ist in jeder Ortskirche gegenwärtig, angefangen bei der ehrwürdigen Kirche, die ihren Sitz in Brüssel-Mecheln hat, den Kirchen von Antwerpen, Brügge, Gent, Lüttich und Namur, die ich ebenfalls noch besuche. Ich grüße besonders die Gläubigen, die aus den Diözesen Tournai und Hasselt gekommen sind. Die notgedrungen beschränkte Dauer meines 695 REISEN Aufenthaltes in eurem Land erlaubt es mir leider nicht, euch in euren eigenen Diözesen aufzusuchen. Aber ich danke euch dafür, daß ihr so zahlreich gekommen seid, um mir hier zu begegnen. Liebe Christen der Diözese Tournai! Ihr gehört zu einer traditionsreichen Diözese. Heute versucht ihr, in einer schwierigen Periode treue Zeugen des Evangeliums zu sein. Ihr lebt in einer der belgischen Provinzen, die von der Wirtschaftskrise am stärksten betroffen sind. Als praktizierende Christen seid ihr oft eine Minderheit unter vielen anderen Personen, die ihr liebt und denen ihr dienen wollt. In dieser Situation möchte ich euch ermutigen, euren Frieden und die Gelassenheit zu bewahren. Denn wie das Motto eures Bischofs sagt: „Die Freude des Herrn ist unsere Kraft.“ „ Vergeßt das Erbe nicht!“ Liebe Christen aus dem Bistum Hasselt! Ihr versucht, den Glauben in eurer Gemeinschaft durch viele Initiativen seelsorgerischer Tätigkeit zu vertiefen. Die Jugendlichen sind sehr zahlreich in eurem Bistum. Dank ihrer Ausbildung, die sie in ihren Bewegungen und Spiritualitätsgruppen erhalten, versuchen sie überall, wo sie leben, Zeugen des Evangeliums zu sein. Seid solidarisch in der wirtschaftlichen Krise, die euch so hart trifft. Fördert den Dialog zwischen eurer eigenen Kultur und der der Immigranten in eurem Bistum. Möge die heilige Jungfrau, „Ursache unserer Freude“, so wie sie in Tongeren, dem ältesten Marienort Nordeuropas, verehrt wird, für jeden von euch eine Quelle bleibender Freude sein. Ja, im Namen Jesu wiederhole ich das Hohepriesterliche Gebet für all eure Ortskirchen, für jeden eurer Bischöfe, eure Hirten. Ihre Aufgabe ist es, euch in Einheit zu sammeln und über eure Kirche zu wachen, wie Jesus über seine Jünger wacht, sie in Treue an den Namen des Herrn und an die apostolische Überlieferung zu hüten und in Einheit mit dem Apostolischen Stuhl in Rom mit ihr den Weg der von Gott kommenden Liebe zu gehen. <130> <130> An diesem Ort, der die Hauptstadt eures Landes ist, werden unsere Gedanken selbstverständlich auf die ganze belgische Nation gelenkt. Das Land, das ihr bewohnt, hat eine bewegte Geschichte: Es hat kämpfen müssen, um seine kulturelle, wirtschaftliche, administrative, politische und religiöse Eigenart bewahren zu können. Diese eure reiche Eigenart, zusammen mit eurer Offenheit als Volk sind stets der Quell des kulturellen, künstlerischen und wirtschaftlichen Austausches mit allen umliegenden Ländern gewesen. 696 REISEN Laßt euren eigenen Reichtum, euer friedvolles Zusammenleben, die gegenseitige Achtung, den Dialog zwischen den verschiedenen belgischen Gemeinschaften oder mit den Ausländern auf keinen Fall verlorengehen. Möget ihr euch dessen wohl bewußt bleiben: Es gibt mehr Dinge, die euch vereinen, als Dinge, die euch trennen. Fördert euer Modell des Zusammenlebens, das ein Vorbild für die Welt sein kann. Laßt es auf Liebe und Ehrfurcht vor den Einrichtungen der Nation, vor ihren Regierungen und vor dem König gegründet sein, treu der christlichen Kultur, die euch so sehr geprägt hat. 10. Zusammen mit dem Nachfolger des heiligen Petrus betet die Kirche dieses Landes heute mit den Worten des Psalms: „Lobe den Herrn meine Seele und alles in mir seinen heiligen Namen!“ (Ps 103,1). Der Name Gottes ist uns in seiner Fülle durch Jesus Christus offenbart worden. Er ist „unser Vater“: Gott, der die Liebe ist, der uns zuerst geliebt hat, der am Anfang wie am Ziel unseres Lebens steht, der uns auf dem Weg ständig begleitet, auch dort, wo das Leben hart mit uns umgeht, auch dann, wenn wir nicht nach dem Maß seiner Liebe gelebt haben; Gott, der uns an seinem göttlichen Leben teilhaben läßt, der uns mit der Freude Christi erfüllt, seines vielgeliebten Sohnes (vgl. Joh 17,13). Ja, „Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe . . .!“ Das Gebet, das uns Jesus Christus selbst gelehrt hat, ist tief im Hoheprie-sterlichen Gebet des Abendmahlssaales verwurzelt. „Lobe den Herrn meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat“ (Ps 103,2). Vergiß es nicht! Liebe Mitchristen deutscher Sprache, vergeßt nicht das Erbe so vieler Generationen des Bundes mit Gott in der Kirche Christi, vergeßt es nicht! Liebe niederländischsprachige Christen! Vergeßt nicht das Erbe des Bundes mit Gott in der Kirche Christi, das euch von so vielen Generationen übermittelt worden ist. Vergeßt das Erbe nicht! Liebe französischsprachige Christen, vergeßt nicht das Erbe des Bundes mit Gott in der Kirche Christi, das euch von so vielen Generationen übermittelt worden ist. Vergeßt das Erbe nicht! 697 REISEN „Betet für den Nachfolger des hl. Petrus!“ Vor dem Regina Caeli in Koekelberg (Brüssel) am 19. Mai Liebe Brüder und Schwestern! Der Augenblick ist gekommen, Maria zu dieser Mittagsstunde zu begrüßen, so wie ich es jeden Sonntag in Rom auf dem Petersplatz tue. Viele Christen haben die Gewohnheit bewahrt, dies dreimal täglich mit dem Angelus oder — während der Osterzeit — mit dem Regina Caeli zu tun. In dieser Osterzeit sind wir von Freude erfüllt, weil Christus auferstanden ist, weil Christus in den Himmel aufgestiegen ist und für alle Zeit die Herrlichkeit des Vaters teilt. Der König des Universums bereitet uns große Freude. Wir freuen uns zusammen mit der Jungfrau Maria, die Christus in ihrem Schoß getragen und der Welt gegeben hat. Sie ist ihm gefolgt bis unter das Kreuz. Mit einem Glauben und einer Hingabebereitschaft, die vollkommen waren, hat sie an der Erlösung mitgewirkt. Nun ist sie, mit Seele und Leib, in die Herrlichkeit Jesu aufgenommen worden. Wir preisen Christus mit ihr. Und wir bitten die Himmelskönigin, für uns bei Gott zu beten: „Ora pro nobis Deum!“ Mit ihr bitten wir in dieser Zeit der Vorbereitung auf Pfingsten um den Heiligen Geist für die Apostel von heute, die Nachfolger der Apostel; für die Vertiefung des Glaubens und den missionarischen Elan der ganzen Kirche in Belgien; für die Heiligkeit der Priester, der Ordensleute, der gottgeweihten Personen; für den Wohlstand, die Brüderlichkeit und die Ausstrahlungskraft ganz Belgiens! Ich wußte, daß seit dem 13. Jahrhundert von den ungefähr 3500 Kulturstätten, die Belgien damals zählte, 230 dem hl. Petrus geweiht waren, vor allem die ältesten, was die große Verehrung der belgischen Christen für den Apostel zeigt, den Jesus wegen seines Glaubens dazu auserwählt hat, der Fels der Kirche zu sein. Auch ihr sollt für den Nachfolger des hl. Petrus beten! In der damaligen Zeit waren auch 465 Kirchen der Gottesmutter geweiht. Seit diesen fernen Zeiten wurden in den Städten, Dörfern und entlang der Straßen zahlreiche Heiligtümer, Kapellen und Statuen zu Ehren der Jungfrau Maria errichtet. Aus dieser Tradition heraus wird die Marienverehrung, die in Belgien von Anfang an mit dem christlichen Glauben verwurzelt ist, ununterbrochen weitergeführt. Möge der Herr durch ihre Fürsprache alle seine Söhne und Töchter in Belgien segnen und inspirieren! 698 REISEN Brot, Vergebung und Befreiung Ansprache an die katholischen Arbeitsorganisationen am Grab von Kardinal Cardijn in der Kirche von Laeken am 19. Mai Liebe Brüder und Schwestern! Ich bin glücklich, euch hier beim Grab von Kardinal Cardijn zu begegnen. Die Kirche ehrt diesen außergewöhnlichen Priester. Er hatte eine reiche und glutvolle Persönlichkeit. Er war ein besonderer Apostel der modernen Zeiten. Paul VI. ernannte ihn zum Mitglied des Kardinalkollegiums. Er hatte einen tiefen Sinn für die Kirche und eine große Liebe zu den Arbeitern. Er wollte, daß sie zur Kirche finden, in ihr bleiben und in ihr aktiv sind. Cardijn stützte sich auf das Evangelium und auf die Soziallehre der Kirche. In seinem missionarischen Eifer verband er tiefe Intuitionen über die Rolle der Laien mit einer besonderen Pädagogik. Ich habe selbst das Glück gehabt, ihm zu begegnen; ich habe mir sein Zeugnis und seinen Rat zunutze gemacht. Die katholische Arbeiterjugend und die christlichen Arbeiterorganisationen der ganzen Welt dürfen ihn als ihren Vater anse-hen - mehr noch seine Landsleute. Ich will hier einige Intuitionen des Priesters Cardijn besonders unterstreichen, um die Methode und den Geist, die heute eure christliche Arbeiterbewegung leiten sollen, näher zu bestimmen. Ich kann hier nicht alle Aspekte seines Apostolates oder der sozialen Frage behandeln; dazu sind andere Begegnungen im Land vorgesehen. <131> <131> Die Intuitionen von Cardijn 1. Was am meisten Eindruck machte in Cardijns Persönlichkeit, war seine große Liebe zu den Arbeitern und ihren Familien. Er selbst stammte aus bescheidenem Hause. Sehr jung noch, war er betroffen, als er seine Kameraden sah, die ohne jegliche Vorbereitung in Baustellen oder Fabriken landeten unter Arbeitsbedingungen, die manchmal erdrückend für die Menschen als solche und für ihr religiöses Leben schädlich waren. Als Kaplan hier in Laeken hat er diese jungen Arbeiter und Arbeiterinnen aufgesucht, ermutigt und vereint. Öfters hatten sie gar nichts gelernt und waren machtlos, sich aus ihrer Lage emporzuarbeiten. Sofort schenkte er ihnen Vertrauen. Er hielt sie für fähig, mittels einer angemessenen Ausbildung Apostel für 699 REISEN ihre Brüder und Schwestern zu sein, verantwortliche Freiwillige in Gruppen, die im Entstehen waren. 2. Daran erkennt man die Wichtigkeit, die Cardijn dem Apostolat von Laien, Jugendlichen und Erwachsenen beimaß: Er wollte, daß sie sich ihrer Würde als Kinder Gottes, ihrer Berufung und Sendung, ihrer Verantwortung in Kirche und Welt bewußt werden. In diesem Sinne war er ein Vorläufer des Zweiten Vatikanischen Konzils, das sich so vortrefflich über das allgemeine Priestertum der Gläubigen ausgesprochen hat. Seine originelle und mutige Intuition bestand darin, die Evangelisation der Arbeiterjugend den jungen Arbeitern, die mit ihren Kameraden vollkommen solidarisch waren, anzuvertrauen. Er wünschte auch, daß die Arbeiter ihre eigenen, selbständigen Arbeiterorganisationen haben, die ihre Stimme erheben und einen konstruktiven Einfluß auf die ganze Gesellschaft ausüben können. Dies ist ein Punkt, den ich in Laborem exercens (Nr. 8) betont habe. Hier muß gesagt werden, daß Cardijn all dies um so besser zustande brachte, als er selbst authentischer Priester blieb, kompromißloser Zeuge Christi und seines Evangeliums unter den Laien. 3. Jedermann darf Cardijn dankbar sein für die Pädagogik, die er praktiziert hat und die in dem berühmten, so vielen Mitkämpfern vertrauten Dreisatz: „Sehen, urteilen, handeln“ zusammengefaßt ist. Sie setzt nämlich ein Hören auf die Worte Christi, die Aufmerksamkeit für seine Gesten, eine Assimilation der Botschaft des Evangeliums und der Kirche voraus. Dazu gehörte ein konkreter, methodischer Blick auf den Ablauf des Lebens, auf die Erfahrung der Arbeiter mit ihren Licht- und Schattenseiten, ein Urteil über die Hindernisse, denen wir bei der Verwirklichung des Plans Gottes, der für alle die Würde der Kinder Gottes will, begegnen. Diese Pädagogik versuchte, eine solidarische Aktion ins Leben zu rufen, die auf diesem Boden effizient werden konnte. Diese Aktion - die in einer Wechselwirkung die Vertiefung des Glaubens und den hochherzigen Einsatz verbindet - behält noch ihren ganzen Wert für die christliche Arbeiterbewegung von heute. 4. Cardijn sah, wie sehr die Arbeiter mit schwierigen sozialen Problemen im Rahmen ihrer Nationen konfrontiert waren. Er unterstrich den kollektiven und kulturellen Aspekt dieser Probleme. Schon damals hatte er die internationale Dimension der sozialen Frage erkannt, so wie wir sie heute sehen (vgl. Laborem exercens, Nr. 2). 700 REISEN Er faßte die infolge der fortschreitenden Industrialisierung entstandenen Arbeitsprobleme, die Mißverständnisse, die durch Unterentwicklung und Hunger in der Welt ausgelöst wurden, die Kriegsdrohungen, die internationale Zusammenarbeit und die Schaffung des Friedens ins Auge. Er arbeitete für die Solidarität, die universale Brüderlichkeit. Aber dabei behielt er die Überzeugung, daß allein das Evangelium in der Welt der Arbeiter die Grundlage zu einer wahren Ethik ihrer Würde bilden kann. Er schöpfte aus den wichtigsten Dokumenten des päpstlichen Lehramts die sicheren Richtlinien für Denken und Handeln; er aktualisierte auf authentische Weise die Soziallehre der Kirche. Wenn nötig, warnte er seine jungen Arbeiter vor den materialistischen und atheistischen Ideologien, die den Kampf für soziale Gerechtigkeit mißbräuchlich monopolisieren und dabei die wesentlichen Werte des Menschen und der Gesellschaft verarmen ließen. In Laborem exercens (Nr. 13) habe ich auch selbst die schweren Irrtümer des praktischen Materialismus - des Ökonomismus und des theoretischen Materialismus, die der materiellen Realität das Geistige und Persönliche, das Menschliche, unterordnen, aufgezeigt. Den französischen Arbeitern in Saint-Denis stellte ich die Frage: „Warum wurde der Kampf für Gerechtigkeit in der Welt mit dem Programm einer radikalen Ablehnung von Gott verbunden?“ (31. Mai 1980). Laßt uns also dem Herrn danken, daß er uns in Cardijn einen Apostel gegeben hat, der so viel getan hat, um die christliche Präsenz in der Welt der Arbeit zu festigen, der dazu fähig war, den christlichen Glauben im Herzen der arbeitenden Massen zu wecken und zu erneuern und bei ihnen eine vom Evangelium inspirierte Solidarität ins Leben zu rufen; der auch bemüht war, ihnen zu helfen, die Werte des Familienlebens zu vertiefen. Ihr seid in gewisser Hinsicht seine Erben, und es freut mich, daß ihr euch freiwillig in eurer Bewegung, die mehrere zehntausend Mitglieder umfaßt, engagiert. <132> <132> Der Einsatz eurer Arbeiterbewegung 5. Mit größter Aufmerksamkeit habe ich eure Berichterstattung angehört. Was den ersten Punkt betrifft, habe ich tiefes Verständnis für die Nöte der Arbeiterwelt, wie ihr sie heute in Belgien antrefft und wie sie übrigens in vielen anderen Ländern zu finden sind. Sie betreffen die Jugendlichen ohne Arbeit und alle Arbeitslosen, die Gastarbeiter, die Familien, die neuen Armen und die am Rande der 701 REISEN Gesellschaft Stehenden. Ihr hebt auch die Risiken einer „Dual“-Gesell-schaft, wie ihr sagt, hervor, von der die Hälfte der Glieder Unterstützung benötigen würde; ihr spürt die Gefahren einer örtlichen oder internationalen Ökonomie, die nur den Gewinn bezwecken würde; die Gefahren einer Technologie, die unmöglich den Menschen wirklich befreien könnte; ein Fehlen an Weltsolidarität angesichts der Verschlimmerung von Not und Hunger, einen wahnsinnigen und selbstmörderischen Rüstungswettlauf. Ja, ich ermutige euch dazu, die Welt um euch mit dem Blick des himmlischen Vaters anzuschauen. Ihr teilt das Erbarmen Gottes, wenn ihr an das Wort der Heiligen Schrift denkt: „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen, und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land“ (Ex 3,7-8). Wir hören ein Echo auf diese Solidarität mit den Schwächsten in den eindrucksvollen Worten eurer Vorsitzenden, die euren Kampf gegen die Ungerechtigkeit proklamieren und die besagen: Nein, zu dem Skandal der Arbeitslosigkeit, die den Arbeitern ihr höchstes Recht raubt: das Recht aller, ihr tägliches Brot mit ihrer Arbeit zu verdienen. Diese Lage beeinträchtigt ihre Einkünfte, vor allem aber ihre Würde. Nein zu allen Totalitarismen, ob staatlicher, finanzieller oder ideologischer Art. Nein zum Rassismus und Fremdenhaß, auch in ihren schleichenden Arten, die der Anerkennung der kulturellen und religiösen Eigenheiten von Gastarbeitern und politischen Flüchtlingen im Weg stehen. Nein zu den Krisenlösungen, die Ungleichheiten in Belgien und zwischen den Völkern noch verschärfen würden. 6. Aus der Heiligen Schrift wollt ihr zugleich die Inspiration schöpfen, die euch fähig machen muß zum Aufbau eines Gemeinschaftslebens, einer echt solidarischen Welt unter Respektierung der Würde jedes Menschen, um die universale Bestimmung der Güter dieser Erde noch besser zu verwirklichen. Ihr strebt danach, die Mentalität und die Strukturen eurer Gesellschaft in diesem Sinn zu erneuern. Ihr teilt Gottes Plan auf Erden, wenn ihr euch an die Worte aus der Apostelgeschichte erinnert: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele ... Es gab keinen unter ihnen, der Not litt“ (Apg 4,32-34). „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an 702 REISEN der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42). Das Echo dieses Ideals hören wir in den eindrucksvollen Worten eurer Vorsitzenden. Euren Gesellschaftsentwurf habt ihr in den drei Grundwerten: Solidarität, Gerechtigkeit und Mitbestimmung zusammengefaßt. Die Solidarität, das Schlüsselwort der Arbeitergeschichte, ist gleichzeitig im modernen Sprachgebrauch ein „evangelisches“ Wort. Wir müssen zusammen am Aufbau der Welt arbeiten: zusammen, die Arbeitenden mit den Arbeitslosen, die Gastarbeiter mit den Belgiern, Männer und Frauen, Jugendliche mit Erwachsenen; gemeinsam bis in die internationale Dimension (vgl. Ansprache an die Internationale Arbeitsorganisation in Genf, Nr. 5, vom 15. Juni 1982). Die Solidarität, die den Ärmsten den Vorrang gibt und die das Gesetz vom Teilen als Anspruch der Liebe akzeptiert, muß sich von Mensch zu Mensch ausbreiten, damit die Herrschaftsmechanismen, die den Menschen unterdrücken, vernichtet werden. Es ist noch hinzuzufügen, daß sich die Solidarität dem Dialog oder der Zusammenarbeit mit anderen, oft mit anderen Gruppen, die eurer Bewegung nicht angehören, nicht verschließen darf (vgl. Laborem exercens, Nr. 8). Soeben erwähnte ich die internationale Dimension der Solidarität. In der Dritten Welt handelt es sich nicht mehr um das Fehlen von Gleichgewicht in der Konsumgesellschaft, sondern hier geht es um Leben, ums Überleben. Es kommt darauf an, eine ausgedehnte Sicht auf die Gesamtheit der Probleme zu haben. Zu sehr in sich geschlossene Schemata der Solidarität genügen nicht. Die Gerechtigkeit. Die Propheten und Jesus selbst haben verkündigt: Wer den Rechten des Menschen Abbruch tut, tut Gott selbst Abbruch. In dieser Haltung wacht ihr darüber, daß für den Arbeiter die Beteiligung am Wachstum des Wohlstandes, das Recht auf einen angemessenen Lohn und die soziale Sicherheit ihrer Person und ihrer Familie, garantiert seien. Es ist auch normal, die Verteilung der Einkünfte zu revidieren und die Einkünfte aus spekulativen Investitionen, die nicht der Arbeit entspringen, zu kontrollieren. Aber es geht nicht nur um die Verteilung von materiellen Gütern. Es gibt auch andere Menschenrechte, die verletzt werden. Und nicht nur Rechte des Menschen, sondern auch Rechte der Familie und Völkerrechte. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, manchmal hungert er auch nach Bildung, nach Wahrheit, nach Freiheit, einschließlich der Religionsfreiheit. 703 REISEN Die Mitbestimmung. Die Würde des Menschen geht zweifellos über das „Haben“, doch überschreitet sie dieses bei weitem. Mensch sein in den Augen Gottes heißt schöpferisch fähig sein und schöpferisch tätig sein in Gemeinschaft mit anderen. Die heutige Gesellschaft muß Raum schaffen für einen neuen Typ von Wirtschaft und für die Umbildung des Unternehmens, damit jeder das Bewußtsein erhalten könne, so zu arbeiten, als sei es für sich selbst. Und dies sowohl in einem System des Privateigentums der Produktionsmittel als auch in einem System kollektiven Besitzes (vgl. Laborem exercens, Nr. 14-15). Ihr versucht also, eine neue Gesellschaft zu bauen, nicht nur durch die Verteidigung und die Anwendung der drei Grundsätze innerhalb der Welt der Arbeit, sondern auch allgemein durch den Einsatz für den Frieden, für den Schutz und die Erhaltung der Natur, für einen vernünftigen Gebrauch der Freizeit, Dinge, die die technologischen Erneuerungen mit sich bringen. Ihr versucht auch, euch für die Einrichtung autonomer Arbeiterbewegungen in den Ländern der Dritten Welt einzusetzen. III. Die spezifisch christliche und kirchliche Ansicht bezüglich eures Engagements 7. Gott sei Dank sind die Wörter „Solidarität, Gerechtigkeit, Mitbestimmung“ unseren Zeitgenossen vertraut, und viele unserer Brüder und Schwestern versuchen in der Arbeitswelt, ohne deshalb unseren christlichen Glauben zu teilen, ihrerseits in dieser Richtung zu arbeiten, sei es persönlich, sei es innerhalb anderer Arbeiterorganisationen. Für euch ist es wichtig, daß eure Bewegung ihre Inspiration stets aus einer christlichen Sicht auf die Wirklichkeit, aus einem Sinn für die Kirche schöpft. Darin besteht ihre Originalität. Sie muß deutlich hervortreten. Sie ist ein Zeugnis eures Glaubens und erlaubt es, der Welt der Arbeiter und der ganzen Gemeinschaft den besten Dienst zu erweisen. Gewiß bietet der Glaube, wie schon betont, auch keine genauen technischen Lösungen, keine Aktionsstrategien. Die christliche Inspiration ist aber kein leeres Wort, kein vages Ideal. Sich stützend auf die Haltung Christi, auf die Soziallehre der Kirche, berücksichtigt sie eine Anzahl von Grundsätzen in bezug auf die Würde der Person und den Sinn der Arbeit, die ich hier nicht in Erinnerung zu bringen brauche. Der Solidarität, der Gerechtigkeit, der Mitbestimmung, dem menschlichen und brüderlichen Charakter der Gesellschaft, die aufgebaut werden muß, gibt sie einen mehr fordernden, einen weiteren 704 REISEN und tieferen Inhalt. Die Kirche erweist euch einen Dienst, indem sie euch darauf aufmerksam macht. All das hat schon Einfluß auf das Niveau der Analyse sozialer Verhältnisse und der Art, wie wir den anderen begegnen. An erster Stelle soll immer stehen: die Sorge um Klarheit, um Wahrheit, um Abstand anderen Analysen gegenüber, die von Ideologie gekennzeichnet sind; die Sorge um Weisheit angesichts der Komplexität von Erscheinungen und Ursachen; die Sorge um Demut und um Erkenntnis der Schwächen, denen wir genauso wie andere ausgesetzt sind. All das spielt mit bei der Wahl der Mittel, die zur Veränderung der Gesellschaft benutzt werden. Für die soziale Gerechtigkeit muß ein edler Kampf geführt werden. Die Wirklichkeit der menschlichen Arbeit kann unmöglich losgelöst werden von dieser Gerechtigkeit und diesem Kampf, die immer ein neues Gesicht, den Umständen und den sozialen Systemen entsprechend, annehmen. Die Welt der Arbeit aber muß vor allen Dingen die moralische Kraft als Grundlage haben. Es soll die Welt der Liebe und des Aufbaus sein, nicht die Welt von Haß und Vernichtung. Christus hört nicht auf, diejenigen zu segnen, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit (vgl. Mt 5,6); aber dieser Hunger nach Gerechtigkeit, dieser Drang zum Kampf ist nicht, kann nicht Haß und ebensowenig eine Quelle des Hasses in der Welt sein. Laßt uns, um unsere christliche Inspiration zu bewahren, wie Cardijn ohne Unterlaß das Evangelium lesen, um einen eigenen Kampf zu führen gegen alles, was den Menschen versklavt. Laßt uns, wie Cardijn, der dem Lehramt in Treue verbunden blieb, die Lehre der Kirche studieren. Laßt uns auch auf die Gnade Christi vertrauen, um den Menschen zu befreien von allem Bösen. Laßt uns Unterstützung suchen im Gebet, das unser Vorhaben läutert und erweitert. Ich denke, daß ihr in diesem Sinne von „Kampf und Kontemplation“ gesprochen habt. <133> <133> Das Ziel eurer Bewegung ist, die Welt in ihrer Mentalität und ihren Strukturen dem Plan Gottes mit dem Menschen immer mehr anzugleichen. Ihr könnt auch nicht umhin, eine ausdrückliche Begegnung eurer Brüder mit Jesus Christus, die Kenntnis seiner Botschaft, seiner Person und des ganzen Heils, das er uns bringt, und damit eine Anhänglichkeit an die Kirche, die Zeichen und Instrument des Heils ist, zu fördern. Sagt euch nie los von der Kirche, deren Glieder ihr selber seid und in der euren Freunden mit ihren Sorgen ein voller Platz zukommt. Es wäre zu schwach ausgedrückt, wenn man sagen würde, daß die Kirche an eurer Seite steht, um eure Würde zu verteidigen: Dank eurer Bemühungen wächst sie und 705 REISEN ist in euch verwurzelt. Durch euch muß „die Spiritualität der Arbeit“, wie ich sie in Laborem exercens (Nr. 24-27) genannt habe, in der Welt der Arbeiter verkörpert werden. Laßt uns die Botschaft von Kardinal Cardijn nicht vergessen: „Unsere religiösen Verantwortungen sind unsere höchsten, entscheidendsten Verantwortungen. Sie geben unserer Person, unserem Leben, unserer Arbeit ihren Wert und ihre höchste und heiligste Bedeutung. Sie lassen uns hiemieden teilnehmen am Leben, an der Würde, am Werk Gottes . . . Weit davon entfernt, im Gegensatz zu stehen zu unseren menschlichen, betrieblichen, familiären, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Verantwortungen, bestätigen sie sie und heiligen sie, indem sie ihnen eine Quelle, eine Aussicht auf Universalität und Einheit bieten“ (2. April 1952). IV. „ Unser tägliches Brot gib uns heute“ 9. Diese grundsätzliche Haltung findet einen beredten Ausdruck in der Struktur des Vaterunsers, das das Thema unseres Pastoralbesuches bildet. Nach der feierlichen Anrufung unseres Vaters sprechen wir mit Jesus Christus drei Wünsche aus, um zu bezeugen, daß wir aus ganzem Herzen das Kommen des Reiches Gottes ersehnen. Wir bitten vor allen Dingen darum, daß die Menschen offen sind für den Willen Gottes und sich seinen Plänen unterwerfen. Ziel unseres Gebetes und unserer christlichen Aktion ist tatsächlich das Reich Gottes. Darauf folgen vier Bitten: Wir denken an unsere menschlichen Nöte, Brot, Vergebung, Befreiung von der Versuchung und dem Bösen, und wir bitten den Vater im Himmel, um von ihm Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Selbst wenn wir um Brot für alle Menschen bitten, bleiben wir uns dessen bewußt, daß Gott im Mittelpunkt unseres Gebetes steht, denn letzten Endes ist er es, der alles gibt, was gut ist. Das Brot in den Händen der Menschen ist ein Geschenk: Gott hat die Erde erschaffen, und er hat sie dem Menschen anvertraut. Durch die Arbeit soll der Mensch die Erde „beherrschen“ (vgl. Laborem exercens, Nr. 4 und 6). Er muß das Geschenk der Erde allen zugänglich machen. Er muß dafür sorgen, daß das Geschenk der Schöpfung „dreißig-, sechzig- und hundertfach“ Frucht bringen kann für alle, ohne Unterschied. Er muß „brechen und teilen“, was ihm gegeben wurde, und die universale Bestimmung aller Güter beachten. Gott ist und bleibt der Besitzer des Brotes. Und die Menschen, deren Schöpfer er ist, müssen in aller Ehrlichkeit das gute Brot vervielfältigen und verteilen. Wenn wir um unser tägliches Brot bitten, bitten wir Gott um Hilfe bei der 706 REISEN Erfüllung unserer Sendung in Verbindung mit diesem Brot. Das Brot ist hier der Name, der alles zusammenfaßt, was für die Existenz des erwachsenen Menschen notwendig ist und alles, was der Mensch braucht, um in seinem Menschsein im Rahmen einer sich rasch entwickelnden Gesellschaft zu wachsen. Wenn wir um das Brot für alle, ohne Unterschied, bitten, bitten wir um wachsendes Verantwortungsbewußtsein und um mehr Schöpferkraft: schöpferische Kraft, damit durch die Arbeit aller das Brot für alle vermehrt werde; schöpferische Kraft auch für die Verteilung und das gerechte Entgelt der Früchte der Arbeit. V. Schluß 10. Meine heben Vertreter der Christlichen Arbeiterbewegung! In diesem feierlichen Augenblick können wir wirklich, von Freude erfüllt, unseren Dank bezeugen. Unseren Dank für diese Bewegung, die durch den Einsatz so vieler bekannter oder unbekannter Pioniere der Vergangenheit gewachsen ist. Wir bezeugen unseren Dank allen aktiven und verantwortlichen Mitgliedern, die heute im Dienst der Arbeiter stehen. Die Kirche spricht euch ihren Dank aus. Als Hirt der universalen Kirche danke ich euch, und mit den Wünschen und Weisungen, die ich euch soeben in Erinnerung gebracht habe, segne ich euch aus ganzem Herzen, euch selbst, eure Familien, eure Bewegung. Euer Beitrag zum Reich Gottes Ansprache an die katholischen Laienbewegungen in Lüttich am 19. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Indem ich euch heute abend in der „feurigen Stadt“ empfange, empfinde ich große Freude und eine tiefe Hoffnung. Wir sind hier versammelt, um - jeder nach seinen Möglichkeiten - den Inhalt einer im Vaterunser enthaltenen Botschaft zu entdecken: „Dein Reich komme.“ Am Ende dieses Sonntags, dieses Tags der Auferstehung, wünsche ich aus ganzem Herzen, daß diese Begegnung der engagierten Laien mit dem Nachfolger Petri eure Überzeugung, Zeugen der Auferstehung zu sein, festigen wird 707 REISEN und daß der Herr euch durch die Kraft seines Geistes dazu befähigen wird. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21): Diese Worte des Auf erstandenen an die Apostel sind auch an euch gerichtet. In der Erfüllung eurer täglichen Aufgaben und in der Vielfalt eures menschlichen und christlichen Engagements seid ihr dazu berufen, für das Kommen des Reiches der Wahrheit und des Lebens, der Heiligkeit und der Gnade, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens zu arbeiten. Die Verkündigung des Reiches Gottes war ein wesentlicher Bestandteil der Botschaft und des Lebens Christi. Er stellt es als eine „gute Nachricht“, ein erfreuliches Ereignis dar; er gibt die ersten Zeichen seiner Verwirklichung, indem er Leiber heilt, Geister zum Licht bringt, Herzen von der Sklaverei der Sünde und des Bösen befreit, die Ausgeschlossenen in die Gemeinschaft zurückbringt, den Weg der Vergebung, der Hoffnung, der brüderlichen Liebe für alle zugänglich macht, deutlich macht, wie nahe Gott, der Vater, ist, und dessen Liebe bezeugt. Mit der Auferstehung Christi wird dieses Reich gewissermaßen aktuell; die neue Welt wird eingeleitet und bleibt trotzdem weiterhin Gegenstand unserer Hoffnung. Man muß noch auf den endgültigen Eingriff Gottes in unsere Geschichte, in unsere Welt warten. Auf die Frage, die heute sooft wiederholt wird: „Gott, wozu?“, antwortet die Bibel, ohne zu zögern: damit Gerechtigkeit herrsche. Und dieser Gedanke der Gerechtigkeit enthält auch die Hoffnung auf Heil, Frieden, Licht und Leben, die für die ganze Geschichte des Gottesvolkes grundlegend ist. Das Kommen des Reiches bleibt also der Gegenstand unseres Verlangens, unserer Bitte: „Komm, Herr Jesus!“ (Offb 22,20). Es wäre aber zu leicht, eine passive Haltung einzunehmen oder den Problemen der Welt auszuweichen. Die Laien sollen überall und in allem die Gerechtigkeit des Reiches Gottes suchen (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 7). 2. Ja, Gott hat gewollt, daß diejenigen, die in der neuen Stadt wohnen, an dem Aufbau des Reiches teilnehmen und dessen wahre Gestalter sein sollen. Daraus ergibt sich, daß das Reich Gottes sich durch einen langsamen Reifungsprozeß entwickelt wie der Same, der im Boden keimt, wie der Sauerteig, der den Teig aufgehen läßt. Weil Gott sich an die menschliche Freiheit gewandt und auf deren Hochherzigkeit, zugleich aber auch Schwerfälligkeit Rücksicht genommen hat, ist es kein Wunder, daß dieses Kommen Zeit in Anspruch nimmt, in verschiedenen Etappen erfolgt, manchmal fortschreitet, sich manchmal leider auch verzögert; trotzdem wird auf diesem Weg die gesamte Menschheit zur endgültigen Erfüllung, 708 REISEN zum vollkommenen Glück geführt. Für den Christen besitzt die Zeit also eine wirkliche Dichte, sie bietet die Chance der Fruchtbarkeit. Das Leben eines jeden Menschen, das Leben der gesamten Menschheit, hat ein Ziel, ein Ende, denn es ist die Vorbereitung auf die Wiederkunft des Herrn und das Kommen des Reiches Gottes. Nach zwanzig Jahren haben die großen Leitlinien der Konstitution Gaudium et spes über die Zukunft der Menschen im Licht des Reiches Gottes ihren vollen Wert behalten. Die Fragen, die in diesem Dokument des Konzils behandelt werden, bleiben für uns nach wie vor wichtig: der Mensch und sein Schicksal, die menschliche Person und die Gesellschaft vor Gott, der Sinn der Arbeit und der Geschichte des Menschen, ohne die konkreten Probleme zu vergessen, die sich auf die Familie, die Kultur, das Wirtschafts- und Sozialleben, die politische Gemeinschaft, den Frieden und die Rüstung, die Völkerfamilie beziehen. Eure Bewegungen haben an den verschiedenen Ständen sehr gut daran erinnert. Meine Vorgänger, ich selbst, verschiedene Bischofskonferenzen, auch die eures Landes, haben dazu beigetragen, die Lehre von Gaudium et spes zu bereichern und im Hinblick auf neue Situationen, u. a. gewisse aktuelle Krisen, genauer zu definieren. „Aber nach wie vor bleibt diese Lehre ein wichtiger Appell zur Anwesenheit und zum Handeln der Kirche in dieser Welt. Ist dieser Appell genügend gehört worden? Hat man ihn in ausreichendem Maße in die Tat umgesetzt? Sind wir sicher, daß wir ihn in seiner ganzen Tragweite erfaßt haben? 3. Das Konzil hat also diese allmähliche „Umwandlung“ der menschlichen Gemeinschaft in das Reich Gottes sowie die Rolle der Kirche - und in ihr jedes Getauften - in dieser vom Geist hervorgerufenen geheimnisvollen „Fermentation“ betont: Die Kirche geht „den Weg mit der ganzen Menschheit gemeinsam und erfährt das gleiche irdische Geschick mit der Welt und ist gewissermaßen der Sauerteig und die Seele der in Christus zu erneuernden und in die Familie Gottes umzugestaltenden menschlichen Gesellschaft“ (Gaudium et spes, Nr. 40). Von einer „Vollendung“ der Erde und der Menschheit zu sprechen heißt, einen entscheidenden Übergang, einen Anbruch, eine Erneuerung, eine Reinigung, eine Erhebung ins Auge zu fassen: Man kann aber auch sagen, daß es zwischen dem Reich Gottes und dem, was wir jeden Tag auf Erden tun und verwirklichen, eine gewisse Kontinuität gibt: „Alle guten Erträgnisse der Natur und unserer Bemühungen, nämlich die Güter menschlicher Würde, brüderlicher Gemeinschaft und Freiheit, müssen im Geist des Herrn und gemäß seinem Gebot auf Erden gemehrt werden; dann 709 REISEN werden wir sie wiederfinden, gereinigt von jedem Makel, lichtvoll und verklärt, dann nämlich, wenn Christus dem Vater ein ewiges, allumfassendes Reich übergeben wird“ (Gaudium et spes, Nr. 39). Der auferstandene Herr beseelt also durch die Nächstenliebe derjenigen, die zu seinen Gliedern geworden sind, das Werden der Menschheit, um es zu seiner Vollendung zu führen. Unsere Welt ist ein unruhevolles Universum mit starken Zwängen und jammervollen Situationen. Trotzdem wird in diesem Universum allmählich das endgültige Reich gestaltet. Die Christen haben dort also eine Rolle zu spielen, damit es in echter Weise menschlich wird und der Berufung würdiger, zu der Gott es auffordert. Auf dieser Ebene ist vieles in Solidarität mit allen Menschen guten Willens zu verwirklichen! Bietet nicht der Heilige Geist allen die Möglichkeit an, „diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein“ (Gaudium et spes, Nr. 22)? 4. Für das Kommen dieses Reiches und damit unsere Welt diesem Entwurf immer mehr entspricht, ist die Beteiligung der Laien unentbehrlich und ihr Einsatz entscheidend. Durch die Initiationssakramente -Taufe, Firmung, Eucharistie - wird jeder Christ in das gleichzeitig prie-sterliche und missionarische Gottesvolk eingeführt, damit er aktiv und mit Verantwortung an der Aufgabe der Kirche beteiligt wird und konkret, seiner eigenen Berufung und seinen eigenen Charismen entsprechend, einen christlichen „Dienst“ lebt. Getauft und in die Welt eingegliedert: Das sind die beiden Schwerpunkte eurer Existenz. Eure Identität ist einmalig und unteilbar; ihr seid gleichzeitig Glieder der Kirche und Glieder der Gesellschaft. Ihr könnt keinen dieser Aspekte aufgeben oder unterdrücken. Euer Tätigkeitsbereich ist gleichzeitig die Kirche und die Welt. Gesetze im Geist Christi gestalten 5. Eure Aufgabe in der Kirche kann vor allem darin bestehen, in all jenen Bereichen aktiv mitzuwirken, die das Leben der Kirche ausmachen: ihr Heilsdienst, die verschiedenen Hilfen für ihr Zeugnis, ihr materieller Unterhalt, ihre brüderliche Gemeinschaft. Ihr habt bereits gut verstanden, wie notwendig es ist, in den vielerlei Diensten der kirchlichen Gemeinschaft vertreten zu sein und darin mitzuarbeiten, wie zum Beispiel in den Pfarreien und den Pastoralräten, in Liturgie und Katechese, bei der Sakramentenvorbereitung, in der Hilfe für Kranke und Arme, bei der Verwaltung von kirchlichem Eigentum. 710 REISEN Durch eine solche Mitarbeit übt ihr in wirksamer Weise die Mitverantwortung aller Glieder des Volkes aus und beweist euren Willen, die verschiedenen Gaben des Heiligen Geistes an seine Kirche zum Einsatz zu bringen. Dies muß gewiß in Übereinstimmung mit jenen geschehen, die als eure Oberhirten und Seelsorger eingesetzt sind, um auf die kirchliche Einheit und Glaubenstreue zu achten und euch die sakramentalen Gnadenmittel weiterzugeben, die uns direkt von Christus, dem Haupt seiner Kirche, geschenkt werden. Alle diese Aufgaben setzen bei euch ernsthafte Bemühungen voraus, die entsprechenden Kenntnisse zu erwerben, und erfordern große Dienstbereitschaft und Selbstlosigkeit. Aber sind diese Eigenschaften nicht ein Hinweis auf den dienenden Einsatz Christi, der in uns lebt? Ich möchte diesen Punkt hier nicht weiter vertiefen; denn über die Rolle des Laien innerhalb der Kirche habe ich in Antwerpen bereits ausführlich gesprochen. Für alles, was ihr für die Kirche tut, vor allem aber, was ihr als Christen seid, danke ich dem Herrn, der Quelle aller Gaben. 6. Ihr seid aber „auch dazu berufen, überall, und zwar inmitten der menschlichen Schicksalsgemeinschaft, Christi Zeugen zu sein“ (Pastoral-konstitution Gaudium et spes, Nr. 43). Das Sakrament der Firmung gibt euch dafür den Auftrag und die geistliche Ausrüstung. Jesus hat von seinen Jüngern gefordert, Salz der Erde, Licht auf dem Leuchter, Stadt auf dem Berge zu sein, damit die Menschen eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen (vgl. Mt 5,13-16) und in diesen Zeichen das Antlitz Christi entdecken, der auch sie zum Glauben und zur Bekehrung ruft. Dieses Zeugnis ist stets persönlich: Darin leuchtet das Licht auf, das vom geistlichen Format der Person und vom Heiligen Geist, der in ihr wirkt, ausgeht. Noch ausdrucksstärker aber ist das Zeugnis einer Gruppe von Personen, die im Namen Christi versammelt ist, oder das Zeugnis eines katholischen Verbandes, der diesen Namen verdient. Hierbei denke ich an ein ausdrückliches Glaubenszeugnis, das sich auf die Person und die Worte Jesu Christi sowie auf jene typischen Aussagen des Evangeliums bezieht, für die gerade er der Welt den Geschmack gegeben hat. Ein solches Zeugnis kommt jedem getauften Jünger Christi zu, sei es Priester, Ordenschrist oder Laie. 7. Aber über dieses ausdrückliche Zeugnis des Glaubens hinaus oder, besser, durch dieses Zeugnis soll die gesamte weltliche Ordnung erneuert und die Welt mit christüchem Geist durchdrungen werden (vgl. Gaudium et spes, Nr. 43) als Vorbereitung des erwähnten Reiches Gottes. „Auf- 711 REISEN gäbe der ganzen Kirche ist es, daran zu arbeiten, daß die Menschen fähig werden, die gesamte zeitliche Ordnung richtig aufzubauen und durch Christus auf Gott hinzuordnen“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 7). Und in der Praxis gehört dieses Aufbauen zur Arbeit der Laien. Vor zwanzig Jahren hat das Konzil es für nützlich gehalten, dies zu betonen. Die Pastoralkonstitution Gaudium et spes fordert die Christen, die Bürger beider Gemeinwesen auf, ihre irdischen Pflichten nicht zu vernachlässigen und sie nicht so zu erfüllen, als hätten sie überhaupt nichts mit dem religiösen Leben zu tun, weil dieses ihrer Meinung nach in bloßen Kultakten und in der Erfüllung gewisser moralischer Pflichten besteht (Nr. 43). Das Konzil fügt hinzu: „Ein Christ, der seine irdischen Pflichten vernachlässigt, versäumt damit seine Pflichten gegenüber dem Nächsten, ja gegen Gott selbst“ (ebd.). Und, von den Laien sprechend, sagt das Konzil: „Aufgabe ihres dazu von vornherein richtig geschulten Gewissens ist es, das Gebot Gottes im Leben der profanen Gesellschaft zur Geltung zu bringen“ {ebd) Ich glaube, die Laien haben in dem Bewußtsein ihrer Berufung große Fortschritte gemacht. Der Beweis dafür ist die Tatsache, daß ihr als engagierte Laien heute abend hier in Lüttich anwesend seid. <134> <134> Das Arbeitsfeld ist unermeßlich groß. Es umfaßt alle Bereiche des Lebens. Es kommt darauf an, sich zu bemühen, „Mentalität und Sitte, Gesetz und Strukturen der Gemeinschaft, in der jemand lebt, im Geist Christi zu gestalten“ {Apostolicam actuositatem, Nr. 13), in diesem Sinn den Bruch zwischen Evangelium und Kultur zu überwinden und „zu erreichen, daß durch die Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien, die bestimmenden Werte . . . die Denkgewohnheiten . . . und die Lebensmodelle der Menschheit . . . umgewandelt werden“. Die Wege sind verschieden und ergänzen sich. Der Einsatz in den verschiedenen katholischen Werken - die ihren gewohnten und karitativen Platz einnehmen in diesem Land als ursprüngliche und schöpferische Ausdrucksform der Fruchtbarkeit der christlichen Liebe, als ergänzende Ausdrucksform anderer Initiativen - stellt keine Alternative dar zur Präsenz von Christen in den offiziellen und pluralistischen Strukturen, mit denen sie aufgrund ihres christlichen Gewissens mitarbeiten, indem sie, wenn möglich, mit anderen Christen zusammen über ihre Verantwortung nachdenken. Weil eure Betätigungsfelder und ihre jeweilige Verantwortung gleichzeitig groß sind und euch voll in Anspruch nehmen, weil euer Handeln spezialisiert ist, kann es geschehen, daß Laien sich voneinander als 712 REISEN Individuen oder Gruppen distanzieren. Dies führt manchmal zu Verständnislosigkeit, wenn nicht sogar zu Konflikten. Man muß also immer den Dialog fortsetzen, die brüderliche Gemeinschaft stärken, die verschiedenen, für das Gottesvolk geleisteten Dienste aufeinander abstimmen. Um wirksam zu sein, muß die Aufgabe des einzelnen Menschen, die Aufgabe jeder einzelnen Gruppe, mit den Aufgaben der anderen koordiniert werden und eine kirchliche Mitverantwortung fördern. Es muß gegenseitige Achtung herrschen sowie die Überzeugung, daß es besser ist, sich gegenseitig zu ergänzen, und daß es notwendig ist, sich zu beraten. Gebt Zeugnis von eurer Einheit. Vergeßt auch nicht, daß nichts das Zeugnis des christlichen Lebens, die Art, im Alltag nach dem Evangelium zu leben, ersetzen kann. Ist dies nicht unter gewissen Umständen und in gewissen Situationen das einzig Angemessene, das einzig Mögliche? Und hier geht dies alle Getauften, alle einfachen Christen an. 9. In dieser Rolle habt ihr eure eigene Verantwortung und trefft eure eigenen Entscheidungen hinsichtlich der Initiativen, die ihr fördern wollt. Das ist eure Aufgabe. Ein Laie kann der Inspiration der Botschaft des Evangeliums und den Prinzipien und Orientierungen der Kirche treu sein und trotzdem zu praktischen Urteilen oder konkreten Formen des Einsatzes kommen, die von jenjenigen anderer Laien, anderer engagierter Christen, verschieden sind. Das Konzil, indem es diese eigene Verantwortung betont, hat die Christen auch darum gebeten, nicht zu leicht eine bestimmte konkrete Option als die einzige darzustellen, die der Botschaft des Evangeliums entspricht. Es hat den Laien empfohlen, sich nicht auf die eigene Option zu beschränken, sondern in einem offenen Dialog sich gegenseitig zur Klärung der Fragen zu helfen zu suchen, die gegenseitige Liebe zu bewahren und auf das Gemeinwohl bedacht zu sein (vgl. Gaudium et spes, Nr. 43). Sie sollen von den Hirten keine konkrete und unmittelbare Lösung für jedes Problem, keine offizielle Genehmigung irgendeiner praktischen Option erwarten, sondern zuverlässige Grundsätze, Licht und geistliche Kraft. Das versuche ich auch heute abend zu übermitteln. Ich kann mich nicht im einzelnen mit eurem Engagement befassen, ich kann auch nicht jede einzelne Gruppe besuchen. Aber als Nachfolger des Apostels Petrus besteht meine Aufgabe darin, euch zu helfen, den Platz eures Handelns in der ganzen Kirche zu bestimmen, damit es wirklich christliches Handeln sein kann. 713 REISEN Wirkliche Fachkenntnis notwendig 10. Schließlich werdet ihr dazu aufgefordert, euch ein gutes christliches Urteil zu bilden, eine geistliche und pastorale Urteilsfähigkeit. Hinsichtlich der komplexen Realitäten der Welt setzt dieses Urteil die Berücksichtigung der eigenen Gesetze jeder Disziplin sowie eine wirkliche Fachkenntnis voraus. Es setzt aber auch voraus, daß ihr mit dem Evangelium vertraut seid, daß ihr vom Geist der Kirche geleitet werdet, indem ihr euch nach ihrem Lehramt richtet, daß ihr von christlichem Erbarmen beseelt seid, daß ihr eure apostolische Kraft mit dem Gebet und den Sakramenten nährt (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 7). Wie das Konzil (vgl. ebd., Nr. 28-32) lege auch ich bei euch den Nachdruck auf diese Heranbildung des Laientums. Es freut mich, zu wissen, daß viele eurer Bewegungen in den Versammlungen, den Tagungen und den Besinnungstagen, die sie veranstalten, das Bildungsangebot wahrnehmen. Wie ich es erst kürzlich in Loreto wiederholt habe (11. April): „Die Vereinigungen und Bewegungen bilden einen bevorzugten Kanal für die Formung und Förderung eines tätigen Laienstandes, der sich seiner Rolle in der Kirche und in der Welt . . . bewußt ist“ (Nr. 6). {Ansprache an den Italienischen Kirchentag in Loreto am 11. April; in O. R. dt., Nr. 18/1985, S. 5). <135> <135> Die Notwendigkeit empfinden wir um so mehr, als die Versuchung groß sein kann, sich nach dem Geist der Welt zu richten, und zwar aus Gründen der Wirksamkeit oder der mangelnden Klarheit. Leider denkt diese Welt nicht mehr wie eine christliche Welt; ihr Sinn für Moral hat sich zurückgebildet, sie ist dem Einfluß des Unglaubens ausgesetzt und verhärtet sich aufgrund gewisser Ideologien manchmal sogar. Die Christen unserer Zeit können in Versuchung geraten, ihre Untersuchungs- oder Handlungsmethoden zu übernehmen oder wenigstens zweifelhafte Kompromisse zu akzeptieren. Wir sollen aber Zeugen der christlichen Wahrheit sein, ohne diese zu entwerten, Zeugen der objektiven Erfordernisse der Gerechtigkeit, der Liebe, die die Schüler Christi kennzeichnet. Der apostolische Dialog geht vom Glauben aus und setzt eine starke christliche Identität voraus. Hier und da fürchtet man durch die Bekräftigung der christlichen Identität diejenigen zu stören oder sogar zu verletzen, die nicht glauben oder nicht den christlichen Werten entsprechend leben wollen. Hier ist Klarheit notwendig. Auf der einen Seite hat der andere als Person immer Anspruch auf unsere Achtung, und es steht uns nicht zu, über seine 714 REISEN moralische Verantwortung, die Gott allein kennt, zu urteilen. Jeder Glaubende oder Nichtglaubende muß als Person von der Gesellschaft voll anerkannt werden. Aber auf der anderen Seite soll der Glaubende klare Überzeugungen haben, die sich an der christlichen Botschaft inspirieren; obwohl er in bestimmten Augenblicken noch auf der Suche, unterwegs ist, muß er nach der ganzen Wahrheit des Evangeliums streben. Infolgedessen kann und muß er seine Überzeugungen zum Ausdruck bringen. Außerdem kann und muß er dahinwirken, daß die christlichen Werte auch die Gesellschaft durchdringen. Er schuldet dieses Zeugnis, diesen Dienst, den Nichtglaubenden. Auch dieses Zeugnis, dieses Angebot zur Mitarbeit, erfordert Achtung vor den anderen, die sich durch einen ungerechten Druck eingeschränkt fühlen könnten. Ihr lebt hier in Belgien in einem Klima der Freiheit, das vieles erlaubt. Aber leider gibt es viele andere Länder, in denen der Glaubende nicht voll anerkannt wird. Und wenn ich an eure offensichtlichen Schwierigkeiten, für die Abhilfe zu schaffen ist, denke, denke ich an die weit größeren Schwierigkeiten, die unsere Brüder und Schwestern in vielen Ländern der Welt erfahren müssen. Die christliche Bewegung, die wie Sauerteig die Welt erheben will, gehört jedenfalls nicht der Ordnung der rein menschlichen Mittel, noch viel weniger der Werbung oder des Zwanges an. Sie ist kein technisches, wirtschaftliches, politisches Werk. Sie ist eine Aufforderung, ein Zeugnis, ein Apostolat, das sowohl die Personen als auch die Strukturen und die Kulturen evangelisiert, oder - vielmehr - die Strukturen durch die Personen evangelisiert. Es geht darum, eine neue Menschlichkeit, also auch neue Menschen hervorzubringen. Und dies ist untrennbar Werk des Heiligen Geistes, dem die Christen transparent, d. h. um ihre eigene Heiligkeit besorgt, zur Seite stehen sollen. <136> <137> <136> Da ich mir für die Prinzipien, die für das gesamte Tätigkeitsfeld der Laienschaft gelten, etwas Zeit genommen habe, kann ich die einzelnen Bereiche dieser Tätigkeit nur kurz erwähnen. Ich möchte aber diejenigen herzlich ermutigen, die in diesen Bereichen engagiert sind. Ich werde mit der Familie beginnen. Die Messe heute morgen war ganz besonders der Familie gewidmet. Wir kennen die Nöte, denen das Familienleben ausgesetzt ist, wir erkennen aber auch die Zeichen einer Neuentdeckung der Schönheit der Liebe, dem göttlichen Plan entsprechend. Meine heben Freunde, ergreift alle Initiativen, die die Werte der Familie fördern können: die Vorbereitung der Jugendlichen auf die Ehe, die 715 REISEN Bedeutung der Brautzeit, die Bedeutung der endgültigen Verpflichtung der Ehegatten und des Sakraments, die Keuschheit in der ehelichen Beziehung, die Bereitschaft, neues Leben zu empfangen und zu respektieren. Es handelt sich dabei um die Grundlagen der Gesellschaft. 13. Liebe Lehrer und Lehrerinnen! In den christlichen und anderen Lehranstalten habt ihr eine ganz besondere Verantwortung übernommen: die Verantwortung, die euch die Eltern, die ersten und wichtigsten Verantwortlichen für die Erziehung ihrer Kinder, an vertraut haben. Ihr seid damit beauftragt, die Jugend auf die Zukunft vorzubereiten, ihr eine Orientierung zu geben. Es ist eine schwere Aufgabe, denn mehr als andere seid ihr mit den Unklarheiten und den Konflikten der Werte unserer Welt konfrontiert. Ihr müßt ständig die Lebenserfahrungen eurer Schüler, die Wandlungen der Welt und die Entwicklungen in der Pädagogik berücksichtigen. Manchmal zweifelt ihr an dem Wert und an der Wirksamkeit eurer Arbeit. Es ist wichtig für euch, mit der aktiven Zusammenarbeit der Eltern rechnen zu können, um mit ihnen zusammen eine echte Erziehungsgemeinschaft zu bilden, in der jeder respektiert und geschätzt wird und die ganz besonders die Schwachen und Notleidenden berücksichtigt. Möge die Förderung der Werte der Solidarität und des Teilens nicht unter der Sorge um den eigenen Erfolg leiden! Für euch heißt die Aufforderung: einen Unterricht zu erteilen, der auf tiefes Nachdenken und die Suche nach der Weisheit ermöglicht; das Herz der Jugend dem Evangelium zu öffnen; zum Aufbau echter Lebensgemeinschaften nach christlichen Grundsätzen beizutragen. Vor allem im Religionsunterricht soll das Zeugnis Jesu mit Klarheit, Mut und Geduld wiedergegeben werden. Die Jugendlichen, die einem solchen Zeugnis gegenüber - wenn es glaubwürdig dargestellt und gelebt wird - sich öffnen, sind zahlreicher, als man denkt. <138> <138> Ich wende mich auch an diejenigen, die im Gesundheitswesen, in den öffentlichen Institutionen oder in dem ausgedehnten Netz der Einrichtungen tätig sind, die die Christen Belgiens zugunsten der Kranken, Behinderten und der alten Menschen errichten konnten, ohne den Seelsorgsdienst an ihnen zu vergessen. Eure Aufgabe besteht zunächst und vor allem darin, präsent zu sein, zuzuhören mit dem Willen, zu dienen. Ihr wißt aus eurer eigenen Lebenserfahrung, daß Handeln mehr gilt als Worte, dem Wort folgend, das Fleisch geworden ist. Weil das Gesundheitswesen ein Ort des Einsatzes für den Menschen ist, ein Ort, wo die 716 REISEN Technologie immer mehr Raum einnimmt, muß man mehr denn je darüber wachen, daß die Würde des Menschen stets geachtet wird und daß Kranke und Pfleger an der Organisation des Gesundheitswesens wirklich beteiligt sind. 15. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre haben sich die Veränderungen in der Wirtschaftswelt, wie in der Konstitution Gaudium et spes bereits angedeutet wurde, noch weiter verschärft und beschleunigt. Besser als andere entdeckt ihr in eurem seit langem industrialisierten Land die Konsequenz einer fortschreitenden Technologie sowohl im Bereich der Arbeit als auch im individuellen und kollektiven Leben. Auch wenn die Automatisierung und die elektronische Datenverarbeitung die menschlichen Aufgaben beträchtlich erleichtern und zu mehr Freiheit führen können, bringen sie doch auch das Gleichgewicht unserer Gesellschaft in Gefahr. Sie können die Hegemonie der Mächte und der Entscheidungsinstanzen zum Nachteil derer verstärken, die ohne Stimme sind und die sich immer mehr aus der Welt der Arbeit und der Mitbestimmung ausgeschlossen fühlen. Das starke Anwachsen der Arbeitslosigkeit, vor allem unter den ungelernten Arbeitskräften, ist eines unserer wichtigsten Probleme. Sie verlangt nicht nur Besinnung, sondern erfordert auch stets neue Initiativen, um Antworten zu finden und eine wirklich menschliche Gesellschaft zu errichten. Um dieses umfangreiche Problemfeld der post-industriellen Gesellschaft anzugehen, habt ihr viele Trümpfe in der Hand und dürft euren Unternehmungsgeist nicht vom Pessimismus lähmen lassen. Eure Geschichte beweist, daß ihr dies könnt; sie lädt euch dazu ein, voranzuschreiten und zu hoffen. War nicht die Region zwischen Maas und Sambre zur Zeit der industriellen Revolution im vergangenen Jahrhundert ein privilegierter Ort für industrielle Verwirklichungen wie auch für die Suche nach einem besseren sozialen Gleichgewicht? Viele eurer Mitbürger, die in verschiedene Länder aufgebrochen sind, haben vollauf euren Erfindungsgeist und eure Leistungsfähigkeit bezeugt. Heute könnt ihr mit einer großen Anzahl qualifizierter Forscher, hervorgegangen aus allen großen Schulen, auf ein sehr kompetentes Personal und bei vielen auf einen gesteigerten Willen, den neuen Herausforderungen der Welt zu begegnen, rechnen. Auf allen Ebenen der Industrie und der Wissenschaft gibt es Verantwortliche, die, manchmal in schwierigen Situationen, damit fortfahren, Initiativen zu ergreifen, um Arbeit im Dienst des Gemeinwohls zu schaffen und dabei in ihren Mitarbeitern an erster Stelle den Menschen zu sehen. 717 REISEN Alle diese Anstrengungen der Verantwortlichen, der Führungskräfte, der Angestellten, der Arbeiter werden nur dann dauerhafte Früchte tragen, wenn der Gesellschaft ein neuer Geist, ein Geist tiefer Solidarität, eingeflößt wird. Zögert nicht, immer mehr Initiativen zu ergreifen, um eine Beteiligung aller herzustellen und das Gemeinschaftsleben dort zu fördern, wo jeder wirklich verantwortlich ist. Zögert nicht, alles zu bekämpfen, was die Fundamente einer echt menschlichen Gesellschaft zerstört: den individuellen und kollektiven Egoismus, das Ausgeschlossensein der Schwachen, das ausschließliche Streben nach materiellem Gewinn. Tut alles, damit im Konkreten die Vorherrschaft des Menschen über die Dinge gesichert bleibt. 16. Ich grüße noch die christlichen Laien, die im politischen und sozialen Bereich einzeln oder in Gruppen tätig sind. Man muß in der Tat die öffentliche Rolle nicht fürchten, die die Christen zur Förderung der Menschen und des Wohles des Landes unter voller Berücksichtigung der religiösen und bürgerlichen Freiheit aller und jedes einzelnen einnehmen können. Ihr tragt im Herzen die Sorge um die Entwicklung des Menschen in seiner ganzen Wahrheit, das heißt, geschaffen nach dem Bild Gottes und dazu berufen, Gotteskind zu sein. Die Gesellschaft und die Kirche danken euch für alles, was ihr zu diesem Ziel beitragt inmitten der Schwierigkeiten der Krise, die euer Land trifft und die die Gegensätze und Egoismen verschärft und vergrößert. Es handelt sich darum, sich in den Dienst des Menschen zu stellen, damit die unteilbare Würde aller und jedes einzelnen menschlichen Wesens respektiert wird, indem gegen alle Formen ethnischer und sozialer Diskriminierung angekämpft wird. Euer Land hat hochherzig zu einer Politik der Aufnahme und Gastfreundschaft gegenüber den Immigranten beigetragen. Bleibt diesem Wunsch der Offenheit und des Respektes aller rückhaltlos treu. Stellt euch bei der Verteilung und dem Gebrauch der Schätze der Erde in den Dienst des Menschen, damit die Forderungen der Gerechtigkeit und des Erbarmens erfüllt werden. Stellt euch in den Dienst des Menschen, um ihm den nötigen Freiheitsraum für eine wahre Begegnung mit dem Herrn zu verschaffen und echte Beziehungen zu anderen Menschen zu fördern. Stellt euch in den Dienst des Menschen, um ihm eine aktive und verantwortungsbewußte Teilnahme am nationalen und internationalen Leben zu ermöglichen. 718 REISEN Helft euren Landsleuten, sich mit den hungernden und unterentwickelten Ländern solidarisch zu fühlen, mit denen, die für die Anerkennung ihrer eigenen Grundrechte kämpfen, und mit denen, die wirklich für den Völkerfrieden eintreten. Liebe Freunde, alles, was ihr so nach den Leitlinien von Gaudium et spes für eine humanere Welt in euren sozialen und beruflichen Kreisen, auf der Ebene der Mentalitäten und der Strukturen der Gesellschaft tut, ist ein Zeugnis des Evangeliums. Es ist ein Zeugnis der Kirche, das in Einheit mit euren Bischöfen und dem Nachfolger Petri erbracht wird. Es ist ein Beitrag zum Reich Gottes, um das wir im Vaterunser bitten. Der Heilige Geist schenke euch sein Licht und seine Kraft! Ich segne euch von ganzem Herzen. Widerschein göttlicher Schönheit Predigt bei der Messe für die Künstler in Brüssel am 20. Mai 1. „Denn keinem von uns ist Gott fern. Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ {Apg 17,27). Der Apostel Paulus hielt es für gut, auf diese Weise in Athen seine Predigt über den auf erstandenen Jesus einzuleiten, vor einem gebildeten, vom Erbe der Dichter, Philosophen, Weisen, Gelehrten und Künstler geprägten Publikum. Liebe Brüder und Schwestern, ich bin glücklich, diese Worte heute an euch richten zu können. Ihr alle seid bemüht, das innerste Leben des Menschen und den Kern der Realität durch die darstellenden Künste, die Musik oder das Wort auszudrücken. Allein durch die Tatsache dieser künstlerischen Suche nähert ihr euch, tastend, Gott - vielleicht einigen unbekannt -, der die Quelle ist, der transzendente Rückhalt und das endgültige Ziel alles Seienden, seiner Entwicklung, seines Lebens. Und als Gläubige geht ihr geradewegs auf die Begegnung mit dem lebendigen und persönlichen Gott zu, der den Glanz seiner Herrlichkeit und seine außerordentliche Liebe in Jesus Christus offenbart hat, während ihr von seinem Geist zu leben versucht. „Der Herr ist nahe.“ Diese Nähe veranlaßt den heiligen Paulus zu sagen: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit“ {Phil4,4). Der Apostel lädt uns ein zu innerer Ruhe, zu immerfort wohlwollendem Handeln, zum Vertrauen 719 REISEN bei demütiger Bitte, zum Frieden, zur Suche und Verwirklichung dessen, was wahr, schön und wertvoll ist. Auch ich wünsche euch diese Freude des Glaubens. Sie kommt von Gott: „Denn du hast mich durch deine Taten froh gemacht“, haben wir im Psalm (Ps 92,5) gesungen. Sie berührt das zutiefst Menschliche im Menschen. Ich wage in der Tat zu denken, daß eure Berufung zu Künstlern in euch tiefe Freuden hervorruft, wenn ihr arbeitet oder wenn ihr die Kunstwerke betrachtet. Derjenige, der glaubt, liebt, hofft, im christlichen Sinne des Wortes, tritt in eine neue Welt ein. Und außerdem, in einem analogen Sinn, derjenige, der sich mit Leidenschaft der Kunst widmet, für die Gott ihm den Sinn und das Talent gegeben hat. Er sucht dort keinen persönlichen Profit; er zählt nicht nur auf seine eigenen Kräfte. Er läßt als freier, kluger und uneigennütziger Mensch in seinem Herzen das Beste seiner selbst aufblühen. Er genießt tiefen Frieden. In der Überzeugung, daß ein enger Zusammenhang zwischen dem Glauben, der Barmherzigkeit sowie der Hoffnung einerseits und der künstlerischen Schöpfung andererseits existiert, möchte ich mit euch über die wechselseitigen Beziehungen zwischen diesen großen Reichtümern des menschlichen Geistes meditieren. Ich lade euch ein, über etwas nachzudenken, was ihr sicher schon intuitiv empfindet: Einerseits ist die Gestaltung eines Kunstwerkes in sich selbst eine Erfahrung, die Analogien mit der Annäherung an das christliche Geheimnis zum Ausdruck bringt, andererseits findet aber auch der Christ von Glaube, Liebe und Hoffnung in der Kunst eine neue Dimension und ein unvergleichliches Ausdrucksmittel für seine geistige Erfahrung. Kunst und Glaube 2. Der Glaube nimmt den lebendigen Gott so auf, wie er sich offenbart hat. In der Offenbarung wendet sich der unsichtbare Gott an die Menschen wie an Freunde, um sie einzuladen, sein Leben mit ihm zu teilen (vgl. Konstitution Dei verbum, Nr. 1). Durch die Ereignisse der Heilsgeschichte und durch die prophetischen Worte, die ihren Sinn erklären, gibt er ihnen ein Zeichen und erweckt ihren Glauben in dem Bund, den er ihnen vorschlägt. Mehr noch, in Christus, dem vielgeliebten Sohn, dem leibhaftigen Wort, erkennen wir Gott, der sich für unsere Augen sichtbar gemacht hat, und wir sind durch ihn angezogen, das zu lieben, was unsichtbar bleibt (Präfation von Weihnachten). Wir nähern uns diesem Gott durch die freie Zustimmung unseres Verstandes, aber auch durch die Liebe, die auf seine Liebe antwortet: „Die Liebe 720 REISEN Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Rom 5,5). Der Glaube ist somit eine Art, das Leben, die Geschichte im Licht des Heiligen Geistes zu betrachten und gleichzeitig über die Geschichte hinauszusehen. Durch sie werden wir aufmerksam werden für die tiefste Realität jenseits der Dinge und in ihrem Innern. Die Augen werden fähig, die Schönheit und den inneren Zusammenhang all dessen zu sehen, was in dieser Welt lebt. Im großen Licht Gottes erhalten alle Lichter der Schöpfung einen neuen Glanz. Und ebenso sind die menschliche Erfahrung, die Geburt, die Liebe, das Leiden, der Tod, in ein neues Licht, in Verbindung mit dem Leben Christi, gestellt. 3. Infolgedessen benutzen die Gläubigen, wenn sie von der Natur mit künstlerischen Gaben ausgestattet sind, die sie weiterentwickeln konnten, gerne die Sprache der Kunst, um vom Geheimnis dessen, was unaussprechlich ist, durch die Schönheit empfindsamer Ausdrucksformen eine Vorstellung zu geben. Ist die Bibel selbst nicht an erster Stelle Teil des literarischen Erbes der Menschheit? Sie hat niemals aufgehört, den Künstlern Quelle der Inspiration zu sein, seien sie nur Architekten, Bildhauer, Maler, Dichter, Komponisten instrumentaler und vokaler Musik, Autoren von Theater, Kino, Choreographie. Die Liturgie verwendet teilweise Symbole, die die sakramentale Anwesenheit Christi ausdrük-ken und verwirklichen. Ich sagte es in Rom anläßlich der Proklamation des seligen Fra Angelico zum Schutzpatron der Künstler (18. Februar 1984): „In ihm ist der Glaube Kultur geworden, und die Kultur ist gelebter Glaube geworden ... In ihm wird die Kunst zum Gebet.“ Das soll nicht heißen, daß allein der explizite Glaube Erzeuger religiöser Kunst sein kann. Denn die Kunst beinhaltet ein dem Glauben analoges Verhalten. Alle authentische Kunst interpretiert die Realität jenseits dessen, was die Sinne erfassen. Sie entsteht aus der Stille der Bewunderung oder aus der Beteuerung eines aufrichtigen Herzens. Sie ist bemüht, dem Geheimnis der Realität nahezukommen. Das Wesen der Kunst ist im Tiefsten des Menschen angelegt, wo das Bemühen, dem Leben einen Sinn zu geben, von einer flüchtigen Ahnung der Schönheit und der geheimnisvollen Einheit der Dinge begleitet wird. Sicher sind die aufrichtigen und demütigen Künstler sich dessen sehr wohl bewußt: Sie wissen, wie schön auch immer das Werk ihrer Hände sein mag, daß sie Bilder malen, gestalten und schaffen, die nur Reflexe der göttlichen Schönheit sind; was auch die Wirkung der Musik oder der Worte sein mag, die Künstler wissen, daß sie lediglich ein stotterndes 721 REISEN Echo des Wortes Gottes singen. Sie könnten mit dem heiligen Paulus sagen: „Gott wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand gemacht sind . . . wir dürfen nicht meinen, „das Göttliche sei wie ein goldenes oder silbernes oder steinernes Gebilde menschlicher Kunst und Erfindung“ (Apg 17, 24.29). Gott ist stets jenseitig, und die tiefste Wirklichkeit der Dinge ist ebenso. Aber unsere Kunstwerke verschaffen uns zu diesem Jenseits etwas wie Zeichen. Wenn unser Wissen und unsere Sprache lückenhaft sind, ist es uns dennoch manchmal gegeben, die Tiefe und die Einheit der Menschen zu erfassen. Es ist sicher, daß der Glaube von anderer Art ist: Er setzt eine persönliche Begegnung mit Gott in Jesus Christus voraus, mit Licht und Anziehungskraft, die von ihm ausgehen. Aber alle authentische Kunst ist auf ihre Art ein Weg des Zugangs zur tieferen Wirklichkeit, die der Glaube in volles Licht rückt. Eine Welt ohne Kunst könnte sich schwerlich dem Glauben öffnen. Sie riskierte, Gott gegenüber fremd zu bleiben, wie vor „einem unbekannten Gott“ (Apg 17,23). Kunst und Liebe 5. Wenn der Mensch Gott im Glauben begegnet und mit ganzem Herzen und ganzer Seele mit all seiner Kraft und all seinen Gedanken (vgl. Lk 10,27) seine Liebe beantwortet, dann kommt es zu einer echten Begegnung mit dem anderen in der Nächstenliebe (vgl. 1 Kor 13,4-7). Die Liebe richtet dann ihren Blick auf die tiefe Realität des Menschen, dem man begegnet. Sie erlaubt es uns, mit dem anderen mitzufühlen, ihn zu verstehen, das Gute zu sehen, das in ihm schlummert, und mit ihm Mitleid zu haben, in seinen offensichtlichen oder verborgenen Leiden (vgl. Lk 10,33). Wer seinen Nächsten liebt, weiß sich von diesem auf eine radikale, unausweichliche Weise angerufen; es geht ihm wie dem barmherzigen Samariter. Er will seinem Nächsten zur Seite stehen. Er teilt das „Menschsein“ seiner Brüder und Schwestern, fern und nah. Der Gläubige entdeckt da noch weiteres: die Spiegelung Gottes, der den Menschen, Mann und Frau, als sein Abbild schuf. Der Christ hat gelernt, hinter dem Gesicht des anderen, vor allem des Armen, das tiefe Geheimnis des Menschensohnes selbst zu erkennen (Mt 25,31-40). Die Liebe geht - unter dem Einfluß des Heiligen Geistes - vom Herzen aus hin zum Antlitz, auf dem der Ruf Gottes Ausdruck findet. In der Kunst - in der Malerei, im Gesang, in der Musik, im Tanz, in der Literatur, in den anderen Formen der Kunst - findet diese Liebe natürlich einen Ausdruck ihrer Tiefe und der schwungvollen Emotionen, die sie begleiten. 722 REISEN 6. Auf ihre eigene Art bezeugt die Kunst selbst schon einen geheimnisvollen Elan aus dem Herzen des einen zum Antlitz des anderen. Mehr noch als die Erforschung einer Landschaft - die auch ein schönes Thema für ein Kunstwerk bildet - ist die Kunst Entdeckung und Ausdruck der verborgenen Gesichtszüge der anderen Person; ihrer tiefen Freude oder ihres geheimen Kummers, ihrer Kraft oder ihrer Schwäche, ihrer Hoffnungen und ihrer Suche nach Verständnis und Liebe. Denn in ihren authentischsten Formen ist die Kunst Ausdruck des Menschen selbst und, gewissermaßen, der gesamten Menschheit. Die Kunst entspringt der Quelle des Herzens, bevor diese sich in viele Bäche verzweigt. Die Kunst ist die Sprache des Menschen, des Wesens, das die Fähigkeit hat, sich zu wundern, bevor er sich in der Vielfalt der Dinge verliert und bevor er sich durch zahllose Tätigkeiten absorbieren läßt, die ihm die Illusion vermitteln, intensiv zu leben. In diesem Augenblick der Einheit richtet sich der Blick des Künstlers vorzugsweise auf das Gesicht des anderen. Dieses Gesicht ist für ihn der Spiegel der Seele und - dadurch - der ganzen Realität. Was sein Werk inspiriert, ist alles schon von der Hand des Menschen berührt worden; es verweist stets auf den Menschen. Es ist das Ergebnis seiner Tätigkeit; und umgekehrt hat die Tätigkeit den Menschen modelliert. Ja, die Kunst ist eine privilegierte Ausdrucksform des Mitgefühls des Menschen für seinesgleichen sowie die Liebe für das Tiefste in ihm. Eine Welt ohne Kunst droht eine der Liebe verschlossene Welt zu sein. In den meist privilegierten Augenblicken im Werk eines Künstlers merkt man, daß das Gesicht des Menschen die schönste Ikone des lebendigen Gottes ist, wenn schon die Natur die Schönheit Gottes widerspiegelt. Nie ist das Gesicht des Menschen so schön, wie wenn es die Anwesenheit desjenigen durchscheinen läßt, von dem der Mensch das Leben erhält. 7. Die Kunst ermöglicht uns nicht nur eine Verbindung mit dem Geheimnis des Menschen, das sie beschwören, darstellen, malen, besingen will: unter all den Menschen, die sich dieser Kunst widmen, über sie nachden-ken oder sich an ihr erfreuen, stellt sie auch eine Verbindung her. Weil sie Ausdruck alles ganz Menschlichen ist, deshalb ist die Kunst universal, und sie trotzt Zeit und Raum. Die menschliche Erneuerung greift fortwährend auf sie zurück. Über Zeiten und Kulturen hinaus wendet sich echte Kunst an alle Menschen. Sie bringt sie zusammen, wie das die Liebe tut. Macht, Ambition, Besitzdrang sind Ursachen der Uneinigkeit: Was der eine besitzt, muß der andere entbehren. Aber wenn wir uns zusammen ein Konzert anhören, wenn wir zusammen ein Kunstwerk bewundern, dann 723 REISEN empfangen wir alle, jeder auf seine eigene Weise, diese Gabe, und diese Erfahrung bereichert uns. 8. Dies impliziert auch, daß die Kunst ihre Forderungen hat. Welches Menschenbild verbreitet sie? Welche Auffassung von Liebe stellt sie dar? Zu welcher Gemeinschaft unter den Menschen inspiriert sie? Welchen Respekt hat sie für das Gewissen des Menschen, für sein religiöses Bewußtsein? Man hat das Recht, den Künstlern diese Fragen vorzulegen. Den Baum erkennt man an seiner Frucht. Im Werk des Künstlers offenbart sich sein Herz. Euch, meinen lieben Brüdern und Schwestern, die ihr in diesem Bereich eure Verantwortung erwägt, möchte ich mit dem heiligen Paulus zurufen: „Was immer wahrhaft edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht!“ {Phil 4,8). Auch auf die künstlerische Betätigung kann man das Wort Jesu an seine Apostel anwenden: „So soll euer Licht von den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mf 5,16). Für euch ist dieses Licht die Schönheit eurer Kunstwerke. In seiner Botschaft an die Künstler sagte das Zweite Vatikanische Konzil: „Ihr seid die Hüter der Schönheit in der Welt: Möge dies genügen, euch von jedem vorübergehenden Geschmack ohne echten Wert zu lösen, und euch von der Suche nach fremden und unpassenden Ausdrucksformen zu befreien. Seid immer und überall eures Ideals würdig.“ Sicher, die Kunst ist immer ein „Versuch“. Aber nicht jeder Versuch ist gleich inspiriert und gelungen. Manche, so scheint mir, weichen ab von der Bestimmung der Kunst, die darin besteht, das Schöne zum Ausdruck zu bringen, das Wahre, die Liebe, das Tiefste in der Natur, die das Werk Gottes ist und im Herzen des Menschen, das den Stempel einer transzendenten Bestimmung trägt. Und wenn die Kunst eigentlich religiöse Realitäten interpretiert oder eine „heilige“ Kunst sein will, dann darf man von ihr verlangen, jede Verfälschung zu vermeiden, jede Entweihung, jeden Angriff auf das religiöse Gefühl des Menschen, auf die Wahrheiten ihres Glaubens, auf die Tugenden, die ihr Ideal darstellen. Dieser Respekt von den Menschen in dem, was ihnen am meisten am Herzen liegt, ist für die Würde der Kunst grundlegend. Kunst und Hoffnung 9. Verwurzelt im Glauben und in der Liebe, gibt es eine andere Kardinaltugend, die den Christen beseelt: das ist die Hoffnung. 724 REISEN Der Dichter Peguy wunderte sich über „das kleine Mädchen“ Hoffnung. Bernanos und Graham Green haben auf ihre Weise darüber gesprochen, indem sie beschrieben haben, wie sie mitten in Situationen der Verzweiflung, der Ohnmacht, des scheinbaren Schweigens Gottes zum Ausdruck kam. Oft verdunkelt heute ein Trauerschleier unsere Kultur. Das Herz des Menschen scheint mitunter nicht imstande zu hoffen. Ist dies das Resultat der schweren Drohungen, die auf der Zukunft der Menschheit lasten (vgl. Redemptor hominis, Nr. 15-16)? Rührt es her von den aktuellen Schwierigkeiten bei der Organisation der Arbeit und der Gesellschaft, die eine große Anzahl unserer Zeitgenossen des Arbeitsplatzes oder ausreichender Einkünfte berauben? Ist es das Gewicht der Hindernisse, welches die Völker und die sozialen Gruppen daran hindert, sich gegenseitig zuzuhören, zu teilen, sich zu lieben; die Männer und Frauen hindert, miteinander verbunden zu sein, stabile Familien zu gründen, sich in gegenseitigem Vertrauen zu engagieren? Zweifellos ist die Gesellschaft zersplittert, und die Menschen verteidigen, jeder für sich, ihren kleinen Bereich, allein und entmutigt. Aber vor allem zweifeln sie am Sinn des Lebens, sie zweifeln an der Möglichkeit, die Hindernisse und Versuchungen zu überwinden. Außerdem ist ihr Herz bisweilen von materialistischen Ideologien beeinflußt, die den Menschen auf eine Sache reduzieren oder die Gegensätze zwischen den Menschen verhärten. Das in bestimmten Formen des modernen Denkens enthaltene Mißtrauen stutzt die Flügel der Hoffnung. Kurz gesagt, viele haben augenblicklich Schwierigkeiten, die Energien ihres Herzens zu sammeln und wieder Hoffnung zu schöpfen. <139> <140> <139> Dieser Riß in der westlichen Kultur spiegelt sich besonders in der Kunst wider. Die Tragödie der Menschen ist - langsam, aber sicher -enthüllt. Manchmal mit Stolz, manchmal mit Resignation. Sicher ist, daß das menschliche Leiden stets ein Thema der Kunst gewesen ist. Alle großen Künstler sind, manchmal ihr ganzes Leben lang, mit dem Problem des Leidens und der Verzweiflung konfrontiert worden. Aber viele haben dennoch in ihrer Kunst ein wenig Hoffnung zutage treten lassen, die größer ist als Leiden und Erniedrigung. In Literatur und Musik, in bildender Kunst und Malerei haben sie das Geheimnis eines neuen Heüs, einer erneuerten Welt dargestellt. Dies muß auch in unserer Epoche die Botschaft wirklicher Künstler sein, die aufrichtig alles empfinden, was menschlisch ist, bis hin zur Tragödie des Menschen, die es aber selbst in dieser Tragödie verstehen, die Hoffnung zu entdecken, die uns gegeben 725 REISEN ist. „Diese Welt braucht Schönheit, um nicht in Hoffnungslosigkeit zu versinken“ {Botschaft des Konzils an die Künstler). 11. Der Gläubige seinerseits bagatellisiert kein Hindernis, keine Drohung, die die Menschheit bedrücken. Er kennt selbst Prüfungen aller Art. Aber er erlebt sie in der Perspektive der von Jesus vollbrachten Erlösung. Selbst das Leiden wird zum Ort des Mitleides Gottes, der Solidarität mit den Leidenden, der Selbstaufopferung und der Leibe. Das Leiden ist der Weg des Heils, der Erlösung: Es läßt uns an der Passion Christi teilhaben, die ein Übergang zur Auferstehung war. Gläubige Künstler können nicht umhin, diesen Gedanken in ihrer Kunst zum Ausdruck zu bringen. Heute betonen viele das menschliche Elend und stellen vor allem das Leiden Christi dar; aber für gläubige Künstler kann die Passion nicht nur das Schweigen Gottes oder die unmenschliche Hartherzigkeit der Menschen sein. Die Passion ist auch Mitleid und Hoffnung. Jesus selbst hat uns diese Hoffnung gelehrt. Als göttlicher Künstler hat er ein ganzes Leben lang in Parabeln gesprochen. Aber bei seiner letzten Begegnung mit seinen Jüngern hat er offen geredet und nicht mehr in Gleichnissen gesprochen (vgl. Joh 16,29). Und doch war es die Stunde der Zerstreuung und der Einsamkeit. Er spricht aber sehr deutlich über die Quelle und den Grund seiner inneren Ruhe und seiner Kraft: „Ich bin nicht allein, denn der Vater ist bei mir ... In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: ich habe die Welt besiegt“ (ebd., 32-33). Darin liegt für jeden Jünger Christi die Quelle der Hoffnung, des Friedens, der alle Begriffe übersteigt, und - man kann sogar sagen - der Freude (vgl. Phil 4,4.7.9). <141> <141> Ihr wißt es, meine lieben Freunde, die Kunst ist eine privilegierte Ausdrucksform für den Glauben, die Liebe und die Hoffnung. Authentische Kunst trägt dazu bei, den schlummernden Glauben zu wecken. Sie öffnet das Herz dem Geheimnis des anderen. Sie erhebt das Herz desjenigen, der zu sehr enttäuscht oder zu müde ist, als daß er noch hoffen könnte. In der Kirche, mitten in der Welt, hat der christliche Künstler also eine erstrangige Berufung. Seine Symbolsprache bringt die Realität, die „hinter den Dingen“ ist, zum Ausdruck; es ist so, als würde er sagen: „Gott ist von jedem von uns nicht weit entfernt.“ Ihr erinnert euch an den Aufruf des Konzils an alle Künstler, denen ich heute noch ans Herz legen möchte: „Seit langem steht die Kirche mit euch in Kontakt ... Ihr habt ihr geholfen, die unsichtbare Welt begreiflich zu machen . .. Unterbrecht diesen außerordentlich fruchtbaren Kontakt 726 REISEN nicht! Verschließt euren Geist nicht der Inspiration des Heiligen Geistes.“ Wenn der Künstler schon durch das Talent, das er als Gabe erhalten hat, ein Schöpfer ist, dann muß die Gnade Gottes im Herzen des Menschen eine schöpferische Wirkung haben. „Veni, Creator Spiritus“! „Komm, schöpferischer Geist“! In dieser Zeit der Vorbereitung auf Pfingsten richte ich folgendes Wort auch an alle, die sich hier den Künstlern angeschlossen haben: „Verschließt euren Geist nicht dem Heiligen Geist!“ Sei, was du bist, entdecke deine Herkunft! Ansprache an die Repräsentanten der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel am 20. Mai Herr Präsident des Europäischen Parlaments, Herr Präsident des Ministerrates, Herr Präsident der Kommission der Europäischen Gemeinschaft, meine Damen und Herren, Mitglieder des Diplomatischen Korps, meine Damen und Herren! <142> <142> Die Worte, mit denen mich Herr Jacques Delors in Ihrer aller Namen so höflich empfängt, sind Ausdruck Ihres Interesses für den ersten Besuch des Papstes bei den Europäischen Institutionen, bei denen Sie den Vorsitz führen, die Sie leiten oder bei denen Sie akkreditiert sind. Sehr herzlich danke ich dem Herrn Präsidenten der Kommission der Europäischen Gemeinschaft und den Verantwortlichen auf hoher Ebene, die ihn umgeben, sowie dem Diplomatischen Korps für diese so höfliche Aufnahme und für die Einführung in Ihre Organe und Dienstleistungen. Mit Ehrerbietung begrüße ich alle hier versammelten Persönlichkeiten sowie alle, die an der Erfüllung Ihrer Aufgaben mitwirken. Sie wissen um die Aufmerksamkeit und die Sympathie, mit denen meine Vorgänger alle Bemühungen verfolgt haben, die nach dem Zweiten Weltkrieg dem Aufbau der Europäischen Gemeinschaft galten. Was mich betrifft, so hatte ich zahlreiche Gelegenheiten sowohl vor meinen Besuchern in Rom als auch anläßlich meiner Reisen mein Interesse für all das zum Ausdruck zu bringen, was zum Aufbau Europas beiträgt. Die Anwesenheit eines Apostolischen Nuntius, der den Hl. Stuhl im Rahmen des akkreditierten Diplomatischen Korps vertritt, bezeugt die Achtung, die 727 REISEN Sie der Kirche entgegenbringen, und gleichzeitig die Aufmerksamkeit, mit der wir Ihr Wirken verfolgen. Sie empfangen heute den Nachfolger Petri, jenes Apostels, der gemeinsam mit Paulus zum Gründer des Christentums auf dem Boden Europas wurde. Unsere Begegnung entspricht der Ordnung der Dinge, ist es doch meine Mission, gemeinsam mit meinen Mitbrüdern im Bischofsamt und dem ganzen christlichen Volk in der Welt für jenen Glauben Zeugnis abzulegen, der die Geschichte und Kultur dieses Kontinents - mehr als die jedes anderen Kontinents - kennzeichnet, für einen Glauben, in dem ein Großteil der Männer und Frauen Europas die Leitlinie ihres Lebens erblickt. Wenn ich Ihre Einladung annehme, so ist das keineswegs einem Eingriff in Ihre Aufgaben gleichzusetzen, deren Vielschichtigkeit und Schwierigkeiten mir wohl bekannt sind. Indem ich in Ihren Institutionen einen Ausdruck des Bemühens um die Einheit Europas sehe, möchte ich jedoch mit Ihnen einen Blick auf unseren Kontinent und seine Berufung richten. In dem Augenblick, in dem das dritte Jahrtausend herannaht, steht Europa einer neuen Etappe seines Werdens gegenüber. Es geht heute darum, daß es sich seines Wesens klarer bewußt werde und sein kollektives Gedächtnis einer langen und bewegten Vergangenheit zuwende, soll es nicht sein Schicksal als Produkt des Zufalls erfahren, sondern frei seine Zukunft als Projekt aufbauen. Dieses Projekt kann sich nur auf das Erbe der Geschichte gründen. Wenn man dieses betrachtet, muß man sich davor hüten, seine lichten Stellen zu verherrlichen, ohne die Schatten zu sehen, und wenn man die dunklen Zonen erforscht, das zu verneinen, was die vergangenen Jahrhunderte an Solidem und Gutem mit sich gebracht haben. 2. Dieser Kontinent ist stets ein Ort der Begegnungen gewesen, eine große Wegkreuzung, wo Völker ausgewandert sind, einander verdrängt oder sich miteinander verbündet haben. Von dem Augenblick an, in dem das Römische Reich Europa durch seine Ausbreitung über den Mittelmeerraum hinaus seine erste Gestalt verlieh, ergibt sich die Einheit, die ihm für einige Zeit beschieden ist, aus der Verbindung griechischer und lateinischer Geistesströmungen, zu denen bald die der alteingesessenen Völker des Westens und des Ostens hinzukommen. Später erlebten die politischen Gebilde - um den Preis zahlreicher Rivalitäten und Konflikte - einen ständigen Wandel ihrer Einflußgebiete, vor allem durch das Eintreffen verschiedenster Völker im Laufe jener Ereignisse, die man als Invasionen bezeichnen kann. 728 REISEN Erst im Lauf der Jahrhunderte sollte es dem Christentum gelingen, diese Völker zu erreichen und zutiefst so viele verschiedene Elemente an der Kohäsion einer gemeinsamen Inspiration teilhaben zu lassen, in der Rom und Byzanz einander ergänzten. So entwickelt sich mittels der verschiedenen intensiven Austauschströmungen eine gewisse Einheit in der Zivilisation. Man muß hier an das fruchtbare Wirken der Jünger des hl. Benedikt erinnern, von denen mein Vorgänger Paul VI. sagte, sie hätten gemeinsam „das Kreuz, das Buch und die Pflugschar“ (Breve Pacis muntius, 24. Okt. 1964) gebracht. Man muß an das Wirken der heiligen Kyrill und Method, der aus Byzanz stammenden Missionare, erinnern, die den slawischen Völkern das Christentum brachten und so mit genialer Intuition deren Kultur in erfreulichem Einverständnis mit dem päpstlichen Stuhl in Rom förderten. Diese Gründergestalten können als Symbole für das langsame Aufkommen eines europäischen Geistes bei den Menschen bezeichnet werden, die die Erde rodeten, eine Kultur aufbauten und sich in einem einzigen Glauben zusammenfanden. Wir sind noch Erben jener langen Jahrhunderte, in deren Verlauf sich in Europa eine vom Christentum inspirierte Zivilisation herausbildete. Wir sind jedoch auch den schwerwiegenden Folgen bedauerlicher Brüche ausgesetzt. Die Christen haben die vom Evangelium geforderte brüderliche Gemeinschaft zerbrochen. Im 11. Jahrhundert entfernte die schmerzliche Trennung zwischen Rom und Byzanz für lange Zeit den Osten vom Westen. Im Lauf der folgenden Jahrhunderte kommt es zur Selbstbehauptung der Nationalitäten. Die soziale Ordnung ändert sich. Prinzen und Kaufleute, Pilger und Gelehrte, Künstler und Meister des geistlichen Lebens bevölkern indes die Straßen; sie sind Träger und Zeugen einer eindrucksvollen Entwicklung der spekulativen und praktischen Intelligenz und geistlicher Großtaten, die den im Evangelium begründeten Sinn für die Armut, die Offenheit dem Nächsten gegenüber und die Hoffnung zu neuer Blüte bringen. Im Mittelalter baute Europa in einem gewissen Zusammenhalt des ganzen Kontinents eine brillante Zivilisation auf, deren Errungenschaften zu einem guten Teil noch existieren. Dennoch lassen sich Fehlentwicklungen von Werten feststellen, die der Mensch verteidigen möchte, und Unausgeglichenheiten in einer von ihren Erfolgen berauschten Kultur. Die Staaten prallen zusammen und erweisen sich als eroberungslustig. Die christliche Welt erfährt neue Brüche; die des 16. Jahrhunderts sind tiefgehend. Wir waren noch nicht imstande, ihre Wunden zu heilen. 729 REISEN Die europäische Geschichte erschreckend und schön zugleich Unsere Vorfahren haben jedoch auch die Straßen eröffnet, die in andere bewohnte Gebiete führen. Von dem Wunsch gedrängt, diese dem Menschen anvertraute Erde kennenzulernen, und vom Fortschritt der Technik begünstigt, ziehen sie zur Entdeckung von ihnen unbekannten Kontinenten aus. Welch überraschendes Abenteuer! Sie richten das Kreuz auf, verbreiten die christliche Hoffnung und ihren intellektuellen und technischen Fortschritt. Sie sind jedoch auch Eroberer, verpflanzen ihre Kultur, eignen sich den Reichtum anderer Völker an, deren Traditionen sie verachten und die sie nur allzuoft grausam ihrer Herrschaft unterwerfen. So ist das Verhältnis der Europäer zu den Menschen der anderen Kontinente doppelgleisig: sie bringen den anderen sowohl ihren Genius als auch ihre Schwächen; sowohl ihre Hochherzigkeit als auch ihren Durst nach Macht und Reichtum; sowohl ihre Fähigkeit, den menschlichen Fortschritt zu fördern, und ihren Glauben als auch ihre Exzesse und ihre Fehler. Unser Kontinent spiegelt deutlich das Paradoxe im Menschen wider: Er ist intelligent, ist eine Führernatur, der Selbsthingabe und der Heiligkeit fähig, jedoch auch imstande, aus Habgier und Stolz zu zerstören. Er weiß um seine Würde und setzt sich die Tugend zum Ziel, gleichzeitig jedoch wird er Opfer eines abwegigen Verhaltens, das ihn entmutigt. Wenn wir jedoch die Zivilisation und Kultur betrachten, die sich bis zum Beginn der Neuzeit herauskristallisiert hat, können wir ihre christlichen Wurzeln erkennen. Dafür spricht eine bestimmte Auffassung vom Menschen, eine Überzeugung, daß dem Menschen ein einzig dastehender Wert im Mittelpunkt der Welt zukommt; daß die Geschichte einen Sinn hat; daß der Fortschritt auf allen Gebieten möglich ist; daß die Hoffnung auf den Aufbau einer in Gerechtigkeit und Solidarität gründenden Welt besteht, in der das Recht respektiert wird; daß es möglich ist, sich nicht vom Übel überwältigen zu lassen. Der Glaube stellt ihm unablässig ein Ideal gegenüber, und wenn die Diskrepanz zwischen der Größe seiner Berufung und der Unzuverlässigkeit bei ihrer Verwirklichung ihn schmerzen, weiß er sich aufgefordert, unabhängig über sich hinauszugehen, und erfährt die Wohltat der Versöhnung. 3. Die letzten Jahrhunderte, die das heutige Europa geformt haben, sind von einer durchgreifenden Ausbreitung der menschlichen Aktivität gekennzeichnet: Wir sind Zeugen einer raschen Entwicklung von Wissenschaft und Technik. Gleichzeitig entdeckt der Mensch durch die Reflexion 730 REISEN über sich selbst den Reichtum seiner Person und die Grundlagen des Lebens in der Gesellschaft. Es ist dies die Zeit, in der die Philosophen neue Wege für ein vernunftgemäßes Handeln vorzeichnen, die Zeit, in der große Juristen sich wieder mit den Grundlagen des Rechts beschäftigen. Die Werte der Freiheit und Gleichheit werden als die höchsten des Menschen anerkannt. All das führt zu einer neuen Weitsicht, zur industriellen Revolution, zu tiefgreifenden Veränderungen in den sozialen Strukturen. Das Anwachsen des Reichstums jeder Art bringt jedoch nur geringen Fortschritt in der Gerechtigkeit mit sich. Die nationalen Partikularismen brechen auf, und der Kampf um die Vorherrschaft zieht sich durch die Geschichte der Mächte. Ein Rausch des Fortschritts erfaßt den seiner Fähigkeiten bewußten Menschen im Laufe dieser Zeitabschnitte. Der rationalistische Optimismus, den ihm seine Errungenschaften einflößen, führt ihn zur Ablehnung jedes transzendenten Ideals, das sich der Beherrschung durch seinen eigenen Genius entziehen würde. Verschiedene philosophische und ideologische Strömungen bringen die Gläubigkeit in Mißkredit und führen zu einem Mißtrauen Gott gegenüber, das auf den Menschen zurückfällt, indem es ihn eines vollen Wissens und seines Daseinszwecks beraubt. Man versucht, die Macht des Menschen oder die Dynamik seiner Geschichte zum Absoluten zu machen; als Folge dieses Bemühens tauchen Ideologien und politische Systeme auf, die die Freiheit des Menschen beeinträchtigen und seine Hochherzigkeit verringern. Die praktische Verneinung vieler spiritueller Werte veranlaßt den Menschen, um jeden Preis nach der Befriedigung seiner Leidenschaften zu streben und die Grundlagen der Ethik zu verkennen. Er verlangt nach Freiheit und flieht vor seinen Verantwortungen; er strebt nach dem Überfluß und ist nicht imstande, die Armut neben sich auszumerzen; er bekennt sich zur Gleichheit aller und gibt nur allzuoft der rassistischen Unduldsamkeit nach. Trotz all dem, was er für sich selbst beansprucht und was ihm tatsächlich zugänglich ist, wird der zeitgenössische Mensch von Zweifeln über den Sinn seines Lebens, von Angst und Nihilismus heimgesucht. Man kann sagen, daß die beiden auf diesem Kontinent ausgelösten Weltkriege auch Folgen und gleichzeitig Offenbarungen der menschlichen Krise waren, die sich nunmehr durch die gesamte Menschheit zieht. Man wird angesichts der zahllosen Toten, die diese Konflikte zur Folge hatten, angesichts der leiblichen und seelischen Wunden, der weitreichenden Zerstörungen und des schrecklichen Ernstes der Schuld, die dieses Elend verursacht hat, vom Schwindel ergriffen. Die Narben sind noch nach 40 731 REISEN Jahren sichtbar. Eine so tiefe Verunsicherung wird noch lange Zeit das Gedächtnis belasten, um so mehr, als vertiefte Brüche noch fortdauern. In meiner Osterbotschaft wollte ich die ganze Welt nicht nur an den schrecklichen Charakter des Konflikts erinnern, der so viele Völker entzweit hat, sondern auch an die Bedeutung des Opfers von Millionen: ihr Leben wurde für die Druchbrechung der Spirale der Gewalt und zur Verteidigung der Würde des Menschen hingegeben (vgl. Osterbotschaft vom 7. April 1985). 4. Meine Damen und Herren, ich wollte diese Reflexionen über die erschreckende und gleichzeitig herrliche Geschichte unseres Kontinents mit Ihnen teilen, weil unser Leben von manchmal weit zurückliegenden Brüchen gezeichnet ist, aber auch weil wir über ein sehr reiches Erbe verfügen, auf das sich die Berufung Europas und seine Aufgaben in unserer Zeit gründen. Wir sind hier beim Sitz ihrer Institutionen vereint, weil sich sehr bald nach dem Krieg eine große Zahl von Europäern in der Überzeugung zusammenfand, daß die Trennungen zwischen den Menschen und die Gegensätze zwischen den Ländern nicht unausweichlich sind. Es ging darum, den Frieden auf der Grundlage eines dauerhaften Verstehens zu sichern und die Grundlagen für eine Einheit wiederherzustellen. Menschen, die selbst gelitten hatten, ergriffen die Initiative, den Ländern Europas ein Engagement für eine stabilere Zusammenarbeit vorzuschlagen, als es die vorhergehenden Bündnisse gewesen waren, und gemeinsam eine Gemeinschaft zu gründen. Unter den Gründen erinnern wir an Persönlichkeiten wie Jean Monnet, Robert Schuman, Alcide de Gasperi, Konrad Adenauer, Winston Churchill, Paul-Henri Spaak. Gemeinsam mit vielen anderen, die anzuführen unmöglich ist, hatten sie das Verdienst, nicht eine Zerstückelung Europas hinzunehmen, die einen Wiederaufbau und eine Entwicklung eines erstaunlich reichen kulturellen und materiellen Erbes sowie eine Rückkehr zu seiner Dynamik ohne ein Anknüpfen an die positiven Inspirationen seiner Geschichte unmöglich gemacht hätten. Die Gründer Ihrer Institutionen erkannten intuitiv, daß der wirtschaftliche Bereich in erster Linie für ein gemeinschaftliches Projekt geeignet war, und das sowohl wegen der Weltlage als auch, um nunmehr jede den Frieden bedrohende Konkurrenz auszuschalten. Tatsächlich kam es zu einer Zusammenarbeit, deren Gestalter Sie sind. Ihre vielschichtigen Aufgaben sind nach wie vor ein kühnes Unternehmen, und es ist oft schwierig für Sie, die verschiedenen Gesichtspunkte zwecks Entscheidung 732 REISEN für eine bestimmte Handlungsweise in Einklang zu bringen. Noch muß ein gemeinsames Wollen bekräftigt und eine Gesamtschau erarbeitet werden; Sie fühlen die Notwendigkeit einer vertieften Koordinierung der politischen und wirtschaftlichen Instanzen mit den Sozialpartnern und mit allen, die zum Gemeinwohl beitragen. Gemeinsam und entschieden müssen alle Verantwortlichen jene menschlichen Probleme in Angriff nehmen und lösen, die das Wirtschaftsleben auf so harte Weise mit sich bringt. Zu den besorgniserregendsten gehören die Arbeitslosigkeit, die Eingliederung der Jugendlichen in das Berufsleben, die große Armut bestimmter Menschen neben dem Überfluß vieler anderer. Der erste Daseinszweck der wirtschaftlichen Aktivitäten ist es, allen ein ihrer Würde entsprechendes Leben zu ermöglichen. Wenn man diese Tatsache klar erkennt, sollte man sich veranlaßt fühlen, die Einzelinteressen den wesentlichen Zwecken unterzuordnen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese Zwecke folgendermaßen zusammengefaßt: „Die allzu großen wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten zwischen den Gliedern oder Völkern der einen Menschheitsfamilie erregen Ärgernis; sie stehen im Gegensatz zur sozialen Gerechtigkeit und Billigkeit, zur menschlichen Personenwürde und widerstreiten dem sozialen und internationalen Frieden“ (Gaudium et spes, Nr. 29). 5. Um ihre Einheit aufzubauen, müssen die Europäer wieder einen besseren Zusammenhalt finden. Ein großes Projekt kann nur dann verwirklicht werden, wenn es durch den speziellen Beitrag jedes einzelnen im Dienst der Gemeinschaft unterstützt wird. In einem Kontinent, in dem die kulturellen Unterschiede stark ausgeprägt sind - die Verschiedenheit der gesprochenen Sprachen bringt das klar zum Ausdruck -, stellt das Aufein-ander-Hören der einzelnen Regionen eine wertvolle Bereicherung dar. In der Vergangenheit - man kann hier an die romanische und später an die gotische Kunst denken -, als eine gleiche künstlerische und spirituelle Inspiration in einer subtilen Verschiedenheit zum Ausdruck kam, war der Genius jeder einzelnen Region auf glückliche Weise mit den aus den anderen Regionen kommenden Einflüssen verbunden. Der Austausch entwickelte sich auf technischem und wissenschaftlichem Gebiet; jetzt sind es hingegen alle Bewohner, die von Jugend auf mehr Zusammenkommen sollten. Ihre gegenseitige Kenntnis läßt die eigenen Traditionen keineswegs verarmen, sondern erweitert vielmehr die menschlichen Qualitäten aller. Auf dieser Ebene können die durch Verträge festgelegten Grenzen die Öffnung der Personen und Völker zueinander nicht einschränken; die Europäer können sich nicht mit der Teilung ihres Konti- 733 REISEN nents abfinden. Auch die Länder, die aus verschiedenartigen Gründen nicht Ihren Institutionen angehören, dürfen von einem fundamentalen Streben nach Einheit nicht ausgeschlossen werden; ihr spezifischer Beitrag zum europäischen Erbe darf nicht ignoriert werden. Andererseits ist es nunmehr allen bewußt, daß das Leben eines Kontinents, möge seine Kultur auch noch so fruchtbar sein, sich dem Beitrag anderer nicht verschließen darf. Man denke hier an jene Zivilisationen, die sich außerhalb der christlichen Einflußsphäre entwickelt haben; man denke ebenfalls an andere Regionen der Erde, wo sich eine christlich und europäisch inspirierte Kultur, oft durch den Kontakt mit anderen ethnischen Gruppen, bereichert, entfaltet hat. Die Öffnung für die anderen ist ein wesentliches Element eines von der christlichen Tradition geformten Geistes. Die Europäer haben die Pflicht, in brüderlicher Achtung allen Menschen gegenüber zu leben; diese Pflicht gehört zu ihrer Berufung, den Sinn für die Universalität zu entwickeln. 6. Den Herausforderungen der Wirtschaft entgegenzutreten und den menschlichen Austausch zu verbreitern, sind Anliegen, die an andere große, von der Krise unserer Zeit gestellte Probleme erinnern. In erster Linie stehen wir - wie ich auf die Geschichte zurückblickend gesagt habe - einem moralischen und spirituellen Wanken des Menschen gegenüber, das in Ihren Ländern besonders spürbar ist. Man könnte sagen, er spiele mit dem Leben, falls er sich nicht der Hoffnungslosigkeit überläßt. Die Leichtigkeit, mit der die Wissenschaft in die biologischen Prozesse eingreift, kann zu tödlichen Verirrungen führen. Der wunderbare Akt, mit dem das Leben weitergegeben wird, ist seines Sinnes zum Teil beraubt, die Ehepartner leben in sich selbst verschlossen; mit der Zustimmung der Gesellschaft verweigern sie nur allzuoft einem schutzlosen Wesen Menschenwürde und Lebensrecht. Oder der Wunsch nach einem Kind rechtfertigt Manipulationen, die die Natur des Menschen vergewaltigen. Ein gewisser Vorrang, der den affektiven Befriedigungen des einzelnen eingeräumt wird, gefährdet die Stabilität des Ehepaares und der Familie und lenkt von den wahren Zwecken der Ehe ab. Sind diese schwerwiegenden ethischen Abweichungen eines Teiles unserer Zeitgenossen nicht an das Fehlen eines Ideals gebunden, an eine Engstirnigkeit der menschlichen Pläne, wenn ihnen die Öffnung des Glaubens mangelt? Mißt man auch die Folgen eines Geburtenrückgangs, der zu einer Überalterung der Bevölkerung führt? Hat der Mensch das Vertrauen in ein freies und treues Einswerden mit dem anderen zur Entwicklung all seiner Fähigkeiten verloren, angefangen von der Fähig- 734 REISEN keit, das Beste seiner selbst jenen zu schenken, die sich um den Erfolg der Zivilisation bemühen und sie verschönern? Der Verzicht auf hochherzige und selbstlose Ziele bringt die Übel der Einsamkeit mit sich und verhärtet das Generationenproblem. Die Jugend ist von der Welt enttäuscht, in die wir sie stellen. Wird ihr unsere Lebensweise gestatten, ihre eigene Menschenwürde zu achten, ein Ideal zu entdecken und sich gemeinsam mit in ihrer Würde glücklichen Menschen zu entfalten? Es ist unser aller Verantwortung, das abzuschätzen, was bei diesen Fragen auf dem Spiel steht. Der Mensch hat genügend Macht über sich selbst, um auf seinem Weg umzukehren, um sich aufzurichten, wenn er strauchelt, und um der Berufung zu entsprechen, unablässig über sich selbst hinauszugehen. Den Ruf der Hilfsbedürftigen hören 7. Wenn der Blick vom Leben jedes einzelnen auf der Welt in ihrer Gesamtheit schweift, tauchen andere Gefahren auf. Das Lebensnotwendige ist, von Norden nach Süden abfallend, unter Menschen fundamentaler Gleichheit ungleich vertielt, und der Hunger fordert seine Opfer. Die Solidarität wird hier zur Verpflichtung. Das Zweite Vatikanische Konzil hat dieses Prinzip ausgedrückt. „Jede Gemeinschaft muß die Bedürfnisse und berechtigten Ansprüche anderer Gemeinschaften, ja das Gemeinwohl der ganzen Menschheitsfamilie berücksichtigen“ (Gaudium et spes, Nr. 26). Die ernsten Worte meines Vorgängers Paul VI. in der Enzyklika, mit der er die Fragen der Entwicklung analysierte, bleiben stets aktuell: „Die Völker, die Hunger leiden, bitten die Völker im Wohlstand dringend um Hilfe“ (Populorum progressio, Nr. 3; 26. März 1967). Diesen Aufrufen Folge zu leisten, ist Pflicht. Ich möchte hier zu den Bemühungen der Europäischen Gemeinschaft um gerechtere Beziehungen zu den ärmeren Ländern, insbesondere im Rahmen der Konvention von Lome, gratulieren. Möge Europa unablässig den Ruf jener vernehmen, die von der Mittellosigkeit bedroht sind! Möge es den Mut haben, das konkrete Ausmaß seiner Solidarität noch zu vergrößern! Möge es sich vom Gerechtigkeitssinn inspirieren lassen! In der Welt in ihrer Gesamtheit bedrohen die Blöcke einander; Konflikte spalten ganze Nationen. Das Streben nach Hegemonie breitet sich in bisher unbekanntem Ausmaß aus und stützt sich auf entmenschlichende Ideologien. All dies läßt die Verantwortung jener Völker klar hervortreten, die viel empfangen haben, damit sie sich zusammentun und einstimmig für den Frieden sprechen, damit sie dem Rüstungswettlauf entgegen- 735 REISEN treten, der zuviel Mittel auf Kosten der wichtigsten Grundbedürfnisse verschlingt und die Spannungen verstärkt. Im gesamteuropäischen Rahmen stellt der Schlußakt der Konferenz von Helsinki über die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa eine bemerkenswerte Richtschnur für einen Dialog dar, der vertieft und wirksamer gestaltet werden muß. Mögen andere Initiativen zur Rettung des Friedens mutig ergriffen werden! Was die Christen betrifft, so streben sie zutiefst nach einer Festigung aller Verträge, die auf der Achtung für den Menschen gründen; mögen sie den Frieden aufbauen. Durch das ihnen eigene Verlangen nach Einheit möchten sie ein lebendiges Zeichen gegenseitigen Vertrauens und eines Fort-schreitens auf dem Weg der Harmonie sein, die sie hoffen, brüderlich teilen zu können. 8. Wenn ich zu Ihnen komme, so mit dem lebhaften Wunsch, die Erfolge Ihrer Institutionen anzuerkennen. Insbesondere begrüße ich die bevorstehende Aufnahme von zwei Ländern ruhmreicher Traditionen in Ihre Gemeinschaft. Gleichzeitig verleihe ich meiner Hoffnung Ausdruck, diese möge mit Entschiedenheit der Lösung der schwierigen Probleme dieser Zeit entgegengehen. Möge der in den letzten Jahrzehnten erreichte Fortschritt Sie ermutigen! Mögen die Herausforderungen von heute sie zu weiterem Handeln drängen! Aus seiner Geschichte lernend, kann das Christentum der Welt sagen, daß Trennungen überwindbar sind und Wunden geheilt werden können, wenn nur die gegenwärtige Welt sich an der Liebe inspiriert und die Hoffnung nicht auslöscht. Ich wiederhole heute den Aufruf, den ich von Santiago de Compostela aus an Europa richtete: „Finde wieder zu dir selbst! Sei wieder du selbst! Besinne dich auf deinen Ursprung! Belebe deine Wurzeln wieder“ (9. November 1982). Gründe deine Zukunft auf die Wahrheit vom Menschen, öffne deine Tore der weitumspannenden Solidarität! 736 REISEN Kult und Kultur verbinden sich Ansprache an die Universitätsgemeinschaft von Löwen am 20. Mai Herr Rektor, liebe Professoren und Studenten und ihr alle, Einwohner und Freunde Löwens! 1. Von ganzem Herzen danke ich der göttlichen Vorsehung, die mir heute die Freude schenkt, der Universitätsgemeinschaft und den Einwohnern von Löwen wie auch allen zu begegnen, die sich ihnen heute abend zugesellt haben. Ich grüße auch die Vertreter der anderen katholischen Universitätsinstitute Flanderns: Kortrijk, Hasselt und Antwerpen. Ich komme in Begleitung eurer Bischöfe, die die hohe Verantwortung für die Universität tragen, und insbesondere von Herrn Kardinal Godfried Danneels, dem Großkanzler. Ich bin besonders glücklich, die Welt der Professoren und Studenten wiederzufinden, in der ich selbst so viele bereichernde Augenblicke erlebt habe, spezieller an den Universitäten von Krakau und Lublin, deren enge Bande mit dieser Universität Löwen Sie in treffenden Worten in Erinnerung gerufen haben. Gern teile ich auch meine Überzeugung mit euch, daß ihr auf dem Vorposten steht, wo Glaube und Kultur einander begegnen. Die Beziehungen zwischen Glaube und Kultur bildeten auch das Hauptthema meiner jetzigen Überlegungen. Der Dialog der Kirche mit den Kulturen unserer Zeit ist indes eine lebenswichtige Unternehmung, von der das Schicksal der Kirche und der Welt am Ende des 20. Jahrhunderts in beträchtlicher Weise abhängt. In diesem Sinn seid ihr alle einbezogen, um so mehr, als ihr in Löwen wohnt, in Straßen und Vierteln, in denen sich überall Universitätsgebäude erheben. Ihr lebt unter den Studenten, unter der Jugend und vielleicht auch mitten in ihrem Ungestüm. Ihr repräsentiert vor allem die ganze Gemeinschaft der Menschen, in deren Dienst sich die Universität stellen will. Darüber hinaus ist die Kultur nicht allein Sache der Wissenschaftler, wie sie sich auch nicht in Museen einschließen soll. Ich möchte sagen, daß die Kultur die Wohnung des Menschen ist, das, was seine ganze Lebensweise und sein ganzes Verhalten kennzeichnet bis hin zu Wohnung und Kleidung. Die Kultur wird bestimmt durch das, was der Mensch schön findet, durch seine Auffassungen über Leben und Tod, über Liebe, Familie, Einsatz, über die Natur, sein persönliches Dasein, über das Gemeinschaftsleben und über Gott. 737 REISEN Heute abend jedoch will ich mich mit der Kultur befassen, auf der Ebene ihrer tiefsten Dynamik, ihrer wichtigsten Fragen, auf der Ebene des Bewußtseins, das die Menschen von ihr haben, und auf derjenigen der wissenschaftlichen Forschung, die den Ruhm des menschlichen Geistes darstellt. Morgen in Louvain-la-Neuve werde ich mich ausdrücklich mit den Merkmalen der katholischen Universität beschäftigen. Beide Themen ergänzen einander und betreffen natürlich sowohl die eine wie die andere Universität. 2. Liebe Freunde dieser Löwener Universität, ihr seid, wie ihr zu Recht hervorhebt, die Erben einer langen universitären Tradition, worauf ihr stolz sein könnt. Eure Universität kann sich an ihre Gründungsurkunde erinnern, die nun bereits ungefähr fünfeinhalb Jahrhunderte zurückliegt. Ihr habt in Erinnerung gerufen, wie mein Vorgänger Martin V. den Entwurf ausgearbeitet und ihre großen Ziele festgelegt hat. Aus dem anfänglichen bescheidenen Studium generale mit 12 Professoren und drei Fakultäten - „artes“, Rechte und Medizin - sollte bald die Katholische Universität Löwen erwachsen. Diese Universität hat ununterbrochen ihre Berufung erfüllt, als lebendige Zelle in der Kirche, als hochstehendes Forschungszentrum und als Mittelpunkt kultureller Ausstrahlung kompetente Verantwortliche auf ihren Dienst in Gesellschaft und Kirche vorzubereiten, und zwar in vielen Bereichen. Ihr seid folglich die Träger einer Zukunft, die nach dem Maß eurer Treue und Kreativität fruchtbar sein wird. Der Glaube ist Quelle von Kultur, und in der Kultur erblüht der Glaube. Ihr teilt zweifellos die Institution, die mich dazu gebracht hat, einen Päpstlichen Rat für die Kultur ins Leben zu rufen: „Die Synthese zwischen Kultur und Glaube ist nicht nur ein Erfordernis der Kultur, sondern auch des Glaubens. Ein Glaube, der nicht Kultur wird, ist kein voll angenommener, kein ganz durchdachter und kein treugebliebener Glaube“ (Schreiben an Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli vom 20. 5. 1982: AAS 74, 1982, S. 685, dt. in: Der Apostolische Stuhl 1982, S. 1106 f.). Die gesamte lebendige Tradition der Kirche lehrt uns, daß der Glaube zu begreifen und der Verstand zu glauben sucht. Die Notwendigkeit der Einsicht und die Notwendigkeit des Glaubens sind beide tief im Herzen des Menschen verwurzelt. Darum steht die Kirche an der Wiege der Universitäten. Sie ist zutiefst davon überzeugt, daß der Suche nach Wahrheit, die für den menschlichen Geist so bezeichnend ist, der Empfang der vollen Wahrheit nicht widerstrebt, sondern daß sie letztendlich 738 REISEN hierdurch bedeutend angeregt wird. Wie ich bereits am 1. Juni 1980 zu den Studenten des „Institut Catholique“ von Paris sagte, ermöglichen euch die katholischen Universitäten, „in eurer geistigen Arbeit zwei Ordnungen der Wirklichkeit existentiell zu verbinden, die man allzuoft einander entgegenzustellen geneigt ist, als handle es sich um Gegensätze: die Suche nach der Wahrheit und die Gewißheit, die Quelle der Wahrheit bereits zu kennen“ (O. R. dt. vom 20. 6. 1980, Nr. 25/S. 5). 3. Diese den katholischen Universitäten eigene Überzeugung führt gewiß nicht dazu, daß sie sich im Dialog mit Menschen einer anderen Lebensanschauung in einer unversöhnlichen, unverträglichen und unzugänglichen Haltung verschließen. Schon durch eure berufliche und wissenschaftliche Kompetenz verfügt ihr in euren Kontakten mit jedem Mann oder jeder Frau guten Willens, die dem Wohl des Menschen und dem Fortschritt der Kultur zu dienen versuchen,- über eine breite Gesprächsebene. Außerdem könnt ihr Studenten in eure Mitte aufnehmen, die nicht notwendig eure Glaubensüberzeugung teilen. Sie werden sich Rechenschaft darüber geben, daß sie in den von euch gelehrten Fächern die bestmögliche Ausbildung erhalten. Aber fügen wir hinzu, daß im Schoße einer lebendigen katholischen Universität die gläubigen Professoren und Studenten gleichsam instinktiv - oder, besser gesagt, aufgrund einer besonderen Gnade - ihr Wissen und ihre Forschung in eine für die gesamte Wahrheit und den vollen durch die Kirche Christi’gelehrten Glauben offene Perspektive zu stellen lernen. Die lebendige und fruchtbare Symbiose von Glaube und Kultur ist also keine tote Abstraktion, sondern etwas wirklich Existierendes, das von überwältigender Vitalität zeugt. Dann steht das Mysterium des Glaubens im Herzen des täglichen Lebens, im Herzen der Forschung, der Lehre, der Arbeit und des frohen brüderlichen Zusammenlebens. Die Universitätsgemeinschaft muß in der Tat in ihren alltäglichen Handlungen auf eine existentielle Weise ihren Glauben in der Kultur zu inkarnieren verstehen. Intensive Zeiten der. Besinnung und des Gebetes für die Feier der Grundlagen ihres Glaubens, ihrer Hoffnung und ihrer Liebe werden da eine wichtige Rolle spielen. Wenn sich Gelegenheit bietet, dann wißt stets von der Hoffnung, die eure Arbeit beseelt, in Ehrfurcht vor den Auffassungen der anderen, aber ohne jemals euren Glauben zu. verbergen, Zeugnis abzulegen. So können eure Kollegen-und die Angehörigen anderer kultureller Umfelder eure tiefsten Motivationen erfahren, die euch befähigen, eurer Lehre und Forschung ein solches Maß 739 REISEN an Beseeltheit zu geben, jenes höhere Licht, das aus dem Evangelium aufleuchtet. Das alles muß indessen geschehen, ohne die berechtigte Autonomie eurer Forschungsmethoden in Frage zu stellen, wozu das Konzil Aussagen gemacht hat (vgl. Gaudium et spes, Nr. 36) und worauf ich in den von euch zitierten Äußerungen bereits zu sprechen gekommen bin. 4. Es ist in der Tat unsere Aufgabe, uns zwei Ziele vor Augen zu halten, die verschieden sind, aber zugleich in dieselbe Richtung weisen. Einerseits muß man sich auszeichnen im Fortschritt der Natur- und Humanwissenschaften, aber gleichzeitig darf man niemals nachlassen, das Erbe der theologischen Menschen zu vertiefen. Jedes Lehrfach hat eigene Methoden und Erfordernisse sowie eigene Bedingungen, an die sein Fortschritt gebunden ist. Die Theologie steht ihrerseits „per definitionem“ innerhalb des Glaubensvermächtnisses, wie es durch das kirchliche Lehramt weitergegeben, bewahrt und ausgelegt wird sowohl hinsichtlich des Dogmas wie der christlichen ethischen Implikation. Es gereicht der theologischen Forschung und dem theologischen Unterricht zur Ehre, wenn sie die Verantwortung auf sich nimmt, sich innerhalb und im Dienst der Kirche für die Vertiefung der Lehre einzusetzen. Darauf gestützt, werden die kommenden Generationen in ihrem eigenen kulturellen Kontext und inmitten einer Anzahl neuer Fragen, die sich ihrem Gewissen stellen, den katholischen Glauben authentisch leben können. Dieser Dienst der Theologie kann katholischen Professoren eine Hilfe sein, um schwierige Situationen zu überwinden in gleichzeitiger Treue zu ihrer redlichen Forschung und zur Kirche. Ihre Aufgabe liegt gerade darin, deutlich werden zu lassen, daß zwischen beidem kein Gegensatz besteht. Die Kirche zählt auf euch, um dies auf allen Gebieten sichtbar zu machen. Das Lehramt zählt vor allem auf eure Hilfe zur Beantwortung der großen ethischen Fragen unserer Zeit, und zwar in Übereinstimmung mit dem Erbe des Glaubens und den Normen der katholischen Moral und zugleich auf der Suche nach den tiefen Gründen, die dergestalt sind, daß sie unseren Zeitgenossen zu größerer Klarheit verhelfen und sie überzeugen. In der Vergangenheit hat sich eure Universität auf diesem Gebiet einen großen Namen gemacht. „Adel verpflichtet!“ Ja, in den glücklichsten Stunden ihrer Geschichte ist es eurer Universität gelungen, die profanen Wissenschaften und kirchlichen Fächer in gleichem Maße erblühen zu lassen, stets darauf bedacht, Brücken zu schlagen 740 REISEN und Verbindungen aufzuzeigen. Letzteres gibt vor allem einer; katholischen Universität ein eigenes Gesicht. Dieses Ideal erfordert eine wachsame Haltung der ganzen Institution bei allen, die in ihr arbeiten. Eine katholische Universität muß ohne Unterlaß für sich selbst wiederholen und öffentlich verkünden - und sei es auf bescheidene Weise, so doch nicht ohne Stolz -, daß sie dem menschlichen Wissen im Licht des Evangeliums Jesu Christi dienen will. Allein im Glauben, im Gebet und im hochherzigen Einsatz, der eine Weise der Liebe ist, kann eine katholische Universität wie die eurige ihrem Wesen treu bleiben. Heutzutage besteht eine der schönsten Formen von Liebe darin, zugleich der Wahrheit und der Freiheit zu dienen. Ehrfurcht vor dem Menschen festigen 5. Liebe Freunde, das Abenteuer, zu dem die Kirche euch mit meinen Worten aufruft, ist schön und edel: Seid in unserer Zeit Männer und Frauen der Kultur und des Glaubens! Um ihre Zweifel, Versuchungen und Schwächen zu überwinden, braucht unsere moderne Gesellschaft, die innerlich von Zersetzung bedroht ist, mehr denn je Männer und Frauen, die hinreichend gerüstet sind, um allen Herausforderungen des Augenblicks zu begegnen. Durch die Bereicherung eures Wissens, die Pflege eurer Kultur, die Vertiefung eures Glaubens und die Festigung eurer Überzeugungen bereitet ihr euch darauf vor, mannhafte Zeugen der Wahrheit und der Liebe zu sein, nach denen unsere Zeit verlangt. Wir leben allerdings in einer Zeit, in der der Mensch mitten in einer anonymen Masse allein steht und nicht mehr weiß, was es heißt, zu leben, zu lieben, zu leiden und zu sterben. Was ist der Mensch? Diese Frage bedarf einer Antwort. Der Herausforderung des praktischen Materialismus, der religiösen Gleichgültigkeit und des zersetzenden Skeptizismus darf man nicht ausweichen. Ja, was ist der Mensch, stets zwischen seiner unendlichen Sehnsucht und der Endlichkeit des Genusses, zwischen seiner unablässigen Wahrheitssuche und dem Stückwerk seines Erkennens hin und hergerissen? Selbst diejenigen, die an Gott zweifeln - und auch bald dahin gelangen, am Menschen zu zweifeln - spüren heutzutage mehr oder weniger bewußt die Notwendigkeit, die Ehrfurcht vor dem Menschen zu festigen und zu verbürgen: die Ehrfurcht vor dem Leben in allen Stadien seiner Entwicklung, die Ehrfurcht vor der Freiheit des Menschen, seinen Überzeugungen und seinem Gewissen. Muß die katholische Universität nicht mit der durch die Schwierigkeit der 741 REISEN Probleme geforderten Ernsthaftigkeit zur Beantwortung dieser grundlegenden Fragen über den Menschen beitragen? 6. Liebe Professoren, Forscher und Studenten der Katholischen Universität Löwen! Wenn der Mensch eine Frage ist, dann ist Christus eine Antwort. Zwar ist das Leben problematisch, doch ist es kein undurchdringliches Rätsel, sondern ein einzigartiges Mysterium der Liebe. Von unendlicher Liebe durchdrungen, hat Christus, der Sohn der Jungfrau Maria, durch sein Leben und Sterben die tiefsten Aspekte unseres Daseins in ein neues Licht gestellt. Christus, einer von Milliarden Menschen, ist doch der Einzige! In euren Studien entdeckt ihr den unaussprechlichen Reichtum des menschlichen Wissens, den unerwarteten Überfluß der Schöpfung, angefangen von den allergrößten bis zu den allerkleinsten Geschöpfen, den Glanz des Weltalls und die Wunder des Lebens. Lernt gleichzeitig, dem Schöpfer allen Lebens zu danken. Trachtet, wieder der organischen und grundlegenden Verbindung von Kult und Kultur auf die Spur zu kommen. Diese Verbindung war alle Zeit das Herz der reichsten Kulturen. 7. Liebe Professoren, liebe Verantwortliche der Universitätspfarrei, ich fordere euch herzlich auf, im Schoß der Universität eine Pastoral des Intellekts zu entwickeln. Diese Pastoral wendet sich zugleich an alle jungen Menschen, die sich vertrauensvoll an euch gewandt haben, und an alle Bereiche des christlichen Denkens in seinem intellektuellen Streben nach höchster Kultur. Vergeßt nie, daß das höchste Niveau der Forschung den größten geistlichen Tiefgang fordert. Trachtet danach, eure theoretische und eure Lebensweisheit in einer erneuerten Kultur zur Auswirkung zu bringen. Glauben und Kultur entspringen beide dem unendlichen Reichtum des göttlichen Wortes, das zugleich der Grund und Sinn, ihre Quelle und Fülle ist. Ich rufe euch alle zu einem erneuerten Bündnis mit der ewigen Weisheit auf und zur wundervollen Entdeckung des Weltalls, das verstehbar ist, weil es die Spiegelung einer Intelligenz und das Werk einer Liebe ist. <143> <144> <143> Aber neben dieser stark komtemplativen und intellektuellen Perspektive denke ich auch an andere pastorale Bemühungen, die den alltäglichen Nöten der Studenten begegnen müssen. Es geht um eine Pastoral, die ihrem suchenden Glauben, ihren menschlichen Problemen und ihren Möglichkeiten zu Gebet und sakramentalem Leben angepaßt ist. Es ist eine Pastoral, die auf ihr Verlangen nach Freundschaft achtet, ihr Bedürf- 742 REISEN nis, gemeinsam Liebe und Leid zu teilen, und auf die vielen Arten ihres Einsatzes im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft oder der Notwendigkeiten des sie umgebenden Zusammenlebens. Die Studentin, die in eurem Namen das Wort ergriffen hat, hat über diese Initiativen gesprochen. Sie sind um so notwendiger, als eine beträchtliche Anzahl eurer Kommilitonen an der Universität sich gegenüber Glaube und Kirche etwas fremd fühlen. Mögen sie Gelegenheit finden, den Glauben und die Kirche wahrhaft zu entdecken! Das hängt auch von euch ab. Wir sind alle für die Gebrechen unserer Kirche verantwortlich, aber auch für ihr Zeugnis und ihre Dynamik. Wir sollen der Kirche ein glühendes Herz entgegenbringen; gewiß ist sie durch den Willen des Herrn Sakrament des Heils. 9. Schließlich, liebe Studenten, seid ihr nur vorübergehend an dieser Universität. Ihr seid jedoch aufgerufen, im Dienst der Kirche und des gesellschaftlichen Lebens in eurem Land in mannigfaltigen Berufszweigen tätig zu sein, zahlreiche Engagements wahrzunehmen mit der großen Kompetenz und der selbstlosen Hingabe, die sie erfordern. Mit Berufung auf die Worte des Herrn Rektors und meine eigenen Betrachtungen denke ich voll Freude und Dankbarkeit an alle ehemaligen Studenten von Löwen. Sie haben in diesem Land zum Wohl ihrer Landsleute viele Verantwortlichkeiten übernommen. Zugleich denke ich an alle ausländischen Studenten, die die Ausbildung, die sie hier in den verschiedenen Fächern erhalten haben, ihrem Land sowie in den internationalen Einrichtungen zunutze zu machen verstanden haben. Mögen sie sich überall für den Frieden, die Gerechtigkeit, den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt, die philosophische Reflexion, die ganzheitliche Entfaltung des Menschen und für die Evangelisierung einzusetzen wissen! Unter den zahlreichen ausländischen Studenten möchte ich die englischsprachige Gruppe, insbesondere die Seminaristen und Priester des Nordamerikanischen Kollegs, nicht zu grüßen versäumen. Liebe Freunde, ich entbiete euch meine besten Wünsche für eure Studien an dieser berühmten Universität in diesem gastfreundlichen Land und für eure berufliche wie religiöse Zukunft in euren jeweiligen Ländern. <145> <145> Und nun wende ich mich besonders an euch, liebe Christen von Löwen, und an alle Freunde, die ihr von nah oder fern hierhergekommen seid. Die Botschaft, die ich speziell an die Universitätsgemeinschaft dieser Stadt gerichtet habe, richte ich auch an jeden von euch. Jeder Mensch, jedes Volk ist berufen, auf die Liebe des Herrn mit seinen eigenen Qualitäten, Talenten und Möglichkeiten zu antworten. So wird die univer- 743 REISEN sale christliche Berufung auf besondere Weise „Fleisch und Blut“ in unserer persönlichen Kultur und der unseres Volkes. In Treue zu den besten Gaben unseres Herzens und der menschlichen Gemeinschaft, der wir angehören, können wir einen besonderen Aspekt des Reichtums der christlichen Botschaft beleuchten. Außerdem ist der christliche Glaube von solcher Art, daß er unser menschliches Leben zur vollen Entfaltung bringt. Wenn wir unser Herz der Liebe Gottes öffnen, dann empfangen wir die Gaben des Heiligen Geistes, Frieden, Freude, Freiheit und Liebe. So werden wir gestärkt, unser Leben noch mehr in den Dienst unserer Mitmenschen zu stellen. Und gerade in dieser Selbsthingabe finden wir das wahre Leben. Der christliche Glaube ist also eine hervorragende Form von Humanismus. Diese Kultur des Evangeliums erblüht vor allem in den Christengemeinschaften. Trachtet, diese Kultur zu leben und in euren Familien durch gemeinsames Gebet und einen dem Evangelium gemäßen Lebensstil weiterzugeben. Verwirklicht diese Einheit von Herz und Geist in euren Pfarrgemeinden, zumal bei der allsonntäglichen Eucharistiefeier. In solchen Gemeinschaften werden die Priester und Ordensberufungen von selbst entstehen. Und ihr wißt, wie sehr eure Region, das so tief christliche Flämisch-Brabant, junge Priester und Ordensleute benötigt, um eure Gemeinschaften zu beseelen. Ich bitte den Herrn, auf daß seine Freude in euch vollkommen sei. Und in seinem Namen spende ich euch meinen Apostolischen Segen. Mehr Mut zu befreienden Fragen Ansprache an die akademische Gemeinschaft der Katholischen Universität von Louvain-la-Neuve am 21. Mai Hoch würdigster Herr Rektor, liebe Freunde! 1. Indem ich mich heute an die akademische Gemeinschaft wende, möchte ich euch zuerst meine besondere Freude bekunden, die mich jedesmal erfüllt, wenn ich die Schwelle einer Universität betreten darf. Meine Anwesenheit an diesem schönen Ort Louvain-la-Neuve läßt in mir die Erinnerung einer langjährigen und glücklichen Mitarbeit im Hochschulwesen wach werden. Jetzt hat mir die Vorsehung auf ihren geheim- 744 REISEN nisvollen Wegen die unvergleichliche Aufgabe anvertraut, alle Nationen das Evangelium zu lehren, das Jesus Christus Petrus und den Aposteln überantwortet hat. Besonders deshalb habe ich mit Freude eure Einladung angenommen. Neben den Professoren und Studenten dieser Universität grüße ich die Vertreter der anderen frankophonen katholischen Universitätsinstitute Belgiens, namentlich von Namur und Mons. Ich bin ebenfalls glücklich, die Einwohner dieses Ortes, dessen Existenz durch diese moderne Universitätsgründung gekennzeichnet ist, hier versammelt zu sehen. Ja, ich danke allen, die gekommen sind und sich dieser Universitätsgemeinschaft angeschlossen haben, um hier dem Papst zu begegnen und ihre Gemeinschaft mit ihm und durch ihn mit der Gesamtkirche zu bekunden, denn er ist beauftragt, sie in der Treue, in der Einheit und in einem kohärenten Fortschritt zu leiten. 2. Eure Universität selbst besitzt eine gewisse Universalität. Sie ist eng mit der Geschichte der Kirche in Europa und in der Welt verbunden. Seit mehr als fünf Jahrhunderten setzt sie mit Bestimmtheit und Intelligenz die Sendung fort, die ihr mein Vorgänger Papst Martin V. anvertraute, als er 1425 das Studium generale errichtete, aus dem die Katholische Universität Löwen werden sollte. Der Same hat Frucht getragen. Der Baum hat ein schönes Wachstum erlebt, es haben sich an ihm die drei ursprünglichen Fakultäten entwickelt - Recht, Medizin, „artes“ (= Philologie); er hat sich in vielfältige neue Sektionen verzweigt im Dienst der Bedürfnisse und Spezialisierungen der Wissenschaft. In dieser modernen, unruhigen, aber auch hoffnungsvollen Zeit hat eure Berufung als katholische Universität immer eine vorrangige Bedeutung. Hiervon möchte ich hauptsächlich heute morgen vor euch sprechen; gestern habe ich in Löwen vor allem die Beziehungen zwischen der Kultur und dem Glauben behandelt. Ist es nötig, darauf hinzuweisen, daß beide Themen gleichermaßen für beide Universitäten gelten? Denn die jüngeren historischen Umstände haben zur Aufteilung der Universität Löwen in zwei Schwesteruniversitäten geführt. Aber in Louvain-la-Neuve und Woluwe wollt ihr mit Ausgeglichenheit und Klarsicht wie in Löwen den ursprünglichen Geist der Alma Mater weiter pflegen. Nach dem Zusammenhang fragen 3. Weder auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Fortschritts noch auf der Ebene des christlichen Denkens seid ihr hinter den neuen Problemen, vor 745 REISEN die uns die Entwicklung der Zeiten und Kulturen stellt, zurückgeblieben. Der Ruf der Universität Löwen ist weit über die Grenzen eures Landes und Europas hinausgedrungen. Ihr nehmt eine große Anzahl von Studenten aus der ganzen Welt auf. Ihr fahrt wie in der Vergangenheit fort, Wissenschaftler, Humanisten, Theologen, Forscher heranzubilden, die der Wissenschaft Ehre machen und deren Einsatz im Dienst der Forschung, des Glaubens, der Gerechtigkeit und der Entwicklung der Menschheit euer berechtigter Stolz ist. Aber das Grundlegendste ist eure erklärte Absicht und euer erneuertes Vorhaben, die Fortschritte der Wissenschaft und die Erfordernisse einer für alle Werte des Evangeliums offenen Kultur immer im gleichen Schritt verfolgen zu wollen. Einige haben, wie ihr wißt, behaupten können, daß eine Universität in Widerspruch zu sich selbst gerät, wenn sie sich katholisch nennt. Die Widerlegung dieser vereinfachenden Behauptung bietet die Geschichte selbst, denn kein Universitätsangehöriger, kein Historiker kann ernsthaft behaupten, die Universitäten von Paris, Bologna, Salamanca, Krakau seien keine wirklichen Universitäten gewesen. Es ist vielmehr die katholische Kirche, die diese ersten universitären Einrichtungen hervorgebracht und ihnen den entscheidenden Anstoß gegeben hat. Diese Geschichte ist auch die eurige. Ihr erlebt heute einen neuen Abschnitt derselben, fest in der Vergangenheit verwurzelt und entschlossen der Zukunft zugewandt. 4. Man muß vielmehr mit Stolz behaupten: Eine katholische Universität ist aufgrund ihrer Katholizität selbst dazu berufen, in noch vollerem Maße Universität zu sein. Der Hauptgrund hiervon ist das Erfordernis der Universalität, das im Begriff der Universität enthalten ist. In der Tat: Die katholische Universität ist durch Berufung und Grunderfordernis offen für die Wahrheit in allen Bereichen, für die ganze Wahrheit. Nichts im materiellen Universum ist ihr fremd. Und auch im geistigen Universum bleibt nichts außerhalb ihres intellektuellen Interesses. Durch ihre Tätigkeit und ihre Kreativität zeugt die katholische Universität im Herzen der Kulturen unserer Zeit von der wesentlichen Notwendigkeit, um der Zukunft des Menschen und seiner Würde willen die Wahrheit ohne Ausschließung zu pflegen. Denn diese Wahrheit ist ein faszinierendes Gebirge, seine Spitze ist in die lichtvolle Wolke des Mysteriums Gottes gehüllt, und was an ihm unsichtbar ist, ist unseren Augen durch das menschgewordene Wort sichtbar gemacht worden; in ihm offenbaren sich unsere durch den Glauben erleuchtete Verstandeskraft, in der gleichen menschgewordenen Person, die Wahrheit Gottes und die Wahrheit des Menschen. Diese grundle- 746 REISEN gende Dimension ist in Gefahr, verschleiert zu werden, wenn man sich auf eine Art universitären Pragmatismus beschränkt, der sich auf das begrenzte Feld nebeneinandergestellter Stoffe zurückzieht, ohne nach ihrem Zusammenhang und ihrer letzten Bedeutung für die Menschenwesen und die Gesellschaft zu fragen. Der Eklektizismus ist keine universitäre Haltung, denn er mißachtet die Suche nach der Wahrheit um ihrer selbst willen. 5. Der Einsatz für den Dienst an der ganzen Wahrheit erscheint außerdem als ein Erfordernis der Forschungs-, Lehr- und Verbreitungsfreiheit. Ich weiß, daß die Katholische Universität Löwen durch die Reflexion, zu der sie ihre Professoren ermutigt, durch ihre Veröffentlichungen, durch die Kongresse, die in ihren Mauern Aufnahme finden, die Freiheit, der ganzen Wahrheit zu dienen, voll und ganz übernehmen will, selbst wenn diese intellektuelle Einstellung manchmal auf Schwierigkeiten stößt, die man nicht verkleinern soll. Die moderne Kultur geht in der Tat mit einem Pluralismus von Einstellungen, Verhaltensweisen, Ideologien einher. Und diese Art der Freiheit ist den demokratischen Gesellschaften teuer. Aber geben wir gleichfalls zu, daß nicht einige im Namen des Pluralismus den Lehranstalten eine Art Neutralität der Geister aufzwingen wollen, wo alle Meinungen gleichwertig werden, wo alle Vorstellungen des Menschen sich in einer allgemeinen Gleichgültigkeit vermengen würden. Es ist gerade die Aufgabe der katholischen Universität, sowohl über die einfache pragmatische Organisation der Vorlesungen als auch über einen ethischen oder intellektuellen Pluralismus ohne das Absolute hinauszugehen: Letzterer würde in der Tat nur dazu führen, das Salz des Geistes schal werden und gerade die Menschlichkeit des Menschen in einem abgeschmackten Mechanismus gesellschaftlicher Anpassung ohne wirklichen Tiefgang und ohne jene grenzenlose Weite, die zugleich die Eigentümlichkeit und die Ehre des menschlichen als Bild Gottes geschaffenen Geistes darstellt, untergehen zu lassen. 6. Die Wiederfindung der schöpferischen Dynamik des Geistes setzt seitens der ganzen Universitätsgemeinschaft und insbesondere seitens der Lehrkräfte und der akademischen Autorität den festen Willen zur Transzendenz und eine lebendige Verbindung zur theologischen Hoffnung voraus. Die Wissenschaft, das Wissen, akzeptiert nicht die Fatalität, sondern bemüht sich, frei die Zukunft zu bauen. In diesem Licht betrachtet, ist die Wissenschaft ein Mittel, um den Zukunftsfatalismus zu verhindern. Die Zukunft ist kein Schicksal mehr, das man über sich ergehen läßt, 747 REISEN sondern ein Entwurf und eine Aufgabe, die es gemeinsam zu verwirklichen gilt mit dem Licht Gottes, das das Geheimnis der jeder katholischen Universität eigenen Dynamik durchdringt, ihr selbst die vorbehaltlose Aufnahme des Evangeliums Christi und einen hochherzigen, verständigen Dienst an seiner Kirche ermöglicht. Die katholische Universität setzt schließlich eine Betätigung der Verstandeskraft voraus, die eine Glaubenssicht einschließt. Dies gibt der Forschung eine so weite Dimension und eine wahrhafte Freiheit des Geistes, die sich auch selbst zu kritisieren, sich ohne Unterlaß von ihrem Mittelpunkt her in Bezugnahme auf die erste Grundlage, die Jesus Christus ist, der in der Welt und in der Kirche lebt, und in Bezugnahme auf das durch das lebendige kirchliche Lehramt verbürgte Glaubensvermächtnis wieder zu bestimmen weiß (vgl. Dei verbum, Nr. 2, Lumen gentium, Nr. 25). Für den christlichen Universitätsangehörigen sind der gesamte geschaffene Kosmos, die Geschichte der Menschheit, die Vorhaben und das Geschick des Menschen jener göttlichen Ökonomie nicht fremd, welche die ersten christlichen Denker und die Kirchenväter als letzte Erklärung des Geheimnisses des Menschen vorzustellen suchen. Indes, damit es diese auf Verstand und Glauben gegründete Überzeugung zu vertiefen gelingt, ist es seitens der Professoren wie der Studenten notwendig, bewußt eine geistige Haltung und Sensibilisierung zu pflegen, die eine Erleuchtung aller Unternehmungen des intellektuellen Lebens von innen her erlaubt. Es gibt keinen Unterrichtsstoff, es gibt keine menschlichen Probleme, die von sich aus einer christlichen Perspektive fremd bleiben, denn der Glauben lehrt uns: Die Geheimnisse der Schöpfung, der Menschwerdung und Erlösung haben Wissen und Weisheit der Menschheitsfamilie, Wissenschaft und Kultur des ganzen Menschengeschlechtes auf immer verwandelt und bereichert. 7. Wenn es dann um die Theologie im eigentlichen Sinn und um ihre Hilfswissenschaften geht, ist es offensichtlich - das ist die Definition ihres Gegenstandes und des streng wissenschaftlichen Charakters ihrer eigenen Methode -, daß das Studium selbst von einer Vorgabe ausgeht, der Vorgabe der Offenbarung, dem Glaubensvermächtnis, so wie es im Laufe der Kirchengeschichte unter Hilfe des Heiligen Geistes auf sichere Weise gelebt und entfaltet wurde, so wie es vom kirchlichen Lehramt in seinen die Glaubenslehre betreffenden Aspekten und seinen ethischen Implikationen vorgelegt wird; diese stellen ebenso viele Festpunkte und sichere Wege dar. Heute ist eine bestimmte Anzahl von Fragen ohne Zweifel neu, insbeson- 748 REISEN dere auf dem Gebiet der Ethik. Verschiedene Versuche finden fast überall auf der Welt statt, einschließlich dem Gebiet des menschlichen Lebens. Andererseits begreift anscheinend eine gewisse Anzahl unserer Zeitgenossen die Forderungen der Kirche hinsichtlich ihres familiären oder gesellschaftlichen Lebens nicht richtig. Die Wissenschaftler, aber auch die öffentliche Meinung, die einfachen Leute stellen Anfragen an die Kirche bezüglich dessen, was sie undeutlich als eine Fessel ihrer Freiheit oder umgekehrt als Garantie ihrer Würde empfinden. Sie erwarten vom Lehrkörper einer katholischen Universität wie der eurigen eine große Aufmerksamkeit für ihre Fragen, und sie benötigen gleichzeitig ein klares und überzeugendes Zeugnis von den Grundsätzen, die in der Lage sind, ihr Gewissen zu erleuchten in vollkommener Übereinstimmung mit den eindeutigen Aussagen der Kirche auf dem Gebiet des Glaubens und der Sitten und mit den pastoralen Weisungen, die sie gibt. Mit dem Lehramt verbunden Die Bischöfe haben in Einheit mit dem Papst die Aufgabe, diese Lehre in ihrer Authentizität mitzuteilen und in Erinnerung zu rufen. Sie sind übrigens die Verantwortlichen für die katholischen Universitäten gemeinsam mit deren Großkanzlern. Als Hirten wachen sie über die Einheit des Gottesvolkes im Glauben. Sie benötigen durchaus die qualifizierte Hilfe der Berufstheologen, deren Autorität in der Kirche aus der vom rechtmäßigen Lehramt erhaltenen Sendung herrührt. Es kommt diesen Theologen zu, die Lehre zu sammeln, die ordentliche Lehre der Kirche zum Widerhall zu bringen und gleichzeitig zu vertiefen, zu erläutern, die Streitfragen und die vielschichtigen Probleme, die den Glauben berühren, zu klären. Ihre Aufgabe ist sehr wichtig, um die Grundlagen der Glaubensaussagen und aller christlichen Werte, wie etwa diejenigen der Familie und des Zusammenlebens, der menschlichen Liebe, der Achtung vor dem menschlichen Leben und der Würde der Person, ins Licht zu rücken. Es ist nicht weniger wichtig, daß sie gemäß den christlichen Grundsätzen den Weg zu einer Antwort auf die neuen Fragen bereiten und eine kohärente, echte Entwicklung der Lehre in dem Sinn, in dem sie Newman verstand, veranlassen, ohne von einer vertrauensvollen Haltung gegenüber der Kirche abzulassen. Liebe Theologen und Freunde, ich kann hier nicht all das wiederholen, was ich im Hinblick auf euch unter anderen Umständen ausgeführt habe, z. B. in Fribourg in der Schweiz, den einzigartigen und viel Feingefühl erfordernden Dienst betreffend, der den Theologen übertragen ist. Ihr 749 REISEN seid mit dem Lehramt verbunden, ohne euch ihm gleichzusetzen. Ihr seid mit uns die Diener der Wahrheit, die von Gott zu uns kommt und gleichzeitig ein großer Heilsplan für die Menschen ist. Das ist die Ehre und die Verantwortung eines jeden Professors und der Universität selbst. 8. Ich habe viele Studenten aus verschiedenen Ländern und zahlreiche Bewohner von Louvain-la-Neuve vor mir. Jeder trägt sicherlich eine gewisse Zahl seinen Glauben, seine religiöse Praxis, die Probleme seines Lebens betreffende Fragen im Herzen. Jeder kommt übrigens hierher, geprägt durch seine persönliche Geschichte, die Geschichte seiner Familie, seines Landes. Ihr wünscht, liebe Freunde, auf diesem Weg geachtet, geliebt und unterstützt zu werden durch eine Gemeinschaft, die fähig ist, euch Freundschaft und geistige Dynamik zu geben. Deshalb ermutige ich all jene herzlich, die an der religiösen Beseelung der Universitätsgemeinschaft beteiligt sind, in der die Pfarrgemeinde eine hervorragende Stellung einnimmt. Ich wünsche euch allen, daß ihr in ihr geeignete Möglichkeiten des Gebetes, der Feier, der christlichen Reflexion, der Vertiefung der Glaubenslehre und der gegenseitigen Freundschaft und vor allem die verschiedenen christlichen Engagements findet, die eurem Glauben und euren Gnadengaben entsprechen. Ich grüße besonders die Ortsansässigen oder die in der Nähe ansässigen Ordensfamilien: Mögen sie weiter an diesem großen Werk pastoraler Besinnung mitwirken! Jeder Christ möge hier seinen Glauben vertiefen können in Übereinstimmung mit den Erfordernissen des Ökumenismus! Mögen die Katholiken hier in ihrer Kenntnis der Kirche, in der Liebe zu ihr und im Dienst an ihr gestärkt werden! Und mögen sie, wenn Gott sie ruft, auf die Berufung zum Priestertum, zum Ordensleben, auf die kontemplative, apostolische, missionarische Berufung, die Gott ihnen als Gnade zuteil werden läßt, zu antworten wissen. <146> <146> Liebe Freunde, das Wappen eurer Universität trägt auf providentielle Weise das Bild Unserer Lieben Frau, des Sitzes der Weisheit. Das ist mehr als ein Symbol, es ist ein Siegel der Treue zu euren Ursprüngen und das Unterpfand einer Hoffnung für eure morgigen universitären Aufgaben. Ich möchte mir am Ende dieser Begegnung von Louvain-la-Neuve die Worte zu eigen machen, mit denen euer Rektor einst die Generalversammlung der Internationalen Vereinigung der katholischen Universitäten empfing: „Ich rufe Unsere Liebe Frau, Sitz der Weisheit und Patronin unserer Universität, an und bitte sie, uns zu erleuchten, damit unsere Universitäten einer unruhigen Welt ein Zeugnis von Glaube, Liebe und 750 REISEN Hoffnung bringen. Möge sie uns wachsam sein lassen gegenüber allem, was unsere Beziehungen zum Evangelium aufweichen würde! Möge sie uns den Mut zu befreienden Fragen geben! Möge Unsere Liebe Frau uns lehren, über unsere doppelte Berufung zu staunen: Gottes Schöpfung, die er unserer Sorge anvertraut hat, zu vervollkommnen und in allen Menschen das Antlitz seines auferstandenen Sohnes zu erkennen.“ Unsere Liebe Frau, Sitz der Weisheit, schenke euch noch lange die seelische Kraft und die Freude, die ursprüngliche und jederzeit aktuelle Sendung der Katholischen Universität Löwen fortzusetzen! Mit allen katholischen Universitäten der Welt leistet ihr einen Beitrag, den die Kirche in ihrem Gespräch mit den Kulturen unserer Zeit für ganz und gar unerläßlich erachtet. Allen, die zur Gemeinschaft von Louvain-la-Neuve gehören, euch allen, Studenten, Professoren, Forschern, Mitgliedern des Personals dieser Universität, die meinem Herzen immer teuer geblieben ist, erteile ich meinen Apostolischen Segen. Eine neue Evangelisierung nötig Predigt bei der Messe für die Kranken in Banneux am 21. Mai 1. Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden“ (Mt 5,4). Diese Worte gehen hauptsächlich die hier Versammelten an. Diese Worte werden uns durch die acht Seligpreisungen ans Herz gelegt. Das Leiden, die Krankheit, die physischen Gebrechen gehen mit der Trauer und der Schwäche Hand in Hand. Und doch zeigt Christus gleichzeitig, weshalb Trauer und Schwäche als Segen, als Teilhabe am Reich Gottes, die zum Heil beiträgt, betrachtet werden kann. Er sagt: „Selig!“ Das ist ein Versprechen, eine Gewißheit. Und im Geist dieser Seligpreisungen grüße ich alle, die an dieser Eucharistiefeier teilnehmen. Zunächst euch, ihr lieben Kranken, Invaliden, Behinderten, alten Menschen, die ihr aus dieser Region und von weither kommt, vertrauend auf die Fürsprache Unserer Lieben Frau von Banneux. Euch alle, Familienangehörige und Freunde, die ihr sie hierherbegleitet habt, wie ihr es auch im Alltagsleben tut. Ebenfalls euch Ärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger, Angehö- 751 REISEN rige des Sanitätspersonals, die ihr eure Fähigkeiten und eure Opferbereitschaft in den Dienst ihrer Genesung oder Besserung stellt. Euch Priester, Diakone, Ordensleute und Laien, die ihr für den geistlichen Beistand der Kranken sorgt. Und euch alle, Christen dieser Region und anderer belgischer Provinzen sowie der an Frankreich, Deutschland, Luxemburg und die Niederlande angrenzenden Gebiete, die ihr mit euren Familien, Pfarreien oder Vereinen gekommen seid. Meine Gedanken und mein Segen gelten auch all denen, die, obwohl sie es gewünscht hätten, infolge von Krankheit, Alter oder Berufspflichten verhindert waren zu kommen. 2. Von ganzem Herzen grüße ich auch die Gläubigen der deutschsprachigen Bevölkerung in Belgien, die zusammen mit ihren Seelsorgern in so großer Zahl hierhergekommen sind. Es ist mir eine tiefe Freude, zu wissen, daß der Glaubensgeist in eurer Gegend sehr lebendig ist. Die heilige Messe am Sonntag, dem Tag des Herrn, wird in euren Kirchen mit Eifer und großer Teilnahme des Volkes gefeiert. In euren Pfarreien und Vereinen ist gemeinschaftliches Denken, vor allem unter den Jugendlichen, stark entwickelt. Eure Gemeinschaft ist reich an Priester- und Ordensberufen. Bleibt eurem Glauben treu und seid seine Zeugen, wo immer ihr lebt! „ Warum gerade ich?“ Heute sind wir alle zu Besuch bei der Mutter Gottes, Unserer Lieben Frau von Banneux. Seit mehr als 50 Jahren fühlen sich nicht nur die Kranken in Banneux wie zu Hause, sondern auch die unübersehbaren Scharen der Armen von heute - und es gibt ja so viele Weisen, arm zu sein! Sie kommen, um hier Trost und Ermutigung, Hoffnung und Gottverbundenheit in ihrer Prüfung zu suchen. Sie kommen, um hier die Jungfrau Maria unter dem besonderen und sehr schönen Titel „Unserer Lieben Frau der Armen“ zu preisen und anzurufen. Sie sind zu Recht überzeugt, daß eine solche Verehrung dem Evangelium und dem Glauben der Kirche entspricht: Wenn Christus seine Sendung eine Verkündigung der Frohen Botschaft an die Armen genannt hat, wie sollte dann seine Mutter diese Armen nicht in Liebe aufnehmen? Ihr wißt, daß schon viele an diesem Ort, bei diesem Heiligtum, das ihr unter der Autorität des Ortsbischofs geweiht ist, von ihrer mütterlichen Fürsorge beschenkt worden sind. Ich möchte die Pilger, die hierhergekommen sind, in ihrer Hoffnung bestärken, um zu derjenigen zu 752 REISEN beten, die uns immer und überall in der Kirche das Antlitz der Barmherzigkeit Gottes vor Augen führt. An diesem letzten Tag meiner Pilgerreise in eurem Vaterland hat mich die heilige Mutter Maria, die wir alle als „Heil der Kranken“ verehren, zusammen mit euch, liebe Brüder und Schwestern, zu diesem Heiligtum eingeladen. Sie hat uns hierher eingeladen, wie sie die Pilger im Laufe der Monate und Jahre auch zu den anderen marianischen Heiligtümern einlädt, die es in allen Gegenden eures Landes so zahlreich gibt. In der Gewißheit, daß sie ihre mütterliche Sorge über uns ausbreitet, möchten wir uns hier geistig erholen und wieder neu den Sinn der messianischen Wahrheit erfahren, wie er in den Seligpreisungen Christi enthalten ist: „Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, . . . selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden“ (Mt 5,10.4). Es ist mir eine Freude, daß ich hier in Banneux die Menschen unterwegs, die Zigeuner und Schausteller, treffe. Liebe Brüder und Schwestern, ihr lebt auf besondere Weise die Berufung des hebräischen Volkes in seinen Anfängen, die im geistlichen Sinn die der Kirche bleibt: ein Volk auf dem Weg ins verheißene Land, zum Herrn hin, das hier unten keine endgültige Bleibe hat (vgl. Hebr 11,8-17). Ihr hegt eine große Liebe zu Maria, der Mutter aller Christen und Mutter aller Menschen unterwegs. Ich ermutige euch, euren besonderen Werten entsprechend zu leben, wie zum Beispiel euer großer Respekt gegenüber den älteren Menschen und eure große Liebe zu euren Kindern, die ich von ganzem Herzen segne. 3. Das Leiden ist ein großes Mysterium in Gottes Plan. Ich war mir dessen zutiefst bewußt, als ich im Verlauf des Heiligen Jahres der Erlösung das Apostolische Schreiben Salvifici doloris an alle Leidenden gerichtet habe. Das Leiden ist ein großes Mysterium des menschlichen Geschicks. Krank oder auf irgendeine Weise körperlich beeinträchtigt zu sein, ist eine schwer zu begreifende Erfahrung für diejenigen, die sie noch nie erlebt haben: Unser Körper ist verwundet, aber gleichzeitig sind es auch unser Geist, unser Herz, unser Familienleben und unser gesellschaftliches Leben, und unser geistliches Leben wird herausgefordert. Denn das Leiden ist auch wirklich ein Mysterium gegenüber Gott. In der Tat, der Mensch, der vom Leiden betroffen ist, richtet sich oft an Gott selbst mit der Frage: Warum? Warum gerade ich? Warum gibt es überhaupt das Leiden auf Erden? Es fehlt nicht an Menschen, die in einer solchen Situation geneigt sind, Gott anzuklagen, an ihm zu zweifeln, sich von ihm zu entfernen. In der 753 REISEN Tat ist es schwierig, das Böse in all seinen Formen mit dem unendlichen Guten, das Gott immer ist, in Einklang zu bringen, mit Gott, den wir gemäß der Lehre Jesu Vater nennen. So hat Jesus als Sohn immer von ihm Zeugnis abgelegt. Bis zum Ende. Bis zu den Worten, die er am Kreuz sprach, in dem angsterfüllten Ruf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46) und auch in seiner Ganzhingabe: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Liebe Freunde, Gott, der Vater, hört unser Warum, das bis zu ihm dringt, so wie er die Klagen Ijobs gehört hat. Er hört uns in dem Maß, wie er sich das Warum von Jesus am Kreuz, seinen Schrei der Verlassenheit und seine vertrauensvolle Hingabe zu Herzen genommen hat. Gottes Antwort ist nicht die Antwort, die wir erwarten. Es ist auch nicht die Erklärung, die die Menschen oft vom Leiden gegeben haben. Manche sehen im Leiden eine Strafe für ihre eigenen Fehler, während andere sich dagegen auflehnen oder dem Fatalismus verfallen. Angesichts des Mysteriums des Leidens werden die Worte des Propheten Jesajas besonders vielsagend: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege — Spruch des Herrn. So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken“ (Jes 55,8-9). Man kann diese Worte sicher auf das Leiden anwenden. 4. Der Gott, der so über sich selbst aus dem Munde Jesajas spricht und der wie für Ijob das Leiden in ein Mysterium hüllt, ist gleichzeitig der Gott des Bundes, der uns dazu einlädt: „Neigt euer Ohr mir zu und kommt zu mir, hört, dann werdet ihr leben“ (Jes 55,3). Und deshalb drängt derselbe Prophet: „Sucht den Herrn, solange er sich finden läßt, rufet ihn an, solange er nahe ist“ (Jes 55,6). Kommt er uns nicht gerade im Leiden näher? Läßt er sich nicht gerade in diesem besonderen Augenblick finden? Auf welche Weise? Jesus Christus selbst gibt uns die Antwort. Niemand anders ist wie er in das menschliche Leidensmysterium eingetreten, und niemand hat wie er die heilige Kraft, die das Leiden beinhaltet, und die ganze Kraft des Guten, die in ihm verwurzelt ist, offenbart. Er hat dieses Leiden auf sich genommen. „Im Leiden Christi hat das menschliche Leiden seinen Höhepunkt erreicht. Zugleich ist es in eine völlig neue Dimension und Ordnung eingetreten: Es ist mit der Liebe verbunden worden, . . . mit jener Liebe, die das Gute schafft, indem sie es sogar aus dem Bösen wirkt, und zwar durch das Leiden, so wie das höchste Gut der Erlösung der Welt vom Kreuz Christi ausgegangen ist und noch ständig 754 REISEN von dort ausgeht. Das Kreuz Christi ist zu einer Quelle geworden, aus der Ströme lebendigen Wassers fließen ... Im Kreuz Christi hat sich nicht nur die Erlösung durch das Leiden erfüllt, sondern das menschliche Leiden selbst ist dabei zugleich erlöst worden . . . Der Erlöser hat an Stelle des Menschen und für den Menschen gelitten. Jeder Mensch hat auf seine Weise teil an der Erlösung. Jeder ist auch zur Teilhabe an jenem Leiden aufgerufen, durch das die Erlösung vollzogen wurde“ (Salvifici doloris, Nr. 18,19). So befinden wir uns wiederum inmitten der acht Seligpreisungen: „Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden;. . . selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.“ In sich selbst betrachtet, ist das Leiden ein Übel. Jesus hat sich während seines irdischen Lebens „fortwährend der Welt des menschlichen Leidens zugewandt... Er heilte die Kranken, tröstete die Trauernden, sättigte die Hungernden, befreite die Menschen von Taubheit und Blindheit, vom Aussatz, vom bösen Geist und von verschiedenen körperlichen Gebrechen ... Er war empfänglich für jedes menschliche Leiden, für das des Leibes ebenso wie für das der Seele“ (Salvifici doloris, Nr. 16). Auf diese Weise hat er offenbart, daß Gott unseren Kampf gegen die Krankheit unterstützt. Zugleich aber hat er durch seine Seligpreisungen und vor allem durch sein eigenes Leiden offenbart, daß das Übel des Leidens einen Wert in sich birgt: das Gut der Erlösung, das uns vom tiefsten Übel, der Sünde, befreit und aus der Gottesferne zurückholt; das Gut des Heils also, des Lebens aus Gott selbst. Und so sind in Mühsal und Schwäche schon Trost und Segen enthalten. Eine solche Sprache ist ohne Zweifel schwierig, vielleicht sogar schockierend für diejenigen, die Botschaft und Zeugnis des Lebens Jesu nicht im Glauben aufnehmen. Aber Jesus spricht zu Recht von seiner „Seligkeit“ im Leiden. Mehr noch, er hat die Macht, alle, die sich von seinem Geist leiten lassen, alle, die Zusammenwirken mit dieser Gnade der Erlösung im Leiden, zu dieser Seligkeit hinzuführen. „Schaut auf das Kreuz Christi“ Indem sie sich zur Mutter Christi unter das Kreuz stellen (vgl. ebd., Nr. 25), können sie alle die Worte des Dankliedes aus der heutigen Liturgie auf sich wenden: „Ja, Gott ist meine Rettung; ihm will ich vertrauen und niemals verzagen. Denn meine Stärke und mein Lied ist der Herr. Er ist für mich zum Retter geworden . . . Dankt dem Herrn! Ruft seinen Namen an!“ (Jes 12,2.4). 755 REISEN 6. Soweit die Meditation und das Gebet, zu denen uns alle diese Liturgie und das Mysterium des Leidens inspiriert haben. Und nun wende ich mich speziell an euch, liebe Brüder und Schwestern, Kranke und Behinderte, die ihr berufen seid, im obengenannten Sinn durch das Leiden an der Erlösung mitzuwirken. Wir alle hier respektieren euer physisches Leiden, auch eure moralische Not, euer Warum, das Mysterium eures christlichen Weges in der Prüfung. Es ist normal, es ist gesund, daß ihr mit Hilfe eurer Umgebung alles in eurer Macht, in der Macht der Wissenschaft und der medizinischen Technik Stehende tut, um zu genesen, um die Hindernisse und die Einschränkungen eures Kröpers zu überwinden. Gleichzeitig lade ich euch ein, eure Not Gott, dem Vater, und Jesus durch Maria anzuvertrauen und ihn, unseren Gott, vor allem um die Gnade der Liebe und der Hoffnung zu bitten, bevor wir um Ergebenheit und noch mehr um Mut zur Bewältigung des Schicksals flehen. Schaut mit Glauben auf das Kreuz Christi. Als Werkzeug außerordentlichen Leidens ist es vor allem das Zeichen einer einzigartigen Liebe und die offene Tür zur Auferstehung, die die endgültige Antwort der Liebe Gottes an seinen Sohn ist. Möget ihr in Verbundenheit mit Christus eure Behinderung tragen und eintreten in die Erlösung - zu eurem Heil, für das Wachsen der ganzen Kirche, für die Gnade der Bekehrung, die unsere Welt so nötig hat. Wenn ihr so zu Christus betet, ist er euch schon ganz nahe; die wirksamen Zeichen für seine Anwesenheit sind die Sakramente, die ihr empfangt: die heilige Kommunion und die Krankensalbung, die euch in dieser Zeit der Prüfung mit ihm auf besondere Weise verbindet. Bleibt dem Gebet treu. Versucht, den anderen gegenüber offen zu bleiben, ohne euch in euch selbst zurückzuziehen. Die anderen können viel aus der Erfahrung der gläubigen Kranken lernen. Oft hat die Prüfung euch eine neue Sicht des Lebens, der echten Werte gegeben, und Geduld, Mut und Solidarität sind in euch gewachsen. Oft seid ihr im Angesicht des Todes zu einem bestimmten inneren Frieden gelangt, der im Kontakt steht zu der Angst eurer näheren Umgebung. Oft habt ihr eine mystische Einheit mit Gott erreicht. Von all diesem könnt ihr Zeugnis geben und zugleich dem Versprechen des Herrn Ausdruck verleihen: „Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden.“ Selbst in der Stille des Gebets, wenn ihr an euer Bett gefesselt seid, seid ihr mit der ganzen Welt verbunden, um an der Erlösung teilzuhaben: Eure Gebete und Opfer tragen zur Erlösung der Welt bei. 756 REISEN 7. Mit großer Bewunderung für ihre Arbeit möchte ich ein herzliches Wort der Ermutigung richten an die Ärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger sowie an das ganze medizinische Personal in den Kliniken und Krankenhäusern, ebenso an die Vereinigungen für häusliche Betreuung und Pflege, an alle, die sich jetzt bemühen, die Kranken zu heilen oder ihr Leiden zu lindern, sowie an alle, die sich auf diese Tätigkeit vorbereiten. Eure Arbeit ist oft ermüdend und verdient Verständnis und Anerkennung. Ihr habt einen der aufopferungsvollsten Berufe. Ihr helft dem Menschen, seine Gesundheit und Lebenskräfte zu erneuern, und ihr steht ihm bei, um seine Prüfung mit Würde zu überwinden. Das ist der Dienst, den die Menschheit von euch erwartet und der mit dem Plan Gottes übereinstimmt. Die Christen unter euch werden sich in besonderer Weise durch das Vorbild Christi angeregt fühlen, der einen Teil seiner Zeit unter den Kranken, denen er persönlich begegnen wollte, verbracht hat. Ihr seid der barmherzige Samariter, über den Jesus sprach, jedesmal wenn ihr vor dem Leiden eines anderen Menschen haltmacht und ihm wirklich beisteht (vgl. Lk 10,33-34; Salvifici doloris, Nr. 28-30). Ihr müßt ständig darum bemüht sein, daß der Kranke nicht als reines Objekt betrachtet wird, das der Versorgung bedarf; und ihr sollt ihn zu eurem bevorzugten Partner machen in einem Kampf, der sein Kampf ist und in dem seine Person Vorrang hat. Ich ermutige euch, für die großen Probleme eures Berufes, nämlich bei den Schwerkranken, eine Lösung zu finden, die anspruchsvoll sein kann, die aber die Würde des Lebens jeder Person respektiert. <147> <147> Ihr, liebe Verwandte und Freunde der Kranken, gleicht denen, die die Kranken zu Jesus brachten. Ihr leidet mit ihnen an ihrer Krankheit, ihrer Schwäche, ihrer körperlichen Behinderung; vielleicht aber noch mehr, wenn es sich um eine ständige geistige Behinderung handelt. Ich bitte den Herrn, euch zu helfen bei dieser hochherzigen und schwierigen Begleitung, für die ihr alle eure Liebeskraft einsetzt. Eine solche Begleitung kann so weit gehen, daß ihr zusammen mit dem Kranken auch betet und noch andere Personen für ihn gewinnt, die ihm die notwendige geistliche Hilfe geben, wie Priester, Diakone, Ordensleute, Laien aus dem Bekanntenkreis oder solche, die mit der Krankenpastoral beauftragt sind. Dieser Dienst an den Kranken ist wirklich eine der vorrangigen Aufgaben, die sich euren christlichen Gemeinden stellen. Eine Anzahl von besonderen Einrichtungen wirkt auf hervorragende Weise in diesem Bereich. Die Gruppen für Krankenbesuche haben hier ihre Hauptauf- 757 REISEN gäbe. In einer erweiterten Sicht aber sollen die Kranken im Leben der Pfarreien gegenwärtig sein. Tun wir alles, damit sie auf ihre Weise und nach ihren Möglichkeiten am Gebet und Einsatz der Gemeinde teilhaben können. Und vergessen wir nicht die menschliche und geistliche Kraft, die oft von den Kranken ausgeht. Vereint mit ihnen wollen wir mit der Gnade des Leidens Zusammenwirken! 9. Kommen wir zum Schluß auf die Worte der Liturgie zurück. Jesaja sagt: „Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt und sie zum Keimen und Sprossen bringt, wie er dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen, so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verläßt. Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was man will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe“ (7^55,10-11). Der Prophet Jesaja hat in besonderer Weise die Welt auf das Mysterium des Messias, des menschgewordenen Wortes, vorbereitet. So hat er die Welt im voraus mit ihm vertraut gemacht. Er hat die Welt ebenfalls auf das Mysterium Mariens vorbereitet: In ihr ist das ewige Wort Fleisch geworden, um die übergroße Frucht des Heils und der Gnade zu tragen. Wahrhaftig, Maria, Mutter Gottes, „gebenedeit ist die Frucht deines Leibes“. In dem Augenblick, wo mein Pastoralbesuch seinem Ende zugeht, nicht nur auf belgischem Boden, sondern auch in den Niederlanden und in Luxemburg, möchte ich dir, Mutter des ewigen Wortes, seine Früchte anvertrauen. Gleichzeitig möchte ich sie euch, meine Brüder und Schwestern, anvertrauen, euch allen, die ihr den Schmerz des Leidens kennt, aber auch die Gnade des Leidens spürt. Empfangt das Wort, das im Schoß Mariens Mensch geworden ist! Durch euer Opfer und euer Gebet tragt ihr bei zum Dienst am Wort Gottes, am Evangelium: daß das Wort Gottes, dessen Diener wir alle sind, nicht ohne Wirkung zurückkehre! Daß es Früchte trage! Ja, daß es viele Früchte trage! Amen. 758 REISEN Besuch hat „tiefe Freude geschenkt“ Ansprache beim Abschied von Belgien vor dem Abflug vom Flughafen Bierset am Abend des 21. Mai 1. Hier bin ich nun am Ende meines Pastoralbesuches in Belgien angelangt. Die zahlreichen Begegnungen waren voller Abwechslung und verteilten sich auf nahezu das ganze Territorium, die meisten Provinzen und Diözesen dieses Landes. Jeder Gruppe habe ich eine - nach meinem Ermessen - passende Botschaft übermittelt, nicht um ihr Neues zu offenbaren, sondern um das Echo auf die Worte Jesu an den hl. Petrus, als Zeuge der Universalkirche den Glauben zu stärken, der Hoffnung neuen Aufschwung zu geben, die Liebe zu wecken und weiterzumachen. An dieser Stelle möchte ich nur meinem großen Dank und meinen besten Wünschen Ausdruck geben. 2. Ich möchte Seiner Majestät dem König und Ihrer Majestät der Königin meine aufrichtige Dankbarkeit für den würdigen und herzlichen Empfang übermitteln. Ich danke mit ihnen allen Autoritäten, die unsere Begegnungen sehr oft mit ihrer Anwesenheit beehrten und die nötigen Dispositionen getroffen haben, um meine Reise und vor allem die großen Volksversammlungen zu ermöglichen. Ich danke ebenfalls allen, die freundlicherweise ihre Hilfe für die Reise, die Sicherheit, den Ordnungsdienst, die Vorbereitungen und notwendigen Installationen angeboten haben, im besonderen dem Nationalkomitee für den Empfang des Papstes sowie den verschiedenen Komitees auf Ortsebene. Ihr habt es euren Landsleuten ermöglicht, diese großen Augenblicke der Glaubensgemeinschaft mit dem Papst in Frieden zu erleben. 3. Auch all denen, die an diesen Begegnungen teilgenommen haben, den Bischöfen dieses Landes, den Priestern, den Diakonen, den Ordensmänner und Ordensfrauen, den Laienerwachsenen und Jugendlichen, den Kindern, die mit soviel Vertrauen zu mir gekommen sind, den Kranken und Behinderten und auch den Andersgläubigen und den Menschen guten Willens, die sich ihnen angeschlossen haben, drücke ich meine herzliche Dankbarkeit und tiefe Genugtuung aus. Mehr noch als eure herzliche, sehr herzliche Aufnahme meiner Person habe ich euer begeistertes Glaubenszeugnis zu schätzen gewußt - das Zeugnis des katholischen Glaubens, der so gut in der belgischen Erde verwurzelt ist -, eure aktive und würdige Mitwirkung an der Liturgie, an den verschiedenen Gottesdiensten und 759 REISEN Gebeten, euren festen Willen zum Engagement für das Wohl der Kirche und der Gesellschaft, für die Gerechtigkeit und den Frieden, das ihr mit Offenheit und Zuversicht zum Ausdruck gebracht habt und das ich selbst bei den Gesprächen mit euch, bei der Erfahrung, die ich in eurer Mitte erlebt habe, feststellen konnte. Zugleich habe ich euer Bemühen gesehen, euren Glauben zu bezeugen und das Gewissen eurer Landsleute zu respektieren. Man könnte vielleicht sagen, daß dieser Besuch eine Gelegenheit war, die tiefe Seele des christlichen Volkes Belgiens zu enthüllen, die, obgleich schon immer verborgen vorhanden, hier glückliche Akzente gefunden hat, um sich zu äußern. Und das hat uns, euch und mir, tiefe Freude geschenkt. Auch, wenn ich nicht alle eure Fragen beantworten konnte, ich will sie in meinem Herzen und in meiner Hirtensorge hüten und bewahren. Möge unsere gemeinsame Erfahrung nun alle ihre Früchte bringen! Ich nehme das Andenken an alle diese pastoralen Begegnungen mit, hauptsächlich das an eure Gemeinden in Brüssel, Mecheln, Antwerpen, Ypern, Gent, Beauraing, Namur, Lüttich, Löwen, Neu-Louvain und Banneux. 4. Es ist mein Wunsch, daß dieses so traditionsreiche Land mit seiner reichen Kultur, seinen sozialen Initiativen, seinen Möglichkeiten zur Teilhabe am politischen Leben seine Bemühungen um gegenseitige Annahme und Achtung, um Verständnis, um das Zusammenleben und die Zusammenarbeit und - ich darf sogar sagen - um die Liebe fortsetzt. Bemühungen, die das Glück und den Fortschritt aller garantieren und sie zu einem Vorbild in Europa machen sollen, das auch in Harmonie und Einheit wachsen soll. Dieser Weg erfordert manchmal, daß man den Streit der Vergangenheit vergißt und zu einer Erneuerung der Gesinnung bereit ist. Oft haben wir an die Ehrfrucht vor den anderen wie auch an das Bewußtsein davon erinnert, was das Gemeinsame ist: Diese Forderungen schließen sich im übrigen an eure Tradition der Freiheit und das christliche Ideal an, das von vielen geteilt wird. Ich hoffe, daß Belgien auch weiterhin der Welt seinen Beitrag zu Frieden, Gerechtigkeit und Entwicklung liefert sowohl auf dem Gebiet bilateraler Zusammenarbeit als auch bei den internationalen Organisationen. Besonders wünsche ich mir, daß die belgischen Katholiken sich auf das reiche Erbe ihres Glaubens stützen, der ihnen im Laufe der Jahrhunderte innere Stärke gegeben hat; daß sie sich stets vom Evangelium befruchten lassen: daß sie schließlich zusammen mit der ganzen Kirche versuchen — gewiß in Achtung vor der Freiheit der Menschen -, eine neue Evangelisie- 760 REISEN rung der geistigen Einstellung von heute durchzuführen, die das Leben der Menschen mit Gott verbindet und dabei alles menschliche Bemühen aufnimmt und veredelt. Die vertrauensvolle Gemeinschaft eurer Ortskirche mit dem Apostolischen Stuhl in Rom und die Öffnung zur Universalkirche werden die Einheit dieser Entwicklung garantieren. Eure Bischöfe, Kardinal Danneels und seine Brüder im Bischofsamt, die auch meine Brüder sind, sind und bleiben unter euch die bevorzugten Zeugen und Werkleute Gottes, die euch auch die Teilhabe an der Gesamtkirche, dem Leib Christi, ermöglichen. Diese Gemeinschaft war der Hauptgrund meiner Anwesenheit unter euch in diesen fünf Tagen. Sie wird Gegenstand meiner ständigen Gebete sein. Möge unser Vater im Himmel euch in seinem heiligen Willen bewahren! Möge der Herr Jesus euch in seinem Frieden erhalten! Möge der Heilige Geist in euch die Hoffnung stärken! Für alle, die mich an diesem Ort des Abschieds - oder des Wiedersehens -begleiten, erbitte ich den Segen Gottes. Ich danke euch allen! 761 5. Pastoraireise in die italienische Region Venetien (15. bis 17. Juni) REISEN Das Papsttum den Menschen nahegebracht Predigt beim Wortgottesdienst auf der Piazza Giovanni Paolo I in Vittorio Veneto am 15. Juni Liebe Brüder und Schwestern der Kirche Gottes in Veneto! 1. Es ist eine echte Freude, bei euch zu sein und mit euch das geistliche Klima eurer alten und stets eifrigen Ortskirche zu teilen. Von ganzem Herzen begrüße ich euch alle, die einen wie die anderen, die ihr euch hier zu unserer Begegnung eingefunden habt. Ich danke euch für den warmherzigen Empfang, den ihr mir bereitet habt und der mir eure liebevolle Anhänglichkeit zum Stuhl Petri bezeugt. Meine Gedanken gehen an alle Gläubigen der geliebten Diözese Vittorio Veneto, von einem Ende zum anderen ihres ausgedehnten Gebietes, von den Ufern des Piave zu denen der Livenza, von den Bergen Bellunos zur adriatischen Küste, während ich alle in der geistigen Umarmung des Friedens und Segens umfange. Besonders grüße ich die Kranken, die Alten, die Leidenden und diejenigen, die nicht die Möglichkeit hatten, in dieser begünstigten Stunde vertrauensvoller kirchlicher Gemeinschaft bei uns zu sein. 2. Es ist mir höchst willkommen, auf dieser Etappe meiner neuerlichen Pilgerfahrt nach Venetien meinem geliebten und verehrten Vorgänger Johannes Paul I. und euch, liebe Bewohner von Vittorio, die ihr in den Genuß seiner menschlichen und pastoralen Bemühungen gekommen seid, meine Ehrerbietung zu bezeugen. Seine freundliche Gestalt ist in meinem Herzen stets lebendig. Und sie begleitet mich unablässig auf dem Weg als Hirte der Universalkirche, den ich praktisch an dem Punkt eingeschlagen habe, an dem er ihn begonnen hatte. Die Zeit vergeht schnell. Aber sie hat nicht die unvergleichliche Erinnerung an die Berufung eures früheren Bischofs zur Nachfolge Pauls VI. an dem strahlenden Abend des 26. August - der Tag ist in Polen dem Fest der Muttergottes von Tschenstochau geweiht - ausgelöscht. Sie hat nicht die Bilder jenes Monats seines Pontifikats ausgelöscht, in dem Johannes Paul I. auf gleichsam wunderbare Weise weltweite Sympathie auf sich und auf den Apostolischen Stuhl zu ziehen wußte; noch hat sie den Schmerz zum Verlöschen gebracht, der durch seinen plötzlichen Heimgang ausgelöst wurde, womit die Hoffnungen und Anzeichen auf ein langes und 764 REISEN fruchtbares Pontifikat zerbrachen, von denen seine liebenswürdige Gestalt in der Stadt Petri und in der ganzen Kirche umgeben war. Sein einsamer und unerwarteter Tod, der einzig und allein dem uner-forschlichen Plan Gottes unterliegt, hat in gewisser Weise die Botschaft vom Glauben, von der Hoffnung und der Liebe, die er mit der spontanen und unmittelbaren Schlichtheit seines katechetischen Charismas entworfen hat, noch bekräftigt. Vor dem Hintergrund von Vittorio Veneto, vor der Kirche seines ersten Bischofssitzes nehmen manche seiner bemerkenswerten Aussagen besonders ergreifende Akzente an: „Wenn es sich um den Glauben handelt, ist Gott der große Regisseur“ (Generalaudienz am 18. September 1978, in: Wort und Weisung, 1978, 2. Teil, S. 15). „Die Hoffnung ist eine für alle Christen verpflichtende Tugend . . . Wer aus ihr lebt, geht seinen Weg in die Zuversicht und Hingabe“ (Generalaudienz am 20. September 1978, in: Wort und Weisung, 1978, 2. Teil, S. 20). „Gott lieben ist eine Reise: Gott will dies immer und intensiver und vollkommener“ (Generalaudienz am 27. September 1978, in: Wort und Weisung, 1978, 2. Teil, S. 29). 3. Johannes Paul I. war selbst Botschaft. Die Worte, die Manzoni dem Kardinal Federico Borromeo widmet, scheinen für ihn geschrieben: „Sein Leben gleicht einem Bach, der als klarer Quell dem Felsen entspringt und, ohne zu versumpfen oder trüb zu werden, sich nach einem langen Lauf durch verschiedene Landschaften rein und klar in den Fluß ergießt“ (Promessi Sposi, XXII). Nachdem er von Papst Johannes XXIII. berufen worden war, diese uralte Diözese zu leiten, stellte sich Bischof Albino wie der gute Hirte aus dem Evangelium seinem Volk gegenüber, der in seinen Führungsauftrag die Gaben der Menschlichkeit und Spiritualität ausgoß, die seinen inneren Reichtum ausmachten: Demut, Schlichtheit, Festigkeit, Konsequenz. Die elf Jahre seines Bischofsamtes hinterließen eine tiefe Spur. Während er Werke aufbaute, die die organisatorische Struktur festigten, war er vor allem fürsorglicher, liebevoller und tatkräftiger Vater. Er säte reichlich das Wort Gottes durch den Dienst der Predigt und das sehr intensive schriftstellerische Apostolat, für das er eine unverkennbare Begabung zur Klarheit und geistvollen Lebendigkeit besaß und das er mit unnachahmlicher Genialität ausübte. Als Bischof und Katechet aus Berufung und Überzeugung festigte und förderte er die Unterweisung der christlichen Lehre in je nach Alter und Gruppen verschiedenen Formen, wobei er sehr 765 REISEN weise eine auf längst vergangene Zeiten zurückgehende Tradition entfaltete. Den Priestern stand er mit dem einfühlsamen Herzen eines Vaters nahe. Er versprach und vermehrte die Beteiligung der Laien an der Sendung der Kirche. Im Lichte der christlichen und evangelischen Sicht setzte er sich, besonders durch Schriften, mit verschiedenen Problemen auseinander, die auftraten. Er war ein Apostel des Konzils, dessen Lehren er mit kristallreiner Klarheit erläuterte und dessen Weisungen er in richtiger Weise in die Praxis umsetzte. Als Bischof Albino Luciani auf den Patriarchensitz von Venedig berufen wurde, sagte er nur: „Ich habe versucht, euch aufrichtig zu lieben . . . Ich werde Vittorio Veneto im Herzen tragen.“ Das war für ihn die Synthese seines Dienstes, eines Dienstes, der nicht frei von Schwierigkeiten und Bitternissen war und der seine Vollendung in der Liebe fand, die sich mit dem Anfangsimpuls verband. Eine Synthese, wie sie - müssen wir hinzufügen - typisch für den Mann Gottes ist, der im Vollbesitz der Menschlichkeit und zugleich im Vollbesitz Christi ist. Ein solcher Mann Gottes war er auch in der letzten Etappe, als er die Last des Dieners der Diener Gottes auf den Schultern hatte. Sein Bekenntnis vor den Gläubigen Roms bewegt sich in den Spuren dessen, was der junge Bischof hier in dieser Kathedrale erklärt hatte: „Ich kann euch versichern, daß ich euch liebe, daß ich nur den einen Wunsch habe, euch zu dienen und meine bescheidenen Kräfte-, das wenige.,, was ich habe und bin, in den Dienst aller zu stellen“ (Predigt bei der Besitzergreifung der Lateranbasilika, 23. September 1978, in: Wort und Weisung, 1978, 2. Teil, S. 83). Diese Geradheit in Stil und Wesen - durch ein feines Band, das die Kirche des hl. Titian mit Rom verbindet - bleibt ein einzigartiger Aspekt des päpstlichen Dienstes Johannes Paul I. Ein kennzeichnender Aspekt, der das römische Papsttum dem Alltagsmenschen nahebrachte, indem es die Strenge der Lehre mit der liebenswerten Einfachheit der Sprache verband und eine Unmittelbarkeit der Beziehung herstellte. Auf diese Weise hat. Johannes Paul I. das. von den beiden Vätern, des Konzils - Johannes XXIII. und vor allem Paul VI. - überkommene kirchliche Erbe in seiner ganzen natürlichen Frische; wiederbelebt. Wir haben alle gespürt, daß in jenen Wochen etwas Außerordentliches in der Kirche vor sich gegangen war und ihren Lauf beschleunigt hatte. Wie ich in meiner Predigt am 26. August 1979 in Belluno gesagt habe, „steht die Größe dieses Papstes im umgekehrt proportionalen Verhältnis zur Dauer seines Dienstes auf dem Stuhl Petri“ (Insegnamenti, II, 2, 1979, S. 178). 766 REISEN 4. Die Erinnerung und Verehrung stoßen uns auf die Gegenwart. Der treuen Vatergestalt Johannes Pauls I. - die hier in vertrauensvoller Gesprächshaltung künstlerisch in Bronze übertragen ist - entspringen dringende und überzeugende Aufforderungen, die wir in den drei Worten wiedergeben können, die sein Lehramt als Bischof und als Papst durchdringen: Gott, Jesus Christus, die Kirche. Er wird nicht müde, das Wort des göttlichen Meisters zu wiederholen: Glaubt an Gott und glaubt an mich!“ (Joh 14,1). Ein klarer und konsequenter Glaube, bereit, sich in aktives Tun über jede Zweideutigkeit und Zurückhaltung hinaus zu verwandeln: das ist es, worauf es besonders inmitten der ideologischen Hinterhälte und Wertumkehrungen ankommt, während die Verführungen der Säkularisierung in die verschiedenen Lebensbereiche eindringen und das christliche Gewissen dadurch zu spalten versuchen, daß sie es der eigenen Verantwortung entziehen. Ein starker Glaube ist die Garantie für die Stärkung der Sittlichkeit, die in der Beobachtung der von der lehrenden Kirche glaubwürdig und verbindlich verkündeten Gebote Gottes zum Ausdruck kommt und zum Schutz der Heiligkeit des menschlichen Lebens vom Augenblick seines Beginns im Mutterleib an wird. Ein tätiger Glaube leistet einen besonderen Beitrag zum Wohl der Gesellschaft, er ist Ansporn zur Erhöhung der Zivilisation, hat teil an den gemeinsamen Befürchtungen, Ängsten, Hoffnungen und Problemen. Er ist Quelle der Hoffnung im Überdruß, in den Enttäuschungen und Besorgnissen, die in unterschiedlichem Ausmaß den Menschen, Vorkämpfer und Opfer der technischen Revolution, am Ausgang des zwanzigsten Jahrhunderts in Sorge versetzen. Die moderne Welt bedarf einer tiefen christlichen Beseelung. Sie bedarf, wie Johannes Paul I. verkündete, „jener seelischen Ergänzung, nach der von allen Seiten gerufen wird und die allein das Heil sichern kann“ {Rundfunkbotschaft an die Welt, 27. August 1978, in: Wort und Weisung, 1978, 2. Teil, S. 36). Wir müssen durch konkretes In-Einklang-Bringen von Wahrheit und Liebe die christliche Berufung mit aller Transparenz und Hochherzigkeit in Anwendung bringen. Das ist nicht nur eine Pflicht der einzelnen, sondern der Diözesan- und Pfarrgemeinschaft. Es erfordert vom einzelnen wie von der Gemeinschaft die Bereitschaft, ihre Verantwortung in echtem Dienstgeist auf sich zu nehmen; die Bereitschaft, von den Schwierigkeiten und Problemen Kenntnis zu nehmen, besonders von jenen, die die Lebensnerven des gesellschaftlichen Gefüges berühren. 767 REISEN Vorbedingung bleibt immer die kirchliche Einheit. Einheit der Gesinnungen in der Wahrheit. Einheit der Herzen in der Liebe. Aufrichtige und tiefe, nicht bloß formale und äußerliche Einheit, die echte Verwirklichung jenes „unum sint“ sein soll, das zu den letzten Weisungen des Herrn gehört. Ich möchte, daß euch diese Überlegungen bei der sorgfältigen Vorbereitung des nächsten Kongresses „Christliche Versöhnung und Gemeinschaft der Menschen“, den abzuhalten die Diözese sich anschickt, Anregungen bieten mögen. 5. Laßt mich ein Thema nicht schweigend übergehen, das Johannes Paul I. so sehr am Herzen lag. Ich spreche von der christlichen Familie. In der Sammlung des Bolletino und des Wochenblattes der Diözese bewahrt ihr seine zahlreichen und ausführlichen Beiträge zu Familienthemen. Eine wertvolle Quelle, die beweist, wie prompt und präzise er sich auch mit schwierigen und heiklen Problemen auseinandersetzte, von der Heiligkeit der ehelichen Liebe bis zu den erzieherischen Gesichtspunkten, ohne die moderne Problematik bezüglich Fruchtbarkeit und Empfängnisverhütung auszuschließen, wobei er sich zum absolut treuen Verkündiger und lebhaften Verteidiger des obersten Lehramtes machte. Von ihm als Papst sind seine Gedanken über die Familie in denkwürdiger Erinnerung geblieben, die während der vier Mittwochsgeneralaudienzen seine Glückwunschworte an die Jungvermählten durchzogen. Aber man braucht nur an die häufige Bezugnahme auf seine natürliche Familie, auf die Gestalt seiner Mutter und die zärtlichen Hinweise auf eben diese seine Mutter zu erinnern, nicht zu sprechen von seiner Begeisterung für die Welt der Kindheit. Mit ihm erinnere ich euch daran, daß die Familien „ ... das ,Hausheiligtum der Kirche und eine wahre und echte ,Hauskirche (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 11; Lumen gentium, Nr. 11) sind, in denen die heiligen Entscheidungen der religiösen Berufungen heranreifen und das künftige Schicksal der Welt entschieden wird“ (Rundfunkbotschaft an die Welt, 27. August 1978, in: Wort und Weisung, 1978, 2. Teil, S. 42). Mit ihm gebe ich der Notwendigkeit Ausdruck, daß heute die christlichen Familien „der verderblichen Ideologie des sogenannten Hedonismus, der das Leben entwurzelt, Widerstand leisten sollen, damit sie für das allgemeine Wohl hervorragende Kräfte heranbilden“ (ebd.). Indem ich die Weisungen aufgreife, die er einer Gruppe von Bischöfen aus den Vereinigten Staaten von Amerika gab, betone ich den Adel der ehelichen Liebe als vereinendes Band des Paares und Hervorbringer 768 REISEN neuen Lebens; ich erinnere an die Forderung, „die Familien zur Treue gegenüber Gottes Gesetz und der Kirche zu ermutigen“, die Unauflösbarkeit des Ehebundes zu verteidigen, auch wenn das nicht immer beliebt macht, und bekräftige, daß die Heiligkeit der Familie das geeignetste Mittel ist, um die vom Konzil gewünschte kirchliche Erneuerung zu vollbringen (vgl. Ansprache beim Ad-limina-Besuch amerikanischer Bischöfe, 21. September 1978, in: Wort und Weisung, 1978, 2. Teil, 5. 74). 6. Nun wende ich mich an euch, liebe Jugend, mit den Worten, die Johannes Paul I. zu Beginn seines Pontifikats an die Jugend der Welt gerichtet hat: „Wir grüßen die heranwachsenden und jungen Menschen, auf denen die Hoffnung auf eine bessere, gesündere und konstruktivere Zukunft ruht, und mahnen sie, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden und mit ihren frischen Kräften das Gute zum Erfolg zu führen - für das Leben der Kirche und die Zukunft der Welt“ (Rundfunkbotschaft an die Welt, 27. August 1978, in: Wort und Weisung, 1978, 2. Teil, S. 41). In diese Worte ist ein Programm eingeprägt, das das jugendliche Bewußtsein auf jenen grundlegenden Wert verpflichtet, der die Wahrheit ist, das heißt das Licht des Denkens und des Herzens, das sich niemals verfinstern kann, ohne daß die anderen Werte versiegen. In der Klarheit der Wahrheit wird es euch immer möglich sein, Gut und Böse zu unterscheiden, dem Bösen zu widerstehen und dem Guten zu dienen und auf diese Weise die hochherzigen Neigungen und Bestrebungen auszuweiten, die immer stärker aus der Welt der jungen Generationen kommen: die Ehrbarkeit, die sittliche Reinheit, die Entsagung, der Großmut, die Teilnahme an den Problemen des Nächsten; mit einem Wort: das Verlangen nach Spiritualität und gemeinschaftlicher Teilhabe. Die Kirche braucht euch. Die Kirche setzt große Zuversicht in euch. Die Kirche verlangt viel von euch. Die Kirche erwartet viel von euch, weil sie Sprecherin Christi ist, und Christus hat Ansprüche auf euch. Er gibt sich nicht mit halben Maßnahmen zufrieden. Er ruft euch zum Gipfel. Gleichsam in idealer Fortsetzung des Dialogs, den ich mit meinem letzten Schreiben an die Jugend der ganzen Welt eingeleitet habe, bitte ich euch, mit Christus vereint zu bleiben, Christus als Freund, als Verbündeten, als Weggefährten eurer Jugendzeit anzusehen. Wenn ihr ihm folgt, werdet ihr glücklich sein. Und ihr werdet euer Glück nach außen übertragen. Ihr werdet es mit missionarischem Herzen in eifriges Tätigsein für das Reich Gottes und mit klaren Absichten und weiser Unterscheidung der Mittel für die Hebung des Zivilisationsniveaus umsetzen. 769 REISEN 7. Die Mittagsstunde rückt näher, die uns einlädt, die Gedanken zur Gottesmutter und unserer Mutter im Himmel zu erheben. Johannes Paul I. betrachtete die allerseligste Jungfrau Maria als den „leuchtenden Stern“ seines Pontifikats. Und einen ergreifenden Wunsch faßte er in die folgenden Worte: „Die Jungfrau Maria, die mit zarter Wärme unser Leben als Kind, als Seminarist, als Priester und Bischof begleitet hat, erleuchte und leite auch weiterhin unsere Schritte!“ (Predigt bei der Übernahme des obersten Hirtenamtes, 3. September 1978, in: Wort und Weisung, 1978, 2. Teil, S. 58). In geistlicher Verbundenheit mit ihr richten wir unser vertrauensvolles Gebet zum Himmel: „Angelus Domini . . .“ Für den Herrn verfügbar Predigt bei der Eucharistiefeier im Park der Villa Eger in Riese am 15. Juni „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?“ (Joh 21,5). Das heutige Evangelium erinnert an diese Frage, die Christus nach der Auferstehung.an Petrus gerichtet hat. Dreimal immer dieselbe Frage. Wir lesen diesen Abschnitt aus dem Johannesevangelium in der Liturgie des hl. Papstes Pius X. Wir wollen damit sagen und in Erinnerung bringen, daß Petrus dieselbe Frage, die ihm vom auferstandenen Christus gestellt wird, noch immer an jeden seiner Nachfolger auf dem Stuhl Petri richtet. Damit Simon, der Sohn des Johannes, Petrus werden konnte, war jene „Prüfung über die Liebe“ unerläßlich. Denn der Dienst, den er in der Kirche übernehmen sollte, ist ein besonderer „Liebesdienst“. So schrieb der hl. Augustinus, der große Kirchenvater. Als nun der auferstandene Christus den Simon Petrus dreimal fragte: „Liebst du mich?“, antwortete Petrus unter dem Beistand der Gnade des Heiligen Geistes und zugleich voller Demut wegen seiner menschlichen Treulosigkeit: „Herr, du weißt, daß ich dich liebe“ (Joh 21,15.16). 2. Als Giuseppe Sarto, euer Landsmann aus Riese, daran war - wie sich aus dem Konklave von 1903 ergibt - dieselbe Frage Christi zu verneh- 770 REISEN men, konnte er, unterstützt von der Gnade des Heiligen Geistes und zugleich voller Demut, antworten: „Herr, du weißt, daß ich dich liebe.“ Jene Antwort bestimmte einen neuen Abschnitt in der Geschichte der Kirche nach dem Hinscheiden des großen Papstes Leo XIII.. aus^ dieser Welt. Jene Antwort durchdrang das ganze neue Pontifikat bis zum August 1914, als nach dem tragischen Ausbruch des Ersten Weltkrieges auch Pius X., Nachfolger Leos, Nachfolger des Petrus, in das „Haus des Vaters“ gerufen wurde. Diese Antwort: „Herr, du weißt, daß ich dich liebe“, hatte ihren Anfang jedoch hier in Riese, unter euren Vorfahren. Unter ihnen lebte in Riese die arme Familie Sarto, deren Sohn eines Tages unter dem Namen Pius X. der Nachfolger Petri auf dem römischen Stuhl werden sollte. Der heilige Pius X. Die Antwort auf die Frage Christi: „Liebst du mich?“, die er zuerst hier, in seinem Heimatdorf, gelernt hatte,' hat ihn nicht nur auf den römischen Stuhl der Nachfolger Petri gebracht, sondern sie hat ihn vor allem zur Heiligkeit geführt. 3. Es,ist.recht, den Einfluß zu bedenken, den die menschliche Umgebung, in der Giuseppe Sarto heranwuchs, auf seine christliche Empfänglichkeit und dann auf die Priesterberufung hatte. Einer seiner Biographen schreibt: „Von den ersten Jahren, das heißt von dem Alter an, wo man lebhafteste Eindrücke von dem empfängt, was um einen ist und lebt, Eindrücke, die. dann in hohem Grade, an der Formung unseres Charakters und unserer inneren Gesamterziehung beteiligt sind, hatte er das große Glück, die Vorbilder von . . . kultivierten, frommen, äußerst wohltätigen Menschen und Priestern vor Augen zu haben“ (vgl. MARCHESAN, Papa Pio X nella sua opera e tiella sua parola, S.27,42)-Pius X. selbst wird in einer seiner Ansprachen von dem alten Pfarrer voll anhänglicher Dankbarkeit sagen: „Er war für mich stets ein Ort des Rates, der Hilfe, so daß ich nach Gott und meinen Eltern alles ihm verdanke. Ihm, aus dessen Händen ich zum ersten Mal das eucharistische Brot empfing, ihm, der mir zu Füßen jenes Altares das Priestergewand anlegte, ihm, der mich oft daran erinnerte; daß für die; Berufung zum Priestertum das Fundament der Frömmigkeit, der Bescheidenheit, des unbescholtenen Lebenswandels gelegt werden muß“ (vgl. Scritti inediti di San Pio X, Bd. II, hrsg. von Sartoretto). Es war also ein vom Christentum geprägtes Umfeld, das den.Knaben zur Treue: zum Herrn und zur Beachtung des Rufes Christi erzog. 771 REISEN 4. Eine große Verfügbarkeit für den Herrn hat Giuseppe Sarto von der Familie gelernt. Sie war arm, wie man weiß und wie er selbst häufig erwähnte, wobei er sich gern des geliebten venezianischen Wortes bediente; aber sie vertraute auf Gott. Als der Pfarrer dem Giovanni Battista Sarto die Absicht seines Sohnes, Priester zu werden - die dieser nach der Erstkommunion geäußert hatte -, mitteilte, wobei er ihn auf die besondere Begabung des Jungen aufmerksam machte, antwortete der Vater, der ihn wahrscheinlich gern zum Nutzen der Familie daheim gehabt hätte: „Wenn Gott ihn haben will, wenn er ihn nimmt! Er gehört ihm!“ Das ist Glaubenssinn: Er gehört ihm, er gehört dem Herrn, wie jeder Sohn, der geboren und von Gott mit Namen zu einer höheren Berufung gerufen wird. Pius X. erinnerte sich stets dieser Episode und betrachtete sich als etwas, das Gott gehört, das ganz Seiner Liebe geweiht war. Ich weiß, daß man sich unter euch eine liebenswürdige und schlagfertige Antwort der Mutter von Giuseppe Sarto erzählt. Er kam sie hier in Riese besuchen und zeigte ihr seinen Kardinalsring mit den Worten: „Seht, Mama, wie schön!“ Die Mutter machte ihn ihrerseits auf den Ehering aufmerksam und antwortete sofort: „Ja, mein Sohn, aber wenn es dies nicht gegeben hätte . . .“ Wenn es nicht eine an Glauben und christlicher Erziehung reiche Familie gegeben hätte, wenn es nicht jenes lebendige Zeugnis der Verfügbarkeit für den Willen Gottes gegeben hätte, die sie anhand der in der Pfarrei getreu unterrichteten Lehre ausformte, ließe sich die priesterliche Gestalt des späteren Papstes nicht erklären; wir würden nicht die Wurzel seiner großen Persönlichkeit als Mann Gottes und als eifriger und unermüdlicher Diener der Kirche finden. 5. Viele Punkte seines Programmes als Papst hatten, so kann man sagen, ihren ersten Grund im Gemeindeleben der Pfarrei. Denkt an die Liebe zur Eucharistie, an die Liturgie, die er als Ministrant kennenlernte, an den Kirchengesang, an die Katechismuserfahrung. Aufgrund des Zeugnisses von Zeitgenossen und Schulkameraden heißt es: „Er fehlte nie bei der christlichen Lehre, beim Katechismus und bei den anderen Unterweisungen, die damals zu bestimmten Zeiten des Jahres üblich waren und die man heute gewohnt ist, den Kindern in unseren Dörfern jeden Tag zu erteilen“ (MARCHESAN, op. cit., S. 26). In dieser Atmosphäre reiften die ersten Früchte der Heiligkeit Giuseppe Sartos, und in dieser Atmosphäre reifte seine Priesterberufung. 772 REISEN 6. „Der Herr ist mein Hirte“ (Ps 23,1). Diese Wahrheit, die der inspirierte Verfasser in dem Psalm, der Gott als Hirten des Menschen preist, geschrieben hat, eignete sich Giuseppe Sarto mit ganzem Herzen an; Gott, der Hirte der menschlichen Berufungen und des menschlichen Geschicks. Dieser Psalm findet seine großartige Entsprechung in dem Gleichnis vom Guten Hirten, das von Jesus von Nazaret zur rechten Zeit erzählt wurde. Hier war es dem Sohn der Familie Sarto gegeben zu erkennen, daß der Herr, der Gute Hirte, „ihn lagern läßt auf grünen Auen“ (vgl. ebd., Vers 2), wenn er sich der väterlichen Vorsehung Gottes anvertraut. Es ist der Herr, der „ihn stärkt und ermutigt“ (vgl. ebd., Vers 3), indem er ihm die Gnade des Gebets gewährt; der ihn zudem „auf rechten Pfaden leitet, treu seinem Namen“ (ebd.). Wie wichtig ist diese innere Sicherheit des Weges, den man wählt, der Stimme des Gewissens, der man gehorcht! Schließlich ist da die Bedeutung des inneren Lichtes, das den Weg mit den Gaben des Heiligen Geistes erleuchtet. Mit diesem Licht braucht einer „kein Unheil zu fürchten“, auch wenn er „in finsterer Schlucht wandern“ müßte (vgl. ebd., Vers 4). 7. Der Psalm der heutigen Liturgie ist äußerst passend und umreißt mit Recht die Wege des Lebens und der Berufung von Giuseppe Sarto: „Du deckst mir den Tisch“ (Ps 23,5). Ist das etwa nicht eine Anspielung auf die Eucharistie, die er hier in Riese im Jahr 1847 zum ersten Mal empfing, als er fast zwölf Jahre alt war? Und kann man nicht sagen, daß ihn damals diese Erfahrung wünschen ließt, daß alle Kinder in noch jüngerem Alter Christus im Sakrament begegnen könnten? Muß man nicht daran denken, daß er diese unaussprechliche und höchst vertrauliche Erfahrung des Herrn zum Anlaß nahm, um das ganze Volk Gottes zum häufigen, ja täglichen Empfang der Kommunion einzuladen? „Du salbst mein Haupt mit Öl“ (ebd., Vers 5): Ist das nicht eine Anspielung auf das Sakrament der Firmung, die Giuseppe Sarto im Jahr 1846 in Asolo aus den Händen von Msgr. Sartori-Canova, dem Stiefbruder des berühmten Bildhauers Antonio Canova, empfing? Schließlich erscheint vor den Augen der jungen Seele jener „reichlich gefüllte Becher“ (vgl. ebd.,) als Zeichen der Berufung zum Priester, der der junge Sarto 1850 mit dem Eintritt ins Priesterseminar von Padua folgte. <148> <148> „Liebst du mich?“ Er mußte diese Worte Christi viele Male gehört haben. Besonders klar 773 REISEN sollte er sie am Tag der Priesterweihe, dem 18. September 1858, im Dom von Castelfranco vernehmen; und durch den Heiligen Geist konnte er mit aller Demut antworten: „Herr, du weißt, daß ich dich liebe.“ Ebenfalls damals erreichte ihn zum ersten Mal mit aller Klarheit die Antwort Christi: „Weide meine Lämmer!“ (Joh 21,15). Mit dem Priestertum begann Giuseppe Sarto in der Tat seinen pastoralen Dienst. Dieselbe Frage und dieselbe Antwort haben sich auf immer neue Weise wiederholt, als er zunächst in Mantua, dann in Venedig ins Bischofsamt berufen wurde. Im Jahr 1903 in der Sixtinischen Kapelle fragte ihn Christus schließlich zum dritten Mal: „Liebst du mich?“ Und es kann sein, daß auch der Patriarch von Venedig, Kardinal Giuseppe Sarto, traurig wurde wie Simon Petrus. Er antwortete so wie Petrus: „Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich liebhabe“ (Joh 21,17). Er sprach es und meinte es unter reichlichen Tränen, die, wie die beim Konklave Anwesenden bezeugten, am Tag der Wahl das erste weiße Papstgewand benetzten, jenes Gewand, das ihr noch mit großer Verehrung als ein besonderes Geschenk im bischöflichen Seminar aufbewahrt. Und da antwortete Christus zum dritten Mal: „Weide meine Schafe“ (ebd.). <149> <149> Dieser Dialog des gekreuzigten und auferstandenen Christus mit Giuseppe Sarto - Pius X. - nahm hier in Riese seinen Anfang. Hier wurde das erste, unter einem gewissen Gesichtspunkt vielleicht das wichtigste Kapitel seines Lebens geschrieben. Ich lade euch ein, das alles zu bedenken, weil ihr Erben einer christlichen Tradition und Kultur seid, die ein solches Geschenk hervorgebracht hat. Auch ihr sollt Gott ein hochherziges und vertrauensvolles „Ja“ für jede Berufung sagen können, die er „mit vollen Händen“ (vgl. Römisches Meßbuch, Votivmesse für die Priesterberufe, Gebet nach der Kommunion) in die Kirche ausgießt. Ihr sollt imstande sein, mit der Erziehung und der Katechese den Sinn für Gott und das Verlangen nach seiner Erfahrung und seinem Dienst dadurch einzuprägen, daß ihr auf die Verkündigung des Wortes Gottes Wert legt, die immer und ausgiebig unter euch stattfindet. So wird Christus jeden wirksam fragen können: „Liebst du mich?“ Liebe Brüder und Schwestern von Riese und ihr alle, Gläubige von Tombolo und Salzano, von Asolo und Castelfranco und der ganzen Mark, die ihr euch hier eingefunden habt: Ich wünsche von Herzen, daß die Menschen der immer neuen Generationen Jugendlicher ihrerseits voll 774 REISEN Freude, mit innerem Vertrauen und Zuversicht Christus antworten können: „Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich liebhabe.“ Ja, Christus selbst; denn er allein ist „der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Amen. Gott — nicht den Menschen - gefallen Predigt bei der Eucharistiefeier auf dem Sportplatz bei S. Maria Ausiliatrice in Treviso am 16. Juni 1. „...Gott hat uns würdig befunden, uns das Evangelium anzuvertrauen“ (1 Thess 2,4). Da steht heute vor uns die selige Gestalt eines Sohnes dieser Erde: Giuseppe Sarto - der heilige Papst Pius X. Gestern haben wir ihm in seinem Geburtsort unsere Verehrung erwiesen: in Riese. Heute hören wir hier in Treviso im Evangelium denselben Dialog des auferstandenen Christus mit Simon Petrus: „Liebst du mich?“ (Joh 21,15). „Herr, du weißt, daß ich dich liebe“ (/oft 21,15.16). Jedesmal, wenn Giuseppe Sarto in den verschiedenen Abschnitten seines Lebens wie Petrus auf die Frage Christi antwortete, vernahm auch er — in immer neuer Situation und mit immer neuem Inhalt - dieselbe Antwort des Meisters: „Weide meine Lämmer“ (Joh 21,15). Jener selige Sohn eurer Erde, der vom Herrn für seinen ausschließlichen Dienst auserwählte Mann, konnte auch die Worte des Apostels Paulus aus der heutigen Liturgie auf sich anwenden: „ ... Gott hat uns würdig befunden, uns das Evangelium anzuvertrauen“ (1 Thess 2,4). 2. „Würdig“!? Dieses Wort birgt in sich das ganze Gefühl der eigenen Unwürdigkeit, das für jeden Christen so wesentlich ist. „Herr, ich bin nicht würdig“, sagt jeder von uns im Augenblick der eucharistischen Kommunion. Sicher fühlte sich auch Petrus unwürdig, als Christus nach der Auferstehung mit ihm sprach - nachdem er den Herrn dreimal verleugnet hatte -, und unwürdig fühlte sich Paulus, als er die oben zitierten Worte im Brief an die Thessalonicher niederschrieb. Paulus, der zuvor Verfolger der Christen gewesen war. 775 REISEN Unwürdig fühlte sich auch Giuseppe Sarto, als Christus ihn zuerst zum Priestertum, dann ins Bischofsamt und schließlich — in der Sixtinischen Kapelle beim Konklave - zum Nachfolger des hl. Petrus in Rom berief. Er fühlte sich unwürdig. Und zugleich besaß er durch die Gnade des Heiligen Geistes eben das Bewußtsein, daß Gott, der von Anfang an sein Evangelium „unwürdigen Menschen“ anvertraute, es über verschiedene Zwischenstufen gerade auch ihm anvertrauen wollte: ihm, Giuseppe Sarto, Sohn dieser Erde, auf der sich heute ein anderer unwürdiger Nachfolger des hl. Petrus auf Pilgerfahrt befindet, um Gott für all den Dienst am Evangelium den Dank abzustatten, den die Kirche Pius X. -Giuseppe Sarto - schuldet. Gegen die religiöse Unwissenheit 3. Das Evangelium wurde ihm, Giuseppe Sarto, anvertraut, weil er „gelitten hat“, das heißt: in seinem Leben, in der Armut seiner Herkunft, in der eifrigen Hinwendung zum Studium, im Verlangen nach der Liebe der anderen, um das ersehnte Ziel des Priestertums zu erreichen, das Opfer erlebt und erfahren hat. Er hatte den Mut, das Evangelium Gottes inmitten vieler Kämpfe zu verkünden. Schon als junger Priester kämpfte er — wie die mit großen Fleiß redigierten Hefte des in Salzano zusammengestellten Katechismus bezeugen - gegen die religiöse Unwissenheit an, opferte sich für die Armen auf, indem er eifrig zu ihrer sozialen Förderung beitrug. Als Bischof von Mantua beschäftigte er sich damit, den Klerus zu einer entsprechenden Seelsorgspraxis zu führen. Aber vor allem als Papst lebte er „inmitten zahlreicher Kämpfe“ sein Pontifikat, wo er mutig, manchmal unter Verständnislosigkeit und Klagen, aber mit dem entschiedenen Willen wirkte und handelte, die Kirche aus der Gefahr von Lehren zu retten, die von der Unversehrtheit des Evangeliums wegführen. Er arbeitete mit großer Aufrichtigkeit, um die heimtückischen Strömungen des theologischen Systems des Modernismus ins Licht zu stellen, und mit großem Mut, der in seinem Engagement nur von dem Wunsch nach Wahrheit bestimmt war, damit die Offenbarung nicht in ihrem wesentlichen Inhalt entstellt werde. Dieses große Vorhaben zwang Pius X. zur ständigen Arbeit an sich selbst, um nicht „den Menschen zu gefallen“. Wir wissen gut, wie viele Widerwärtigkeiten er wegen der Unpopularität ertragen mußte, der er sich mit seinen Entscheidungen aussetzte. Er wollte „Gott, der unsere Herzen prüft“, gefallen als getreuer Jünger des Meisters Jesus. „Das Amt, das uns 776 REISEN von Gott anvertraut wurde - sagte er nämlich die Herde des Herrn zu weiden, . . . schließt auch die Aufgabe ein, mit aller Wachsamkeit das den Heiligen mitgeteilte Glaubensgut zu hüten, indem wir die profanen Neuerungen der Sprache und den Widerspruch einer Wissenschaft mit falschem Namen ablehnen“ (vgl. Enzyklika Pascendi, Pii X Pont. Max. Acta, IV, S. 47). Er gab der Kirche dadurch ein Beispiel, daß er stets nach allen möglichen Gelegenheiten suchte, um das Brot des Wortes Gottes für die kleinen, einfachen Leute mit Hilfe der Katechese „zu brechen“, wobei er sich seiner Geschöpfe annahm wie eine Mutter, die nährt, erzieht und verteidigt. Als Mann mit praktischem Sinn fühlte er sich verpflichtet, die Programme seiner pastoralen Tätigkeit auch für die anderen Bischöfe der Kirche ausführlich und detailliert abzustecken, damit niemand von dem apostolischen Vorhaben ausgeschlossen bleibe, das für das Wohl des Gottesvolkes nötig war. In der Tat, auf diese Weise liebte er mit seinem ganzen Selbst die christliche Gemeinde und schenkte ihr sein Leben, seinen totalen Einsatz, um echt und glaubwürdig das Amt des Führers der Herde zu bekleiden. 4. Für die ganze Herde! Denn die Verkündigung des wahren Glaubens in der Katechese ist eine Aufgabe, die Gott allen Getauften anvertraut, wie das Zweite Vaticanum bestätigt. Der christliche Laie ist voll und ganz in das Evangelisierungswerk hineingenommen, weil es klar und eindeutig ist, daß die gesamte Kirche, die von Christus, ihrem Haupt, Hirten und Meister, Zusammenhalt und Einheit erhält, „ihren Dienst für den Aufbau des Leibes Christi“ erfüllt (.Eph 4,12). Diese Teilhabe am Apostolat, der keineswegs die Bedeutung zukommt, den Dienst der Priester und der Bischöfe zu ersetzen, stellt eine ganz wesentliche Eigenschaft jedes Getauften dar, der von Christus in die Welt gesandt wird, um unter den Brüdern Zeuge des Glaubens und Verkünder der Wundertaten Gottes zu sein. Die Katechese und das Zeugnis sind die dringenden Verpflichtungen dieses Apostolats; das aber schließt auch echte und verpflichtende Verantwortung ein. Um wahrer Apostel zu sein, muß jeder Laie seinen Meister, Christus, kennen, er muß seine Kirche mit kindlicher Liebe lieben. Der Katechet und der Zeuge brauchen die Treue zur ganzen Kirche als unanfechtbare Vorbedingung für die Gemeinschaft in der Wahrheit mit dem ganzen Volk Gottes. 777 REISEN Der Laie, der sich der Berufung zum Apostolat bewußt ist, wird niemals versuchen, in Trennung vom Lehramt zu handeln, seine Autonomie zu betonen, er wird nie als Quelle seiner Verkündigung eine eigene subjektive Glaubenserfahrung betrachten; sondern er wird in der von der Kirche verkündeten Lehre die Kraft der verkündeten, mit unverkürzter Treue aufgenommenen und gelebten Wahrheit suchen. 5. Mit großem Vertrauen und im tiefen Geist der Brüderlichkeit wende ich mich an euch, liebe Priester der Kirche von Treviso, damit ihr das Andenken und das Beispiel des hl. Pius X. stets in eurer Sendung lebendig haltet, um sein Programm des Apostolats zu verwirklichen: Es ist ein Programm, das für jeden Priester Gültigkeit besitzt, der die Zeichen seiner Zeit verantwortungsvoll lebt. Die Laien werden Apostel sein, sie werden mit euch Katecheten und Verkünder des Evangeliums sein, sie werden zusammen mit euch Lehrer und Erzieher der Erfahrung des Herrn sein, wenn ihr den rechten Weg geht, um rund um euch eifrige Berufungen für das Apostolat zu wecken. Wie ich gestern in Riese in Erinnerung rief, daß die Berufung Giuseppe Sartos in der Familie und in der Pfarrei ihren Ursprung hatte, so möchte ich euch jetzt mit allem Nachdruck sagen, daß das Apostolat bei euch entsteht, sich an euch ein Beispiel nimmt. An eurer Hingabe an die Katechese werden die Kinder und Jugendlichen, die eure Pfarreien und Oratorien besuchen, entdecken, daß sie von Jesus Christus mit Namen gerufen werden. Weckt in den jungen Menschen das Bewußtsein ihrer Berufung! Lehrt jeden Christen, daß er kraft der Taufe im Dienst des Evangeliums steht, und ihr werdet die Tür auch zur erhabensten und größten Berufung, zu der des Priestertumes, offen finden. So ist es bei Giuseppe Sarto geschehen; aber so ist es auch bei allen von uns geschehen, die wir auf unserem Weg Priester gefunden haben, die „uns zugetan waren“, deren Wunsch es war, uns „nicht nur das Evangelium Gottes“ zu schenken, sondern die bereit waren, „das Leben hinzugeben“ für das Apostolat, zu dem sie berufen wurden. Diese Apostel haben uns fasziniert und uns die Ohren geöffnet für das Wort Christi, das uns berief. 6. Ich will nun meinen Gruß an euch alle richten, die ihr an dieser Eucharistiefeier teilnehmt. Ich danke eurem Bischof, Msgr. Antonio Mistrorigo, und erneuere ihm den Ausdruck meiner Anteilnahme an seinem 50jährigen Priester- und 30jährigen Bischofsjubiläum. Ich danke der ganzen Priesterschaft von Treviso für ihren Eifer, die hochherzige Hingabe an das Apostolat und an 778 REISEN den Dienst, die Treue zur Kirche von Rom und die Treue zum Dienst an den Seelen. Mir sind sehr wohl die vielfältigen Aktivitäten bekannt, die in der Diözese für die Katechese, für das Apostolat unter der Jugend, für die Ehevorbereitung eurer Gläubigen und das Familienapostolat unternommen werden. Ich denke daran, wieviel getan wird, damit in allen Schulen die lebendige Verkündigung der katholischen Lehre stattfindet. Ich schätze zudem die Arbeit, die von der theologischen Schule für Laien geleistet wird, um einen Laienstand auszubilden, der sich des eigenen Glaubens bewußt und fähig ist, ihn zu verkünden. Das ist Grund zu großer Ermutigung. Ein Grund zur Freude ist es ebenso zu wissen, daß ihr mit großem Engagement eure Diözesansynode abhaltet. Ich weiß auch um die Schwierigkeiten und Spannungen, mit denen sich eure Diözese auseinandersetzen muß, aber ich vertraue darauf, daß ihr sie überwinden werdet, wenn ihr den Blick fest auf die Liebe des hl. Pius X., auf Gott und auf die Seelen gerichtet habt. 7. Von diesen Orten aus, die das pastorale Wirken Giuseppe Sartos als Priester, Pfarrer und Spiritual des Priesterseminars erlebt haben, möchte ich gern mit seinen Worten einen herzlichen Appell an die Priester Italiens richten: „Ihr alle seht, wo immer ihr euch befindet, welchen Augenblick die Kirche aufgrund eines geheimnisvollen Planes Gottes durchmacht. Macht euch also klar, daß ihr die heilige Pflicht habt, ihr in ihrer Bedrängnis Beistand und Hilfe zu leisten ..., daß es dringender denn je notwendig ist, daß der Klerus von einer außerordentlichen, vorbildlich reinen, lebendigen, tätigen Tugend erstrahlt, die mehr denn je bereit ist, mit Festigkeit für Christus zu handeln und zu leiden“ (Haerent animo, Pii X Pont. Max. Acta, IV, S. 259). Der hl. Pius X. hat uns gelehrt, die Berufung zu lieben, und wir müssen unsere Liebe und unsere Freude für diese Gottesgabe dadurch bezeugen, daß wir uns um die Weckung von Berufen in unserer Umgebung bemühen und darauf achten, junge Leute, die fähig sind, den Mut aufzubringen, um „das Evangelium auch inmitten vieler Kämpfe zu verkündigen“, auf Jesus Christus hin auszurichten. Der Herr läßt nicht ab, Aufrichtige und Hochherzige, die „seines Vertrauens würdig sind“, zu wecken, die es fertigbringen, sich an den lebhaften Wunsch zu halten, „Gott und nicht den Menschen zu gefallen“. Dieses Land hat der Kirche zahlreiche Berufungen auch darum geschenkt, weil es in Giuseppe Sarto einen emsigen Lehrer des Geistes gefunden hat. 779 REISEN Mehr Sorgfalt in der Ausbildung der Priester Belebt wieder die Sendung der Seminare! Während die Zahl derer, die den göttlichen Ruf annehmen, glücklich ansteigt, muß die Sorge für ihre geistliche, sittliche und kulturelle Ausbildung sorgfältiger werden, ohne die die dringende Notwendigkeit, Christus zu verkündigen, zunichte gemacht würde. Die Bedeutung des Seminars, einer Zeit, in der Gott „unsere Herzen prüft“, um sie aufgrund einer „ehrlichen Frömmigkeit“ zu formen (vgl. Haerent animo, l.c., S. 242), besitzt höchste Gültigkeit und ist für die Vorbereitung auf den kirchlichen Dienst unersetzlich. Priester der ganzen Kirche, geht bewußt den priesterlichen Weg Giuseppe Sartos. Er klärt euch auf über den Wert eines hochherzigen Pastoraldienstes, der nicht den „Ruhm des Menschen“, sondern das Wohlgefallen Gottes sucht, um von ihm für würdig befunden zu werden, daß ihm das Evangelium anvertraut wird. 8. Der 150. Jahrestag der Geburt Giuseppe Sartos und das hundertjährige Jubiläum seiner Bischofsweihe haben den Bischof von Rom veranlaßt, an diese Stätten zu kommen, von wo aus er zu Beginn dieses Jahrhunderts berufen worden war. Nach Jahren und Jahrzehnten tut sich uns aufs neue kund, wie bedeutend und voller Anziehung die Gestalt des Sohnes dieser Erde ist, der noch immer - zuerst als Priester und Pfarrer, dann als Bischof, als Patriarch von Venedig und Kardinal, schließlich als Papst - zu sagen scheint: „So waren wir euch zugetan und wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben; denn ihr wart uns sehr lieb geworden“ (1 Thess 2,8). Das ist das Bekenntnis des Paulus im Brief an die Thessalonicher. Das ist das Bekenntnis des Petrus, zu dem Christus gesagt hat: „Weide meine Schafe!“ (Joh 21,16.17). Ebenso sagt es das Bekenntnis Giuseppe Sartos - Pius X. - am Beginn unseres Jahrhunderts. Trotz der menschlichen Unwürdigkeit wiederholt jeder von ihnen: „... Gott hat uns für würdig befunden, uns das Evangelium anzuver-trauen.“ Mögen diese Worte für uns alle eine Quelle der Inspiration und des Heils werden am Ausgang dieses Jahrhunderts, das an seinem Beginn auf dem Stuhl Petri den hl. Papst Pius X. - Giuseppe Sarto, Sohn eurer Erde -sah. Amen. 780 REISEN Sakrament, von dem die Kirche lebt Predigt bei der Fronleichnamsmesse auf dem Markusplatz in Venedig am 16. Juni 1. „Ich will den Kelch des Heils erheben und anrufen den Namen des Herrn“ (Ps 116,13). Auf diesem Markusplatz, dem Herzen der Geschichte von Venedig, der „Serenissima“, lädt uns die Eucharistiefeier heute abend ein, uns im Geiste in den Abendmahlssaal zu begeben. Dort, wo am ersten Tag des Festes der Ungesäuerten Brote die Apostel zusammengekommen waren, um das Paschafest des Alten Bundes zu feiern (vgl. Mk 14,12). Denn dort, im Abendmahlssaal, hat Christus das Allerheiligste Sakrament, das Pascha des Neuen und Ewigen Bundes, eingesetzt. Während sie nach der Gewohnheit so vieler Generationen Israels zu Abend aßen, „nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: ,Nehmt, das ist mein Leib. Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, reichte ihn den Jüngern, und sie tranken alle daraus. Und er sagte zu ihnen: ,Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird“ {Mk 14,22-24). So also haben die Apostel, einer nach dem andern, den Kelch des Heils im Namen des Herrn erhoben. Und so wurde das Paschaopfer des Neuen und Ewigen Bundes gestiftet: die Eucharistie. 2. Wenn wir den Text des Markusevangeliums lesen, haben wir alle Generationen derer vor unserem inneren Auge, die das Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn von den Aposteln als Erbe empfangen haben. Das Sakrament, von dem die Kirche Jesu Christi ohne Unterbrechung lebt. Vor unseren Augen steht heute abend in besonderer Weise auch jener Priester - Bischof, Kardinal und Papst -, dessen Geburtstag vor 150 Jahren auf dem Boden Venetiens wir gemeinsam feiern: Giuseppe Sarto, Patriarch von Venedig, Papst Pius X., hl. Pius X. Wann „erhob“ er zum ersten Mal den Kelch des Heils, während er den Namen des Herrn anrief? Das war am 19. September 1858, als er als neugeweihter Priester in Riese seine Primiz feierte. Im Laufe der Jahre erneuerte er dann das heilige Opfer an verschiedenen Orten: in Tombolo, Salzano, Treviso, Mantua. Dann hier in Venedig, wo er als Bischof eurer Kirche das Volk Gottes versammelte, wenn er die Eucharistie feierte. Nach dem Sprechen der Wandlungsworte hob er den 781 REISEN Leib und das Blut des Erlösers in die Höhe, die unter der Gestalt von Brot und Wein real gegenwärtig sind. Am Fronleichnamsfest zog er in Prozession über die Plätze und durch die Straßen dieser Stadt, die mit Recht die „Perle der Adria“ genannt wird. 3. Und mit dem starken und zugleich sanften Hauch des Heiligen Geistes, des „Beistands“, wurde er dann von dort fortgeholt. Der Herr Christus rief ihn nach Rom, damit er als Nachfolger des hl. Petrus auf jenem Stuhl diene, dessen besondere Berufung darin besteht, die Kirche in der Liebe zu einen (vgl. hl. Ignatius von Antiochia, Epistula ad Romanos, in: Ser., F. 1, 252). Giuseppe Sarto, euer Kardinal-Patriarch, wurde als Pius X. in besonderer Weise, der „Papst der Eucharistie“. 4. Denn unter den vielfältigen Tätigkeiten, die er als Oberhirte der Universalkirche entfaltete, verwendete er sein Wirken in besonderer Weise darauf, alle Gläubigen intensiver vom eucharistischen Geheimnis leben zu lassen. Zu diesem Zweck förderte er die Praxis des häufigen und womöglich täglichen Kommunionempfanges. Er regte die Spendung der heiligen Kommunion an die Kranken an (S. Congr. Conc., 7. Dezember 1906) und bot so allen, die das Kreuz des Leidens tragen, die Kraft und die Tröstung, die eucharistische Speise empfangen zu können als „Nahrung, die den Menschen in das verwandelt, was er ißt, und ihm gestattet, immer und überall, in Geist und Fleisch, den zu tragen, in dem wir gestorben, begraben und auferstanden sind“ (hl. Leo, Serm. 14, De Pass, dom.). Schließlich setzte er durch das Dekret Quam singulari (8. August 1910, S. Congr. Sacr.) fest, daß um das siebente Lebensjahr die Verpflichtung zum Kommunionsempfang beginnen sollte, womit er gestattete, daß die Kinder, wenn sie zum Gebrauch ihres Verstandes gelangt sind, zum Tisch des Herrn gehen konnten. 5. Ein weiterer Aspekt seines Pontifikats, der eng mit dem Dienst der Liebe verbunden ist, ist sein tätiger Einsatz für den Frieden. In verschiedenen lehramtlichen Interventionen empfahl er den Weg zum Frieden im Dialog, in der Gerechtigkeit und in der Liebe, in der Ordnung und „in jenen Tugenden, die das Prinzip und Hauptfundament der Ordnung sind“ (Schreiben Libenter, 11. Juni 1911). Am stürmischen Vorabend des Ersten Weltkriegs ermahnte er mit allen seinen Kräften zum Frieden und forderte auf, dafür zu beten, daß Gott „möglichst bald die unheilvollen Kriegsfackeln“ vertreibe und den höch- 782 REISEN sten Lenkern der Nationen „Gedanken des Friedens und nicht des Angriffs“ eingebe (2. August 1914). Das war das große Ziel, dem sich während der Jahre des blutigen Konflikts auch Papst Benedikt XV. mit weitblickender Weisheit, und unerschrockener Kühnheit: widmete.. 6. Heute bin ich - als unwürdiger Nachfolger Pius’ X. auf dem römischen Stuhl - bei euch, liebe Venezianer, um an diesem Ort „den Kelch des Heils zu erheben und den Namen des Herrn anzurufen“,.so wie einst er es getan hat. Die Eucharistie eröffnet den Augen unseres Glaubens den Ausblick auf jenes „erhabenere und vollkommenere Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht ist“ (Hebr 9,11). Eure herrliche Kathedrale, die Basilika des hl. Markus;,istieine der in der Welt am meisten bewunderten künstlerischen Ausdrucksformen dieses ewigen Zeltes des Dreieinigen Gottes, des Zeltes, das durch Christus zur endgültigen „Wohnung Gottes unter den Menschen“ (Offb 21,3) werden soll. Die Eucharistie eröffnet den Augen unseres Glaubens den Blick auf diese Wohnung, auf diesen heiligen Ort, auf dieses Heiligtum Gottes selbst. Siehe da, Christus betritt es „mit seinem eigenen Blut“ (Hebr 9,12). Christus, „der sich selbst kraft ewiges Geistes Gott als makelloses Opfer gemacht ist“ {Hebr 9,11). Christus, der „der Mittler eines neuen Bundes ist“ (Hebr. 9,15). 7. So wie also heute ich vor euch stehe, liebe Venezianer, so stand euer heiliger Patriarch hier, um in persona Christi die Eucharistie zu feiern und sie am Fronleichnamsfest in Prozession durch die Stadt zu tragen: die berühmte Prozession der Markuskirche. Mit derselben Demut und Liebe, mit der er nach seiner Priesterweihe zum ersten Mal das heilige Opfer feierte, mit derselben Glut des Herzens, wiederholte Pius X.: „Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat? . . . Ach, Herr, ich bin doch dein Knecht, dein Knecht bin ich, der Sohn deiner Magd . . . Ich will den Kelch des Heils erheben und anrufen den Namen des Herrn. Ich will dem Herrn meine Gelübde erfüllen, offen vor seinem ganzen Volk“ (Ps 116,12.16.13-14). <150> <150> Die-Heiligen hören nicht auf zu'sprechen. Auch nach langen Jahren, auch nach Jahrhunderten sprechen, ja rufen sie noch „mit lautem Schreien“ {Hebr 5,7). 783 REISEN Die Stimme des heiligen Patriarchen Venedigs und des Papstes der Eucharistie spricht und ruft zu dieser Kirche, deren Hirte und Diener er war. Er gibt Zeugnis für die Eucharistie. Er gibt Zeugnis für Christus, der „sich Gott als makelloses Opfer dargebracht hat“ - um „unser Gewissen von toten Werken zu reinigen“, - „damit wir dem lebendigen Gott dienen“ können (Hebr 9,14). Auch ihr, liebe Brüder und Schwestern in Venedig, betet, wenn ihr euch um den Altar versammelt, den Herrn an und hört auf ihn. Nehmt eifrig an der heiligen Messe teil und nährt euch oft von der Speise der Eucharistie. Bleibt insbesondere der Messe am Sonntag und an den vorgeschriebenen Tagen treu, indem ihr daraus die Kraft schöpft, mit Stärke und Freude eure christliche Identität in einem Leben zu leben, das mit dem Glauben eurer Väter zusammenhängt, auf den jeder Winkel dieser Stadt hinweist. Je mehr euer Dasein den eucharistischen Christus zum Mittelpunkt hat, desto mehr werdet ihr lebendige Steine beim Aufbau der Kirche Venedigs sein, die infolgedessen besser imstande sein wird, Rechenschaft abzulegen über die Hoffnung, die sie gegenüber allen wahrt, die aus Gründen des Studiums, der Arbeit oder des Tourismus in so großer Zahl in eure Stadt kommen und über ihre Geschichte, ihre Schönheit und ihre Menschlichkeit staunen. <151> <151> Dazu berufen, mit den verschiedensten Kulturen und Zivilisationen in Kontakt zu treten - nicht nur durch alle, die sich aus allen Teilen der Welt hier einfinden, sondern auch durch die internationalen Begegnungen, die hier stattfinden -, muß Venedig zu einer Pfingstkirche werden, in der sich alle vom Evangelium angesprochen fühlen: Die Diözese Venedig hat eine besondere missionarische Berufung. Viele Diözesen schicken Missionare in andere Länder. Für die Venezianer gibt es eine andere Form, die Missionsberufung zu leben: es ist die Welt, die nach Venedig kommt und seine an Kunstschätzen außerordentlich reichen Kirchen besucht. Die Eucharistie ist auch eine respektvolle und herzliche Einladung zur Aufnahme der Brüder. Möge eure Kirche, die stark in ihrer christlichen Identität, gastfreundlich und voll Liebe ist, stets bereit und offen für den Dialog mit den Kulturen sein, die sich in Venedig kreuzen, um ihnen das Evangelium zu verkündigen. Vorkämpfer dieses Einsatzes sollen nicht nur die Priester, sondern alle Getauften sein, vor allem diejenigen, denen der Herr einzigartige Gaben der Kultur verliehen hat: Sie können und müssen zu Gesprächspartnern 784 REISEN des Menschen werden und Rechenschaft über die Hoffnung geben, die sie erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). 10. Mit diesen Gedanken, die die Eucharistie eingibt, grüße ich von Herzen die Kirche in Venedig, wobei ich vor allem ganz herzlich an ihren Patriarchen, Kardinal Marco Ce, denke. Im Gedenken an seine Vorgänger, besonders an jene, die von diesem Stuhl auf den des Petrus gerufen wurden, grüße ich alle Söhne und Töchter der Lagunenstadt, zusammen mit denen des Lido und der Inseln (Murano, Burano, Torcello, San Erasmo, Mazzorbo), von Mestre, von Marghera, der Riviera von Brenta und der Küstengebiete, vom alten Caorle und Eraclea bis zu dem dichtbesiedelten Gebiet von Jesolo. Alle, liebe Brüder und Schwestern, möchte ich an die lebendigmachende Wahrheit erinnern, die dieser Festgottesdienst verkündet: Jesus bringt sich im eucharistischen Mysterium als makelloses Opfer dar, das sich täglich auf dem Altar erneuert und so die machtvolle Nähe und Bereitschaft Gottes für alle Menschen bekundet. Diese mit dem Blut Christi der ganzen Geschichte des Menschen aufgezeichnete Wahrheit ist jene, die Giuseppe Sarto aus dem Herzen der Eucharistie selbst schöpfte und an eure Ahnen weitergab. „Ich will den Kelch des Heils erheben und anrufen den Namen des Herrn.“ 785 6. Dritte Pastoraireise nach Afrika (8. bis 20. August) REISEN Die Freude, Gottes Volk zu sein Homilie während der Messe in Lome (Togo) am 8. August 1. „Wir sind das Volk, das der Herr an seiner Hand führt“ (vgl. Ps 99 [100],3). Heute wollt ihr alle, liebe Brüder und Schwestern, Söhne und Töchter aus Togo, die ihr in eurer Hauptstadt versammelt seid, während dieser feierlichen eucharistischen Liturgie vor Gott und den Menschen zuerst ausrufen: Ja, wir sind das Volk, das der Herr an seiner Hand führt. Heute legt ihr dieses Glaubensbekenntnis ab und drückt damit aus, was das Wesen eures Glaubens selbst ausmacht: die Freude, Gottes Volk zu sein, und das Vertrauen, von ihm, dem Guten Hirten, geleitet zu werden. Ihr tut es unter der Führung der Bischöfe, die eure in der Kirche Togos sichtbaren Väter und Hirten sind, ihr habt Priester, deren Amt euch zum Wohl gereicht, seid unterstützt von dem Zeugnis eurer Ordensschwestern und -brüder, eurer Katecheten und heute abend zum erstenmal in der Geschichte eures Landes in Gegenwart des Nachfolgers des Apostels Petrus, der euch besucht, um euren Glauben zu bekräftigen, eure Einheit zu verstärken und zu der christlichen Erneuerung zu ermutigen, auf die ihr euch vorbereitet habt. 2. In diesem Land haben die Menschen jahrhunderte- und jahrtausendelang gelebt, indem sie die Ressourcen ihrer Intelligenz und ihres Herzens möglichst gut zur Organisation ihrer Arbeit, ihres Lebens in Familie und Gesellschaft, ihrer Regierung gemäß den übernommenen Strukturen und unter der Autorität von erfahrenen und geachteten Häuptlingen einsetzten. Ihre Religiosität scheint ihr Leben immer zutiefst beeinflußt zu haben. Dann kam es zu der politischen Verbindung mit europäischen Ländern. Das Ereignis, das euch heute abend hierherbrachte, um Jesus Christus zu feiern, ist die Evangelisierung, die vor nicht einmal einem Jahrhundert zuerst mit den Missionaren der Gesellschaft des Göttlichen Wortes, dann mit denen der afrikanischen Mission von Lyon begonnen hat und mit Hilfe verschiedener Ordensgemeinschaften bis heute fortgeführt wurde. Heute abend gedenken wir dieser Generationen von Missionaren, die nur dem Befehl unseres Herrn folgten: „Gehet hin und lehret alle Völker“ und die euch euer Wohl bringen wollten, die Möglichkeit, wie sie Jünger Christi zu werden, und das Heil, das er uns bringt, zu empfangen. Ehre und Anerkennung gebührt auch den Familien Togos, die gerne das Christentum annahmen, so daß sie schon ein sehr zahlreiches Volk von 788 REISEN Christen zusammen mit den einheimischen Priestern und Bischöfen bilden, die die Leitung der Diözesen in der Hand haben. Ich begrüße hier die Angehörigen der Diözese von Lome mit ihrem Erzbischof, Msgr. Robert Casimir Dosseh-Anyron, dem ich für den Empfang danke, und die anderen Christen der Küste, Hochebenen und Savannen, wo die Diözesen Atakpame, Sokode und Dapaong liegen. Ich begrüße ebenfalls herzlich die Christen aus den Nachbarländern, insbesondere die Bischöfe Benins, mit einer großen Delegation Gläubiger: Ich weiß, daß die religiöse Geschichte eures Landes zutiefst mit der von Togo verbunden ist. Ich begrüße auch die Christen Ghanas mit ihren Hirten. Mit Freude erinnere ich mich an den Empfang, den diese beiden Völker anläßlich meines Hirtenbesuchs vorbereiteten. Ich fordere euch alle auf, Gott Dank zu sagen, denn er hat den Herzen die Bereitschaft gegeben, die Frohbotschaft zu predigen oder anzunehmen. „Erkennt, der Herr allein ist Gott, er hat uns geschaffen, wir sind sein Eigentum, sein Volk und die Herde seiner Weide“ (Ps 100,3). Halleluja, Halleluja! 3. Ja, eine Frohbotschaft: Durch Jesus Christus, durch sein Evangelium hat er euch den wahren Gott erkennen lassen, so wie er sich durch die Propheten und seinen geliebten Sohn den Menschen offenbaren wollte. Sehr oft gaben euch schon die traditionellen Religionen das Gefühl, daß es ihn gab, veranlaßten euch, ihn zu achten und zu fürchten, aber nicht zu lieben, ihn in gewisser Weise zu verehren, aber oft wart ihr unsicher darin, was man diesem als entfernt gesehenen Gott darzubringen hätte. Der euch von der Kirche angekündigte Gott ist gleichzeitig unser Schöpfer und unser Vater. Ihr habt das erkannt und wißt nun, daß er, der die Welt so liebte, seinen einzigen Sohn hingab, nicht um die Welt zu verderben, sondern sie zu erlösen. Jesus Christus, der das vollkommene Ebenbild des Vaters in gleicher Menschlichkeit wie wir ist, ist die Liebe: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Ihr wißt, daß Christus wirklich sein Leben für uns hingegeben hat: „Christus ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“ (2 Kor 5,15). Ja, diese Liebe ergreift uns wirklich, da uns durch sie die unergründlichen Pläne des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes in bezug auf die Menschen offenbart werden, die sie mit ihrem göttlichen Leben verbinden, und wir entdecken gleichzeitig die einzigartige Würde, die der Mensch, jeder Mensch, in den Augen Gottes besitzt. 789 REISEN 4. Liebe Brüder und Schwestern, dieses Wohlwollen Gottes für euch, das immer bestand, dessen ihr euch aber im Glauben an die christliche Botschaft bewußter geworden seid, ist keine abstrakte, ferne, anonyme Realität. Die Liebe Gottes erstreckt sich auf jeden, der sie durch den Glauben empfangen, in der Taufe als Preis eines fordernden Katechume-nats angenommen hat. Damit seid ihr für Christus wirklich zu „Freunden“ (vgl. Joh 15,15), zu Brüdern und Schwestern geworden (vgl. Mk 3,35). Ihr seid mit ihm zu von Gott angenommenen Söhnen und Töchtern geworden. Ihr seid die Wohnung des Heiligen Geistes geworden, der in euch weilt und in euch handelt. Ihr seid aktive Mitglieder der Kirche, die der Körper Christi ist, geworden. Ihr seid, sagt der hl. Paulus, „durch den Tod gegangen“, d. h. ihr seid der Sünde und dem ewigen Tod entzogen worden. Ihr habt in euch - verborgen aber wahrhaftig - das Leben des auferstandenen Christus empfangen. Euer Leben ist „auf ihn ausgerichtet“, ihm verbunden. Ihr weilt in ihm, in seiner Liebe: Jesus selbst hat uns das im Evangelium von heute gesagt. Dieses Band mit Christus wird, wenn ihr wollt, nie reißen, es wird weiter bestehen und sich im ewigen Leben entfalten. Ihr könnt schon von jetzt an in ihm reichliche Früchte tragen (vgl. Joh 15,5). „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt!“ 5. „Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“, spricht Jesus weiterhin zu den Aposteln (vgl. Joh 15,11). Ja, freut euch und hört nie auf, Dank zu sagen! Denn es handelt sich vor allem um eine Gabe Gottes, um eine freie Wahl, an der ihr, liebe Christen Togos, auch teilgenommen habt. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15,16). Ihr habt gewählt, Christus zu folgen, dem Evangelium zu gehorchen, das stimmt, aber weil er selbst euch erwählt hat. Er hat euch rufen wollen, ihr gehört zu seinem Heilsplan, er hat euer Herz vorbereitet. Das Evangelium ist eine freie Gabe, eine Gnade. Der Glauben, eure Antwort als Gläubige, ist eine Gnade. 6. Ausgehend von dieser Gnade kann eine ganze Erneuerung bewirkt werden, die ihr in eurem persönlichen Leben, in der Familie, Kultur, Gesellschaft, Nation, in euren Gebräuchen und Institutionen, in der ganzen Welt, in der ihr lebt, vollbringen müßt. „Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung.“ Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden (vgl. 2 Kor 5,17). 790 REISEN Diese Erneuerung ist ein wunderschönes Geheimnis. Sie ist in vielen Worten Jesu und der Apostel und in der ganzen Tradition der Kirche bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil vor kurzer Zeit zu finden. Jesus verglich sein Evangelium mit einem neuen Wein, der eines neuen Schlauchs bedarf, oder auch mit einem neuen Stoff, der nur auf ein neues Kleid gesetzt werden kann (vgl. Mt 9,16-17). Er ist gekommen, um den neuen Bund in seinem Blut zu besiegeln (vgl. Lk 22,5), der ein „neues Herz“, einen „neuen Geist“ erfordert und mit sich bringt, wie es der Prophet Ezechiel (vgl. Ez 36,26) angekündigt hatte. Jesus sprach zu Nikodemus von der neuen Geburt (vgl. Joh 3,5) durch die Taufe und das Wort der Wahrheit (vgl. Joh 1,18). Der hl. Paulus hat seinerseits sehr gut diese Erneuerung des Jüngers Christi vor den Christen von Ephesus erklärt. Er sagte: „Legt den alten Menschen ab, der in Verblendung und Begierde zugrunde geht, ändert euer früheres Leben und erneuert euren Geist und Sinn. Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,22-24). Paulus zählt eine ganze Reihe von Hindernissen auf, die überwunden werden müssen: Lüge, Zorn, Diebstahl, Faulheit, Schimpfwörter, Feinseligkeit, Bosheit. Ja, alle durch Jesus erreichten Werke der Erlösung bedeuten eine Erneuerung der Menschen und durch diese der Umwelt, des ganzen Universums. 7. Brüder und Schwestern, wollt ihr wirklich diese Erneuerung eures Sinns, eures Lebens, eurer Sitten in Christus? Vielleicht beklagen das einige? Denn die Menschen neigen verständlicherweise dazu, sich an die Vergangenheit anzulehnen oder auf sie zurückzukommen, auf das, was schon bekannt, vertraut, schon erlebt ist. Die Erneuerung kann sogar als eine Untreue der Vergangenheit gegenüber erscheinen. Auf jeden Fall ist sie ein gewisses Abenteuer, ein Risiko, und vor allem erfordert sie einen gewissen Verzicht, einen gewissen Bruch. Jeder mißt dann seine Kräfte: Wird mir das gefallen, möchte ich das, habe ich den Mut und die Ausdauer dazu? Liebe Freunde, so darf man nicht denken. Wenn Christus euch auffordert, ihm nachzufolgen, dann bedeutet das auf jeden Fall, daß es für etwas Gutes, einen Gewinn, ein besseres Leben geschieht, auch wenn der Weg Anforderungen stellt und durch eine enge Tür erfolgt (vgl. Mtl, 14). „Du hast Worte des ewigen Lebens“, antwortet ihm der hl. Petrus (Joh 6,68). Man muß ihm vertrauen. Dies ist keine einfache Entscheidung eures Willens, der schwach bleibt. Es ist der Heilige Geist, der in euch ist und euch zum Guten hinzieht, euch die Kraft gibt, wenn ihr sie braucht. 791 REISEN „Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet“ (Joh 15,16). Gott schlägt euch einen wunderschönen Plan vor: „Zieht an unseren Herrn, Jesus Christus!“ 8. Wir sprachen von einem Bruch. Ihr habt bei der Taufe versprochen: „Ich widersage der Sünde und allem, was zur Sünde und zu Satan, dem Urheber der Sünde, führt.“ Aber ihr habt auch hinzugefügt: „Ich glaube an Gott, den Vater, ich glaube an Jesus Christus, ich glaube an den Heiligen Geist.“ Dieser dreieinige Gott zieht euch an. Es ist sehr wichtig, euren Blick auf ihn zu richten, um aus dem Dunkel in sein Licht zu kommen. Im Leben des Getauften muß dieser Übergang oft neu vollzogen werden, sündhaftes Verhalten aufzugeben, in das wir vielleicht zurückgefallen waren, oder ein mittelmäßiges, laues christliches Leben ohne Gebet, Liebe zu den Mitmenschen, Reinheit der Beziehungen, Wahrheit. Haben das nicht viele von euch in den letzten Wochen auf Aufforderung eurer Bischöfe hin in der Vorbereitung dieser Begegnung getan? Ihr seid Volksmissionen gefolgt, seid euch eurer Sünden bewußt geworden und dessen, was im Widerspruch zum christlichen Leben steht. Ihr wolltet mit alten Sitten brechen, die ihr vielleicht wieder aufgenommen hattet. Ihr habt eure Sünden gebeichtet, habt das Erlösungssakrament empfangen, ihr habt euch untereinander um Frieden bemüht. Ihr habt eure menschliche Liebe unter das Zeichen des Ehesakramentes gestellt. Ihr habt Gebetswachen gehalten, gefastet, zusammengesessen. Ich gratuliere euch dazu, liebe Freunde! Dies sind Schritte der Erneuerung in eurem persönlichen christlichen Leben. Man muß das öfter tun. Ich bin sicher, daß ihr schon im Besitz des Friedens und der Freude seid. Bleibt in der Liebe des Herrn! <152> <152> Über diese verdienstvollen Handlungen hinaus möchte der Herr allmählich eine tiefgehende Veränderung der Mentalität bewirken, so weit, bis man sagen kann: Ja, das ist eine christliche Familie, eine christliche Gemeinschaft, eine christliche Gesellschaft. Das Zweite Vatikanische Konzil sagte von den Katechumenen, aber das gilt für alle: „. . . Unter dem Einfluß der Gnade beginnt der Neubekehrte seinen geistlichen Weg, auf dem er, durch den Glauben schon mit dem Geheimnis des Todes und der Auferstehung verbunden, vom alten Menschen hinüberschreitet zum neuen Menschen, der in Christus vollendet ist. Dieser Übergang bringt einen fortschreitenden Wandel seines Empfindens und Verhaltens mit sich; er muß sich in seinen sozialen Auswirkun- 792 REISEN gen kundtun und sich während des Katechumenates langsam entwickeln. Da der Herr, dem er glaubt, ein Zeichen des Widerspruchs ist, muß der Neubekehrte oft Bruch und Trennung erleben, aber auch Freuden, die Gott nicht nach Maß austeilt (Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Nr. 13). Mein Vorgänger, Paul VI., schrieb: „Die Kirche evangelisiert, wenn sie sich bemüht, durch die göttliche Kraft der Botschaft, die sie verkündet, zugleich das persönliche und kollektive Bewußtsein der Menschen, die Tätigkeit, in der sie sich engagieren, ihr konkretes Leben und jeweiliges Milieu umzuwandeln (Evangelii nuntiandi, Nr. 18). Diese Veränderung kann gewisse traditionelle Sitten des Landes betreffen, die ihr befolgt habt oder befolgt. Dieser Punkt ist heikel und schwierig; diese Sitten entsprechen oft einer langen sozialen Erfahrung und haben positive Seiten, denn sie führen ins Leben ein und sollen für Gleichgewicht und Zusammenhalt der Gesellschaft sorgen. Sie; aufzugeben kann hartnäckigen Widerstand hervorrufen. Jede Sitte muß sorgfältig und mit Vorsicht überprüft werden, damit der gute Weizen nicht mit dem Unkraut ausgezupft wird. Doch müssen das Neue und die Freiheit des Evangeliums hier ihr Werk vollbringen. Man kann und muß erwarten, daß das Gewissen der Getauften diese Sitten in Frage stellt, um dann nur das beizubehalten, was gesund, richtig, wahr, nützlich und vereinbar ist mit dem Glauben an den einen Gott, der Barmherzigkeit des Evangeliums, dem christlichen Ideal der Ehe, und andererseits mit dem zu brechen, was im Gegensatz zur Offenbarung Gottes und der Barmherzigkeit steht, die er in unsere Herzen ausgegossen hat und die von synkretistischen Praktiken befleckt würde. Es ist notwendig zu betonen, daß dies unter Achtung vor den Menschen geschieht, die davon überzeugt sind, bei ihren traditionellen Gewohnheiten bleiben zu müssen. Die christliche Nächstenliebe fordert dies. Aber die Wahrheit und die christliche Freiheit können dazu einladen, von diesen Gewohnheiten Abstand zu nehmen; das erfordert persönlichen Mut und einen Zusammenhalt in der christlichen Gemeinde um den Priester. Es handelt sich darum, wahre Afrikaner und wahre Christen zu sein, ohne das eine vom anderen zu trennen und ohne Furcht, öffentlich für die eigene Überzeugung Zeugnis abzulegen. Das geschieht überall dort, wo das Evangelium verkündet wurde, überall dort, wo die Kirche Wurzeln schlug: in Korinth, in Ephesus, Rom, in den jungen Nationen Europas im hohen Mittelalter und heute bei euch. <153> <153> Im weiteren Sinne könnte man das gleiche von den verschiedenen Aspekten der Kultur sagen. Man muß sich weiterhin um die Inkulturation 793 REISEN bemühen. Nachdem es von den von auswärts gekommenen, verdienstvollen Pionieren den Glauben empfangen hat, muß jedes afrikanische Land das Evangelium mit der eigenen Sensibilität und den eigenen Qualitäten leben: Jedes Land muß das Evangelium nicht nur in die eigene Sprache, sondern auch in die eigenen Sitten übertragen, ohne dabei die vererbten menschlichen Werte zu verlieren. Das kann nur durch euch Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien Togos eurer eigenen Reife gemäß und in großer Treue für das Wesentliche des Glaubens und für die kirchliche Disziplin der Weltkirche geschehen. Dieses wunderbare notwendige Werk erfordert Kühnheit und Vorsicht, Intelligenz und Treue: die Heiligkeit von Aposteln wie Kyrill und Method, die, wie ihr wißt, vor elf Jahrhunderten aus der hohen griechischen Kultur von Byzanz als Priester das Evangelium zu den slawischen Völkern brachten, zu denen mein Heimatland gehört. Sie trugen so zur Bildung einer slawisch-christlichen neuen Kultur bei. Ich habe gerade eine Enzyklika darüber geschrieben, in der ich u. a. sagte: „Im Werk der Evangelisierung, das sie als Pioniere in den von slawischen Völkern bewohnten Gebieten vollbracht haben, findet sich zugleich ein Beispiel für das, was man heute als ,Inkulturation bezeichnet - die Inkarnation des Evangeliums in den einheimischen Kulturen -, wie auch die Eingliederung dieser Kulturen in das Leben der Kirche“ (Enzyklika Slavorum Apostoli vom 2. Juni 1985, Nr. 21). <154> <154> Der Geist christlicher Erneuerung muß noch in bezug auf das ausgeübt werden, was die moderne Zivilisation der Industriestaaten zu euch gebracht hat. Es handelt sich oft dabei um wunderbare technische Errungenschaften, die für das wirtschaftliche, gesundheitliche oder kulturelle Wohlergehen des Landes genutzt werden können; aber ihr seht auch die Schranken der sie oft begleitenden Mentalität, wie z. B. die Versuchung, den Menschen rein materiell zu sehen, die menschliche Liebe zu egoistischem Vergnügen, die Freiheit zur Laune, die Unabhängigkeit des Geistes zum Vergessen oder zur Aufgabe Gottes werden zu lassen und so herabzusetzen. Die Annahme all dieser manchmal zwiespältigen Möglichkeiten fordert von euch auch viel Unterscheidungsvermögen und Mut. Ich denke, daß die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils euch ein Licht sind, mit dessen Hilfe ihr inmitten dieser neuen Realitäten euren Weg findet, indem ihr eine geeignete „Aktualisierung“ mit der Treue zum Wesentlichen vereint. 794 REISEN Moralische Erneuerung 12. Zu welchem genauen Punkt kann nun angesichts dieser verschiedenen Gebiete die moralische Erneuerung führen, die sich an euren Glauben wendet? Ich kann sie nur aufführen und überlasse euch die Aufgabe mit euren Bischöfen, Priestern und Katecheten darüber nachzudenken. Das wird im großen und ganzen immer im Sinn brüderlicher Liebe geschehen. Christus hat uns ein „neues Gebot“ gegeben, das Gebot, uns gegenseitig zu lieben, so wie er uns geliebt hat (vgl. Joh 13,34; 12,12). Lieben heißt, in eurer Umgebung den Mitmenschen zu achten, ihn trotz seiner Fehler zu ertragen; es heißt, die Feindseligkeit, den Haß ihm gegenüber zum Schweigen zu bringen, ihm zu verzeihen, mit ihm zu teilen, wenn er bedürftig, hungrig, obdachlos, gefangen, krank und in der Fremde ist. Liebe heißt, sich dem anderen in einem Geist des Friedens und der Zusammenarbeit über die Grenzen der eigenen Gruppe, des eigenen Stammes, der eigenen Nation zu öffnen. Ihr seid ebenfalls zu einer „sozialen Liebe“ aufgerufen, d.h. für das Gemeinwohl der Nation zu arbeiten, euren Teil an Verantwortung im gesellschaftlichen Leben zu übernehmen, um dort immer mehr Gerechtigkeit und Eintracht zu fördern und die Bedingungen zu schaffen, die die Würde jedes Menschen und seine Grundrechte achten. Euer Beruf, besonders wenn ihr ein Amt innehabt, trägt schon dazu bei, wenn ihr ihn rechtschaffen und pflichtgemäß wie einen Dienst ausübt. Wenn ihr studiert, müßt ihr versuchen, wirklich kompetent zu werden, damit man morgen auf euch zählen kann. So kann man allmählich das Gewebe der Gesellschaft erneuern. Der Christ muß in der Gesellschaft die Sorge für die Ärmsten tragen, ihnen helfen und sie beschützen; genauso fühlt er sich solidarisch verbunden mit den ärmsten Regionen seines Landes wie auch der Welt. Endlich bedarf auch die eheliche, familiäre Liebe immerfort der Erneuerung. Das Ehesakrament erlaubt die Heiligung des Bundes und des ganzen Lebens der Eheleute, und es ist äußerst wichtig, daß sich die Christen sorgfältig darauf vorbereiten; es befreit aber nicht von den täglichen Bemühungen, die Einheit der Familie, die immerwährende Treue der Ehepartner, die feinfühlige, gegenseitige Liebe, die Sorge um die christliche Erziehung der Kinder mit Christi Hilfe zu stärken. Der Familienseelsorge, die in diesem Sinne in dem Schreiben Familiaris con-sortio erklärt wird, gebührt ein hervorragender Platz in dieser Kirche. <155> <155> All diese moralischen Anforderungen bereiten den Weg für die von euch erwartete Erneuerung vor. Sie sind in unserem Gewissen verankert. 795 REISEN Sie bedeuten den Ernst unseres Glaubens, der ohne diese Handlungen nicht taugte (vgl. Jak 2,14). Dadurch erst bleiben wir in Gottes Liebe: „Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben“ {Joh 15,10). Diese Gottesliebe in uns muß direkt gespeist werden. Man muß Christus die Mittel geben, in uns seine Gnade walten zu lassen, der Sauerteig zu sein, der den ganzen Teig aufgehen läßt. Liebe Brüder und Schwestern aus Togo, ihr müßt euch jeden Tag der Gabe Gottes, der in euch ist, und seines Aufrufes bewußt sein. Die Mittel müssen gesucht werden, um das Evangelium besser kennenzulernen, euren Glauben zu vertiefen und über seine Bedeutung in Verbindung mit dem Leben nachzudenken. Ich denke vor allem an eine geeignete Katechese, die dieser so zahlreichen Jugend in den Volks- und höheren Schulen wie auch in den Pfarreien nahegebracht werden muß. Ihr solltet euch der christlichen Bewegungen bedienen, denn allein werdet ihr es schwerlich schaffen. Ihr müßt eure Art zu beten entwickeln und erneuern: Das Gebet ist lebenswichtig für einen Christen, es vereint ihn mit dem Gedanken und dem Willen Gottes in dem Moment, in dem er seine Bedürfnisse ausspricht. Ihr müßt an den sonntäglichen Eucharistiefeiern teilnehmen, die Fest und Nahrung zugleich sind. Ihr müßt immer die Heiligkeit aus den Sakramenten Christi schöpfen: der Buße und der Kommunion. So bleibt ihr in seiner Liebe. Ihr wißt, daß der Höhepunkt meiner Pilgerfahrt in Afrika der Internationale Eucharistische Kongreß in Nairobi ist. Christus ist das Herz der Kirche, er nährt sie und verändert sie nach seinem Bild. Er ist ihr Körper. <156> <156> Der Herr Christus sagt euch ferner: „Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ {Joh 15,16). Der Bischof von Rom und Nachfolger des hl. Petrus wünscht euch das. Er betet mit euch, die ihr die Kirche Togos seid: „Daß ihr euch aufmacht“: Ja, damit ihr euch erneut aufmacht, jeder von euch und alle gemeinsam. „Damit ihr Frucht bringt“: Die Frucht der Erlösung Christi, der sich für euch hingegeben hat, die Frucht der Gnade und des Heils, die Frucht der Liebe des Vaters, die Frucht des Heiligen Geistes, der euch belebt, damit ihr neue Menschen werdet. „Und daß eure Frucht bleibt.“ Amen. 796 REISEN Das Wesentliche am Priestertum Predigt bei der Messe in Kara (Togo) am 9. August 1. „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lk 10,2). Liebe Brüder und Schwestern, wir müssen heute dem Herrn der Ernte danken, ist es mir doch vergönnt, elf neue Priester zu weihen, elf neue apostolische Arbeiter, die für die Ernte des Herrn ausgesandt werden. Sie sind Kinder der Kirche in Togo, sind im Süden, im Zentrum oder im Norden dieses Landes geboren; sie kommen aus den Diözesen Lome, Atakpame und Sokode und aus verschiedenen Stämmen. Sie werden das gleiche Priestertum wie Jesus Christus empfangen. Sie haben sich darauf gemeinsam im Priesterseminar St. Gallus in Ouidah, zusammen mit ihren Brüdern aus Benin vorbereitet. Sie bringen den Ertrag dieser Vorbereitung sowie ihre persönlichen Talente und die Eigenschaften ihres Geburtslandes und ihrer Familien für den Dienst Christi mit. 2. Während der ersten Zeit der Evangelisierung arbeiteten hier Missionspriester: Missionare der Gesellschaft vom Göttlichen Wort, der Afrikanischen Missionen in Lyon, Franziskaner und andere Ordensleute. Zahlreiche Ordensschwestern unterstützten sie in ihrem Amt durch ihr Apostolat. Die Missionare kamen aus anderen Ländern, wo sie selbst mit dem Evangelium genährt worden waren; sie brachten es kostenlos hierher, wie sie es auch kostenlos empfangen hatten. Seit den Zeiten der Apostel lebt die Kirche von dieser Missionsaussendung, dieser gegenseitigen Hilfe, diesem Austausch. Heute arbeitet noch eine gewisse Zahl dieser ausländischen Priester in diesem Land, wo ihr Dienst bemerkenswert und notwendig ist und wo sie Zeugen der Weltkirche sind. Sie verdienen aufrichtige Dankbarkeit. Ohne sie wäre die Kirche hier nicht eingepflanzt worden; ohne sie hätten wir hier nicht diese schönen, in ihrem Glauben glücklichen togolesischen Gemeinden. Wir dürfen diese Pioniere niemals vergessen und schätzen gleichzeitig jene, die heute hier ihre Dienste leisten. Wie könnte uns nicht das Zeugnis einer Gruppe von Jugendlichen aufhorchen lassen, die mir kürzlich geschrieben hat: „Die Geschichte . . . hat uns das Bild des Missionars überliefert, der bestrebt ist, seine Herde auf grüne Weiden zu führen und sein Leben im Namen Christi aufs Spiel zu setzen. Das von diesen Missionaren begonnene Werk muß von den Söhnen des Landes fortgesetzt werden, jeder an seinem Platz, ausgehend von den einheimischen Bischöfen und Priestern.“ 797 REISEN Viele Taufbewerber Tatsächlich verfügt die Kirche in Togo heute zum Großteil über eigene Priester und Bischöfe. Sie kann sich vieler Berufungen zum Priestertum erfreuen und selbst einer einheimischen Schwesternkongregation, der „Schwestern Unserer Lieben Frau von der Kirche“. Zahlreiche Getaufte gehören ihr an, deren Prozentsatz in manchen Regionen geradezu beeindruckend ist, sowie eine große Anzahl von Taufbewerbern. Ihre Katecheten und Lehrer setzen ihr Werk der Bildung im Glauben fort, und ihre Laien entdecken im allgemeinen ihre Verantwortung und organisieren sich in verschiedenen Bewegungen. Mit Freude begrüße ich die Kirche in Togo und insbesondere die Diözese Sokode, die uns willkommen heißt. Ich danke Bischof Christian Matawo Bakpessi für seine herzlichen Worte zu unserem Empfang. Auch vergesse ich die Diözesen Atakpame und Dapaong nicht, die ich nicht besuchen kann und die gute missionarische Arbeit leisten. Zugleich danken wir den Zentren, in denen heute die Priesteramtskandidaten ausgebildet werden, den Knabenseminaren, den Seminaren für Spätberufene und den Priesterseminaren in Ouidah und jetzt auch in Lome. 3. Geliebte Brüder und Schwestern, was ist also ein Priester? Was ist für sein Priestertum wesentlich? Der Priester nimmt teil an der Herrlichkeit Gottes Freilich, dem Priester obliegen verschiedene Aktivitäten. Sie sind auf die Tatsache hingeordnet, daß er vor allem ein Mann Gottes ist. Das haben im übrigen alle Religionen empfunden, die es dem Priester anvertrauten, Gott Opfer verschiedenster Art darzubringen. Der Priester, von dem wir sprechen, ist jedoch der des Neuen Bundes, den Jesus Christus geschlossen und mit seinem Blut besiegelt hat. Der Apostel Petrus spricht zu uns vom Wesen des Priestertums; wir haben seinen Brief heute morgen gelesen, in dem er sich in besonderer Weise an die „Ältesten“ oder „Vorsteher“, d. h. an die geistlichen Führer, wendet, die die Apostel an die Spitze der ersten christlichen Gemeinden gestellt hatten. Er sagt: „Eure Ältesten ermahne ich, da ich ein Ältester bin wie sie und ein Zeuge der Leiden Christi“ (1 Petr 5,1). In der Kirche von heute sowie in der von gestern ist der Priester der Zeuge des Leidens Christi in einem ganz besonderen Sinn. Tatsächlich vollzieht er jeden Tag, wenn er das Sakrament der Eucharistie feiert, das Opfer, 798 REISEN das Christus selbst am Kreuz dargebracht hat. Ja, eben dieses Opfer wird jedes Mal in der Eucharistie gegenwärtig gemacht, erneuert und unter den Zeichen von Brot und Wein so vollzogen, wie es Christus beim Letzten Abendmahl eingesetzt hat. Christus selbst vollzieht dieses hochheilige Opfer, und der Priester ist der sakramentale Amtsträger, der im Namen Christi, in persona Christi handelt. 4. Der Apostel Petrus fügt hinzu: „. . . Ich (soll) auch an der Herrlichkeit Gottes teilhaben . . ., die sich offenbaren wird“ (1 Petr 5,1). Der Priester nimmt also auch an der Herrlichkeit teil, mit der Gott Vater seinen gekreuzigten Sohn in der Auferstehung erfüllt hat. Indem er das Opfer darbringt, das durch den Tod Christi vollzogen wurde, verkündet er gleichzeitig seine Auferstehung und seine Verherrlichung „zur Rechten des Vaters“. Schließlich verkündet er das endgültige Kommen Christi in dieser Herrlichkeit, die sich am Ende der Welt „offenbaren wird“. In einem gewissen Sinn bezeugt der Priester durch die Eucharistie, daß die Welt sich nicht selbst rettet, sondern von Christus gerettet wird, und daß diese Welt nicht auf das beschränkt ist, was heute existiert, sondern daß sie sich im verherrlichten Christus vollenden wird. 5. Groß ist also die Berufung des Priesters und erhaben seine Mission. Groß ist seine Würde. Er ist in besonderer Weise an die Heilsmission Jesu Christi gebunden. Ich werde die zukünftigen Priester fragen: „Seid ihr bereit, euch Tag für Tag enger mit dem Hohenpriester Christus zu verbinden?“ Die Priester vollziehen nicht nur sein Opfer; sie vollziehen auch die verschiedenen Handlungen seines Amtes: das Amt des Wortes und das der Heiligung durch die Sakramente. In der Kirche verkünden und geben auch andere — und das ist eine Gnade - das Wort Gottes weiter und erklären es: die Katecheten, die Lehrer, die christlichen Eltern, die Ordensleute. Dem Priester wird jedoch die Verantwortung übertragen, dafür zu sorgen, daß das Evangelium allen gut verkündet, daß der katholische Glaube richtig dargelegt wird; er selbst kommentiert ihn in der Liturgie. Der Priester wird insbesondere geweiht, um die Geheimnisse Christi zu feiern und um durch sichtbare und wirksame Zeichen - die Sakramente -den Gläubigen die Gnaden Christi mitzuteilen: das göttliche Leben dem Getauften, die Reinigung von den Sünden dem Büßer, die Nahrung des Leibes Christi dem Kommunizierenden, die göttliche Stärkung dem Kranken. Unaufhörlich führt er das christliche Volk zu den Lebensquellen. 799 REISEN 6. In all dem nimmt der Priester an der Mission des Guten Hirten teil. Unser Erlöser Jesus Christus ist der Gute Hirte, der seine Schafe kennt, sie beschützt, sie vor dem reißenden Wolf rettet, sein Leben für sie hingibt und sie zur Fülle des Lebens führt (vgl. Joh 10,10—18), so daß die Schafe das sagen können, was wir soeben gesungen haben: „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er läßt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser . . . dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht. Du deckst mir den Tisch“ (Ps 23,1-5). Die Apostel hatten an dieser Mission des Guten Hirten teil. Der Apostel Petrus hörte den Herrn Jesus mehrmals nach seiner Auferstehung sagen: „Weide meine Lämmer . . . weide meine Schafe“ (Joh 21,15-18). Glaubt mir, liebe Brüder und Schwestern, daß ich oft über dieses Wort meditiere! Einheit mit Christus — Einheit mit dem Bischof — Einheit mit Petrus Petrus jedoch sagt zu den „Ältesten“ der Kirche, den Priestern: „Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes“ (1 Petr 5,2). Heute sagt der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, das gleiche zu allen Bischöfen und allen Priestern eurer Heimat; er sagt es ganz besonders zu euch, die ihr das Sakrament der Priesterweihe empfangt und mit ihm euren pastora-len Auftrag. Ja, ihr nehmt wirklich von nun an an der Mission des Guten Hirten teil, in Zusammenarbeit mit eurem Bischof, dem Hirten eurer Diözese, in Einheit mit dem Bischof von Rom. So könnt ihr „mit Petrus die Kirche bauen“. „Hirten des Volkes Gottes, das euch anvertraut ist“: Was bedeutet das heute? Der wahre Hirte sammelt die Herde. Der Priester hat die Aufgabe, die Christen zu sammeln, sie nicht nur zur Eucharistiefeier zu versammeln, sondern ständig über ihre Einheit zu wachen. Über die zahlreichen kleinen Gemeinschaften von Gläubigen hinaus, die sich dank der Initiative der Laien an der Basis zum Gebet, zur Glaubensunterweisung oder zu Zwecken der Nächstenliebe zusammenschließen können und die ihre Grenzen haben, ist der Priester derjenige, der für die Erweiterung ihres Horizonts sorgt, für die Verbindung zwischen diesen Gruppen und für ihre Bindung an die eine Kirche, z. B. im Rahmen der Pfarrei, zur gemeinsamen Feier der Eucharistie. Er gehört nicht einer bestimmten Familie, einer Gruppe oder einem Stamm an: Er ist für alle da. Der wahre Hirte ist derjenige, der an der Spitze der Herde vorangeht, d. h. der Priester muß klar den Weg weisen, muß mit seinen Worten und seinem Handeln für den christlichen Glauben und das christliche Leben Zeugnis ablegen, furchtlos, mutig und frei. Ich werde die Weihekandida- 800 REISEN ten fragen: „Wollt ihr Priester werden, um dem Volk Gottes zu dienen und es unter der Leitung des Heiligen Geistes zu führen?“ Ihr müßt dieses Volk durch eine immer neu vertiefte Katechese der vollen Wahrheit entgegenführen, müßt es dem entgegenführen, was die Christen nährt und sie zu einer echten Frömmigkeit und einem reiferen moralischen Leben erzieht. Der wahre Hirte kümmert sich um jedes einzelne seiner Schafe und vergißt nicht jene, die ihm nur mühsam folgen, die sich verirren, die in Gefahr oder ferne sind. Als Priester tragt ihr die pastorale Verantwortung für all eure Gläubigen, ohne die anscheinend weniger treuen oder die zu vernachlässigen, die noch nicht zu den Gläubigen zählen, weil sie noch nicht in den Schaf stall aufgenommen wurden (vgl. Joh 10,16). Freilich hat der Priester nicht das Monopol des christlichen Apostolats. Seine Rolle ist es nicht, alles selbst zu tun und über alles zu befehlen; ganz im Gegenteil, Maßstab seiner seelsorglichen Qualitäten ist seine Fähigkeit, Eifer und Initiativen zu wecken und sowohl bei den Laien als auch bei den Ordensleuten den apostolischen Geist wachzurufen. Er ist jedoch stets in ihrer Mitte als Vertreter des Guten Hirten, der wacht, der erkennt, was erkannt werden muß, der im Namen Christi in die von der Kirche gewollte Richtung führt. Mutig und selbstlos dienen 7. Der hl. Petrus erläutert auch, wie der Priester als Seelenhirte sein soll. Er war Zeuge Christi, der, obwohl Meister und Herr, unter den Aposteln wie „der, der bedient“ (Lk 22,27), aufgetreten war und der ihnen wiederholt begreifbar zu machen suchte: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28); er lehnte die Haltung des Herrschers ab, die die Heiden kennzeichnete oder die Machtausübung, die den Mächtigen eigen ist (vgl. Mt 20,25). So legt also Petrus den „Ältesten“ nahe, über die Herde zu wachen, „nicht aus Zwang, sondern freiwillig, wie Gott es will; auch nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Neigung; seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde!“ (1 Petr 5,2—4). Gewiß, liebe Freunde, die ihr Priester seid oder bald Priester werdet, wenn ihr eure Aufgabe im Namen Christi erfüllt, habt ihr die Autorität eines Abgesandten Christi und müßt von den Gläubigen, die euer Priestertum verstehen, als solche aufgenommen und respektiert werden. Diese Autorität lehnt jedoch jeden Autoritarismus ab: „Seid nicht 801 REISEN Beherrscher eurer Gemeinden“; sie lehnt das Verlangen nach persönlicher Bereicherung ab: „Nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Neigung“; sie lehnt jede Härte ab: „Nicht aus Zwang, sondern freiwillig.“ Ja, ihr müßt jederzeit mutige und überzeugungstreue Hirten sein, wie ich gesagt habe, jedoch gut, demütig, aufnahmebereit, selbstlos und ganz eurem Amt verpflichtet. Das erwartet der Herr, der Gute Hirte. Das erwarten die Gläubigen eurer Herde. Diese Haltung wird es euch auch ermöglichen, euch mit besonderer Sorge der Armen anzunehmen, der Kranken und der Leidenden. Ihr werdet so möglichst weitgehend an den Sorgen teilnehmen, die ihr Leben mit sich bringt. Letzten Endes wird eure Autorität ganz natürlich der Tatsache entspringen, daß ihr die Vorbilder der Herde seid. 8. Ihr werdet Vorbilder sein, wenn die Heiligung eures Priestertums nicht nur eure Amtshandlungen oder euer seelsorgliches Verhalten kennzeichnet, sondern euer ganzes Leben, euer geistliches, inneres Leben: „Lebt das, was ihr vollzieht.“ Wenn ihr andere das Beten lehrt, müßt ihr selbst Beter bleiben, in der Öffentlichkeit und in eurem stillen Gebet und in der Anbetung. Die Jungfrau Maria soll in eurem Gebet und eurem Leben einen ganz besonderen Platz einnehmen, sie, die in ihrem Herzen alle Geheimnisse Jesu betrachtete und stets „die Magd des Herrn“ blieb. Wenn ihr das Opfer darbringt und die anderen einladet, die Opfer darzubringen, die ihnen das christliche Leben auferlegt, dann „stellt euer Leben unter das Geheimnis des Kreuzes“, wie ich sprechen werde, wenn ich den neugeweihten Priestern Brot und Wein für das Opfer überreiche. Ihr erzieht eure Gläubigen im Glauben: Die Vertiefung der im Seminar gelernten Theologie soll für euch ein Herzensanliegen sein; ihr sollt euch dabei der weiterführenden Bildungsmöglichkeiten bedienen, einzeln oder gemeinschaftlich; sollt durch das Studium der Heiligen Schrift, die Gesamtheit der Dogmen und der Spiritualität und die pastorale Reflexion euch um ein weises „aggiornamento“ bemühen. Ihr fordert das christliche Volk auf, nach der Bergpredigt und insbesondere im Geist der Armut zu leben: Ihr selbst werdet darauf bedacht sein, inmitten der Armen ein einfaches Leben zu führen. Christus sagte zu seinen Jüngern: „Nehmt keinen Geldbeutel mit . . . und keine Schuhe“ (Lk 10,4). Eure Predigttätigkeit hat die Nächstenliebe als Mittelpunkt: Ihr werdet das Beispiel des brüderlichen Lebens von Priestern aus Nord und Süd, Togolesen und Ausländern geben. 802 REISEN Ihr helft den Eheleuten, eine fordernde, treue und reine eheliche Liebe zu leben: Mögen sie immer durch das Beispiel der Ganzhingabe eurer Liebeskraft an Christus und an eure Brüder in der Keuschheit ermutigt werden, die Opfer und Bereitschaft ist. Ihr verlangt von den Gläubigen Gehorsam der Kirche gegenüber: Ihr werdet sehr darauf bedacht sein, in allem, was die Kirche wünscht, mit euren Bischöfen zusammenzuarbeiten. Das Weihegebet für die Weihekandidaten erfleht von Gott: „Uns Bischöfen seien sie treffliche Helfer, ihr Leben sei für alle Ansporn und Richtschnur.“ Ja, seid Vorbilder eurer Herde. 9. Für all das, damit die Weihekandidaten in den „Rang der Priester“ eintreten und in ihm leben, legen wir ihnen die Hände auf und beten auf folgende Weise zum Herrn: „Erneuere in ihnen den Geist der Heiligkeit.“ Zur Zeit Mose hatte Gott 70 Älteste auserwählt, die, von Weisheit erfüllt, Mose unterstützen sollten; ihnen hatte er einen Teil des Geistes übertragen, der auf ihm ruhte. Der Herr Jesus begann sein Wirken mit der Erklärung: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt“ (Lk 4,18). Nach seiner Auferstehung sandte er seine Apostel aus - wie der Vater ihn gesandt hatte -, indem er sagte: „Empfanget den Heiligen Geist“ (Joh 20,22). Liebe Weihekandidaten, dieser Geist wird euren Seelen den unauslöschlichen Charakter des Priestertums einprägen, den Charakter der Diener des Herrn; er wird eine unerschöpfliche Quelle des Lichts, der Kraft und der Heiligkeit sein. „Ja, Christus selbst sendet euch!“ 10. Christus sendet euch, wie er die 72 Jünger zusätzlich zu den Aposteln ausgesandt hat. Ja, Christus selbst sendet euch. Denn während wir die heilige Eucharistie feiern, vollzieht sie Christus in unserer Mitte, durch unser Amtspriestertum. Während wir das Sakrament der Priesterweihe feiern, vollzieht auch Christus dieses Sakrament, das in enger Verbindung zur Eucharistie steht und seinen Ursprung im Letzten Abendmahl hat: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19). Christus ist also hier unter uns und sagt zu den neugeweihten Priestern: „Geht, ich sende euch . . .“ (Lk 10,3). „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19). Sagt: „Das Reich Gottes ist euch nahe.“ Heilt die Kranken und verkündet den Frieden in 803 REISEN allen Häusern. Fürchtet nicht den Empfang, den man euch bereiten wird (vgl. Lk 10,5-11). Ja, tragt die Frohbotschaft zu den Söhnen und Töchtern eures Volkes und eurer Heimat; tragt sie zu allen und zu jedem einzelnen, in alle Städte und Dörfer, wo der Herr selbst gegenwärtig sein will. Seid für alle Aufgaben der Evangelisierung verfügbar, die euch euer Bischof anvertrauen wird; im Leib der Kirche gibt es verschiedene Aufgaben, doch hat jede ihre Bedeutung, und alle müssen erfüllt werden. Auch ist eine gegenseitige Hilfe zwischen den Diözesen dieses Landes wünschenswert, denn manche verfügen für ihr Apostolat erst über wenige togolesische Arbeiter. Mögen die Priester bereit sein, nicht nur bei ihnen zu Hause Missionare zu sein, und mögen die Gläubigen Priester aus anderen Stämmen aufnehmen. Jesus sagte zu seinen Jüngern: „Wer euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat“ {Mt 10,40). Der missionarische Horizont, liebe Freunde, fällt jedoch nicht mit den Grenzen eures Landes zusammen. Die Frohbotschaft muß vielmehr zu den Söhnen und Töchtern ganz Afrikas getragen werden. Dabei fällt euch eure Aufgabe zu, da ihr über eine ständig wachsende Zahl von Priestern verfügt. Eure Mission ist tief wie das Geheimnis Christi und gleichzeitig weitgespannt wie die Menschheit! Im Weihegebet heißt es, daß ihr geweiht werdet, „damit das Evangelium bis an die Grenzen der Erde gelange, und alle Menschen sich in Christus zur heiligen Gemeinde Gottes vereinen.“ Unsere Brüder und Schwestern, die vom nächsten Sonntag an in Nairobi zum 43. Internationalen Eucharistischen Kongreß Zusammenkommen, dem ersten in Schwarzafrika, wissen sehr wohl um diese weltweite Dimension der Kirche, die einen einzigen Leib bildet, den Leib Christi. <157> <157> Liebe Brüder und Schwestern, wir alle wünschen, daß der Herr mehr Priester berufen möge, heilige Priester, gemeinsam mit anderen apostolischen Arbeitern, Ordensleuten und Laien. Hört allzeit auf das Wort unseres Meisters und Erlösers: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ {Lk 10,2). Ja, betet! Betet unablässig. Amen. 804 REISEN Die Kirche zählt auf euer Gebet Ansprache an Jugendliche und Behinderte im Marienheiligtum in Togoville (Togo) am 9. August Liebe Brüder und Schwestern, Pilger zu Unserer Lieben Frau am Togosee! 1. Eure Freude schäumt über! Und die meine ist genauso groß wie die eure. Es stimmt, daß ein Treffen unter Freunden, so wie es hier sehr wohl der Fall ist, die Freundschaft größer werden läßt. Es ist nicht weniger sicher, daß eine Versammlung von Pilgern - und diese hier ist großartig-den Glauben der Christen wieder neu wachruft! Augenscheinlich steigert die Anwesenheit des Nachfolgers Petri unter euch eure Begeisterung bis zu ihrem Höhepunkt, beinahe so, als ob ihr euch am Ufer des Sees von Galiläa befändet. Der Herr sei auf ewig gelobt für die Gnade, die er uns allen geschenkt hat! Unser Treffen spielt sich in einem wunderbaren Rahmen ab: am Ufer des Togosees. Es spielt sich in der Nähe des Heiligtums ab, das im Jahr 1910 von den Missionaren der Gesellschaft vom Göttlichen Wort grundgelegt wurde. Es spielt sich ganz in der Nähe des Bildnisses ab, das Unsere Liebe Frau vom Togosee darstellt, die als Mutter der Barmherzigkeit angerufen wird. Pilger jeden Alters! Ich vermute, daß ihr eure Freude auf afrikanische und togolesische Weise ausdrücken möchtet. Klatscht also in die Hände für Unsere Liebe Frau, für die heilige Mutter Gottes! Zeugnis der Verfügbarkeit Der Gott, den wir anbeten, ist Geist. Aus Liebe zur Menschheit ist er sichtbar geworden, in der Person seines einzigen Sohnes, von Ewigkeit her eins mit ihm in der Einheit des Heiligen Geistes. Dieser menschgewordene Sohn hat die Erfahrung der menschlichen Existenz auf einem kleinen Raum des unermeßlichen Universums gemacht, das man seit diesem geschichtlichen Ereignis „das Heilige Land“ nennt. Ja, der Sohn Gottes wollte von einer Frau geboren werden, die von Ewigkeit her auserwählt war, einer Frau, die vor der Sünde bewahrt blieb. Diese Mutter, gesegnet unter allen, hat Gott uns gegeben, wenige Augenblicke ehe er am Kreuz starb, an dem er sein Leben für uns hingab. Eine geheimnisvolle und zugleich so lichtvolle Geste! Der Sohn Gottes hat uns 805 REISEN seine Mutter gegeben. Warum? Um den Christen, seinen Jüngern aller Kontinente und aller Zeiten zu helfen, das Mysterium Jesu, des einzigen Heilands der Welt, des einzigen Vermittlers zwischen Gott und den Menschen, zu verstehen. Um ihnen mütterlich zu helfen, Jesus zu folgen. Sie scheint uns wie in Kana zu sagen: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Sie hilft uns, über das einzigartige Zeugnis nachzudenken, das Zeugnis, das ihr Sohn der Welt gegeben hat: der Verfügbarkeit des Sohnes gegenüber Gott, seinem Vater und unserem Vater, und gleichzeitig der brüderlichen und großzügigen Offenheit für andere Menschen und Völker ohne Grenz- oder Rassenbeschränkungen. Hören wir nicht auf, einen solchen Heiland anzubeten, der überströmt von barmherziger Liebe zu allen und zu jedem! Wir verehren ebenso die Mutter dieser göttlichen Barmherzigkeit, die in der Person Jesu verkörpert ist. Sie selbst ist, so wie ihr Sohn, ganz und gar barmherzig. Wie sehr habt ihr doch recht gehabt, daß ihr anläßlich der Feste im Jahre 1973 die Bezeichnung „Unsere Liebe Frau vom Togosee“ durch die Zufügung „Mutter der Barmherzigkeit“ vervollständigt habt. Ihr habt euch vom Evangelium selbst und von der ganzen zweitausendjährigen Geschichte der Marienverehrung dazu anregen lassen. Wir werden diesen geweihten Ort nicht verlassen können, ohne geistig in den Armen dieser Mutter Schutz zu suchen, indem wir die Weihe, die ich im Namen aller aussprechen werde, mitvollziehen. 2. Aber zuvor möchte ich mich insbesondere an die Jugend, an die Kranken und an die hier anwesenden Behinderten wenden. Liebe Jugend, die ihr das Glück habt, gesund zu sein: Dankt dem Herrn! Achtet diesen Schatz. Lernt, euren Körper durch Sport und gute Hygiene zu beherrschen. Leistet euren Beitrag für die Gesellschaft Togos und besonders den für eure Familie durch die gesunden physischen Kräfte einer ausgeglichenen Persönlichkeit. Eure menschliche Würde entspringt aus eurer Ähnlichkeit mit Gott selbst. Ihr wißt, daß eure Fähigkeiten zum Nachdenken, zur Entscheidung und zur Hingabe eurer selbst geistiger Ordnung und die Widerspiegelung einer gewissen Anwesenheit Gottes in euch sind. Eure Taufe ist ein Ereignis, das euer ganzes Leben zeichnet. Gefirmt im Heiligen Geist, mit dem Leib Christi vereint, werdet ihr durch die Gegenwart Gottes in eurer menschlichen Würde gestärkt. Eine solche Würde zeigt sich und wird sich täglich zeigen durch eure Ehrlichkeit, euren Mut, eure Verfügungsbereitschaft, eure Fähigkeit zur Vergebung und Versöhnung und eure Treue zu eurem religiösen Glauben und zum Gebet. Die religiösen Kenntnisse, die ihr empfangen habt, 806 REISEN müssen entwickelt und über den Katechismus eurer Kindheit hinaus vertieft werden, besonders dann, wenn ihr studiert. Sie müssen auf gleicher Höhe mit eurer Bildung sein, euch erlauben, auf neue und alte Fragen zu antworten und Rechnung über die Hoffnung ablegen zu können, die in euch ist. Sie müssen euch vor allem dazu führen, vollkommenes Vertrauen zu Christus zu haben, im Gebet den Dialog mit ihm aufrechtzuhalten, eure aktive Stellung in der Kirche einzunehmen und zu versuchen, eine neue Welt mit ihm zu errichten. Unter allen Geschöpfen ist Maria, die Treue, die ganz dem Herrn und seinem Heilswerk Ergebene, ein bewundernswertes Beispiel für alle. Ja, Maria hat viel vom Herrn empfangen, und sie hat die empfangenen Gaben zu höchster Entfaltung gebracht. Deshalb hat sie der ganzen Menschheit viel gegeben, und sie begleitet weiterhin auch die einzelnen und die Völker. Jugendliche, die Kirche in diesem Lande braucht euch. Die Gesellschaft Togos braucht euch. Afrika braucht euch. Seid bereit wie Maria von Nazaret, das beste von euch selbst zu geben, um Gott und euren Brüdern zu dienen. 3. Ihr, liebe Jugendliche oder Erwachsene, die ihr von einer Behinderung, einer Krankheit oder seelischen Leiden gezeichnet seid, wendet euch immer noch mehr an die Mutter der Barmherzigkeit. Ich denke insbesondere an die Blinden, die mir zuhören. Die Jungfrau Maria wird uns in die Vertrautheit mit ihrem Sohn führen. Es ist gewiß wichtig, daß sich sowohl im Inneren eines jeden Landes selbst, wie auch unter besser ausgerüsteten und weniger fortgeschrittenen Ländern gegenseitig Hilfe geleistet wird, um das vielgestaltige Elend zurückzudrängen. Es werden mehr Ärzte, Krankenhäuser und Pflegeheime gebraucht. Überall, selbst in den sehr gut ausgerüsteten Ländern, gibt es Gebrechen oder Krankheiten, die schwer zu heilen sind oder bei denen zumindest eine völlige Heilung schwer zu erreichen ist. Es gibt seelische Leiden, die oft schwerer sind als körperliche. Brüder und Schwestern, Jugendliche und Erwachsene! Das Festhalten an Jesus Christus und die Verehrung seiner Mutter haben Generationen von Gläubigen geholfen, nach und nach ihr Kreuz anzunehmen. Pilger, die heilige Stätten wie Lourdes besucht haben, waren außer Fassung, wenn sie den Frieden, ja selbst das feine Lächeln der Kranken in ihren Rollstühlen oder auf ihren Bahren bemerkten. Das Leiden bleibt eine quälende Frage, die jeden Kranken oder die Menschen seiner Umgebung sagen läßt: Warum? Warum ich? Der Herr Jesus indessen - er allein — hat dieser 807 REISEN Prüfung gewissermaßen einen Sinn, ein Licht gegeben. Er hat das Leid auf sich genommen. Er hat sein Kreuz getragen. Er ist ans Kreuz genagelt worden. Wir haben über diese Geheimnisse nachgedacht. In ihm ist weder eine Spur von Empörung noch von resignierter Schicksalergebenheit: Er hat dieses Leiden aus Liebe aufgeopfert. Auf diese Weise hat er den Sieg über das Böse errungen. Das Leiden, dem man ins Angesicht blickt, das nach und nach angenommen und in Vereinigung mit Christus aufgeopfert wird, kann ein Weg der Erleuchtung und ein geistiger Aufstieg sein. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Christen, die des teilweisen oder völligen Gebrauchs ihrer körperlichen Kräfte oder ihrer Sinne, wie des Augenlichts oder des Gehörs beraubt sind, ihre Mitmenschen weniger durch das, was sie tun, als vielmehr durch das, was sie sind, zur Klarheit und manchmal sogar zur Bekehrung bringen. In gewisser Weise sind sie in unserer Zeit Zeichen für das Evangelium. Ja, die Jungfrau Maria hilft den leidenden Pilgern an allen heiligen Stätten, die ihr in der ganzen Welt geweiht sind, ein fruchtbares Opfer und ein rettendes Licht für die Menschheit zu werden. Ihr Behinderten und ihr Kranken, die ihr euch zu dieser Pilgerfahrt aufgemacht habt, glaubt an den Wert eures Daseins, das ihr mit Christus und nah bei seiner Mutter lebt! Die Kirche zählt auf euer Gebet. Auch ich zähle darauf, für das Amt, das der Herr mir im Dienste der ganzen Kirche anvertraut hat. Bevor wir unseren Geist und unsere Herzen im Weihegebet vereinigen, das ich im Namen aller sprechen werde, wäre uns ein Augenblick des Schweigens von Nutzen. Weihe an Maria 4. O Maria, Mutter des Gottessohnes, des einzigen Erlösers, der gekommen ist, um die Völker aller Kontinente und aller Zeiten zu retten, wir loben dich. Du bist die Heiligste und die Menschlichste unter allen Geschöpfen des Herrn. Du bist die Größte, „gebenedeit unter den Frauen“ der Erde. Du bist zugleich die Demütigste und Bewundernswerteste! Du bist auf ewig die Mutter Gottes. Du hast bereitwillig zugestimmt, auch die ganz barmherzige Mutter aller Menschengenerationen zu sein, die dich ohne Unterlaß „selig“ nennen! Seit 20 Jahrhunderten, in denen du deinem Sohn in der Herrlichkeit des Himmels nahe bist, ist es auch so, als besuchtest du die Erde! Du schenkst den Jüngern deines Sohnes Jesus Gehör, du neigst dich über die Sünder! 808 REISEN Du nimmst alle Menschen auf, die guten Willens sind, so wie Jesus es selber in den Dörfern und Städten Judäas und Galiläas tat. In der Zeit der Kirche, die am Pfingsttag in deiner Gegenwart begonnen hat, hörst du nicht auf, den Menschen und Nationen dieses Kind darzubieten, die wunderbare Frucht des Heiligen Geistes in deinem jungfräulichen Schoß, dieses Kind, das zur vorherbestimmten Zeit als Licht der Welt gekommen ist, den Sohn Gottes, der sein Leben in die Hände seines Vaters legt, um die Menge zu retten, und der am Ostermorgen als Sieger über den Tod auferstanden ist. O Maria, du wünschst nur eines, damit unsere Freude vollkommen sei, selbst in den Prüfungen des Daseins. Du wünschst nur eines: daß wir Jesus ganz und gar annehmen. O Mutter der Barmherzigkeit! Hier und heute verspüren wir noch mehr als zuvor das Bedürfnis, dich als unsere Mutter aufzunehmen, dich im Tiefsten durch alle Tage und alle Jahre mit uns zu nehmen, damit du uns nahe und immer näher bei Jesus, dem Heiland, hältst, immer treuer im Dienst an all seinen Brüdern, die auch deine Kinder sind, und vor allem im Dienst an den Geringsten, an denen, die das größte Elend kennen. Unser Geist, unser Wille, unser Herz, der Schatz unseres Glaubens, unsere Begrenztheit, unser Scheitern, unsere Freuden, unsere neuen Anfänge, unsere verschiedenen Verantwortlichkeiten, unsere menschlichen Beziehungen, unsere Bemühungen um Verständnis für das Zeitalter, in dem wir leben, unser ganzes Leben bis zum letzten Atemzug, alles ist deiner mütterlichen Obhut, deiner Zärtlichkeit und deinem fürbittenden Gebet anvertraut. Alles, was wir sind, und alles, was wir haben, legen wir in deine Hände. Um Jesu willen und für die Errichtung seines Reiches der Wahrheit, der Heiligkeit, der Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit, des Friedens . . . Hier und heute vertrauen wir dir dieses teure Vaterland Togo, unsere Familien, unsere christlichen Gemeinschaften und alle zu ihrer Leitung berufenen Hirten an. Wir vertrauen dir ganz Afrika und seine Zukunft an. Wir vertrauen dir die ganze Welt an, diese Welt, die du liebst und die du an der Seite deines Sohnes retten willst. O Mutter, laß uns deine so zurückhaltende und so wirksame mütterliche Gegenwart spüren. Mach aus uns eifrige Jünger Jesu und selbstlose Arbeiter für sein Evangelium in der Kirche, die er gegründet hat! Amen. 809 REISEN Zeichen eurer geistigen Kraft Predigt bei der Messe und Einweihung der Kathedrale von Abidjan (Elfenbeinküste) am 10. August 1. „Die wahren Beter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit“ (Joh 4,23). Eine samaritische Frau stellt Fragen an Jesus. Sie tut dies, denn sie hat soeben die Wahrheit seines Wortes entdeckt: Jesus hat ihr Leben erleuchtet. Er hat ihr die Gabe des lebendigen Wassers verkündet, das für immer jeden Durst löscht. Die Frau, deren Volk dem Volk Jerusalems fern blieb, fragte daraufhin: „Wo kann man Gott anbeten?“ Und Jesus, der Gesandte Gottes für alle Menschen, der wahre Prophet, verkündet, daß die Stunde gekommen sei, zu der man Gott nicht mehr nur auf einem bestimmten Berg oder in einer bestimmten Stadt begegne. Die Begegnung Gottes mit dem Menschen, der den Vater sucht, ist von nun an überall möglich, im Geist und in der Wahrheit. Wenn wir heute eure Kathedrale einweihen, wünschen wir uns innigst, daß sie ein „wahrer Tempel Gottes und der Menschen“ in dieser großen Stadt des afrikanischen Kontinents werde: daß sie der Gottesverehrung diene, die von den „wahren Betern im Geist und in der Wahrheit“ vollzogen wird. Es ist unsere Hoffnung und Überzeugung, daß dieses Gebäude ein Zeuge wahren Gebetes sein wird: Diejenigen, die die Wahrheit Gottes empfangen und die durch seinen Geist erleuchtet sind, wenden sich hin zum Vater, um ihm für seine Gaben Dank zu sagen und ihn anzuflehen, daß er sie in Fülle auch auf die menschliche Gemeinschaft ausgieße. 2. Vor fünf Jahren, am 11. Mai 1980, hattet ihr mich eingeladen, den Grundstein eurer Kathedrale zu segnen. Jetzt ist es mir gegeben, das Haus einzuweihen, das ihr für Gott gebaut habt. Ich danke euch für dieses seltene Vorrecht. Ich sage insbesondere für all das Dank, was diese beeindruckende Fertigstellung in eurer Nation bedeutet, die vor kurzem den 25. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit gefeiert hat. Von einem ganzen Volk ermutigt, haben die Architekten und die zahlreichen Bauleute ein wirklich großartiges Werk vollbracht, denn es ist ein beredtes Zeichen des Glaubens, und es ist Zeuge für die Reife und Lebendigkeit einer Kirche. Mit euch, die ihr diese Kathedrale füllt, sage ich Dank. Mit euch, der Menge, die draußen um das Haus des Herrn versammelt ist, sage ich Dank, weil Gott seine Wohnung unter den Menschen errichtet! 810 REISEN Die Kirche von Abidjan, die Kirche der Elfenbeinküste, tut durch diesen Bau kund, daß sie selbst in Wahrheit ein geistiger Bau ist. Ohne die innere Dynamik des Glaubens, ohne die Hoffnung, die auf den lebendigen Christus gegründet ist, bliebe ein Tempel aus Stein sinnlos, wie groß er auch immer sei. Der Daseinsgrund für einen Tempel aus Stein ist der innere Tempel der Gemeinschaft der Jünger des Herrn. Laßt uns, wie vor fünf Jahren, abermals die Worte des Apostels Petrus hören: „Laßt euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen“ (7 Petr 2,5). Die Kirche aufbauen, das ist ein Werk, das der Geist Gottes anregt und ermöglicht. Die Errichtung eines Gotteshauses ist die Spende einer ganzen Gemeinschaft, die sich versammelt, um das Opfer des Herrn zu feiern. Sie errichtet auf dem Boden ihres Landes ein Zeichen, das ständig dazu aufruft, Gott zu loben, seine Gaben zu empfangen, sein Wort zu hören, die Brüderlichkeit zu stärken und immer neue Brüder einzuladen, die Frohbotschaft des Heils durch Christus kennenzulernen. 3. Ihr stellt ein Gebäude fertig, aber ihr wißt, daß der Bau der Kirche weitergeht. Dies ist eine Aufgabe, die jeden Tag und jeder Generation gestellt wird. Um sie getreu zu erfüllen, müssen die Menschen beständig geläutert und neu gestärkt werden, damit sie, durch die Gnade Gottes bekehrt, sich von der Sünde abwenden, die das Werk des Todes ist. Deshalb haben wir über uns und gleichzeitig auch auf die Mauern der Kirche das Taufwasser ausgesprengt, mit dem Christus uns gereinigt und zum neuen Leben vereinigt hat. Dieses Wasser hatte Jesus der Samariterin im Evangelium versprochen, indem er ihr sagte: „Das Wasser, das ich gebe, wird zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (vgl. Joh 4,14). Vor der Einweihung der Kathedrale werden wir die Allerheiligenlitanei singen. So werden wir zeigen, daß die Apostel und die Heiligen aller Zeitalter das Fundament der lebendigen Kirche sind. Dieses Gotteshaus ist dem hl. Paulus geweiht. Welch eine Freude, die Schutzherrschaft des Völkerapostels auf dieser Erde Afrikas anzurufen! Welch eine Freude für den Bischof von Rom, diese Kirche in Abidjan dem anzuvertrauen, der seinen Missionsweg vollendete, indem er die Erde Roms durch die Hingabe seines Blutes fruchtbar machte! Das Volk, das heute dazu berufen ist, heilig zu sein, ist das Volk, aus dem Gott die unzähligen Heiligen als unsere Vorbilder hervorgebracht hat; sie sind lebendig im Königreich des Himmels, und sie leisten dort Fürsprache für uns. Mögen die Schutzherrschaft des hl. Paulus und die Gemeinschaft aller Heiligen für die Kirche, die sich hier versammelt hat, ein Sauerteig für die 811 REISEN Einheit und die Liebe sein! Ich möchte daran erinnern, daß ihr die Königin der Apostel unter dem Titel Unsere Liebe Frau von Afrika ganz besonders durch die Errichtung einer anderen Kirche ehrt, deren Grundstein ich segnen durfte. Möge Maria euch leiten und euch beistehen, möge sie euch auf den Wegen des Dienstes für Gott und an den Menschen begleiten! 4. Im Mittelpunkt dieser liturgischen Handlung bringt ein feierliches Gebet unsere Danksagung und unser Flehen zum Ausdruck. Wenn wir eine Kirche einweihen, loben wir Gott, der uns erlaubt, durch Christus in seiner Wohnstätte versammelt zu sein, wir loben Gott, der aus seiner Kirche den lebendigen Leib macht, geheiligt durch das Blut Christi. Wir loben Gott, der diese heilige Stadt errichtet, denn ihr Eckstein ist Jesus Christus. Wir bitten demütig, daß dieser Ort die Gläubigen von der Sünde losgesprochen und in der Gedenkfeier der österlichen Geheimnisse vereint sehen möge. In der Hoffnung auf das Heil bitten wir, die versammelte Gemeinde möge Barmherzigkeit üben und die wahre Freiheit der Kinder Gottes erkennen lassen. 5. Zusammen mit den Bischöfen dieses Landes werde ich den Altar und die Mauern dieses Gebäudes mit heiligem Chrisam salben. Das heilige Öl bedeutet die Macht Gottes, die Besitz ergreift und weiht: Durch die Salbung hat der Vater aus Jesus seinen Christus, d. h. den Gesalbten, gemacht, denjenigen, den der Geist vollkommen durchdrungen hat. Heute macht er durch die Salbung aus dieser Kirche den Ort, an dem der Geist Christi jeden von der Sünde befreit und ihn im Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung tauft. Er macht aus dieser Kirche durch die Salbung die heilige Stätte, an der er sein Volk aufruft, sich zusammenzufinden, um an seinem eigenen Leben teilzuhaben. Heute macht der Geist des Herrn diesen Altar zum Zeichen Christi, denn er ist der wahrhafte Priester, und er gibt sein eigenes Leben im eucharisti-schen Opfer hin. Er gibt uns die Möglichkeit, ihn unserseits zum Opfer zu bringen durch den Dienst des Bischofs und der Priester. Er lädt die Getauften an diesen Altar ein, in der Kommunion an seiner wirklichen Gegenwart teilzuhaben, er macht sie eins in seinem Leib. Durch die Salbung geweiht, stellt der Altar den lebendigen Mittelpunkt dieser Kirche dar, den Ort der Eucharistie, die die Mitte aller anderen Sakramente ist. Der Weihrauch wird das Symbol des Gebetes sein, ein Symbol des Gott 812 REISEN wohlgefälligen Gebets, das sich durch Christus, der in seinem Volk gegenwärtig ist, zum Vater erhebt. Das Licht, das am Altar entzündet und in der ganzen Kathedrale aufleuchten wird, stellt uns das Licht Christi vor Augen und mahnt uns, dieses Licht auch vor den Augen der Menschen aufleuchten zu lassen, indem wir die Botschaft Christi weitertragen und seine Liebe ausbreiten. Diese sinnbildlichen Handlungen alter christlicher Tradition drücken in ihrer Tiefe die Wirklichkeit dessen aus, was die Kirche ist, die Schönheit des ihr eingeprägten Bildes Christi. Voller Freude loben wir an diesem glücklichen Tag den Herrn mit den Worten des Psalms: „Wie liebenswert ist deine Wohnung, Herr der Heerscharen! Wohl denen, die wohnen in deinem Haus... Wohl den Menschen, die Kraft finden in dir, wenn sie sich zur Wallfahrt rüsten!“ (Ps 84,2.5a.6). 6. Die Seite aus dem Buch Nehemia, die soeben gelesen wurde, ruft die Erinnerung an die Versammlung des Gottesvolkes beim Tempel von Jerusalem wach. Wir finden hier ein Beispiel für die heutige christliche Versammlung, für „die, die wohnen im Haus des Herrn“. Mögt ihr euch in Einheit versammeln und euch glücklich schätzen, die Kirche zu sein, das Volk, das Gott sich als Eigentum erwarb (vgl. Eph 1,14). Mögt ihr die Lesung der Heiligen Schrift, das Wort und das Gesetz Gottes hören und darauf antworten können wie unsere Väter, die jubelnd „Amen“ riefen. Sie verkündeten mit diesem Wort die Zustimmung ihres Glaubens, und sie nahmen das Gesetz Gottes an, das ihr Leben leiten sollte. Das von Esra versammelte Volk empfängt mit Freude und Ergriffenheit dieses Wort, welches das Wort Gottes ist, dieses Wort, das das Volk zur Treue als Antwort auf die Treue Gottes aufruft, dieses Wort des Bundes Gottes mit dem Menschengeschlecht, der jetzt für immer erfüllt ist durch das Wort, das Mensch wurde, der Sohn Gottes, der gekommen ist, „damit wir die Sohnschaft erlangen“ {Gal4,5). Mögt ihr in dieser Kathedrale immer mehr gemeinsam eure Freude darüber kundtun, daß ihr durch das Wort des Heils erleuchtet, durch die Gegenwart des Herrn gestärkt und bereit seid, die Gaben, die ihr für das Leben empfangen habt, brüderlich zu teilen! 7. Die Versammlung der Christen hat hier eine ganz besondere Bedeutung. Die Kathedrale nimmt in der Ortskirche die erste Stellung unter den geweihten Stätten ein: Sie ist die Kirche des Bischofs, in der er seine Priester und Gläubigen aus dem Volk versammelt, in der sich in der Versammlung um den Stellvertreter Christi für diese Diözese der Zusam- 813 REISEN menhalt des ganzen Leibes der Kirche zeigt. Ich freue mich, beim geschichtlichen Ereignis dieser Kirchweihe euren Erzbischof, Kardinal Bernhard Yago, zu begrüßen, der diese Diözese seit 25 Jahren in Glaube und Hingabe leitet. Ich freue mich über die Anwesenheit der Kardinäle Zoungrana und Thiandoum und der anderen Bischöfe, die die Episkopate der Länder Westafrikas vertreten. Ich grüße und ermutige alle Priester, die den Dienst des Bischofs weiter unter euch ausdehnen, Priester, die hier auf dieser Erde geboren sind, und andere, die ihr Land verlassen haben und hierher kamen, um der Kirche zu dienen. Ich grüße auch herzlich die Ordensbrüder und -Schwestern, die von Anfang an einen so großen Teil zum Aufbau der christlichen Gemeinschaft dieses Landes beigetragen haben, um das Evangelium durch die Hingabe ihrer selbst und durch zahlreiche Dienste zu bezeugen. Einen achtungsvollen Gruß richte ich an die Vertreter der anderen christlichen Konfessionen und des Islams, die Wert darauf gelegt haben, sich dieser Feier anzuschließen. Ich weiß die Anwesenheit der hohen Autoritäten eures Landes und des Diplomatischen Korps zu würdigen. Ich grüße besonders den Herrn Präsidenten der Republik. Ich möchte euch allen meine herzlichsten Wünsche übermitteln, meine Brüder und Schwestern von der Elfenbeinküste und ihr, die ihr von anderswo hergekommen seid: anläßlich dieser feierlichen Kirchweihe, die Gott euch allen schenkt, um eine Gemeinschaft zu stärken, die glücklich ist, seinen Willen zum Frieden, zur Einheit und zur Liebe zu erfüllen! Möge er euch belohnen für all den Edelmut und die Mühe, die ihr alle zusammen aufgebracht habt, um diese Kathedrale in der Hauptstadt zu erbauen - an dem Ort, an dem dieses Land vertreten und geleitet wird. Ihr habt hier ein Zeichen gesetzt, das die Kraft der geistigen Werte im Leben der Nationen in Erinnerung ruft. Wir vertrauen diese Kirche, diese christliche Gemeinschaft, Christus an, der der Eckstein des Baues ist; wir tun dies besonders durch die Eucharistie, in Konzelebration gefeiert vom Papst, dem Erzbischof von Abidjan, den Bischöfen der Elfenbeinküste und ihren Mitbrüdern. Das unterstreicht, wie sehr der Bischof, der in seiner Kathedrale die Ortskirche einer Diözese versammelt, verbunden ist mit seinen Brüdern im Bischofsamt: zunächst mit denen aus seinem Land, dann mit denen aus der ganzen Welt und insbesondere mit dem, der beauftragt ist, Nachfolger des Apostels Petrus zu sein, um all seine Brüder im Glauben zu bestärken. Liebe Brüder und Schwestern von Abidjan und von der Elfenbeinküste, wenn ihr diese Bischofskirche betretet, vergeßt nicht, daß ihre Sendung sie an die anderen Kirchen bindet; und jetzt steht euer Erzbischof, der 814 REISEN Kardinal ist, dem Papst von Rom sehr nahe, er teilt seine Fürsorge für alle Kirchen und alle Probleme der Welt. Wie könnten wir es versäumen, heute den Internationalen Eucharisti-schen Kongreß zu erwähnen, der zum ersten Mal in Schwarzafrika stattfinden wird! Möge er für alle Familien der Welt ein Aufruf zur Einheit um Christus, den Heiland, sein! Denn der Sohn Gottes ist gekommen, um unter uns zu sein, er hat seinen Leib und sein Blut hingegeben, damit alle das Leben in ihm haben. 8. Christus sprach zu der Samariterin: „Die Stunde kommt... zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden.“ Diese Stunde kommt in diesem Land nach einer schon langen Geschichte: Verschiedene Gruppen von Verkündern des Evangeliums haben vom 17. bis 19. Jahrhundert versucht, hier die Kirche zu errichten, und sie haben nicht bleiben können; Prüfungen, in denen viele ihr Leben geopfert haben, unterbrachen ihr Werk. Die Stunde kam entscheidend im Jahre 1895, als die Gründung der Kirche in eurem Land auf dauerhafter Basis durch die Patres der afrikanischen Missionen und den ersten apostolischen Präfekten von Abidjan unternommen werden konnte, denen sich bald die Schwestern der Kongregation Unserer Lieben Frau von den Aposteln anschlossen. Es ziemt sich, am heutigen Tag die Erinnerung an all die Verkünder des Evangeliums wachzurufen, die hier ihre Gesundheit, ja oft ihr Leben geopfert haben, um dank ihrer heldenhaften Nächstenliebe eine Kirche zu errichten, die nun ihre Wurzeln hat und ihre Zweige entwickelt, die ihre eigenen Früchte bringt aus dem Keim, der von Gott kommt. Ich denke an die Diözesen, die unter der Verantwortlichkeit afrikanischer Bischöfe eingerichtet werden konnten. Die „Stunde“ Gottes ist nun auf eine neue Weise gekommen. Die Kathedrale, die die Kirche der Elfenbeinküste durch den Dienst des Bischofs von Rom durch die heutige Konsekration dem hl. Paulus weiht, ist ein Zeichen für die Reife im Werk der Evangelisation, das es weiterzuführen gilt. Das Evangelium Christi wendet sich an alle Menschen, und denjenigen, die es bisher empfangen haben, kommt die Verantwortung zu, es ihren Brüdern weiterzuverkünden. Es ist ganz richtig von einer zweiten Evangelisation gesprochen worden, welche die Gegenüberstellung der Wahrheit christlicher Werte mit dem Erbe, den Zielsetzungen, den Entdeckungen und den Fähigkeiten der Menschen meint. Möge in allen Gebieten die Achtung des Lebens, der Sinn für Gerechtig- 815 REISEN keit und die Suche nach Einheit das Streben der Christen nach der Nachfolge Christi konkret in ihre Beteiligung an den verschiedenen Tätigkeiten der Gesellschaft übersetzen! Möge die Vertiefung des kirchlichen Lebens eure Gemeinschaften immer treuer, strahlender und verantwortungsbewußter gestalten in Verbundenheit mit allen Gliedern des Leibes Christi in der Welt! Möge dieses edle äußere Zeichen tief eure Seelen prägen: Dieses Bauwerk ist die „Wohnung Gottes unter den Menschen“. Schon seine Form führt symbolisch die Heilige Dreifaltigkeit vor Augen, und seine Struktur erinnert an die Struktur des christlichen Lebens, das sich auf die sieben Sakramente stützt, die der Herr seiner Kirche gegeben hat. Ihr selbst seid der Tempel Gottes: Jeder von euch ist Tempel Gottes. Der hl. Paulus fragt uns: „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor 3,16). Wir beten in der Präfation zum eucharistischen Hochgebet: „Du hörst nicht auf, die Heilige Stadt, das ist die Kirche . . ., aus lebendigen Steinen zu bauen. Vom Heiligen Geist belebt, sind sie in Liebe geeint, und du gestaltest sie zu der Wohnstätte, an der du alles in allen bist“ (Ritus der Kirchweihe). Möge die Gegenwart Gottes, der Geist ist, aus allen, die in diesem Haus weilen werden, wahre Beter im Geist und in der Wahrheit machen, jetzt und in Ewigkeit! Amen. Wachsen in der Freude des Herrn Ansprache bei der Begegnung mit Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und kirchlich engagierten Laien in Yaounde (Kamerun) am 10. August Gelobt sei Gott! 1. Er hat euch, liebe Brüder und Schwestern aus Kamerun, dazu berufen, in diesem Land eine Gemeinschaft zu bilden, die ihm gehört, und Mitglieder seiner Kirche zu werden, die als sein Volk über die ganze Welt verbreitet ist. Nach dem Plan seiner Liebe hat er jeden von euch von Ewigkeit her beim Namen gerufen und euch im voraus dazu bestimmt, das Bild seines Sohnes widerzuspiegeln, damit dieser der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei. Er hat euch geheiligt (vgl. Weihegebet bei der Profeß-feier). 816 REISEN So grüße ich voll Zuneigung die Kirche in Yaounde, in diesem Bistum, in dieser Provinz und in eurem ganzen Land. Mit euch danke ich Gott. Die Bewohner von Kamerun waren seit jeher in den Gedanken Gottes gegenwärtig. Von Ewigkeit her hat er euch geliebt, denn „zu aller Zeit und in jedem Volk ruht Gottes Wohlgefallen auf jedem, der ihn fürchtet und gerecht handelt“ {Lumen gentium, Nr. 9). Das trifft also auch für eure andersgläubigen Landsleute zu. Aber dank der Evangelisierung ist es euch möglich geworden, Gott in Wahrheit - so wie er sich aus Liebe geoffen-bart hat — besser kennenzulernen und ihm in Heiligkeit zu dienen. Das Evangelium wird immer von Menschen weitergetragen, die es ihrerseits zuvor empfangen durften. Das war in meinem Heimatland Polen so und gilt auch für alle übrigen Länder: Die Glaubensboten kommen von anderswo her, aus Gegenden, wo die Kirche bereits fest Fuß gefaßt hat. Am Anfang der Kirche stand die Predigt der Gefährten Jesu, die er als Apostel eingesetzt hatte. Seither wurde ihr Botschaft durch Generationen hindurch überliefert. So gilt unser Dank den Missionaren, die seit 1890 in ununterbrochener Folge den Schatz ihres Glaubens in euer Land brachten und die von den Aposteln gegründete Kirche hier fest einpflanzten. Ihr habt das Evangelium als eine von Gott kommende gute Nachricht aufgenommen. Wie ein kräftiges Saatgut hat es bei denen, die glaubten und sich taufen ließen, rasch Frucht getragen. In weniger als hundert Jahren - und in manchen Gegenden sogar nur in einem Vierteljahrhundert - hat die Kirche in einem beachtlichen Teil der Bevölkerung von Kamerun fest Fuß gefaßt. Bald wurden Einheimische dazu berufen, als Priester, Bischöfe, Ordensleute und engagierte Laien mit Hilfe ihrer Glaubensbrüder aus älteren Ortskirchen diese Kirche zu leiten und lebendig zu erhalten. Umgeben von meinen Mitbrüdern im Bischofsamt, besuche ich als Nachfolger Petri zum ersten Mal die Kirche in eurem Land, um sie an Ort und Stelle kennenzulernen, sie im Glauben zu festigen, ihre notwendige Verbindung zur Weltkirche zu verstärken, ihre geistliche Stoßkraft zu vermehren und sie in Achtung vor den Personen und den Kulturen in ihrem Missionseifer zu unterstützen. In der Würde und Freiheit der Kinder Gottes seid ihr zur Heiligkeit berufen 2. Ihr erfüllt innerhalb dieser Kirche unterschiedliche Aufgaben und habt dafür vielfältige Gaben erhalten, aber ich möchte zuerst das unterstreichen, was euch allen gemeinsam ist. „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den 817 REISEN einen Herr. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen“ (1 Kor 12,4-6). In dem einen Volk Gottes ist kein Platz für „Ungleichheit aufgrund von Rasse und Volkszugehörigkeit, sozialer Stellung oder Geschlecht“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 32). Ihr habt den einen Glauben der Kirche angenommen, die euch die Liebe des Vaters zu jedem Menschen verkündet hat. Ihr habt alle die eine Taufe empfangen; durch den Tod und die Auferstehung Jesu seid ihr damit in das neue Leben eingegangen und Glieder des mystischen Leibes Christi geworden. Ihr habt Anteil an dem einen Heiligen Geist, der euch zu seinem Tempel macht. Ihr seid von Gott als Söhne und Töchter angenommen. Ihr werdet unaufhörlich durch dieselben Sakramente geheiligt; insbesondere nehmt ihr an der einen Eucharistie teil, um euch mit Christus als Opfer hinzugeben und dafür seinen heiligen Leib als Brot des Lebens zu empfangen. Im Bußsakrament tretet ihr an die eine Quelle der Versöhnung. Ihr besitzt bereits jetzt im Keim das ewige Leben, das sich im Himmel vollenden soll. Ihr habt letzlich dasselbe Schicksal. In der „Würde und Freiheit der Kinder Gottes“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 9) seid ihr heute „in allen Verhältnissen und in jedem Stand je auf eurem Wege berufen zu der Vollkommenheit in Heiligkeit, in der der Vater selbst vollkommen ist“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 11). Der wahre Wert einer jeden Person besteht in ihrer Antwort auf die Gnade und somit in ihrer Heiligkeit, von der niemand weiß als Gott allein. Gebet und Nächstenliebe sind die Grundpfeiler eures christlichen Lebens. Wie schon der Apostel Petrus in seinem ersten Brief schreibt, seid ihr „ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde“ (1 Petr 2,9). Ihr habt alle die ehrenvolle Aufgabe, zum Aufbau der Kirche beizutragen und dort, wo die göttliche Vorsehung euch hingestellt hat, Zeugnis abzulegen. So sollt ihr also in großer Ehrfurcht und ungeteilter Liebe einander zugetan sein (vgl. Lumen gentium, Nr. 32). Helft einander in tätiger Zusammenarbeit als Glieder des einen Leibes Christi. Hört nicht auf, Gott für die wunderbaren Gaben zu danken, die er jedem von euch verliehen hat. Beten wir oft mit den Worten des Psalms, den ihr als Motto für meinen Besuch gewählt habt: „Danket dem Gott des Himmels, denn seine Huld währt ewig. Ngan ai wa, ntud ngan.“ 818 REISEN Jeder soll sein Bestes geben! 3. Aber wie in einem Körper, so haben auch in der Kirche nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe und dieselbe Berufung. Ihre Verschiedenheit spiegelt nicht nur die Gegebenheiten der weltlichen Gesellschaft wider, in der nicht alle über die gleichen Fähigkeiten verfügen und gleichviel Verantwortung übernehmen. Vielmehr hängt sie im tiefsten mit dem Geheimnis der Kirche selber zusammen, die ihre Kraft aus Gnade von einem anderen, nämlich Christus, empfängt. Die Glieder der Kirche erhalten ihre Charismen als Gabe des Heiligen Geistes, der durch sie das kirchliche Leben unaufhörlich verjüngt, erneuert und ausbreitet. So ist also jeder aufgerufen, in dem ihm anvertrauten Dienst bzw. von ihm erwarteten Zeugnis, die beide dem Wohl aller dienen sollen, sein Bestes zu geben, wobei er immer die anderen Berufungen in Solidarität achten soll. „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (/ Kor 12,7). Nicht alle sind, wie der reiche junge Mann im Evangelium, berufen, ihre ganze Habe zu verkaufen, um Jesus nachzufolgen; aber alle sind berufen, aus ihrem Leben eine Opfergabe für Gott zu machen. 4. Meine Mitbrüder im Bischofsamt habe ich bereits begrüßt, und ich werde im Verlauf dieser Reise immer wieder mit ihnen Zusammentreffen. Jetzt möchte ich mich zunächst an die Priester wenden, die ja am Priesteramt Christi, des einzigen Mittlers zwischen Gott und den Menschen, unmittelbar Anteil haben. Liebe priesterliche Freunde in Kamerun, ihr seid aus den Menschen dieses Landes genommen. Ihr kennt also ihre Sorgen und Hoffnungen, aber auch ihre Schwächen; ihr seid solidarisch mit ihrer Kultur und ihrer ethnischen Herkunft. In ihrem Namen tragt ihr eure Danksagungen und Gebete vor Gott hin. Durch die Priesterweihe seid ihr die amtlich bestellten Diener Christi geworden. Ihr vertretet den, der das Haupt seines Leibes, der Kirche, ist, den Ursprung des Heils und die Quelle aller Gnaden. Ihr verkündet sein Wort, in seinem Namen bringt ihr sein Opfer dar, teilt sein Brot des Lebens aus und vermittelt seine Verzeihung. Alle diese Gaben Gottes kann sich das christliche Volk nicht selber verschaffen, weil es sie von oben empfängt. Eure Sendung ist großartig und unentbehrlich. Deshalb sollt ihr unaufhörlich Gott in aller Demut für das Vertrauen danken, das er euch schenkt. Euer Dienst erfordert auch, daß ihr eure ganze Kraft und Zeit für ihn einsetzt. Denn Christus, der jeden einzelnen von euch wie den reichen 819 REISEN jungen Mann liebevoll angeschaut und in die Nachfolge gerufen hat, will nicht, daß ihr wieder weltliche Tätigkeiten ausübt, die mit der Verkündigung des Evangeliums nichts zu tun haben. Zu diesem Zweck solltet ihr in Zusammenarbeit untereinander und mit den Gläubigen die wichtige Frage des materiellen Auskommens der Priester regeln. Das Reich Gottes braucht vollamtliche Arbeiter; es braucht Menschenfischer, die mit Leib und Seele, d. h. mit ungeteiltem Herzen, bei ihrer Sache sind. Seid solidarisch mit der Kirche In der Nachfolge des Guten Hirten seid ihr in der Kirche zu Hirten geworden. Ihr habt somit die Aufgabe, das euch anvertraute Volk in Liebe zu einer Gemeinschaft zu versammeln. Dabei dürft ihr keinen Unterschied spüren lassen zwischen Armen und Reichen, Kindern und Erwachsenen, Behinderten und Nichtbehinderten, Angehörigen einer anderen Rasse oder Gesellschaftsschicht. Ihr vertretet für sie nicht nur die Autorität des Chefs, der sie zuverlässig führt, sondern auch die Liebe Christi, die sich jedem mit gleicher Aufmerksamkeit zuwendet und sich zur Dienerin aller macht. Ihr seid darüber hinaus Hirten, deren Sorge den verirrten und fernstehenden Schafen sowie all denen gelten soll, die noch nicht zu eurem Schafstall gehören, weil sie das Evangelium nicht wirklich entdeckt haben. Wie die gesamte Kirche, so steht auch jeder von euch in der Mission. Uber all das werden wir morgen noch ausführlicher sprechen, wenn eure jungen Mitbrüder die Priesterweihe empfangen. Aber schon heute bitte ich den Herrn, eure Bereitschaft zur Mitarbeit an seinem Werk und gleichzeitig eure ungeteilte Liebe zu ihm immer mehr wachsen zu lassen und euch in einer dauernden, uneingeschränkten Solidarität mit der Kirche zu bewahren. Ich bitte ihn, euch zu heiligen und fest in seinem Frieden und seiner Freude zu verankern. Um dasselbe bitte ich ihn für die ständigen Diakone, die seit einiger Zeit in eurer Ortskirche wertvolle Dienste leisten. 5. Ich ermutige auch die Seminaristen in den Priesterseminaren, in den Seminaren für Spätberufene und in den Knabenseminaren. Jede Provinz hat es sich angelegen sein lassen, diese für die Zukunft eures Landes wirklich wichtigen Ausbildungsstätten für Priesteramtskandidaten zur Verfügung zu haben. Liebe Jugendliche und Erwachsene, die ihr euch unmittelbar auf den priesterlichen Dienst vorbereitet oder ihn für die Zukunft ins Auge faßt, 820 REISEN ihr seid euch der Schönheit und Größe der Aufgabe, die euch erwartet, bewußt. So wird es euch nicht wundern, daß die Kirche - die letztlich allein befugt ist, euch zur Priesterweihe zuzulassen - eine gründliche Ausbildung von euch fordert. Eine gute Allgemeinbildung ist in einer Gesellschaft, die von ihren Kindern zusehends mehr intellektuelle Anstrengung verlangt, nicht zu unterschätzen. Eingehende theologische Studien sollen euch mit der vom Lehramt beglaubigten kirchlichen Lehre, wie sie im Lauf der Geschichte entfaltet wurde, vertraut machen. Dazu kommen die Anleitung zur betrachtenden Lektüre der Heiligen Schrift und zum Gebet sowie die Einübung einer Lebensdisziplin, die euch zur Beherrschung des Gefühlslebens, zur Hingabe und zur Ausdauer in der Arbeit befähigt. Daß die Ausbildung zum Apostolat bei all dem nicht vergessen werden darf, versteht sich von selbst. Wir zählen auf euch und all eure Fähigkeiten, damit ihr das Volk von Kamerun zu Jesus Christus hinführt. Dieses Volk verlangt dringend nach ganzheitlicher Entwicklung, wird aber verunsichert durch die Erfordernisse einer technischen Zivilisation, wo der Sinn für das Religiöse sich abschwächt. Zudem kann es durch einen gewissen Rückfall ins Heidentum oder durch verschiedene Formen falscher Religiosität in Versuchung geraten. Die von euren Bischöfen und Seminarleitern aufgestellte „Ratio nationale institutionis sacerdotalis“ zeigt interessante und sichere Wege für die Ausbildung der Priesteramtskandidaten auf. Ich wünsche, daß ihr mit euren Regenten diesen schwierigen, aber begeisternden Weg geht. Habt Mut und Vertrauen, haltet euch an euren großen Freund Christus, der euch aus Gnade in seinen Dienst gerufen hat. Das innere Feuer eurer Hingabe 6. Und jetzt wende ich mich euch, liebe Ordensleute, zu, die ihr als Missionare nach Kamerun gekommen oder die ihr hier geboren seid. Auch ihr habt einen besonderen Platz in der hiesigen Ortskirche. Ihr leistet in der Pfarreiseelsorge, in Unterricht und Erziehung sowie in der Krankenpflege und in diakonischen Aufgaben aller Art unbezahlbare Dienste. Außer eurer beruflichen Tüchtigkeit bringt ihr dafür eine uneingeschränkte Verfügbarkeit mit, weil ihr nicht für eine eigene Familie zu sorgen braucht. In einem tieferen Sinn aber legt ihr durch euer Dasein als Ordensleute Zeugnis ab für das Reich Gottes, das Jesus in den Acht Seligkeiten beschrieben hat und das in dieser Welt bereits keimhaft verwirklicht ist. Ihr habt euch ganz diesem Reich verschrieben. Was euch 821 REISEN zu diesem entbehrungsreichen Leben gedrängt hat, ist die Freude, Jesus in Keuschheit, Armut und Gehorsam nachzufolgen, sowie der Wille, radikal nach seinen Forderungen zu leben, und schließlich eure ungeteilte Liebe zu ihm. Schon der Apostel Petrus hat an die ersten Christen geschrieben: „Ihn habt ihr nicht gesehen, und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht; aber ihr glaubt an ihn und jubelt in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude, da ihr das Ziel des Glaubens erreichen werdet: euer Heil“ (1 Petr 1,8-9). Diese selbstlose Liebe findet ihren besonderen Ausdruck bei den Mönchen und Nonnen in den geschlossenen Klöstern des Landes, die im Namen all ihrer Brüder und Schwestern ihr Leben dem Gotteslob und der Fürbitte geweiht haben. Diese Mitglieder beschaulicher Orden stehen im Dienst der Ehre Gottes; sie sorgen im verborgenen dafür, daß das innere Feuer der Kirche nie auslöscht. Wie ich weiß, sind sie auch hier vertreten. Ihr alle, liebe Ordensleute, habt besonderen Anteil an der Erlösung durch Christus. Mit ihm bringt ihr euch als lebendiges Opfer dar (vgl. Röm 12,1). Dabei beseelt euch die erlösende und zugleich bräutliche Liebe des Herzens Jesu, die durch sein Opfer einen neuen Bund mit Gott gestiftet hat. Wie ihr wißt, habe ich in meinem Rundschreiben Redemptionis donum vom vergangenen Jahr diese Themen für euch entfaltet. Diese Art der Christusnachfolge ist maßgebend für die Patres und Brüder in tätigen und in beschaulichen Orden. Meine Gedanken wenden sich aber in erster Linie den weiblichen Ordensgemeinschaften zu, da 18 Schwestern in wenigen Augenblicken ihre zeitliche bzw. ewige Profeß ablegen werden. Es sind dies Dienerinnen Mariens von Douala (Schwestern aus Kamerun und dem Kongo), Töchter Mariens von Yaounde, Schwestern der hl. Theresia vom Kinde Jesu von Buea und Schwestern aus dem Dritten Orden des hl. Franziskus von Brixen. Das Ordensleben und andere Formen gottgeweihten Lebens sind ein großes Geschenk Gottes an eurer Land und ein Zeichen der Reife im Sinn des Evangeliums. Ich beglückwünsche gleichzeitig auch die Schwestern aus dem Ausland. Ihr Zeugnis in Vergangenheit und Gegenwart ist zweifellos ein entscheidender Beitrag zur Weckung neuer Berufungen und zur Entstehung neuer einheimischer Ordensgemeinschaften. Liebe Schwestern, die Feier, die wir jetzt begehen, ist ein Ausdruck eures Engagements. Ihr verpflichtet euch zu einem Leben, das ganz Christus geweiht ist, dem ihr in den Menschen, seinen Brüdern, dienen wollt. Diese Bereitschaft werdet ihr jeden Tag innerlich erneuern müssen. Eure Gemeinschaft wird euch dabei helfen, indem sie für euer Leben des Teilens und der Selbstverleugnung in vollkommener Keuschheit und 822 REISEN Armut den äußeren Rahmen bietet. Sie kann jedoch eure persönliche Wachsamkeit nicht ersetzen; ihr seid selber dafür verantwortlich, daß die Lampe, die ihr wie die klugen Jungfrauen im Evangelium bei der Ankunft des Bräutigams in den Händen halten sollt, nicht erlischt. Aber fürchtet euch nicht! Wir werden Gott um sein Erbarmen bitten; zusammen mit der Liebe eurer Mitschwestern wird er eure Stütze sein. Denen, die die zeitliche Profeß ablegen, werde ich das Kreuz überreichen und sie dabei auffordern, sich rückhaltlos an Christus zu binden. Denen, die die ewige Profeß ablegen, werde ich den Ring an den Finger stecken mit den Worten: „Von jetzt an bist du Christus vermählt.“ Christus sei eure Kraft und eure Freude bis ans Ende eurer Tage! Er schenke euch geistliche Fruchtbarkeit in eurem Leben der Hingabe in der Kirche. 7. „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.“ Ich wende mich jetzt an die Katecheten. Wie ich weiß, seid ihr mehr als zehntausend im ganzen Land. Liebe Freunde, wenn es euch und euren Dienst in der Kirche nicht gäbe, wer sollte da die den Aposteln und Hirten anvertraute Botschaft des Evangeliums in den Dörfern und in den Wohnvierteln der Städte wirksam verkünden? Wer sollte sie da übersetzen, erläutern und allmählich in die Kultur der Bewohner von Kamerun, seien sie jung oder alt, einfließen lassen? Wer sollte die geduldige Vorbereitung auf den Empfang der Sakramente gewährleisten? Wer sollte dann den Glauben Tag für Tag lebendig erhalten und in Gebet und Alltagspraxis zur Entfaltung bringen? Ihr habt eine enorm wichtige Aufgabe als Zeugen, als Lehrer und als mitreißende Vorbilder. Ein echter kirchlicher Dienst ist euch Laien damit aufgetragen. Dieser erfordert natürlich die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Priestern sowie die biblische und katechetische Ausbildung, die euch in den dafür geschaffenen Zentren geboten wird. Wie ich es aber auch schon den Priestern, Diakonen und Ordensleuten gesagt habe, ist es in erster Linie die Echtheit und Kraft eures Glaubens, eures Gebetes und eures christlichen Lebens als einzelne, in der Familie und im Beruf, die euren kirchlichen Dienst mit der Gnade Gottes fruchtbar macht. <158> <158> Es ist mir eine Freude, außer den eigentlichen Katecheten hier auch noch viele andere apostolisch tätige Laien anzutreffen. Liebe Brüder und Schwestern, in Taufe und Firmung habt ihr die Gabe und die Aufgabe erhalten, inmitten eurer irdischen Tätigkeit aktive 823 REISEN Glieder der Kirche und Zeugen für Christus zu sein. Das Zweite Vatikanische Konzil machte in diesem Zusammenhang die Aussage, daß ihr am allgemeinen Priestertum der Gläubigen sowie an deren Prophetenamt und Königtum Anteil habt. Manche von euch helfen in den christlichen Gemeinden bei der Gestaltung von Gebetsstunden und Gottesdiensten, im Unterricht und in der christlichen Erziehung sowie in diakonischen Aufgaben aller Art an den Kranken und Armen der Pfarrei mit. Ihr seid aber auch berufen, mitten in der Welt Zeugnis abzulegen für Christi Gerechtigkeit, Liebe, Wahrheit und Reinheit. So tragt ihr dazu bei, daß sich die Menschen zu einem besseren Lebenswandel bekehren und daß ihr Denken sich ändert. Daraus können sogar feste soziale Stukturen entstehen, die einem solchen Sinneswandel entsprechen und ihrerseits diesen wieder beeinflussen. Das erste Arbeitsfeld für einen solchen Einsatz ist die Familie. Es gibt sehr viel zu tun, den Eheleuten zu helfen, daß sie die Liebe zum Ehepartner und zu den Kindern so leben und sich so darauf vorbereiten, wie es Christen geziemt, indem sie die Hindernisse überwinden, welche manche überkommenen Einrichtungen und modernen Versuchungen der Aufrichtigkeit, Ausschließlichkeit und Dauerhaftigkeit ihrer Liebe in den Weg legen. Wir werden in Bamenda noch eingehender darüber sprechen. Ich denke auch an die so unterschiedlichen Verhältnisse im Berufsleben, das zusehends mehr von Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Mut geprägt sein sollte, damit niemand in seinen Rechten verletzt wird und das Allgemeinwohl gesichert ist. Die in diesem Land so zahlreichen Jugendlichen, gleichgültig ob sie studieren, in den Städten berufstätig sind oder auf dem Land arbeiten, brauchen besonders notwendig Hilfe in ihren christlichen Entscheidungen und ihrem Einsatz angesichts der Veränderungen der Gesellschaft. Denn die Gläubigkeit, der Sinn für menschliche Beziehungen, die Verwurzelung in der Familie und die Arbeitsmoral sind oft bedroht. Ich weiß, daß die katholische Landjugend, die katholische studierende Jugend, die christliche Arbeiterjugend, die katholische Aktion für Kinder, die Legio Mariae, die katholische Aktion für Familien sowie verschiedene Bruderschaften bei euch tätig sind. Diese und andere Bewegungen können entscheidend zur Vertiefung und zur Beständigkeit des Apostolats beitragen. Der Ruf und das Vertrauen der Kirche gilt aber allen Getauften, gleichgültig ob sie in Verbänden zusammengeschlossen sind oder nicht. Es geht für uns nicht darum, den nichtkatholischen Mitbürgern unsere Forderungen aufzuzwingen, sondern für diese Zeugnis abzulegen und sie in Freiheit wünschenswert und schmackhaft zu machen, damit daraus eine mensch- 824 REISEN lichere Gesellschaft entstehen kann, in der moralische und religiöse Werte ihren Platz haben. Jesus hat zu seinen Jüngern gesagt, und ich wiederhole es heute bei euch: Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt, ihr seid der Sauerteig, der den ganzen Teig durchsäuern soll. 9. Liebe Brüder und Schwestern, ihr seid alle Glieder am Leib Christi. Jeder von euch hat seine Berufung und Aufgabe in Kirche und Welt. Erfüllt sie aus Überzeugung und voll Eifer: Euer Heil und das eurer Mitmenschen hängen davon ab. Erfüllt sie in Demut, denn sie ist Ruf und Gabe Gottes; wir alle tragen diesen Schatz in irdenen Gefäßen, denn wir sind verstrickt in die Schwäche der Menschen, die uns umgeben, und in die Versuchungen des Bösen, die in uns sein Unwesen treibt. Tut eure Pflicht in Zuversicht, Vertrauen und Freude, denn der Herr ist mit euch und wird euch immer beistehen, wenn ihr ihm die Treue haltet. Stützen wir uns auf den Fels des Glaubens! Nachdem Petrus in seinem Glaubensbekenntnis Jesus als den Messias und Sohn Gottes bekannt hatte, sprach der Herr zu ihm: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“ Ich bin in seinem Namen gekommen, um euch in diesem Glauben zu stärken. Nehmen wir immer wieder Zuflucht zum Gebet! Alles, was wir tun, soll geprägt sein von der Liebe, in der das ganze Gesetz zusammengefaßt ist. Machen wir aus unserem Leben eine Opfergabe für Gott und weihen wir es dem Dienst an den Brüdern, damit die Menschen durch unsere Hingabe Gott besser erkennen. Folgen wir dem Beispiels Mariens; sie ist das Vorbild des Glaubens und der Dienstbereitschaft. Ich bin froh zu wissen, daß diese Kathedrale, ebenso wie die Wiege der Evangelisierung eures Landes, der Marienberg, Unserer Lieben Frau geweiht ist. Maria ist auch eure Mutter und wird euch immer helfen, den mystischen Leib ihres Sohnes, die Kirche, aufzuerbauen. Amen. 825 REISEN „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ Ansprache bei der Messe mit Priesterweihe in Yaounde (Kamerun) am 11. August 1. „Dies ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören“ (Mk 9,7). Diese Worte hörten die Apostel Petrus, Jakobus und Johannes auf dem Berg Tabor, im Augenblick der Verklärung des Herrn. In einem gewissen Sinn vernehmen auch wir sie, wir alle, die wir am Altarsakrament teilnehmen, wenn der Priester über Brot und Wein die eucharistischen Worte der Verklärung spricht: „Dies ist mein Leib..., dies ist mein Blut.“ Durch die Macht dieser Worte und durch den Willen Christi wird das Brot zum Leib und der Wein zum Blut unseres gekreuzigten, auferstandenen und verklärten Herrn. In der Wirklichkeit des heiligen Sakraments macht sich Christus gegenwärtig, er selbst, der an dem Tag, an dem die Apostel das Wort des Vaters vernahmen: „Dies ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören“, auf dem Berg der Verklärung gegenwärtig gewesen ist. 2. Tatsächlich nähern wir uns Christus, hören auf ihn und blicken mit Bewunderung auf ihn, verehren ihn und beten ihn an, von Ehrfurcht, Achtung und Freude erfüllt. Er gleicht dem Menschensohn, den Daniel schaute. In einer prophetischen Vision erscheint er ihm in einer Wolke, die an die Herrlichkeit Gottes und an das Geheimnis erinnert, das ihn umgibt. Nur er hat Zugang zum Thron Gottes, ihm ist das Königtum über alle Nationen gegeben (vgl. Dan 7,13—14). Für Petrus und die anderen Apostel, die ihn mit ihren Augen auf dem hl. Berg Galiläas geschaut haben, empfängt Jesus, der menschgewordene Gottessohn, die strahlende Herrlichkeit Gottes, das Zeugnis, daß er der geliebte Sohn ist, an dem der Vater Gefallen gefunden hat (vgl. 2 Petr 1,17). Auf ihn war die Sendung des Moses, Führer des geretteten Volkes, und des Elija, hervorragend unter den Propheten, hingeordnet. Ja noch mehr: Er trägt von jetzt an die Züge, die nach der Vision Daniels die Züge Gottes selbst sind; wie ein Hochbetagter erschien Gott über allem Geschaffenen, und sein Antlitz und seine Kleider waren von einem leuchtenden Weiß, das jeden bisher gesehenen Glanz übertrifft. Jesus trägt nunmehr diesen Glanz für alle Ewigkeit an sich, seitdem er, der von den Toten Auferstandene, zur Rechten des Vaters seinen Platz hat. Ihm 826 REISEN war es gegeben, das versiegelte Buch zu öffnen, das Gott in der Hand hält (vgl. Offb 5,7). Die Verklärung verkündete seine Auferstehung und seine Himmelfahrt. Schon während seines irdischen Lebens war er der Herr, obgleich über dieser Tatsache für gewöhnlich ein Schleier lag. Es ist das Geheimnis seiner Person, daß er seit jeher der Sohn, das mit dem Vater vollständig vereinte Wort ist (vgl. Joh 1,18). Durch sein Kommen im Fleisch hat er den Vater geoffenbart, und die Apostel haben seine Herrlichkeit geschaut (vgl. Joh 1,14). Er ist unser geliebter Herr. Um uns zu erlösen, hat er unter uns gewohnt. Er hat sich zum Diener gemacht. Er hat sein Leben hingegeben. Er hat uns seinen Leib und sein Blut gegeben und gibt es uns weiterhin, damit wir mit ihm Kinder Gottes werden. Das, geliebte Brüder und Schwestern, ist also die Größe des Geheimnisses, das wir heute feiern. Kommt, laßt uns den Erlöser anbeten! Treten wir dankend hin zu ihm! Treten wir mit ihm in die Wolke ein, d. h. in die innige Gemeinschaft mit Gott. Leben wir von jetzt an als Kinder Gottes, als Brüder und Schwestern, über denen Gott das Licht seines Sohnes auf leuchten ließ. 3. Dieses Geheimnis betrifft uns alle. Zuerst euch, liebe Freunde, ihr Diakone, die ihr mit der Priesterweihe die Kraft des Heiligen Geistes empfangen werdet, um auf besondere Weise am innersten Leben Christi und an seiner Sendung als Erlöser teilzuhaben. Dieses Geheimnis betrifft aber auch euch, die ihr an dieser liturgischen Feier als Hirten oder Glieder des Volkes Gottes in Kamerun teilnehmt. Insbesondere begrüße ich Erzbischof Jean Zoa von Yaounde und alle Bischöfe dieser Kirchenprovinz, deren Metropolitansitz ich heute besuche, sowie die Bischöfe und die Angehörigen der Diözesen Bafia, Bertoua, Doume-Abong-Mbang, Mbalo und Sangmelima. Auch grüße ich die Bischöfe und die Christen, die aus anderen Provinzen Kameruns gekommen sind, und ganz besonders die aus den Diözesen der Weihekandidaten. Darüber hinaus danke ich dem Herrn Präsidenten der Republik und den Zivilbehörden sowie den Vertretern der anderen religiösen Gemeinschaften, die in der Hauptstadt Kameruns an diesem großen Ereignis der katholischen Gemeinschaft teilnehmen wollten: Sie feiert ihren Herrn gemeinsam mit dem Nachfolger Petri, im Augenblick der Weihe neuer Priester. Vergessen wir auch nicht, daß wie gemeinsam mit unseren in Nairobi versammelten Brüdern und Schwestern beten; beginnen doch dort heute 827 REISEN die Feierlichkeiten des 43. Internationalen Eucharistischen Kongresses, der einer der Gründe für diese meine dritte Pastoraireise nach Afrika ist und ihren Höhepunkt darstellen wird. 4. Der Priester ist besonders dazu berufen, Zeuge des verklärten Herrn zu sein, nicht nur Zeuge der Verklärung auf dem Berg Tabor, sondern jener, die er uns für immer im- eucharistischen Geheimnis hinterlassen hat. Dort begnügt sich der Priester nicht damit, Zeuge zu sein; ihm ist vielmehr das Amt übertragen, die eucharistische Wandlung zu vollziehen, die wie eine Verklärung ist, eine Kundgabe, durch die sich Christus auf immer und unablässig auf sakramentale Weise unter uns gegenwärtig macht. Er macht sich gegenwärtig, um sein einmaliges und erhabenes Opfer zu vollziehen. Durch das Sakrament der Priesterweihe wird der Getaufte zum Werkzeug im Dienst dieses Geheimnisses: er handelt durch die Macht Christi, im Namen Christi, „in persona Christi“. 5. Die Apostel wurden Zeugen der Verklärung und wurden auch als erste zu Vollzieher der Eucharistie gemacht. Sie waren auf dem Berg ins Innerste des göttlichen Geheimnisses Jesu eingedrungen und nahmen am Abendmahl des Gründonnerstags teil; dann waren sie Zeugen des Leidens und schließlich der Auferstehung. Sie hörten und sahen; sie empfingen die Mission: „Geht, lehrt. Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Die Bischöfe erben diese apostolische Mission in ihrer Fülle. Heute morgen empfangen 15 Söhne dieses Landes durch die Handauflegung, wie sie seit den Tagen der Apostel überliefert ist, und durch das Gebot der Kirche das Priestertum und werden zu engen Mitarbeitern ihrer Bischöfe. „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; ich habe euch Freunde genannt“, sagte Christus zu seinen Aposteln in dem Augenblick, in dem er ihnen seine heiligen Geheimnisse offenbarte und weitergab (vgl. Joh 15,15). Ihr erfüllt - in gehorsamer Gemeinschaft mit euren Bischöfen - die Aufgabe von Führern und Hirten. Dem Volk, das euch anvertraut ist, werdet Hirte. Setzt eurem priesterlichen Handeln stets das Ziel, eure Brüder und Schwestern zu lebendigen Gliedern des Leibes Christi und Teilhabern an seinem göttlichen Leben werden zu lassen, die von seiner Liebe zum Vater und zu den Menschen durchdrungen und mit seinem Opfer vereint sind. Die Eucharistie wird stets den Höhepunkt dieses Amtes darstellen. Zuerst jedoch müßt ihr die Gläubigen im Glauben heranbilden, seien sie nun Erwachsene, Jugendliche oder Kinder; ihr sollt treu und furchtlos das Wort Gottes und das Geheimnis Christi verkünden, das ganze Evange- 828 REISEN lium, das die Frohbotschaft von der Liebe Gottes und gleichzeitig ein Aufruf zur Bekehrung ist. Ihr werdet es mit missionarischem Geist jenen verkünden, die noch nicht in den Glauben eingeführt sind, und jenen, die ihn mehr oder weniger kennen, auf daß sie ihn vertiefen. Ihr werdet das der Lehre der Kirche entsprechend tun, der Christus seine Botschaft anvertraut hat, damit sie diese im Lauf der Jahrhunderte mit Hilfe des Heiligen Geistes immer klarer aussage und vertiefe. Ihr selbst werdet unablässig das Wort Gottes betrachten, um das zu lehren, war ihr glaubt, und das zu leben, was ihr lehrt. Ihr seid mit der Predigttätigkeit Jesu, unseres Herrn, verbunden. Der Herr bindet euch gleichzeitig an sein gesamtes Werk der Heiligung durch die Sakramente, die er seiner Kirche geschenkt hat. Ihr seid dazu berufen, durch die Taufe die Menschen in das Volk Gottes einzugliedern, und in diesem Augenblick intensiver Evangelisierung Kameruns gibt es viele Taufbewerber. Der Herr vertraut euch auch die Sorge um die Versöhnung der getauften Sünder an, indem er sie zur Bekehrung aufruft und ihnen das Sakrament der Buße anbietet. Er vertraut euch die Aufgabe an, die Kranken zu besuchen und sie mit dem Sakrament der Krankensalbung zu stärken, und die Aufgabe, Brautleute auf den sakramentalen Ehebund vorzubereiten und ihn zu segnen. Vor allem aber ist es euch anvertraut, das Abendmahl des Herrn immer wieder neu zu feiern und den Kommunikanten das Brot des Lebens zu reichen. Liebe Freunde, ich werde euch zu Priestern weihen, und ihr werdet vom Herrn den Auftrag empfangen, um euren Bischof geschart, dem Volk Gottes zu dienen mit der Macht, die nur die Macht Christi, des einzigen Priesters, ist; der Macht zu lehren, zu heiligen, zu führen als guter Hirt, ihm den Weg zu Gott zu weisen und werdet ihm die Lebensregeln lehren, die es allen Gliedern gestatten, in Kirche und Gesellschaft alle ihnen zukommenden Verantwortungen zu übernehmen. Ihr werdet über die Einheit und Liebe unter euren Christen wachen, die ein Prüfstein für die Jünger Christi sind. 6. Dieses Amt, liebe Freunde, werdet ihr mit der Gnade Gottes in aller Demut erfüllen: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt..., daß ihr Frucht bringt“ (vgl. Joh 15,16). Soll jedoch euer Zeugnis glaubwürdig sein und soll die Gnade, die ihr in zerbrechlichen Gefäßen tragt (vgl. 2 Kor 4,7), tief in die Seelen eindringen, müßt ihr euer Leben dem angleichen, was ihr tut. Wenn ihr das Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi feiert, seid darauf bedacht, jede schlechte Neigung in euch zum Erlöschen zu bringen. Ihr habt euch durch ernste 829 REISEN theologische Studien auf das Priestertum vorbereitet; durch ständige Weiterbildung in der Glaubenslehre sollt ihr immer tiefer in das Evangelium eindringen. Ihr sollt Meister des Gebetes ein: Ihr müßt zuerst, wie die Apostel auf dem Berg, in innerem Gebet mit dem Herrn verweilen. Dann werdet ihr unter den Augen Gottes leben und die mit eurem Amt verbundenen Begegnungen vollziehen können. Ja, noch mehr: Ihr seid beauftragt, im Namen des Volkes Gottes und der Welt Dank und Flehen zum Ausdruck zu bringen. Ihr steht im Dienst der Menschen in ihrer Beziehung zu Gott: Lehrt die Laien, die zeitlichen Angelegenheiten in Treue zu Gott zu verwalten; aber laßt euch nicht selbst auf profane Tätigkeiten ein, da es doch für das Reich Gottes, dem ihr euer Leben geweiht habt, so viel zu tun gibt. Macht dem Ruf Christi Ehre! Möge es den Gläubigen möglich sein, durch das Zeugnis eures Lebens zu verstehen, daß ihr Christus nicht nur eure Zeit weiht, sondern auch die Kräfte der Liebe, die ihr in euch tragt, um ihm in Keuschheit und in einem armen, ganz für Gott und die Mitmenschen verfügbaren Leben zu dienen! Dann mögen Prüfungen, Mangel an Verständnis, ja sogar Beschimpfungen und Verfolgungen kommen können, wie es in der Bergpredigt heißt und wie es den Jüngern des gekreuzigten Christus vorhergesagt wurde; aber ihr werdet stark bleiben. Christus wird euch stützen; ihr werdet den Frieden und die Freude erfahren, die seinen treuen Dienern verheißen sind. Euer Herz wird auf dem Berg Tabor verweilen. 7. Dann, liebe Freunde, wird diese Freude über die Bindung an Christus noch eine andere Wirkung hervorbringen: Ihr werdet nicht nur mit missionarischem Geist eure Gläubigen für das christliche Leben begeistern, sondern auch andere Jugendliche dazu mitreißen, alles für Christus zu verlassen; ihr werdet weitere Priester- und Ordensberufungen wecken. Ist das nicht der Test für die Qualität eines Priesterlebens? In Kamerun gibt es eine bemerkenswerte Zahl von Berufungen. Seit dem Beginn haben die Missionare den neuen Berufungen besondere Aufmerksamkeit zugewandt. Gerade in diesem Jahr gedenken wir der 50. Wiederkehr des Weihetages der ersten acht kamerunischen Priester, von denen einer noch unter uns weilt, nämlich Reverend Jean-Oscar Awue, dem ich meinen Apostolischen Segen spende. Bitten wir den Herrn, er möge zahlreiche Arbeiter für seine Ernte senden, welche die Gaben der Ausdauer, der Festigkeit, der Reife und der Heiligkeit besitzen. Und das nicht nur, um das christliche Leben jener zu erhalten und zu vertiefen, die bereits evangelisiert sind, sondern um das Evangelium all jenen zu verkünden, die noch nicht die Gnade haben, es zu kennen. Das gilt für alle Diözesen, 830 REISEN besonders für die im Norden Kameruns, in denen die Missionsarbeit erst am Anfang steht. Darf ich euch anvertrauen, daß auch die anderen Länder des afrikanischen Kontinents afrikanische Missionare erwarten? 8. Nun wende ich mich nicht nur an die Weihekandidaten, sondern auch an ihre Eltern, ihre Freunde, ihre Erzieher und Professoren, an die Pfarreien und die Seminare, in denen diese Berufungen aufbrechen, keimen und reifen konnten. Wie schön ist es, einen der euren bis zum Priesteramt zu begleiten. Gott schenkt den Weihekandidaten seine Gnade, er hat sich aber eurer Mitarbeit, eures Beispiels und eurer Verfügbarkeit bedient. Nehmt meine Glückwünsche an! Möge der Herr euch segnen! Unterstützt weiterhin solche Berufungen! Seid auch darauf bedacht, mit eurem Gebet, eurem Wohlwollen und eurer Mitarbeit den Priestern beizustehen, die Gott euch geschenkt hat. Nehmt sie stets mit jenem Respekt und jenem Vertrauen auf, das die Gesandten des Herrn verdienen. 9. Auf dem Berg Tabor haben die Apostel Petrus, Jakobus und Johannes den verklärten Jesus gesehen, eine Ankündigung der Herrlichkeit, in der er nach der Auferstehung weilen würde. Deshalb verbot ihnen der Meister, „irgend jemand zu erzählen, was sie gesehen hatten, bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei“ (Mk 9,9). Sie verstanden den Sinn dieser Worte nicht, wie auch wir selbst am Tag unserer Priesterweihe wohl noch nicht die Tiefe des Geheimnisses Jesu verstehen. Zuerst muß man Jesus in einer geistlichen Erfahrung nachfolgen, die über das Kreuz führt. Die Apostel verstanden das erst nach der Auferstehung. Sie wurden zu Zeugen des gekreuzigten und in Herrlichkeit auferstandenen Christus. Für ihn legten sie Zeugnis ab bis zum Tod, bis zur Vergießung ihres Blutes. Dieses Zeugnis wird in der Kirche weitergeführt. Es geht von einer Generation zur anderen über. Es ist vor fast 100 Jahren in euer Land gelangt, nach Yaounde, nach Kamerun, wie nach ganz Afrika. Es muß von euch bis an die Grenzen der Erde getragen werden, zu allen Nationen, Stämmen und Familien der Welt. Das ist der Wille des Herrn. Er ist es, der uns sendet, für das Heil der Welt. <159> <159> Die Apostel vernahmen auf dem Berg Tabor auch eine Stimme, die aus der Wolke kam: „Auf ihn sollt ihr hören“ {Mk 9,7). So gab der himmlische Vater Zeugnis für Christus, seinen eingeborenen Sohn: „Auf ihn sollt ihr hören.“ 831 REISEN In Kana in Galiläa sagte auch die Mutter Christi, des Menschensohnes, gleichsam als Echo auf diese Worte des Vaters zu den Dienern beim Hochzeitsmahl: „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 5,2). Liebe, heute geweihte Priester, ihr müßt diese Worte aus ganzem Herzen aufnehmen! Ihr müßt sie anderen weitergeben und auf diese Weise die Kirche bauen. Die Kirche des lebendigen Gottes wird in den Menschenherzen durch den Gehorsam Christus gegenüber aufgebaut, dem gegenüber, der selbst „gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Philip). Nur dann wird die Kirche - die der Leib Christi ist - in jener Klarheit auf leuchten, die ihn auf dem Berg Tabor umgab (vgl. Präfation der Messe). Ja, bleibt in seinem Licht. Auf ihn sollt ihr hören! Auf ihn wollen wir hören! Für Gott ist nichts unmöglich Angelus in Yaounde (Kamerun) am 11. August Dem christlichen Brauchtum entsprechend, wenden wir uns jetzt, in der Mitte des Tages, im Angelusgebet an Maria. Jeden Sonntag pflegt der Papst es in Rom mit den auf dem Petersplatz versammelten Pilgern zu beten. Heute tue ich das mit euch, liebe Christen aus Yaounde und Einwohner Kameruns. Mit Maria danken wir. Nachdem sie den Erlöser in sich aufgenommen hatte, lobte sie durch die Kraft des Heiligen Geistes und mit dem Glauben und der Verfügbarkeit, die ihr kennt, im Haus Elisabeths besser als irgend jemand anderer den Herrn, der Großes an ihr getan hatte. Heute hat der Herr 16 neue Priester mit der Kraft seines Geistes erfüllt, um sie zum Dienst am Volk Gottes auszusenden. Mögen sie stets für die empfangene Gabe danken! Auch ihr, liebe Brüder und Schwestern, die ihr diese Priester wie eine Gabe Gottes aufnehmt und die ihr selbst am Geheimnis der Verklärung und an der leuchtenden Gegenwart des Herrn in unserer Mitte teilgenommen habt. Wir öffnen unser Herz dem ganzen afrikanischen Kontinent. Wie könnte man an diesem Festtag, an diesem Sonntag, in dieser Oase des Friedens jene vergessen, die anderswo vom Unglück heimgesucht werden? Ich denke im besonderen an die zahllosen Opfer der jüngsten blutigen Zusammenstöße, die sich in den vergangenen Tagen in Südafrika ereignet 832 REISEN haben und ganz Afrika und die ganze Welt mit Sorge erfüllen. Wie bereits im Verlauf des Angelusgebets am vergangenen Sonntag und während der Mittwochsaudienz in Rom möchte ich meinen tiefen Schmerz, meine Sorge und mein Gebet zum Ausdruck bringen. Gott nehme alle diese Opfer in seinen Frieden auf. Er inspiriere alle mit Weisheit, gerechtem Verhalten, mit Achtung vor der Würde der anderen, mit dem Willen zum Frieden, damit unverzüglich aller unwürdigen Diskriminierung des Menschen und aller für den Menschen schädlichen Gewalt ein Ende gesetzt werde. Laßt uns auch beten für das Glück dieses Gastlandes: für die Kirche in Kamerun. Wir bitten besonders die heilige Jungfrau Maria, sie möge für die Heiligkeit aller Priester ihres Sohnes Fürsprache einlegen, wir beten um die Stärkung des Glaubens aller Jünger ihres Sohnes, um die Weiterführung der Evangelisierung dieses Landes. Als im Oktober 1890 die ersten Missionare in Kamerun, in der Nähe von Edea, ankamen, war es ihnen menschlich unmöglich, die Zukunft ihrer Mission vorauszusehen, so schwer waren die Lebensbedingungen. Gleich nach ihrer Ankunft jedoch weihten sie ihre Gründung Maria, der Königin der Apostel, und gaben ihr den Namen Marienberg. Mit Maria glauben wir, daß für Gott nichts unmöglich ist. Wir vertrauen ihr die Früchte dieser Mission an. Möge der in ihr menschgewordene Christus unter uns wohnen und uns unaufhörlich von der Finsternis in sein wunderbares Licht führen! „Das christliche Leben ist ein Kampf“ Predigt bei der Messe und Sakramentenspendung in Garoua (Kamerun) am 11. August <160> <160> „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Dies sind die Worte, die Christus als höchste Weisung in dem Moment an die Apostel richtete, als er seinen Auftrag als Gesandter und Sohn Gottes, dem alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben wurde, erfüllte (vgl. Mt 18,18). Kraft dieser Weisung müssen die Apostel sein Evangelium in die Welt tragen. Sie haben den Auftrag, zu unterweisen und zu taufen, die Men- 833 REISEN sehen zu lehren, die Gebote, die Christus ihnen gegeben hat, zu befolgen. Er selbst bleibt bei uns bis zum Ende der Welt. Und bei der ganzen Kirche. 2. Heute möchte die Kirche in Kamerun in Anwesenheit des Nachfolgers des Apostels Petrus ins Gedächtnis rufen und darüber nachdenken, wie sich die Weisung des Herrn inmitten der Söhne und Töchter eures Landes und besonders in eurer Provinz Garoua verwirklicht hat. Die katholischen Gemeinden der anderen Provinzen erleben schon seit einem halben Jahrhundert einen schönen Aufschwung. Protestantische Missionare waren den Katholiken vorausgegangen, um das Evangelium in den Südkamerun und auch ein wenig in den Norden zu tragen. Aber der Hl. Stuhl, der spürte, wie sehr es hier und in den Nachbarregionen des Tschad der Evangelisation bedurfte, entschied im Jahre';194'6, die Verantwortung den Oblaten der Makellosen Jungfrau Maria (OMI) zu übertragen. Msgr. Yves Plumey, den ich hiermit ehrerbietig grüße, stand an der Spitze jener tapferen Pioniere. Sie sind in dieses unermeßliche Gebiet mit den zahlreichen Volksgruppen, von denen jede eine eigene Sprache besitzt, gekommen, um in den Städten, in den Dörfern und auch in den Savannen des Nordens und in den Bergen zu leben. Von Anfang an haben sie sich auf eingeborene Freunde und Mitarbeiter stützen können, die ihnen dieses Land vertraut gemacht haben. In einigen Jahrzehnten haben sie sich unsagbare Mühe gegeben, die Missionsstationen, die Schulen und die Krankenstationen zu vervielfältigen. Sie haben zahlreiche Katecheten ausgebildet. Inmitten zahlreicher menschlicher Prüfungen haben sie die Einwohner, von denen sie mit Freude und Vertrauen empfangen wurden, getauft und gelehrt. Ehren möchte ich hier berechtigterweise die Oblatenpatres und -brüder -Franzosen, Kanadier, Polen —, die Priester „fidei donum“, die Schwestern von der Hl. Familie von Bordeaux, die Töchter Jesu von Kermaria, die Töchter vom Heiligen Geist, die Schwestern vom Heiligsten Herzen Jesu von Saint-Jacut und viele andere Gläubige und Laienmissionare, die später kamen, um mit ihnen zu arbeiten. Bereits Papst Pius XII. hat in seinen Ausführungen zur Entwicklung der Missionen deutlich gemacht, daß sie nur eine vorläufige Etappe in der Geschichte der Kirche seien; eines Tages müßten sie einer eigenständigen Kirche Platz machen, die voll verfaßt ist mit ihren eigenen Bischöfen, Priestern und Laien. Die Katholizität der Kirche wird erst dann voll verwirklicht sein, wenn sie 834 REISEN in all den verschiedenen Nationen der Welt vertreten sein wird (vgl. Enzyklika Evangelii praecones, 2. Juni 1951). Während der ersten Evangelisation ist es schwer, dieses Ziel zu erreichen. Und doch sind schon eine ganze Reihe von Söhnen und Töchtern dieses Landes Katecheten, Ordensmänner und Ordensfrauen, ständige Diakone, Seminaristen, Priester und in einigen Diözesen Bischöfe von Kamerun geworden. Neben den beiden Missionsbischöfen Msgr. Jaques de Bernon, Bischof von Maroua-Mokolo, und Msgr. Jean Paquier, Bischof von Ngaoundere, freue ich mich, Msgr. Christian Wiyghan Tumi, den Erzbischof von Garoua, dem ich für seinen herzlichen Empfang danke, und Msgr. Antoine Ntalou, Bischof von Yagoua, zu begrüßen. Abgesehen von Garoua, wo seit 1953 das apostolische Vikariat und im Jahre 1982 die Erzdiözese eingerichtet wurde, besitzen die vier Diözesen der Provinz eine Struktur, die eine wesentliche Ausdehnung der Evangelisation erlaubt. Ja, die Verkündung des Evangeliums hat hier, wie in den ersten apostolischen Zeiten, reife und sehr schöne Früchte getragen. Neben den katholischen Gemeinden aus dem Nordkamerun grüße ich unsere Brüder und Schwestern im Glauben, die aus den Nachbarregionen des Tschad und Nigerias gekommen sind. Wir freuen uns, euch hier unter uns zu sehen, denn wir' haben nicht aufgehört, eure Anliegen in unser Gebet einzuschließen. 3. Wir haben hier die Verdienste der Pioniere unterstrichen, aber Gott wollen wir rühmen: Er hat zu einem bestimmten Zeitpunkt eurem Land sein Erbarmen erwiesen, wie er es jedem'unserer Länder getan hat. Sein Heiliger Geist hat den Eifer bei seinen Gesandten und den Glauben im Herzen derer, die sie empfingen, entfacht. Schon immer wart ihr im Plan Gottes gegenwärtig und Gegenstand seiner Liebe. Ich möchte.die Worte des hl. Paulus wiederholen, als er den Hauptmann Kornelius taufte: „.. .Jetzt begreife ich, daß Gott nicht auf die Person sieht, sondern daß ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und lut, was recht ist“ (Apg 10,34-35). Es ist eine große Gnade, ihn in der Wahrheit, die er durch seihen: Söhn Jesus offenbart hat, zu erkennen, und in das Volk Gottes aufgenommen zu werden, „damit ihr die großen.Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (1 Petr 2,9). Kommt Liturgie nicht gerade deshalb zustande, daß wir den Lobgesang auf das Wirken der Gnade singen, der unser ständiges Gebet sein sollte? „Singt dem Herrn ein neues Lied, singt dem Herrn, alle Länder der Erde, singt dem Herrn und preist seinen Namen“ (Ps 96,1-2). 835 REISEN Persönliches und endgültiges Band mit Christus 4. Auf dem Weg der Evangelisation, die ihren Ursprung in dem Missionsauftrag am Tag der Himmelfahrt hat und die jetzt ihren Weg durch die Geschichte dieser afrikanischen Erde geht, unternehmen wir - ich als Nachfolger Petri und ihr Bischöfe in Einheit mit mir - einen weiteren Schritt. Eine weitere Gruppe von Katechumenen wird die drei Sakramente der christlichen Initiation empfangen: die Taufe, die Firmung, die Eucharistie. Liebe Freunde, seit langem bereitet ihr euch auf diese Gnade, die euer Leben endgültig prägen wird, vor. In einigen einfachen Worten möchte ich mich besonders an euch wenden. Diese Sakramente weihen in jedem von euch ein persönliches, neues und endgültiges Band mit Jesus Christus. Ihr werdet in die Familie seiner Jünger eingegliedert, und ihr werdet zu Gliedern seines mystischen Leibes. Zuerst reinigt euch die Taufe und taucht euch in das Leben Gottes ein. Christus läßt euch teilhaben an dem wesentlichen Ereignis seines Lebens, dem Paschamysterium, an seinem Hinübergang aus dieser Welt zu seinem Vater. Er läßt euch teilhaben an seinem Tod - und ihr wißt, daß er gestorben ist, um die Menschen von ihren Sünden zu befreien —, und er läßt euch teilhaben an seiner Auferstehung, die ihn in ein neues, glorreiches Leben zur Rechten seines Vaters eingehen ließ. Zunächst werdet ihr, die ihr die Taufe empfangt, Christus, dem Erlöser, euren Glauben bekennen und versprechen, die Sünde, die zum Bösen und zum Satan, dem Urheber der Sünde, führt, zurückzuweisen. Dann wird euch Gott durch das Wasser und den Heiligen Geist von allem reinigen, was in eurem Leben an Sünde gegenwärtig war, und von der Erbsünde, die seit Adam das Hindernis gegen Gott im Herzen des Menschen ist. Indem er euch vergibt, befreit euch Gott von den Fesseln des Bösen, von der Angst, die euer Leben zu oft bestimmt, und vom ewigen Tod. Insbesondere empfangt ihr dank der Auferstehung Christi in euch ein neues Leben, das Leben Gottes, das in allem wirksam wird, was ihr dem Evangelium gemäß tun werdet. Ihr versteht nun, daß Gott das Wasser gewählt hat, um diese Wiedergeburt zu kennzeichnen. Kennt ihr nicht die lebenspendende Kraft des Wassers, wenn durch den großen Regen eure sonnenverbrannte Erde wiedergeboren wird? In Wahrheit zieht ihr Christus neu an, und zwar mit dem Festgewand, das ihr gegenwärtig tragt. Durch die Salbung mit Chrisam werdet ihr Christus geweiht sein. Ihr werdet sein Licht empfangen. 836 REISEN Durch Christus nimmt Gott euch als sein Kind an. Der Heilige Geist ist in euch gegenwärtig. Die Heiligste Dreifaltigkeit lebt in euch. Ihr geht in die Familie Gottes ein. Und ihr tretet in die Familie der Glieder Christi ein, in die Kirche, die sein Leib ist. Und dieses Merkmal werdet ihr für immer tragen. Von nun an wird die Kirche euch weiterhin in jedem eurer Lebensabschnitte die Gaben Gottes durch die verschiedenen Sakramente übermitteln. Und ihr selbst nehmt euren Platz als aktive Glieder der Kirche mit den Rechten und Pflichten der Christen ein. Ihr nehmt an der Sendung der Kirche teil: Ihr bezeugt euren Glauben durch euer Leben in der Familie, in eurem Dorf, eurem Stadtviertel, in eurer Arbeit oder eurer Schule. 5. Ich wende mich auch an euch in eurer Eigenschaft als Firmlinge. Die Firmung vervollständigt die Taufe. Sie vollendet den Christen. Die Auflegung der Hände und die Salbung mit dem Chrisam - dem heiligen Öl Christi - sind die wirkungsvollen Zeichen der Gabe des Heiligen Geistes. Bevor ich eure Stirn mit dem Chrisam bezeichne, strecke ich meine Hände über euch alle aus. Dies ist die Geste, die von Christus über seine Apostel auf uns gekommen ist. Petrus und Johannes legten ihre Hände den ersten Täuflingen auf, um ihnen den Geist der Heiligkeit mit all seinen Gaben zu verleihen (vgl. Apg 8,17). Durch diese Handlung, liebe Firmlinge, nimmt der Herr euch in seinen Besitz und schützt euch durch seine Hand; er leitet euch und sendet euch aus als Missionare, und es ist, als sage er euch: „Hab keine Angst, ich werde bei dir sein.“ Und für jeden von euch werde ich die Worte sprechen: „Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist.“ Ihr nehmt an der Gnade Jesu teil, der in Nazaret sagte: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt.“ Der Heilige Geist wird euch verliehen, damit euer gesamtes christliches Dasein erleuchtet und gestärkt wird. Ja, der Heilige Geist vervollständigt eure Ähnlichkeit mit Christus. Er zeichnet euch durch sein Gepräge, so wie das Kind die Ähnlichkeit zu seinen Eltern trägt, und ihr wißt, daß das Kreuz das Zeichen Christi ist. Er wird zu eurem inneren Herrn, der beständig das Licht Christi zu euch trägt, um euch zur vollen Wahrheit zu führen. Er hilft den Christen, das Wort Gottes zu verstehen und es zu kosten, zu beten und weiterhin daran zu glauben, daß Jesus der Erlöser ist, und in allen Prüfungen die Hoffnung zu bewahren. 837 REISEN Er erfüllt eure Herzen mit Liebe, damit ihr so liebt wie Christus und in Einheit mit allen Gliedern der Kirche lebt. Der Heilige Geist ist die Seele der Kirche. Er gibt euch folglich die Kraft, inmitten der Welt Zeugen Christi zu sein. Jesus sprach zu den Aposteln: „Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird: und ihr werdet meine Zeugen sein ... bis an das Ende der Erde“ (Apg 1,8). Ihr werdet den Heiligen Geist bitten, das Böse zu bekämpfen, das immer in uns und um uns kreist. Das christliche Leben ist ein Kampf. Ihr werdet ihn um den Mut bitten, euch als Christen beweisen und voller Stolz sagen zu können, daß ihr Jünger Christi seid, dem Glauben, der Nächstenliebe, der Gerechtigkeit und der Reinheit Christi in einer Welt folgt, die nicht immer diese Überzeugungen teilt. Ihr werdet die Kraft, Zeugen zu sein, nicht empfangen, um euch über die anderen zu erheben, sondern damit ihr Freunde Christi seid, die in gewisser Weise seinen Wohlgeruch, so wie den Duft, der im Chrisam enthalten ist, überall dort ausströmen lassen, wo ihr lebt. Das, was ihr ausstrahlen sollt, ist Friede, Freude und die Liebe Christi. Die Firmung ist das Sakrament der Reife, des Erwachsenseins des Christen und seiner vollen Verantwortung in der Kirche. 6. Die getauften und gefirmten Erwachsenen werden gemeinsam mit den Kindern aus den christlichen Familien zum ersten Mal auch die Eucharistie empfangen. Liebe Kommunikanten, hier wird das Band zu Christus noch mehr gefestigt. Er nimmt euch in die Vertrautheit seines Mahls auf; er bietet euch in Wahrheit seinen heiligen Leib und sein Blut in Form einer Speise an. Er sagt euch: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben“, der für euch geopfert wird. Er lädt euch ein, euch mit ihm als lebendiges Opfer hinzugeben. Er will in euch bleiben, damit ihr in ihm bleibt. Er will, daß ihr an seinem Leben teilhabt so wie die Rebe an der Kraft des Weinstocks und so wie im Leib das Leben eines Gliedes vom Haupt abhängt. Dieses Leben endet im ewigen Leben. Er will euch erlauben, mit dem hl. Paulus zu sagen: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). Und er verknüpft eure Bande mit all jenen, die am selben Brot des Lebens teilhaben, um einen einzigen Leib zu bilden, „damit alle eins sind“. Ja, das Sakrament der Eucharistie ist das Sakrament der Liebe, das Zeichen der Einheit, das Band der Nächstenliebe. Es ist die Quelle, das Herz und der Höhepunkt des christlichen Lebens, wie es der heute eröffnete Internationale Eucharistische Kongreß von Nairobi, an dem ich teilnehmen werde, offenbart. 838 REISEN Ihr selbst, liebe Freunde, nähert euch oft und mit Würde der Eucharistie, insbesondere in der Sonntagsmesse. Mit Christus, der in euch gegenwärtig ist, lebt ihr in Heiligkeit, Freude und Danksagung. 7. Und indem wir im Namen des auferstandenen Christi diesen sakramentalen Dienst erfüllen, fordern wir zu „Gebeten, Fürbitten und Danksagung, und zwar für alle Menschen auf“, so wie es der hl. Paulus von Timotheus erbat und ganz besonders „für die Herrscher und für alle, die Macht ausüben, damit wir in aller Frömmigkeit und Rechtschaffenheit ungestört und ruhig leben können“ (7 Tim 2,1-2). Ja, die Sorge für das Allgemeinwohl des Volkes von Kamerun ist ein schwerer und heikler Dienst, und es ist ganz natürlich, daß wir denjenigen in unserem Gebet beistehen, die sich dieses Auftrages auf den verschiedenen Ebenen annehmen. Es geht darum, in diesem Land in Frieden, Harmonie, gegenseitiger Achtung, Brüderlichkeit und Zusammenarbeit zu leben, und die zahlreichen Volksgruppen, aus denen die Nation zusammengesetzt ist, bestehen zu lassen. Wie so viele Länder in dieser Welt und besonders in Afrika strebt Kamerun nach einer vollkommenen und für alle nützlichen Entwicklung, in der der Wohlstand gerecht verteilt ist, die Technik im Dienst des Menschen steht, Ungerechtigkeiten stets überwunden werden, in der jedwede Diskriminierung verbannt wird, jede Person ihre Chancen hat und insbesondere die Würde der Frau und des Kindes geachtet wird — eine Entwicklung, in der die so zahlreichen Jugendlichen einen Wohnungsund Arbeitsplatz und verantwortliche Aufgaben finden können, in der man sich vereint, um gemeinsam die Naturkatastrophen, wie Trockenheit und Krankheiten, zu bekämpfen, und eine Entwicklung, in der Vertriebene und Auswanderer einen Platz finden. Ja, diese Aufgabe ist schwer, aber die Menschen aus Kamerun haben schon versucht, sich in vielen Gebieten mit den Problemen zu konfrontieren. Mögen sie den Mut nicht verlieren! Wir bitten Gott, all den Bürgern und Verantwortlichen Mut einzugeben, damit die Probleme unter Achtung der moralischen und geistigen Werte und der der Religionsfreiheit gelöst werden. Die Religionsfreiheit aus katholischer Sicht 8. Gott will auch, „daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“, wie es wieder der hl. Paulus sagt (1 Tim 2,4). Christus hat vom Berg in Galiläa aus allen Nationen seine Apostel gesandt, damit sie aus diesen seine Jünger machen. Die Christen verspü- 839 REISEN ren demnach die Pflicht und das Recht, überall das zu verkünden, was sie als Frohbotschaft, als Heilsnachricht, empfangen haben. Dies erklärt ihren Eifer in diesen Ländern. Ihnen liegt wirklich das Glück und das Wohl ihrer Brüder am Herzen. Das Sakrament der Firmung erinnert uns an diesen Auftrag, Zeugnis abzulegen. Aber das Zeugnis eines Christen hat nichts mit dem zu tun, was man Propaganda nennt. Es will sich getreu auf die von Christus durch die Kirche empfangene Wahrheit stützen. Es eröffnet die Botschaft als den respektvollen Aufruf an das Bewußtsein der Menschen, daß sie alle die Pflicht haben, die Wahrheit zu suchen, aber es legt Wert darauf, jedweden äußeren Zwang, der mit der freien Zustimmung zu Gott im Glauben unvereinbar ist, zu verbannen. Die katholische Kirche nennt dies die religiöse Freiheit, die ein grundlegendes menschliches Recht und gleichzeitig eine Forderung der Religion selbst ist. Sie läßt den Regierungen Ehre zuteil werden, die allen jene Freiheit garantieren kann. Indem sie ihre Überzeugung bekräftigt, daß Christus der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen ist, achtet die Kirche diejenigen, die ihrem Gewissen nach andere Wege einschlagen, um zu Gott zu gelangen; sie schätzt deren Aufrichtigkeit und deren Edelmut und arbeitet gern mit ihnen zusammen für das allgemeine Wohl. In diesem Sinn grüße ich hiermit die Söhne des Islam, die sich dieser wichtigen Feier der Initiation ihrer christlichen Brüder anschließen wollten. Liebe Freunde, wir teilen mit euch den Glauben an den einen, lebendigen, barmherzigen und allmächtigen Gott, Schöpfer des Himmels und der Erde. Ihr habt Ehrfurcht vor Gott und ehrt die Jungfrau Maria, seine Mutter. Wir können diesen aufrichtigen Dialog weiterführen, um unser gegenseitiges religiöses Erbe besser zu verstehen und in Freundschaft zu leben, worin Gott uns den Weg weist. Ich drücke all den Männern und Frauen, die guten Willens sind und die ihre religiösen Gefühle im Rahmen traditioneller, durch ihre Väter empfangenen Religonen äußern, meine Hochachtung aus. Ich danke für ihr Wohlwollen und bete zu Gott, daß er die Hoffnungen ihrer Herzen erfülle. Vor allem richte ich einen herzlichen Gruß an unsere protestantischen Freunde. Wir erkennen gemeinsam den Erlöser, Jesus Christus, an, von dem sowohl die einen wie die anderen das Evangelium durch die Predigt und die Gnade durch die Taufe empfangen. Das Erbe unseres Glaubens bringt viele gemeinsame Elemente mit sich, die es zu vertiefen gilt. Mit euch, liebe Brüder und Schwestern, versuchen wir, in der Wahrheit fortzuschreiten, um zur vollen Einheit zu gelangen. 840 REISEN 9. Am Ende unserer Besinnung bleiben unsere Augen an dem Berg haften, auf den Christus gestiegen ist, um zu seinem Vater zu gehen. Und seine letzten Worte auf Erden bewahren wir im Gedächtnis: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Dies hat er zu seinen Aposteln gesagt. Dies sagt er uns allen. Ja, er, der über uns bei Gott wohnt, bleibt auf geheimnisvolle Weise bei uns. Die Sakramente sind die Bürgschaft dafür. Er hört nicht auf, diejenigen an sich zu ziehen, die ihm ihren Glauben schenken. Er ist zum „Berg des Tempels, des Herrn geworden“, den der Prophet Jesaja in seiner Vision sah. „Viele Nationen machen sich auf den Weg... Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Hause des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen“ [Jes 2,2-3). Mögen wir dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist Dank sagen für das Volk von Kamerun, das die Wege sucht, die zum Berg des Herrn, zu seinem Haus führen, und das seinen Pfaden folgen möchte! Amen. Universelle und immerwährende Lehre Ansprache bei der Messe für die Familien in Bamenda (Kamerun) am 12. August Liebe Brüder und Schwestern! Gelobt sei unser Herr und Erlöser Jesus Christus! In seinem Namen sind wir hier versammelt, um uns über das Thema Familie Gedanken zu machen und das Mysterium der Liebe und des Lebens zu feiern. Ich begrüße die hier anwesenden Bischöfe, die aus Kamerun selbst sowie die aus anderen Ländern. Einen besonderen Gruß auch an die Priester, die Ordensmänner und -frauen: an die aus Kamerun und jene, die aus anderen Teilen der Welt gekommen sind, um der Kirche hier zu dienen. Ich drücke den Vertretern der zivilen Autoritäten meine Wertschätzung für ihre Anwesenheit aus. Für das großzügige Willkommen, das mir alle entgegenbrachten, bin ich zutiefst dankbar. Ich begrüße euch alle, Brüder und Schwestern in Christus, besonders die Laien der Erzdiözese Bamenda, der Diözese Buea und der Diözese 841 REISEN Kumbo. Mein Besuch gilt dieser Kirchenprovinz und allen, die heute im Geist der Freundschaft und des guten Willens hierher gekommen sind. Ich würde gerne jeden einzelnen von euch treffen, um den Worten, die aus eurem Herzen kommen, zuzuhören. Ich weiß, daß ihr euch freut, den Nachfolger Petri in eurer Mitte zu empfangen, und daß ihr dem Stuhle Petri sehr nahe steht. Möge dies immer ein Zeichen für eure volle Annahme des Evangeliums Christi sein. 1. Heute spricht Jesus im Evangelium zu uns: „Habt ihr nicht gelesen, daß der Schöpfer die Menschen am Anfang als Mann und Frau geschaffen hat?“ {Mt 19,4). Hier liegt eine der tiefsten Wahrheiten über den Plan Gottes für das Menschengeschlecht. Mann und Frau ergänzen einander in ihren Eigenschaften als Personen mit je eigenen körperlichen, psychologischen und geistigen Gaben, die die Individualität jedes einzelnen ausmachen. Derjenige, der sie erschuf, ist Gott, unser Schöpfer, die Heilige Dreifaltigkeit, von der alles Gute kommt: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ {Gen 1,31). Unter dem Guten, das er schuf, sind „von Anfang an“ Ehe und Familie. Das ist das Thema unserer Liturgiefeier: Gottes Plan für Ehe und Familie „von Anfang an“. Die Ehe ist der Bund, überden uns der hl. Paulus folgendes sagt: „Dies ist ein tiefes Geheimnis, ich beziehe es auf Christus und die Kirche“ {Eph 5,32). Der Ehebund, der Mann und Frau in einem unzerreißbaren B and des Lebens und der Liebe vereint, spiegelt den neuen und ewigen Bund wider, der Gott mit seinem Volk verbindet in Jesus Christus, dem liebenden Bräutigam, der sich als der Erlöser der Menschheit hingibt und sich mit dieser als seinem Leib vereint (vgl. Familiaris consortio, Nr. 13). 2. Die Pharisäer stellen an Christus eine Frage über die Ehe: „Darf man seine Frau aus jedem beliebigen Grund aus der Ehe entlassen?“ {Mt 19,3). Diese Frage trifft den Kern des Ehebundes. Ist eheliche Liebe ein einzigartiges Band, das Einheit und Unauflöslichkeit einschließt? Oder ist es ein loses Band, das man je nach den Umständen wechseln oder brechen kann? Die Antwort, die uns Jesus gibt, steht in direktem Bezug zu Gottes Plan, wie er „von Anfang an“ offenbar ist. „Und die zwei (Mann undFrau) werden ein Fleisch sein“ {Mt 19,5). Welche Überlegungen auch immer im Lauf derZeit aufgekommen sind: Es bleibt „von Anfang an“ wahr, daß das, was Gott verbunden hat, der Mensch nicht trennen darf. Die Antwort, die Christus den Menschen seiner Zeit gab, gibt er weiterhin allen Menschen in jedem Zeitalter und in allen Ländern und Kontinenten. 842 REISEN Er gibt sie auch hier und heute in Kamerun. Die Antwort besagt, daß die Ehe ein bleibender und unzerstörbarer Bund zwischen einem Mann und einer Frau ist. Als ein solcher ist die Ehe auch das „Sakrament“ der unveränderlichen Liebe Christi zu seiner Kirche. Im besonderen Zusammenhang mit Afrika haben die Bischöfe dieses Kontinents 1981 bei der Versammlung in Yaounde diesen wichtigen Aspekt der christlichen Ehe in einer Empfehlung der 6. Generalversammlung des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar folgendermaßen ausgedrückt: „Da sie zu einer neuen Schöpfung wurden, werden afrikanische Christen ihren Ehe- und Familienbund als einen sakramentalen Ausdruck der Vereinigung Christi mit der Kirche leben, der diese grundlegende menschliche Wirklichkeit von innen her umformt.“ Ja, es ist die Liebe Christi, an der Ehepaare und Familien teilhaben, wenn ihr Leben in der Gnade des Ehesakraments verwurzelt ist. 3. Christi Bezug auf „den Anfang“ führt uns zurück zum Buch Genesis, aus dem die erste Lesung dieser Eucharistiefeier stammt. „Dann sprach Gott: ,Laßt uns Menschen machen als unser Abbild . . . Gott schuf also den Menschen als sein Abbild. Als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,26-27). Das zugrundeliegende Bild ist das des ewigen Gottes, die Gemeinschaft der Heiligsten Dreifaltigkeit, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Das Abbild Gottes im Menschen gewinnt eine besondere Bedeutung in der Gemeinschaft von Personen, wie sie zwischen einem Mann und einer Frau im Ehebund besteht, eine Gemeinschaft, die Gott „von Anfang an“ gewollt hat. Das Eheleben bezeugt die menschliche Würde durch eine besondere zwischenmenschliche Beziehung. Immer wenn ein Ehe- und Familienleben durch persönliche Selbstsucht verletzt werden oder durch materielle oder soziale Unzulänglichkeiten Schaden erleiden, dann wird die fundamentale Würde der Menschen entehrt, die in dymanischer Weise darauf ausgerichtet ist, immer mehr zum Abbild Gottes zu werden. Beide, Mann und Frau, sind dazu aufgerufen, in Würde zu leben: denn beide spiegeln das Abbild Gottes in gleicher Weise. Die Worte des Antwortpsalms richten sich an jeden einzelnen der Söhne und Töchter Gottes: „Was .ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt“ (Ps 8,5-6). Diese Worte preisen die Würde eines 843 REISEN jeden Menschen. Das Bild Gottes, der die Liebe ist, hat ein sehr klares Spiegelbild in der dauernden und festen Gemeinschaft von Leben und Liebe, die die Ehe ist. Viele eurer Traditionen und Bräuche heben die Würde von Ehe und Familie in der afrikanischen Gesellschaft besonders hervor. Im Zweiten Vatikanischen Konzil hat die Kirche „die Reichtümer, die in den verschiedenen Formen der menschlichen Kultur liegen“, dankbar anerkannt (Gaudium et spes, Nr. 44). Die Kirche achtet und fördert deshalb die edelsten dieser Bräuche eurer Gesellschaft. Gleichzeitig ruft die Kirche in Erfüllung ihrer Mission, „den unergründlichen Reichtum Christi“ (Eph 3,8) zu verkünden, alle Gruppen der Gesellschaft auf, die Weisheit, die „von Anfang an“ besteht, aufrechtzuerhalten und auf diese Weise die Würde aller Kinder Gottes zu verteidigen und zu bestärken. Eure Bischöfe nehmen die wichtige Aufgabe, die Botschaft des Evangeliums in das Leben und die Kultur Afrikas zu „inkarnieren“, sehr ernst. Bei der Darlegung der Lehre der Kirche über Ehe und Familie - einer Lehre, die in ihrer Gültigkeit universell und immerwährend ist - arbeiten eure Bischöfe und der Hl. Stuhl zusammen, um die Realität der afrikanischen Traditionen zur Geltung zu bringen, getragen von dem gemeinsamen Verlangen, Christus und der lebendigen Tradition und Lehre der Kirche treu zu bleiben. Wenn die Kirche in Afrika verbunden bleibt in der gleichen Lehre und in einer gemeinsamen Antwort auf die Herausforderung der Inkulturation, dann wird sie stark und wirksam junge Ehepaare und Familien zu einem Leben in Wahrheit und Heiligkeit gemäß dem Plan Gottes führen können. Problem des Bevölkerungswachstums 4. Der Antwortpsalm weist noch auf einen anderen Aspekt der einzigartigen Würde des Menschen hin. Gott beruft den Menschen, mit ihm für die gesamte Schöpfung verantwortlich zu sein: „Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände“ (Ps 8,6). Tatsächlich lädt Gott -worauf das Buch Genesis hinweist - Mann und Frau als Ehepaar ein, an seinem eigenen schöpferischen Werk teilzuhaben: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde und unterwerft sie euch“ (Gen 1,28). Die Weitergabe des Lebens, die in euren afrikanischen Traditionen so hoch geschätzt wird, und die Liebe, die ihr euren Kindern entgegenbringt, bilden sie denn nicht einen besonderen Teil der „Herrlichkeit und Ehre“, die der Psalm den Menschen zueignet? Ja, die Freude, mit der ihr eure Kinder als Geschenk Gottes annehmt, gereicht euch zu Ruhm und Ehre! 844 REISEN Heutzutage besteht jedoch eine mächtige Anti-Lebens-Mentalität. Sie ist mehr in den hochentwickelten Ländern verbreitet, jedoch wird sie auch an die Entwicklungsländer weitergegeben, als ob es der zwingende Weg zu Entwicklung und Fortschritt wäre. An dieser Stelle möchte ich wiederholen, was ich in meinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio zum Ausdruck brachte: „Die Kirche ist fest überzeugt, daß das menschliche Leben, auch das schwache und leidende, immer ein herrliches Geschenk der göttlichen Güte ist. Gegen Pessimismus und Egoismus, die die Welt verdunkeln, steht die Kirche auf der Seite des Lebens; in jedem menschlichen Leben weiß sie den Glanz jenes ,Ja‘, jenes ,Amen‘, zu entdecken, das Christus selbst ist. Dem ,Nein‘, das in die Welt einbricht und einwirkt, setzt sie dieses lebendige ,Ja‘ entgegen und verteidigt so den Menschen und die Welt vor denen, die das Leben bekämpfen und ersticken“ (Nr. 30). 5. Das heißt jedoch nicht, die Kirche versäume es, die schwerwiegenden Probleme im Hinblick auf das Bevölkerungswachstum in einigen Teilen der Welt wahrzunehmen oder die schwierigen Situationen, die Ehepaare bei der verantwortungsvollen Weitergabe des Lebens manchmal zu bewältigen haben. Mit Rücksicht auf die moralischen Aspekte dieser ernsten Probleme möchte ich eure Bischöfe, Priester, Ordensleute sowie führenden Laien gemäß der Empfehlung von Familiaris consortio besonders ermutigen zu einem „umfassenderen, entschlosseneren und systematischeren Einsatz dafür, daß die natürlichen Methoden der Geburtenregelung bekannt, geschätzt und angewandt werden“ (Nr. 35). In einem Brief an Priester unterstrich Erzbischof Verdzekov „unsere Aufgabe und ernste Verpflichtung, die vollständige Lehre der Kirche über verantwortliche Elternschaft durch systematische Katechese bekanntzumachen und unseren Christen zu helfen, dieser Lehre gemäß zu leben. Wie sollen denn unsere Christen dieser Lehre entsprechend leben, wenn sie noch nie etwas davon gehört haben?“ (Brief vom 12. Juli 1982). Die ausgezeichnete Arbeit, die von der Family-Life-Association in Kamerun auf Pfarr-, Diözesan- und Provinzialebene geleistet wird, kann auch vielen Paaren helfen, ihre sakramentale Verbundenheit in Fülle und Harmonie zu leben. 6. Die Familie ist eine besondere Gemeinschaft von Personen. In der Familie sind die Eltern durch den Ehebund miteinander verbunden; Kinder bilden ein besonderes Geschenk Gottes an die Eltern, die Gesellschaft, die Nation. Die Freude, die ihr an euren Kindern erlebt, ist wie die 845 REISEN Freude, die Jesus empfand, als er sie zu sich rief: „Lasset die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes“ (Lk 18,16). Den Kindern und jungen Leuten Kameruns möchte ich sagen, daß Jesus euch aufruft, eure Familien zu lieben. Stärkt sie durch eure Freude, euer Vertrauen und euren Gehorsam! Es liegt an euch, dazu beizutragen, daß eure Familien zu Zentren der Liebe, des Friedens und der Heiligkeit werden! Traditionsgemäß spielte die Großfamilie eine wichtige Rolle bei der Stärkung des Familienlebens und bei der Entscheidung, wie Familienfragen angepackt und gelöst werden sollten. Wo veränderte wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedingungen dazu führen, daß die konstruktive Rolle der erweiterten Familie geschwächt wird, da sollte die gesamte christliche Gemeinde als Gemeinschaft menschlicher und geistlicher Solidarität, darauf bedacht, das Liebesgebot des Evangeliums zu erfüllen, sich angetrieben fühlen, notleidenden Familien eine konkrete Hilfe anzubieten und im öffentlichen Leben entsprechende Hilfs- und Unterstützungsprogramme zu fördern. Aber vor allem sind die Mitglieder der Familie selbst, und besonders die Eltern, für die Qualität des Familienlebens verantwortlich. Einige der zu einem frohen und gesegneten Familienleben erforderlichen Tugenden sind im Brief des hl. Paulus an die Kolosser aufgezählt, der uns in der Wortliturgie vorgelesen wurde: „Ihr seid von Gott geliebt, seid seine ausgewählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ (Kol 3,12-13). Das geoffenbarte Wort Gottes lehrt uns, daß der Weg zu allem menschlichen Wohlbefinden der Weg der Verzeihung und der Liebe ist. Liebe Familien Kameruns, ich möchte euch diese Botschaft hinterlassen: Lernt euer Familienleben auf der Liebe aufzubauen! Gebt den Mächten nicht nach, die die Einheit, die Festigkeit und Freude eurer Familien schwächen und zerstören. Folgt nicht dem Weg des selbstsüchtigen Materialismus und Konsumismus, die in anderen Teilen der Welt soviel Leid verursacht haben und die auch ihr nun schon zu spüren bekommt. Hört nicht auf Ideologien, die es der Gesellschaft oder dem Staat erlauben, die Rechte und Verantwortungen, die der Familie obliegen, zu übernehmen (vgl. Familiaris consortio, Nr. 45). Familien Kameruns, unternehmt jegliche Anstrengung, die spirituellen und ethischen Werte der Ehe und des Familienlebens zu bewahren. Sie sind der einzig wirksame Schutz für die Würde der Person. Diese Werte 846 REISEN beizubehalten ist notwendig, wenn eure Gesellschaft allen ihren Bürgern Bedingungen zu Gerechtigkeit und Fortschritt bieten möchte. „Vor allem aber liebt einander“ (Kol 3,14). In dieser Liebe werden die Beziehungen zwischen Autorität und Gehorsam, Erziehung und Lernen, Freiheit und Verantwortungsbewußtsein, die einen großen Teil des täglichen Familienlebens ausmachen, ihren natürlichen Ausdruck finden. Durch Mitleid, Freundlichkeit und Geduld sowie die Bereitschaft, sich selbst zum Wohl der anderen zu opfern, mögen eure Familien in einem Klima der Liebe leben, wie die Familie von Jesus, Maria und Josef! 7. An dieser Stelle möchte ich mich an die Vertreter der zivilen Autoritäten ganz Afrikas wenden und an alle, die eine öffentliche Verantwortung für das Familienleben tragen: Ich bitte sie, dahin zu wirken, daß die Charta der Familienrechte praktische Anwendung findet, die der HI. Stuhl auf der Basis der grundlegenden, der Familie als einer natürlichen und universellen Gesellschaft innewohnenden Rechte entworfen hat. Die Charta gibt die Rechte wieder, die in den Deklarationen der verschiedenen internationalen, auf diesem Gebiet kompetenten Organisationen bereits verkündet wurden: Werte, die in das Gewissen eines jeden Mannes und einer jeden Frau eingeschrieben sind. Die Kirche möchte mit all jenen Zusammenarbeiten, die mit der Aufgabe befaßt sind, Familienpolitik zu gestalten und anzuwenden. Es ist die Absicht und die Sendung der Kirche, den Familien zu dienen und der heutigen wie den zukünftigen Generationen den Plan Gottes „von Anfang an“ zu verkünden. Die Zukunft der Gesellschaft ist überall dort bedroht, wo die Familie untergraben ist. Das Wohlbefinden der einzelnen und der Gesellschaft ist dort geschützt, wo Bräuche, Gesetze sowie politische, soziale und erzieherische Einrichtungen zur Stärkung von Ehe und Familie beitragen. Zum Wohl des Menschengeschlechtes muß die Familie verteidigt und respektiert werden. <161> <161> Und nun möchte ich, vereint mit der gesamten Kirche Kameruns, jeder einzelnen Familie das sagen, was der hl. Paulus an die Kolosser schrieb: „In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes“ {Kol 3,15). Möge dieser Wunsch zu unserem inständigen Gebet werden bei dieser Eucharistiefeier, die wir dem Vater, vereint mit Christus, seinem Sohn, darbringen. Möge der Friede — der Friede Christi - mit allen Familien Afrikas und den Familien der ganzen Welt sein! 847 REISEN Gemeinsame Grundpfeiler des Glaubens Ansprache bei dem ökumenischen Treffen in Yaounde (Kamerun) am 12. August Liebe Brüder in Christus! 1. Ich möchte euch dafür danken, daß ihr heute nachmittag hierher gekommen seid, um mich zu treffen. Besonders danke ich Reverend Dr. Ambadiang für das herzliche Grußwort, das er im Namen der Mitglieder der Vereinigung der evangelischen Kirchen und Missionen des Kameruns an mich gerichtet hat. Im Verlauf meiner Pastoralbesuche in den verschiedenen Ländern der Welt messe ich in jedem Land den Treffen mit den Vertretern der anderen Kirchen und Gemeinschaften große Bedeutung zu. In der Tat ist, wie ich schon oft mit Nachdruck wiederholt habe, die Ökumene, der Einsatz im Dienst der Einheit aller jener, die an Christus glauben, ein wesentlicher Faktor der Pastoral der katholischen Kirche, ein Faktor, der eng an meinen eigenen Dienst an dieser Einheit, an mein Amt als Bischof von Rom, gebunden ist. Und deshalb spreche ich euch allen meinen Dank aus und sage durch euch, durch die, die ihr repräsentiert, Gott meinen tiefsten Dank: Er ist es, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der in seinem geheimnisvollen Plan alles in dem vereinigen möchte, der im Himmel und auf der Erde ist (vgl. Eph 1,10). 2. Immer wenn Christen uneinig sind - Männer und Frauen, die bereits durch ihre Taufe in unserem gekreuzigten und glorreichen Retter vereint sind -, entsteht eine Situation, die dringend eine Lösung finden muß. Und diese Situation ist in einem Land wie dem eurigen, wo die christlichen Gemeinschaften, obwohl bereits zahlreich und stark, doch noch relativ jung sind, noch dringlicher. So stark sie auch sein mögen, so sind sie bei der Aufgabe, die ihnen Gott anvertraut hat, nämlich allen Menschen die Frohe Botschaft zu verkünden, durch das Übel der Spaltung gestört und behindert. „Ist denn Christus zerteilt?“ (1 Kor 1,13). Wie können wir seitdem das Evangelium predigen, wenn unsere Stimmen nicht einmütig, sondern disharmonisch erklingen? 3. Dessen ungeachtet, müssen wir Gott demütig dafür danken, daß unsere Trennung nicht vollständig ist. Ich habe oft wiederholt, „wie groß und fest die gemeinsamen Grundpfeiler unseres christlichen Glaubens sind“, dieses Glaubens, den wir im Nizänokonstantinopolitanischen Glaubens- 848 REISEN bekenntnis verkünden (vgl. z. B. Ansprache an die Vertreter der bischöflichen ökumenischen Kommissionen vom 27. 4. 1985). Auf diesen Grundpfeilern können wir bereits aufbauen, noch bevor die bestehenden Trennungen verschwinden, und wir müssen uns bemühen, vor allen, die uns umgeben, gemeinsam Zeugen des Heils zu sein, das uns Jesus Christus - unser Weg, unsere Wahrheit und unser Leben - bringt. Unsere fortdauernde Trennung beschränkt unvermeidlich das Zeugnis, das wir geben können. Aber diese Beschränkungen dürfen uns nicht davon abhalten, das Beispiel eines christlichen Lebens und - so oft wir können und soweit überhaupt möglich - gemeinsam Zeugnis bei der Verkündung der Frohen Botschaft in Liebe zu geben. 4. Ihr tut das bereits in besonderer Weise bei der Arbeit der Übersetzung und Verbreitung der Texte der Heiligen Schrift, durch die Tätigkeiten der Bibelvereinigung Kameruns. Ich bin glücklich zu hören, daß die katholischen Diözesen dieses Landes mehr und mehr an dieser Arbeit teilnehmen, denn das lebendige und beständige Wort des Herrn ist der unvergängliche Samen, aus dem die Christen neu geboren werden (1 Petr 1,23). So wie wir immer mehr im Dienst des Wortes, das unsere Nahrung ist, Zusammenarbeiten, möge uns der Herr in seiner ganzen Gnade zu jener vollen Einheit im Glauben führen, die uns allein erlauben wird, gemeinsam zum Tisch des Herrn zu gehen, wo sein Leib zu unserer Nahrung wird (vgl. die Konstitutionen des II. Vatikanischen Konzils Dei Verbum, Nr. 21: Sacrosanctum Concilium, Nr. 48). Sicher, der Weg ist hart wegen der Spannungen in der Vergangenheit, deren Erben ihr seid, wegen der Spaltungen, die in Europa eingetreten sind, aber vor allem wegen der Forderung nach Vetiefung jener Einheit, die der Herr will. Bleiben wir ganz demütig, klarsichtig, mutig, offen, stark in der Hoffnung. Die volle Einheit wird das Ergebnis einer wahren Umkehr aller, des gegenseitigen Verzeihens, des theologischen Gesprächs und der brüderlichen Beziehungen sowie des Gebets und der vollen Hingabe an das Evangelium, an das Wirken des Heiligen Geistes und des Planes Gottes für die Kirche sein. Diese Gnade der vollen Einheit in der Wahrheit, in der vollen Treue zu Gott, das ist es, was ich heute mit euch in dem Gebet, das wir gemeinsam sprechen werden, erbitte. Unsere Begegnung kann nicht von langer Dauer, und meine Worte müssen kurz gehalten sein. „Friede sei mit den Brüdern, Liebe und Glaube von Gott, dem Vater, und Jesus Christus, dem Herrn. Gnade und unvergängliches Leben sei mit allen, die Jesus Christus, unseren Herrn, lieben!“ (Eph 6,23-24). 849 REISEN Den Glauben des anderen kennenlernen Ansprache bei der Begegnung mit den Muslimen in Yaounde am 12. August Brüder und Schwestern der islamischen Religion! Ich nenne euch Brüder, weil Gott, unser Schöpfer, uns als Glieder der gleichen Menschheitsfamilie erschaffen hat, Gott, der uns aufruft, ihn anzubeten und ihm zu gehorchen. Gott hat uns auf diese Erde gestellt als seine Repräsentanten, um für die Welt der Natur getreu Sorge zu tragen und um unsere menschlichen Gemeinschaften seinem Willen gemäß aufzubauen. Die Muslime glauben, daß Gott den Menschen als seinen Beauftragten erschaffen hat und daß er wünscht, daß wir im Einverständnis mit der Schöpfung handeln, ehrenhaft und des Vertrauens würdig. Wir Christen, wir glauben, wie der hl. Paulus gesagt hat, daß wir das Werk Gottes sind, seine Hauptschöpfung, daß wir geschaffen wurden, damit unsere Handlungen wirklich gut seien, dem Weg entsprechend, den er uns bereits im voraus gewiesen hat (vgl. Eph 2,10). So ist die Menschheit mit einer großen Würde ausgestattet, die ihr niemals genommen werden kann. Jeder Mann und jede Frau hat Rechte, die ihnen schon, weil sie Menschen sind, zustehen, und wir haben die Pflicht, diese Rechte auf eine verantwortliche Weise zum Wohl aller auszuüben. Ich erinnere heute an diese Überzeugungen, die Christen und Muslime teilen, weil ihr hier, in Kamerun, Mitglieder einer pluralistischen Gesellschaft seid, wo Seite an Seite Christen, Muslime und Angehörige der traditionellen afrikanischen Religionen miteinander leben. Hierin liegt eine der großen Herausforderungen für die heutige Menschheit der ganzen Welt: nämlich zu lernen, in friedlicher und konstruktiver Weise miteinander zu leben. Man muß anerkennen, daß wir heute in einer Epoche der Polarisierung leben. Gewisse rassische oder ethnische Gruppen, gewisse religiöse Gemeinschaften sowie gewisse wirtschaftliche und politische Ideologien auf der Welt tendieren dahin, ihren Standpunkt soweit in den Vordergrund zu stellen, daß sie den der anderen, die ihn nicht teilen, mißachten und Vorschläge zur Zusammenarbeit und menschlichen Brüderlichkeit zurückweisen. Muslime und Christen müssen diesen Versuchungen widerstehen, denn sie führen die Menschheit nicht zu „wirklich guten Handlungen, dem Weg entsprechend, den Gott uns von allem Anfang an vorgezeichnet hat“. Für uns liegt der wahre Weg im Dialog, der verschiedene Aspekte bietet. Das 850 REISEN heißt vor allem, daß die einen den Glauben des anderen kennenlernen und Vorurteile und Mißverständnisse überwinden. Das heißt auch Toleranz im Hinblick auf Unterschiede. Dialog bedeutet auch, trotz aller Widerstände ein derartiges wechselseitiges Vertrauen zu erlangen, daß wir Zusammentreffen können, um miteinander zu sprechen und gemeinsame Projekte vorzubereiten, wobei wir die Verantwortung und die Rechte eines jeden respektieren. Das heißt, daß wir uns durch konkrete Handlungen dafür einsetzen, unser Land zu entwickeln und gemeinsam daran zu arbeiten, eine Gesellschaft aufzubauen, in der die Würde jeder einzelnen Person anerkannt und respektiert wird. Wir alle sind dazu eingeladen, unermüdlich das wiederzuentdecken, was es an Schönstem in der Überlieferung der afrikanischen Völker gibt. Ich bin glücklich, in der Öffentlichkeit eure afrikanische Tradition der Gastfreundschaft hervorzuheben, eure Achtung vor der Natur als Geschenk Gottes und als Zeichen seiner Güte und Gegenwart, eure Art, Konflikte durch Dialog und im Einverständnis zu lösen, die Fürsorge, mit der ihr die Werte der Familie bewahrt und entwickelt, und eure Lebensfreude, die ihr so großartig in euren Gedichten, Tänzen und Liedern auszudrücken wißt. Alle diese traditionellen Werte haben ihren Rang in der modernen Welt; in der Tat sind sie wichtig als Korrektive in einer Gesellschaft, die andernfalls allzu häufig unmenschlich, kontaktarm, gewalttätig und unfruchtbar würde. Die Gemeinschaften der Muslime und Christen haben beide eine wichtige Rolle inne, um das Beste aus der Vergangenheit zu bewahren und darin die Elemente der Technologie und der Wissenschaft von heute zu integrieren, die der Würde des Menschen förderlich sind, und um eine harmonische und sichere Zukunft aufzubauen. Unterdessen darf man den Willen und den Plan Gottes nicht vergessen. Wenn der Mensch vergißt, daß wir immer die von Gott geliebten Geschöpfe sind, und wenn er versucht, eine Zukunft ohne Gott aufzubauen, kann er nicht umhin, sich zu verirren. Denn Gott ist der Anfang und das Ende unseres Lebens, derjenige, der „uns näher ist als unsere Halsschlagadern“, er ist unser Führer und der Meister dessen, der gerecht ist. Heute möchte ich euch auffordern, euren christlichen Brüdern und Schwestern die Hand zu reichen und den Wegen Gottes im Dienst der Menschheit zu folgen. Der Segen Gottes sei mit euch allen! 851 REISEN Kreuzungspunkt der Stämme und Sprachen Ansprache an den Präsidenten, die Amtsträger und das Diplomatische Korps in Yaounde (Kamerun) am 12. August Herr Präsident, Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Es ist mir unmöglich, den herzlichen Worten und den hohen Erwartungen gegenüber, die ich soeben gehört habe, ungerührt zu bleiben. Ich danke dem Herrn Präsidenten Paul Biya und mit ihm allen jenen, die zu meinem Empfang im schönen Land Kamerun beigetragen haben, das ich als Hirt der Weltkirche mit großer Freude besuche. Heute abend habe ich die Ehre, mich an die politischen Führer des Landes und an die Diplomaten zu wenden: In der Ausübung meines Amtes als Hirt aller betrachte ich diese Begegnung als sehr wichtig wegen der großen Verantwortung, die Ihnen für den Fortschritt Kameruns und den Frieden der Welt auferlegt ist. 2. Meine achtungsvollen Grüße und meine Wünsche gelten in erster Linie Ihnen, Herr Präsident, der Sie seit fast drei Jahren das höchste richterliche Amt ausüben, nachdem Sie jahrelang Ihrem Land wichtige Dienste geleistet hatten. Ihnen obliegt die schwere Aufgabe, die Einheit der Nation zu fördern und all ihre Kräfte für die Entwicklung einzusetzen, indem Sie bemüht sind, das Wohl aller Bewohner Kameruns zu fördern und das Land zu einer kraftvollen Erneuerung zu führen. Gemeinsam mit Ihnen begrüße ich alle, die als Regierungsmitglieder an dieser großen Aufgabe teilhaben, ob sie Sie nun auf der politischen Ebene als Mitglieder des Zentralkomitees oder des nationalen Politbüros des „Rassemblement Democratique du Peuple Camerounais“ oder durch die Ausübung ihrer gesetzgebenden Verantwortung als Parlamentsmitglieder unterstützen. Möge Gott Ihnen bei der Leitung der öffentlichen Angelegenheiten im Dienst all Ihrer Landsleute zu Hilfe kommen! 3. Denn Kamerun erweist sich als Kreuzungspunkt der Stämme, der Sprachen und der Religionen und ist sowohl der französisch- als auch der englischsprachigen Welt zugewandt; es liegt im Herzen Afrikas und ist kennzeichnend für diesen Erdteil. Diese Lage zwischen diesen so ver- 852 REISEN schiedenen Gruppen erfordert gewiß eine tolerante und dialogbereite Haltung, Achtung für ihre kulturellen und religiösen Besonderheiten, Rücksicht auf die Verantwortungen auf Ortsebene und die Rechte jedes einzelnen sowie gegenseitige Achtung und brüderliche Zusammenarbeit. Sie erfordert auch seitens der Führer des Landes große Wachsamkeit, damit diese Geisteshaltung überall eingehalten wird und um zu verhindern, daß irgend jemand von den anderen unterdrückt wird; gleichzeitig gilt es, die Teilhabe aller am Gemeinwohl sieherzustellen. Mit dieser Lage muß man also in Kamerun rechnen. Sie stellt höhere Anforderungen als die uniformen Verhältnisse. Die Einheit jedoch, die imstande ist, die Vielzahl verschiedenartiger Gegebenheiten und persönlicher Werte harmonisch zu verbinden, bietet die Möglichkeit zu besonderem Reichtum an Menschlichkeit. Die katholische Kirche lebt ihrerseits in einer ähnlichen Situation auf Weltebene. Selbst in diesem Land konnte ich vier Gebiete mit sehr verschiedenen pastoralen Problemen besuchen; ich konnte in der Liturgie die Synthese verschiedener sprachlicher Ausdrucksformen wahrnehmen. Unsere Gemeinschaft ist aus dieser Katholi-zität zusammengewoben. Niemand ist von unserer Sympathie oder unserem Dialog ausgeschlossen: Ich bin soeben der Delegation der evangelischen Kirchen und der der Muslime begegnet. 4. Kamerun darf jedoch nicht ein Mosaik von Einzelinteressen bleiben, sondern ist ein souveräner Staat, eine geeinte Republik, eine Nation. Ihnen obliegt es, das Wissen um diese Tatsachen neu zu beleben und die Bemühungen aller Bürger des Landes, den Beitrag aller Stämme, auf das Gemeinwohl hinzuordnen. Sie sind bestrebt, das patriotische Bewußtsein zu entwickeln, das die Bewohner Kameruns auf ihre nationale Identität stolz macht. Mit gutem Recht wünschen Sie, daß alle aktiv am öffentlichen Leben teilnehmen - unter Achtung der Ordnung und des größeren Wohls der Nation und der Rechte des anderen -, um so allen Kindern dieses Landes eine würdige Zukunft zu schaffen und ihnen eine möglichst weitgehende Chancengleichheit zu sichern. Die Verwirklichung Ihrer Projekte für die integrale Entwicklung der ländlichen Gegenden, die moralische und intellektuelle Bildung der Jugend, die Schaffung von Arbeitsplätzen und das gleichzeitige Augenmerk auf Gesundheit, Wohnen, Städteplanung, Transportmittel, Löhne und soziale Sicherheit, all das ist eine überwältigende Aufgabe. 5. Alle Länder, vor allem die der Dritten Welt, müssen so eine wirtschaftliche und soziale Herausforderung mit begrenzten Mitteln annehmen, und 853 REISEN sie sind bemüht, alle Energien zu mobilisieren. Es kommt eben darauf an, eine Handlungsweise zu finden, die aus sich selbst heraus die besten Fähigkeiten des Menschen entwickelt, ohne daß man Zwangsmaßnahmen ergreifen müßte, die ihn seiner Freiheit berauben, und ohne zu gestatten, daß die finanziell Mächtigen ihre Unternehmen blind und egoistisch zum Vorteil einiger Weniger vergrößern. Ebenso wichtig ist es, eine Lähmung durch ein Übermaß an Bürokratie und die Übel der Korruption, des Betruges und der Verschwendung zu vermeiden. Man muß sich also in dem Maß freuen, in dem die Appelle der Führer dieses Landes zu einem moralisch einwandfreien Verhalten in die Praxis umgesetzt werden: die Appelle zu einer ehrlichen Verwaltung, zur Integrität, zur Kompetenz und zur Berufsethik, zur gut geleisteten Arbeit, zur Ausdauer in den Anstrengungen, zum Verantwortungsbewußtsein, zur Sorge um das Gemeinwohl, zur Opferbereitschaft, zum Bemühen um soziale Gerechtigkeit für alle. Respekt für die Familie als Erziehungsinstanz 6. Die Kirche schätzt diese ethischen Bemühungen und hofft, daß sie Früchte tragen. Freilich ist sie in allen Ländern darauf bedacht, daß ihre religiöse Zielsetzung, ihre Methoden und ihre Lehre - die eine Botschaft spirituellen Lebens ist und erst in zweiter Linie die moralische Würde nach sich zieht - nicht mit denen des Staates verwechselt werden. Sie gibt stets ein freies Urteil über die moralischen Gegebenheiten ab. Sie lädt dazu ein, über diese in Gerechtigkeit und Liebe hinauszugehen, allen persönlichen und gemeinschaftlichen Elementen Rechnung zu tragen und das immer wieder neu auftretende Risiko egoistischen Handelns oder eines Mißbrauchs der Macht zu überwinden. Die Kirche ist auch der Meinung, daß ein Staat seine vornehme Aufgabe der staatsbürgerlichen Erziehung nur dann gut erfüllen kann, wenn er sich auf die Gemeinschaften auf mittlerer Ebene, auf die kleinen, natürlichen Gemeinschaften und die verschiedenen Einrichtungen stützt, denen ebenfalls diese Erzieherrolle zukommt. Ich denke da insbesondere an die Familien, die in ihrer Stabilität und ihrer Mission ermutigt werden müssen, und an die Schulen, die insofern unterstützt zu werden verdienen, als sie durch den Unterricht die moralische und spirituelle Bindung ergänzen. Es bleibt wahr, daß an und für sich die Bildung der Gewissen zur Rechtschaffenheit, zum Sinn für persönliche Verantwortung und zur Solidarität mit den anderen genau das ist, was die Kirche als Übertragung 854 REISEN der christlichen Botschaft auf das gesellschaftliche Leben betrachtet. Auch ist sie jedes Mal erfreut, wenn sie eine Konvergenz zwischen ihrem Engagement und den Bemühungen der für die Politik Verantwortlichen feststellen kann. 7. Meine Damen und Herren, die Sie den in diesem Land konstituierten Behörden angehören, ich will auch nicht das vergessen, was Ihnen im Bereich der Außenpolitik am Herzen liegt. Ihr Wunsch ist es, daß Kamerun in der Gemeinschaft der Nationen seinen vollen Platz einnehme, nicht nur, um dort seine Rechte zur Geltung’zu bringen, sondern um seinen Beitrag zu den Bemühungen der internationalen Gemeinschaft im Dienst des Friedens, der Gerechtigkeit und der Entwicklung zu leisten. Zugleich mit Ihnen wende ich mich jetzt an die Mitglieder des bei dieser Regierung akkreditierten Diplomatischen Korps und die in Kamerun stationierten Vertreter der internationalen Organisationen. Sie wissen, wie gern der Hl. Stuhl zum Leben der Gemeinschaft der Nationen beiträgt, sei es durch die diplomatischen Kontakte, die ihm sein Statut ermöglicht, sei es in den internationalen Versammlungen, zu denen er eingeladen ist. Zu Beginn jedes Jahres habe ich selbst Gelegenheit, allen beim Hl. Stuhl akkreditierten Botschaftern die Prinzipien darzulegen, nach denen wir handeln und unermüdlich um den Frieden, den Dialog, die Notwendigkeit einer Abrüstung, den Schutz der grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten, die Festigung der Rechtsmittel, die größere Gerechtigkeit sichern, die notwendige Solidarität, insbesondere zwischen Nord und Süd, eine wirkungsvolle Aufmerksamkeit auf die vorrangigen Erfordernisse der Ernährung und der Hygiene und um die menschlichen Anliegen all jener besorgt sind, „die auf dem Weg der Geschichte links liegengelassen werden“ (vgl. Ansprache an das Diplomatische Korps, 15. Januar 1983, Nr. 4). Heute möchte ich, ohne diesbezüglich auf das Weltniveau zurückzukommen, mit Ihnen über das Gemeinwohl des afrikanischen Kontinents sprechen, auf dem Sie Ihre Mission erfüllen. Meiner Meinung nach beinhaltet dieses Gemeinwohl vor allem die Achtung vor der Identität Afrikas und seiner Würde, den Beitrag zu seiner wirtschaftlichen Entwicklung und die Unterstützung seines moralischen Fortschrittes. Folgende Frage stellt sich also unserem Gewissen: Was tun wir und was können wir tun, um ehrlich das Wohl unserer Brüder und Schwestern in Afrika zu fördern? 855 REISEN 8. Die Würde setzt zuerst eine echte nationale Unabhängigkeit voraus (vgl. Ansprache an das Diplomatische Korps, 14. Januar 1984, Nr. 2). Das trifft nunmehr für fast alle Länder Afrikas zu, und es ist zu hoffen, daß jene, die noch nicht unabhängig sind — ich denke da vor allem an Namibia -, es in Kürze auf ehrenvolle und friedliche Weise werden, wie alle anderen Nationen Afrikas. Die Etappe der Unabhängigkeit, die zum Glück im Lauf der letzten 25 Jahre erreicht wurde, muß die Entfaltung der mit ihr verbundenen und schon erzielten Wirkungen gestatten. Wer könnte schon leugnen, daß hier eine grundlegende Voraussetzung für die volle Verantwortung der betreffenden Nationen - für eine Entwicklung, welche die eigenen menschlichen, moralischen und spirituellen Werte hochhält — und für ein tieferes Verständnis der Solidarität unter den afrikanischen Ländern auf dem Spiel steht? Dennoch löst aber die Unabhängigkeit als solche nicht die schwierigen Entwicklungsprobleme eines Landes. Viele fürchten noch eine von außen kommende, schwerer erfaßbare Form der wirtschaftlichen oder kulturellen Abhängigkeit, die diese Länder gewissen, ihre Zivilisation durchdringenden ideologischen Einflüssen unterwirft. Uber diese Wünsche völliger Unabhängigkeit für die Regelung ihrer inneren Angelegenheiten hinaus wäre den afrikanischen Ländern sicher daran gelegen, daß die Länder anderer Erdteile auf internationaler Ebene ihren Vorschlägen und Entscheidungen, die im allgemeinen gemäßigt sind und keine Gewalt hervorrufen, besser Rechnung tragen. Das, was diese jungen, unabhängigen Nationen schließlich erreichen möchten, wäre es, sich selbst genügen zu können. <162> <162> Eine wirtschaftliche Autarkie darf nicht dem Sich-Abkapseln eines Landes gleichkommen, was weder möglich noch wünschenswert wäre. Es ist jedoch normal, daß jedes Land Afrikas seine eigene Entwicklung in die Hand nimmt und daß es auch dazu angespornt wird, indem es alle natürlichen Reichtümer verwendet, über die es verfügt, und indem es eine seinen Notwendigkeiten entsprechende Produktion ins Leben ruft. Auch ist, wo es sie schon gibt, die Entwicklung einer Solidarität mit den afrikanischen Ländern wünschenswert, die der gleichen geographischen Zone angehören, und ihr Entstehen, wo sie noch nicht vorhanden ist. Diese natürlichen nachbarlichen Beziehungen haben schon erfreuliche Ergebnisse gezeitigt. Auch begrüße ich die Bemühungen der Organisation für die afrikanische Einheit: Wie könnte man es unterlassen, ihr einen Fortschritt in dieser Einheit zu wünschen, wie er anderen kontinentalen Organisationen 856 REISEN beschieden ist, um so ein kohärentes Weiterschreiten auf dem Weg zur gerechten Lösung der verschiedenen politischen und sozialen Probleme Afrikas zu sichern? Schließlich ist es notwendig, daß die internationale Gemeinschaft weiterhin Hilfe leistet und diese angesichts ihrer Dringlichkeit auf den Gebieten des Hungers, des Gesundheitswesens oder der Investitionen in mehreren Ländern Afrikas sogar noch steigert. Man kann nur hoffen, daß die Ost-West-Probleme die Aufmerksamkeit und die Verwendung der Reichtümer der sogenannten Länder des Nordens nicht allzu ausschließlich auf sich ziehen: Mögen sie sich vielmehr um die wachsende Kluft, die sie von den sogenannten Ländern des Südens trennt, sorgen und begreifen, daß die gegenseitige Abhängigkeit auch für sie eine Frage des Überlebens darstellt! Der Punkt, in dem die Länder der Dritten Welt mit Recht empfindlich bleiben, ist jedoch der Rahmen, in den sich diese gegenseitige Hilfe einfügt: Sie dulden nicht, daß sie eine Verschlechterung der Austauschbedingungen oder gewisse Ungerechtigkeiten im Handel oder in den Investitionen verdecken. Sie wünschen eine loyale Hilfe, um aus dem verwickelten Problem der Anleihen und der allzu großen Verschuldung herauszukommen, in die sie um den Preis großer Risiken hineingeraten sind. Alle, die das Wohl Afrikas wollen, ob aus Nord oder Süd, sollen diese Probleme neuerlich objektiv prüfen und den Weg für realistische und gerechte Lösungen ebnen, die geeignet sind, die Würde jener Länder zu wahren, die Anrecht auf einen Fortschritt in der Entwicklung haben. <163> <164> <163> Wenn ein solcher Fortschritt nur in der Gerechtigkeit ist, so ist er gleichzeitig nur im Frieden möglich. Afrika braucht den Frieden. Es braucht keinen Krieg und auch keine Guerillakämpfe, die Menschenleben und Einrichtungen zerstören und im übrigen höhere militärische Ausgaben nötig machen und die Leidenschaften anstacheln, so daß aus Brüdern Feinde werden. Wer dürfte diese Bruderkriege, die in manchen Fällen an Ausrottung grenzen, schon unterstützen? Angesichts der Konflikte, die fortdauern oder neu aufflammen, müssen sich alle ehrlich die Frage nach ihren Ursachen stellen. Die von einigen Regimen begangenen Ungerechtigkeiten hinsichtlich der Menschenrechte im allgemeinen oder der berechtigten Ansprüche eines Teiles der Bevölkerung, der die Teilhabe an der gemeinsamen Verantwortung verweigert wird, lösen Aufstände von bedauerlicher Heftigkeit aus, die jedoch nur durch die Wiederherstellung der Gerechtigkeit beigelegt werden können. Auch ist es wahr, daß bestimmte Einmischungen von außen die Guerillas nur zu dem Zweck aufhetzen, Unruhe zu stiften (vgl. Ansprache an das 857 REISEN Diplomatische Korps, 14. Januar 1984, Nr. 9). Schließlich ermutigen sicher die Waffenverkäufe, die nur dem Profit dienen, die Kriegführenden ebenfalls. Wer Afrika liebt, wird es zumindest vermeiden, das Feuer der Gewalt zu schüren, er wird vielmehr alles daran setzen, die kriegführenden Parteien zur Weisheit des Friedens zu bekehren, die dem tieferen Wunsch zahlreicher auch auf andere Weise geprüfter Afrikaner entspricht. 11. Unter den Prüfungen kennt jedermann die schreckliche Geißel der Dürre, die in der Sahelzone und auch anderswo so viele Länder betroffen hat. Die Hungersnot, die ihre Folge ist, scheint endlich die ganze Welt wachzurütteln, aber jeder weiß, daß - über die unmittelbare Hilfe hinaus, von der das Leben von Millionen von Brüdern und Schwestern abhängt -schon jetzt eine sicherere Zukunft vorbereitet werden muß. Gott hat unserem Geist genügend Einfallsreichtum, unserem Herzen genügend Liebe und unseren Armen genügend Kraft geschenkt, damit wir mit den technischen Mitteln, die zu verwenden er uns gestattet hat, eine fatalistische Mentalität überwinden. Das Verantwortungsbewußtsein der Betroffenen und die hochherzige Solidarität ihrer Brüder und Schwestern öffnen der Hoffnung Tür und Tor. Die FAO und zahlreiche andere Organisationen nehmen sich diese Herausforderung zu Herzen. Der Apostolische Stuhl trägt dazu seinen Mitteln entsprechend bei; ich werde in Kürze in Nairobi nochmals darauf zurückommen. Niemand von uns darf jedoch dem Elend der Opfer des Hungers an unserer Seite den Rücken zuwenden! <165> <165> Die traurige Lage der Flüchtlinge existiert leider nicht nur in Afrika. Auf unserem Planeten gibt es Millionen von Flüchtlingen, doch sind sie in Afrika besonders zahlreich geworden und haben sich im Lauf der letzten fünf Jahre verdoppelt. Hier müssen wir nochmals die internationalen Behörden wie das Hochkommissariat für die Flüchtlinge lobend erwähnen, die sich diesen Problemen mit zutiefst humanitärer Haltung widmen und einen wesentlichen Beitrag zur Übernahme der Flüchtlingslager leisten. Wir wissen auch um alles, was Kamerun getan hat, um den Flüchtlingen aus Äquatorialguinea und vor allem aus dem Tschad Asyl zu bieten und um zu ihrer Integrierung beizutragen. Noch muß den Ursachen dieser erzwungenen Auswanderung Abhilfe geschaffen werden. Dazu gehören nicht nur der Hunger oder die elenden Lebensbedingungen, sondern auch die Angst, der Krieg und die Ungerechtigkeiten, die Anlaß zur Flucht werden (vgl. Ansprache an das Diplomatische Korps, 15. Januar 1983, Nr. 6). 858 REISEN Selbst wenn es möglich ist, das materielle Leben eines Teils der Flüchtlinge zu unterstützen, so bleibt doch die moralische Verzweiflung, die ihre Entwurzelung aus der Heimat und ihre Arbeitslosigkeit mit sich bringt, etwas Unmenschliches. Es ist wünschenswert, sie so gut als möglich in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben des Aufnahmelandes einzu-gliedern, die beste Lösung bleibt jedoch die freiwillige Heimkehr mit Sicherheitsgarantien seitens ihres Herkunftslandes. Ich lenke die Aufmerksamkeit auch auf die zahllosen Einwanderer, deren Schicksal oft ebenso beklagenswert ist wie das der Flüchtlinge. 13. Es gibt auch noch andere Geißeln, die auszumerzen jedes unabhängig gewordene Land bestrebt sein muß. Diese finden sich auch mit gleicher oder größerer Härte außerhalb Afrikas. Einige Länder kann man beglückwünschen, weil es in ihnen diese Geißeln nicht mehr gibt. Doch ist es angebracht, nochmals auf sie zurückzukommen, fallen doch nur allzu viele Unschuldige ihnen zum Opfer, die zu retten man keine Möglichkeit hat. Ich möchte ihnen meine Stimme leihen. Ich möchte von den Verletzungen der Menschenrechte sprechen, jener Rechte, von denen im übrigen so oft die Rede ist. Wie könnte man über die willkürlichen Einkerkerungen hinwegsehen, über die Verurteilungen und sogar die Hinrichtungen ohne wirklichen Prozeß, über Verhaftungen unter unmenschlichen Bedingungen aufgrund von Meinungsdelikten, über Folterungen und über das Verschwinden zahlreicher Personen. Man beruft sich auf die Sicherheit. Niemand wird die Notwendigkeit entsprechender Sicherheitsmaßnahmen angesichts von Drohungen in Frage stellen, die selbst die demokratischen Regime bedrohen; diese Maßnahmen werden jedoch oft über jede Notwendigkeit hinaus angewandt, ohne Garantie für Gerechtigkeit und auf eine Weise, die selbst politische Meinungsverschiedenheit schon als Verbrechen erscheinen läßt. Eine andere himmelschreiende Ungerechtigkeit ist die Rassendiskriminierung in bestimmen Gegenden Afrikas, die die berechtigte Empörung der Welt und der Kirche wachruft. Es ist bedauernswert, feststellen zu müssen, daß das System der Apartheid weiterbesteht, das mit seiner harten Unterdrückung weiterhin nur allzu viele Opfer fordert und ein elementares Menschenrecht mit Füßen tritt! Unter den Grundrechten der Person möchte ich nochmals das der Religionsfreiheit anführen, kenne ich doch nur allzu viele Situationen, in denen Christen wegen der Abhaltung ihrer Gottesdienste und der Forderung nach den nötigen Mitteln für ihre Bildung im Glauben mißhandelt 859 REISEN werden. In bestimmten Gegenden Afrikas leidet die Kirche z. B. unter der Vertreibung ihrer Missionäre oder unter deren Nichtaufnahme, während sie doch kommen, um ihr Amt in den Dienst der Ortskirche zu stellen, die ihre Hilfe erbeten hat, und um deren Bevölkerung nützlich zu sein; sie leidet unter der Feststellung bestimmter Formen von Diskriminierung oder Verdacht, deren Opfer ihre Gläubigen sind; sie leidet, wenn sie Zusehen muß, wie das Leben und die persönliche Freiheit von Priestern und Ordensleuten bedroht wird, während diese doch einzig für Liebe und Frieden Zeugnis ablegen wollten. All diese bedauernswerten Situationen sind Frucht der Gewalt oder des Stolzes einer ganz kleinen Minderheit und bringen meist deren Angst und Unreife zum Ausdruck. Die auf ihre Souveränität stolzen Staaten müssen sich ihrer Verantwortung würdig erweisen und müssen verstehen, daß sie ihren Völkern und jedem einzelnen ihrer Bürger gegenüber Verpflichtungen haben (vgl. Ansprache an das Diplomatische Korps, 14. Januar 1984, Nr. 4). 14. Wer Afrika liebt, nimmt tatsächlich jenseits all dieses Elends, das überall von der menschlichen Schwäche herrührt, eine gewisse Anzahl menschlicher, moralischer und spiritueller Werte wahr, die nur verlangen, sich entfalten zu können, und die das Christentum seinerseits durch den Frieden und die Liebe Christi adeln möchte. Afrika kann der Welt unter anderem das Beispiel hochherziger und unermüdlicher Gastfreundschaft geben; das Beispiel der Solidarität, die unter den Mitgliedern einer Familie oder eines Stammes so stark ist, daß niemand sich je verlassen fühlt; das Beispiel spontanen religiösen Empfindens, das den Unsichtbaren nahebringt. All das sind Werte, deren die moderne Welt dringend bedarf, um die Widersprüche und die Falle eines Humanismus ohne religiöse Grunddimensionen zu überwinden und um auf allen Ebenen der Gesellschaft ein glückliches Zusammenleben zu verwirklichen. Herr Präsident, Exzellenzen, meine Damen und Herren, mögen Sie aus meinen Worten den großen Wunsch herauslesen, den Erdteil Afrikas immer mehr geliebt, gefördert und im internationalen Leben anerkannt zu sehen. Ihnen, den politischen Verantwortlichen und den Diplomaten, gereicht es zur Ehre, wenn Sie zum Wohl der Völker beitragen, zum Wohl Ihres Volkes sowie aller Völker der menschlichen Gemeinschaft, die nicht anders als solidarisch leben können. Möge der Allerhöchste Ihnen bei der Ausübung dieser erhabenen Funktion beistehen und Ihnen seinen Frieden schenken! 860 REISEN „Ihr werdet die Jugend haben, die ihr verdient“ Predigt bei der heiligen Messe in Douala (Kamerun) am 13. August 1. „Kinder sind eine Gabe des Herrn, die Frucht des Leibes ist ein Geschenk“ (Ps 127,3). Liebe Brüder und Schwestern! Bei dieser Eucharistiefeier im Herzen der großen Hafenstadt Douala und der Kirchenprovinz der Westküste denken wir ganz besonders an die Jugendlichen, die 60 Prozent der Bevölkerung der Stadt ausmachen. Wir danken Gott für das Geschenk dieser Jugend. Wir vertrauen ihr die Zukunft an. Ihre Erziehung bleibt jedoch eine ernstzunehmende Herausforderung. Welchen Erfolg werden wir auf diesem Gebiet haben? Oder vielmehr, wie ermöglichen wir den Kindern und Jugendlichen, eine menschenwürdige Persönlichkeit zu werden, wie sie einem Kind Gottes entspricht? Ist das nicht die große Frage, die an Eltern und Erzieher, an die sozialen und administrativen Behörden, an die Hirten und die ganze Gemeinschaft der Kirche gestellt ist? Muß nicht auch die Jugend selbst über die Weise nachdenken, in der sie ihre Zukunft aufbaut? Nach der Messe werde ich mich direkt an sie wenden. In diesem Augenblick möchte ich vor Gott die Perspektiven der Erziehung betrachten, in der Überzeugung, daß, „wenn nicht der Herr das Haus baut, sich jeder umsonst bemüht, der daran baut“ (Ps 127,1). Deutsche Pallottiner errichteten die erste Missionsstation 2. Eine dem christlichen Glauben gemäße Erziehung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen ist eines der wesentlichsten Ziele des gesamten Missionswerkes. Blicken wir auf unseren Meister: „Jesus zog durch die benachbarten Dörfer und lehrte“ (Mk 6,6). Um eine umfassende Vorbereitung auf seine Botschaft zu ermöglichen, sandte er zuerst die Apostel zu zweit vor sich her. Diese Jünger verkündeten, daß das Reich Gottes ganz nahe sei und luden sie alle ein, sich zu bekehren und die erzieherischen Pfade Gottes zu beschreiten. Schon sie befreiten die Menschen von den Hindernissen, indem sie unreine Geister austrieben und den Kranken die Güte Gottes kundtaten, der heilen und retten will. 861 REISEN Das war die erste Mission der Jünger Christi. Ich kann hier nicht umhin, an die erste Evangelisierung Kameruns zu denken. Vor weniger als 100 Jahren errichteten die aus der Kirche in Deutschland gekommenen Pallottiner die Missionsstation Marienberg hier in dieser Diözese. Von hier aus grüße ich die Wiege des Katholizismus in Kamerun, die für alle Pfarreien des Landes ein geistliches Zentrum bleibt, das von Anfang an der Königin der Apostel geweiht war. Die apostolischen Pioniere waren in größter Armut gekommen, wie die Jünger Christi im Evangelium. Nach den Pallottinern kamen die Herz-Jesu-Missionare von Saint-Quen-tin, die 1914 die Gegend aus Gründen verlassen mußten, die nichts mit der Mission zu tun hatten. Sie brauchten jedoch nicht den Staub von ihren Sandalen zu schütteln, da die Bevölkerung bereits auf wunderbare Weise die Frohbotschaft aufgenommen hatte. Mehr als fünfzigtausend Kameruner, Getaufte oder Taufbewerber, hatten den Glauben angenommen, und mehr als 200 Katecheten waren bereits ausgebildet. Die Missionare hatten das Wort Gottes in seiner Einfachheit verkündet, hatten sich der Kranken angenommen und hatten mehr als 200 Schulen mit etwa zwanzigtausend Schülern errichtet. Sie wußten um die grundlegende Bedeutung der christlichen Erziehung für die Zukunft der Mission. Die Patres vom Heiligen Geist, dann andere Missionare, Priester, Brüder, Schwestern und Laien setzten das begonnene Werk mutig fort. Es ist mir heute eine große Freude, diese blühende, wahrhaft afrikanische Kirche begrüßen zu können. Sehr herzlich danke ich eurem Erzbischof Simon Tonye für seine Aufnahme; ich grüße seinem Vorgänger, Erzbischof Thomas Mongo, die Bischöfe von Bafoussam und Nkongsamba und die der anderen Provinzen, die hierher gekommen sind, um mit uns zu beten. Ich begrüße alle hier vertretenen Stämme, die zu dieser Kirche gehören, denn wir alle bilden einen einzigen Leib, den Leib Christi. Auch grüße ich jene, die, ohne unseren Glauben vollauf zu teilen, ihn respektieren und mit euch Zusammenarbeiten: Ich versichere sie meiner brüderlichen Zuneigung. Wir alle haben eine gemeinsame Aufgabe zu erfüllen, die. weitgespannte Aufgabe der Erziehung, über die ich jetzt gemeinsam mit euch nachdenken möchte. 3. In allen Zivilisationen stellt die Erziehung eine Grundbedingung für ihr Weiterbestehen dar. Die Eltern, die Lehrer, ja die ganze Gesellschaft müssen den jungen Generationen ein Erbe weitergeben, das Erbe eines Wissens, eines Lebensstiles, einer Denkweise und einer Lebensethik. Es handelt sich darum, der Jugend eine aktive Annahme der Errungenschaften der Familie, eine Annahme der dem Volk, der Nation oder dem 862 REISEN Stamm gemeinsamen Reichtümer zu ermöglichen, an die man durch die Einheit der Kultur, der Sprache und der Geschichte gebunden ist (vgl. meinen Brief an die Jugend vom 31. März 1985, Nr. 11). Auch die Kirche hat ein Erbe weiterzugeben, nämlich das Evangelium und die Art, auf die es von Generationen von Christen unter der Führung des kirchlichen Lehramtes geglaubt und gelebt wurde. Wenn man jedoch die Erziehung, ausgehend von der Person, der sie zuteil wird, betrachtet, so handelt es sich darum, sie zur menschlichen Reife zu führen, damit sie lernt zu „sein“ und nicht nur zu „wissen“ und damit sie wirklich ihrer Berufung entspricht. Das Zweite Vatikanische Konzil hat klar das Ziel definiert, auf das eine richtig verstandene Erziehung hingeordnet sein muß: Der Mensch muß im Hinblick auf sein höchstes Ziel und auf die erhabensten Zwecke einer erwachsenen Gesellschaft gebildet werden; all seine Fähigkeiten und der Sinn für Einsatz und Verantwortung müssen entwickelt werden; er muß seine Freiheit zu meistern verstehen und sie den vom Glauben anerkannten, nicht nur erlernten, sondern gelebten sittlichen Werten entsprechend ausrichten (vgl. Dekret Gravissi-mum educationis, Nr. 1—2). Möge die Jugend nach und nach das Wahre, Gute und Schöne in sich aufnehmen! Möge sie mit ihrem ganzen Sein auf den Plan Gottes eingehen, den sie in sich trägt als Männer oder Frauen, die als Abbild Gottes geschaffen und von der Tauf gnade gezeichnet sind! Selbstverständlich muß man realistisch sein. Einer solchen Bindung stellen sich zahlreiche Hindernisse entgegen: innerer Widerstand oder gegenteilige äußere Einflüsse. Der Erzieher muß dem Jugendlichen helfen, allmählich sein Urteil zu bilden und seinen Willen zu stärken, damit er seine Entscheidungen auf den Grundlagen der Wahrheit, des Wohls und der Selbsthingabe treffe. Die Aufgabe des Erziehers, der ihn begleitet, ist schwierig, aber auch begeisternd. Ihr wißt, welche Bedeutung die Kirche ihr beimißt und wie sehr sie diese vornehme Berufung achtet. 4. Die katholische Erziehung ist zuerst das Werk der Familie. Wer das Kind zur Welt gebracht hat, besitzt das unveräußerliche Recht und die Pflicht, es zu seiner Reife zu führen: Papst Pius XI. hob das in seiner Enzyklika Divini illius magistri (31. Dezember 1929) hervor. Die Eltern sind gemeinsam mit der bei euch üblichen Großfamilie als erste dafür zuständig. Gott hat ihnen zu diesem Zweck eine natürliche Autorität verliehen: Mögen sie diese mit Festigkeit und Liebe ausüben, indem sie selbst ein gutes Beispiel geben! Alle wissen um die vorrangige Rolle des Vaters oder - bei Waisen - um die jener Person, die seine Stelle 863 REISEN einnimmt; ebenso wissen sie um die vorrangige Rolle der Mutter, deren liebevolle Gegenwart stets aufnahmebereit ist. Die Eltern sind Mitarbeiter Gottes Liebe christliche Eltern! Wißt ihr zur Genüge um das große Geschenk Gottes, der euch zu seinen Mitarbeitern gemacht hat, nicht nur, um das Leben an eure Kinder weiterzugeben, sondern auch, um sie zu erziehen? Dies ist ein Talent, das er euch anvertraut, damit es Frucht bringe. Ich würde euch raten, in der Heiligen Schrift, im vierten Buch Tobit, nachzulesen, wo Tobit, ein vom Leben hart geprüfter Vater, zu seinem Sohn spricht, der in die Ferne zieht, um Geld und eine Frau zu suchen: „Halte deine Mutter in Ehren... Hüte dich davor, zu sündigen... Handle gerecht... Halte dich an die Wahrheit... Wende deinen Blick nicht ab, wenn du einen Armen siehst... Was dir selbst verhaßt ist, das mute auch einem anderen nicht zu... Such nur bei Verständigen Rat... Preise Gott zu jeder Zeit; bitte ihn, daß dein Weg geradeaus führt... Hab keine Angst, mein Sohn, weil wir verarmt sind. Du hast ein großes Vermögen, wenn du nur Gott fürchtest“ (vgl. Tob 4,3-21). Der Jude, der, in ein heidnisches Land verbannt, diese Worte sprach, ließ stets dem Wort das Beispiel folgen: Er setzte sein Leben aufs Spiel, um seinen verstorbenen Landsleuten, die er beerdigt, treu zu bleiben; er verdiente sich sein Leben in größter Ehrlichkeit, gab Almosen und betete jeden Tag. Die Erziehung seines Sohnes war ihm wirklich gelungen, und das Buch der Heiligen Schrift zeigt, wie Gott ihn belohnte. Zweifellos wollen die afrikanischen Familien auf diese Weise ihre Aufgaben erfüllen. Ich weiß jedoch um die Schwierigkeiten, denen ihr begegnet. Die Kinder erwerben in der Schule ein Wissen, über das ihre Eltern nicht verfügen; sie sind vielleicht für deren Weisheit weniger empfänglich und beachten die elterlichen Ratschläge weniger. Der Dialog wird für viele schwierig. Während die Bildung als solche ein grundlegendes Element der Zivilisation ist, erwerben die Jugendlichen oft dank dieser Bildung zunächst eine kritische Haltung, neigen zum Zweifel und sind zahlreichen geistigen Strömungen gegenüber aufgeschlossen, deren Wert sie nicht klar erfassen. Wegen ihrer Studien sind sie oft gezwungen, sich vom Elternhaus zu entfernen. Wenn die Schule abgeschlossen ist, finden sie nur allzuoft keine Arbeit und bevölkern die Randgebiete der Städte, wo sie Opfer verschiedenster Bekanntschaften und Verlockungen werden. Ja, liebe Eltern, ich verstehe, daß die Ausübung eurer Verantwortung oft schwierig ist. Dennoch flehe ich euch an: Gebt sie niemals auf! Eure 864 REISEN Kinder und selbst eure erwachsenen Kinder brauchen euch mehr denn je. Die mit ihnen geknüpften Bande sind für ihre Erziehung von unschätzbarem Wert, sind sie doch von eurer natürlichen Autorität und eurer Liebe gekennzeichnet. Diese Elternliebe fußt auf der Qualität einer ehelichen Liebe, wie sie eine rechte Auffassung von der Ehe fordert. Wenn eine Familie uneinig ist, fehlt den Kindern, selbst wenn man sich um sie kümmert, die gemeinsame Liebe von Vater und Mutter. Auch außerhalb der Ehe werden Kinder geboren; die Jugendlichen sollten um die Verantwortung wissen, welche sie auf sich nehmen! Wenn jedoch eine Familie das Beispiel eines einigen Ehelebens gibt, in dem eine Atmosphäre des Glaubens und des Gebets herrscht, sind die Kinder glücklich, vertrauensvoll bereit zum Dialog. Es ist Aufgabe der Gesellschaft, euch bei der Erfüllung eurer Pflicht zu helfen; die Kirche unterstützt euch und betet für euch; die Christliche Vereinigung der Familien Kameruns steht euch zur Verfügung, doch niemand kann euch ersetzen. „Ihr müßt wissen, wem ihr eure Kinder anvertraut“ 5. Dennoch müßt ihr auch mit anderen Erziehern rechnen. Ihr habt in der Heiligen Schrift gelesen, daß Tobit auf einem guten Reisebegleiter bestand (Tob 5,9), auf einem sicheren Führer, der den Weg weist und beschützt, der im Blick auf Gott berät und bis zum Ende seines Auftrags treu bleibt. Er leistet unschätzbare Dienste, die wichtiger sind als alle materiellen Güter; Tobit bietet ihm die Hälfte des mitgebrachten Geldes an, das jedoch nicht ausreicht, um ihn zu belohnen (vgl. Tob 12,1-5). Es obliegt euch also, eure Jugend in einen größeren Kreis einzuführen, als es die Familie ist. Ihre Erzieher können Priester, Ordensleute oder Laien, Erwachsene oder ältere Jugendliche sein. Ihr müßt wissen, wem ihr eure Kinder anvertraut. 6. Nach der Familie ist die Schule das erste erzieherische Milieu. Diese hat nicht nur die Aufgabe, Bildung zu vermitteln und das Hindernis des Analphabetismus zu überwinden; Ausdrucksweisen zu lehren, wissenschaftliche und technische Kenntnisse und damit einen Beruf zu vermitteln; das große Buch der Natur und der Werke des Menschen entziffern zu lehren. Die Schule muß erziehen in Zusammenarbeit mit den Eltern und gemäß den Auffassungen, an die ich vorhin mit Anspielung auf das Konzil erinnert habe. Die Forderungen der Lehrer werden andere sein als die der Familien. Man versteht, daß sie mit Hilfe von Kontrollen und Prüfungen 865 REISEN das verifizieren, was von den Schülern aufgenommen wurde: Im Leben der Schule ist das eine Methode, die für ein ernstes und dauerhaftes Erlernen sorgt und erst in zweiter Linie ein einfaches Mittel zur Erlangung von Diplomen und Titeln. Für die christlichen Kinder ist der Fortschritt ihrer religiösen Bildung grundlegend, die dem Rhythmus der profanen Bildung folgen muß. Zur Erreichung dieses Zieles muß man unbedingt entsprechende Mittel finden. Die Pioniere der Mission, die die ersten Schulen in Kamerun gründeten, haben das sehr wohl verstanden. Heute verfügt man in dieser Provinz und im gesamten Land über eine große Zahl katholischer Grundschulen und über mehrere höhere Schulen: Sie ermöglichen die Schaffung einer Glaubensgemeinschaft, in der der lebendige Glaube an Jesus Christus und das Gebet auf natürliche Weise in die Studien eingegliedert sind und wo der Geist' des -Evangeliums ctiie Tmoralische Erziehung -und die Atmosphäre des schulischen Lebens durchdringt. Alle christlichen Eltern, die dazu die Möglichkeit haben, ermutige ich nachhaltig, diese Schulen auch über die normalen Subventionen hinaus zu unterstützen; gleichzeitig ersuche ich die Seelenhirten und die Lehrer, über die menschliche und spirituelle Qualität dieser Schulen zu wachen. Es ist mir bekannt, daß es auch — vor allem in Douala - viele andere Schulen und Institute gibt, staatliche und private. In all diesen Fällen ist es wichtig, daß Eltern, Pfarrer und Lehrer guten Willens Zusammenarbeiten, um den Kindern und Jugendlichen eine seriöse christliche Bildung zu sichern, vor allem mitHilfe.der Schulseelsorge. Die Katholiken dürfemdie Glaubenserziehung ihrer Kinder nicht vernachlässigen. 7. Heute tragen jedoch viele andere Gemeinschaften, das Arbeitsmilieu und die Organisationen .für Freizeitgestaltung, zur Beeinflussung der Jugendlichen bei. Auch in all diesen Umfeldern muß erzogen werden. Gerade für einen Christen ist der Glaube nicht bloß eine Kenntnis, sondern auch eine Erfahrung kirchlichen Lebens. Diese beginnt in der i christlichen Familie, die gleichsam eine Hauskirche ist. Sie kann in der katholischen Schule fortgesetzt werden. Vor allem jedoch erlebt man sie in der Pfarrei, wo.die Jugend einen besonderen Platz einnehmen muß. Mit Hilfe der Katecheten, der Gebetsgruppen, der Bewegungen, der Katholischen Aktion, der Bruderschaften und der vielfältigen Vereinigungen, in denen man mit anderen Jugendlichen und mit den Erziehern in einem Klima der‘Freundschaft, wie es den Heranwachsenden entspricht, als Christen zu denken und zu handeln lernt, können sie sich entfalten und reife Christen werden. 866 REISEN 8. Wenn auch Familie, Schule und Jugendbewegungen Erzieher sind, so obliegt es doch den heranreifenden Jugendlichen selbst, die Aufgabe ihrer Erziehung zu erfüllen (vgl. meinen Brief an die Jugend, Nr, .13) und, vom empfangenen: Erbe und den neuentdeckten sittlichen und geistlichen Werten ausgehend, ihre Personalität aufzubauen. Alle menschlichen. Kontakte und alle Kenntnisse müssen der Bereicherung dienen; vor allem aber gilt das von der Arbeit selbst, die den Menschen bildet, von jeder Arbeit, sollte doch die Handarbeit ebenso geachtet werden wie Arbeit des Geistes. 9. Wenn auch die Jugendlichen für ihre Selbsterziehung verantwortlich sind, müssen sie dennoch in der Gemeinschaft Bedingungen und einem Klima-begegnen, das diese Selbsterziehung fördert.: Gerade hier haben nun die für das Gemeinwohl Verantwortlichen, die in den Medien Wirkenden - unabhängig von ihrer Religion — sowie die Ordensgemeinschaften eine Rolle für die Verbesserung dieser Bedingungen zu spielen. Sind für euch, , die Erwachsenen, sittliche und geistliche Werte wie Ehrlichkeit und Selbstlosigkeit von großem Wert? Oder sind für euch eher Geld, Gewinn und egoistischer Genuß von vorrangiger Bedeutung? Pflegt ihr die systematische Kritik und die Skepsis, die Enttäuschungen hervor-rufen? Wird, dem Drama der Arbeitslosen genügend Rechnung getragen? Seid ihr darauf bedacht, eure christlichen Gemeinden lebendig und untadelig zu machen? Wenn sie nicht imstande sind, die Jugend mit Herzlichkeit aufzunehmen, wird sich: diese entfernen,:, um anderswo.;eine solche Atmosphäre zu suchen. Wenn .ihre christliche Bildung unzureichend ist, werden sie nicht einmal die Schwächen der Lehren erkennen können, die ihnen vorgesetzt werden. Wird: dem Drama der Arbeitslosen, die von allen, selbst unehrlichen Mitteln versucht werden, weil sie überleben wollen, genügend Rechnung getragen? Ist die Gesellschaft in ausreichendem Maß bemüht, für die Entwurzelung der Jugend Abhilfe zu schaffen und ermutigt sie diese, Arbeitsplätze zu suchen und anzunehmen? Tobit hatte den Sohn, den er verdiente; ihr werdet die Jugend haben, die ihr verdient, <166> <166> Liebe Brüder und Schwestern, ich wollte an Erfordernisse erinnern, die euch schwer erfüllbar erscheinen mögen, doch ich lade euch auch ein, 867 REISEN Vertrauen zu haben. Das Werk der katholischen Erziehung müßte, wenn wir allein wären, unsere Kräfte übersteigen. Vertrauen wir Gott die Mitarbeit an, die er von uns für unsere Kinder, für seine Kinder erwartet: „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut.“ Blicken wir unablässig auf Christus. Er ist der Meister, der die Apostel mit unaufhörlicher Geduld inmitten verschiedener Prüfungen und Widerstände zum Glauben und zur Treue erzogen hat. Er ist der Retter, der vom Übel erlöst und gleichzeitig den zu beschreitenden Weg weist. Noch mehr: Er schenkt uns den Heiligen Geist, der als Meister im Inneren, im Herzen unserer Kinder wirkt, während unsere Ermahnungen von außen kommen. Er bietet ihnen allen seine Sakramente an, um so seinen Bund mit ihnen zu festigen. Wir rufen ihn für sie, für euch und für alle Erzieher an, wie Christus für seinen Apostel betete: „... damit keiner von ihnen verloren gehe“ (vgl. Joh 17,12). Er macht unser Gebet zu dem seinen: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ {Mt 19,20). Wir vereinigen hier alle Bemühungen des Volkes Gottes in Kamerun im Interesse einer guten Erziehung der Jugend: Möge Christus sie in sein Opfer hineinnehmen, das die Welt rettet! Möge er uns selbst zu einem Gott wohlgefälligen Opfer machen, und möge dieses Opfer im Leben aller Früchte tragen! Wir leben diese Eucharistiefeier in Einheit mit dem Eucharistischen Weltkongreß in Nairobi, an dem ich teilnehmen werde und dessen Thema lautet: „Die Eucharistie und die christliche Familie.“ Die Jungfrau Maria hat an der Erziehung der Jünger um Christus Anteil genommen: „Was er euch sagt, das tut“ {Joh 2,5). In den Himmel aufgenommen, leitet und unterstützt sie die Hoffnung dieses Volkes, das noch unterwegs ist (vgl. Präfation). Als Mutter wacht sie über uns, besser als alle irdischen Mütter, damit unsere Herzen auf Gott gerichtet seien. Amen. 868 REISEN „ Vertieft euren Glauben!“ Ansprache beim Treffen mit Akademikern und Studenten in Yaounde (Kamerun) am 13. August Meine Damen und Herren, intellektuelle Elite Kameruns, liebe Studenten und Studentinnen! 1. Für die Organisation dieses Treffens sei euch lebhaft gedankt. Ich freue mich über eure Anwesenheit, eure Sympathie, euer Vertrauen. Eure Grußworte haben mich tief gerührt. Ich schätze mich glücklich, diese Gelegenheit wahrnehmen zu können. Einerseits entspreche ich hiermit der Bitte der katholischen Akademiker und Studenten, ihrer verschiedenen Vereinigungen und im besonderen des Forums der christlichen Universitätsangehörigen: Ich habe ihre Hauptsorgen mit Aufmerksamkeit und Interesse in dem an mich gerichteten Memorandum gelesen. Andererseits schätze ich mich ganz allgemein glücklich, meine Worte an die Gesamtheit der Intellektuellen und Universitätsangehörigen wenden zu können, um ihnen für das Werk, das sie in Yaounde und im ganzen Kamerun zu vollenden suchen, Anerkennung zuteil werden zu lassen. 2. Ich begrüße hier zunächst die intensiven Bemühungen, die das Land unternimmt, um sich mit Universitäten, Fakultäten oder Schulen auf hohem Niveau auszustatten. Ich denke, daß ein solcher Einsatz bei den jungen Menschen Kameruns dem Wunsch entspricht, in die verschiedenen Wissenschaften eingeführt zu werden und ihrer Sehnsucht, durch die Geschichte tiefer in das Geheimnis des Universums und der Werke des Menschen einzudringen, sich selbst besser zu verstehen und im besonderen ihre afrikanische Berufung besser zu begreifen, indem sie sich auf interessante und für das Land nützliche Berufe vorbereiten. Ich bin auf alle Fälle sicher, daß die Leiter und insbesondere die Verantwortlichen für die Kultur sich dessen bewußt sind, daß der Zutritt zu den Universitätsstudien, der intellektuelle Fortschritt, die Kontakte und der Austausch mit anderen Universitäten der Welt für das Wohl Kameruns, seine kulturelle Ausstrahlung und seine internationalen Beziehungen eine Chance bedeuten. Wie in so manchen Ländern entsprechen die Berufsmöglichkeiten nicht ohne weiteres dem Anwachsen der Studentenzahlen; weiterhin besteht das Problem, Stellen zu schaffen, die den tatsächlichen Möglichkeiten, 869 REISEN den Neigungen und Berufungen eines jeden entsprechen, und die den wirklichen Bedürfnissen eines Landes entgegenkommen, die alle Arten von geistigen und körperlichen Arbeiten verlangen. Aber die Kultur an sich bleibt eine der wesentlichsten Güter der menschlichen Gesellschaft; die Bemühungen zur Beseitigung des Analphabetismus ist eine Notwendigkeit, die Tatsache der Verbreitung von Lehre und Wissenschaft stellt eine Chance dar; und die Universitäten spielen hierbei eine wesentliche Rolle. Die geistige Forschung ist ein vielversprechendes Zeichen, und ich kann mich nur darüber freuen, daß sich ihr viele Menschen aus Kamerun widmen, Geschmack daran finden und sich davon angeregt fühlen. Ich habe übrigens bemerkt, daß eine gewisse Zahl von Priestern und Ordensleuten in dieser Universitätswelt Platz gefunden hat und dort, wahlweise, einen hohen fachlichen Beitrag auf wissenschaftlichem, soziologischem und literarischem Gebiet leistet. Wie sollte man da nicht wünschen, daß die Katholiken nicht auch über einen Ort theologischer Reflexion verfügen können, wo die verschiedenen Aspekte und Quellen des Glaubens mit derselben wissenschaftlichen Strenge untersucht werden wie auch die Beziehung dieses Glaubens zur übrigen Kultur und sein Einfluß auf das gesellschaftliche Leben? Unsere protestantischen Freunde können sich diesbezüglich bereits glücklich schätzen, und ich weiß, daß heute viele das Bedürfnis nach einem katholischen Institut in Yaounde spüren. 3. Der Bischof von Rom ist, wie ihr wißt, der Nachfolger Petri und der Hirt der universalen Kirche in Gemeinschaft mit allen anderen Bischöfen. Wenn ich das Erbe der zweitausendjährigen Geschichte der Kirche in den verschiedensten Ländern und Kontinenten zusammenfasse, so bin ich Zeuge für die unermeßliche Bemühung der Kirche, das geistige Leben und damit das Aufblühen der Kultur anzuspornen. Hiermit möchte ich den Akademikern und Universitätsangehörigen Kameruns gern meine wärmste Ermutigung zu ihrer edlen Aufgabe aussprechen. Vor allen in der UNESCO vertretenen Ländern, von denen ich 1980 eingeladen war, habe ich sehr auf der Bedeutung der Kultur für die Vervollkommnung des Menschen bestanden. Ich sagte damals, daß der Mensch der Träger, der Gegenstand und der Sinn der Kultur sei. Wichtiger als die Quantität seines Habens und seiner Produkte ist die Qualität seines Seins. Und die wesentliche Aufgabe der Kultur ist die Erziehung, woraus die grundlegende Rolle der Familie und der Schule erwächst. „Die Nation besteht ,durch die Kultur und ,für‘ die Kultur. Sie ist deshalb die große Er- 870 REISEN zieherin der Menschen zu dem, was sie ,mehr sein könnten in der Gemeinschaft“ (Nr. 14). Ihre Geschichte geht über die Geschichte des Individuums, der Familie und auch der Volksgruppe hinaus, obwohl die Volksgruppe bereits ihre eigene Kulturgeschichte und ihre eigene Sprache hat. Damals dachte ich an die neuen Nationen der internationalen Gemeinschaft, „die kämpfen, um ihre eigene Identität und ihre eigenen Werte zu behalten, gegen die Einflüsse und den Druck der ihnen von außen vorgeschlagenen Modelle“ (ebd.). Diese eigene Identität schließt die anderen Kulturen nicht aus. Laut Definition enthält der Begriff der Universität eine Forderung nach Universalität, d. h. Öffnung zur Wahrheit, zur ganzen Wahrheit in allen Bereichen. Nichts im materiellen Universum ist ihr fremd, und nichts im geistigen Universum bleibt außerhalb ihres geistigen Interesses. Die Universität — offen für die ganze Wahrheit Aber diese Forderung nach Universalität hindert die Universitäten nicht daran, ein Werkzeug für die Formung und Verbreitung der ursprünglichen Kultur eines Landes zu sein. Der Mensch lebt immer nach einer ihm eigenen Kultur. Dank der Beständigkeit der Kultur, die grundlegende Form des Daseins und des Seins ist, wird ein Pluralismus der Kulturen möglich (vgl? ebd., Nr. 6). In diesem Sinne spreche ich euch heute meine besten Wünsche für die Entwicklung eurer Forschungen aus: Mögen sie dazu dienen, euer kulturelles Erbe zu vertiefen, das Bewußtsein der nationalen Identität zu festigen und euch gleichzeitig bereichernde Kontakte zu anderen Kulturen zu erlauben. Auf diese Weise werdet ihr die Reichtümer eurer Traditionen eindeutig bewerten und bestimmen können, was der Verwirklichung des afrikanischen Menschen am meisten dient. Und gleichzeitig werdet ihr ohne weiteres bereit sein, das Erbe der anderen Länder zu schätzen, wobei auch diejenigen eingeschlossen sind, die euch in einer Etappe der Geschichte in ihre Kultur eingeführt haben. 4. Das Wissensfeld, das ihr zu erreichen und zu vertiefen sucht, umfaßt alle Wissenschaften: die Natur- und die Humanwissenschaften. Abgesehen von den Natur- oder Mathematikwissenschaften eröffnet die Universität den Weg zu allen Forschungen und technischen Anwendungen; und euer Land wartet sicherlich in allen Bereichen auf diese Techniker, d. h. im Gesundheitswesen, in der landwirtschaftlichen und industriellen, mechanischen und elektronischen Entwicklung sowie auf dem Gebiet 871 REISEN der harmonischen Organisation der Gesellschaft. Euch wird also die Ehre zuteil, den menschlichen Fortschritt des Landes vorzubereiten. Aber noch vor dem nützlichen Aspekt ist es die Wahrheit, die der wissenschaftlichen Arbeit Größe verleiht. Die Wahrheit verdient es, erforscht und aus sich selbst in voller Freiheit, aus reiner Wissensfreude, geliebt zu werden. Diese Forschung setzt die Kräfte des menschlichen Verstandes frei, der fähig ist, alle anderen Geschöpfe zu benennen (vgl. Gen 2,19-20), soweit wie möglich in ihr Geheimnis einzudringen und vor allem die Geheimnisse des Menschen, seiner Sprache, seines Daseins, seiner sozialen Empfindungen und seines Schicksals besser zu begreifen. Das heißt, daß in einer solchen Forschung alles seinen Platz hat, was man Humanwissenschaften nennt. Ich erwähne hier insbesondere die Philosophie, die erlaubt, den tiefen Sinn der metaphysischen Wirklichkeit und aller für die menschliche Existenz notwendigen sittlichen und geistigen Wirklichkeiten zu erforschen. Dank der Philosophie wird man das So-Sein des Menschen und die Ethik, die sein persönliches und gemeinschaftliches Leben beherrschen, bestimmen können. Wie ich vor der UNESCO sagte, „ist das erste und grundlegende kulturelle Faktum der geistig reife Mensch, d. h. der vollerzogene Mensch; der Mensch, der fähig ist, sich selbst und andere zu erziehen . . . Die erste und grundlegende Dimension der Kultur ist ihre gesunde Moral: also die moralische Kultur“ (Nr. 12). Ja, die Zukunft einer Gesellschaft vollzieht sich über die Bildung des Gewissens. Die Menschen und Menschengruppen werden fähig sein müssen zu unterscheiden, was für den Menschen wahr und gut ist, und gleichzeitig werden sie mit kritischem Verstand die Zweifelhaftigkeit des Fortschritts beurteilen müssen, die Irrtümer oder Pseudowerte, die Fallen künstlicher Ziele, die gewisse Zivilisationen vorspiegeln, die Versuchungen des Materialismus oder die Ideologien, die sich wirksam nennen, aber wirksam wozu? Schließlich bin ich überzeugt - und die Zivilisationsgeschichte könnte es bezeugen -, daß ein organisches und konstitutives Band zwischen der Religion und der Kultur besteht (vgl. Ansprache vor der UNESCO, Nr. 9). Und deshalb verdient das Religiöse, das in seiner Besonderheit als Beziehung des Menschen zur Transzendenz geachtet wird, gründlich erforscht zu werden, damit dem Wert der religiösen Traditionen und der gemeinschaftlichen Bande gebührend Rechnung getragen wird. Denn auf diese Weise bewahrt die aufzubauende Gesellschaft ihre Seele. In der Bibel finden wir diese Überzeugung bei einem Psalmisten wieder: „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut“ (Ps 127,1). 872 REISEN 5. Aus all diesen Gründen setzt sich die Kirche überall für die Förderung der Kultur durch die Universitäten ein, damit das menschliche und gesellschaftliche Wohl im Gesamtblick auf die Entwicklung nach dem Schöpfungsplan Gottes gesichert ist. Ihr kennt den Eifer, den die Kirche seit den Anfängen der Evangelisierung ganz besonders in eurem Land aufgeboten hat, um Schulen zu gründen. Die Kirche hat auch die mittelalterlichen Universitäten, d. h. die ersten Universitäten gegründet. Heute nimmt die Kirche, indem sie in gewissem Sinn die Autonomie der irdischen Wirklichkeiten in bezug auf ihre eigene geistliche Verantwortung anerkennt, gern Anteil am Fortschritt der Universitäten, und sie lädt all ihre Söhne und Töchter ein, ihren Beitrag im Dienst des Fortschrittes zu leisten und für seine Unverfälscht-heit zu bürgen. Sie selbst fährt fort, katholische Universitäten zu gründen, die eine Symbiose des Glaubens und der Kultur erleichtern, wie ich es kürzlich in Löwen und in Louvain-la-Neuve in Belgien erläutert habe. 6. Wir haben vor der Förderung der wissenschaftlichen Kenntnisse und der Forschung nach der Wahrheit über den Menschen und über Gott durch die Philosophie, die Ethik und theologische Reflexion gesprochen. Diese Betrachtungen, die auf der Universitätsebene, die die eurige ist, angestellt werden, dürfen uns keinesfalls von den menschlichen Bedürfnissen, vom Dienst am konkreten Menschen in der aktuellen Situation Kameruns ablenken. Ihr macht euch mit Recht Gedanken über die konkreten Bedingungen für die wahrhaft menschliche Entwicklung eurer Landsleute, ja all eurer Landsleute. Mögt ihr diese Sorge bei all euren Lehr- und Verwaltungsverantwortlichkeiten, die ihr an der Universität tragt, bewahren, und ihr, Studenten und Studentinnen, in euren wirtschaftlichen, sozialen, pädagogischen oder politischen Verantwortlichkeiten, auf die ihr euch vorbereitet. Es handelt sich in der Tat darum, das Bild vom Menschen und seinen sozialen Beziehungen zu vertiefen und zu leben, wo die „Gerechtigkeit“ nicht nur ein phrasenreiches und formales Leitmotiv bleibt. Heute beruft sich die ganze Welt darauf, ohne daß oft gewisse Mächte sich daran hindern lassen, ungerecht gegen andere Völker oder Menschenklassen vorzugehen. Das Philosophieren über die Würde des Menschen mit seinen Rechten und Pflichten, über seine zwischenmenschlichen Beziehungen in der Familie und in der Gesellschaft muß dazu führen, tatsächlich die Bestrebungen und Bedürfnisse derjenigen zu berücksichtigen, die Hunger oder an Wohnungsnot leiden, die Arbeit suchen, die in ihrer Würde als Frau oder Kind mißachtet werden, die nicht die nötige Freiheit haben, 873 REISEN sich ein festes Heim einzurichten, auch diejenigen, die in ihrem Bestreben, die Hauptbedürfnisse der Bevölkerungen zu befriedigen, landwirtschaftliche oder industrielle Arbeiten entwickeln wollen; und nicht zuletzt die, die Wert darauf legen, das Schöne und Gesunde in ihrem eigenen kulturellen Erbe aufblühen zu lassen. Richtlinien für die Inkulturation des Glaubens 7. Jedenfalls, auch das Christentum versteht es in diesem Sinn, wenn es die kulturelle Entwicklung unterstützt. Es verkündet die Freiheit und die unveräußerlichen Rechte des Menschen. Und es erkennt den Ursprung seiner Würde im Bild des Schöpfers, das jeder Mensch in sich trägt, und in dem Wert, mit dem Gott jeden Menschen ausgezeichnet hat, um ihn von allem Bösen zu befreien. Aber unter der persönlichen Würde, die niemals als Werkzeug den gesellschaftlichen Belangen geopfert werden kann, ist nicht der egoistische, selbstgefällige und launische Individualismus zu verstehen, der sich in gewissen westlichen Gesellschaften breitmacht. Sie ist hingegen die eines Menschen, der lernt, voll Mensch zu sein, mit den anderen und für die anderen (vgl. Ansprache vor der UNESCO, Nr. 11), denn das Christentum erlaubt es, den Menschen um seiner selbst willen zu bejahen, ihn aus sich selbst heraus zu lieben und seine Würde unerläßlich gegenüber allem zu beanspruchen, das seinen Leib, seinen Geist, sein Herz und seine Seele unterdrücken kann. Christus identifiziert sich mit dem konkreten Menschen, dem Geringsten seiner Nächsten, der Hunger oder Durst hat, der krank oder im Gefängnis oder in der Fremde ist {Mt 25,33-36). Er hat seine Sendung mit den Worten begonnen: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde . . ., damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze“ {Lk 4,18). Ja, man kann sagen, daß die Jünger Christi, so wie der barmherzige Samariter im Evangelium, immerfort eine „Pastoral des Heilens und Mitleidens“ in der Welt vollziehen müssen, einfach nur, weil der Mensch, der sich am Straßenrand in Not befindet, ihr Bruder, ihr „Nächster“ ist (vgl. Lk 10,33-37). Im Laufe der Geschichte haben die Menschen, die christlichen Nationen angehörten, dies leider nicht immer getan, und wir bitten unsere afrikanischen Freunde, die beispielsweise so sehr unter dem Sklavenhandel gelitten haben, um Vergebung. Aber das Evangelium bleibt als unmißverständlicher Appell. 874 REISEN Ich verstehe den Ruf gewisser Afrikaner nach echter Befreiung und gerechter Anerkennung ihrer Würde, die fern ist von jedem Rassismus und jeder Erscheinung politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Ausbeutung. Besonders begrüße ich bestimmte, vom Forum der christlichen Universitätsangehörigen Kameruns und der Bewegung christlicher Afrikaner ausgesprochene Wünsche. Ich freue mich darüber, daß sie sich über die proklamierten Grundsätze hinaus selbst um das sorgen, was längst einem menschlichen Bedürfnis entspricht (ein medizinisches Zentrum, Studentenheime, Frauenmitbeteiligung, Kindererziehung, Kampf gegen die Versteppung, Förderung der Viehzucht: vgl. Erste Akademikerwoche Afrikas, Yaounde, April 1983). Aufmerksam beobachte ich den Einsatz der Universitätsjugend (JEC), wenn sie die Bemühungen ins Bewußtsein ruft, die aufzuwenden sind, um die Wohnverhältnisse und das Gesundheitswesen, die Versorgungs- und Informationsbedingungen und die studentische Freizeitgestaltung zu verbessern, indem sie nach den gesellschaftlichen Gründen der derzeitigen Not suchen. 8. Ich will noch hinzufügen — und mich hierbei vor allem an die christlichen Akademiker und Universitätsangehörigen richten -, daß es wichtig ist, die Reflexion über die ersehnte Befreiung und den Wunsch, gleichzeitig volle Christen und Afrikaner zu sein, zu Ende zu führen. Es ist eine schwierige Debatte, und ich wünsche mir, daß ihr sie mit Objektivität, Weisheit und Tiefe weiterführt — in Einheit mit den Bischöfen eures Landes, dieser Region Afrikas und dem gesamten afrikanischen Kontinent, die es nicht unterlassen werden, sie in ihren Gremien (Rat, Symposion oder Konzil) zu erörtern. Ich zweifle nicht daran, daß euer christlicher Glaube, eure aufrichtige Liebe zur Kirche und eure Sorge um die Einheit mit der Weltkirche die Ernsthaftigkeit eurer Forschung garantieren werden. An dieser Stelle kann ich nur einige Richtlinien aufzeigen. Zunächst ist es selbstverständlich, daß die ersehnte Befreiung eine volle Befreiung des Menschen von all dem ist, was ihn von außen und von innen unterjocht. Die ganze biblische Geschichte - die ein uns alle inspirierender Führer bleibt — ist wie ein Bewußtwerden davon, daß die Hindernisse, die oft in den von Fremden auferlegten Zwängen gründeten, auch in den Herzen der Israeliten selbst lagen, die beteiligt waren an der persönlichen und gesellschaftlichen Sünde, an der Verleugnung moralischer und gesellschaftlicher Werte, an der Untreue gegenüber dem Gott des Bundes, der Gerechtigkeit, Heiligkeit und Liebe war. Der Herr lud sie immerfort zu einer echteren Brüderlichkeit untereinander und zur weitgespannten Brüderlichkeit mit den anderen Völkern ein. 875 REISEN Andererseits ist es wohl wahr, daß der christliche Glaube eine Frohbotschaft für jedes Volk sein muß. Sie muß seinen edelsten Erwartungen entsprechen. Sie muß in seiner Sprache ausgedrückt werden und ihre Anwendung in den uralten Traditionen finden können, die seine Weisheit nach und nach hat entstehen lassen, um den sozialen Zusammenhalt und die Erhaltung physischer und sozialer Gesundheit zu garantieren. Die Evangelisierung kann keine Kulturelemente einprägen. Der Bruch zwischen dem Evangelium und der Kultur wäre ein Drama (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 20). Die positiven Elemente, die geistigen Werte des afrikanischen Menschen müssen integriert, ja besser integriert werden. Christus ist gekommen, um zu erfüllen. Dem unermüdlichen Anspruch der Inkulturation muß demnach begegnet werden, damit der Glaube nicht oberflächlich bleibt. Aber - man sollte auch nicht vergessen - die Botschaft des Evangeliums kommt nicht nur zu uns, um das Menschliche in seinem augenblicklichen Zustand zu festigen; sie spielt auch eine prophetische und kritische Rolle. Überall, in Europa wie in Afrika, ändert sie die Urteilskriterien und Lebensweisen (vgl. ebd., Nr. 19). Sie ist ein Appell zur Umkehr. Sie kommt, um zu erneuern. Sie prüft alles, was zweideutig und mit Schwächen und Sünde vermischt ist. Sie muß diese Funktion durch eine bestimmte Praxis ausüben, die mit dem Glauben von den Fremden eingeführt worden ist; aber auch durch gewisse Sitten und Einrichtungen, die sie bei euch vorgefunden hat. Das Evangelium kommt übrigens immer, um zu reinigen und zu erheben, damit alles, was gut, edel, wahr, recht ist, gerettet, gereinigt, zum Blühen gebracht wird und die besten Früchte trägt. <167> <167> Diejenigen, die euch den Glauben vor weniger als hundert Jahren gebracht haben - mit zweifelloser Aufrichtigkeit und Selbstlosigkeit und mit dem Wunsch, das zu teilen, was sie als Bestes zu bieten hatten -, haben ihn notwendigerweise in ihrer Sprache verkündet. Konnte es denn auch anders sein? Aber in dem Maß, wie sie euch das Wesen des Evangeliums, der lebendigen Tradition der Kirche und ihrer Praxis - an der ihr in Wahrheit festhaltet - eingeführt haben, liegt bereits eine unermeßliche Gnade. Und nun liegt es an euch, afrikanische Laien und Priester, daß dieses Korn originale, echt afrikanische Früchte hervorbringt und daß die Hefe den ganzen Teig bei euch aufgehen läßt. Der ganze Einsatz für die zweite Evangelisierung liegt in euren Händen. 876 REISEN Keine Abgrenzung von Glaube und. Beruf Diese Früchte werden einen neuen Reichtum für eurer Volk wie für die Kirche darstellen, die sie mit bereitem Herzen erwartet, um noch „katholischer“ zu werden. Es ist auch abzusehen, daß sie Gemeinsamkeiten mit denen aufweisen werden, die in der Gesamtheit der katholischen Kirche hervorgebracht werden. Die Ansprüche des Herrn sind in bezug auf Liebe, Vergebung, Frieden und Reinheit dieselben. Das Glaubensbekenntnis ist dasselbe. Die Tradition der lebendigen Kirche drückt die Weise aus, in der das Evangelium und das Glaubensbekenntnis mit dem Heiligen Geist und dem Lehramt im konkreten geschichtlichen Netz gelebt worden sind, wobei aber auf die wahren Fragen des Geistes und des menschlichen Herzens, die einer universalen Erfahrung gleichkommen, geantwortet wurde. Hierin liegt eine theologische Gegebenheit, die der verpflichtende Weg für eine weitere Vertiefung in den verschiedenen Kulturen ist. Es ist wichtig, daß die Christen dieses Landes und dieses Kontinents diese Gegebenheit gründlich untersuchen, so wie sie gleichzeitig das untersuchen, was ihre eigene Kultur charakterisiert, um in Gemeinschaft mit der Kirche einen sicheren und nutzbringenden Weg abzustecken. Weder die Christen von damals noch die von heute sind vollkommen, und sie können Fehltritte begehen. Aber die Kirche kann durch ihre Lehre und ihre Heiligen das Gleichgewicht wiederfinden; die Universitäten sind ein idealer Ort für diese Überlegungen. Der Sendungsauftrag des Nachfolgers Petri ist, für alle der Garant dieser Freiheit und dieser Treue zu sein. <168> <168> Ich werde meine lange Rede mit einem doppelten Appell beschließen. Euch Akademikern, Universitätsangehörigen und Studenten, die ihr so freundlich wart, mir hier zu begegnen, vielleicht ohne den katholischen Glauben zu teilen, spreche ich meine wärmste Ermutigung aus, in eurer Forschungs-, Erziehungs- und Bildungsarbeit fortzufahren, um euren Brüdern und Schwestern in diesem Land - und vor allem den Bedürftigsten — zu dienen. Titel, Diplome, Doktorate und der Zutritt zu lukrativen und einflußreichen Stellen, die durch ein Studium oft ermöglicht werden, dürfen nicht das Hauptmotiv eurer Arbeit sein. Fragt euch immerzu, ob ihr die Kultur wirklich so fördert, wie es eurer Land braucht; ob ihr zu Männern und Frauen werdet, die fähig sind, ihren Landsleuten, dem Wohl der Nation und dem Fortschritt der internationalen Beziehungen zu dienen; und ob ihr die Qualitäten eures Herzens 877 REISEN ebenso entwickelt wie den kritischen Verstand, die Begeisterung an der Arbeit, die Objektivität, die Freude an der Wahrheit, die Aufrichtigkeit des Gewissens und den Sinn für die Solidarität mit den Armen. Ich bitte Gott, daß er euch Mut und Freude an eurer großen Verantwortung gebe. 11. Für die, die den katholischen Glauben teilen oder ihn suchen, füge ich an dieser Stelle hinzu: Viertieft euren Glauben! Stimmt nicht der Idee des Gegensatzes von Glaube und Wissenschaft zu: Dieses Gefühl kann heute aus einer Unkenntnis der Methoden jener beiden Bereiche erwachsen. Erlaubt auch keine Abgrenzung zwischen eurem Glauben und eurer beruflichen Arbeit; möge euer Glaube, ganz im Gegenteil, eure wissenschaftlichen Forschungen, das Studium sozialer und politischer Probleme und eure erzieherische Verantwortung anregen. Denkt mit euren Bischöfen und euren Predigern über eure Schritte zur Entwicklung einer Pastoral der Intelligenz nach, das diese Dichotomie überwindet. Zu viele eurer Mitbrüder lassen sich oft im guten Glauben von scheinbar selbstlosen Vereinigungen verführen, die Vorteile bieten, aber in Wahrheit großes Durcheinander in den Ideen stiften. Sie zeichnen sich durch den Hochmut des Sektierertums aus und sind in ihren teilweise okkulten Methoden und einem synkretistischen Mystizismus mit der Kirche nicht zu vereinbaren. Rührt diese Verwirrung nicht teilweise daher, daß ihr Glaube seit dem Katechismus in ihrer Kindheit nicht mehr im Gleichschritt mit ihren Studien und Verantwortlichkeiten vertieft worden ist, so daß eine Art Ungleichgewicht in ihrer Bildung besteht? Was den Dialog mit den nichtchristlichen Religionen betrifft - an diesem Kreuzungspunkt der Religionen, den Kamerun darstellt -, so ist er sicherlich weiterzuentwickeln. Er bringt gegenseitige Achtung, Anerkennung der Werte des anderen und, in der Treue zum eigenen Glauben, brüderliche Zusammenarbeit, die alles zum Ziel hat, was das Allgemeinwohl angeht. Nun, liebe christliche Laien, fürchtet euch nicht davor, eure Rolle in der Kirche anzunehmen. Sie braucht euch. Ihr seid die Kirche. Stellt eure Fähigkeiten in ihren Dienst. Helft ihr, lebendige, menschliche Gemeinschaften zu schaffen. Der Einsatz in euren christlichen und menschlichen Gemeinschaften wird euch in eurem Glauben ermutigen. Und indem ihr -wie es die katholische Konzeption der religiösen Freiheit fordert - das Gewissen achtet, nehmt ihr Anteil an der Evangelisierung des Landes, die in der Evangelisierung von Personen, Gruppen und Kulturen Unermeßliches vor sich hat. Möge Christus in den verschiedensten Wirkungsbereichen des Lebens mit euch sein! 878 REISEN Viel habt ihr empfangen und viel wird von euch verlangt werden. Möge Gott euch allen seine Weisheit und Kraft eingeben! Möge er euch und all eure Nächsten segnen! Ich danke euch für euren Empfang. Die katholische Identität bewahren Ansprache an die Bischofskonferenz von Kamerun in Yaounde am 13. August Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Seit drei Tagen durchreise bzw. überfliege ich eure vier Kirchenprovinzen, die in ihrer Verschiedenheit so reich sind. Die großen festlichen Gottesdienste, wo alles Volk zusammenströmt und wo ich mich von der Glaubensfreude eures christlichen Volkes und vom Wohlwollen der übrigen Bevölkerung überzeugen konnte, haben mich tief und nachhaltig beeindruckt. Neugetraute, Firmlinge, Erstkommunikanten, Katecheten, Eheleute und Eltern, Jugendliche, Studenten und Akademiker, Ordensleute, Diakone und Priester, sie alle haben ein schönes Zeugnis abgelegt. Ich war glücklich, mit ihnen beten und jeden einzelnen in seinem Apostolat ermutigen zu dürfen. Noch mehr freue ich mich aber, daß im Mittelpunkt all dieser Begegnungen die heutige Aussprache mit euch, meine lieben Mitbrüder, steht. Denn der Herr hat mir das Petrusamt vor allem dazu übertragen, daß ich die Einheit unter den Hirten als den Nachfolgern der Apostel sowie deren Treue und missionarischen Schwung fördere. So geht der dringende Wunsch in Erfüllung, den der damalige Präsident der Bischofskonferenz, Erzbischof Jean Zoa, bei eurem Ad-limina-Besuch im November 1982 geäußert hatte, daß ich nämlich die Kirche von Kamerun, so wie schon vorher einige andere Ortskirchen in Afrika, an Ort und Stelle kennenlernen sollte. Wir haben längst persönliche Kontakte geknüpft. Mit den meisten von euch hatte ich mich in Rom unterhalten, und dem derzeitigen Präsidenten eurer Bischofskonferenz, Erzbischof Christian Tumi, habe ich sogar die Bischofsweihe erteilt. Ich möchte hiermit jedem einzelnen von euch meine Zuneigung und meine herzlichen Segenswünsche zum Ausdruck bringen. 879 REISEN Die christliche Gemeinde ist schnell gewachsen 2. Nachdem wir so viele Gnaden empfangen durften, möchten wir uns heute abend in dieser Kapelle zunächst dem Herrn zuwenden, um ihm zu danken und uns besser der Tatsache bewußt zu werden, daß alles, was wir tun, sein Werk ist. Ich gehe zurück in die Zeit der Apostel und mache mir zu eigen, was der hl. Paulus an die Thessalonicher geschrieben hat: „Wir danken Gott für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken; unablässig erinnern wir uns vor Gott, unserem Vater, an das Werk eures Glaubens, an die Opferbereitschaft eurer Liebe und an die Standhaftigkeit eurer Hoffnung auf Jesus Christus, unseren Herrn“ (2 Thess 1,2-3). Ja, Gott sei gelobt! Ich habe bei euch eine Kirche gesehen, die in vollem Wachstum begriffen ist. Ich habe an den glühenden Eifer der Gruppen von Missionaren erinnert, die 1890, 1916, 1922 und 1946 in mehreren Etappen in euer Land kamen. Auf jene Pioniere trifft das Wort von der „Standhaftigkeit ihrer Hoffnung“ zu, vor allem, wenn man ihre anfänglichen Schwierigkeiten kennt. Mir ist aber auch klar geworden, auf wieviel Aufgeschlossenheit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit sie sich in diesem Land sehr bald stützen konnten. Die christliche Gemeinde ist schnell gewachsen und wurde rasch von den Afrikanern selbst übernommen. Unser einhelliges Lob gilt den Bischöfen Plumey, Loucheur und Mongo, die die Fundamente gelegt haben und deren Ausstrahlung in der Tätigkeit ihrer Nachfolger noch heute weiterwirkt, sowie all denen, die den Aufbau heute fortsetzen. Es ist der Herr, der euch berufen, ausgewählt und geheiligt hat, um durch euch sein Heilswerk auszubreiten. Während ihr nach besten Kräften gearbeitet habt, bewirkte der Heilige Geist den treuen Glauben und die opferbereite Liebe, welche den Christen kennzeichnen. Ihm allein geben wir die Ehre. Ich möchte, daß alle, die mit euch Zusammenarbeiten, sich als ausgewählte Werkzeuge des Herrn fühlen. Ohne die organisatorische Seite des Apostolates vernachlässigen zu wollen, wünsche ich, daß sie immer dem Gebet den ersten Platz einräumen und sich auf den Heiligen Geist stützen, der nach dem Maß ihrer Verfügbarkeit in ihnen wirkt. So werden sie dem Herrn voll Freude dienen. In jeder Missionsarbeit soll diese Gesinnung im Vordergrund stehen. 3. Ich brauche mich hier nicht lange darüber zu verbreiten, welche Richtung ihr einschlagen, welche Aktionen ihr in Angriff nehmen und welche Prioritäten ihr setzen sollt. Wir haben das alles im November 1982 880 REISEN in Rom der Reihe nach besprochen, und während der vergangenen drei Tage haben wir den einzelnen Gruppen oder dem christlichen Volk insgesamt die Ermahnungen und Ratschläge gegeben, die wir für angebracht hielten. Damit ihr seht, daß ich eure pastorale Sorge teile, möchte ich jetzt nur noch ein paar Punkte unterstreichen, die mir aufgefallen sind. Man kann sagen, daß bei euch die Evangelisierung in die Wege geleitet, vertieft oder erneuert werden soll. Ja, die Erstevangelisierung ist fortzusetzen, und es ist wünschenswert, daß die Frohbotschaft ohne Zögern den vielen Kamerunern verkündet wird, die bis heute nur ihre angestammten Religionen kennen. Dieses Phänomen fällt im Norden des Landes besonders auf, es existiert aber auch in den übrigen Bistümern. Aus dem präzisen „Röntgenbild der Diözesen“, das im Verlauf eures Seminars vom vergangenen Januar in Maroua zusammengestellt wurde, habe ich entnommen, daß manche Bezirke nahe der nigerianischen Grenze noch kaum für das Evangelium erschlossen sind, während sich anderswo Pfarreien und ein entsprechender Religionsunterricht fest zu installieren scheinen und darüber etwas von ihrer missionarischen Stoßkraft verlieren. Meint ihr nicht, daß man bei euren Gläubigen und euren Katecheten, vor allem aber bei den Priestern, den Wunsch wachrufen sollte, all ihren Landsleuten die Möglichkeit einer ersten Glaubensverkündigung zu verschaffen? Vielleicht sollte man dabei nicht nur auf den immer willkommenen Beitrag der Orden und Kongregationen Wert legen, sondern auch auf die Hilfe, die die anderen Provinzen dem Norden leisten könnten. Ich vertraue euch in diesem Zusammenhang ein Wort an, das seit Paul VI. den Afrikanern öfters wieder gesagt wurde: „Ihr seid eure eigenen Missionare.“ 4. Vor allem ist die Evangelisierung bei euren Getauften zu vertiefen. Wie viele Erwachsene, in erster Linie die Intellektuellen, eingestehen, ist der Religionsunterricht nur allzuoft im ersten Anfangsstadium steckengeblieben, und die Sekten nützen diese Unwissenheit schonungslos aus. Ich weiß aber, daß dies eine eurer großen Sorgen ist, und ich unterstütze alles, was ihr unternehmen wollt, um dem abzuhelfen: Katechese, Katechismen, Fortbildungstagungen und vor allem Bibelapostolat. Es geht dabei nicht einfach nur um eine zusätzliche religiöse Unterweisung, die immer notwendig ist, sondern um die christliche Durchdringung des Denkens und des Brauchtums. „Die angestammten Religionen haben das Unterbewußtsein der Masse und den großen Reichtum der überkommenen Kultur unter Kontrolle“, 881' REISEN sagt eines eurer Dokumente (Kommission für das Apostolat der Laien). Deshalb meßt ihr der Inkulturation des Evangeliums und dem Gespräch mit den anderen Religionen zu Recht große Bedeutung bei. Wie ich bereits heute nachmittag den Intellektuellen erklärte, setzt beides eine gründliche christliche und sogar theologische Ausbildung voraus, wenn man zu fruchtbringenden Ergebnissen kommen will, ohne dabei die eigene katholische Identität zu verlieren. 5. Schließlich ist die Evangelisierung heute zu erneuern, weil die rasche Entwicklung der Gesellschaft neue Herausforderungen mit sich bringt, wie auch manche alten Kirchen sie kennen. Die wichtigsten Phänomene in diesem Zusammenhang sind Entwurzelung der Familien, Verstädterung und Arbeitslosigkeit, verbunden mit materiellen Versuchungen aller Art sowie eine gewisse Säkularisierung und eine intellektuelle Orientierungslosigkeit, die durch eine anströmende Lawine unkritisch hingenommener Ideen und durch den Einfluß der Medien noch verstärkt wird. Ihr werdet also oft mit recht armseligen Mitteln entschieden eine Pastoral in Angriff nehmen müssen, die diesen neuen Problemen gewachsen ist. Die Kreise, welche auf diesem Gebiet in verstärktem Maß besondere Hilfe brauchen, sind zweifellos die Intellektuellen, die Beamten, Akademiker und Studenten sowie die Schüler von höheren Lehranstalten und technischen Schulen. Es handelt sich dabei um ein schwieriges, aber sehr wichtiges Arbeitsfeld, wo Beweglichkeit und Initiative nötig sind. Die Zukunft steht auf dem Spiel, da hier die verantwortliche Elite von morgen ausgebildet wird. Ich war froh, mich während der Begegnungen des heutigen Tages ihnen widmen zu können. Mein Brief an die Jugendlichen vom vergangenen Frühjahr und meine zahlreichen Gespräche mit ihnen überall in der Welt zeigen euch deutlich, welch hohe Bedeutung ich persönlich dieser Frage beimesse. Ich ermutige euch in euren Initiativen. Unter anderem habe ich mit Interesse vom Hirtenbrief der Bischöfe der vier Diözesen des Nordens an die jungen Christen Kenntnis genommen. Es ist der Mühe wert, daß sich Priester und Ordensschwestern vermehrt dieser Seelsorgearbeit widmen und insbesondere die Verbände für das Laienapostolat unterstützen, welche die Präsenz der Christen in den oben erwähnten Kreisen durch Gebet, christliche Besinnung und tätiges Zeugnis gewährleisten. 882 REISEN Nach Gottes Plan gelebte eheliche Liebe und Treue 6. Ein Lebensbereich, der eurer Ansicht nach zu Recht Priorität verdient, ist die Familie. Ihr habt diesem Thema mehrere Tagungen gewidmet, und ich habe in der Provinz Bamenda gesehen, was ihr zu tun versucht, um bei der Ehevorbereitung auf die Schönheit der nach dem Plan Gottes gelebten ehelichen Liebe und Treue hinzuweisen, damit das Zeugnis christlicher Familien auf andere ausstrahlt. Ich kenne die zahlreichen Hindernisse, die euch dabei im Wege stehen. Sie kommen von gewissen Bräuchen und von der Tatsache her, daß andere Gemeinden nicht so hohe Anforderungen stellen. Schließlich spielt auch die moderne, betont großzügige Auffassung eine Rolle. Es geht aber hier um eine Wirklichkeit, die für die Ehegatten und die Kinder sowie für die Evangelisierung als ganze von ausschlaggebender Bedeutung ist. In diesem wichtigen Apostolat haben die Frauen ebenso wie der Einfluß der Ordensschwestern auf Mädchen und Mütter große Bedeutung. Weitere wichtige Bereiche kamen schon bei anderen Gelegenheiten zur Sprache: die Ausbildung der Priesteramtskandidaten, für die ihr geeignete Strukturen aufgebaut habt; die Pastoral der geistlichen Berufe bei Männern und Frauen, die Ausbildung der Katecheten und der kirchlich engagierten Laien sowie die Unterstützung und der Ausbau der katholischen Schulen. 7. Sagt bitte euren Diözesanen, daß ich jeden ermutige, seiner Berufung zu folgen, wie ich es bereits am ersten Abend in der Kathedrale von Yaounde versucht habe. Möge es allen eine Freude sein, für das Reich Gottes, das sich in Kamerun auferbaut, zu arbeiten! Dabei sollen sie einander ergänzen im Bewußtsein, daß jeder an seinem Platz unersetzlich ist. Unter eurer Hirtensorge geborgen, sollen sie sich gegenseitig in Liebe unterstützen! Eine Anzahl von Gläubigen soll bei dieser einmaligen Gelegenheit meines Besuches in eurem Land eine Begegnung mit mir gewünscht haben; ihr Wunsch ist aber nicht in Erfüllung gegangen. Darf ich euch bitten, ihnen meinen Segen zu übermitteln, ihnen zu versichern, daß ich für ihre Anliegen beten werde, und ihnen zu sagen, daß ich auch meinerseits auf ihr Gebet zähle? Vor allem möchte ich, daß ihr den Kranken, den Behinderten, den Aussätzigen, den Alten und den Gefangenen, die ich leider nicht öfter treffen konnte, meine Zuneigung zum Ausdruck bringt. 883 REISEN Die geistlichen Berufe sind Fundament der Kirche von morgen 8. Bitte drückt auch den Priestern, die ja eure direkten Mitarbeiter sind, mein besonderes Vertrauen aus. Aus der von euch gestarteten Umfrage scheint hervorzugehen, daß sie eine gute Auffassung von der priester-lichen Standesgnade und den damit verbundenen Anforderungen hinsichtlich des Gebetslebens und des apostolischen Einsatzes haben. Wie ich weiß, ist ihre materielle Situation oft schwierig; das ist mehr oder weniger das Los aller Jünger Christi. Ich wünsche, daß ihr zusammen mit den Gläubigen eine gerechte Lösung des Problems findet, die es den Priestern erlaubt, sich einzig und allein ihrem Seelsorgedienst, den das Volk so dringend braucht, zu widmen. Ich bin sicher, daß alle Priester, die einheimischen und die hier lebenden Ausländer, als Brüder fruchtbringend Zusammenarbeiten im Bewußtsein, daß ein solcher Austausch für sie nur bereichernd sein kann. Ich ermutige euch, eure Anstrengungen auf dem Gebiet der Pastoral der geistlichen Berufe in den vier Provinzen fortzusetzen. Ihr legt so das Fundament der Kirche von morgen! Hört nicht auf, die Gläubigen für dieses Anliegen zu gewinnen und sie zum Gebet dafür einzuladen. 9. Heute nachmittag habe ich auf die Pläne zur Gründung einer katholischen Hochschule für Theologie und kirchliche Soziallehre in Kamerun angespielt. Ich möchte mich zu den Möglichkeiten und Modalitäten, die im größeren Rahmen Zentralafrikas z. Z. studiert werden, nicht vorschnell äußern. Aber ich weiß, daß ihr für alle, die in eurem Land apostolisch tätig sind - seien sie Priester oder Laien -, ein solches Institut wünscht. Ich hoffe mit euch. Insbesondere was das schwierige und notwendige Werk der Inkulturation des Christentums in Afrika anbelangt, wird es im allgemeinen gut sein, wenn ihr eure Anstrengungen mit denen der Bischöfe der umliegenden Länder oder sogar des ganzen Kontinents koordiniert, und zwar, wie es sich für euch von selbst versteht, in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen des Hl. Stuhls. <169> <169> Es war nicht meine Absicht, einen vollständigen Aufgabenkatalog für euch zusammenzustellen. Beim Anblick einer solchen Liste könnte man auch leicht den Mut verlieren, wenn es sich um ein rein menschliches Unterfangen handelt, das in Anbetracht der Dürftigkeit eurer apostolischen Mittel unweigerlich als zu schwierig und zu groß erscheinen müßte. Aber wie ich schon zu Anfang sagte, arbeiten wir am Werk Gottes mit. 884 REISEN Der Herr erwartet von uns, daß wir unermüdlich säen und begießen; dabei sollen wir Mut, Ausdauer, Weitblick, Phantasie, Wachsamkeit und Verantwortungsbewußtsein an den Tag legen. Wenn die Saat echt ist und wenn wir sie Gott anvertrauen, wird sie von selbst aufgehen und Frucht bringen (vgl. Mk 4,26-29). Ich für meinen Teil höre nicht auf, das Gottvertrauen des Apostels Paulus zu bewundern: Er gründete in kurzer Zeit eine große Anzahl christlicher Gemeinden an Orten, wo vor ihm noch niemand gesät hatte. Dabei konnte er seine Gründungen nicht lange betreuen. Das war doch unglaublich kühn! Aber er wußte, wem er sie anvertraute: dem Herrn und den Ältesten. Er war sicher, daß sie sich durch das Wirken des Heiligen Geistes entfalten würden und stützte sie weiterhin durch seine Fürbitte und seine Briefe. Meine Rolle ist da bescheidener. Ich habe eure Gemeinden nicht gegründet. Es war mir eine Freude, sie zu besuchen und zu stärken. Ich werde sie in treuem Andenken bewahren und ins Gebet einschließen, denn ich weiß, in wessen Hände sie gelegt sind. Ich bitte den Herrn, euch mit seinem Licht und seiner Kraft zu erfüllen, und segne euch in seinem Namen. Zur Heiligung der Welt beitragen Predigt bei der Messe in Bangui (Zentralafrikanische Republik) am 14. August Liebe Brüder und Schwestern aus Zentralafrika! 1. „Mein Vater wird dadurch verherrlicht, daß ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet“ (Joh 15,8). Dieses Wort, das Jesus am Abend der ersten Eucharistie im Abendmahlssaal an seine Apostel richtete, wendet sich heute auch an euch. Ihr seid seine Jünger geworden. Ihr selbst und eure Eltern oder Großeltern haben das Wort Gottes gehört, das im Laufe des letzten Jahrhunderts durch andere Jünger hierhergetragen wurde, denen es wiederum seit Jesus und seinen Aposteln Petrus und Paulus von Generation zu Generation übermittelt worden war. Ihr habt geglaubt. Ihr habt die Taufe zum Preis des 885 REISEN anstrengenden Katechumenats gewollt. Und ihr habt auch als getaufte Laien und Firmlinge andere den Weg des Glaubens gelehrt. Und viele haben mit euch gemeinsam diese christliche Erfahrung gemacht: Das Wort Gottes ist gut, es hat das Herz des Menschen verändert. Ein Volk Gottes hat sich, ohne zu zögern, an den Ufern des Oubangui geformt; euer Erzbischof N’Dayen hat dem Nachfolger Petri soeben die Früchte davon dargeboten. Ich danke ihm für seine Grußworte und euch für euren Empfang. Das Wesentliche der christlichen Botschaft, der ihr zustimmt, ist die Frohbotschaft: Gott ist Vater. Er hat den Menschen als sein Bild geschaffen. Er hat ihn nicht seiner Sünde überlassen. Er hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingegeben hat, damit jeder Mensch, der an ihn glaubt, gerettet werde und das ewige Leben erlange. Mit Jesus, der für euch gestorben und auferstanden ist, seid ihr Adoptivkinder Gottes geworden. Gott hat euch an seinem Heiligen Geist teilhaben lassen, der seine Wohnung in euch hat. Ihr seid glücklich, Christus zu folgen, ihm, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Mit ihm könnt ihr ein von Frieden und Liebe erfülltes Leben führen. Mit ihm ertragt ihr eure Prüfungen und sogar die Prüfung des Todes. Denn Gott ist treu und ruft euch dazu auf, sein Leben in dieser Welt und in der anderen Welt zu teilen. Dies ist das Wesentliche des Glaubens, den ihr mit allen Christen der Welt und mit der Kirche, deren Herr mich zum universalen Hirten in Einheit mit den Bischöfen erklärt hat, gemeinsam habt. Aufgrund dieses Glaubens, den ihr empfangen habt, dürft ihr nicht aufhören, euch zu freuen und Gott zu danken. Der Glaube ist ein Samenkorn, das viele Früchte tragen kann. Er ist eine Präsenz, die euer ganzes Leben erblühen läßt. Und ihr werdet diesen Schatz für euch bewahren können. Ich wünsche, daß die Verkündigung des Evangeliums von euch quer durch dieses Land hindurch fortgesetzt wird, wo viele noch nicht die Gelegenheit hatten, es wirklich kennenzulernen und ihm in Freiheit ihren Glauben zu schenken. Glaube und Werke 2. Aber ihr dürft euch nicht damit zufriedengeben zu sagen: „Ich bin getauft“, „ich habe Glauben.“ Ihr habt die Warnung des Apostels Jakobus gehört, die er an die ersten Christen gerichtet hat: „Meine Brüder, was nutzt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke“ {Jak 2,14). Jeder müßte vielmehr sagen: „Ich zeige dir meinen Glauben 886 REISEN aufgrund meiner Werke“ (Jak 2,18). Und diese Werke bestehen darin, das Gesetz Christi, das Erbarmen und Liebe ist, zu erfüllen. Natürlich steht der Glaube an erster Stelle. Gott ist sein Ursprung, denn er hat uns als erster geliebt. Wenn er uns sein Leben schenkt, geschieht es nicht aufgrund unserer Verdienste: Es ist freies Geschenk, Gnade. Und wenn es uns gelingt, sein Gesetz durch verdienstvolle Handlungen zu erfüllen, so ist er es, der uns weiterhin inspiriert und uns hilft. Aber es ist normal, daß wir seinem Willen entsprechen, selbst wenn wir ihm, wie Abraham, das opfern, was uns das teuerste ist. Es ist logisch und notwendig, daß wir auf seine Liebe mit all unseren Kräften und aus ganzem Herzen antworten. So vervollkommnen diese Handlungen den Glauben und beweisen ihn. Ohne sie wäre unser Glaube wie ein toter Leib, der nicht mehr atmet. Nun hat Christus uns aber auch aufgetragen, einander so zu lieben, wie er uns geliebt hat (vgl. Joh 15,12). Wie könnten wir zu Gott als unserem Vater beten, wenn wir nicht unseren Nächsten als Bruder betrachten, wenn wir nichts für ihn tun, wenn er an Hunger oder Durst leidet, wenn ihm Kleider fehlen oder wenn er obdachlos ist und wenn er krank, gefangen oder fremd ist (vgl. Mt 25,35-36); und ich füge hinzu, wenn er arbeitslos und ohne Hoffnung auf eine wirklich menschliche Zukunft in dieser Welt ist? Nächstenliebe ist ein abstraktes Wort; sie zielt darauf ab, in eine konkrete Handlung der Aufmerksamkeit, der Rücksicht, der Achtung, der Gerechtigkeit, des Teilens und der Ermutigung zum Leben, ja besseren Leben, umgesetzt zu werden. 3. Ihr Christen Zentralafrikas seid aufgerufen, das Evangelium im gesamten Alltagsleben mit seinen Verhaltensweisen und Institutionen anzuwenden. Dies ist die Berufung des ganzen christlichen Volkes. In der Tat machen die Taufe und die Firmung aus den Laien aktive Glieder des Leibes Christi: sei es in der Kirche, wo sie im Kreis um den Priester, der eine besondere Rolle bekleidet, die Dienste ihrer christlichen Gemeinde erfüllen können, sei es in der Welt, wo sie in Gemeinschaft mit anderen an den verschiedenen weltlichen Aufgaben arbeiten können, ohne sich dabei dem Geist der Welt anzugleichen, sondern vielmehr im Geist der Seligpreisungen verharren: Selig, die arm sind vor Gott; selig, die Frieden stiften; selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; selig die Barmherzigen; selig, die ein reines Herz haben! Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Rolle der Laien in der Gesellschaft klar Umrissen: „Sie leben in der Welt, d. h. in all den einzelnen irdischen Aufgaben und Werken und den normalen Verhältnissen des 887 REISEN Familien- und Gesellschaftslebens, aus denen ihre Existenz gleichsam zusammengewoben ist. Dort sind sie von Gott gerufen, ihre eigentümliche Aufgabe, vom Geist des Evangeliums geleitet, auszuüben und so wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen“ (Lumen gentium, Nr. 31). Es scheint mir, als habe die Kirche in Zentralafrika seit ungefähr einem halben Jahrhundert sehr wohl verstanden, was die Verantwortung der Laien bedeutet, und die Arbeiten der Assise der katholischen Kirche haben es im Januar 1982 bezeugt. Die Vervielfältigung eurer kleinen Gemeinschaften in den ländlichen Dörfern oder in den Stadtvierteln, die jeweils ihren eigenen Verantwortlichen oder Räten unterstellt sind, sowie auch die verschiedenen christlichen Bewegungen tragen dazu bei, den Geist des Evangeliums in die Wirklichkeiten des täglichen Lebens zu übersetzen. 4. Euer Leben wartet auf die Tat und die Hingabe der Christen, damit seinen menschlichen Erfordernissen solidarisch nachgekommen wird. Euer Land, liebe Freunde, ist nicht ohne Bodenschätze. Gott hat euch Erde und Wasser gegeben; er vertraut euch diese fruchtbare Erde an, damit sie für alle genügend hervorbringt und damit die Kinder dieses Landes nie an Hunger sterben oder an Unterernährung leiden. Ohne die Notwendigkeit der nationalen und internationalen Solidarität zu verleugnen, bleibt er dabei, daß ihr selbst all eure Reichtümer in der Arbeit nutzt und ins richtige Licht setzt; sie soll sich durch Mut, Ehrlichkeit, gute Organisation und auch dadurch auszeichnen, daß sie mit Hilfe eurer Phantasie und der gegenseitigen Nachbarschaftshilfe auf einen modernen Stand gebracht wird. Ich weiß, daß die christlichen Bewegungen euch dazu anregen, euch mit Hingabe für die Belebung des Landes und der Stadt einzusetzen. Ihr setzt euch für zahlreiche konkrete Ziele ein, wie für die Bewirtschaftung und Instandsetzung z. B. von Brunnen und Quellen, von Straßen, für bessere landwirtschaftliche Erträge, für die Alphabetisierung, die Schulen, die Ausbildung von Handwerkern, von Hausfrauen und Näherinnen, für die Förderung der Frau im allgemeinen, für den Bau von Polikliniken und die Gesundheitserziehung, für den Kampf gegen den Alkoholismus, für die Verbesserung der Wohnsituationen, die solidarische Verteidigung eurer Rechte. Ja, es ist gut, daß jeder mit Hilfe seiner Brüder seine Rechte und Pflichten und seine Möglichkeiten entdeckt und sich dazu angespornt fühlt, seinen Beitrag immer mit dem Ziel zu leisten, daß seine Verantwortung im Sinn 888 REISEN Gottes wächst und daß er der Gemeinschaft in ihren wesentlichsten Bedürfnissen dient. Dies ist ein Werk brüderlicher Nächstenliebe und ein Werk der Gerechtigkeit, das den Christen geziemt. 5. Eine solche als Grundlage unbedingt notwendige Handlungsweise muß sich mit jenen Aktivitäten verbinden, die sich im ganzen Land und in allen Bereichen entfalten, um das Gemeinwohl aller zu suchen, d. h. um alle gesellschaftlichen Gruppen der Nation, die notwendigen Entwicklungsbedingungen, die Solidarität und den Frieden zu fördern. Die Christen müssen den ersten Rang unter denen einnehmen, die, über besondere Interessen hinaus, zum Sinn für das Gemeinwohl erziehen und selbst mitarbeiten. Es wird ihnen am Herzen liegen, eine echte Zuständigkeit zu erlangen, ihre berufliche Arbeit gewissenhaft auszuführen, und, wenn sie öffentliche Ämter bekleiden, diese so zu versehen, daß sie, ohne sich zu Günstlingswirtschaft, Intoleranz zwischen ethnischen Gruppen und Korruption verführen zu lassen, ihren Landsleuten und vor allem den Bedürftigsten unter ihnen zu dienen. Man müßte sie in den folgenden Psalmworten wiedererkennen können: „Wohl dem Mann, der gütig und zum Helfen bereit ist, der das Seine ordnet, wie es recht ist. . . ewig denkt man an den Gerechten“ (Ps 112,5,6). Das Zweite Vatikanische Konzil bestand darauf, daß die Christen sich am wirtschaftlich-sozialen und politischen Leben beteiligen mit dem Ziel, dazu beizutragen, daß es dem Plan Gottes gemäß „vermenschlicht“ werde. Daher ist „nichts so wichtig wie die Pflege der inneren Einstellung auf Gerechtigkeit, Wohlwollen und Dienst am Gemeinwohl sowie die Schaffung fester Grundüberzeugungen über das wahre Wesen politischer Gemeinschaft und über das Ziel, den rechten Gebrauch und die Grenzen der öffentlichen Gewalt“ (Gaudium etspes, Nr. 73, § 5; vgl. auch Nr. 43). Es muß alles getan werden, um Meinungsverschiedenheiten durch Gespräche und im Sinn der Gerechtigkeit zu bereinigen, damit wahrer Friede herrsche und die Würde jedes Menschen geachtet werde. Ich ermutige demnach all diejenigen, die sich in diesem Land für die Bewußtseinsbildung in dem soeben beschriebenen Sinne einsetzen und die auch für die Verwirklichung einer gerechteren und brüderlichen Welt eintreten; ich denke hierbei an die erzieherische Tätigkeit und an die Überlegungen einiger christlichen Bewegungen wie die JAC, die JEC, die Pfadfinder, die Fahnenträger, die GEN und die Katholische Aktion der Kinder. Es geht hier um das Zeugnis der Kirche und um eine bessere Zukunft für das Land. 889 REISEN 6. Die Jugend verdient unsere besondere Sorge. Die jungen Leute erlangen mehr Bildung, und dies ist ein Gut, das ihren Geist zum Blühen bringt und dem Land ihre verstärkten Fähigkeiten vermittelt. Aber ihre Enttäuschung wächst mehr und mehr, denn sie sehen nicht die Früchte, von denen sie geträumt haben. Schuld daran ist der Mangel an entsprechenden Arbeitsplänen oder vielleicht auch das Fehlen einer Ausbildung, die der Situation angemessen ist. Die Lösungsmöglichkeiten hierfür sind sicherlich komplex, und es geht nicht darum, nur die anderen zu beschuldigen, gerade so, als müßten die Ergebnisse bereits vorgefertigt von oben oder von anderswo herkommen. Aber niemand kann sich in die Enttäuschung der Jugendlichen fügen: Sie ist nämlich eine Gefahrenquelle und kann zu Zorn, Revolte und Banditentum führen oder egoistische Selbstgenügsamkeit, Flucht in den Alkohol oder in Drogen und einen hoffnungslosen Fatalismus mit sich bringen. Ohne Liebe zu Christus nur menschlicher Aktivismus Ihr, liebe Erwachsenen, Eltern, Lehrer und Verantwortliche für das Gemeinwohl der Nation, dürft ein solches Risiko nicht eingehen. Strengt eure Phantasie an, um die Zukunft der Jugendlichen vorzubereiten. Versucht alles, was möglich ist, ergreift mutige Initiativen, erneuert die unangemessenen Strukturen, zieht die ganze Nation dazu heran, daran teilzunehmen und tut alles, um das Gewissen der Jugend in seiner Rechtschaffenheit zu bekräftigen. Ihr jedoch, liebe Jugend, müßt selbst in Würde, Solidarität und mit Mut reagieren und sicher sein, daß es für den eine Hoffnung gibt, der im Geist des Evangeliums sucht. Eure schöne zentralafrikanische Devise ist: „Einheit, Würde, Arbeit“. Ich übersetze: Werdet freie Menschen, die auf eigenen Füßen stehen; die Freiheit ist kein Geschenk, sondern ein Verdienst. Weist Uneinigkeit und Haß von euch. Bereitet durch eure Arbeit und eure Selbstlosigkeit ein besseres Leben vor. An der religiösen und vollständigen Erziehung der Jugendlichen will die Kirche soweit wie möglich mitarbeiten - sei es in den staatlichen Schulen, sei es in den Schulen, für die sie die direkte Verantwortung tragen kann -, um den Jugendlichen selbst zu helfen und um ihre Erzieher, u. a. im Rahmen der Lehrgruppen, in ihrem herrlichen Beruf zu unterstützen. 7. Die Keimzelle der Gesellschaft bleibt die Familie. Die Missionare hatten Wert darauf gelegt, Jungen und Mädchen auf die Gründung einer christlichen Familie vorzubereiten. Ich denke hierbei an Pierre Kwesse 890 REISEN und Marie Peke, die weniger als fünf Jahre nach der ersten Evangelisierung in ihrem Land und nach ihrer Bekehrung eine bewundernswerte Familie gegründet haben. Die Freiheit der zukünftigen Eheleute, die Festigkeit ihrer Verbindung und ihr entscheidender Einfluß auf ihre Kinder werden zu oft, sei es durch gewisse negative Aspekte der Volksbräuche, die nur erneuert werden müßten, sei es durch gewisse moderne Verführungen, bedroht. Ich gratuliere den Mitgliedern der Vereinigung christlicher Familien, die versuchen, ihre Freunde zu einer christlichen Auffassung von der Familie zu bringen, die den Grundsätzen folgt, die ich selbst in dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio im Anschluß an eine Synode dargelegt habe, an der die Bischöfe der ganzen Welt teilgenommen hatten. Diese frei akzeptierten Anforderungen, die im Ehesakrament angenommen und immerfort mit Christus im Gebet gelebt werden, festigen die christlichen Eheleute in der Tiefe der ehelichen Liebe, in ihrer Treue und Fruchtbarkeit und in der Glaubenserziehung - wie in einer Kirche im kleinen. Liebe Freunde, möge Gott euch helfen, eine Häuslichkeit dieser Art zu fördern! Vernachlässigt nicht das Sakrament der Ehe, das Christus eingesetzt hat, um den Bund und das Leben der Eheleute zu heiligen und ihnen zu ermöglichen, sich stets den anderen Gnadenquellen zu nähern! Ja, möge das rechtgebildete christliche Bewußtsein überall das Licht des Evangeliums erstrahlen, Liebe ausströmen und Hoffnung wecken lassen! <170> <170> „Ich habe euch dazu bestimmt, daß ihr euch auf macht und Frucht bringt“ (Joh 15,16), erklärte Jesus. Dies gilt für alle Jünger Christi. Jesus sagte es zunächst zu den Aposteln. Ihnen vertraute er eine besondere Rolle an, um das Evangelium in seiner ganzen Kraft zu verkünden, über die Treue der Jünger zu wachen, ihnen in seinem Namen das Brot des Lebens, das sein Leib ist, und die Vergebung der Sünden zu geben, um sie fern von jedem Partikularismus in brüderlicher Einheit leben zu lassen und um die neuen, in der ganzen Welt verstreuten Gemeinden in einer ungeteilten, in einem einzigen Leib geeinten Kirche zusammenzufügen. Dies ist die unersetzliche Rolle eurer Bischöfe und der Priester und Diakone, die ihre Mitarbeiter sind. Volk Gottes auf dieser Erde Zentralafrikas, bist du dir der unschätzbaren Stellung des Priesters in deiner Kirche bewußt? Lange Zeit sind die zur Reife gelangten Berufungen wenig zahlreich gewesen. Ein Fortschritt zeichnet sich ab: Ich freue mich darüber. Es wäre undenkbar, daß gut christliche Familien und lebendige Gemeinschaften nicht alles ans Werk setzten, um solche Berufungen zu wecken, sie zu ermutigen und sodann 891 REISEN diese Diener Christi, die ihr ganzes Leben in seinen Dienst in der Kirche verpflichten, zu unterstützen. Die Laien selbst werden ihre ganze Rolle erst dann erfüllen, wenn Priester ihr christliches Leben stärken, und es wäre normal, daß immer mehr zentralafrikanische Priester und zentralafrikanische Bischöfe mehr und mehr diese kirchliche Verantwortung übernehmen. Und ich denke hierbei an alle gottgeweihten Personen, an Ordensleute und Mitglieder der Säkularinstitute: die Ganzhingabe ihrer Person an Christus und an die anderen, die durch Ehelosigkeit, Gehorsam und Armut bezeugt wird, ist ein beispielhaftes Zeichen des Evangeliums und auch ein Zeichen für die Reife der Kirche. Haben nicht sehr viele engagierte Laien und Katecheten den Weg Christi gefunden, und sind sie nicht dank ihrer Meditation zu Verkündern des Evangeliums geworden? Ich bin sicher, daß ihr auf den Moment wartet, wo zentralafrikanische Ordensfrauen das neugewonnene Gebiet der verdienstvollen, aus dem Lande verwiesenen Ordensfrauen übernehmen werden. Dieser Schritt muß aktiv vorbereitet werden, und die Ausbildung, die für das Ordensleben notwendig ist, muß angenommen werden. Ich vergesse diejenigen nicht, die im Herzen dieser Kirche ein kontemplatives Ordensleben führen; auch sie erbauen durch Gebet und Opfer die Stadt Gottes. <171> <171> Liebe Brüder und Schwestern, Jesus hat euch noch ein schönes und schwerwiegendes Wort anvertraut: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5). Alle Früchte in eurem persönlichen, familiären, sozialen und nationalen Leben, von denen wir gesprochen haben, werden sich nur dann verwirklichen und Früchte der Liebe bleiben, wenn ihr Christus so verhaftet bleibt wie die Rebe am Weinstock und wie der Ast am Baumstamm. Die Kraft, die in euch die Dynamik der Liebe erzeugen wird, ist die Liebe, die im Herzen Christi wohnt, seine Liebe zum Vater und seine Liebe zum Menschen. Ohne diese Liebe werden unsere Anstrengungen nur menschlicher Aktivismus sein, der mit einer „lärmenden Pauke“ verglichen werden kann (vgl. 1 Kor 13,1). Liebe Brüder und Schwestern,, seid beharrlich in Christus, indem ihr alle Mittel einsetzt, die die Bande mit ihm festigen. Bleibt in Christus durch den Glauben, der ein lebendiger Glaube ist und der sich an den Worten Christi nährt - „mögen meine Worte in euch bleiben“ -, über die persönlich oder in Gruppen nachgedacht wird, deren ursprüngliche Inter- 892 REISEN pretation von der Kirche erfragt wird; kurzum ein Glaube, der versucht, das Heil und den Willen Gottes besser zu verstehen. Die Predigt in der Messe, die Katechesen, die geistlichen Übungen und die Bibelgruppen bieten geeignete Gelegenheiten für die Schaffung von Hilfsquellen und gegenseitigem geistlichen Beistand. Bleibt in Christus durch das Gebet; das Gebet erhält die Liebesbande mit Gott aufrecht, es ist Ausdruck für die Dankbarkeit des Sohnes, der sich erkenntlich zeigt, für den Mut des bittenden Sohnes, und für die Fügsamkeit des Sohnes, der sagt: „Herr, was soll ich tun?“ Liturgie, die zum Gebet führt Bleibt in Christus, indem ihr seine Sakramente empfangt, die die wirksamen Zeichen seiner Gegenwart sind. Bereitet euch darauf vor, sie anzunehmen. Bittet den Vater, euch durch das Sakrament der Versöhnung zu reinigen und zu erheben. Bittet ihn, euch zu nähren mit seinem Leben durch die sonntägliche Eucharistiefeier. Bittet ihn, eure menschliche Liebe durch das Ehesakrament umzuwandeln. Eure Pfarrgemeinden sind bevorzugte und unentbehrliche Orte, die euch helfen, in Christus zu bleiben. Zu euren Bischöfen sagte ich anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs: „Mögen die Pfarrgemeinden allen eine lehrreiche und substantielle Nahrung, eine zum Gebet hinführende Liturgie und eine warme Aufnahme bieten, und mögen die kleinen Gemeinden zusätzlich ein Zeugnis fördern, das das Alltagsleben prägt“ (19. November 1982). <172> <172> Wir werden jetzt in Gemeinschaft mit den Christen aller Länder, die sich zum Eucharistischen Kongreß von Nairobi versammeln und denen ich mich anschließen werde, unserem eucharistischen Gebet nachkommen. Wir fassen alle schönen Bemühungen eurer Kirche zusammen, um sie in das Opfer Christi hineinzunehmen. Wir zeigen dem Herrn unsere Vorhaben und unsere Bedürfnisse. Jesus sagt uns, wie wir beten sollen: „Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten... Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet“ (Joh 15,7.16). Vielleicht fehlt uns der Mut zum Bitten? Wir werden für das ganze Volk der Zentralafrikanischen Republik, den Frieden, die Einheit, die Entwicklung und den Fortschritt in jeder Hinsicht beten. Wir werden für die Kirche in diesem Land und für die Weltkirche beten. Und ihr betet für mein Amt. Das universale Gebet wird dieses Vorhaben unterstützen. Herr, möge sich deine Kirche im Heiligen Geist versammeln, um der Sauerteig und die Seele der Welt zu sein (Eingangsgebet). 893 REISEN Herr, hilf deiner Kirche, den Armen die Reichtümer des Evangeliums zu offenbaren (Kommuniongebet). Möge sie ein Ort der Wahrheit und der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens sein. Schenke uns den Geist der Liebe,, den Geist deines Sohnes (Eucharistisches Gebet). Ja, mögen wir alle in der Kirche und in der Gesellschaft vom Geist der Liebe beseelt sein, der sich auf den Dienst überträgt. Christus sagt zu uns: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage... Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,14-16). Und erinnert euch: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28). Ich selbst, Johannes Paul II., bin unter meinen Brüdern auserwählt worden, den Dienst der Diener Gottes, den Dienst der Einheit, der Treue und den Dienst der kohärenten Entwicklung der Kirche zu versehen. In der Nachfolge Jesu möchte ich unter euch sein wie der, der euch dient (vgl.. Lk 22,27). Ich bete zu Gott, daß er in jedem der hier anwesenden Christen den Glauben, der euch unter die Augen Gottes treten läßt, die Liebe, die euch in den Dienst der anderen stellt, und die Hoffnung stärken möge. Ja die Hoffnung, damit ihr euch in keinem Moment und unter keinen Vorwand entmutigen, laßt, sondern wie jene Männer und Frauen seid,, die den Aufruf Jesu gehört haben: „Steh auf und geh umher“ (Mi 9,5). Mögen wir unsere Wege immer mit dir gehen, Maria, Dienerin des Herrn. O Maria, mögen wir uns darauf vorbereiten, morgen zu feiern, o Maria, die du in den Himmel, in die Herrlichkeit deines Sohnes, aufgenommen wurdest, du, unsere Mutter, du hast geglaubt, du: hast geliebt, du hast besser gehofft als alle Geschöpfe. Du bist selig durch Gott. Mögen dein Beispiel und deine Fürsprache dem zentralafrikanischen Volk helfen, am Reich Gottes teilzuhaben - hier und in Ewigkeit! Amen. 894 REISEN Die Größe der Jungfräulichkeit Predigt bei der feierlichen Messe und Seligsprechung von Schwester Anwarite Nengapeta in Kinshasa (Zaire) am 15. August 1. Heute betrachtet die Kirche den offenen Himmel: „Der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet, und in seinem Tempel wurde die Lade seines Bundes sichtbar“ {Offb 11,19): Wir feiern das Fest der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, der Mutter Gottes, der Jungfrau, der Mutter unseres Erlösers. Genau sie ist es, die die Kirche in dem großen Zeichen, das am Himmel erschien, erkannte: „Eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ {Offb 12,1)..Ja, Maria ist das Zeichen für eine neue Welt. Eine Welt, die in Gott vereint, in Gott verklärt ist. Verklärt durch die Macht der Auferstehung Christi. Tatsächlich werden alle das ewige Leben in Christus selbst haben: „Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden“ (2 Kor 15,22). Die erste, die an diesem Leben in Fülle teilhat, ist Maria. 2. Heute, am Tag der Aufnahme Mariens in den Himmel, ruft die Kirche den Augenblick in Erinnerung, an dem Maria an der Schwelle des Hauses des Zacharias das Magnifikat gesungen hat. „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter . . . Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (Lk 1,46-47.49). Mit diesen Worten brachte Maria an diesem Tag anläßlich ihres Besuches bei ihren Verwandten ihre innere Freude über das Geheimnis der göttlichen Mutterschaft zum Ausdruck, die aufgrund der Gnade der Heiligsten Dreifaltigkeit ihre Bestimmung war. Mit den gleichen Worten drückt sie heute ihre innere Freude über das Geheimnis der leiblichen Aufnahme in den Himmel aus, das die endgültige Frucht ihrergöttlichen Mutterschaft durch die Gnade der Heiligsten Dreifaltigkeit ist. Maria betet Gott an. Maria verkündet die Wunder Gottes, die er, der Mächtige, an ihr und durch sie vollbracht hat. 3. Heute betet die Kirche zusammen mit der in den Himmel aufgenommenen Maria Gott an, in der Kirche, die sich in eurem Land, in Zaire, befindet. Sie tut dies in Kinshasa, der Hauptstadt, und in allen Provinzen, 895 REISEN in Kasai, in Shaba, in Kivu, in Unterzaire, in Äquator, in Bandundu und in Oberzaire, wo Anwarite Nengapeta gelebt hat. Ich bin glücklich, mit euch, mit allen Christen der Diözese von Zaire, den Christen der Pfarreien, der Meditationsklöster und religiösen Gemeinschaften beten zu können. Ich bin dem Erzbischof von Kinshasa, Kardinal Malula, sowie allen meinen Brüdern im Episkopat besonders verbunden. Ich danke ihnen auch für den Eifer, mit dem sie die Seligsprechung vorbereitet haben. Gott hat „auf die Niedrigkeit seiner Magd . . . geschaut“ (Lk 1,48) und auf die ungeteilte Liebe einer Tochter dieser Erde. Er erlaubt es uns, heute am Ruhm der Gottesmutter, am Ruhm aller Heiligen und Seligen teilzunehmen. Eines Tages schrieb Anwarite in ihr Tagebuch: „Gott lieben, weil er Großes für mich getan hat; wie groß ist seine Güte.“ Hier brachte sie, durch die Wiederaufnahme des gleichen Gebets wie Maria, den Sinn ihres Lebens zum Ausdruck. Preist euch glücklich, daß ihr hier, an diesem Tag, in diesem Land, das ihr und auch euer Land ist, den Ruhm der Jungfrau Maria feiern dürft, und daß die Kirche ihre Tochter Marie-Clementine Anwarite seligspricht. Wir können sie nur bewundern und sie um so mehr zum Vorbild nehmen, da sie uns allzeit nahesteht; sie ist für eure christliche Gemeinschaft wirklich beispielgebend und gereicht ihr zum Ruhm durch die Verdienste und ihre heilige Treue zu Gott. Anwarite hat ihr ganzes Leben in Oberzaire verbracht, in Wamba und Bafwabaka. Sie schien keine Begabungen zu besitzen, die über das Außergewöhnliche hinausgingen. Als Kind bescheiden, ihrer Grenzen bewußt, war sie jedoch mit Ausdauer bemüht, diese Grenzen zu überwinden und hatte ein lebhaftes, aber auch frohes Temperament. Spontan stellte sie sich anderen zur Verfügung, weil sie einfach diensteifrig war und diesen Dienst dann mit Umsicht ausführte. Die Taufe hatte sie als Kind gleichzeitig mit ihrer Mutter empfangen. Der Glaube wuchs in ihr und wurde zum mächtigen, richtungweisenden Antrieb in ihrem Leben. Sehr jung wollte sie ihr Leben Gott als Ordensfrau weihen: Sie bereicherte die Gemeinschaft von Jamaa Takatifu, die Kongregation der Heiligen Familie, die sich besonders den Erziehungsaufgaben widmet, durch ihren Fleiß, ihren Diensteifer, ihre Liebe zu ihren jungen Schülern, ihre Aufmerksamkeit den Armen und Kranken gegenüber, ihre Freude, die sie anderen mitteilte, und ihr Verlangen, sich in geistlicher Hinsicht weiterzuentwickeln. Die heute hier anwesenden Mitglieder ihrer Familie und ihrer Kongregation sind glücklich, ihre Eigenschaften bezeugen zu können. 896 REISEN Anwarite verpflichtete sich vorbehaltlos der Nachfolge des Herrn; sie hatte ihm ihre Treue und ihre Jungfräulichkeit geweiht. Tag für Tag betete sie hingebungsvoll und inbrünstig zur Mutter Christi; man sah sie im Gebet versunken vor dem Bild Unserer Lieben Frau; oft betete sie andächtig den Rosenkranz mit ihren Schwestern oder mit den Kindern, die in ihrer Obhut waren. Rührend hing sie an der kleinen Madonnenstatue, die sie bis zu ihrem Tod bei sich trug. Die Zeit der Prüfungen nahm diese junge Ordensfrau tapfer auf sich: Der Glaube, das Verantwortungsbewußtsein, der vorrangige Wert, den sie der Jungfräulichkeit beimaß, das intensive Gebet sowie die Unterstützung der Gemeinschaft erlaubten es ihr, unerschütterlich zu bleiben. In der schrecklichen Angst, ihre Reinheit verletzt zu sehen, sagte Anwarite, als ihr Leben bedroht wurde: „Meine Seele ist jetzt beunruhigt.“ Worte, die an jene von Jesus erinnern (vgl. Joh 12,27) und die zeigen, wie tief das Evangelium in das Leben dieses jungen, gottgeweihten Mädchens eingedrungen war. Sie überwindet ihre Unruhe und Angst; ihr Mut kennt keine Schwäche und wird durch die mitfühlende Anwesenheit ihrer Oberen und ihrer Mitschwestern gestärkt. Die von Anwarite bezeugte Kühnheit ist der Märtyrer würdig, die, angefangen vom hl. Stefan in Jerusalem, durch ihre heroische Nachfolge Christi die Geschichte der Kirche kennzeichnen. Um ihre Oberin zu verteidigen, die aufgrund ihrer Weigerung bedroht wurde, wagt sie zu sagen: „Ihr werdet nur mich allein töten!“ Als sie die tödlichen Messerstiche treffen, hören sie ihre Schwestern deutlich folgende Worte an den, der sie trifft, richten: „Ich verzeihe euch, denn ihr wißt nicht, was ihr tut.“ Und weiter: „Das ist es, was ich gewünscht habe.“ Anwarite folgt Christus, dem sie sich hingegeben hat, auf radikalste Weise: so wie er verzeiht sie, so wie er vollbringt sie ihr Opfer. Und ich selbst, im Namen der ganzen Kirche, verzeihe aus ganzem Herzen. 4. Im Evangelium heißt es, als Maria die Schwelle des Hauses des Zacharias erreichte, rief Elisabeth „mit lauter Stimme: . . . Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,42.45). Auch sie, die Tochter eurer Erde, Anwarite Nengapeta, hat an die Erfüllung des Versprechens, das Gott ihr gegeben hatte, geglaubt; sie gehörte zu denen, die sich entschließen, um des Reiches Gottes willen auf die Ehe zu verzichten. Sie hatte das Beispiel der jungfräulichen Märtyrerinnen vergangener Zeiten eingehend studiert und war besonders vom Opfer der Maria Goretti und dem der Märtyrer von Uganda beeindruckt 897 REISEN worden. Anwarite wußte, was sie ihre Glauenstreue kosten konnte. Sie hatte Christi Worte gehört: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). In der Stunde der Gefahr zögert sie nicht, ihre Weihe an Christus in vollkommener Jungfräulichkeit über alles zu stellen. Am gleichen Abend, als sie im blauen Haus des Isiro starb, sagte sie: „Ich habe meine Gelübde erneuert, ich bin bereit zu sterben!“ Anwarite ist eine eindrucksvolle Zeugin dafür, welch unersetzlichen Wert eine Verpflichtung bedeutet, die man Gott gegenüber hat und die durch seine Gnade unterstützt wird. Selig ist die, die als eine aus unserer Mitte uns die Schönheit der vollen Selbsthingabe für das Reich bewiesen hat. Die Größe der Jungfräulichkeit besteht darin, sich mit allen Fähigkeiten hinzugeben, um zu lieben, bis das ganze Wesen, frei von allen anderen Bindungen, imstande ist, den Herrn und die, die er liebt, zu lieben.Dariü liegt keine Mißachtung der ehelichen Liebe, denn wir wissen, daß Anwarite Eheleuten ihrer nächsten Umgebung helfend zur Seite stand, um die treue Einhaltung ihrer ehelichen Verpflichtungen zu fördern, deren Schönheit sie hervorhob. Der vorrangige Wert der Treue ist es, der sie zum Martyrium geführt hat. Märtyrer heißt, genaugenommen, Zeuge sein: Anwarite gehörte zu diesen Zeugen, die mitreißen und den Glauben und die Hochherzigkeit der Brüder und Schwestern stärken. Als in der Nacht des 30. November 1964 alle Ordensfrauen der Gemeinschaft bedroht, niedergeschlagen und verletzt werden, erschrecken sie nicht vor Anwarites Opfer, sondern werden von ihm in ihrer Standhaftigkeit ermutigt, diese Prüfung ruhig zu überstehen. Der Tod einer der ihren setzt ein beredtes Zeichen der Hoffnung. Rufen wir uns den Text des hl. Paulus ins Gedächtnis: „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen ... so werden in Christus alle lebendig gemacht werden“ (1 Kor 15,20.22). 5. Deshalb kann sie — die Tochter eurer Erde - heute das Magnifikat mit Maria singen, genauso, wie es ihre Schwestern im Augenblick ihres Todes in ihrer Mitte sangen. Durch ihr Opfer zeigte sich die Macht Gottes, und seine Wunder erneuerten sich. Mit Recht kann sie singen: „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan ... Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten ... und erhöht die Niedrigen, und sein Name ist heilig... Siehe, von nun an preisen mich alle Geschlechter“ (LA: 1,49.51-52,49.48). 6. Dieses hohe Loblied auf die Gnade könnt ihr alle, liebe Brüder und Schwestern, mit Anwarite singen: Hier habt ihr im Grunde die erste 898 REISEN Frucht der Hundertjahrfeier der Taufe eures Landes, die wir vor nicht allzu langer Zeit gemeinsam begangen haben. Die volle Frucht der Taufgnade, nämlich die erste Frau aus Zaire, die die Kirche feierlich seligspricht, wurde unter euch eine Märtyrerin des Glaubens! Das ist ein großes Ereignis in der Geschichte der Kirche auf eurem Boden. Ich freue mich, an diesem denkwürdigen Tag als Nachfolger des Petrus unter euch weilen zu können und mit euch und eurer Heiligen das Magnifikat Mariens anläßlich des Festes ihrer Aufnahme, in den Himmel mit euch singen zu dürfen. Ja, Gottes Macht zeigt sich in dem Wunder, das Maria ist, die als Mutter Gottes in die Herrlichkeit des Reiches eingegangen ist. Erste unter den Heiligen, erhellt sie den Weg aller Männer und Frauen. Anwarite ist ihrem Ruf zur freiwilligen Hingabe der Jungfräulichkeit gefolgt. Sie schließt sich somit der langen Reihe der Jungfrauen an, die seit der Römerzeit, seit dem Beginn des ersten Jahrtausends, ihr Leben für Christus hingegeben haben, z.B. Blandine, Agatha, Luzia, Cacilia, Solange. Zusammen mit diesen ihr vorausgegangenen Märtyrerjungfrauen ermutigt die selige Anwarite jene, die. sich in Beantwortung ihrer religiösen Berufung zur Jungfräulichkeit verpflichten. 7. Aber in allen Lagen, an allen Orten, zu allen Zeiten ruft der Herr diejenigen, für die er seinen Sohn hingegeben hat, ihm auf den Wegen der Heiligkeit zu folgen. Die Berufung der Eheleute besteht darin, daß sie in ihrem Bund eine fordernde und gleichzeitig hochherzige Liebe leben, denn der Weg zu ihrer Vollkommenheit führt über das Geschenk ihrer Person an den Ehepartner, über die Weitergabe des Lebens an die Kinder und die Hingabe, die ihre Erziehung erfordert. Indem sie ihren Ehebund als aktive Antwort an die Liebe des Herrn leben, wirken die Eheleute mit der Gnade mit: „Denn der Herr hat Großes an mir getan.“ Brüder und Schwestern, laßt uns das Gebet gemeinsam wiederaufnehmen, weil er uns gesagt hat, Christus aufzunehmen, „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet. . . Allen aber, die ihn auf nahmen, gab er die Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,9.12): „Win wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ (Röm 6,4). Junge oder Alte, Bekannte, oder Unbekannte, Niedrige. oderrMächtige, Christus erlaubt uns täglich die Güter derrErde und des Lebens hochherzig zu teilen, unsere Schwächen und Trennungen zu überwinden und mit Begeisterung einer erneuerten Welt entgegenzugehen, denn die Macht 899 REISEN der Liebe bricht alle Ketten des Egoismus und des Hasses. Tag für Tag können wir im Glauben und in der Liebe, die Gott in unsere Herzen gelegt hat, den Ruf, Jesus zu folgen, hören. Demütig und freudig kann jeder die Mühen und Erfolge darbieten, vereint mit dem Sohn Gottes, der seinen Leib und sein Blut zur Vergebung der Sünden für die vielen hingibt. In dieser Eucharistiefeier vereine uns der Geist des Herrn zu einem einzigen Leib in Christi Heiligkeit. Er vereine uns mit seiner Opfergabe! Er stärke uns in der Hoffnung und befähige uns dazu, unseren Brüdern und Schwestern die Frohbotschaft zu verkünden, die lautet: Die erlöste Welt empfängt die Heiligkeit Gottes! 8. So sieht die Kirche nun heute über der schönen und reichen Erde Zaires „den offenen Himmel“: - dank des Hochfestes der Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel, - dank dieser ersten Seligsprechung einer Tochter eurer Heimat, - dank des hochherzigen Einsatzes der Söhne und Töchter dieses Volkes im Dienst des Herrn und der Liebe zu ihren Brüdern und Schwestern. Die Völker eures gesamten Landes mögen sich freuen. Ganz Schwarzafrika freue sich. Die gesamte katholische Kirche freue sich und danke für das Zeugnis ihrer Brüder und Schwestern in Afrika. Die Freude dieses großen Tages leite ein neues Kapitel in der Geschichte dieses Gottesvolkes auf dieser geheiligten und glücklichen Erde ein. Amen. Auf ewig in der Gegenwart Gottes Wort vor dem Angelus in Kinshasa (Zaire) am 15. August Liebe Brüder und Schwestern! Ihr wißt, daß der Papst in Rom jeden Sonntag mit den anwesenden Gläubigen und den vielen, die die Übertragung im Radio mitverfolgen, das Angelusgebet spricht. An diesem Marienfest bin ich glücklich, dieses Gebet mit euch sprechen zu können, dieses Gebet, das in wenigen Worten das Geheimnis Mariens, der Dienerin Gottes, ins Gedächtnis ruft, der es gegeben war, die Mutter Gottes zu werden, und das Geheimnis der Menschwerdung Gottes, der gekommen ist, um unter uns zu wohnen. 900 REISEN Wir bezeigen der Jungfrau Maria besondere Ehren an diesem Tag, an dem wir sie in ihrer Herrlichkeit betrachten. Auf die Verkündigung des Engels gab sie die Antwort des reinen Glaubens. Vom ersten Augenblick ihrer Sendung an hat sie ihre volle Verfügbarkeit im Dienst des Herrn bezeigt. Nunmehr hat sie in ihrer Menschheit teil an der Herrlichkeit des Neuen Bundes, der durch den Tod und die Auferstehung ihres Sohnes, Jesus Christus, besiegelt wurde. Sie, die sich voll hingegeben hat, hat die Fülle der Gegenwart Gottes wirklich erlangt und lebt auf ewig im Licht des himmlischen Reiches. Maria, die du der Welt deinen Sohn geschenkt hast, Maria, die du dem Weg des Kreuzes gefolgt bist, Maria, die du inmitten der Apostel beim Gebet im Abendmahlssaal weiltest, Maria, die du zu Pfingsten die Geburt der Kirche durch die Macht des Geistes erfuhrst, Maria, die du die Mutter aller durch Christus erlösten Menschen bist, Maria, die du die selige Anwarite und so viele Heilige dahin führst, in deine Fußstapfen zu treten, wir grüßen dich heute und bitten dich voll Vertrauen: In deiner Liebe bitte für die schwache Menschheit, durch deine Herrlichkeit stärke in unseren Herzen die Hoffnung auf Erlösung! Wache über alle deine Söhne und Töchter Afrikas, o Unsere Liebe Frau von Afrika! Noch einmal möchte ich meine lebhafte Freude über diese historische Feier der Seligsprechung von Anwarite Nengapeta ausdrücken — hier in ihrem Land, auf zairischem Boden, wo sie gelebt und ihr Leben Gott hingegeben hat. Ich freue mich mit der Kirche von Zaire, mit dem ganzen zairischen Volk, mit S.E. dem Präsidenten der Republik. Ich weiß, wie sehr ihm und zahlreichen Landsleuten diese Seligsprechung am Herzen lag. Bewahren wir das Beispiel Anwarites im Gedächtnis. Auf diesen Taten des Mutes, der Grundsatztreue, der Heiligkeit gründen die Ehre, die Reife, die Stabilität, die Einheit und der Fortschritt einer Nation. Für diese große zairische Nation will ich weiterhin beten und spreche ihr meine herzlichsten Wünsche aus. 901 REISEN „Seid gute und treue Diener“ Predigt beim Wortgottesdienst mit dem Klerus, den Ordensleuten und den engagierten Laien in der Kathedrale Notre-Dame in Kinshasa (Zaire) am 15. August Liebe Freunde! 1. Am heutigen Fest Mariä Flimmelfahrt, nach der feierlichen Messe, bei der ich heute morgen die Freude hatte, eure Schwester Anwarite auf eurem Boden seligzusprechen, habe ich das Glück, in dieser Kathedrale mit euch und euren Bischöfen zusammenzutreffen. Ich grüße euch herzlich, euch alle, die ihr die Aufgabe habt, in der Mannigfaltigkeit eurer Situationen und Funktionen die Evangelisierung dieses großen Landes zu beseelen. Ich bringe euch die Wünsche und Ermutigungen des Nachfolgers Petri, der selbst an die ersten Christen schrieb: „Knechte und Apostel Jesu Christi, an alle, die durch die Gerechtigkeit unseres Gottes und Retters Jesus Christus den gleichen kostbaren Glauben erlangt haben wie wir. Gnade sei mit euch und Friede in Fülle durch die Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn“ (2 Petr 1,1-2). Ich weiß es zu würdigen, daß ihr unser Treffen in den Rahmen eines Wortgottesdienstes zu stellen wünscht, der in der Ordensprofeß einiger eurer Brüder und Schwestern seinen Höhepunkt findet. Welch wunderbare Weiterführung unserer Feier von heute morgen, die unter der Schirmherrschaft Unserer Lieben Frau von Zaire und der seligen Anwarite steht! 2. Wir haben das Evangelium gehört. Ich möchte über die Lehre dieses Gleichnisses Jesu meditieren: Er wendet sich an seine Jünger, an euch selbst, die Träger der Evangelisierung in Zaire. Dank für empfangene Talente Ich schlage euch vor, für die Talente, die euch der Herr anvertraut hat, Dank zu sagen. Da wäre zunächst euer schönes Land, wo die Erde so großzügig ist. Dann euer eigenes Leben, die Qualitäten des Geistes und Herzens. Dann die menschliche Gemeinschaft, in der ihr geboren seid, die euch geformt hat und die euch das Erbe ihrer uralten Eigenheiten, ihrer unersetzbaren Werte übermittelt. Dies ist die Natur des Menschen, dies ist das Werk des Schöpfers! 902 REISEN Eines der Talente, die ihr empfangen habt, ist auch die unermüdliche Treue Gottes zu seinem Geschöpf, die selbst dann nicht abläßt, wenn es sich von ihm abwendet, wenn es sein Werk herabsetzt und wenn es das Angesicht Gottes nicht mehr mit all seiner Liebe erkennen kann. Gott hat uns erreicht, indem er die Bündnisse mit uns vervielfältigt hat. Als die Zeit gekommen war, hat er uns seinen eigenen Sohn gesandt, der sein Leben hingegeben hat, um uns in seiner Liebe zu einen. Er hat uns dazu berufen, sein Wort der Hoffnung in die Welt zu tragen, seine Kirche aufzubauen und sein Volk zu werden. Vor unserem Schöpfer und unserem Heiland, der uns so viele wahre Reichtümer anvertraut hat, sind wir Diener, die glücklich sind, diese Reichtümer Frucht tragen zu lassen. 3. Und zu unserer Verantwortung gehört auch, so sagt das Gleichnis, keines der Talente zu verstecken. Unsere Würde ist es, daß der Herr auf uns zählt, um an seinem Schöpfer- und Erlösungswerk teilzuhaben. Gewiß ist jeder von uns nur ein bescheidener Arbeiter, der sich vergebens müht, wenn nicht der Herr dem Bau seine Festigkeit und der Gemeinschaft ihre Lebendigkeit gibt (vgl. Ps 127 [126],1). Aber er will, daß wir in einem solchen Maß verantwortlich sind, daß unser eigenes ewiges Leben an die Antwort, die wir auf sein Vertrauen geben, gebunden ist. Das Gleichnis von den Talenten läßt nicht zu, daß wir die Schwere unserer Verweigerung vergessen. Brüder und Schwestern, ich wiederhole mit den Worten des Herrn: Seid gute und treue Diener. Damit der Schatz Früchte trägt, hat er euch gebeten, daß jeder von euch seine Fähigkeiten gemäß der ihm eigenen Rolle einsetze, um euren Brüdern Gottes Plan zu offenbaren. Verkündigt das Wort der Wahrheit und der Hoffnung, ob gelegen oder ungelegen. Geht hin und sagt euren Brüdern: „Wir haben den Messias gefunden“ (Joh 1,41)! „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ Ihr könnt die Sendung, die der Auferstandene euch aufträgt, erfüllen, denn sein Versprechen ist gewiß: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,19—20). Teilt die Liebe, von der ihr geliebt werdet! Erbaut das geistige Haus! (vgl. 1 Petr 2,5). Ich weiß, daß ihr müde sein und versucht werden könnt, andere Straßen als den vom Herrn genannten Weg einzuschlagen. Ich weiß, welchen Widersprüchen ihr in einer gleichgültigen Welt begegnet, die manchmal 903 REISEN der Botschaft, deren Vermittler ihr seid, feindlich gegenübersteht. Aber laßt euch nicht entmutigen. Hört auf Jesus, der euch sagt: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben“ (L/c 12,32). 4. Welche Freude ist es, daß hier Priester, Ordensleute und Laien versammelt sind, denn ihr widmet euch derselben Aufgabe. Die Mannigfaltigkeit eurer Aufgaben trägt zu einem einzigen Werk bei, so wie die verschiedenen Glieder einen einzigen Leib bilden. Damit die bewundernswerte Gabe, die in der Gründung der Kirche besteht, auf der Erde von Zaire Früchte trägt, nehmen alle, ob sie nun in diesem Land geboren oder von anderswo hergekommen sind, ob sie ordinierte Priester, geweihte Männer und Frauen oder berufene Laien sind, ihre Kräfte zusammen. Vom Wort Gottes geführt und durch die Gegenwart Gottes gefestigt, ermöglicht ihr die fruchtbare Begegnung des afrikanischen Menschen mit dem Evangelium. Die Inkulturation - wenn man sie recht versteht -besteht im Wachstum der Kirche auf diesem Boden, d. h. in der konkreten Form des Bundes zwischen Gott und den Menschen hier und jetzt. Sie besteht in der Aufnahme der allumfassenden Wahrheit durch eine menschliche Gemeinschaft, die durch ihre lange Suche nach dem Sinn des Lebens eine besondere Empfänglichkeit besitzt. Auf diese Weise wächst die Pflanze, sie wird zum Baum und „treibt große Zweige, so daß in seinem Schatten die Vögel des Himmels nisten können“ (Mk 4,32). Mögen wir uns immer daran erinnern, daß der Bund Gottes mit den Menschen aus der Initiative des Schöpfers und Heilands hervorgeht. Die Treue des Volkes zu seinem Herrn setzt eine demütige Öffnung für die Botschaft des Evangeliums, das ihm nicht als Eigentum gehört, sowie die Befolgung der wesentlichen Lebensregeln voraus. Wenn wir den Bund zur Erbauung der Kirche realisieren wollen, erfordert dies von uns die Zustimmung zu den vom Evangelium ausgedrückten Werten, die von der Kirche im Laufe der Jahrhunderte auf allumfassende Weise gelebt worden sind. Eure Aufgaben der Animation der Gemeinschaft, der Ausbildung, der Predigt, der Caritas tragen dazu bei, eure Brüder und Schwestern zu erleuchten, damit sie ihr Leben im Geist der christlichen Moral führen. 5. Von den zahlreichen Gebieten, in denen ihr arbeitet, möchte ich in wenigen Worten nur auf einige hinweisen, die für die Achtung der Würde des Menschen im sozialen Leben und auch in den individuellen Entscheidungen eines jeden besonders wichtig sind. Ich denke zunächst an die Familien und an die Heiligkeit der Ehe. Helft 904 REISEN den jungen Menschen, sich auf ihr Versprechen mit wachem Verstand vorzubereiten, damit die Treue ihrer Liebe die Liebe Gottes selbst widerspiegelt. Mögen die Eheleute hochherzig genug sein, so daß ihre Verbindung stabil und glücklich ist und ein günstiges Umfeld für das Aufblühen ihrer Kinder darstellt. Ihr kennt die Lehre der Kirche. Tut alles, damit sie verstanden und befolgt wird. Viele von euch haben erzieherische Verantwortung, und ich weiß, wie sehr sich die Kirche dafür einsetzt, den Jugendlichen zu helfen, damit sie gut darauf vorbereitet sind, in das aktive Leben einzutreten und mit Reife und Sachkenntnis den großen Schwierigkeiten, die sie unweigerlich erwarten, begegnen zu können. Unterstützt ihren Glauben und helft ihnen, den Sinn ihres Lebens zu finden und ihre Berufung im Licht des Evangeliums und im Gemeinschaftsgeist, auf den die afrikanische Tradition sie sehr wohl vorbereiten kann, zu erkennen. Andere sind im Gesundheitsdienst tätig. Mögen sie durch die besondere Aufmerksamkeit, die der Herr den Kranken immer hat zuteil werden lassen, ermutigt werden. Die Anzahl der im Gesundheitsdienst Tätigen mit allen Kräften zu fördern und den leidenden Menschen beizustehen, heißt, ein edles Werk zu vollbringen, in dem die Kirche schon immer die Übung echter Nächstenliebe erkannt hat. In der nationalen Gemeinschaft ist alles, was entwicklungsfördernd ist, eine Pflicht. Indem sie daran teilhaben, treten die Christen in den Schöpfungsplan ein und antworten auf das Wort Gottes, der dem Menschen die Erde von Anfang an anvertraut hat, damit er davon leben kann (vgl. Gen 2,16-29). Die Teilhabe an der Entwicklung ist eine Notwendigkeit; ich weiß, daß ihr euch in Sorge um die Gerechtigkeit und die Harmonie in dieser Gesellschaft dafür einsetzt und daß ihr in der Tat die Bedürftigsten unterstützt und euch um Arbeitsplätze für die Jugendlichen bemüht. Gesamtschau der christlichen Botschaft suchen 6. Liebe Freunde, die ihr unter den Christen von Zaire sehr viel Verantwortung tragt, eure Berufung hat euch dazu geführt, die euch vom Herrn anvertrauten Talente zu vermehren. Priester, Ordensleute und engagierte Laien! Es ist eine Gnade, auf diesen Appell hochherzig zu antworten. Damit ihr für lange Jahre die guten und treuen Diener Christi seid, sporne ich euch an, in eurem persönlichen Leben euer aktives und eifriges Engagement mit dem Gebet und der Geistesbildung zu verbinden. Natürlich variiert die Art der Ausbildung je nach eurem Stand und der Natur eurer Aufgabe. Aber an alle richte ich die dringende Aufforderung. 905 REISEN Ihr werdet euer inneres Gleichgewicht erlangen und glücklich sein, wenn ihr nicht nachlaßt, euer geistliches Leben zu vertiefen und das Wort Gottes sowie die Lehre der Kirche zu studieren, indem ihr gleichzeitig fortfahrt, die Beherrschung der sehr verschiedenen Techniken zu erlangen, die der Ausübung eurer Funktionen nützlich sind. Und dazu werdet ihr um so besser gelangen, als ihr für den brüderlichen Austausch in der Gemeinschaft, für die Weisungen eurer Hirten und der Verantwortlichen, die euch übergeordnet sind, offen seid. Was den Sinn der christlichen Botschaft angeht, so ist es wichtig, sie in seiner ganzen Tiefe zu betrachten und eine Gesamtschau zu suchen, ohne gewisse scheinbar schwierige Aspekte zum Vorteil anderer zu vernachlässigen, in denen man spontan seine eigenen Interessen wiederfindet. Die selbstlose Dynamik der Evangelisierung erreicht ihr Ziel besser durch ein gutes Verständnis des Inhalts der gesamten Botschaft und durch eine tiefe geistliche Verfügbarkeit des Verkündigers für die Gegenwart des Herrn, der ihn zu seinen Brüdern schickt. Liebe Brüder und Schwestern, ich habe mich an euch alle gemeinsam gewandt, denn ihr seid die Träger derselben Evangelisierung. Die Kirche zählt ganz besonders auf die den Laien eigene Rolle im Herzen der Welt und auf die, die in Voll- oder Teilzeitarbeit sich mit unermeßlicher Hingabe in den wesentlichen Aufgaben der Katechese, Liturgie, Animation der Gebetsgruppen oder anderer Bewegungen und den karitativen Diensten engagieren. 7. Nun möchte ich gern den Priestern, die am vollen Priesteramt ihres Bischofs teilhaben, sagen, wie sehr ich ihre persönliche Uneigennützigkeit in ihrem Dienst schätze. Die hier geborenen Diözesanpriester, die Priester, die internationalen Missionsinstituten angehören, und die, die als „fidei donum“ gekommen sind, verrichten gemeinsam einen Dienst von wesentlicher Bedeutung. Es wird viel von ihnen verlangt, denn das ihnen anvertraute Talent ist das Priesteramt, das Christus am Vorabend seines Leidens eingesetzt hat. Durch sie versammelt der Herr die Seinen, denn er sendet sie aus, damit sie die Hirten seiner Herde sind. Durch sie wird allen die Gnade der wirklichen Gegenwart des Erlösers geschenkt. Durch den Priester wird die an einem besonderen Ort eingewurzelte Kirche mit der Kirche der Diözese und der Weltkirche, die den großen Leib Christi darstellt und die in der Welt einzigartig ist, verbunden. Durch die Teilhabe am Priesteramt Christi beweisen sie, daß die Gemeinschaft nicht aus sich selbst heraus nimmt, was sie leben läßt, sondern daß sie es als Geschenk empfängt. 906 REISEN Liebe Priester, meine Brüder, als Nachfolger Christi komme ich, um euch zu ermutigen. Ihr habt einen anspruchsvollen Auftrag, der die Verfügbarkeit eures ganzen Lebens und eures ganzen Herzens erfordert. Ich bete dafür, daß der Herr euch in diesem priesterlichen Amt glücklich mache, in dem ihr die Diener der Diener Gottes in der Nachfolge Christi seid, der, dadurch, daß er euch bis zum äußersten liebte, unter euch war wie einer, der dient (vgl. Joh 13,1; Lk 22,27). 8. Der heutige Tag ist ein besonderer Markstein für euch, liebe Brüder und Schwestern, die ihr dem Ordensleben verpflichtet seid. Heute morgen haben wir die Erinnerung an eure selige Schwester Anwarite wachgerufen und sie gefeiert. Jetzt ist eine Gruppe von Brüdern und Schwestern inmitten dieser großen pastoralen Versammlung ihrerseits an der Reihe, den Weg der Gelübde einzuschlagen. Anwarite ist ihrer Berufung ganz und gar nachgekommen. Wir sehen, daß sie ihr Leben aus Treue zum Herrn, dem sie ihre Ehelosigkeit, ihren Gehorsam und ihre Armut geschenkt hat, hingibt. Sie leuchtet als glanzvolles Zeichen im Herzen eurer Gemeinschaft, im Zentrum der Kirche von Zaire. Eure Berufung ist die, ebenfalls Zeichen dafür zu sein, daß der Dienst des Herrn und seiner Brüder ein grundlegender Wert ist, der darin besteht, daß Männer und Frauen ihm ihr ganzes Leben, ihre ganze Energie und all ihre Liebe weihen. An einem Einkehrtag, drei Monate vor ihrem Martyrium, hatte Anwarite das Wesentliche in ihr Tagebuch geschrieben: „Unsere Berufung, das ist die Liebe, Gott zu dienen. Der Herr Jesus hat uns, als er uns gerufen hat, um das Opfer gebeten: das Opfer der Dinge dieser Welt, das Opfer der menschlichen Liebe und das Opfer unserer eigenen Person.“ Alle Ordensmänner und -frauen und alle gottgeweihten Personen, die in diesem Land leben, von der Treue Anwarites inspiriert, erneuern ihr vorbehaltloses Versprechen zur Nachfolge Christi. Alle vereinigen sich im Lobpreis des Herrn. Und ich denke besonders an die kontemplativen Klöster, die bevorzugte Zeugen für das Gott dargebotene Leben in der Kirche sind. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr heute vor Gott euer erstes Gelübde aussprechen werdet, liebe Schwestern, die ihr eure ewige Profeß ablegt und die ihr Gott geweiht sein werdet! Der Papst, die Bischöfe und die ganze Gemeinschaft ermutigen euch und sprechen euch ihren Dank für eure Bereitschaft aus. In euren Instituten bürgt ihr mit eurer ganzen Person für Gott. Das gesamte Volk Gottes zählt auf eure Treue, auf die Begeisterung für euer Beispiel und auf euer Gebet. Die Kirche zählt auf 907 REISEN die Dienste, denen ihr euch im Laufe der Jahre widmet. Hierbei denken wir daran, daß ihr für die Armen, für die, die darauf warten, daß man sie das Wort hören und verstehen läßt, arbeitet und daß ihr den Gemeinschaften dient, die durch eure ständige Bereitschaft beseelt und unterstützt werden müssen. Indem ihr euch Gott opfert, versprecht ihr, arm, ehelos und gehorsam zu leben. Der notwendige Verzicht möge euch eine Freude sein, denn er ist das Zeichen wahrer Liebe. Für das Opfer, das ihr annehmt, wird euch die Kraft des Heiligen Geistes nicht fehlen: Er wird euch erlauben, es mit Jesus im neuen und ewigen Bund zu vollenden. Euch Profeßschwestern werden eure Oberinnen in Kürze einen Ring übergeben, den ich segnen werde; er sei das Zeichen eurer vorbehaltlosen Vereinigung mit Gott, der treu ist, in Gemeinschaft mit euren Schwestern. Die ganze Kirche betet mit allen Heiligen, die wir nun anrufen werden, für euch um Treue zu euren Gelübden. Priester, Laien, Ordensmänner und Ordensfrauen aus der Umgebung dieser neuen Profeßschwestern! Laßt uns dem Herrn Dank sagen! Unsere Liebe Frau von Zaire unterstütze uns mit ihrer mütterlichen Fürbitte! Und der Gott der Hoffnung erfülle euch mit Freude und Frieden im Glauben! Das Beispiel der seligen Anwarite sei für euch ein unauslöschliches Merkmal. Amen. Staaten von großer Vielschichtigkeit Ansprache bei der Begegnung mit dem Staatsoberhaupt, den Amtsträgern und dem Diplomatischen Korps in Kinshasa (Zaire) am 15. August Herr Präsident der Republik, Exzellenzen, meine Damen und Herren! <173> <173> An diesem schönen Festtag, an dem ich der katholischen Gemeinde von Zaire begegnen darf, ist es mir eine Freude, die höchsten Persönlichkeiten dieses Landes und das Diplomatische Korps begrüßen zu können. In erster Linie möchte ich dem Herrn Präsidenten der Republik für die 908 REISEN herzliche Aufnahme und für die Worte danken, die er mit Hochachtung und Feingefühl an mich gerichtet hat. Die Anwesenheit der Regierungsmitglieder sowie zahlreicher Vertreter der konstituierten Behörden gereicht mir zur Ehre, und ich möchte ihnen dafür aus ganzem Herzen danken. Sie, meine Damen und Herren, möchte ich im Namen der ganzen zairischen Nation begrüßen, und ich möchte meine Hochschätzung für dieses große Land aussprechen, das kürzlich seine fünfundzwanzigjährige Unabhängigkeit gefeiert hat. Im Lauf dieser Jahre konnte Zaire, nach Überwindung großer Schwierigkeiten und Prüfungen, seine Identität als von den anderen geachtetes Land voll zum Ausdruck bringen und großen Fortschritt erzielen. Sie haben die Einheit eines ausgedehnten Landes mit großen menschlichen und natürlichen Verschiedenheiten gefestigt. Ihnen und Ihren Landsleuten wünsche ich aufrichtig einen Wohlstand, der das Glück jedes einzelnen sichert. 2. Bei dieser Begegnung mit Ihnen, die Sie so zahlreiche Verantwortungen tragen, möchte ich einige Erwägungen über die Aufgaben anstellen, die zum Wohl der Gesellschaft beitragen. Die Kirche als solche hat zweifellos nicht die geringste Absicht, in die Funktionen der Regierung und der Rechtssprechung einzugreifen, die den staatlichen Behörden zukommen. Dennoch betrachtet sie es als ihre Aufgabe, über all das nachzusinnen, was das Wohl der Menschheit ausmacht. In diesem Geist spielt sie in der internationalen Gemeinschaft eine spezifische Rolle, und im gleichen Geist fühlt sich jeder Christ dem Leben der Nation, der er angehört, verpflichtet. In der Tat ist es, wie ich wiederholt und ebenso wie meine Vorgänger betont haben, der Mensch selbst, der im Mittelpunkt der Anliegen der Kirche steht. Der Mensch in allen seinen Dimensionen; der Mensch, der nach seiner Entfaltung und Verantwortung strebt und der von allen Hindernissen und Prüfungen, die ihn vom Glücklichsein abhalten, befreit werden will; der Mensch schließlich, der von Natur aus ein brüderliches und friedliches Leben in der Gesellschaft sucht. Die Christen sind davon überzeugt, daß die nährende Erde den Menschen zum Aufbau ihrer Wohnorte gegeben ist, wo sie mit Verstand und Herz ihrer spirituellen Berufung vollauf gerecht werden können. Wenn ich das sage, fühle ich, daß diese christlichen Behauptungen mit einigen der auffälligsten Kennzeichen der afrikanischen Seele übereinstimmen, wie etwa der Achtung für das Land, in dem man geboren ist, dem Sinn für Gastlichkeit und einer spontanen und spirituellen Offenheit und Tiefe. 909 REISEN 3. Meine Damen und Herren! Im Rahmen dieser ersten Zielsetzung -nämlich der, dem Menschen seine volle Entfaltung in der Gesellschaft zu ermöglichen - findet sich der Mittelpunkt und die eigentliche Berechtigung all Ihrer Aufgaben sowie der Ihnen zukommenden Autorität. Ich kann davon kein vollständiges Bild vorlegen, möchte jedoch auf einige besonders erwähnenswerte Aufgaben hinweisen. In erster Linie denke ich dabei an all das, was die Auffassung über ein Erziehungssystem mit sich bringt. Die in ihren verschiedenen Regionen so zahlreichen jungen Menschen haben Anrecht auf möglichst viele Chancen zur baldigen Übernahme der Verantwortung für ihr eigenes und für das gesellschaftliche Leben. Die einer möglichst großen Zahl von Jugendlichen angebotenen Bildungsmöglichkeiten finden ihre Ausgewogenheit in der gemeinsamen Weitergabe des kulturellen und spirituellen Erbes der Väter - und ich weiß, wie sehr Sie auf die Erhaltung seiner Substanz bedacht sind - und in der Einführung in die notwendigen technischen Errungenschaften des modernen Lebens. Dabei ist es wichtig, daß eine sich dieser Aufgaben bewußte und kompetente Generation die folgende zu den weisesten Lebensregeln anleitet, zur Berufsethik, zur Integrität, zum unermüdlichen Bemühen um Verbesserung der gesellschaftlichen Beziehungen. Dann werden die Versuchung des Schicksalsglaubens oder die Angst vor dem Mißerfolg die Jugendlichen nicht mehr lähmen, sondern sie zur Überwindung der Probleme anspornen. Auch liegt Ihnen die Entwicklung dessen am Herzen, was man den Sinn für Gesellschaft oder für Gemeinschaft auf allen Ebenen der Aktivität der Nation nennen könnte. Die Wirtschaft und die Organisation des öffentlichen Lebens gewinnen ihren ganzen Wert, wenn sie in den Dienst des Menschen, in den Dienst der gesamten Menschheit gestellt werden. Eine gerechte Verteilung von Besitz und Verantwortung sowie die Freiheit der Initiative tragen zu einem Leben in Würde bei. Die Förderung der Frau, die vollwertige Ehegattin, Mutter und Staatsbürgerin ist, hebt die Reife einer Gesellschaft hervor. Die Solidarität mit den Ärmsten, den Kranken, den Behinderten und den alten Menschen ehrt die Nation, die für diese respektvoll Sorge trägt. Komplexe Beziehungen zwischen den Völkern Die Lebensbedingungen werden mehr und mehr von der Ordnung abhängig, welche die Verantwortlichen der Nation vorgeben. So stellen der Ausgleich zwischen industrieller und landwirtschaftlicher 910 REISEN Tätigkeit und dem Dienstleistungssektor, die Vermeidung einer übertriebenen Verstädterung, die dem größten Teil der Bevölkerung zum Verhängnis werden, und die der Landbevölkerung gegebene Möglichkeit, ohne Benachteiligung die Erde zu bebauen, hochgespannte. Forderungen dar. Diese bringen eine weise, langzeitliche Planung mit sich und auch die Notwendigkeit, in einem großen Land wie dem Ihren beachtliche Investitionen durchzuführen, um alle Arten von Kommunikationsmitteln zu entwickeln. Eine solche Zielsetzung rückt näher - und das ist ein anderer Gedankengang -, wenn bei der Ausübung öffentlicher Ämter unbedingte Rechtschaffenheit vorherrscht und wenn aufgetretene Konflikte durch gerechte Urteilssprüche beigelegt werden. Meine Damen und Herren! Wenn ich so im allgemeinen auf zahlreiche Aspekte der den Verantwortlichen des öffentlichen Lebens aufgetragenen Arbeiten hinweise, möchte ich keineswegs die großen Schwierigkeiten unterschätzen, denen Sie bei der Erfüllung dieser Arbeit begegnen; andererseits aber weiß ich, daß ich mit Ihren Absichten übereinstimme. Auch hoffe ich, daß die gegenwärtige Generation in all diesen Richtungen fortschreiten wird, allen Härten zum Trotz, denen sie aufgrund einer noch nicht ausreichenden Entwicklung gegenübergestellt ist, und ungeachtet aller Chancenungleichheit und Benachteiligung, die derzeit in der Welt vorherrschen. Ich kann sagen, daß den Christen die aktive Teilnahme an den nötigen Bemühungen am Herzen liegt; sie sind auf hochherzige Weise bestrebt, zur harmonischen Entwicklung ihres Landes beizutragen. Oft hatte ich schon Gelegenheit, über die ernsten Sorgen zu sprechen, welche die Weltlage hervorruft: Kürzlich - im Verlauf dieser Reise — habe ich in Kamerun darüber gesprochen, und bald werde ich es wieder in Kenia tun. So möchte ich mich heute abend auf ein paar Bemerkungen beschränken, die mir wesentlich erscheinen. Die Bedingungen, die heute alle Gesellschaften und insbesondere die Afrikas kennzeichnen, sind von außerordentlicher Vielschichtigkeit. Die auffallendste Tatsache ist seit einem Jahrhundert die Begegnung der einheimischen Kulturen und Völker mit den Errungenschaften der westlichen Gesellschaft. Es ist zu bemerkenswerten Umwälzungen gekommen, die in vieler Hinsicht keine Rückentwicklung zu gestatten scheinen. Die technische Zivilisation, die in die Existenz der Völker eingebrochen ist; die Ausbeutung der Bodenschätze; die Gegenüberstellung verschiedener Lebensweisen; die Verbreitung des Tourismus sowie aller Kommunikationsmittel; eine vom Ausland beeinflußte Erziehung; neue gesundheitliche Bedingungen mit ihren demographischen Konsequenzen: All das, was oft gewaltsam aufgebrochen ist, hat zum Entstehen komplexer Bezie- 911 REISEN hungen zwischen den Völkern verschiedener Kontinente beigetragen. Auf intellektuellem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet gibt es nunmehr Beziehungen, deren Niederschlag auf der Ebene der Institutionen und der Verträge nur den sichtbarsten Aspekt dessen darstellt, was die Lebenswirklichkeit jedes Menschen berührt. Mit diesen Überlegungen möchte ich ganz einfach auf die Tragweite des internationalen Lebens hinweisen. Die letzten Generationen haben in aller Welt eine sehr rasche Entwicklung durchgemacht. Alle wissen um die himmelschreiende Chancenungleichheit, die offen zutage liegt. Den Mächten gelingt die Beilegung ihrer Konflikte nicht; sie ziehen die weniger entwickelten Völker um den Preis nur allzuoft mörderischer Kämpfe mit hinein. Was zu einem für alle wohltuenden Austausch hätte werden können, ist mit der ungeordneten Ausbeutung der natürlichen Reichtümer und mit Angriffen auf die Grundrechte des Menschen sowie mit mangelndem Respekt für das ihnen eigene kulturelle Erbe belastet. Wie könnte man nicht die Widersprüche bedauern, die sich oft zwischen der Erklärung hochherziger Absichten und der Wirklichkeit des sie betreffenden Handelns ergeben! 5. Meine Damen und Herren, wenn man, um der Wahrheit Ehre zu geben, das aufzeigt, was schwer auf den nach gerechter Verteilung des Wohlstands und Friedens strebenden Völkern lastet, muß man auch auf die Zeichen der Hoffnung hinweisen. Es ist nicht umsonst, daß die Nationen Zusammenkommen und über die Hindernisse sprechen, denen sie auf ihrem Weg begegnen. Es ist nicht umsonst, daß der internationale Dialog im Rahmen der großen Institutionen fortschreitet. Es ist nicht umsonst, daß viele Menschen auf beiden Seiten sich ehrlich für die großen Anliegen der Solidarität einsetzen. Die Suche nach einem neuen Gleichgewicht unter den Völkern der Erde ist möglich. Es ist Aufgabe der Führerpersönlichkeiten, diese Suche voranzutreiben, wohl wissend, daß es viele andere repräsentative Personen betrifft. Wenn der Erfahrungsaustausch unter Wissenschaftlern, Sozialarbeitern, Wirtschaftsfachleuten und Verantwortlichen auf spiritueller Ebene zur ständigen Einrichtung wird, müssen wir das als Glücksfall betrachten. Man kann nur hoffen und vorausahnen, daß die Einflüsse immer mehr auf Gegenseitigkeit beruhen, daß die verschiedenen Kulturen weitergehend respektiert werden und einander bereichern und daß man von einem Ende der Erde bis zum andern das Verlangen der Menschen vernimmt, die ihre Würde anerkannt sehen wollen. Mögen die Amtsträger unermüd- 912 REISEN lieh mit denen Zusammenarbeiten, die die Wünsche ihrer Mitbürger in allen Bereichen zum Ausdruck bringen! Unsere Generation, die von den schrecklichen Wunden eines Weltkrieges und von seinen Folgen gezeichnet ist, weiß sehr wohl, daß die Menschheit sich zusammenschließen muß. Sie will der Mutlosigkeit angesichts der Mißerfolge der hochherzigen Pläne nicht nachgeben, die als Utopien erscheinen können. Wir leben in einer Zeit, in der jeder seine Rolle im Konzert der Nationen spielen muß und kann. Es wird sich offen erweisen, daß das Gleichgewicht in der Welt durch das gemeinsame Handeln jener Länder Wirklichkeit wird, die sich in den verschiedenen Regionen und Kontinenten zusammenschließen. Ich weiß, daß Zaire bemüht ist, den Zusammenschluß der Afrikaner im Rahmen der Organisation der Afrikanischen Einheit zu fördern und mit den Nachbarländern in verschiedenen Gruppierungen zusammenarbeitet, um die Aufwertung dieser Länder und eine bessere Verwertung ihrer Reichtümer zu beschleunigen. . All das sind ermutigende Zeichen. Es gibt viele andere; ich erwähne als Beispiel die gemeinsamen Reflexionen afrikanischer Intellektueller, die bemüht sind, positiv in die Zukunft zu blicken und einen ausgeglichenen und kompetenten Dialog zu sichern, wie er für die nutzbringende Begegnung der Kulturen und eine Beherrschung der für die Entwicklung förderlichen Techniken und Kenntnisse unerläßlich ist. Die Last, die auf den für das Gemeinwohl Verantwortlichen ruht, ist schwer und ernst zu nehmen, ist sie doch ein wesentlicher Dienst am Menschen, da sie die Achtung für sein Leben und für seine grundlegenden Rechte berührt und nicht von einer rechten Ethik getrennt werden kann. Mein tiefempfundener Wunsch ist, daß alle, vom Vertrauen ihrer Mitbürger unterstützt, sich aus besten Kräften für eine Existenz der Menschen einsetzen, die ihrer Würde und dem Glück, das Gott selbst für sie will, besser entspricht. Gott segne euer Land und alle, die an seinem Fortschritt mitwirken; dies habe ich mit ganz besonderem Empfinden an dem Tag gesagt, als es mir beschieden war, eure Landsmännin, die selige Anwarita Nengapeta, Jungfrau und Märtyrerin, zur Ehre der Altäre zu erheben. Ich freue mich mit euch, nicht nur mit der Kirche und den Katholiken von Zaire, sondern mit allen Zairern über dieses große geistliche und geschichtliche Ereignis. 913 REISEN Die Einheit mit der Weltkirche bewahren Ansprache an die Zairische Bischofskonferenz in Kinshasa am 15. August Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Unsere Begegnung krönt einen für die Kirche von Zaire wahrhaft historischen Tag. Ich freue mich, heute abend gemeinsam mit euch, den Hirten dieser Kirche, Gott für das Geschenk zu danken, das er euch durch die Seligsprechung von Schwester Marie-Clementine Anwarite hat zuteil werden lassen. Der Vorsitzende eurer Konferenz, Erzbischof Monsengwo Pasinya, hat vorhin eure aus innerstem Herzen kommende Freude zum Ausdruck gebracht. Ich danke ihm für seine in euer aller Namen gesprochenen Worte und versichere euch, daß ich in der Festfreude dieses Tages, wo die selige Schwester Anwarite uns in der Hoffnung stärkt, zutiefst mit euch eins bin. 2. Ja, die Tatsache, daß die erste Bürgerin von Zaire zur Ehre der Altäre erhoben wurde, erfüllt uns mit Dankbarkeit. Denn so wird euren Landsleuten die wunderbare Frucht der Taufe ihres Volkes lebendig vor Augen gestellt. So wird nach über einem Jahrhundert geduldiger Bemühungen der Bauleute das Gebäude der Kirche in diesem Land gefestigt. Die Verkündigungsarbeit, welche so viele Männer und Frauen aus dem Ausland in übernatürlicher Beharrlichkeit und Großherzigkeit geleistet haben, erreicht so ihr Ziel einer lebendigen Gemeinschaft, aus welcher der Herr sich Hirten beruft. Aus ganzem Herzen pflichte ich eurer Ehrfurcht gegenüber diesen ersten Missionaren bei und unterstütze eure Absicht, alle eure Priester und Ordensleute, seien sie Afrikaner oder nicht, in einem einzigen Apostolatsverband zusammenzuschließen, denn sie dienen dem einen Glauben an den einen Herrn und Erlöser, Jesus Christus. Macht es nicht einen tiefen Eindruck, daß Schwester Anwarite zuerst von einer belgischen Novizenmeisterin und dann von einer einheimischen Oberin in ihrem Ordensleben angeleitet wurde und daß ein Missionsbischof, der sie beriet und vertrauensvoll auf ihrem Weg begleitete, nur wenige Tage vor ihr sein Leben lassen mußte? 914 REISEN Hohe Anforderungen an den Lebenswandel der Priester Diese demütige Ordensfrau aus Jamaa Takatifu, die der heutigen Generation noch ganz nahesteht, vermehrt die Schar der Heiligen, die sie selber verehrte, um ein Glied eures Volkes. Durch ihr ausgeglichenes und großmütiges Ordensleben und ihre in Treue bis zum Tod durchgehaltene, dem Herrn geweihte Jungfräulichkeit ist Schwester Anwarite unter euch ein von der Vorsehung gewolltes Zeichen der Gegenwart Gottes in eurer Kirche: Sie zeugt für die Größe des Glaubens und zeigt, wie wunderbar Gott in seiner Gnade den durch die Taufe mit ihm verbundenen Menschen verwandeln kann. Möge sie, die mit Christus gestorben und in das neue Leben in seinem Reich eingegangen ist, ihre Brüder und Schwestern ebenfalls auf den Weg der Heiligkeit führen! Möge das Licht dieser von Gott erwählten Märtyrerin in all eure Diözesen hineinstrahlen! 3. Schwester Anwarite macht die allgemeine Berufung zur Heiligkeit, der wir bei der Hundertjahrfeier des Beginns der Evangelisierung von Zaire bereits eine Betrachtung gewidmet haben, unter euch besonders präsent. Ihr denkt wahrscheinlich noch oft an jenen eindrucksvollen Moment während der Bischofsweihe zurück, wo die Apostel und Märtyrer und alle Heiligen der Kirchengeschichte für den angerufen werden, der sich, ausgestreckt auf dem Boden liegend, darauf vorbereitet, die Fülle der prie-sterlichen Gewalt zu empfangen. Wir Bischöfe sind als erste dazu berufen, das Volk Gottes zur Heiligkeit zu führen. Persönlich sind wir dazu aufgefordert, uns von der Heiligkeit des Geistes durchdringen zu lassen, der unser ganzes Dasein auf Gott ausrichtet. Möge unser Gebet und unser Leben geprägt sein von der Sehnsucht des Apostels Paulus, der ungeduldig darauf brannte, ganz in der Nachfolge Jesu aufzugehen: „Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden; sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen. Nicht daß ich es schon erreicht hätte oder daß ich schon vollendet wäre. Aber ich strebe danach, es zu ergreifen, weil auch ich von Christus Jesus ergriffen worden bin“ (Phil 3,10-12). Wir sind Hirten in der Nachfolge des Guten Hirten, der „sein Leben hingibt für die Schafe“ (Joh 10,11) „in der Aufrichtigkeit und Lauterkeit, wie Gott sie schenkt“ (2 Kor 1,12). Wir vertrauen der Fürbitte von Schwester Anwarite, die bis in den Tod treu war, die Heiligung derer an, die von Gott dazu beauftragt sind, für sein Volk die Mittler seiner Heiligkeit zu sein. Am heutigen Fest ihrer Aufnahme in den Himmel beten wir zu 915 REISEN Maria, der Mutter der Kirche; ihr hat ja Jesus am Kreuz gesagt, daß wir ihre Kinder sind. Ihres Beistandes gewiß, dürfen wir unser Amt in Frieden tragen. 4. Bekleidet mit der Fülle der priesterlichen Gewalt, vollzieht der Bischof das Wichtigste an seiner Sendung, wenn er das Opfer Christi feiert. Als dem ersten Amtsträger der Ortskirche ist es ihm gegeben, wahrhaft in persona Christi zu handeln. Als Priester, der am Opfer Christi Anteil hat, nimmt er sein Volk in das Opfer und die Danksagung Jesu hinein, der sich ganz dem Vater hingibt, um die Menschheit zu versöhnen und zu erlösen. Als Nachfolger der Apostel ermöglicht es der Bischof der Gemeinschaft der Gläubigen in seiner Diözese, sich durch den Empfang des Lebensbrotes aus dem Leib des Herrn zu nähren und so eines der unzähligen Glieder des mystischen Leibes zu werden, dessen Haupt Christus ist. Die Eucharistie und die übrigen Sakramente sind der Kern des priesterlichen Dienstes. Sie sind wahrhaft Zeichen der lebendigen Gegenwart Gottes. Die Feier von Taufe, Firmung und Bußsakrament, welche die Christen zur vollen Teilnahme an der Eucharistie befähigen, die Heiligung der Ehe durch die kirchliche Trauung, die Tröstung der Kranken durch die Gnade der Salbung - alle diese Akte setzen die Gaben der Heiligkeit gegenwärtig, die Christus seiner Kirche anvertraut hat. Es ist eine wunderbare Aufgabe, den Gläubigen in der Feier der Sakramente die Begegnung mit dem Herrn zu ermöglichen. Der Bischof ist als erster dazu berufen, alles dafür zu tun, daß die Christen die Sakramente in Treue zu deren Einsetzung empfangen und den Gottesdienst der Kirche unter Entfaltung des ganzen Reichtums der Volksfrömmigkeit feiern können. Die Liturgie ist gleichsam der Kern, um den sich die vielfältigen Seelsorgebereiche gruppieren; denn die Sakramente stecken die Wege der Heiligkeit ab und führen sie in einem Punkt zusammen. 5. Euer Bischofsamt hat seine Verlängerung im Dienst der Priester; dank der Weihe, die ihr ihnen kraft der euch zukommenden Vollmacht erteilt habt, haben sie daran Anteil. Zusammen mit euch gewährleisten sie den Zusammenhalt der Diözese. Wie ihr, so rufen auch sie die Gläubigen zur Heiligkeit auf, indem sie auf die Begegnung mit dem Herrn vorbereiten und diese ermöglichen. Sie sind eng mit euch verbunden, denn ihr seid es ja, die sie kraft der euch zukommenden Autorität aussendet. Es ist deshalb eine der wichtigsten und schönsten Aufgaben des Bischofs, für die Einheit des Priesterkollegiums unter Aufrechterhaltung einer legitimen Vielfalt Sorge zu tragen. Die Solidarität im geistlichen Bereich findet ihre 916 REISEN natürliche Verlängerung in vertrauensvollen menschlichen Beziehungen, die für die Priester eine notwendige Stütze bei der Erfüllung ihres schwierigen Auftrags darstellen. Der Halt, den sie bei ihrem Bischof finden, macht sie ihrerseits frei und verfügbar, in der ihnen anvertrauten Gemeinde eifrige Seelsorger und unermüdliche Verkünder des Evangeliums zu sein. Es ist eure Aufgabe, in väterlicher Güte darüber zu wachen, daß die Priester ihrem Engagement treu bleiben und über die geistlichen und theologischen Weiterbildungsmöglichkeiten verfügen, welche es ihnen erlauben, im hingebungsvollen Dienst vor Gott und an den Brüdern unablässig voranzuschreiten. In eurem Land fühlen sich gegenwärtig zahlreiche junge Menschen zum Priestertum berufen - ein erfreuliches Zeichen für die Lebendigkeit der Kirche. Ich weiß um eure Bemühungen, die Geister zu unterscheiden und eine solide Ausbildung zu gewährleisten. Ihr seid für die geistlichen Berufe verantwortlich und wißt, daß nichts wirksamer ist, als den Priesteramtskandidaten eine religiöse Vertiefung anzubieten, die sich aus dem Gebet nährt: Nur so können sie sich eine gute Synthese aus der biblischen Botschaft und der gesamten kirchlichen Überlieferung aneignen und werden durch hohe Anforderungen an ihren Lebenswandel auf die Verzieh tleistungen vorbereitet, ohne die sie ihrem Versprechen nicht treu bleiben können. Das Gottesvolk verdient Priester, die das, was sie im Sakrament vollziehen, auch großzügig in ihr eigenes Leben Umsetzern So verlangt es schon der Ordinationsritus. Kirchliche Soziallehre und Ehemoral verkünden 6. Wie sollte ich nicht auch eure Verantwortung gegenüber den Ordensleuten erwähnen, da wir ja heute die Seligsprechung von Schwester Anwarite gefeiert haben. Sie legen ein durch nichts zu ersetzendes Zeugnis ab für die Vorrangigkeit des Gebetes, den Wert der Jungfräulichkeit, den Preis des Gemeinschaftslebens, die Hingabe an die Kirche und die Bereitschaft, den Ärmsten und Verlorensten der Menschen zu helfen. Sie alle offenbaren durch ihr dem Herrn geweihtes, selbstloses Leben die Schönheit der Berufung durch Gott; dabei widmen sich die einen vor allem dem Lobpreis und der Fürbitte in geschlossenen Klöstern mit starker Ausstrahlung, während sich die anderen in erster Linie im oft demütigen und verborgenen Dienst der Nächstenliebe oder der Erziehung einsetzen. 917 REISEN Es ist eure Aufgabe, als Nachfolger der Gründer-Bischöfe, an die ihr selbst erinnert habt, die den einzelnen Instituten eigenen Charismen und Strukturen zu achten und dafür Sorge zu tragen, daß die Ordensleute die geistliche Unterstützung und die Ausbildung erhalten, welche sie befähigen, in einem Leben ungeteilter Hingabe den Gelübden zu entsprechen, durch die sie sich dem Herrn in seiner Kirche geweiht haben. 7. Die Tätigkeiten und die Anliegen in euren Bistümern sind vielfältig. Die Seelsorger, seien sie Priester, Ordensleute oder Laien, die wir heute nachmittag alle zusammen in der Kathedrale angetroffen haben, verfolgen in zahlreichen Gruppen oder Verbänden einander ergänzende Ziele. Ihr habt manche pastoralen Sorgen zum Ausdruck gebracht und dabei die Größe eurer Verantwortung hervorgehoben. Ich werde das alles gut im Gedächtnis behalten. Übrigens haben wir diese Themen zum Teil schon an unseren Arbeitssitzungen vor zwei Jahren in Rom besprochen. Heute abend möchte ich nur sagen, daß es Aufgabe des Bischofs ist, alle Anstrengungen zu koordinieren und dem Hauptziel der Einheit des vom Licht des Evangeliums erhellten menschlichen Lebens entgegenzuführen. Ob man im karitativen Bereich wirkt oder sich für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft einsetzt, ob man sich der Erziehung der Jugend widmet oder für die Förderung der Familie tätig ist oder die Menschenwürde verteidigt, die Hauptwurzel für das Handeln der Christen liegt im Bund, den Gott durch das Opfer seines Sohnes mit den Menschen geschlossen hat, damit sein Name und diejenigen, die er liebt, geheiligt werden. Insbesondere die kirchliche Soziallehre und die Ehemoral enthalten Forderungen, die zur Erfüllung von Gottes Willen notwendig sind. Man kann nicht auf ihre Verkündigung und Auslegung verzichten, wenn man die Schönheit des mit Christus verbundenen Menschen erkannt hat; denn Christus macht uns stark und stützt unsere Treue, er ist im Namen des Herrn gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren war. Ja, wie der hl. Paulus sagt, „ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder und liebt einander, weil auch Christus uns geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und Opfer, das Gott gefällt“ (Eph 5,1-2). Die Glieder des Gottesvolkes spiegeln in ihrer Unterschiedlichkeit, ein jedes gemäß seiner Berufung, die Gegenwart Christi in ihrem Leben im Licht des Heiligen Geistes. Alle zusammen stellen sie gleichsam in einem großen Mosaik aus farbigen Steinchen das bewundernswerte Antlitz Christi dar, der sich die Menschheit zum Leib erkoren hat. Diese Kirche hat Jesus am Abend vor seinem Leiden dem Vater anvertraut. Er bat den Vater darum, seine Jünger in der Wahrheit zu heiligen, damit sie bei 918 REISEN denen, die auf ihr Wort hin an ihn glauben werden, seinen Auftrag in der Welt erfüllen, auf daß alle eins seien (vgl. Joh 17,17-20). 8. Als Bischöfe heute seid ihr im Namen Christi die Diener der Einheit der Kirche, die das Werk der Verkündigung des Evangeliums fortsetzt und erneuert. Es ist für euch Gabe und Aufgabe, in Solidarität mit allen Nachfolgern der Apostel auf der ganzen Welt und — wie es die heutige Begegnung beweist — verbunden mit dem Nachfolger Petri, die Kirche in Zaire in der Einheit mit der Weltkirche zu bewahren. Eure Kirche hat viel empfangen. Von jetzt an erfährt sie Erleuchtung und Unterstützung durch die Heiligkeit der ersten ihrer Töchter, die der Welt als unschätzbare Frucht ihrer Reife vor Augen gestellt worden ist. Eure Kirche muß jetzt hohe Ansprüche erfüllen, um Christus in der treuen Hingabe nachzufolgen, die Schwester Anwarite bewiesen hat, indem sie sich in das Leiden Jesu hineinnehmen ließ, um in die ewige Seligkeit der Erlösten einzugehen. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, mit euch bitte ich Christus, der euch erwählt hat, daß er euch seine Freude in Fülle gebe (vgl. Joh 17,13). Ihr sollt seine Jünger sein, die die Frohbotschaft des göttlichen Wortes in die Welt hineintragen. Seid stark im Glauben, glühend in der Liebe, zuversichtlich als Zeugen der Hoffnung auf das kommende Reich, durch alle Dunkelheiten und Prüfungen hindurch. Teilt mit euren Brüdern die unerschöpfliche Gnadengabe Gottes und seid glücklich darüber, zur wahren Entfaltung der Menschen, die zur Würde der Gotteskindschaft unter dem einen Haupt Christus berufen sind, beitragen zu dürfen. Ich bitte den in der unerforschlichen Liebe der drei göttlichen Personen lebendigen Gott, den Gott des Erbarmens und der Treue, für euch, daß er euch mit seinem Segen erfülle. 919 REISEN ,,Christus lehrt die Wahrheit über Ehe und Liebe“ Ansprache bei der Jugendmesse in Nairobi am 17. August Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Am dritten Tag war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war dort. Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen“ (.loh 2,1-2). 1. Es ist für mich eine große Freude, euch heute - in Gegenwart des Präsidenten von Kenia, von Kardinal Otunga, des Präsidenten der Bischofskonferenz und meiner anderen Mitbrüder im Bischofsamt - das Hauptthema des Eucharistischen Kongresses vorzustellen: die Eucharistie und die christliche Familie. Es ist mir eine große Freude, den jungen Paaren, die getraut werden, sowie den vielen heute hier anwesenden jungen Leuten diese Wahrheit zu verkündigen. Die Lesung aus dem Evangelium des hl. Johannes wird uns helfen, in dieses Thema einzudringen und seine volle Bedeutung zu verstehen. Jesus war in Kana in Galiläa bei dem neuvermählten Paar anwesend. Er hatte ihre Einladung zur Hochzeit angenommen. Er war mit ihnen. Er war für sie da. Die Eucharistie ist das Sakrament, in dem Jesus Christus heute auf eine besondere Art bei uns gegenwärtig ist. Er ist in unserer Mitte und bringt in unblutiger Weise das gleiche Opfer dar, das er am Altar des Kreuzes darbrachte, als er sein Leben für die Erlösung der Welt hingab. In diesem heiligsten Sakrament ist Christus bei uns bis ans Ende der Zeit und ist immer für uns da. 2. Nach dem Bericht des hl. Johannes fand das erste Wunder der öffentlichen messianischen Tätigkeit Jesu in Kana in Galiläa statt. In seiner Anwesenheit dort können wir einen bezeichnenden eucharistischen Aspekt sehen. In einer gewissen Weise ist die Anwesenheit Christi bei dem Fest von Kana ein Vorbild für das Eucharistische Abendmahl. Gleichzeitig lenkt sie unser christliches Bewußtsein auch auf das Sakrament der Ehe. Jesus ist bei jedem neuvermählten Paar, er ist in ihrer Mitte, wenn sie einander für das Eheleben anvertrauen. Jesus bekräftigt Gottes Plan für die Ehe als die grundlegende menschliche Einrichtung, die bis an den Anfang der menschlichen Geschichte zurückgeht. 920 REISEN Im Buch Genesis heißt es: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild. Als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: ,Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde und unterwerft sie euch'“ {Gen 1,27—28). Das Buch Genesis zeigt die ursprüngliche Einheit von Mann und Frau. Bereits von Anfang an erschuf er sie als „Mann und Frau“ und bestimmte sie dazu, eine Gemeinschaft von Personen zu bilden, die fruchtbar sein würde. Er beruft sie zu einer besonderen Teilhabe an seiner Liebe und zugleich an seiner Macht als Schöpfer und Vater durch ihre freie und verantwortliche Mitwirkung bei der Weitergabe des Geschenkes des menschlichen Lebens“ {Familiaris consortio, Nr. 28). Vereint vor Gottes Angesicht und im Genuß seines besonderen Segens sollten Mann und Frau über das erschaffene Universum herrschen. Somit sehen wir, daß die Einrichtung der Ehe zusammenfällt mit der Erschaffung von Mann und Frau am Anfang. 3. Während einer Diskussion mit den Pharisäern wiederholte der Herr Jesus nicht nur die im Buch Genesis stehende Belehrung über die Ehe, sondern er bekräftigte sie auch. Er sagte: „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ {Mt 19,6). Das Mysterium der Ehe also, das vom Schöpfer „am Anfang“ der Existenz des Menschengeschlechtes als eine Grundlage für die Zukunft eingesetzt wurde, wird von Christus wieder bestätigt. Er setzt das Siegel des Evangeliums darauf, das Siegel des Neuen Bundes in seinem Blut (vgl. Lk 22,20). Das ist der Grund, warum die Kirche in jedem Zeitalter fortfährt, die unveränderliche Wahrheit zu lehren, nämlich daß die Ehe unauflöslich ist. Wenn Paare dieses Sakrament freiwillig empfangen, so wie es an diesem Nachmittag geschieht, so schaffen sie eine unzerbrechliche Einheit. Im Wasser der Taufe zu neuen Geschöpfen geworden, sind sie nun fähig, in der Ehe ein lebendiges Zeichen zu sein für die immerwährende Liebe Christi zur Kirche. Ihre gegenseitige Liebe, ihre eheliche Liebe, kann nun bis zum Tod dauern, nicht ihrer eigenen Stärke oder ihres Verdienstes wegen, sondern weil die Gnade Christi in ihnen wirkt. 4. Die Tatsache, daß wir Jesus von Nazaret unmittelbar am Beginn seiner messianischen Tätigkeit bei dem neuvermählten Paar in Kana in Galiläa antreffen, ist sehr aussagekräftig. Es ist wie eine prophetische Erklärung, daß er von nun an wünscht, mit allen Paaren zusammenzusein, die durch ihr Eheversprechen zu Dienern des Sakramentes ihres gemeinsamen Lebens werden. Er ist durch seine Gnade bei ihnen. Diese Gnade ist die 921 REISEN Erlösungsmacht Gottes, sein Geschenk, das das menschliche Leben - und in diesem Fall das Eheleben - erst des Menschen, der Kinder Gottes würdig macht. 5. Sehr bedeutsam ist auch das in Kana vollbrachte Wunder, das erste Zeichen des messianischen Reiches. Jesus verwandelt Wasser in Wein. Damit veredelt und formt er das Getränk um, das den Hochzeitsgästen angeboten wird. Folgendes ist aber noch bedeutsamer: Die Wahrheit des Evangeliums und die Gnade des Ehesakramentes verändern und veredeln das ganze Eheleben, wenn das Paar diese Wahrheit treu befolgt, wenn es mit dieser Gnade zusammenarbeitet. 6. Was vor allem aber geadelt wird, ist die eheliche Liebe, diese ganz menschliche Liebe, die mit der göttlichen vereint wird, und die beiden, dem Ehemann und der -frau zum Wohl gereicht. Sie „führt die Gatten zur freien gegenseitigen Übereignung ihrer selbst, die sich in zarter Zuneigung und in der Tat bewährt, und durchdringt ihr ganzes Leben“ (Gaudium etspes, Nr. 49). Es ist solch eine Liebe, wie sie der hl. Paulus im ersten Korintherbrief beschreibt, den wir in der heutigen Liturgie gehört haben: „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand“ (1 Kor 13,4-7). 7. Die Frucht einer treuen Liebe ist die Gemeinschaft der Gedanken und der Herzen. Die Liebe Christi am Kreuz hat die durch Sünde verursachten Trennungen überwunden, und eine durch die christliche Ehe geadelte eheliche Liebe hat Teil an der Macht der einigenden Liebe Christi. Dazu erhalten jedes Ehepaar und alle christlichen Familien die Gnade und die Verantwortung, eine Gemeinschaft von Personen zu werden. Das ist auch der Grund, warum ich in meinem Apostolischen Schreiben über die Rolle der christlichen Familie in der modernen Welt folgendes gesagt habe: „Ihre erste Aufgabe ist es, die Wirklichkeit ihrer Einheit treu zu leben in dem ständigen Bemühen, eine echte Gemeinschaft von Personen zu bilden“ (Nr. 13). So wie ein christliches Leben fortwährende Bekehrung erfordert, so verlangt das Eheleben von einem Paar beständige und hochherzige Anstrengungen, ihre eheliche Gemeinschaft zu vertiefen. Nach dem Plan 922 REISEN Gottes besteht eine natürliche Ergänzung und Anziehung zwischen Mann und Frau. Diese zwei Faktoren müssen jedoch durch eine liebende Aufmerksamkeit für die gegenseitigen Bedürfnisse und vor allem durch den Rückgriff auf die durch das Sakrament empfangenen Gnaden entwik-kelt und gefördert werden. Der Heilige Geist, der Geist der Wahrheit und Liebe, wird durch das Sakrament auf eine besondere Art über das Ehepaar ausgegossen und hilft ihnen in ihrem Streben, persönliche Unzulänglichkeiten und Selbstsucht zu überwinden und eine immer größere Gemeinschaft in Christus zu erlangen. Es ist auch wichtig, hier zu wiederholen: „Einer solchen Gemeinschaft widerspricht radikal die Polygamie: Sie leugnet in direkterWeise den Plan Gottes, wie er am Anfang offenbart wurde; denn sie widerspricht der gleichen personalen Würde von Mann und Frau, die sich in der Ehe mit einer Liebe schenken, die total und eben deshalb einzig und ausschließlich ist“ (Familiaris consortio, Nr. 19). Im Alten Testament wurde Polygamie manchmal geduldet. Aber im Neuen Bund stellte unser Erlöser die Ehe in ihrem ursprünglichen Zustand als Gemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau wieder her. 8. Zusammen mit dieser Aufgabe, die personale Gemeinschaft zu fördern, erfüllen Ehemänner und -frauen auch die lebenswichtige Aufgabe des Dienstes am menschlichen Leben, vor allem durch die ihnen zukommende besondere Ehre und Pflicht, Kinder auf die Welt zu bringen und zu erziehen. Die Berufung zum Eheleben verlangt beiderseitige Opferbereitschaft und Großmut von Mann und Frau. Gegenseitige Hingabe ist notwendig für jedes erfolgreiche Eheleben. Der vollste Ausdruck für diese gegenseitige Hingabe liegt in der Bereitschaft, Kinder zu haben und sie in der Kenntnis und Liebe Gottes zu erziehen. So wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt: „Ohne Hintansetzung der übrigen Eheziele sind deshalb die echte Gestaltung“ der ehelichen Liebe und die ganze sich daraus ergebende Natur des Familienlebens dahin ausgerichtet, daß die Gatten von sich aus entschlossen bereit sind zur Mitwirkung mit der Liebe des Schöpfers und Erlösers, der durch sie seine eigene Familie immer mehr vergrößert und bereichert“ (Gaudium et spes, Nr. 50). Das ist auch der Grund, warum lebensfeindliche Handlungen, wie Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch, unrecht und guter Ehemänner und -frauen unwürdig sind. <174> <174> Da Familien eine so entscheidende Rolle in der Gesellschaft und in der Kirche spielen, und wegen der vielen Bedrohungen und Hindernisse, 923 REISEN heute ein Familienleben zu gründen, ist die Vorbereitung junger Leute für die Ehe notwendiger als jemals zuvor. Es ist wichtig, die zwischenmenschliche Natur der Ehe zu betonen, die auf einer soliden Wertschätzung der Würde beider, Mann und Frau, und deren natürlicher Ergänzungsfähigkeit besteht. Junge Leute, die ihre Zukunft vorausplanen, müssen auf die fortwährende Anstrengung aufmerksam gemacht werden, die die Pflege dieser einzigartigen zwischenmenschlichen Beziehung erfordert, die auf gegenseitigem Respekt und Ehrlichkeit, auf offener Kommunikation und der Bereitwilligkeit beruht, auf Verstand und Herz zu hören. Vielleicht hat es eine Zeit gegeben, in der sowohl die Familie wie auch die örtlichen Gemeinden junge Leute auf die Ehe recht gut vorbereiteten. Heutzutage werden jedoch vielerorts wenige Vorbereitungsmöglichkeiten geboten. Es sollte also nicht allzuschnell angenommen werden, daß junge Männer und Frauen sich der grundsätzlichen Erfordernisse für ein wohl-geordnetes Familienleben bewußt sind. Sie können tatsächlich große Befürchtungen und Zweifel darüber haben, ob sie fähig sind, nach den christlichen Idealen der Ehe zu leben. Sie sollten daher sorgfältig über die Gnade der Ehe, über die Rolle des Sakramentes in der Sendung der Kirche unterrichtet werden, und über seine Beziehung zu den anderen Sakramenten, vor allem zur Eucharistie und zum Bußsakrament. Wichtig ist auch ein richtiges Verhältnis zur Sexualität sowie zur verantwortlichen Elternschaft einschließlich der Methoden natürlicher Familienplanung und der Gründe für deren Anwendung. In diesem Zusammenhang möchte ich wiederholen, was ich bereits den Bischöfen Kenias anläßlich meines vorherigen Pastoralbesuches in eurem Land gesagt habe: „Ich versichere euch meiner Solidarität bei dieser großen Aufgabe eifriger Vorbereitung der jungen Leute auf die Ehe, die wiederholte Erklärung der Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe und die erneute Einladung an die Gläubigen, die katholische Feier des Ehesakramentes anzunehmen und es mit Vertrauen und Liebe zu fördern. Erfolg in einem pastoralen Programm dieser Art verlangt Geduld und Beharrlichkeit und eine starke Überzeugung, daß Christus gekommen ist „um alles neu zu machen“ (Offb 21,5). <175> <175> Der Eucharistische Kongreß in Nairobi — der zweite Internationale Eucharistische Kongreß auf dem afrikanischen Kontinent, der erste im Herzen Afrikas - ist eine wunderbare Einladung zum Festmahl des Herrn. Bei diesem Festmahl wird das Geheimnis unserer Erlösung erneuert durch das Kreuz und die Auferstehung Christi, und wir alle sind in 924 REISEN Christus und durch Christus eins als Brüder und Schwestern, Kinder des gleichen Vaters. Gleichzeitig sollte diese eucharistische Einladung zum Ostermahl unserer Erlösung in besonderer Weise an das Sakrament der Ehe erinnern, das auf die Eucharistie ausgerichtet ist. In der Eucharistie finden wir die Quelle des Lebens und der Heiligkeit für alle, besonders aber für Ehemänner und -frauen und deren Familien, für die jungen Paare, die heute getraut werden, und für alle jungen Leute Kenias. 11. Heute wurden alle Teilnehmer des Eucharistischen Kongresses in Nairobi nach Kana in Galiläa eingeladen. Wenn wir über das Hochzeitsfest in Kana in Galiläa nachdenken, können alle Ehemänner und -frauen und jede Familie gut verstehen, daß Jesus Christus, Jesus in der Eucharistie, bei ihnen, unter ihnen und für sie da ist. Jesus ist auch durch seine apostolische Kirche gegenwärtig genauso wie er mit den Aposteln in Kana anwesend war. Er ist in besonderer Weise durch die Vermittlung Mariens, der Mutter Christi, da. Es war Maria, die ihren Sohn bat, das Wunder der Verwandlung von Wasser in Wein zu vollbringen. Nun ist es wiederum sie, die ihren Sohn ersucht, menschliche Liebe zu heiligen; sie bittet ihn, den Ehepaaren die Gnade wahrer ehelicher Liebe zu gewähren — einer Liebe, die treu ist bis zum Tod, und die für Eltern und Kinder zu dem großen Geschenk des menschlichen Lebens wird. Sie, Maria, sagt auch zu allen Ehemännern und -frauen und zu allen Familien: „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2,5). Liebe Brüder und Schwestern, liebe Brautleute und deren Verwandte, ihr lieben jungen Leute von Kenia: Nehmt Jesus auf in eure Gemeinschaften! Nehmt den Erlöser der Welt auf! Hört auf Maria, denn Maria wird euch zu Christus führen! Es ist Christus, der euch, der Jugend dieses Landes, das wundervolle Geschenk der Eucharistie anbietet. Er ist es, Jesus Christus, der euch die Wahrheit von Ehe und menschlicher Liebe verkündet. Er ist es, Jesus Christus, der euch, ihr jungen Leute von Kenia, die Fülle des Lebens, das ewige Leben in Verbundenheit mit der heiligsten Dreifaltigkeit anbietet, mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Amen. 925 REISEN Christus gibt Mut Liebe Jugend von Kenia! Ich danke euch für die Gefühle und Gedanken, die ihr mir durch euren Sprecher vorgetragen habt. Ihr habt recht, wenn ihr von der Liebe und der Sorge des Papstes für die Jugend der Welt sprecht. Heute bin ich hierhergekommen, um gerade euch, den jungen Menschen Kenias, diese Liebe und diese Sorge mitzuteilen. Die besondere Botschaft, die ich euch in dieser heiligen Meßfeier bringen wollte, ist das Wort Jesu, das sich auf die großen Geheimnisse der menschlichen Liebe und des menschlichen Lebens im Sakrament der Ehe bezieht. Ihr habt das Geheimnis eines erfüllten und erfolgreichen christlichen Lebens genau erkannt, wenn ihr verkündet, daß Christus, der in der Eucharistie gegenwärtig ist, unsere Stärke und unser Mut ist, die Quelle unserer Einsicht und unserer Begeisterung. Ja, liebe Jugendliche, Jesus ist euer Leben, und auf der Basis dieses Wortes, auf dem Fundament seines Evangeliums müßt ihr die Zukunft eures Lebens, die Zukunft Afrikas, die Zukunft der Welt aufbauen. Die Kirche bietet keine einfachen Lösungen für die Probleme dieser Welt an, Probleme, die ihr sehr wohl kennt und die ihr auch aussprecht. Die Kirche bietet euch keine magischen Zauberformeln an. Ihr, ja ihr selbst, müßt hart und beharrlich arbeiten. Mit der Kraft ihres ganzen Seins aber verkündet die Kirche die überragende Bedeutung des Wortes Christi, das sich auf alle konkreten Situationen eures persönlichen Lebens, eurer Nation und der ganzen Welt bezieht. Um eure eigene Überzeugung zu stärken, wiederholt Christus selbst, an euch gerichtet, diese Worte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Dieser selbe Jesus, der ewige Sohn Gottes, das menschgewordene Wort, der Sohn Mariens, wird immer bei euch bleiben, wenn ihr arbeitet und darum kämpft und dafür betet, daß das Reich Gottes auf dieser Erde Gestalt annimmt. Die Eucharistie ist dafür ein Unterpfand. Das Ende des Eucharistischen Kongresses ist nur ein Anfang: der Anfang immer neuer Herausforderung, ganz vereint mit Christus zu leben und eine Weltgemeinschaft der Gerechtigkeit und der Wahrheit, der Freiheit, der Liebe und des Friedens aufzubauen. Ihr jungen Leute von Kenia, erhebt eure Augen voller Hoffnung und richtet sie auf Jesus im Geheimnis seiner Liebe, in der Eucharistie. 926 REISEN Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch erwähnen, daß junge Leute aus Verona in Italien mir ein Geschenk für die Zwecke der jungen Menschen in Kenia anvertraut haben. Dies Geschenk ist ein Zeichen ihrer Liebe und brüderlichen Solidarität. „Einladung zur Liebe“ Predigt bei der „Statio Orbis“ in Nairobi (Kenia) am 18. August Liebe Brüder und Schwestern in Christus; liebe Pilger aus allen Kontinenten der Welt! „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). 1. Diese Worte sprach der Herr, Jesus Christus, als er an seinen eigenen Tod dachte. Vor allem er selbst ist dieses „Weizenkorn“, das „in die Erde fällt und stirbt“. Der Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, Gott von Gott und Licht vom Licht, wurde Mensch. Er trat in das Leben gewöhnlicher Männer und Frauen ein — als der Sohn der Jungfrau Maria aus Nazaret. Und am Ende nahm er den Tod am Kreuz an, als Opfer für die Sünden der Welt. In genau dieser Weise stirbt das Weizenkorn und bringt reiche Frucht. Es ist die Frucht der Erlösung der Welt, die Frucht der Seelenrettung, die Kraft der Wahrheit und der Liebe als Anfang eines ewigen Lebens in Gott. Auf diese Weise hilft uns das Gleichnis vom Weizenkorn, das tiefe Mysterium Christi zu verstehen. 2. Gleichzeitig wird das Weizenkorn, das „in die Erde fällt und stirbt“, zum Unterpfand für das Brot. Der Mensch erntet von seinen Feldern die Ähren, die aus dem einzelnen Korn gewachsen sind. Wenn das geerntete Getreide zu Mehl gemahlen wird, macht er Brot für seinen eigenen Körper daraus. Auf diese Weise hilft uns das Gleichnis Christi vom Weizenkorn, das Mysterium der Eucharistie zu verstehen. In der Tat nahm Christus beim Letzten Abendmahl Brot in seine Hände, segnete es und sagte diese Worte darüber: „Nehmt und eßt alle davon, dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ Und das gebrochene 927 REISEN Brot, das auf sakramentale Weise zu seinem Leib geworden war, teilte er an die Apostel aus. Auf ähnliche Weise vollzog er die Verwandlung des Weines in sein Blut, und indem er es an die Apostel austeilte, sagte er: „Nehmt und trinkt alle daraus: Dies ist der Kelch meines Blutes, das Blut des Neuen und Ewigen Bundes. Er wird für euch und für alle Menschen vergossen werden zur Vergebung der Sünden.“ Und er fügte hinzu: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ So bleibt das Mysterium Christi unter uns durch das Sakrament der Eucharistie. Das Mysterium des Erlösers der Welt, der sich selbst für uns alle hingab, indem er seinen Leib und sein Blut am Kreuz opferte. Dank der Eucharistie gehen die Worte unseres Erlösers in Erfüllung: „Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch“ (Joh 14,18). In diesem Sakrament kommt er immer zu uns. Wir sind keine Waisen. Er ist bei uns! In der Eucharistie bringt er uns auch seinen Frieden, und er hilft uns, unsere Schwächen und Ängste zu überwinden. Es ist gerade so, wie er es vorausgesagt hatte: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht“ (Joh 14,27). Und von da an hielten die Jünger und Zeugen unseres gekreuzigten und auferstandenen Herrn „an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (Apg 2,42). Sie hielten am „Brechen des Brotes“ fest. Mit anderen Worten: Die Eucharistie bildet den Mittelpunkt ihres Lebens, den Mittelpunkt der christlichen Gemeinschaft, den Mittelpunkt des Lebens der Kirche. So war es am Anfang in Jerusalem. Und so ist es überall gewesen, wohin der Glaube an das Evangelium zusammen mit der Lehre der Apostel gebracht wurde. Von Generation zu Generation ist es so bei den verschiedenen Völkern und Nationen gewesen. So ist es auch auf dem afrikanischen Kontinent, seitdem das Evangelium zum ersten Mal diese Länder durch die Missionare erreichte und seitdem es in einer zur Eucharistiefeier versammelten Gemeinschaft seine ersten Früchte trug. 4. Heute erstreckt sich die in Christus vereinigte Gemeinschaft nahezu über den ganzen Kontinent. Diese Gemeinschaft von 70 Millionen Menschen ist ein großes Zeichen für die Fruchtbarkeit der Eucharistie. Die Kraft des Evangeliums Christi hat sich in Afrika offenbart. Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang wird der Name des Herrn auf afrikani- 928 REISEN schem Boden gepriesen. Die Söhne und Töchter Afrikas übermitteln treu die Lehren der Apostel, und die Eucharistie wird beständig als Opfer zum Ruhme Gottes und zum Wohl jedes Menschen auf diesem Kontinent dargebracht. Glaubwürdig gelebtes Ordensleben und die Existenz von Millionen christlicher Familien beweisen, daß das Weizenkorn zum Ruhm des Blutes Jesu und zur Ehre ganz Afrikas reiche Frucht gebracht hat. 5. Ein weiterer Ausdruck für die Reife der christlichen Gemeinschaft und für das Wachstum der Kirche ist die Tatsache, daß zum ersten Mal ein Internationaler Eucharistischer Kongreß im Herzen des afrikanischen Kontinents stattfindet: Die ganze Welt preist Gott für den 43. Internationalen Eucharistischen Kongreß in Nairobi. Heute erreicht dieser Kongreß seinen Höhepunkt. Durch diese „Statio Orbis“ proklamiert Afrika, durch seine Bischöfe um den Nachfolger Christi vereint, vor der ganzen Welt die rettende Wahrheit der Eucharistie! Dieser Kongreß ist wie ein leuchtender Widerschein jener ersten christlichen Gemeinschaft in Jerusalem, die „an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten festhielt“ (Apg 2,A2). Das Mysterium der Eucharistie wird durch den Eucharistischen Kongreß freudig vor der ganzen Kirche und der ganzen Welt proklamiert! In der Botschaft, die dieser Kongreß der Welt verkündet, klingt ein starkes und klares Echo der Worte Christi nach: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben“ (Joh 6,51). 6. Die Botschaft des Eucharistischen Kongresses enthält in sich selbst - geradeso wie das Mysterium der Eucharistie - eine Einladung zur Liebe. Bei der ersten Eucharistie, am Abend bevor er sein Leben am Kreuz für uns hergab, sagte unser Heiland zu seinen Jüngern: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid“ (Joh 13,34-35). Die Liebe Christi, die als Geschenk empfangen wird, muß umgekehrt als Geschenk weitergegeben werden. Die Liebe Christi, die uns aus dem einen Brot und aus dem einen Kelch in Fülle zuströmt, muß mit unserem Nächsten geteilt werden: mit dem Mitmenschen, der arm und heimatlos ist, mit dem Mitmenschen, der krank oder im Gefängnis ist, mit dem Mitmenschen, der einem anderen Stamm oder einer anderen Rasse angehört oder der nicht an Christus glaubt. 929 REISEN 7. Die Einladung Christi zur Liebe, die sich in diesem Eucharistischen Kongreß wiederum an uns richtet, bezieht, sieh vor allem auf die christliche Familie. Es ist so, als ob der Herr zu jedem Mitglied der Familie spreche: Frauen, liebt eure Männer, so wie Christus euch geliebt hat. Männer, liebt eure Frauen „so wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie ... heilig zu machen“ (Eph 5,25). „Ihr Kinder gehorcht euren Eltern, wie es vor dem Herrn recht ist . . . Und ihr Eltern, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern, erzieht sie in der Zucht und Weisung des Herrn!“ (vgl. Eph 6,1.4). Nehmt euch als Beispiel die Heilige Familie von Nazaret: die Reinheit und liebende Zärtlichkeit Marias, die Treue und Ehrenhaftigkeit Josefs und seinen Edelmut in der täglichen Arbeit, die Demut und den Gehorsam Jesu. Die Einladung Christi >zur Liebe ist besonders wichtig in der Ausübung der ehelichen Liebe. Die ausschließliche und unzertrennliche Einheit von Mann und Frau drückt sich am besten in gegenseitiger Selbsthingabe aus. Paare, die beständig versuchen, einander zu lieben und zu unterstützen, nehmen in besonderer Weise teil am Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit. Wie ein Spiegel strahlen sie die ewig treue Liebe Gottes zu seinem Volk wider. Eheliche Liebe ist fruchtbar - eine Fruchtbarkeit, die sich vor allem in den Kindern zeigt. Jedes Kind ist wiederum eine Einladung zur Liebe mit noch größerem Edelmut. <176> <176> Jedes Kind zu ernähren, es zu kleiden und für es Sorge zu tragen, verlangt viele Opfer und harte Arbeit. Zudem haben Eltern die Pflicht, ihre Kinder zu erziehen. So sagt das Zweite Vatikanische Konzil: „Ihr Erziehungswirken ist so entscheidend, daß es dort, wo es fehlt, kaum zu ersetzen ist. Den Eltern obliegt es, die Familie derart zu einer Heimstätte der Frömmigkeit und Liebe zu Gott und den Menschen zu gestalten, daß die gesamte Erziehung der Kinder nach der persönlichen wie nach der gesellschaftlichen Seite hin davon getragen wird. So ist die Familie die erste Schule der sozialen Tugenden, deren kein gesellschaftliches Gebilde entraten kann“ (Gravissimum educationis, Nr. 3). Die eheliche Liebe ist ausschließlich in ihrem intimsten Ausdruck der Selbsthingabe, und sie zeichnet sichaus durch die Kraft, Kinder großzügig willkommen zu heißen, und außerdem, sich in Sorge und Dienstbereitschaft auf die Mitglieder der entfernteren Familie, auf die örtliche Gemeinschaft und auf die Gesellschaft als Ganzes zu erstrecken. Die christliche Familie erfüllt eine Schlüsselrolle in kleinen christlichen Gemeinden und im Ldben und der Sendung der Kirche. Keine Familie ist 930 REISEN frei von Sünde und Selbstsucht und den daraus folgenden Spannungen; aber durch die Kraft des Heiligen Geistes kann das alles vergeben und überwunden werden, und die Familie kann beitragen zu der der Kirche obliegenden Aufgabe der Versöhnung, der Einheit und des Friedens. 9. Die Einladung zur Liebe, die der Herr an die christliche Familie richtet, erscheint im Licht der ersten Lesung der heutigen Liturgie wiederum in neuer Sicht. Gott sagt zu seinem Volk durch den Propheten Hosea: „Ich traue dich mir an auf ewig; ich traue dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen; ich traue dich mir an um den Brautpreis meiner Treue“ (Hos 2,21-22). Die christliche Familie ist dazu berufen, in der Welt ein Zeichen für Gottes treue Liebe zu seinem Volk zu sein. Aber um dies zu sein, wird die christliche Familie zuerst dazu eingeladen, Gottes Liebe zu empfangen und von ihr erfüllt zu werden. Die Familie ist von der Vorsehung dazu bestimmt, eine Gemeinschaft im Gespräch mit Gott zu sein. Aus diesem Grund sollten Gebet und Sakramente eine herausragende Stelle im Familienleben einnehmen. Das wichtigste von alldem ist die Eucharistie, das Gedächtnis und die Erneuerung des Liebesbundes Christi mit der Kirche. In ihr finden Mann und Frau Kraft und Nahrung für ihren eigenen Ehebund. Das Bußsakrament bietet den Familienmitgliedern die Gnade an, die sie für die Umkehr und für die Überwindung der Spaltungen brauchen, die die Sünde vielleicht im häuslichen Bereich hervorgerufen hat. „Die Gatten und alle Glieder der Familie entdecken im Licht des Glaubens, daß die Sünde nicht nur dem Bund mit Gott widerspricht, sondern auch dem Bund der Gatten und der Familiengemeinschaft; sie finden zur Begegnung mit Gott, ,der voll Erbarmen ist und der in seiner Liebe, die stärker ist als die Sünde, die Gemeinschaft der Ehe und der Familie wiederherstellt und vertieft“ (Familiaris consortio, Nr. 58). Das Gebet ist wesentlich für das Leben eines jeden Christen, aber das Familiengebet hat seinen eigenen, besonderen Charakter. Da es eine Form des gemeinsamen Gebetes ist, muß es je nach Größe und Zusammenstellung der einzelnen Familie geformt und an sie angepaßt werden. Wenige Tätigkeiten beeinflussen eine Familie tiefer als ihr gemeinsames Gebet. Das Gebet fördert die Ehrfurcht vor Gott und die gegenseitige Achtung. Es ordnet Freude und Leid, Hoffnungen und Enttäuschungen, jedes Ereignis und jeden Umstand in die Perspektive der Gnade und Fürsorge Gottes ein. Das Familiengebet öffnet das Herz eines jeden Mitgliedes für das Heilige Herz Jesu und hilft der Familie, einiger in sich 931 REISEN selbst zu sein, aber auch mehr bereit für den Dienst an der Kirche und an der Gesellschaft. Die Eucharistie ist das Sakrament des Lebens. Sie erfüllt die menschliche Seele mit göttlichem Leben und ist das Unterpfand für das ewige Leben. Durch die Eucharistie spricht Christus immer jene Worte zu uns, die er am Abend vor seiner Passion und seinem Tod sagte: „Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen... Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten, und wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin“ (Joh 14,2-3). Die Eucharistiefeier hebt uns hinaus über die Routine des täglichen Lebens. Sie lenkt unseren geistigen Blick nach vorn und nach oben. Die Eucharistie hilft uns hier und jetzt „auf Jesus zu blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens“ (Hebr 12,2). Sie hilft uns auch, das Ziel und die Vollendung des Laufes in Erinnerung zu behalten, den wir in der Taufe begannen, den wahren Zweck unseres Lebens, unsere letzte Bestimmung. Christus will, daß wir für immer bei ihm in der Ewigkeit seien; er will, daß wir ein für allemal in das Haus seines Vaters kommen, wo er einen Platz für uns vorbereitet hat. Die Eucharistie verstärkt unseren Wunsch nach dieser Lebensfülle und nach der Einheit in Christus, die wir allein im Himmel finden werden. Und die Eucharistie ist ein sicheres Versprechen, sie zu erlangen. <177> <177> Liebe Brüder und Schwestern, lieber Kardinal Olunga, alle meine Brüder im Bischofsamt und und alle Priester, liebe Ordensmänner und Ordensfrauen, liebe Eltern, Kinder und Jugendliche, Alleinstehende und ältere Leute, alle, die ihr durch eure physische oder geistige Anwesenheit an diesem Eucharistischen Kongreß teilhabt: Die Kirche Jesu Christi, die auf der ganzen Welt Wurzeln gefaßt hat, bietet der Welt, in Freude und Dankbarkeit durch meinen Dienst als Bischof von Rom und Nachfolger Petri die Eucharistische Botschaft dieses Kongresses an. Die Kirche sieht in diesem Kongreß ein besonderes Ergebnis all ihrer missionarischen und pastoralen Bemühungen seit dem Beginn der Evangelisierung auf dem afrikanischen Kontinent, und für dieses Ergebnis dankt und huldigt sie dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Gleichzeitig wünscht die ganze Kirche, ausgehend vom Beispiel des jungen und lebendigen Glaubens Afrikas, ihren missionarischen Eifer zu erneuern, so wie ihn das Zweite Vatikanische Konzil vor 20 Jahren darlegte; denn die Kirche ist ihrer wahren Natur gemäß missionarisch! Möge Christus in der Eucharistie, der als das „Weizenkorn“ in die Erde 932 REISEN Afrikas eingesenkt wurde, in seinem Leib, der Kirche, reiche Frucht für das ewige Leben hervorbringen! Amen. Gott mitten unter uns Ansprache vor dem Angelus am Ende der Messe in Nairobi (Kenia) am 18. August Am Ende dieser Messe lade ich euch ein, mit mir das vertraute Mariengebet zu sprechen, das wir Angelus nennen. Unsere Gemeinschaft im Gebet mit der Mutter Gottes schließt nicht nur die ein, die hier in Nairobi versammelt sind, sondern es umfaßt die ganze Welt. Gemeinsam mit der Mutter unseres Heilands erheben wir unseren Geist und unsere Herzen zu Gott - in Lob- und Danksagung und in liebevoller Betrachtung des Mysteriums der göttlichen Vorsehung. Als Maria zum ersten Mal darin einstimmte, die Mutter Gottes zu sein, als sie sagte: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38), wurde das Wort Gottes Fleisch, das erhabene und ewige Wort Gottes wurde Mensch in ihrem Schoß. Und die Geschichte der Menschheit änderte sich ganz und gar. Die Welt konnte nie wieder die sein, die sie gewesen war. Gott lebte von nun an in menschlichem Fleisch. Das Mysterium der Menschwerdung, das Mysterium Gottes, der Mensch wird, hilft uns, das Mysterium der Eucharistie zu verstehen. Denn das, was in der Stadt Nazaret durch den Edelmut der heiligen Jungfrau begann, endete nicht mit dem Tod und der Auferstehung Christi. Nein, Christus ist weiterhin auf der Welt — durch die Kirche und im besonderen durch die heilige Liturgie. Wenn Gottes Wort in der Messe gelesen wird, so ist es Christus selbst, der zu seinem Volk spricht. Und der hl. Paulus sagt uns: „Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?“ (1 Kor 10,16). Wenn wir Jesus also nahe sein wollen, müssen wir dem Opferaltar nahe kommen; wir müssen Christus in der Eucharistie voll Hingabe und Ehrfurcht lieben. Die Eucharistie ist die Quelle aller Tugenden. Sie ist die geistige Nahrung für das tägliche Leben. Sie ist die Hauptquelle des Lebens und der Liebe für die christliche Familie. Sie gibt uns einen Vorgeschmack auf die ewige Glückseligkeit, an der wir teilhaben werden, wenn wir am Ende in das Himmelreich eingehen. 933 REISEN Wie wundervoll ist das Mysterium Gottes mitten unter uns! Das Mysterium der Menschwerdung, das Mysterium der Eucharistie! Das Mysterium Christi unter uns macht uns bereit, Gottes Namen zu verherrlichen. Mit Freude stimmen wir in den Lobgesang der Jungfrau Maria ein: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,46-47). Gemeinsam mit Maria und allen Engeln und Heiligen danken wir Gott für die heilige Eucharistie. Und nun laßt uns gemeinsam mit den Worten des Angelus beten. Nach dem Engel des Herrn fügte der Papst hinzu: Am Ende dieses großartigen eucharistischen Treffens möchte ich dem päpstlichen Legaten Kardinal Cordeiro danken sowie allen Kardinälen und Bischöfen, die aus verschiedenen Ländern der Welt zu diesem Internationalen Eucharistischen Kongreß gekommen sind, um hier auf afrikanischem Boden die Einheit der Kirche Christi darzustellen. Mein aufrichtiger Dank gilt den Delegationen aus Angola, Belgien, Botswana, Brasilien, Burkina Faso, Kamerun, Kanada, China, Kolumbien, Djibuti, Ekuador, Ägypten, Äthiopien, Finnland, Frankreich, Gabun, Deutschland, Ghana, Großbritannien, Guinea, Island, Indien, Indonesien, dem Iran, dem Irak, Irland, Italien, der Elfenbeinküste, Japan, Korea, dem Libanon, Lesotho, Liberia, Litauen, Malawi, Mali, Malta, Mauritius, Mexiko, Mozambique, den Niederlanden, Nigeria, Pakistan, den Philippinen, Polen, Portugal, Ruanda, Samoa, Senegal, den Seychellen, Sierra Leone, Südafrika, Spanien, Sri Lanka, Sudan, Swasiland, der Schweiz, Tansania, Uganda, den Vereinigten Staaten von Amerika, Zaire, Sambia und Zimbabwe. Ganz herzlich möchte ich danken all unseren Brüdern aus anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die mit uns heute hier sind und die wir voller Dankbarkeit und Liebe umarmt haben; mit den gleichen Gefühlen grüße und umarme ich auch alle nichtchristlichen Brüder. Gleichzeitig wird uns allen die Abwesenheit jener schmerzlich bewußt, die hier bei uns sein wollten, die aber nicht kommen konnten. Ich möchte besonders grüßen die Bischöfe von Burundi, deren Seelsorge ich dem mütterlichen Schutz Mariens, der Mutter des menschgewordenen Wortes, anvertraue. Schließlich möchte ich mich mit Lobpreis und Dankbarkeit an die Allerheiligste Dreifaltigkeit, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wenden, für diese für die Kirche Gottes so heiligen und gnadenreichen Tage. Amen. 934 REISEN „Instrument des besonderen Lehramts“ Ansprache an der Katholischen Universität von Ostafrika in Nairobi (Kenia) am 18. August „Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit“ (Eph 1,17), ermöglicht uns in seiner liebenden Vorsehung, durch diese Begegnung der tiefen kirchlichen Gemeinschaft sichtbaren Ausdruck zu verleihen, in der die Gläubigen vereint sind mit den Nachfolgern der Apostel. Diese sind vom Heiligen Geist als Seelenhirten auserwählt, um das Werk Christi, des ewigen Guten Hirten (vgl. Christus Dominus, Nr. 1), fortzuführen. Mich erfüllt eine große Dankbarkeit Gott gegenüber für diese Begegnung, auf die ich mich sehr gefreut habe. Ich bitte euch, mit mir einzustimmen in den Lobpreis Gottes, der „reich ist an Erbarmen“ {Eph 2,4). Ich grüße euch alle, die ihr Mitglieder der Bischofskonferenz von Ostafrika seid, sowie euch Bischöfe aus den anderen afrikanischen Ländern und aus anderen Kontinenten. Ich danke euch für eure Anwesenheit hier und euer herzliches Willkommen. Ich danke auch den staatlichen Autoritäten und Amtsträgern, die mit mir diesen glücklichen Augenblick im Leben der Kirche Ostafrikas teilen wollen. Meine Hochachtung und Wertschätzung gilt auch den Mitgliedern der verschiedenen christlichen Kirchen, der kirchlichen Gemeinschaften und der anderen Religionen. Auf daß wir alle vereint seien in unserem aufrichtigen Wunsch, dem Frieden und Fortschritt unter allen Völkern ohne Ausnahme oder Unterschied zu dienen. Dies ist ein Anliegen, das uns wichtig ist gerade wegen unseres gemeinsamen Glaubens an Gott, den gemeinsamen Vater der ganzen Menschheitsfamilie. Euch allen, die ihr hier gegenwärtig seid, den Priestern, den Ordensleuten, den Mitgliedern der Missionskongregationen und -gesellschaften, den Seminaristen, euch allen sage ich: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ {Phil 1,2). Der besondere Anlaß dieses Treffens ist die formelle Eröffnung der Katholischen Hochschule von Ostafrika. Dieser wunderbare Campus steht für ein Projekt, das als sein Hauptziel „den Aufbau des Leibes Christi“ {Eph 4,12) hat. Dieses Institut ist ein Projekt, für das sich die Bischöfe dieser Region mit Hingabe und Liebe eingesetzt haben. Durch den Vorsitzenden von AMECEA, Bischof Mazonbwe, hat die bischöfliche Hierarchie hier ihren Einsatz für diese katholische Hochschule von Ostafrika als ein Symbol der immer reiferen Gegenwart der 935 REISEN Kirche in dieser Region ausgedrückt, als eine praktische Antwort auf die immer dringendere Nachfrage nach qualifizierten Mitarbeitern in der Aufgabe, die Evangelisierung und Katechese voranzutreiben. Ihr verbindet daher große Hoffnungen mit dieser katholischen Hochschule. Ihr erwartet, daß sie das geistliche und kirchliche Leben eurer Ortskirchen wirksam stärken wird. Ich teile diese Hoffnungen voll und ganz mit euch, und ich ermutige euch, die Ziele dieser Hochschule mit großherzigem Enthusiasmus weiterzuverfolgen. Die Hochschule wird im Kontext des 43. Eucharistischen Weltkongresses eingeweiht. Dieser Umstand weist unsere Gedanken auf jene erhabene Realität hin, die das Ziel jeder echten theologischen Reflexion in der Kirche ist: das Mysterium Jesu Christi, des Wortes, das Mensch geworden ist, um die Menschheit zu erlösen. Nach den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils ist es die Absicht der heiligen Wissenschaften, „das Mysterium Christi immer tiefer zu erschließen, das die ganze Geschichte der Menschheit durchzieht, sich ständig der Kirche mitteilt und im prie-sterlichen Dienst in besonderer Weise wirksam wird“ (Optatam totius, Nr. 14). Die ganze Gemeinschaft der Gläubigen hat die Aufgabe, die Frohbotschaft vom Heilsmysterium Christi zu verkündigen, und zwar sowohl in seinem objektiven Begriffsinhalt als auch im Hinblick auf die existentielle Dimension, in der es sich in der Geschichte entfaltet. In besonderer Weise ist jedoch das „Wort des Lebens“ (7 Joh 1,1) der Lehrautorität der Kirche anvertraut, die einzigartig verkörpert ist im Kollegium der Bischöfe. Als Nachfolger der Apostel sind die Bischöfe Diener dieses Wortes, und ihre erste Pflicht diesem Wort gegenüber ist, verantwortlich ihren Dienst als Prediger und Lehrer des Evangeliums zu versehen. Die Bischöfe der Kirche sind tatsächlich, wie das Konzil uns erinnert, „mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer. Sie verkündigen dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben“ (Lumen gentium, Nr. 25). Diese katholische Hochschule ist in der Tat ein Instrument des besonderen Lehramts (munus docendi), das den Bischöfen dieser Region anvertraut ist. Es drückt ihren kollegialen Wunsch und ihre Entschlossenheit aus, dieses Lehramt im erleuchteten Dialog mit der theologischen Kultur der universalen Kirche auszuüben, eine theologische Kultur, die sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelt hat und die sich in der gegenwärtigen geschichtlichen Situation des Volkes Gottes weiterentwickelt. 936 REISEN Theologie und Pseudotheologie Die Verkündigung der Frohbotschaft ist an alle Menschen und alle Völker gerichtet. Der Glaube, den die Kirche als Antwort auf diese Verkündigung bekennt, ist das gemeinsame Gut all ihrer Glieder, und alle sind dazu berufen, diesen Glauben so vollkommen wie möglich zu verstehen und zu leben. Auch wenn es wahr ist, daß das Lehramt der Kirche durch verschiedene Formen der Evangelisierung und der Katechese weite Bereiche des Gottesvolkes erreicht, ist eine spezifisch theologische Kultur besonders auf einem höheren akademischen Niveau nur einer begrenzten Anzahl der Gläubigen möglich. Ein tieferes Verständnis des Mysteriums Christi, das die theologische Reflexion bereitstellt, ist aber ein Geschenk des Heiligen Geistes, das dem Gemeinwohl der ganzen kirchlichen Gemeinschaft dient. Theologen und diejenigen, die im Namen der Kirche theologische Studien betreiben, müssen daher im Auge behalten, daß ihr Tun nicht einen Selbstzweck darstellt, sondern daß es ein Dienst ist, der der Braut Christi erwiesen wird. Sie sind dazu berufen, nicht als eine privilegierte Elite, sondern vielmehr bewußt als demütige Verwalter eines Talents zu handeln, das ihnen anvertraut worden ist (vgl. Mt 25,14-30). Die Worte des hl. Paulus an die Epheser über die verschiedenen Charismen treffen hier voll zu; sie formulieren ein Programm für diejenigen, die die theologischen Studien intensiv betreiben: „Einige sollen Lehrer sein, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi. So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen“ (Eph 4,11-13). Diese katholische Fakultät kann eine Quelle großer kreativer Vitalität in euren Ortskirchen werden, wenn sie die klare Vision ihrer spezifischen „Berufung“ innerhalb der Kirche bewahrt und ein Dienstbewußtsein gegenüber dem ganzen Gottesvolk in Gemeinschaft mit den Bischöfen entwickelt. In dieser Beziehung freue ich mich, daß die Bischöfe, die die Ziele dieser Hochschule festgelegt haben, zwei Aspekte ihrer pastoralen Verantwortung besonders betonen, bei der sie die fähige Hilfe derer, die hier lehren und studieren werden, in Anspruch nehmen. Der erste Aspekt ist die Stärkung und die Entwicklung des geistlichen Lebens eurer Gemeinden. Der zweite ist die Stärkung der Familien, „der Hauskirche“, und der anderen kleinen christlichen Gemeinschaften, die als natürliche Gruppierungen „aus dem Bedürfnis heraus entstehen, das Leben der Kirche noch intensiver zu leben, oder aus dem Wunsch und dem Suchen nach einer 937 REISEN persönlicheren Atmosphäre, die die großen Gemeinden nur schwer bieten können“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 58). Die Aufgabe der Hochschule wird sein, das geistliche und intellektuelle Leben der pastoralen Mitarbeiter, der Priester, Ordensleute und Laien, zu formen, denen der Dienst und die Animation in diesen Gemeinschaften anvertraut sind, „die sich innerhalb der Kirche bilden, um in der Einheit der Kirche zu stehen und zum Wachstum der Kirche beizutragen“ (ebd.). 1. Die spezifisch theologische Funktion dieser Hochschule hat eine besondere Bedeutung für eure Kirche als Garantie der Wirksamkeit dieser pastoralen Anliegen. Unter den konkreten Umständen, unter denen sich das Heilsmysterium in euren Diözesen und euren Ländern entfaltet, ist eine aktive Präsenz im kulturellen Leben der Gesellschaft für eure Ortskirchen besonders notwendig. Ihr werdet diese aktive Präsenz im kulturellen Leben der Gesellschaft verwirklichen, wenn ihr eine sauber entwickelte theologische Präsentation des Evangeliums und der menschlichen Probleme bietet, für die die Menschen eine Erklärung suchen. Die Präsenz der Kirche als einer Gemeinschaft der Gläubigen innerhalb der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Realitäten des Lebens wird zu einem nicht geringen Teil durch theologische Reflexion vermittelt. Um echt christlich zu sein, muß diese theologische Reflexion vom geoffenbar-ten Wort Gottes und von der Lehre der Kirche geleitet sein, wie sie sich seit den Anfängen durch die Ausübung des Hirten- und Lehramtes Christi entwickelt hat, das insbesondere vom Bischof von Rom und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm übermittelt worden ist. Die Anwendung einer „wissenschaftlichen“ Methode auf diese Reflexion ist die besondere Aufgabe der Theologen. Theologische Reflexion beleuchtet die mit dem Verstand faßbare Struktur der christlichen Botschaft, deckt ihre innere Kohärenz auf und verdeutlicht die Beziehung des unveränderlichen Inhalts der Glaubenselemente mit den wechselhaften und veränderlichen kulturellen Kontexten, in denen sie die Botschaft verkünden und predigen. Auf dem Hintergrund des gegenwärtigen sozialen und kulturellen Wandels, der in der ganzen Welt, auch in euren afrikanischen Ländern, Platz greift, ist die Herausforderung, denen die Theologen begegnen, nicht ohne große Schwierigkeit und Risiken. Die Gefahren eines theologischen Studiums, das abgeschnitten ist von einem Leben aus dem Geist, und der Schaden, der durch eine pseudotheologische Kultur verursacht wird, der der echte Geist des Dienstes am 938 REISEN Heilsmysterium fehlt, werden schon von den schwerwiegenden Worten des hl. Johannes angedeutet: „Und jeder Geist, der Jesus nicht bekennt,-ist nicht aus Gott. Das ist der Geist des Antichrist“ (7 Joh 4,3). Der „Geist der Wahrheit“ und der „Geist des Irrtums“ (vgl. 1 Joh 4,6) kämpfen um den Geist derer, die die Wahrheit suchen. Während eine richtig verstandene und notwendige Freiheit der Forschung unbedingter Bestandteil des Fortschritts in den theologischen Wissenschaften ist, sollten diejenigen, die theologische Forschung betreiben, diese Freiheit nicht als eine Übertragung von methodischen Kriterien anderer Wissenschaften auf das Gebiet der Theologie verstehen. Christliche Theologie hat als besonderen Ausgangspunkt das Wort Gottes, wie es von der Tradition und der Heiligen Schrift überliefert worden ist, und sie besitzt als ständigen Bezugspunkt das kirchliche Lehramt, das der authentische Hüter und Interpret der vollen Lehre Christi ist. Das Wohl der Kirche in Ostafrika verlangt, daß diese katholische Hochschule nicht nur ein Studienzentrum ist, sondern auch ein Focus des Gebets und des liturgischen Lebens, in dem die Professoren und Studenten zur vollen Reife als Männer und Frauen des Glaubens und des evangelischen Zeugnisses heranwachsen. Möge diese Universität nicht nur ein Teil des „Verstandes“ der Kirche in Ostafrika werden, sondern auch und hauptsächlich ein wichtiger Teil „ihres Herzens“: „Jeder, der liebt, stammt von Gott und erkennt Gott“ (7 Joh 4,7). 2. Die apostolische Konstitution Sapientia christiana und der Codex Iuris Canonici beziehen sich ausdrücklich auf die Verpflichtung der Bischöfe und der Bischofskonferenzen, die Treue der kirchlichen Fakultäten gegenüber der Lehre der Kirche zu fördern (vgl. Sapientia christiana, Vorwort, IV und CIC c. 810 § 2). Der Grund jener Wachsamkeit der Bischöfe ist kein anderer als die wichtige Pflicht, die die ganze kirchliche Gemeinschaft hat, in der Sendung beharrlich zu bleiben, die der Kirche vom Herrn selbst anvertraut worden ist: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ {Mt 28,19-20). Diese übergeordnete Rolle der Bischöfe gilt besonders in dem bedeutenden und schwierigen Feld dessen, was als „Inkulturation“ bekanntgeworden ist. 939 REISEN 3. In der ganzen Geschichte der Kirche haben sich Lehrer und Missionare engagiert im apostolischen Dialog zwischen der christlichen Heilsbotschaft und den Kulturen, in denen die verschiedenen Völker ihre charakteristische geistliche und menschliche Erfahrung ausgedrückt haben. In meiner letzten Enzyklika in Erinnerung an das Werk der Evangelisierung der Heiligen Kyrill und Method bei den Slawen vor 1100 Jahren habe ich es für angebracht gehalten, die Aufmerksamkeit auf ihr bemerkenswertes und einzigartiges Beispiel in dieser Beziehung zu lenken. Ein aktiver Dialog zwischen Glaube und Kultur ist auf allen Ebenen der Verkündigung der christlichen Botschaft notwendig: in der Evangelisierung, in der Katechese und in der theologischen Reflexion. Eine aus dem Glauben stammende notwendige Voraussetzung und ein oberstes Kriterium in diesem Dialog, also auch auf dem Gebiet der theologischen Forschung, muß die Kraft des Evangeliums sein, in jeder Kultur und unter allen Umständen menschliches Leben umzuformen, zu erheben und zu erneuern. Der Erfolg der Ortskirchen, die Frohbotschaft Jesu Christi in der reichen Erde der afrikanischen Kulturen Wurzeln schlagen zu lassen, wird abhängig von dem Maß, in dem eure Arbeit der Evangelisierung und Katechese solide gegründet ist in dem theologischen Erbe der universalen Kirche. Er wird auch abhängen von dem Maß, in dem eure Seelsorgsarbeit von einer ernsthaften Reflexion über die Werte, die in jeder Gemeinschaft vorhanden sind und die in das Leben der Kirche nutzbringend eingegliedert werden können, begleitet ist. Die Hochschule hat die Aufgabe, den Ortskirchen beizustehen in ihrem herausfordernden Dialog zwischen Glaube und Kultur, zwischen Kirche und menschlicher Gesellschaft, zwischen dem Reich Gottes und den zeitlichen Realitäten, unter denen die Menschheitsfamilie auf ihre ewige Bestimmung zu voranschreitet. Diese Universität hat eine bedeutsame Aufgabe zu erfüllen, indem sie in Ostafrika die Dynamik des Zweiten Vatikanischen Konzils zur Geltung bringt. Laßt uns nie jene Worte vergessen, die Papst Johannes XXIII. bei der Eröffnung jener kollegialen Versammlung gesprochen hat: „Das größte Anliegen dieses ökumenischen Konzils ist dieses: daß der heilige Schatz der christlichen Lehre wirksamer bewahrt und gelehrt werde“ (11. Oktober 1962). Möge diese Universität immer dieser äußerst wichtigen Verpflichtung nachkommen, zu der sie ins Leben gerufen worden ist! 4. Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in Christus! Bei dieser Gelegenheit der Einweihung der Katholischen Universität 940 REISEN von Ostafrika möchte ich meinen herzlichen Dank all jenen aussprechen, die mit ihrer tatkräftigen geistigen, geistlichen und materiellen Mithilfe zur Realisierung dieses bedeutenden Projekts beigetragen haben. Es sind zu viele, als daß ich sie hier alle namentlich erwähnen kann: Ich empfehle alle Wohltäter dieses Zentrums der liebenden Sorge Mariens, der Mutter des Herrn. Ich flehe um göttliches Licht und Weisheit für die, die hier lehren und studieren werden. Insbesondere lege ich ihnen das Beispiel Mariens in der Nachfolge ihres Sohnes ans Herz. Demütig und beständig verfolgte sie die Entfaltung des Heilsplanes ihres Sohnes: „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lk2,19). Ich bete darum, daß, wie Maria, auch sie alle großzügig und froh die Herausforderung annehmen werden, ihrer spezifischen Aufgabe gerecht zu werden und auf das Kommen des Reiches Christi hinzuarbeiten. Zu Ehren der Heiligsten Dreifaltigkeit und zur Stärkung der Kirche im Glauben und im Dienst an allen Völkern und Nationen, die ihr repräsentiert - Äthiopien, Kenia, Malawi, Sudan, Tansania, Uganda, Sambia und die Seychellen -, freue ich mich, jetzt formell diese Katholische Hochschule von Ostafrika eröffnen zu können. An zukünftige Generationen denken Ansprache beim Besuch des UNO-Umweltprogramms (UNEP) in Nairobi (Kenia) am 18. August <178> <178> Für mich ist es immer eine Ehre, eine der Einrichtungen der UNO zu besuchen. Die Bedeutung dieser angesehenen Organisation wächst Jahr für Jahr. Nie waren in der Geschichte Dialog und Zusammenarbeit auf internationalem Niveau wichtiger. Nie waren gemeinsame Anstrengungen der Völker dringender, um die ganzheitliche menschliche Entwicklung voranzutreiben und Gerechtigkeit und Frieden zu fördern — dies sind ja genau die Ziele, die die Vereinten Nationen verfolgen. Ich bin deshalb sehr dankbar für die von Dr. Mostafa K. Tolba, dem Direktor des UNO-Umweltprogramms, ausgesprochene Einladung, dieses Zentrum heute zu besuchen. Mit ihm grüße ich den Mitarbeiterstab und alle, die mit der Arbeit dieser UNO-Einrichtung in Verbindung stehen. Gleichzeitig grüße ich alle Mitarbeiter von „Habitat“, dem Zen- 941 REISEN trum der Vereinten Nationen für menschliche Ansiedlungen, das auch hier in Nairobi beheimatet ist, und insbesondere den geschäftsführenden Direktor Dr. Arcot Ramachandron. Die Ambivalenz des Fortschritts 2. Seit vielen Jahren hat die katholische Kirche ein aktives Interesse an Umweltfragen gezeigt. Eine Delegation des Hl. Stuhls nahm an der Umweltkonferenz in Stockholm im Jahre 1972 teil, jenem Treffen, an dem beschlossen wurde, das UNO-Entwicklungsprogramm zu errichten. Mein Vorgänger, Papst Paul VI., sandte eine Botschaft an die Stockholmer Konferenz, in der er sagte: „Wir möchten Ihnen und allen Teilnehmern bekunden, mit welchem Interesse wir dieses großartige Unternehmen verfolgen. Die Sorge um die Bewahrung und Verbesserung unserer natürlichen Umwelt sowie das edle Bemühen, eine erste Geste weltweiter Zusammenarbeit zum Schutz dieses uns allen notwendigen Gutes anzuregen, entspricht einem Gebot, das von den Menschen unserer Zeit tief empfunden wird“ (Paul VI., Botschaft an die Umwelt-Konferenz in Stockholm vom 1. Juni 1972). Der Einsatz der Kirche für die Bewahrung und Verbesserung unserer Umwelt folgt aus dem Gebot Gottes. Auf den ersten Seiten der Bibel lesen wir, wie Gott alle Dinge geschaffen hat und sie dann der Sorge der Menschen anvertraut hat, jenen Menschen, die von ihm selbst als sein Abbild geschaffen worden sind. Gott sagt zu Adam und Eva: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen“ {Gen 1,28). Notwendiger Bestandteil unserer menschlichen Würde und daher auch eine erste Verantwortung ist, die Herrschaft über die Schöpfung in solcher Weise auszuüben, daß sie wirklich der Menscheitsfamilie dient. Die Nutzung der Naturschätze muß nach Kriterien geschehen, die nicht nur die unmittelbaren Bedürfnisse der Menschen in Betracht ziehen, sondern auch die Bedürfnisse der zukünftigen Generationen. Auf diese Weise wird die Herrschaft über die Natur, wie sie uns von Gott anvertraut worden ist, nicht durch Kurzsichtigkeit oder egoistisches Streben geleitet werden; vielmehr wird jene Herrschaft über die Natur die Tatsache berücksichtigen, daß alle geschaffenen Güter auf das Gemeinwohl der ganzen Menschheit ausgerichtet sind. Der Gebrauch der natürlichen Ressourcen muß darauf abzielen, der ganzheitlichen Entwicklung der jetzigen und der zukünftigen Generation 942 REISEN zu dienen. Fortschritt auf dem Feld der Ökologie--und ein wachsendes Bewußtsein der Notwendigkeit, bestimmte nicht erneuerbare natürliche Ressourcen zu schützen und zu bewahren, stehen im Einklang mit dem Bedürfnissen einer echten Herrschaft über die Dinge. Gott wird dann verherrlicht, wenn die Schöpfung der ganzheitlichen Entwicklung der ganzen Menschheitsfamilie dient. 3. Der rapide technische und naturwissenschaftliche Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte hat dazu geführt, daß die Umwelt viel größeren Veränderungen als vorher unterworfen worden ist. Daraus folgt, daß wir jetzt sehr viel mehr neue Möglichkeiten der Entwicklung und des menschlichen Fortschritts besitzen; wir sind nun in der Lage, unsere Umgebung in größerem, in oft dramatischem Ausmaß auf mehr Lebensqualität hin zu verbessern. Andererseits kann diese neue Fähigkeit gewaltige und sogar irreparable Schäden auf ökologischem und sozialem Gebiet verursachen, wenn sie nicht mit Weisheit und Voraussicht gebraucht wird. Die Fähigkeit, sie zu zerstören, wachsen jedes Jahr enorm. Der letztlich bestimmende Faktor ist der Mensch. Es sind nicht die Naturwissenschaft oder die Technik, auch nicht der ständig wachsende wirtschaftliche und materielle Fortschritt, sondern es sind der Mensch und einzelne Gruppen von Menschen, Gemeinschaften und Nationen, die sich freiwillig dazu entschließen, die Probleme gemeinsam anzupacken, die unter Gottes Führung die Zukunft bestimmen werden. Deswegen ist all das, was die menschliche Freiheit behindert oder sie entehrt, wie dies der Fall ist bei dem Übel der Apartheid und bei allen Formen von Vorurteilen und Diskriminierungen, ein Angriff auf die Berufung des Menschen, sein Geschick selbst zu gestalten. Letzlich wird dies Rückwirkungen auf allen Gebieten haben, die menschliche Freiheit voraussetzen. Die Apartheid kann wie jede Diskriminierung ein erhebliches Hindernis auf dem Wege der Verbesserung der Umwelt in der ganzen Gesellschaft werden. Die Umwelt ist heute in vielfacher Weise bedroht: durch die Abholzung ganzer Wälder, durch Wasser- und Luftverschmutzung, Bodenerosion, Versteppung, sauren Regen und vieles mehr. Ökologische Probleme sind besonders akut in den tropischen Regionen der Welt und insbesondere in Afrika. Fast alle Nationen, die von diesen Problemen betroffen werden, sind Entwicklungsländer, die unter sehr großen Schwierigkeiten die einzelnen Etappen der Industrialisierung durchlaufen. Große Energieknappheit und Mangel an natürlichen Ressourcen verhindern den Fortschritt und haben schwierige Lebensbedingungen zur Folge. Die Probleme wer- 943 REISEN den oft durch die tropische Umwelt noch komplizierter, wo die Menschen besonders anfällig für schwere Epidemien sind. Da jedes Land seine eigenen Problembereiche hat und verschiedene Vorräte an natürlichen Ressourcen, ist es leicht, die unterschiedliche Problematik, der einerseits die Entwicklungsländer und andererseits die Industrieländer gegenübergestellt sind, zu sehen. Während die fortschreitende industrielle Entwicklung und die moderne Technik auf einen künftigen Fortschritt schließen lassen, müssen gleichzeitig Schritte unternommen werden, um zu gewährleisten, daß die so wichtige wirtschaftliche, materielle und gesellschaftliche Entwicklung auch die unmittelbaren und zukünftigen Auswirkungen auf die Umwelt berücksichtigt. Die Schöpfung im Dienst der Menschheitsfamilie 4. Die katholische Kirche betrachtet die Sorge und den Schutz der Umwelt vom Standpunkt der menschlichen Person aus. Es ist daher unsere Überzeugung, daß jedes ökologische Programm die Würde und Freiheit derjenigen voll und ganz respektieren muß, die von einem solchen Programm betroffen sind. Umweltprobleme sollten in bezug auf die Bedürfnisse der jetzt lebenden Männer und Frauen, ihrer Familien, ihres einzigartigen gesellschaftlichen und kulturellen Erbes gesehen werden. Das letzte Ziel eines jeden Umweltprogrammes ist ja die Steigerung der Qualität des menschlichen Lebens; es geht darum, die Schöpfung auf die bestmögliche Art und Weise in den Dienst der Menschheitsfamilie zu stellen. 5. Vielleicht sehen wir nirgendwo deutlicher die Verflechtung in der heutigen Welt als bei den Fragen, die mit der Umwelt in Zusammenhang stehen. Diese wachsende gegenseitige Abhängigkeit zwischen Einzelpersonen und zwischen Nationen wird besonders eindringlich gespürt, wenn es um Naturkatastrophen wie Dürreperioden, Taifune, Überflutungen und Erdbeben geht. Die Konsequenzen dieser Katastrophen reichen weit über die jeweils betroffenen Regionen hinaus. Und die Größe und Komplexität vieler ökologischer Probleme verlangt nicht nur eine gemeinsame Anstrengung auf lokaler oder nationaler Ebene, sondern auch eine erhebliche Hilfe und Koordination von seiten der internationalen Gemeinschaft. Es ist so, wie Papst Paul VI. in der vorgenannten Botschaft an die Stockholmer Konferenz ausführte: „Zur wechselseitigen Abhängigkeit muß nunmehr die Mitverantwortung kommen; der Gemeinsamkeit des Geschicks muß die Solidarität entsprechen“ (ebd.). Der weltweite Cha- 944 REISEN rakter ökologischer Probleme oder der weltweite Nutzen von deren Lösungen kann nicht genug geschätzt werden. Technologietransfer muß sozio kulturelles Umfeld respektieren Diese Probleme erfordern oft den Rat und die Hilfe von Wissenschaftlern und Technikern industrialisierter Länder. Diese aber können sie nicht ohne die Mitarbeit von einheimischen Wissenschaftlern und Technikern auf allen Ebenen lösen. Der Technologietransfer in die Entwicklungsländer kann keine bleibenden Resultate zeitigen, wenn er nicht einhergeht mit einem Training für die Techniker und Wissenschaftler dieser Länder. Die Schulung von einheimischem Personal macht es möglich, die Technik auf eine solche Art und Weise einzuführen und anzupassen, daß sie das kulturelle und gesellschaftliche Gefüge der Gemeinschaften am Ort voll respektiert. Diese einheimischen Experten besitzen die notwendige Verbindung zu ihrem eigenen Volk und sichern so eine ausgewogene Sensibilität für die lokalen Werte und Bedürfnisse. Sie sind es, die einschätzen können, ob die neu erworbenen Fähigkeiten von bleibendem Wert sind. Nur wenn ein auf solche Art ausgebildetes Personal tatsächlich auf Ortsebene existiert, kann man von einer wirklichen zwischenstaatlichen Zusammenarbeit sprechen. 6. Ich möchte nun einige Worte an diejenigen richten, die in der Arbeit des UNO-Zentrums für menschliche Ansiedlungen beschäftigt sind; gleichzeitig richte ich mich an alle, die bemüht sind, die Lebensbedingungen für die Armen zu verbessern und Wohnraum für die Obdachlosen zur Verfügung zu stellen. Diese Arbeit ist natürlich eng verbunden mit den ökologischen Problemen, von denen ich vorher gesprochen habe. Tatsächlich ist dies sogar eine Kernfrage. Es ist so, wie Papst Paul VI. in seiner Botschaft an die UNO-Konferenz für menschliche Ansiedlungen 1976 in Vancouver gesagt hat: „Der heimische Herd, d. h. der wärmende Mittelpunkt, um den sich eine Familie sammelt und an dem die Kinder in liebevoller Umgebung aufwachsen, muß daher in allen Programmen, die sich auf die Umwelt des Menschen beziehen, den Vorrang haben“ (Paul VI., Botschaft an die „Habitat“-Konferenz vom 24. Mai 1976). Aus diesem Grund gilt die vorrangige Sorge der Kirche für den Menschen im Gesamt der Umweltfragen, insbesondere der Wohnraumproblematik. 945 REISEN Die menschliche Dimension des Wohnungsbaus Diejenigen, die an Christus glauben, können nicht seine Worte vergessen: „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann“ (Aft8,20). So sehen wir in den Gesichtern der Obdachlosen das Antlitz unseres Herrn Jesus Christus. Durch die Liebe zu ihm und durch sein Beispiel der Selbsthingabe fühlen wir uns angespornt, alles zu tun, was wir können, um denjenigen zu helfen, die unter menschenunwürdigen Bedingungen leben. Dabei arbeiten wir mit allen Menschen guten Willens zusammen in den wichtigen Anstrengungen, die unternommen werden, um angemessene Wohnbedingungen für Millionen von Menschen in der heutigen Welt zu schaffen, die in absoluter Verelendung leben. Wir können auch nicht untätig oder gleichgültig bleiben, wenn wir sehen, wie die rasche Zunahme der Urbanisierung und Industrialisierung komplexe Probleme auf dem Gebiet des Wohnungsbaus und der .Umwelt schafft. Ich kann Ihnen versichern, daß die Kirche großes Interesse an diesen Fragen hat und unterstütze voll Ihre lobenswerten Bestrebungen, den Obdachlosen eine Wohnung zu verschaffen und die menschliche Dimension jedes Wohnungsbaus zu schützen. 7. Vor fünf Jahren, anläßlich meines ersten Pastoralbesuches in Afrika, ging ich nach Ouagadougou im Herzen der Sahelzone und setzte mich dort in einem feierlichen Appell für all diejenigen ein, die unter der schrecklichen Dürre zu leiden hatten. Die Reaktion auf diesen Appell war so großzügig, daß es möglich wurde, ein besonderes Programm ins Leben zu rufen, das den Leidtragenden auf eine ehrenhaftere Art und Weise helfen sollte. So wurde die Johannes-Paul-II.-Stiftung für die Sahelzone offiziell im Februar 1984 ins Leben gerufen. Diese Stiftung ist ein Zeichen für die Liebe der Kirche zu allen Männern, Frauen und Kindern, die von dieser andauernden Tragödie getroffen worden sind. Auch wenn das Projekt angesichts der großen Not klein und unzureichend erscheint, ist es doch eine konkrete Anstrengung, um den Menschen dort zu helfen und einen Beitrag zu leisten für die Zukunft des afrikanischen Kontinents, eine Zukunft, die letztlich in den Händen der afrikanischen Völker selbst liegt. Ich möchte diese Gelegenheit benutzen, meinen feierlichen Appell für die Völker der Sahelzone und der anderen gefährdeten Gegenden zu wiederholen, wo die Dürre noch anhält. Es bedarf eindeutig der weltweiten Hilfe und Solidarität, damit Lebensmittel, Wasser und Unterkünfte sicherge- 946 REISEN stellt und die Konflikte gelöst werden, die die Hilfsaktionen noch behindern. Daher wiederhole ich, was ich in Ouagadougou vor fünf Jahren gesagt habe: „Ich kann nicht schweigen, wenn meine Brüder und Schwestern in Gefahr sind. Ich mache mich hier zur Stimme jener, die keine Stimme haben, zur Stimme der Unschuldigen, die sterben mußten, weil es ihnen an Wasser und Brot mangelte; zur Stimme der Väter und Mütter, die ihre Kinder hilflos sterben sahen oder an ihren Kindern die bleibenden Folgen des erlittenen Hungers vor Augen haben; zur Stimme der kommenden Generation, die nicht ein Leben führen dürfen, über dem diese entsetzliche Gefahr schwebt! Ich richte einen Appell an alle! Warten wir nicht die Wiederkehr der entsetzlichen und vernichtenden Dürre ab! Warten wir nicht, bis der Sand aufs neue den Tod vor die Tür bringt! Lassen wir nicht zu, daß die Zukunft dieser Völker für immer bedroht bleibt“ (Appell vom 10. Mai 1980). Die in der Vergangenheit gezeigte Solidarität hat uns durch ihr Ausmaß und ihre Wirksamkeit gezeigt, daß es möglich ist, etwas in Bewegung zu setzen. Unsere Antwort sei jetzt noch hochherziger und wirksamer. Zwei Arten der Hilfe werden jetzt besonders benötigt: eine Hilfe, die den unmittelbaren Bedarf an Nahrung und Unterkunft sicherstellt, und eine Hilfe, die es ermöglicht, daß die jetzt notleidenden Menschen die Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen, ihr Land wieder bestellen und ein gesichertes, gesundes Leben führen können. Solche langfristigen Programme machen es den Menschen möglich, wieder Hoffnung für die Zukunft zu schöpfen und sich der eigenen Würde und des Selbstwertes bewußt zu werden. <179> <179> Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich heute zu Ihnen spreche, werde ich an die so bekannten Worte Pauls VI. erinnert: „Entwicklung ist der neue Name für Frieden“ (Populorum progressio, Nr. 87). Ja, in der Tat, die ganzheitliche Entwicklung ist die Voraussetzung für den Frieden, und Entwicklungsprogramme zur Verbesserung der Ernährungs- und Wohnungssituation sind konkrete Wege der Friedenssicherung. Alle diejenigen, die dazu beitragen, die Grundbedürfnisse ihrer Nächsten sicherzustellen, bauen an diesem großartigen Gebäude des Friedens mit. Der Friede wird langsam durch guten Willen aufgebaut, durch Vertrauen und durch beständige Anstrengung. Er wird ebenso gebaut von internationalen Organisationen wie von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, wenn sie gemeinsame Anstrengungen unternehmen, um Wohn- 947 REISEN raum und Nahrungsmittel für die Bedürftigen bereitzustellen, und wenn sie zusammen an einer Verbesserung der Umwelt arbeiten. Der Friede wird gebaut von Staatsoberhäuptern und Politikern, wenn sie sich über trennende Ideologien hinwegsetzen und Zusammenarbeiten in gemeinsamen Anstrengungen, die frei sind von Vorurteilen, Diskriminierungen, Haß und Rache. Der Friede ist die Frucht der Versöhnung, und der Friede Afrikas hängt auch von der Versöhnung der Menschen in jedem einzelnen Land ab. Er bedarf der Solidarität aller Afrikaner als Brüder und Schwestern zugunsten der gesamten afrikanischen Familie und zugunsten der vollen Entwicklung der ganzen Menschheit. Aufmerksamkeit für Flüchtlinge und Vertriebene Der Friede wird gebaut, wenn nationale Budgets endlich davon abkom-men, immer mächtigere und tödlichere Waffen zu finanzieren und statt dessen Nahrungsmittel und Rohstoffe zur Verfügung stellen, die die menschlichen Grundbedürfnisse sichern. Und der Friede wird mit jedem ablaufenden Jahr sicherer, mit dem der Einsatz von Nuklearwaffen eine schwindende Erinnerung im Bewußtsein der Menschheit wird. Heute danken wir Gott wieder dafür, daß 40 Jahre vergangen sind ohne den Gebrauch dieser Waffen, die menschliches Leben ebenso wie seine Umwelt und seine Wohnungen in Hiroshima und Nagasaki zerstört haben - 40 Jahre der Hoffnung und der Entschlossenheit, 40 Jahre in einer neuen Ära der Menschheit. Der Friede wird gebaut von Männern und Frauen in den Massenmedien, wenn sie die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für diejenigen wachrufen, die leiden, die Flüchtlinge und Vertriebenen, wenn sie in anderen die Entschlossenheit und die Hochherzigkeit wecken, auf den Ruf jener zu antworten, die in Not sind. Ja, „Entwicklung“ und „ein neues Herz“ sind neue Namen für Frieden. Und diejenigen, die Frieden schaffen und die Bedingungen für den Frieden fördern, sollen auf ewig Kinder Gottes genannt werden. 948 REISEN Unwiderruflich der Ökumene verpflichtet Ansprache beim ökumenischen Treffen in Nairobi (Kenia) am 18. August Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Vor fünf Jahren hatte ich die Freude, vielen von euch bei einer ähnlichen Gelegenheit zu begegnen, im Laufe meines ersten Pastoralbe-suches in eurem Land. Ich sprach damals von unserer einen Taufe und von dem gemeinsamen Zeugnis, das möglich ist aufgrund unseres Taufbekenntnisses, unabhängig von allem, was uns trennt. Heute komme ich wieder zu euch, und ich danke euch für eure Bereitwilligkeit, an diesem Treffen teilzunehmen. Ihr wißt, daß der Anlaß dieser meiner Reise die Feier des 43. Internationalen Eucharistischen Kongresses der katholischen Kirche ist, ein Ereignis, das viele Katholiken zusammengeführt hat, nicht nur aus eurem, sondern auch aus anderen, näheren und ferneren Ländern. Bei der Planung dieses Kongresses wurde - wie auch bei anderen Kongressen der letzten Zeit - besonders darauf geachtet, die Teilnahme von Christen anderer Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zu ermöglichen. Wie könnte das heute anders sein? Die katholische Kirche ist unwiderruflich der ökumenischen Aufgabe verpflichtet. Folglich muß ein Kongreß wie dieser auch die ökumenische Dimension gebührend zum Ausdruck bringen, wenn er die katholische Kirche getreu darstellen soll. So danke ich euch und durch euch den Gemeinschaften, die ihr leitet oder vertretet, nicht nur für eure heutige Begegnung mit mir, sondern auch für eure Antwort auf die Einladung, an diesem Kongreß teilzunehmen. 2. „Die Eucharistie und die christliche Familie“ ist, wie ihr wißt, das Thema des Kongresses. Es weist hin auf etwas, was heute in besonderer Weise Gegenstand des Zeugnisses sein wollte, das wir gemeinsam zu geben suchen. Denn, wie ich vor drei Monaten zu christlichen Führern in den Niederlanden sagte: „Haben wir nicht die gemeinsame Sorge um das Ideal einer christlich geführten Ehe und einer christlichen Familie für die Weitergabe des Glaubens an die nächsten Generationen, für das Reifen in Heiligkeit aller verheirateten Christen? Wir verlangen alle nach der Feier einer einzigen Eucharistie; alle wollen wir dem Auftrag Christi entsprechen: ,Tut dies zu meinem Gedächtnis! Wir betrachten dieses Sakrament als die größte Gabe, die Christus seiner Kirche geschenkt hat“ {Ansprache in Utrecht, 13. 5. 1985, O.R.dt., 24. 5. 1985). 949 REISEN Sicher, das uns Trennende gibt uns hier Probleme auf, aber diese Probleme dürfen uns nie blind machen für jene grundlegenden Punkte der Übereinstimmung, die es uns bereits ermöglichen, gemeinsam zu sprechen und zu handeln. In diesem großen Kontinent, der in der ganzen Welt bekannt ist für den besonderen Wert, den seine Bevölkerung der Familie und den Familienbanden zuschreibt, für seine Achtung der Großfamilie wie auch des kleineren Kreises, in diesem Kontinent gibt es sicher große Möglichkeiten der Zusammenarbeit für die Christen, um die wahren Werte des Familienlebens zu fördern. Es ist sicher ein großes Bedürfnis nach diesen Werten vorhanden in einer Zeit, in der sie fast überall unter zunehmenden Druck geraten. 3. Es war bei einem Mahl mit denen, die wir die „Familie“ seiner Apostel nennen können, als Jesus seiner Kirche die Eucharistie schenkte. Von der Kirche wurde gesagt: „Ihr seid . . . Hausgenossen Gottes. Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlußstein ist Christus Jesus selbst“ (Eph 2,19-20). Über die Jahrhunderte hinweg ist diese Familie der Kirche gewachsen, doch dieses sakramentale Mahl bleibt die wirkliche Mitte ihres Lebens. Leider hat die Familie der Christen im Lauf der Jahrhunderte Trennung und Teilung erlebt. Das Band der Taufe und der Freundschaft bleibt, aber wir sind nicht mehr in einem Glauben an einem Altar, an einem euchari-stischen Tisch vereint. In jeder Familie ist es ein Grund zu großer Traurigkeit, wenn eines der Mitglieder, aus welchem Grund auch immer, nicht zum Familientisch kommen kann. Ja, manchmal kommen uns die leeren Plätze mehr zum Bewußtsein als die besetzten. So vergessen wir auch bei unseren Eucharistiefeiern nie unsere Brüder, die nicht bei uns sein können. Auf diese Weise wird jede Eucharistie zu einem großen Gebet für die Einheit aller Christen, für die Christus, unser Herr und Bruder, sich im Tod am Kreuz hingegeben hat. 4. Doch wir alle gehören zu einer noch größeren Familie. Wir müssen über die Grenzen unserer christlichen Familie, so groß sie auch ist, hinausschauen auf die unendliche Familie der ganzen Menschheit. Millionen brauchen wenigstens ein Minimum an täglichem Brot; und alle brauchen das Brot des Lebens. Christus ruft uns auf, durch unsere Einheit in ihm, für die materiellen und geistigen Bedürfnisse der anderen zu sorgen. „Daher beuge ich meine Knie vor dem Vater, nach dessen Namen jedes Geschlecht“ - jede Familie - „im Himmel und auf der Erde benannt wird, und bitte, er möge euch auf Grund des Reichtums seiner Herrlich- 950 REISEN keit schenken, daß ihr in eurem Inneren durch seinen Geist an Kraft und Stärke zunehmt. Durch den Glauben wohne Christus in eurem Herzen“ (Eph 3,14-17). Möge Christus uns alle zu dieser von ihm gewollten vollständigen Einheit im Glauben und in der Liebe führen. Und möge unsere heutige Begegnung und unser Gebet uns jenem Tag näher bringen, an dem wir wirklich eine Familie in ihm sind, eins in jenem „Brot Gottes,. . . das vom Himmel herabkommt und der Welt Leben schenkt“ (Joh 6,33). Amen. In Brüderlichkeit vereint Ansprache beim Treffen mit Hindus und Muslimen in Nairobi (Kenia) am 18. August 1. Es ist eine große Freude für mich, wieder in Nairobi zu sein. Ich bin dankbar für diese Gelegenheit, bei der ich Führern und Vertretern der islamischen und hinduistischen Gemeinschaften in Kenia begegnen kann. Sie werden sich vielleicht daran erinnern, daß ich anläßlich meines Besuches im Mai 1980 bereits die Freude hatte, einigen von Ihnen schon begegnet zu sein. Erneut kommen wir in Freundschaft und Frieden zusammen. Die herzliche Gastfreundschaft, die Sie mir bei meinem ersten Besuch erwiesen haben und auch bei diesem jetzigen erweisen, sind ein Zeichen Ihrer Offenheit und Ihres Einsatzes für die Brüderlichkeit unter den Menschen. Ich habe den lebhaften Wunsch, diesen Empfindungen auch meinerseits Ausdruck zu geben. 2. Bei meinem ersten Besuch in Kenia bekräftigte ich in meiner Botschaft an die hinduistische Gemeinschaft: „Der Sinn des Lebens, das Wesen Gottes, der Weg zum Glück, der Sinn des Todes und das Ende unserer Erdenreise - all diese Wahrheiten bilden den Gegenstand unseres gemeinsamen Dienstes für den Menschen in seinen vielfältigen Nöten...“ (7. Mai 1980). Ich möchte diese Worte heute wieder bestätigen; sie gelten genauso für die Beziehung der katholischen Kirche zu den Muslimen. Vielfältig sind die Bedürfnisse der Menschheit. An erster Stelle stehen die geistigen Bedürfnisse, wie unser beständiges Suchen nach dem Sinn des Lebens und unser Wunsch, so zu leben, daß es unserer menschlichen Würde als Kinder Gottes entspricht. Gleichzeitig können wir nicht von 951 REISEN den materiellen Bedürfnissen des Menschen absehen, Bedürfnisse, die heute in vielen afrikanischen Ländern, die von Hunger und Durst heimgesucht werden, den grundlegenden Kampf ums Überleben bedeuten. Ich denke besonders an die traurige Lage der Flüchtlinge, seien es Menschen, die über internationale Grenzen geflüchtet sind, um repressiven Situationen oder Kriegsgebieten zu entkommen oder solche, die durch vernichtete Ernten oder Naturkatastrophen zur Auswanderung aus ihren heimatlichen Gebieten gezwungen sind. Die heutige Flüchtlingssituation in der Welt muß die Sorge aller religiös Gläubigen werden, die die Menschenwürde respektieren. Das ist eine dringende Notwendigkeit, die brüderliche Solidarität und Zusammenarbeit zugunsten der Leidenden fordert. Außer diesen geistigen und materiellen Bedürfnissen gibt es soziale Bedürfnisse: die Notwendigkeit einer gerechten, redlichen und leistungsfähigen Regierung; die Notwendigkeit, die Menschenrechte zu respektieren und zu verteidigen, ohne Diskriminierung aufgrund von Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, Religion, Alter, sozialer Stellung oder Geschlecht; das Recht auf Familienleben und Entfaltung der Familie in Frieden, ohne die Sorge, ihr physisches oder moralisches Wohlergehen gefährdet zu sehen. Angesichts all dieser menschlichen Bedürfnisse — geistig, materiell und sozial - können die Religionen der Welt nicht passiv bleiben. Die Not unserer Brüder und Schwestern ist ein dringender Aufruf zu einer großzügigen Antwort in Liebe, ein Aufruf zu gegenseitiger und wirksamer Zusammenarbeit. 3. Die engen Bande, die unsere Religionen verbinden - unsere Gottesverehrung und die geistigen Werte, die wir hochschätzen -, sind für uns ein Grund, brüderliche Verbündete zu werden im Dienst für die Menschheitsfamilie. Wie ich vor fünf Jahren zur islamischen Gemeinschaft von Kenia sagte: „Unsere Beziehung gegenseitigen Respekts und der gemeinsame Wunsch zu einem wahren Dienst für die Menschheit fordern uns auf zu gemeinsamem Einsatz für die Verbreitung des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit, moralischer Werte und aller wahren Freiheiten des Menschen“ (7. Mai 1980). Die Übel der Verdächtigungen, des unlauteren Wettbewerbs und der Mißverständnisse entstehen allzuleicht in unserer modernen Welt; an allzu vielen Orten erleben wir Gewalt, Konflikte und Krieg. Aber es ist niemals Gottes Wille, daß es Haß gibt in der Menschheitsfamilie, daß wir in Mißtrauen und Feindschaft leben. Wir sind alle Kinder desselben Gottes, Mitglieder der großen Familie der Menschheit. Unsere 952 REISEN Religionen haben eine besondere Rolle zu erfüllen, wenn es gilt, diesen Übeln Einhalt zu gebieten und Vertrauens- und Freundschaftsbande zu schmieden. Es ist Gottes Wille, daß all diejenigen, die ihn verehren, auch wenn sie nicht die gleiche Verehrungsform haben, dennoch vereint seien in Brüderlichkeit und im gemeinsamen Dienst zum Wohl aller. 4. Unser heutiges Zusammensein - Hindus, Muslime und Christen in Freundschaft versammelt - ist ein hoffnungsvolles Zeichen in einer pluralistischen Welt voller Spannungen. Keine religiöse Gruppe kann es sich leisten, isoliert zu handeln und zu leben. Im gegenseitigen Respekt vor eines jeden Überzeugung brauchen wir die gegenseitige Hilfe. In der Heiligen Schrift ermutigt uns der hl. Paulus, Wege der Brüderlichkeit und Einigkeit zu suchen: „.. .Seid eines Sinnes und lebt in Frieden“, sagt er, „dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein“... (2 Kor 13,11). Die heute an uns gerichtete Herausforderung ist, der Welt zu helfen, in Frieden und Eintracht zu leben, in Hochachtung vor der Menschenwürde aller. In diesem Bemühen wird der Gott der Liebe und des Friedens mit uns sein. Möge Gottes Segen Sie alle begleiten! Was kennzeichnet euch als Christen? Predigt bei der Messe im Institut „Charles de Foucauld“ in Casablanca (Marokko) am 19. August Gelobt sei Jesus Christus! Herzlich begrüße ich meine Landsleute, die an dieser Eucharistiefeier teilnehmen und mich mit dem Lied „Unter deinem Schutz, himmlischer Vater“ empfangen haben. Ich will euch alle, liebe Brüder und Schwestern, hier in Marokko dem „Schutz des himmlischen Vaters“ empfehlen. „Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,34-35). 953 REISEN Der respektvolle Dialog ist nicht immer leicht Liebe Brüder und Schwestern! 1. Diese Worte Jesu finden wir im Mittelpunkt der Botschaft des Evangeliums. Sie sagen aus, in welchem Geist die Christen sich versammeln. Sie sind ein ständiger Appell zur Annahme jener Liebe, mit der Gott uns in seinem Sohn Jesus liebt, zu ihrer Mitteilung in unserer Gemeinschaft und zu ihrer Verwirklichung inmitten der Brüder und Schwestern, die uns umgeben. Es ist mir eine Freude, euch zu begegnen, um die Eucharistie zu feiern und das Wort Gottes zu betrachten. Ich danke dem Herrn für die Gelegenheit, inmitten der katholischen Kirche in Marokko sein zu können, die aus Familien besteht, die hier seit mehreren Generationen leben sowie aus Personen, die hierhergekommen sind, um zu arbeiten, an Entwicklungsprojekten teilzunehmen und zu unterrichten. In euch begrüße ich die Gemeinde, die seit Jahrhunderten in diesem aufnahmebereiten und toleranten Land zu Gast ist. Mein brüderlicher Gruß gilt den Erzbischöfen Hubert Michon von Rabat und Antonio-Jose Peteiro Freire von Tanger. Ich wende mich mit den herzlichsten Wünschen an die Priester, Ordensleute und Laien, an alle, die heute hier anwesend sind sowie an jene, die in anderen Gegenden leben oder sich im Augenblick nicht in Marokko aufhalten. 2. Ihr bildet eine kleine Gemeinschaft von Jüngern Jesu in einem Land, in dem die überwiegende Mehrheit eurer Gastgeber und Nachbarn sich zum Islam bekennt. Wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt und wie ich, dem Beispiel meines Vorgängers Paul VI. folgend, oft wiederholt habe, finden sich im Leben der Muslime zahlreiche gute und heilige Aspekte. Ihr seid die respektvollen Zeugen des Beispiels, das sie mit ihrem Gebet der Anbetung Gottes geben. Ihr seht, wie sehr sie sich bemühen, die von ihm empfangenen Richtlinien durch den Gehorsam seinem Gesetz gegenüber in die Praxis zu übertragen. Ihr beobachtet die Einfachheit des Lebens und die Hochherzigkeit gegenüber den Armen, die die treuen Muslime pflegen. Vom Geist der Liebe beseelt, der das Herzstück des Evangeliums ist, können die Christen in Wahrheit das erkennen, was ihnen die tägliche Begegnung mit ihren islamischen Brüdern und Schwestern schenkt. Ihr verfügt über eine Kenntnis der Kultur und der religiösen Inspiration dieses Landes, wie man sie durch die brüderlichen Beziehungen und im 954 REISEN allgemeinen im gesellschaftlichen Leben erwirbt, das sich gemeinsam mit einem Volk anderer Religion abspielt. Diese Kenntnis gestattet euch, auch in den westlichen Ländern, in denen islamische Arbeiter und Studenten leben, für sie größeres Verständnis wachzurufen. Was hier auf natürliche Weise vertieft wird, setzt sich anderswo auf bemerkenswerte Weise fort, indem zwischen den verschiedenen Traditionen Brücken geschlagen werden. Es ist dies ein Dienst, den die Berufung der Christen in Marokko mit sich bringt, also in einer Welt, wo der beiderseitig respektvolle Dialog nicht immer leicht ist. 3. An euch, die in diesem Land präsente kirchliche Gemeinde, richte ich die Bitte, über das nachzudenken, was an unserem christlichen Glauben einzigartig ist. Was muß unser persönliches sowie unser kirchliches Leben kennzeichnen? „Es war vor dem Paschafest. Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Diese Worte des Evangelisten Johannes geben uns die wesentliche Richtung unserer christlichen Existenz. Wenn wir Christus nachfol-gen, sind wir berufen, „aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen“ und unsere Brüder und Schwestern mit unserem ganzen Sein und in jedem Augenblick zu lieben. Seid hier der lebendige Leib Christi! Lebt mit ihm und durch ihn in der eucharistischen Versammlung, die im Mittelpunkt des kirchlichen Lebens steht, das große Opfer der Menschheit an den Vater. Laßt euch von der Gegenwart Jesu durchdringen und von seinem Wort erleuchten, denn durch ihn tritt der Mensch in die Fülle seiner Kindschaft ein. In ihm sind seine Brüder und Schwestern vereint, die er bis zur Vollendung geliebt hat. Durch ihn erfüllt uns Gott mit seiner Gnade, wenn wir die Sakramente des Heils feiern, in denen der Mensch geheiligt und versöhnt wird. Das Wort Liebe nicht seines Sinnes berauben Vertieft gemeinsam die Kenntnis der Botschaft des Evangeliums, um in voller Klarheit die Gaben des Glaubens in euch aufzunehmen und der Hoffnung einsichtig zu werden, die in euch ist (vgl. Petr 3,15). Ich weiß, daß ihr zahlreiche Gruppen bildet, in denen ihr betet, die Heilige Schrift studiert, im Licht des Glaubens über den Sinn eures Lebens nachdenkt, 955 REISEN zur christlichen Bildung der Jugendlichen beitragt und euch um eure hilfsbedürftigen Brüder und Schwestern kümmert. Aus ganzem Herzen ermutige ich euch zu diesen zahlreichen Aktivitäten, die ihr, um eure Priester, Ordensleute, Laienkatecheten und Animatoren geschart, vollbringt. Durch diese Gemeinsamkeit im Gebet, in der Meditation und in der Erfüllung kirchlicher Aufgaben bildet ihr wirklich die Familie der Jünger Christi und helft einander, Zeugen jenes Meisters zu sein, der inmitten der Menschen die wahre Liebe gelebt und sich zum Diener seiner Brüder und Schwestern gemacht hat. 4. Was kennzeichnet auf besondere Weise das tägliche Zeugnis, das wir für Jesus Christus ablegen? Der hl. Paulus sagt es uns: „Ich zeige euch jetzt noch einen anderen Weg, einen, der alles übersteigt“ (vgl. 1 Kor 12,31). Und er beschreibt die Liebe, wie wir es in der ersten Lesung gehört haben. Für euch, Christen in Marokko, könnten wir diese Paulusworte folgendermaßen umschreiben: Wenn wir gut vorbereitet sind, wenn wir mit Kompetenz gute Entwicklungsprogramme verwirklichen, wenn wir auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge gute Projekte machen, wenn wir um das Heilsgeheimnis wissen und eine richtige theologische Analyse des göttlichen Planes anstellen, wenn unser Glaube stark genug ist, um Hindernisse zu überwinden, selbst wenn wir unser Leben für das einsetzen, woran wir glauben, jedoch keine Liebe haben, dann ist unsere Präsenz hier sinnlos und unser Zeugnis leer. „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt.“ Dies ist das erste Zeugnis, das unser christliches Leben kennzeichnen muß. Das Wort Liebe darf nicht durch den häufigen Gebrauch seines Sinnes beraubt werden. Diese größte Gabe Gottes muß sich in unserem täglichen Leben entfalten können. Der hl. Paulus zählt die Eigenschaften der Liebe auf: Sie ist langmütig und gütig mit allen, selbst wenn die Beziehungen nicht leicht sind. Fern von jeder Prahlerei mit seinem Handeln oder mit der Schönheit seines Erbes, vermeidet der dem Geschenk der Liebe treue Christ jede Arroganz und jeden Egoismus. Er lehnt die Intoleranz gegenüber Sitten oder Gebräuchen, die sich von den seinen unterscheiden, ab. Er freut sich nicht über die Schwächen oder Fehler seiner Brüder und Schwestern; er ist verständnisvoll; er erweist Vertrauen. Die Bestimmung jedes Menschen und den ihm eigenen Weg respektierend, „erträgt (die Liebe) alles, hofft alles.“ Sie versteht es, die Zeichen der Hoffnung zu entdecken und verzichtet nicht darauf, sich dienstbereit zu erweisen. 956 REISEN 5. Alle Gaben und alle Talente, die wir empfangen haben, sind begrenzt. Die Zeit wird kommen, in der sich ihre Zerbrechlichkeit erweist. Die geleistete Arbeit wird fortgesetzt werden oder auch nicht. Was jedoch immer bleibt, ist das Zeugnis der Liebe, das ihr im Namen Christi geben konntet. Der Geist Gottes selbst wurzelt in den Herzen der Menschen, mit denen ihr lebt, die Liebe, die euer konkretes tägliches Handeln beseelt; die Liebe, die in euch wohnt, wenn ihr an den menschlichen Werken in diesem Leben mitwirkt. Unterschiede in Demut und Respekt anerkennen Jesus fragt uns heute: „Begreift ihr, was ich euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr, und ihr nennt mich mit Recht so, denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen“ (Joh 13,12-14). Jesus, der Meister, hat sich selbst zum Diener gemacht. Das ist auch unsere Berufung, wenn wir seine Jünger sein wollen. Wenn ihr als jene leben wollt, die in diesem Land seinen Namen tragen, müßt ihr genug Liebe in euch haben, um zu dienen. Arbeitet für das Wohl aller. Arbeitet mit Achtung für alle an einem Werk mit, das im wesentlichen ein gemeinschaftliches ist. Arbeitet, ohne eine Belohnung zu erwarten, denn „der Herr ist es, dem ihr dient“, und euer Vater im Himmel sieht alles, was ihr tut. Arbeitet voll Hoffnung, aber verlangt nicht, die Ergebnisse eurer Mühe zu sehen: „So ist weder der etwas, der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen läßt“ (1 Kor 3,7). Liebe Brüder und Schwestern! Ihr habt das Bild des hl. Maximilian Kolbe, des Patrons unserer Zeit, hierhergebracht. Dieser Heilige, der immer das Gnadenbild Unserer Lieben Frau von Tschenstochau (deren Bild ihr ebenfalls mitführt), betrachtet hat, verkörpert diese Wahrheit, von der uns die heutige Liturgie spricht. An der Echtheit unserer Liebe werden alle erkennen, daß wir Jünger Christi sind. Eben diese Liebe hat der hl. Maximilian bewiesen, als er in Auschwitz sein Leben für einen Bruder hingegeben hat. Diese Liebe hat Christus durch das Herz seiner Mutter im Herzen dieses Sohnes unseres Landes eingepflanzt. Möge er diese Liebe auch in allen Söhnen und Töchtern unseres Landes, unserer polnischen Erde, unserer Nation, wo immer sie seien, einpflanzen. Diese Botschaft des Evangeliums will ich euch heute hier, in Marokko, wo ihr als Söhne und Töchter unserer polnischen Nation und als Glieder dieser Christengemeinde lebt, übermitteln. 957 REISEN 6. Liebe Freunde, verlangt danach, euch von Christus ergreifen zu lassen; ihr, die ihr nach seinem Beispiel und dank seiner Gaben lieben und dienen wollt, findet mitreißende Vorbilder insbesondere im Erbe eurer Gemeinde. Ich denke an alle, die hier der franziskanischen Tradition gemäß gelebt haben. Ich denke auch an die armen und selbstlosen Kontemplativen und Freunde des marokkanischen Volkes, wie es Charles de Foucauld und Albert Periguere waren. Ich möchte euch danken, euch, der katholischen Kirche, die in Marokko ist, denn eure Präsenz in diesem Land bezeugt die Universalität der Kirche. Sie zeigt, wie verschieden die Situationen sein können, in denen sich die Kirche in den einzelnen Ländern der Welt befinden kann. Ich ermutige euch, weiterhin mit Freude eure christliche Berufung zu leben, indem ihr bezeugt, daß der Christ ein Mensch des Gebets und das Evangelium ein Aufruf zur Nächstenliebe und zur weltumspannenden Verbrüderung ist und daß es die ganzheitliche Entwicklung des Menschen begünstigt. Möge die Jungfrau Maria unsere Fürsprecherin sein; sie war ganz und gar Dienerin des Herrn; sie bewahrte in ihrem Herzen die Verkündigung der Wunder der Liebe, die sich durch Christus, den Erlöser, über alle Zeiten erstreckt. Amen. Dialog verlangt Gegenseitigkeit Ansprache bei der Begegnung mit der muslimischen Jugend im Sportstadion in Casablanca (Marokko) am 20. August Liebe Jugend Marokkos! Gott Dank und Ehre dafür, daß ich heute unter euch sein darf. Seine Majestät der König hat mir vor einigen Jahren die Ehre eines Besuches in Rom erwiesen und war so höflich, mich einzuladen, euer Land zu besuchen und mich mit euch zu treffen. Ich habe die Einladung eures Herrschers, in diesem Jahr der Jugend zu euch zu sprechen, mit Freude angenommen. Ich komme oft mit jungen Menschen zusammen, im allgemeinen mit Katholiken, mit jungen Muslimen zum ersten Mal. Christen und Muslime haben vieles gemeinsam als Gläubige und als 958 REISEN Menschen. Wir leben in der gleichen Welt, die durch viele Zeichen der Hoffnung, aber auch der Angst gekennzeichnet ist. Abraham ist für uns ein gemeinsames Vorbild des Glaubens an Gott, der Unterwerfung unter seinen Willen und des Vertrauens auf seine Güte. Wir glauben an denselben Gott, den einzigen, den lebendigen, den Gott, der die Welten schafft und seine Geschöpfe zur Vollendung führt. Dialog zwischen Christen und Muslimen nötiger denn je Mein Denken und mein Herz gehen und erheben sich also zu Gott: Von Gott vor allem möchte ich zu euch sprechen; von ihm, denn es kommt von ihm, daß wir glauben, ihr Muslime und wir Katholiken, und auch von den menschlichen Werten, die ihre Grundlage in Gott haben, möchte ich zu euch sprechen. Den Werten, die die Entfaltung unserer Personen, unserer Familien und unserer Gesellschaft fördern, wie auch die der internationalen Gemeinschaft. Ist das Gottesgeheimnis nicht die höchste Wirklichkeit, von der der Sinn abhängt, den der Mensch seinem Leben gibt? Ist es nicht das erste Problem, das sich einem jungen Menschen stellt, wenn er über das Geheimnis des eigenen Daseins nachdenkt und über die Werte, für die er sich entscheiden will, um seine Persönlichkeit aufzubauen? Ich meinerseits trage in der Kirche die Last des Nachfolgers Petri, des Apostels, den Jesus erwählte, um seine Brüder im Glauben zu stärken. Nach den Päpsten, die sich ohne Unterbrechung in der Geschichte gefolgt sind, bin heute ich der Bischof von Rom, berufen, unter seinen Brüdern Zeuge des Glaubens und Garant der Einheit aller Glieder der Kirche zu sein. Deshalb komme ich heute als Glaubender zu euch. Und in großer Schlichtheit möchte ich den bezeugen, an den ich glaube, und von meinem Glauben, von dem, was ich als Glück der Menschen ersehne, und von dem, was ich aus eigener Erfahrung nützlich für euch halte, sprechen. 2. Zunächst rufe ich den Höchsten, den allmächtigen Gott an, der unser Schöpfer ist. Er ist der Ursprung allen Lebens und die Quelle alles Guten, alles Schönen, alles Heiligen. Er trennte das Licht von der Finsternis. Er ließ das ganze Universum nach einer wunderbaren Ordnung entstehen. Er wollte, daß die Pflanzen wachsen und Frucht tragen, wie er auch wollte, daß sich die Vögel des Himmels, die Tiere der Erde und die Fische im Meer vermehren. Er hat uns Menschen gemacht, und wir sind auf ihn hingeordnet. Sein heiliges Gesetz lenkt unser Leben. Das Licht Gottes zeigt uns unsere 959 REISEN Bestimmung und erleuchtet unser Gewissen. Er macht uns fähig, zu lieben und das Leben weiterzugeben. Er verlangt von jedem Menschen, jedes menschliche Geschöpf zu achten und als Freund, als Gefährten, als Bruder zu lieben. Er fordert uns auf, ihm zu helfen, wenn er verwundet, wenn er verlassen ist, wenn er hungert und dürstet, kurz, wenn er nicht weiß, wie er auf den Straßen des Lebens seinen Weg finden soll. Ja, Gott verlangt, daß wir seine Stimme hören. Er erwartet von uns Gehorsam gegen seinen heiligen Willen in freier Zustimmung des Verstandes und des Herzens. Deshalb sind wir vor ihm verantwortlich. Er, Gott, ist unser Richter. Er ist der einzige wirklich Gerechte. Wir wissen, daß sein Erbarmen und seine Gerechtigkeit untrennbar sind. Wenn der Mensch reuig und zerknirscht zu ihm zurückkehrt, nachdem er sich in die Verirrung der Sünde und die Werke des Todes verloren hatte, offenbart sich Gott als der Erbarmende und Verzeihende. Ihm also unsere Liebe und unsere Anbetung. Für seine Wohltaten und sein Erbarmen danken wir ihm jederzeit und an allen Orten. 3. ' In einer Welt, die sich nach Einheit und Frieden sehnt und trotzdem tausend Spannungen und Konflikte kennt, müssen die Gläubigen nicht die Freundschaft und Einheit unter den Menschen und Völkern, die auf der Erde eine einzige Gemeinschaft bilden, begünstigen? Wir wissen, daß wir den gleichen Ursprung und das gleiche Endziel haben: Gott, der sie geschaffen hat und sie erwartet, weil er sie sammeln will. Die katholische Kirche bemüht sich seit 20 Jahren, seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, durch ihre Bischöfe um die Zusammenarbeit aller, die glauben. Sie hat ein Dokument über den Dialog zwischen den Religionen (Nostra aetate) veröffentlicht. Es bekräftigt, daß alle Menschen, vor allem die Menschen lebendigen Glaubens, einander achten müssen, jede Diskriminierung vermeiden, Zusammenleben und der allgemeinen Brüderlichkeit dienen sollen (vgl. ebd., Nr. 5). Die Kirche erweist den gläubigen Muslimen besondere Aufmerksamkeit, die durch ihren Glauben an den einzigen Gott, ihren Sinn für das Gebet und ihre Hochachtung für ein sittliches Leben gegeben ist (vgl. ebd., Nr. 3). Sie wünscht, miteinander „für die soziale Gerechtigkeit, die sittlichen Güter, den Frieden und die Freiheit für alle Menschen einzutreten“ (ebd.). 4. Der Dialog zwischen Christen und Muslimen ist heute nötiger denn je. Er ergibt sich aus unserer Treue zu Gott und setzt voraus, daß wir Gott 960 REISEN durch den Glauben zu erkennen wissen und ihn in Wort und Tat in einer immer mehr säkularisierten und oft sogar atheistischen Welt bezeugen. Die jungen Menschen können eine bessere Zukunft bauen, wenn sie ihren Glauben vor allem auf Gott setzen und sich bemühen, die Welt nach dem Plan Gottes zu bauen, in Weisheit und Zuversicht. Demütige Suche nach Gottes Willen Gott ist die Quelle aller Freude. Deshalb müssen wir unsere Gottesverehrung bezeugen, unsere Anbetung, unser Lob- und Bittgebet. Der Mensch kann nicht leben, ohne zu beten, wie er nicht leben kann, ohne zu atmen. Wir müssen unsere demütige Suche nach seinem Willen bezeugen; er ist es, der unser Engagement für eine gerechtere und geeintere Welt inspirieren muß. Die Wege Gottes sind nicht immer unsere Wege. Sie gehen über unsere immer unvollkommenen Handlungen und die unvollkommenen Absichten unseres Herzens hinaus. Gott kann nie für unsere Ziele benutzt werden, denn er ist jenseits von allem. Dieses Glaubenszeugnis, das für uns lebensnotwendig ist und mit dem sich keine Untreue zu Gott und keine Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit verträgt, vollzieht sich in der Achtung vor anderen religiösen Überlieferungen, denn jeder Mensch erwartet, als das geachtet zu werden, was er ist, und für das, was er nach seinem Gewissen glaubt. Wir möchten, daß alle zur vollen göttlichen Wahrheit Zutritt finden, aber das können sie nur in der freien Zustimmung ihres Gewissens, in der Bewahrung vor äußerem Zwang, wie es der freien Entscheidung der Vernunft und des Herzens, die die Würde des Menschen charakterisieren, würdig ist. Das ist der wahre Sinn der Religionsfreiheit, die Gott und den Menschen zugleich achtet. Von solchen Anbetern erwartet Gott seine aufrichtige Verehrung im Geist und in der Wahrheit. 5. Wir sind überzeugt, daß „wir Gott, den Vater aller, nicht anrufen können, wenn wir irgendwelchen Menschen, die ja als Ebenbild Gottes geschaffen sind, die brüderliche Haltung verweigern“ (Nostra aetate, Nr. 5). Wir müssen also jedes menschliche Wesen achten, lieben und unterstützen, weil es ein Geschöpf Gottes ist und, in gewissem Sinn, sein Bild und sein Repräsentant, weil es der Weg ist, der zu Gott führt, und weil es sich nur voll verwirklicht, wenn es Gott kennt, wenn es ihn von ganzem Herzen annimmt und wenn es ihm folgt auf dem Weg der Vollkommenheit. 961 REISEN Deshalb müssen der Gehorsam gegen Gott und die Liebe zum Menschen uns zur Achtung der Menschenrechte hinführen, der Rechte, die Ausdruck des göttlichen Willens und eine Forderung der menschlichen Natur sind, die Gott so geschaffen hat. Gemeinsame Verantwortung und Arbeit der Jugend für eine menschlichere Welt Achtung und Dialog verlangen Gegenseitigkeit in allen Bereichen, vor allem in Fragen der Grundfreiheiten, und hier im besonderen der Religionsfreiheit. Sie begünstigen den Frieden und die Verständigung der Völker. Sie helfen, die Probleme der Männer und Frauen unserer Tage gemeinsam zu lösen, speziell die der jungen Menschen. 6. Normalerweise blicken die jungen Menschen in die Zukunft, sie erwarten eine gerechtere und menschlichere Welt. Gott hat die jungen Menschen dazu geschaffen, daß sie beitragen, die Welt nach seinem Plan zu verändern. Aber auch ihnen erscheint die Lage oft überschattet. In der Welt gibt es Fronten und Spaltungen unter den Menschen und Mißverständnisse zwischen den Generationen. Es gibt Rassismus, Kriege und Ungerechtigkeiten, wie es auch Hunger, Verschwendung, Arbeitslosigkeit gibt.TDas sind die dramatischen Übel, die alle treffen, im besonderen die Jugend der ganzen Welt. Einige laufen Gefahr, den Mut zu verlieren, andere zu resignieren, wieder andere wollen alles mit Gewalt und extremen Mitteln ändern. Die Weisheit lehrt uns, daß Selbstdisziplin und Liebe der einzige Weg zur erwünschten Erneuerung sind. Gott will nicht, daß die Menschen passiv bleiben. Er hat ihnen die Erde anvertraut, damit sie sie beherrschen, sie kultivieren und gemeinsam fruchtbar machen. Ihr seid verantwortlich für die Welt von morgen. Nehmt eure Verantwortung voll wahr, mit Mut i könnt ihr die gegenwärtigen Schwierigkeiten diberwinden.Thr müßt also die Initiative ergreifen und nicht alles von den ^Erwachsenen und den Leuten in hohen Positionen erwarten. Ihr müßt die Welt erbauen und nicht nur davon träumen. Gemeinsame Arbeit kann Wirkungen auslösen. Richtig verstandene Arbeit ist Dienst an den anderen. Sie schafft Bande der Solidarität. Die Erfahrung der gemeinsamen Arbeit erlaubt für gewöhnlich, sich selbst zu läutern und die Qualitäten der anderen zu entdecken. Das kann langsam eine Atmosphäre des Vertrauens .entstehen lassen, die jedem erlaubt zu wachsen, sich zu entfalten und „mehr zu sein“. Unterlaßt es nicht, liebe 962 REISEN junge: Menschen, mit den Erwachsenen zusammenzuarbeiten, speziell mit euren Eltern und Lehrern, wie auch mit den Führern der Gesellschaft und des Staats. Die Jugend darf sich nicht von den anderen isolieren. Die Jugend braucht die Erwachsenen wie die Erwachsenen dife Jugend. Eine pluralistische und solidarische Welt Bei dieser gemeinsamen Arbeit darf nie der Mensch, Mann oder Frau, das Opfer sein. Jede Person ist einzig in den Augen Gottes und unersetzlich beim Werk der Entwicklung. Jeder muß anerkannt werden als das, was er ist, und folglich als solcher geachtet werden. Keiner darf seinesgleichen ausnutzen, seinesgleichen ausbeuten, keiner seinen Bruder verachten. Unter diesen Bedingungen kann eine gerechtere und brüderliche Welt wachsen, in der jeder seinen Platz in Würde und Freiheit findet. Die Welt des 21. Jahrhunderts ist in euren Händen; sie wird so, wie ihr sie macht. 7. Die kommende Welt wird von. der Jugend aller Länder der Erde abhängen. Unsere Welt ist geteilt und gespalten. Sie kennt viele Konflikte und Ungerechtigkeiten. Es gibt keine wirkliche Solidarität zwischen Nord und Süd. Es gibt keine gegenseitige Hilfe unter den Völkern des Südens. In der Welt gibt es Kulturen und Rassen, die nicht geachtet werden. Weshalb das alles? Weil die Menschen ihre Unterschiede nicht respektieren: Sie kennen sich zu wenig. Sie lehnen diejenigen ab, die nicht zur gleichen Zivilisation, gehören. Sie lehnen es ab, sich wechselseitig zu helfen. Sie sind nicht fähig, sich von Selbstgenügsamkeit und Egoismus zu befreien. Gott hat alle Menschen zu gleicher Würde, aber verschieden an Gaben und Talenten erschaffen. Die Menschheit ist ein Ganzes, in dem jede Gruppe ihre Rolle spielt. Sie muß die Werte verschiedener Völker und Kulturen anerkennen. Die Welt ist ein lebendiger Organismus; jeder muß etwas von den anderen empfangen und den anderen geben. Ich bin glücklich, mit euch in Marokko zusammenzutreffen. Marokko hat eine Tradition der Öffnung; eure Gelehrten sind weit gereist, und ihr habt die Gelehrten anderer Länder aufgenommen. Marokko war ein Platz-der Begegnung der Zivilisationen: Es hat den Austausch mit dem Orient; Spanien und Afrika ermöglicht. Marokko hat eine Tradition derToleranz; in diesem islamischen Land gab es immer Juden und fast immer Christen. Sie lebten in gegenseitiger Achtung und positiver Weise.zusammen. Ihr wart und bleibt ein gastfreundliches Land; Also seid ihr, junge Marokkaner, vorbereitet darauf, Bürger der Welt von morgen zu werden, einer brüderlichen-Welt, die die Jugend der ganzen Welt erhofft. 963 REISEN Ihr jungen Menschen seid, dessen bin ich sicher, dialogfähig. Ihr wollt nicht von Vorurteilen bestimmt werden. Ihr seid bereit, eine Zivilisation im Zeichen der Liebe aufzubauen. Ihr könnt dafür arbeiten, daß die Barrieren fallen, die der Stolz und noch häufiger die Schwäche und Angst der Menschen errichten. Ihr wollt die anderen ohne Rücksicht auf Nation, Rasse und Religion lieben. Deshalb wollt ihr Gerechtigkeit und Frieden. „Frieden und Jugend, zusammen unterwegs“, habe ich in meiner Botschaft zum diesjährigen Weltfriedenstag gesagt. Ihr wollt weder Krieg noch Gewalt. Ihr kennt den Preis, den diese die Unschuldigen zahlen lassen. Ihr wollt keinen Rüstungswettlauf mehr. Das will nicht sagen, daß ihr Frieden um jeden Preis wollt. Der Frieden geht Hand in Hand mit der Gerechtigkeit. Ihr wollt keine Unterdrückung der Person. Ihr wollt Frieden in Gerechtigkeit. Würdige Lebensbedingungen für alle 8. Ihr wollt zunächst, daß die Menschen etwas haben, wovon sie leben können. Die jungen Menschen, die die Chance haben zu studieren, sorgen sich mit Recht um den Beruf, den sie für ihren Lebensunterhalt ausüben können. Aber sie sorgen sich auch um die Lebensbedingungen ihrer Brüder und Schwestern im gleichen Land und in der ganzen Welt, die oft sehr schwierig sind. Denn wie kann einer unbeteiligt bleiben, wenn andere Menschen in großer Zahl durch Hunger, Unterernährung oder Mangel an ärztlicher Hilfe sterben, wenn sie grausam unter der Dürre leiden, wenn sie durch ökonomische Gesetze, die stärker sind, zur Arbeitslosigkeit oder Emigration gezwungen sind; wenn sie die prekäre Lage der Flüchtlinge erkennen, die in Lager eingepfercht sind, infolge der Konflikte unter den Menschen. Gott hat die Erde allen Menschen gegeben, damit sie aus ihr in Solidarität ihren Unterhalt ziehen und damit jedes Volk die Mittel zu seiner Ernährung hat, zu seiner Kultur und zum Leben in Frieden. <180> <180> Aber so wichtig auch die ökonomischen Probleme sein mögen, der Mensch lebt nicht vom Brot allein, er braucht ein geistiges und geistliches Leben. Hier findet sich die Seele der neuen Welt, die ihr erhofft. Der Mensch muß seinen Geist und sein Gewissen entwickeln, das häufig dem Menschen von heute fehlt. Die Vernachlässigung der Werte und die Identitätskrise, die unsere Welt durchziehen, zwingen uns zu ihrer Überwindung und zu erneutem Suchen und Fragen. Das innere Licht, das in unserem Gewissen geboren wird, erlaubt, der Entwicklung einen Sinn zu 964 REISEN geben, sie auf das Wohl des Menschen hin zu orientieren, jedes Menschen und aller Menschen, gemäß dem Plan Gottes. Die Araber des Machreq und des Maghreb und besonders die Muslime haben eine lange Tradition des Studiums und des Wissens, des literarischen, naturwissenschaftlichen, philosophischen. Ihr seid die Erben dieser Tradition, ihr müßt studieren, damit ihr die Welt, die Gott uns gegeben hat, erkennen und verstehen lernt, ihren Sinn entdeckt, mit Gespür für und Respekt vor der Wahrheit. Und damit ihr die Völker und die von Gott geschaffenen und geliebten Menschen kennenlernt, ihnen besser dienen könnt. Im übrigen wird die Suche nach der Wahrheit euch über die geistigen Werte hinaus zur geistlichen Dimension des inneren Lebens hinführen. 10. Der Mensch ist ein geistliches Wesen. Wir Gläubigen wissen, daß wir nicht in einer in sich geschlossenen Welt leben. Wir glauben an Gott. Wir beten Gott an, wir suchen Gott. Die katholische Kirche blickt mit Hochachtung auf euren religiösen Weg und erkennt seine Qualität an, den Reichtum eurer geistlichen Tradition. Auch wir Christen sind stolz auf unsere religiöse Tradition. Ich glaube, daß wir, Christen und Muslime, mit Freude die religiösen Werte, die wir gemeinsam haben, anerkennen und Gott dafür danken sollten. Wir glauben beide an einen Gott, den einzigen Gott, der voll Gerechtigkeit und Erbarmen ist. Wir glauben an die Bedeutung des Gebets, des Fastens und des Almosengebens, der Buße und der Vergebung. Wir glauben, daß Gott am Ende der Zeiten uns ein barmherziger Richter sein wird, und hoffen, daß er nach der Auferstehung mit uns zufrieden sein wird, und wissen, daß wir in ihm unsere Erfüllung finden. Unterschiede in Demut und Respekt anerkennen Die Loyalität verlangt aber auch, daß wir unsere Unterschiede erkennen und respektieren. Der grundlegendste Unterschied ist eindeutig unsere Würdigung von Person und Werk des Jesus von Nazaret. Ihr wißt, daß -für die Christen - dieser Jesus sie in .eine intime Kenntnis des Geheimnisses Gottes eingeführt hat und in die Teilhabe seiner Kinder an seinen Gaben, wenn sie ihn als Herr und Erlöser anerkennen. Das sind die wichtigsten Unterschiede, die wir in Demut und Respekt anerkennen müssen, in gegenseitiger Toleranz. Hierin liegt ein Geheimnis, über das uns Gott eines Tages aufklären wird, dessen bin ich sicher. Christen und Muslime verstehen sich für gewöhnlich falsch, und manch- 965 REISEN mal haben wir uns in der Vergangenheit mißverstanden und uns auch in Polemiken und Kriege verloren. Ich glaube, daß Gott uns heute auffordert, unsere alten Gewohnheiten abzulegen. Wir sollten uns gegenseitig respektieren und zu guten Werken auf dem Weg Gottes anspornen. Ihr kennt mit uns den Preis, den die geistlichen Werte kosten. Ideologien und Schlagwörter können uns nicht zufriedenstellen und die Probleme eures Lebens nicht lösen. Das können nur die geistlichen und sittlichen Werte, die Gott zur Grundlage haben. Ich hoffe, liebe junge Menschen, daß ihr zum Aufbau einer Welt beitragen könnt, in der Gott den ersten Platz einnimmt, um den Menschen zu helfen und sie zu retten. Auf diesem Weg seid ihr der Achtung und Mitarbeit eurer katholischen Brüder und Schwestern sicher, die ich heute abend bei euch vertrete. 11. Ich möchte jetzt Seiner Majestät dem König danken dafür, daß er mich eingeladen hat, danken möchte ich aber auch euch, lieben Jugendlichen von Marokko, dafür, daß ihr gekommen seid, um mit Vertrauen mein Zeugnis zu hören. Dank und Gebet Aber vor allem möchte ich Gott danken, der diese Begegnung zugelassen hat. Wir stehen alle unter seinen Augen. Er ist heute der erste Zeuge unserer Begegnung. Er ist es, der in unsere Herzen die Empfindungen des Mitleids und Verstehens, der Vergebung und Versöhnung, des Dienstes und der Zusammenarbeit legt. Müssen wir als Gläubige nicht in unserem Leben und unserer Gesellschaft die Höhe unserer religiösen Traditionen zu seiner Ehre anerkennen? Versuchen wir also, Gott gegenüber verfügbar zu sein, seinem Willen unterworfen und den Aufforderungen, die er an uns richtet. Dann wird unser Leben eine neue Dynamik finden. So kann, davon bin ich überzeugt, eine Welt wachsen, in der die Männer und Frauen lebendigen und wirksamen Glaubens die Ehre Gottes preisen und eine menschliche Gesellschaft nach dem Willen Gottes zu bauen versuchen. Deshalb möchte ich zum Schluß ihn persönlich anrufen: Gott, du bist unser Schöpfer. Du bist gut und dein Erbarmen kennt keine Grenzen. Dich preisen alle Geschöpfe. Gott, du hast den Menschen ein inneres Gesetz gegeben, nach dem wir leben müssen. 966 REISEN Deinen Willen zu tun, heißt, unsere Pflicht erfüllen. Deinen Wegen zu folgen, heißt, den Frieden der Seele finden. Dir leisten wir unseren Gehorsam. Leite uns bei allen Initiativen, die wir auf der Erde unternehmen. Befreie uns von schlechten Neigungen, die unser Herz von deinem Willen ablenken. Erlaube nicht, daß wir deinen Namen anrufen und dabei die menschliche Unordnung rechtfertigen. Gott, du bist der einzige, wir beten dich an. Erlaube nicht, daß wir uns von dir entfernen. Gott, du Richter aller Menschen, hilf uns, am letzten Tag unter deinen Erwählten zu sein. Gott, Urheber der Gerechtigkeit und des Friedens, schenk uns wahre Freude und echte Liebe und eine bleibende Brüderlichkeit unter den Völkern. Mach uns reich an deinen Gaben für immer. Amen. 967 7. Pastoraireise in das Fürstentum Liechtenstein (8. September) REISEN Innere Erneuerung des Menschen Grußwort bei der Ankunft in Liechtenstein am 8. September Durchlauchter Landesfürst! 1. Von Herzen danke ich Ihnen für den ehrenvollen Willkommensgruß, den Sie als Staatsoberhaupt dieses Landes „oben am jungen Rhein“ soeben in Ihrem eigenen Namen, im Namen der Fürstlichen Familie sowie im Namen der Behörden und der Bevölkerung von Liechtenstein an mich und meine Begleiter gerichtet haben. Mit aufrichtiger Zuneigung erwidere ich diesen Gruß und wünsche Ihnen allen, die Sie sich hier zum Empfang eingefunden haben und die Sie auf meine Ankunft zu den verschiedenen Begegnungen des heutigen Tages warten, den Frieden Christi, als dessen Zeugen und Diener ich heute, am Fest Mariä Geburt, in dieses geschätzte Fürstentum im Herzen Europas gekommen bin. Ich grüße die Fürstliche Familie, die Mitglieder des liechtensteinischen Landtages und der Regierung, die Vertreter der Behörden aus Staat und Gemeinden und alle Bürger dieses Landes. Einen besonders herzlichen Gruß richte ich an den verehrten Oberhirten der Diözese Chur, zu deren Territorium dieses Gebiet seit ältester Zeit gehört, Bischof Johannes Vonderach, sowie an den Klerus im Dekanat Liechtenstein. Ich grüße sodann alle geistlichen und weltlichen Gäste aus dem Ausland, die heute hier weilen, um mir bei diesem Pastoralbesuch nahe zu sein, und schließlich alle, die über die Medien an den Ereignissen dieses Tages teilnehmen. Allen im Lande, ob an den Orten der Begegnung oder daheim, und allen außerhalb der Grenzen des Landes Liechtenstein sage ich ein frohes „Grüß Gott“! Geprägt vom Geist des Christentums 2. Wie bei meinen anderen Pastoraireisen in die verschiedenen Kontinente habe ich vorhin auch hier den Heimatboden der Liechtensteiner geküßt und so meine Wertschätzung gegenüber diesem Land und seinen Bürgern und Bürgerinnen zum Ausdruck gebracht. Diese Geste der Zuneigung verstehe ich als Zeichen meiner Achtung vor der von Gott geschaffenen Welt und meiner Ehrfurcht gegenüber dem Schöpfer selbst, dem wir Menschen unsere Existenz und alles, was diese enthält, verdanken. Zugleich erinnert sie an jenen „heiligen Kuß“, von dem der 970 REISEN Völkerapostel sagt, daß wir damit alle Brüder begrüßen sollen (vgl. 1 Thess 5,26). Er ist ein Zeichen der Liebe Christi selbst, die mich, seinen demütigen Stellvertreter auf Erden, drängt, den großen und kleinen Völkern an Ort und Stelle zu begegnen und ihnen die Frohbotschaft des Friedens und der Versöhnung, des Heils und der Erlösung zu bringen. Viele Bewohner dieses Landes haben im außerordentlichen Jubiläumsjahr der Erlösung 1983 zusammen mit ihrem Bischof und ihren Seelsorgern sowie mit den staatlichen und kommunalen Autoritäten eine unvergeßliche Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus unternommen. Damals haben Sie, Durchlaucht, im Einvernehmen mit dem Ortsbischof und im Namen von Kirche und Volk dieses Landes, mich bei der Sonderaudienz am 14. Oktober 1983 zu einem Pastoralbesuch im Fürstentum Liechtenstein eingeladen. Heute bin ich hier als Gast und Pilger bei dieser Volksgemeinschaft, von der ich damals sagte, und ich wiederhole es heute: „Die Geschichte und das Brauchtum Ihres Landes sind geprägt vom Geist des Christentums und geben dem Fürstentum Liechtenstein durch die Ehrbarkeit und den Fleiß seiner Bürger einen ehrenvollen Platz in der Gemeinschaft der Völker“ (Insegnamenti di Giovanni Paolo II, Bd. VI, 2, S. 766). 3. Liebe Liechtensteiner, erringt diesen Platz immer aufs neue! Ruht nicht aus auf dem bisherigen Erreichten! Seid stets bereit, das Vorhandene zu vervollkommnen und zu veredeln! Eure Vorfahren sind durch alle Jahrhunderte hindurch dem katholischen Glauben treu geblieben. Viele Zeugnisse in Wort und Schrift, in Kunst und Kultur verbürgen diese Tatsache. Belebt eure Verbundenheit mit der Kirche und mit dem Bischof von Rom, der jener Kirche vorsteht, von welcher der heilige Ignatius von Antiochien schreibt, daß sie „den Vorsitz in der Liebe führt“! Seit Beginn meines Pontifikates bin ich unterwegs, um von dieser Liebe zu künden, die auf dem Fundament der Wahrheit steht und zur Einheit verpflichtet. Als dieser Verkünder komme ich heute auch zu euch; ich möchte euch davon überzeugen, daß euer Gemeinwesen sich nur aufgrund einer inneren religiös-sittlichen Erneuerung des einzelnen Menschen und der christlichen Familie erneuern kann. Davon müßt ihr ausgehen, wenn ihr im Anschluß an meinen Pastoralbesuch in diesem eurem Heimatland eine Volksmission unter dem Motto „Aufbruch zum Leben“ durchführen werdet. 971 REISEN Wider die Bequemlichkeit 4. Der materielle Wohlstand, der sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hier auf ungeahnte Weise einstellte und euch einen hohen Lebensstandard sichert, zeugt von der Tüchtigkeit der Bürger dieses Landes. Er verlangt jedoch zugleich eine ebenso hohe sittliche Reife und Verantwortung. Sonst verleitet er nur allzuleicht zu Bequemlichkeit, zur Befriedigung egoistischer Bedürfnisse und zur Rücksichtslosigkeit gegenüber den Mitmenschen. Er macht anfällig für Denk- und Verhaltensweisen, die mit dem Anspruch des christlichen Ethos, der auf dem Gesetz der Gottes- und Nächstenliebe gründet, nicht vereinbar sind. Bei aller Anhäufung der materiellen Güter besteht die Gefahr, den Wert und die Würde des menschlichen Lebens in seiner Ganzheit aus dem Auge zu verlieren oder gar zu mißachten. Wenn ihr wirklich zum Leben in Christus aufbrechen wollt, müßt ihr ausbrechen aus der selbstsüchtigen Welt von Habgier und bloßem Genießen und euch auf jenen schmalen, aber verheißungsvollen Weg begeben, der zum eigentlichen Gipfel des Lebens führt - zur Vollendung in Gottes Ewigkeit. Tragt aus derselben christlichen Verantwortung auch Sorge für euer liebes Heimatland und das Wohl aller Bürger. Euer schönes Land ist immer auch Nachbarland. Bei der Kleinräumigkeit der Verhältnisse wird euch dies täglich bewußt. Pflegt weiter herzliche Nachbarschaft und führt den Dialog fort, den ihr schon seit langem aufgenommen habt. Bewahrt dabei eure Identität, ja lernt sie dadurch selber noch besser kennen! Mir, dem es die göttliche Vorsehung ermöglicht hat, heute in dieses Land zu kommen, ist es ein Herzensanliegen, euch auch für euren Auftrag in dieser Welt zu segnen und dem mütterlichen Schutz Mariens zu empfehlen. 972 REISEN Familie - Übungsfeld christlicher Tugenden Predigt bei der heiligen Messe in Liechtenstein am Fest Mariä Geburt, 8. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Als festlich versammelte Kirche Christi feiern wir heute die Geburt der seligen Jungfrau Maria. Die Liturgie lädt uns ein, der Heiligsten Dreifaltigkeit zu danken; denn es wird die Mutter unseres Erlösers geboren, „deren heiliges Leben die ganze Kirche erleuchtet“ (Terz-Antiphon). Die Geburt Mariens bringt Licht und Hoffnung für alle Gemeinden Christi und heute besonders für die Kirchen in Liechtenstein. Dieses Festgeheimnis bildet den geistlichen Rahmen für den Pastoralbesuch des Nachfolgers Petri in eurer Ortskirche. In ihr grüße ich einen Teil der altehrwürdigen Diözese Chur, deren Wurzeln bis in die römische Provinz Rätien zurückreichen. Ihr verehrt als erste Väter eures Glaubens die Heiligen Luzius und Gallus und seid durch ihr missionarisches Wirken seit den frühen Anfängen des Christentums im Alpenraum Kirche Christi im völkerverbindenden Rheinstrom. Vielfältig habt ihr in Vergangenheit und Gegenwart bezeugt, daß ihr Maria auch als Mutter eurer Ortskirche anerkennt, sie als Schutzpatronin eures Landes, als Vorbild und Hoffnung eures Glaubens verehrt und ihrem „heiligen Leben“ nacheifert. 2. Die Schrifttexte der heutigen Liturgie lassen uns auf das Geheimnis Mariens gleichsam aus zwei verschiedenen Entfernungen schauen. Aus der Ferne des Alten Bundes betrachtet es der Prophet Micha. Seine Weissagung kündigt die Geburt des Messias und Gesalbten an: „ ... der über Israel herrschen soll. Sein Ursprung liegt in ferner Vorzeit“ (Mi 5,1). Hiermit ist das ewige Wort Gottes gemeint, der wesensgleiche Sohn des Vaters. Er wird unser „Hirt sein in der Kraft des Herrn“; mit ihm werden wir „in Sicherheit leben“; denn er wird unser „Friede“ sein. Zugleich spricht der Prophet von der Frau, „die gebären wird“ (Mi 5,2). Ein Geschöpf, eine Frau, ist auserwählt, beim erlösenden Handeln Gottes entscheidend mitzuwirken; an ihr werden sich zuerst jene messianische „Sicherheit“ und der „Friede“ konkret erfüllen. Sie wird gesegnet sein unter allen Frauen; ein Geschenk wird sie sein für die ganze Menschheit, da sie ihr den Erlöser gebiert. 973 REISEN Die Würde der werdenden Mutter 3. Ganz aus der Nähe betrachtet hingegen der Evangelist Matthäus das heutige Festgeheimnis. Hier befinden wir uns schon mitten in jenem Geschehen, das der Prophet Micha nur aus der Ferne andeuten konnte. Maria tritt in das Licht der Öffentlichkeit als schwangere Frau. Die Menschen sind zunächst verwirrt; man scheint sich ihrer zu schämen. Dann erfährt jedoch Josef, ihr angetrauter Mann, die Bedeutung dieses zu erwartenden Kindes: Es ist in einzigartiger Weise von Gott gewollt; es ist „vom Heiligen Geist“. Sein Name wird „Jesus“ sein und so bereits seine künftige Aufgabe andeuten: „Er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen.“ Ja, er wird ein wahrer „Immanuel“ sein: In ihm ist „Gott mit uns“: Und Josef nahm seine Frau zu sich (vgl. Mt 1,18-24). So bekennt er sich zu Maria und zur Frucht ihres Leibes; mutig tritt er an die Seite der Mutter des Erlösers und besteht somit die große Prüfung seines Lebens. 4. Auf diese Weise lassen uns die heutigen Lesungen aus zwei verschiedenen Abständen auf das große Geheimnis der Menschwerdung des ewigen Wortes schauen und damit zugleich auf das Geheimnis der Mutterschaft Mariens. Diese enge Verbindung der beiden Geheimnisse betrachten wir jedes Jahr vor allem zwischen Weihnachten und Neujahr, zwischen dem Tag der Geburt Christi und dem Tag der Mutterschaft Mariens; besonders deutlich aber muß sie uns werden im Verlauf der Vorbereitung auf die bevorstehende Zweitausendjahrfeier der Menschwerdung unseres Erlösers. Gott hat Maria dazu erwählt, die Mutter Jesu Christi zu werden. Nach dem Glauben der Kirche ist Maria durch diese außerordentliche Berufung in ihrer ganzen Person und ihrem ganzen Dasein geprägt worden. Das ist der Grund, warum wir mit Verehrung und Dank auch auf ihren Eintritt in diese Welt schauen, auf ihre Geburt; und wenn uns auch das genaue Datum dieser Geburt unbekannt ist, so fällt es doch in'die Jahre unmittelbar vor jener heiligen Nacht in Betlehem. 5. Die Liturgie spricht heute aber nicht nur über vergangene Geschehen. Die Lesung aus dem Brief des heiligen Paulus an die Römer erinnert uns an den ewigen Erlösungsplan Gottes mit seiner stets aktuellen Bedeutung auch für unsere Gegenwart. Dieser Plan erwächst unmittelbar aus der Menschwerdung des Gottessohnes, „dem Erstgeborenen von vielen Brüdern“ (Röm 8,29). 974 REISEN Es ist Gottes Wille, daß wir Brüder und Schwestern Jesu werden und „an Wesen und Gestalt: seines Sohnes teilhaben“; in Jesus hat er bereits alle, die er in seine Nachfolge berufen hat, „gerecht gemacht“ und „verherrlicht“. In der Tat, erstaunliche Worte des Apostels, in denen die Kirche aber Gottes Wort selbst erblickt! Ja, Großes hat der Herr an uns getan, indem er uns zu Gliedern seiner Kirche gemacht hat. Spontane Freude und Dankbarkeit müssen in uns darüber aufbrechen; unsere Antwort muß sein, Gott zu lieben mit Leib und Seele, mit Herz und Verstand, mit allen unseren Kräften. Dann kann sich auch an uns erfüllen, was die Pauluslesung so großartig zu Anfang feststellt: „Wir wissen, daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (vgl. Röm 8,28-30). Wie wahr sind diese Worte geworden für Jesus selbst, der durch sein Lebensopfer unser Erlöser geworden ist, wie wahr aber auch für Maria, die Ersterlöste, die um ihres Sohnes willen vor der Sünde bewahrt geblieben und so die Mutter aller Erlösten geworden ist. Auf diese Weise nimmt Maria durch ihre Berufung-zur Mutter Christi in besonderem Maße teil an jener gemeinsamen Berufung, die an alle Menschen durch Christus ergeht und in heiliger Gemeinschaft mit ihm verwirklicht werden kann. Wenn wir das Geheimnis der Geburt Mariens in Liebe verehren, wird uns dabei immer deutlicher bewußt, daß durch ihr Jawort und durch ihre Mutterschaft Gott mit uns ist. „Immanuel“ - „Gott mit uns“: Das ist ja der Name für den Sohn Gottes, der in diese Welt gekommen ist und durch seine brüderliche Gegenwart jede menschliche Wirklichkeit heiligt und auf Gott hin öffnet. 6. Das gilt auch für jene Urquelle menschlicher Gemeinschaft, die wir Familie nennen. Auf sie lenken das heutige Fest von der Geburt Mariens und das Geheimnis der Menschwerdung Gottes im Schoß der Heiligen Familie heute bei dieser Eucharistiefeier unsere besondere Aufmerksamkeit. Von der Familie und ihrer hohen Bedeutung für das natürliche und übernatürliche Leben des einzelnen und für die Gesellschaft habe ich bei der Sonderaudienz für die Liechtensteiner Rompilger vor zwei Jahren unter anderem gesagt: „Die persönliche Versöhnung mit Gott ist die notwendige Vorbedingung dafür, daß Versöhnung und Frieden auch in der menschlichen Gemeinschaft Wirklichkeit werden können. Jeder einzelne ist aufgerufen, dazu seinen persönlichen Beitrag zu leisten. Beginnt damit vor allem im engsten Bereich der Familie! Die Kirche ist davon überzeugt, daß das Wohl der Gesellschaft und ihr eigenes besonders mit 975 REISEN dem Wohl der Familie eng verbunden ist. Alles, was zur Gesundung und Festigung der Familie geschieht, kommt dem ganzen Gemeinwesen zugute“ (Insegnamenti di Giovanni Paolo II, Bd. VI, 2, S. 767 f.). Nachdrücklich habe ich damals gemahnt: „Die heutige Menschheit bedarf so dringend der christlichen Versöhnung. Stiften und schenken wir sie dort, wo wir sie anderen zu vermitteln vermögen: in unseren Familien, am Arbeitsplatz, in der Gemeinde, in der ganzen Volksgemeinschaft!“ (ebd.). Gerade im engen Familienkreis oder im nachbarschaftlichen Bereich können wir mitunter die Härte von Streit und Unversöhnlichkeit unter Menschen sehr schmerzlich erfahren. Als Christen müssen wir immer bereit sein, ein versöhnliches Wort zu sprechen und die Hand zur Versöhnung zu reichen. Inneren Frieden durch die persönliche Beichte 7. Eine Ehe, welche in eine Krise geraten ist; eine Ehe, welche, menschlich gesehen, dem Scheitern nahe ist; eine Ehe, welche durch eine gegenseitige Entfremdung der Partner belastet ist, retten die betroffener! Eheleute nur dann, wenn sie einander verzeihen können und beharrlich auf eine Aussöhnung hinwirken. Was für das partnerschaftliche Verhältnis der Ehegatten untereinander gilt, trifft auch auf die Beziehung der Eltern zu den Kindern und der Kinder zu den Eltern zu. Wenn in einer Familie zwischen jung und alt, zwischen Vater oder Mutter und Sohn oder Tochter Konflikte entstehen, müssen diese in gegenseitigem Verstehen und Verzeihen ausgetragen werden. Kinder und Jugendliche, Väter und Mütter, seid nie zu stolz oder zu eigensinnig, um einander die Hand zur Versöhnung zu reichen, wenn eine Auseinandersetzung stattgefunden hat! Seid nie hartnäckig und nachtragend, wenn es darum geht, einen Streit beizulegen! Dazu gehört aber wesentlich auch die Versöhnung mit Gott in einer guten persönlichen Beichte, weil jede Beleidigung unserer Mitmenschen immer auch eine Beleidigung Gottes selber ist, dessen geliebte Geschöpfe wir alle sind. Schließt also bei der zwischenmenschlichen Versöhnung Gott nicht aus und greift nach jenem Heilsmittel, das Bußsakrament heißt und das den inneren Frieden schenkt, den nur der Herr geben kann! Ehe und Familie können nur dann ihrer hohen christlichen Berufung entsprechen, wenn die regelmäßige Praxis der persönlichen Umkehr und Buße sowie der Versöhnung durch die Beichte im Leben der Ehegatten und Familienmitglieder ihren festen Platz hat. Die bald beginnende liechtensteinische Volksmission würde eine wesent- 976 REISEN liehe Aufgabe versäumen, ja, sie könnte den „Aufbruch zum Leben“ in Christus kaum in die Wege leiten, wenn sie darauf verzichten würde, die Gläubigen auch zu einer guten Beichte zu führen. Ich bitte daher die Volksmissionare sehr, diesem Anliegen ihr besonderes Augenmerk zu widmen; vor allem empfehle ich hierfür die gemeinschaftliche Bußfeier mit anschließender persönlicher Beichte und Lossprechung der einzelnen. „Aufbruch zum Leben“ - wie das Leitmotiv der Mission lautet - ist zunächst ein Ausbruch aus Sünde und Schuld, aus Unfreiheit und Ichsucht, aus Irrtum und Verwirrung und dann ein Aufbruch zur persönlichen Heiligkeit und zur Heiligung des gemeinschaftlichen Lebens. Maria, die selber ohne Makel der Sünde geboren wurde und lebte, steht uns als das große Vorbild solcher Heiligkeit vor Augen. Ihr Beispiel sei uns Licht und Kraft! 8. Die Familie als Kernzelle der Gesellschaft und lebendiger Baustein der kirchlichen Gemeinschaft ist zugleich auch der erste Ort des Gebetes. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt: „Wenn die Eltern durch ihr Beispiel und ihr gemeinsames Gebet auf dem Weg vorausgehen, werden auch die Kinder und alle, die in der Familiengemeinschaft leben, leichter diesen Weg des echten Menschentums, des Heils und der Heiligkeit finden. Die Gatten aber müssen in ihrer Würde und Aufgabe als Vater und Mutter die Pflicht der Erziehung, vornehmlich der religiösen, die ihnen in ganz besonderer Weise zukommt, sorgfältig erfüllen (Gaudium etspes, Nr. 48). Ebenso aber gilt, daß auch die Kinder als von Gott geschenkte Glieder der Familie auf ihre Weise zur Heiligung der Eltern beitragen. In dieser Diözese und damit auch in eurem Land Liechtenstein wurde vor wenigen Jahren mit der Aktion „Hauskirche“ begonnen, die dem gemeinsamen Gebet in der Familie dienen möchte. Tragt dieses wichtige Anliegen mit und fördert es nach Kräften! Das gemeinschaftlich verrichtete Tischgebet sollte in keiner christlichen Familie fehlen. Ich bin mir bewußt, daß es für manche eine gewisse Überwindung kostet, damit wieder anzufangen. Doch legt alle falsche religiöse Scham ab und betet gemeinsam! „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“, verspricht uns der Herr (Mt 18,20). Mit Recht dürfen wir annehmen, daß die Mutter des Herrn in eine religiöse und fromme Familie hineingeboren wurde. Maria selbst ist eine große Beterin. Im Magnifikat, diesem berühmten Lobgesang auf die Macht und Herrlichkeit Gottes, lehrt sie uns die Hauptrichtung allen Betens: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,46 f.). Stimmt ein in diesen Lobpreis 977 REISEN Gottes! Zeigt Gott durch die treue Mitfeier des sonn- und feiertäglichen Gottesdienstes, daß ihr ihn über alles liebt und ehrt und zugleich bereit seid, dieser Liebe einen konkreten, gemeinschaftlichen Ausdruck zu geben! Geht hin zum eucharistischen Herrn im Tabernakel und betet dort zum geheimnisvoll gegenwärtigen Gott für euch selber, für die eigene Familie, für die Familien eures Vaterlandes, für die Menschheitsfamilie und für die Gottesfamilie der Kirche! Ich bitte euch alle, Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Laien und Kleriker, Ordensmänner und Ordensfrauen, Gesunde und Kranke, Behinderte und Betagte: Betet! Ja, laßt nicht nach im täglichen Gebet! Das Gebet ist die wahrhaft verändernde und befreiende Kraft, unseres Lebens; im Gebet geschieht der echte „Aufbruch zum Leben“. 9. Die Familie ist sodann ein maßgebender Hort und Übungsplatz für grundlegende Werte und Tugenden, die den einzelnen Menschen prägen. Die Familie ist der Nährboden, auf dem das Bewußtsein von der Würde der menschlichen Person wächst. Die sittliche Ordnung von Ehe und Familie, wie Gott sie in seinem Schöpferplan festgelegt hat, ist aber heute leider durch das gewissenlose Verhalten vieler mannigfach gestört und nicht selten sogar zerstört. Aggressive Ideologien, die sich für modern halten, wollen uns einreden, diese Ordnung sei überholt und sogar menschenfeindlich. So schämen sich auch schon viele Christen, überzeugt für jene moralischen Grundsätze einzutreten. Solche Menschenfurcht kann keinen Segen bringen, weder für den einzelnen noch für die Gesellschaft, welche doch in hohem Maße von der religiösen und moralischen Qualität der einzelnen und ihrer Familien bestimmt wird. Die katholische Kirche wird nicht aufhören, all jene Grundsätze unverkürzt und uneingeschränkt zu wiederholen und immer neu zu betonen, welche insbesondere das Übel des außerehelichen Zusammenlebens, der ehelichen Untreue, der zunehmenden Scheidungspraxis, des Ehemißbrauchs und der Abtreibung der menschlichen Leibesfrucht betreffen. Die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute sind vielfältig und bedeutsam. Jede religiös und moralisch gesunde Familie ist gleichsam ein wertvolles Ferment für die ganze Volksgemeinschaft. Die echte christliche Familie ist ein Segen für die Welt. Ich möchte alle Familien unter euch ermutigen, immer mehr wahrhaft christliche Familien zu werden und den damit verbundenen Auftrag in der heutigen Zeit mutig anzupacken. Die Menschheit hat dieses glaubensstarke Zeugnis nötig in der geschichtlichen Stunde, in der wir leben. Laßt euch durch keinerlei Rückschläge, Mißerfolge, Enttäuschungen und Verunsicherungen davon 978 REISEN abbringen, im Geiste Christi und seiner Kirche euer Ehe- und Familienleben zu gestalten! 10. Der überzeugte Christ gibt nie auf! Er geht zuversichtlich und beharrlich voran, weil er weiß, daß ihn jemand begleitet, der gerade auch in den Bedrängnissen des Lebens stark und zuverlässig macht. Das hat uns Maria vorgelebt, die Morgenröte des Heils, die uns Christus, die Sonne der Gerechtigkeit, geboren hat (vgl. die Festpräfation). Sie ist den Weg mit ihrem göttlichen Sohn bis unter das Kreuz gegangen. Wegen ihrer durch-littenen Treue, mit der sie ihre nicht leichte Berufung als Mutter Christi lebte, durfte sie an sich selbst erfahren, was Paulus in der zweiten Lesung bezeugt: „Wir wissen, daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm 8,28). Möge das heilige Leben der Jungfrau Maria, deren Geburtsfest die Kirche im Fürstentum Liechtenstein heute mit dem Nachfolger Petri auf solche festliche Weise begeht, auch euer Leben als Christen in euren Familien und in eurer ganzen Volksgemeinschaft stets erleuchten. Ihr Vorbild und ihre Hilfe befähigen euch, eurer Berufung würdig zu leben. Bleibt vor allem eine religiös und sittlich gesunde Großfamilie in den überschaubaren Grenzen eures so schönen Landes und lebt immer in enger Verbundenheit mit der Universalkirche und ihrem obersten Hirten. Gott segne und beschütze euch auf die Fürbitte „Unserer Lieben Frau von Liechtenstein“, der Mutter unseres Erlösers, die unter dem Kreuz auch unser aller Mutter geworden ist. Amen. Mit den Augen des Glaubens sehen Predigt beim Wortgottesdienst in der St.-Florin-Kirche am 8. September Liebe Brüder und Schwestern im Herrn! 1. „Stabat Mater dolorosa... - Christi Mutter stand mit Schmerzen / bei dem Kreuz und weint’ von Herzen / als ihr lieber Sohn da hing.“ Diese ernsten Worte der Sequenz beim Gedächtnis der Schmerzen Mariens sind soeben im Lied erklungen und hallen in unseren Herzen nach. Der eindrucksvolle Klang der Melodie und die dichterische Gestalt der Worte wollen uns hinführen zu jenem großen Geheimnis, von dem der 979 REISEN hl. Johannes im Evangelium kündet: „Bei dem Kreuz Jesu standen seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich“ (Joh 19,25-27). „Siehe, deine Mutter“, spricht der gekreuzigte Herr auch zu uns. So spricht er am heutigen Geburtsfest Mariens durch mich, seinen demütigen Diener auf dem Stuhle Petri, besonders zu euch, den kranken, behinderten und betagten Menschen, denen ich mich überall sehr verbunden fühle: hier in diesem Gotteshaus, im Spital, in den Heimen und in euren Häusern draußen im Land. Ihr selbst habt das leidvolle Antlitz und die schmerzenden Wunden des gekreuzigten Heilands erkannt. Ihr blickt fragend auf zum Kreuz: an dem sein geschundener und entstellter Leib hängt. Ihr schaut mit Maria auf jenes Marterholz, das wir erst mit den Augen des Glaubens als „süßes Holz“ - „dulce lignum“ - und als „Baum des Lebens“ - „arbor vitae“ — erkennen können. Ich bin als Bote der Frohen Botschaft Christi zu euch gekommen, um euch zu helfen, mit diesen Augen des Glaubens auch auf euer eigenes Los zu schauen. Mit dem Jünger Johannes nehmt Maria, die Mutter des Herrn, auch als eure Mutter an und laßt euch durch sie die Augen des Glaubens öffnen! Mit ihrer Hilfe tragt ihr die Beschwerden eurer Krankheit, eurer Behinderung und eures Alters leichter. Der christliche Sinn des menschlichen Leidens 2. Maria steht an eurer Seite, weil sie selber mit ihrem göttlichen Sohn gelitten hat entsprechend jener Verheißung, die der greise Simeon ihr im Tempel von Jerusalem gemacht hatte: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,35). Das Bild der Schmerzensmutter ist uns allen vertraut und tief ins Herz eingeprägt: Der tote Leib des göttlichen Sohnes liegt auf dem Schoß seiner trauernden Mutter, aus dem er hervorgegangen ist. Marias mütterliches Herz ist vom Schmerz durchbohrt; denn niemand steht dem Sohn so nahe wie die eigene Mutter. Der himmlische Vater aber, der den Menschen auch in der äußersten Bedrängnis nicht verläßt, hat der Mutter Jesu die Kraft geschenkt, unter dem Kreuz auszuharren und das Leiden ihres Sohnes zu teilen. Die besondere Verehrung der Sieben Schmerzen Mariens kann auch für euch eine Kraftquelle sein, um die Lasten eures eigenen Lebens gläubig anzunehmen und sie durch Gebet und Betrachtung bewußt mit dem 980 REISEN Leiden und Sterben des Herrn zu verbinden. Durch das geduldige Ertragen der täglichen Last und Mühe heiligt ihr euch selber und zugleich die Kirche und die Welt. Um Christi willen angenommenes Leid ist immer heilbringendes Leid. Ihr wißt, was der hl. Paulus - selbst einer, der viele Leiden und Widerwärtigkeiten zu ertragen hatte - sagt, um diese heilbringende Kraft des Leidens zu erklären: „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1,24). Ja, so müssen wir als gläubige Christen versuchen, den Sinn und die Würde des menschlichen Leidens zu verstehen und zu leben. 3. Krankheit, Behinderung und Beschwerden des Alters sind für den gläubigen Christen niemals nur tragisches Geschick, das es resigniert hinzunehmen gilt, sondern sind immer auch Anruf und Aufgabe der göttlichen Vorsehung. Sie sind Anruf Gottes an die Mitmenschen, den Leidenden mit liebender Fürsorge Hilfe und Geborgenheit zu schenken, ihre Gebrechen mit allen Mitteln ärztlicher Kunst zu lindern und nach Möglichkeit auch zu heilen. Sie sind Aufgabe für die Kranken und Behinderten, in ihrer konkreten Lebenslage ihre christliche Berufung zu leben und darin ihr persönliches Heil zu wirken. Vor allem da, wo die menschliche Heilkunst versagt, kann uns nur noch der christliche Glaube den Weg zum dunklen Geheimnis des Leidens erhellen. Die Frohe Botschaft Christi kann zwar das äußere Gebrechen nicht beheben, aber sie kann es erträglicher machen, indem sie uns einen Zugang zu seinem tieferen Sinn und Verständnis eröffnet. In dem von Gottes Vorsehung zugelassenen oder auch zugedachten Leid begegnen wir letztlich dem unergründlichen Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi selbst. Es ist sein Ruf in eine ganz besondere Art der Nachfolge, in die Kreuzesnachfolge. Es ist letztlich Christus selber, der dazu einlädt, das Gebrechen, das Leid, die Hilflosigkeit als sein Joch, als einen Weg auf seinen Spuren anzunehmen. Allein die gläubige Annahme kann jegliches menschliches Leid zuinnerst verwandeln. Es wird zur persönlichen Teilnahme am erlösenden Sühneleiden Christi, der im leidenden Menschen seine eigene Passion fortsetzt. 4. Liebe, kranke, behinderte und betagte Brüder und Schwestern! Ich bete mit euch um die Kraft, daß ihr eure Leiden und Gebrechen im Geiste Christi, des leidenden, sich opfernden und auferstandenen Erlösers anzunehmen vermögt. Nur so werden euch eure Gebrechen nicht erdrücken, sondern im Gegenteil zu einer Quelle von Kraft und Zuversicht für euch 981 REISEN werden. Opfert alle Bedrängnisse und Widerwärtigkeiten mit Christus auf für das Heil der Welt. Sucht den Sinn eures Schmerzes in der Heiligung eures eigenen Lebens, eurer Familien und Gemeinschaften, in denen ihr mit der liebevollen Hilfe eurer Angehörigen und Nächsten lebt. Seid dankbar für die Geduld und Ausdauer, die Gott euch Tag für Tag neu schenkt. Seid dankbar für jeden Dienst, den gute Mitmenschen euch erweisen. Mit euch zusammen danke ich von Herzen allen Ärzten, Schwestern, Pflegerinnen und Pflegern, die an den kranken und hilfsbedürftigen Menschen in diesem Lande mit Treue und Hingabe ihren Dienst verrichten. Sie sollen wissen, daß alle Hilfe und Liebe, die sie jenen erweisen, letztlich Christus erwiesen werden. „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“, sagt Christus und fährt fort: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,36.40). Einsatz aller Kräfte Für euch, liebe Brüder und Schwestern, möchte ich schließlich noch als Einladung die Worte hinzufügen, die ich am Schluß meines Apostolischen Schreibens über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens angeführt habe: „Zusammen mit Maria, der Mutter Christi, die unter dem Kreuz stand, halten wir an allen Kreuzen des heutigen Menschen inne. Wir rufen alle Heiligen an, die im Laufe der Jahrhunderte auf besondere Weise an den Leiden Christi teilgehabt haben. Wir bitten sie um ihren Beistand“ (Salvifici doloris, Nr. 31). Gott segne euch, er stärke und beschütze euch! 5. In herzlicher Verbundenheit grüße ich sodann auch die anderen Teilnehmer dieser Begegnung: euch, meine Mitbrüder im priesterlichen Dienst hier im Dekanat Liechtenstein; euch, liebe Ordensleute, die ihr dem Ruf des Herrn zu einem Leben nach den evangelischen Räten gefolgt seid; euch, die Gläubigen im Laienstand, die ihr aufgrund eurer Tauf- und Firmgnade in verschiedenen pastoralen Bereichen dieses Landes mitarbeitet. In euch grüße ich die bestimmenden Kräfte, die tragenden Glieder im Leben der Ortskirche. Von eurer geistigen Vielfalt, von eurem Emst und Einsatz in den jeweiligen Aufgabenbereichen hängt weitgehend das religiöse Leben in euren Gemeinden ab. Ich danke euch, daß ihr euch mit eurer persönlichen Berufung so hochherzig für die Mitarbeit im Reiche Gottes zur Verfügung stellt. Zugleich ermutige ich euch im Namen Jesu 982 REISEN Christi in eurem vielfältigen Wirken zum natürlichen und übernatürlichen Wohl der euch anvertrauten Menschen und Einrichtungen. Eure schwierige, aber zugleich beglückende Aufgabe ist es, in Gemeinschaft mit eurem Bischof und unter seiner Leitung als Priester, Ordensleute und mitverantwortliche Laien hier in eurem Land lebendige Kirche Christi aufzubauen. Deshalb ist es eure erste und vornehmste Pflicht, den Menschen den Weg zu Christus zu zeigen und eure besten Kräfte für den „Aufbruch zum Leben“ in Christus einzusetzen, sei es im Gottesdienst, in der Verkündigung, in der Katechese für alle Lebensalter, in der Diakonie oder in der Solidarität mit den Menschen und Völkern in Not. Gebet und Opfer 6. Christus, der durch euch seine Heilssendung in euren Gemeinden fortsetzen will, bedarf zur Verkündigung seiner Frohen Botschaft vor allem eurer Worte, zur Weitergabe seiner übernatürlichen Heilsgüter eurer Hände und eurer Füße, um auch den verirrten Schafen nachzugehen. Stellt euch deshalb, liebe Brüder und Schwestern, seinem Heilswirken in eurer Mitte mit Leib und Seele vorbehaltlos zur Verfügung, wie es Maria, die Mutter unseres Herrn, durch ihr Fiat getan hat: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe nach deinem Wort“ (Lk 1,39). Mit ihrem gehorsamen Ja, das sie nie zurückgenommen hat, sondern in immer tieferer Gemeinschaft mit ihrem Sohn bis hin zum Kreuz gelebt hat, ist Maria zum großen Vorbild für unseren Glauben und unseren Dienst geworden. Maria, die Mutter der Kirche, ist auch euch in eurem kirchlichen Dienst in einer besonderen Weise zur Seite gegeben. Euer Einsatz für Christus und die Kirche wird nur dann vollkommen und für das Heil der Menschen wirklich fruchtbar sein, wenn ihr ihren mahnenden Rat befolgt: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Tut es zunächst und vor allem in eurem eigenen Leben zu eurer persönlichen vollen Bekehrung und Heiligung. Tut es in Treue zu den'übernommenen Verpflichtungen. Tut es in eurem täglichen Dienst unter den Menschen. Tut, was er euch sagt! Denn es ist ja schließlich Christus selbst, der durch euch in der Welt von heute sein Heil wirken möchte und es durch den Auftrag der Kirche auch tatsächlich wirkt. Möge durch euer gläubiges Lebensbeispiel und durch euren treuen Dienst als Priester, Ordensleute und Laien sein Reich hier im Dekanat Liechtenstein immer mehr Wirklichkeit werden. Zugleich lade ich auch euch, liebe kranke, behinderte und betagte Mitchristen, noch einmal von Herzen dazu ein, das Wirken der Kirche hier 983 REISEN und in aller Welt stets durch euer ergeben getragenes Leiden, durch euer Gebet und Opfer nach Kräften zu unterstützen. Der Papst selbst vertraut in seinem obersten Hirtendienst sehr auf eure tatkräftige Mithilfe. Betet vor allem auch dafür, daß der Herr immer genügend Arbeiter in seine Ernte sende, auf daß sein Name überall würdig gepriesen werde. Gelobt sei Jesus Christus! Abtreibung ist ein Verbrechen Ansprache bei der Begegnung mit den zivilen Autoritäten auf Schloß Vaduz Euer Durchlaucht! Exzellenz! Sehr geehrter Herr Regierungschef, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Mit großem Interesse bin ich den Ausführungen gefolgt, die Sie, Herr Regierungschef, im Namen der staatlichen Organe und Behörden des Fürstentums Liechtenstein - in Anwesenheit des Durchlauchten Landesfürsten und seines Stellvertreters, des Erbprinzen, und ihrer Gemahlinnen sowie des Bischofs dieser Diözese und anderer Vertreter der Kirche -soeben dargelegt haben. Für die ehrenden Grußworte bekunde ich Ihnen und allen, für die Sie gesprochen haben, meinen aufrichtigen Dank. Ihre Darlegungen haben das besonders enge Verhältnis hervorgehoben, in dem Staat und Kirche im Fürstentum Liechtenstein zueinander stehen. Dieses wurzelt in der jahrhundertealten christlichen Geschichte dieses Landes, das den heiligen Luzius, einen der ersten Glaubensboten im rätischen Gebiet, als seinen Schutzpatron verehrt. Die bereits in römischer Zeit einsetzende Christianisierung dieser Gegend an den Ausläufern des Rätikon und am Oberlauf des Rheins hat ununterbrochen in der darauffolgenden Zeit ihre Fortsetzung gefunden. Der christliche Glaube hat in den verschiedenen Epochen auch hier reiche Früchte hervorgebracht und in der christlichen Kunst sowie im religiösen Brauchtum eine deutliche Spur hinterlassen. Das kirchliche Leben hat sich gefestigt und wirkt bis heute prägend auf die Gesellschaft ein. In jüngster Zeit hat auch die Anwesenheit der Fürstlichen Familie in diesem Land dafür ihre besondere Bedeutung. Das Fürstenhaus von 984 REISEN Liechtenstein, das stets dem katholischen Glauben verpflichtet war und der katholischen Kirche treu geblieben ist, hat immer eine enge und gute Beziehung zum Heiligen Stuhl gepflegt. Wenn man all dies bedenkt, so ist es verständlich, daß im Fürstentum Liechtenstein der Gesetzgeber der römisch-katholischen Kirche als Landeskirche den besonderen Schutz des Staates zusichert, wobei dennoch jedermann die Glaubens- und Gewissensfreiheit gewährleistet ist und auch anderen Konfessionen das Recht auf Religionsausübung innerhalb der Schranken der Sittlichkeit und der öffentlichen Ordnung verbürgt ist. Gern richte ich an dieser Stelle an alle nichtkatholischen Bürger dieses Landes einen besonderen brüderlichen Gruß der Wertschätzung und Solidarität. 2. Als Nachfolger Petri, dem die göttliche Vorsehung die oberste Hirtensorge für alle Kirchen anvertraut hat, bin ich heute zu einem Pastoralbe-such in Ihr geschätztes Land gekommen, für das Sie als Landtagsabgeordnete, als Regierungsmitglieder und als Zivilbehörden eine hohe Verantwortung tragen. Ihr verantwortungsvoller Auftrag ergibt sich aus der verfassungsmäßigen Definition Ihres Staatswesens, wonach das Fürstentum Liechtenstein eine konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage ist und wonach die Staatsgewalt im Fürsten und im Volk verankert ist (Artikel 2 der Verfassung). Im Grunde aber hat Ihr Auftrag ein noch tieferes Fundament. Denn, so heißt es im Römerbrief, „es gibt keine staatliche Gewalt, die nicht von Gott stammt; jede ist von Gott eingesetzt“ {Röm 13,1). Diese Aussage des Völkerapostels ist aber leider durch viele negative Geschichtserfahrungen erschüttert worden und wird heute von nicht wenigen grundsätzlich hinterfragt. Vor genau hundert Jahren, im Jahre 1885, hat mein verehrter Vorgänger, Papst Leo XIII., in seiner Enzyklika „Immortale Dei“ einige grundlegende Gedanken über die christliche Staatsordnung und namentlich über den theologischen Ursprung der Staatsgewalt geäußert. Er mahnt darin die Staatsmänner, vor allem auf Gott und seinen Willen zu blicken, auf den höchsten Herrscher der Welt. Ich weiß, daß die Probleme, für die ein Politiker heutzutage Lösungen finden und durchsetzen muß, sehr komplex sind. Ich sehe aber auch, daß die Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft bei der Suche nach Problemlösungen heute immer wieder auf historische, ethische und religiöse Voraussetzungen zurückverwiesen sind. Gerade der christliche Politiker muß sich ein feines Gespür für die aller Tagespolitik vorausliegenden gesellschaftlichen Grundbedingungen bewahren. Er muß von einem soliden Wert- und Verantwortungsbe- 985 REISEN wußtsein her handeln. Er kann sein vom christlichen Glauben geprägtes und fortwährend zu prägendes Gewissen bei seinen Beratungen und Entscheidungen niemals dispensieren. Gerade bei der heutigen Vielfalt der Ansichten und Absichten ist vom gläubigen Christen, der in einer gesellschaftlichen Führungsposition steht, ein klarer Standpunkt gefordert. 3. Als sichtbares Oberhaupt der Kirche Christi, welche als Wesensmerkmale die Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität besitzt, bin ich in besonderem Maße verpflichtet, dafür meine Stimme zu erheben, daß überall dort, wo diese Kirche in ihren Gliedern lebt, das Eine, Heilige, Katholische und Apostolische auch wirklich unter ihnen aufleuchte. Bei der gemeinsamen Eucharistiefeier heute morgen ist dies auf einzigartige Weise in unserer Mitte geschehen. Das ganze Leben der Gläubigen und die Gestaltung ihres Gemeinwesens soll aber davon erfaßt und geprägt werden. Ich habe eingangs auf die christliche Tradition dieses Landes hingewiesen und wünsche von Herzen, daß die heutigen Liechtensteiner und Liechtensteinerinnen auf diesem kostbaren und kraftvollen Erbe weiterbauen. Dies ist notwendig für die Bewahrung der Identität dieser kleinen Volksgemeinschaft. Die negativen ideologischen Beeinflussungen, denen heute auch die Menschen dieses Landes ausgesetzt sind, dürfen niemals an der gesunden sittlichen Substanz zehren, die auch eine hoffnungsvolle, menschenwürdige Zukunft zu gewährleisten vermag. 4. Durch die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, vor allem im Hinblick auf die Frage der Sicherheit und Zukunft Europas und der Gemeinschaft der europäischen Länder überhaupt, bestehen in neuester Zeit bereits wertvolle Kontakte zwischen dem Fürstentum Liechtenstein und dem Heiligen Stuhl. Der glückliche Umstand wollte es, daß diese erst vor kurzem in der Form offizieller diplomatischer Beziehungen ihre feierliche Bestätigung gefunden haben. Es ist das gemeinsame Ziel, nach besten Kräften einen wirksamen Beitrag für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt zu leisten. Mit diesem Bemühen entspricht die Kirche einem lebenswichtigen Anliegen, welches das Zweite Vatikanische Konzil, das vor 20 Jahren seinen Abschluß fand, in einem eigenen Kapitel der Pastoralkonstitution Gaudium et spes unter dem Titel „Die Förderung des Friedens und der Aufbau der Völkergemeinschaft“ behandelt. Dabei gilt: „Die Staatsbürger sollen eine hochherzige und treue Vaterlandsliebe pflegen, freilich ohne geistige Enge, vielmehr so, daß sie dabei das Wohl 986 REISEN der ganzen Menschheitsfamilie im Auge behalten, die ja durch die mannigfachen Bande zwischen den Rassen, Völkern und Nationen miteinander verbunden ist“ (Nr. 75). Die Menschheitsfamilie, aufgebaut aus den einzelnen Völkerfamilien, hat - so groß sie auch ist - immer die Einzelfamilie zur natürlichen Grundlage. Ihre sittliche Verfassung steht somit in engstem Zusammenhang mit der religiös-sittlichen Qualität der einzelnen Familie. Sie gestatten, daß sich dies auch hier wiederhole und, im Blick auf die moralische Integrität der Einzelfamilie und des ganzen Gemeinwesens, an dieser Stelle noch einmal betone, wie entscheidend es heute ist, für die Verteidigung der sittlichen Grundwerte in der Gesellschaft, besonders für den Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens, mit aller Entschlossenheit einzutreten. Das Zweite Vatikanische Konzil spricht hierzu eine deutliche Sprache: „Gott, der Herr des Lebens, hat nämlich den Menschen die hohe Aufgabe der Erhaltung des Lebens übertragen, die auf eine menschenwürdige Weise erfüllt werden muß. Das Leben ist daher von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen. Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuungswürdige Verbrechen“ (Gaudium et spes, Nr. 51). 5. Die klare Stimme, mit der der Kirche für das schwache, wehrlose Kind eintritt, darf nicht ungehört verhallen; es ist die Stimme des Kindes selber, das Gott „im Schoß der Mutter gewoben“ hat, wie der Psalmist sagt (vgl. Ps 139,3). Niemand darf diesen Schoß auf unmoralische Weise verletzen; wer dies tut, verletzt den Schoß der Familie selber, der natürlichen ebenso wie der Völkerfamilie und der Menschheitsfamilie. Möge deshalb auch das Fürstentum Liechtenstein - auf dem sittlichen Fundament seines christlichen Erbes - alles unternehmen, um den Wert und die Würde des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen wirksam zu schützen und zu verteidigen. Die „Charta der Familienrechte“, die vom Hl. Stuhl im Oktober 1983 allen Personen, Institutionen und Autoritäten vorgelegt worden ist, die mit der Sendung der Familie in der heutigen Welt befaßt sind, versteht sich als eine hilfreiche Wegweisung „zugunsten der Familie, die geachtet und gegen jeden widerrechtlichen Zugriff verteidigt werden muß“ (ebd., Einführung). Das Lebensrecht des ungeborenen Menschen gehört zu jenen unveräußerlichen Menschenrechten, für deren Schutz und Verteidigung sich gerade auch Ihr Land in der Geschichte und vor allem in der jüngsten Vergangenheit durch vielfältige opferbereite und auch mutige Initiativen vorbildlich eingesetzt hat. Ich erinnere an die großzügigen Hilfeleistungen 987 REISEN für Flüchtlinge und Verwundete der letzten Weltkriege durch das Liechtensteiner Rote Kreuz, an die bereitwillige Aufnahme von Verfolgten, denen Sie innerhalb Ihrer Landesgrenzen Gastfreundschaft gewährt und eine neue gesicherte Existenz ermöglicht haben. Dieses gereicht dem Fürstentum Liechtenstein zur bleibenden Ehre. Möge dieser mutige Einsatz für die Würde und die Rechte des Menschen von gestern Ihr Volk, besonders die Verantwortlichen in diesem Staat, auch heute und morgen als Vorbild und Auftrag in ihren Entscheidungen leiten und verpflichten! Das wünsche ich Ihnen von Herzen und erbitte ich vom Herrn und Richter der Geschichte und aller menschlichen Geschicke. Sehr geehrte Damen und Herren, ich danke Ihnen aufrichtig für Ihre geschätzte Anwesenheit und Aufmersamkeit. Möge Gott, der Allmächtige, Ihre verantwortungsvolle Arbeit in Staat und Gesellschaft stets mit seinem Segen begleiten. Maria, die Königin des Friedens, schenke Ihnen, Ihren Angehörigen und den Ihrem Weltdienst anvertrauten Menschen in diesem „lieben Heimatland“ (Landeshymne) ihren mütterlichen Schutz und Beistand. Gotteslob - der tiefste Sinn des Lebens Ansprache an die Jugend vor der Dux-Kapelle Maria zum Trost Liebe, junge Freunde aus dem Fürstentum Liechtenstein, aus der Schweiz, aus Österreich, aus Deutschland, woher auch immer ihr seid: „Hoi zemma!“ Seid alle sehr herzlich gegrüßt! Ich freue mich, daß ihr heute abend hierhergekommen seid, um mit dem Papst zusammenzusein und mit ihm zu beten. Wir wollen uns gegenseitig im Glauben ermutigen und uns mit ganzem Herzen Gott zuwenden. Wir tun dies am Geburtsfest der Mutter Gottes hier bei der Dux-Kapelle, wo sie als „Unsere Liebe Frau von Liechtenstein“ in besonderer Weise verehrt wird. Ihr habt das Gotteslob, ihr Magnifikat, zum Hauptgebet und -meditationstext für unsere Begegnung gewählt. Bemühen wir uns gemeinsam darum, ihren Lobpreis der Größe und Güte Gottes tiefer zu verstehen und dadurch Gott auch in unserem eigenen Leben besser zu erkennen. <181> <181> „Meine Seele preist die Größe des Herrn“, so beginnt Maria ihren Lobgesang (Lk 1,46). Ihr Lobpreis der Größe Gottes entspringt ihrem 988 REISEN Glauben und ihrer persönlichen Erfahrung. In der Tat, Gott ist groß als Schöpfer, der die Welt ins Dasein gerufen hat. Ihre oft so bezaubernde Schönheit, wie die der Berglandschaft eurer Heimat, läßt etwas aufscheinen von der Herrlichkeit des Schöpfers selber. Gott ist groß in der Geschichte der Menschheit. Er läßt Völker entstehen und vergehen. Er führt das auserwählte Volk aus seiner Knechtschaft in das verheißene Land. Gott ist groß im Leben einzelner Menschen, im Leben Marias selber und vieler heiligmäßiger Männer und Frauen, die als leuchtende Vorbilder in die Geschichte eingegangen sind. Gott ist aber auch groß in meinem eigenen Leben, im Leben eines jeden von uns. Er hat uns ins Dasein gerufen, er beschenkt uns jeden Augenblick mit allem, was wir sind und haben, und lädt uns ein zur ewigen Lebensgemeinschaft mit ihm. Sprecher von euch haben jedoch soeben bekannt, wie schwierig es für sie sei, an Gottes Gegenwart in ihrem Leben zu glauben; besonders dann, wenn ihnen etwas Böses zugestoßen ist oder wenn sie einen lieben Menschen verloren haben. Gewiß, eine drängende Frage: Wenn Gott so groß und mächtig und voll Liebe zu uns ist, wo ist er dann, wenn uns Leiden zuteil werden? Wo ist Gott in Auschwitz, in Hiroshima und Nagasaki gewesen? Wo ist Gott, wenn Kinder verhungern, wenn Männer und Frauen gefoltert werden, wenn hoffnungsvolle junge Menschen sterben müssen? Während uns die Schöpfung gleichsam unseren Blick öffnet für die Existenz Gottes, für seine Weisheit, Macht und Güte, scheinen die Übel und Leiden hingegen sein Bild zu verdunkeln, vor allem im täglichen Drama so vieler schuldloser Leiden. Ursache allen Unheils ist die Sünde des Menschen Die besondere Schwierigkeit der Antwort liegt darin, daß gerade das, was euren Glauben erschwert, nämlich das Leiden, selbst nur vom Glauben her erhellt und tiefer verstanden werden kann. Wie uns die ersten Seiten der Heiligen Schrift lehren, hat Gott am Anfang alles „gut“ geschaffen. Das Böse und alles Unheil kam durch die Ursünde des Menschen in die Welt. Der erste Mensch mißbrauchte seine Freiheit und wandte sich ab von Gott. Er wollte sein wie Gott, aber ohne Gott! Seitdem ist die ganze Schöpfung, wie der hl. Paulus sagt, „der Vergänglichkeit unterworfen“; sie seufzt und liegt in Geburtswehen bis zum heutigen Tag (vgl. Rom 22,20-22). Alles Leid in der Welt ist Teil dieser vom Menschen selbst verschuldeten Unordnung. Gott läßt das Böse im Menschen und unter Menschen zu, weil er dessen Freiheit achtet und weil er für diejenigen, die 989 REISEN ihn lieben, alles - selbst das Schlimmste - noch zum Guten zu wenden vermag. 2. Maria sagt es uns mit den Worten: „Mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,47). Immer wieder dürfen Menschen in Not Gott als ihren Retter erfahren. Gott ist nicht nur groß als Schöpfer, Gott ist groß auch als Erlöser. Gott ist groß im Erbarmen. Er sieht in besonderer Weise auf die Niedrigen und auf die Erniedrigten (vgl. Lk 1,52). Doch wie rettet uns Gott aus der Macht des Bösen? Durch die Erlösung in Jesus Christus. Gott selber wird aus unergründlicher Liebe ein Mensch, zum „Gott-mit-uns“. Er teilt mit uns Menschen unser Leben und nimmt unser Schicksal auf sich. Er heilt durch seinen Gehorsam unseren Ungehorsam (vgl. Phil 2,5—11), durch seine Liebe unsere Lieblosigkeit. Durch sein Leiden am Kreuz tilgt er unsere Schuld, durch seinen Tod erwirbt er uns neues, ewiges Leben. Auf die Frage nach dem Sinn des Leidens und des Todes in unserem Leben gibt uns Jesus Christus eine bessere Antwort, als je ein Mensch sie sich hätte ausdenken können. Sein Kreuz antwortet auf die Frage nach dem Sinn des Leidens, seine Auferstehung auf die Frage nach dem Sinn des Todes. Von außen gesehen, ist die Hinrichtung des unschuldigen Jesus von Nazaret völlig sinnlos. Mit den Augen des Glaubens erkennen wir jedoch, daß dieses Leiden erlösende Kraft und damit einen ganz tiefen Sinn hat. Von außen gesehen ist der Tod stärker als das Leben. Weil Jesus Christus auferstanden ist, erkennen wir mit den Augen des Glaubens, daß es ein Leben gibt, das stärker ist als der Tod. Durch sein Kreuz und seine Auferstehung ist Christus für uns der Retter aus der Macht der Sünde und des Todes geworden. Vom Leiden Jesu bekommt auch unser Leiden einen Sinn; durch die Auferstehung Jesu wird auch unser Tod besiegt (vgl. Röm 6,5). „Im Kreuz Christi hat sich nicht nur die Erlösung durch das Leiden erfüllt, sondern das menschliche Leiden selbst ist dabei zugleich erlöst worden“ (Salvifici doloris, Nr. 19). Fortan dürfte deshalb das Leiden unseren Blick auf Gott nicht mehr trüben; es kann im Gegenteil sogar ein Zeichen für eine besondere Gegenwart Gottes in unserem Leben sein, ein Anruf an uns zu einer noch engeren Christusnachfolge. Christliches Leben ohne Gebet undenkbar 3. Gott ist groß als Schöpfer und als Erlöser. Gott ist aber auch groß durch Jesus Christus in seiner Kirche. Denn Christus ist und bleibt in der 990 REISEN Kirche für immer gegenwärtig (vgl. Mt 28,20). In ihr schenkt er denen, die an ihn glauben, sein göttliches Leben und heiligt sie. Es gibt an der Kirche gewiß auch manches zu kritisieren, es gibt in der Kirche bisweilen Ärgerliches und Schmerzliches; denn sie ist auch eine Gemeinschaft von irrenden und sündigen Menschen. Trotzdem rufe ich euch heute zu: Liebt eure Kirche! Denn trotz aller Mängel verkündet sie euch verbindlich Gottes Wort, schenkt sie euch in den Sakramenten einzigartige Begegnungen mit Jesus Christus, hilft sie euch, euer Leben auch inmitten von Prüfungen menschenwürdig und christlich zu bestehen. Was in erster Linie von Maria gilt, das gilt auch von der Kirche, das gilt von allen, die durch die Taufe ihre Glieder geworden sind. „Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter; denn der Mächtige hat Großes an mir getan“ (Lk 1,48 f.). Gott hat uns alle durch Christus in der Kirche überreich beschenkt. Und wenn das so ist, was können wir dann Besseres tun, als ihn dafür dankbar zu lobpreisen? „Meine Seele preist die Größe des Herrn“, sagt Maria. Gott zu loben, ist die vornehmste Aufgabe, die uns im Leben gestellt ist. Gott zu loben, das ist der tiefste Sinn unseres Lebens! Wie aber können wir das tun? 4. Wir loben Gott, indem wir beten. Ein christliches Leben ohne Gebet ist undenkbar. Jesus selbst hat sich viel Zeit zum Beten genommen (vgl. Mt 14,23; Lk 6,12). Das Gebet ist die stärkste Macht, die wir Christen den bösen Mächten in der Welt entgegensetzen können. Beten heißt nicht nur, daß wir Gott alles sagen können, was uns bewegt. Beten heißt auch, daß wir schweigen, um zu hören, was Gott uns sagen will. Habt deshalb Mut zum Gebet und auch dazu, in der Stille auf die leise Stimme Gottes zu hören. Wir loben Gott, indem wir am Sonntag an der heiligen Messe teilnehmen. Es gibt ini Grunde keine bessere Weise, den Sonntag als den Tag des Herrn zu heiligen. Denn in jeder heiligen Messe hören wir gemeinsam das Wort Gottes, danken wir Gott ausdrücklich für das Große, das er an uns getan hat, bitten wir ihn im Namen Jesu um die Kraft zu einem wahrhaft christlichen Leben. In jeder heiligen Messe feiern wir den Tod und die Auferstehung des Herrn. In jeder Messe dürfen wir Jesus besser kennenlernen. Ich weiß, daß euch der Besuch des sonntäglichen Gottesdienstes manchmal Mühe macht. Trotzdem möchte ich euch diese Pflicht sehr ans Herz legen. Ein Sportler, der die Trainingsstunden versäumt, gefährdet seine Leistung. Ihr gefährdet die Vertiefung eures Glaubens, wenn ihr der sonntäglichen Begegnung mit Jesus Christus aus dem Wege geht. Sucht 991 REISEN das Gespräch mit euren Seelsorgern, damit sie euch helfen, immer tiefer hineinzuwachsen in die Geheimnisse des Glaubens, die wir feiern. Wir loben Gott, indem wir regelmäßig beichten. Wir dürfen unsere Sünden bekennen, weil wir wissen, daß Gott groß ist im Erbarmen. In jedem Sündenbekenntnis lobpreisen wir die Barmherzigkeit Gottes. Ich weiß, daß auch viele Jugendliche heute die persönliche Beichte kaum noch kennen und praktizieren. Ich möchte euch ermutigen, dieses weithin vergessene Sakrament neu zu entdecken. Diese Mühe wird sich lohnen. Jesus, der dir deine Sünden vergibt, wird die dir Kraft schenken, die Schwierigkeiten des Lebens zu meistern. Der Priester, der sich bemüht, dich zu verstehen, wird dir helfen, den Willen Gottes für dein Leben besser zu erkennen. 5. Unser ganzes Leben muß in unser Gotteslob einstimmen. Nicht nur am Sonntag, auch an den Werktagen sollen die Menschen etwas von eurem Glauben spüren. In einer Umgebung, die oft nicht mehr christlich denkt und handelt, gehört Mut dazu, zum Glauben zu stehen. Habt diesen Mut! Vielleicht lacht man dich aus, weil du Freude am Religionsunterricht hast. Vielleicht verspottet man dich, weil du in die Kirche gehst oder dich offen zu ihrer Lehre bekennst. Kümmert euch nicht darum! Sucht Gleichgesinnte! Bildet Gruppen, um einander im Glauben zu stärken! „Sucht nach einem einfachen Lebensstil!“ Liebe, junge Freunde! Ihr lebt in einem wohlhabenden Land. Freut euch darüber und nutzt die euch dadurch gebotenen Chancen. Seid euch jedoch zugleich der Verantwortung bewußt, die sich für euch daraus ergibt. Können wir Gott auch mit dem Reichtum loben? Das Magnifikat spricht eine ernste Warnung aus, wenn es sagt: „Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen“ (Lk 1,53). Materieller Reichtum ist an sich etwas Gutes, solange wir nicht den Hunger der Seele in ihm ersticken. Weil wir aber immer wieder in Gefahr sind, abhängig zu werden von dem, was wir besitzen, müssen wir ganz bewußt das Verzichten üben. Durch ein ungezügeltes Genießen-Wollen kann der Mensch sich und seine Umwelt zerstören. Sucht nach einem einfachen Lebensstil. Laßt euren Reichtum und Wohlstand zu einem Segen werden für andere, indem ihr mit denen teilt, die in Not sind! So erfüllt auch ihr die Verheißung Gottes: „Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben.“ Ihr könnt euch darauf verlassen: Gott wird eure Verzichte überreich lohnen. 992 REISEN 6. In diesen Jahren wählt ihr euren Beruf. Es ist nicht leicht, hier die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es ist auch nicht mehr selbstverständlich, daß ihr einen geeigneten Platz in der Arbeitswelt findet. Die Arbeitslosigkeit ist in vielen Ländern ein großes Problem. Ich wünsche euch von Herzen, daß ihr einen Beruf erlernen und ausüben könnt, der euch Freude bereitet und Erfüllung schenkt. Die meisten von euch suchen und wählen in diesen Jahren sodann auch den Lebensgefährten, weil sie eine eigene Familie gründen wollen. Die Liebe von Mann und Frau ist eine große und schöne Gabe Gottes. Darum müssen wir verantwortungsbewußt mit ihr umgehen. Für uns Christen ist sie nicht nur eine private Angelegenheit. Nach dem Zeugnis der Bibel ist die geschlechtliche Liebe ein Abbild der Liebe Gottes zu den Menschen (vgl. Hos 2,18-25), ein Bild der Liebe Christi zur Kirche (vgl. Eph 5,21-33). Gott ist treu, und die Liebe Christi ist unwiderruflich (vgl. Hebr 9,11—10,18). Darum kann der Christ die geschlechtliche Liebe nur innerhalb des Ehebundes vollziehen, das heißt nach jenem endgültigen Versprechen, das er seinem Ehepartner vor Gott und der Kirche gegeben hat. Auch die Erfahrung zeigt, daß voreheliche geschlechtliche Beziehungen die Wahl des richtigen Lebenspartners eher erschweren als erleichtern. Zur Vorbereitung auf eine gute Ehe gehört, daß ihr euren Charakter schult und festigt. Ihr sollt auch jene Formen der Liebe und Zärtlichkeit kultivieren, die der Vorläufigkeit eurer freundschaftlichen Beziehung angemessen sind. Das Warten- und Verzichtenkönnen wird es euch später leichter machen, liebevoll auf den Partner Rücksicht zu nehmen. Zur Vorbereitung auf eine gute Ehe gehört ebenfalls, daß ihr euch - soweit es euch schon betrifft - dem Wissen nach vertraut macht mit jenen Methoden für eine verantwortliche Elternschaft, welche die Kirche erlaubt und fördert. Macht euch vertraut mit der ganzen Lehre der Kirche über die christliche Ehe, wie sie erst jüngst in dem wichtigen Dokument Familiaris consortio als Frucht einer eigenen Bischofssynode dargelegt worden ist. Ich weiß, liebe, junge Christen, daß es heute viele gibt, die in diesen und ähnlichen Fragen anders denken als die Kirche. Ich weiß, daß viel Mut dazu gehört, gegen den Strom zu schwimmen. Ich rufe euch aber diese Grundsätze nicht in Erinnerung, um euch das Leben schwerer zu machen, als es ist. Ich bin vielmehr davon überzeugt, daß diese Grundsätze der Würde der menschlichen Person angemessen sind und darum letztlich eurem zeitlichen Glück und ewigen Heil dienen. 993 REISEN Ehelosigkeit um Christi willen 7. Ihr solltet aber auch nicht vergessen, daß es noch eine andere Weise gibt, die Liebe im Leben zu verwirklichen. Es gibt den Ruf zur Nachfolge Christi im Priester- und Ordensleben, in der freiwillig gewählten Ehelosigkeit oder in der Jungfräulichkeit-um des Himmelreiches willen. Ich bitte euch sehr, daß jeder einzelne sich ernsthaft fragt, ob Gott ihn nicht auf einen dieser Wege ruft. Allen, die einen solchen persönlichen Ruf zu hören glauben, sage ich: Betet beharrlich um die notwendige Klarheit! Dann: aber sagt ein frohes Ja! Auch den Verzicht, der in diesem Lebensweg liegt, wird Gott reich vergelten. Maria hat sich als Jungfrau und Mutter mit ihrem ganzen Leben Gott zur Verfügung gestellt (vgl. Lk 1,26-38). Wir loben Gott in einer ganz besonderen Weise, wenn auch wir ungeteilt für ihn leben wie Maria. In einigen Wochen beginnt bei euch hier in Liechtenstein die Volksmission. Sie steht unter dem Motto: Aufbruch zum Leben. Gemeint ist damit jenes Leben, das Gott uns durch Jesus Christus und im Heiligen Geist schenken will. Ihr habt mich nach dem Sinn des Lebens gefragt. Dieser Sinn ist weder eine Idee noch sonst irgend etwas, sondern eine Person. Sie heißt: Jesus Christus! Wenn ihr also zum Leben aufbrechen wollt, müßt ihr zu Jesus Christus aufbreehen. Er gibt eurem Leben Sinn in guten und in schweren Tagen. Ihr werdet Jesus mit Sicherheit finden, wenn ihr euch durch Maria führen laßt, und ihn nie mehr verlieren, wenn ihr euch die Haltung Mariens zu eigen macht und alle Tage mit eurem Leben in ihr .Gotteslob voll einstimmt: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter — Magnificat anima mea Dominum!“ Amen. Weihegebet zur Muttergottes Selige Jungfrau Maria, Deine Geburt erfüllt uns alle mit großer:Freude. In dir ist aufgeleuchtet die'Morgenröte der Erlösung; denn . Du hast uns geboren Christus, die Sonne der Gerechtigkeit. Als Mutter des Retters der Welt und als Mutter der Kirche hilfst Du uns beim Aufbruch zum Leben in Christus. Du, allzeit neine und makellose Jungfrau, geleitest uns auf sicherem Weg aus der Finsternis der Sünde und des Todes in das göttliche Licht Deines 994 REISEN Sohnes, der uns im Heiligen Geist mit dem himmlischen Vater versöhnt hat und durch den Dienst der Kirche immer wieder neu versöhnt. Heilige Gottesmutter, dieses Heiligtum auf Dux trägt Deinen Namen „Maria zum Trost“. Du wirst hier als „Unsere Liebe. Frau von Liechtenstein“ verehrt. Vor Deinem geliebten Bild beteten gläubige Menschen vieler Generationen. Hier kniete in gefahrvoller Zeit der Fürst dieses Landes und übergab Dir, der Trösterin der Betrübten und der Königin des Friedens, seine Familie und das ganze liechtensteinische Volk. Heute kniee ich als oberster Hirte der Kirche Christi an diesem heiligen Ort und weihe Deinem Unbefleckten Herzen Fürstenhaus, Land und Volk von Liechtenstein. Voll Vertrauen übereigne ich Dir seine Familien und Gemeinschaften, seine Verantwortlichen in Kirche, Staat und Gesellschaft, seine Kinder und Jugendlichen, seine kranken, behinderten und betagten Menschen, seine Toten, die in den Gräbern der Auferstehung harren. Ich vertraue Deiner mächtigen Fürsprache das ganze Volk Gottes an und bekenne vor Dir: Du bist die „Mater fortior“ für uns alle. Ja, die Mutter ist stärker! Du, Gottesmutter, bist stärker als alle gottfeindlichen Mächte, die unsere Welt und unser eigenes Leben bedrohen. Du bist stärker als alle Versuchungen und Anfechtungen, die den Menschen von Gott und seinen Geboten wegziehen möchten. Du bist stärker als alles eigensüchtige Streben nach Selbstverwirklichung, das dem Menschen den Blick für Gott und den Nächsten verstellt. Du bist stärker, weil Du vollkommen geglaubt, gehofft und geliebt hast. Du bist stärker, weil Du den Willen Gottes ganz erfüllt hast und den Weg Deines Sohnes gehorsam und treu bis unter das Kreuz mitgegangen bist. Du bist stärker, weih Du am Ostersieg;des Herrn bereits mit Leib und Seele Anteil hast. Wahrhaftig, Du bist stärker, weil der Mächtige Großes an Dir getan hat. „Land und Fürst und Volk sind Dir geweiht, über alle, Mutter, Deinen Mantel breit’.“ Innig bete ich mit allen Gläubigen zu Dir: „Jungfrau, Mutter Gottes mein, laß mich ganz Dein eigen sein! Dein im Leben, Dein im Tod. Dein in Unglück, Angst und Not; Dein in Kreuz und bittrem Leid, Dein für Zeit und Ewigkeit. 995 REISEN Jungfrau, Mutter Gottes mein, laß mich ganz Dein eigen sein!“ Amen. „ Unterwegs zur ewigen Heimat“ Wort beim Abschied von Liechtenstein Durchlauchter Erbprinz, sehr verehrter Herr Bischof, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Am Ende dieses segensreichen Tages gilt Gott, dem Geber alles Guten, unser inniger Dank und Lobpreis. Seine Güte hat uns unter dem besonderen Schutz Mariens die heutige festliche Feier unseres Glaubens und die frohe Erfahrung unserer brüderlichen Gemeinschaft in Christus geschenkt; möge er daraus mit seiner Gnade reiche Früchte für das religiöse und gesellschaftliche Leben in diesem geschätzten Land heranreifen lassen. In Erwiderung der ehrenden Abschiedsworte möchte ich sodann Euer Durchlaucht, dem Erbprinzen und Stellvertreter des Durchlauchten Landesfürsten, als dem Sprecher der zivilen Autoritäten des Fürstentums Liechtenstein für die gastfreundliche Aufnahme herzlich danken, welche die Verantwortlichen in Staat und Kirche wie auch die Bevölkerung dieses Landes mir und meiner Begleitung gewährt haben. Ein aufrichtiges „Ver-gelt’s Gott!“ sage ich allen, die zur gediegenen Vorbereitung und erfolgreichen Durchführung dieses meines Pastoralbesuches beigetragen haben. 2. Voll nachhaltiger Erinnerungen verlasse ich heute wieder dieses schöne und freundliche Land. Ich denke an die herrliche Landschaft mit den majestätischen Bergen und den so sorgfältig bestellten Wiesen und Feldern; an die zahlreichen Kirchen und Kapellen, Weg- und Bergkreuze, die von der hier beheimateten langen christlichen Tradition und vom Glauben der Bürger zeugen. Vor allem aber denke ich an die vielen Menschen aus dem In- und Ausland, denen ich heute während meines Pastoralbesuches begegnen durfte. Die gemeinsamen Feiern und Begegnungen mit ihnen haben sich tief in mein Herz eingeprägt. Im Lichte des Festgeheimnisses der Geburt Mariens sind wir uns voll 996 REISEN Freude wieder neu unserer Berufung als Kinder Gottes und Glieder der Kirche bewußt geworden. Gott hat auch an jedem von uns „Großes getan“. Zugleich hat er uns alle eingeladen, durch unseren ganz persönlichen Einsatz entsprechend der erhaltenen Gnadengabe an der Errichtung seines Reiches in dieser Welt mitzuwirken: als Priester, Ordensleute, als für den Weltdienst verantwortliche Laien, als Jugendliche und Erwachsene, als kranke, behinderte oder betagte Menschen. Gott braucht jeden von uns, jeden an seinem Platz. Ich wünsche von Herzen, daß unser gemeinsames Gebet und die Besinnung des heutigen Tages eine Fortsetzung und weitere Vertiefung finden in der bevorstehenden Volksmission und so einen mutigen geistigen und religiösen „Aufbruch“ einleiten, der zu einem bewußteren und volleren Leben in Christus führt. Wir sind uns dessen bewußt, daß die Welt und die Gesellschaft von heute kraftvolle Impulse aus der Mitte unseres Christseins bedarf - ein Apostolat, das mehr durch das gelebte christliche Beispiel als durch Worte zu überzeugen vermag. Ich versichere euch für die kommenden wichtigen Tage eurer Volksmission meines besonderen Gebetes. 3. Wenn ich als Bote der Frohen Botschaft Jesu Christi die Gläubigen zu einem intensiven und entfalteten religiösen Leben ermutige und ansporne, wünsche ich damit zugleich Frieden und Wohlfahrt für ihr Gemeinwesen, für Staat und Gesellschaft. Ein guter Christ ist immer auch ein guter Bürger. Die Pflege des christlichen Erbes ist stets ein wichtiger Beitrag für ein menschenwürdiges Zusammenleben in der eigenen Volksgemeinschaft und eine gute Gewähr für einen dauerhaften Frieden mit den anderen Völkern. Dieses kostbare Gut ist in einer besonderen Weise der Sorge und Verantwortung der Jugendlichen anvertraut, denen es obliegt, darauf ihrem Land eine hoffnungsvolle Zukunft zu gestalten und zu gewährleisten. Liebes Volk Gottes im Fürstentum Liechtenstein! Du hast von den natürlichen Gegebenheiten her, in denen du lebst, einen besonderen Sinn für das Kleine und Schutzbedürftige. Bewahre dir die Tugenden der Bescheidenheit und der Großmut. Gewinne sie wieder, wenn du sie verloren hast; stärke sie, wenn sie schwach geworden sind! Du hast natürlicherweise ein Auge für deine Nachbarn. Schärfe deinen Blick für den Mitmenschen und seine Nöte! Gib deinem Nächsten Raum in deinem Herzen! Teile mit ihm, was du in so reichem Maße besitzt! In dieser zeitlichen Welt unterwegs zur ewigen Heimat tragen wir alle eine große Verantwortung füreinander, für unser eigenes Heil und für das Heil 997 REISEN der anderen Menschen. Obwohl wir hier keine bleibende Stätte haben und alles Innerweltliche nur vorläufig ist, nehmen wir doch unsere Verantwortung für diese Welt sehr ernst; denn dies ist der gottgewollte Weg zur ewigen Heimat. Sorgt deshalb im Geiste Christi und der Kirche auch für euer Land und denkt daran: „Dies liebe Heimatland, das teure Vaterland, hat Gottes weise Hand für euch erseh’n“ (Landeshymne). Gott segne und beschütze das Fürstentum Liechtenstein! Gott segne alle seine Bewohner! 998 8. Pastoraireise nach Genua (21. bis 22. September) REISEN Strukturen müssen dem Menschen dienen Ansprache an die Arbeiter in Genua am 21. September Liebe Arbeiter und Freunde der Stadt und Provinz Genua! 1. Ich bin glücklich, daß mein Besuch bei der Kirche und dem Volk von Genua von dieser Begegnung mit euch eröffnet wird, denn ihr seid nicht nur qualifizierte Repräsentanten der heutigen Aktivitäten, Hoffnungen und Probleme dieser schönen Stadt, sondern auch ihrer ruhmreichen Tradition, ja, ich würde beinahe sagen, des typischen Charakters, den die Genuesen in der Heimat und außerhalb in bezug auf die Welt der Arbeit erworben haben. Ich begrüße alle auf das herzlichste: die hier anwesenden Vertreter der Behörden, die Manager, Angestellten und die Arbeiter der Niederlassungen von Italsider und Ansaldo, denen Genua so viel verdankt, und von anderen verschiedenen Industriebetrieben dieser Gegend. Mit lebhafter Aufmerksamkeit habe ich die Grußworte vernommen, die im Namen aller der Leiter dieses Unternehmens, ein Arbeiter und ein Gewerkschaftsvertreter an mich gerichtet haben. Ich spürte in ihren Worten die Sorgen und Ängste mitschwingen, die die Welt der Arbeit hier vielleicht noch stärker als in anderen Regionen Italiens unablässig bedrängen. Aber ich habe in den Reden eurer Vertreter auch die Bestätigung des entschlossenen Willens entdeckt, die gegenwärtigen Schwierigkeiten zu überwinden und der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt und der Region neue Perspektiven zu eröffnen. Ich kann euch in diesen Vorsätzen nur ermutigen, die im vollen Einklang mit den edlen Traditionen eures Landes stehen. Mutig den Blick auf neue Technologien richten Jeder weiß, daß die Ligurer von ihren Ursprüngen an, die großenteils in das Dunkel ferner Zeiten gehüllt sind, und dann weiter in den Jahrhunderten ihrer Geschichte sich stets in außerordentlicher Kühnheit mit den Beschwernissen, die der rauhe Boden und das unbekannte Meer auferlegten, auseinandergesetzt haben, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen und ihre Felder und Städte immer fruchtbarer und reicher, die Meere im Mittelmeerraum und darüber hinaus, auf den Ozeanen, schiffbar und nutzbar zu machen. Mit den Fähigkeiten ihres Geistes, im Schweiß ihres Angesichts und mit der Kraft ihrer Arme haben eure Väter ein Epos der 1000 REISEN menschlichen Arbeit geschaffen, das ihr heute weiterentwickelt, indem ihr euch der neuen Mittel und Systeme einer avantgardistischen Technologie bedient, die in diesem Knotenpunkt des sogenannten „Industriedreiecks“ Italiens so weit fortgeschritten ist. Es ist jedoch bekannt, daß sich Genua nicht nur wegen der von der Natur in den Weg gelegten Schwierigkeiten und Hindernisse, sondern auch wegen der Probleme, die von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen in den großen Übergangszeiten ausgelöst wurden, auch in der Vergangenheit mehrmals in einer Krise befunden hat, wie sie sich in den letzten Jahren erneut eingestellt hat. Aus den mir zugeleiteten Berichten kenne ich die Ausmaße der heutigen Krise, die viele lebenswichtige Punkte einer Gemeinde betrifft: speziell die Sicherheit des Arbeitsplatzes, die Ruhe und Sicherheit für Familie und Gesellschaft, den ersten Arbeitsplatz Tausender Jugendlicher nach Abschluß der Ausbildung, den unter beruflichem Aspekt angemessenen und zeitnahen Charakter der Schule, das Gleichgewicht zwischen den alten und neuen Arbeitsbereichen, die psychischen und moralischen Verhältnisse, in die sich Jugendliche und Erwachsene, einzelne und Familien versetzt sehen, wenn sie am eigenen Leib die Schwäche des Produktionsprozesses und die Mängel des Systems von Verteilung und Entlohnung erfahren, die derart gravierend sind, daß sie die technischen Möglichkeiten auch der Menschen guten Willens zu übersteigen scheinen. Was soll man in dieser Situation tun? 2. Es ist natürlich nicht meine Sache, Lösungsformeln und Pläne zur technischen, wirtschaftlichen und industriellen Entwicklung anzubieten, obwohl die Kirche auch auf diesem Gebiet an der Seite all derer zu stehen versucht, die sich um die Lösung der Probleme bemühen; sie will sie ermutigen, anspornen, unterstützen, wie das euer Kardinal-Erzbischof Giuseppe Siri häufig tut, der so eifrig um das Gesamtwohl seiner Stadt besorgt und auch in sozialen Dingen kompetent ist. Aber heute appelliere ich an euch alle, daß ihr eure besten typischen Eigenschaften wiederbelebt, die heute wie gestern und schon sooft in eurer Geschichte euch helfen werden, einen starken Neuaufschwung einzuleiten. Ich spreche vor allem vom Unternehmungsgeist und der Kreativität auf allen Ebenen; ich spreche von der Nutzung des Erbes an Berufserfahrung und Arbeitsstrenge, das euch nicht nur in der Heimat, sondern auch auf internationaler Ebene in die vorderste Reihe stellt; ich spreche von der Entdeckung neuer Tätigkeitsbereiche, damit vor allem den jungen Men- 1001 REISEN sehen Arbeitsplätze geboten werden können, und - ich möchte sagen noch mehr - von dem Mut, den Blick auf das Neue, besonders auf dem Gebiet der Elektronik, Informatik und Anlagentechniken, gerichtet zu halten, um die Verluste zu ersetzen und die Krise zu beheben, von der die herkömmlichen Zweige der Eisenindustrie, des Schiffsbaus, der Elektromechanik, der Hafenarbeit heimgesucht werden. Ich spreche schließlich von einem neuen Aufschwung, wie er den Landsleuten eines Christoph Kolumbus und Andrea Doria eigentlich entsprechen müßte, einem neuen Aufschwung in Richtung auf die Meere, für die Genua mit seinem wichtigen Hafen aus naturgegebener Berufung offensteht, wie die Geschichte der Seefahrten, der Entdeckungen, der Handelsbeziehungen des genuesischen Volkes beweist. 3. Das ist keine Utopie. Wenn man nur wirklich will, lassen sich in der Welt neue Verhältnisse, neue Strukturen, neue Beziehungen zwischen den einzelnen, den sozialen Gruppen und den Völkern herstellen, um den Frieden in Gerechtigkeit und Brüderlichkeit sicherzustellen. Ich werde niemals müde werden, das vor allen zu wiederholen und alle zur Hoffnung und zum Mut für die Zukunft einzuladen, die wir aus dem Evangelium schöpfen und die ihre Bestätigung in den „Zeichen der Zeit“ finden. Ich muß freilich hinzufügen, daß die neue Zeit nicht ohne uns auskommt, d. h. ohne den Einsatz unserer konstruktiven Mitarbeit an der Verwirklichung des Planes Gottes in der Geschichte. So gesehen freut es mich zu erfahren, daß es in Genua in diesen letzten Jahren von seiten der Arbeiter bemerkenswerte Beweise von Mitverantwortung bei der Auseinandersetzung mit den Problemen und beim Aufteilen der Lasten des notwendigen Umstellungs- und Restrukturierungsprozesses im Hafen und in der Industrie gegeben hat, während viele Betriebe versucht haben, die empfindliche Reduzierung der Arbeitsplätze und die daraus folgende Einstellungssperre der jungen Leute in Grenzen zu halten. Laßt mich in diesem Augenblick eine herzliche Ermutigung an euch alle richten: an die Arbeiter, Manager, Unternehmer, Verwalter und mit allem Respekt an die behördlichen Autoritäten jeder Art, auf daß sie die Kräfte für einen wirkungsvollen und dauerhaften Wiederaufschwung sämtlicher Produktionskapazitäten vereinen, in einem Klima des Vertrauens, des Mutes, der sittlichen Strenge, der ernsten und ruhigen Zusammenarbeit, die zur Überwindung von Gegensätzen führen soll, die die größten Bemühungen zur wirtschaftlichen Wiederbelebung der Stadt lähmen könnten. 1002 REISEN Natürlich bedarf es bei allen, die sich an derselben Werkbank befinden, um durch ihre Arbeit zum Gemeinwohl beizutragen, eines sehr lebendigen Bewußtseins der Rechte und Pflichten jeder Seite, wie ich in meiner Enzyklika Laborem exercens darzulegen versucht habe; den Hauptpunkt dieser Enzyklika will ich im folgenden zusammenfassen. In allen die Arbeit betreffenden Fragen, in allen Lösungsversuchen, in allen Prozessen wirtschaftlicher und sozialer Umwandlung, industrieller Umstellung, Umstrukturierung von Betrieben, bei allen Neuanwendungen und neuen Erfahrungen, die verwirklicht werden, um den Herstel-lungs- und Versandprozeß der Güter zu beschleunigen und zu steigern, ist und muß der Mensch Gegenstand der Aufmerksamkeit, Thema und Ziel sein, das man im Auge hat, der Mensch in seiner physischen, psychischen, religiösen, familiären, sozialen, kulturellen Gesamtdimension (vgl. Laborem exercens, Nr. 15 ff.). Diese Schlüsselstellung möchte ich vor euch, liebe Arbeiter Genuas, bekräftigen, hier im Herzen dieser Industrie-, Hafen- und Handelsanlagen, in denen — das ist unser Wunsch — immer stärker neues Leben wachsen soll. Mehr auf die Ansprüche des Menschen als auf die Strukturen und Organisationssysteme blicken, die den Zweck haben, ihm zu dienen und nicht ihn zu beherrschen. Auf den Menschen blicken, in dem sich weitaus stärker als in den materiellen Gütern und in den Maschinen das Abbild Gottes widerspiegelt: Darum geht es! 4. Bei euch kann ich, da ihr Glauben besitzt, diese Sprache verwenden, die andere vielleicht nicht billigen würden: Allein im Licht Gottes lassen sich die ganze Größe und die ganze Würde und damit auch alle Rechte des Menschen bewerten! Ich weiß, daß ihr Genuesen gewissen geistlichen Werten immer treu geblieben seid, deren Existenz, auch wenn bisweilen eingeengt, in den Herzen, in der Achtung der Familie, in der Achtung vor den Verstorbenen, in der Verehrung der Muttergottes — die vor allem als Unsere Liebe Frau della Guardia verehrt wird, der auch ich im Heiligtum auf der Pigogna meine Verehrung erweisen werde - zum Ausdruck kommt. Ich weiß, daß ihr nie von der Tradition abgelassen habt, die Genua zu einer „Stadt Mariens“ macht, der die alten Dogen das Zepter und die Schlüssel der Stadt übergaben. Ich weiß, daß ihr eure Heiligen liebt, von denen ich heute den hl. Franz Maria da Camporosso erwähne, der im vorigen Jahrhundert Genua sozusagen zum Verteilerzentrum der Liebesgaben machte, die er empfing und zum Trost so vieler armen Leute verteüte. 1003 REISEN Ich weiß, daß unter den Arbeitern Genuas im vergangenen Jahrhundert sogenannte katholische Wirtschaftsgesellschaften entstanden sind, gleichsam Erben der mittelalterlichen Hafenkompanien. Sie wurden gegründet, um in der neuen Zeit die Soziallehre der Enzyklika Rerum novarum Leos XIII. zu verbreiten und zu verwirklichen. Ich weiß, daß auch heute viele von euch christlichen Bewegungen und Vereinen angehören, die sich der Förderung der Arbeiter widmen. Erinnern möchte ich auch an die verdienten „Arbeiterkapläne“, die sich aufopfern, um in den Betrieben und in den Familien der Arbeiter zur Verfügung zu stehen, um ihnen ihr Wort des Glaubens und des Friedens zu bringen. Ich weiß, daß besonders zu Ostern viele von euch sich um den Kardinalerzbischof oder seine Delegaten drängen, um in den Fabriken das zentrale Mysterium unseres Glaubens zu feiern. Ich kann also sagen, daß ihr ein Volk des Glaubens seid: und darum richte ich an euch diese abschließende Aufforderung: Seid gute Christen, habt Vertrauen in die göttliche Vorsehung, vergeßt nicht, vor allem am Morgen und Abend zu beten! Denkt an das, wozu euch das Evangelium ermahnt: „Euch aber muß es zuerst um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,33; Lk 12,31). Und: „Jeder wird dafür das Hundertfache erhalten “ (vgl. Mt 19,29). Diese Worte unseres Herrn Jesus Christus gelten auch für die heutigen Menschen und dienen dazu, die alten und neuen Probleme zu lösen: Sie seien euch Ansporn, die christliche Botschaft immer konsequenter zu leben und hochherzig zu bezeugen. Mit diesen Gedanken im Herzen segne ich euch alle im Namen des Herrn. Nicht in Mittelmäßigkeit verflachen Ansprache an die Jugend im Sportpalast in Genua am Sonntag, 22. September Meine Lieben! 1. Nun bin ich also am Mittelpunkt meiner Pilgerfahrt in das geliebte und geschätzte Genua angelangt, d. h. bei der erwarteten Begegnung mit euch, der Jugend, die die jüngste Generation dieses Landes vertritt, in die sich 1004 REISEN gewissermaßen alle früheren Generationen ergießen und hier eine außergewöhnliche Ballung von Geschichte, Kultur, Begabung und auch Heiligkeit zusammenströmen lassen. Mein herzlicher Dank ergeht an die beiden Jugendlichen, die die Empfindungen, die euch bei diesem freudigen Anlaß beseelen, eindrucksvoll zusammengefaßt haben. In dieser Versammlung können wir nicht nur einen Teil Genuas sehen, denn als Jugendliche und aufgrund eurer Lebensverhältnisse bietet ihr ein Bild von ganz Genua. Ihr seid Genua, weil ihr heute die Jugendlichkeit eurer Stadt verkörpert; weil ihr die Jugendlichkeit der Gesellschaft verkörpert, die sich hier bewegt; der Familien, die in ihr leben; ihr seid die Jugendlichkeit der Kirche, die hier bereits in den Anfangszeiten des Christentums eingepflanzt wurde. Diese Stadt, die so unerschrocken in ihren Initiativen war und blühend durch ihre Handelsgeschäfte, die jahrhundertelang im Vordergrund stand und heute nicht frei von Schwierigkeiten und zersetzenden Verlockungen ist, diese Stadt hat in euch ihre Zukunft und heute ihre größte Hoffnung. Darum wiederhole ich speziell für euch, was ich im vergangenen März an die ganze Jugend der Welt geschrieben habe: „Euer Jungsein ist nicht allein euer Eigentum, nur euer ganz persönliches Eigentum oder das einer Generation: es ist. . . ein besonderes Gut aller“ (Apostol. Schreiben an die Jugend der Welt, Nr. 1, in: O. R. dt., 29.3.85, S. 5), ein nicht meßbares und einmaliges Gut in der Geschichte eurer Stadt und für ihre Zukunft. Geformt in Familie und Pfarrei Die Zukunft Genuas geht mit eurer Zukunft Hand in Hand und fließt in sie ein: Euer Wohl und das Wohl Genuas lassen sich nicht trennen. „Von euch hängt das Ende dieses und der Beginn des neuen Jahrtausends“ für diese Stadt und für diese Diözese ab. Ihr seid schon jetzt, auch wenn ihr noch nicht eure volle Reife erlangt habt, das Gesicht und die Seele der Stadt Genua des Jahres 2000. Werdet ihr es verstehen, euch dieses Erbes würdig zu erweisen? Werdet ihr imstande sein, nichts von diesem außerordentlichen Erbe verderben zu lassen, sondern es durch euren Beitrag „zu bestätigen, zu erhalten und zu fördern“ (ebd., Nr. 11)? Werdet ihr es verstehen, das innere und ursprüngliche Profil, den strengen und dynamischen Charakter, die bürgerliche und christliche Wesensart eurer Stadt zu bewahren und zu entfalten? Ich bin dessen gewiß. 1005 REISEN 2. Heute früh habt ihr in Erwartung unserer Begegnung gebetet und gesungen; in den vergangenen Wochen seid ihr mit Fackeln zum Heiligtum der Madonna del Monte hinaufgestiegen, habt bei Meditation, Gebet und biblischen Lesungen Nachtwache gehalten und in Anbetung vor Jesus in der Eucharistie verweilt. Ihr habt euch auch vorgenommen, wieder Gefallen an Opfern zu finden, zu fasten, eine Geste der Versöhnung zu setzen. Ihr habt versucht, in eurer Umgebung die Zeichen der Liebe wachsen zu lassen. Und das alles, damit die Begegnung mit dem Papst ein Anlaß würde, das Geschenk des Jungseins, das „in der Kirche für die Gemeinschaft der Menschen zu leben“ ist, radikal zu verstehen. Und die Laterne aus Stein, die ihr mir jetzt geschenkt habt - eine eindrucksvolle Wiedergabe des Denkmals, das das Symbol eurer Stadt ist -, beweist den Einsatz, den ihr aufgewandt habt, und bezeugt euer Streben nach dem Guten, das euch - über die Begegnung mit dem Papst - dahinführt, daß ihr wirklich lebt und authentisch seid, zum Wohl Genuas. Aber euer Weg kommt von weiter her: Er nimmt für jeden von euch in der frühen Kindheit seinen Ausgang und hat sich in der Familie und Pfarrgemeinde geformt. Jeder von euch ist das Ergebnis einer in den Pfarreien und kirchlichen Verbänden und Bewegungen fest verankerten Erziehung. Katechismusunterricht und Bildungsvorträge, Initiativen geistlicher und apostolischer Art, Schullager und Jugendtreffen: Das alles sind wichtige Etappen eurer persönlichen Geschichte, der Geschichte auch dieser vielversprechenden christlichen Generation. Ich fordere euch auf, für diese Pädagogik insgesamt, die für euch eine Schule zu echtem Menschsein und authentischem Glauben war und bleibt, mit mir dem Herrn innig zu danken. 3. Dank diesem Erziehungsweg habt ihr die Gebote Gottes und die Vorschriften der Kirche gelernt; ihr seid dazu erzogen worden, die Stimme des Gewissens zu hören, das Gute vom Bösen zu unterscheiden, die sittlichen Werte zu schätzen und sich für sie zu entscheiden, was durch die Wahrheit der Werke zu beweisen ist. Aber nicht nur das. Wenn ihr bis hierher gekommen seid, wenn ihr bis heute ausgehalten habt, dann auch deshalb, weil ihr gewissermaßen direkt die Art der Begegnung erlebt habt, die eines Tages dem reichen Jüngling widerfuhr, von dem das Evangelium spricht: „Jesus sah ihn an und liebte ihn“ (Mk 10,21). Persönliche Lebensberufung Es besteht kein Zweifel, daß ihr katholischen Jugendlichen wenigstens einmal diesem Blick begegnet seid und daß die vielen Bildungsgelegenhei- 1006 REISEN ten insgesamt wenigstens dazu nutze sind, in euren Augen und in eurem Herzen „den liebevollen Blick“ Jesu aufleuchten zu lassen. Ich kann euch anderseits gar keine großartigere Erfahrung wünschen. Und ich versichere euch erneut: Jesus „schenkt jedem Menschen diesen Blick der Liebe. Das Evangelium bestätigt dies auf jeder Seite. Man kann sogar sagen, daß in diesem liebenden Blick Christi gleichsam eine Zusammenfassung der ganzen Frohen Botschaft enthalten ist“ (Apostol. Schreiben an die Jugend der Welt, Nr. 7). Von diesem Blick wird in euch „das Verlangen nach mehr“ geweckt, durch das der junge Mensch von der Hand des Heiligen Geistes Schritt für Schritt geführt wird, bis er in seinem Innern die Frage stellt: Was muß ich tun? Herr, was willst du von mir?„Was ist dein Wille? Ich möchte ihn vollbringen“ (ebd., Nr. 9). Das, liebe Freunde, ist der Punkt, wo für jeden der Weg seiner persönlichen Lebensberufung anbricht. Eure Lebenserfahrung konkret zu entdek-ken suchen, so schrieb ich schon an die ganze Jugend der Welt, „ist eine mitreißende Aufgabe, eine packende Herausforderung, in der sich euer Menschsein entwickelt und wächst und eure junge Persönlichkeit ihre innere Reife erwirbt“ (ebd.). Unter dem liebenden Blick Jesu erblüht ein Leben nach den Geboten und wird zu einem Leben, das sich des Geschenkes bewußt ist. Und wenn der Ruf Gottes euch auf verschiedenen Wegen erreichen kann; muß euch doch klar sein, daß es sich um ein Abenteuer händelt, das größer als jedes andere, tiefer und überzeugender als alle anderen ist. 4. In diesem Verlangen „nach mehr“, das in der jungen Seele unstillbar und darum heilsam und segensreich ist, möchte ich euch bestärken. Petrus, der durch göttliche Berufung zum „Fels“ geworden ist, wie auch das für den heutigen Anlaß komponierte Lied aussagt, fordert euch auf, nicht in Mittelmäßigkeit zu verflachen, euch nicht eitle Wünsche anzugewöhnen, nicht nur halb leben zu wollen mit reduzierten oder, noch schlimmer, verkümmerten Erwartungen. Der Papst ist gekommen, euch auf den Weg zur ständigen Neuheit in euch, in eurem eigenen Leben, zu führen. Jugend von Genua, „gebt nicht auf zu leben“, sondern nehmt eurer Leben in eure Hände und entschließt euch, aus ihm ein echtes, persönliches Meisterwerk zu machen! Andererseits wißt ihr selbst, daß es keine echte Begegnung gibt, die nicht Spuren hinterließe. Es kann darum keine Begegnung mit dem „liebenden Blick“ Jesus geben, ohne daß das Leben, innen und außen, davon berührt wird. Ja, der Beweis dafür, daß ihr dem Blick des Meisters begegnet seid, 1007 REISEN ist eure Lebensweise, die Wertordnung, nach der ihr eure Entscheidung trefft, deren Folgerichtigkeit, mit einem Wort: euer Verhalten als neue Geschöpfe im Sinn der Bergpredigt des Evangeliums. Die Begegnung mit Jesus verändert euer Leben Ich weiß, daß ihr ebenso wie eure Altersgenossen, die in anderen Gegenden Italiens und der Welt leben, sehr empfänglich für das Thema Frieden seid. Das soll auch bei dieser Begegnung Widerhall finden. Ich möchte diese Gelegenheit dazu benützen, euch eine vertrauliche Mitteilung zu machen. Wenn der Papst mit den Großen der Erde über den Frieden spricht, wenn er Botschaften an sie richtet, wenn er sich für die unglücklichsten und bedrängtesten Brüder einsetzt, so tut er das alles mit dem Ziel, daß es Auswirkungen auf die Zukunft hat, wenn eine neue Generation von Personen heranwächst, die fähig ist, positiv über die Beziehungen zwischen den Personen, Gruppen und Nationen zu denken. Und hier seid ihr auf den Plan gerufen, denn - wie ich zu der Jugend der Katholischen Aktion sagte - „die Nachfolge Christi ist Nachfolge des Friedens im Frieden. Frieden im Annehmen seiner Botschaft der Liebe. Frieden im Annehmen seines Geistes. Frieden im Leben in seiner Gnade, in der innigen Vertrautheit mit ihm durch die Sakramente und vor allem die Eucharistie“ (8. Mai 1982: Insegnamenti V/2, 1982, S. 1457). Auf diese Weise legt ihr in eurem noch kleinen Kreis schon jetzt eine Friedenshypothek an und tragt dazu bei, das Klima, in dem wir zur Zeit alle leben, zu ändern. Ihr leidet auch unter der Arbeitslosigkeit, die gleich einer Katastrophe besonders die Jugend heimsucht. Wenn ich euch einerseits bitte, nicht den Mut zu verlieren, möchte ich anderseits meine Stimme der eurigen anschließen, um die Verantwortlichen der Behörden und der Unternehmen zu ersuchen, das heilige Recht auf Arbeit, das ja nicht nur den Zugang zu den materiellen Gütern des Daseins ermöglicht, sondern Menschen formt, in seiner ganzen Bedeutung betrachten und bedenken zu wollen. Haltungen des Christen: Armut, Keuschheit, Opfergeist 5. Diesem Weg folgend, muß euer Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit auf das richtige Geleise gebracht werden: Er muß eine Dimension des Dienstes, der konsequenten Präsenz in der staatlichen und gesellschaftlichen Wirklichkeit, der sinnvollen und auch zur Freiwilligkeit bereiten 1008 REISEN Teilhabe aufweisen. Doch die Entscheidung für den Dienst vollzieht sich nicht in irgendeiner inneren Disposition, sondern durch Läuterung eures Selbst, eurer Persönlichkeit, um daraus jene Haltungen hervorgehen zu lassen, die unwiderruflich Haltungen des Christen sind: Armut und Keuschheit, Einfachheit und Freundlichkeit, Genügsamkeit und Opfergeist. Das Gebet sei eure mächtige, geheime Waffe. Durch das Gebet stärkt ihr euch angesichts der Herausforderungen des täglichen Lebens und eignet euch jenen christlichen Realismus an, der unerläßlich ist, um zur Reife zu gelangen. Vor allem aber könnt ihr dank des Gebets in wirksamer und ständiger Verbundenheit mit Gott leben. Das also, liebe Freunde, sind einige wesentliche Ziele für eure Zukunft, die - ich wiederhole es noch einmal - auch die Zukunft Genuas ist. Sie hängt größtenteils von euch ab, denn Gott läßt euch seine Gnade nicht missen. So denke ich von euch, so werde ich euch folgen. Und ich bitte für euch die Madonna della Guardia, die Fürsprecherin der Jugend und Patronin dieser Stadt und der Jugend der Welt, daß sie euch unter ihren Schutz nehme und an ihr Herz drücke, um euch dem Herzen ihres Sohnes Jesus zu übergeben. Ich lade euch nun ein, ihr, der Jungfrau Maria, der Mutter Christi und unserer Mutter, Geist und Herz zuzuwenden, wenn wir miteinander den Angelus beten. Nähe zum Kreuz Christi Predigt bei der Seligsprechung von Schwester Virginia Centurione Braccelli in Genua am 22. September <182> <182> „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein“ (Mk 9,35). Diese herausfordernden, eindrucksvollen Worte des Evangeliums, liebe Brüder und Schwestern in Genua, erlauben uns, eine Synthese des einzigartigen Lebens von Virginia Centurione Braccelli zu zeichnen, die ich heute hier in der Stadt, wo sie geboren wurde und wirkte und wo sie begraben ist, seliggesprochen habe. 1009 REISEN Diener aller zu sein, ist die Sendung, zu der sich der Sohn Gottes bekannt hat, als er zur Erlösung der Welt der leidende „Knecht“ des Vaters wurde. Jesus erläutert mit einer wunderbaren Geste die Bedeutung, die er dem Wort Knecht geben will: Die Jünger, die beunruhigt sind und wissen wollen, „wer von ihnen der Größte sei“, lehrt er, daß es statt dessen notwendig ist, sich auf den letzten Platz zu stellen, in den Dienst der Kleinsten: „Er stellte ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf“ (Mk 9,36-37). Ein Kind aufnehmen konnte zumal in der damaligen Zeit heißen, sich den Personen minderen Ansehens zu widmen; sich mit tiefer Achtung, mit schwesterlichem Herzen und voll Liebe um diejenigen zu kümmern, die die Welt vernachlässigt und die die Gesellschaft an den Rand drängt. Jesus offenbart sich so als Vorbild derer, die den Kleinsten und Ärmsten dienen. Er identifiziert sich mit dem, der in der Gesellschaft der Letzte ist, er verbirgt sich im Herzen des Armen, des Leidenden, des Verlassenen und sagt deshalb: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf.“ 2. Das Leben der Virginia Centurione scheint sich ganz im Licht dieser Botschaft zu entfalten: Verzicht auf das eigene Vermögen, um den Bedürfigen, den Bettlern zu dienen, sie aufzunehmen, sich den Letzten zu widmen, den Leuten, die von den Menschen am ärgsten vernachlässigt werden. Jung verwitwet, nahm sie die Einladung des Herrn an, ihm in seinen Armen zu dienen. „Ich will allein dir dienen, der du nicht sterben kannst“, war Virginias Gebet vor dem Gekreuzigten. „Ich will, daß du mir in meinen Armen dienst“, war die Antwort des Herrn. Virginia widmete sich zuerst den verlassenen Mädchen ihrer Stadt, damit sie nicht aus sozialer Not noch demütigendere moralische Nötigungen erfahren würden. Um ihnen zu sichern, was für ein würdevolles Leben notwendig war, beherbergte sie sie zunächst in ihrem Haus und ging, obwohl adeliger Herkunft, auf die Straße betteln. Ihre leidenschaftliche Nächstenliebe führte sie auch mitten in eine reiche Adelsgesellschaft, die eifersüchtig auf ihre Privilegien achtete, um Christus nachzufolgen, der „obwohl er reich war, um unseretwegen arm wurde“ (vgl. 2 Kor 8,9). Die Betrachtung über das Geheimnis von Golgota ließ sie auf konkrete und tätige Art die weise Botschaft des Buches Tobit begreifen: „Es ist gut, zu beten und zu fasten, barmherzig und gerecht zu sein . . . Besser, barmherzig sein als Gold aufhäufen (Tob 12,8). 1010 REISEN Aus Liebe zu Christus, der in seinen Armen lebt, wurde Virginia also arm und rief eine Form der Nächstenliebe ins Leben, die sich nicht auf bloße Hilfeleistung beschränkte, sondern die ganzheitliche menschliche Förderung zum Ziel hatte. Sie wollte alles daransetzen, für die Bettler annehmbare und auch in Zukunft gesicherte soziale Verhältnisse zu schaffen. So nahm sie auf geniale Weise die moderne Bedeutung von Hilfe und Fürsorge vorweg, indem sie lehrte, die Gaben der Liebe gleichsam zu verzinsen, und mit ihrer feinsinnigen Pädagogik dem Notleidenden half, aus der niederdrückenden Geisteshaltung herauszufinden und die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Die Armen selbst in ihren Behausungen im Armenviertel der Stadt aufzusuchen, gehörte zu den besonderen Pflichten, die sie sich selbst vorbehielt, als sie die „Damen“ und die „barmherzigen Helferinnen“ dazu anhielt, ihren Dienst an den Armen zu tun; denn sie hatte begriffen, daß die Liebe Christi nicht auf den Armen wartet, sondern ihn aufsucht, ihm in seinem Elend folgt - aus reiner Liebe. 3. Wenn wir uns fragen, woher denn die Kraft und der Mut zu einer so großartigen Hingabe und soviel Arbeit gekommen seien, so finden wir, daß im Zentrum ihres Lebens die Betrachtung des Gekreuzigten stand, des Jesus von Golgota, der immer gegenwärtig war, den sie liebte und anrief, besonders in den kritischen Augenblicken ihres eigenen Lebens und in der Geschichte der von ihr gegründeten Häuser. Mit dem Apostel Paulus konnte Virginia sagen: „Ich lebe im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal2,20). Der Herr vermag mit unsagbarer Liebe einige auserwählte Seelen näher an sein Kreuz zu ziehen, wobei er sich der Widerwärtigkeiten des Alltags, der Streitigkeiten der Menschen, der Demütigungen bedient, die von der moralischen Not der Welt herrühren. So läutert er den Geist seiner Heiligen, befähigt sie, die Botschaft des Kreuzes anzunehmen, sie sich zu eigen zu machen und sie hochherzig zu leben. Diese Nähe zum Kreuz Christi ist ein Geschenk, das dem geheimnisvollen Wirken der göttlichen Gnade entspringt und mitunter die Perspektiven dessen, der in irdischen Maßstäben denkt, verschiebt. Doch tatsächlich verkündet Christus immer sein Erbarmen eben durch diese Seelen, die er zu herausragenden Zeugen der Liebe formt, denn in den Prüfungen „suchten sie bei ihm Trost“ und konnten sich „mit Freude hingeben“, wie wir im Psalm gesungen haben. 4. Tiefe Liebe zu Christus und echte Liebe zu den Armen und Bedürftigen ist die Botschaft, die Virginia an die Stadt Genua bei dieser Gelegen- 1011 REISEN heit wiederholt, an die heutige Stadt mit ihrem steilen Aufstieg, der fieberhaften Betriebsamkeit ihres Hafens und ihrer Fabriken, ihres Arbeits- und Geschäftslebens. Genua soll, wie sie es immer gewesen ist, eine christliche Stadt sein. Genua ist eine Stadt, die unter verheeerenden Heimsuchungen gelitten hat, sich aber in der Geschichte als ein Symbol des Friedens erweist, und das insbesondere durch die Gestalt Benedikts XV., Giacomo Deila Chiesa, des Papstes, der während des Ersten Weltkrieges, im Jahr 1917, den Mut hatte, alle Völker der Welt dringend dazu aufzurufen, die Konflikte zwischen den Nationen nicht mit Waffengewalt, sondern durch die Anwendung der sich auf das Recht stützenden Verträge zu überwinden; der Papst, der als erster bereits im Jahr 1920 die Gefahren und katastrophalen Folgen des Wettrüstens aufzeigte, indem er auf eine auch für unsere Zeit höchst aktuelle und klare Weise unterstrich, welche Entbehrungen die Rüstungsausgaben gerade unter den ärmsten Völkern mit sich bringen. Genua, eine Stadt, die der Gottesmutter geweiht ist, der Madonna della Guardia, die die Genuesen grüßen, wenn sie abfahren und wenn sie von ihren Seereisen zurückkehren; eine Stadt der Gottesmutter, weil Virginia Centurione wollte, daß Maria zur Königin dieser Stadt erklärt und verkündet werde. Im Namen Mariens, Unserer Lieben Frau della Guardia, verkündet eure gläubige Gemeinschaft, auch wenn sie in der ganzen Welt zerstreut ist, ihre Identität und ihren berechtigten Stolz auf eine arbeitsame, unternehmungslustige, unermüdliche und mutige Bevölkerung. Möge diese Stadt Zeugin Christi sein in dem Konflikt der Gedanken und Meinungen, die heutzutage die Gläubigen herausfordern und den provozieren, der den Glauben dazu besitzt, die Nächstenliebe entsprechend der verkündeten Botschaft zu üben. 5. „Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert“ (Mk 9,31). Im heutigen Evangelium kündigt Jesus seinen Jüngern seine Passion an, er führt sie hin zum Verständnis dieses Geheimnisses, das in der Heilsgeschichte immer gegenwärtig ist. Sie jedoch begreifen seine Worte nicht. Aber können denn wir sie verstehen? Was sich in Galiläa bei dem uns vom Evangelisten Markus überlieferten Gespräch ereignete, ist eine ewig gültige Tatsache, die sich immer wieder ereignet. Es ist die Botschaft von Golgota, die jedesmal, wenn sie auftritt, dem Menschen als Schmerz, Armut, Leiden erscheint. Während Jesus also ankündigt, daß er „ausgeliefert werde“, lehrt er uns eine ewige und schmerzliche Tatsache: Er wird immer dem Menschen 1012 REISEN ausgeliefert werden, der Geschichte der Menschen, der Gesellschaft, den Kulturen, den immer neuen Generationen, die sich wie bei einer schwierigen Herausforderung über die Bedeutung des Lebens und des Kreuzes Christi Fragen stellen. In der Geschichte, die auf den Tod und die Auferstehung Christi folgt, ergibt sich immer wieder ein bedrängendes Dilemma zwischen dem Aufruf Christi und der Verlockung der Welt, zwischen den Entscheidungen, die konsequent dem Glauben folgen, und jenen, die an eine imma-nentistische Lebensvorstellung gebunden sind. Wir spüren, daß ein schwer zu bewältigender Gegensatz besteht zwischen dem Guten, wie es vom Wort Gottes, von Christus und von seinen Dienern und Zeugen unentwegt verkündigt wird, und einem anderen scheinbaren Guten, das mit dem erstgenannten im Kampf liegt und von Rechtfertigungen oder Erfolgen rein irdischen und menschlichen Charakters gestärkt und in den Forderungen der technischen Struktur des Lebens verkörpert wird. Es hat den Anschein, daß sich daraus zwei moralische, zwei sittliche Wege ergeben, die auseinanderlaufen, und die christliche Seele wie die Seele jedes ehrbaren Menschen sieht sich zwischen ihren schwierigen Entscheidungen hin- und hergerissen. Aber wird das Wort Christi der Schwäche des Herzens der Menschen, ihren Sünden, der erschütternden Woge moralischer Bedrohungen, die in der Welt im Steigen ist, ausgeliefert oder kann es auch heute noch das Menschenherz umformen, indem es ihm in seiner Hinfälligkeit beisteht und es zur Suche nach echten Werten anspornt, die sich auf das Sein, auf die Freiheit, auf die Wahrheit gründen? Ich bin gewiß, daß der Sauerteig des Evangeliums wie in der Vergangenheit auch in unseren Tagen Jünger Christi zu wecken vermag, die imstande sind, sich hochherzig zu bemühen, neue und mühsame Wege in allen Bereichen des organisierten Lebens zu suchen, um dem Menschen eine neue und sichere Hoffnung geben zu können, die sich auf den lebendigen Glauben an den gekreuzigten Jesus gründet. Der Christ muß seine Pflicht zum Dienst am Menschen mit Freude und in der Überzeugung tun können, daß sich so wie auf natürlicher Ebene auch auf der Ebene Gottes die Zunahme des Wohls des eigenen Lebens im Einsatz für die Zunahme des Wohls des anderen verwirklicht und Gestalt annimmt. 6. Aber seien wir wachsam und ehrlich, denn auch diejenigen, die Christus nahe sind, können sich über den Sinn ihrer Rolle in der Welt täuschen. „Sie hatten unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer von ihnen der Größte sei“ (Mk 9,34). 1013 REISEN Auch diejenigen, die Christus nahe sind, können sich von der Versuchung einer Daseinsform mitreißen lassen, die, während sie gern modern genannt werden will, sich von der Begeisterung für die Technik und vom Rausch ihrer Veränderungen hinreißen läßt, um schließlich materialistisch, laikal und den Problemen des Geistes gegenüber fremd zu werden; scheinbar freier, in Wirklichkeit aber der Sklaverei preisgegeben, die aus einer größeren Armut der Seele erwächst. Es hilft dem Menschen nichts, sich als soziales Wesen zu entwickeln, wenn er sich dann, was seinen Geist betrifft, Bedingungen größerer Armut überläßt. So verstanden, hat der Christ die Aufgabe, die heute dringender denn je ist, der Welt neue Lebensmodelle für eine neue Stadt vorzuschlagen, die auf der Brüderlichkeit der Liebe errichtet wird. Jesus lädt uns durch sein Beispiel zu einer konkreten Wahl des letzten Platzes ein, um denen zu dienen, die auf den verwickelten Pfaden des Lebens den Sinn für den Reichtum, der von Gott kommt, verloren haben. 7. Indem ich mich dem lieben und verehrten Bruder Kardinal Giuseppe Siri anschließe, der seit 1946 die Erzdiözese Genua mit Weisheit und Eifer führt, möchte ich diese Stadt und die ganze Erzdiözese, ihre Menschen, ihre Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen Gott anvertrauen; ich möchte sie der seligsten Jungfrau Maria, der Schutzpatronin und Königin Genuas, anvertrauen. Der Gottesmutter vertraue ich die geistlichen Töchter der Virginia Cen-turione an; die der Kommunitäten in Genua, die Schwestern Unserer Lieben Frau vom Kalvarienberg, die ihr „Brignoline“ nennt, die der Kommunitäten in Rom, die Töchter vom Kalvarienberg und die Schwestern, die in Indien, Afrika und Lateinamerika tätig sind. Ich vertraue der Jungfrau Maria ihre Freude über diese Seligsprechungsfeier an, aber auch ihren Geist der Liebe, ihre hochherzige Hingabe an die Kleinen und Armen, ihren Einsatz für die Erziehung der Jugend, für das Apostolat. Ich tue das, indem ich einem Satz der Virginia Centurione Braccelli folge, der mir der Zitierung wert scheint, weil er ein Zeichen ihres Gottvertrauens ist: „Ich überlasse mich - sagte sie - in allem und für alles den Händen dessen, der mich geschaffen hat, der mir mehr helfen wird, als ich es mir je vorstellen könnte“ (vgl. Offizium). So soll es für uns alle sein. Amen. 1014 9. Pastoraireise nach Sardinien (18. bis 20. Oktober) REISEN Der Mensch Arbeiter von Natur her Ansprache an die Bergarbeiter von Monteponi bei Iglesias (Sardinien) am 18. Oktober 1. Ich begrüße euch ganz herzlich, liebe Bergleute, und freue mich, zu dieser Begegnung, die mir besonders am Herzen liegt, unter euch zu weilen. Eure Arbeit stellt eine Tradition dar, die weit in die Jahrhunderte zurückreicht, denn der Boden eurer Insel birgt ihre spezifischen Reichtü-mer. Euer Bergwerk hier, das ich zu meiner Freude gleich besuchen werde, geht auf die Zeit der Phöniker zurück. Ein Zeugnis meiner pastoralen Sorge für euch Bergarbeiter, die ihr nicht selten unter äußerst harten Bedingungen eure Arbeit verrichten müßt, ist die Tatsache, daß ich bei der Abfassung der Enzyklika Laborem exercens, die der Untersuchung der Probleme der Arbeit gewidmet ist, euch eigens erwähnt habe (vgl. Nr. 9). Mit ebensolcher Zuneigung grüße ich die Arbeiter der Metall- und Maschinenbauindustrie und überhaupt die Vertreter der verschiedenen Kategorien der Arbeiter, die von der ganzen Insel hierhergekommen sind. Mit lebhaftem Interesse habe ich die Worte gehört, die einer von euch an mich gerichtet hat, und ich versichere euch, daß die von ihm im Namen aller zum Ausdruck gebrachten Sorgen in meinem Herzen starken Widerhall finden. Ich danke auch dem Präsidenten der ENI, Prof. Francesco Reviglio, für die freundliche Grußadresse, die er an mich richtete. Meine Geanken gehen auch zu euren geliebten Familien, liebe Arbeiter: zu euren Ehefrauen und Kindern, für deren Wohlergehen ihr hochherzig eure Kräfte verbraucht. Überbringt ihnen, wenn ihr nach Hause kommt, meinen herzlichen Gruß! Es war mein Wunsch, daß eine der ersten Begegnungen meiner Pastoraireise auf diesem starken Boden Sardiniens euch gewidmet sein sollte, um euch damit die Bedeutung, die die Kirche dem Leben der Arbeiterwelt beimißt, vor Augen zu stellen. Arbeit wird durch den Glauben sinnvoll Ich komme zu euch, liebe Brüder, gedrängt von dem lebhaften Gefühl brüderlicher Solidarität und bewegt von der Überzeugung, daß trotz mancherlei Schwierigkeiten auch eine Form der Tätigkeit wie die eure kein Hindernis bilden darf für die Verwirklichung der großen Ziele, die dem Leben Sinn und Würde verleihen. 1016 REISEN Vor dem Anbruch des Christentums wurde die körperliche Anstrengung wie jede andere Form des Opfers und Leidens nur als ein unvermeidliches Verhängnis unseres Daseins, das ohne Aussicht auf Licht ist, angesehen. Die alten Römer sahen insbesondere das Bergwerk als einen Ort der Verdammung an, und mit der grausamen Härte des lateinischen Ausdrucks „damnare ad metalla“ („zur Arbeit im Bergwerk verurteilen“) bezeichneten sie bereits ein Schicksal, aus dem es kein Zurück gab. Ich möchte hier gern daran erinnern, daß einer meiner Vorgänger, der hl. Papst Pontianus, der erste Papst, der seinen Fuß auf sardischen Boden gesetzt hat, vor 1700 Jahren hierhergeschickt wurde, nachdem er wegen seines unerschrockenen christlichen Bekenntnisses zur Grubenarbeit verurteilt worden war. Und wenn die Kirche ihn heute als Märtyrer verehrt, will sie einem Mann ihre Hochachtung erweisen, der den Glauben bis zum letzten Opfer bezeugt hat. Die Bedingungen, unter denen eure Arbeit heute vonstatten geht, sind zum Glück nicht mehr die von einst. Trotzdem bleiben sie immer noch sehr schwer, und das bringt euch einen besonderen Dank von seiten des gesamten Sozialkörpers ein. Denn dank der Arbeit in der Dunkelheit, die tief in der Erde vorangebracht wird, kann sich die Gemeinschaft neue, dort verborgene Reichtümer aneignen und sie für die Erhaltung und Entwicklung der ganzen Menschheit verarbeiten. Das ist in der Tat Gottes Plan: den Menschen durch den Einsatz des Geistes und der Arme zur Mitarbeit an dem großartigen Werk, „sich die Erde untertan zu machen“, zu berufen. Und so seid ihr, liebe Arbeiter von Sardinien, stets im Herzen der Kirche gegenwärtig, die kraft ihrer Treue zu Christus mit Augen besonderer Liebe und aufrichtiger Sorge auf euch blickt. 2. Seit dem ersten Aufbrechen der sogenannten „sozialen Frage“ im vorigen Jahrhundert als Folge der großen Industrialisierung hat sich die Kirche bemüht, ihren Weg Schritt für Schritt zu verfolgen, wobei sie beschloß, dem am meisten Leidenden und Schutzlosen nahe zu sein, und rechtzeitig ihre Stimme erhob gegen die systematischen Verletzungen der Würde der menschlichen Person, die Ausbeutung des Arbeiters, das Auftreten wachsender Zonen des Elends und sogar des Hungers. Im Verlauf der vergangenen Jahrzehnte hat die Kirche durch vielfältige Interventionen für den Arbeiter das Recht auf eine würdige, für sich und für die Familie gerecht bezahlte Arbeit gefordert und an „neue Bewegungen von Solidarität der Arbeitenden und mit den Arbeitenden“ (Laborem exercens, Nr. 8) appelliert. 1017 REISEN Während sie vermeidet, dem Problem eine einschränkende Sicht zu geben, sieht die Kirche die menschliche Arbeit in der Gesamtheit ihrer großen Komponenten unter dem religiösen, menschlichen, familiären und sozialen Gesichtspunkt. Sie weiß, daß allein der Glaube der Arbeit eine Sinnerfüllung gibt, weil er den Menschen - der von seiner Natur her Arbeiter ist - in den Mittelpunkt des Universums, in Beziehung zu Gott stellt. Nur so werden die transzendenten Grundlagen für eine Gerechtigkeit gelegt, die nicht mehr der Willkür von Parteieninteressen oder dem Spiel ideologischer Interpretationen überlassen bleibt. So wird jede menschliche Tätigkeit zu einem Faktor der Humanisierung, der Evangelisierung und des echten Fortschritts. 3. Liebe Arbeiter, in Übereinstimmung mit der Lehre der mir vorausgegangenen Päpste werde ich nicht müde, allen Untemehmergruppen und den gesellschaftlichen Kräften gegenüber zu wiederholen, daß sich der Wert der menschlichen Arbeit nicht auf einen bloßen Produktionsprozeß reduzieren läßt oder nur in bezug auf ihre ökonomische Zweckmäßigkeit gesehen werden darf. Auffassungen dieser Art haben leider die Voraussetzungen zu großen Ungerechtigkeiten geschaffen mit sehr negativen Folgen in der moralischen und zivilen Entwicklung der Gesellschaft. Mit solchen Grundansätzen wird nämlich der wahre Begriff der Arbeit tiefgehend entstellt, der Arbeiter seiner ihm zustehenden Vorrechte beraubt, die Wahrheit über den Menschen verzerrt, der sich in seiner tiefsten Würde erniedrigt sieht. Die menschliche Person erschöpft sich nicht in der irdischen Wirklichkeit, um so weniger erschöpft sie sich in ihrer Arbeit. Ein Zeichen für diesen Vorrang des Menschen vor der Logik der Produktion ist sicherlich im Recht auf die Feiertagsruhe zu sehen: Sie darf nicht nur als Unterbrechung der wirtschaftlich produktiven Arbeit und als Erholung der physischen Kräfte verstanden werden, sondern auch als nicht für die Wirtschaft bestimmte Freizeit, die es dem Menschen erlaubt, mehr Zeit für das Leben im Kreis seiner Familie zu haben, das kulturelle, soziale und religiöse Leben mehr zu pflegen und durch das Aufgreifen der höheren Werte der Liebe, der Freundschaft, des Gebets, der Betrachtung wieder zu sich selbst zu finden (vgl. Gaudium et spes, Nr. 67-68; Popu-lorum progressio, Nr. 20). 4. Wir wissen alle, daß es für den Menschen nicht schwer ist, sich der Arbeit wegen zu erniedrigen; wir können jeden Tag konkret die harte Wirklichkeit mit Händen greifen, daß es verschiedene Formen gibt, die 1018 REISEN menschliche Arbeit zu benützen, um aus ihr ein Mittel zur Unterdrückung des Menschen zu machen. Aber wir wissen auch, daß umgekehrt der Mensch durch die Arbeit, wenn er in seiner richtigen Perspektive als Hauptfigur der Welt, in der er arbeitet, gesehen wird, sich selbst als Mensch verwirklichen und gewissermaßen mehr Mensch werden kann (vgl. Laborem exercens, Nr. 9). Die Würde des Menschen wird nicht daran gemessen, was er tut, an seiner Fähigkeit, die Produkte der Erde umzugestalten und zu verarbeiten, an der Größe seines materiellen Gewinns, sondern an dem, was er ist. Ich sage noch mehr: Durch die Arbeit vermag er sich selbst als Christ zu verwirklichen und gewissermaßen mehr Christ zu sein. Das wird möglich, wenn der Mensch der Arbeit die Bedeutung beimißt, die sie in den Augen Gottes hat, und er sich vom Glauben, von der Hoffnung und von der Liebe führen läßt. Dann nähert er sich Gott, tritt in das Heilswerk ein, und seine Arbeit wird zu einer Übung des Glaubens und zu einem Ansporn für die innere Erhöhung und das Gebet. Diese Überlegung verwundert nicht, wenn man bedenkt, daß an der Arbeit der ganze Mensch, Leib und Geist, teilhat, unabhängig davon, ob es sich bei der geleisteten Arbeit um manuelle oder geistige Arbeit handelt. Mit Recht erinnert die Kirche daher an die Verpflichtung, eine Spiritualität der Arbeit im christlichen Sinne dieses Ausdrucks auszuarbeiten (vgl. Laborem exercens, Nr. 24). Die Heilige Schrift stellt uns deshalb zwei sehr inhaltsreiche Bilder zur Betrachtung vor Augen, die ich hier nur in Erinnerung rufen will. Im Paradiesgarten der Genesis war der erste von Gott erschaffene Mensch auch der erste Arbeiter. Im Neuen Bund in Nazaret befand sich neben dem Haus Mariens eine Tischlerwerkstatt, wo zuerst Josef als Handwerksarbeiter, dann Jesus, der gleichfalls Handwerker geworden war, arbeiteten, um sich das tägliche Brot zu verdienen, wie ihr, wie alle Arbeiter auf der Welt im Schweiße ihres Angesichtes für den Lebensunterhalt der Familie arbeiten. Die Familie: Sie stellt die lebendige Bindung dar, die ihr Auftrag zur Liebe der Arbeit verleiht. Als universaler Motor beseelt die Liebe die soziale Zielsetzung der Arbeit und verwandelt sie in Dienst zum Aufbau einer Gesellschaft von Brüdern: der Gesellschaft im Zeichen der Liebe. 5. Liebe Arbeiterbrüder, ich muß noch an einen weiteren Aspekt dieses Problems erinnern, um das Bild, das uns die christliche Auffassung davon gibt, zu bereichern. Das Buch Genesis lehrt, daß die schmerzvolle Erfahrung einer Arbeit, die 1019 REISEN „im Schweiße des Angesichts“ (Gen 3,19) ausgeführt wird, die Folge der am Anfang vom Menschen begangenen Sünde ist. Die Sünde, meine Lieben, ist eine tragische Tatsache, die nicht vergessen werden darf: Sie steht am Beginn der Übel der Gesellschaft und der Leiden des Menschen. Die Kirche, die sich um die Beseitigung der Ungerechtigkeiten aus der Welt der Arbeit bemüht, ist nicht weniger darum bemüht, unter Gottes Führung die Sünde zu bekämpfen und ihre Folgen zu vermindern. Sie ist sich jedoch realistischerweise bewußt, daß trotz der Anstrengungen der Schmerz weiterhin zum Leben der Welt gehört. Der große Papst Leo XIII., der mit soviel Weitblick die Probleme der Arbeit analysierte, schrieb in diesem Zusammenhang Worte, die heute im Licht der historischen Wahrheit prophetisch anmuten. Er empfahl, sich nicht von denen täuschen zu lassen, die „die Leiden der Welt vollständig beseitigen wollen. Leute, die sagen, daß sie das könnten, und den unglücklichen, armen Menschen ein Leben frei von Schmerz und Sorgen versprechen, ein Leben, das lauter Frieden und Genuß ist, führen das Volk irre und zerren es auf einen Weg, der zu viel größeren Leiden als den derzeitigen führt“ (Rerum novarum, Nr. 14). Der Christ nimmt die Last und die Strafe der Mühsal auch als Sühne der Schuld, als Läuterung der Seele, als Rückkehr zur verlorenen Unschuld an. Aber diese Auffassung vom Bußcharakter der Arbeit, die sicher ihre nicht zu übersehende Bedeutung hat, heißt nicht Verzicht auf die Bemühung, Situationen der Ungerechtigkeit zu verändern, noch Entbindung von der Verpflichtung, die Gesellschaft konkret zu verbessern. Sie will schlicht und einfach bewußt Einbringung in das Geheimnis eines göttlichen Planes der Liebe besagen, der die Mitarbeit des Menschen für das Heil der ganzen Menschheit und die Erhöhung der Welt fordert, wodurch das allgemeine und verbreitete Element des Schmerzes in ein Werkzeug der Gnade umgeformt wird. Ohne diese evangelische Sicht ist es unmöglich, das Kreuzesopfer zu begreifen und an seinem unermeßlichen Wert teilzunehmen. 6. Wenn ich zu euch, liebe Arbeiter, spreche, die ihr so zahlreich aus verschiedenen Gegenden Sardiniens zusammengekommen seid, um wieder einige Leitlinien der an Anstößen und Leistung so reichen kirchlichen Soziallehre zu hören, wünsche ich natürlich euch, allen Arbeitern auf der Insel, in Italien und in der Welt und besonders jenen, die wie ihr Bergleute sehr harten Arbeitsbedingungen gegenüberstehen, eine Verbesserung der Lebensverhältnisse und eine mutige Gesetzgebung, die zunehmend von der Gefahr der Versklavung durch eine nur an der 1020 REISEN Produktion gemessenen Arbeit befreit. Ich versichere euch, daß diese Perspektive für mich, der ich Arbeiter war wie ihr, zu meinen täglichen Gebeten und meiner ständigen pastoralen Sorge gehört. Und ich wünsche innig, daß euch meine Aufforderung ansporne, euch um menschliches und geistliches Wachstum zu bemühen. Initiativen gegen die Geißel der Arbeitslosigkeit Doch während mein Blick auf den verschiedenen Gruppen dieser Versammlung ruht, müssen meine Gedanken noch rasch einen anderen Schauplatz aufsuchen, der unser aller Herz so tief betrübt. Es ist der - von dem, der in eurem Namen gesprochen hat, wirkungsvoll beschworene -Augenblick einer großen Schar von Jugendlichen dieser tapferen und arbeitsamen Insel, die wegen Arbeitsplatzmangels gezwungen ist, die Hände in den Schoß zu legen. Es ist bekannt, daß das Phänomen der Arbeitslosigkeit heute in ständig wachsendem Maß nahezu alle Länder der Industriegesellschaft heimsucht. Aber Grund zu großem Schmerz und Sorge ist, festzustellen, daß im statistischen Vergleich Sardinien als eines der am schwersten betroffenen Gebiete aufscheint. Das Problem kann - wie ich mehrmals betont habe - ohne Zweifel nur durch Verträge und Vereinbarungen auf der Ebene der internationalen Zusammenarbeit zufriedenstellend gelöst werden (vgl. Laborem exercens, Nr. 18). In dieser Stunde jedoch möchte ich meinen Appell an alle nationalen und regionalen Behörden, an alle politischen und sozialen Kräfte richten, denen es um das wahre Wohl des Menschen zu tun ist, daß sie mit vorrangigem Einsatz ihre Bemühungen dahingehend vermehren, Initiativen zu wecken, die Koordination zu rationalisieren, damit der weitverbreiteten Geißel der Arbeitslosigkeit wirksam entgegengetreten wird, sie in kurzer Zeit vermindert und nach und nach endgültig beseitigt werden kann. Ich bin sicher, daß die kirchlichen Organisationen auf allen Ebenen bereit sind, ihre volle Mitarbeit anzubieten. Mit diesem Ausblick auf die nächste Zukunft segne ich von Herzen alle und jeden einzelnen von euch und wünsche euch eine frohe, von einem entsprechenden Wohlstand verschönte Zukunft im Rahmen einer gerechten und friedlichen Gesellschaft. 1021 REISEN Der Christ soll Apostel sein Predigt bei der Eucharistiefeier in Oristano (Sardinien) am 18. Oktober 1. „Danken sollen dir, Herr, alle deine Werke und die Frommen dich preisen. Sie sollen von der Herrlichkeit deines Königtums reden, sollen sprechen von deiner Macht“ (Ps 145,10-11). Mit diesen Worten aus der heutigen Liturgie möchte ich zusammen mit euch, liebe Brüder und Schwestern, Gott preisen! Mit euch Bewohnern von Oristano und ganz Sardinien! Ich möchte den dreieinigen Gott preisen, der die unaussprechliche Gemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ist. Ich möchte Gott, den Schöpfer, Gott, den Erlöser, Gott, der alles belebt und alles neu macht, preisen. Denn das ist der erste Zweck meines Kommens zu euch und meiner Pilgerfahrt auf den Straßen eurer Insel. „Danken sollen dir, Herr, alle deine Werke.“ Danken soll dir diese Schöpfung, die den Namen „Sardinien“ trägt; dieses wunderbare Land und die Menschen, die es bewohnen; seine Vergangenheit und seine Gegenwart: dieser einzelne, „kleine Teil“ deiner Kirche. Das alles soll durch unseren gemeinsamen Dienst „die Herrlichkeit deines Reiches“ verkünden. 2. „Lukas ist bei mir“, schreibt der Apostel Paulus im Brief an Timotheus (2 Tim 4,11). Heute ist Lukas bei uns, er ist bei der ganzen Kirche, weil die Universalkirche diesen Tag dem Gedenken dieses Evangelisten widmet. Die Gemeinschaft derer, die an Christus glauben, hegt eine große Verehrung für die Apostel und Evangelisten, denn sie haben viel von der Herrlichkeit des Reiches Gottes gesprochen. Der Evangelist Lukas, Schüler und Gefährte des Paulus bei dessen mühevollen apostolischen Arbeiten, nimmt unter ihnen eine Sonderstellung ein. Ihm verdanken wir das dritte Evangelium und die Apostelgeschichte. Wir können also die Worte des hl. Paulus über ihn wiederholen, die der ersten Lesung von heute entnommen sind: „Der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Heiden sie hören“ (2 Tim 4,17). 3. Der Evangelist gehörte nicht zur Gruppe der Apostel, sondern wir dürfen ihn wohl unter jeden zweiundsiebzig Jüngern suchen, von denen der heutige Abschnitt seines Evangeliums spricht. 1022 REISEN Es waren zweiundsiebzig. Der Herr selber bestimmte diese Zahl, wie wir lesen: „und sandte sie zu zweit voraus in alle Städte und Ortschaften, in die er selbst gehen wollte“ (Lk 10,1). Der Herr Jesus gab ihnen auch genaue Anweisungen, wie sie sich auf dem Weg verhalten sollten, nämlich die Frohbotschaft vom Reich Gottes zu verkünden, das nahe ist. Lukas stellt uns das Reich Gottes vor allem als kommende Wirklichkeit vor, als Weg, den bis zum letzten Ende zu gehen, das heißt, bis er am Pascha des Herrn teilnimmt, der Christ aufgerufen ist. Ein Christentum, das sich mit Christus auf dem Weg zum Vater befindet, ein Weg, der symbolisiert wird im Hinaufgehen nach Jerusalem: „Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf; dort wird sich alles erfüllen, was bei den Propheten über den Menschensohn steht“ (Lk 18,31). 4. In unserer Zeit ist das II. Vatikanische Konzil zum Ort einer neuen Aussendung der Jünger Christi geworden, damit sie die Frohbotschaft vom Reich Gottes verkünden, das im Ostermysterium des Erlösers in die Welt gekommen ist. Denn das Konzil hat mit neuer Kraft die von der Kirche ununterbrochen verkündete dringende Notwendigkeit des Heilsauftrags, der mit selbstloser Hingabe mitten im Gottesvolk verwirklicht werden muß, neu herausgestellt. Dieser Auftrag ist vor allem den Bischöfen und den Priestern anvertraut, die der göttliche Erlöser „seiner eigenen Weihe und Sendung teilhaftig gemacht hat“ (Lumen gentium, Nr. 28; Presbyterorum ordinis, Nr. 2), indem er ihnen einen umfassenden Auftrag einräumte, denn - so unterstrich jene große ökumenische Versammlung - „jeder priesterliche Dienst hat teil an der weltweiten Sendung, die Christus den Aposteln aufgetragen hat“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 10). Doch diese Sendung erstreckt sich in verschiedener Form überhaupt auf alle Getauften, die die christliche Gemeinschaft bilden. So sagt in der Tat das Konzil: „Die Laien können in verschiedener Weise zu unmittelbarer Mitarbeit mit dem Apostolat der Hierarchie berufen werden, nach Art jener Männer und Frauen, die den Apostel Paulus in der Verkündigung des Evangeliums unterstützten ... So obliegt allen Laien die ehrenvolle Bürde, dafür zu wirken, daß der göttliche Heilsratschluß mehr und mehr alle Menschen aller Zeiten und überall auf der Erde erreiche“ (Lumen gentium, Nr. 33). Jeder Christ soll sich daher als Gesandter und Apostel, das heißt als Verbreiter des Glaubens, fühlen. Er soll sich als jemand fühlen, in dem die Fackel des Glaubens entzündet worden ist, die ihrer Natur nach dazu bestimmt ist, zu leuchten, damit alle daraus Licht und Wärme schöpfen 1023 REISEN können (vgl. Lk 11,33); er soll sich als Apostel fühlen und die an ihn gestellten Anforderungen durch Gebet, gutes Beispiel, Hingabe, Opferbereitschaft, Arbeit, Selbstdisziplin und Zusammenarbeit voll erfüllen. Der Weltmissionssonntag, der übermorgen in der ganzen Welt begangen wird, möge somit für alle ein Ansporn sein, diese Ideale stärker zu leben, und ein Hinweis auf die Verpflichtung zur selbstlosen Mitarbeit an der Verbreitung des Glaubens in der faszinierenden Schau des Gottesreiches in ständiger Hinwendung zum Vater. 5. Mit diesen Gefühlen grüße ich alle Mitglieder dieser alten und berühmten Diözese Oristano sowie von Ales und Terralba und der ganzen Region, die hier in ihren ehrwürdigen Bischöfen vertreten sind, an die mein herzlicher Gruß im Herrn geht. Noch einmal umarme ich Msgr. Francesco Spanedda, Erzbischof dieser Diözese und Vorsitzender der Sardischen Bischofskonferenz. Meine guten Wünsche gelten ebenso allen zivilen und militärischen Autoritäten der Gemeinde, der Provinz und der Region. Ein besonderer Gedanke geht zu den Priestern, den Ordensmännern und Ordensfrauen und zu allen katholischen Vereinigungen, die mit ihrem eifrigen Wirken unaufhörlich das christliche Leben unter dem Gottesvolk auf diesem Landstrich fördern, der den Glauben bereits in den ersten Jahrhunderten des Christentums kennengelernt hat, auch wenn von Rechts wegen die Erzdiözese erst in späterer Zeit, und zwar infolge des Umzugs des Bischofs und seines Volkes von dem uralten Sitz Tharros nach hier, errichtet wurde. 6. Unter den Ereignissen, die das christliche Leben dieser Gemeinde geprägt haben, möchte ich das sardische Konzil von Santa Giusta im Jahre 1226 erwähnen, das für die ganze Insel eine wichtige Etappe in der Entstehung eines immer deutlicheren Kirchenbewußtseins darstellte, und die Versammlung der sardischen Bischöfe, die im Mai 1924 in Oristano abgehalten wurde: Sie diente der Festigung des pastoralen Einsatzes für eine tieferreichende und weiterverzweigte Evangelisierung der Region. Aber der Stern, der euer Volk auf seinem geistlichen Weg durch diese Jahrhunderte geführt hat, ist die Verehrung für die selige Jungfrau Maria. Die Marienverehrung auf der Insel reicht wohl bis in die Zeit der Christen zurück, die zur Zwangsarbeit im Bergbau verurteilt worden waren („dam-nati ad metalla“, wie es lateinisch hieß), und hat sich dann durch das Wirken der beiden sardischen Päpste, des hl. Hilarius und des hl. Symma-chus, ausgebreitet und verstärkt, die dem Volk unaufhörlich eine liebevolle Verehrung derjenigen einprägten, die hier volkstümlich „Nostra 1024 REISEN Sennora“ genannt wird und die in dem herrlichen Heiligtum der Madonna von Rimedio einen idealen Bezugspunkt hat. 7. Aber neben diesen von Dankbarkeit erfüllten Betrachtungen kann ich nicht umhin, auch auf einige Probleme sozialen Charakters hinzuweisen, die noch der endgültigen Lösung harren. Ich denke an die schwere Lage, in der sich viele Familien aufgrund der Abwanderung, der Arbeitslosigkeit oder der harten Bedingungen für die Landarbeiter befinden, wo es nicht immer eine entsprechende soziale Hilfe und die nötige Förderung in kultureller und geistlicher Hinsicht gibt. Ich drücke euch daher den Wunsch aus, daß ihr imstande sein möget, euch weiterhin für die Verbesserung der materiellen und wirtschaftlichen Probleme und für die Überwindung bestimmter Formen des Zusammenschlusses einzusetzen, die dem geordneten sozialen Fortschritt schaden und diesem ernsten, arbeitsamen Volk, das an seinem Land hängt, nicht zur Ehre gereichen. Diesem Volk gilt meine ganze Liebe, meine Sympathie und meine Wertschätzung, und mit den Worten des heutigen Evangeliums wiederhole ich: „Friede diesem Haus!“ (Lk 10,5); das heißt, Friede diesem auserwählten Teil des Gottesvolkes, Friede allen Bewohnern dieser Insel, die stolze Träger eines festen Glaubens und starker menschlicher Gefühle sind. 8. Am Tag vor dem Vorabend des Weltmissionssonntags, der vor allem ein Tag für die geistlichen Berufe ist, sind im Hinblick darauf die Worte des Evangeliums zu vernehmen: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ {Lk 10,2). Wie aktuell sind doch diese Worte des Lukasevangeliums! Wie sehr sind sie auch heute gültig, obwohl sie bereits beim ersten Aussenden der Jünger vom Herrn gesprochen wurden! Greifen wir den Appell des Meisters zum unablässigen Gebet dafür auf. Keiner soll meinen, daß er mit der Sache der Priester- und Ordensberufe nichts zu tun habe; jeder möge sich selbst vor Gott fragen und prüfen, um zu sehen, wo seine Verantwortlichkeiten liegen. Unablässig steige das inständige Gebet zum Vater auf, damit die Kirche immer mehr zunehme an Männern und Frauen, die mit ihrem gottgeweihten Leben in der Liebe zum Nächsten von Christus zu sprechen vermögen, damit die ganze Welt glaubt. <183> <183> „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt. . ., daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt“ {Joh 15,16). Diese Worte Christi 1025 REISEN scheinen von der Kirche jedem Gläubigen in den Mund gelegt zu werden, damit er sie wiederholt für sich und für die anderen und dementsprechend handelt. Liebe Brüder und Schwestern! Mögen uns diese Worte ständig an unsere Erwählung, an unsere christliche Berufung erinnern. Wir alle - jeder auf andere Weise — sind berufen, uns aufzumachen und Frucht zu bringen. Gerade darin verwirklicht sich ja die Herrlichkeit des Reiches Gottes unter uns. Die Jünger sind vom Meister erwählt worden, sie haben sich weder vorgestellt noch waren sie Freiwillige, wenigstens nicht zu Beginn; weil die von Jesus angebotene Freundschaft in die Heilsordnung gehört, ist sie ganz und gar unentgeltlich. Wer in die Liebesbeziehung mit Jesus eingetreten ist, ist verpflichtet, ein treuer und eifriger Jünger zu sein. Darin besteht das „Fruchtbringen“: in der Mitarbeit für die Zielsetzungen der Sendung Jesu. Unter diesen Bedingungen werden sich auch für diese Diözese Oristano die beglückenden Worte des Evangeliums verwirklichen: „Das Reich Gottes ist euch nahe“ (Lk 10,9). Amen. Leben im Licht des Ostermysteriums Predigt bei der Eucharistiefeier im Torres-Stadion von Sassari (Sardinien) am 19. Oktober <184> <184> „Jesus Christus ist gekommen, um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (vgl. Mk 10,45). Diese Worte verkündet die Kirche heute im Gesang zum. Evangelium der Liturgie dieser Vorabendmesse zum Sonntag und fügt das „Halleluja“ hinzu. Diese Worte fassen die Wahrheit über Jesus Christus, den Menschensohn, über den Knecht Jahwes, über den Erlöser der Welt, zusammen. Diese Worte enthüllen das österliche Profil des Evangeliums, in dem sich das gesamte Leben der Gemeinschaft der Gläubigen abspielt. Im besonderen dient der Tag des Herrn, d.h. der Sonntag, zur Hervorhebung dieses Profils. In den Abendstunden des Samstags feiern wir bereits die Liturgie des Tages des Herrn. 1026 REISEN Der Antwortpsalm tut unsere Gedanken und Gefühle kund, wenn er verkündet: „Unsere Seele hofft auf den Herrn, er ist für uns Schild und Hilfe . . . Laß deine Güte über uns walten, o Herr, denn wir schauen aus nach dir“ (.Ps 33,20.22). 2. In der Gemeinschaft dieser unserer Hoffnung auf Christus grüße ich die Kirche Gottes in Sassari: die Metropolitankirche und alle Suffragan-kirchen, die mit ihr verbunden und hier durch ihre Bischöfe und zahlreiche Gläubige vertreten sind. Mein besonderer Gruß gilt dem Erzbischof, Msgr. Salvatore Isgrö. Ich grüße euch, Priester von Sassari, Ampurias und Tempio, Bosa, Alghero und Ozieri: Nachdem ihr durch die heilige Weihe Christus, dem Priester, gleichförmig geworden seid, habt ihr die Aufgabe, sein Mysterium von Tod und Auferstehung so darzustellen, daß ihr das Volk, das euch anvertraut ist, darin einzuführen vermögt (vgl. Optatam totius, Nr. 8), damit eine lebendige, intensive missionarische Gemeinschaft besteht. Herzlich grüße ich alle und jeden einzelnen von euch, Alte und Junge, und besonders euch Kranke mit dem Wunsch, daß in allen Jesus gegenwärtig sei, so wie er in diesem Meßopfer gegenwärtig ist, in dem er, unser Paschalamm, das für den Menschen geopfert worden ist (vgl. 1 Kor 5,7), das Erlösungswerk erneuert und die Einheit aller Gläubigen herstellt, die dazu berufen sind, das Gebot der Liebe mit hochherzigem Einsatz zu befolgen. Mit Ergebenheit grüße ich die staatlichen Autoritäten und bringe den Wunsch zum Ausdruck, daß ihre Bemühungen zugunsten des Gemeinwohls die Erreichung der Ziele gestatten, die die Bevölkerung hier anstrebt. Wir alle bekennen gemeinsam das Ostergeheimnis Jesu Christi, das die Quelle des Lebens der Kirche ist. 3. Auf dieses Geheimnis lenkte der Heilige Geist den Blick des Gottesvolkes in der Zeit des Alten Bundes. Davon zeugen wohl am klarsten die Worte des Propheten Jesaja, die wir in der ersten Lesung der Messe gehört haben. Worte, die zur Zeit des Jesaja kaum verstanden werden konnten. Nach dem Geschehen des Karfreitags und des Ostermorgens sind sie klar und verständlich geworden. Der Prophet: spricht von dem Mann voller Schmerzen, der von den 1027 REISEN Menschen verachtet und gemieden wurde, mit dem Leid vertraut, wie ein Mensch, vor dem man das Gesicht verhüllt (vgl. Jes 53,3). Denn der Herr fand Gefallen, seinen Knecht mit schrecklichen Schmerzen heimzusuchen (vgl. Jes 53,10); dieser Knecht ist sein Sohn. In dieser Selbstentäußerung - fährt Jesaja fort - „wird er sich selbst als Sühneopfer hingeben“, und „durch ihn wird sich der Wille des Herrn durchsetzen“ (Jes 53,10). Und siehe, „nachdem er so vieles ertrug, erblickt er wieder das Licht und wird erfüllt von Erkenntnis. Mein Knecht ist gerecht, darum macht er viele gerecht“ (Jes 53,11). So führt uns der Prophet vom Geschehen des Karfreitags zur Auferstehung. Er, Jesaja, wird mit Recht „der fünfte Evangelist“, nämlich der Evangelist des Alten Testaments, genannt. 4. Wir alle, die wir hier - und in der ganzen Welt - Zusammenkommen, um am eucharistischen Opfer teilzuhaben, wissen und bekennen im Glauben, daß „wir einen erhabenen Hohenpriester haben“ (Hebr 4,14), Jesus, den Sohn Gottes; wir haben einen Hohenpriester, „der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat“ (Hebr 4,15); wir haben einen Hohenpriester, der „mit unserer Schwäche mitfühlen kann“ (ebd.). „Laßt uns also voll Zuversicht hinzutreten“ zum Altar seines Opfers, „zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit“ (Hebr 4,16). So lehrt uns in der heutigen Liturgie der Verfasser des Briefes an die Hebräer. 5. Als Christen sind wir aufgerufen, allen Ereignissen unseres Lebens im Licht des Paschamysteriums Jesu Christi zu begegnen. Das Evangelium erinnert daran, daß Jesus Christus selbst den Söhnen des Zebedäus -Jakobus und Johannes - den Weg zu diesem Geheimnis gezeigt hat. Auf ihre Bitte: „Laß in deinem Reich einen von uns rechts und den andern links neben dir sitzen“ (Mk 10,37) antwortete Jesus, daß der die Fülle des Lebens erreicht, der seinen Kelch trinkt, d. h. an seiner Liebe teilhat, die, weil es die wahre Liebe ist, nicht zaudert, sich völlig hinzugeben, und es auf sich nimmt, sein Blut für die ganze Menschheit zu vergießen. Das Leben erreicht in der Tat seinen Höhepunkt, wenn es sich dem Leben Christi gleichförmig macht und hier auf Erden an seinem Leiden, an seinem Sterben teilhat, um dann in seiner glorreichen Auferstehung zu leben. 1028 REISEN 6. In unserer Zeit hat das II. Vatikanische Konzil uns Christen alle erneut dazu auf gerufen, unser ganzes Leben im Licht des Ostermysteriums Jesu Christi zu begreifen und zu verwirklichen. Die Konstitution über die heilige Liturgie lehrt, daß „das Werk der Erlösung der Menschen und der vollendeten Verherrlichung Gottes, dessen Vorspiel die göttlichen Machterweise am Volk des Alten Bundes waren, Christus, der Herr, besonders durch das Paschamysterium erfüllt hat: sein seliges Leiden, seine Aufer-. stehung von den Toten und seine glorreiche Himmelfahrt. In diesem Mysterium ,hat er durch sein Sterben unseren Tod vernichtet und durch sein Auferstehen das Leben neugeschaffen. Denn aus der Seite des am Kreuz entschlafenen Christus ist das wunderbare Geheimnis der ganzen Kirche hervorgegangen“ {Sacrosanctum concilium, Nr. 5). 7. Aus der Teilhabe am Ostergeheimnis erwächst der Geist des Dienens, die Bereitschaft zum Dienen. Gerade das lehrte Christus seine Jünger durch das Wort und durch das Beispiel seines Verhaltens. Denken wir daran, daß er, bevor er mit ihnen das Letzte Abendmahl einnahm, ihnen die Füße wusch. Und heute hören wir im Evangelium seine bedeutungsvollen Wort: „Wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein . . . Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,43.45). Die Bereitschaft zu dienen, macht uns offen für Gott und für die Menschen, für den Schöpfer und für die Geschöpfe. Das Konzil lehrt uns genau das, und zwar im Geist des Evangeliums und zugleich in der Dimension der Zeit, in der wir heute leben. <185> <185> Die Kirche, die mit der Menschheit und ihrer Geschichte in der Tat engstens verbunden ist (vgl. Gaudium et spes, Nr. 1 u. 40), dient ihr, wie ich in meiner Ansprache an die Vertreter der gesamten Kirche Italiens auf dem Kirchtag in Loreto zum Thema „Christliche Versöhnung und die Gemeinschaft der Menschen“ erwähnt habe, indem sie ihr das Geheimnis Gottes, das ihr letztes und persönliches Ziel ist, offenbart und die sittlichen Werte fördert. Sie leistet so einen grundlegenden Beitrag zur echten Entwicklung der Gesellschaft, und das nicht, weil sie an einen Bereich rührt, wo sie nicht zuständig ist, sondern weil sie kraft des Glaubens an Christus und kraft seiner Liebe handelt, durch die sie berufen wurde, Seele und Herz der Welt zu sein. Damit das immer stärker Wirklichkeit wird, muß der Bruch zwischen 1029 REISEN Evangelium und Kultur überwunden werden. „Es muß eine Inkulturation des Glaubens beginnen, die durch die Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien, die bestimmenden Werte, die Denkgewohnheiten und Lebensmodelle erreicht und verwandelt, und zwar in einer Weise, daß das Christentum auch weiterhin dem Menschen der modernen Industriegesellschaft Sinn und Daseinsorientierung vermittelt“ (Ansprache in Loreto am 11. April 1985, Nr. 7, in: O.R. dt., 3.5.85, S. 6). Demzufolge forderte ich euch auf, darauf hinzuwirken, daß die Kirche in Sardinien dem Aufbau des menschlichen Zusammenlebens mit sozialen Werken und Initiativen dient, die „der ursprüngliche und schöpferische Ausdruck der Fruchtbarkeit der christlichen Liebe“ sein sollen (ebd.), und mit einer besonderen Aufmerksamkeit für die Familie und die Jugend, damit sie in der Gemeinschaft der Gläubigen jenen sicheren Halt und jenes echte Angebot eines Lebens in Frieden und Liebe finden, nach dem der strebt, der sich dem Dasein öffnet. Möge der missionarische Geist nicht nachlassen, der die Zeugen Christi in dieser Stadt beseelt hat. Es ist allen bekannt, daß der Weltmissionssonntag auf einer Tagung des Missionskreises des Provinzseminars von Sassari im Jahre 1926 angeregt wurde; das Seminar wurde damals von den Vinzentinerpatres geführt, unter denen vor allem Pater Giovanni Battista Manzella durch seinen apostolischen Eifer herausragte. <186> <186> Liebe Brüder und Schwestern! An diesem Samstagabend „hofft unsere Seele auf den Herrn“, denn der Tag des Herrn hat schon begonnen, und mit ihm ist im Rhythmus der Woche das Ostergeheimnis in besonderer Weise gegenwärtig geworden. Während wir uns die Fülle dieses Mysteriums Christi und die ganze Vielfalt der Aufgaben, die es uns im menschlichen und christlichen Leben erschließt, vor Augen halten, bitten wir noch einmal voll Demut und Liebe den Geist der Wahrheit, den der Herr uns sendet: „Laß deine Güte über uns walten, o Herr, denn wir schauen aus nach dir.“ Amen. 1030 REISEN Die Kirche muß missionarisch sein Predigt bei der Meßfeier im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Bonaria bei Cagliari (Sardinien) am 20. Oktober 1. „Jesus sagte zu ihnen: Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15) Diese Worte sind heute, am dritten Sonntag im Oktober, in der ganzen Kirche zu vernehmen, liebe Brüder und Schwestern, die ihr hier beim Heiligtum der Muttergottes von Bonaria versammelt seid. Denn dieser Sonntag ist in besonderer Weise den Missionen gewidmet: Es ist der Weltmissionssonntag, dessen Entstehung mit dem Namen einer Stadt eurer Insel, Sassari, verbunden ist. Im Jahr 1926 wurde in dieser Stadt eine Tagung des örtlichen Missionsvereins abgehalten, in deren Verlauf man beschloß, dem Papst die Einrichtung eines solchen Tages zu empfehlen. Als Pius XI. davon unterrichtet wurde, rief er aus: „Das ist eine Idee, die vom Himmel kommt!“ So entstand der Weltmissionssonntag, den wir heute begehen. An diesem Tag wird erneut an die ganze Kirche mit der Macht eben der Worte appelliert, die der Herr Jesus am Ende seiner irdischen Sendung an die Apostel richtet: ehe er in den Himmel aufgenommen wurde und sich zur Rechten des Vaters setzte (vgl. Mk 16,19). Es wird Tag für Tag, Jahr für Jahr, Generation für Generation an sie erinnert. Am heutigen Sonntag macht sich die Kirche in besonderer Weise die Bedeutung dieser Wahrheit, ihre ganze Tiefe und ihre heilbringende Kraft bewußt. Die Kirche macht sich das bewußt, um sich aufs neue mit dieser apostolischen Berufung identifizieren zu können: Die ganze Kirche bleibt immer „in statu missionis“, d. h. „missionarisch“. 2. Sie bleibt „in statu missionis“ kraft der Sendung, deren Quelle in Gott selbst liegt: im Vater, im Sohn und im Heiligen Geist. Die Kirche bleibt „in statu missionis“ in Weiterführung jener Sendung, die der ewige Sohn Jesus Christus in der Geschichte der Welt vollbracht hat. Im Bereich der Mission, die der Heilige Geist, der Tröster, unaufhörlich vollbringt. Die Mission der Kirche hat ihre unerschöpfliche Quelle und ihren unablässigen Anfang in Gott selbst. Durch die Kirche erneuert Gott immer wieder den vom Propheten Jesaja verkündeten Aufruf an die Menschheit: „Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes 1031 REISEN Jakobs. Er soll uns seine Wege zeigen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen“ (Jes 2,3). 3. Von dieser Mission darf die Kirche niemals ablassen, sie muß sie unentwegt erfüllen. Sie muß immer „missionarisch“ sein. Obwohl das II. Vatikanische Konzil tiefe Achtung für die nichtchristlichen Religionen ausgedrückt hat, bleibt doch die nachdrückliche Aufforderung in ihrer ganzen Kraft bestehen, deren unmittelbare Quelle die Liebe Christi ist: „Die Liebe Christi treibt uns an“, sagt der hl. Paulus. Und dann sagte er: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündige!“ (I Kor 9,16). Und im Brief an die Römer schreibt der Apostel in dem Abschnitt, den wir heute in der zweiten Lesung gehört haben: „Wenn du mit deinem Mund bekennst: Jesus ist der Herr und in deinem Herzen glaubst: ,Gott hat ihn von den Toten auferweckt, so wirst du gerettet werden . . . Aus seinem Reichtum beschenkt er alle, die ihn anrufen“ (Röm 10,9.12). Die Kirche darf also - so wie der Apostel - nicht erlahmen in dem Dienst, der die Verbreitung dieses heilbringenden Reichtums zum Ziel hat, den Gott in Jesus Christus, seinem Sohn, allen Menschen darbietet. Die Kirche darf nicht auf den von Christus empfangenen Sendungsauftrag verzichten. Sie darf nicht aufhören, sich ständig zu dieser Sendung bereitzuhalten: „in statu missionis.“ Das gilt für die gesamte Kirche und überall. 4. Als Nachfolger Petri und Bischof von Rom erlebe ich heute den Weltmissionssonntag zusammen mit euch, liebe Brüder und Schwestern, in Cagliari auf Sardinien. Ich erlebe diesen Tag hier im Marienheiligtum von Bonaria, dem Zentrum der Marienverehrung aller Sarden, einem Zentrum missionarischer Ausstrahlung, die über die Grenzen eurer Insel hinausgegangen ist und hinausgeht. Ich grüße euch alle ganz herzlich: den Erzbischof und Metropoliten Msgr. Giovanni Canestri, die Brüder auf den Bischofsstühlen Sardiniens, den Welt- und Ordensklerus, die Ordensfrauen, die zivilen Autoritäten, das ganze Volk Gottes, das nicht nur aus der Diözese, sondern von der ganzen Insel hier zusammengekommen ist. 5. Der Weltmissionssonntag veranlaßt uns, wieder an die ganze Geschichte der Evangelisierung eures Landes von den Anfängen bis heute zu denken. Uber diese ältesten Anfänge haben wir leider nur wenige, aber sehr bedeutsame Nachrichten: Bei den ersten Glaubensverkündern auf der Insel handelte es sich höchstwahrscheinlich um Christen, die ihres 1032 REISEN Glaubens wegen hierher in die Verbannung geschickt wurden. Also um wahre Zeugen, die bereit waren, einen hohen Preis zu zahlen, um Christus treu zu bleiben und sein Wort zu verkünden. Wir wissen, daß sich unter diesen Zeugen auch die heiligen Päpste Calixtus und Pontianus befunden haben. Wie es bei jedem Volk geschieht, das zum Heil berufen ist, so wurde auch das sardische Volk, sobald es evangelisiert war, im Laufe der Jahrhunderte seinerseits zum Verkünder des Glaubens. Es begann zugleich, Missionare und Missionarinnen bis an die äußersten Grenzen der Erde auszusenden. Es befolgte den Auftrag des Herrn, allen Völkern das Evangelium zu verkündigen. Das Neubedenken dieser Geschichte, die bis in die allerersten Jahrhunderte des Christentums zurückreicht, ist Anlaß, Gott für die Fülle seines Erbarmens zu danken, ist Grund zu heiligem Stolz auf die vollbrachten Taten, ist Quelle des Trostes für die Gegenwart und der Hoffnung für die Zukunft. Auch bei euch hat die Evangelisierung in den letzten Jahren manche Krise erlitten; aber ich weiß, daß man jetzt den Weg zu einer echten Verwirklichung der Weisungen des Konzils eingeschlagen hat, wobei der Initiative der Laien viel Raum gegeben und besonders die Rolle ausgebaut wird, die die Familie in diesem Bereich spielen soll. Außerdem ist ein reiferer und ernsthafter Dialog im Gange zwischen den verschiedenen freiwilligen Verbänden und den Verantwortlichen der Hierarchie, die immittelbar für die Seelsorgs- und Evangelisierungsarbeit verantwortlich ist. Große Aufmerksamkeit wird auch der Bedeutung der theologischen Ausbildung erwiesen, die in die Werte der sardischen Kultur eingebettet wird. Umkehr wirksamstes Werkzeug der Missionsarbeit 6. Das missionarische Wirken wendet sich keineswegs nur den fernen Völkern zu, sondern auch unser Nächster braucht immer unser Zeugnis. Und das gilt auch in Ländern alter christlicher Glaubenstradition, in denen heute jedoch eine Glaubensmüdigkeit festzustellen ist. Wir müssen also neu beginnen! Auch Cagliari muß evangelisiert werden! Seid hier und jetzt Missionare! Ihr habt zusammen mit eurem Erzbischof einen Pastoralplan ausgearbeitet: Bemüht euch, ihn in missionarischem Geist in die Praxis umzusetzen! Dieser Pastoralplan spricht von der Umkehr: Macht sie zum wirksamsten Werkzeug eurer Missionsarbeit. Denn wir müssen — wie das Konzilsdekret 1033 REISEN Ad gentes sagt — alle überzeugt sein, daß unsere erste und wichtigste Verpflichtung „bei der Verbreitung des Glaubens darin besteht, ein tiefchristliches Leben zu führen“ (Ad gentes, Nr. 36). Zweitens beharrt der Plan auf der Notwendigkeit, für die Pastoralarbeiter, besonders die Laien, die christliche Botschaft durch das Studium der Theologie zu vertiefen. Dem heutigen Menschen, der von zahlreichen Problemen belastet und von den unterschiedlichsten, ja gegensätzlichen ideologischen Einflüssen bedrängt wird, kann die christliche Botschaft nur dann überzeugend nahegebracht werden, wenn man imstande ist, auf seine oft schwierigen Fragen zu antworten. Und dazu bedarf es der Vorbereitung. Drittens regt euer Plan zu Initiativen der Nächstenliebe an. Auch das ist äußerst wichtig. Denn Wahrheit und Liebe sind untrennbare Bestandteile jeder Evangelisierungsarbeit der Kirche. Solche Initiativen müssen nicht immer in bereits bestehende Strukturen einbezogen werden, vor allem wenn sie von Laien ausgehen: Sie sollen sich einer rechten Freiheit erfreuen können, die als Ausübung der Verantwortung verstanden und von der diskreten und klugen Anwesenheit des Priesters unterstützt wird. Schließlich gilt es, die Missionsarbeit mit dem Einsatz zur Förderung der Berufe zu verbinden: Wer Christus wirklich entdeckt, muß zugleich den Sinn seines Lebens entdecken und ihn - wenn das Gottes Wille ist - im Lichte einer völligen Hingabe, im Priesteramt oder in der Befolgung der evangelischen Räte, sehen. Das Problem der Berufung zu besonderer Hingabe muß die ganze Gemeinde einbeziehen. Das „Komm und folge mir“ ist Frucht des Gebets und des tätigen Einsatzes aller Christen. Denkt daran, daß der Heilige Geist Paulus und Barnabas berufen hat, während die Christengemeinde betete und fastete (vgl. Apg 13,2). Je missionarischer, in statu missionis, die Kirche in Cagliari und in Sardinien sein wird, um so mehr wird sie die „Kirche Sardiniens“ sein. Das ist das Grundgesetz der Kirche. Das ist das Gesetz der „Gemeinschaft“, die ihre erste Quelle in Gott selber hat: Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind eins in der vollen Gemeinschaft. 7. Gleichfalls im Römerbrief schreibt der Apostel: „Denn jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden. Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie noch nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? Wie soll aber jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist? 1034 REISEN Darum heißt es in der Schrift: Wie sind die Freudenboten willkommen, die Gutes verkündigen!“ (Röm 10,13-15). Diese Aufeinanderfolge von Fragen, wie sie Paulus im Römerbrief stellt, muß im Bewußtsein der Kirche ständig neu lebendig werden. Besonders am heutigen Sonntag. „So gründet der Glaube in der Botschaft, die Botschaft im Wort Christi“ (Röm 10,17). 8. Dir, Kirche von Cagliari und Sardinien, dir Volk Gottes, euch, Brüdern im Bischofsamt, Priestern, Ordensmännern, euch Ordensfrauen vieler Kongregationen, euch allen und jedem einzelnen wünsche ich, daß in jedem von euch durch das Wort Christi unablässig der Glaube entsteht. Daß er immer aufs neue entsteht! Daß dieser Glaube euer Leben durchdringe und forme. Daß sich seine christliche Reife in den jungen, sich ständig erneuernden Generationen der Söhne und Töchter dieser Insel festige. Daß die Stimme dieses Glaubens sich über die Grenzen eurer Insel verbreite. Daß euer Glaube - durch das Wort Christi und das Licht des Heiligen Geistes - den Glauben der anderen hervorbringe! So wie es von den ersten (und von allen) Boten des Evangeliums heißt: „Ihre Stimme war in der ganzen Welt zu hören und ihr Wort bis an die Enden der Erde“ (Röm 10,18; vgl. Ps 19,5). 1035 III. Predigten und Ansprachen Botschaften BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Frieden und Jugend, zusammen unterwegs Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1985 An euch alle, die ihr an die Dringlichkeit des Friedens glaubt, an euch, Eltern und Erzieher, die ihr danach verlangt, den Frieden zu fördern, an euch, Politiker, die ihr für die Sache des Friedens unmittelbar Verantwortung tragt, an euch, Männer und Frauen im Dienst der Kultur, die ihr in der heutigen Zivilisation Frieden zu schaffen sucht, an euch alle, die ihr um des Friedens und der Gerechtigkeit willen leidet, und vor allem an euch junge Menschen in aller Welt, deren Entscheidungen im eigenen Leben und deren Aufgaben in der Gesellschaft die Aussichten für den Frieden heute und morgen bestimmen werden, an euch alle und an alle Menschen guten Willens richte ich meine Botschaft zum 18. Weltfriedenstag; denn Frieden ist ein entscheidendes Anliegen, eine unausweichliche Herausforderung, eine große Hoffnung. 1. Die Probleme und die Hoffnungen der Welt begegnen uns täglich Es ist wahr: Die Herausforderung des Friedens begleitet uns fortwährend. Wir leben in einer schwierigen Zeit, unter vielfältiger Bedrohung durch Krieg und zerstörerische Gewalt. Tiefe Meinungsverschiedenheiten richten verschiedene soziale Gruppen, Völker und Nationen gegeneinander. So viele ungerechte Situationen gibt es, die nur deshalb nicht in offene Konflikte ausbrechen, weil die Gewalt derer, die die Macht innehaben, so groß ist, daß sie den Machtlosen alle Kraft und Gelegenheit nimmt, ihre Rechte einzufordern. Ja, es gibt heute Menschen, die durch totalitäre Regime und ideologische Systeme daran gehindert werden, das Grundrecht auszuüben, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden. Männer und Frauen erleiden heutzutage unerträgliche Beleidigungen ihrer Menschenwürde durch Rassendiskriminierung, Verbannung und Tortur. Sie sind Opfer von Hunger und Krankheit. Sie werden daran gehindert, ihren religiösen Glauben auszuüben oder ihre eigene Kultur zu entwickeln. Es ist wichtig, die tiefsten Ursachen dieser Konfliktsituation zu erkennen, die den Frieden unsicher und anfällig machen. Eine wirksame Förderung des Friedens verlangt, daß wir uns nicht darauf beschränken, die schlimmen Folgen der gegenwärtigen Situation von Krise, Konflikt und Unrecht nur zu beklagen; was wir tatsächlich tun müssen, ist, die Wurzeln dieser 1039 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Folgen zu beseitigen. Diese Ursachen finden wir vor allem in den Ideologien, die unser Jahrhundert beherrscht haben und dies immer noch tun: Sie zeigen sich in politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Systemen und haben die Kontrolle darüber, wie die Menschen denken. Diese Ideologien sind von einer totalitären Einstellung gekennzeichnet, welche die Würde und die transzendentalen Werte der menschlichen Person und ihrer Rechte mißachtet und unterdrückt. Eine derartige Einstellung sucht sich auf politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene mit einer solchen Härte in Ziel und Methode durchzusetzen, daß sie sich jedem echten Dialog und wirklichen Austausch von Ideen verschließt. Einige dieser Ideologien sind sogar zu einer Art von falscher, weltlicher Religion geworden, die beansprucht, der ganzen Menschheit das Heil zu bringen, ohne jedoch irgendeinen Beweis ihrer Wahrheit vorzulegen. Gewalt und Ungerechtigkeit haben aber auch tiefe Wurzeln im Herzen jeder Person, jedes einzelnen von uns, im täglichen Denken und Verhalten der Menschen. Wir brauchen nur zu denken an Konflikte und Entzweiungen in den Familien, zwischen Eheleuten, zwischen Eltern und Kindern, in der Schule, im Beruf, in den Beziehungen zwischen gesellschaftlichen Gruppen und zwischen den Generationen. Denken wir auch an die Fälle, wo das grundlegende Lebensrecht der schwächsten und schutzlosesten Menschen verletzt wird. Angesichts dieser und zahlreicher anderer Übel ist es dennoch nicht berechtigt, die Hoffnung aufzugeben - so stark sind die Energien, welche fortwährend in den Herzen der Menschen aufbrechen, die an Gerechtigkeit und Frieden glauben. Die gegenwärtige Krise kann und muß eine Gelegenheit zur Umkehr und zur Erneuerung der Einstellungen werden. Die Zeit, in der wir leben, ist nicht nur eine Periode der Gefahren und Sorgen; sie ist auch eine Stunde der Hoffnung. 2. Frieden und Jugend, zusammen unterwegs Die augenblicklichen Schwierigkeiten sind wirklich ein Test für unsere Menschlichkeit. Sie können Wendepunkte auf der Straße zu einem dauerhaften Frieden werden; denn sie wecken die kühnsten Träume und entbinden die besten Kräfte in Geist und Herz. Schwierigkeiten sind eine Herausforderung für alle; Hoffnung ist das Gebot für jeden. Heute aber möchte ich euch auf die Rolle aufmerksam machen, die die Jugend im Bemühen um den Frieden übernehmen sollte. Da wir uns darauf vorbereiten, in ein neues Jahrhundert und ein neues Jahrtausend einzutreten, 1040 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN müssen wir uns bewußt werden, daß die Zukunft des Friedens und darum auch die Zukunft der Menschheit in besonderer Weise den moralischen Grundentscheidungen anvertraut ist, die eine neue Generation von Männern und Frauen zu fällen berufen ist. In nur wenigen Jahren werden die jungen Menschen von heute die Verantwortung für das Leben der Familien und Völker, für das Gemeinwohl aller und für den Frieden in ihren Händen halten. Jugendliche in aller Welt haben bereits begonnen, sich zu fragen: Was kann ich tun? Was können wir tun? Wohin führt uns der Weg? Sie möchten ihren Beitrag leisten, um die verwundete und geschwächte Gesellschaft zu heilen. Sie wollen neue Lösungen für alte Probleme anbieten. Sie möchten eine neue Zivilisation brüderlicher Solidarität errichten. Indem ich mich von solchen jungen Menschen anregen lasse, möchte ich jedermann dazu einladen, über diese Dinge nachzudenken. In besonderer und direkter Weise aber will ich mich an die Jugendlichen von heute und von morgen wenden. 3. Junge Menschen, habt keine Angst vor eurer eigenen Jugend Dies ist der erste Appell, den ich an euch, junge Männer und Frauen von heute, richten möchte: Habt keine Angst! Habt keine Angst vor eurer eigenen Jugend und vor jener tiefen Sehnsucht nach Glück und Wahrheit, nach Schönheit und bleibender Liebe! Manchmal wird gesagt, die Gesellschaft habe Angst vor dieser mächtigen Sehnsucht junger Menschen, ja ihr selbst hättet Angst davor. Habt aber keine Angst! Wenn ich auf euch Jugendliche schaue, empfinde ich große Dankbarkeit und Hoffnung. Die Zukunft bis weit in das nächste Jahrhundert hinein liegt in euren Händen. Die Zukunft des Friedens liegt in euren Herzen. Um die Geschichte so, wie ihr es könnt und müßt, zu gestalten, müßt ihr sie von den falschen Wegen befreien, denen sie folgt. Um dies zu tun, müßt ihr Menschen sein mit einem tiefen Vertrauen in den Menschen und einem tiefen Vertrauen in die Größe menschlicher Berufung - einer Berufung, der man mit Respekt vor der Wahrheit sowie vor der Würde und den unverletzlichen Rechten der menschlichen Person entsprechen muß. Was ich in euch aufbrechen sehe, ist ein neues Bewußtsein für eure Verantwortung und ein frisches Gespür für die Bedürfnisse eurer Mitmenschen. Zusammen mit vielen anderen seid ihr erfüllt vom Hunger nach Frieden. Ihr seid beunruhigt durch soviel Ungerechtigkeit um euch herum. Ihr verspürt eine ungeheure Gefahr in den gigantischen Waffenvorräten und in der Bedrohung durch einen Atomkrieg. Ihr leidet darunter, wenn ihr den weitverbreiteten Hunger und die Unterernährung seht. 1041 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr sorgt euch um die Umwelt für heute und für die kommenden Generationen. Ihr fühlt euch bedroht durch Arbeitslosigkeit, und viele von euch leben bereits ohne Arbeit und ohne Aussicht auf eine sinnvolle Tätigkeit. Ihr seid empört über die große Zahl von Menschen, die politisch und geistig unterdrückt werden und ihre grundlegenden Menschenrechte als einzelne oder als Gemeinschaft nicht ausüben können. All dies kann das Gefühl aufkommen lassen, das Leben habe wenig Sinn. In dieser Lage können einige von euch versucht sein, vor ihrer Verantwortung zu fliehen: in die Traumwelt von Alkohol und Drogen, in kurzlebige sexuelle Beziehungen ohne Verpflichtung zu Ehe und Familie, in Gleichgültigkeit, Zynismus und sogar Gewalt. Seid wachsam gegenüber einer betrügerischen Welt, die euch ausbeuten und eure kraftvolle, energische Suche nach Glück und Sinn fehlleiten möchte. Zieht euch aber nicht zurück von der Suche nach wahren Antworten auf die Fragen, vor denen ihr steht! Habt keine Angst! 4. Die unausweichliche Frage: Was denkt ihr vom Menschen? Die erste und vordringliche unter den Fragen, die ihr euch stellen müßt, ist diese: Was denkt ihr vom Menschen? Worin besteht für euch die Würde und Größe des Menschen? Das sind Fragen, die ihr jungen Leute euch selbst stellen sollt, die ihr aber auch der vorhergehenden Generation, euren Eltern und all denjenigen stellt, die auf verschiedenen Ebenen die Verantwortung für die Sorge um die Güter und Werte der Welt gehabt haben. Der Versuch, diese Fragen offen und ehrlich zu beantworten, kann alt und jung dazu bringen, ihr eigenes Handeln und ihren Lebensweg zu überdenken. Haben nicht tatsächlich die Menschen, vor allem in den entwickelteren und reicheren Staaten, sehr oft einer materialistischen Sicht des Lebens nachgegeben? Meinen Eltern nicht mitunter, ihre Verpflichtungen gegenüber ihren Kindern erfüllt zu haben, wenn sie ihnen über die Grundbedürfnisse hinaus noch mehr materielle Güter als Antwort auf ihre Lebenswünsche geboten haben? Geben sie dadurch nicht an die jungen Generationen eine Welt weiter, die arm sein wird an wesentlichen geistigen Werten, arm an Frieden und Gerechtigkeit? Hat nicht ebenso in anderen Nationen die Faszination gewisser Ideologien den jungen Generationen ein Erbe an neuen Formen von Versklavung hinterlassen, ohne die Freiheit, jenen Werten zu folgen, die das Leben in all seinen Aspekten wahrhaft vervollkommnen? Fragt euch, was für eine Art von Menschen ihr selbst und eure Mitmenschen sein wollen, welche Art von Kultur ihr errichten möchtet. 1042 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stellt euch diese Fragen und fürchtet euch nicht vor den Antworten, selbst wenn diese von euch eine Änderung in der Richtung eurer Gedanken und Bindungen fordern. 5. Die Grundfrage: Wer ist euer Gott? Jene erste Frage führt zu einer noch tieferen und grundlegenderen: Wer ist euer Gott? Wir können unseren Begriff vom Menschen nicht definieren, ohne ein Absolutes, eine Fülle der Wahrheit, der Schönheit und des Guten zu bestimmen, von der wir unser Leben leiten lassen. So ist es wahr, daß der Mensch, „das sichtbare Abbild des unsichtbaren Gottes“, die Frage danach, wer er oder sie ist, nicht beantworten kann, ohne gleichzeitig zu erklären, wer sein oder ihr Gott ist. Es ist unmöglich, diese Frage auf die Privatsphäre des Menschen zu beschränken. Es ist unmöglich, diese Frage von der Geschichte der Völker zu trennen. Heutzutage ist man der Versuchung ausgesetzt, Gott im Namen des eigenen Menschseins zurückzuweisen. Wo immer es eine solche Zurückweisung gibt, fällt ein immer dunklerer Schatten tödlicher Furcht nieder. Furcht entsteht, wo immer Gott im Gewissen des Menschen stirbt. Jedermann weiß, wenn auch nur dunkel und mit Schaudern, daß, wo immer Gott im Gewissen der menschlichen Person stirbt, daraus unvermeidlich der Tod des Menschen als Abbild Gottes folgt. 6. Eure Antwort: Entscheidungen auf der Grundlage von Werten Welche Antworten ihr auch immer auf diese beiden miteinander verbundenen Fragen gebt, sie werden für den Rest eures Lebens die Richtung bestimmen. Jeder von uns mußte während seiner Jugendzeit mit diesen Fragen ringen und an einem bestimmten Punkt zu einem gewissen abschließenden Urteil hierüber kommen, das dann unsere folgenden Entscheidungen und Wege, unser ganzes künftiges Leben geformt hat. Die Antworten, die ihr jungen Menschen auf diese Fragen gebt, werden ebenso bestimmen, wie ihr auf die großen Herausforderungen von Frieden und Gerechtigkeit antwortet. Wenn ihr euch dafür entschieden habt, daß ihr selbst euer eigener Gott sein wollt ohne Rücksicht auf andere, dann werdet ihr Werkzeuge von Spaltung und Feindschaft, Werkzeuge sogar von Krieg und Gewalt. Indem ich dies betone, möchte ich euch auf die Bedeutung von Entscheidungen hinweisen, die Werte beinhalten. Werte sind die Grundlagen von Entscheidungen, die nicht nur euer eigenes Leben bestimmen, sondern 1043 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auch die Politik und die Strategien, die das Leben in der Gesellschaft formen. Und denkt daran, daß es nicht möglich ist, die gesellschaftlichen von den personalen Werten zu trennen. Auch geht es nicht an, in diesem Widerspruch zu leben: an andere und an die Gesellschaft Forderungen zu stellen und selbst ein persönliches Leben in Zügellosigkeit zu führen. Ihr müßt euch also entscheiden, auf welchen Werten ihr die Gesellschaft erbauen wollt. Eure Wahl jetzt wird darüber entscheiden, ob ihr in Zukunft die Tyrannei ideologischer Systeme erleiden werdet, welche das gesellschaftliche Kräftespiel auf die Logik des Klassenkampfes einschränkt. Die Werte, die ihr heute wählt, werden darüber entscheiden, ob die Beziehungen zwischen den Völkern weiterhin überschattet bleiben von bedrohlichen Spannungen, die eine Auswirkung sind von heimlichen oder offen propagierten Plänen, alle Völker Regimen zu unterwerfen, wo Gott nicht zählt und wo die Würde der menschlichen Person den Forderungen einer Ideologie geopfert wird, die versucht, das Kollektiv absolut zu setzen. Die Werte, denen ihr euch in der Jugend verpflichtet, werden darüber bestimmen, ob ihr euch zufriedengebt mit dem Erbe einer Vergangenheit, in der Haß und Gewalt die Liebe und Versöhnung erstik-ken. Von den heutigen Entscheidungen eines jeden von euch wird die Zukunft eurer Brüder und Schwestern abhängen. 7. Der Wert des Friedens Die Sache des Friedens, die beständige und unausweichliche Herausforderung unserer Tage, hilft euch, euch selbst und eure Werte zu entdecken. Die Tatsachen sind offenkundig und erschreckend. Millionen ausgegeben für Waffen; materielle Mittel und geistige Talente ausschließlich eingesetzt, um Waffen herzustellen; politische Instanzen, die zuweilen nicht aussöhnen und Völker einander näherbringen, sondern eher noch Barrieren errichten und Nationen voneinander trennen. Unter diesen Umständen kann ein sinnvoller Patriotismus einer fanatischen Parteinahme zum Opfer fallen, und ein lobenswerter Dienst für die Verteidigung des eigenen Landes kann zum Gegenstand von Mißdeutung und sogar von Spott werden (vgl. Gaudium et spes, Nr. 79). Inmitten von vielen verführerischen Einladungen, nur den eigenen Vorteil zu suchen, müssen Männer und Frauen, die den Frieden wollen, lernen, zunächst auf die Werte des Lebens zu achten und dann zuversichtlich daranzugehen, diese Werte zu verwirklichen. Der Ruf zum Friedensstifter hat als feste Grundlage den Ruf zur Bekehrung des Herzens, wie ich in der Botschaft zum letztjährigen Weltfriedenstag dargelegt habe. Er gewinnt 1044 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dann weiter Kraft aus der Verpflichtung zu einem aufrichtigen Dialog und zu ehrlichen Verhandlungen, die auf gegenseitigem Respekt beruhen, verbunden mit einer realistischen Einschätzung der gerechten Forderungen und legitimen Interessen aller Partner. Der Wille zum Frieden wird danach trachten, die Waffen zu verringern, deren ungeheure Zahl den Herzen der Menschen Angst macht. Er wird darangehen, Brücken zu bauen - von kultureller, wirtschaftlicher, sozialer und politischer Art -, die einen stärkeren Austausch unter den Völkern erlauben. Er wird den Frieden fördern als eine Sache, die auch der andere möchte, nicht durch Parolen, die trennen, oder durch Aktionen, die unnötigerweise Leidenschaften wecken, sondern mit einem ruhigen Vertrauen, das die Frucht ist aus einer Entscheidung für wahre Werte und für das Wohl der Menschheit. 8. Der Wert der Gerechtigkeit Das Wohl der Menschheit ist letztlich der Grund, warum ihr die Sache des Friedens zu eurer eigenen machen müßt. Indem ich dies sage, fordere ich euch auf, euch von der ausschließlichen Konzentration auf die Friedensbedrohung, wie sie gewöhnlich als das Ost-West-Problem angeführt wird, abzuwenden und statt dessen die ganze Welt ins Auge zu fassen und ebenso an die sogenannten Nord-Süd-Spannungen zu denken. Wie früher schon möchte ich auch heute betonen, daß diese beiden Ziele - Frieden und Entwicklung - voneinander abhängen und deshalb zusammen angestrebt werden müssen, wenn die jungen Menschen von heute eine bessere Welt von morgen erben sollen. Ein Aspekt dieser Abhängigkeit ist der Einsatz von Mitteln für einen Zweck, die Rüstung, anstatt für einen anderen, die Entwicklung. Aber die wirkliche Verbindung ist hierbei nicht einfach der Einsatz von Mitteln, so wichtig dies auch sein mag; sie besteht vielmehr zwischen den Werten, die jemanden für den Frieden, und den Werten, die jemanden für eine echte Entwicklung verpflichten. Denn so gewiß wie der wahre Frieden mehr erfordert als nur die Abwesenheit von Krieg oder den bloßen Abbau von Waffensystemen, so kann auch Entwicklung in ihrem wahren und vollen Sinne niemals allein auf einen Wirtschaftsplan oder eine Reihe von technischen Projekten beschränkt werden, so wertvoll diese auch sein mögen. Im gesamten Bereich des Fortschritts, den wir Gerechtigkeit und Frieden nennen, müssen jeweils dieselben Werte zugrunde gelegt werden, die sich aus der Vorstellung ergeben, die wir vom Menschen und von Gott in seiner Beziehung zur ganzen Menschheit haben. Dieselben Werte, die 1045 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jemanden dazu bringen, ein Friedensstifter zu sein, sind auch die Werte, die jemanden bewegen, die allseitige Entwicklung jedes Menschen und aller Völker zu fördern. 9. Der Wert, mitwirken zu können Eine Welt von Gerechtigkeit und Frieden kann nicht durch Worte allein geschaffen werden, und sie kann auch nicht durch äußere Kräfte auferlegt werden: Sie muß gewollt und herbeigeführt werden durch die Mitarbeit aller. Es gehört wesentlich zum Menschen, einen Sinn für Mitwirkung zu haben, um teilzunehmen an den Entscheidungen und Bemühungen, die das Geschick der Welt bestimmen. Gewalt und Ungerechtigkeit haben in der Vergangenheit oft ihre tiefsten Ursachen im Gefühl der Menschen gehabt, des Rechtes beraubt zu sein, ihr Leben selbst zu gestalten. Und auch in Zukunft lassen sich Gewalt und Ungerechtigkeit nicht vermeiden, wenn und wo das Grundrecht auf Mitwirkung in den gesellschaftlichen Entscheidungen bestritten wird. Dieses Recht aber muß mit Klugheit ausgeübt werden. Das komplizierte Leben in der modernen Gesellschaft erfordert, daß die Menschen die Entscheidungsvollmacht ihren Anführern übertragen. Sie müssen aber darauf vertrauen können, daß ihre Führer Entscheidungen treffen zum Wohl ihres Volkes und aller Völker. Mitwirkung ist ein Recht, aber es bringt auch Verpflichtungen mit sich: nämlich dieses Recht auszuüben in Achtung vor der Würde des Menschen. Das gegenseitige Vertrauen zwischen den Bürgern und ihren Führern ist die Frucht praktizierter Mitwirkung, und solche Mitwirkung ist ein Grundstein für die Errichtung einer friedlichen Welt. <187> <187> Das Leben: ein Weg voller Entdeckungen Euch alle, junge Menschen in der Welt, lade ich ein, in diesem größten geistigen Abenteuer, vor dem eine Person stehen kann, eure Verantwortung zu übernehmen: das Abenteuer, menschliches Leben zu gestalten, im persönlichen wie im gesellschaftlichen Bereich, und dabei die Berufung des einzelnen zu achten. Denn zu Recht sagt man, das Leben sei ein Weg voller Entdeckungen: die Entdeckung eures eigenen Wesens, die Entdek-kung der Werte, die euer Leben formen, die Entdeckung der Völker und Nationen, denen alle in Solidarität verbunden sind. Wenn auch diese Entdeckungsfahrt in der Jugendzeit stärker zutage tritt, so ist sie doch eine Fahrt, die kein Ende kennt. Während eurer ganzen Lebenszeit müßt ihr 1046 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Werte bejahen und immer wieder neu bejahen, die euch selbst und die Welt formen: die Werte, die das Leben fördern, die die Würde und Berufung des Menschen wiedergeben, die eine Welt in Frieden und Gerechtigkeit erbauen. Es gibt unter den jungen Menschen eine erstaunliche weltweite Einmütigkeit über die Notwendigkeit des Friedens, und dies stellt eine mächtige Kraftquelle dar zum Besten aller. Junge Menschen sollten sich aber nicht zufriedengeben mit einer nur instinktiven Sehnsucht nach Frieden: Diese Sehnsucht muß in eine feste moralische Überzeugung umgewandelt werden, welche die volle Breite menschlicher Probleme umfaßt und sich auf Werte stützt, die mit ganzem Herzen bejaht werden. Die Welt braucht junge Menschen, die reichlich aus den Quellen der Wahrheit getrunken haben. Ihr müßt auf die Wahrheit hören, und dafür braucht ihr ein reines Herz; ihr müßt die Wahrheit verstehen, und dafür braucht ihr tiefe Demut; ihr müßt euch der Wahrheit unterstellen und sie annehmen, und dafür braucht ihr die Kraft, den Versuchungen des Stolzes, der Selbstsucht und der Manipulation zu widerstehen. Ihr müßt in euch ein tiefes Gespür für Verantwortung entwickeln. 11. Die Verantwortung christlicher Jugend Dieses Gespür für Verantwortung und für die Bejahung moralischer Werte möchte ich euch nachdrücklich ans Herz legen, euch christlichen Jugendlichen und, zusammen mit euch, allen unseren Brüdern und Schwestern, die sich zu unserem Herrn Jesus Christus bekennen. Als Christen seid ihr euch bewußt, Kinder Gottes zu sein, Anteil am göttlichen Wesen zu haben und in Christus von der Fülle Gottes umfangen zu sein (vgl. 1 Joh 3,2; 2 Petr 1,4; Eph 3,19). Der auferstandene Herr schenkt euch als seine erste Gabe Frieden und Versöhnung. Gott, der ewige Frieden, hat durch Christus, den Fürsten des Friedens, mit der Welt Frieden geschlossen. Dieser Friede ist uns ins Herz gegeben, und er reicht tiefer als alle Unrast eures Geistes, als alle Angst eures Herzens. Gottes Frieden nimmt sich eures Geistes und eures Herzens an. Gott gibt euch seinen Frieden jedoch nicht wie einen Besitz, den ihr horten könntet, sondern wie einen Schatz, den ihr nur dann besitzt, wenn ihr ihn mit anderen teilt. In Christus könnt ihr an die Zukunft glauben, auch wenn ihr ihre Gestalt noch nicht erkennen könnt. Ihr dürft euch dem Herrn der Zukunft anvertrauen und so eure Mutlosigkeit überwinden, die ihr vor der Größe der Aufgabe und dem zu zahlenden Preis empfindet. Den niedergeschla- 1047 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN genen Jüngern auf dem Weg nach Emmaus sagt der Herr: „Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ (Lk 14,26). Der Herr spricht dieselben Worte zu einem jeden von euch. Habt also keine Angst, euer Leben für Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen; denn ihr wißt, daß der Herr mit euch ist auf all euren Wegen. 12. Internationales Jahr der Jugend In diesem Jahr, das die Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Jugend erklärt haben, ist es mein Wunsch gewesen, meine jährliche Botschaft zum Weltfriedenstag an euch, an die jungen Menschen in aller Welt, zu richten. Möge dieses Jahr für jeden ein Jahr tieferen Einsatzes für Frieden und Gerechtigkeit sein. Welche Entscheidungen auch immer ihr trefft, tut es mit Mut und lebt danach in Treue und Verantwortung. Welche Wege auch immer ihr beschreitet, tut es mit Hoffnung in die Zukunft, die ihr mit Gottes Hilfe gestalten könnt; Vertrauen auf Gott, der auf euch schaut in allem, was ihr sagt und tut. Diejenigen von uns, die euch vorangegangen sind, möchten mit euch die tiefe Verpflichtung für den Frieden teilen. Eure Alterskameraden werden sich euren Bemühungen anschließen. Die euch nachfolgen, werden bei euch Anregung finden, solange ihr die Wahrheit sucht und nach echten moralischen Werten lebt. Die Herausforderung des Friedens ist groß, noch größer aber ist der Lohn; denn im Einsatz für den Frieden werdet ihr das Beste für euch selbst entdecken, wenn ihr das Beste für alle anderen sucht. Ihr wachst heran, und mit euch wächst auch der Frieden. Möge dieses Internationale Jahr der Jugend auch für Eltern und Erzieher eine Gelegenheit sein, ihre Verantwortung für die jungen Menschen neu in den Blick zu nehmen. Allzuoft werden ihre Führung zurückgewiesen und ihre Leistungen in Frage gestellt. Und doch haben sie soviel an Weisheit, Kraft und Erfahrung zu bieten. Ihre Aufgabe, die Jugend auf der Suche nach Lebenssinn zu begleiten, kann von niemandem anders übernommen werden. Die Werte und Modelle, die sie den Jugendlichen vor Augen stellen, müssen aber auch in ihrem Leben deutlich sichtbar werden; sonst überzeugen ihre Worte nicht, und ihr Leben ist ein innerer Widerspruch, den die jungen Menschen mit Recht zurückweisen. Am Ende dieser Botschaft verspreche ich mein tägliches Gebet während dieses Internationalen Jahres der Jugend, daß die jungen Menschen auf den Ruf zum Frieden antworten. Ich bitte alle meine Brüder und Schwestern eindringlich, sich meinem Gebet zu unserem Vater im Himmel anzuschließen, daß er uns alle, die wir Verantwortung für den Frieden tragen, 1048 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vor allem aber die jungen Menschen erleuchte, so daß Jugend und Frieden tatsächlich gemeinsam voranschreiten können! Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1984 IOANNES PAULUS PP. II „Jahr der Jugend“ hat begonnen Predigt bei der Messe in St. Peter zum 18. Weltfriedenstag am 1. Januar 1. „Als aber die Zeit erfüllt war . . .“ (Gal 4,4). Nach der menschlichen Zeitrechnung beginnt heute das neue Jahr 1985. In dieser Berechnung spiegelt sich der kosmische Rhythmus des Werdens, dem der Mensch unterworfen ist und an dem er bewußt teilhat. Die Kirche entnimmt die Bedeutung des Neujahrstages dem Geheimnis der Geburt Gottes. Die Liturgie führt uns ja in Gedanken noch einmal in die Grotte von Betlehem: Wir nehmen am Geschehen der Heiligen Nacht teil und schauen mit den Augen der Hirten auf das Kind, das in der Krippe liegt, umgeben von Maria und Josef. Heute ist der Oktavtag von Weihnachten. Unsere Augen sind von jenem Staunen erfüllt, das die Offenbarung und der Glaube vor diesem unerhörten Geheimnis in uns wecken. Das Geheimnis Jesu Christi, des Gottmenschen, das das Geheimnis Mariens, seiner irdischen Mutter, in sich birgt und gleichzeitig enthüllt. Die Kirche ist den Spuren der Hirten von Betlehem gefolgt und hat von Anfang an dieses Geheimnis bekannt und es zugleich immer mehr vertieft und verdeutlicht: die Mutter des Menschen, der Gott ist, ist die Mutter des Gott-Menschen, Theotokos, Gottesgebärerin. Am Oktavtag von Weihnachten konzentriert die Kirche ihre Aufmerksamkeit auf die heilige Mutterschaft Mariens. Die göttliche Mutterschaft der Jungfrau gehört in die Fülle der Zeit: „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau . . .“: Theotokos! 2. So nimmt auch die Kirche, ihre Augen auf die Mutterschaft der Gottesgebärerin gerichtet, den Anfang des neuen Jahres 1985 aus der „Fülle der Zeit“. Zusammen mit der ganzen Menschheit, eingefügt in die 1049 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kosmische Ordnung des Werdens, bemißt die Kirche die Zeit: Sie zählt die Tage, Wochen, Monate und Jahre. Sie verwurzelt diese aber auch im Geheimnis der Geburt Gottes. Ja, in diesem Geheimnis haben die Menschheit und die menschliche Zeit ihre Fülle erreicht, die Fülle der Heilsgeschichte. Es ist noch nicht die endgültige Fülle. Die endgültige Vollendung der menschlichen Zeit liegt noch vor uns. Wir nähern uns ihr durch das Geheimnis der Geburt Gottes, durch die Menschwerdung Gottes. Gott, der in der Menschwerdung die menschliche Zeit annimmt, zieht sie an sich und führt die an sie gebundenen Menschen der endgültigen Vollendung näher, die in Gott selbst ist: im Vater, im Sohn und im Heiligen Geist. 3. Gott enthüllt also immer wieder neu und besonders am ersten Tag des neuen Jahres seinen Plan, seinen Heilsplan für die ganze Menschheit. Er tut es mit den Worten des hl. Paulus, die die Kirche jedes Jahr am heutigen Hochfest liest. Sie lauten: „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau . . ., damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4). Das ist der grundlegende und zentrale Punkt des göttlichen Plans, des Heilsprogramms für die ganze Menschheit. Gott rettet die Menschen in Jesus Christus, in seinem ewigen Sohn, geboren aus der Jungfrau Maria: Er rettet sie als Söhne im Sohn. Er bewirkt, daß das Menschsein eines jeden von uns Menschen von der Gottessohnschaft Jesu Christi durchdrungen wird. Das geschieht um den Preis eines besonderen Loskaufs. Gott hat seinen Sohn gesandt, um die Söhne und Töchter des Menschengeschlechtes freizukaufen. Freikaufen aber heißt auch, „den Wert wiederherzustellen“: im Menschen den Wert wiederherzustellen, den er von jeher in den Augen Gottes besitzt, den Wert, den Gott ihm von Anfang an verliehen hat, als er ihn nach seinem Bild und Gleichnis schuf. So gehört also zu dem Heilsplan, um dessetwillen Gott „seinen Sohn sandte, geboren von einer Frau“, das, was die eigentliche Würde des Menschen ausmacht. Diese Würde ist tief ins Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung eingeprägt, ins Geheimnis der Geburt Gottes und dann ins Kreuz und in die Auferstehung Christi. Auf der gleichen Linie vollzieht sich das Wirken des Heiligen Geistes. Er ist in der Menschwerdung und Erlösung am Werk. Er führt dann dieses Werk der Menschwerdung und Erlösung weiter in den Seelen der Gläubigen, nach dem Maß eines jeden Menschen. In der Kraft des Heiligen Geistes, der „der Geist des Sohnes“ ist, ruft der Mensch als Sohn im Sohn zu Gott: „Abba, Vater!“ (Gal 4,6). In der Kraft des Heiligen Geistes 1050 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN macht der Mensch, seiner Sohneswürde eingedenk, sich frei von allem, was ihn zum Sklaven erniedrigt, von allem, was ihm die Würde der Sohnschaft Gottes nimmt. 4. Das ist der Plan Gottes, das Heilsprogramm, das die Kirche am Neujahrstag immer wieder der ganzen Menschheit vorlegt. Heute wendet sich die Kirche mit diesem Heilsplan vor allem an die Jugend. Die Anregung zum Jahr der Jugend, die auf internationaler Ebene von der UNO ausging, findet ein unaufhörliches Echo in der Sendung der Kirche: Die Kirche geht beständig der jungen Generation und damit der Zukunft entgegen, denn die Jugend trägt die Zukunft der ganzen Menschheitsfamilie in sich; von ihr hängt das Morgen der Menschheit ab. Gleichzeitig ist die Kirche sich bewußt, daß sie dem „Vater in Ewigkeit“ (Jes 9,5) dient. Darum findet auch sie in der Initiative dieses Jahres der Vereinten Nationen ihren Platz und ihre Aufgabe. Herzlich bitte ich meine Brüder im Episkopat und alle Seelsorger, diesen Initiativen neben jenen, die der Hl. Stuhl - vor allem durch den Laienrat und zusammen mit ihm - durchführen wird, auch in den einzelnen Ortskirchen angemessenen Platz einzuräumen. 5. Heute übergibt der Hl. Stuhl, indem er seinen jährlichen Dienst zur Förderung des Friedens leistet, gerade der Jugend seine Neujahrsbotschaft: „Frieden und Jugend, zusammen unterwegs.“ Der Frieden und die Jugend. Wieviel Sinn steckt in der Verknüpfung dieser beiden Worte! Welch reichen Inhalt vermittelt uns die Verbindung dieser beiden Begriffe im Hinblick auf das, was die Jugend angeht, wie auch auf das, was den Frieden betrifft! Wie eng ist er mit dem Heilsplan verbunden, der sich im Geheimnis der Geburt Gottes offenbart, im Geheimnis der Mutterschaft der Gottesgebärerin, dem Plan, den die Liturgie gerade heute mit den Worten des Galaterbriefs verkündet. Darum möchten wir an die Jugend, „von der das Morgen abhängt“, die Worte richten, die Gott einst durch Mose an sein Volk gerichtet hat: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil“ (Num 6,24-26). Empfangt, liebe junge Freunde, zusammen mit diesem Segenswort der Neujahrsliturgie das Heilsprogramm von Weihnachten und die Friedensbotschaft des neuen Jahres. Alle jungen Menschen der ganzen Welt mögen sie annehmen. Nehmt sie an, ihr jungen Leute der verschiedenen Vereinigungen, die ihr heute 1051 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN morgen so zahlreich und freudig die Petersbasilika füllt! Gott schenke euch seine Gnade! 6. „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lk 2,19). Maria - Gottesmutter - Theotokos. In diesem unbegreiflichen Geheimnis wurde sie Mutter aller Menschen. Sie wurde in besonderer Weise Mutter der Kirche. Die Kirche heftet ihren Blick auf sie als ihr vollkommenes Urbild, und an ihrem Herzen lernt sie „alles bewahren und überdenken“, was durch die Heilsgeschichte hindurch mit den Menschen geschieht und was in der Geschichte der Völker, Nationen, Generationen und Kontinente sichtbar wird. Heute möchte ich dem Schatz der Kirche auch das Gedenken der beiden heiligen Brüder entnehmen und erneut wachrufen, die für würdig befunden wurden, zusammen mit dem hl. Benedikt Patrone Europas genannt zu werden: die heiligen Kyrill und Method. Fast elf Jahrhunderte sind vergangen, seitdem die große Mission der beiden Brüder mit dem Tod des Method in Welehrad in Mähren endete. Schon vorher war Kyrill durch den Tod, der ihn in Rom ereilte, von seinem Bruder getrennt worden. Er ruht in dieser Stadt in der Basilika San Clemente. Diesen beiden hat der Ewige Hirte das Werk der Verkündigung des Evangeliums unter den Slawen anvertraut. Sie wurden die ersten Apostel jener Völker, die die östlichen und südlichen Gebiete Europas bewohnen. Sie wurden ihre Väter im Glauben und in der Kultur. Sie verkündeten ihren Zeitgenossen den göttlichen Heilsplan, jenes Heilsprogramm, an das uns heute an der Weihnachtsoktav der hl. Paulus erinnert. In diesem Programm ist auch die evangelische Botschaft des Friedens enthalten. Indem sie das Evangelium verkündeten, haben sie den Samen des Friedens in die Herzen der Menschen gesät, jenes Friedens, den die Welt nicht geben kann und der von Gott kommt. Die ganze Kirche, vor allem in Europa und besonders in den Nationen, die das unmittelbare Feld ihrer Evangelisierungsarbeit waren, möchte das Andenken an diese beiden Heiligen in das Jahr 1985 einschließen. Auch der Apostolische Stuhl fühlt sich in besonderer Weise dazu aufgerufen. 7. Maria - Gottesmutter - Theotokos: Wenn wir ihre Gottesmutterschaft bekennen, möchten wir zusammen mit ihr aus dieser „Fülle der Zeit“ schöpfen, die in der Geburt Gottes offenbar geworden ist; - wir möchten im Herzen den ganzen göttlichen Heilsplan „bewahren und überdenken“ und mit ihm weiter der Zukunft entgegengehen; 1052 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN — wir möchten in den Herzen der Jugend die Botschaft des Friedens verankern, die dem Heilsplan entstammt. „Der barmherzige Gott segne uns.“ „Diener des Offenbarwerdens Gottes“ Predigt bei der feierlichen Messe und Bischofsweihe in St. Peter am Fest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 1. Jerusalem . . ., „es kommt dein Licht“ (Jes 60,1). In der Liturgie des heutigen Festes folgt die Kirche den Spuren der drei Magier. Sie verzeichnet sehr genau die Abschnitte ihres Weges, der von Osten nach Jerusalem führt. Sie fragen: Wo ist der neugeborene König? {Mt 2,2). Sie fragen nach dem König, dessen Geburt ihnen im Osten von einem Stern angezeigt worden war. Dieser Stern ist ein Leitzeichen: das Zeichen der Erscheinung des Herrn. Am Hof des Herodes erhalten sie auf die Frage: „Wo ist der neugeborene König?“ nach Überlieferung der Heiligen Schrift die Antwort: „In Bet-lehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten: Du, Betlehem . . ., aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel“ (Mt 2,5-6). Die Magier machten sich auf nach Betlehem, geführt von ihrem Stern und vom Wort des Propheten: dem Wort von der Erscheinung des Herrn. In Betlehem fanden sie das neugeborene Kind: „Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter“ (Mt 2,11). 2. Heute durchläuft die Kirche in ihrer Liturgie den Weg der Magier. Aber dieser Weg ist zugleich ein innerer Weg. Es ist der Weg unseres Glaubens. Epiphanie heißt das Offenbarwerden Gottes für das menschliche Herz: die dem inneren Menschen gegebene Offenbarung. Sie ist die Quelle des Glaubens. Durch das Licht eines ungeahnten Sternes, durch das Wort des Propheten wird der Mensch von der Stimme Gottes, vom Ruf Gottes erreicht: Steh auf und mache dich auf den Weg! Der Mensch, der diesem Ruf folgt, betritt den Weg des Glaubens. So hat sich einst Abraham auf den Weg gemacht; so Mose im Angesicht des brennenden Dornbusches; so hat 1053 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria im Augenblick der Verkündigung diesen Weg beschritten. So haben sich auch die Magier aus dem Osten auf den Weg gemacht. Ihr Weg führt nicht nach Jerusalem oder nach Betlehem, ihr Weg führt zu Gott, zu jenem Gott, der unsichtbar ist, auch wenn er sich durch das, was sichtbar ist, offenbart. Die drei Magier waren dazu berufen, Zeugen dessen zu werden, was in der Offenbarung des Unsichtbaren Höhepunkt und Grenze ist: Gott hat sich als Mensch geoffenbart, er ist Mensch geworden. Er hat sich den Augen der Magier als Kind in den Armen der Mutter geoffenbart. Hier erreicht der innere Weg der drei Magier seinen entscheidenden Punkt. Sie kehrten in ihre Heimat zurück und trugen in der Tiefe ihres gläubigen Herzens die Fülle der göttlichen Offenbarung, die magnalia Dei, die Großtaten Gottes. 3. Wenn die Kirche heute das Fest der Erscheinung des Herrn feiert, begleitet sie die drei Magier aus dem Osten und sieht mit dem Propheten Jesaja (wie wir in der ersten Lesung gehört haben) die großen Menschenmengen und ganze Völker, die sich nach Jerusalem begeben: „Völker wandern zu deinem Licht, und Könige pilgern zu deinem strahlenden Glanz. Blick auf und schau umher: Alle versammeln sich und kommen zu dir. Deine Söhne kommen von fern, deine Töchter trägt man auf den Armen herbei... die Schätze der Völker kommen zu dir ... Ganz Saba kommt . . . und verkündet den Ruhm des Herrn“ (Jes 60,3-6). Der Prophet Jesaja läßt uns die universale Dimension der Erscheinung des Herrn schauen. Die Magier aus dem Osten sind zur Ankündigung dieser Dimension geworden. 4. An diesem Festtag begrüßt der Bischof von Rom hier am Grab des hl. Petrus die neuen, für die Bischofsweihe ausersehenen Kandidaten: Msgr. Bernard Patrick Devlin, Bischof von Gibraltar; Msgr. Kazimierz Gorny, Weihbischof von Krakau; Msgr. Aloysius Balina, erster Bischof von Geita in Tansania; Msgr. Alfonso Nteka, erster Bischof von Mbanza Kongo/Angola; Msgr. Pellegrino Tommaso Ronchi, Bischof der suburbi-kanischen Diözese Porto und Santa Rufina; Msgr. Fernando Saenz Lacalle, Weihbischof von Santa Ana/El Salvador; Msgr. Jorge Medina Estevez, Weihbischof von Rancagua/Chile. Schon die bloße Nennung eurer Namen, liebe Brüder, ist ein Zeichen der Katholizität der Kirche. Daher möchte ich mit dem Blick auf euch die Worte des Propheten wiederholen: „Surge, illuminare, Jerusalem“ (auf, werde hell, Jerusalem) - 1054 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN diese Worte der Freude über die Erscheinung des Herrn. Denn in eurer Anwesenheit erkenne ich die Ausstrahlung und Verbreitung eben des Geheimnisses, das auf dem Weg der drei Magier seinen Anfang genommen hat. Ihr kommt aus verschiedenen Nationen, als Söhne und Bischöfe der Kirchen, die in jenen Nationen Wurzel geschlagen haben, und bringt jene geheimnisvollen Gaben mit, die in ihrer Bedeutung den Gaben, die die drei Magier dargebracht haben, so sehr gleichen! Die Gaben, die der Reichtum der universalen Gemeinschaft der Kirche sind. Ihr seid wie die drei Magier Diener der Erscheinung, des Offenbarwerdens Gottes. 5. Ich begrüße euch auf dem Weg, auf den euch der Herr gerufen hat. Ich will euch die Hände auflegen, wie sie die Apostel ihren Nachfolgern aufgelegt haben. Ich will durch die Gnade des Heiligen Geistes an euch den Dienst der Bischofsweihe vollziehen, damit ihr mit einer neuen Sendung, mit einer neuen Aufgabe in eure Länder zurückkehren könnt. Angesichts aller, die euch umgeben — unter ihnen befinden sich gewiß die Personen, die euch am nächsten stehen — danke ich heute zusammen mit euch für den Stern, der euch auf den Wegen eures Lebens erschienen ist. Auf eurem inneren Weg. Im strahlenden Licht dieses Sternes empfangt ihr den ganzen Reichtum der Epiphanie Gottes. Ihr selbst werdet vor den Menschen, zu denen euch Christus sendet, zu seinen Dienern. „Wenn du das siehst, wirst du dich freuen, du zitterst vor Glück, und das Herz geht dir auf . . .“ (Jes 60,5). Ich wünsche euch diese Schau! Die Schau des Glaubens. Ich wünsche euch diese Ausstrahlung! Die Ausstrahlung des Evangeliums. Ich wünsche euch die pastorale Sorge und die Weihe des Herzens, die aus der Epiphanie, aus dem Geheimnis des menschgewordenen Gottes, aus dem Geheimnis des Kindes in den Armen der Mutter wachsen. Empfangt das Sakrament der Bischofsweihe und werdet zum Weg für alle, die ihr leiten sollt! 1055 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeugnis von dem einen Glauben Ansprache bei der Audienz für finnische Bischöfe am 7. Januar Liebe Brüder in Christus! Es ist eine große Freude für mich, euch heute in Rom willkommen zu heißen: die katholischen, lutherischen und orthodoxen Bischöfe Finnlands. Es ist eine besondere Freude, weil ihr gemeinsam im Geist echter ökumenischer Freundschaft in diese Stadt gekommen seid und der Zweck eures Besuches eure Wertschätzung darüber ausdrückt, daß das Gebet das Herzstück sämtlicher Bemühungen zur Wiederherstellung jener Einheit bilden muß, für die Christus gebetet hat. Ihr wollt in der Kirche Santa Maria sopra Minerva für eure Landsleute hier in dieser Stadt einen Ort des Gebets einweihen. Damit blickt ihr zurück auf eure gemeinsamen Wurzeln als Christen und als Finnen. In eurem Land leben westliche und östliche Christen nebeneinander; und ihr seid verbunden in der Verehrung des Andenkens des hl. Heinrich, des ersten westlichen Bischofs in eurem Land. Eure gemeinsamen Wurzeln bringt ihr dadurch zum Ausdruck, daß ihr miteinander das nizäno-kon-stantinopolitanische Glaubensbekenntnis in seiner ursprünglichen Form sprecht. Dieses Gebet des Glaubensbekenntnisses bildet eine solide Grundlage für unsere Hoffnung auf die Erreichung der vollen Einheit unter den Christen. Anläßlich des 1600. Jubiläums des Ersten Konzils von Konstantinopel schrieb ich: „Die Lehre des Ersten Konzils von Konstantinopel ist bis heute Ausdruck des einen gemeinsamen Glaubens der Kirche und der ganzen Christenheit. Indem wir diesen Glauben bekennen, wie wir es jedesmal im Credo tun . . ., wollen wir hervorheben, was uns - trotz aller Spaltungen im Laufe der Jahrhunderte - mit allen unseren Brüdern verbindet“ (A Concilio Contantinopolitano I, Nr. I, 1, 25. 3. 1981). Auf internationaler Ebene sind die katholische Kirche, die orthodoxe Kirche und der Lutherische Weltbund um den ökumenischen Dialog engagiert bemüht. Unsere Gespräche machen durch Gottes Gnade Fortschritte, aber es ist wichtig, daß sie nicht fern von den Christen in den Ortskirchen geführt werden. Durch eure jetzige Initiative verleiht ihr dem bereits erzielten Fortschritt lebendigen Ausdruck, und das in einer Weise, die, so hoffe ich, die Menschen, denen ihr dient, in immer stärkerem Maße zu Arbeit und eifrigem Gebet für das große Anliegen der Einheit ermutigen wird. Eure Initiative ist also eine treffende Form des gemeinsamen Zeugnisses. 1056 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Tatsache, daß ihr gemeinsam hierherkommt, ist schon an sich Zeugnis für die Bedeutung der Bemühungen um die Einheit. Der Umstand, daß ihr miteinander betet, gibt Zeugnis von eurem Glauben, daß diese Einheit allein durch Gnade Gottes erreicht werden kann. Die Tatsache, daß ihr gemeinsam das Glaubensbekenntnis sprecht, gibt Zeugnis von „dem einen gemeinsamen Glauben der ganzen Christenheit“ (ebd.). Liebe Brüder in Christus! Ich danke euch für diesen Besuch; ich bete für euch bei euren pastoralen Verantwortlichkeiten; ich bete für euer geliebtes Land. Möge euer Besuch uns alle auf die Fürbitte des hl. Heinrich dem großen Tag der vollen Einheit in Christus, unserem Retter, näherbringen, der „offenbart wurde im Fleisch . . ., verkündet unter den Heiden, geglaubt in der Welt“ (1 Tim 3,16). Wer würde das Sehnen nach Frieden nicht teilen? Ansprache an das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 12. Januar Exzellenzen! Meine Damen und Herren! 1. Die vornehmen Worte, mit denen Seine Exzellenz Herr Joseph Ami-chia soeben die Gefühle und Wünsche des gesamten beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps zum Ausdruck gebracht hat, finden, dessen bin ich gewiß, die Zustimmung aller Beteiligten. Wer würde angesichts der laufenden Konflikte, Bedrohungen, des Hungers, der Rassendiskriminierung, Verschuldung und Arbeitslosigkeit nicht dieses Sehnen nach Frieden teilen? Ich danke Ihrem Doyen besonders für den hochherzigen und vertrauensvollen Blick, mit dem er das Wirken des Hl. Stuhls gleichsam Revue passieren ließ und einige Aspekte meiner geistlichen Sendung in Erinnerung gerufen hat. Gott gebe, daß sich diese so trefflich formulierten Wünsche trotz unserer menschlichen Beschränkung im Jahr 1985 zum besten für die Völkergemeinschaft und die Kirche verwirklichen! In einigen Minuten werde ich zu meiner Freude jeden von Ihnen persönlich begrüßen können. Eine ganze Reihe von Ihnen nimmt zum ersten Mal an einer solchen Begegnung teil, da Sie erst vor kurzem Ihr Beglaubi- 1057 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gungsschreiben überreicht haben; und in einigen Fällen handelt es sich überhaupt um die ersten Botschafter Ihrer Länder beim Hl. Stuhl. Im Namen aller heiße ich die Neuankömmlinge in dieser Versammlung ausgezeichneter Diplomaten, die auch so etwas wie eine Familie sein möchte, herzlich willkommen. Könnte nicht s die große Vielfalt Ihrer Gesichter, Sprachen, der Länder und Kulturen, die Sie vertreten, in einem Klima der Achtung, der gegenseitigen Wertschätzung und des Friedens ein Symbol sein für die Annäherung der Nationen auf ihrer Suche nach gegenseitigem Verständnis und Brüderlichkeit? Meine herzlichen Wünsche ergehen an jeden einzelnen von Ihnen, Missionschefs und Mitarbeiter, an Ihre Familien, amdie Völker und Institutionen, denen Sie dienen, das heißt an die Regierungen und noch mehr an die Nationen, deren charakteristische Physiognomie und Lebenskraft die Wechselfälle der Geschichte und des Schicksals der Politiker überdauern. In gleicher Weise könnte ich durch Sie die verschiedenen Kontinente grüßen. Ein Teil Europas ist ja immer unmittelbar um den Hl. Stuhl präsent. Aber für Afrika gilt das nicht weniger, wie die Rede Ihres Doyen, des Botschafters der Elfenbeinküste, beweist. Durch Sie macht der Hl. Stuhl die Hoffnungen und Sorgen der verschiedenen afrikanischen Länder zu seinen eigenen; er weiß um ihre Jugendlichkeit und Vitalität, er kennt ihre Bestrebungen und ihren Elan in Sachen der Entwicklung, das Verlangen, sich klar und deutlich zu Autorität, Freiheit und Frieden zu äußern, die Bemühungen zur Förderung der Einheit des Kontinents, zur Sicherstellung der menschlichen Würde und besonders zur Überwindung der unzulässigen Rassendiskriminierungen. Er spricht ihnen die besten Wünsche aus, daß sie sich ihren noch ganz neuen Weg bahnen in einer für alle glückbringenden und gerechten Weise. Lateinamerika, wo so viele in der Mehrzahl katholische Bevölkerungsgruppen konzentriert sind, hat auch in unseren Augen eine beachtliche Bedeutung. Ich habe das unterstrichen, als ich mich zur Vorbereitung der 500-Jahr-Feier der Evangelisierung nach Santo Domingo begab. Demnächst werde ich vier dieser Länder besuchen. Ihre Sorgen im Kampf gegen die Armut, für gerechtere Verteilung des Wohlstandes, Sicherstellung der Ausbildung und Beschäftigung für die zahlenmäßig starke Jugend, Garantie der Menschenrechte^Sicherung des inneren und äußeren Friedens sind gleichfalls Fragen, die die ganze Völkergemeinschaft ange-hen, und der Hl. Stuhl spricht diesen Ländern seine herzliche Ermutigung aus. 1058 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Asien ist gleichfalls gut unter uns vertreten, vom Nahen bis zum Fernen Osten, und über die ständigen Vertretungen hinaus dürfen wir nicht die anderen Nationen, besonders die große chinesische Nation vergessen, deren Hoffnung und Dynamik die Kirche stets mit. Hochachtung und Interesse verfolgt. Meine Besuche in Korea und Thailand haben die Sorge des Hl. Stuhls: für die asiatischen Völker und ihre bemerkenswerten Kulturen, die in der katholischen.Kirche vertreten sind, kundgetan; die persönliche Erfahrung, die ich dabei gemacht habe, bleibt als Erinnerung in meinem Herzen lebendig. Über Nordamerika brauche ich hier nicht lange zu reden. Was die Vereinigten Staaten angeht, so weiß jeder um die Möglichkeiten dieses großen Landes, seinen weltweiten Einfluß, die leidenschaftliche Anhänglichkeit seiner Bevölkerung an die Freiheit. Und ich bewahre eine dankbare Erinnerung an das, was ich erst vor kurzem an Ort und Stelle in Kanada festgestellt habe. Schließlich möchte ich, daß die zahlreichen Inseln Ozeaniens trotz ihrer geographischen Entfernung das Interesse des Hl. Stuhls spüren, das unter anderem durch den Papstbesuch in Papua-Neuguinea und auf den Salo-mon-Inseln sowie durch eine Botschaft an Tahiti zum Ausdruck gebracht worden ist. Diese Stunde des Austausches der Wünsche mit dem Papst ist schlicht, denn sie verzichtet auf alles Gekünstelte. Und doch ist sie ein feierlicher Augenblick, denn wir, Sie und ich, sind eingeladen, auf das eben begonnene Jahr, auf die ganze Weltbühne einen klaren, möglichst weitreichem den und tiefgehenden Blick zu werfen, der Bedrohungen und Zeichen der Hoffnung aufdeckt, und das vor Gott, der uns auf Herz und Nieren prüft und in der Weihnachtsnacht alle Menschen guten Willens zum Frieden aufruft. 2. Der Scharfblick kann dazu führen, zunächst die Dinge zu sehen, die, wie sie die Medien jeden Tag mitleidlos enthüllen, zu wünschen übrig lassen. Ich selbst habe am Weihnachtstag, an dem unsere Blicke sich auf die armselige Krippe des Jesuskindes in Betlehem konzentrierten, an mehrere Formen von Leiden, von Übeln, von Armut und Elend im wahrsten Sinne des Wortes (wie das der Flüchtlinge, denen ich in Thailand begegnet bin), von Gewalt, von Gefahren erinnert, damit alle Opfer unsere Solidarität und die bevorzugte Option der Kirche für die Armen erfahren, aber auch damit in ihren Herzen wieder die Hoffnung auf den geboren wird, der gekommen ist, um uns durch seine Gottheit reich zu machen und 1059 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die dunklen Schatten des Irrtums, des Egoismus und des Hasses zu vertreiben. Allerdings muß man auch und vielleicht zuerst die unleugbaren positiven Leistungen ins Auge fassen, um besser ermessen zu können, was möglich ist, um die Hoffnung und den Wunsch zum Ergreifen derartiger Friedensgesten zu stärken. Sie werden verstehen, daß ich als bedeutsames Beispiel dafür die Unterzeichnung des Friedens- und Freundschaftsvertrages zwischen Argentinien und Chile anführe, der den Streit über die Südzone beendete. Eine Affäre, die vor sechs Jahren beinahe in einen Bruderkrieg ausgeartet wäre und die Kräfte dieser dynamischen Völker in zerstörerischen Unternehmungen verzehrt hätte. Doch die beiden Parteien wollten den Weg des Dialogs, der in eine Sackgasse geraten war, fortsetzen und baten den Hl. Stuhl um Vermittlung. Das war mühsam, denn es handelte sich um eine sehr komplexe Frage. Auf beiden Seiten war zäher Wille nötig. Beide Länder sind ehrenvoll und ohne Nachteile für ihre nationalen Interessen mit vernünftigen gegenseitigen Zugeständnissen daraus hervorgegangen. Dieses Vorgehen eröffnet gleichzeitig vielversprechende Aussichten für die verschiedenen Bereiche fruchtbarer Zusammenarbeit, von denen wir gleich sprechen werden. Das Beispiel zeigt, daß der Weg der weisen und geduldigen direkten Verhandlung zwischen Partnern oder mit Hilfe eines Vermittlers zur Lösung scheinbar unlösbarer Kontroversen führen kann. Der Hl. Stuhl dankt für dieses Ereignis weiterhin der Vorsehung, die ihm diese Gelegenheit gegeben hat, seine Dienste anzubieten, als ihr bescheidenes Werkzeug zu wirken, und Personen und Umstände in eine günstige Richtung gelenkt hat. Als positive Zeichen könnte man noch die Fortschritte erwähnen, die in einigen Ländern, in denen ein gewisser Totalitarismus herrschte, hinsichtlich der Errichtung einer demokratischen Ordnung erzielt worden sind. Nicht daß die neue Lage die wirtschaftlichen Probleme und die des sozialen Gleichgewichts vereinfachen würde; doch sie stellt, während sie die ausreichend starke staatliche Autorität, die nun einmal notwendig ist und die Einheit der Nation garantiert, in unseren Augen einen normaleren, sichereren, die Freiheiten stärker berücksichtigenden, kurz einen gerechteren Weg dar; sie setzt ungerechten Schikanen ein Ende und öffnet das Feld der verantwortlichen Beteiligung aller (vgl. Redemptor hominis, Nr. 17). Als weiteres positives Zeichen möchte ich auch die Eröffnung der Gespräche zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Sowjetunion 1060 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN über die Begrenzung der Atomwaffen erwähnen, die dieser Tage stattgefunden hat. Es war in der Tat dringend notwendig, daß der allzulang eingefrorene Dialog über eine Frage, überdies eine Lebensfrage, wieder in Gang kommt. Nach dieser ersten Begegnung darf man, so scheint es, einen vorsichtigen Optimismus empfinden. Gott gebe, daß die eigentlichen Verhandlungen, die zweifellos mühsam sein werden, die günstigen Voraussagen bestätigen! Die ganze Welt richtet ihre Augen auf die Beziehungen zwischen diesen beiden Großmächten, wegen ihres unvergleichlichen wirtschaftlichen und militärischen Potentials und ihrer daraus erwachsenden gewaltigen Verantwortung im Bereich der Atomwaffen, die direkt das Schicksal der Menschheit berühren, aber auch auf vielen anderen politischen und moralischen Sektoren. Diese Situation des „Bipolarismus“ darf aber nicht die freie Meinungsäußerung, den Handlungsspielraum und die möglichen Initiativen der anderen Länder in einer bestimmten Richtung fixieren oder gar blockieren; sondern die Verantwortung der beiden Supermächte - wie auch der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - findet ihre Rechtfertigung nur in dem Maß, in dem sie den anderen Nationen gestattet, ihren eigenen Platz einzunehmen, eigene Initiativen zu ergreifen, ihren Einfluß und ihre Ausstrahlung zu gerechten Bedingungen und zum Wohl der Weltgemeinschaft auszuüben. 3. Damit die internationalen Beziehungen einen gerechten Frieden begünstigen und stärken, bedarf es gleichzeitig der Gegenseitigkeit, der Solidarität und der wirksamen Zusammenarbeit, die die Frucht der beiden anderen ist. Diese drei Schlüsselworte sollen dieses Jahr als Leitmotiv für meine Ansprache dienen. Diese Orientierungen ließen sich übrigens mit dem großen Vorhaben der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vergleichen, die 1975 in Helsinki stattfand. Sie öffnete eine Hoffnung auf das, was u. a. die Entwicklung der gegenseitigen Beziehungen im Hinblick auf die technischen, kulturellen, sozialen und humanitären Gegebenheiten jedes einzelnen Landes, die Achtung der Rechte und Grundfreiheiten des Menschen betrifft. Im August dieses Jahres wird der zehnte Jahrestag der Unterzeichnung der Schlußakte begangen werden. An Schwierigkeiten der Zusammenarbeit fehlt es nicht, und die Früchte lassen oft von einer Sitzung bis zur nächsten auf sich warten; es wird noch einen langen, geduldigen Weg, viel guten Willen und Redlichkeit brauchen. Aber wer wird leugnen, daß nunmehr eine Richtlinie vorgezeichnet ist, um allen betroffenen Völkern, in Europa wie jenseits des Atlantik, bei der Ver- 1061 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wirklichung eines wirklichen Fortschritts im Austausch zu helfen zugunsten der Lebensqualität ihrer Völker? Der Hl. Stuhl, der Mitglied der Helsinki-Konferenz ist, hört nicht auf, dies zu erhoffen. Was die Gegenseitigkeit in den Beziehungen anbelangt, so steht sie der Souveränität nicht im Weg, sondern ist eine Vorbedingung für ihre würdige Ausübung. Jedes der hier vertretenen Länder ist in den Augen der Völkergemeinschaft voll souverän, von gleicher Würde, stolz auf seine Unabhängigkeit und auf der Suche nach seinen legitimen Interessen. Sie selbst, meine Damen und Herren, sind als Mitglieder des Diplomatischen Korps dazu bestimmt, dem Wohl Ihrer jeweiligen Länder zu dienen. Im vergangenen Jahr habe ich bei der gleichen Gelegenheit zu Ihnen von den Segnungen, Bedingungen und Forderungen einer solchen Souveränität gesprochen. Aber wenn ein Land seine Rechte geltend macht, das Recht beansprucht, gerecht und ehrenhaft und unter Berücksichtigung seiner Interessen behandelt zu werden - und gegebenenfalls Hilfe zu erhalten -, darf es nicht die gleichen Rechte der anderen mißachten. Der echte politische Dialog, der bereits das Thema meiner Botschaft zum Weltfriedenstag 1983 und meiner Ansprache an die Diplomaten im selben Jahr bildete, verlangt Öffnung, Aufgeschlossenheit und Gegenseitigkeit: Er akzeptiert die Verschiedenheit und Eigentümlichkeit des anderen um eines aufrichtigen Ausgleichs willen; und er ist zugleich die Suche nach dem, was trotz aller Spannungen, Gegensätze und Konflikte den Menschen gemeinsam ist und bleibt, weil es sich um das handelt, was für jeden Menschen, jede Gruppe und jede Gesellschaft wahr, gut und gerecht ist. Ohne diese Annahme der Gerechtigkeit, die über den Parteien steht, die über sie alle das Urteil spricht und die die praktisch geübte Gegenseitigkeit einschließt, gibt es keinen Friedensdialog. Wie könnte man auf internationaler Ebene oder in den bilateralen Beziehungen das fordern, was man den anderen ihren Rechten entsprechend zuzugestehen sich weigert. Es ist eine Frage der Redlichkeit, der Gerechtigkeit; hinderlich sein könnten hier nur einerseits die Angst vor der ungerechten Gewalt der anderen, andererseits die Furcht vor der Wahrheit, der blinde Egoismus eines Volkes oder einer Volksgruppe, der Machtwille seiner Führer und noch mehr deren ideologische Verhärtung. Die Christen hören im Evangelium ein Wort Christi selbst, das auf diesem Weg der Gegenseitigkeit zugleich Licht, Kraft und Forderung ist: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ {Mt7,12). Dieses Wort verdeutlicht das Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Die Anwendungen dieses Wortes im internationalen Leben sind vielfältig. 1062 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - Wie kann man die Achtung der menschlichen Grundrechte, von denen noch nie soviel gesprochen wurde, geltend machen, wenn man sie bei sich nicht achtet? - Wie kann man vom Recht auf Unabhängigkeit als dem Abc der die internationalen Beziehungen regelnden Grundsätze sprechen, wenn man von außen eingreift, um in einem anderen Land, sei es auf indirekte, sei es sogar auf direkte Weise, durch Gewalt, subversive Kräfte zu schüren und zu unterstützen, und das gegen den Wunsch der Mehrheit der dortigen Bevölkerung? Und dasselbe könnte man sagen, wenn ein Land einem anderen praktisch ein Regime und seinen Regierungsapparat aufgezwungen hat. - Wie kann man innerhalb eines Landes die Rechte eines Teils der Bevölkerung geltend machen, während man die anderen von dem Recht, friedlich auf demselben Boden zu leben, ausschließt? - Oder wie kann man einem ganzen Land ein Sondergesetz aufzwingen, das die bürgerlichen und religiösen Rechte einer Minderheit beschneidet? - Ein Blick auf die Tätigkeit der internationalen Organisationen weckt gleichfalls einige Verwunderung. Diese Organisationen haben ihren Wert in dem Maße, in dem sie die Mitarbeit aller Mitglieder erhalten und das gemeinsame Wohl aller anstreben, indem sie versuchen, sie an den aus einer gemeinsamen Aktion erwachsenen Früchten teilhaben zu lassen. Es ist zu wünschen, daß sie in den Genuß einer möglichst universalen Beteiligung kommen. -Was die Religionsfreiheit betrifft, muß auch sie eine Gegenseitigkeit, das heißt eine Gleichheit in der Behandlung einschließen. Natürlich können jene, die an den wahren Gott glauben, aus Achtung vor der Wahrheit, der sie mit ihrem ganzen Glauben anhängen, nicht die Gleichwertigkeit aller religiösen Glaubensformen anerkennen und noch weniger in religiöse Gleichgültigkeit verfallen; sie haben normalerweise sogar den Wunsch, daß alle zu der Wahrheit gelangen, die sie kennen, und sie setzen sich dafür ein durch ein Zeugnis, das die Freiheit des Beitritts respektiert, denn es geht um die Würde des Menschen, sich dem Glauben zu öffnen durch freie Anerkennung der Vernunft und des Herzens, mit der Gnade, je nachdem wie es das gut gebildete Gewissen enthüllt und vorschreibt. Sie können - und müssen — daher zugleich die Würde der anderen Menschen achten, die immerhin, vor allem in religiösen Dingen, nach ihrem Gewissen handeln. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese Unterscheidung in der Erklärung Dignitatis humanae (Nr. 2) gut herausgearbeitet und damit ein Problem gelöst, das in der Vergangenheit der christlichen Gemeinschaften 1063 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehr zu wünschen übriggelassen hatte. Man versteht daher — Sie werden mir verzeihen, wenn ich Ihnen das hier ganz im Vertrauen sage - das Befremden und das Gefühl der Frustration bei Christen, die zum Beispiel in Europa Gläubige anderer Religionen aufnehmen und ihnen die Möglichkeit zur Ausübung ihres Kultes geben und denen ihrerseits jede Ausübung ihrer christlichen Religion in den Ländern untersagt wird, in denen diese Gläubige die Mehrheit besitzen und ihren Glauben zur Staatsreligion erklärt haben. - Ernste Schwierigkeiten erheben sich außerdem dort, wo der Staat eine atheistische Ideologie vertritt. Die Situationen sind natürlich sehr verschieden, je nachdem, ob sich der Staat starken konfessionellen Gemeinschaften, einem mächtigen Glauben gegenübersieht oder nicht. Aber allgemein besteht ein Widerspruch zwischen den offiziellen Erklärungen über die Religionsfreiheit, die angeblich den Privatpersonen überlassen bleibt, und der antireligiösen Propaganda, zu der da und dort Zwangsmaßnahmen hinzukommen, die die freie Religionsausübung, die freie Wahl oder Ernennung von Geistlichen, den freien Zugang zu den Seminaren, die Möglichkeit der Jugendkatechese verhindern, abgesehen von der Mißachtung der bürgerlichen Rechte der Gläubigen, so als brächte die Glaubenszugehörigkeit das Gemeinwohl in Gefahr! Mehr noch: Es gibt in Europa eine Situation, wo die atheistische Ideologie derart mit dem Staat verschmolzen ist, daß der Atheismus den Gewissen aufgezwungen wird und jede religiöse Handlung, gleichgültig welcher Konfession, absolut untersagt ist und streng bestraft wird. Was in diesen verschiedenen Situationen auf dem Spiel steht, ist der richtig verstandene Geist der Toleranz, der nicht religiöse Gleichgültigkeit, sondern Achtung der Gewissen, das heißt einer der grundlegendsten Freiheiten, und Respektierung der Trennung des politischen und des religiösen Bereiches ist, wie Christus es ganz richtig formuliert hat: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ (Mt 22,21). 4. Über die Gegenseitigkeit der Rechte und die strenge Gerechtigkeit in der Gleichheit der Behandlung muß man zu einer allgemeinen Solidarität angesichts der großen Aufgaben der Menschheit gelangen. Alle Völker befinden sich auf wirtschaftlicher, politischer und kultureller Ebene in einer Situation gegenseitiger Abhängigkeit. Jedes Land braucht oder wird die anderen brauchen. Gott hat die Erde der ganzen Menschheit anvertraut und damit die Solidarität zu einem Gesetz gemacht, das für das Gute wie für das Böse gilt. Sicher waren die Chancen verschieden, was die Reichtümer der Erde oder die Bodenschätze, die Gunst des Klimas, die 1064 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit dieser oder jener Zivilisation verbundenen Talente und auch die Mühe betraf, mit denen sich die Menschen je nach ihrem mehr oder weniger entwickelten Unternehmungsgeist eingesetzt haben. Der wirtschaftliche und soziale Fortschritt mag durch die Schwierigkeit verzögert werden, die vor allem die jungen Nationen bei der Aneignung der neuen Produktions- und Verteilungsprozesse erleben, manchmal auch durch die Nachlässigkeit oder sogar Korruption von Menschen, gegen die man mutig einschreiten muß. Aber auf jeden Fall rufen diese Situationen der Ungleichheit die Vernunftwesen, die die Menschen sind, dazu auf, gemeinsam diese Benachteiligungen zu überwinden, und vor der Grausamkeit des Schicksals, das ganze Gruppen der Menschheit betrifft, gibt es keine gültigen Vorwände mehr, um den Beitrag für deren Überleben und Entwicklung zu verweigern. Die solidarische Hilfe und das richtig verstandene Interesse aller auf lange Sicht ist die einzige vollgültig menschliche Antwort. Es ist ein und dasselbe Abenteuer, das wir alle durchlaufen. Im kanadischen Edmonton habe ich mich wieder einmal für die Länder der südlichen Erdhälfte eingesetzt, und ich sehe mit Freude, daß Staatschefs die Meinung ihres Volkes für diese wichtige Aufgabe sensibilisieren. Die Vordringlichkeit und Notwendigkeit, in diesem Geist der Solidarität Fortschritte zu machen, ist so offenkundig, daß ich mich auf zwei Beispiele beschränken will. Viele Entwicklungsländer haben enorme Schulden angesammelt, die immer größer werden. Ich weiß, daß dies ein komplexes Problem ist, das gegebenenfalls die Frage der Vorsicht bei den Anleihen und ihrer tatsächlichen Nutzung für Investitionen in dem Land nach sich zieht. Aber die Situation ist für viele verschuldete Länder unentwirrbar geworden: Wie sollen sie ohne ein neues System der Solidarität ihre Schulden zurückzahlen können? Wie könnten sie aus der Sackgasse herauskommen? Es geht hier um das Interesse aller, einschließlich der reichen Länder, die Gefahr laufen, sich isoliert zu finden. Es geht um den menschlichen Sinn der Solidarität. Für Christen wird sich eine solche Erneuerung der Beziehungen schwerlich ohne die hochherzige und selbstlose Liebe durchführen lassen, deren Vorbild und Quelle Christus selbst ist. Das andere Beispiel stellt uns das aktuelle Zeitgeschehen Tag für Tag vor unsere betroffenen Augen, zumindest wenn wir, wie Ihr Doyen richtig gesagt hat, nicht den Blick und das Herz abwenden: den Hunger in den Ländern der Dürrezone, besonders in Afrika. Man weiß sehr wohl, daß die betroffenen Länder zur Zeit und von sich allein aus nicht aus dieser dramatischen Situation herausfinden, den Tod von Millionen von Men- 1065 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen nicht verhindern und, was die Zukunft betrifft, die Ausbreitung der Wüste nicht aufhalten können. Aber die Situation kann in Ordnung gebracht werden: denn es gilt nicht nur, dringende Hilfen zu leisten - die u. a. dem Überfluß und der Überproduktion mancher Länder entnommen werden, die versucht sind, Lebensmittel zu vernichten, um das Wirtschaftsgleichgewicht zu erhalten -, sondern man muß die Techniken, die zu entdecken Gott uns erlaubt hat, der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Ich sprach zu Beginn von positiven Zeichen. Ich möchte das hier unterstreichen: die Tatsache, daß in letzter Zeit Organisationen der internationalen Gemeinschaft, Länder und Institutionen die Herausforderung angenommen haben, ist sehr ermutigend. 5. Gemäß den dargelegten Grundsätzen der Gegenseitigkeit und der Solidarität wäre es möglich, eine wirksamere Zusammenarbeit der Mitglieder der Weltgemeinschaft auf bestimmten anderen Gebieten zu verwirklichen, wo die Gewalt wütet und wo ernste Bedrohungen auf der Menschheit lasten. Es geht darum, zum Abbau der gewaltsamen Lösungen beizutragen und mitzuhelfen bei der Überwindung der Angst, des Klimas des Mißtrauens, das manche Länder lähmt und so verleitet, sich auf sich selbst zurückzuziehen, sie aber auch in die Lüge, Verhärtung, Provokation und Gewalt treibt. Sicher macht man noch immer die Gerechtigkeit oder die Selbstverteidigung geltend, aber eine andere Atmosphäre, eine neue Philosophie, wie ich am 1. Januar dieses Jahres sagte, würde es ermöglichen, andere Lösungen für die Gerechtigkeit und die Sicherheit zu finden. Ich nenne hier vier Bereiche. Und daran könnten nicht nur die von diesem oder jenem Konflikt direkt betroffenen Parteien mitwirken, sondern eine wachsende Zahl von Ländern und vor allem die internationalen Organisationen. a) Wäre es nicht möglich - ohne von Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer sprechen zu brauchen -, von ihrem Einfluß Gebrauch zu machen, um die laufenden Konflikte abzubauen, zur Wiederaufnahme der Wege des Dialogs zu verhelfen, nach Verhandlungslösungen zu suchen, von denen vermutet werden kann, daß sie von allen angenommen werden, außer vielleicht von denen, die an einer blinden Ideologie oder einem macchiavellistischen Interesse in ihren Plänen festhalten? Man könnte wenigstens von anderen Ländern erwarten, daß sie von der Unterstützung der Konfliktparteien bei der Durchführung von Operationen, die so viele Tote und Zerstörungen verursachen, Abstand nehmen. Hier muß man an den Libanon denken. Wann wird er endlich den ersehn- 1066 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten Frieden und die Fähigkeit finden, in loyaler Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gruppen der Nation seine eigenen Institutionen zu verstärken? Wie kann man mit kluger Vorsicht den ausländischen Interventionen ein Ende setzen und, wenn sie einmal beendet sind, den Frieden garantieren, die Racheakte und Massaker vermeiden, die die ganze Welt noch in Erinnerung hat? Ähnliches ließe sich im Hinblick auf die Kriege und erbarmungslosen Gewalttaten sagen, die zwischen dem Iran und dem Irak weitergehen — dieser Konflikt wird angeheizt durch einen ständigen Strom von Waffen, die von den verschiedensten Seiten geliefert werden -, und darüber hinaus in Afghanistan, Kambodscha und in mehreren Ländern Mittelamerikas. Wenn der Hl. Stuhl davon spricht, auch wenn seine Gläubigen nicht in Gefahr sind, dann deshalb, weil er sich nicht damit abfinden kann zuzuschauen, wie Unschuldige, die bereits so teuer für die Unsinnigkeit des Krieges gezahlt haben, vernichtet und niedergemetzelt werden. Die Kirche weiß, daß die Entspannung schwierig ist, aber man muß den Mut haben, einmal den Anfang damit zu machen. Die Kirche ihrerseits ist z. B. in Zentralamerika bereit, sich als der Ort oder die Instanz anzubieten, die den Parteien ermöglicht, sich zu begegnen, eine Verständigung einzuleiten, einen ehrlichen Friedensdialog zu beginnen. b) Desgleichen muß auf dem Gebiet der Abrüstung die Gewalt und die Angst abgebaut werden; es gilt, das Rüstungsniveau möglichst zu senken, zu einer neuen Philosophie der internationalen Beziehungen zu ermutigen, auf egoistische und ideologische Interessen, die die Spannungen, den Haß, die subversiven Kräfte nähren, zu verzichten und die durch die Abrüstung frei gewordenen Energien und Geldmittel für die großen Anliegen unserer Zeit zu verwenden: den Kampf gegen den Hunger, die Entwicklung, die Förderung des Menschen (vgl. meinen Appell nach dem Angelus am 1. Januar 1985). c) Wichtig ist ferner der gemeinsame Kampf gegen den internationalen Terrorismus, indem die Terroristen keinerlei Ermunterung mehr erfahren, und auf anderer Ebene gegen den Drogenhandel, der zu einer wahren Plage geworden ist. In diesen Bereichen scheint es übrigens, abgesehen von dem erst kürzlich von einigen Luftpiraten ausgelösten Drama, Fortschritte gegeben zu haben, die vor allem auf eine größere internationale Solidarität zurückzuführen sind. d) Aber der Gewalt müßte unter allen ihren Aspekten die Absage erteilt werden, einschließlich jener, die heimlich und ohne von irgendeiner Seite gebremst zu werden, so als handelte es sich um eine Angelegenheit, die dem Gutdünken der staatlichen Machthaber überlassen bleibt, sogar 1067 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unter dem Vorwand der Staatssicherheit in den Konzentrationslagern, in den Gefängnissen und an anderen Internierungsstätten gegen politische Gefangene verübt wird. Es gibt Fälle, wo man diese Gewalt in brutaler, niederträchtiger Weise gegen sie anwendet, weil man die völlige Zerstörung ihrer Persönlichkeit erreichen will. Das ist die Schande unserer Menschheit. Es müßte zumindest eine Anzeige dieser Vorkommnisse, eine ganz klare Verurteilung von seiten der internationalen Meinung erfolgen, und es müßte zu diesem Zweck ein Untersuchungsrecht der rechtmäßig anerkannten humanitären Instanzen geben. Das gilt für die Verletzung aller Menschenrechte wie für die Religionsfreiheit. 6. Zum Abschluß möchte ich Ihnen noch drei Überlegungen mitgeben: über den Beitrag der Jugend, über die Erziehung zu den sittlichen Werten, über die geistliche Tiefe der Versöhnung. Ja, es ist gut, es ist notwendig, auf die Jugend zu setzen. Die meisten der in diesem Diplomatischen Korps vertretenen Länder haben einen enormen Anteil an Jugendlichen. Es ist im Interesse des Friedens wichtig, daß diese jungen Leute gültige sittliche Entscheidungen treffen können. Die Organisation der Vereinten Nationen hat uns eingeladen, uns am Internationalen Jahr der Jugend zu beteiligen, und diesem habe ich die Botschaft zum Weltfriedenstag gewidmet: „Frieden und Jugend, zusammen unterwegs.“ Nicht etwa, daß die Jugendlichen die Erfahrung besäßen, die Sie haben: Ohne Zweifel sehen sie nicht sämtliche Schwierigkeiten des politischen, nationalen und internationalen Lebens. Sie haben auch ihre Schwächen, ihre Versuchungen, ihre Gewalt, und manchmal entfliehen sie den konkreten Verantwortlichkeiten. Es geht nicht darum, mit ihnen Demagogie zu betreiben. Aber sind wir imstande, auf ihre berechtigten Bestrebungen, die oft hochherzig das Wesentliche treffen, zu antworten? Auf jeden Fall sollen sie morgen die Baumeister des Friedens sein. Wie werden sie auf diese Rolle vorbereitet? Sind unsere Formen, mit Gerechtigkeit und Frieden zu verfahren, imstande, sie zufriedenzustellen? Wie kann man ihnen ein Beispiel, eine Hoffnung, eine berufliche Eingliederung verschaffen, die sie aus dem Alptraum der Arbeitslosigkeit herausreißt, die sie zu aktiver Teilnahme führt? Wie vor allem können wir sie zu den wahren Werten und zur Achtung der anderen erziehen? 7. Ohne diese Erziehung zu den sittlichen Werten im Volk und bei seinen heutigen und künftigen Verantwortlichen bleibt der Aufbau des Friedens 1068 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eine brüchige Angelegenheit; ja, er ist geradezu zum Scheitern verurteilt trotz aller Geschicklichkeit der Diplomaten und aller eingesetzten Kräfte. Zu dieser Bildung beizutragen obliegt den Politikern, den Erziehern, den Familien und den Verantwortlichen der Massenmedien. Und die Kirche ist immer bereit, ihren Teil dazu beizutragen. Ich habe nicht vor, diese sittlichen Werte hier detailliert anzuführen. Man denke an die Loyalität, an die Treue zu übernommenen Verpflichtungen, an die Ehrenhaftigkeit, die Gerechtigkeit, die Toleranz, die Achtung der anderen — ihres Lebens, ihrer Lebensbedingungen, ihrer Rasse -, an die Güterteilung, an die Solidarität. Die Christen bringen alle diese sozialen Tugenden gern mit der Nächstenliebe, mit der Liebe in Zusammenhang und gründen sie auf die transzendente Würde jeder menschlichen Person, deren Garant Gott ist, und auf das Beispiel Christi. Aber geht man sehr weit in der Achtung des Menschen? Müßte sie nicht schon beim menschlichen Embryo beginnen? In der heutigen Zeit nehmen Genmanipulationen, gewagte Experimente zu und greifen rasch von einem Land aufs andere über. Diese Fragen werden gewissermaßen zu internationalen Problemen. Wer würde die Behauptung wagen, hier handle es sich nur um technische Vorgänge? Wer sieht nicht die ernsten menschlichen Probleme, die hier anstehen und für die auf rechtlicher und ethischer Ebene Lösungen gefunden werden müssen? Die Respektierung der sittlichen Werte auf dieser Ebene gehört zur Achtung vor dem Menschen, die die Grundlage des Friedens bildet, der natürlich mit der Achtung vor dem menschlichen Leben beginnt. Jedes Land muß, vor allem wenn es über starke Einflußmöglichkeiten verfügt, seine Verantwortung ermessen, was den ethischen Wert von mehr oder weniger moralischen oder fanatischen Techniken, Methoden oder Auffassungen betrifft, die es exportiert oder deren Export es zuläßt. <188> <188> Nun, die Kirche weiß wohl, daß es schwer ist, die Menschen von der Versuchung zum Krieg, vom Egoismus und vom Haß zu heilen. Man nennt sie manchmal utopisch. Sie ist nicht so naiv zu glauben, daß es gelingen würde, jede Gewalt auf Erden auszurotten. In dem nach der Synode im vergangenen Dezember veröffentlichten Schreiben Reconcilia-tio et paenitentia habe ich von einer Welt gesprochen, „die bis in ihre Grundfesten erschüttert ist“. Und für uns ist die Wurzel dieser Risse und Spaltungen eine Wunde des Menschenherzens, eine Ursünde. Das Drama der Menschheit - das geben selbst viele Philosophen zu - ist ein geistliches Drama, vor allem ein Drama des atheistischen Humanismus (vgl. ebd., Nr. 2). Aber obwohl sie weiß, daß sich auf dieser Erde die 1069 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN endgültige Versöhnung der Menschen mit Gott, mit den anderen, mit sich selbst, mit der Schöpfung nicht vollziehen läßt, will die Kirche mit allem Eifer daran arbeiten - als Zeichen, Ansatz und Zeugnis der zukünftigen Welt. Sie glaubt immer daran, daß die Befreiung des Menschenherzens durch die Vergebung und durch die Liebe möglich ist, daß der Fortschritt des Dialogs, der Versöhnung, der Brüderlichkeit möglich ist, vor allem wenn sich die Menschen mit Gott versöhnen. Ihre besondere Rolle besteht darin, auf dieser Stufe, in ihrer Katechese und in ihren Sakramenten, zu arbeiten. Aber sie engagiert sich auch in der Aufgabe der sozialen Aussöhnung, vor allem durch die Tätigkeit des Hl. Stuhls und seiner verschiedenen Organe. Sie will ihre institutionelle Struktur und ihre moralische Autorität in den Dienst der Eintracht und des Friedens stellen (vgl. ebd., Nr. 25). Dafür werden Sie, so hoffe ich, weiterhin hier Zeugen sein. Meine Rede sollte Ihnen weniger die Leistungen des Hl. Stuhls darlegen - die natürlich hinter unseren Wünschen und unserer Idealvorstellung zurückgeblieben sind - als Sie, Exzellenzen, meine Damen und Herren, dazu ermutigen, Ihrerseits zur Schaffung eines Klimas der Gegenseitigkeit, der Solidarität und der internationalen Zusammenarbeit beizutragen, von dem ich gesprochen habe. Das gereicht Ihrem hohen Beruf zur Ehre, vor allem wenn Sie ihn bei einer geistlichen Autorität ausüben. Wir wollen gemeinsam dazu beitragen, eine humanere, der Menschen und Gottes würdigere Welt vorzubereiten. Wir vertrauen dieses Vorhaben der Inspiration und Gnade Gottes an. Ich rufe auf jeden von Ihnen seinen Segen herab. Das ist der wichtigste der herzlichen Wünsche, die ich Ihnen gegenüber gern nochmals ausspreche. „Gleichsam heilbringendes Wasser“ Predigt bei der Messe und Taufe in der Sixtinischen Kapelle am 13. Januar <189> <189> „Aus dem Himmel hast du deine Stimme vernehmen lassen.“ Diese Worte, die die Präfation der heutigen Liturgie an Gottvater richtet, fassen gewissermaßen das Offenbarwerden des göttlichen Erbarmens gegenüber den Menschen zusammen, das sich in den Geheimnissen von 1070 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jesu Leben erfüllt hat, unter denen wir heute seiner Taufe im Jordan gedenken. Die geheimnisvollen Worte des himmlischen Vaters, die zu hören sind, sobald Jesus aus dem Wasser steigt, stellen eines der ersten „Wunderzeichen“ dar - wie es gleichfalls in der Präfation heißt -, mit denen der Vater uns der göttlichen Sendung des geliebten Sohnes für unser Heil versichern wollte. Indem sich Jesus von Johannes taufen ließ, wollte er, obwohl die Welt voller Sünde ist, unsere Situation mit uns teilen, die Situation von Geschöpfen, die von der Sünde verletzt und gedemütigt sind und der Läuterung bedürfen. Mit dieser Geste wollte uns Jesus, das menschgewordene Wort, die Macht seiner Erlösungs- und Taufhandlung gerade dadurch vor Augen führen, daß er sich eines schwachen Menschen bediente, damit sich in ihm und durch ihn unser Heil vollziehen könne. 2. Die kleinen Jungen und Mädchen, die heute die Taufe empfangen werden, geben Zeugnis von dieser reinigenden Handlung Jesu in der Macht des Heiligen Geistes. Sie werden von einem Gnadenstrom erreicht, der von den Wunden des gekreuzigten Jesus ausgeht und sich wohltätig ausbreitet, um die Wüste dieser Welt zu durchströmen, die Wunden und das Elend zu heilen und den Menschen von seinen Sünden reinzuwaschen. Auch diese kleinen Geschöpfe werden gleich mit diesem heilbringenden Wasser in Berührung kommen, sie werden von der Ursünde und der Knechtschaft des Teufels befreit, geheiligt und nach dem Bild des göttlichen Sohnes „Kinder Gottes“, die der Heilige Geist bewegt, und Erben des ewigen Lebens. 3. „Seht, das ist mein Knecht, den ich gewählt habe, mein Geliebter, an dem ich Gefallen gefunden habe. Ich werde meinen Geist auf ihn legen“ (Mt 12,18). Diese Worte aus der ersten Lesung, die in prophetischer Weise das Geheimnis Jesu, des Retters, verkündigen, lassen sich, freilich nur durch Teilhabe, auch auf diese kleinen Geschöpfe anwenden, die nun getauft werden sollen. Auch sie werden im Namen des Vaters, des Sohnes und des Geistes in ein besonderes Vertrauensverhältnis zu Gott aufgenommen, das sie ihre Situation der Geschöpflichkeit überwinden läßt, um in den übernatürlichen Stand der Gotteskindschaft erhoben zu werden. Auf diese Weise werden sie vom Vater für eine neue Geburt „gezeugt“, die Jesus „das Geborenwerden aus dem Geist“ nennt (vgl. Joh 3,7). 1071 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und ihr, liebe Eltern, die ihr diese eure Kinder physisch gezeugt und geboren habt, sollt euch zusammen mit den Paten und Patinnen stets dieser geistlichen und übernatürlichen Geburt eurer Geschöpfe bewußt sein. Die physische Geburt hat zeitlichen Charakter: Die Geburt zum Leben der Gnade vollzieht sich im Verlauf des ganzen Erdendaseins und findet ihre Erfüllung erst im ewigen Leben. Liebe Eltern, liebe Paten und Patinnen, denkt also immer an eure Verantwortung: dafür zu sorgen, daß diese Geschöpfe zum Leben der Kinder Gottes „geboren“ werden. Ihr werdet das als Glieder der kirchlichen Gemeinschaft tun müssen und tun können. Die Mutterschaft der Kirche muß durch euch ausgeübt werden. Natürlich wird an einem bestimmten Punkt diese Mutterschaft auch durch die Anwesenheit des Priesters, des Ordensmannes und der Ordensfrau zum Ausdruck kommen. Aber ver-geßt niemals die unersetzliche Aufgabe, die einem gesunden Klima in der Familie zukommt, die mit Recht wiederholt als „Hauskirche“ bezeichnet wird. Die Familie ist die erste Schule der sittlichen und religiösen Bildung und der Vermittlung der teuersten Werte. Das, liebe Brüder und Schwestern, ist mein Wunsch; das ist meine Hoffnung. Das Licht und die Kraft des Geistes, der Beistand der seligsten Jungfrau und Gottesmutter und der Kirche mögen euch dabei helfen, eure Kinder — diese jungen Christen — zur Fülle der in der Taufe empfangenen Gnade und zur Heiligkeit zu führen. „Die Kirche achtet alle Kulturen“ Ansprache an die Vollversammlung des Internationalen Rates des Päpstlichen Rates für die Kultur am 15. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Freunde! 1. Meine Freude ist groß, Sie anläßlich der dritten Jahresversammlung des Internationalen Rates des Päpstlichen Rates für die Kultur heute vormittag in Rom zu empfangen. Ich danke Ihnen aufrichtig für Ihre persönliche Anwesenheit und dafür, daß Sie bereit sind, Ihre Zeit und Ihre Kräfte der engen Zusammenarbeit mit dem Apostolischen Stuhl zu widmen. Besonders herzlich begrüße ich 1072 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kardinal Gabriel-Marie Garrone, den Präsidenten Ihres Präsidialkomi-tees, sowie Kardinal Eugenio de Araujo Sales. Mit gleicher Dankbarkeit wende ich mich an den Exekutivausschuß des Päpstlichen Rates für die Kultur, der hier von seinem Vorsitzenden, Msgr. Paul Poupard, und seinem Sekretär, P. Herve Carrier, vertreten wird, die es sich mit ihren eifrigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zur Aufgabe machen, eine reiche Arbeit von hoher Qualität zu leisten. 2. Der Päpstliche Rat für die Kultur besitzt in meinen Augen eine symbolische und hoffnungsvolle Bedeutung. Denn ich sehe in Ihnen qualifizierte Zeugen der katholischen Kultur quer durch die Welt, die damit beauftragt sind, Überlegungen anzustellen über die Entwicklungen und Erwartungen der verschiedenen Kulturen in Ihren Ländern wie in Ihren spezifischen Tätigkeitsbereichen. Entsprechend der Sendung, die ich Ihnen anvertraut habe, sind Sie berufen, dem Apostolischen Stuhl in fachkundiger Weise zu helfen, die tieferen und vielfältigen Bestrebungen der heutigen Kulturen besser kennenzulernen und besser zu erkennen, wie die Universalkirche darauf antworten kann. Denn überall in der Welt ändern sich die Tendenzen, die Mentalitäten, die Denk- und Vorstellungsweisen, den Sinn des Lebens zu begreifen, sie beeinflussen sich gegenseitig und prallen zweifellos heftiger aufeinander denn je. Das kennzeichnet alle, die sich ehrlich der Förderung des Menschen widmen. Es ist gut, daß Sie durch Ihre Arbeit des Studiums, der Beratung und der Anregung - eine Arbeit, die Sie zusammen mit den anderen römischen Dikasterien, den Universitäten, den Ordensinstituten, den internationalen katholischen Organisationen und mehreren großen internationalen Instanzen, die sich die Förderung der Kultur zur Aufgabe machen, durchführen - ein klares Bewußtwerden des Einsatzes fördern, den die Kulturwelt im weitesten Sinne dieses Wortes darstellt. 3. Uber die respektvolle und objektive Aufnahme und bessere Kenntnis der kulturellen Wirklichkeiten hinaus kann der Christ nicht von der Frage der Glaubensverkündigung absehen. Der Päpstliche Rat für die Kultur nimmt an der Sendung des Stuhles Petri für die Evangelisierung der Kulturen teil, und Sie beteiligen sich an der Verantwortung der Teilkirchen bei den apostolischen Aufgaben, die die Begegnung des Evangeliums mit den Kulturen unserer Zeit fordert. Hierfür wird von allen Christen eine gewaltige Arbeit verlangt, und die Herausforderung muß im Herzen jedes Volkes und jeder menschlichen Gemeinschaft gerade die Kräfte der Christen mobilisieren. 1073 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Da Sie zugesagt haben, dem Hl. Stuhl in seiner universalen Sendung bei den Kulturen unserer Zeit behilflich zu sein, vertraue ich Ihnen die besondere Aufgabe an, zu erforschen und zu vertiefen, was für die Kirche die Evangelisierung der Kulturen heute bedeutet. Die Sorge um die Evangelisierung der Kulturen ist für die Kirche sicher nicht neu, aber sie wirft Probleme auf, die in einer vom Pluralismus, vom Zusammenstoß der Ideologien und von tiefgreifenden Veränderungen in Denk- und Anschauungsweisen gekennzeichneten Welt einen neuartigen Charakter haben. Sie sollen der Kirche helfen, auf die für die zeitgenössischen Kulturen grundlegenden Fragen zu antworten: Wie ist die Botschaft der Kirche den neuen Kulturen, den heutigen Formen des Verständnisses und der Empfindung zugänglich? Wie kann sich die Kirche Christi beim modernen Geist Gehör verschaffen, der so stolz auf seine Leistungen und zugleich so ängstlich besorgt um die Zukunft der Menschheit ist? Wer ist Jesus Christus für die Männer und Frauen von heute? Ja, die ganze Kirche muß sich diese Fragen stellen in dem Geist, von dem mein Vorgänger Paul VI. nach der Synode über die Evangelisierung sagte: „Es gilt, ... die Kultur und die Kulturen des Menschen im vollen und umfassenden Sinn, den diese Begriffe in Gaudium et spes haben, zu evangelisieren, wobei man immer von der Person ausgeht und dann stets zu den Beziehungen der Personen untereinander und mit Gott fortschreitet“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 20, in: Wort und Weisung, 1975, S. 551). Er fügte noch hinzu: „Das Reich, das das Evangelium verkündet, wird von Menschen gelebt, die zutiefst an eine Kultur gebunden sind, und die Errichtung des Gottesreiches kann nicht darauf verzichten, sich gewisser Elemente der menschlichen Kultur bzw. Kulturen zu bedienen“ (ebd.). Es handelt sich also um eine komplexe, aber wichtige Aufgabe: den Christen zu helfen, in den Wesenszügen ihrer Kultur das zu erkennen, was zum richtigen Ausdruck der evangelischen Botschaft und zur Errichtung des Gottesreiches beitragen kann, und aufzudecken, was ihm widerspricht. Und dadurch wird die Verkündigung des Evangeliums an die Zeitgenossen, die ihm noch nicht anhängen, mehr Chancen haben, in einem echten Dialog verwirklicht zu werden. Wir müssen evangelisieren: so viele Gegenden, so viele Kulturbereiche stehen der Frohbotschaft von Jesus Christus noch gleichgültig gegenüber. Ich denke an die Kulturen weiter Regionen der Welt, die sich noch am Rand des christlichen Glaubens befinden. Aber ich denke auch an große kulturelle Bereiche in den Ländern christlicher Tradition, die heute gleichgültig, wenn nicht gar feindselig gegenüber dem Evangelium scheinen. Ich spreche natürlich von äußeren Erscheinungen, denn dem Ge- 1074 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heimnis persönlicher Glaubensüberzeugungen und dem geheimen Wirken der Gnade soll man nicht vorgreifen. Die Kirche achtet alle Kulturen und nötigt keiner ihren Glauben an Jesus Christus auf, aber sie lädt alle Menschen guten Willens ein, eine echte Gesellschaft im Zeichen der Liebe zu fördern, die auf den evangelischen Werten der Brüderlichkeit, der Gerechtigkeit und der Würde aller gründet. 4. Das alles erfordert eine neue Annäherung der Kulturen, der Haltungen, der Verhaltensweisen, um mit den kulturellen Kreisen einen tiefgründigen Dialog zu führen und ihre Begegnung mit der Botschaft Christi fruchtbar zu machen. Diese Aufgabe verlangt auch von seiten der verantwortlichen Christen einen Glauben, der erhellt wird von der ständig mit den Quellen der Botschaft der Kirche konfrontierten Reflexion, und eine vom beharrlichen Gebet getragene geistliche Unterscheidung. Der Päpstliche Rat für die Kultur seinerseits ist daher aufgerufen, die wichtigen Fragestellungen zu vertiefen, die die Herausforderungen unserer Zeit für den Sendungsauftrag der Kirche zur Evangelisierung aufwerfen. Ich fordere Sie lebhaft dazu auf, durch Studium, durch Begegnungen, Reflexions- und Konsultationsgruppen, durch Informations- und Erfahrungsaustausch, durch Mitarbeit von Korrespondenten, die es in großer Zahl übernommen haben, in verschiedenen Teilen der Welt mit Ihnen zusammenzuarbeiten, diese neuen Dimensionen im Licht der theologischen Reflexion, der Erfahrung und des Beitrags der Humanwissenschaften klarzulegen. Seien Sie gewiß, daß ich gern die Arbeiten und Initiativen unterstützen will, die Ihnen die Sensibilisierung der verschiedenen Instanzen der Kirche für diese Probleme ermöglichen sollen. Und als Unterpfand der Unterstützung, die ich Ihrer für die Kirche so nützlichen Aufgabe leisten möchte, erteile ich Ihnen sowie allen Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und Ihren Familien meinen besonderen Apostolischen Segen. 1075 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „ Verantwortlich sein“ für die Hoffnung Botschaft an die Patriarchen und Verantwortlichen der Kirchen des Nahen Ostens vom 23. Januar An die ehrwürdigen Patriarchen und Verantwortlichen der Kirchen des Nahen Ostens! Da ich erfahren habe, daß Sie beschlossen haben, aus dem ganzen Nahen Osten zusammenzukommen, um Zeugnis von der christlichen Hoffnung zu geben, möchte ich Ihnen meine Freude ausdrücken und mich Ihnen durch die Anwesenheit des Präsidenten unseres Einheitssekretariats, des lieben Kardinals Johannes Willebrands, anschließen. Eine solche Versammlung, die zweifellos bis zum heutigen Tag in der Geschichte Ihrer Kirchen einzigartig ist, ist gewiß Ausdruck der Einheit, die unter den Christen des Nahen Ostens bereits besteht und ein Zeugnis der Liebe im Dienst an allen Menschen sein will; aber sie ist auch ein Zeichen des Wirkens des Heiligen Geistes unter den Seinen, indem er ihnen ein neues Bewußtsein von der Dringlichkeit schenkt, zur vollen Einheit zu gelangen. Mit der Wahl des Petruswortes als Thema Ihrer Begegnung: „Damit wir ... eine lebendige Hoffnung haben“ (1 Petr 1,3), geben Sie Ihren Arbeiten ein Ziel und weisen den Weg, um auf die Erwartungen wohl aller Kirchen auf dem Weg zur Einheit sowie aller Menschen auf dem Weg der Gerechtigkeit und des Friedens zu antworten. „Die Hoffnung aber läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Wenn Sie in der göttlichen Liebe fortschreiten, werden Sie die Erwartungen der Christen des Nahen Ostens nicht enttäuschen, denn Ihre Versammlung wird zu einem neuen Abschnitt in der Entwicklung der Zusammenarbeit und des immer notwendigeren Zeugnisses unter den Christen. Wenn wir uns auch auf verschiedene Weise bemühen, die Einheit im gleichen Bekenntnis des apostolischen Glaubens zu finden, so ist die Einheit in der Liebe schon heute möglich. Der Dialog der Liebe schafft im übrigen das Klima, das für den Fortgang des Dialogs über die Glaubenslehre notwendig ist. Im täglichen Leben veranlassen uns zahlreiche pastorale Situationen, zusammenzuarbeiten. Ich wünsche, daß Ihre Kirchen in einer aus Vertrauen und Loyalität gewachsenen Atmosphäre eine noch fruchtbarere Zusammenarbeit entfalten können im pastoralen Dienst an den Kindern und Jugendlichen im Rahmen der christlichen Erziehung und Kultur. 1076 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gestärkt durch die Liebe, die sie mehr und mehr eint, werden die Gläubigen der Kirchen des Nahen Ostens imstande sein, in den Leidensund Konfliktsituationen, die ihre Region weiter heimsuchen, die ihnen gebührende Rolle zu spielen: verantwortlich zu sein für die Hoffnung, die uns der auferstandene Christus schenkt, und Zeugnis von einer geeinten Gemeinschaft zu geben, die die durch Krieg oder Mangel an gegenseitigem Vertrauen entstandenen Gegensätze zu überwinden wünscht. So werden sie immer stärker mit allen Gläubigen im Dienst an den unschätzbaren Werten des Friedens, der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls arbeiten können. Das weite Programm, das Gott vorzeichnet, um die Einheit zwischen allen Christen wiederherzustellen und allen Menschen ein Leben in Würde und Eintracht zu ermöglichen, übersteigt unsere menschlichen Kräfte und Fähigkeiten. So versichere ich Ihnen, daß ich mich Ihrem Gebet anschließe und darum bitte, daß Ihnen Licht und Kraft des Heiligen Geistes in reichem Maße zuteil werden. Seien Sie, liebe und verehrte Brüder, meiner tiefen, brüderlichen Liebe versichert. Aus dem Vatikan, am 23. Januar 1985 PAPST JOHANNES PAUL II. Die Kirche auf dem Weg ins dritte Jahrtausend begleiten Johannes Paul II. beruft für den 25. November eine außerordentliche Versammlung der Bischofssynode ein - Ankündigung in St. Paul vor den Mauern am 25. Januar Am Ende dieser Eucharistiefeier am Fest Pauli Bekehrung, die uns zum Abschluß der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen an dieser ruhmreichen Gedenkstätte des Apostels versammelt sieht, dringt eine Erinnerung in unser aller Bewußtsein. In dieses Jahr fällt der 20. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils, dessen erste Ankündigung durch meinen Vorgänger Johannes XXIII. seligen Andenkens, wie erinnerlich, in dieser Basilika und am gleichen Tag, dem 25. Januar 1959, erfolgte. 1077 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Zweite Vatikanische Konzil bleibt das grundlegende Ereignis im Leben der Kirche unserer Zeit: grundlegend durch die Vertiefung der ihr von Christus anvertrauten Reichtümer, der in ihr und durch sie das mysterium salutis, das Heilswerk, fortsetzt und den Menschen mitteilt; grundlegend durch den fruchtbaren Kontakt mit der heutigen Welt zum Zweck der Evangelisierung und des Dialogs auf sämtlichen Ebenen und mit allen Menschen rechten Gewissens. Für mich ist das Zweite Vatikanum - an dem teilzunehmen und an dessen Fortgang aktiv mitzuarbeiten ich die besondere Gnade hatte - danach und besonders in den Jahren meines Pontifikats der feste Bezugspunkt für mein ganzes pastorales Tun gewesen in dem bewußten Bemühen, seine Weisungen auf der Ebene jeder Kirche und der ganzen Kirche in konkrete und getreue Anwendung umzusetzen. Es gilt, unablässig auf jene Quelle zurückzugreifen. Und das um so mehr, wenn so bedeutsame Daten wie das dieses Jahres sich nähern und Erinnerungen und Empfindungen für jenes wahrhaft historische Ereignis wachrufen. Deshalb kündige ich heute, am Fest der Bekehrung des heiligen Paulus, voll innerer Freude und Bewegung eine außerordentliche Vollversammlung der Bischofssynode an, die vom 25. November bis 8. Dezember dieses Jahres stattfinden soll und an der die Patriarchen und einige Erzbischöfe der Ostkirchen und die Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen der fünf Kontinente teilnehmen werden. Zweck dieser Initiative ist nicht nur, 20 Jahre nach Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils seiner zu gedenken, sondern auch und vor allem: - jene außergewöhnliche Atmosphäre kirchlicher Gemeinschaft so wieder lebendig zu machen, die die ökumenische Versammlung in der gegenseitigen Teilnahme an den Leiden und Freuden, den Kämpfen und Hoffnungen, die in den verschiedenen Teilen der Welt zum Leib Christi gehören, gekennzeichnet hat; - Erfahrungen und Informationen über die Anwendung des Konzils im Rahmen der Universalkirche und der Teilkirchen auszutauschen und zu vertiefen; - die weitere Vertiefung und ständige Einbringung des Zweiten Vatikanums in das Leben der Kirche auch im Licht der neuen Erfordernisse zu fördern. Ich messe dieser außerordentlichen Versammlung der Synode eine besondere Bedeutung bei. Aus diesem Grund wollte ich sie heute von dieser Basilika aus, wo zuerst die Ankündigung des ökumenischen Konzils unseres Jahrhunderts erfolgte, öffentlich bekanntgeben. Die Absicht, die 1078 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mich beseelt, steht im Sog meiner verehrten Vorgänger Johannes XXIII. und Paul VI.: beizutragen zu jener „Erneuerung des Denkens, des Handelns, der Gewohnheiten, der moralischen Kraft und der Freude und Hoffnung, was der Zweck dieses Konzils war“ (Insegnamenti di Paolo VI, III, 1965, S. 746). Ich vertraue schon jetzt die Verwirklichung der außerordentlichen Bischofssynode dem Gebet der Kirche und der mächtigen Fürsprache der heiligen Petrus und Paulus an: und mit euch flehe ich vor allem zur Unbefleckten Jungfrau, der Mutter der Kirche, daß sie uns in dieser Stunde beistehe und für uns jene Treue zu Christus erlange, deren unvergleichliches Vorbild sie durch ihre Verfügbarkeit als „Magd des Herrn“ und ihre ständige Offenheit für das Wort Gottes ist (vgl. Lk 1,38; 2,19.51). In dieser vollen und ausharrenden Treue will die heutige Kirche ihren Weg ins dritte Jahrtausend ihrer Geschichte inmitten der Menschen und zusammen mit ihnen fortsetzen und an ihren Hoffnungen und Erwartungen teilhaben; sie will dem vom Zweiten Vatikanum vorgezeichneten Weg folgen und stets auf das hören, „was der Geist den Kirchen sagt“ {Offb 2,7.11.17.26; 3,5.13). „Einheit — keine Einförmigkeit“ Predigt beim Gottesdienst zum Abschluß der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen in St. Paul vor den Mauern am 25. Januar „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (Ps 133.1). <190> <190> Mit diesen Gefühlen der Verwunderung und Freude, wie sie der Psalmist zum Ausdruck bringt, wende ich mich an euch alle, die ihr euch hier eingefunden habt, um dem Herrn in seinem Wort und in seinem Leib zu begegnen. Wir begegnen ihm, unserem einzigen Retter, unserem einzigen Meister, aber wir begegnen uns auch gegenseitig bei diesem Abschlußgottesdienst der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen. Die Freude über diese Begegnung mit dem Herrn und der Brüder untereinander wird durch die Anwesenheit der Hirten und vielen Gläubigen der anderen Kirchen und der in Rom bestehenden kirchlichen 1079 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaften noch lebendiger. Ihnen allen gilt mein besonderer Gruß und mein Dank dafür, daß sie an dieser eindringlichen Stunde geistlicher Verbundenheit teilnehmen wollten. Geistlich verbunden also mit allen Ortskirchen der Welt, in denen in dieser Woche das Gebet und die brüderliche Reflexion unter den Gläubigen verschiedener Konfessionen intensiviert wurde, und verbunden mit den Mitgliedern der Diözese Rom, beschließen wir gemeinsam den Weg verschiedener Begegnungen zu Gebet und brüderlicher Gemeinschaft hier, in der Basilika des Apostels Paulus, nach geeigneten Initiativen, an denen sich ganz besonders die Jugendlichen beteiligt haben, dadurch, daß sie auch konkrete Taten der Nächstenliebe für die notleidenden Brüder vollbrachten, insbesondere für die Obdachlosen und Einsamen, die unter der Kälte und dem Schnee der letzten Tage sehr gelitten haben. Diese Initiativen wurden vom täglichen Gebet unterstützt, das in dieser Basilika noch verstärkt wurde durch die tägliche eucharistische Anbetung, die mit dieser Gebetswoche begonnen hat und dank der Teilnahme von Mönchen, Ordensleuten, Familien, Pfarrgruppen aus den südlichen Stadtteilen Roms in Zukunft fortgesetzt werden soll; Initiativen, denen ich heute mein herzliches Wohlwollen und meine Ermutigung ausspreche. 2. Aufgrund einer glücklichen Gepflogenheit wird der Abschluß der Gebetswoche für die Einheit der Christen in dieser Basilika am Fest der Bekehrung des heiligen Paulus gefeiert, die ein zentrales Ereignis nicht nur für den Apostel, sondern für die ganze Urkirche war. Wir fühlen uns daher gedrängt, unseren Blick auf die Gestalt des Paulus von Tarsus, auf die Gebetswoche und schließlich auf die Beziehung des einen und der anderen zu der feierlichen, von der katholischen Kirche übernommenen Verpflichtung zu richten, unermüdlich für die Wiederherstellung der Einheit aller Christen zu arbeiten. In der ersten Lesung (Apg 22,3-16) haben wir gehört, wie Paulus im Tempel von Jerusalem seinen jüdischen Brüdern von dem ergreifenden Geschehnis seiner Bekehrung berichtet. Wie die beiden anderen in der Apostelgeschichte enthaltenen Berichte über das Ereignis (Apg 9,1-8; 26,2-18) bestätigen, schreibt Saulus-Paulus seinen radikalen Wandel der Vision Jesu von Nazaret zu, den er erbittert verfolgte und der ihm auf der Straße nach Damaskus erschien. Wenn jede Bekehrung oder metänoia ein Werk der göttlichen Gnade, das heißt des unmittelbaren und radikalen Eingreifens Gottes in das Herz des Menschen ist, so gilt das in höchstem Grade für die Bekehrung des Paulus. Der Herr Jesus hat sich Paulus gezeigt und ein Gespräch mit ihm be- 1080 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gönnen, der, als überzeugter Pharisäer auf diese Offenbarung unvorbereitet und sie ablehnend, keinen Widerstand entgegenzusetzen vermochte. Wir haben in der Lesung die Stimme des Paulus gehört, die das ungewöhnliche Gespräch führt: „Herr, was soll ich tun?“ (Apg 22,10). Die zwar noch nicht eindeutige, aber bereits energische Antwort Jesu läßt ihn seine Schritte zur Kirche von Damaskus lenken: „Dort wird dir alles gesagt werden, was du nach Gottes Willen tun sollst“ (ebd.). Dieses Erlebnis, das Saulus in den Apostel Paulus verwandelt, zeigt uns aufs neue, daß die großen, für das Leben der Kirche entscheidenden Geschehnisse aus der Gnade des Herrn erwachsen, der in unser persönliches Leben, in unsere Herzen eingreift und die Geschichte der Kirche formt, wie und wann er es will. So wird wider alles Erwarten und gegen die Erwartungen des Paulus selbst das Ereignis seiner Bekehrung seit Jahrhunderten in der Liturgie der Kirche als Wunder gefeiert. 3. Während dieser Woche wurde überall auf der Welt für die volle Einheit und vollkommene Gemeinschaft all derer gebetet, die an Christus glauben. Man betete, wobei man sich eben an den Worten des Apostels inspirierte, und zwar mit dem vom Sekretariat für die Einheit der Christen und vom Ökumenischen Rat der Kirchen als Thema der diesjährigen Gebetswoche ausgewählten Text: „Durch Liebe zum Leben befreit“ (vgl. Eph 2,4-10). Aus dem oben zitierten Abschnitt, der unsere Reflexion während der Woche geleitet hat, ergeben sich Grundwahrheiten, wie der Übergang vom Tod in das Leben, den allein Gott in uns zu wirken vermag. Nur das Erbarmen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes wird den Christen, die, wiedergeboren durch die Taufe vom Tod zum Leben, Christus als Sohn Gottes und Retter bekennen, auch wenn sie noch nicht in voller Gemeinschaft christlichen Glaubens und Lebens leben, die überirdische Gnade der vollen Gemeinschaft gewähren können. Diese vollkommene Gemeinschaft ist ein Geschenk Gottes: für sie hat Jesus gebetet, wie wir in dem eben verkündeten Evangelium vernommen haben (Joh 17,20—26). 4. Die Tatsache, daß die Einheit ausschließlich Gottesgeschenk ist, macht unseren engagierten Einsatz nicht zunichte, ja sie begründet und rechtfertigt ihn und verleiht ihm echte Bedeutung. Unser Tun für die Wiederherstellung der Einheit mag nicht angemessen und unsere Anstrengungen, sie zu erlangen, mögen ungenügend erscheinen; die Mittel mögen ungeeignet und die erzielten Ergebnisse schwach 1081 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erscheinen. Ebenso mag das Tempo, von dem die Arbeit für die Einheit geprägt ist, langsam erscheinen, insbesondere wenn man es mit dem Tempo rascher Veränderungen vergleicht, in dem wir in diesem Ausgang des zwanzigsten Jahrhunderts leben müssen. Dieser Eindruck ist nicht ganz falsch. In der Tat reichen die verschiedenen Initiativen, die aufgenommenen Dialoge, die neuangeknüpften Beziehungen, ein gewisses Zusammenwachsen als Kirche und selbst das gemeinsame im Namen des einen Christus abgegebene Zeugnis für die Rettung der Menschheit, um sich den Problemen und Bedürfnissen der heutigen Welt zu stellen, an sich noch nicht aus, die Einheit zu erlangen, auch wenn sie unerläßlich und Vorboten der künftigen Einheit sind und sich aus einer bereits bestehenden Gemeinschaft herleiten. Das großartige „Gebäude“, das „Haus“, das vom Psalmisten beschworen wird (Ps 127,1) und in dem es „gut und schön“ sein wird für die „Brüder miteinander in Eintracht zu wohnen“ (vgl. Ps 133,1), wird nur vom Herrn „gebaut“ werden (Ps 127,1). Die heutige Liturgie hält uns also in ganz besonderer Weise dazu an, unsere demütige und glühende Bitte zum Himmel emporzusenden, um durch Christus, unseren einzigen Mittler, der in der Eucharistiefeier sein einzigartiges Opfer anbietet, diese höchste Gnade der Einheit zu erlangen. 5. Wenn die Bedeutung der Gebetswoche richtig verstanden und gelebt wird, muß das tägliche Gebet für die Einheit nicht nur während der ihr gewidmeten Woche, sondern an jedem Tag unseres Lebens den ersten Platz einnehmen. Jeder Christ, der davon überzeugt ist, daß das Bemühen um die Einheit auf seinem Weg zu Christus Vorrang hat, und der dieser Verpflichtung treu bleiben will, weiß nur zu gut, daß jede persönlich oder zusammen mit den anderen unternommene Aktion des Gebetes zum gemeinsamen Herrn bedarf, damit er jedes Wort und jede Handlung so befruchte, daß sie von ihm ihren tatsächlichen Wert empfangen und uns weiter auf dem Weg zur Einheit voranschreiten lassen können. Die Gebetswoche soll den Höhepunkt eines ununterbrochenen Gebets darstellen. Denn da sie gemeinsames Gebet ist, das von den noch getrennten, aber bereits durch dieselbe Taufe und durch den gemeinsamen Glauben an Christus, den einen und einzigen Retter, verbundenen Christen vorgebracht wird, ist sie jedes Jahr ein Schritt weiter auf dem Weg zur Einheit, eine glückliche Vorwegnahme jenes höchsten Zieles; und schließlich Zeugnis der gemeinsamen Überzeugung, daß die Einheit das unentgeltliche Geschenk des Vaters durch den Sohn im Heiligen Geist ist. 1082 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Zum Abschluß dieser Gebetswoche, in der wir unsere ökumenische Verpflichtung gegenüber dem Herrn neu beleben und stärken wollten, ist es nicht unangebracht, dieses Prinzip zu bekräftigen. Die Einheit, die wir ersehnen, für die wir arbeiten und leiden und vor allem beten, indem wir uns mit unserer demütigen Bitte an die Heiligste Dreifaltigkeit wenden, ist die volle Einheit, wie sie dem Beispiel und Vorbild der höchsten göttlichen Einheit in der Verschiedenheit der drei Personen - Vater, Sohn und Heiliger Geist - aufgeprägt ist. Es ist Einheit im Glauben, Einheit in den Sakramenten, Einheit des Lehramtes, Einheit der pastoralen Führung. Einheit der Sinne und Herzen, aber auch sichtbare Einheit. Einheit zwischen den Christen, aber auch zwischen den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. Die radikalste und tiefgehendste Einheit, die uns in der Undurchsichtigkeit und bei den Schwächen dieser unserer Geschichte je gewährt werden kann. Diese Einheit, die wir näher gekennzeichnet haben, darf nicht mit der Einförmigkeit, mit der Verflachung des individuellen Charakters und der Eigenheit jeder legitimen christlichen Tradition verwechselt werden. Die Einheit, die wir suchen, besteht nicht in der Gleichsetzung einer Tradition mit einer anderen; in der Anpassung einer Tradition an die andere. Sie ist Spannung darauf hin, durch Gottes Geschenk zu jener totalen Treue zu seinem ganzen Plan zu gelangen, wie er in den Evangelien formuliert ist, wie er durch die große kirchliche Überlieferung zu uns spricht, wie er in dem einen Glauben, in der Feier derselben Sakramente, in der Gemeinschaft mit allen Bischöfen, die dazu bestellt sind, für das Volk Gottes zu sorgen (Apg 20,28), und untereinander um den Nachfolger Petri vereint sind, bekannt wird. Und das alles unter Achtung der Werte und Schätze jeder einzelnen Tradition und jeder Kultur entsprechend der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils im Ökumenismusdekret (Nr. 4), dessen feierlicher Verkündigung vor zwanzig Jahren wir gedachten. 7. Liebe Brüder und Schwestern! Mit euch wollte ich bei diesem Anlaß wieder das Gesicht der Einheit suchen, für die wir heute beten, indem ich an die Erfahrung des Apostels Paulus erinnerte und über das Vorbild des Mannes nachdachte, dessen Eintritt in die Kirche wir heute feiern. Am Abschluß der Gebetswoche für die Einheit führt uns die Eucharistiefeier wieder zum Zentralpunkt des Geheimnisses unserer Versöhnung mit dem Vater und der Versöhnung untereinander. Wir empfinden die Hindernisse noch schmerzlicher, die uns die gemeinsame Teilnahme an dieser Eucharistie nicht gestatten, und erneuern 1083 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unseren Willen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, damit der gesegnete Tag näherkommt, an dem wir alle, die an Christus glauben, aus derselben Quelle der Einheit unsere Nahrung beziehen können. Machen wir uns das Gebet Jesu zu eigen, das gerade gesprochen worden ist und das er uns im Johannesevangelium überlassen hat: „Aber ich bitte nicht nur für diese hier, sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,20-21). Amen. In Sorge um den Libanon Schreiben an den maronitischen Patriarchen von Antiochia, Kardinal Antoine-Pierre Khoraiche, vom 25. Januar An Seine Seligkeit Kardinal Antoine-Pierre Khoraiche maronitischer Patriarch von Antiochia Die Liebe, die ich zum teuren Libanon hege, hat mich bewogen, am 1. Mai 1984 seine Sache dem Gebet und der Solidarität der ganzen Kirche anzuvertrauen, wobei ich an die libanesische Nation insgesamt dachte. Diese selbe Liebe, verbunden mit der ständigen Sorge, die die Aktivität des Apostolischen Stuhls seit Beginn des euer Land allzulang heimsuchenden Krieges inspiriert, drängt mich auch heute, mich an Eure Eminenz und durch Sie an alle Ihre Mitbürger, ohne Unterschied der Gemeinschafts- und Religionszugehörigkeit, zu wenden. Mit Bangigkeit habe ich die Ereignisse verfolgt, von denen die Entwicklung der Situation im Libanon in diesen letzten Monaten gekennzeichnet war, während ich jedesmal die Hoffnung der Libanesen teilte, wenn ein noch so bescheidener Schritt weiter auf dem schwierigen Weg der Befreiung und des Dialogs auf nationaler wie auf internationaler Ebene zurückgelegt wurde. Ich habe die Leiden derer tief empfunden, die noch von tragischen Geschehnissen getroffen wurden, die um ihre Lieben weinen oder die sich ihres Hab und Gutes sowie ihrer Existenzmöglichkeiten beraubt sehen. Voll Kummer habe ich von den anderen ernsten Schwierigkeiten erfah- 1084 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ren, die den guten Verlauf von Initiativen durchkreuzten, die zu einer möglichen Lösung oder wenigstens zu einem dauerhaften Waffenstillstand hätten führen können. Wenn die vom Glauben beseelte Hoffnung im Herzen der Mehrheit der Libanesen nie gefehlt hat und weiterbesteht, weiß ich auch, daß sie, abgesehen von der Ungewißheit der Zukunft, wieder das Schreckgespenst weiterer Tragödien beherrscht. All das ist für mich zusätzlich Anlaß zu tiefer Sorge. Jene, denen das Schicksal des Libanon am Herzen liegt, wünschen in diesem besonders heiklen Augenblick, daß endlich die Spannungen aufhören, die der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Gruppen immer neue Nahrung geben, und daß sich eine Lösung abzeichnen möge, die es erlaubt, auf jede Anwendung von Gewalt verzichten zu können. Dieser Wunsch wird in der Seele des Papstes und jedes Gläubigen zur Bitte an Gott, den Allmächtigen und Barmherzigen, daß es allen, die in der Lage sind, ihrerseits als Vermittler tätig zu werden, gelingen möge, einen konkreten Beitrag anzubieten. Dieser Wunsch ist auch eine Aufforderung, zu deren Sprecher ich mich machen will, indem ich sie Eurer Eminenz anvertraue: Möge sie von Bkerke aus jeden libanesischen Staatsbürger erreichen, der sein Land liebt, sich seiner persönlichen Verantwortung bewußt und auf der Suche nach einer sicheren Zukunft ist, wo die Werte jeder Gemeinschaft in einer harmonischen Zusammenarbeit geschützt und gewahrt werden! Es ist eine Aufforderung, die sich ferner an alle jene richtet, die von den Leiden des Krieges hart betroffen worden sind: Laßt nicht zu, daß Verbitterung, Haß, brudermörderische Kämpfe oder Rachsucht das schwere Leid und den Schmerz, die schon schwer auf dem Volk des Libanon lasten, noch verschlimmern! Es ist schließlich eine besondere Aufforderung an all jene, die in den verschiedenen Gemeinschaften die wichtige Verantwortung haben, ihre Brüder zu leiten und zu lenken. Ich bitte sie zu veranlassen, daß es niemals an Vertrauen in die Fähigkeit eines jeden mangelt, sich mit seinem Mitmenschen zu versöhnen und mit ihm einen Dialog zu führen. In meinem Brief an alle Libanesen schrieb ich, daß jeder, der für das Wohl seines Landes verantwortlich ist, bereit sein muß, eine Gewissensprüfung vorzunehmen, auf etwas zu verzichten, sich in Frage zu stellen, damit die Werte, die zusammenführen und einen, die Oberhand gewinnen. Nur um den Preis dieser inneren Erneuerung wird der Beginn einer echten nationalen Wiedergeburt möglich sein. Sie soll das Ergebnis des Willens des 1085 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganzen libanesischen Volkes sein, das in ein und demselben Wunsch vereint ist, nämlich ein von jeder fremden Einmischung freies Vaterland aufzubauen, das sich um die rechtmäßige Autorität versammelt und Zeuge jenes konstruktiven Pluralismus ist, der seit Jahrhunderten das Antlitz dieser edlen Nation geformt hat. Dank dieses gemeinsamen Willens zu Friede und Dialog wird dann eine gerechte und dauerhafte Übereinkunft über die Fragen bezüglich der gegenseitigen Anerkennung der Rechte und Besonderheiten jeder Gemeinschaft möglich werden. Aber, so wiederhole ich, es bedarf des gegenseitigen Vertrauens. Das Vertrauen ist die Grundlage für die Achtung der Menschen und Vorbedingung jener Sicherheit, die allein imstande ist, Ängste und Befürchtungen, die heute soviel Unheil anrichten und die Gewalt schüren, wirklich zu vertreiben. Eminenz, heute wie gestern gelten meine Gedanken in ganz besonderer Weise den lieben katholischen Söhnen und Töchtern des Libanon und den Brüdern im Glauben an Jesus Christus, ohne daß deshalb meine Sorge um alle Libanesen geschmälert würde. An sie wende ich mich durch die Vermittlung Eurer Eminenz, um ihnen zu sagen, daß der Papst ihnen näher denn je ist und daß die ganze Kirche auf ihrer Seite steht, solidarisch mit ihren Ängsten und ihren Sorgen. Mögen sie in Treue zu ihrer Berufung zu Jüngern Christi werden können, der uns die Vergebung, das Erbarmen und das Verständnis lehrt! Und mögen sie zugleich mutige Zeugen der Wahrheit sein, wenn es darum geht, die Werte des Evangeliums zu leben und frei und unverkürzt zu verkünden! Das sind die Wünsche, die der Papst durch das Gebet der Kirche der Fürbitte der seligsten Jungfrau anvertraut. Das sind die Sorgen, die mich von Gott, dem Allmächtigen, für das libanesische Volk die Kraft zur Überwindung der augenblicklichen Schwierigkeiten erflehen lassen, damit es mutig den Weg einschlägt, der zur Brüderlichkeit und zur Versöhnung führt. Mit meinem Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 25. Januar 1985 PAPST JOHANNES PAUL II. 1086 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hochherziges Geben ist „praktisches Fasten“ Botschaft zur Fastenzeit 1985 Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Auch in diesem Jahr möchte ich euch zur Fastenzeit etwas sagen über die beklemmende Lage, die der Hunger in der Welt schafft. Wenn Hunderte von Millionen Personen zuwenig Nahrung haben, wenn Millionen von Kindern für den Rest ihres Lebens unheilbar vom Hunger gezeichnet sind, wenn Tausende von ihnen daran sterben, dann darf ich nicht schweigen, dann dürfen wir nicht stumm und tatenlos bleiben. Umfangreiche Hilfssendungen, wir wissen es, werden von den Regierungen, den internationalen Organisationen und Verbänden zu den Opfern solcher Hungersnöte geschickt, wobei leider nicht alle empfangen können, was sie retten könnte. Aber könnte nicht eine ernsthafte, entschiedene Anstrengung unternommen werden, um noch energischer gegen die Ursachen dieser Geißel anzugehen, die auf Weltebene wütet? Gewiß, die naturgegebenen Ursachen, wie ungünstige Klimabedingungen und lange Trockenperioden, sind gegenwärtig noch unvermeidbar; ihre Folgen aber würden oft weniger schwer sein, wenn die Menschen nicht ihre eigenen Fehler und manchmal auch ihre Ungerechtigkeiten hinzufügen würden. Geschieht wirklich alles, um wenigstens teilweise die schlimmen Folgen von Wetterkatastrophen aufzufangen sowie die gerechte und schnelle Verteilung der Lebensmittel und Hilfsgüter sicherzustellen? Es gibt andererseits auch untragbare Situationen: Ich denke dabei an Bauern und Landarbeiter, die kein gerechtes Entgelt für ihre mühevolle Arbeit erhalten; ich denke auch an Kleinbauern, die von ihrem Kulturland durch Personen und Gruppen vertrieben werden, die bereits hinreichend mit Land versorgt sind und dennoch weitere Reichtümer anhäufen auf Kosten von Hunger und Leid der anderen. Wie viele weitere Ursachen und Umstände des Hungers könnten hier noch angeführt werden! Darf es sein, daß sich in derselben Familie die einen sattessen können, während ihre Brüder und Schwestern vom Tisch ausgeschlossen sind? An die Leidenden nur zu denken, reicht nicht aus. In der Fastenzeit fordert die wahre Bekehrung des Herzens, mit dem Gebet auch das Fasten zu verbinden und um der Liebe Gottes willen jene Schritte zu tun, die uns die Gerechtigkeit gegenüber dem Nächsten abfordert. „Ich habe Mitleid mit diesen Menschen“ (Mk 8,2), so sagte Jesus, bevor er die Brote vermehrte, um alle zu sättigen, die ihm seit drei Tagen gefolgt 1087 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN waren, um sein Wort zu hören. Der leibliche Hunger ist nicht der einzige, an dem die Menschheit leidet: So viele unserer Brüder und Schwestern haben auch Hunger und Durst nach Würde, Freiheit, Gerechtigkeit, nach Nahrung für ihren Verstand und für das Herz! Wie können wir nun unsere Bekehrung und unsere Bußgesinnung in diesen Wochen der Vorbereitung auf Ostern konkret zeigen? Zunächst, indem niemand - je nach seiner zuweilen beträchtlichen Verantwortung - an etwas mitwirkt, was auch nur einen unserer Menschenbrüder in den Hunger stoßen könnte, mag er in unserer Nähe oder Tausende von Kilometern von uns entfernt leben; und indem wir es wieder gutmachen, wenn es geschehen ist. In den Ländern, die an Hunger und Durst leiden, nehmen die Christen teil an Hilfsaktionen und am Kampf gegen die Ursachen der Katastrophe, deren Opfer sie zusammen mit ihren Landsleuten sind. Helfen wir ihnen, indem wir ihnen von unserem Überfluß und sogar vom Notwendigen geben; das ist praktisches Fasten. Beteiligen wir uns hochherzig an den großen Fastenaktionen unserer Ortskirchen. Erinnern wir uns stets daran, daß unser Teilen nichts anderes ist, als an die Brüder weiterzugeben, was Gott ihnen zugedacht und uns lediglich anvertraut hat. Brüderlich zu teilen und sich von der Liebe, die aus Gott stammt, beseelen zu lassen, bedeutet leiblichen Hunger zu stillen und zugleich auch dem Geist Nahrung und dem Herzen Frieden zu schenken. „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe ... Die Gnade Jesu, des Herrn, sei mit euch!“ (1 Kor 16,14.23). PAPST JOHANNES PAUL II. Wenn der Verstand austrocknet Ansprache an die Teilnehmer des italienischen Nationalkongresses der Kirchlichen Bewegung für kulturelles Engagement (MEIC) am 9. Februar Liebe Brüder und Schwestern der Kirchlichen Bewegung für kulturelles Engagement! <191> <191> Ich freue mich, Sie in diesem Haus zu empfangen, wo es mir jeden Tag gegeben ist, mit vielen Menschen zusammenzutreffen, die hören wollen, 1088 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN was die Kirche über die Probleme denkt, die sie heute bedrängen und nicht selten quälen: Probleme der Lehre und noch mehr des Lebens. Das Programm Ihres Nationalkongresses hat für Ihre Überlegungen und Diskussionen ein Grundproblem vorgeschlagen („Arbeit und Kultur im neuen Zeitalter der Technologie“), das auf die Zukunft des Menschen hin projiziert („Der Appell der Zukunft und der Verstand des Menschen“), aber in den derzeitigen technologischen und sozialen Umwandlungsprozeß eingegliedert werden soll, der nur zum Teil vorhersehbare Konsequenzen für die wirtschaftlichen, beruflichen, kulturellen und politischen Einrichtungen der Gesellschaft und für die Lebensqualität selbst mit sich bringt. Sie nehmen sich dessen mit jenem intellektuellen und geistlichen Engagement an, das zur besten Tradition Ihrer Bewegung gehört, beseelt von dem Wunsch, Ihren Beitrag zu leisten zu einer Klarstellung der Ziele, zu einem realistischen Ansatz, zu einer weisen Ausrichtung auf mögliche und menschenwürdige Lösungen. Mir liegt daran, aus der reichen Thematik, in die sich das Programm gliedert, einige Punkte herauszugreifen, um das Gespräch wieder hinzulenken auf jene Erfordernisse des Zeugnisses von Glaube und Hoffnung in Christus, „gestern, heute und in Ewigkeit“ (vgl. Hebr 13,8), die für jeden in der Kultur und im sozialen Leben engagierten Christen unausweichlich sind, besonders wenn er, wie Sie es sich vornehmen, in vollem Einklang mit dem Lehramt der Kirche stehen will. 2. Die Kirche will den Menschen jeder Gesellschaft, auch der „säkularisiertesten“, Werte anbieten, die ihrem Bedürfnis nach Weisheit, das heißt nach Wahrheit um des Lebens willen, nach heilschaffenden Prinzipien entsprechen. Auch dann, wenn die „Menschen ohne Qualität“, wie auch Sie sie genannt haben, das heißt entpersönlichte und vermaßte Menschen, das Extrem erreichen würden, das heute von den größten Pessimisten vorausgesagt wird, würde die Kirche ihre Aufgabe einer Verkünderin des Wortes weiter erfüllen und auf jede Weise zu zeigen versuchen, daß die ewige Wahrheit des Logos in den Teilwahrheiten aufleuchtet, die der Mensch nach und nach entdeckt und auf die Umgestaltung der Welt anwendet. Und auch dort, wo ein mißverstandener wissenschaftlicher Geist und eine gefährliche Übermacht der technologischen Entwicklung die ständige Abkehr von den wesentlichen Wahrheiten verschlimmern, den Verstand zum Austrocknen bringen und das Gewissen abstumpfen lassen würden, müßte die Kirche ihr Werk noch intensivieren. Sie müßte im Menschen den Boden urbar machen und veredeln, damit er die Saat des Wortes aufnehmen kann, so daß sie aufgeht und die vom evangelischen Gleichnis 1089 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN angekündigte Frucht bringt, „dreißigfach, ja sechzigfach und hundertfach“ (Mk4,8). Wo es ihr nicht gelänge, anderes zu tun, würde die Kirche wenigstens versuchen, in den Seelen, die durch falsche irdische Sicherheiten verflacht sind, jene Unruhe, jene Kritik- und Urteilsfähigkeit, jenen Sinn für; das Geheimnis zu wecken, die dem Verstand und dem Gewissen wieder den Weg der Weisheit erschließen können. 3. Der erste Schritt, der auf diesem Weg heute getan werden muß, besteht darin, den Zustand von Verwirrung und Illusion zu überwinden, den moderne Versionen des Mythos von Prometheus, dem Gegenspieler Gottes, hervorgerufen haben. Wir wissen, daß nach der Offenbarung Christi diese Auffassung nicht mehr zu rechtfertigen ist. Denn das Evangelium lehrt uns, daß Gott Liebe ist und daß er aus Liebe und in Liebe den Menschen erschafft, ihn erhält und ihn zum Handeln anspornt, indem er seine Freiheit begründet und ihn in der Erlösung zur Teilnahme an seiner Herrlichkeit, beruft. Der neue Prometheusmythos konnte nur auf dem Vorurteil der Leugnung unseres Gottes gegründet werden; er hat sich aber für den Menschen als verheerender und unheilvoller erwiesen als jener der antiken Tragödie. Der Mensch, der den Anspruch erhoben hatte, der absolute Herr über die Natur zu sein und sogar auf Gott verzichten zu können in seinem autonomen Prozeß der Selbstschöpfung und Selbsterlösung, hat in unserem Jahrhundert gewaltige Verluste seiner Würde, seiner Freiheit, seiner Rechte erfahren und die bittersten Enttäuschungen erlitten angesichts des Zusammenbruchs der Ideologie vom ständigen, unbegrenzten Fortschritt, der ihn so lange Zeit mit Stolz erfüllt hatte. In seiner Beziehung zur Schöpfung hat der Mensch gewiß viele wunderbare und ruhmreiche Errungenschaften vollbracht, aber er hat auch gesehen, wie die Natur unter seinen Händen verseucht wurde und verfiel, und nun fragt er sich voller Angst, ob die Naturvorräte, die Rohstoffe, so wie sie heute zur Verteilung gelangen, ausgebeutet und umfassend ausgeplündert werden, ausreichen, um den Hunger der künftigen Menschengenerationen, die unseren Planeten bewohnen werden, zu stillen, während sich doch schon in unserer Zeit jeden Tag wieder neu das Drama der Millionen unserer Mitmenschen - darunter Tausender von Kindern -zeigt,.die Hungers sterben. 4. Ich werde nicht müde werden zu wiederholen - wie ich es auch in den vergangenen Tagen in Lateinamerika getan habe -, daß gewisse Einrichtungen der Wirtschaftswelt, die sich an den Prinzipien eines unmensch- ;1090 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehen Kapitalismus oder an denen eine den Menschen demütigenden materialistischen, bürokratischen und polizeistaatlichen Kollektivismus inspirieren, überprüft werden müssen. Darüber hinaus gilt es, den aus der Welt der; Technik stammenden Einflüssen zu widerstehen, wenn diese Technik bis zu den extremen Auswüchsen der Technokrate reicht. Ich fühle mich verpflichtet, die Aufmerksamkeit aller auf die Tatsache zu lenken, daß - wie ich bereits bei der ersten Begegnung.mit den Nobelpreisträgern am 22. Dezember 1980 sagte - „die. Zukunft der Welt in ihren Wurzeln gerade von jenen Entwicklungen des Fortschritts bedroht wird, die am klarsten den Stempel des menschlichen Geistes tragen“, und das, weil von den wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften so schlechter Gebrauch gemacht wurde gegen die Würde und die Freiheit des Menschen, gegen den Frieden. Heute lassen die neuen Technologien der Information, der Informatik und Telematik die Kenntnisse des Menschen in ungeahntem Maße an-wachsen und sind daher ein nützliches Mittel für die Förderung seiner Kultur. Angesichts dieser Formen der Technologie ist der Mensch jedoch aufgrund der naturgegebenen Wißbegier, die ihn kennzeichnet, der ernsten Versuchung ausgesetzt, auf eine ständige Zunahme von Kenntnissen bedacht zu sein, so sehr, daß diese die weitere: Entwicklung des Verstandes, der doch nach Synthese und Kontemplation dürstet, einfach überfluten. Wird der Mensch Weisheit in ausreichendem Maß besitzen, um imstande zu sein, die Quantität des Wissens so weit zu mäßigen, daß sie für die menschliche und göttliche Qualität des Verstandes von Nutzen ist? Wird der Mensch nicht in die Falle der Quantität des Wissens geraten zum Schaden seiner Qualität? Die heutige Welt braucht wahrhaftig jene „alte und immer wieder neue Weisheit“, die ihr helfen kann, entsprechend den Kriterien der Wahrheit die Mittel nach den Zielen, die Vorhaben nach den Idealen, die Handlungen nach den moralischen Maßstäben zu bemessen, die es erlauben, das heute erschütterte. Gleichgewicht der. Werte wiederherzustellen; Jene Weisheit deckt sich mit dem Wort, dem . Logos Gottes, „durch das alles geworden ist“ (Joh 1,3; Kol 1,16) und „in dem alles Bestand hat“ {Kol 1,17); mit dem Wort, das, wie der heilige.Thomas von Aquin hervorhebt, das „ewige Gesetz“ selbst enthält, das die ganze Schöpfung lenkt (vgl. Summa Theol., I—II, Q. 93, A. 1, ad 2); mit dem Wort, das um unseres Heiles wegen Fleisch geworden, gestorben und auferstanden ist und nun immer wieder seine Gegenwart unter uns sakramental erneuert: Christus, der Herr. Im Glauben an ihn ist uns die Haltung der Jungfrau Maria Vorbild, die 11091 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich, obwohl zur aktiven Teilnahme an dem entscheidenden Ereignis der Geschichte berufen, demütig als „Magd des Herrn“ bekennt und erklärt: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). 5. Die aktive Teilnahme Mariens am Werk der Menschwerdung und Erlösung ist für alle Christen - ja für alle Menschen - beispielgebend, die sich auf den Wegen der Wissenschaft, der Technik, des Wirtschaftslebens, der sozialen und politischen Organisaton engagieren wollen, um sicherzustellen, daß auch im neuen technischen Zeitalter der Mensch vor den Dingen, das Sein vor dem Haben und Tun, der Verstand und das Gewissen vor den materiellen Prozessen den Vorrang haben und mehr gelten als sie, die den Wert der Person und die Bedeutung des Lebens auszulöschen drohen. Aktive Beteiligung bedeutet demütigen Gehorsam gegenüber dem transzendenten Schöpfer, dessen unergründliche Gegenwärtigkeit und souveräne Herrschaft man anerkennt, gerade weil man sich von der Hand nicht nur der Philosophie und Theologie, sondern auch der wahren Wissenschaft führen läßt. Sie besagt außerdem großmütigen und treuen Einsatz in der Übernahme des Teils der Verantwortung, der jedem zugedacht ist: als Forscher, Dozent, freiberuflich Tätiger, Sozialarbeiter, politischer Führer, Arbeiter oder, da ja die ideale Motivierung dieselbe sein sollte, als Missionar an den Vorposten der Kirche oder als Nonne im Kloster. Wir Gläubigen haben das Privileg, diese tiefe Dimension der Kultur und der Arbeit, die sich in jeder Geschichtsperiode stellen, zu kennen und alles mit dem Geheimnis des fleischgewordenen Wortes verknüpfen zu können, das „jeden Menschen erleuchtet, nachdem es in die Welt gekommen ist“ (vgl. Joh 1,9). Ich wünsche Ihnen, daß Sie aus diesem Licht jeden Tag die Gründe und Kriterien für Ihr Tun schöpfen; und ich ermutige Sie, sich ständig als einzelne und als Bewegung dieses Lichtes zu bedienen, damit Sie auf Ihrem Weg klar sehen und das erkennen können, was sich am besten für den eignet, der in der Kirche und für die Kirche tätig sein möchte, um die evangelische Botschaft, die Hoffnung und Verheißung einer besseren Zukunft in der Welt von heute laut zu verkünden. Die Fragen, die sich heute stellen, wollen nicht die Entwicklung der neuen Technologien bremsen, sondern sie wollen den Geist des Menschen dazu anspornen, sich in ihnen und mit ihnen voll zur Entfaltung zu bringen und den Blick in echter Liebe zur Jugend und zu den kommenden Generationen auf die Zukunft zu richten. Neue Menschen, die in sich die Qualität des Asketen, des Heroen und des Mystikers haben, müssen die neue 1092 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kultur auf das wahre Wohl der Menschheit hin ausrichten. Ich wünsche jedem einzelnen von Ihnen, der neue Mensch zu werden, der geheiligt und erleuchtet ist in der Wahrheit und Gnade des menschgewordenen Wortes: in ihm und durch ihn erforscht der Mensch die Zukunft, um Gottes Plan zu erkennen und zu verwirklichen. Mit diesem Gedanken erteile ich Ihnen von Herzen meinen Segen als Unterpfand der göttlichen Gnade für Sie und für Ihre Lieben sowie auch für Ihre Aufgaben in Arbeit und Apostolat. „Dolentium hominum“ Motu proprio zur Errichtung der Päpstlichen Kommission für das Krankenapostolat vom 11. Februar 1. Die Kirche hat sich stets mit großer Aufmerksamkeit um den leidenden Menschen bemüht; sie hat damit allerdings nichts anderes getan, als dem leuchtenden Beispiel ihres Stifters und Meisters zu folgen. Auch ich habe daher in dem Apostolischen Schreiben, das ich heute vor einem Jahr unter dem Titel Salvifici doloris veröffentlichen ließ, mit aller Klarheit dargelegt: „Bei seinem messianischen Wirken in Israel hat Christus sich fortwährend der Welt des menschlichen Leidens zugewandt. ,Er zog umher und tat Gutes“ (Apg 10,38); dieses sein Handeln betraf in erster Linie die Leidenden und solche, die auf Hilfe warteten“ (Nr. 16). In der Tat hat die Kirche im Laufe der Jahrhunderte den Dienst an den Kranken und Leidenden sehr stark als wesentlichen Teil ihres Auftrags empfunden und nicht nur darauf hingewirkt, daß die Christen sich den verschiedenen Werken der Barmherzigkeit widmeten; sie hat auch von sich aus zahlreiche religiöse Einrichtungen eben mit dem Ziel geschaffen, die Hilfe für die Schwachen und Kranken zu fördern und zu organisieren, zu vervollkommnen und auszuweiten. Die Missionare ihrerseits waren bei der Evangelisierung darauf bedacht, die Verbreitung der Frohbotschaft mit der Sorge für die Kranken zu verbinden und deren Leiden zu lindern. 2. Wenn sich die Kirche aber mit den leidenden Menschen und mit dem Geheimnis des Leidens befaßt, läßt sie sich von einer bestimmten Vorstellung von der menschlichen Person und ihrer Bestimmung nach dem Plan Gottes leiten. Sie ist nämlich der Meinung, daß es bei der ärztlichen Kunst 1093 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und den therapeutischen Maßnahmen nicht nur um das Wohl und die Gesundheit des Körpers geht, sondern auch um die Person als solche, die ja eben in ihrem Körper vom Übel betroffen ist. Denn die Krankheit und das Leiden sind ja Erfahrungen, die nicht nur den körperlichen Zustand des Menschen berühren, sondern eben den Menschen in seiner Ganzheit und in der ihm eigenen Verbindung von Leib und Seele. Im übrigen ist bekannt, daß eine Erkrankung des Körpers mitunter ihren Ursprung und ihre eigentliche Ursache in der Tiefe der menschlichen Seele hat. Krankheit und Leiden sind nämlich Erscheinungen, die, wenn sie gründlich erforscht werden, immer Fragen aufwerfen, die über den Bereich der Medizin hinausgehen und den Kern menschlicher Existenz in dieser Welt berühren (vgl. Gaudium etspes, Nr. 10). Es ist daher leicht zu verstehen, welch große Bedeutung in den sozialen Diensten für die Kranken nicht nur die Anwesenheit von Seelsorgern, sondern auch von solchen im Gesundheitswesen Tätigen hat, die sich von einer ganzheitlichen Betrachtungsweise der menschlichen Krankheit leiten lassen und darum einen wirklich menschlichen Zugang zum kranken und leidenden Menschen zu eröffnen wissen. Nach christlicher Ansicht erfassen die Erlösung Christi und seine heilbringende Gnade den ganzen Menschen in seiner menschlichen Beschaffenheit und somit auch in Krankheit, Leiden und Tod. 3. Gerade in den letzten Jahren hat es im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens weitere bedeutsame und deutliche Fortschritte gegeben. Einerseits hat die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe und medizinischer Behandlung als ein den Bürgern zustehendes Recht allgemeine Verbreitung gefunden; das hatte zur Folge, daß auch die Strukturen der Einrichtungen und die verschiedenen Dienste des Gesundheitswesens stark ausgeweitet wurden. Andererseits haben die Staaten, um diesen Anforderungen wirksam zu begegnen, zweckentsprechende Ministerien errichtet, passende Gesetze erlassen und politische Maßnahmen getroffen, die sich ausdrücklich auf die Organisation des staatlichen Gesundheitswesens beziehen. Außerdem haben die Vereinten Nationen aus eigener Initiative eine Weltgesundheitsorganisation ins Leben gerufen. Dieser zweifellos weite und komplexe Aufgabenbereich betrifft direkt das Wohl der menschlichen Person und der Gesellschaft. Aus diesem Grund ergeben sich hier freilich unvermeidlich schwierige Fragen, die sich nicht nur auf den sozialen oder institutioneilen Aspekt dieses Bereiches beziehen, sondern auch auf seine sittlich-religiöse Eigenart, weil es hier ja um wichtige „menschliche“ Erfahrungen geht, um Leiden, Krankheit und Tod, verbunden mit den Fragen nach der Aufgabe der Medizin und dem 1094 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auftrag des Arztes gegenüber den Kranken. Die neuen Grenzen schließlich, die der Fortschritt der Wissenschaft und dessen mögliche technische und medizinische Anwendungsformen gezogen haben, berühren den innersten und empfindlichsten Bereich des Lebens an seiner eigentlichen Quelle und in seiner tiefsten Bedeutung. 4. Für die Kirche aber scheint vor allem von Wichtigkeit zu sein, daß man sich um eine systematische Erforschung der immer komplexeren Fragen bemüht, denen sich die im Gesundheitswesen Tätigen stellen müssen im Rahmen eines größeren Engagements zur gegenseitigen Unterstützung der verschiedenen Gruppen in ihren entsprechenden Bemühungen. Es bestehen nämlich heute zahlreiche Einrichtungen, die die Christen im Gesundheitssektor sozusagen verpflichten; außer und neben den Ordenskongregationen und -instituten mit ihren sozialen und auf die Gesundheitsfürsorge ausgerichteten Aufgaben gibt es Organisationen katholischer Ärzte und Vereinigungen des sogenannten paramedizinischen Personals, also der Krankenpfleger, Pharmazeuten und freiwilligen Helfer, sowie Einrichtungen auf diözesaner oder interdiözesaner Ebene und nationale bzw. internationale Institutionen, die sich die Fragen und Probleme der Medizin und Gesundheit zur Aufgabe machen. Es wird jedoch dringend eine bessere Koordinierung aller dieser Institutionen gefordert. Eben diese Notwendigkeit habe ich in meiner Ansprache an die katholischen Ärzte am 3. Oktober 1982 niedergelegt: „Dafür reicht eine Einzelaktion nicht aus. Es bedarf einer gemeinsamen, klugen, geplanten, beständigen und großzügigen Arbeit, und das nicht nur im nationalen Bereich, sondern auch auf internationaler Ebene. Eine Koordination und Zusammenarbeit auf Weltebene kann in der Tat eine bessere Verkündigung und eine wirksamere Verteidigung eures Glaubens, eurer Kultur, eures christlichen Engagements in der wissenschaftlichen Forschung und in der Erfüllung eurer Lebensaufgabe ermöglichen“ (Insegnamenti, 1982, 3, S. 674). 5. Diese angemessene Abstimmung und Koordination muß vor allem darauf bedacht sein, eine immer vollkommenere sittlich-religiöse Bildung der im Gesundheitswesen tätigen Christen in der ganzen Welt zu fördern und zu verbreiten, wobei sowohl die unterschiedlichen Lebensverhältnisse als auch die je besonderen Probleme, denen sie in Ausübung ihres Berufes gerecht werden müssen, zu berücksichtigen sind. Das wird dann zu einer stärkeren Unterstützung, Förderung und Intensivierung der notwendigen Arbeiten des Studiums, der Vertiefung und Beratung in bezug auf die oben erwähnten Sonderprobleme des Gesundheitsdienstes entsprechend 1095 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der christlichen Sicht des wahren Wohls des Menschen führen. Auf diesem Gebiet haben sich heute heikle und sehr schwerwiegende Probleme ethischer Natur aufgetan, in denen die Kirche und die Christen selbst mit Festigkeit und Sachkunde ihre Autorität geltend machen müssen zum Schutz der mit der Würde und höchsten Bestimmung des Menschen verbundenen Werte und unumgänglichen Rechte. 6. Aufgrund dieser Überlegungen und gestützt auf die Ansicht von Experten - Priestern, Ordensleuten und Laien -, habe ich mich entschlossen, eine Päpstliche Kommission für das Krankenapostolat einzusetzen, die als Koordinierungsorgan aller katholischen Ordens- und Laieneinrichtungen, die sich der Krankenseelsorge annehmen, fungieren soll. Diese Kommission wird als integrierender Teil dem Päpstlichen Laienrat angeschlossen, auch wenn sie bei der Planung und Durchführung ihrer Aufgaben stets ihren eigenen Charakter bewahrt. Als Aufgabe dieser neugegründeten Kommission bestimme ich: - Anregung und Unterstützung der Erziehungs-, Studien- und praktischen Tätigkeit, die die verschiedenen internationalen katholischen Organisationen bereits auf diesem Gebiet des Gesundheitswesens leisten wie auch andere ähnliche Vereinigungen und Einrichtungen, die in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft und auf verschiedene Weise in demselben Aufgabengebiet tätig sind; - angemessene und koordinierte Planung der von den verschiedenen Di-kasterien der Römischen Kurie ausgehenden Initiativen, die sich auf diesen Bereich des Gesundheitswesens und seine Probleme beziehen; - Erläuterung, Verteidigung und Verbreitung der kirchlichen Lehraussagen zum Gesundheitswesen sowie Förderung ihrer praktischen Anwendung durch die im Gesundheitswesen Tätigen; - abgestimmtes Vorgehen mit den Ortskirchen und insbesondere mit den bischöflichen Kommissionen für das Gesundheitswesen; - aufmerksame Beobachtung und Erforschung der aktuellen Tendenzen und konkreten Initiativen im Gesundheitswesen sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene, insofern sie für die Seelsorgetätigkeit der Kirche von Bedeutung sind. Den Vorsitz dieser Päpstlichen Kommission übernimmt der Kardinal-Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien; die eigentliche Leitung liegt bei einem Gremium unter dem Vorsitz eines Erzbischofs als Pro-Präsident und einem Sekretär ohne bischöflichen Rang. Aufgabe des Präsidenten ist es, die Vollversammlungen der Mitglieder und die Tagungen der Konsultoren zu leiten. Er wird rechtzeitig bzw. schon vorher über wichtige 1096 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beschlüsse informiert und über die allgemeine Tätigkeit der Kommission ständig unterrichtet. Aufgabe des Pro-Präsidenten ist es, die planende und ausführende Arbeit der Päpstlichen Kommission den Weisungen dieses Gründungsdokuments entsprechend in Gang zu bringen und zu fördern, abzustimmen und zu koordinieren. Die vom Papst ernannten Mitglieder und Konsultoren werden vertreten: a) einige Dikasterien und Organe der Römischen Kurie (Staatssekretariat; die Kongregationen für die Glaubenslehre, für die Orientalischen Kirchen, für die Ordensleute und Säkularinstitute, für die Glaubensverbreitung und für das katholische Bildungswesen; die Päpstlichen Räte „Cor Unum“ und für die Familie; die Päpstliche Akademie der Wissenschaften); b) den Weltepiskopat (die bischöflichen Kommissionen für das Gesundheitswesen); c) die in der Krankenpflege tätigen Orden; d) die Laien (internationale katholische Organisationen sowie andere Einrichtungen und Vereinigungen, die im Bereich des Gesundheitswesens und des menschlichen Leidens tätig sind). Der Päpstlichen Kommission steht es frei, für die Erfüllung dieser Aufgaben Experten um Hilfe und Mitarbeit zu ersuchen und für bestimmte Probleme „Ad hoc“-Studien- und -Arbeitsgruppen einzurichten. Alles, was von mir in diesem Motu proprio bestimmt wird, soll unter Aufhebung aller entgegenstehenden Bestimmungen dauernde Geltung haben. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 11. Februar 1985, im siebenten Jahr meines Pontifikats IOANNES PAULUS PP. II 1097 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Durch das Kreuz zum Licht“ Predigt bei der Messe für die Kranken in St. Peter am Fest Unserer Lieben Frau von Lourdes, 11. Februar „Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch“ (Jes 66,13). Meine lieben Kranken! 1. Mit diesen vertrauenerweckenden Worten des Propheten Jesaja, die wir in der ersten Lesung dieser Eucharistiefeier zu Ehren Unserer Lieben Frau von Lourdes gehört haben, bringe ich euch meinen herzlichen Gruß und meine tiefe Dankbarkeit für das Geschenk eurer Anwesenheit zum Ausdruck. Es ist für die Kirche, die dazu berufen ist, das Heilswerk inmitten der Welt fortzusetzen, so wertvoll, denn ihr läutert durch euer Leiden die Kirche und verleiht ihr eine besondere Kraft bei ihrem heilbringenden Wirken. Von Herzen begrüße ich auch alle, die euch Hilfe leisten: Ordensmänner, Ordensfrauen, Ärzte, Krankenpfleger und alle anderen Mitarbeiter und Helfer, die, angeführt von den Leitern der UNITALSI, jedes Jahr wieder neu hier in der Basilika dieses Zeugnis christlicher Nächstenliebe und Solidarität geben; ebenso begrüße ich die Leiter des Römischen Pilgerwerkes, denen das Verdienst zukommt, vor Jahren den ersten Anstoß zu dieser jährlichen Begegnung gegeben zu haben, und die heute mit einer großen Gruppe von Mitgliedern dieses Werkes hier vertreten sind. Zu euch allen sage ich: „Gnade sei mit euch und Friede in Fülle“ (1 Petr 1,2), und ich wünsche euch, daß dieser Gottesdienst zu einer tiefen Gebetserfahrung und einer fruchtbaren Besinnung werde, damit ihr immer besser die Bedeutung der erlesenen Mission an der Seite der kranken Brüder begreift, die die leidenden Glieder des gekreuzigten Christus sind. 2. Heute gedenken wir des Jahrestages der ersten Erscheinung der Jungfrau Maria vor der hl. Bernadette Soubirous in der Grotte von Massabielle in Lourdes. Es folgten zahlreiche weitere Erscheinungen, in deren Verlauf die hl. Bernadette zur Vertrauten, zur Mitarbeiterin und zum Werkzeug der mütterlichen Sorge der Jungfrau zur Ausweitung des barmherzigen Heilswerkes ihres Sohnes wurde. Hinsichtlich dieses Heils ist von höchster Bedeutung, was die seligste Jungfrau unter den vielen Botschaften, die sie ihr anvertraute, zu der kleinen Seherin sagte: „Ich verspreche dir nicht, dich in dieser Welt 1098 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN glücklich zu machen, sondern in der anderen.“ Die Muttergottes ließ sie so an den schmerzreichen Geheimnissen des Leidens und Sterbens ihres Sohnes teilnehmen. Und in der Tat, das Leben der Heiligen war zutiefst von Schmerz und Leiden gezeichnet. Das Kreuz Christi war ihr stets Anregung und Antrieb während ihres Ordenslebens in der Kongregation der Schwestern der christlichen Liebe und Erziehung in Nevers; es war das Geheimnis ihres Erfolges auf dem Weg der christlichen Vollkommenheit. In ihren geistlichen Notizen rief sie aus: „Kreuz meines Retters, heiliges Kreuz, anbetungswürdiges Kreuz, nur in dir finde ich meine Kraft, meine Hoffnung und meine Freude. Du bist der Baum des Lebens, die geheimnisvolle Leiter, die die Erde mit dem Himmel verbindet, und der Altar, auf dem ich mich hinopfern will, sterben für Jesus (Note intime, S. 20). 3. Aber obgleich er sie zum erlösenden Leiden berufen hat, ließ der Herr es ihr nicht an den Tröstungen und reinsten Freuden fehlen, die er den hochherzigsten Seelen Vorbehalten hat. Darum konnte auch sie mit dem Apostel Paulus wiederholen: „Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteil geworden sind, so wird uns durch Christus auch überreicher Trost zuteil“ (2 Kor 1,5). Der eucharistische Jesus war ihr Trost, ihre Ruhe und ihre Entspannung: „Jesus schenkt mir sein Herz, ich lebe also Herz an Herz mit Jesus, ich bin die Freundin Jesu, d. h. ein anderer Jesus“ (Note intime, S. 14). Das ist die den Heiligen und den gläubigen Seelen verheißene Freude! Das ist die Freude, von der wir in der ersten Lesung gehört haben: „Freut euch und jubelt. . . alle, die ihr traurig wart über sie!“ (Jes 66,10). Es ist die Freude, die im heutigen Evangelium von der Gottesmutter verkündet wird: „Mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,47). Das Christentum ist durchwirkt von Schmerz und Freude, von Passion und Auferstehung, 4. Liebe Kranken, nehmt diese geistliche Botschaft auf, die euch heute vom Fest Unserer Lieben Frau von Lourdes geschenkt wird und die sich in den Worten des Apostels Paulus zusammenfassen läßt: „Statt dessen freut euch, daß ihr Anteil an den Leiden Christi habt; denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln“ (1 Petr 4,13). Die seligste Jungfrau, die wir im Geheimnis ihrer Erscheinungen in Lourdes verehren, ist uns darin ein wunderbares Vorbild. Sie steht unter dem Kreuz, aufs äußerste mit dem Opfer ihres Sohnes verbunden, sie ist die Mutter der Schmerzen. Aber sie ist auch offen für die Freude der Auferstehung; sie wird mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Him- 1099 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mels aufgenommen. Als das erste erlöste Geschöpf, unbefleckt von der Empfängnis an, ist sie das vollkommene Vorbild der irdischen und der verherrlichten Kirche. Sie mahnt uns daher zu Mut und Vertrauen und erinnert uns daran, daß man nur auf dem Weg des Leidens, der uns aufgegeben ist, zur Freude gelangt: „Per crucem ad lucem“ - „durch das Kreuz zum Licht.“ Euer Leben unterscheidet sich nicht von dem der Muttergottes und der hl. Bernadette: betrachtet es mit deren Augen. Die Krankheit ist kein unnütziges Mißgeschick; sie ist nicht etwas, was niederdrückt, ohne etwas Positives zu hinterlassen. Im Gegenteil, wenn sie in Gemeinschaft mit Christus getragen wird, wird sie zur Quelle der Hoffnung, des Heils und der Auferstehung für euch und für die ganze Menschheit. Auch ihr alle, Brüder und Schwestern, die ihr mit den lieben Kranken hier seid und die ihr das Glück hattet, euch als Pilger nach Lourdes, in jene bevorzugte Stadt Mariens, zu begeben, wißt gut, daß und wie sehr diese besondere Botschaft der Gottesmutter reich ist an Früchten der Gnade, der Bekehrung und heiliger Vorsätze. Trachtet, ihren Geist immer mehr in euch aufzunehmen und ihre Forderungen zu verinnerlichen, bezeugt das durch eine Lebensführung, die unserer himmlischen Mutter wahrhaft würdig ist. Heute vor einem Jahr, am 11. Februar 1984, wurde mein Apostolisches Schreiben Salvifici doloris, über das menschliche Leiden, veröffentlicht. Um einiges dort Angesprochene zu verwirklichen, habe ich mit heutigem Datum eine Päpstliche Kommission für das Krankenapostolat errichtet. Diese Kommission hat die Aufgabe, sämtliche katholischen Institutionen und Einrichtungen, die mit der Sorge für die Kranken befaßt sind, zu koordinieren. Diese neue Einrichtung soll ein lebendiger Ausdruck der Sorge der Kirche für die leidenden Menschen sein. Die Probleme, Bedürfnisse und Erwartungen, die in dem weiten Bereich des menschlichen Leidens zutage treten, sind vielfältig und dringend. Es gilt, mit immer wacherem Bewußtsein davon Kenntnis zu nehmen, um ihnen mit passenden und wirksamen Antworten zu begegnen. Die christliche Welt war immer sehr feinfühlig gegenüber den Kranken, mit denen sich Christus identifizieren wollte (vgl. Mt 25,36). Diese Sensibilität muß sich heute in einer organischeren und qualifizierteren Weise zeigen, und das im übrigen im Einklang mit den neu sich bildenden Gesellschaftsgefügen auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Die Bildungs- und Studienarbeit, die die verschiedenen katholischen Institutionen im Bereich des Gesundheitswesens entfalten, müssen angeregt und gefördert werden; die einschlägigen Lehren der Kirche müs- 1100 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sen verbreitet und verteidigt werden; vor allem aber gilt es, die in der Kirche vorhandenen lebendigen Kräfte zu wecken und zu koordinieren, damit sie sich mit einem erneuerten Geist des Dienens den kranken Schwestern und Brüdern zuwenden und in ihnen die Glieder des leidenden Christus sehen. Mit diesen Zielsetzungen wird das neue Organ des Hl. Stuhls errichtet, das eben heute unter Führung von Kardinal Edoardo Pironio als Präsidenten und Erzbischof Fiorenzo Angelini als Pro-Präsidenten seine ersten Schritte tut. Ich lade euch ein, dafür zu beten, daß die neue Päpstliche Kommission ihren Zweck voll erreichen kann, nämlich den materiallen und geistlichen Beistand, den die Kirche seit jeher zugunsten der Kranken fördert, zu verbessern und auszuweiten. Diese Wünsche und Hoffnungen wollen wir jetzt auf den Altar legen, wo wir das eucharistische Opfer erneuern, damit sie zum Herrn emporsteigen als ihm gefällige Opfergabe, zu seiner Ehre und zu unserer Erlösung. Amen. „ Väter des slawischen Glaubens“ Predigt bei der Eucharistiefeier in der römischen Basilika San Clemente am Fest der heiligen Kyrill und Method am 14. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute, am liturgischen Fest der heiligen Kyrill und Method, haben wir uns hier in dieser uralten, dem heiligen Papst und Märtyrer Clemens geweihten Basilika versammelt, um an dem Grab zu beten und unsere Betrachtungen anzustellen, in dem die verehrten Reliquien des hl. Kyrill aufbewahrt werden, den ich zusammen mit seinem Bruder, dem hl. Method, an der Seite des hl. Benedikt zum Schutzpatron ganz Europas erklärt habe. Mit der Verherrlichung der beiden heiligen Brüder bringt die ganze Kirche ihnen ihre dankbare Bewunderung für das großartige Evangelisierungswerk zum Ausdruck, das von ihnen durch die Verkündigung des Gottesreiches unter den slawischen Völkern vollbracht wurde. Wie ich am 1. Januar in Erinnerung gerufen habe, sind es 1100 Jahre her, seitdem die große Mission der beiden Brüder durch den Tod des Method im Jahr 885 ihr Ende gefunden hat; sein Bruder Konstantin-Kyrill war 1101 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bereits 16 Jähre zuvor hier in Rom gestorben. Diesen beiden großen Aposteln hat der Ewige Hirt das Wirken für das Evangelium unter den Slawen übertragen. Sie sind zu den ersten Glaubensverkündern bei den Völkern geworden, die den Osten und den Süden Europas bewohnen. Sie sind zu den Vätern ihres Glaubens und ihrer Kultur geworden. Der heutige Gottesdienst gehört darum in die Reihe der Veranstaltungen, die zum Gedenken und zu Ehren der beiden heiligen Brüder im Laufe dieses Jahres, das ihnen in besonderer Weise gewidmet ist, in der ganzen Kirche, vor allem in Europa und insbesondere bei den Nationen, denen ihre apostolische Bemühungen galten, stattfinden werden. Ihre damalige Ankunft in Rom war ein großes Ereignis, das nicht nur Papst Hadrian, sondern auch die Bürger der Stadt zutiefst bewegte: mit brennenden Kerzen waren sie Kyrill und Method entgegengegangen, die die kostbaren Reliquien des hl. Clemens aus dem Osten mitbrachten. Die heiligen Bücher in slawischer Sprache wurden anerkannt, und in der Basilika Santa Maria Maggiore wurde die Messe in dieser Sprache gesungen. Von den Mühen und Strapazen geschwächt, schied Konstantin-Kyrill am 14. Februar 869 mit 42 Jahren aus dieser Welt, nachdem er zuvor ein inbrünstiges, ergreifendes Gebet zu Gott emporgesandt und seinem Bruder Method eine inständige Mahnung hinterlassen hatte: „Ja, Bruder, wir teilen dasselbe Schicksal, da wir den Pflug in dieselbe Furche drückten; ich falle nun auf den Acker, weil meine Erdentage zu Ende sind. Du, das weiß ich, liebst sehr deinen Berg (gemeint ist die geheiligte Gebirgsgegend des Olymp, wo die beiden Brüder ihr Mönchsleben in Einsamkeit geführt hatten); du darfst jedoch nicht wegen des Berges (d. h. des Mönchslebens in Zurückgezogenheit) deine Lehrtätigkeit aufgeben. Wo kannst’du wirklich besser das Heil erlangen?“ ( Vita di Metodio, VII, 2-3). Die 16 Jahre, die Method den Bruder überlebte, waren von apostolischem Wirken, aber auch von Leiden erfüllt. Er starb am 6. April 885. „Seine Schüler richteten ihn für die Bestattung her und erwiesen ihm würdige Ehren; sie feierten einen Gottesdienst in lateinischer, griechischer und slawischer Sprache und bestatteten ihn in der Kathedrale. Und er setzte die Reihe ihrer Väter fort: Patriarchen, Propheten, Apostel, Kirchenlehrer, Märtyrer“ (Vita di Metodio, XVII, 11-12). Als die antike Zivilisation zerbrach und zerfiel 2. Das 1100. Todesjahr des hl. Method sieht uns heute in Rom am Grab seines Bruders Konstantin-Kyrill versammelt und spornt uns an, über die 1102 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kirchliche Aktualität des genialen und großartigen Evangelisierungswerkes nachzudenken, das von ihnen durchgeführt wurde. Um die Mitte des 9. Jahrhunderts und in der unmittelbar darauffolgenden Zeit nahte der Augenblick der politischen und kulturellen Reifung des großen Gesamtgefüges der slawischen Völker, ihr Eintritt als Hauptakteure in das internationale Zusammenleben, in das Staatensystem, das die Nachfolge des antiken Römischen Reiches angetreten hatte. Es war leider auch der Augenblick, in dem die antike Zivilisation zerbrach und zerfiel und die Spannungen zwischen Morgen- und Abendland zu Auseinandersetzungen und schon bald zu Spaltungen und Trennungen führten: Die Slawen betraten die Weltbühne, indem sie zwischen diesen beiden Parteien ihren Platz einnahmen, und erfuhren in der Folge an sich selbst die tragischen Auswirkungen des Schismas; auch sie wurden gespalten, so wie damals die europäische Welt gespalten war. Um so mehr müssen wir daher den geistlichen Weitblick der beiden heiligen Brüder bewundern, die sich mutig entschlossen hatten, dort eine ideelle Brücke zu bauen, wo die Welt ihrer Zeit trennende, die Völker spaltende Gräben aushob. „Kyrill und Method - habe ich am 31. Dezember 1980 in dem Apostolischen Schreiben geschrieben, mit dem ich sie zu Mitpatronen Europas erklärte - entfalteten ihre Missionstätigkeit in der Weise, daß sie sowohl mit der Kirche von Konstantinopel, von der sie entsandt worden waren, als auch mit dem Stuhl Petri in Rom harmonisch zusammenarbeiteten, der sie in ihrem Einsatz bestärkt hatte, gleichsam zum Zeichen der Einheit der Kirche, die zur Zeit des Lebens und Wirkens der beiden Heiligen nicht von einer Spaltung zwischen Morgen- und Abendland betroffen war, obgleich damals ernste Streitigkeiten zwischen Rom und Konstantinopel entbrannt waren“ (Egregiae virtutis, Nr. 1; in: O.R.dt., 23. 1. 85, S. 6). 3. Dieser sehnliche Wunsch nach der geistlichen Einheit zwischen allen Christgläubigen inspirierte die beiden heiligen Brüder zu ihrer Mission, die darauf abzielte, die von ihnen evangelisierten Völker im entstehenden Europa zu einem einigen Band zwischen Morgen- und Abendland zu machen. Zu diesem Zweck beschlossen Kyrill und Method die Übertragung der heiligen Bücher in die slawische Sprache; „so kam es, daß der Grund der Literatur dieser Völker in deren eigener Sprache gelegt wurde“ (Egregiae virtutis, Nr. 1, in: a. a. O.). Als sie u. a. feststellten, daß in Großmähren die heilige Messe nach dem römischen Ritus gefeiert wurde, den lateinische Missionare eingeführt hatten, die bei der Bevölkerung nicht sehr erfolgeich gewesen waren, übertrugen sie nicht nur die 1103 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (byzantinische) Liturgie des hl. Johannes Chrysostomos, sondern auch die (römische) Liturgie des hl. Petrus in die slawische Sprache. Gott in der eigenen Sprache zu loben, sich die eigene nationale und kulturelle Identität bewußtzumachen und zugleich sich um die tiefste Verbundenheit und Einheit zwischen allen Christen im Morgen- und Abendland zu bemühen - ist das etwa nicht das Missionsprogramm, das in unseren Tagen auch vom Zweiten Vatikanischen Konzil bestätigt und empfohlen worden ist? Die Tatsache, daß ein derartiges Programm bereits vor 1100 Jahren vom Römischen Stuhl'gebilligt wurde und er dazu ermutigte, war sicher eines der großen „Zeichen der Zeit“, die ankündigten, daß das im Entstehen begriffene Europa ein neues Gesicht bekommen würde. Trotz der wechselvollen Geschehnisse und großen Schwierigkeiten im Laufe der Geschichte können wir erkennen, daß die slawische Liturgie und die Kultur, die auf dem Fundament errichtet wurde, den das heilige Brüderpaar gelegt hatte, noch heute ein unleugbares Zeugnis für den lebendigen Fortbestand des kyrillisch-methodianischen Erbes sind. Auch die Sehnsucht nach der vollen Einheit der Christen war unter den slawischen Völkern wiederholt zu vernehmen, besonders in unheilvollen Zeiten. Wir erwähnen die „Unionskongresse“ zwischen Katholiken und Orthodoxen, die seit Beginn dieses Jahrhunderts in Velehrad, am Grab des hl. Method, unter dem Schutz der als Mutter der Einheit verehrten und angerufenen Gottesmutter stattfanden. Dem Beispiel meiner Vorgänger folgend - Johannes XXIII., der nach seiner Erhebung zum Papst in diese Basilika kam, um die beiden heiligen Brüder zu verehren, und Paul VI., der im Altar der Kapelle des hl. Kyrill die wiedergefundenen Reliquien des Heiligen zu deponieren wünschte habe auch ich mich an diesem heiligen und allen Christgläubigen, aber besonders den slawischen Völkern teuren Ort eingefunden und erneuere den Wunsch, „daß durch die gütige Barmherzigkeit der Heiligsten Dreifaltigkeit und durch die Fürsprache der Muttergottes und aller Heiligen alles, was die Kirchen, die Völker und die Nationen trennt, verschwinden möge; daß die Vielfalt und Verschiedenartigkeit von Traditionen und Kultur vielmehr ein Beweis sein mögen für die wechselseitige Ergänzung in dem, was der gemeinsame geistliche Reichtum hervorgebracht hat. Das Bewußtsein dieses religiösen Reichtums aber, der auf verschiedenen Wegen zum Erbe der einzelnen Völker geworden ist, möge bewirken, daß unsere Generation auf der gebührenden Achtung und Wahrung der Rechte der anderen Nationen und auf der Suche nach Frieden beharre; 1104 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und sie möge nicht aufhören, sich um das gemeinsame Wohl aller und das Schicksal künftiger Generationen auf der ganzen Erde zu kümmern“ (Egregiae virtutis, Nr. 4; in: a. a. O.). Sie waren vorbildliche, gute Hirten in der Kirche 5. Im heutigen Wortgottesdienst haben wir einige Abschnitte gehört, die wir auf das von den heiligen Kyrill und Method entfaltete Apostolat anwenden können: Durch sie verbreitete sich das Wort Gottes in der Welt (vgl. Apg 13,49); als gute Soldaten Jesu Christi hatten sie ihren Anteil am Leiden; wie der Landmann haben sie sich abgemüht, die Früchte ihrer Arbeit einzubringen; um des Evangeliums willen haben sie, trotz des Unverständnisses und der Mißhandlungen, die sie erfuhren, alles ertragen (vgl. 2 Tim 2,3-10); sie waren vorbildliche, gute Hirten in der Kirche Gottes, fähig und bereit, ihr Leben für die ihnen anvertrauten Schafe hinzugeben (vgl. Joh 10,11-16). An diesen Beispielen der Hingabe müssen wir uns alle inspirieren; diese Vorbilder stelle ich heute ganz besonders den Studenten der kirchlichen Kollegien Roms vor Augen, die zusammen mit ihren Obern und Dozenten hier anwesend sind. Ihr, liebe Brüder, seid nicht nur hier, um die heiligen Kyrill und Method zu verehren und ihrer zu gedenken, sondern vor allem, um von ihnen zu lernen, was es heißt und welche Konsequenzen es hat, seiner priester-lichen und missionarischen Berufung zu folgen. Die Berufung kommt von Gott, der seine Stimme zu allen Zeiten hören läßt. Die Menschen müssen bereit sein, diese Berufung anzunehmen, und sich mit ernstem Einsatz auf die Aufgaben, die sie mit sich bringt, vorzubereiten. Kyrill und Method bereiteten sich auf ihre Sendung durch ernsthaftes und tiefes Studium des Gotteswortes und der heiligen Lehre sowie auch der philosophischen und literarischen Kultur ihrer Zeit vor; besonders aber bereiteten sie sich durch Gebet und Buße vor. Blickt auf ihr Beispiel, liebe Studenten, laßt euch an diesen ruhmvollen Vorbildern für euren künftigen priesterlichen oder missionarischen Dienst formen! Ich möchte diese Predigt mit den Worten des herrlichen Gebets beschließen, das der hl. Kyrill an Gott richtete, als er die Stunde nahen fühlte, in der er zur endgültigen Ruhe gelangen und den Weg in die ewige Heimat antreten sollte: „Herr, mein Gott, . . . der du stets die erhörst, die deinen Willen tun und die dich fürchten und deine Gebote halten, erhöre mein Gebet und bewahre die Herde, an deren Spitze du mich gestellt hat, im 1105 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN treuen Glauben an dich . . . Befreie sie von der gottlosen, heidnischen Treulosigkeit . . . und vergrößere durch diese Schar deine Kirche und sammle alle in der Einheit und mache das Volk heilig und einträchtig im wahren Glauben und im rechten Bekenntnis zu dir und entzünde in ihren Herzen das Wort deiner Lehre . . . Jene, die du mir gegeben hast, übergebe ich dir als die Deinen; führe sie mit deiner mächtigen Hand und nimm sie unter den Schutz deiner Flügel, damit alle deinen Namen, Vater, Sohn und Heiliger Geist, loben und preisen“ ( Vita di Cirillo, XVIII, 8-11). In diesem Gebet an die Dreifaltigkeit finden wir zusammengefaßt die großen Ideale, die das unermüdliche Evangelisierungswerk der beiden heiligen Brüder beseelten: die Verkündigung des Wortes; die Verbreitung und Erhaltung des Glaubens; die Einheit aller, die an Christus glauben; das Vertrauen in das Wirken der göttlichen Gnade; der pastorale Einsatz bis zur Selbsthingabe. Wenn die heutige Kirche die heiligen Kyrill und Method feiert, betet sie und betrachtet in ihrem Herzen die Botschaft, die noch immer aktuell ist. Amen. Jeder Mensch „Ebenbild Gottes“ Ansprache an die Leiter des Amerikanischen Jüdischen Komitees am 15. Februar Liebe Freunde! Es ist eine große Freude für mich, diese bedeutende Delegation des Amerikanischen Jüdischen Komitees mit seinem Präsidenten an der Spitze zu empfangen, und ich bin Ihnen für diesen Besuch dankbar. Sie sind überaus willkommen in diesem Haus, das, wie Sie wissen, Mitgliedern des jüdischen Volkes immer offensteht. Sie sind hierhergekommen, um den zwanzigsten Jahrestag der Konzilserklärung Nostra aetate, über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, zu begehen, deren vierter Abschnitt ausführlich das Verhältnis der Kirche zum Judentum behandelt. Während meines jüngsten Pastoralbesuches in Venezuela empfing ich einige Vertreter der dortigen jüdischen Gemeinde in einer Begegnung, wie sie inzwischen zu einem normalen Programmpunkt vieler meiner 1106 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Pastoralbesuche in der ganzen Welt geworden ist. Bei dieser Gelegenheit sagte ich in Erwiderung auf die Grußadresse von Rabbi Isaac Cohen: „Ich möchte mit Überzeugung und Nachdruck bekräftigen, daß die während des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Erklärung Nostra aetate verkündete Lehre der Kirche ... für uns, für die katholische Kirche, für die Bischöfe . . . und für den Papst stets eine Lehre bleibt, die befolgt werden muß - eine Lehre, die nicht nur, weil sie gerade passend ist, angenommen werden muß, sondern als ein Ausdruck des Glaubens, als eine Eingebung des Heiligen Geistes, als ein Wort der göttlichen Weisheit“ (O.R. vom 29. 1. 1985). Ihnen gegenüber, die Sie des zwanzigsten Jahrestages der Konzilserklärung gedenken, wiederhole ich gern jene Worte. Sie bringen die verpflichtende Bindung des Heiligen Stuhles und der ganzen katholischen Kirche an den Inhalt dieser Erklärung zum Ausdruck und unterstreichen sozusagen deren Bedeutung. Die Worte der Erklärung sind auch nach zwanzig Jahren nicht veraltet. Ja, es ist sogar klarer als zuvor, wie stichhaltig und zuverlässig die theologische Begründung der Erklärung ist und welche solide Ausgangsbasis sie für einen wirklich fruchtbaren jüdisch-christlichen Dialog bietet. Einerseits stellt sie die Motivierung für einen solchen Dialog ganz in das Geheimnis der Kirche selbst und andererseits hält sie klar die Identität der einzelnen Religionen aufrecht und verknüpft sie eng miteinander. Während dieser zwanzig Jahre ist eine ungeheure Arbeitsfülle geleistet worden. Sie wissen darum, weil Ihre Organisation sich sehr für die jüdisch-christlichen Beziehungen auf der Grundlage der Konzilserklärung einsetzt, sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene und besonders in Verbindung mit der Kommission des Heiligen Stuhls für Religiöse Beziehungen zum Judentum. Ich bin überzeugt - und es freut mich, das bei dieser Gelegenheit festzustellen daß die Beziehungen zwischen Juden und Christen sich in diesen Jahren grundlegend verbessert haben. Wo es einst Mißtrauen und vielleicht Furcht gab, herrscht heute Vertrauen. Wo einst Unwissenheit und dadurch Vorurteile und Klischeevorstellungen verbreitet waren, wächst nun gegenseitige Kenntnis, Wertschätzung und Achtung. Vor allem aber besteht Liebe zwischen uns, jene Liebe, die, so meine ich, für uns beide ein grundlegendes Gebot unserer religiösen Überlieferungen ist und die das Neue Testament vom Alten empfangen hat (vgl. Mk 12,28-34; Lev 19,18). Liebe schließt Verständnis ein. Sie schließt auch Offenheit und die Freiheit ein, in brüderlicher Weise anderer Meinung zu sein, wenn es Gründe dafür gibt. 1107 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zweifellos gibt es noch viel zu tun. Es bedarf noch der theologischen Überlegung - trotz der Menge der bereits geleisteten Arbeit und der bis jetzt erreichten Ergebnisse. Unsere Bibelwissenschaftler und Theologen sind ständig herausgefordert durch das Wort Gottes, das wir gemeinsam besitzen. Die Erziehung sollte die neuen Einsichten und Weisungen sorgfältiger berücksichtigen, die vom Konzil erschlossen und in der darauffolgenden und noch immer gültigen Erklärung „Richtlinien und Hinweise für die Durchführung von Nostra aetate, Nr. 4“ formuliert wurden. Die Erziehung zum Dialog, zu Liebe und Achtung anderer und zur Offenheit gegenüber allen Menschen sind in unseren pluralistischen Gesellschaften, in denen jeder Nachbar von jedem ist, dringend notwendig. Der Antisemitismus, der mancherorts leider noch immer ein Problem darstellt, ist von der katholischen Tradition wiederholt als unvereinbar verurteilt worden, sowohl mit der christlichen Lehre als auch mit der Achtung, die der Würde von Männern und Frauen gebührt, die nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffen sind. Ich erkläre noch einmal ausdrücklich, daß die katholische Kirche jede Form der Unterdrückung und Verfolgung und jede Diskriminierung von Menschen ablehnt und verwirft - von wo immer sie kommen mag -, „im Gesetz oder tatsächlich wegen ihrer Rasse, Herkunft, Hautfarbe, Kultur, ihres Geschlechts oder ihrer Religion“ (Octogesima adveniens, Nr. 23). In engem Zusammenhang mit dem eben Gesagten muß das uns als Christen und Juden offenstehende breite Feld der Zusammenarbeit zu Gunsten der ganzen Menschheit gesehen werden. Hier scheint in jedem Mann, in jeder Frau und in jedem Kind, besonders in den Armen und Notleidenden, das Ebenbild Gottes durch. Ich weiß sehr wohl, wie eng das Amerikanisch-Jüdische Komitee mit manchen unserer katholischen Organisationen zusammengearbeitet hat bei der Linderung des Hungers in Äthiopien und in der Sahelzone, bei dem Versuch, die Aufmerksamkeit der eigenen Behörden auf diese schreckliche Plage zu lenken. Sie ist leider noch nicht beseitigt und bleibt daher eine ständige Herausforderung an alle, die an den einen wahren Gott glauben, der der Herr der Geschichte und der liebende Vater aller ist. Ich weiß auch um Ihre Sorge um den Frieden und die Sicherheit des Heiligen Landes. Möge der Herr jenem Land und allen Völkern und Nationen in jenem Teil der Welt die Segnungen zuteil werden lassen, die in dem Wort shalom enthalten sind, so daß sich - nach den Worten des Psalmisten - Gerechtigkeit und Frieden küssen (vgl. Ps 85,11). 1108 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Zweite Vatikanische Konzil und die nachfolgenden Dokumente haben wahrlich dieses Ziel: daß die Söhne und Töchter Abrahams -Juden, Christen und Muslime (vgl. Nostra aetate, Nr. 3) - in Frieden und Wohlergehen miteinander leben mögen. Und mögen wir alle den Herrn, unseren Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft (vgl. Dtn 6,5). Ich danke Ihnen noch einmal für Ihren Besuch. Shalom! Das Siegel - ein Mikrokosmos der Kultur Ansprache bei der Eröffnung der Siegelausstellung im Vatikanischen Geheimarchiv am 19. Februar 1. Gern bin ich gekommen, diese Ausstellung von Siegeln zu eröffnen. Sie ist eine weitere lobenswerte Initiative, um des hundertjährigen Gründungsjubiläums der Vatikanischen Schule für Paläographie, Diplomatik und Archivistik zu gedenken, die von meinem Vorgänger Leo XIII. mit dem Motu proprio Fin dal principio vom 1. Mai 1884 am Vatikanischen Archiv errichtet wurde. Ich begrüße herzlich die ehrwürdigen Brüder Kardinäle und Bischöfe, die Autoritäten und Vertreter der Welt der Kultur und alle, die sich hier eingefunden haben, um diese Veranstaltung durch ihre Anwesenheit zu ehren. Ein dankbarer Gruß ergeht an die Leiter und das Personal des Vatikanischen Geheimarchivs und besonders an die Direktion und den Lehrkörper der Schule. Denn ihre Idee war es, das Siegel als Thema für diese Ausstellung zu wählen. Die Siegelkunde ist, wie man weiß, ein Fach, das an der Vatikanischen Schule gelehrt wird; und als Wissenschaft kann sie dazu dienen, ein (leider wenig bekanntes) kulturelles Erbe ersten Ranges, das im Vatikanischen Archiv aufbewahrt wird, ins Licht zu stellen. Denn das Siegel, das mit Recht ein „Mikrokosmos der Kultur“ genannt wird, ist eine wichtige Quelle für die Geschichtswissenschaft, die Rechtswissenschaft und die Kunst. Die Ausstellung hat sich das „Lesen“ des Siegels zum Ziel gesetzt und möchte zeigen, wie man es im kulturellen, historischen, juristischen und künstlerischen Bereich und Zusammenhang „lesen“ muß. 2. Die Aufbewahrung so vieler Siegel mit den dazugehörigen Dokumenten, die sie beglaubigen, und ihre Bereitstellung für die Gelehrten sind ein 1109 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aspekt des Dienstes des Vatikanischen Geheimarchivs an der Kultur. Es gebührt sich anzuerkennen, wieviel auch auf diesem Gebiet für die Wissenschaft geleistet wird: Das bestätigt täglich die große Zahl der Besucher. Das Archiv bewahrt in der Tat auch die in der Welt bedeutendste und reichste Sammlung von Goldsiegeln: Es sind Siegel von Kaisern, Königen, Fürsten usw. (Nur ein einziges - und eines der kleinsten - Siegel ist von einem Papst.) Erfreut bin ich auch darüber, daß in dieser Ausstellung nicht nur Siegel des europäischen Kulturraumes ausgestellt und erläutert werden, sondern auch solche des chinesischen und arabischen Kulturbereiches. Das beleuchtet gut und unterstreicht die Universalität der Kirche. Über das chinesische Siegel hat bereits der berühmte italienische Chinareisende Marco Polo in seinem bekannten Buch II Milione gesprochen und geschrieben, in dem er unter anderem sagt: „. . . Und alle diese Papiere oder eigentlich Geldscheine werden mit soviel Autorität und Feierlichkeit hergestellt, als wären sie aus reinem Gold oder Silber, denn auf jeden Geldschein schreiben viele Beamte, die dazu abgeordnet sind, ihren Namen, und jeder setzt sein Zeichen darauf. Und wenn alles so gemacht ist, wie es sein soll, bestreicht der leitende Beamte für den Abgeordneten das ihm ausgehändigte Siegel mit zinnoberrotem Lack und drückt es auf den Geldschein, so daß die Form des rotgefärbten Siegels darauf abgedrückt bleibt: und damit ist jener Geldschein authentisch. Und sollte ihn jemand fälschen, würde er mit Hinrichtung bestraft werden“ (II Milione, LXXXI, Mailand 1955, S. 134). Wegen seiner historischen, rechtlichen, künstlerischen und kulturellen Bedeutung ist das Siegel also ein wahrer und ganz eigener archivistischer Schatz, den es mit größter Sorge zu hüten gilt: Es muß daher unter guten Umweltbedingungen untergebracht und mit geeigneten Mitteln bewahrt werden, um den Schäden, die auftreten können, zuvorzukommen und sie gleich zu beheben. Das geschieht im Vatikanischen Archiv durch Fachleute, denen ich viel Erfolg in ihrer Arbeit wünsche. 3. Eine weitere lobenswerte Initiative des Archivs ist die Reproduktion der Siegel in Kunststoff, eine wirksame und oft die einzige Möglichkeit, den Nachfahren den kostbaren siegelkundlichen Bestand zu erhalten und den Gelehrten Einblick zu ermöglichen, um ihn zu studieren. Wie die Dokumente des Vatikanischen Archivs im allgemeinen, so bezeugen auch die Siegel die Universalität der Kirche und zugleich die Sorge der Kirche für die Bewahrung und Entwicklung der Kulturen der Völker. 1110 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Davon wird heute viel gesprochen. Die Kirche ist immer für dieses Thema empfänglich gewesen, obwohl nicht alle diese Bemühung verstanden haben. Es sei hier nur an die Haltung Papst Gregors des Großen gegenüber den Bräuchen und der Kultur der britannischen Völker erinnert sowie an die Worte der Kongregation „de Propaganda Fide“ in einer berühmten Anweisung aus dem Jahr 1659: „Wendet keine Gewalt an, macht von keinem Mittel der Überredung Gebrauch, um jene Völker zu veranlassen, ihre Riten, ihre Gewohnheiten und ihre Bräuche zu ändern, es sei denn diese stünden in offenem Gegensatz zur Religion und zu den guten Sitten. Was wäre in der Tat widersinniger, als Frankreich, Spanien, Italien oder irgendein anderes Land Europas nach China zu verpflanzen? Nicht das sollt ihr einführen, sondern den Glauben, der die Riten und die Gewohnheiten irgendeines Volkes, wenn sie nicht böse sind, weder ablehnt noch verletzt, sondern sie vielmehr retten und festigen will . . . Stellt also niemals Vergleiche zwischen den örtlichen und den europäischen Bräuchen an; versucht vielmehr, euch mit all eurem Einsatz diesen örtlichen Bräuchen anzupassen.“ Das sagte die Kongregation ihren Missionaren in China und Indochina (vgl. Collect S.C. de Propaganda Fide, I, Romae 1907, S. 42). Ich wünsche daher, daß diese Ausstellung nicht nur zur besseren Kenntnis des wertvollen, im Vatikanischen Archiv auf bewahrten Siegelbestandes beitragen möge, sondern auch zum Verständnis und zur Wertschätzung des Bemühens der Kirche um Kultur und Wissenschaft. Noch einmal gratuliere ich den Veranstaltern, allen, die an dem Zustandekommen der Ausstellung mitgearbeitet haben, und dem ganzen Archivpersonal und wünsche dieser bedeutenden Ausstellung viel Erfolg. Allen Anwesenden erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Fastenzeit als ,,Zeit des Heils“ Predigt beim Aschermittwochsgottesdienst in der römischen Basilika Santa Sabina am 20. Februar <192> <192> „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider!“ (Joel 2,13). Die Kirche verkündet heute die Worte des Propheten Joel und kündigt damit den Beginn der Fastenzeit an. 1111 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Aufforderung zum Fasten mußte einst mit der Warnung verbunden werden: Zerreißt nicht eure Kleider, sondern eure Herzen! Das war zur Zeit des Joel. Und ähnlich war es zur Zeit Jesu von Nazaret: „Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen . . . Wenn du Almosen gibst, laß es also nicht vor dir herposaunen, wie es die Heuchler tun . . . Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler . . ., die sich an die Straßenecken stellen, damit sie von den Leuten gesehen werden . . . Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler, die sich ein trübseliges Aussehen geben, damit die Leute merken, daß sie fasten . . (vgl. Mt 6,1.2.5.16). Es gab eine Zeit, in der die Kirche bei der Ankündigung der Fastenzeit vor Schaustellung warnen mußte: vor der Heuchelei des Fastens, des Be-tens, des Almosengebens. 2. Heute scheint dies keine Gefahr mehr darzustellen. Die Gefahr besteht anderswo: nämlich darin, daß die Verkündigung der Fastenzeit für viele zu einer „Stimme wird, die in der Wüste ruft“ (vgl. Mk 1,3). Ja. Die Zurschaustellung wird heute abgelehnt; abgelehnt wird, was das Fasten nach außen hin bekundet (oder vortäuscht), aber häufig finden die Menschen in sich gar nicht mehr - oder versuchen es nicht wiederzufinden -, was das Fasten „innerlich“ bedeutet; was die Fastenzeit in ihrem eigentlichen evangelischen Gehalt und Wesen ist. Es ist jene innere „Zelle“ in Verlust geraten, in die man eintreten muß, um mit Gott allein zu bleiben, mit dem Gott, der die Heiligkeit, die Liebe und die Barmherzigkeit ist. Mit Gott, der die alles durchdringende Wirklichkeit ist! „Da geriet Gott in Eifer für sein Land, und er hatte Ebarmen mit seinem Volk“ {Joel 2,18). 3. Die Fastenzeit ist ein Aufruf zu guten Werken: Gebet, Almosen, Fasten, aber noch mehr ein Aufruf zur Entdeckung jener „eifernden Liebe“ Gottes, die mit dem Erbarmen verbunden ist. Die eifernde Liebe Gottes gilt dem Geschöpf, dem Menschen, wegen der Sünde, die Verrat an der Liebe und an dem ist, der liebt. Doch zugleich ist die Liebe wegen der Sünde barmherzig . . . Die Fastenzeit beginnen, den Aufruf des Aschermittwoch annehmen, heißt, in sich die Feinfühligkeit für alles, was Sünde ist, wiederentdecken. 1112 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wiederentdeckung dieser Feinfühligkeit besagt — nach den Worten des Propheten - genau das „Zerreißen der Herzen“. Verneinung der Fastenzeit bedeutet das in sich verschlossene, gesättigte Herz; das unempfindliche, fehlgeleitete Gewissen. 4. Dieses „Zerreißen der Herzen“ - die Feinfühligkeit des Gewissens -muß sich auf das Bekenntnis des David als Vorbild stützen: „Ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen. Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfällt“ (Ps 51,5-6). Die Liebe Gottes ist „eifernd“ wegen der verschleierten Sünde, die nicht beim Namen genannt wird, die sich im Labyrinth der Gänge des Gewissens verbirgt, um nicht mit ihr vor Gott zu treten. Die Liebe Gottes will nur jene Aufrichtigkeit - jene innere Wahrheit des Bekenntnisses Davids -, die „im Menschen (im Sünder) ein reines Herz zu schaffen“ und „ihm einen neuen, beständigen Geist zu geben . . . und ihn mit einem willigen Geist auszurüsten“ vermag (vgl. Ps 51,12.14). 5. Diese Liebe ist stark und allmächtig angesichts der Sünde, weil eben sie, diese Liebe, „den, der keine Sünde kannte (nämlich Christus, den Sohn, eines Wesens mit dem Vater), für uns zur Sünde gemacht hat, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (2 Kor 5,21). Diese Allmacht der Liebe in Gott heißt Erlösung. Am Beginn der Fastenzeit gedenkt die Kirche des ganzen Geheimnisses der Erlösung. Sie bringt die unermeßliche Gnadenfülle zum Ausdruck, die dieses Geheimnis in sich schließt. Sie sorgt sich nur um eine Sache, nur um eine Sache zittert sie wie ein aufmerksamer Verwalter um seine Aufgabe, wie eine liebevolle und besorgte Mutter, „daß wir Gottes Gnade nicht vergebens empfangen“ (2 Kor 6,1). Daß wir sie nicht vergeuden. 6. Daraus entstand das liturgische Zeichen des heutigen Tages - ein Zeichen aus vorschriftlicher, alttestamentarischer Zeit und ein ewiges Zeichen -, „die Asche“, die die Kirche auf das Haupt aller ihrer Söhne und Töcher legt. Dieses Zeichen schließt jene tiefe, eindringliche Aufforderung ein: „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider . . .“, damit in jedem von euch bis ins letzte, bis auf den Grund die Wirklichkeit der Erlösung erwache. Die Wahrheit der eifernden Liebe Gottes, der das Kreuz und den Tod auf sich 1113 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nimmt, um den Tod und die Sünde zu besiegen, um das Leben erblühen zu lassen. Sollte auch das Kreuz Stimme eines bleiben, der in der Wüste ruft? Durch die Aschermittwochsliturgie möchte die Kirche aufs neue das Apostolische Schreiben Reconciliatio et paenitentia, „über Versöhnung und Buße“, vorstellen, das aus den Arbeiten der letzten Bischofssynode hervorgegangen ist. Durch die Aschermittwochsliturgie fleht die Kirche darum, daß „die Wüste“ zu einem fruchtbaren Land werden möge, daß die Söhne und Töchter dieser Erde immer aufs neue die Fastenzeit als „Zeit des Heiles“ entdecken mögen. „Bauen wir gemeinsam die Kirche auf!“ Ansprache bei der Begegnung mit dem römischen Klerus am 21. Februar Ich will eigentlich keine Ansprache halten, weil wir ja seit einiger Zeit unseren Treffen eine andere Form gegeben haben, die mir viel passender erscheint. Anfangs waren es Begegnungen mit den Fastenpredigern, und der Papst richtete an sie eine Ansprache. Nach und nach ... ist man zu einer Begegnung mit dem Klerus übergegangen, bei welcher der Papst sprach und die Priester zuhören mußten. Ich habe aber sehr bald begriffen, daß hier ein Wechsel des Adressaten stattfinden müsse: Man sollte die Priester, die Pfarrer zu Wort kommen lassen, und der Papst sollte zuhören. So wiederholen wir unsere Zusammenkünfte zu Beginn der Fastenzeit nach diesem System, das mir sehr richtig und äußerst fruchtbringend erscheint. In einem Beisammensein wie dem heutigen kann man, wenn man die sprechen läßt, die persönlich in der Pastoralarbeit engagiert sind, die Kirche Roms besser erkennen. Das soll nicht heißen, daß der Papst, der Kardinal und die Bischöfe nicht persönlich engagiert sind; ihr Engagement ist ein anderes; so wie überhaupt die Aufgabe der Bischöfe, so sehr sie pastoral ist, sich von der Aufgabe ihrer Mitarbeiter unterscheidet. Diese leisten die pastorale Arbeit immer in einem bestimmten Teil der Ortskirche. Sie haben direkte Kontakte mit der Gemeinde. Sie leben in 1114 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieser Gemeinde. Natürlich kann man sagen, daß hier die Kirche in einem sehr speziellen Sinn als „Teil“-Kirche präsent ist. Die Kirche kann nicht Universalkirche sein, ohne auch Teilkirche zu sein. Das trifft auch für die Besonderheit der Sendung des Bischofs von Rom zu. Sie verbindet die beiden Dimensionen miteinander: einerseits die Universalkirche, um die er sich, wenn man die Dimensionen der Zeit und der Aktivitäten in Betracht zieht, mehr kümmern muß, und anderseits jene Teilkirche, eben die Kirche von Rom, nach der seine universale Sendung benannt ist. Für mich ist das eine hochinteressante Begegnung gewesen, weil ich so viele Äußerungen, verschiedene, treffende Beobachtungen, Probleme, Zeugnisse und Fragen hören konnte. Und das war gut so, weil es einen unterschiedlich nuancierten und dadurch vollständigeren Gesamteindruck gab. Wir haben miteinander diese Wirklichkeit, die Kirche von Rom betrachtet . . . unter dem Blickwinkel der Pfarrei . . . Jede Teilkirche schöpft ja ihre Eigenart aus den Pfarreien und lebt in allen Pfarreien, aus denen sie sich zusammensetzt. Wie sieht nun die Lage der Kirche in Rom aus? Wir haben in Rom mehr als 300 Pfarreien für über drei Millionen Einwohner. Das heißt, im Durchschnitt würden ca. 10 000 Personen auf eine Pfarrei kommen. Aber dieses Verhältnis trifft natürlich nicht überall zu. Zwischen dem Zentrum und der Peripherie bestehen große Unterschiede. Wenn man die Sache nach den Kriterien der Seelsorgesoziologie beurteilt, ist dieser Durchschnitt nicht gerade günstig. Freilich gibt es in der Welt noch weitaus ungünstigere Zahlen: Bei meinen Begegnungen und Gesprächen mit den Bischöfen anläßlich ihrer Ad-limina-Besuche sehe ich, daß sich Pfarreien in verschiedenen Kontinenten und verschiedenen Ländern in noch ungünstigerer Lage befinden. Aber es ist keine sehr erfreuliche Situation, wenn man den Unterschied zwischen den Pfarreien der Innenstadt, die klein sind und deren Mitgliederzahl unter dem ermittelten Durchschnitt liegt, und jenen großen Pfarreien in den Außenbezirken betrachtet, die weit über dem liegen, was als zulässiger Durchschnitt gelten sollte, jedenfalls nach der praktischen Seelsorgeerfahrung eines älteren Bischofs - wir sind bereits Bischöfe einer gewissen Altersgruppe. Nach dem Gesichtspunkt der Pastoralsoziologie sollte dieser Durchschnitt vielmehr bei drei-, vier- und fünftausend liegen. Das wäre der günstigste Durchschnitt für eine Pfarrei nach des Menschen Maß. Und das ist mein großer Wunsch für die Diözese Rom: alle Pfarreien nach des Menschen Maß. 1115 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieser Wunsch muß natürlich immer mit der Wirklichkeit konfrontiert werden, in der wir leben. Wir wissen, wie diese Wirklichkeit auch in soziologischer Hinsicht in der Großstadtsituation, in der wir leben, aussieht. Aber man darf die Hoffnungen nicht aufgeben. Wir müssen uns noch mehr anstrengen, die römische Pfarrei zu einer Pfarrei nach des Menschen Maß zu machen, wo es möglich ist, die Gemeinde und die Einheit so aufzubauen, daß der Pfarrer mit den Pfarrangehörigen Kontakt, Verbindung haben kann und die Pfarrangehörigen Kontakt mit dem Pfarrer . . . Dann besteht natürlich das Problem des Priestermangels. Auch das ist nach Pfarreien verschieden. Das sehe ich bei meinen Pfarrvisiten. Es gibt volkreiche Pfarreien mit wenigen Priestern und weniger dicht besiedelte Gemeinden mit mehr Priestern, besonders wenn sie von Ordensgemeinschaften geführt werden, die mehr Priester zählen. Das sind die zahlenmäßigen Aspekte. Man muß sich aber auch die qualitativen Aspekte vergegenwärtigen, die sich sozusagen auf die Dichte des christlichen Lebens einer Pfarrei beziehen. Diese Dichte ist nicht so leicht meßbar. Gewöhnlich frage ich die Pfarrer, mit denen ich vorher und während meines Besuches in ihren Gemeinden zusammentreffe, ob sie Hausbesuche bei den Familien machen. Aus ihren Antworten ergibt sich ein Anhaltspunkt, der recht optimistisch erscheint, ich würde sagen, besser als das, was ich von Krakau her kannte. Die Pfarrer werden überall eingelassen; nahezu 100 Prozent der Pfarrangehörigen - so sagen sie mir -nehmen die Priester auf, die sie besuchen und ihre Wohnungen segnen. Natürlich ist auch hier - vielleicht kritisch — zu fragen: Welches sind die Beweggründe dafür? Wer empfängt den Priester? Was kennzeichnet diese Begegnung? Dieses Kriterium darf man nicht vergessen . . . Nehmen wir noch einen anderen Aspekt, z. B. den der Katechese. In Rom läuft die Katechese mit den Kleinen, den Erstkommunionkindern, recht gut. Mit der Firmung ist es vielleicht etwas schwieriger. Doch die in Rom auf dem Gebiet der Katechese unternommenen Anstrengungen sind beachtlich. Ebenso hat sich die aktive, apostolische Präsenz der Laien recht gut entfaltet. Das ist, wie man sagen darf, ein starker Punkt in der Kirche und den Pfarreien Roms. Wie man es fertigbringen kann, mit diesem System das christliche Leben der Jugendlichen und dann der Erwachsenen lebendig zu erhalten, ist natürlich eine andere Frage. Wenn man schließlich den Prozentsatz der Besucher des Sonntagsgottesdienstes betrachtet... so sind die Angaben nicht sehr optimistisch. Doch ist auch hier kritisch zu fragen: Warum ist das so? In Rom gibt es viele 1116 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirchen, nicht nur Pfarrkirchen. Sodann sind viele Bewohner Roms, die aus der Provinz stammen, gewohnt, den Sonntag im Familienkreis zu verbringen. Andere, die in der Stadt wohnen, sind über das Wochenende gern außerhalb der Stadt. Ein Problem nicht nur Roms, sondern auch vieler anderer Städte und Länder der Welt. Wenn man alle diese nicht nur quantitativen, sondern auch qualitativen Aspekte in Betracht zieht, muß man feststellen, daß die Pfarrei stets der Rahmen, die Gemeinschaft bleibt, in der das christliche Leben jedes einzelnen sich entscheidend bildet und entfaltet. In der Pfarrei wird jeder Christ getauft, hier empfängt er die Erstkommunion, manche werden auch in der Pfarrei gefirmt, und die Ehevorbereitung findet gewöhnlich dort statt. Dann, so meine ich, kehrt man am Lebensabend in die Pfarrei zurück. Auch im Augenblick des Hinübergangs aus diesem Leben in das Haus des Vaters ist die Pfarrei zur Stelle. So ist die Pfarrei zugegen in der Identität des christlichen Lebens im Leben all jener, auch in Rom, die, wenn auch in unterschiedlichem Grad, Christen sind. Das christliche Leben verläuft also über die Pfarrei und ist, trotz all seiner Schwachheiten und Grenzen, die Kraft der Pfarrei . . . Sodann gibt es gleichsam Ergänzungen zum Leben der Pfarrei, z. B. die katholischen Schulen, das Apostolat der Ordensfamilien, die Bewegungen und Organisationen. Nicht immer sind sie voll und entsprechend in die Pfarrei eingegliedert, aber mit Sicherheit geben sie den Katholiken Roms insgesamt wie auch denen der anderen Kirchen christliche Vitalität. Ich glaube, unsere Analyse hat, ohne die Thematik zu erschöpfen, ein Bild . . . der römischen Pfarrei vermittelt. Sie hat uns zumindest die Möglichkeit gegeben, gemeinsam nachzudenken, unter uns, die wir für die Seelsorge in Rom verantwortlich sind . . . Wir müssen diese Erörterungen fortsetzen; besonders die der Fragen bezüglich der letzten vier wesentlichen Probleme und Vorschläge, wie z. B. den Vorschlag zum besseren Gebrauch der Medien: in der Pastoral in Rom und besonders im Kontakt zwischen dem Bischof, dem Bischofskollegium Roms und den Priestern - vielleicht nicht nur den Priestern, aber vor allem den Priestern. Ich kann nur staunen, wenn ich von Bischöfen aus dem Urwaldgebiet des Amazonas, wo es technisch nahezu unmöglich erscheint, so etwas wie Seelsorge zu verwirklichen, höre, wie sie es fertigbringen, die Schwierigkeiten der klimatischen und geographischen Situation mit Hilfe der sozialen Kommunikationsmittel, besonders des Radios, zu überwinden. Großartig für einen Bischof - für den Bischof von Rom aber nicht zu verwirklichen - ist es z. B. zu wissen, daß alle seine Diözesanen, natürlich nicht drei 1117 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Millionen, sondern vielleicht 30 000, die über das Gebiet zerstreut leben, per Radio an der Messe teilnehmen, die er jeden Sonntag an seinem Wohnsitz zelebriert . . . Vielleicht bedürfte es größerer Kreativität in unserer Art, die Kirche zu gestalten. Ich möchte mit einigen Worten schließen, die ich für sehr wichtig halte. Es gibt viele — und ich glaube, daß sie in Rom nicht fehlen und vielleicht sogar zahlreich sind —, die sich außerhalb der Kirche stellen, obwohl sie getauft sind, obwohl sie zur Kirche gehören. Sie sagen, „die Kirche macht“, „die Kirche sagt“, so als gehörten sie nicht zur Kirche . . . Andere hingegen sagen „wir sind die Kirche“. Dieses Bewußtsein, Kirche zu sein, ist, gottlob, dank dem Zweiten Vatikanischen Konzil stark gewachsen. Aber ich höre bei meinen Pastoralbesuchen noch, ein anderes Wort, besonders von Jugendlichen, die in apostolischen Bewegungen engagiert sind. Sie sagen: „Bauen wir die Kirche auf!“ Diese Worte drücken tatsächlich aus, was das Zweite Vatikanum lehrt. Die Kirche muß aufgebaut werden. Selbstverständlich ist es Jesus Christus, der die Kirche aufbaut. Er baut sie immer und überall auf, auch dort, wo wir nicht einmal etwas davon wissen. Er baut sie auf durch seine Erlösung, durch seine Gnade, im Heiligen: Geist, aber auch wir müssen zusammen mit ihm im Heiligen Geist die Kirche aufbauen. Dieses Bewußtsein und dieser Wille, die Kirche aufzubauen, findet immer weitere Verbreitung. Wir müssen die Kirche aufbauen, und doch nicht ausschließlich wir ... In jeder Pfarrei und der ganzen Kirche Roms muß Eingang finden, was die Worte „bauen wir die Kirche auf“ eigentlich bedeuten sollen: bauen wir sie gemeinsam auf: der Papst, der Bischof von Rom, das Bischofskollegium, die Priester, die Laien — wir alle bauen gemeinsam die Kirche von Rom auf. Diese Kirche besteht zwar bereits seit 2000 Jahren, sie hat ihre Geschichte, ihre großen Traditionen, ihre Heiligen, viele Heilige, aber sie ist doch immer weiter aufzubauen. Bauen wir also diese Kirche von Rom auf! 1118 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Einheit in der Verschiedenheit“ Ansprache an die Teilnehmer des Symposions der Päpstlichen Universität Urbaniana am 22. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Freude der heutigen Begegnung wird getrübt durch das schmerzliche Ereignis des plötzlichen Hinscheidens des Pro-Präfekten der Kongregation für die Glaubensverbreitung, unseres lieben Bruders im Bischofsamt, Msgr. Dermot Ryan, der gestern unerwartet unser aller Liebe und Wertschätzung entrissen worden ist. Der Tod ereilte ihn inmitten der Durchführung seiner nicht leichten Aufgaben als Verantwortlicher eines wichtigen Dikasteriums der Römischen Kurie. Unsere Gedanken gelten in dieser Stunde dem hochherzigen Dienst, den er für die Kirche geleistet hat. Während ich meiner ergriffenen Hochachtung und meinem Dank gegenüber Msgr. Ryan für die Bereitschaft und Hingabe Ausdruck gebe, mit denen er sich an die neue kirchliche Aufgabe machte, zu der ich ihn berufen hatte, bitte ich Gott im Gebet, er möge diesen seinen hochherzigen und treuen Diener in den Frieden der ewigen Belohnung aufnehmen. Ich füge noch eine besondere Fürbitte für das Seelenheil der Mutter von Msgr. Simon Lourdusamy an, die heute früh im Frieden des Herrn entschlafen ist. Eine der letzten Initiativen von Msgr. Dermot Ryan war die Vorbereitung dieses internationalen Kongresses, der eine günstige Gelegenheit darstellen sollte, um zwanzig Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil über zwei seiner wichtigen Dokumente - das Dekret Ad gentes und die Erklärung Nostra aetate—eine weitere vertiefte Reflexion in Gang zu bringen. Während ich die hier Anwesenden herzlich begrüße, möchte ich allen, die an der Verwirklichung der Initiative mitgearbeitet haben, meine lebhafte Genugtuung zum Ausdruck bringen; der Kongregation für die Glaubensverbreitung, die mit Hilfe der Päpstlichen Universität Urbaniana für die Durchführung des Kongresses gesorgt hat; den Mitgliedern der drei Sekretariate - für die Einheit der Christen, für die Nichtchristen und für die Nichtglaubenden —, die ihre volle und großzügige Mitarbeit angeboten haben; den zahlreichen Päpstlichen Kommissionen und dem Päpstlichen Institut für Islamistik für ihre geschätzten Beiträge; den zahlreichen Dozenten, die sich in Vertretung der Römischen Päpstlichen Universitäten und Fakultäten im Geist tiefer Verbundenheit mit Sonderbeiträgen beteiligt haben; den Teilnehmern, die von außerhalb Roms kamen, und 1119 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganz besonders den Vertretern der Institute, die der Päpstlichen Universität Urbaniana angeschlossen sind und die mit ihren Beiträgen für eine Bereicherung der Thematik des Symposions gesorgt haben. Ich möchte in dieser eurer Versammlung, die wahrhaftig die Merkmale der Katholizität besitzt, gern ein Zeugnis jener Einheit in der Verschiedenheit sehen, deren Audruck der hl. Augustinus bei der Erläuterung des 44. (45.) Psalms in dem kostbaren Gewand der Königin Kirche sah, die dem König Christus vorgestellt wird. Und auch das Anliegen, das euch zusammengeführt hat, ist katholisch: Überlegungen anstellen über die Dokumente eines ökumenischen Konzils, auf das die in der Welt zerstreute Kirche als einen leuchtenden Bezugspunkt blickt, an dem sie sich für ihren Weg in der Geschichte orientieren kann. In Erwartung der kommenden außerordentlichen Bischofssynode, die zwanzig Jahre nach jenem historischen Ereignis seinen Geist wiederbeleben will, indem sie die neuen Probleme im Licht der in ihm gereiften Lehren klärt, ist es richtig und angebracht, daß man auf verschiedenen Ebenen und in verschiedener Weise für eine angemessene Vorbereitung sorgt. In dieser Richtung ist euer Symposion zu verstehen. 2. Das übergeordnete Thema, mit dem man sich dabei auseinandersetzte, war angeregt und motiviert von den Worten, mit denen ich meine Enzyklika Redemptor hominis begann: „Der Erlöser des Menschen, Jesus Christus, ist die Mitte des Kosmos und der Geschichte.“ Diese transzendente und zugleich fleischgewordene Wirklichkeit drängt sich in der Tat der Kirche und allen Christen auf, sie ist eine Anfrage an jeden ehrlichen Gläubigen, sie ist der Maßstab der Beurteilung in bezug auf die Geschichte der ganzen Menschheit, sie ist der Anfang der Schöpfung und der Zusammenfassung aller Dinge in Gott. Aufgabe der Kirche heute ist es, die frohe Kunde dieses Geheimnisses dem modernen Menschen zugänglich zu machen. Der heutige Mensch wird von einer existentiellen Rastlosigkeit heimgesucht, die in verschiedenen Formen und Tonarten sein Bedürfnis nach Rettung, nach Befreiung, nach Frieden erkennen läßt. Durch die bedeutenden Begegnungen seines Lebens lernt er den Wert der grundlegenden Dimensionen seines Daseins kennen, allen voran jene der Religion, der Familie und des Volkes, dem er angehört. Früher oder später wird er sich jedoch auf dramatische Weise bewußt, daß ihnen noch nicht der letzte und eigentliche Sinn innewohnt, der sie endgültig gut, wahr und schön machen könnte. Und dann erfährt er die naturgegebene Unfähigkeit, sein Bedürfnis nach dem Unendlichen zu stillen. 1120 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Er steht so vor einem furchtbaren Entweder-Oder: einen anderen zu bitten, daß er am Horizont seines Daseins erscheine und dessen volle Erfüllung aufzeige und ermögliche, oder aber sich in sich selbst, in eine existentielle Einsamkeit zurückzuziehen, in der der positive Charakter des Seins geleugnet wird. Der Bittschrei oder der Fluch: Das ist alles, was ihm bleibt. Und das ist der Grund, warum ich schon zu Beginn meines Pontifikats den Aufruf ergehen ließ: „Öffnet die Tore für Christus!“ Das Wort des Vaters hat sich auf eine bestimmte Art mit jedem Menschen verbunden, indem es in einzigartiger Weise in das Geheimnis seines Herzens eindrang. So ist Christus für jeden Menschen zum Weg geworden. Auf diesem Weg, der von Christus zum Menschen führt, kann die Kirche von niemandem angehalten werden. Und in der Tat ist sich die Kirche niemals so wie in der nachkonziliaren Zeit ihrer eigenen Sendung im Dienste der Evangelisierung klarer bewußt geworden: sie ist ihrem Wesen nach als „missionarisch“ entdeckt worden. 3. Die Päpstliche Universität Urbaniana ist für diese Sendung errichtet worden, sie hat im Dienste dieser Sendung gearbeitet und arbeitet weiter. Bei dem Besuch, den ich der Universität am 19. Oktober 1980 abstattete, sagte ich unter anderem, daß der missionarische Charakter zusammen mit der Kirchlichkeit und der Romverbundenheit ein charakteristisches Merkmal dieser Universität darstelle, und ich erinnere mich, damals die Weisung hinterlassen zu haben, „in einer ständigen missionarischen Spannung zu leben“. Nun, der soeben abgehaltene Kongreß stellt sich als eine getreue Antwort auf diesen Auftrag dar. Die Universität hat wiederum dem flehentlichen Ruf Gehör geschenkt, der von der Existenzangst des Menschen zu dem Einen emporsteigt, der uns endgültig Antwort geben kann, und hat diese internationale Begegnung dazu anberaumt, die besten Wege zu erforschen, um „Christus dem Menschen nahezubringen“. Unter den möglichen Wegen schienen den Ansprüchen des modernen Menschen am meisten angepaßt zu sein der Weg des Dialogs, der Weg des Zeugnisses und schließlich der Weg der Solidarität. Die konkrete Situation, in welcher der moderne Mensche lebt, eingetaucht in eine Welt, die einerseits vom ideologischen Pluralismus und andererseits von der Erscheinung des Atheismus der Masse gekennzeichnet ist, erfordert vor allem die mutige und faire Annahme der Methode des Dialogs. Alle, die den Namen Christi tragen, müssen es heute spüren, 1121 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß sie in einem Heilsdialog mit all jenen stehen sollen, die in der einen oder anderen Weise für einen Aufruf an das religiöse Bewußtsein empfänglich sind, darunter vor allem - wie bereits das Konzil empfohlen hat -mit den Anhängern der jüdischen Religion und jenen des Islam, die an einen einzigen Gott glauben. Ein solcher Einsatz muß die Christen dazu bringen, daß sie sich ihre eigene Identität bewußt machen, hochherzig der Einheit zustreben und sich im Herzen und in den Strukturen erneuern, damit das von ihnen geforderte Zeugnis jeden Tag glaubwürdiger wird. Aus dieser Aufgabe, Zeugnis zu geben, können sich die Christen insgesamt und die Kirche nicht zurückziehen, so vielfältige und schmerzliche Formen der Gleichgültigkeit und selbst der Gewalt ihnen auch entgegentreten mögen; denn eine unaufhebbare Solidarität bindet sie ja an jeden Menschen als Geschöpf Gottes. Hat nicht das Konzil gesagt, daß es „nichts wahrhaft Menschliches gibt, das nicht in den Herzen der Jünger Christi Widerhall fände“, da sich die Kirche „mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden fühlt?“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 1). 4. Von diesem Kongreß sind zahlreiche Anstöße ausgegangen, die gewiß fruchtbare Überlegungen unter den Gelehrten und nützliche Anwendungen im praktischen Seelsorgebereich anregen. Ich denke z. B. an das Thema über die Beziehung zwischen dem spezifisch Christlichen und der allgemeinen Erleuchtung durch das Wort oder zwischen der dringenden Verpflichtung der Kirche zur Mission und der Annahme der positiven Werte der verschiedenen Kulturen. Ich denke insbesondere an das fundamentale Thema der Weitergabe der Botschaft in den Ausdrucksformen der Kultur mit den damit verbundenen Aspekten nicht nur praktischer, sondern theologischer und philosophischer Art. Ich fordere jeden einzelnen auf, gemäß seiner besonderen Zuständigkeit fortzufahren in der Prüfung der noch ungelösten Knoten bei diesen und ähnlichen Problemen. Zugleich drängt es mich, daran zu erinnern, daß man sich mit diesem weiten Themenbereich nicht angemessen auseinandersetzen kann, ohne im Licht der dauernden Anweisungen des Lehramtes die in der Heiligen Schrift und in der Überlieferung enthaltene Offenbarung zu berücksichtigen. Denn die Offenbarung ist das bleibende und glaubwürdige Dokument der „Übersetzung“ des göttlichen Wortes in Begriffe der menschlichen Sprache; und die gesamte Überlieferung der Kirche ist ein Zeugnis und ein Leitfaden, der aufzeigt, wie die Heilsbotschaft nach und nach in die verschiedenen Kulturen inkarniert wurde. 1122 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Euer Kongreß, meine Lieben, schließt also damit, daß er jedem die Aufgabe hinterläßt, auf dem Weg ein Stück weiterzugehen. Ich möchte gern ein Wort der Anerkennung an euch richten für die Arbeit, die ihr geleistet habt, und für die Art und Weise, wie ihr sie geleistet habt. Mit Freude hebe ich die vorbildliche Dialogbereitschaft hervor, mit der jeder seine Gedanken und Erfahrungen vorgetragen hat; das hochherzige Zeugnis der Brüderlichkeit in der Zusammenarbeit von Vertretern der verschiedensten Kulturen, die zukunftsträchtige Solidarität, die Meister und Jünger, Lehrer und Schüler angespornt hat, zu hören und sich für die Evangelisierung der Welt zu engagieren. Die Spontaneität, mit der das alles dieser Tage auf dem Gianicolo vor sich ging, ist gleichsam eine Antwort auf die „Zeichen der Zeit“, die die Kirche in dieser Stunde ihrer Geschichte untersucht. Ich verabschiede mich von euch und möchte eure Arbeit der seligsten Jungfrau Maria, der ersten Missionarin, anvertrauen, die auf vorbildliche und wirksame Weise „Christus dem Menschen gebracht hat“ in der Fülle der Zeit. Sie möge euch stets nahe sein und euch mit ihrem mütterlichen Schutz leiten. In ihrem Namen segne ich euch alle von Herzen. „Mitternacht“ ist immer nahe Predigt bei der Totenmesse für den Pro-Präfekten der Kongregation für die Glaubensverbreitung, Erzbischof Dermot J. Ryan, in St. Peter am 23. Februar Liebe Brüder! „Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet“ {Mt 24,44). <193> <193> Wie viele Male haben wir diese Worte des göttlichen Meisters betrachtet und auch die anderen, die eben ernst und beeindruckend sind: „Seid also wachsam! Denn ihr wißt weder den Tag noch die Stunde“ (Mr25,13). Aber sie haben vielleicht noch nie so wahr und mahnend geklungen wie bei diesem schmerzvollen Anlaß. Unser lieber Bruder Erzbischof Dermot Ryan hat uns plötzlich verlassen! Er stand auf der Höhe seiner Schaffenskraft; vor weniger mehr als einem 1123 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jahr hatte er mit Schwung und Hingabe seine Tätigkeit als Pro-Präfekt der Kongregation für die Glaubensverbreitung aufgenommen, die viele Anforderungen an ihn stellte. Er brachte einen reichen, anerkannten Schatz an Wissen und seelsorglicher Tüchtigkeit und eine lange Erfahrung als Priester, Bischof, Dozent und Organisator mit in sein neues Amt. Heimgekehrt von seiner Reise in die Vereinigten Staaten, deren Anlaß das zehnte Jahr seit dem Erscheinen des Apostolischen Schreibens Evan-gelii nuntiandi war, hatte er in diesen letzten Tagen beim Internationalen Missionskongreß an der Päpstlichen Universität Urbaniana den Vorsitz geführt, und sehr befriedigt erwarteten wir ihn zusammen mit den Teilnehmern zur abschließenden Audienz . . . Aber statt dessen hat der Herr ihn heimgeholt. Überraschend hat am Donnerstagnachmittag ein Kreislaufkollaps seinem arbeitsamen Leben ein Ende gesetzt. Groß ist unsere Betrübnis über den Verlust von Msgr. Ryan! Am 5. April vorigen Jahres war er im Zusammenhang mit verschiedenen Ämterwechseln in den römischen Dikasterien zum Pro-Präfekten der Kongregation für die Glaubensverbreitung ernannt worden. Sein Tod versetzt die Römische Kurie in schmerzliche Trauer und ebenso die Kirche Irlands, die er so sehr liebte. Sie hat ihn als Studenten gesehen, wie er sich mit Liebe und Begeisterung dem Studium der Theologie, der Heiligen Schrift und der orientalischen Sprachen widmete, dann als eifrigen, dynamischen Priester und schließlich zwölf Jahre lang als Erzbischof von Dublin, der fest und mutig in der Wirklichkeit stand und im pastoralen Dienst um alle besorgt war in der Überzeugung, daß, wie er sagte, „die Kirche alles tun muß, was sie kann, um ihren Gliedern zu dienen, wo immer sie anzutreffen sind“. Aber auch für die Universalkirche ist der Tod von Msgr. Ryan ein schwerer Verlust. Er besaß ja die Erfahrung und die Gaben, die ihn gerade für seine neue Aufgabe besonders geeignet machten: die Kenntnis vieler Ortskirchen aufgrund seiner Studien und der Reisen, die er in seinem Dienstamt unternehmen mußte; den Geist des Seelsorgers, in enger Einheit mit dem des Missionars verbunden in dem Bewußtsein, daß der Auftrag, den Jesus den Aposteln erteilt hatte, von diesen an ihre Nachfolger für alle Zeiten und alle Orte weitergegeben wurde; und schließlich auch den richtig verstandenen „römischen Geist“, nämlich die Verbundenheit mit Petrus in der Wahrheit und in der Liebe. Wieviel Gutes hätte er noch für die Ausbreitung des Evangeliums und für die Heranbildung der Missionare tun können! In diesem Zusammenhang möchte ich gern, ihm zu Ehren und uns zur Ermutigung, wiedergeben, was er vor einigen Tagen bei dem eben erwähnten Kongreß sagte, dessen Arbeiten er offiziell eröffnet hatte. 1124 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Am Ende der ersten Sitzung verweilte er noch einen Augenblick bei dem komplexen und schwierigen Problem der Inkulturation und erinnerte daran, daß sich auch in der Vergangenheit die Begegnung des Evangeliums mit anderen Kulturen vollzogen habe, ohne daß dies zu Umwälzungen und Infiltrationen geführt habe. Das Problem - so sagte Msgr. Ryan — liege also nicht so sehr im Studium der besonderen Werte der anderen Kulturen als in der Kenntnis des Evangeliums und der Fähigkeit, die Werte des Evangeliums weiterzugeben (vgl. O.R. vom 20. 2. 85). Feststellungen, die aufhellend und klärend wirken und die für die Arbeit derer, die sich um die Verkündigung des Evangeliums in der Welt mühen, richtungweisend sein sollten. Aber trotz dieser Gaben, die Msgr. Ryan besaß, und der Aussicht, daß er damit viel Gutes hätte wirken können, hat ihn der Herr zu sich genommen: Nach dem Plan des Herrn hatte er jetzt seinen Lauf vollendet, hatte seinen Auftrag erfüllt, und wir können nur in Ergebung, aber auch mit äußerstem Vertrauen sagen: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden!“ {Dante, Par. III, 25). Dieser unser geliebter Bruder hat den Lohn erhalten, er hat die „Krone der Gerechtigkeit“ verdient, die der Herr all denen, die sein Erscheinen mit Liebe erwarten, für den entscheidenden Tag bereithält (vgl. 2 Tim 4,8). Wir sehen ihn nicht mehr unter uns; aber sein Andenken bleibt immer lebendig, sein Beispiel wirksam. 2. Der Tod, der Erzbischof Ryan ereilt hat, während er voll Eifer seine vielfältige apostolische Arbeit plante und koordinierte, ist für uns alle eine ernste Mahnung, wenn er auch im Licht des Wortes und der Liebe Christi nicht eines beglückenden Aspektes entbehrt. Er lehrt uns, wachsam und stets bereit zu sein für die Begegnung mit dem Herrn, und erinnert uns daran: „Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“ {Rom 14,7-8). Bereit sein heißt in der Gnade Gottes leben: Das ist die erste und grundlegende Bedingung für ein echt christliches Leben. „In der Gnade leben“ und „zum Leben in der Gnade führen“, das ist die Sendung und das vorrangige Ideal des Dieners Gottes. Uns wird das Herz schwer, wenn wir an die vielen plötzlichen Todesfälle denken, die sich jeden Tag auf der Erde ereignen. Wie viele von diesen Menschen sind darauf vorbereitet, vor dem Gericht Gottes zu erscheinen? Dieser Gedanke verpflichtet uns, unseren apostolischen Eifer für die Seelen zu verstärken. Bereit sein heißt immer an unserem Platz sein. Und unser Platz ist der des 1125 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Willens Gottes, der täglichen Pflicht, der Nachfolge Christi, den wir kennen, den wir lieben und den wir nachahmen. Manchmal kann der uns anvertraute Auftrag Leiden mit sich bringen, manchmal ist unsere Arbeit bescheiden und verborgen, ohne menschlichen Trost. Und doch, dieses „Auf-seinem-Platz-Sein“ so wie Msgr. Ryan an jenem letzten und entscheidenden Abend gibt uns moralische Kraft und Klarheit. Erinnern wir uns an die schönen Worte, die der hl. Ignatius von Antiochien an den heiligen Bischof Polycarp schrieb, dessen Gedächtnis wir heute feiern: „Sei besorgt um die Einheit der Kirche, es gibt nichts Besseres . . . erweise allen Geduld und Liebe . . . ermüde nicht im Gebet. . . bleibe wach im Geist ... Wo die Mühen größer sind, da wird auch der Gewinn größer sein . . . Stehe fest und stark wie ein Amboß, auf den man schlägt. Es gehört sehr wohl zum tapferen Wettkämpfer, Schläge zu empfangen, aber zu siegen . . . Prüfe die Zeit; erwarte den, der unsichtbar jenseits der Zeit lebt, der sich aber für uns sichtbar gemacht hat. . .“ (I-III). Bereit sein heißt schließlich in Erwartung der ewigen Seligkeit leben, die Bedrängnisse des Lebens und des Dienstes annehmen in dem Wissen, daß „die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll“ (Röm 8,18). Das Nichtwissen der Stunde unserer endgültigen Begegnung mit Gott ist ein Antrieb, unsere Liebe zu vertiefen, unsere Talente voll einzusetzen, keine Zeit zu verlieren, mit größerer Inständigkeit zu bitten und mit größerer, glühenderer Sehnsucht die „selige Hoffnung“ zu nähren. Ja, „die Gestalt dieser Welt vergeht!“ (1 Kor 7,31), und weil die „Mitternacht“ der Parabel des Evangeliums immer nahe ist, halten wir die Lampe des Glaubens und des Vertrauens entzündet! Es soll für uns keinen anderen Ruhm geben als den im Kreuz Christi (vgl. Gal 6,14), durch das wir mitten in den täglichen Schwierigkeiten in Gelassenheit und Geduld leben. Bei der Feier des eucharistischen Opfers für den lieben Erzbischof Ryan vertrauen wir auf seine Fürsprache im Himmel für uns alle, für die römische Kongregation, die er verlassen hat, für die Kirche seiner geliebten Heimat Irland, für die ganze Gemeinschaft der Christen, damit die Liebe Christi in unseren Herzen glühe, während wir, dem Vaterhaus entgegeneilend, noch auf dem Weg sind. Amen. 1126 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Nicht gegen, nur für die Wahrheit“ Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für die sozialen Kommunikationsmittel am 7. März Liebe Brüder im Bischofsamt! Meine Brüder und Schwestern in Christus! Es ist mir eine große Freude, unter euch zu sein anläßlich dieser Tagung, zu der ihr euch erstmals mit eurem neuen Präsidenten, Erzbischof John Foley, eingefunden habt. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Gal 1,3). Vor zwanzig Jahren erklärte das Zweite Vatikanische Konzil, daß unter den erstaunlichen Wundern der Technik, die die menschliche Geisteskraft nach Gottes Bestimmung in seiner Schöpfung errungen hat, sich die besondere Aufmerksamkeit der Kirche auf jene richtet, die eine mächtige Wirkung auf Verstand und Sinne des Menschen haben (vgl. Inter mirifica, Nr. 1). Ihr seid diese Woche nach Rom gekommen, um über das starke Interesse der Kirche an den sozialen Kommunikationsmitteln nachzudenken, die einen solch tiefgreifenden Einfluß auf Sinne und Verstand des Menschen, auf sein Streben und Verhalten haben. Zuerst können die Menschen, wenn die sozialen Kommunikationsmittel richtig gebraucht werden, die Wahrheit kennenlernen und von Unwissenheit, Vorurteil, Isolierung und jener Verletzung der Menschenwürde befreit werden, die in der Manipulation der Massenmedien zum Zweck der Kontrolle und Beschränkung menschlichen Denkens liegt. An dieser Stelle ist man sich in höchstem Maße der Worte Jesu bewußt: „Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,32). Ontologische Wahrheit besteht in der Übereinstimmung jedes Seienden mit der ursprünglichen Idee im Denken des Schöpfers; in diesem Sinne ist jedes Sein wahr und jedes Vernunftwesen frei. Logische Wahrheit besteht in der Übereinstimmung von Denkbegriffen und tatsächliher Wirklichkeit; und genau hier hat man Skrupel- und gewissenlos versucht, durch die Kommunikationsmittel eine falsche Wirklichkeit darzustellen, so daß Sinne und Verstand der Menschen getäuscht und folglich kontrolliert werden könnten in der Weise, daß das Denken des Menschen nicht die Welt, wie sie ist, widerspiegelt, sondern ein Wunschbild der Welt, das eine Minderheit den Menschen aufzudrängen wünscht. 1127 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche muß daher fortfahren, das Recht der Menschenfamilie auf die Wahrheit zu verkündigen, eine Wahrheit, die nicht auf die materielle Wirklichkeit beschränkt ist, sondern auch die göttliche Transzendenz anerkennt. Glaube ist die Anerkennung einer mitgeteilten, aber nicht unmittelbar erfahrenen Wahrheit, einer Wahrheit, die von Gott geoffen-bart wurde in der Welt, die er geschaffen, und in dem Wort, das er gesandt hat. Täuschung raubt dem Menschen seine Würde und lenkt ihn von seiner Bestimmung ab. Täuschung hat ihren Ursprung im Vater der Lüge. Gott anderseits ist der Urheber der Wahrheit - und es ist das Recht und die Pflicht der Kirche, die Wahrheit nicht nur zu vermitteln, sondern auch zu verteidigen. Die Kirche muß ein Vorbild der Wahrheit sein, wenn sie ihrer Berufung treu sein soll, und sie muß eine Verkünderin der Wahrheit - der Frohen Botschaft von Jesus Christus - sein, wenn sie ihrer Sendung treu sein soll. Der hl. Paulus erinnert uns: „Wir können unsere Kraft nicht gegen die Wahrheit einsetzen, nur für die Wahrheit“ (2 Kor 13,8). Wenn die Wahrheit uns frei macht und wenn die Frohbotschaft von Jesus Christus uns rettet und erhebt, dann können die Kommunikationsmittel wahrhaftig ein Ausdruck menschlichen Strebens und ein Ansporn zu christlicher Hoffnung sein. Die Freiheit, die aus der Wahrheit kommt, vermag der Menschheit eine Vorstellung davon zu geben, was sie sein kann, was sie sein sollte - und sie vermag jedem einzelnen Menschen das Bewußtsein der Bestimmung zu geben, die Gott uns aufgrund der uns übertragenen Würde zugedacht hat. Wo die sozialen Kommunikationsmittel nicht die Wahrheit widerspiegeln, wird die Hoffnung genommen. Und den Menschen widerfahren Unterdrückung, Versklavung und Verzweiflung. Die sozialen Kommunikationsmittel müssen der Menschheitsfamilie Hoffnung bringen - die Hoffnung, ihre Würde als Söhne und Töchter eines liebenden Vaters zu verwirklichen, der sie zu einem Leben in Heiligkeit hier auf Erden berufen und zu einem Leben ewiger Seligkeit im Jenseits bestimmt hat. Die sogenannten Unterhaltungsmedien bieten besondere Gelegenheit, die Hoffnung zu vermitteln durch ermutigende Beiträge, durch anregende Vorbilder und durch die Teilnahme an Erfahrungen, die Trost und Mut zusprechen. Die sozialen Kommunikationsmittel können in der Tat die Niedergeschlagenen trösten und neue Hoffnung wecken. Am leichtesten erkennbar sind aber vielleicht die Wirkungen der sozialen Kommunikation, die im menschlichen Verhalten Ausdruck finden. Wir wissen, daß im Rundfunk übertragene oder in Zeitungen geschriebene 1128 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Worte Ärger erregen können; wir wissen, daß in Film oder Fernsehen gezeigte Bilder Leidenschaften entfesseln können. Das sind sicher Gefahren, die vermieden werden müssen; Versuchungen, denen man widerstehen sollte. Woran man sich freilich oft nicht ohne weiteres erinnert, ist die Tatsache, daß die Kommunikationsmittel - wie ihr Name besagt - Förderer der Einheit und Einladung zur Nächstenliebe sein können. In jüngster Zeit lenkten die Nachrichtenmedien die Aufmerksamkeit der Welt auf die Notlage der vom Hungertod bedrohten Menschen in Afrika -und die überströmende Hilfe derer, die von der Lage ihrer notleidenden Brüder und Schwestern erschüttert waren, war sehr erfreulich. Die Nachrichtenmedien haben diese Rolle, in Notzeiten Sympathiekundgebungen zu wecken, wiederholt gespielt, und sie haben mitgeholfen, durch praktische Nächstenliebe die Menschheitsfamilie enger zu verbinden. Mögen sie das weiterhin überall tun, wo es Not gibt! Durch einfühlsame, dramatische Darbietungen im Film oder auf dem Fernsehschirm kann der einzelne auch seinen Einblick und sein Verständnis für einen ganzen Bereich menschlicher Nöte vertiefen und so veranlaßt werden, voll Liebe und Verständnis auf die mit Sorgen Beladenen, die Einsamen, die Kranken und die Notleidenden einzugehen. Eines der Zeichen der Liebe ist außerdem das Zugegensein. Gott ist zugegen für alle Dinge, die er geschaffen hat. Sonst würden sie nicht weiterbestehen: Er hat uns aus Liebe ins Dasein gerufen, und er erhält uns aus Liebe. Glieder der einen Menschheitsfamilie sein - füreinander da sein - erinnert uns daran, daß wir alle Kinder desselben Vaters sind. Die modernen Kommunikationsmittel machen eine solche Einheit möglich durch das gemeinsame Erlebnis dessen, was berichtet wird, oder durch die gleichzeitige Teilnahme an einem Ereignis durch elektronische Verbindungen, die den Erdball überspannen und sogar bis in den Weltraum reichen. Wir können miteinander erschüttert sein durch das gemeinsame Erlebnis einer Tragödie; wir können miteinander inspiriert werden durch die gemeinsame Erfahrung eines menschlichen Triumphes. Kurz, die modernen Kommunikationsmittel können verbinden — vereint in der Wahrheit einer gemeinsamen Erfahrung, vereint im Ausdruck gemeinsamen Stre-bens, vereint in einer gemeinsamen Antwort auf menschliche Not oder in der gemeinsamen Bewunderung des menschlichen Heroismus. Wir können vielleicht wie nie zuvor eins sein in Glaube, Hoffnung und Liebe. Ja, eure Tätigkeit als Mitglieder der Päpstlichen Kommission für die sozialen Kommunikationsmittel ist äußerst wichtig. Ihr denkt über den 1129 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN großen Wunsch der Kirche nach, die Frohe Botschaft von Jesus Christus durch die Kommunikationsmittel nicht nur mitzuteilen, sondern auch in unserer noch immer geteilten Welt Einheit und Liebe zu fördern. Mit Hilfe der Wunder, die der Mensch in der von Gott geschaffenen Welt entdeckt hat, versucht ihr, das Licht der befreienden Wahrheit Christi und die Wärme seiner rettenden Liebe weiterzugeben. Zum Terroranschlag in Beirut Telegramm vom 8. März Der Heilige Vater hat vom Attentat in Beirut erfahren, das wiederum ein schiitisches Stadtviertel durch viele Todesopfer und Verletzte in Trauer gestürzt hat, und beauftragt Sie, den zivilen Autoritäten und den schwergeprüften Familien seine Anteilnahme zum Ausdruck zu bringen und sie seines Gebetes zu versichern. Er beklagt und verurteilt zutiefst diese erneute terroristische Gewaltanwendung, die Unschuldige trifft, Feindschaften neu entfacht und die Errichtung des so ersehnten wahren Friedens verzöget, der es allen Bürgern und Volksgruppen des Libanon erlaubte, sich gegenseitig zu respektieren und miteinander ungehindert am Wiederaufbau des Landes mitzuwirken. Zum Tod von Tschernenko Telegramm vom 11. März Soeben erfahre ich vom Tod des Präsidenten des Obersten Sowjet, Herrn Konstantin Tschernenko, der die höchsten Ämter in der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken innehatte. Ich bitte Euer Exzellenz und alle Bürger, den Ausdruck meiner Anteilnahme entgegenzunehmen und versichere Sie des besonderen Gedenkens für den hohen Verstorbenen. 1130 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Kraftvoll gegenüber seinen Widersachern“ Brief an den gesamten Klerus der Tschechoslowakei anläßlich der Feierlichkeiten zum 1100. Todestag des hl. Method vom 19. März Geliebte Söhne! 1. Ihr habt euch, liebe Priester und Ordensmänner der Tschechoslowakei, zusammen mit unserem ehrwürdigen Bruder Kardinal Frantisek Tomäsek, dem ehrwürdigen Bruder Bischof Josef Vrana, Apostolischem Administrator von Olmütz, und euren übrigen Bischöfen und Obern in dem berühmten Städtchen Velehrad am Grabe des hl. Method eingefunden, um mit tiefer Frömmigkeit den 1100. Todestag des großen Apostels eurer Völker zu feiern. Denn am 6. April des Jahres 885 erlangte Method nach einem von glühendem Eifer und Kühnheit erfüllten Leben, das er ganz auf die Verkündigung des Evangeliums und die Bekehrung der Seelen verwendet hatte, den himmlischen Lohn, und seine sterblichen Überreste wurden in Velehrad bestattet. Die gleich nach seinem Hinscheiden verfaßte Lebensbeschreibung berichtet: „Seine Schüler aber richteten ihn (für das Begräbnis) her, erwiesen ihm würdige Ehren: Sie feierten einen Gottesdienst in lateinischer, griechischer und slawischer Sprache und bestatteten den Toten in der Kathedrale . . . Die Männer aber, zusammen mit dem in großer Zahl zusammengeströmten Volk, begleiteten ihn mit Kerzen und weinten um den guten Lehrer und Hirten: es waren Männer und Frauen, Geringe und Mächtige, Reiche und Arme, Freie und Sklaven, Witwen und Waisen, Fremde und Ortsansässige, Kranke und Gesunde, alle, denn er ist allen alles geworden, um alle zu retten (vgl. 1 Kor 9,22)“ (Vita Methodii, VIII, 11-13). Dieser zwar nüchterne Bericht konnte fast nicht vollständiger und ergreifender sein. Denn der hl. Method hat sich wirklich sein ganzes Leben lang der Gewinnung der Seelen hingegeben, er ist allen alles geworden; und deshalb zeigte das Volk, in dem sämtliche Klassen und Gruppen der Bürger verschmolzen, durch Gebet und Trauer, daß es in der Tat seinen apostolischen Eifer zutiefst begriffen hatte und ihm freudig gefolgt war. Noch so viele Jahrhunderte nach seinem Wirken und nach seinem Hingang zu Gott ist der hl. Method zusammen mit dem hl. Kyrill, seinem Bruder und auch Philosophen (der in Rom starb und in der Basilika San Clemente bestattet ist) bis heute gegenwärtig: durch sein Vorbild und sei- 1131 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ne Lehre und vor allem durch die Fürbitte für euch: für euch Priester und Ordensleute und sodann für alle Gläubigen in der Tschechoslowakei. Das heilige Gedenken seines Todes durfte und konnte wahrlich nicht schweigend übergangen werden; und während ich mich über diese eure Begegnung, die ihr zur Förderung der Frömmigkeit und der Bildung der Seelen veranstaltet, und über die anderen Initiativen, die ihr unternommen habt, freue, kann auch ich nicht umhin, euch meine aufmunternden und ermutigenden Worte anzuvertrauen, wie schon meine Vorgänger dies getan haben (vgl. Leo XIII., Enzyklika Grande Munus, vom 30. September 1880, um die Verehrung der heiligen Kyrill und Method auf die gesamte Kirche auszuweiten; Benedikt XV., Schreiben Saepe Nobis, vom 30. November 1921, an die Bischöfe in der Tschechoslowakei; Pius XI., Schreiben Quod S. Cyrillum, vom 13. Februar 1927, zum Gedenken an den 1100. Geburtstag des hl. Kyrill; Johannes XXIII., Apostolisches Schreiben Magnifici eventus, vom 11. Mai 1963, zum 1100. Gedenkjahr der Ankunft der heiligen Method und Kyrill in Mähren; Paul VI., Apostolisches Schreiben Antiquae nobilitatis, vom 2. Februar 1969, zum 1100. Todestag des hl. Kyrill; Paul VI., Predigt zum 14. Februar 1969 in Sankt Peter bei einer feierlichen Konzelebration mit Kardinal Beran und den als Pilger nach Rom gekommenen tschechoslowakischen Bischöfen). 2. Über das Leben des hl. Method, bevor er seine Mission in Großmähren antrat, haben wir freilich nur wenige Nachrichten. Mit Sicherheit wissen wir von ihm, daß er im Jahre 812 in Saloniki als Sohn einer tief christlichen Familie geboren wurde, zunächst die politische Laufbahn eingeschlagen und dann das Mönchsleben angenommen hat; aus diesem Grund hatte er sich auf den Olymp in Bithynien zurückgezogen und den Namen Method angenommen. Er, der bescheiden und eher scheu war und sich ganz zum kontemplativen Leben hingezogen fühlte, hätte wohl niemals die willkommene Einsamkeit des Berges verlassen, wenn er nicht erkannt hätte, daß es eben Gottes Wille war, zusammen mit seinem Bruder Kyrill öffentlich das Evangelium zu verkünden. Daher nahm er bereits im Jahr 860 an einem religiös-politischen Auftrag seines Bruders auf die Krim teil; im Jahr 863 aber brach er zusammen mit seinem Bruder Kyrill auf Ersuchen des Fürsten Rastislav nach Mähren auf: Der Fürst hatte Kaiser Michael III. gebeten, zwei Missionare in sein Land zu senden, damit sein Volk in slawischer Sprache das Evangelium und die übrigen Glaubenswahrheiten lehrten. Das Schicksal und die verschiedenen Taten der beiden heiligen Brüder sind ja wohl bekannt; als sie diese Mission antraten, brachten sie sowohl die slawische Übersetzung 1132 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Evangelien als auch die Reliquien des hl. Papstes Clemens zur Verehrung mit, der im zweiten Jahrhundert auf der Krim gestorben war, wohin ihn Kaiser Trajan hatte verbannen lassen. Sie wurden von einer Gruppe junger slawischer Schüler begleitet, die bereits gut in der Heiligen Schrift ausgebildet waren; außerdem ist bekannt, daß sie ein Alphabet (die „glagolitische“ Schrift) erfunden haben, das sich für jene Völker eignet, um die Evangelien und die liturgischen Bücher auf verständliche Weise zu übertragen und ebenso die Gottesdienste in slawischer Sprache zu feiern. In der Folge zogen die Brüder aus politischen Gründen nach Pannonien: von dem slawischen Fürst Kocel gerufen, um auch das dortige Volk zu evangelisieren. Doch Kyrill und Method wurden schon bald der Häresie angeklagt; es wurde ihnen aber zugestanden, sich zu ihrer Rechtfertigung nach Rom zum Papst zu begeben. In Rom aber, wo sie in der Weihnachtsnacht eintrafen und die Reliquien des hl. Papstes Clemens mit sich führten, wurden sie triumphal empfangen. Als Papst Hadrian II. ihre Ausführungen gehört und überdacht hatte, billigte er voll und ganz ihr Vorgehen bezüglich des Gebrauchs der slawischen Sprache. Leider starb in Rom Konstantin, der Philosoph, der bereits krank war, am 14. Februar 869; bevor er aber seine überaus geliebte Kirche verließ, legte er das Mönchsgelübde ab, nahm den Namen Kyrill an und vertraute seine apostolische Sendung seinem Bruder Method an mit den Worten: „Siehe, Bruder, wir haben dasselbe Schicksal geteilt, dasselbe Land gepflügt, und ich falle jetzt nach Beendigung meiner Erdentage in die Erde. Du aber liebst über alles den Berg; dennoch darfst du nicht um des Berges wegen dein Lehramt verlassen. Wo in der Tat könntest du dir mehr Heil verschaffen?“ ( Vita Methodii, VII, 2-3). Und Method gehorchte mit größtem Eifer dem Wunsch und Auftrag des Bruders; er kehrte nach Pannonien zurück, um dort die Kirche, den Wünschen Papst Hadrians entsprechend, einzurichten. Dieser weihte ihn auch zum Bischof und übertrug ihm die Jurisdiktion über sämtliche Gebiete, die er dem Evangelium unterworfen hatte. Aber Method sah sich erneut von zahlreichen Anklagen und Verfolgungen herausgefordert, schließlich wurde ihm von Kaiser Ludwig selber der Prozeß gemacht, und er wurde in die Verbannung geschickt. Aber kurz darauf wurde er auf Anordnung des Papstes befreit und ließ sich in der mährischen Stadt Velehrad nieder. Da man ihn der Häresie anklagte, schien es ihm angeraten zu sein, sich erneut nach Rom zu begeben, aber Papst Johann VIII. erklärte, nachdem er ihn angehört hatte, sein Missionswerk als ganzes für gültig und bestätigte ihn als Bischof von Großmähren. 1133 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Doch trotz der vielen bedrückenden Feindseligkeiten sowohl politischen wie religiösen Ursprungs verlor Method, ein wahrhaft bewundernswürdiger Mann, niemals seinen Mut, ließ nicht nach in seinem Eifer der Glaubensverkündigung und verringerte nicht seinen leidenschaftlichen apostolischen Einsatz, mit dem er für das Wohl der ihm anvertrauten Völker sorgte, wobei er stets auf die göttliche Vorsehung vertraute und überzeugt war, daß in den oft dunklen und bitteren Augenblicken der menschlichen Geschichte das Wort Gottes, in dem Wahrheit und Heil enthalten ist, ewig bleibt. Der älteste Biograph schreibt nach Aufzählung der Richter, Propheten, Apostel und Märtyrer und anderer großer und hervorragender Männer: „Der barmherzige Gott, der will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen (1 Tim 2,4), berief in unserer Zeit, zum Wohl unseres Volkes, um das sich nie jemand gekümmert hatte, unseren Lehrer, den seligen Method, zu diesem guten Werk, Method, dessen sämtliche Tugenden und dessen Ringen wir, ohne zu erröten, jede einzeln mit denen der Gott wohlgefälligen Männer vergleichen“ (Vita Methodii, II, 1). Und er fügt hinzu: „Er bewies Gottesfurcht, die Einhaltung der Gebote, eifriges Beten und Heiligkeit, verbunden mit leiblicher Enthaltsamkeit, eine kraftvolle und sanfte Sprache - kraftvoll gegenüber Widersachern, sanft aber gegen diejenigen, die die Ermahnungen annah-men, Sittenstrenge, Güte, Erbarmen, Liebe, Beständigkeit und Geduld ( Vita Methodii, II, 1—3). Auch Papst Hadrian II. bezeichnete ihn in einem Brief an die Fürsten Rastislav, Sviatopluk und Kocel als „einen Mann von vollkommener Verstandeseinsicht und Rechtsgläubigkeit“ (Vita Methodii, VIII, 11). Nicht nur, daß uns diese gewichtigen und überlegten Aussagen ergreifen, sie halten uns auch dazu an, daß wir über große Vorbilder nachdenken, um daraus das zu gewinnen, was unsere innere Frömmigkeit und den Einsatz unseres Priesteramtes stärkt. Ich möchte bei diesem feierlichen und bedeutsamen Anlaß auch für euch jene Worte wiederholen, die ich einst in Rom gesprochen habe, als ich die Botschaft der beiden Slawenapostel vorstellte: „Ihr Wirkungsbereich beschränkte sich nicht nur auf die Religion, sondern sie lebten ihren Glauben an Gott wirklich konsequent im Alltag des einzelnen, der Familie und der gesamten Gesellschaft, weil jeder Lebensbereich und -schritt seinen Ursprung und sein Ziel in Gott hat. So errichteten sie die Fundamente für eine neue Gesellschaft in Gerechtigkeit und Frieden. Sie scheuten sich nicht, für diese Grundsätze zu kämpfen und zu leiden. In Gott fanden sie das Ziel, die Stütze und die Kraft. Wie viele ungerechte Ankla- 1134 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen, wie viele Demütigungen mußte Method über sich ergehen lassen wegen seiner Treue zur Sendung, die er als den Willen Gottes ansah und als Vermächtnis seines sterbenden Bruders durchführte“ (Predigt beim Gottesdienst im Slowakischen Institut „Kyrill und Method“ in Rom, 8. November 1981; in: Wort und Weisung, 1981, S. 612). 3. Der Biograph berichtet weiter von Method: „Bei allen seinen Reisen war er vielfältigen Gefahren ausgesetzt, die vom Satan kamen; in einsamen Gegenden Räuber, auf dem Meer stürmischer Seegang, auf Flußläufen unvorhergesehene Unfälle“ (Vita Methodii, XIV, 1). Aber bei allen diesen Geschehnissen verzichtete er auf jegliche Aufregung und warf seine Sorge auf Gott“ (vgl. ebd., XV, 1). So „vollendete er durch harte Prüfungen seinen Weg . .., bewahrte den Glauben in Erwartung der Krone der Gerechtigkeit“ (ebd., XVII, 1). Darum war der Todestag für ihn voller Freude, denn nun durfte er die trostreichen Worte des göttlichen Meisters vernehmen: „Sehr gut, du bist ein tüchtiger Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!“ (Mt 25,23). Das Gedenken, das wir begehen, muß für euch, Priester und Ordensleute der Tschechoslowakei und zugleich der Weltkirche, sowohl Anlaß wie Ansporn nicht nur dazu sein, die Würde eures Priestertums unversehrt zu bewahren, sondern auch darauf bedacht zu sein, ein Leben als Diener des Evangeliums zu führen, zu dessen Verkündigung ihr wie der hl. Method berufen worden seid. a) Was das anbelangt, so scheint uns der Apostel Mährens als erstes folgendes zu lehren: Wir müssen mutig für jedes Ereignis der Geschichte bereit sein und dabei immer mit großer Demut die Geheimnisse der göttlichen Vorsehung betrachten: Wir sehen nämlich, daß der hl. Method mehrfach von Begebenheiten heimgesucht und schließlich von Vorfällen niedergedrückt wurde, die er niemals hätte vorhersehen können und die von politischen und sozialen Kräften, menschlichen Leidenschaften und religiöser Feindseligkeit ausgelöst worden waren. Der Gottesmann ertrug in der Tat sehr bittere Leiden, aber er ließ sich nicht in Unruhe versetzen und gab nicht innerer Depression oder ohnmächtiger Bestürzung nach: denn die Menschen sind niemals imstande, den innersten Grund der menschlichen Ereignisse zu begreifen, aus denen sich das Gefüge der Menschheitsgeschichte zusammensetzt. Aber es kommt nicht so sehr darauf an zu verstehen, als zu lieben. Denn erst im Lichte der beseligenden überirdischen Schau werden wir die Harmonie 1135 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zwischen der menschlichen Geschichte und dem einzelnen Menschenleben erkennen. Jetzt aber ist die Zeit der Liebe; die Zeit, um uns unablässig zu fragen: „Was will der allmächtige Gott mit diesem Geschehen von mir?“ Wir müssen selbstverständlich unerschrocken fortfahren, das Evangelium zu verkünden und zu bezeugen, auch wenn unsere heutige geschichtliche Situation das zu einer schwierigen - aber freilich lobenswerten - Angelegenheit macht. Denn nach den Worten des Paulus „führt Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind“ (Röm 8,28). Die Menschen vergehen, die Zeitalter lösen einander ab, doch nichts wird uns von der Liebe Christi und von der Liebe trennen können, mit der wir wegen der Liebe zu Christus die Brüder lieben. Deshalb dürfen wir uns nie den Mut nehmen lassen, da wir überzeugt sind, daß sich in den Wechselfällen der Geschichte die Ratschlüsse der Vorsehung Gottes erfüllen. „Wenn die heutigen Christen das Sonntagsgebet sprechen - schrieb der große Philosoph Jacques Maritain -, hoffen und wünschen sie, daß das Reich Gottes zusammen mit der Auferstehung der Toten außerhalb und jenseits der Geschichte kommen möge. Und sie haben den Wunsch und die Sehnsucht, daß hier, in dieser Welt, d. h. in der Geschichte, ein ewiger Marsch hin zum Reich Gottes stattfindet. Das Reich in seiner Vollendung und Vollkommenheit wird erst am Ende der Zeiten eintreten, aber der Weg, der Gang zum Reich erfolgt in jeder Geschichtsperiode hier, auf Erden, in dieser Welt und Geschichte. Dafür aber, daß dieser Weg zum Reich glücklich vorangeht, müssen die Christen nicht nur beten, sondern auch tatkräftig wirken und sich anstrengen“ (J. Maritain, Pour une Philosophie de Vhistoire, Kap. IV, VT, 9). b) Die zweite Lehre des Method betrifft in besonderer Weise eure Persönlichkeit als Priester und Ordensleute. Denn er war, wie aus seiner Lebensbeschreibung hervorgeht, ein sowohl geistlich wie kulturell hervorragend ausgebildeter Mann, d. h. im Bereich der Theologie, der Bibelkunde und des Rechts; und diese Bildung, zusammen mit seinen Tugenden und seinem liebenswerten Charakter, ermöglichte es ihm, sein Apostolat in diesem Maße auszuüben. Es wird niemals genug für die Ausbildung des Klerus geschehen, besonders in unserer wissenschaftlich so fortgeschrittenen und anspruchsvollen Zeit. Darum richte auch ich voll tiefer Sorge die Bitte des göttlichen Erlösers an den Vater: „Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit“ (Joh 17,17). Es ist ergreifend festzustellen, mit welchem Eifer die heiligen Kyrill und Method ihren Schülern eine gediegene und anständige Erziehung vermittelten (vgl. Vita 1136 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Cyrilli, XV, 1, 18, 19; XVIII, 6; Vita Methodii, V, 13; VI, 14). Ihr unermüdlicher und vorbildlicher Eifer entstand aus der inneren Quelle ihrer Frömmigkeit, aus ihrem außerordentlichen Idealbild der Heiligkeit, in welcher ihrer Überzeugung nach allein das wahre Apostolat bestehen konnte, und aus ihrer Liebe zum Kreuz Christi, die sie schließlich ganz bereit und gefügig machte, wenn es darum ging, eine Arbeitsmethode zu erfinden oder auch zu ändern, und die sie die Widrigkeiten mutig ertragen ließ. Für die heiligen Kyrill und Method herrschten schlimme Zeiten. Allen sind die traurigen und bedenklichen Vorfälle bekannt, die sich zwischen Papst Nikolaus II. und dem Patriarchen Photius zutrugen, und die unerhörten Beschuldigungen der Häresie, die gegen Method vorgebracht wurden. Doch die heiligen Männer setzten, gestützt von der Liebe Christi und auf die Treue zur Kirche, den eingeschlagenen Weg unbeirrt fort, ohne ihrerseits Anklage oder Beschwerden zu erheben. Ihr Beispiel erleuchtet und stärkt uns. Tatsächlich liegt unsere ganze Kraft in der „Berufung“ und in der „Sendung“, denn Gott hat uns erwählt und ausgesandt: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,15-16). Mit dem Blick auf Method möchte ich euch hier auch das sagen, was ich zu Beginn meines Pontifikats zum römischen Klerus gesagt und seither oftmals an den Orten wiederholt habe, wohin ich mich auf meinen Pastoraireisen begab: „Wir müssen aus tiefster Seele unser Priestertum lieben als großes soziales Sakrament. Wir müssen es lieben als innerstes Wesen unseres Lebens und unserer Berufung, als Grundlage unserer christlichen und menschlichen Identität. Keiner von uns darf in sich selber gespalten sein. Das sakramentale, das Amtspriestertum, erfordert einen besonderen Glauben, einen besonderen Einsatz aller Kräfte der Seele und des Leibes; es erfordert ein besonderes Bewußtsein der eigenen Berufung als einer außergewöhnlichen Berufung. Jeder von uns muß Christus auf den Knien danken für das Geschenk dieser Berufung“ (Ansprache an den Klerus der Diözese Rom, 9. November 1978, in: Wort und Weisung, 1978, S. 117-118). c) Der hl. Method betont auch nachdrücklich und lehrt den Sinn für Verantwortung. „Ich werde euch zu Menschenfischern machen“ (Mt 4,19), sagte Jesus zu den Aposteln, womit er die ungeheure und ewige Aufgabe 1137 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der ganzen Kirche und jedes einzelnen Priesters umriß; und Paulus ruft aus: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündige!“ (1 Kor 9,16). „Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? . .. Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus“ (Mt 5,13-15). Diese vom göttlichen Meister gesprochenen Worte müssen wie für den hl. Method so auch für uns und für alle Diener Gottes die einzige Richtlinie des Handelns sein und müssen in jedem von uns das Wissen und die eigene Verantwortung hervorbringen und nähren. Der Priester muß leuchten, damit er durch sein Licht die Gläubigen jeder Stadt, jeder Nation, ja der ganzen Welt erleuchte und allen den Sinn des Lebens vermittle: jenen wahren Sinn, sage ich, aufgrund dessen jeder einzelne seine Entscheidungen trifft im Hinblick auf die Ewigkeit, die bleibt. Dieses Wissen um die Verantwortung verlangt von den Priestern und Ordensmännem selbstverständlich, daß sie die Einheit in Lehre und Disziplin mit der Kirche hochschätzen, die Christus gewollt und gestiftet hat, also mit dem Nachfolger Petri und den mit ihm verbundenen Bischöfen. Wieviel haben Kyrill und Method um die Bewahrung dieser Einheit willen gelitten! Dennoch bewahrten sie dadurch, daß sie dem Bischof von Rom die oberste Jurisdiktionsvollmacht zuerkannten, dem Papst als dem Garanten des Glaubens der Kirche ihre Treue, so daß Papst Johann VIII. an Fürst Sviatopluk von Mähren bezüglich der Rechtgläubigkeit des Method schreiben konnte: „Er aber hat bekannt, daß er die evangelische und apostolische Lehre, wie sie die heilige Römische Kirche lehrt und wie sie von den Vätern überliefert worden ist, halte und verkünde“ (Apostolisches Schreiben Industriae tuae aus dem Jahr 880). Denn er kannte sehr wohl die Worte, die Christus beim Letzten Abendmahl gesprochen hat: „Ich bitte . . . Alle sollen eins sein; wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,20-21). 4. Die Menschen aller Zeiten und aller Orte bedürfen des Lichtes und der Rettung; und zwischen den Mühen des menschlichen Daseins und der Angst vor neuen Ereignissen bemühen sie sich um die Suche nach der Wahrheit. Dieses Gedenken an den Tod des hl. Method, das wir in einem so unheilvollen, wenn auch andererseits wegen der wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften bedeutenden Jahrhundert begehen, sei für euch alle, Priester und Ordensmänner wie Ordensfrauen der ganzen 1138 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tschechoslowakei, ein starker Ansporn, die Heiligkeit zu erlangen, damit ihr den Menschen unserer Zeit beistehen könnt, die seufzend euer liebevolles Wirken für ihr Heil im Namen Christi erbitten, es sehnlichst verlangen und darauf warten. Vom Beispiel des Kyrill und Method berührt, habe ich durch das Apostolische Schreiben Egregiae virtutis (vom 31. Dezember 1980) die beiden Slawenapostel zusammen mit dem hl. Benedikt zu Mitpatronen Europas erklärt. Danach aber wünschte ich aus ganzem Herzen, daß ganz Europa zu der Betrachtung und Erwägung der christlichen Würde des Menschen zurückkehren möge, wie die berühmten Heiligen des ersten Jahrtausends sie gelehrt und eingeführt hatten (vgl. Predigt in St. Paul vor den Mauern, 21. März 1981). Dasselbe sage ich nun euch bei diesem feierlichen Anlaß: Auch eure Nation und Europa und die ganze Welt dürsten nach der Wahrheit und dem Heil und fordern sie von der katholischen Kirche, von den Priestern und Ordensleuten, da ihr euch ja ganz der Sache Christi und der Seelen hingegeben habt. Sie haben dringend gewisse, vor allem himmlische Grundsätze und göttliche Tröstungen nötig: Enttäuschen wir sie nicht! Im übrigen möge die allerseligste Jungfrau, die ihr liebt und mit großer Frömmigkeit verehrt, euch stets erleuchten, inspirieren, beistehen und trösten. „Du aber, heiliges und ehrwürdiges Haupt, blicke von oben mit deinen Fürbitten auf uns, die wir uns nach dir sehnen, befreie deine Jünger von allen Gefahren, verbreite die rechte Lehre, aber verfolge Häresien, damit wir, wenn wir unserer Berufung würdig (vgl. Eph 4,1) hier gelebt haben, zu dir gelangen, deine Herde, an der Rechten Christi, unseres Gottes, und von ihm das ewige Leben empfangen. Denn ihm sei Lobpreis und Ehre in Ewigkeit“ ( Vita Methodii, XVII, 14). Außerdem erteile ich euch allen als Unterpfand meiner Liebe von Herzen den Apostolischen Segen, in den ich alle Gläubigen der Tschechoslowakei einschließen möchte. Aus dem Vatikan, am 19. März 1985, im siebenten Jahr meines Pontifikats IOANNES PAULUS PP. II 1139 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verborgene Heilige aufspüren Ansprache an die Mitglieder des Rates der Weltunion der Katholischen Presse (UCIP) am 21. März Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Gelobt sei Jesus Christus! Es ist mir eine große Freude, den Rat der Weltunion der Katholischen Presse und andere katholische Journalisten mit diesem traditionell christlichen Gruß zu begrüßen, weil dieser Gruß einen wesentlichen Teil Ihrer Berufung ausdrückt. Jesus Christus sei gelobt! Möge alles, was wir tun, was wir sagen und was wir schreiben, zu seinem Lobpreis führen, der uns erlöste und der ganzen Welt die Frohe Botschaft des Heils gebracht hat. Jesus Christus sei gelobt! Möge er besonders auf den Seiten jener Publikationen gelobt werden, die als christlich bekannt sind, weil sie den Glauben an Jesus widerspiegeln, und als katholisch, weil sie die Universalität seiner Liebe und seiner Herrschaft reflektieren. Möge er auch in den Schriften und Artikeln aller katholischen Journalisten gelobt werden - nicht in dem Sinn, daß in jedem Artikel, den sie schreiben, der Name Jesu erwähnt wird, sondern weil die Wahrheit Christi und die Liebe Christi ihre Artikel durchdringt, die sich durch Präzision, Fairneß und jenen Hunger und Durst nach Gerechtigkeit auszeichnen sollen, die jenen eigen sind, die Jesus selbst „selig“ genannt hat. Die katholische Presse leistet bereits sehr viel, um Millionen von Lesern in der ganzen Welt christliche Information, Bildung und Inspiration zu vermitteln, aber wir müssen uns fragen: Wie kann Jesus Christus noch wirkungsvoller gelobt werden? Wird er nicht im Leben seiner Kirche gelobt, die den Armen, den Kranken, den Verfolgten, der Jugend, die nach Führung Ausschau hält, und den alten Menschen, die Trost und Hoffnung suchen, nicht nur das Licht der Wahrheit Christi, sondern auch die Wärme der Liebe Christi bringt? Wird er nicht im Leben seiner Jünger gelobt, die versuchen, in jedem Menschen Jesus, unseren Erlöser und Herrn, zu sehen und ihm zu dienen? So gibt es viele gute Nachrichten zu verkünden: die guten Nachrichten über das, was die Kirche im Namen Jesu tut; die guten Nachrichten über das, was einzelne Christen um der Liebe Jesu willen tun. 1140 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vom hl. Ignatius von Loyola wird berichtet, daß sein Leben durch die Lektüre des Lebens Christi und der Leben der Heiligen verändert wurde. Die frohe Kunde von dem, was die Heiligen in der Kraft Jesu getan hatten, führte ihn dazu, sich zu fragen, warum er nicht dasselbe im Namen Jesu tun könnte - „ad maiorem Dei gloriam“ - zur größeren Ehre Gottes. Menschenleben können durch das geschriebene Wort verwandelt werden; einzelne Menschen können zu Christus oder zu größerer Verbundenheit mit ihm bekehrt werden, wenn sie erfahren, wie er im Leben anderer nachgeahmt wird. Der moderne Journalismus spürt oft die verborgenen Sünder in der Gesellschaft auf, um ihre Verbrechen zu enthüllen und dadurch die Gesellschaft zu heilen. Das kann tatsächlich ein heilsamer Dienst sein. Aber ich möchte ebenso hoffen, daß der heutige katholische Journalismus insbesondere die verborgenen Heiligen auf spüren würde - jene bescheidenen, demütigen Männer und Frauen, die die Jugend unterweisen, die Kranken pflegen, den Bedrückten aufrichten, jene verborgenen Diener Gottes, die das Evangelium wahrhaft leben. Durch ihr Leben loben sie Jesus Christus; ein größeres Wissen um ihr verborgenes, demütiges und heroisches Wirken könnte sehr wohl andere dazu bringen, Jesus Christus zu loben. In einer Welt, die nur zu oft von Konflikten und Haß gespalten und sooft in Sünde und Selbstsucht verstrickt ist, haben Selbstaufopferung und Dienst an den anderen im Namen Jesu wahrlich Informationswert; sie sind Züge der Frohbotschaft Christi, die wir nicht nur zu verkündigen, sondern auch auszuwählen und bekanntzumachen das Privileg haben, damit andere ermutigt, inspiriert und sogar zum Glauben oder zur eifrigen Hingabe bekehrt werden. Das ist ein kleiner Hinweis, wie wir in der Arbeit des katholischen Journalismus Jesus Christus loben können, und wir können Trost in der Tatsache finden, daß die Worte, die wir schreiben, erhalten bleiben: Scripta manent. Wenn Bilder aus dem Blick verschwinden und wenn gesprochene Worte aus dem Gedächtnis verschwinden, kann die Frohe Botschaft, die frohe Nachricht über die Kirche Christi und über die Christen, die wir schriftlich festhalten dürfen, zum Nachdenken, zur Reflexion und zu einem andauernden Lobpreis Jesu Christi, unseres Herrn und Gottes, führen. Gelobt sei Jesus Christus in unseren Worten und in unserem Werk in alle Ewigkeit! 1141 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Seid dialogbereite Menschen“ Ansprache an die Vollversammlung des Sekretariats für die Nichtglaubenden am 22. März Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Freunde! 1. Meine Freude ist groß, euch heute vormittag anläßlich der Vollversammlung des Sekretariats für die Nichtglaubenden zu empfangen, das von meinem Vorgänger Paul VI. vor nunmehr zwanzig Jahren als Frucht und zugleich Forderung des Zweiten Vatikanischen Konzils errichtet wurde. Es ist recht, wenn wir Gott für den Weg danken, der trotz der Schwierigkeiten zurückgelegt wurde, und ihn um Licht und Kraft zur Fortsetzung dieses Weges bitten. Den ersten Wegabschnitt habt ihr unter der klugen und zugleich wagemutigen Leitung des lieben und verehrten Kardinals Franz König zurückgelegt. Jetzt setzt ihr diese Arbeit mit Msgr. Paul Poupard fort. Ich danke ihm sowie allen ständigen Mitarbeitern des Sekretariats. Mit ihnen danke ich allen Mitgliedern und Konsultoren, die von weither gekommen sind, um den Dienst am Heiligen Stuhl und der ganzen Kirche zu erfüllen. Paul VI. sagte: „Es handelt sich um eine umfassende und schwierige, aber zugleich dringend notwendige Arbeit“ (vgl. Ansprache an das Sekretariat für die Nichtglaubenden am 18. März 1971). Eure Mission hat in der Tat eine pastorale Zielsetzung. Ihr gebt euch nicht damit zufrieden, theoretische Studien über den Unglauben durchzuführen -die natürlich auch wichtig sind; ihr kommt mit glaubenden und nichtglau-benden Menschen zusammen. Trotz allem, was sie von uns trennt, wollt ihr zu ihnen nicht nur brüchige Stege, sondern solide Brücken schlagen, um die Zivilisation im Zeichen der Liebe aufzubauen, die die Welt so sehr herbeiwünscht. Uber die politischen Grenzen, die ideologischen Gräben, die kriegerischen Auseinandersetzungen und die kulturellen Unterschiede hinweg ruft ihr sie auf, sich gegenseitig als Brüder zu entdecken, die gemeinsam für die Zukunft des Menschen verantwortlich und für die Gerechtigkeit und Brüderlichkeit, Solidarität und Liebe engagiert sind. 2. Die Antworten auf eure Umfrage bei den Bischofskonferenzen und katholischen Universitäten, den Glaubenden und den Nichtglaubenden, die wir in eurer Zeitschrift Atheismus und Dialog lesen können, geben davon Zeugnis: In zwanzig Jahren hat sich der ideologische Atheismus 1142 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kaum erneuert, ja er ist vielmehr zurückgegangen, der praktische Unglaube jedoch hat sich verbreitet, die religiöse Gleichgültigkeit hat zugenommen, Hand in Hand mit einer gewissen Gleichgültigkeit für die fundamentalen Fragen, was aber nicht eine lebhafte Sensibilität für das Problem des Bösen ausschließt, das in allen seinen Formen als Skandal empfunden wird. Ihr bietet dabei dem Papst, dem Heiligen Stuhl, den Bischofskonferenzen eine Hilfe ersten Ranges an, eine Antwort auf die gewaltigen und umfassenden Probleme, die der Dialog mit den Nichtglaubenden der Kirche stellt, zu geben. Manche sind Gefangene ideologischer Systeme, und der herrschende Atheismus hindert sie, frei ihren Glauben zu bekennen. Für die Kirche geht es darum, unverdrossen tätig zu sein, damit sich die öffentliche Meinung niemals damit abfindet und diese Menschen weder vergißt noch aufgibt. Die einen haben geglaubt, die Wissenschaft würde sämtliche Probleme lösen und der Menschheit das Glück bringen. Wir müssen ihnen helfen, sich voll davon zu überzeugen, daß Wissenschaft ohne Gewissen einer wohlbekannten Lebensweisheit entsprechend nur die Zerstörung der Seele bedeutet und daß nicht alles, was wissenschaftlich möglich, auch moralisch annehmbar ist. Die tragische Erfahrung unserer Zeit zeigt das zur Genüge. Andere wiederum sind wie gefangen in einer materialistischen Welt ohne transzendenten Horizont, Wir müssen sie unablässig daran erinnern, daß „der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern von jedem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt“ {Mt 4,4). Manchmal scheinen sie sogar ohne jede metaphysische Unruhe, ohne jede ihr Dasein betreffende Frage zu sein. Es geht darum zu versuchen, in ihnen die Aufmerksamkeit für das Geheimnis von Leben und Tod zu wecken. Wieder andere schließlich scheinen von Argwohn gegenüber jeder etablierten Religion erfüllt und skeptisch zu sein. Wie Pilatus fragen sie sich: Was ist Wahrheit? Die Kirche hat den Auftrag, ihnen Christus zu zeigen, der von der Jungfrau Maria geboren wurde, für unsere Sünden gestorben und auferstanden ist, um uns zu einem Leben der Liebe mit ihm nach dem Tode, im Schoße des Vaters und in der innigen Liebe des Geistes zu berufen: Ecce homo! Sieh, welch ein Mensch! Ja, viele scheinen sich ohne sichtbaren dramatischen Bruch von Gott und der Kirche entfernt zu haben, so als würden sie in einem Meer der Säkularisierung versinken. Aber das Glücksstreben ist mehr vom Zufall abhängig geworden, die Enttäuschung mit dem Gefolge von Überdruß und Gewalt, Zynismus und Verzweiflung, das sie mit sich bringt, ist offen zutage getreten. 1143 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Diese zutiefst wider die Natur gerichtete Erscheinung hat bereits ihr Gegenteil bewirkt. Allzu viele tiefe Erwartungen des Menschen sind zurückgedrängt worden und zu viele religiöse Bedürfnisse unbefriedigt geblieben. Die heutige Situation der Welt legt es uns, wenn wir überlegen wollen, als unumgänglich notwendig auf, zu den Wurzeln zurückzukehren, wieder einen Horizont, einen Sinn zu finden. Der Mensch kann nicht unbegrenzt in geistlicher Leere, in moralischer Ungewißheit, in metaphysischem Zweifel und religiöser Unwissenheit leben. „Der Mensch übertrifft den Menschen unendlich“ (Pascal). Er läßt sich nicht auf das Gesellschaftspolitische reduzieren: Davon zeugt das Suchen nach dem Heiligen auf seine Weise, in seinen Verirrungen und Entgleisungen ebenso wie in seiner synkretistischen Fülle. Diese Anzeichen eines Wiedererwachens des Religiösen, des Auftauchens von „Ersatzreligionen“ oder „Säkularreligionen“, wie man das genannt hat, geben auf ihre Weise Zeugnis davon, daß eine Gesellschaft von Ungläubigen nicht auf den Glauben verzichten kann. Jeder möchte an irgend etwas glauben, auch dann, wenn die Konturen dieses Glaubens etwas unbestimmt und verschwommen bleiben. Sieht man nicht heute seltsamerweise zusammen mit dem antiken Pantheismus das alte Heidentum, die Gnosis und esoterische Glaubensvorstellungen Wiederaufleben? Die Menschen haben den Quell des lebendigen Wassers verlassen, sagte schon der Prophet, und sich Zisternen gegraben, die das Wasser nicht halten (vgl. Jer 2,13). Aber vielleicht sind die meisten jener Menschen, die wir Nichtglaubende nennen, oft auf unklarer und schmerzlicher Suche nach Licht und Freude. Wer wird ihnen so wie der Prophet Elij a helfen, den Gott der Liebe nicht im Zerbersten der Felsen und im Heulen des Sturmes zu entdecken, sondern in dem sanften, leisen Säuseln, das dem Herzen vernehmbar ist, das hört, das sich gefangennehmen läßt von Liebe und Zärtlichkeit, von Schönheit und Güte, von Gerechtigkeit und Solidarität (vgl. 1 Kört 19,11-13). Welche Herausforderung richten diese Männer und Frauen auf der Suche nach Glaube, Hoffnung und Liebe an die Kirche und an alle Christen! Sie müssen Christen begegnen, die bei Respektierung des Gewissens der anderen in überzeugender Weise durch ihr Leben erkennen lassen, daß der Glaube nicht schädlich für das Leben, daß er dem Leben gegenüber weder fremd noch gleichgültig ist, sondern im Gegenteil lebenswichtig, um sich schon hier auf Erden und noch mehr nach dem Tod mit Christus zu erfüllen. Weit davon entfernt, die quälenden Alltagssorgen der Menschen zu zerstreuen, hilft ihnen der Glaube, der von der eschatologischen Hoffnung beseelt ist, gerade diese Sorgen zu tragen. 1144 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Das ist der unersetzliche Charakter des Dialogs, wie ihn Paul VI. in der Enzyklika Ecclesiam suam vorgeschlagen und wie ihn das Konzil gewünscht hat. Der Glaube ist die Zustimmung zur Wahrheit, das heißt die Überzeugung, daß die Offenbarung die Wahrheit ist, und zugleich die Fähigkeit zum Dialog mit jenen, die diese Überzeugung nicht teilen. Es gilt, immer wieder über das Schlußwort der Konstitution Gaudium etspes nachzudenken, wonach der „Dialog, geführt einzig aus Liebe zur Wahrheit und unter Wahrung angemessener Diskretion, unsererseits niemanden ausschließt, weder jene, die hohe Güter der Humanität pflegen, deren Urheber aber noch nicht anerkennen, noch jene, die Gegner der Kirche sind und sie auf verschiedene Weise verfolgen“ (Nr. 92). Dieser Dialog des Glaubens ist ein Dialog mit Gott, der sich in Jesus Christus geoffenbart hat, und mit den Menschen, die, erschaffen und erlöst, dazu berufen sind, die Fülle ihrer menschlichen Berufung im Geist zu leben. Er vollzieht sich in zweifacher Hinsicht, in der Achtung vor der im menschgewordenen Wort verkörperten Wahrheit und in der Achtung jedes als Bild und Gleichnis Gottes geschaffenen Menschen. Das bringt eine doppelte Verantwortung mit sich: gegenüber der Wahrheit, nach der aufrichtig zu suchen und, wenn sie gefunden ist, sie loyal zu befolgen jeder Mensch verpflichtet ist, und gegenüber den Menschen selbst, vor denen die Wahrheit zu bezeugen unsere Pflicht ist. Den anspruchsvollen und zugleich erhabenen Weg, den uns das Konzil gewiesen hat, müssen wir heute mit Zuversicht und Hoffnung weitergehen. Es ist der Weg des „aufrichtigen und geduldigen Dialogs“ (Ad gentes, Nr. 11), eines, wie uns ebenfalls das Konzil sagt, „lebendigen und gereiften Glaubens, der so weit herangebildet ist, daß er die Schwierigkeiten klar zu durchschauen und sie zu überwinden vermag“ (Gaudium et spes, Nr. 21). 5. Für die Christen, die für diesen Dialog arbeiten, ist das Gebet ein lebenswichtiges Erfordernis. Wir sind niemals allein. Ein anderer ist immer in unseren Gesprächen zugegen, ebenso in uns wie in dem, mit dem wir das Gespräch führen, dieser andere, der uns näher ist als wir uns selbst (vgl. hl. Augustinus). Vergessen wir nicht: Unser Gespräch über Gott muß sich auf unsere persönliche Beziehung zu Gott gründen, und unser Dialog mit dem andern muß ein Zeugnis des Lebens und der Liebe sein. Mögen wir imstande sein, liebe Freunde, mit Gottes Gnade unsere Gotteserfahrung mitzuteilen, um sie bei den anderen zu wecken! Die Verkündigung der Frohen Botschaft Christi fügt sich in die bereits lange Heilsgeschichte als das Ziel der tiefsten Erwartungen, der geheim- 1145 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sten Bedürfnisse der Seele der Völker ein, wie es die großartigsten Äußerungen ihres kulturellen Genius bekunden. In den Ländern der alten Christenheit ist das Christentum nicht auf Meinungsumfragen und Statistiken zugeschnitten: Es ist oft in den inneren Überzeugungen verborgen und muß geweckt werden. In den Ländern des erklärten Atheismus überlebt es trotz der Unterdrückungen und bringt neue Generationen von Glaubenden, von Zeugen und manchmal von Märtyrern hervor. In den Ländern alter Religionen erregt es dank des Eifers zahlreicher Missionare und derer, die ihre Arbeit weiterführen, durch sein Geheimnis des Lebens, der Hoffnung und der Liebe Aufmerksamkeit. Liebe Freunde, seid dialogbereite Menschen und damit die Menschen des Glaubens und des Gebets, von denen schon der Philosoph Henri Bergson sagte: „Ihr Dasein ist ein Appell“ (Les deux sources de la morale et de la religion, Paris, Bibi, de Philosophie contemporaine, 1932). Mit meinem herzlichen Apostolischen Segen. Die Familie „erste Schule der Arbeit“ Predigt bei der Eucharistiefeier in Avezzano am 24. März 1. „Mein Vater bist du, mein Gott, der Fels meines Heiles“ (Ps 89,27). Mit diesen Worten aus der Liturgie will ich zusammen mit euch, liebe Brüder und Schwestern der Marsica, die Vaterschaft Gottes in der großen und demütigen Gestalt des hl. Josef verehren, des Bräutigams der seligen Jungfrau Maria, dessen wir an diesem Sonntag nach seinem Fest gedenken. Seit wie vielen Jahrhunderten und Generationen wird Gottes Vaterschaft von den Söhnen und Töchtern dieser Erde verehrt! Seit wie vielen Jahrhunderten und Generationen wird sie hier als der „Fels unseres Heiles“ angerufen! Die Kirche der Marser hat eine weit zurückreichende Vergangenheit. Hierher gelangte die Botschaft des Evangeliums bereits unmittelbar nach der apostolischen Zeit; hier schlug der Glaube tiefe Wurzeln und brachte eine Blüte christlichen Lebens hervor, deren Zeichen noch heute in Kirchen und Klöstern von beachtlichem historischem und künstlerischem Wert sichtbar sind; hier bliebt der Glaube auch heute noch lebendig. 1146 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Von diesem Glauben beseelt, haben wir uns heute um den Altar versammelt, um gemeinsam vor dieser Kathedrale, die wie die ganze Stadt Avezzano nach dem Erdbeben von 1915 errichtet wurde, die göttlichen Geheimnisse zu feiern. Ich begrüße Bischof Biagio V. Torrinoni mit dem Klerus, den Ordensmännern und Ordensfrauen der Diözese; ich begrüße die Laien der verschiedenen Verbände und Bewegungen für christliches Engagement; ich begrüße euch alle, Brüder und Schwestern, die ihr zu dieser Begegnung des Glaubens und des Gebets hierhergekommen seid; einen besonderen Gedanken widme ich den Kranken, die durch ihre Leiden soviel zum geistlichen Wohl der ganzen Gemeinschaft beitragen. Ich gebe meiner lebhaften Freude darüber Ausdruck, daß ich heute als Bischof von Rom und Nachfolger Petri mit euch zusammen den Gott des Bundes verehren kann, den die Kirche mit den Worten des Psalmisten verehrt: „Ich habe einen Bund geschlossen mit meinem Erwählten und David, meinem Knecht, geschworen: Deinem Haus gebe ich auf ewig Bestand...“ (Ps 89,4-5). Der Psalmist spricht von König David, aber die Liturgie weist auf Josef von Nazaret, den Zimmermann, hin. Gott hat mit ihm einen besonderen Bund geschlossen, den die Kirche mit jenem Bund vergleicht, den Gott mit Abraham und mit David geschlossen hatte. Zu Abraham sagt der Vater des Bundes: „Ich habe dich zum Stammvater einer Menge von Völkern bestimmt“ (Gen 17,5). Und zu Josef von Nazaret sagt Gott: Ich habe dich zum Vater bestimmt... zum Vater meines Sohnes! Vor den Menschen habe ich dich zum Vater dessen gemacht, „der vom Heiligen Geist empfangen wurde“ - dich, der du wie Abraham „voll Hoffnung gegen alle Hoffnung geglaubt hast“ (Röm 4,18; vgl. Gen 15,6). Und in diesem Glauben hast du den in dein Haus aufgenommen, der die Hoffnung und Erwartung aller Völker war: Jesus, den Sohn Mariens. In dieser Liturgie bekennt und preist die Kirche in der Vaterschaft diesen besonderen Bund, an dem Josef von Nazaret noch mehr Anteil hatte als Abraham. 3. Abraham glaubte „gegen alle Hoffnung“ daran, daß er „Stammvater einer Menge von Völkern“ werden könne - „gegen alle Hoffnung“, weil er, menschlich gesehen, keinen Sohn erwarten konnte. Josef glaubte, daß an seiner Seite sich die Erfüllung der Hoffnung vollzogen hat. Er glaubte, daß „durch das Wirken des Heiligen Geistes“ 1147 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria, seine Verlobte, die Jungfrau von Nazaret, Mutter geworden war, „noch bevor sie zusammengekommen waren“ {Mt 1,18). Die Worte des Boten Gottes, denen Josef glaubte, lauteten: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen, denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären; ihm sollst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ {Mt 1,20-21). Wie sehr gleichen diese Worte der „Verkündigung des Engels“, die Josef vernahm, jenen, der Verkündigung, die Maria gehört hatte! Sie ergänzen sich gegenseitig und erklären zugleich das göttliche Geheimnis der Menschwerdung des Wortes, des Sohnes Gottes. 4. Josef, der diesen Worten geglaubt hatte, schloß mit Gott einen besonderen Bund: den Bund in der Vaterschaft. Von da an hat er gewußt, was in seinem Leben und in seiner Berufung die Worte des Psalmes zu bedeuten haben: „Er wird zu mir rufen: Mein Vater bist du“ {Ps 89,27). Tatsächlich nannte Jesus ihn so. Und die ganze Umwelt tat dasselbe, wenn sie Jesus „den Sohn des Zimmermanns“ nannte {Mt 13,55). Und er, Josef, wußte, daß sich diese Worte auf den ewigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde, bezogen. Er wußte, daß sich der heiligste Bund vollzogen hatte. Er wußte, daß sein bescheidenes Haus in Nazaret mit dem unerforschlichen Geheimnis der göttlichen Vaterschaft erfüllt worden war, dessen engster Vertrauensmann und treuer Diener er, Josef, selbst geworden war. Er, der Mann Mariens, der Magd des Herrn. Und jeden Tag, wenn er sich an seine Werkbank begab, wußte er, daß sich seine Arbeit mit dem Geheimnis der Familie, in der der ewige Sohn Gottes Kind geworden war, zu einem verband. Er wußte und glaubte, „er glaubte voll Hoffnung gegen alle Hoffnung“. 5. Ich freue mich, heute zusammen mit euch, liebe Brüder und Schwestern, die göttliche Vaterschaft zu verehren, die sich im Leben und in der Berufung des Josef von Nazaret auf wunderbare Weise offenbart hat. Bei ihm verbindet sich die menschliche Arbeit in konsequenterWeise mit dem Leben der Familie. Und darum ist das Fest des hl. Josef zugleich das Fest der Familie und der Arbeit. Wir haben davon Zeugnis gegeben, als wir zuvor auf dem Platz vor der Erdfunkstelle Telespazio mit der Welt der vielfältigen menschlichen Arbeit hier in eurer Gegend zusammentrafen: mit den Landarbeitern und 1148 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Fabrikarbeitern, mit den Menschen, die sich den althergebrachten Tätigkeiten widmen, und jenen, die in den Bereichen modernster Technologie beschäftigt sind. Und nun wollen wir durch die Liturgie zu Ehren des hl. Josef Arbeit und Familie miteinander verbinden, indem wir über diese Wirklichkeiten im Licht der Gottesverehrung nachdenken. 6. Die Verbindung zwischen Arbeit und Familie, die sich im Leben des hl. Josef verwirklicht hat, findet im Leben aller Familien und im wechselvollen Dasein aller Arbeiter ihren Widerschein. Denn im Plan Gottes hat der Mensch von Natur aus das Recht, eine Familie zu gründen, und diese muß für ihren Unterhalt mit dem Beitrag der menschlichen Arbeit rechnen können. Mit diesen beiden Wertkreisen - der eine verbunden mit der Arbeit, der andere mit dem familiären Charakter des menschlichen Lebens - habe ich mich in der Enzyklika Laborem exercens beschäftigt (Nr. 10). Es ist notwendig, daß sich die beiden Wertbereiche in der richtigen Weise miteinander verbinden und in der richtigen Weise gegenseitig durchdringen. Denn wenn es stimmt, daß die Arbeit die Gründung und das Leben einer neuen Familie ermöglicht, so stimmt es auch, daß wir in der Familie zur Arbeit erzogen werden und durch die Arbeit als Menschen reifen. Es muß daher mit aller Klarheit festgestellt werden, daß „die Familie eine durch die Arbeit ermöglichte Gemeinschaft und die erste, häusliche Schule der Arbeit für jeden Menschen ist“ (Laborem exercens, Nr. 10). Ihr seht also, liebe Brüder und Schwestern, die unmittelbare Konsequenz, die aus dem folgt, was eben festgestellt wurde. Die Konsequenz ist, daß „die Familie einen der wichtigsten Bezugspunkte für den rechten Aufbau einer sozialethischen Ordnung der menschlichen Arbeit bildet“ (ebd.). Diese familienbezogene Dimension der Arbeit bildet einen der Pfeiler der kirchlichen Soziallehre. Es ist ein Pfeiler, der vom Leben des hl. Josef und der Heiligen Familie bestätigt wird: Dort haben sich die beiden Wertbereiche getroffen und auf wunderbare Weise miteinander verbunden. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß der Sohn Gottes in einer Familie geboren wurde und die Mühe einer schweren Arbeit wie der des Zimmermannes auf sich genommen hat. Man kann in gewissem Sinn wirklich sagen, daß das Geheimnis der Menschwerdung durch diese beiden menschlichen Wirklichkeiten „hindurchgeht“: die Wirklichkeit der Familie und die der Arbeit. Zum intimsten Vertrauten und treuesten Diener dieses Geheimnisses wurde der hl. Josef, 1149 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den die Vorsehung dazu bestimmt hatte, die Rolle des Familienvaters und des Arbeiters zu bekleiden. Wenn wir die Person des hl. Josef ehren, erweisen wir der Heiligkeit der Familie und der Arbeit Ehre, diesen beiden fundamentalen menschlichen Dimensionen, die in ihm eine so erhabene und einzigartige Verwirklichung erfuhren. 7. Das Gedenken an den hl. Josef ist nicht nur das Fest der Arbeit und der Familie. Es ist auch ein besonderes Fest der Kirche: dieser Kirche hier im Land der Marser. Über das göttliche Geheimnis des „Bundes in der Vaterschaft“ stellen heute auch die Diener des Altars und der Eucharistie in der Kirche der Marser, die sich hier um ihren Bischof und den Nachfolger Petri eingefunden haben, ihre Betrachtungen an. Auch sie haben mit Gott einen „Bund in der Vaterschaft“ geschlossen, dank welchem viele Seelen für das neue Leben in Christus geweckt werden konnten. Die Vaterschaft des Dieners Gottes ist eine echte geistliche Vaterschaft. Auf sie bezog sich der hl. Paulus, als er voll Stolz ausrief: „Hättet ihr nämlich auch ungezählte Erzieher in Christus, so doch nicht viele Väter. Denn in Christus Jesus bin ich durch das Evangelium euer Vater geworden“ (1 Kor 4,15). Und da sich auf der übernatürlichen und auf der natürlichen Ebene die Sendung der Vaterschaft nicht mit dem Ereignis der Geburt erschöpft, sondern sich ausweitet, um gewissermaßen das ganze Leben zu umfassen, konnte sich der Apostel Paulus mit jenem anderen erregenden Wort an seine Christen wenden: „Meine Kinder, für die ich von neuem Geburtswehen erleide, bis Christus in euch Gestalt annimmt!“ (Gal 4,19). Der Dienst des Priesters ist Dienst der Vaterschaft. Wenn man das begreift, versteht man auch den tiefen Sinn des besonderen Bundes mit Gott, den der Zölibat darstellt. Es handelt sich um einen Bund in der Vaterschaft, der, wenn er im Glauben „voll Hoffnung gegen alle Hoffnung“ gelebt wird, sich als außerordentlich fruchtbar erweist: wie Abraham so wird auch der Priester „Vater vieler Völker“ (Röm 4,18) und findet in den Generationen von Christen, die um ihn wachsen, die Belohnung für die Mühen, den Verzicht, die Leiden, von denen sein täglicher Dienst durchwoben ist. Liebe Priester der alten und ruhmreichen Kirche der Marser! Lebt täglich mit neuer Hochherzigkeit diesen Bund mit Gott in der geistlichen Vaterschaft, indem ihr jede Erfüllung eures Dienstes auf ihn ausrichtet. Gebt ein gutes Zeugnis von der Heiligkeit des Wortes Gottes, indem ihr es mit Sorgfalt und Liebe verkündet, damit es von dem euch anvertrauten Volk 1150 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verstanden und gelebt werde. Feiert mit innerer Überzeugung die Heilssakramente, besonders die der Eucharistie und der Versöhnung, indem ihr die Gläubigen dahin führt, die Schätze der Liturgie zu nutzen und sich von ihnen zu nähren für ein immer intensiveres christliches Leben. Leitet mit Verantwortungsbewußtsein die Gemeinden, zu deren Führung ihr berufen seid, indem ihr tatsächlich an den Freuden und Schmerzen des Volkes teilnehmt und euch immer mehr und besser der Mitarbeit der engagierten Laien bedient. Ich will euch allen meine herzliche Zuneigung und meine aufrichtige Anerkennung für die Standhaftigkeit aussprechen, mit der ihr auf eurem Platz, in manchmal kleinen und abgelegenen Dörfern, ausharrt, um oft alten und vereinsamten Menschen die Nähe Gottes zu bezeugen, der nicht aufhört, sich liebevoll um jedes seiner Kinder, auch das ärmste und vergessenste, zu sorgen. 8. Meine Gedanken gehen nun zu den Ordensmännern und Ordensfrauen, die in der Kirche der Marser ihre Weihe an Gott im Bekenntnis der Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams leben. Welch wunderbares Vorbild ist für euch alle, liebe Brüder und Schwestern, Josef, der keusche Gemahl der seligsten Jungfrau, der arme Zimmermann aus Nazaret, der aufmerksame und getreue Vollzieher des Willens des himmlischen Vaters! Sein Bund mit Gott in der Vaterschaft spiegelt sich in eurem Leben als Ordensleute wider, denn jeder von euch trägt mit der Erfüllung eines jeweiligen Charismas zur Geburt und zum Wachstum des ganzen Christus bei. Das Leben Josefs, der sich an der Seite Mariens Gott weihte, um die Vaterpflichten gegenüber dem fleischgewordenen Wort zu erfüllen, inspiriere und stütze euch in dem täglichen Bemühen, der empfangenen Berufung zu entsprechen. Mit meinem aufrichtigen Dank für eure aktive Präsenz im pastoralen Leben dieser Kirche — in den Pfarreien, den Krankenhäusern, den Kindergärten, den Schulen, den karitativen und Fürsorgeeinrichtungen -möchte ich die dringende Einladung an euch richten, den Forderungen des geweihten Lebens treu zu bleiben. Diese eure Treue findet Ausdruck in der freudigen Zustimmung zum kommunitären Leben: im Zeugnis der jeweiligen Gnadengaben inmitten des Volkes; im geduldigen und mühevollen Dienst für jeden Menschen, der sich in Schwierigkeiten befindet; und darin, daß ihr selbst unter den Brüdern zu einem prophetischen Zeichen der Vorherrschaft Gottes über alles und über alle werdet. 1151 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 9. Diese Vorherrschaft bezeugte Josef mit seinem ganzen Leben. Die Liturgie legt ihm gewissermaßen die Worte des Psalmisten ins Herz und auf die Lippen: „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen, bis zum fernsten Geschlecht laut deine Treue verkünden. Denn ich bekenne: Deine Huld besteht für immer und ewig; deine Treue steht fest im Himmel“ (Ps 89,2-3). Josef, ein gerechter Mann, der keusche Bräutigam Mariens, Zimmermann aus Nazaret, verkündet die außergewöhnliche Huld Gottes, die ihm ähnlich wie Abraham zuteil wurde: die Gnade des Bundes in der Vaterschaft! Und er verkündet die Treue Gottes zu diesem Bund, die sich in der Stille des einfachen Hauses in Galiläa vollendet, wo die Lebenstage der Heiligen Familie mit Arbeit angefüllt sind. Und während wir auf die Gestalt des Zimmermanns aus Nazaret blicken, beten wir, damit die Gnade und Huld des ewigen Vaters - unsere tägliche Arbeit begleite, - unsere Familien in der Gemeinschaft verbinde, - Früchte bringe im Dienst der Kirche, deren Beschützer und Vater Josef ist, so wie er Beschützer und Vater des ewigen Sohnes Gottes auf Erden war. Arbeit: Grundrecht und Grundpflicht Fernsehbotschaft an die Arbeiter in aller Welt, ausgestrahlt von der Erdfunkstation Telespazio (Piana del Fucino) am 24. März Liebe Landarbeiter, Industriearbeiter und Handwerker! 1. Wenn auch einige Tage später, als ursprünglich geplant, freue ich mich doch sehr, bei euch zu sein, in eurer Marsica, einer Region, die gerade in ihrer jüngsten Geschichte in einzigartiger Weise davon Zeugnis gibt, welch rapide soziale Entwicklungen, welch tiefgreifende Veränderungen, welch großartige Errungenschaften die Menschen erzielen können, wenn sie in ihrer Aufgabe Einsatzfreude und Solidarität, zähen Willen zum Fortschritt und Klarsicht miteinander vereinen. 1152 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich möchte euch die Sympathie, die Zuneigung und Bewunderung bekunden, die die Kirche für euch, Arbeiter, hegt, und möchte jeden einzelnen von euch mit besonderem Empfinden begrüßen, um direkt von euch die Stimme eures Herzens zu vernehmen und um euch zu versichern, daß ich euch nahe bin und mit euch Sorge, Hoffnungen, Sehnsüchte und den Einsatz für eine friedliche Förderung aller Arbeiter und für die Überwindung der Angst vor einer schweren oder ungewissen Zukunft teile. Ich danke dem Herrn Minister für die Staatsbeteiligungen, Clelio Darida, sehr für die Begrüßung, die er im Namen der italienischen Regierung an mich gerichtet hat, und für die eindrucksvolle Beschreibung, die er mir von dem wichtigen Werk gegeben hat, das hier durch die IRI verwirklicht worden ist. Einen herzlichen Dank richte ich an den Herrn Bürgermeister, der in seinem Willkommensgruß die Schwierigkeiten und Leiden, aber auch die sozialen und zivilen Errungenschaften eurer Gemeinde hervorgehoben hat. Es hat mich besonders gefreut, daß er den tiefverwurzelten Glauben eurer religiösen Traditionen betonte, die noch immer lebendig, hoch geschätzt und ausdrucksvoll sind. Liebe Arbeiter, mit großer Aufmerksamkeit und lebhafter Anteilnahme habe ich die von euren Vertretern vorgetragenen Grußadressen gehört und in ihren wichtigsten Zügen erfaßt: die Marsica ist ein geprüftes Land, manchmal rauh und hart infolge der tragischen Geschehnisse; ein Land jedoch, das ihr grundlegend verändert habt dadurch, daß ihr ein Sumpfgebiet urbar gemacht und Kommunikationsverbindungen geschaffen habt, wo das Gebirge die einzelnen Gemeinden isolierte; daß ihr Arbeitsplätze geschaffen habt, wo die notgedrungene Auswanderung das traurige Los so vieler junger Menschen war. Ich bekunde jedem einzelnen von euch meine Solidarität mit den Bestrebungen, die ihr zum Ausdruck gebracht habt und die euren täglichen Einsatz bestimmen, nämlich alles zu beseitigen, was den Menschen mit seiner Lage unzufrieden macht: indem ihr offen alles anprangert, was nach Egoismus, Übergriff und Hintertreibung der gerechten Interessen des Arbeiters aussieht, und indem ihr euch um eine wirksame soziale Förderung, um die Achtung der Würde des Menschen in der Welt der Arbeit in Landwirtschaft, Industrie und Handwerk bemüht. Ihr habt eure Probleme gut dargestellt. Es geht, wie ihr sagt, darum, das moderne Sklaventum zu überwinden und immer gerechtere und angemessenere Gesetze zu fördern, um durch den Einsatz aller die besorgniserregende Arbeitslosenzahl zu verringern. Ebenso dringend ist die Aufgabe, die Früchte der Erde wieder ihrer 1153 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vorgesehenen Bestimmung zuzuführen, nämlich den Hunger des Menschen zu stillen. In einer Welt, in der ein so großer Teil der Menschheit Hunger leidet und wo es immer wirksamere Mittel zu Konservierung und Transport der Lebensmittel gibt, löst es tiefe Bitterkeit aus, daß man zur Vernichtung der Produkte greifen muß, um das Handelsgleichgewicht zu retten. Durch die Verteidigung der Früchte der Erde wird jene Rückkehr zur Landwirtschaft gefördert werden können, die nicht wenige junge Menschen bereits als ein gesundes Programm für ihre Zukunft und für ihre kulturellen Bedürfnisse ansehen. Das Amt, das mir anvertraut ist und das mich heute hierher zu euch geführt hat, drängt mich, zum Echo eurer Forderungen zu werden und mit neuem Nachdruck alle eure hochherzigen Vorsätze zu unterstützen, damit ihr die Hindernisse, die euch noch Schwierigkeiten bereiten, überwinden könnt. 2. Ich bin hierhergekommen, um des hl. Josefs, des Patrons der Arbeiter, zu gedenken, der den Sinn der täglichen Mühe aus der lebendigen Gegegenwart Christi an seiner Werkbank empfing. Er ist so zum Vorbild des christlichen Arbeiters geworden. Er hilft uns, den tiefen Sinn des Gotteswortes über die menschliche Arbeit zu begreifen: „Bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über sie“ (Gen 1,28); „Dornen und Disteln läßt er dir wachsen . . . Mit Schweiß im Gesicht wirst du dein Brot essen“ (Gen 3,18-19). Diese beiden Aussagen Gottes am Anfang der Bibel, an der Schwelle der Geschichte, beleuchten mit Macht und Wahrheit das Drama der menschlichen Arbeit. Hier wird vor allem auf Gottes Absicht hingewiesen, dem Menschen die Aufgabe der Selbstverwirklichung zu übertragen, der durch seine Arbeit eine echte Herrschaft über die Welt erlangen soll. Hier wird auch die Niederlage im Gefolge der Sünde vorausgesetzt, die den Menschen zwingen würde, das, was ihm als Geschenk angeboten wurde, als Last tragen zu müssen. Das Drama läuft aber nicht auf die Niederlage des Menschen hinaus, so als wäre die Arbeit für ihn ein Fluch, sondern auf die heilbringende Liebe Gottes, der dem Menschen die Hand reicht, um den zerstörten Plan wiederaufzunehmen. Das ist die Wirklichkeit der Arbeit, die auch in eurer Geschichte in einer Weise Erfüllung findet, die Bewunderung und Ergriffensein auslöst. Bewunderung für alles, was ihr und euere Väter in der Marsica zustande gebracht habt: für eure Felder, wo sich zuvor die Wasser des Lago del Fucino ausbreiteten, und auf diesen Bergen, die euch umgeben; für die industrielle Entwicklung, die ihr durchführen konntet. Bewunderung, die 1154 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zur Ergriffenheit wird, wenn man an die ungeheure Mühe und an den Mut denkt, den ihr während so vieler Jahre eurer Geschichte in den schweren Bedrängnissen bewiesen habt, unter denen in diesem Jahrhundert das schreckliche Erdbeben von 1915 herausragt. Nicht zu vergessen der Leidensweg eurer Emigranten in alle Regionen der Erde. Eine Erfahrung von Opfer, Schmerz und zugleich großer Würde und Solidarität. Und die Drangsale sind nicht zu Ende, wenn wir an die drohenden und von manchen bereits erlittene Gefahr der Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung denken. Doch ihr gebt nicht auf und werdet nicht aufgeben, weil Gott auf eurer Seite steht. Seine leidenschaftliche Teilnahme an euren Nöten habt ihr gespürt und spürt ihr in der Anwesenheit so vieler seiner Diener, die euer Leben teilen. Dabei gehen unsere Gedanken zu einer der leuchtendsten Gestalten, die euch seit den Zeiten des Erdbebens vor 70 Jahren im Gedächtnis geblieben ist: den seligen Luigi Orione. Dieser demütige und arme Priester, unerschrocken und unermüdlich, wurde für euch zum lebendigen Zeugnis der Liebe Gottes euch gegenüber. Dieser vorbildliche Heilige der Armen ist nicht der einzige, der sich über die schmerzenden Glieder der Menschheit beugt. Er steht in der langen Reihe von Zeugen, die mit ihrer Lebenshaltung mehr bekundet haben als eine bloß menschliche Solidarität, wenn sie den bitteren Schweiß auf eurer Stirn mit Worten und Taten der Befreiung, Erlösung und sicheren Hoffnung linderten. 3. „Die Kirche ist überzeugt, daß die Arbeit eine fundamentale Dimension der Existenz des Menschen auf Erden darstellt“, schrieb ich in der Enzyklika über die Arbeit, Laborem exercens, Nr. 4. Auch auf rein menschlicher Ebene wissen wir, daß der Mensch durch das eifrige Bemühen um Änderung seiner selbst und durch tätiges Eingreifen in seine Umwelt seine Selbstverwirklichung und das Ziel seines Lebens erreichen kann, dadurch, daß er die Hindernisse überwindet, neue Lebensbedingungen plant, die notwendigen Güter für Leib und Geist, also Brot und Kultur, beschafft. Doch die menschliche Erfahrung, die Enttäuschungen und Entartungen unterliegt, wird von der christlichen Sicht in außerordentlicher Weise unterstützt. Uns beeindruckt die Tatsache, daß in der Bibel Gott sich zum ersten Mal der Welt und den Augen des Menschen als Schöpfer offenbart, daß heißt als einer, der mit Weisheit und Güte die Welt erbaut. Gott selbst erscheint als Arbeiter, in der Gestalt des Baumeisters (Gen 1) oder des Handwerkers (Gen 2). Weit davon entfernt, eifersüchtiger Gebieter über seine Schöpfung zu 1155 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sein, macht Gott sie dem Menschen zum freudigen und vorbehaltlosen Geschenk und überträgt ihm die Aufgabe, sein Werk in einer Entwicklung ohne Ende fortzuführen. Auf diese Weise - und nicht durch starre und verängstigte Resignation - vermag der Mensch seinem Bewußtsein und dem aller Geschöpfe zu enthüllen, daß sie das Zeichen eines göttlichen Ursprungs und einer göttlichen Bestimmung an sich tragen. Seine Arbeit, jede Art von Arbeit, wird so zur Weiterführung und Erfüllung des Planes Gottes. 4. Die Arbeit ist eine Aufgabe, die Gott dem Menschen überträgt; sie kann sich freilich als schwierig erweisen, und der Arbeiter vermag die Früchte seiner Mühen nicht zu sehen. Es kommt nicht selten vor, daß die beschwerlichen Mühen vieler Männer und Frauen nicht genügend anerkannt und gerecht entlohnt werden. Die Soziallehre der Kirche bekräftigt - wie ihr wißt - mit Nachdruck das Recht des Arbeiters auf gerechten Lohn und verkündet zugleich den Vorrang des Menschen in bezug auf die Arbeit. Der Mensch darf nicht Sklave, sondern muß Herr seiner Arbeit sein: das heißt, er muß in der Arbeit seine Würde respektiert sehen. Die Folgen dieses Prinzips sind gewaltig: Der Mensch darf niemals wie ein Produktionsmittel behandelt werden; die arbeitenden Menschen haben ein Recht auf Solidarität untereinander und auf die Unterstützung der Gesellschaft, damit ihr Anteil am Wachstum des sozialen Wohlstandes, das Recht auf gerechten Lohn, auf die Sicherheit der Person der Arbeiter und ihrer Familien garantiert wird. Wenn in diesem Zusammenhang meine Gedanken zu den vielen Arbeitslosen, besonders zu den Jugendlichen auf der Suche nach dem ersten Arbeitsplatz, gehen, wobei ich mir bewußt bin, daß für den, der heute der immer mehr spezialisierten Welt der Arbeit gegenübersteht, ein kultureller und erzieherischer Prozeß notwendig ist, kann ich nicht umhin, die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft zu beschwören, mit allen Möglichkeiten und Fähigkeiten ihres Verstandes und guten Willens zur Lösung dieser für die Würde der Person so heiklen Knoten durch die Beteiligung der Arbeiter selbst mit Realismus, Mut und Weitblick beizutragen. 5. Aber die Würde der Arbeit würde zu wenig anerkannt und der reiche Inhalt an Wahrheit und Kraft, den die christliche Offenbarung besitzt, würde verringert, wenn ich euch nicht mit lauter Stimme zuriefe, daß zur Verwirklichung der Berufung des Menschen die Arbeit nicht genügt und 1156 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß es noch eine andere Pflicht gibt, die die Person erfüllt als Triebkraft für die Alltagsmühe. Gerade im System der Arbeit wird das Gebot des Herrn, das von Anfang an in der Ruhe des siebten Tages aufleuchtet, laut {Gen 2,1-3): „Denk an den Sabbat: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun; der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun . . . Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Darum hat der Herr den Sabbattag gesegnet und ihn für heilig erklärt“ {Ex 20,8-11). Mit Jesu Auferstehung am ersten Tag nach dem Sabbat ist der Sonntag zum Tag des Herrn geworden. Er ist der kostbare Augenblick, in dem jeder, der arbeitet und manchmal hart arbeitet, wieder den Sinn seiner Arbeit findet, Gott Dank sagen kann für die Mühe seiner Hände, in entspannter Atomosphäre mit seinen Lieben Zusammensein kann, von denen ihn die Arbeit manchmal länger fernhält, und kranke und bedürftige Menschen besuchen kann. Besonders aber ist jeder Christ zur Teilnahme an einem Festmahl, an der Sonntagsmesse, aufgerufen. Wenn sie Zusammenkommen, um christliche Gemeinde zu sein, müssen die Arbeiter das empfinden und an einer Wirklichkeit teilhaben, die sie stärken kann. Nach der Auslegung des Gotteswortes hebt der Zelebrant das Brot und den Wein zu Gott empor mit den Worten: „Gepriesen seist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot (den Wein), die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot (diesen Kelch) vor dein Angesicht, damit es uns das Brot des ewigen Lebens (der Kelch des Heiles) werde.“ Gott schenkt uns in Jesus Christus die Gnade, den wahren Sinn unserer Arbeit zu erfassen. Auch wenn die Arbeit mitunter mit Drangsal verbunden ist, ist sie nicht mehr ein Fluch, Schweiß ohne Furcht, sondern Teilhabe am Erlösungsopfer Christi. Wie es für Jesus geschehen ist, so wird die -manchmal schwere — Mühe der Arbeit zum Opfergebet für die Befreiung vom Bösen im eigenen und im Herzen anderer und verwandelt sich zugleich in die Fähigkeit, im immer besseren Bau der „Stadt des Menschen“ eine Vorankündigung, eine Vorwegnahme dessen zu sehen, was das endgültige Reich Gottes sein wird. Zum Abschluß meines Gesprächs mit euch, liebe Arbeiter der Marsica, möchte ich dieser Aufforderung, eure Arbeit zum vereinten Gebet angesichts des Opfers Christi werden zu lassen, den Aufruf beifügen, der uns vom nächsten Italienischen Katholikentag mit dem Thema „Christliche Versöhnung und Gemeinschaft des Menschen“ nahegelegt wird: Ich vertraue euch die Aufgabe an, in der Welt der Arbeit und in der ganzen Welt 1157 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Gesellschaft die christliche Versöhnung als Geschenk Gottes zu bezeugen. Neben uns erhebt sich dieses gewaltige, von der IRI verwirklichte Satel-liten-Fernmeldezentrum. Eine Einrichtung, die Zeugnis gibt von den Anwendungsmöglichkeiten modernster Technologie, um die Verbreitung von Kenntnissen und Informationen auch mit Hilfe der Weltraumkommunikation zu erleichtern. Hier vor der Erdfunkstation Telespazio, die Ausdruck fortschrittlichster Wissenschaft und Ausdruck all dessen ist, was der Mensch mit seiner Arbeit zu verwirklichen vermochte, will ich an alle Arbeiter der Welt einen Gruß und Wünsche richten und für alle den Schutz des hl. Josef erbitten. Auf französisch sagte der Papst: Ich grüße alle Arbeiter der Welt mit herzlicher Sympathie und großer Zuneigung. Ja, liebe Arbeiter, ich möchte euch versichern, daß euch die Kirche nahe ist, daß sie eure Verbündete, eure Freundin ist. Mögt ihr Vertrauen in sie setzen können! Sie steht auf euer Seite, um eure legitimen Wünsche und Bestrebungen und die Würde eurer Arbeit zu verteidigen, da sie überzeugt ist, daß „die Arbeit ein Gut für den Menschen - ein Gut für sein Menschsein - ist, weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern auch sich als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen ,mehr Mensch wird“ (Laborem exercens, Nr. 9). Das ist der Plan Gottes, das sind meine Wünsche, das ist es, wonach es zu streben gilt. Ehre der Arbeit! Und vor allem Ehre allen Arbeitern der Welt! Die Anlagen dieses italienischen Satelliten-Fernmeldezentrums ermöglichten die Übertragung dieser heutigen Begegnung am Sonntag nach dem Fest des hl. Josef in die ganze Welt: Sie erinnern uns daran, daß dieser neue technologische Abschnitt im Kommunikationsbereich sehr hoffnungsreich sein kann. Ich hoffe, daß diese Medien tatsächlich und immer zum Verständnis unter den Menschen und zum Fortschritt der Menschheit beitragen. Auf spanisch sagte der Papst: Die christliche Sicht nimmt den menschlichen Sinn der Arbeit an, vertieft und festigt ihn und damit auch die vielen Beiträge, die euch, Männer und Frauen der Welt der Arbeit, von allen Seiten erreicht haben. Darum wünsche ich euch, daß ihr in eurem Leben stets diese christliche Sicht vom Menschen, von seiner ewigen Bestimmung und vom transzen- 1158 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN denten Wert seiner Arbeit habt, damit sich das Geheimnis eurer Existenz mit Hilfe der erlösenden Kraft Jesu Christi im Licht des Evangeliums verwirklicht. Auf euch, die ihr wie Maria und Josef von Nazaret die Anstrengung und Mühsal kennt, blickt die Kirche mit tiefer Achtung und Wertschätzung. Sie will auch eure Schwierigkeiten und Hoffnungen teilen. Ich bitte Gott, daß ihr eurerseits der Menschheit und der Kirche den wertvollen Beitrag der vielen Werte anbieten könnt, deren Träger ihr seid. Auf englisch sagte der Papst: Die Kirche spricht ihren tiefen Wunsch aus, allen Arbeitern der Kirche nahezusein. Sie will teilhaben an eurem Leben und zu euch über die hohe Bedeutung sprechen, die das Evangelium Jesu Christi für euch in den gewöhnlichen Alltagsverhältnissen hat, in denen ihr euch befindet. Die Kirche will mit euch über die Würde eurer Arbeit und darüber sprechen, wie sie zu eurem menschlichen und christlichen Fortschritt, zur Verbesserung der Familie und der Nation und zur echten Umwandlung der Welt beiträgt. Wie die Kirche auf eure Rechte und Pflichten hinweist, so verkündet sie, daß eure Arbeit Teilnahme am Werk des Schöpfungsgottes ist. Das alles erklärt sie im Namen Christi, der voll Liebe auf die menschliche Arbeit blickt und der selbst der Welt der Arbeit angehörte. Ja, die Kirche will mit euch Arbeitern einen Heilsdialog führen und sie will das in jeder Diözese und in jeder Pfarrkirche tun. Denn das ist die Ebene, auf der ihr als Christen leben und handeln müßt. In diesen Situationen seid ihr aufgerufen, die Lehre Christi anzuwenden und durch die Ehrbarkeit eurer Arbeit und die Glaubwürdigkeit eures Lebens vor euren Arbeitskollegen Zeugnis zu geben von der Macht des Evangeliums. Bei alledem ist der hl. Josef euer Vorbild, Patron und Freund. Auf deutsch sagte der Papst: Herzlich grüße ich auch euch, Arbeitnehmer und Arbeitgeber deutscher Sprache. Josef, der Patron der Arbeiter, dessen Fest wir in der vorigen Woche begangen haben, erinnert uns an den Wert und die Würde jeglicher menschlicher Arbeit, mag sie mehr unsere körperlichen oder unsere geistigen Kräfte beanspruchen. Arbeit bedeutet nicht Knechtschaft, sondern ist vielmehr Auftrag und Berufung zur aktiven Mitwirkung an der Gestaltung der Schöpfung und der menschlichen Gesellschaft. Sie ist ein Grundrecht und eine Grundpflicht des Menschen. Deshalb darf die Arbeit euch nicht untereinander entzweien; sie verpflichtet uns vielmehr zu gegenseitiger Solidarität und Brüderlichkeit: die 1159 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, die Werktätigen und die Geistesarbeiter, diejenigen, die Arbeit haben, und jene, die keinen Arbeitsplatz finden können. Nur durch gemeinsame Anstrengungen, die auch Opfer füreinander einschließen, könnt ihr die großen Probleme in der modernen Arbeitswelt mit Erfolg und zum Segen aller meistern. Die Christen unter euch sind dabei in einer besonderen Weise aufgerufen, im Geist des Evangeliums vor allem im Benachteiligten und Notleidenden ihren Nächsten zu erkennen und ihm mit Herz und Tat beizustehen. Gott segne die Welt eurer Arbeit! Er segne das Werk eurer Hände und eures Geistes! Auf portugiesisch sagte der Papst: Während ich die Arbeiter der Welt an diesem Sonntag nach dem Fest des hl. Josef grüße, bitte ich Gott, daß er sie persönlich fördere und heilige und sie die Redlichkeit ihrer Anstrengung und ihrer Mühen auch als Dimension der Brüderlichkeit und als Weg zur Verständigung, zum Fortschritt und zum Frieden sehen läßt. Die Kirche mit ihrem Bemühen um Treue zu Gott und als „Zeichen“ und „Werkzeug“ Christi, des Erlösers, im Dienst an der Einheit der Menschheit sieht in der Arbeit eine Quelle des Lebens, der Würde, der Verwirklichung der Person und des Gemeinwohls. Christus selbst nahm die Arbeit als ein Gut, eine Pflicht und ein Mittel an, um den Plan Gottes zu verwirklichen und den Menschen zu retten. Ehre den Arbeitern! Und möge die von ihnen beherrschte und verwandelte Welt jeden Tag mehr dem Ruhme Gottes dienen und eine würdige Wohnstatt ihrer Menschenbrüder sein! Euch allen, liebe Arbeiter, euren Familien, euren Arbeitsgemeinschaften, den Initiativen, die ihr voll guten Willens ergreifen wollt, erteile ich meinen Apostolischen Segen. 1160 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die ganze Welt erfassen Ansprache beim Besuch der Satelliten-Erdfunkstelle Telespazio (Piana del Fucino) am 24. März Bei meinem leider nur flüchtigen, aber sehr interessanten Besuch in der Satelliten-Erdfunkstation Telespazio möchte ich aus ganzem Herzen ein Wort des Dankes und gute Wünsche an Sie richten. Mein Dank gilt vor allem den drei Herren Ministern, den Präsidenten des Regionalausschusses und Regionalrates der Abruzzen und den anderen anwesenden Autoritäten; mein besonderer Dank ergeht sodann an den Präsidenten der IRI, Prof. Romano Prodi, für die freundlichen Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat, und für die mir gegebenen Erläuterungen zum Betrieb dieses großartigen Weltraumzentrums. Ich danke den Leitern der zur IRI gehörenden Betriebe, insbesondere der STET und des Telespazio, und allen, die dazu beigetragen haben, daß die Botschaft der Brüderlichkeit und des Friedens, die ich heute vormittag an die Arbeiter der Marsica gerichtet habe, über die Grenzen dieser herrlichen Gegend und selbst über die Grenzen Europas hinaus vernommen werden konnte. Wir wissen, daß die im Jahr 1961 errichtete Erdfunkstelle Telespazio viel zur Eingliederung Italiens in die internationale Gemeinschaft des Fernmeldewesens beigetragen hat, wobei sie sich durch ihre Existenz und ihre Funktion Verdienste erworben hat, die hier nicht alle aufgezählt werden können. Der Hl. Stuhl selbst verdankt dem Bestehen und Einsatz dieser Erdfunkstelle die Möglichkeit, jedes Jahr mit den eindrucksvollen Bildern von den feierlichen Gottesdiensten, die besonders anläßlich des Oster- und des Weihnachtsfestes in Rom stattfinden, die ganze Welt zu erreichen. Sodann will ich unter anderem an dieser Stelle mit Befriedigung erwähnen, daß dank eurer Tätigkeit durch INMARSAT oft die Verbindung zwischen den Schiffen auf See und den Küstenstationen hergestellt werden kann und so die Rettung von Menschenleben in Not gefördert wird; ebenso erlaubt sie die Annahme und Auswertung der von einzelnen Satelliten übertragenen Daten, die, mit besonderen Sensoren ausgestattet, eine außerordentlich große Menge von Nachrichten auffangen und zur Erde senden, die nützlich sind für eine bessere Kenntnis und Verwaltung der natürlichen Energiequellen unseres Planeten. Ich weiß schließlich, daß Telespazio in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und der Internationalen Fernmeldeunion Programme zur 1161 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vermittlung und Weitergabe des technischen Know-how entwickelt und an zahlreiche Entwicklungsländer geliefert hat; es hat damit durch seine Aktivität bewiesen, daß die großen Kommunikationsnetze Voraussetzung für Entwicklung und Fortschritt sind. Wollen Sie, meine Herren, den Ausdruck meiner dankbaren Anerkennung für all das und zugleich den Wunsch entgegennehmen, daß Ihre Arbeit, die sich so wirkungsvoll um die Nutzung des Weltraums, einen der wichtigsten Bereiche der Entfaltung menschlicher Aktivität in den kommenden Jahrzehnten, bemüht, sich immer mehr als Baumeister des Wohlergehens und des Friedens für die ganze Menschheit erweisen möge. Zuneigung und Dankbarkeit Schreiben an Kardinal Paolo Bertoli vom 25. März An den ehrwürdigen Bruder Kardinal Paolo Bertoli! In dem Brief, den Sie mir mit Datum vom lö.März übersandt haben und der mich wirklich tief berührt hat, haben Sie mir zugleich mit der erfreulichen Nachricht von Ihrer Rückkehr nach Hause aus der Klinik Ihr Amt als Camerlengo der Hl. Römischen Kirche und die anderen Ihnen in den verschiedenen Dikasterien, Gerichten und Organen der Römischen Kurie übertragenen Aufgaben zur Verfügung gestellt. Ich verstehe die Motive, die Sie zu dieser Entscheidung veranlaßt haben, und bewundere tief die Kohärenz und die geistliche und moralische Gradlinigkeit, an die Sie sich gehalten haben, womit Sie einen weiteren Beweis für die Geradheit und Seelenstärke lieferten, die stets Ihre Persönlichkeit ausgezeichnet haben. Aber gleichzeitig muß ich mir doch Rechenschaft darüber geben, wieviel diese loyale und hochherzige Geste Sie gerade in diesem Augenblick der Prüfung gekostet hat. Ich bin Ihnen darum sehr nahe, Herr Kardinal. Nahe mit meinem Gebet, mit dem ich jeden Tag Ihrer gedenke und den Herrn bitte, er möge Ihnen Ihre gewohnte physische Kraft wiedergeben, die liebevolle Pflege, von der Sie umgeben werden, zum Erfolg führen und Sie mit froher Zuversicht und großem Seelenfrieden erfüllen. Und nahe bin ich Ihnen mit meiner Zuneigung und Dankbarkeit für alles, was Sie von Jugend an für das Wohl 1162 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Seelen, für den Dienst des Apostolischen Stuhls, für die Sendung der Kirche geleistet haben. Ihr Leben ist in der Tat ein ständiges Sich-Aufopfern - nicht selten - in schwierigen Situationen - für diese Ideale gewesen, die immer vor Ihrem Gewissen und Ihrem Engagement als Priester leuchteten: Belgrad, Paris, Port-au-Prince, Bern - das sind Namen, die Ihnen die Anfänge und die Festigung Ihrer Erfahrungen auf immer weiterem internationalem Gebiet in Erinnerung rufen, auch was die Lösung nicht weniger vom Weltkrieg verursachter Probleme sowie der der Flüchtlinge dieses Krieges betrifft. Nach Ihrer Erhebung in die Fülle des Priesteramtes erstreckte sich Ihre Tätigkeit auf immer weitere Gebiete: Als Apostolischer Delegat und Apostolischer Administrator in der Türkei konnten Sie eine intensive pastorale Tätigkeit entfalten, wobei Sie brüderliche Beziehungen mit der orthodoxen Hierarchie, insbesondere mit dem betrauerten Patriarchen Athenagoras, unterhielten; als Apostolischer Nuntius in Kolumbien förderten Sie die Errichtung neuer kirchlicher Jurisdiktionsbezirke und verfolgten die ersten Schritte der Tätigkeit des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM); als Apostolischer Nuntius im Libanon und nur ein Jahr später, 1960, in Frankreich, bemühten Sie sich stets hochherzig darum, jenen Ortskirchen und dem Apostolischen Stuhl zu dienen, wobei Sie durch Ihre menschlichen, diplomatischen und pastoralen Qualitäten die Liebe der Menschen gewannen. Als mein Vorgänger Paul VI. Sie 1969 in das Heilige Kollegium berief, eröffnete er Ihrem Geist und Ihrem Herzen die universalen Dimensionen der Kirche und bewies Ihnen damit sein Vertrauen, daß er Ihnen die Kongregation für die Heilig- und Seligsprechungen anvertraute, die Sie als Präfekt bis 1973 leiteten. Ich möchte auch an die Vermittlungs- und Befriedungstätigkeit erinnern, die Sie im Auftrag dieses Papstes 1976 im Libanon während der Krise entfalteten, mit der in diesem geliebten Land der blutige Bürgerkrieg seinen Anfang nahm. Ich selbst wollte, indem ich Sie zum sachkundigen und wertvollen Mitglied so vieler Organe der Zentralkirche ernannte bzw. darin bestätigte, vor allem aber durch meinen Wunsch, Sie als Camerlengo der Hl. Römischen Kirche besonders eng an mich zu binden, meine Wertschätzung Ihrer reichen menschlichen und priesterlichen Gaben bekunden und von Ihrer beispielhaften Erfahrung, Sachkunde und Zuverlässigkeit Gebrauch machen. Ich danke dem Herrn für die wertvolle Hilfe, die mir so von Ihnen zuteil geworden ist. Mit lebhaftem Bedauern und tief bewegt vom Ernst der angeführten Motive nehme ich daher die von Ihnen jetzt vorgetragene Bitte an, auf das 1163 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hohe Amt des Camerlengo und die anderen Ämter zu verzichten. Ich bin gewiß, daß die Erinnerung an all das Gute, das Sie getan haben, in der Situation, in die die Vorsehung Sie nun versetzt hat, Ihnen tröstlich und hilfreich sein wird, alle Schwierigkeiten für die volle Wiederherstellung Ihrer Kräfte zu überwinden. Mit herzlicher Anteilnahme werde ich im Gebet den Verlauf Ihrer Genesung verfolgen. Ich rufe auf Sie die Gaben der ständigen Gegenwart des Herrn und seines liebevollen Schutzes herab, während ich Ihnen, Herr Kardinal, und allen, die Sie mit ihrer Liebe und Zuvorkommenheit umgeben, von Herzen meinen tröstenden besonderen Apostolischen Segen erteile. Aus dem Vatikan, am 25. März 1985, Fest der Verkündigung des Herrn, im 7. Jahr meines Pontifikats PAPST JOHANNES PAUL II. Ein freies Vaterland aufbauen Ansprache an eine Gruppe von Parlamentariern aus dem Libanon am 29. März Herr Präsident! Meine Herren Abgeordneten! Über diese Begegnung mit Ihnen, Herr Präsident der Nationalversamlung des Libanon, und mit der Gruppe von Abgeordneten, die Sie begleiten, empfinde ich besondere Genugtuung. Ich habe das Gefühl, heute vormittag durch Sie wieder einmal zu allen Libanesen zu sprechen, die Sie repräsentieren, indem Sie einen parlamentarischen Auftrag wahrnehmen. Ich meine, daß unserer Begegnung eine große Bedeutung zukommt, da sie zugleich Stoff zum Nachdenken liefern kann. Sie wissen gut, mit welcher Aufmerksamkeit und welcher Sorge der Hl. Stuhl die - leider allzuoft schmerzlichen — Ereignisse Ihres Landes verfolgt und das kleinste Anzeichen zu ermutigen versucht, das die Logik der einander entgegengesetzten feindlichen Positionen zurückweist und der Hoffnung auf Frieden Raum gibt. Betonenswert scheint mir die Tatsache, daß Ihre Gruppe vom Präsidenten 1164 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Nationalversammlung angeführt wird und sich aus Vertretern fast aller politischen Käfte und religiösen Gruppen des Libanon zusammensetzt. Der pluralistische Charakter dieser Delegation ist für mich in der Tat ein Grund zur Hoffnung. Sie sind alle gemeinsam gekommen, um dem Papst die Erwartungen der Mehrheit des libanesischen Volkes vorzutragen. Während ich Ihren Schritt entgegennehme, möchte ich aus tiefstem Herzensgrund den Wunsch aussprechen, daß, so wie Sie sich in vereinter und solidarischer Weise aussprechen, auch alle ethnischen und religiösen Gemeinschaften, denen Sie angehören und die Sie vertreten, Ihre Gedanken und Gefühle teilen und entschlossen und bereit sein mögen, miteinander auszukommen und zusammenzuarbeiten. Wie Sie, meine Herren, bin ich mir wohl bewußt, daß es nach so vielen Kriegsjahren nicht leicht ist, den Weg frei zu machen, der zur Verständigung und zur gegenseitigen Achtung führt. Es ist nicht leicht, die vielen schmerzlichen Erinnerungen auszulöschen, die leider immer wieder unversöhnliche Haltungen hervorrufen und schüren können. Es ist noch immer nicht leicht, den anderen anzunehmen, solange die Furcht vor der Gegenwart und Zukunft für das eigene Leben wie das der eigenen Gemeinschaft besteht. Ich bin mir ebenso dessen bewußt, daß es nicht leicht ist, der Versuchung zur Entmutigung zu widerstehen. Das alles ist gewiß schwierig, aber nicht unmöglich. Nichts ist unwiderruflich verloren, wenn — wie ich in meinem Brief an alle Libanesen am 1. Mai 1984 schrieb - jeder libanesische Staatsbürger ein fundamentales Vertrauen in den Menschen und eine aufrichtige Liebe zum Vaterland bewahrt. Alle Libanesen sind, das weiß ich, der Geschichte ihres Landes verbunden und können sich vor allem voll Glauben an den einen Schöpfer, den Gott der Liebe und des Friedens, wenden. Als Vertreter der verschiedenen libanesischen Gemeinschaften und Regionen und als Mitglieder der Nationalversammlung sind Sie, meine Herren, gewissermaßen das Symbol der Einheit Ihres Landes: Garanten seiner Institutionen, deren Aufgabe es ist, die Gerechtigkeit sowie die Eintracht zugunsten aller zu fördern. Es handelt sich dabei um eine große Verantwortung, besonders wenn die Ereignisse und die Gewalt die Gefühle ersticken, die das soziale Leben inspirieren sollten, und vielleicht sogar die Fundamente der nationalen Institutionen untergraben. Aber selbst da - ich wiederhole es - ist die Aufgabe noch immer durchführbar, solange in Ihnen und in denen, die Sie vertreten, der gemeinsame Wunsch 1165 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN besteht, ein von ausländischer Einmischung freies Waterland aufzubauen, das um die legitimen Autoritäten vereint ist und in dem die Rechte, die Traditionen und Eigenheiten jeder Gemeinschaft gegenseitig anerkannt und respektiert werden. Die Respektierung dieser Rechte, die den einmaligen Charakter der libanesischen Identität bilden, liegt dem Hl. Stuhl sehr am Herzen. Er hat, wie Sie wissen, wiederholt alle Libanesen an die Erfordernisse einer echten Brüderlichkeit erinnert, wobei er jeden dazu einlud, den Werten mehr Geltung zu verschaffen, die einigend wirken und ein friedliches und nützliches Zusammenleben ermöglichen, indem sie in die notwendigen Verzichte einwilligen. Die extremistischen Haltungen, die übertriebenen Forderungen, die Anwendung von Gewalt, die Gleichgültigkeit angesichts des Leidens, der Bedürfnisse und der Rechte des anderen können nur neue Gewalttätigkeiten erzeugen, die unvermeidlich zur physischen oder psychischen Unterdrückung der Mitbürger führen würden, die doch trotz der Umstände immer Brüder bleiben. Ich bin überzeugt, daß jeder Libanese, der dieses Namens würdig ist, das nicht will. Die heutigen Libanesen werden den künftigen Generationen vor der Geschichte Antwort geben müssen über ihren tatsächlichen Willen zur Verständigung sowie der Echtheit Ihrer Liebe zum Vaterland. Herr Präsident! Meine Herren Abgeordneten! Ich vertraue Ihnen diese Gedanken an, die inspiriert sind von der tiefen Liebe, die ich für Ihre Heimat hege, und von den Leiden Ihrer Mitbürger. Ich bin überzeugt, daß Sie, so wie Sie sich Ihrer Verantwortung als Libanesen und als Politiker bewußt sind, keine Anstrengung scheuen werden, um mit Hilfe all jener, die irgendeine Entscheidungsgewalt innehaben, das Wohl des Libanon zu fördern. Ich bitte Sie, Ihren Kollegen der Nationalversammlung, den religiösen und politischen Verantwortlichen Ihrer Gemeinschaften und allen Ihren Mitbürgern die Aufforderung und Ermutigung des Papstes zu überbringen, niemals die Hoffnung zu verlieren, um immer besser bereit zu sein, mit Geduld einen konstruktiven Dialog aufzubauen, der die Grundlage des gegenseitigen Vertrauens und des bürgerlichen Friedens ist. Versichern Sie allen, daß auf ihrem schwierigen Weg der Papst an ihrer Seite ist. Mit diesen Gefühlen rufe ich auf den Libanon und auf jeden Libanesen den Segen Gottes, des Allmächtigen, herab. 1166 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Ihr müßt Werkleute des Friedens sein“ Ansprache an die Jugend aus aller Welt auf dem Platz vor der Lateranbasilika am 30. März Liebe Jugendliche! 1. Seid willkommen! Zu vielen von euch kann ich, so glaube ich, sagen: gut zurückgekehrt! Denn wir treffen uns ja wie vor einem Jahr. Damals würde das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung gefeiert, und wir verabschiedeten uns mit dem Versprechen, uns wiederzusehen. Jetzt wiederholt sich die Begegnung aus Anlaß des Internationalen Jahres der Jugend, das von der Organisation der Vereinten Nationen für dieses Jahr 1985 angesetzt wurde, weil man sich des entscheidenden Gewichtes bewußt ist, das die Jugend bei jedem zukunftsorientierten Projekt hat. Die Kirche will zu dieser Initiative ihren Beitrag leisten. Darum habe ich im besonderen an euch junge Leute die Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar dieses Jahres gerichtet. Und nun erleben wir miteinander diese internationale Begegnung, zu der ihr - wie ich zu meiner übergroßen Freude sehe - in großer Zahl aus allen Teilen der Welt zusammengeströmt seid. Es ist mir willkommen, die Delegation der Vereinten Nationen unter der Führung von Frau Meticia Ramos Shahani, Assistierender Generalsekretär des „Zentrums für die Soziale Entwicklung und Humanitäre Angelegenheiten“, und die Delegation der UNESCO, angeführt von Herrn Gerard BoIIa und Herrn Pier Luigi Vagliani, die sich aktiv in der Vorbereitung des Weltkongresses von Barcelona engagierten, geziemend zu begrüßen. Der Leitgedanke, den die Vereinten Nationen diesem Jahr übertragen haben, läßt sich in drei inhaltsreiche Worte gliedern: Teilhabe, Entwicklung, Frieden. Drei Grundwerte, drei Ziele, denen alle Jugendlichen der Welt ihre Kräfte zustreben lassen sollen. Vor allem auf das erste Ziel, die Teilhalbe, wollen wir heute abend unsere Aufmerksamkeit lenken. 2. Liebe Jugendliche, laßt mich den so bedeutsamen Gruß für euch wiederholen, den der Apostel Paulus an die Christen seiner Zeit richtete: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn, Jesus Christus“ (Röm 1,7). Ich möchte mit diesem Gruß im besonderen die jungen Leute, Jungen und Mädchen, erreichen, die zum 1167 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ersten Mal unter uns weilen. Ich wünsche mir, daß sie sich ganz zu Hause fühlen mögen und daß ihre Gegenwart eine Welle neuer Lebendigkeit mit sich bringe, aus der für alle um so größere Freude erwächst. 3. Liebe Freunde und Freundinnen, als ich mich jetzt in den verschiedenen Sprachen an euch wandte, haben die den einzelnen Sprachen angehörenden Gruppen unverzüglich reagiert, indem sie durch lautes Rufen und Beifall von der Freude Zeugnis gaben, die in ihnen ausgelöst wurde, als sie sich direkt angesprochen hörten. Die Sprache bewirkt, daß wir uns an die Gemeinschaft der Nation, des Volkes und der Volksgruppe, zu der wir gehören, gebunden fühlen. Durch die Sprache spüren wir, daß wir an dieser Gemeinschaft teilhaben. Freilich nicht nur durch die Sprache. Es gibt auch noch andere Faktoren, die dazu beitragen, in uns dieses Gefühl der Teilhabe am jeweiligen Vaterland zu entwickeln: die Geschichte, die Kultur, die Traditionen, das Brauchtum. In gewissem Sinne gilt das auch für die Religion. Aber was will das genau besagen: Teilhabe? Es soll heißen: miteinander, gemeinsam sein mit den anderen, und zugleich: durch jenes „Miteinander Sein“ sich selbst sein. Was die Menschen untereinander verbindet, was die einen am Leben der anderen teilnehmen läßt, ist das Miteinander-Teilen der Güter, ist die gemeinsame Annahme der Werte. 4. Dazu gehört das, was mit besonderer Deutlichkeit in der Familiengemeinschaft sichtbar wird. Denn die Familie ist ja nicht nur eine Gemeinschaft: Sie ist eine „Gemeinschaft von Personen“. Das bedeutet, daß jedes Familienmitglied am „Menschsein“ der anderen teilhat: Ehemann und Ehefrau - Eltern und Kinder - Kinder und Eltern. Groß ist daher die Bedeutung der Familie als Schule der Teilhabe! Und demnach ist es ein großer Verlust, wenn diese Schule der Teilhabe ausfällt, wenn die Familie zerstört wird. Liebe Jugend, setzt euch dafür ein, in eurer Zukunft gesunde Familien aufzubauen! Ich habe davon in dem Schreiben gesprochen, das ich eigens an euch gerichtet habe. Eine gesunde Familie ist die sicherste Gewähr für die stille Freude der Eheleute, und sie ist das größte Geschenk, das diese ihren Kindern machen können. 5. Ferner ist die Kirche eine besondere Schule der Teilhabe, das macht uns das wichtigste Ereignis des kirchlichen Lebens verständlich: die Teilhabe an der heiligen Messe. 1168 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Was bedeutet „an der heiligen Messe teilnehmen“? Wohlgemerkt: nicht nur „bei der Messe zugegen sein“, sondern „an der Messe teilhaben“. Um auf diese Frage antworten zu können, muß man erst einmal verstehen, was die Messe ist. Sie ist nicht einfach ein sakraler Ritus, dem man sozusagen als „neutraler“ Zuschauer beiwohnen kann. Die Messe ist das Opfer Christi und das Mahl, das er selbst bereitet und zu dem er uns alle als Tischgenossen einlädt. Die Speise, die er auf der eucharistischen Tafel darbietet, ist sein Fleisch und sein Blut, die er in den sichtbaren Formen des Brotes und Weines „zum Gedächtnis“ des Leibes und am Kreuz vergossenen Blutes an die Tischgenossen austeilt. „Nehmt und eßt . . .“ „Nehmt und trinkt . . .“: Alle sind zur Teilhabe am eucharistischen Mahl eingeladen, weil sich in ihm in geheimnisvoller Weise das erneuert, was alle angeht, das Geheimnis des Todes und der Auferstehung des Herrn, dank dem wir alle erlöst worden sind. Wenn sich bereits in jeder Gruppe von Gläubigen, die sich im Namen Christi versammelt, seine besondere Gegenwart verwirklicht - hat er etwa nicht versprochen: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ {Mt 18,20)? -, um wieviel mehr ist dann seine Gegenwart in der um seinen Altar versammelten Gemeinde lebendig und wirklich! Hier ist er in der Wirklichkeit seines Fleisches und seines Blutes inmitten der Gemeinschaft und, indem er jeden auffordert, sich von dieser göttlichen Speise zu nähren, macht er alle in sich zu einem einzigen Leib: „Ein Brot ist es - bemerkt der hl. Paulus mit zwingender Logik. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ (2 Kor 10,17). 6. Die Kirche erzieht uns also dadurch zur Teilhabe, daß sie uns in Gemeinschaft treten läßt mit dem Geheimnis Christi und im besonderen mit dem Paschamysterium, d. h. mit seinem Leiden, seinem Tod und seiner Auferstehung. Das ist das Geheimnis der Erlösung, also des Bundes, den Gott mit dem Menschen, mit der ganzen Menschheit schloß, indem er ihn „im Blut“, d. h. im Opfer, seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn, vollzog. Auch wir sind zu diesem Bund berufen; und diese Teilhabe nimmt Dauer-und Gewohnheitscharakter an. Der Mensch hat vor allem durch die Taufe daran teil, das Sakrament, in welchem Gott zur Bestätigung seines Freundschaftswillens, der nicht von Sinnesänderungen abhängig ist, der Seele des neuen Christen sein unauslöschliches Siegel einprägt. Gott ist treu; sein Bund hat nicht provisorischen, sondern beständigen Charakter. 1169 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die verschiedenen auf die Taufe folgenden Sakramente sind in Gottes Plan nur Bekräftigungen und Vertiefungen des anfänglichen und niemals widerrufenen Bundes, den er mit einem jeden von uns geschlossen hat. Der Mensch jedoch ist leider nicht imstande, der Initiative Gottes mit gleicher Treue zu entsprechen. In der Sünde lehnt er sich gegen den Bund auf und bricht ihn schließlich. Aber die Liebe Gottes kommt nicht einmal angesichts dieser Undankbarkeit zum Stillstand: Im Sakrament der Buße und der Wiederversöhnung kommt er dem reuigen Sünder entgegen, um ihn erneut in das Haus aufzunehmen und aufs neue die Bande des Bundes zu knüpfen, den dieser nicht erfüllt hatte. So wie der Vater in dem evangelischen Gleichnis, das ihr ja wohl kennt. 7. Jeder Aspekt des christlichen Lebens ist ontologisch Ausdruck der Teilhabe an dem neuen Bund, den Gott in Christus mit der Menschheit geschlossen hat. Dieser ontologischen Gegebenheit entspricht eine existentielle Verpflichtung: Der Christ ist angehalten, in seinem Leben tatkräftig die neue Wirklichkeit zu bezeugen, zu deren Teilhaber ihn die Liebe Gottes gemacht hat. Mit anderen Worten, er ist aufgerufen, in der Gemeinschaft der Kirche an der Heilssendung Christi teilzuhaben. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diesen Aspekt des christlichen Lebens besonders lebendig erläutert. Zum Beispiel heißt es in Lumen gentium: „Das Apostolat der Laien ist Teilnahme an der Heilssendung der Kirche selbst. Zu diesem Apostolat werden alle vom Herrn selbst durch Taufe und Firmung bestellt. Durch die Sakramente, vor allem durch die heilige Eucharistie, wird jene Liebe zu Gott und den Menschen mitgeteilt und genährt, die die Seele des ganzen Apostolats ist. Die Laien sind besonders dazu berufen, die Kirche an jenen Stellen und in den Verhältnissen anwesend und wirksam zu machen, wo die Kirche nur durch sie das Salz der Erde werden kann. So ist jeder Laie kraft der ihm geschenkten Gaben zugleich Zeuge und lebendiges Werkzeug der Sendung der Kirche selbst ,nach dem Maß der Gabe Christi (Eph 4,7)“ (Lumen gentium, Nr. 33). Das Konzil weist dann auch auf die Sendung der Laien hin, die „in verschiedener Weise zu direkterer Mitarbeit mit dem Apostolat der Hierarchie berufen werden, nach Art jener Männer und Frauen, die den Apostel Paulus in der Verkündigung des Evangeliums unterstützten und sich sehr im Herrn mühten“ (ebd.). Wir alle sind also dazu berufen, ähnlich den Aposteln Zeugen Christi zu sein. Eine Berufung, die ihre Wurzeln in der Taufe hat, die aber ihre ausdrückliche Verdeutlichung im Sakrament der christlichen Reife, der 1170 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Firmung, findet, die den Christen in besonderer Weise zum Teilhaber an der heilbringenden und prophetischen Sendung des Erlösers macht und ihn in den Alltagsverpflichtungen in dieser Berufung bestätigt und bestärkt: Confirmatio! Liebe Jugend, ich denke in diesem Augenblick an die verschiedenen Gruppen, Gemeinschaften, Verbände, denen viele von euch angehören. Vergeßt das nicht! Die Echtheit und Glaubwürdigkeit dieser Verbände hat ein sehr klares Kriterium, nach dem sie beurteilt werden kann: Die Gruppe, die Gemeinschaft, die Bewegung, der ihr angehört, ist in dem Maße glaubwürdig, in dem sie euch dabei hilft, an der Heilssendung der Kirche teilzuhaben, indem ihr so eure christliche Berufung in den verschiedenen Bereichen verwirklicht, in die euch die Vorsehung gestellt hat, um dort tätig zu werden. 8. Welchen Bedeutungsreichtum besitzt für den Christen dieses Wort: Teilhabe! Doch was ich bis jetzt gesagt habe, zeigte noch nicht voll und ganz die Teilhabe, zu der uns das Evangelim beruft. Der zentrale Kern der Botschaft Christi, die Aussicht auf die strahlende Helligkeit, an die menschliche Vernunft von allein niemals zu denken wagen könnte, ist euch ja wohl bekannt: In Jesus Christus sind wir dazu berufen, am Leben Gottes selbst, am Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit teilzuhaben. Das ist das Geschenk der Gnade. Und die Gnade ist wirkliche „Teilhabe an der göttlichen Natur“. Das sind die Worte des zweiten Petrusbriefes (2 Petr 1,4). Und der Apostel Johannes mahnt uns: „Jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, daß wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ {1 Joh 3,2). Darin besteht das Wesen des Heilsplanes Gottes. Unser Ziel ist also eine „Ähnlichkeit“ mit Gott, in der die Fähigkeit zu Teilhabe, die ja unserer Natur eigen ist, überstiegen und erhöht wird, bis sie sich dem Pulsschlag des Lebens öffnet, das Gott selber ist. Die Kirche, die uns auf dieses höchste und letzte Ziel hinweist, ist das Sakrament dieser Teilhabe. Sämtliche Aspekte ihres Lebens - das Gebet, die Sakramente, die Liturgie - haben keinen anderen Zweck als diesen: den Christen zu helfen, in ihrem eigenen Leben die Wirklichkeit dieser Teilhabe an der Liebe Gottes und die Kraft der sich daraus ergebenden Forderungen zu verkörpern. <194> <194> Unter diesen Forderungen ist die erste und grundlegendste die Liebe. Denn das göttliche Leben ist Liebesgemeinschaft. Wenn sie der Höhe- 1171 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN punkt und die Fülle der Teilhabe ist, zu der wir berufen sind, ist es logisch, daß das größte Gebot das der Gottes- und der Nächstenliebe ist. Wir sollten teilhaben an der Göttlichkeit und in dieser Teilhabe nach Maßstäben der Ewigkeit reifen, indem wir am Menschsein unserer Brüder teilhaben: in nah und fern. Das ist das „sittliche Mark“ unserer Berufung: der christlichen und der menschlichen Berufung. Das Gebot der Liebe fügt sich organisch in die Berufung zur Teilhabe ein. 10. So also müßt ihr Jugendliche euch in der Schule eurer Familien, eurer Gemeinden und Gemeinschaften, eurer Nationen, in der Schule der Kirche zu dem ganzen Reichtum der Teilhabe in der zwischenmenschlichen (sozialen) und zugleich an der religiösen und übernatürlichen Dimension erziehen. Ihr seid dazu berufen, an der wahren und authentischen Entwicklung teilzunehmen, die durch die richtige Ausgewogenheit zwischen „Sein“ und „Haben“ immer mehr zum Fortschritt in der Gerechtigkeit in den verschiedenen Bereichen und unter verschiedenen Gesichtspunkten werden soll; sie soll zum Fortschritt werden in der Gesellschaft im Zeichen der Liebe. Ihr Jugendlichen seid auch dazu berufen, an jenem großen und unerläßlichen Bemühen der ganzen Menschheit teilzuhaben, das die Beseitigung des Gespenstes des Krieges und den Aufbau des Friedens zum Ziele hat. Ihr müßt „Werkleute des Friedens“ sein, entsprechend der vielfältigen Bedeutung dieses Wortes, das ja viel reichere Bedeutungen umfaßt als die bloße Abwesenheit von Krieg. Ihr müßt „Werkleute des Friedens“ sein und euch damit zum Aufbau einer wahrhaft brüderlichen Gesellschaft verpflichtet fühlen. Mit diesem Thema habe ich mich in der Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar befaßt. Es wird nicht nutzlos sein, sie wieder zur Hand zu nehmen, um ihren Inhalt erneut zu erwägen. Während ich unterstrich,daß „der Friede und die Jugend zusammen unterwegs sind“, sagte ich in der Botschaft unter anderem: „Die Zukunft des Friedens und darum auch die Zukunft der Menschheit ist in besonderer Weise den moralischen Grundentscheidungen anvertraut, die eine neue Generation von Männern und Frauen zu fällen berufen ist“ (Botschaft zum 18. Weltfriedenstag am 1. Januar 1985, Nr. 2, in O.R. dt., 21. 12. 84, S. 1). <195> <195> Diese neue Generation seid ihr. An den Beginn des Schreibens, das ich im Hinblick auf diese Begegnung an die Jugend der ganzen Welt gerichtet habe, stellte ich an Hand des ersten Petrusbriefes den folgenden 1172 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wunsch: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (1 Petr 3,15). Diesen Wunsch wiederhole ich jetzt für euch und beende mit ihm meine Ansprache. Und zugleich lade ich euch ein, morgen am Gottesdienst teilzunehmen. Alle zusammen auf dem Weg Christi! Alle zusammen auf den Wegen der Liebe! Keiner ziehe sich zurück. Ich bin euch nahe. Immer! Und ich segne euch aus ganzem Herzen. Auf Wiedersehen! Schreiben an alle Bischöfe der katholischen Kirche 31. März 1985 Verehrte und liebe Brüder im Bischofsamt! Das laufende Jahr 1985 als Internationales Jahr der Jugend bietet auch uns Gelegenheit, der Jugend Christus vorzustellen und ihr gleichzeitig den Platz zu zeigen, den sie in der Kirche einnimmt. Deshalb müssen wir etwas Konkretes auf dem Gebiet der Jugendpastoral tun, in Rom wie in den Ortskirchen, auf nationaler, diözesaner und pfarrlicher Ebene, im Rahmen der einzelnen Vereinigungen und der einzelnen apostolischen Bewegungen, die die Jugend zusammenschließen. Nehmt deshalb den beigefügten Brief an die Jugend entgegen, von dem ihr nach eurem Gutdünken Gebrauch machen könnt. Er kann auch den Ausgangspunkt für andere Verlautbarungen zum Thema Jugend bilden, mit denen ihr als Hirten eurer Kirchen euch noch besser den konkreten Umständen und Notwendigkeiten anpassen könnt. Auch der Brief an die Priester zum Gründonnerstag dieses Jahres behandelt das gleiche Thema. Denn alle haben an der Liebe teil, die der gute Hirt Christus für die jungen Seelen hegt, indem er ihnen den Weg der Wahrheit, des Heils und des Friedens zeigt. Während ich mich, verehrte und liebe Brüder, mit euch in den Mühen der Fastenzeit und den Osterfreuden verbinde, vertraue ich Christus euren und meinen Dienst in brüderlicher Liebe an. Aus dem Vatikan, am 31. März, dem Palmsonntag des Jahres 1985, dem siebten Jahr meines Pontifikats IOANNES PAULUS PP. II 1173 Schreiben an alle Priester der Kirche zum Gründonnerstag 1985 31. März 1985 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Brüder im Priesteramt! 1. IN DER LITURGIE des Gründonnerstags verbinden wir uns in besonderer Weise mit Christus, der ewigen und fortwährenden Quelle unseres Priestertums in der Kirche. Er allein ist der Priester seines eigenen Opfers, wie er auch die einzigartige Opfergabe (hostia) seines Priestertums beim Opfer auf Golgota ist. Beim Letzten Abendmahl hat er der Kirche dieses sein Opfer - das Opfer des Neuen und Ewigen Bundes - als Eucharistia hinterlassen: als Sakrament seines Leibes und Blutes unter den Gestalten von Brot und Wein „nach der Ordnung Melchisedeks“. Wenn Christus den Aposteln sagt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ <196> setzt er damit die Verwalter dieses Sakramentes in der Kirche ein, wo das von ihm zur Erlösung der Welt dargebrachte Opfer für alle Zeiten fortgeführt, erneuert und gegenwärtig gesetzt werden soll; zugleich beauftragt er diese, in der Kraft ihres sakramentalen Priestertums an seiner Statt, „in persona Christi“, dabei zu handeln. <196> Bei der Feier des Gründonnerstags gibt die Gemeinschaft der Priester -das Presbyterium - einer jeden Ortskirche, angefangen bei der Kirche von Rom, ihrer Einheit im Priestertum Christi einen besonderen Ausdruck. So An alldem, liebe Mitbrüder, erhalten wir in der Kirche Anteil durch die apostolische Nachfolge. Der Gründonnerstag ist jedes Jahr der Geburtstag der Eucharistie und gleichzeitig der Geburtstag unseres Priestertums, das vor allem ein dienendes, dann aber auch ein hierarchisches Priestertum ist. Dienend ist es, weil wir kraft unserer heiligen Weihe jenen Dienst in der Kirche verrichten, der nur den Priestern übertragen ist, insbesondere den Dienst an der Eucharistie. Hierarchisch ist es, weil dieser Dienst uns gestattet, die einzelnen Gemeinden des Volkes Gottes als Hirten zu leiten in Gemeinschaft mit den Bischöfen, die von den Aposteln die Vollmacht und das Charisma des Hirtendienstes in der Kirche geerbt haben. 1176 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN uns, jedem einzelnen und allen zusammen im Presbyterium der ganzen Kirche, in der Priesterweihe zuteil geworden ist. <197> <197> Jesus Christus ist auch in diesem Zusammenhang das vollkommenste Bei- Das Gefühl demütiger Dankbarkeit soll uns Jahr für Jahr besser darauf vorbereiten, das Talent, das der Herr uns am Tage seines Abschieds übergeben hat, zu vervielfachen, damit wir am Tag seines zweiten Kommens vor ihn treten können, wir, denen er gesagt hat: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte... Vielmehr habe ich euch Freunde genannt... Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Fmcht bringt und daß eure Frucht bleibt“. <198> spiel. Sein Gespräch mit dem jungen Mann, das wir in allen drei synoptischen 3. Im Hinblick auf diese Worte unseres Meisters, die den schönsten Glückwunsch für den Geburtstag unseres Priestertums enthalten, möchte ich in diesem Schreiben zum Gründonnerstag eine der Aufgaben berühren, die uns auf dem Weg unserer priesterlichen Berufung und der apostolischen Sendung unbedingt begegnen. Von dieser Aufgabe handelt ausführlicher das „Schreiben an die Jugendlichen“, das ich dieser Botschaft zum Gründonnerstag dieses Jahres beifüge. Das laufende Jahr 1985 wird auf Initiative der Vereinten Nationen in der ganzen Welt als Internationales Jahr der Jugend begangen. Es schien mir, daß die Kirche diese Initiative nicht unbeachtet Vorbeigehen lassen dürfe, wie sie es auch bei anderen wertvollen Initiativen internationalen Charakters nicht getan hat, wie zum Beispiel beim Jahr der alten Menschen oder dem der Behinderten und ähnlichen. Bei all solchen Initiativen darf die Kirche nicht am Rande bleiben, vor allem deshalb nicht, weil diese ja gerade im Mittelpunkt ihrer Sendung und ihres Dienstes stehen, die darin bestehen, sich als Gemeinschaft von Gläubigen aufzubauen und heranzuwachsen, wie die Dogmatische Konstitution Lumen gentium des II. Vatikanischen Konzils deutlich hervorhebt. Jede dieser Initiativen bestätigt ihrerseits, daß die Kirche in der Welt von heute wirklich gegenwärtig ist, wie das Konzil in der Pastoralkonsti-tution Gaudium et spes meisterhaft dargelegt hat. Darum möchte ich auch im diesjährigen Schreiben zum Gründonnerstag einige Gedanken zum Thema der Jugend im pastoralen Wirken der Priester und in dem mit unserer Berufung ganz allgemein verbundenen Apostolat darlegen. 1177 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN priesterlichen und pastoralen Einsatz für die Jugendlichen bedenken wollen, ist es sinnvoll, sich dieser Quelle zuzuwenden und aus ihr zu schöpfen. Jesus Christus muß für uns bei alldem die erste und grundlegende Quelle der Inspiration bleiben. Der Text des Evangeliums deutet an, daß der junge Mann einen leichten Zugang zu Jesus hatte. Für ihn war der Meister von Nazaret eine Person, an die er sich vertrauensvoll wenden konnte: jemand, dem er seine wesentlichen Fragen anvertrauen konnte; jemand, von dem er eine wahre Antwort erwarten konnte. Dies alles ist auch für uns ein Hinweis von grundlegender Bedeutung. Jeder von uns soll sich darum bemühen, ähnlich wie Christus für andere zugänglich zu sein: Für die jungen Menschen darf es nicht schwierig sein, sich dem Priester zu nähern; an ihn müssen sie dieselbe Offenheit und Verfügbarkeit, dieselbe Gesprächsbereitschaft gegenüber den Problemen feststellen können, die sie bedrängen. Ja, wenn sie von Natur aus etwas zurückhaltend oder verschlossen sind, sollte das Verhalten des Priesters es ihnen erleichtern, die Widerstände zu überwinden, die von dort herrühren. Im übrigen gibt es verschiedene Wege, jenen Kontakt herzustelllen und zu vertiefen, der insgesamt als „Heilsdialog“ bezeichnet werden kann. Zu diesem Thema könnten die in der Jugendseelsorge eingesetzten Priester selbst viel sagen; ich möchte mich also einfach auf ihre Erfahrung beziehen. Eine besondere Bedeutung hat hier natürlich die Erfahrung der Heiligen; wir wissen ja, daß in den Generationen von Priestern auch die „heiligen Jugendseelsorger“ nicht fehlen. Die Zugänglichkeit des Priesters für Jugendliche bedeutet nicht nur eine leichte Kontaktaufnahme mit ihnen im Raum der Kirche oder auch außerhalb, wo immer sich junge Menschen den gesunden Neigungen ihres Alters entsprechend gern aufhalten (ich denke hier zum Beispiel an den Tourismus, den Sport und auch an den ganzen Bereich kultureller Interessen). Die Zugänglichkeit, von der Christus uns ein Beispiel gibt, besagt noch etwas mehr. Der Priester muß nicht nur durch seine theologisch-geistliche Ausbildung, sondern auch durch Kompetenz in den Erziehungswissenschaften Vertrauen erwecken als einer, dem die Jugendlichen Probleme grundsätzlicher Natur anvertrauen können, Fragen ihres geistlichen Lebens und Gewissensfragen. Der junge Mann, welcher vor Jesus von Nazaret tritt, fragt in direkter Weise: „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“. Die gleiche Frage kann auch anders gestellt werden, nicht immer so ausdrücklich; oft wird sie nur indirekt gestellt und scheinbar ohne unmittelbaren Bezug zum Fragenden. Auf jeden Fall umschreibt die vom Evangelium berichtete Frage gleichsam einen weiten Raum, in dem sich unser pastorales Gespräch mit der Jugend bewegt. Sehr viele Fragen haben 1178 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in diesem Raum Platz, zahlreiche mögliche Fragen wie auch viele mögliche Antworten; denn das menschliche Leben ist vor allem in der Jugendzeit reich an vielfältigen Fragen, und das Evangelium seinerseits ist reich an möglichen Antworten. 5. Der Priester muß im Kontakt mit den Jugendlichen zuhören und antworten können. Beides soll Frucht seiner inneren Reife sein und in klarer Übereinstimmung von Leben und Lehre geschehen; noch mehr aber soll es Frucht des Gebetes, der Einheit mit Christus, dem Flerm, und der Führung durch den Fleiligen Geist sein. Eine entsprechende Ausbildung ist hierfür natürlich wichtig, vor allem aber das Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Wahrheit und dem Gesprächspartner. Das von den synoptischen Evangelien überlieferte Gespräch zeigt, daß der Meister in den Augen des jungen Mannes, der sich an ihn wendet, eine besondere Glaubwürdigkeit und Autorität hat: eine moralische Autorität. Der junge Mann erwartet von ihm die Wahrheit, und er nimmt seine Antwort an als Ausdruck einer Wahrheit, die verpflichtet. Diese Wahrheit kann anspruchsvoll sein. Wir dürfen keine Angst davor haben, von den jungen Menschen viel zu fordern. Es mag sein, daß jemand „traurig“ weggeht, wenn er glaubt, der einen oder anderen Forderung nicht gewachsen zu sein; eine solche Traurigkeit kann jedoch auch „heilsam“ sein. Bisweilen müssen sich junge Menschen durch solche heilsame Traurigkeit den Weg bahnen, um stufenweise zur Wahrheit und zu der Freude zu gelangen, welche diese zu schenken vermag. Die Jugendlichen wissen übrigens, daß etwas wirklich Gutes nicht „billig“ zu haben ist, sondern seinen Preis kostet. Sie besitzen ein gewisses gesundes Gespür für Werte. Wenn der Grund ihrer Seele noch nicht verdorben ist, reagieren sie unmittelbar nach ihrem gesunden Urteil. Wenn jedoch die Verdorbenheit schon eingedrungen ist, muß man diesen Grund erneuern; und das ist nicht anders möglich als durch wahre Antworten und durch den Aufweis wahrer Werte. Es ist lehrreich, wie Christus hierbei vorgeht. Als der junge Mann sich an ihn wendet C^guter Meister“), tritt Jesus selbst gewissennaßen beiseite, indem er antwortet: „Niemand ist gut außer Gott“. In all unseren Kontakten mit 'Jugendlichen scheint dies tatsächlich besonders wichtig zu sein. Wir müssen uns mehr denn je persönlich einsetzen, wir müssen mit der ganzen Natürlichkeit eines Gesprächspartners, Freundes und Führers handeln; gleichzeitig aber dürfen wir auch nichtfiir einen Augenblick Gott dadurch verdunkeln, daß wir uns selbst in den Vordeigrund rücken. Wir dürfen nicht den verdunkeln, „der allein gut ist“, der unsichtbar und doch zugleich in höchstem Grade gegenwärtig ist: „näher meiner Seele als ich selbst“, wie der hl. Augustinus 1179 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sagt. Wenn wir uns auf ganz natürliche Weise mit all unserer Person einset-zen, dürfen wir dabei doch nicht vergessen, daß die „erste Person“ in jedem Gespräch über das Heil nur derjenige sein kann, der als einziger heilt und als einziger heiligt. Jeder Kontakt mit den Jugendlichen, jegliche Pastoral - auch jene mehr „weltliche“, was den äußeren Rahmen angeht - müssen in aller Demut dazu dienen, den Raum für Gott in Jesus Christus zu öffnen und zu erweitern, weil „mein Vater noch immer am Werk ist und auch ich am Werk bin“ 6. In der Darstellung des Evangeliums vom Gespräch zwischen Christus und dem jungen Mann gibt es einen Ausdruck, den wir uns in besonderer Weise zu eigen machen müssen. Der Evangelist sagt, daß Jesus „ihn anschaute und liebgewann“.u Hier berühren wir in der Tat den entscheidenden Punkt. Wenn wir jene fragen könnten, die unter den Generationen von Priestern am meisten für die jungen Menschen, für Jungen und Mädchen getan haben und die bei der Jugendarbeit in höherem Maße bleibende Früchte erzielt haben, würden wir uns davon überzeugen, daß die erste und tiefste. Quelle ihres erfolgreichen Wirkens dieser „liebende Blick“ Christi war. Man muß diese Liebe in unserem priesterlichen Herzen richtig verstehen. Sie ist ganz einfach die Liebe „zum Nächsten“: die Liebe zum Menschen in Christus, die jeden einzelnen und alle umfaßt. Die Liebe zur Jugend ist nichts Ausschließliches, als wenn sie sich nicht auch auf andere erstrecken dürfte, wie zum Beispiel auf die Erwachsenen, auf die alten und kranken Menschen. Ja, die Liebe zur Jugend entspricht nur dann dem Evangelium, wenn sie aus der Liebe zu jedem und für alle entspringt. Gleichwohl besitzt sie als solche ihren besonderen, geradezu charismatischen Charakter. Denn diese Liebe entspringt, indem man sich besonders zu Herzen nimmt, was die Jugend im Leben des Menschen bedeutet. Zweifellos haben die jungen Menschen einen besonderen Charme, der mit ihrem Alter gegeben ist; zuweilen aber besitzen sie auch manche Schwächen und Fehler. Der junge Mann im Evangelium, mit dem Jesus spricht, zeigt sich einerseits als Israelit, der den Geboten Gottes treu ist; dann aber erscheint er als ein Mensch, der allzu sehr von seinem Reichtum bestimmt wird und zu stark an seinen Gütern hängt. Die Liebe zu den jungen Menschen, die für jeden echten Erzieher und guten Seelsorger unerläßlich ist, weiß sehr wohl um die Vorzüge und Fehler, die für die Jugend und die jungen Menschen eigentümlich sind. Diese Liebe erreicht aber - wie die Liebe Christi - durch die Vorzüge und Fehler hindurch den Menschen selbst; sie erreicht einen Menschen, der sich in einem äußerst wichtigen Abschnitt seines Lebens befindet. Es sind wirklich viele 1180 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dinge, die sich in diesem Lebensabschnitt formen und entscheiden, bisweilen in einer nicht rückgängig zu machenden Weise. Vom Verlauf der Jugend hängt in großem Maße die Zukunft eines Menschen ab, das heißt die Zukunft einer konkreten und einmaligen menschlichen Person. Die Jugendzeit ist darum im Leben eines jeden Menschen ein Abschnitt besonderer Verantwortung. Die Liebe zu den jungen Menschen ist vor allem das Wissen um diese Verantwortung und die Bereitschaft, sie mit ihnen zu teilen. Eine solche Liebe ist wirklich uneigennützig. Sie weckt Vertrauen bei den Jugendlichen. Ja, Vertrauen haben sie in dieser Lebensphase besonders nötig. Jeder von uns Priestern muß in einer besonderen Weise zu einer solchen selbstlosen Liebe bereit sein. Man kann sagen, daß alle Askese des prie-sterlichen Lebens, die tägliche Arbeit an sich selber, der Geist des Gebetes, die Einheit mit Christus, das Vertrauen auf seine Mutter, sich gerade an diesem Punkt täglich bewähren muß. Die jungen Menschen sind besonders feinfühlig, wie auch ihr Denken mitunter sehr kristisch ist. Eine entsprechende intellektuelle Ausbildung ist deshalb für den Priester wichtig. Zugleich jedoch bestätigt die Erfahrung, daß noch wichtiger Güte, Hingabe und auch Festigkeit sind: also Qualitäten des Charakters und des Herzens. Liebe Mitbrüder, ich denke, jeder von uns muß den Herrn inständig darum bitten, daß sein Kontakt mit den jungen Menschen wesentlich eine Teilnahme an jenem Blick sei, mit dem Christus den jungen Mann im Evangelium „anschaute“, sowie eine Teilnahme an jener Liebe, mit der er ihn „liebte“. Auch muß man inständig darum beten, daß diese selbstlose priesterliche Liebe konkret den Erwartungen der ganzen Jugend, der Jungen und Mädchen, entspreche. Es ist ja bekannt, wie sehr verschieden der Reichtum ist, den das Mann- oder Frausein für die Entwicklung einer konkreten und einmaligen menschlichen Person darstellt. Im Hinblick auf jeden einzelnen dieser jungen Menschen müssen wir von Christus jene Liebe lernen, mit der er selbst geliebt hat. 7. Die Liebe macht uns fähig, auf das Gute hinzuweisen. Jesus „blickte mit Zuneigung“ seinen jungen Gesprächspartner im Evangelium an und sagte zu ihm: „Folge mir nach“M Das Gute, auf das wir die Jugendlichen hinweisen können, schließt immer die Aufforderung ein: Folge Christus nach! Wir haben kein anderes Gut anzubieten, niemand hat ein größeres Gut vorzulegen. Folge Christus nach, das will vor allem besagen, bemühe dich darum, dich selbst auf möglichst tiefe und überzeugende Weise zu finden. Trachte danach, dich als Menschen zu finden. Christus ist nämlich derjenige, der - wie das Konzil lehrt - „dem Menschen den Menschen selbst voll kundmacht und ihm seine höchste Berufung erschließt“. 1181 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Darum folge Christus nach! Das besagt, bemühe dich, jene Berufung zu finden, in der sich der Mensch und seine Würde verwirklichen. Nur im Lichte Christi und des Evangeliums können wir voll begreifen, was es heißt, daß der Mensch als Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist. Nur indem wir ihm nachfolgen, können wir dieses ewige Bild im konkreten Leben mit Inhalt füllen. Dieser Inhalt ist vielgestaltig; es gibt viele Berufungen und Lebensaufgaben, denen gegenüber die Jugendlichen ihren eigenen Weg bestimmen müssen. Dennoch gilt es, auf jedem dieser Wege eine Grundberufung zu verwirklichen: nämlich Mensch zu sein! Und dies als Christ! Mensch zu sein nach dem Maß der Gnade Christi. Wenn unser priesterliches Herz mit Liebe zu den Jugendlichen erfüllt ist, werden wir ihnen zu helfen wissen auf ihrer Suche nach einer Antwort darauf, was die Lebensberufung für einen jeden von ihnen ist. Wir werden ihnen zu helfen wissen, wobei wir ihnen bei ihrer Suche und Wahl die volle Freiheit lassen, ihnen aber zugleich den grundlegenden Wert - im menschlichen und christlichen Sinn - jeder dieser Entscheidungen aufzeigen. Wir werden es auch verstehen, bei ihnen, bei jedem einzelnen von ihnen zu sein in den Prüfungen und Leiden, vor denen auch die Jugend nicht verschont bleibt. Ja, mitunter wird sie dadurch außerordentlich belastet. Es sind Leiden und Prüfungen verschiedener Art: Enttäuschung, Emüchtemng, echte Krisen. Die Jugend ist besonders empfindlich und nicht immer vorbereitet auf die Schläge, die das Leben austeilt. Die heutige Bedrohung der menschlichen Existenz in weiten Gesellschaftsbereichen, ja in der ganzen Menschheit, verursacht zu Recht Unruhe unter vielen Jugendlichen. Wr müssen ihnen in dieser Besorgnis helfen, ihre Berufung zu entdecken. Gleichzeitig müssen wir sie unterstützen und bestärken in ihrem Wunsch, die Welt zu verändern, sie menschlicher und brüderlicher zu machen. Hierbei geht es nicht nur um Worte; es handelt sich um die ganze Wirklichkeit jenes,Weges“, den Christus uns zu einer so verwandelten Welt zeigt. Diese Welt heißt im Evangelium das Reich Gottes. Das Reich Gottes ist zugleich auch das wahre „Reich des Menschen“: die neue Welt, in der sich die wahre „königliche Würde des Menschen“ verwirklicht. Die Liebe ist fähig, auf das Gute hinzuweisen. Als Christus zum jungen Mann sagt: „Folge mir nach“, ist das in diesem konkreten Fall des Evangeliums ein Ruf, „alles zu verlassen“ und den Weg der Apostel einzuschlagen. Das Gespräch Christi mit dem jungen Mann ist das Urbild für viele verschiedenartige Gespräche, bei denen sich vor der Seele junger Menschen die Perspektive zum Priester- oder Ordensberuf eröffnet. Wir müssen, liebe Brüder, Priester und Seelsorger, es verstehen, diese Berufungen richtig zu erkennen. „Die Ernte ist (wirklich) groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter!“ Hier und da 1182 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sind es sogar sehr wenige! Bitten wir deshalb den „Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“. Beten wir selber und bitten wir auch die anderen, dafür zu beten. Bemühen wir uns vor allem, durch unser eigenes Leben ein Bezugspunkt, ein konkretes Modell für Priester- und Ordensberufe zu sein. Die Jugendlichen brauchen unbedingt ein solch konkretes Modell, um zu erkennen, ob sie eventuell selbst eine ähnliche Straße einzuschlagen vermögen. In dieser Hinsicht kann unser Priestertum auf einzigartige Weise fruchtbar werden. Bemüht euch darum und betet, daß das Geschenk, das ihr empfangen habt, auch für die anderen zur Quelle einer ähnlichen Hingabe werde: gerade für die Jugendlichen. 8. Man könnte über dieses Thema noch viel sagen und schreiben. Die Erziehung und Pastoral der Jugendlichen sind der Gegenstand vieler systematischer Studien und Veröffentlichungen. In diesem meinem Schreiben zum Gründonnerstag möchte ich mich, liebe Brüder im Priesteramt, nur auf einige Gedanken beschränken. Ich möchte gewissermaßen eines der Themen „signalisieren“, das zum vielfältigen Reichtum unserer priesterlichen Berufung und Sendung gehört. Über dasselbe Thema handelt noch ausführlicher das Schreiben an die Jugendlichen, das ich zusammen mit dem vorliegenden euch überreiche, damit ihr euch ihrer besonders während des Jahres der Jugend bedienen könnt. In der früheren Liturgie, an die sich die älteren Priester noch erinnern, begann die hl. Messe mit dem Stufengebet vor dem Altar; seine ersten Worte lauteten: „Introibo ad altare Dei - ad Deum, qui laetificat iuventutem meam"w („Zum Altare Gottes will ich treten - zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf). Am Gründonnerstag kehren wir alle zur Quelle unseres Priestertums, in den Abendmahlssaal zurück. Wir betrachten, wie es während des Letzten Abendmahles im Herzen Jesu Christi entstanden ist. Wir überdenken ebenso, wie es im Herzen eines jeden von uns aufgekeimt ist. An diesem Tag möchte ich euch, liebe Brüder, - unabhängig vom Alter und der Generation, der einer angehört - wünschen, daß das „Hinzutreten zum Altare Gottes“ (wie es im Psalm heißt) für euch die übernatürliche Quelle der Jugend eures Geistes sei, die von Gott selbst kommt. Er „erfreut uns mit der Jugend“ seines ewigen Geheimnisses in Jesu Christus. Als Priester dieses Heilsgeheimnisses nehmen wir teil an den Quellen der Jugend Gottes selbst: an der unerschöpflichen „Neuheit des Lebens“, das sich mit Christus in unsere menschlichen Herzen ergießt. Möge diese göttliche Jugend für uns alle und durch uns für die anderen, besonders für die Jugendlichen, eine Quelle des Lebens und der Heiligkeit 1183 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN werden. Diese Wünsche empfehle ich dem Herzen Mariens; sie ist ja mitgenannt, wenn wir singen: „Ave verum Corpus, natum de Maria Virgine. Vere passum, immolatum in Cruce pro homine. Esto nobis praegustatum mortis in examine“ In tiefer Verbundenheit erneuere ich von Herzen meinen Apostolischen Segen, um euch in eurem Dienst zu bestärken. Aus dem Vatikan, am 31. März, dem Palmsonntag des Jahres 1985, dem siebten meines Pontifikates Anmerkungen: 1 Ps 110, 4; vgl. Hebr 7, 17. 2 Lk 22, 19; vgl. 1 Kor 11, 24 f. 3 Vobis enim sum episcopus, vobiscum sum christianus“: Senn. 340, 1: PL 38, 1483. 4 Vgl. Ps 16, 5 (Vulgata): „Dominus pars hereditatis meae et calicis mei“. 5 Joh 15, 15 f. 6 Vgl. Mt 19, 16-22; Mk 10, 17-22; Lk 18, 18-23. 7 Mk 10, 17. 8 Vgl. Mt 19, 17; Mk 10, 18; Lk 18, 19. 9 AUGUSTINUS, Confessiones III, VI, 11: CSEL 33, S. 53. 10 Joh 5, 17. 11 Mk 10, 21. 12 Mt 19, 21; Mk 10, 21; Lk 18, 22. 13 II. VATIKANISCHES KONZIL, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 22. 14 Vgl. Eph 4, 7. 15 Mt 9, 37 f. 16 Ps 43, 4 (Vulgata). 1184 Apostolisches Schreiben an die Jugendlichen in der Welt zum Internationalen Jahr der Jugend 31. März 1985 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Freunde! Gute Wünsche zum Jahr der Jugend 1. „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“d Das ist mein Wunsch, den ich an euch, liebe Jugendliche, seit Beginn dieses Jahres richte. Das Jahr 1985 ist von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Jugend erklärt worden. Darin liegt eine vielfältige Bedeutung vor allem für euch selbst, dann aber auch für alle Altersstufen, für die einzelnen Personen, für die Gemeinschaften und für die ganze Gesellschaft. Darin liegt eine besondere Bedeutung auch für die Kirche als Hüterin grundlegender Wahrheiten und Werte und zugleich als Dienerin der ewigen Bestimmung, die der Mensch und die große Menschheitsfamilie in Gott selbst haben. Wenn der Mensch „der erste und grundlegende Weg der Kirche“2 ist, dann versteht man gut, warum die Kirche die Jugendzeit als einen entscheidenden Abschnitt im Leben eines jeden Menschen für besonders wichtig hält. Ihr jungen Menschen verkörpert diese Jugend: Ihr seid die Jugend der Völker und Gesellschaften, die Jugend der Familien und der ganzen Menschheit; ihr seid auch die Jugend der Kirche. Alle schauen wir auf euch, weil wir alle durch euch in einem gewissen Sinne immer wieder jung werden. Darum ist euer Jungsein nicht allein euer Eigentum, nur euer ganz persönliches Eigentum oder das einer Generation: Es gehört zu jenem Gesamtbereich, den jeder Mensch auf seinem Lebensweg durchschreitet, und ist zugleich ein besonderes Gut aller. Es ist ein Gut der ganzen Menschheit. In euch liegt Hoffnung, weil ihr zur Zukunft gehört, wie die Zukunft euch , gehört. Die Hoffnung ist ja immer mit der Zukunft verbunden; sie ist die Erwar-, tung der „künftigen Güter“. Als christliche Tugend ist sie verbunden mit der Erwartung jener ewigen Güter, die Gott dem Menschen in Jesus Christus versprochen hat.3 Gleichzeitig ist die Hoffnung als christliche und menschliche Tugend auch die Erwartung jener Güter, die der Mensch schaffen kann, indem er die Talente nutzt, die ihm die Vorsehung gegeben hat. In diesem Sinne gehört euch, liebe Jugendliche, die Zukunft, so wie sie einmal der Generation der Erwachsenen gehört hat und nun mit diesen zusammen Gegenwart geworden ist. Für diese Gegenwart in ihrer vielfältigen Form und Ausrichtung sind vor allem die Erwachsenen verantwortlich. Euch kommt die Verantwortung zu für das, was eines Tages mit euch zusammen Gegenwart werden wird und zur Zeit noch Zukunft ist. 1186 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn wir sagen, daß euch die Zukunft gehört, denken wir in Kategorien menschlicher Vergänglichkeit»,die immer ein Voranschreiten auf Zukunft hin bedeutet. Wenn wir sagen, daß von euch die Zukunft abhängt, denken wir in ethischen Kategorien, nach den Erfordernissen moralischer Verantwortung, die von uns verlangt, den grundlegenden Wert von menschlichen Akten und Vorsätzen, von Initiativen und Absichten dem Menschen als Person - und den Gemeinschaften und Gesellschaften, die sich aus menschlichen Personen zusammensetzen - zuzuordnen. Diese Dimension gehört auch wesentlich zur christlichen und menschlichen Hoffnung. In dieser Hinsicht ist der erste und wichtigste Wunsch, den die Kirche in diesem Jahr für die Jugend durch .meinen Mund an euch junge Menschen richtet, der. folgende: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der. nach' der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“.4 Christus spricht mit den Jugendlichen 2. Diese Worte, die seinerzeit der Apostel Petrus an die erste christliche Generation geschrieben hat, stehen im Zusammenhang mit dem ganzen Evangelium Jesu Christi. Wir können diese Beziehung genauer erkennen, wenn wir das Gespräch Christi mit dem jungen Mann betrachten, das von den Evangelisten berichtet wird.5 Unter den zahlreichen biblischen Texten verdient vor allem dieser, hier angeführt zu werden. Auf die Frage: „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ antwortet Jesus zunächst mit der Gegenfrage: „Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen“. Dann fährt er fort: „Du kennst doch die Gebote: Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!“.6 Mit diesen Worten er-innnert Jesus seinen Gesprächspartner an einige Gebote des Dekalogs. Aber das Gespräch endet damit noch nicht. Denn der junge Mann stellt fest: „Meister, alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt“. Darauf, so schreibt der Evangelist, „sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er: Eines fehlt dir noch: .Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!“.7 An diesem Punkt ändert sich das Klima der Begegnung. Der Evangelist schreibt, daß der junge Mann „betrübt war, als er das hörte, und traurig wegging; denn er hatte ein großes Vermögen“.8 Es gibt noch weitere Abschnitte in den Evangelien, in denen Jesus von Naza-ret jungen Menschen begegnet;, besonders eindrucksvoll sind die beiden 1187 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Totenerweckungen: der Tochter des Jai'rus9 und des Sohnes der Witwe von Nai'n.10 Man kann jedoch ohne weiteres sagen, daß das oben erwähnte Gespräch die ausführlichste und inhaltsreichste Begegnung darstellt. Man kann auch sagen, daß es einen allgemeingültigeren und überzeitlicheren Charakter besitzt, daß es also in gewissem Sinne eine ständige undfortdauernde Geltung hat, über die Jahrhunderte und Generationen hinweg. Christus spricht auf diese Weise mit einem jungen Menschen, mit einem Jungen oder einem Mädchen; er spricht an vielerlei Orten der Erde, inmitten der verschiedenen Völker, Rassen und Kulturen. Jeder von euch ist bei diesem Gespräch ein möglicher Partner für ihn. Zugleich haben alle beschreibenden Elemente und alle Worte, die bei dieser Unterhaltung von beiden Seiten gesprochen wurden, eine ganz wesentliche Bedeutung und besitzen ihr je eigenes Gewicht. Man kann sagen, daß diese Worte eine besonders tiefe Wahrheit über den Menschen insgesamt und vor allem die Wahrheit über die Jugend des Menschen enthalten. Sie sind wirklich wichtig für die jungen Menschen. Laßt mich also meine Betrachtung im vorliegenden Schreiben vornehmlich an diese Begegnung und an diesen Text des Evangeliums anknüpfen. Vielleicht wird es so einfacher für euch sein, euer eigenes Gespräch mit Christus zu führen - ein Gespräch, das von grundlegender und wesentlicher Bedeutung für einen jungen Menschen ist. Die Jugend ist ein einzigartiger Reichtum 3. Wir wollen mit dem beginnen, was am Ende des biblischen Textes steht. Der junge Mann geht traurig weg; „denn er hatte ein großes Vermögen“. Zweifellos bezieht sich dieser Satz auf die materiellen Güter, die jener junge Mann besaß oder erben sollte. Diese Situation trifft wohl nur für einige zu, ist also nicht typisch. Darum legen die Worte des Evangelisten eine andere Problemstellung nahe: Es geht darum, daß die Jugend an sich (unabhängig von jedem materiellen Gut) ein einzigartiger Reichtum des Menschen, eines Jungen oder Mädchens, ist und meistens auch von den Jugendlichen als ein besonderer Reichtum erlebt wird. Meistens, aber nicht immer und nicht in der Regel; denn es gibt durchaus Menschen in der Welt, die aus verschiedenen Motiven ihre Jugend nicht als Reichtum erfahren. Darüber müssen wir noch eigens sprechen. Es gibt jedoch gute Gründe - auch objektiver Art um an die Jugend als einen einzigartigen Reichtum zu denken, wie ihn der Mensch gerade in diesem Lebensabschnitt erfährt. Dieser unterscheidet sich gewiß von der Kind- 1188 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heit (ist er doch gerade das Verlassen der Kinderjahre) wie auch von der Zeit der vollen Reife. Der Lebensabschnitt der Jugend ist ja die Zeit, da das menschliche „Ich“ und die damit verbundenen Eigenschaften und Fähigkeiten besonders intensiv entdeckt werden. Stufe für Stufe und Schritt für Schritt enthüllt sich vor dem inneren Blick der sich entfaltenden Persönlichkeit eines Jungen oder eines Mädchens jene besondere, in gewissem Sinne einzigartige und unwiederholbare Möglichkeit eines konkreten Menschseins, dem der gesamte Entwurf des künftigen Lebens gleichsam eingeschrieben ist. Das Leben stellt sich dar als Verwirklichung jenes Entwurfs: als „Selbstverwirklichung“. Das Thema verdiente natürlich unter vielen Gesichtspunkten eine Erläuterung; um es aber kurz zu sagen, es offenbaren sich Umriß und Form jenes Reichtums, wie ihn die Jugend darstellt. Es ist der Reichtum, die ersten eigenen Entscheidungen zu entdecken und zu planen, sie zu wählen, ins Auge zu fassen und auf sich zu nehmen, Entscheidungen, die auf der ganzen personalen Ebene menschlicher Existenz für die Zukunft wichtig sein werden. Zugleich haben solche Entscheidungen ihre große soziale Bedeutung. Der junge Mann im Evangelium befand sich gerade in dieser existentiellen Phase, wie wir den Fragen entnehmen können, die er im Gespräch mit Jesus stellt. Deshalb können jene abschließenden Worte von dem „großen Vermögen“, das heißt von seinem Reichtum, auch in einem solchen Sinne verstanden werden: ein Reichtum, wie ihn die Jugend selbst darstellt. Wir müssen uns jedoch fragen: Muß dieser Reichtum, den die Jugend darstellt, den Menschen etwa von Christus entfernen? Dies sagt der Evangelist ganz gewiß nicht; wenn man den Text genauer ansieht, darf man eher eine andere Folgerung ziehen. Der Entschluß, sich von Christus zurückzuziehen, ist letztlich nur unter dem Druck der äußerlichen Reichtümer zustandegekommen, durch das, was jener junge Mann besaß („die Güter“). Nicht nur durch das, was er war! Das, was er als junger Mensch war - das heißt der innere Reichtum, der sich in der Jugend des Menschen verbirgt -, hatte ihn ja gerade zu Jesus hingeführt und ihn auch jene Fragen stellen lassen, bei denen es sich ganz deutlich um den gesamten Lebensentwurf handelt. Was muß ich tun? ,^Vas muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ Was muß ich tun, damit mein Leben seinen vollen Wert und Sinn habe? Die Jugend eines jeden von euch, liebe Freunde, ist der Reichtum, der, sich gerade in diesen Fragen offenbart. Der Mensch stellt sie sich im Verlauf seines ganzen Lebens; in der Jugendzeit jedoch vernimmt er sie besonders intensiv, geradezu eindringlich. Und gut, daß es so ist. Diese Fragen beweisen nämlich jene Dynamik in der Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit, wie sie eurer Altersstufe zu eigen ist. Diese Fragen stellt ihr euch manchmal 1189 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit Ungeduld; aber zugleich versteht ihr auch, daß die Antwort darauf nicht leichtfertig oder oberflächlich sein darf. Sie muß ein besonderes und entscheidendes Gewicht haben. Es handelt sich um eine Antwort, die das ganze Leben betrifft und die gesamte menschliche Existenz umfaßt. Diese wesentlichen Fragen stellen sich in besonderer Weise diejenigen eurer Altersgenossen, deren Leben von Jugend an durch Leiden belastet ist: durch einen körperlichen Mangel, durch irgendeine sonstige Behinderung, durch eine schwierige familiäre oder soziale Lage. Wenn sich bei all dem ihr Bewußtsein normal entwickelt, wird die Frage nach Sinn und Wert des Lebens für sie umso grundsätzlicher und zugleich besonders dramatisch, weil es von Anfang an durch ein existentielles Leid gezeichnet ist. Und wieviele solcher Jugendlicher gibt es inmitten der großen Schar junger Menschen in aller Welt! In den verschiedenen Völkern und Gesellschaften, in den einzelnen Familien! Wieviele sind von Jugend auf gezwungen, in einem Heim oder einem Hospital zu leben, verurteilt zu einer gewissen Passivität, die in ihnen das Gefühl aufkommen lassen kann, für die Menschheit nutzlos zu sein! Kann man also sagen, daß auch eine solche Jugend einen inneren Reichtum darstellt? Wen müssen wir dies fragen? Wem sollen sie diese wesentliche Frage stellen? Es scheint, daß Christus hierfür der einzige kompetente Gesprächspartner ist, ein Partner, den niemand anders voll ersetzen kann. Gott ist Liebe 4. Christus gibt seinem jungen Gesprächspartner im Evangelium eine Antwort. Er sagt: „Niemand ist gut außer Gott, dem Einen“. Wir haben bereits gehört, was jener gefragt hatte. Er fragte: „Guter Meister, was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“. Wie muß ich handeln, damit mein Leben einen Sinn habe, einen vollen Sinn und Wert? Wir können seine Frage so in die Sprache unserer Zeit übersetzen. In diesem Zusammenhang will die Antwort Christi besagen: Gott allein ist die letzte Grundlage aller Werte; nur er gibt unserer menschlichen Existenz ihren endgültigen Sinn. Gott allein ist gut, das bedeutet: In ihm und nur in ihm haben alle Werte ihre erste Quelle und ihre endgültige Erfüllung; er ist „das Alpha und das Omega, der Anfang und das Ende“. In ihm allein finden diese Werte ihre Echtheit und ihre letzte Bestätigung. Ohne ihn - ohne die Beziehung zu Gott - hängt die gesamte Welt irdischer Werte über einer abgrundtiefen Leere. Sie verliert dabei auch ihre Klarheit und Ausdruckskraft. Dann bietet sich das Böse als gut dar, und das Gute wird geächtet. Zeigt das nicht die Erfah- 1190 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rang unserer Tage, wo immer Gott aus dem Bereich der Wertungen, der Urteile, der Handlungen herausgedrängt worden ist? Warum ist Gott allein gut? Weil er Liebe ist. Christus gibt diese Antwort mit den Worten des Evangeliums und vor allem durch das Zeugnis seines Lebens und Sterbens: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“.12 Gott ist gerade deshalb gut, weil er die Liebe ist.13 Die Frage nach dem Wert, die Frage nach dem Sinn des Lebens ist - wie gesagt - ein Teil des besonderen Reichtums der Jugend. Sie bricht im innersten Kern jenes Reichtums und jener Unruhe auf, welche mit dem Lebensentwurf verbunden ist, den der Mensch planen und verwirklichen muß. Und das umso mehr, wenn die Jugendzeit durch persönliches Leid gezeichnet ist oder das Leiden anderer sehr bewußt erlebt; wenn sie tief erschüttert wird durch die vielfältigen Übel, die es in der Welt gibt; schließlich wenn sie dem Geheimnis der Sünde, der menschlichen Bosheit (mysterium iniquitatis),14 von Angesicht zu Angesicht begegnet. Hierauf gibt Christus diese Antwort: Gott allein ist gut; Gott allein ist Liebe. Diese Antwort mag schwierig erscheinen, aber sie ist zugleich fest und wahr: Sie enthält die endgültige Lösung. Wie sehr bete ich darum, daß ihr, liebe junge Freunde, die Antwort Christi wirklich persönlich vernehmt und den inneren Weg findet, um sie zu verstehen, sie zu bejahen und zu verwirklichen! So verhält sich Christus beim Gespräch mit dem jungen Mann des Evangeliums. So ist er auch im Gespräch mit jedem und mit jeder von euch. Wenn ihr ihn anredet: „Guter Meister ...“, dann fragt er euch: Warum nennst du mich gut? Niemand ist gut außer Gott, dem Einen“. Daraus folgt: Wenn auch ich selbst gut bin, dann ist das ein Zeugnis für Gott. Wer mich gesehen hat, hat auch den Vater gesehen“.15 So spricht Christus, unser Meister und Freund, gekreuzigt und auferstanden: immer „derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“.16 Das ist der Kern, der wesentliche Punkt der Antwort auf jene Fragen, die ihr jungen Menschen aufgrund des Reichtums stellt, den ihr in euch tragt und der in eurer Jugend wurzelt. Diese erschließt euch verschiedene mögliche Wege und stellt euch vor die Aufgabe eines Entwurfs für euer ganzes Leben. Hieraus ergeben sich die Fragen nach den Werten, nach Sinn und Wahrheit, nach Gut und Böse. Wenn Christus euch in seiner Antwort dazu auffordert, dies alles auf Gott zu beziehen, gibt er euch zugleich an, worin bei euch selbst die Quelle und das Fundament dafür liegen. Ein jeder von euch ist ja durch den Schöpfüngsakt Bild und Gleichnis Gottes.' Gerade diese Existenz als sein Bild und Gleichnis bewirkt, daß ihr euch diese Fragen stellt und stellen müßt. Sie beweisen, wie sehr der Mensch ohne Gott sich selbst nicht begreifen noch sich selbst ohne Gott verwirklichen kann. Jesus Christus ist vor 1191 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allem darum in die Welt gekommen, um einem jeden von uns dies bewußt zu machen. Ohne ihn würde diese grundlegende Dimension der Wahrheit vom Menschen allzu leicht im Dunkel versinken. Allerdings: „Das Licht kam in die Welt“,'8 aber „die Finsternis hat es nicht erfaßt“.19 Die Frage nach dem Ewigen Leben 5. Was muß ich tun, damit mein Leben einen Wert hat, einen Sinn? Diese leidenschaftliche Frage lautet im Munde des jungen Mannes aus dem Evangelium so: „ Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ Spricht ein Mensch, der die Frage in dieser Form stellt, noch in einer Sprache, die die Menschen von heute verstehen? Sind wir nicht die Generation, deren Lebenshorizont völlig von der Welt und dem zeitlichen Fortschritt ausgefüllt wird? Unser Denken verläuft zuallererst in irdischen Kategorien. Wenn wir die Grenzen unseres Planeten überschreiten, tun wir das, um Flüge zu anderen Planeten zu unternehmen, um ihnen Signale zu übermitteln oder Raumsonden in ihre Richtung auszusenden. All das ist zum Inhalt unserer modernen Zivilisation geworden. Die Wissenschaft hat zusammen mit der Technik in unvergleichbarer Weise die Möglichkeiten des Menschen gegenüber der Materie entdeckt, und es ist ihr ebenso gelungen, die innere Welt seines Denkens und seiner Fähigkeiten, seiner Antriebe und Leidenschaften zu behenschen. Wenn wir aber vor Christus hintreten, wenn wir ihm die Fragen unserer Jugend anvertrauen, dann können wir offenbar die Fragen nicht anders stellen als der junge Mann im Evangelium: JVas muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ Jede andere Frage nach Sinn und Wert unseres Lebens wäre Christus gegenüber unzureichend und nur vordergründig. Christus ist ja nicht nur der „gute Meister“, der uns die Lebenswege auf dieser Erde weist. Er ist auch der Zeuge fiir jene endgültige Bestimmung, die der Mensch in Gott selbst hat. Er ist der Zeuge für die Unsterblichkeit des Menschen. Die Frohe Botschaft, die er mit seiner Stimme verkündete, wird durch Kreuz und Auferstehung im Ostergeheimnis endgültig besiegelt. „Christus, von den Toten auferweckt, stirbt nicht mehr; der Tod hat keine Macht mehr über ihn“.20 In seiner Auferstehung ist Christus auch das ständige „Zeichen des Widerspruchs“21 geworden gegenüber allen Programmen, die unfähig sind, den Menschen über die Grenze des Todes hinauszuführen. Ja, mit dieser Grenze schneiden sie sogar jede Frage des Menschen nach Wert und 1192 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sinn seines Lebens ab. Angesichts all dieser Programme, Weltanschauungen und Ideologien wiederholt Christus immer wieder: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“.22 Wenn du also, lieber Bruder und liebe Schwester, mit Christus sprechen möchtest, indem du dich zur vollen Wahrheit seines Zeugnisses bekennst, dann mußt du auf der einen Seite „ die Welt lieben “ - „denn Gott hat die Welt sosehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“23 zugleich aber mußt du innerlich Abstand gewinnen gegenüber dieser reichen und bezaubernden Wirklichkeit, wie „die Welt“ sie darstellt. Du mußt dich dazu entscheiden, die Frage nach dem ewigen Leben zu stellen. Denn „die Gestalt dieser Welt vergeht“,24 und jeder von uns ist dieser Vergänglichkeit unterworfen. In der Dimension der sichtbaren Welt wird der Mensch geboren mit dem Blick auf den Tag seines Todes; zugleich aber trägt der Mensch, dessen innerer Seinsgrund es ist, sich selbst zu übersteigen, all das in sich, womit er die Welt übersteigt. All das, womit der Mensch in sich selbst die Welt übersteigt - obgleich er in ihr verwurzelt bleibt erklärt sich aus dem Bild und Gleichnis Gottes, das dem menschlichen Wesen von Anfang an eingeprägt ist. Und all das, womit der Mensch die Welt übersteigt, rechtfertigt nicht nur die Frage nach dem ewigen Leben, sondern macht sie geradezu unerläßlich. Diese Frage stellen sich die Menschen seit Anbeginn und nicht nur im Bereich des Christentums, sondern auch darüber hinaus. Auch ihr müßt den Mut finden, sie zu stellen, wie der junge Mann im Evangelium. Das Christentum lehrt uns, die Veigänglichkeitvom Blick auf das Reich Gottes herzu verstehen, vom Blick auf das ewige Leben. Ohne dies bringt das vergängliche Leben, und sei es auch noch so reich und in jeder Hinsicht gelungen, dem Menschen schließlich doch nichts anderes als die unausweichliche Notwendigkeit des Todes. Nun aber besteht zwischen Jugend und Tod ein innerer Widerspruch. Der Tod scheint von der Jugend weit entfernt zu sein. Und so ist es auch. Weil aber Jugend den Entwurf des ganzen Lebens bedeutet, einen Entwurf nach dem Maßstab von Sinn und Wert, ist die Frage nach dem Ende auch für die Jugendzeit unumgänglich. Wenn die menschliche Erfahrung nur sich selbst überlassen ist, so sagt sie dasselbe wie die Heilige Schrift: „Dem Menschen ist es bestimmt, ein einziges Mal zu sterben“.25 Der inspirierte Autor fügt hinzu: „... worauf dann das Gericht folgt“.26 Christus aber sagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben“.27 Fragt also Christus wie der junge Mann im Evangelium: ,>Vas muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ 1193 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Moral und Gewissen 6. Auf diese Frage antwortet Jesus: „Du kennst doch die Gebote", und sogleich zählt er diese Gebote auf, die zum Dekalog gehören. Mose hatte sie einst auf dem Berg Sinai empfangen, beim Bundesschluß Gottes mit Israel. Sie wurden auf Steintafeln geschrieben28 und waren für jeden Israeliten ein täglicher Wegweiser.29 Der junge Mann, der mit Christus redet, kennt die Zehn Gebote natürlich auswendig; er kann sogar mit Freude erklären: „Alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt“.30 Wir müssen davon ausgehen, daß in jedem Dialog, den Christus mit jedem einzelnen von euch jungen Menschen führt, dieselbe Frage gestellt wird: „Du kennst die Gebote?“ Notwendigerweise wiederholt sich diese Frage, weil die Zehn Gebote einen Teil des Bundes zwischen Gott und der Menschheit ausmachen. Diese Gebote bilden die wesentliche Grundlage des Verhaltens und entscheiden über den moralischen Wert des menschlichen Handelns; sie stehen in einem organischen Zusammenhang mit der Berufung des Menschen zum ewigen Leben, mit dem Aufbau des Reiches Gottes in den Menschen und unter den Menschen. Im Wort der göttlichen Offenbarung ist ein klares Sittengesetz enthalten, dessen Kern die Tafeln mit den Zehn Geboten vom Berg Sinai bilden und dessen Gipfel sich im Evangelium findet: in der Bergpredigt31 und im Liebesgebot.32 Dieses Sittengesetz kennt zugleich noch eine zweite Ausformung. Es ist dem moralischen Gewissen der Menschheit eingeschrieben, so daß diejenigen, welche die Zehn Gebote, das heißt das von Gott offenbarte Gesetz, nicht kennen, „sich selbst Gesetz sind“.33 So schreibt der hl. Paulus im Römerbrief und fügt sogleich hinzu: „Sie zeigen damit, daß ihnen die Forderung des Gesetzes ins Herz geschrieben ist; ihr Gewissen legt Zeugnis davon ab“3« Hier berühren wir Probleme von höchster Wichtigkeit für eure Jugend und für den Lebensentwurf, der daraus hervorgeht. Dieser Entwurf entspricht der Erwartung eines ewigen Lebens vor allem durch die Richtigkeit jener Taten, auf denen er gründet. Die Richtigkeit dieser Taten hat ihr Fundament in jener doppelten Ausformung des Sittengesetzes: wie es sich in den Zehn Geboten des Mose und im Evangelium findet und wie es dem moralischen Gewissen des Menschen eingeschrieben ist. Das Gewissen „legt Zeugnis ab“ von diesem Gesetz, wie der hl. Paulus schreibt. Dieses Gewissen sind nach den Worten des Römerbriefes die Gedanken, „die sich gegenseitig anklagen und verteidigen“.35 Jeder weiß, wie sehr diese Worte unserer inneren Wirklichkeit entsprechen: Ein jeder von uns erfährt von Jugend auf die Stimme des Gewissens. 1194 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn Jesus also im Gespräch mit dem jungen Mann die Gebote aufzählt: „Du sollst nicht töten, du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch aussagen, du sollst keinen Raub begehen; ehre deinen Vater und deine Mutter!“,36 dann antwortet das rechte Gewissen mit seiner inneren Stimme auf die entsprechenden Akte des Menschen: Es klagt an oder verteidigt. Das Gewissen darf natürlich nicht fehlgeleitet sein; diese grundlegende Ausformung der moralischen Prinzipien im Gewissen darf sich nicht durch irgendeinen Relativismus oder Utilitarismus verfälschen lassen. Liebe junge Freunde! Die Antwort, die Jesus seinem Gesprächspartner im Evangelium gibt, ist an jeden und an jede von euch gerichtet. Christus fragt nach dem Stand eures sittlichen Bewußtseins und zugleich nach der Verfassung eures Gewissens. Das ist eine Schlüsselfrage für den Menschen: Es ist die Grundfrage eurer Jugend, die Bedeutung hat für den gesamten Lebensentwurf, der sich ja in der Jugend herausbilden soll. Der Wert dieses Entwurfs ist aufs engste verbunden mit der Beziehung, die jeder einzelne von euch zu Gut und Böse im moralischen Sinne hat. Sein Wert hängt wesentlich von der Echtheit und rechten Fonnung eures Gewissens sowie von dessen feinem Gespür ab. Hier befinden wir uns also an einem entscheidenden Punkt, wo sich Schritt für Schritt Vergänglichkeit und Ewigkeit auf einer Ebene begegnen, die dem Menschen eigentümlich ist. Es ist die Ebene des Gewissens, die Ebene der sittlichen Werte, die wichtigste Dimension der Zeitlichkeit und Geschichte. Die Geschichte wird ja nicht nur von den Ereignissen geschrieben, die sich gewissermaßen „draußen“ abspielen, sondern vor allem von den „inneren“ Vorgängen: Sie ist die Geschichte des menschlichen Gewissens, der moralischen Siege und Niederlagen. Hier hat auch die Größe des Menschen, seine wahrhaft menschliche Würde, im wesentlichen ihr Fundament. Das ist jener innere Reichtum, mit dem der Mensch immer wieder sich selbst auf die Ewigkeit hin übersteigt. Wenn es wahr ist, daß „es dem Menschen bestimmt ist, ein einziges Mal zu sterben“, so ist es auch wahr, daß der Mensch den Reichtum des Gewissens, das darin enthaltene Gute und Böse über die Grenze des Todes hinausträgt, auf daß er vor dem Angesicht dessen, der die Heiligkeit selber ist, die letzte und endgültige Wahrheit über sein ganzes Leben befinde: „Darauf folgt dann das Gericht“.37 Ebendies geschieht im Gewissen: In der inneren Wahrheit unserer Taten ist gewissermaßen ständig die Dimension des ewigen Lebens gegenwärtig. Zugleich drückt das Gewissen durch die sittlichen Werte dem Leben der Generationen, der Geschichte und Kultur des menschlichen Zusammenlebens, der Gesellschaften, der Völker und der gesamten Menschheit, ein ganz deutliches Siegel auf. Wieviel hängt in diesem Bereich von jedem und von jeder unter euch ab! 1195 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb“ 7. Wenn wir nun das Gespräch Christi mit dem jungen Mann weiter untersuchen, treten wir in eine andere Phase ein. Sie ist neu und entscheidend. Der junge Mann hat die wesentliche und grundlegende Antwort auf seine Frage: Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ erhalten; und diese Antwort stimmt mit seinem gesamten bisherigen Lebensweg überein: „Alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt“. Wie sehr wünsche ich jedem von euch, daß euer bisheriger Lebensweg in ähnlicher Weise mit der Antwort Christi übereinstimmt! Ja, mein Wunsch für euch geht dahin, daß euch die Jugendzeit eine feste Grundlage gesunder Prinzipien schenkt, daß euer Gewissen schon in den Jahren eurer Jugend jene reife Klarheit erlangt, die es einem jeden von euch im Leben ermöglicht, stets ein „gewissenhafter Mensch“, „ein Mensch von Grundsätzen“, „eine Person, die Vertrauen erweckt“, die also glaubwürdig ist, zu sein. Eine so geformte sittliche Persönlichkeit bildet zugleich den wichtigsten Beitrag, den ihr in das Leben der Gemeinschaft einbringen könnt: in die Familie und in die Gesellschaft, in das Berufsleben und in den kulturellen oder politischen Bereich und schließlich auch in die Gemeinschaft der Kirche, zu der ihr schon gehört oder eines Tages gehören könntet. Zugleich handelt es sich hierbei um die volle und tiefe Echtheit des Menschseins und eine ebensolche Echtheit in der Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit von Mann und Frau, mit all den Eigenschaften, welche das einmalige Wesen dieser Persönlichkeit bilden und sich auch im Leben der Gemeinschaften, angefangen bei der Familie, auf vielfältige Weise auswirken. Jeder von euch muß in irgendeiner Weise zur Bereicherung dieser Gemeinschaften beitragen, und dies vor allem durch das, was er ist. Ist das nicht eine sinnvolle „Öffnung“ jener Jugend, die an sich den ganz „persönlichen“ Reichtum eines jeden von euch darstellt? Der Mensch sieht sich selbst und sein Menschsein gleichzeitig als seine eigene innere Welt und zugleich als das geeignete Feld, wo er „mit den anderen“ und,für die anderen“ sein kann. Hierbei bekommen die Gebote des Dekalogs und des Evangeliums eine entscheidende Bedeutung, vor allem aber das Liebesgebot, das den Menschen auf Gott und den Nächsten hin öffnet. Die Liebe ist ja „das Band, das alles ... vollkommen macht“;38 durch sie gelangen der Mensch und die zwischenmenschliche Brüderlichkeit zu einer volleren Reife. Darum ist die Liehe am größten39 und das erste unter allen Geboten, wie Christus uns lehrt;40 darin sind alle anderen eingeschlossen und zusammengefaßt. Ich wünsche also jedem von euch, daß ihr auf den Straßen eurer Jugend Christus begegnet, damit ihr vor ihm durch das Zeugnis eures Gewissens die- 1196 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ses Sittengesetz des Evangeliums bestätigen könnt, dessen Werten soviele tiefgeistige Menschen im Laufe der Generationen mehr oder weniger nahegekommen sind. Dies ist nicht der Ort, die Beweise dafür aus der ganzen Menschheitsgeschichte anzuführen. Feststeht, daß von den ältesten Zeiten an der Spruch des Gewissens den Menschen auf eine objektive moralische Norm hinlenkt, die ihren konkreten Ausdruck in der Achtung vor der Person des anderen und in jenem Prinzip findet, dem Nächsten nichts zuzufügen, von dem man nicht will, daß es einem selbst angetan wird.41 Hierin sehen wir schon deutlich jene objektive Moral aufleuchten, von der der hl. Paulus sagt, daß sie dem Herzen eingeschrieben ist und vom Gewissen bezeugt wird.42 Der Christ erblickt hier leicht das Licht des schöpferischen Wortes Gottes, das jeden Menschen erleuchtet;43 und gerade weil er diesem Wort folgt, das Mensch geworden ist, erhebt er sich zum höheren Gesetz des Evangeliums, das im Liebesgebot positiv von ihm verlangt, dem Nächsten all das Gute zu tun, von dem er möchte, daß es auch ihm selbst getan werde. Der Christ besiegelt so die innere Stimme seines Gewissens mit der bedingungslosen Nachfolge Christi und seines Wortes. Weiterhin wünsche ich euch, daß ihr nach dieser Erkenntnis der wesentlichen und wichtigen Fragen für eure Jugend, für den Entwurf des gesamten Lebens, das vor euch liegt, das erfahren dürft, wovon das Evangelium spricht: „Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb“. Ich wünsche euch, diesen Blick Jesu erleben zu dürfen! Ich wünsche euch, die Wahrheit zu erfahren, daß er, Christus, euch in Liebe anblickt! Jedem Menschen schenkt er diesen Blick der Liebe. Das Evangelium bestätigt dies auf jeder Seite. Man kann sogar sagen, daß in diesem liebenden Blick Christi gleichsam eine Zusammenfassung der ganzen Frohen Botschaft enthalten ist. Wenn wir den Beginn dieses Blickes suchen, müssen wir bis zum Buch Genesis zurückgehen, bis zu jenem Moment, da Gott nach der Erschaffung des Menschen als „Mann und Frau“ sah, daß „alles ... sehr gut war“.44 Dieser allererste Blick des Schöpfers findet sich im Blick Christi wieder, mit dem er das Gespräch mit dem jungen Mann im Evangelium begleitet. Wir wissen, daß Christus diesen liebenden Blick durch sein erlösendes Opfer am Kreuz bekräftigen und besiegeln wird; denn gerade durch dieses Opfer hat jener „Blick“ eine besondere Tiefe der Liebe erlangt. Dort ist eine solche Bejahung des Menschen und der Menschheit enthalten, wie sie nur ihm möglich ist, Christus, dem Erlöser und Bräutigam. Er allein weiß, „was im Menschen ist“:45 Er kennt seine Schwäche; er kennt aber auch und vor allem seine Würde. 1197 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich wünsche jedem und jeder von euch, diesen Blick Christi zu entdecken und ihn bis in die Tiefe zu erfahren. In welchem Augenblick eures Lebens das sein wird, weiß ich nicht. Ich denke, es wird dann sein, wenn ihr es am meisten nötig habt: vielleicht im Leiden, vielleicht verbunden mit dem Zeugnis eines reinen Gewissens, wie bei jenem jungen Mann des Evangeliums; oder vielleicht gerade in der entgegengesetzten Situation, verbunden mit einem Schuldgefiihl, mit Gewissensbissen. Christus blickte ja auch den Petrus an in der Stunde seines Versagens, als er seinen Meister dreimal verleugnet hatte.46 Der Mensch braucht diesen liebevollen Blick: Er muß das Bewußtsein haben, geliebt zu sein, von Ewigkeit her geliebt und erwählt zu sein.47 Diese ewige Liebe göttlicher Erwählung begleitet den Menschen durch sein Leben wie der liebende Blick Christi. Und vielleicht am stärksten im Augenblick der Prüfung, der Erniedrigung, der Verfolgung, der Niederlage, wenn unser Menschsein vor den Augen der Leute fast ausgelöscht ist, geschändet und zertreten. Dann wird das Bewußtsein, daß der Vater uns immer schon in seinem Sohn geliebt hat, daß Christus selbst einen jeden ohne Unterlaß liebt, zu einem festen Halt für unsere gesamte menschliche Existenz. Wenn alles für den Zweifel an sich selbst und am Sinn des eigenen Lebens spricht, dann läßt uns dieser Blick Christi überleben, das Bewußtsein von jener Liebe, die sich in ihm mächtiger als jedes Übel und jede Zerstörung erwiesen hat. Ich wünsche euch also, die gleiche Erfahrung wie der junge Mann im Evangelium zu machen: „Jesus blickte ihn an und gewann ihn lieb“. „Folge mir nach“ 8. Die Prüfung unseres Textes aus dem Evangelium ergibt, daß dieser Blick gleichsam die Antwort Christi auf das Zeugnis war, das der junge Mann von seinem Leben bis zu jenem Augenblik gegeben hatte, darauf nämlich, daß er nach den Geboten Gottes gehandelt hatte: „Alle diese Gebote habe ich von Jugend an befolgt“. Gleichzeitig war dieser liebende Blick die Hinführung zum Schlußteil des Gespräches. Wenn man der Darstellung bei Matthäus folgen will, eröSnete der junge Mann selbst diesen Teil; denn er betonte nicht nur die eigene Treue gegenüber den Zehn Geboten, welche sein ganzes bisheriges Verhalten prägte, sondern stellte zugleich eine neue Frage. So fragte er: ,Was fehlt mir jetzt noch?“48 Diese Frage ist sehr wichtig. Sie zeigt, daß im Gewissen des Menschen und gerade des jungen Menschen ein Streben nach „etwas Höherem“ verborgen 1198 BOTSCHAFTEN UND AN SP RA CHEN liegt. Dieses Streben äußert sich auf verschiedene Weise; wir können es auch bei Menschen bemerken, die unserem Glauben fern zu sein scheinen. Unter den Anhängern nichtchristlicher Religionen, vor allem im Buddhismus, Hinduismus und Islam, finden wir schon seit jeher Scharen von „geistlichen“ Menschen, die oft bereits von Jugend an alles verlassen, um den Stand der Armut und Reinheit zu wählen und das Absolute zu suchen, das jenseits der Erscheinung der wahrnehmbaren Dinge liegt; Menschen, die sich um den Stand vollkommener Freiheit bemühen, die mit Liebe und Vertrauen ihre Zuflucht zu Gott nehmen und sich mit ganzem Herzen seinen verborgenen Ratschlüssen unterwerfen. Sie sind wie von einer geheimnisvollen inneren Stimme bewegt, die in ihrem Geist wie ein Echo auf das Wort des hl. Paulus klingt: „Die Gestalt dieser Welt vergeht“49 und die sie auf die Suche nach höheren Dingen führt, die von Dauer sind: „Strebt nach dem, was im Himmel ist“.50 Sie mühen sich mit allen Kräften um dieses Ziel, indem sie ernsthaft an der Reinigung ihres Geistes arbeiten und bisweilen sogar ihr Leben in Liebe Gott weihen. Dadurch werden sie zu einem lebendigen Beispiel für ihre Mitmenschen, die sie durch ihre Lebensform auf den Vorrang der ewigen Werte vor den vergänglichen und zuweilen zweifelhaften Werten hinweisen, welche die Gesellschaft anbietet, in der sie leben. Dieses Streben nach Vollkommenheit, nach „etwas Höherem“, hat jedoch seinen ausdrücklichen Bezugspunkt im Evangelium. In der Bergpredigt bestätigt Christus das ganze Sittengesetz, dessen Mittelpunkt die mosaischen Gesetzestafeln der Zehn Gebote bilden; zugleich aber verleiht er diesen Geboten eine neue, evangelische Bedeutung. Alles ist - wie schon gesagt - zusammengefaßt in der Liebe, nicht nur als Gebot, sondern als Geschenk: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“.51 In diesem neuen Zusammenhang wird auch das Programm der Acht Seligkeiten verständlich, das im Matthäusevangelium die gesamte Bergpredigt einleitet.52 Im gleichen Zusammenhang wird die Summe der Gebote, welche die Grundlage der christlichen Moral bilden, durch die evangelischen Räte vervollständigt, in denen sich in besonderer und konkreter Weise der Ruf Christi zur Vollkommenheit ausdrückt, der Ruf zur Heiligkeit. Als der junge Mann nach dem „Höheren“ fragt: „Was fehlt mir noch?“, schaut ihn Jesus mit Liebe an: Diese Liebe erhält hier eine neue Bedeutung. Der Mensch wird durch den Heiligen Geist innerlich von einem Leben nach den Geboten zu einem bewußten Leben der Hingabe gefiihrt, und der liebevolle Blick Christi drückt diesen inneren Übergang aus. Jesus sagt: „ Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; 1199 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach“.53 Ja, meine lieben jungen Freunde! Der Mensch, der Christ ist fähig, sein Leben als Geschenk zu verstehen. Diese Dimension ist nicht nur „höher“ als die Dimension der einzelnen sittlichen Verpflichtungen, wie sie aus den Geboten hervorgehen, sondern sie ist auch „tiefer“ und grundlegender. Sie ist ein vollerer Ausdruck jenes Lebensentwurfs, an dem wir schon in der Jugend bauen. Die Dimension des Geschenkes bildet auch den Reifegrad jeder menschlichen und christlichen Berufung, wie wir später noch sehen werden. In diesem Augenblick möchte ich jedoch noch weiter von der besonderen Bedeutung der Worte zu euch sprechen, die Christus an jenen jungen Mann gerichtet hat. Ich tue das in der Überzeugung, daß Christus sie in der Kirche an einige seiner jungen Gesprächspartner aus jeder Generation richtet. Auch aus unserer Generation. Seine Worte bedeuten dann eine besondere Berufung in der Gemeinschaft des Gottesvolkes. Die Kirche erblickt die Aufforderung Christi „Folge mir nach“54 am Anfang jeder Berufung zum Weihepriestertum, das in der römisch-katholischen Kirche zugleich mit der bewußten und freien Wahl des Zölibats verbunden ist. Die Kirche erblickt das gleiche „Folge mir nach“ Christi am Anfang der Ordensberufung, bei der ein Mann oder eine Frau durch das Gelübde der evangelischen Räte (Keuschheit, Armut und Gehorsam) das Lebensprogramm übernimmt, das Christus selbst auf Erden um des Gottesreiches willen55 verwirklicht hat. Durch die Ordensgelübde verpflichten sich solche Menschen, ein besonderes Zeugnis für die allesübersteigende Liebe zu Gott und zugleich für jene Berufung zur Einheit mit Gott in der Ewigkeit zu geben, die an alle ergeht. Es ist eben nötig, daß einige dafür ein außerordentliches Zeugnis vor den anderen ablegen. Ich beschränke mich darauf, diese Themen im vorliegenden Schreiben nur kurz zu erwähnen, weil sie an anderer Stelle bereits mehrmals ausführlich dargelegt worden sind.56 Ich rufe sie aber in Erinnerung, weil sie im Gespräch Christi mit dem jungen Mann eine besondere Klarheit eireichen, vor allem die Frage der evangelischen Armut. Ich erinnere daran auch, weil der Ruf Christi „Folge mir nach“ gerade in diesem außergewöhnlichen und charismatischen Sinn meistens schon in der Jugendzeit vernommen wird, bisweilen sogar schon in der Kindheit. Deshalb möchte ich euch jungen Menschen allen in diesem wichtigen Abschnitt der Entfaltung eurer Persönlichkeit als Mann oder Frau sagen: Wenn ein solcher Ruf dem Herz erreicht, bring ihn nicht zum Schweigen! Laß ihn sich entfalten. bis zur Reife einer Berufung! Wirke mit durch Gebet und Treue zu den Geboten! „Die Ernte ist groß“.57 Und sehr viele sind nötig, 1200 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die der Ruf Christi „Folge mir nach“ erreichen müßte. Es bedarf sehr vieler Piiester nach dem Herzen Gottes; die Kirche und die Welt von heute brauchen unbedingt das Zeugnis eines Lebens, das sich ohne Vorbehalt Gott schenkt, das Zeugnis einer solchen bräutlichen Liebe wie bei Christus selber, die in besonderer Weise das Reich Gottes unter den Menschen gegenwärtig werden läßt und es der Welt näher bringt. Erlaubt mir also, die Worte Christi über die Ernte, die groß ist, weiterzuführen. Ja, groß ist die Ernte des Evangeliums, diese Ernte des Heils!... „Aber es gibt nur wenig Arbeiter“. Vielleicht spürt man das heute mehr als in der Vergangenheit, besonders in einigen Ländern wie auch in einigen Ordensgemeinschaften. „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“,58 so fährt Christus fort. Diese Worte werden vor allem in unserer Zeit zu einem Programm des Gebetes und des Einsatzes für Priester- und Ordensberufe. Mit diesem Programm wendet sich die Kirche an euch, an die Jugendlichen. Auch ihr: Bittet darum! Und wenn dieses Gebet der Kirche in der Tiefe eures Herzens Frucht ansetzt, dann hört den Meister, wie er auch euch sagt: „Folge mir nach“. Lebensentwurf und christliche Berufung 9. Diese Worte im Evangelium meinen gewiß die Priester- oder Ordensberufung; gleichzeitig aber lassen sie uns die Frage der Berufung in einem weiteren und gmndlegenderen Sinne tiefer verstehen. Man könnte hier von der „Lebensbemfung“ sprechen, die sich in etwa mit jenem Lebensentwurf deckt, den jeder von euch in seiner Jugendzeit sich erarbeitet. Doch besagt „Berufung“ noch etwas mehr als solch ein „Entwurf. In diesem zweiten Fall bin ich selbst das Subjekt, das handelt, und dies entspricht eher der Wirklichkeit eurer jeweiligen Persönlichkeit. Dieser „Entwurf“ ist jedoch „Berufung“, insofern sich in ihr verschiedene Faktoren vernehmen lassen, die „rufen“. Diese Faktoren bilden gewöhnlich eine bestimmte Wertordnung (auch „Hierarchie der Werte“ genannt), aus der ein Ideal aufleuchtet, das es zu verwirklichen gilt und das ein junges Herz anspricht. Auf. diese Weise wird die „Berufung“ zum „Entwurf) und der Entwurf beginnt, Berufung zu sein. Da wir aber vor Christus stehen und unsere Überlegungen über die Jugend auf seinem Gespräch mit dem jungen Mann beruhen, müssen wir jene Beziehung zwischen dem „Lebensentwurf' und der „Lebensberufung“ noch genauer bestimmen. Der Mensch ist ein Geschöpf und zugleich Adoptivkind Gottes in Christus: Er ist Kind Gottes. Die Frage: „Was soll ich tun?“ stellt der 1201 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mensch während seiner Jugendzeit also nicht nur sich selber und den anderen Menschen, von denen er eine Antwort erwarten kann, vor allem den Eltern und Erziehern, sondern er stellt sie auch Gott, seinem Schöpfer und Vater. Er stellt sie im Bereich jenes inneren Raumes, in dem er gelernt hat, mit Gott in enger Beziehung zu. stehen, vor allem im Gebet. Er fragt also Gott: ,y/as soll ich tun?“ Welches ist dein Plan für mein Leben? Dein schöpferischer und väterlicher Plan? Was ist dein Wille? Ich möchte ihn vollbringen. In einem solchen Zusammenhang gewinnt der „Entwurf die Bedeutung einer „Lebensberufung“ als etwas, das dem Menschen von Gott als Aufgabe anvertraut wird. Ein junger Mensch, der auf sein Inneres horcht und zugleich das Gespräch mit Christus im Gebet aufnimmt, möchte gleichsam den ewigen Gedanken lesen, mit dem Gott sich ihm zuwendet: als Schöpfer und Vater. Er gewinnt dabei die Überzeugung, daß die Aufgabe, die ihm von Gott zugedacht ist, ganz seiner Freiheit überlassen bleibt, zugleich jedoch von verschiedenen Umständen innerer und äußerer Art festgelegt ist. Indem der junge Mensch, Junge oder Mädchen, dies alles prüft, entwickelt er seinen Lebensentwurf und erkennt zugleich diesen Entwurf als die Berufung, zu der Gott ihn einlädt. Euch allen, liebe junge Leser dieses Schreibens, möchte ich also diese herrliche Arbeit anvertrauen, die sich mit der Erkenntnis eurer Lebensberufung vor Gott verbindet. Es ist eine mitreißende Aufgabe, eine packende Herausforderung. In dieser Herausforderung entwickelt sich und wächst euer Menschsein und erwirbt eure junge Persönlichkeit ihre innere Reife. Ihr geht von dem aus, was ein jeder von euch ist, um das zu werden, was er werden soll: für sich - für die Menschen - ßr Gott. Zusammen mit der schrittweisen Entdeckung der eigenen Lebensberufung sollte man sich bewußt werden, in welcher Weise diese Lebensberufung gleichzeitig eine „christliche“ Berufung ist. Man muß hierzu feststellen, daß in der Zeit vor dem II. Vatikanischen Konzil der Begriff der „Berufung“ vor allem in Bezug zum Priestertum und Ordensleben gesehen wurde, als hätte sich Christus an den jungen Mann im Evangelium mit seinem „Folge mir nach“ nur für diese Berufungen gewandt. Das Konzil hat diese Sicht erweitert. Die Priester- und Ordensberufung hat ihren besonderen Charakter und ihre sakramentale und charismatische Bedeutung im Leben des Gottesvolkes bewahrt. Zugleich aber haben das im Konzil erneuerte Bewußtsein von der allgemeinen Teilnahme aller Getauften an der dreifachen Sendung Christi (tria munera), der prophetischen, priesterlichen und königlichen Sendung, wie auch das Bewußtsein von der allgemeinen Berufung zur Heiligkeit zur Folge, daß jede Lebensberufung des Menschen 1202 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie die christliche Berufung selbst dem Ruf des Evangeliums entspricht. Der Ruf Christi „Folge mir nach“ läßt sich auf verschiedenen Wegen vernehmen, auf denen Jünger und Bekenner des göttlichen Erlösers gehen. Auf verschiedene Weise kann man Christus nachfolgen, das heißt nicht nur durch das Zeugnis vom eschatologischen Reich der Wahrheit und Liebe, sondern auch, indem man an der Gestaltung der ganzen zeitlichen Wirklichkeit im Geiste des Evangeliums mitwirkt.60 Von hier nimmt auch das Laienapostolat seinen Ausgang, das mit dem Wesen christlicher Berufung untrennbar verbunden ist. Dies sind die ganz wichtigen Voraussetzungen für den Lebensentwuif, der dem wesentlichen Dynamismus eurer Jugend entspricht. Ihr müßt diesen Entwurf - unabhängig vom konkreten Lebensinhalt, mit dem er sich füllen wird - im Licht der Worte prüfen, mit denen sich Christus an jenen jungen Mann wendet. Ihr müßt auch die Bedeutung der Taufe und der Firmung tief überdenken. In diesen beiden Sakramenten ist ja das Fundament des christlichen Lebens und der christlichen Berufung enthalten. Von hier führt der Weg weiter zur Eucharistie, welche die Fülle der sakramentalen Gnaden enthält, die dem Christen geschenkt werden: Der ganze Reichtum der Kirche konzentriert sich in diesem Sakrament der Liebe. Dann muß man - immer in Beziehung zur Eucharistie - auch das Bußsakrament neu bedenken, das eine unersetzliche Bedeutung für die Heranbildung einer christlichen Persönlichkeit hat, besonders wenn es mit einer geistlichen Führung verbunden ist, das heißt mit einer systematischen Schulung des inneren Lebens. Dies alles spreche ich hier nur kurz an, auch wenn jedes der Sakramente seine eigene Beziehung zur Jugend und zu den Jugendlichen hat. Ich vertraue darauf, daß dieses Thema in ausführlicher Weise von anderen behandelt wird, vor allem von denjenigen, die für die pastorale Arbeit mit der Jugend verantwortlich sind. Die Kirche selbst ist - wie das II. Vatikanische Konzil lehrt - „gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innige Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“.61 Jede Lebensberufung ist als „christliche“ Berufung in der Sakramentalität der Kirche verwurzelt: Sie formt sich also mit Hilfe der Sakramente unseres Glaubens. Vom Beginn der Jugend an öffnen die Sakramente unser menschliches „Ich“ für das Heilswirken Gottes, der Heiligsten Dreifaltigkeit. Sie lassen uns am Leben Gottes teilhaben, wenn wir in jeder Beziehung ein wahrhaft menschliches Leben führen. Auf diese Weise erhält das Menschenleben eine neue Dimension und zugleich seine christliche Besonderheit: Das Wissen um die Forderungen, die das Evangelium stellt, wird vervollständigt durch das Wissen um 1203 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jenes Geschenk, das alles andere übersteigt. ,JWenn du wüßtest, worin die Gabe Gottes besteht“,62 sagte Jesus im Gespräch mit der samaritischen Frau. Das „tiefe Geheimnis“ bräutlicher Liebe 10. Auf diesem weiten Hintergrund, den euer jugendlicher Lebensentwurf aus seiner Beziehung zur Idee der christlichen Berufung erlangt, möchte ich nun zusammen mit euch, liebe junge Leser dieses Schreibens, die Aufmerksamkeit auf das Problem lenken, welches gewissermaßen im Mittelpunkt der Jugend bei euch allen steht. Es ist eines der Hauptthemen des menschlichen Lebens sowie aller Reflexion, Kreativität und Kultur. Es ist auch eines der wichtigsten biblischen Themen, dem ich persönlich viele Überlegungen und Analysen gewidmet habe. Gott hat den Menschen geschaffen als Mann und als Frau und damit in die Geschichte des Menschen jenen besonderen „Doppelcharakter“ eingeführt: Er besagt volle Gleichheit, wenn es um die Menschenwürde geht, und eine wunderbare gegenseitige Ergänzung, wenn es um die Verteilung der Attribute, Eigenschaften und Aufgaben geht, die mit dem Menschen als Mann oder als Frau verbunden sind. Darum ist dies ein Thema, das von vornherein zum personalen „Ich“ eines jeden von euch gehört. Die Jugend ist jene Zeit, in der dieses große Thema prüfend und schöpferisch Seele und Leib des Mädchens und des Jungen bewegt und sich im Bewußtsein des Jugendlichen zusammen mit der grundlegenden Entdeckung des eigenen „Ich“ mit all seinen vielfältigen Möglichkeiten zeigt. Für ein junges Herz eröffnet sich damit eine neue Erfahrung: Es ist die Erfahrung der Liebe, welche von Anfang an in den Lebensentwurf eingeschrieben sein will, den der junge Mensch von sich aus entwirft und formt. Dies alles besitzt jedesmal seinen einmaligen subjektiven Ausdruck, seinen affektiven Reichtum, seine geradezu metaphysische Schönheit. Zugleich ist darin ein starker Anruf enthalten, diesen Ausdruck nicht zu verfälschen, einen solchen Reichtum nicht zu zerstören und solche Schönheit nicht zu verunstalten. Seid davon überzeugt, daß dieser Anruf von Gott selbst kommt, der den Menschen „nach seinem Bild und Gleichnis“, eben „als Mann und Frau“, geschaffen hat. Dieser Anruf kommt aus dem Evangelium und macht sich vernehmbar in der Stimme des jungen Gewissens, wenn sich dieses seine Einfachheit und Reinheit bewahrt hat: „Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen“.63 Ja, durch diese Liebe, die in euch aufkeimt -und die eingeschrieben sein will in den Entwurf eures ganzen Lebens -, sollt ihr Gott schauen, der die Liebe selber ist.64 1204 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Deshalb bitte ich euch, das Gespräch mit Christus in dieser äußerst wichtigen Phase eurer Jugend nicht zu unterbrechen; ich bitte sogar, euch noch mehr darum zu bemühen. Wenn Christus sagt „Folge mir nach“, kann sein Ruf bedeuten: „Ich rufe dich zu einer noch anderen Liebe“; sehr oft aber bedeutet er: „Folge mir nach“, folge mir, der ich der Bräutigam der Kirche, meiner Braut, bin; komm, werde auch du Bräutigam deiner Braut...; werde auch du Braut deines Bräutigams. Nehmt also beide teil an jenem Geheimnis, an jenem Sakrament, von dem es im Epheserbrief heißt, daß es tief sei: tief „in Bezug auf Christus und die Kirche“.65 Viel hängt davon ab, daß ihr auch auf diesem Wege Christus folgt; daß ihr euch von ihm nicht zurückzieht, wenn sich euch dieses Problem stellt, das ihr zu Recht für das große Ereignis eures Heizens haltet, das nur in euch und zwischen euch sich vollzieht. Ich möchte, daß ihr glaubt und euch davon überzeugt, daß dieses große Lebensproblem seine endgültige Dimension in Gott hat, der die Liebe ist - in Gott, der in der absoluten Einheit seiner Gottheit zugleich eine Gemeinschaft von Personen ist: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Ich möchte, daß ihr glaubt und euch davon überzeugt, daß dieses euer menschliches „tiefes Geheimnis“ seinen Grund in Gott, dem Schöpfer, hat, daß es in Christus, dem Erlöser, verwurzelt ist, der sich wie ein Bräutigam „hingegeben“ hat und der jeden Bräutigam und jede Braut lehrt, „sich selbst zu schenken“, und zwar nach dem vollen Maß der personalen Würde jedes einzelnen. Christus lehrt uns die bräutliche Liebe. Den Weg der ehelichen Berufung einschlagen bedeutet die bräutliche Liebe lernen, Tag für Tag, Jahr für Jahr: jene Liebe, die Seele und Leib umfaßt; die Liebe, die „langmütig, gütig ist, die nicht ihren Vorteil sucht... und das Böse nicht nachträgt“; die Liebe, die „sich an der Wahrheit freut“, die Liebe, die „alles erträgt“.66 Zu dieser Liebe müßt ihr finden, liebe Jugendliche, wenn eure künftige Ehe die Probe eines ganzen Lebens bestehen soll. Gerade diese Probe gehört zum Wesen der Berufung, die ihr mit der Ehe in euren Lebensplan aufzunehmen gedenkt. Deshalb höre ich nicht auf, Christus und die Mutter der Schönen Liebe für jene Liebe zu bitten, die in den Herzen der jungen Menschen aufkeimt. Sehr oft war es mir in meinem Leben gegeben, diese Liebe junger Menschen gleichsam aus der Nähe zu begleiten. Dank dieser Erfahrung habe ich verstanden, wie wesentlich dieses Problem ist, um das es hier geht, wie wichtig und tief es ist. Ich denke, daß sich die Zukunft des Menschen in hohem Maße auf den Wegen dieser Liebe entscheidet, die ihr, du und sie - du und er, zunächst als junge Liebe während eurer Jugendzeit entdeckt. Das ist in mancher Hinsicht ein großes Abenteuer, aber auch eine große Aufgabe. 1205 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Prinzipien der christlichen Ehemoral werden heute in vielen Kreisen auf entstellte Weise dargeboten. Man versucht, bestimmten Bereichen und sogar ganzen Gesellschaften ein Modell aufzudrängen, das sich selbst als ,fortschrittlich“ und „modern“ ausgibt. Man merkt dabei nicht, daß in diesem Modell der Mensch, und vielleicht besonders die Frau, vom Subjekt zum Objekt wird (Objekt einer besonderen Manipulation) und der gesamte tiefe Gehalt der Liebe reduziert wird zur bloßen „Lust“, welche auch dann, wenn sie von beiden Seiten erfahren wird, nicht aufhört, im Kern egoistisch zu sein. Schließlich wird auch das Kind, das doch eine Frucht und neue Fleischwerdung der Liebe von Mann und Frau ist, immer mehr zu einer „lästigen Zutat“. Die materialistische Zivilisation und die moderne Konsumgesellschaft dringen in diesen wunderbaren Bereich der ehelichen, väterlichen und mütterlichen Liebe ein, nehmen ihm jenen tiefen menschlichen Gehalt, der von Anfang an auch von einem göttlichen Zeichen und Widerschein geprägt war. Liebe junge Freunde! Laßt nicht zu, daß euch dieser Reichtum geraubt wird! Nehmt in euer Lebensprogramm keinen Inhalt der Liebe auf, der verformt, verarmt und verfälscht ist: Die Liebe „freut sich an der Wahrheit“. Sucht diese Wahrheit dort, wo sie wirklich zu finden ist! Wenn es notwendig ist, seid entschlossen, gegen den Strom der gängigen Meinungen und Schlagworte anzugehen! Habt keine Angst vor der Liebe, die dem Menschen bestimmte Forderungen stellt. Diese Forderungen, wie ihr sie in der ständigen Lehre der Kirche findet, sind gerade geeignet, eure Liebe zu einer wahren Liebe zu machen. Und wenn irgendwo, dann möchte ich besonders an dieser Stelle meinen anfangs ausgesprochenen Wunsch wiederholen, daß ihr „immer bereit seid, jedem zu antworten, der nach dem Grund der Hoffnung fragt, die in euch ist“! Die Kirche und die Menschheit vertrauen euch die große Aufgabe jener Liebe an, auf der Ehe und Familie gründen: unsere Zukunft. Sie vertrauen darauf, daß ihr es versteht, sie neu aufkeimen zu lassen; sie vertrauen darauf, daß ihr es versteht, sie menschlich und christlich anziehend zu machen, menschlich und christlich tief, reif und verantwortlich. Das Erbe 11. In dem weiten Bereich, wo der Lebensentwurf, den der junge Mensch sich formt, den „anderen“ begegnet, haben wir den empfindlichsten Punkt berührt. Bedenken wir nun noch, wie dieser wichtige Punkt, an dem sich unser personales „Ich“ dem Leben „mit den anderen“ und „für die anderen“ 1206 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN im Ehebund öffnet, in der Heiligen Schrift eine sehr aufschlußreiche Formulierung findet: „Der Mann verläßt Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau“.67 Dieses ,Verlassen“ verdient eine besondere Beachtung. Die Geschichte der Menschheit geht seit ihrem Beginn - und so wird es immer sein - durch die Familie. Der Mensch tritt in sie ein durch die Geburt, die er den Eltern verdankt, dem Vater und der Mutter, um dann im geeigneten Augenblick diesen ersten Lebenskreis und Hort der Liebe zu „verlassen“ und zu einem neuen überzugehen. Indem ihr ,yater und Mutter verlaßt“, nimmt jeder von euch sie zugleich mit sich und übernimmt das vielfältige Erbe, das in ihnen und in ihrer Familie seinen unmittelbaren Anfang und seine Quelle hat. Das bedeutet, daß jeder von euch, der „verläßt“, doch auch „bleibt“: Das Erbe, das er übernimmt, verbindet ihn fest mit denen, die es ihm übertragen haben und denen er soviel verdankt. Er seinerseits - er und sie - wird fortfahren, dieses Erbe weiterzugeben. Deshalb besitzt auch das vierte der Zehn Gebote eine so große Bedeutung: „Ehre deinen Vater und deine Mutter“.68 Es handelt sich hier vor allem um das Erbe des Menschseins und dann auch um das Menschsein in einer näher bestimmten persönlichen und sozialen Situation. Hier hat sogar die leibliche Ähnlichkeit mit den Eltern ihre Bedeutung. Aber noch viel bedeutender als diese ist das gesamte kulturelle Erbe, dessen Mittelpunkt gleichsam täglich die Sprache ist. Die Eltern haben euch alle jene Sprache sprechen gelehrt, die das wesentliche Mittel sozialer Bindung mit anderen Menschen ist. Diese Bindung hat einen weiteren Rahmen als die Familie mit ihrem Lebensraum. Ein solcher Rahmen ist wenigstens ein Stamm, meistens aber ein Volk oder die Nation, in der ihr geboren seid. So erweitert sich das Erbe aus der Familie. Durch die Erziehung in eurer Familie nehmt ihr an einer bestimmten Kultur und auch an der Geschichte eures Volkes oder eurer Nation teil. Das familiäre Band bedeutet zugleich die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, die größer ist als die Familie, woraus sich eine weitere Basis für die Identität der Person ergibt. Wenn die Familie die erste Erzieherin eines jeden von euch ist, so ist gleichzeitig - durch die Familie - der Stamm euer Erzieher wie auch das Volk oder die Nation, mit der wir durch die Einheit der Kultur, der Sprache und der Geschichte verbunden sind. Dieses Erbe stellt zugleich eine moralische Aufgabe dar. Indem ihr den Glauben übernehmt und die Werte und Inhalte erbt, die zusammen die Kultur eurer Gesellschaft, die Geschichte eurer Nation bilden, wird jeder von euch in seinem individuellen Menschsein geistig ausgestattet. Es bietet sich hier das Gleichnis von den Talenten an, die wir vom Schöpfer auf dem Weg über unsere Eltern und Familien sowie über die nationale Gemein- 1207 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schaft, der wir angehören, empfangen. Vor diesem Erbe können wir nicht in einer passiven oder sogar ablehnenden Haltung verharren, wie es der letzte jener Arbeiter gemacht hat, die im Gleichnis von den Talenten genannt werden.69 Wir müssen alles tun, was wir können, um dieses geistige Erbe aufzunehmen und zu bestätigen, es zu erhalten und zu fördern. Diese Aufgabe ist wichtig für alle Gesellschaften, besonders aber wohl für jene, die sich am Anfang ihrer autonomen Existenz befinden, oder auch für jene, die diese Existenz und ihre wesentliche nationale Identität vor der Gefahr äußerer Zerstörung oder innerer Auflösung verteidigen müssen. Wenn ich euch, liebe Jugendliche, dies schreibe, versuche ich, die vielschichtige und unterschiedliche Situation der Stämme, Völker und Nationen auf unserer Erde geistig vor Augen zu haben. Eure Jugend und der Lebensentwurf, den ihr euch während der Jugendzeit erarbeitet, sind von Anfang an in die Geschichte dieser verschiedenen Gesellschaften verwoben, und das geschieht nicht „von außen“, sondern hauptsächlich „von innen“. Für jeden von euch wird dies zu einer Frage des Bewußtseins von eurer familiären und folglich auch nationalen Zugehörigkeit: zu einer Frage des Herzens, des Gewissens. Das Verständnis vom Vaterland“ entwickelt sich eng verbunden mit dem Verständnis von der „Familie“; in gewissem Sinne entwickelt sich das eine im Bereich des anderen. Wenn ihr dieses gesellschaftliche Band erfahrt, das viel weiter ist als die familiäre Bindung, beginnt ihr auch stufenweise teilzunehmen an der Verantwortungfür das Allgemeinwohl jener größeren Familie, die das irdische „Vaterland“ eines jeden von euch ist. Die herausragenden Gestalten der vergangenen wie der gegenwärtigen Geschichte einer Nation sind beispielhaft auch für die Zeit eurer Jugend und fördern die Entwicklung jener sozialen Liebe, die öfter „Vaterlandsliebe“ genannt wird. Talente und Aufgaben 12. In diesen Zusammenhang der Familie und Gesellschaft, die euer Vaterland ist, fügt sich Schritt für Schritt jenes Thema ein, das mit dem Gleichnis von den Talenten eng verbunden ist. Schritt für Schritt erkennt ihr nämlich jenes „Talent“ oder jene „Talente“, die jeder von euch besitzt; ihr beginnt, schöpferisch damit tätig zu werden und sie zu vervielfachen. Und das geschieht durch die Arbeit. Welch große Skala von möglichen Richtungen, Fähigkeiten und Interessen gibt es auf diesem Gebiet! Ich mache mir nicht die Mühe, sie hier aufzuzählen, nicht einmal nach Art von Beispielen, weil man dabei Gefahr läuft, mehr auszulassen, als man nennen kann. Ich setze deshalb die ganze Breite und 1208 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vielfalt dieser Möglichkeiten voraus. Sie beweist auch den mannigfachen Reichtum an Entdeckungen, den die Jugend mit sich bringt. Im Blick auf das Evangelium kann man sagen, daß die Jugend jene Zeit ist, in der man lernt, die eigenen Talente zu erkennen. Zugleich ist sie auch jene Zeit, in der man die vielfältigen Wege betritt, auf denen sich das gesamte Wirken des Menschen, seine Arbeit und Kreativität bisher entwickelt haben und sich noch weiter entwickeln. Ich wünsche euch allen, daß ihr auf diesen Wegen euch selbst entdeckt. Ich wünsche euch, daß ihr diese Wege mit Interesse, Fleiß und Freude betretet. Die Arbeit - jede Arbeit - ist mit Anstrengung verbunden: „Mit Schweiß im Gesicht wirst du dein Brot essen“.70 An dieser Erfahrung von Anstrengung und Mühe nehmt ihr schon seit frühesten Jahren teil. Gleichzeitig aber foimt die Arbeit den Menschen in spezifischer Weise und bringt ihn in einem gewissen Sinne sogar hervor. Es handelt sich dabei also immer um eine schöpferische Anstrengung. Dies bezieht sich nicht nur auf die Forschungsarbeit oder ganz allgemein auf die geistige Arbeit, sondern auch auf die gewöhnlichen körperlichen Arbeiten, welche scheinbar nichts „Schöpferisches“ enthalten. Die für die Jugendzeit charakteristische Arbeit besteht vor allem in der Vorbereitung auf das bemfliche Leben im Erwachsenenalter und ist deshalb mit der Schule verbunden. Während ich euch diese Worte schreibe, liebe Jugendliche, denke ich darum an alle Schulen der Welt, mit denen euer junges Leben für mehrere Jahre verbunden ist, nacheinander in verschiedenen Stufen nach dem Grad der geistigen Entwicklung und nach der Ausrichtung eurer Fähigkeiten: von der Gmndschule bis zur Universität. Ich denke auch an alle Erwachsenen, meine Brüder und Schwestern, die eure Lehrer und Erzieher sind und euren jungen Geist und Charakter führen. Wie groß ist ihre Aufgabe! Wie groß ist ihre besondere Verantwortung! Wie groß aber auch sind ihre Verdienste! Ich denke schließlich an jene Teile der Jugend, eure Altersgenossen, welche - besonders in einigen Gesellschaften und Umgebungen - keine Möglichkeit der Ausbildung haben, oft nicht einmal der Grundausbildung. Diese Tatsache ist eine ständige Herausforderung für alle verantwortlichen Stellen auf nationaler und internationaler Ebene, daß ein solcher Zustand die notwendige Verbesserung erfahrt. Ausbildung gehört ja zu den Grundwerten menschlicher Zivilisation. Für die Jugendlichen ist sie besonders wichtig. Von ihr hängt aber auch in weitem Maße die Zukunft der ganzen Gesellschaft ab. Wenn wir aber das Problem der Ausbildung und des Studiums, der Wissenschaft und der Schulen aufgreifen, führt dies zu einer Frage von grundsätzlicher Bedeutung für den Menschen und in besonderer Weise für die Jugend- 1209 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehen. Es ist die Frage der Wahrheit. Die Wahrheit ist das Licht des menschlichen Verstandes. Wenn dieser von Jugend an die Wirklichkeit in ihren verschiedenen Dimensionen zu erkennen sucht, macht er sich die Wahrheit .zum Ziel: Er will die Wahrheit leben. So ist die Struktur des menschlichen Geistes: Der Hunger nach Wahrheit ist sein grundlegendes Verlangen und Merkmal. Nun sagt Christus: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“.7' Von allen Worten im Evangelium gehören diese gewiß zu den wichtigsten. Sie betreffen ja den Menschen in seiner Gesamtheit. Sie erklären, worauf sich von innen her, -auf der Ebene des menschlichen Geistes, die besondere Würde und Größe des Menschen aufbauen. Die Erkenntnis, die den Menschen befreit, hängt nicht allein von der Ausbildung ab, und sei sie auch akademisch - auch ein Analphabet kann sie haben; die Ausbildung als systematische Erkenntnis der Wirklichkeit sollte aber auf jeden Fall dieser Würde und Größe und darum notwendigerweise auch der Wahrheit dienen. Dieser Dienst an der Wahrheit wird auch in der Arbeit geleistet, zu der ihr gerufen seid, nachdem ihr euer Ausbildungsprogramm erfüllt habt. In der Schule sollt ihr die geistigen, technischen und praktischen Fähigkeiten erwerben, die es euch ermöglichen, mit Erfolg euren Platz an der großen Werkbank menschlicher Arbeit einzunehmen. Wenn es aber wahr ist, daß die Schule auf die Arbeit vorbereiten soll, auch auf die körperliche, so ist es auch wahr, daß die Arbeit in sich selbst eine Schule großer und wichtiger Werte ist: Sie besitzt ihre eigene Aussagekraft, mit der sie einen wertvollen Beitrag zur menschlichen Kultur leistet. Aus der Beziehung zwischen Ausbildung und Arbeit, die die heutige Gesellschaft kennzeichnet, entstehen jedoch sehr schwere Probleme praktischer Art. Ich denke insbesondere an das Problem der Arbeitslosigkeit und allgemeiner an das Problem der fehlenden Arbeitsplätze, das die jungen Generationen auf der ganzen Welt in verschiedener Weise quält. Dieses Problem, wie ihr gut wißt, führt noch zu anderen Fragen, welche bereits in den Schuljahren einen Schatten der Ungewißheit auf eure Zukunft werfen. Ihr fragt euch: Braucht mich die Gesellschaft? Werde auch ich eine angemessene Arbeit finden können, die mich unabhängig werden läßt? Die mir erlaubt, eine Familie unter würdigen Lebensverhältnissen und vor allem in einer eigenen Wohnung zu gründen? Mit einem Wort, ist es wirklich wahr, daß die Gesellschaft meinen Beitrag erwartet? Diese schwerwiegenden Fragen drängen mich dazu, auch an dieser Stelle die Regierungen und alle, welche für die Wirtschaft und die Entwicklung der Völker Verantwortung tragen, daran zu erinnern, daß die Arbeit ein Men- 1210 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schenrecht ist und deshalb garantiert werden muß, indem man ihr die größte Aufmerksamkeit widmet und in den Mittelpunkt der Wirtschaftspolitik die Sorge um eine angemessene Arbeitsbeschaffung für alle und besonders für die Jugendlichen stellt, die heute so oft unter der Not der Arbeitslosigkeit leiden. Wir alle sind davon überzeugt, daß „die Arbeit ein Gut für den Menschen - für sein Menschsein“ ist, „weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern sich selbst auch als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen,mehr Mensch wird'“.72 Selbsterziehung und Bedrohungen 13. Was die Schule als Institution und Lebensbereich betrifft, so umfaßt sie gewiß vor allem die Jugend. Ich würde aber sagen, daß sich der Sinn der obengenannten Worte Christi über die Wahrheit mehr noch auf die Jugendlichen selbst bezieht. Wenn auch außer Zweifel steht, daß die Familie erzieht, daß die Schule unterrichtet und erzieht, so wird das Wirken von Familie und Schule zugleich unvollkommen bleiben (und kann sogar nutzlos werden), wenn sich nicht jeder einzelne von euch Jugendlichen von sich aus darum bemüht, sich selber zu erziehen. Die Erziehung in Familie und Schule kann euch nur einige Elemente fiir die Aufgabe eurer Selbsterziehung bieten. In diesem Zusammenhang werden die Worte Christi: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ zu einem grundlegenden Programm. Jugendlichen ist - wenn man so sagen kann - der JSinn für Wahrheit angeboren. Und die Wahrheit soll der Freiheit dienen: Die Jugendlichen haben auch das spontane „ Verlangen nach Freiheit“. Was aber bedeutet frei sein? Es bedeutet, die eigene Freiheit in der Wahrheit zu gebrauchen wissen - „wahrhaft“ frei sein. Wahrhaft frei sein besagt keinesfalls, alles zu tun, was mir gefällt oder was ich tun möchte. Die Freiheit enthält in sich das Kriterium der Wahrheit, die Disziplin der Wahrheit. Wahrhaft frei sein bedeutet, die eigene Freiheit für das zu gebrauchen, was ein wirkliches Gut darstellt. Folglich bedeutet frei sein, ein Mensch mit rechtem Gewissen, mit Verantwortungsbewußtsein, ein Mensch „für die anderen“ zu sein. Dies alles bildet den inneren Kern dessen, was wir Erziehung nennen, und vor allem dessen, was wir als Selbsterziehung bezeichnen. In der Tat: Selbsterziehung! Denn eine solche innere Verfassung, bei der „die Wahrheit uns befreit“ kann ja nicht nur „von außen“ geschaffen werden. Jeder muß sie unter Anstrengungen auch „von innen her“, mit Ausdauer und Geduld 1211 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN formen (was den Jugendlichen nicht immer so leicht fällt). Genau diese Formung nennt man Selbsterziehung. Der Herr spricht auch davon, wenn er unterstreicht, daß wir nur „mit Ausdauer ... das Leben gewinnen“ können.73 „Das Leben gewinnen“: das ist die Frucht der Selbsterziehung. In all dem ist eine neue Sichtweise der Jugend enthalten. Hier handelt es sich nicht mehr nur um das einfache Lebensprogramm, das erst in der Zukunft verwirklicht werden soll. Es verwirklicht sich schon in der Jugendzeit, wenn wir durch Arbeit, Unterricht und besonders durch Selbsterziehung das Leben entfalten und dadurch die Gmndlage für die nachfolgende Entwicklung unserer Persönlichkeit schaffen. In diesem Sinn kann man sagen, daß die Jugend „die Bildhauerin ist, die das ganze Leben prägt und gestaltet“; die Form, die sie dem konkreten Menschsein eines jeden von euch gibt, festigt sich dann während des ganzen Lebens. Wenn diese Tatsache eine wichtige positive Bedeutung hat, so kann dieses jedoch leider auch eine entscheidende negative Bedeutung haben. Ihr könnt eure Augen nicht vor den Bedrohungen verschließen, denen ihr während eurer Jugendzeit begegnet. Auch sie können eurem ganzen Leben ihr Merkmal aufprägen. Ich möchte hier zum Beispiel hinweisen auf die Versuchung zu einer übersteigerten Kritiksucht, die alles diskutieren und alles neu überprüfen möchte; oder auf jenen Skeptizismus gegenüber den traditionellen Werten, von dem man leicht in eine Art skrupellosen Zynismus abgleitet, wenn es darum geht, die Probleme der Arbeit, des Berufes oder der Ehe zu meistern. Wie könnte ich ferner über die Versuchung schweigen, die darin besteht, daß sich - vor allem in den wohlhabenderen Ländern - ein Vergnügungsmarkt ausbreitet, der von einem ernsthaften Einsatz im Leben ablenkt und zu Passivität, Egoismus und Isolierung erzieht? Es bedroht euch, liebe Jugendliche, der schlechte Gebrauch der Reklametechniken, der die natürliche Neigung, Anstrengungen aus dem Weg zu gehen, fordert, indem die unmittelbare Erfüllung jedes Wunsches versprochen wird, während der Konsumismus, der damit eng verbunden ist, dem Menschen einredet, seine Selbstverwirklichung vor allem im Genuß der materiellen Güter zu suchen. Wieviele Jugendliche, die dem Reiz des verführerischen Blendwerkes erlegen sind, überlassen sich der unkontrollierten Macht der Instinkte oder suchen das Abenteuer auf Straßen, die scheinbar viel versprechen, aber in Wirklichkeit arm sind an wahrhaft menschlichen Perspektiven! Ich fühle mich gedrängt, hier zu wiederholen, was ich in der Botschaft geschrieben habe, die ich zum Weltfriedenstag gerade an euch gerichtet habe: „Einige von euch können versucht sein, vor ihrer Verantwortung zu fliehen: in die Traumwelt von Alkohol und Drogen, in kurzlebige sexuelle Beziehungen ohne Verpflichtung zu Ehe 1212 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Familie, in Gleichgültigkeit, Zynismus und sogar Gewalt. Seid wachsam gegenüber einer betrügerischen Welt, die euch ausbeuten oder eure kraftvolle, energische Suche nach Glück und Lebenssinn fehlleiten möchte“.74 Ich schreibe euch dies alles, um euch die große Sorge zu bekunden, die ich um euch habe. Wenn ihr nämlich immer bereit sein sollt, Jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“, dann gibt mir alles, was diese Hoffnung beeinträchtigt, zu Sorge Anlaß. Allen denjenigen, die eure Jugend mit verschiedenen Versuchungen und Illusionen zu zerstören suchen, kann ich nur die Worte Christi in Erinnerung rufen, mit denen er vom Ärgernis und von denen spricht, die es verursachen: JVehe dem, der (die Verführungen) verschuldet! Es wäre besser für ihn, man würde ihn mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer werfen, als daß er einen von diesen Kleinen zum Bösen verführt“.75 Ernste Worte! Besonders schwerwiegend im Munde dessen, der gekommen ist, um die Liebe zu offenbaren. Wer aber diese Worte des Evangeliums aufmerksam liest, der spürt, wie tief der Gegensatz zwischen Gut und Böse, zwischen Tugend und Sünde ist. Er muß noch deutlicher feststellen, welch große Bedeutung in den Augen Christi die Jugend eines jeden von euch hat. Es war ja gerade die Liebe zu den Jugendlichen, die ihn zu diesen ernsten und strengen Worten veranlaßt hat. In ihnen ist gleichsam ein fernes Echo des Gespräches Christi mit dem jungen Mann im Evangelium enthalten, auf welches das vorliegende Schreiben ständig Bezug nimmt. Die Jugend als ein „Wachsen“ 14. Gestattet mir, daß ich diesen Teil meiner Überlegungen abschließe, indem ich an die Worte erinnere, mit denen das Evangelium über die Jugend von Jesus von Nazaret selber spricht. Sie sind kurz, obgleich sie sich auf die Zeit von dreißig Jahren beziehen, die er im Haus der Familie, an der Seite von Maria und Josef, dem Zimmermann, verlebt hat. Der Evangelist Lukas schreibt: „Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“.76 Somit ist die Jugend also ein „ Wachsen“. Im Lichte dessen, was bisher zu diesem Thema gesagt worden ist, scheint dieses Wort des Evangeliums besonders dicht und suggestiv zu sein. Das Wachsen „an Alter“ bezieht sich auf die natürliche Beziehung des Menschen zur Zeit: Dieses Wachsen ist gleichsam die „aufsteigende“ Etappe im Gesamtverlauf des menschlichen Lebensweges. Diesem entspricht die ganze leibseelische Entwicklung: Es ist das Wach- 1213 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sen aller Kräfte, durch die sich die normale menschliche Persönlichkeit entfaltet. Es ist aber notwendig, daß diesem Vorgang auch das Wachsen „an Weisheit und Gnade“ entspricht. Euch allen, liebe junge Freunde, wünsche ich vor allem ein solches JVach-sen“. Man kann sagen, daß dadurch die Jugend eigentlich Jugend ist. Auf diese Weise erhält sie ihren eigenen, unwiederholbaren Charakter. So wird sie einem jeden von euch in der persönlichen und gemeinschaftlichen Erfahrung als ein besonderer Wert bewußt. Und ähnlich wird sie auch zum festen Bestand in der Erfahrung der erwachsenen Menschen, die inzwischen die Jugend hinter sich haben und sich von der „aufsteigenden“ Etappe in der Gesamtbilanz ihres Lebens auf jene „absteigende“ hinbewegen. Es ist notwendig, daß die Jugend ein „Wachsen“ ist, das ein allmähliches Ansammeln von all dem in sich schließt, was wahr, gut und schön ist, selbst wenn dieses Wachsen „von außen“ mit Leiden, mit dem Verlust lieber Menschen und mit der tiefen Erfahrung des Bösen verbunden ist, das ununterbrochen in der Welt, in der wir leben, am Werk ist. Es ist notwendig, daß die Jugend ein JVachsen“ ist. Dafür ist äußerst wichtig der Kontakt mit der sichtbaren Welt, mit der Natur. Diese Beziehung bereichert uns in der Jugend auf eine andere Weise als die „aus den Büchern geschöpfte“ Wissenschaft über die Welt. Sie bereichert uns auf direkte Weise. Man könnte sagen, daß wir, indem wir mit der Natur in Kontakt bleiben, in unsere menschliche Erfahrung das Geheimnis der Schöpfung selbst aufnehmen, das sich vor uns mit dem unerhörten Reichtum und der äußersten Vielfalt der sichtbaren Wesen enthüllt und uns zugleich beständig auf das hinweist, was verborgen, was unsichtbar ist. Die Weisheit - sei es durch das Wort der inspirierten Bücher77 wie auch mit dem Zeugnis vieler genialer Geister -scheint auf verschiedene Weise „die Transparenz der Welt“ hervorzuheben. Es ist gut für den Menschen, in diesem wunderbaren Buch zu lesen, welches das „Buch der Natur“ ist, das aufgeschlagen vor uns liegt. Was ein jugendlicher Geist und ein junges Herz darin lesen, scheint zutiefst mit jener Ermahnung zur Weisheit übereinzustimmen: „Erwirb dir Weisheit, erwirb dir Einsicht... Laß nicht von ihr, und sie wird dich behüten, liebe sie, und sie wird dich beschützen“.78 Der heutige Mensch hat sich, besonders im Bereich der technischen und hochentwickelten industriellen Zivilisation, in großem Ausmaß der Erforschung der Natur zugewandt, wobei er sie jedoch oft auf eigennützige Weise behandelt, sehr viele ihrer Reichtümer und Schönheiten zerstört und die natürliche Umwelt seiner irdischen Existenz verschmutzt. Dagegen ist die Natur dem Menschen auch zur Bewunderung und Betrachtung, als ein großer Spiegel der Welt gegeben. In ihr spiegelt sich der Bund des Schöpfers 1214 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit seinem Geschöpf, dessen Mittelpunkt von Anfang an der Mensch ist, der direkt als „Abbild“ seines Schöpfers geschaffen worden ist. Deshalb wünsche ich auch euch Jugendlichen, daß sich euer Wachsen „an Alter und Weisheit“ im Kontakt mit der Natur vollzieht. Nehmt euch Zeit dafür! Spart nicht daran! Akzeptiert auch die Mühen und Anstrengungen, die dieser Kontakt manchmal mit sich bringt, vor allem wenn wir anspruchsvolle Ziele erreichen möchten. Diese Mühen sind schöpferisch und Bestandteil einer gesunden Erholung, die ebenso notwendig ist wie das Studium und die Arbeit. Diese Mühen und Anstrengungen besitzen auch ihren biblischen Stellenwert, besonders beim hl. Paulus, der das ganze christliche Leben mit einem Wettkampf im Stadion vergleicht.79 Jeder von euch hat solche Mühen und Anstrengungen nötig, in denen nicht nur der Körper gestählt wird, sondern der ganze Mensch die Freude darüber erfährt, sich zu beherrschen und Hindernisse und Widerstände zu überwinden. Gewiß ist dies eines der Elemente jenes Wachsens“, das die Jugend charakterisiert. Ich wünsche euch ebenso, daß dieses Wachsen“ im Kontakt mit den Werken des Menschen geschieht und mehr noch mit den lebendigen Menschen selbst. Wie zahlreich sind doch die Werke, die Menschen in der Geschichte geschaffen haben! Wie groß ist ihr Reichtum und ihre Vielfalt! Die Jugend scheint besonders empfänglich zu sein für die Wahrheit, für das Gute und Schöne, die in diesen Werken des Menschen enthalten sind. Indem wir im Bereich so vieler verschiedener Kulturen, so vieler Künste und Wissenschaften mit ihnen in Kontakt bleiben, lernen wir die Wahrheit über den Menschen (die auf solch eindrucksvolle Weise auch im Psalm 8 ausgedrückt ist), eine Wahrheit, die imstande ist, das Menschsein in jedem von uns zu formen und zu vertiefen. In einer besonderen Weise studieren wir aber den Menschen, wenn wir Kontakte mit den Menschen selbst haben. Es muß euch in der Jugendzeit gelingen, durch diesen Kontakt „in der Weisheit“ zu wachsen. Dies ist nämlich die Zeit, in der neue Kontakte, Kameradschaften und Freundschaften über den Kreis der Familie hinaus beginnen. Es eröffnet sich euch der große Bereich von Erfahrungen, die nicht nur von erkenntnismäßiger, sondern auch von erzieherischer und ethischer Bedeutung sind. Diese gesamte Erfahrung der Jugend ist nützlich, weil sie in jedem von euch auch den kritischen Sinn schult und vor allem die Gabe der Unterscheidung für alles, was menschlich ist. Gesegnet wird diese Erfahrung der Jugend sein, wenn ihr schrittweise auch noch jene wesentliche Wahrheit über den Menschen - über jeden Menschen und über euch selbst - lernt, jene Wahrheit, die in dem berühmten 1215 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Text der Pastoralkonstitution Gaudium etspes so zusammengefaßt wird: „Der Mensch, der auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist, kann sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden“.80 So lernen wir also die Menschen kennen, um durch die Fähigkeit des „Sich-schenkens“ noch vollkommener Mensch zu sein: Mensch zu sein ,ßir die anderen“. Eine solche Wahrheit über den Menschen - eine solche Anthropologie - findet ihren unerreichbaren Höhepunkt in Jesus von Nazaret. Und deswegen ist auch seine Jugend so bedeutsam, während der „seine Weisheit zunahm und er Gefallen fand bei Gott und den Menschen“. Ich wünsche euch auch dieses JVachsen“ durch den Kontakt mit Gott. Dazu kann indirekt auch der Kontakt mit der Natur und mit den Menschen dienen; direkt aber dient dazu vor allem das Gebet. Betet und lernt beten! Öffnet vor ihm, der euch besser kennt als ihr selbst, euer Herz und Gewissen. Sprecht mit ihm! Vertieft das Wort des lebendigen Gottes, indem ihr die Heilige Schrift lest und betrachtet. Dies sind die Methoden und Mittel, um sich Gott zu nahen und mit ihm Kontakt zu haben. Seid euch dessen bewußt, daß dies ein wechselseitiges Verhältnis ist. Gott antwortet mit dem „selbstlosesten Geschenk seiner selbst“, einem Geschenk, das in der biblischen Sprache „Gnade“ heißt. Sucht, in der Gnade Gottes zu leben! Soviel also zum Thema des „Wachsens“ von dem ich hier nur die wichtigsten Aspekte aufgezeigt habe; jeder davon ist geeignet für eine eingehendere Diskussion. Ich hoffe, daß dies in den verschiedenen Kreisen und Gruppen der Jugend, in ihren Bewegungen und Verbänden geschieht, die in den verschiedenen Ländern und Kontinenten so zahlreich sind, wobei die einzelnen von der je eigenen Methode der geistigen Formung und des Apostolates geleitet werden. Diese Organismen wollen unter Mitwirkung der Hirten der Kirche den Jugendlichen den Weg zu jenem Sachsen“ zeigen, das gewissermaßen die Definition der Jugend im Evangelium darstellt. Die große Herausforderung der Zukunft 15. Die Kirche blickt auf die Jugendlichen; mehr noch, die Kirche erblickt sich selbst in einer besonderen Weise in den Jugendlichen - in euch allen und in jedem einzelnen von euch. So ist es von Anfang an, seit den Zeiten der Apostel, gewesen. Die Worte im ersten Johannesbrief sind dafür ein besonderes Zeugnis: „Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr den Bösen besiegt habt. Ich schreibe euch, ihr Kinder, daß ihr den Vater erkannt habt... 1216 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich schreibe auch, ihr jungen Männer, daß ihr stark seid und daß das Wort Gottes in euch bleibt“81 Die Worte des Apostels kommen zum Gespräch Christi mit dem jungen Mann im Evangelium hinzu und erschallen mit mächtigen Echo von Generation zu Generation. Auch in unserer Generation, am Ende des zweiten Jahrtausends nach Christus, sieht die Kirche sich selbst in den Jugendlichen. Wie aber sieht sich die Kirche selbst? Dafür sei hier die Lehre des II. Vatikanischen Konzils als besonderes Zeugnis angeführt. Die Kirche sieht sich selbst als „Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ß2 Sie sieht sich also in Beziehung zur gesamten großen Menschheitsfamilie, die ständig im Wachsen begriffen ist. Sie sieht sich selbst in weltweiten Dimensionen. Sie sieht sich auf den Wegen des Ökumenismus, das heißt der Vereinigung aller Christen, für die Christus selber gebetet hat und die in unserer Zeit von unbestreitbarer Dringlichkeit ist. Sie sieht sich ferner auch im Gespräch mit den Angehörigen der nichtchristlichen Religionen und mit allen Menschen guten Willens. Ein solcher Dialog ist ein Heilsdialog, der auch dem Frieden in der Welt und der Gerechtigkeit unter den Menschen dienen soll. Ihr Jugendlichen seid die Hoffnung der Kirche, die sich selbst und ihre Sendung in der Welt gerade in dieser Weise sieht. Sie spricht zu euch über diese Sendung. Von ihr war auch die Rede in der kürzlichen Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1985. Diese war ja direkt an euch gerichtet in der Überzeugung, daß „der Weg des Friedens zugleich der Weg der Jugend ist“ (Frieden und Jugend zusammen unterwegs). Diese Überzeugung ist ein Aufruf und gleichzeitig auch eine Verpflichtung: Es geht noch einmal darum, „bereit zu sein, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ - nach der Hoffnung, die man mit euch verbindet. Wie ihr seht, betrifft diese Hofihung grundsätzliche und auch weltweite Anliegen. Ihr alle lebt jeden Tag zusammen mit euren Angehörigen. Doch weitet sich dieser Kreis schrittweise. Eine immer größere Zahl von Menschen teilt euer Leben, und ihr selber werdet euch einer gewissen Gemeinsamkeit bewußt, die euch mit ihnen verbindet. Es ist fast immer eine irgendwie differenzierte Gemeinschaft. Sie ist so differenziert, wie es das II. Vatikanische Konzil in seiner Dogmatischen Konstitution über die Kirche und in der Pastoralkonstitu-tion über die Kirche in der Welt von heute gesehen und dargelegt hat. Eure Jugend formt sich, was die Konfessionen betrifft, mitunter in gleichförmiger und manchmal in religiös differenzierter Umgebung oder sogar im Grenzbereich zwischen Glauben und Unglauben, sei es in der Gestalt des Agnostizismus oder des Atheismus in seinen verschiedenen Formen. 1217 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dennoch scheint es, daß diese vielfältigen und differenzierten Gemeinschaften von Jugendlichen gegenüber einigen Problemen auf sehr ähnliche Weise fühlen, denken und reagieren. So scheint es zum Beispiel, daß alle ein ähnliches Verhalten gegenüber der Tatsache verbindet, daß Hunderttausende von Menschen in äußerstem Elend leben und sogar verhungern, während gleichzeitig ungeheure Summen für die Herstellung von Atomwaffen ausgegeben werden, deren Vorräte schon zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der Lage sind, die Menschheit auszulöschen. Daneben gibt es noch weitere ähnliche Spannungen und Bedrohungen in einem von der Menschheitsgeschichte bis dahin nicht gekannten Ausmaß. Davon habe ich bereits in der soeben erwähnten Botschaft zum Jahreswechsel gesprochen; deshalb möchte ich diese Probleme hier nicht wiederholen. Wir alle sind uns dessen bewußt, daß sich am Lebenshorizont von Milliarden von.Menschen, die am Ende des zweiten Jahrtausends nach Christus die Menschheit bilden, die Möglichkeit von Unheil und Katastrophen in wahrhaft apokalyptischem Ausmaß abzuzeichnen scheint. In dieser Situation könnt ihr Jugendlichen die vorhergehende Generation zu Recht fragen: Warum ist man soweit gekommeri? Warum ist man zu dieser Bedrohung der ganzen Menschheit auf dem Erdball gelangt? Was sind die Ursachen für die augenfälligen Ungerechtigkeiten? Warum sterben soviele an Hunger? Warum gibt es soviele Millionen von Flüchtlingen an den verschiedenen Grenzen? Soviele Fälle, in denen die elementaren Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Soviele Gefängnisse und Konzentrationslager, soviel systematische Gewalt, soviele Tötungen von unschuldigen Menschen, soviele Mißhandlungen von Menschen, soviele Folterungen, soviele Qualen, .die Menschen körperlich oder in ihrem Gewissen zugefügt werden? Und ^mitten darin finden sich auch Menschen in jugendlichem Alter, die viele unschuldige Opfer auf dem Gewissen haben, weil ihnen die Überzeugung eingehämmert worden ist, daß dieses - nämlich der organisierte Terrorismus - der einzige Weg sei, auf dem man die Welt verbessern könne. Ihr fragt also ein weiteres Mal: Warum? Ihr Jugendlichen könnt alles das fragen,; ja. mehr noch, ihr müßt es! Es handelt sich nämlich um die Welt, in der ihr heute lebt und in der ihr morgen leben müßt, wenn die ältere Generation dahingegangen sein wird. Mit Recht fragt ihr deshalb: Warum richtet sich ein solch großer Fortschritt der Menschheit aitf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik - den man mit keiner vorherigen Geschichtsepoche vergleichen kann -, warum richtet sich der Fortschritt in der Beherrschung der Materie durch den Menschen an sovielen Stellen gegen den Menschen? Zu Recht fragt ihr auch mit einem Gefühl innerer Beklemmung: Ist dieser Stand der Dinge vielleicht sogar T218 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unumkehrbar? Kann er geändert werden? Werden wir es schaffen, ihn zu ändern? Das fragt ihr zu Recht. In der Tat, es ist die Grundfrage in eurer Generation. In dieser Form setzt sich euer Gespräch mit Christus fort, das einmal im Evangelium begonnen hat. Jener junge Mann fragte: ,y/as muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“. Ihr stellt die Frage entsprechend den Zeiten, in denen ihr euch als Jugendliche vorfindet: Was müssen wir tun, damit sich das Leben - das blühende Leben der Menschheit - nicht in einen Friedhof des atomaren Todes verwandelt? Was müssen wir tun, damit nicht die Sünde der allgemeinen Ungerechtigkeit über uns herrscht? Die Sünde der Verachtung des Menschen und die Schmähung seiner Würde trotz der vielen Erklärungen, die alle seine Rechte bekräftigen? Was müssen wir tun? Und weiter: Werden wir es zu tun verstehen? Christus antwortet, wie er schon den Jugendlichen der ersten Generation der Kirche mit den Worten des Apostels geantwortet hat: „Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr den Bösen besiegt habt. Ich schreibe euch, ihr Kinder, daß ihr den Vater erkannt habt ... Ich schreibe euch, ihr jungen Männer, daß ihr stark seid und daß das Wort Gottes in euch bleibt“.83 Die Worte des Apostels, die vor fast zweitausend Jahren geschrieben wurden, sind zugleich auch eine Antwort für heute. Sie bedienen sich der einfachen und kraftvollen Sprache des Glaubens, der den Sieg über das Böse, das es in der Welt gibt, mit sich bringt. „Der Sieg, der die Welt besiegt hat, ist unser Glaube“.84 Diese Worte sind so kraftvoll durch die Erfahrung der Apostel und nachfolgenden Christen vom Kreuz und von der Auferstehung Christi. In dieser Erfahrung bestätigt sich das ganze Evangelium. Es bestätigt sich darin auch die Wahrheit, die im Gespräch Christi mit dem jungen Mann enthalten. ist. Verweilen wir also - gegen Ende des vorliegenden Schreibens - bei diesen Worten des Apostels, die zugleich eine Bekräftigung und eine Herausforderung für euch sind. Sie sind zugleich eine Antwort. Es brennt in euch, in euren jungen Herzen, der Wunsch nach echter Brüderlichkeit unter allen Menschen, ohne Spaltungen, Gegensätze und Diskriminierungen. Gewiß. Den Wunsch nach Brüderlichkeit und vielfältiger Solidarität tragt ihr Jugendlichen in euch; ihr wünscht sicher nicht den gegenseitigen Kampf des Menschen gegen den Menschen in gleich welcher Form. Ist dieser Wunsch nach Brüderlichkeit - der Mensch ist der Nächste des anderen Menschen! der Mensch ist Bruder für den anderen Menschen! - nicht vielleicht ein Zeugnis dafür, daß „ihr den Vater erkannt habt“ (wie der Apostel schreibt)? Denn Brüder gibt es nur dort, wo es einen Vater gibt. Und nur dort, wo der Vater ist, sind Menschen Brüder. 1219 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn ihr also in euch den Wunsch nach Brüderlichkeit tragt, dann bedeutet dies, daß „das Wort Gottes in euch wohnt“. Es wohnt in euch jene Lehre, die Christus gebracht hat und die zu Recht „Frohe Botschaft“ genannt wird. Auf euren Lippen oder zumindest in eurem Herzen verwurzelt ist das Gebet des Herrn, das mit den Worten beginnt ,yater unser“. Das Gebet, das den Vater offenbart, bekräftigt zugleich, daß die Menschen Brüder sind - und es widersetzt sich mit seinem ganzen Inhalt allen Programmen, die nach dem Prinzip des Kampfes des Menschen gegen den Menschen in welcher Form auch immer entworfen worden sind. Das Gebet des ,yater unser“ befreit die Herzen der Menschen von Feindschaft, Gewalt, Terrorismus, Diskriminierung und von allen Situationen, in denen die menschliche Würde und die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Der Apostel schreibt, daß ihr Jugendlichen stark seid in der göttlichen Lehre: in jener Lehre, die im Evangelium Christi enthalten ist und im Gebet des ,yater unser“ zusammengefaßt wird. In der Tat, ihr seid stark in dieser göttlichen Lehre, ihr seid stark in diesem Gebet. Ihr seid stark, weil dieses Gebet euch die Liebe, das Wohlwollen, die Achtung vor den Menschen, vor seinem Leben und seiner Würde, vor seinem Gewissen, seinen Überzeugungen und vor seinen Rechten ins Herz senkt. Wenn „ihr den Vater erkannt habt“, seid ihr stark mit der Kraft menschlicher Brüderlichkeit. Ihr seid auch stark für den Kampf: nicht für den Kampf gegen den Menschen im Namen irgendeiner Ideologie oder Praxis, die sich von den Wurzeln des Evangeliums entfernt hat, sondern stark für den Kampf gegen das Böse, gegen das wahre Übel: gegen alles, was Gott beleidigt, gegen jede Ungerechtigkeit und jede Ausbeutung, gegen jede Falschheit und Lüge, gegen alles, was verletzt und demütigt, gegen alles, was das menschliche Zusammenleben und die menschlichen Beziehungen verschlechtert, gegen jegliches Verbrechen am Leben, gegen jede Sünde. Der Apostel schreibt: „Ihr habt den Bösen besiegt“! So ist es. Man muß stets zu den Wurzeln des Bösen und der Sünde in der Geschichte der Menschheit und des Universums Vordringen, so wie Christus zu ihnen vorgedrungen ist in seinem österlichen Geheimnis von Kreuz und Auferstehung. Man darf keine Angst haben, den ersten Urheber des Bösen beim Namen zu nennen: den Bösen. Die Taktik, die er angewandt hat und anwendet, besteht darin, sich nicht offen zu zeigen, damit das Böse, das er von Anfang an ausgesät hat, durch den Menschen selbst, durch die Systeme und durch die Beziehungen zwischen den Menschen, Klassen und Nationen sich weiter entfaltet, um dann auch immer mehr zur „strukturellen“ Sünde zu werden und sich immer weniger als „persönliche“ Sünde identifizieren zu lassen. Auf daß der 1220 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mensch sich so in einem gewissen Sinne von der Sünde „befreit“ fühlt und zugleich doch immer tiefer in sie verstrickt wird. Der Apostel sagt: „Jugendliche, ihr seid stark“: Es kommt nur darauf an, daß „das Wort Gottes in euch wohnt“. Ihr seid also stark: Ihr könnt so zu den verborgenen Mechanismen des Bösen, zu seinen Wurzeln Vordringen; so werdet ihr allmählich die Welt erfolgreich verändern, sie verwandeln, sie menschlicher und brüderlicher machen - und sie zugleich näher zu Gott führen. Man kann nämlich nicht die Welt von Gott loslösen und sie zu Gott in Gegensatz bringen; noch kann man den Menschen von Gott loslösen und ihn zu Gott in Gegensatz bringen. Dies ist gegen die Natur der Welt und gegen die Natur des Menschen - gegen die innere Wahrheit, die die ganze Wirklichkeit bestimmt! Wahrhaftig, das Herz des Menschen ist „unruhig, bis es ruht in Gott“. Diese Worte des großen Augustinus verlieren nie ihre Aktualität.85 Schlußbotschaft 16. Dies also ist, liebe junge Freunde, das Schreiben, das ich in eure Hände lege. Es folgt dem Gespräch Christi mit dem jungen Mann im Evangelium und schöpft aus dem Zeugnis der Apostel und der ersten Generationen der Christen. Ich überreiche euch diesen Brief im Jahr der Jugend, während wir uns dem Ende des zweiten christlichen Jahrtausends nähern. Ich übergebe ihn euch in dem Jahr, da sich zum zwanzigsten Mal der Abschluß des II. Vatikanischen Konzils jährt, das die Jugendlichen die „Hofinung der Kirche“86 genannt hat und das an die Jugendlichen von damals - wie auch an die von heute und von immer - seine „letzte Botschaft“ gerichtet hat, in der die Kirche als die wahre Jugend der Welt dargestellt wird, als diejenige, die „das besitzt, was die Kraft und den Reiz der jungen Menschen ausmacht: die Fähigkeit, sich über jeden Anfang zu freuen, sich frei zu schenken, sich zu erneuern und zu neuen Eroberungen aufzubrechen“.87 Ich tue dies am Palmsonntag, dem Tag, an dem ich vielen von euch begegnen darf, die als Pilger nach Rom auf den Petersplatz gekommen sind. An diesem Tag betet der Bischof von Rom zusammen mit euch für alle Jugendlichen in der Welt, für jeden und jede von euch. Wir beten in der Gemeinschaft der Kirche, auf daß ihr - vor dem Hintergrund der schwierigen Zeiten, in denen wir leben -„bereit seid, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“. Ja, gerade ihr, weil von euch die Zukunft abhängt, weil von euch das Ende dieses Jahrtausends und der Anfang des neuen abhängt. Bleibt deshalb nicht untätig stehen; übernehmt Verantwortung in allen 1221 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bereichen unserer Welt, die euch offenstehen. In derselben Meinung werden mit euch auch die Bischöfe und Priester an den verschiedenen Orten der Erde beten. Indem wir so in der großen Gemeinschaft der Jugendlichen der ganzen Kirche und aller Kirchen beten, haben wir Maria vor Augen, die Christus vom Anfang seiner Sendung unter den Menschen begleitet hat. Es ist Maria von Kana in Galiläa, die für junge Menschen, die Brautleute, Fürsprache einlegt, als beim Hochzeitsmahl für die Gäste der Wein ausgeht. Die Mutter Christi sagt denen, die während des Mahles Dienst tun: ,jvVas er euch sagt, das tut!“.88 Er, Christus. Ich wiederhole diese Worte der Gottesmutter und richte sie an euch Jugendliche, an jeden und jede von euch: ,^Vas er euch sagt, das tut!“. Und ich segne euch im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit. Amen. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 31. März, dem Palmsonntag des Jahres 1985, dem siebten meines Pontifikates Anmerkungen: 1 1 Petr 3, 15. 2 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, 14: AAS 71 (1979) 284 f. 3 Vgl. Rom 8, 19.21; Eph 4, 4; Phil 3, 10 f.; Tit 3, 7; Hebr 7, 19; 1 Petr 1, 13. 4 1 Petr 3, 15. 5 Vgl. Mk 10, 17-22; Mt 19, 16-22; Lk 18, 18-23. 6 Mk 10, 17-19. 7 Mk 10, 20 f. 8 Mk 10, 22. 9 Vgl. Lk 8, 49-56. 10 Vgl. Lk 7, 11-17. 11 Offli 21, 6. 12 Joh 3, 16. 13 1 Joh 4, 8. 16. 14 Vgl. 2 Thess 2, 7. 15 Joh 14, 9. 16 Hebr 13, 8. 1222 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 17 Vgl. Gen 1, 26. 18 Joh 3, 19; vgl. 1, 9. 19 Joh 1, 5. 20 Röm 6, 9. 21 LA 2, 34. 22 Joh 11, 25. 23 Joh 3, 16. 24 1 Kor 7, 31 25 Hebr 9, 27. 26 Ebenda. 27 LoA 11, 25 f. 28 Vgl. Lx 34, 1; Dtn 9, 10; 2 Kor 2, 3. 29 Vgl. Dtn 4, 5-9. 30 MA 10, 20. 31 Vgl. Mt 5-7. 32 Vgl. Mt 22, 37-40; Mk 12, 29-31; LA 10, 27. 33 7?öw 2, 14. 34 Röm 2, 15. 35 Ebenda. 36 Mk 10, 19. 37 LfeZv 9, 27. 38 Kol 3, 14. 39 Vgl. 1 Kor 13, 13. 40 Vgl. Mt 22, 38. 41 „Das moralische Gesetz - so hat Konfutius gesagt - ist nicht weit von uns entfernt... Der weise Mensch begeht nicht viele Irrtümer im moralischen Gesetz. Denn er hat als Grundregel: Tut nicht anderen das an, von dem ihr selbst nicht möchtet, daß die anderen es euch antun“ (Tchung-Yung, Das rechte Maß, 13J. Ein alter japanischer Meister (Dengyo Daishi, auch Saicho genannt, um 767-822 n. Chr.) fordert dazu auf, „sich selbst zu vergessen und den anderen Gutes zu tun; denn hierin liegt der Gipfel der Freundschaft und des Mitleids“ (Vgl. W TH. DE BARY, Sources of Japanese Tradition, New York 1958, Bd. I, S. 127). Auch Mahatma Gandhi muß hier erwähnt werden, der die „Macht der Wahrheit“ (satya-graha) betont hat, die ohne Gewalt siegt, allein mit der besonderen Kraft, die einer gerechten Handlung innewohnt. 42 Vgl. Röm 2, 15. 43 Vgl. Joh 1, 9; II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen Nostra aetate, 2. 44 Gen 1, 31. 45 Vgl. Joh 2, 25. 46 Vgl. LA 22, 61. 47 Vgl. Eph 1, 4. 48 Mt 19, 20. 49 1 Kor 7, 31. 50 Kol 3, 1. 51 Röm 5, 5. 52 Vgl. Mt 5, 3-12. 53 Mt 19, 21. 1223 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 54 Vgl. Mk 10, 21; Joh 1, 43; 21, 23. 55 Vgl. Mt 19, 12. 56 Vgl. zum Beispiel Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Redemptionis donum: AAS 16 (1984) 513-546. 57 Mt 9, 37. 58 Mt 9, 37 f. 59 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 39-42. 60 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 43-44. 61 II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 1. 62 Joh 4, 10. 63 Mt 5, 8. 64 Vgl. 1 Joh 4, 8. 16. 65 Vgl. Eph 5, 32. 66 Vgl. 1 Kor 13, 4.5.6.7. 67 Gen 2, 24; vgl. Mt 19, 5. 68 Ex 20, 12; Dtn 5, 16; Mt 15, 4. 69 Vgl. Mt 25, 14-30; Lk 19, 12-26. 70 Gen 3, 19. 71 Joh 8, 32. 72 Johannes Paul II., Enzyklika Laborem exercens, 9: AAS 73 (1981) 599 f. 73 Lk 21, 19. 74 Botschaft zum Weltfriedenstag 1985, Nr. 3: AAS 77 (1985) 163. 75 Lk 17, 1 f. 76 Lk 2, 52. 77 Vgl. zum Beispiel Ps 104; 19; Weish 13, 1-9; 7, 15-20. 78 Spr 4, 5 f. 79 Vgl. 1 Kor 9, 24-27. 80 II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 24. 81 1 Joh 2, 13 f. 82 II. Vatikanisches Konzil., Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 1. 83 1 Joh 2, 13 f. 84 1 Joh 5, 4. 85 Vgl. Augustinus, Confessiones I, 1: CSEL 33, S. 1. 86 Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis, 2. 87 Vgl. AAS 58 (1966) 18. 88 Joh 2, 5. 1224 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ebenbild Gottes und Geschöpf zugleich Predigt bei der Messe mit der Jugend anläßlich des internationalen Jugendtreffens am Palmsonntag, 31. März 1. „Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn!“ {Mt 21,9). An diesem Ort, dem Petersplatz, sind wir zusammengekommen: ihr Jugendliche aus den verschiedenen Ländern und der Bischof von Rom. Wir sind gekommen mit dem gleichen Ruf, der vor fast 2000 Jahren in den Straßen Jerusalems widerhallte. Dieser Ruf galt damals und gilt auch heute Jesus von Nazaret. Er ist es, der kommt im Namen des Herrn! Ihm rufen sie „Hosanna“ zu. Er ist der Gesegnete: Er ist der Messias! Am Tage seines Einzugs in Jerusalem verkünden die Bewohner der Heiligen Stadt und die zahlreichen Pilger diese Freudenbotschaft. Vor allem die jungen Menschen sind es, die sie verkünden: die „Kinder von Jerusalem“. Wir möchten, daß der Ruf jener Kinder - den heute die jungen Menschen wiederholt haben - Gehör findet. In besonderer Weise werde er in diesem Jahr gehört, das in der ganzen Welt zum „Jahr der Jugend“ erklärt worden ist. 2. Wir sind hergekommen, um die Liturgie des Palmsonntags zu feiern. Die Leidensgeschichte unseres Herrn Jesus Christus nach Markus führt uns sogleich in die Ereignisse der Woche ein, die heute beginnt. Es ist die Woche vom Leiden des Herrn, die Karwoche! Jesus von Nazaret, dem wir heute „Hosanna“ zurufen und den wir „gesegnet“ nennen, wird zum Tode verurteilt werden. Am Karfreitag werden andere - in derselben Stadt Jerusalem - rufen: „Kreuzige ihn!. . . Kreuzige ihn!“ {Mk 15,13 f.). Sie werden schreien: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“ {Mt 27,25). Warum? Suchen wir eine Antwort hierauf in der Darstellung der Evangelisten: Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Sie ist folgende: Vor dem Hohen Rat wurde Jesus gefragt: „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, sag uns: Bist du der Messias, der Sohn Gottes? {Mt26,63). Er antwortete: „Du hast es gesagt“ {Mt 26,64). Da zerriß der Hohepriester sein Gewand, und das Gericht erließ das Urteil: „Er ist schuldig und muß sterben!“ {Mt 26,66). Seine Verurteilung war religiös begründet. Jesus ist als Gotteslästerer verurteilt worden. 1225 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vor Pilatius, dem römischen Statthalter, wird eine andere Anklage gegen Jesus erhoben: nicht daß er sich Sohn Gottes genannt habe (vgl. Joh 19,7), sondern daß er behauptet habe, er sei der Messias und König (vgl. Lk 23,2). Hier ist das Urteil politisch begründet. Jesus wird als Aufrührer verurteilt. 3. Zwischen dem ersten und dem zweiten Urteil entwickelte sich jedoch ein Gespräch, in dessen Verlauf der Angeklagte dem Pilatus diese Antwort gab: „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Joh 18,37). Hat Pilatus dies verstanden? Anscheinend nicht. Aber als er Jesus mit der Dornenkrone auf dem Haupt erneut vor die Ankläger führte, zeigte er auf ihn und sagte: „Seht, da ist der Mensch!“ (Joh 19,5). Jesus von Nazaret, vom Hohen Rat als Gotteslästerer und von Pilatus als Aufrührer verurteilt, wird vor allem als Mensch verurteilt. Er wird verurteilt, weil er die Sache des Menschen auf sich genommen hat: die ewige und letzte Sache: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen“ {Joh 18,37). 4. Von der Sache des Menschen, die Christus auf sich genommen und auf das Kreuz hinaufgetragen hat, spricht der Apostel Paulus in der heutigen Liturgie. Der Text aus dem Philipperbrief ist knapp und zugleich sehr reichhaltig. Der Apostel schreibt: „Er, Jesus Christus, war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“. {Phil 2,6-7). „Wer ist Jesus Christus? Er ist Gott gleich“ (vgl. Phil 2,6). Er ist eines Wesens mit dem Vater. Er ist Gott von Gott, Licht vom Licht. Er ist Sohn Gottes. Er ist wahrer Gott. Zugleich ist dieser Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, „Mensch geworden“. Er ist wahrer Mensch. Was ist der Mensch? Er ist ein Geschöpf. „Gott schuf den Menschen als sein Abbild . . . Als Mann und Weib schuf er sie“ {Gen 1,27). Der Mensch ist Geschöpf Gottes und zur selben Zeit Bild und Gleichnis Gottes. Das Problem des Menschen, sein ewiges und letztes Problem besteht darin: Unter allen Kreaturen der sichtbaren Welt ist der Mensch ein „gottähnliches“ Wesen und zugleich ein Geschöpf. Christus hat die Sache des Menschen auf sich genommen, indem er Mensch geworden ist. Gottes Sohn, eines Wesen mit dem Vater, hat als Mensch einen Platz unter den Geschöpfen eingenommen. In gewissem 1226 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sinn „entäußerte er sich“ seiner Göttlichkeit und blieb doch Gottes Sohn. Als Mensch und Kreatur ist er „Knecht“ geworden: der „Knecht“ seines Schöpfers, der leidende Knecht Jahwes. 5. Ja, Christus ist Knecht Jahwes geworden nach der Prophezeiung des Jesaja, von dem wir in der heutigen Liturgie einen Abschnitt lesen. „Meinen Rücken bot ich denen, die mich schlugen, meine Wangen denen, die mir den Bart ausrissen. Mein Gesicht verbarg ich nicht vor Schmähung und Speichel“ (Jes 50,6). Knecht Jahwes: der leidende Knecht Jahwes, das dichteste prophetische Bild für den zerschlagenen Messias. Das gleiche Bild zeigt uns Psalm 21 im Zwischengesang der heutigen Liturgie. Gottes Sohn, eines Wesens mit dem Vater und darum ihm gleich, wird als Kreatur und Mensch der Knecht Gottes und der Menschen. Das Programm dieses Dienstes als Knecht verkündet er im Evangelium vor allem dann, wenn er sich beim Ostermahl auf sein Leiden vorbereitet, wenn er seinen Jüngern die Füße wäscht. „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen“ {Mt 20,38) . . . den Menschen zu dienen! Auf diese Weise nimmt er die Sache des Menschen auf sich, um sie zu vollenden. Der Mensch ist ja Bild und Gleichnis Gottes. Dieses Bild und Gleichnis erreicht seine höchste Stufe, als der Sohn Gottes, das Ewige Wort selbst, Mensch wird. Zugleich aber ist der Mensch ein Geschöpf. Dabei kann er jedoch nicht vergessen, daß er auch ein Bild Gottes ist, wie er nicht vergessen kann, daß er ein Geschöpf Gottes ist. Als Geschöpf ist er „Knecht“ seines Schöpfers. Das eine wie das andere bestimmen grundsätzlich das Wesen des Menschen und seine Stellung im Kosmos. Mensch sein besagt, das rechte Gleichgewicht zu halten zwischen Geschöpf und Bild Gottes. Auf das Gleichgewicht kommt es an! Der Mensch hat dieses Gleichgewicht verloren. Er hat es sich nehmen lassen. Bewußt und freiwillig ist er der Stimme des Versuchers gefolgt, der den beiden, der Frau und dem Mann, versprochen hatte: „Ihr werdet sein wie Gott und Gut und Böse erkennen“ {Gen 3,5). In diesem Moment hat der Mensch den Willen Gottes zurückgewiesen und das Gleichgewicht zwischen dem Bild Gottes und dem Geschöpf Gottes zerstört. 6. Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um dieses verlorene Gleichgewicht gewissermaßen an der Wurzel wiederherzustellen. Darum ist er der neue Anfang. Der neue Anfang der Geschichte des Menschen vor 1227 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott. Gerade deshalb nimmt er, Gottes Sohn, dem Vater gleich und eines Wesens mit ihm, als Mensch die „Knechtsgestalt“ auf sich: „Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,7 f.). Auf diese Weise gelangte er bis zum Ausgangspunkt des verlorenen Gleichgewichtes. In die Waagschale des Ungehorsams am Anfang hat er als Gegengewicht seinen Gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz, gelegt. Als er am Kreuz, die Hände an das Holz genagelt, mit dem Tod rang, so daß er sein Gesicht nicht vor „Schmähung und Speichel“ verbergen konnte, da erfüllten sich die Worte, die Christus zu Pilatus gesagt hatte: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege.“ Er legt Zeugnis ab für die Wahrheit: für die Wahrheit über Gott und über den Menschen, für jene Wahrheit, die am Anfang der Geschichte des Menschen auf der Erde verfälscht worden war. Verfälscht hatte sie der, den die Heilige Schrift „Vater der Lüge“ nennt (Joh 8,44). Dieser war es, der gesagt hatte: „Ihr werdet sein wie Gott“, während der Mensch doch Geschöpf und zugleich Bild und Gleichnis Gottes ist. Nicht durch Rebellion und Opposition, sondern durch Gnade und Liebe soll er - in Christus, dem Gottessohn - Kind Gottes werden. Der Menschensohn, auf Golgota mit dem Tod ringend, das Wort, das Fleisch geworden ist, gibt den Menschen die „Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12). Mit dieser Macht stellt er sich der Lüge der ewigen Versuchung entgegen. 7. So hat Jesus von Nazaret also die Sache des Menschen auf sich genommen, eine Sache, die von Anfang an besteht und bis zum Ende fortdauert: die Sache des Menschen gestern und heute und immer! Ihr jungen Menschen aus Rom, aus Italien, aus verschiedenen Ländern, Nationen und Kontinenten seid hier am Palmsonntag zusammengekommen, um zu wiederholen: „Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn.“ Ihr seid gekommen, um am Karfreitag zu hören: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege“ (Joh 18,37). Kommt nicht jeder von uns - jeder Mensch - dazu in die Welt, um vor allem Zeugnis für die Wahrheit abzulegen? Dieses Zeugnis, das Jesus von Nazaret für die Wahrheit ablegt, durchdringe euch tief! Er trägt in sich die Sache des Menschen: die ewige und entscheidende Sache! Jesus Christus ist gestern, heute und in Ewigkeit; 1228 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und die Sache des Menschen ist in ihm begründet: gestern, heute und in Ewigkeit. 8. Ihr jungen Menschen kennt die Sache des Menschen heute, im ausgehenden zweiten Jahrtausend nach Christus. Heute ist der Mensch stolz auf seine Errungenschaften. Nie zuvor sind wir Zeugen solch gewaltiger Fortschritte auf dem Gebiet von Wissenschaft und Technik gewesen! Bestätigen sich hier nicht die Worte: „Ihr werdet sein wie Gott?“ Aber zugleich fühlt sich der Mensch bedroht, bedroht in verschiedener Weise. Nie zuvor fühlte sich der Mensch so bedroht wie heute. Werden die Worte „Ihr werdet sein wie Gott“ hierdurch nicht völlig widerlegt? Die Jugend fragt sich: Wie wird unsere Zukunft aussehen in dieser „schönen, neuen Welt“? Wie wird die Zukunft des Menschen in dieser Welt der Elektronik und der atemberaubenden, herrlichen und zugleich bedrohlichen Erfindungen, wie die Zukunft der Person aussehen? In dieser Welt, die von einigen wenigen Menschen in weitestem Raum beherrscht wird, während andere - Millionen Menschen, darunter viele schutzlose Kinder - Hungers sterben! Wenn sich alle Jugendlichen aus allen Himmelsrichtungen und von allen Enden der Erde hier versammeln könnten, würden sie der Frage nach der Sache des Menschen noch viele weitere Fragen hinzufügen. Und diese Fragen würden viel Angst und Sorge, viel Klage und Anklage enthalten. Ist es nicht offensichtlich, daß in dieser Welt immer mehr das Gleichgewicht zwischen dem Menschen als Bild Gottes und dem Menschen als Geschöpf fehlt? Sehen wir nicht, daß in dieser Welt die Sache des Menschen manipuliert und verfälscht wird? Jene ewige und entscheidende Sache? Spüren wir nicht, daß in dieser Welt fortwährend die kosmischen und endzeitlichen Erschütterungen des Ungehorsams vom Anfang auf-treten? <199> <199> Darum hat diese Welt - die Welt des ausgehenden zweiten Jahrtausends - stets und immer mehr denjenigen nötig, der gehorsam geworden ist bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Die Welt braucht Christus! Das wollt ihr jungen Menschen heute zusammen mit mir, dem Bischof von Rom und Nachfolger des Petrus, bekennen. Mit lauter Stimme wollt ihr es allen Menschen und vor allem euren Altersgenossen im Zusammenhang des Internationalen Jahres der Jugend sagen: „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn . . . Hosanna dem Sohn Davids!“ 1229 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 10. Der ewige Gott - Vater, Sohn und Heiliger Geist - hat sich der Sache des Menschen, der ewigen und letzten Sache des Menschen, in Christus angenommen, der für die Wahrheit Zeugnis gegeben hat: in Christus, der als Gotteslästerer und Aufrührer verurteilt wurde; in Christus, der gegeißelt und mit Dornen gekrönt wurde: in Christus, der am Kreuz gestorben ist. Gott hat sich der Sache des Menschen angenommen: gestern, heute und für immer. Dadurch erhält diese Sache in Christus einen „neuen Anfang“. So ist die Frage nach der Sache des Menschen voller Hoffnung, voller Zuversicht! Dazu sagt der Apostel Paulus: „Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr, zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil 2,9-11). Ja, Jesus Christus ist der Herr! Der Herr auch des kommenden Zeitalters! In ihm schöpft die Sache des Menschen Hoffnung. Unsere „Hoffnung ist voll Unsterblichkeit!“ (Weish 3,4). Geburtstag unseres Priestertums Predigt bei der Messe und ölweihe am Gründonnerstag in Sankt Peter, 4. April <200> <200> „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Jes 61,1). Das sind Worte des Propheten Jesaja über Moses. „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe . . .“ (L£4,18). Diese Worte, die im Buch des Propheten Jesaja stehen, wurden an dem Tag von Jesus vorgelesen, an dem er seine messianische Sendung in Nazaret begann. Heute - am Gründonnerstag - kommt die Kirche auf jenen Tag zurück, um zu unterstreichen, daß die messianische Sendung Jesu Christi eben jetzt ihren Höhepunkt erreicht. „Heute“: Eben heute sollen sich die Worte des Propheten Jesaja bis zum Letzten erfüllen. 1230 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Der Morgengottesdienst des Gründonnerstags heißt Missa chrismatis, Chrisammesse; denn sie ist mit der Weihe des Salböls verbunden: des heiligen Chrisam-Öls, das den Katechumenen und den Kranken Vorbehalten ist. Auf diese Weise erinnert uns die Kirche an jene „Salbung“ durch den Heiligen Geist, an der uns Jesus von Nazaret, Christus, das heißt der Messias, teilhaben läßt. Das Chrisam, das Öl, die Salbung erinnern uns an die Durchdringung des Menschen mit jener vom Heiligen Geist gewährten göttlichen Kraft. In ihrer ganzen Fülle ist diese Kraft Christus zuteil geworden für die Menschheit: für die Kirche. Für die Menschheit durch Vermittlung der Kirche. Diese Kraft hängt schließlich mit dem Abschied Christi, mit seinem Weggang durch den Kreuzestod, durch sein Opfer, zusammen. So hören wir eben heute, da seiner Abschiedsrede im Abendmahlssaal gedacht wird die Worte: „Wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden“ (.Joh 16,7). Heute ist der Tag; da Christus „fortgeht“. Sein „Fortgehen“ bedeutet das „Kommen“ des Beistandes, des Trösters: des Geistes der Wahrheit und der Liebe. Bei seinem „Fortgehen“ überträgt Jesus von Nazaret den Jüngern jene ewige „Salbung“ durch den Heiligen Geist, mit der er als Messias, also als Christus, in die Welt gesandt wurde. „Gehe ich aber fort, so werde ich ihn zu euch senden.“ Mit der Feier des Morgengottesdienstas am Gründonnerstag bereitet sich die Kirche auf den Empfang jener „Salbung“ durch den Heiligen Geist vor; sie bereitet sich darauf vor, jene Kraft zu empfangen, die ihr im „Fortgehen“ Christi zuteil geworden ist: im Geheimnis des heilbringenden Pascha. 3. An dieser „Salbung“ an dieser messianischen Kraft hat das ganze Gottesvolk seinen entsprechenden Anteil, wie die Konstitution Lumen gentium lehrt, in der es heißt: „Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht, damit sie in allen Werken eines christlichen Menschen geistige Opfer darbringen und die Machttaten dessen verkünden, der sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat“ (vgl. 1 Petr 2,4—10) (Lumen gentium, Nr. 10). An dieser „Salbung“, an dieser messianischen Kraft haben wir alle, die wir durch das Auflegen der apostolischen Hände zu Priestern der Kirche geworden sind, entsprechenden und einzigartigen Anteil: als Diener 1231 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes. Wir - liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt! Wir nehmen auch in besonderer Weise an der Chrisammesse teil. Durch die gemeinsame Feier dieser Messe bekennen wir unseren Glauben an das Priestertum, dessen Fülle allein in Jesus Christus zu finden ist. Durch die gemeinsame Feier dieser Messe zeigen wir, daß er der Eine und Einzige ist. Er ist der einzige ewige Prieser: Priester des Alten und des Neuen Bundes; und jeder von uns nimmt voll Demut an seinem Priestertum teil. Der Gründonnerstag ist der Geburtstag unseres Priestertums in Christus. Wie der Tag der Neugeburt unseres Menschseins in Christus der Tag ist, an dem wir das Taufsakrament empfangen haben, so ist der Entstehungsoder Geburtstag unseres Priestertums in Christus der Tag des Sakraments, das beim Letzten Abendmahl zusammen mit der Eucharistie eingesetzt worden ist. 4. Das Taufversprechen erneuern wir oft. Heute wollen wir die Verpflichtungen erneuern, die mit dem Sakrament der Priesterweihe verbunden sind, das durch Gottes Gnade jeder von uns empfangen hat. Wir möchten, daß Christus der durch das österliche Heilsopfer „von uns gegangen ist“, im Heiligen Geist immer wieder „zu uns komme“: daß er in seiner messianischen Kraft komme und uns wachsam finde. Auf daß sich an uns die Worte des Jesaja erfüllen: „Ich bin treu und gebe ihnen den Lohn, ich schließe mit ihnen einen ewigen Bund. . . Jeder, der sie sieht, wird erkennen: Sie sind das vom Herrn gesegnete Volk“ (Jes 61,8-9). Das wünschen wir uns gegenseitig an diesem Gründonnerstag. Denken und Handeln wie Christus Predigt bei der Abendmahlsmesse in der Lateranbasilika am Gründonnerstag, 4. April <201> <201> „Niemals sollst du mir die Füße waschen!“ (Joh 13,8). Diese Worte der Weigerung des Petrus vernehmen wir heute hier in der Lateranbasilika, wo wir uns zum Gottesdienst im Gedenken an das Letzte Abendmahl des Herrn eingefunden haben. Jesus überzeugt jedoch den 1232 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Apostel. Die Fußwaschung ist gewiß eine Funktion des Dienstes, aber sie ist auch Ausdruck und Zeichen der Teilhabe am gesamten messianischen Werk Christi. Das sieht Petrus noch nicht. „Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir“ (Joh 13,8). Petrus begreift noch nicht; aber sein Herz hat sich schon ganz dem messianischen Werk Christi zugewandt: dem, was Christus will. Darum sagt er: „dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt!“ {Joh 13,9). 2. Christus wäscht dem Petrus und den anderen Aposteln die Füße. Gleich werde ich zur Erinnerung und Nachahmung jener Geste des Herrn zwölf Priestern, die heute abend mit mir bei der Eucharistiefeier konzele-brieren, die Füße waschen. Die Fußwaschung Jesu an den Jüngern war die Einleitung zum österlichen Mahl. Diese Dienstfunktion soll erneut bekräftigen, daß Jesus nicht in die Welt gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern selbst Diener zu sein: Er, der Meister und Herr. Die Apostel sollen ähnlich denken und handeln. „Ich habe euch ein Beispiel gegeben . . .“ {Joh 13,15). Die Handlung des Dienstes am Beginn dieses Pascha-Abends bekundet die Gegenwart des „Knechtes“. Es handelt sich um den „Knecht Jahwes“ aus der Prophezeiung des Jesaja. Jesus wollte so anzeigen, daß das Paschamahl den Beginn der Erfüllung der Worte des Jesaja darstellt. Ja, das Abendmahl selbst sollte zum Sakrament des Dieners Gottes werden. „Dein Knecht bin ich, der Sohn deiner Magd“ {Ps 116,16). 3. Während des Paschamahls erinnern sich alle Teilnehmer an das Osterlamm, dessen Blut an den Türpfosten der Häuser die Erstgeborenen Israels vor dem Tod gerettet und den Weg zum Auszug aus Ägypten geöffnet hatte. Auch Jesus richtet den Blick seines Herzens auf das Osterlamm, er erinnert an die Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens. Und gleichzeitig hat er die Stimme Johannes des Täufers im Ohr, der am Ufer des Jordans auf ihn gewiesen und verkündet hatte: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt!“ {Joh 1,29). Er kommt nun zum Letzten Abendmahl. Jesus weiß, daß der Augenblick der Erfüllung der Worte des Johannes am Jordan gekommen ist. Das Blut des Lammes muß die Sünden der Welt hinwegnehmen. 4. Damit erreicht das Paschamahl seinen Höhepunkt. Jesus nimmt das Brot, bricht es und gibt es, nachdem er das Dankgebet gesprochen hat, 1233 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seinen Jüngern, damit sie es essen: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (Lk 22,19). Dann nimmt er den mit Wein gefüllten Kelch. Und sagt (nach dem Text des Paulus): „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 11,25). Der Prophet Jesaja vergleicht den leidenden Knecht mit einem Lamm. Johannes der Täufer spricht ausdrücklich vom Lamm Gottes. Jesus, der die Worte des Proheten und des Johannes erfüllen soll, errichtet in der Eucharistie den Neuen und Ewigen Bund in seinem Blut. In der Eucharistie ist bereits in geheimnisvoller Weise all das enthalten, was sich kurz darauf zu verwirklichen beginnen sollte. In der Schrift heißt es: „Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1 Kor 11,26). Auf diese Weise nimmt die Eucharistie des Letzten Abendmahls die Wirklichkeit, deren Zeichen sie ist, vorweg. Und zugleich kündigt sich durch die Eucharistie noch eine andere Wirklichkeit an: die Erlösung der Welt, der Neue Bund im Blut des Gotteslammes, eine Wirklichkeit, die fortdauert. Durch die Eucharistie kehrt diese Wirklichkeit ständig wieder und wird auf sakramentale Weise erneuert: „Ihr verkündet den Tod des Herrn, bis er kommt.“ 5. Diese Wirklichkeit erklärt sich durch die Liebe: das Kreuz und der Tod des Gotteslammes erklären sich durch die Liebe. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt. . .“ (Joh 3,16). „Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (vgl. Joh 13,1). Genau das ist die Eucharistie. Die Eucharistie läßt sich nur aus der Liebe erklären. Die Eucharistie kommt aus der Liebe und bringt die Liebe hervor. In sie eingeschrieben und endgültig in ihr verwurzelt ist auch das Liebesgebot. „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh 13,34). Das ist das Letzte Abendmahl: das Ostergeheimnis. Von nun an gehen die Liebe und der Tod gemeinsam durch die Geschichte des Menschen, bis der wiederkommt, der sie mit einem unlösbaren Band verbunden und sie uns in der Eucharistie hinterlassen hat, damit wir zu seinem Gedächtnis dasselbe tun. 1234 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die sieben Worte Jesu am Kreuz Ansprache beim Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag, 5. April 1. „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Am Abend dieses Karfreitags kehren wir noch einmal unter das Kreuz auf Golgota zurück. Auch wenn der Leib Christi bereits vom Kreuz abgenommen und eilig - wegen des nahen Osterfestes - in einem Grab beigesetzt worden ist, wollen wir noch einmal die Worte hören, die er während seines Sterbens am Kreuz gesprochen hat. Dort bittet er den Vater vor allem, daß er den für sein Leiden Verantwortlichen vergebe: „Vater, vergib ihnen. . .“ Wird Christus dadurch nicht zu einer persönlichen Offenbarung der vergebenden Liebe Gottes? Und wie reich an Bedeutung ist dieses „sie wissen nicht, was sie tun“! 2. „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ {Lk 23,43). Wer ist dieser Gekreuzigte, der so zu einem anderen Verurteilten spricht? Ist das nicht derselbe Jesus von Nazaret, der zu Beginn seiner messiani-schen Sendung gesagt hat: „Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ {Mk 1,15)? Seht, am Ende seines Messiasdienstes findet er Antwort darauf sogar im Herzen eines bekehrten Übeltäters: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst“ {Lk 23,42). Die Worte Jesu (vom Paradies) sind genau hierauf die Antwort: Bruder, das Reich ist dir nahe, das Reich Gottes ist in deinem Herzen. 3. Und nun - vom hohen Kreuz herab — ein weiteres Wort des Menschensohnes. Wie bedeutungsvoll ist dieses Wort, das in einem gewissen Sinne das gesamte Evangelium vollendet! Wie tief entspringt es dem Herzen des Evangeliums! „Frau, siehe, dein Sohn!“ - „Siehe, deine Mutter!“ {Joh 19,27). Die Mutter verliert ihren Sohn; und zugleich erhält sie einen Sohn: Viele Söhne und viele Töchter erhält sie, all jene nämlich, denen der göttliche Sohn die Macht gegeben hat, „Kinder Gottes zu werden“ {Joh 1,12), Söhne und Töchter im Sohn Jesus Christus. Der Jünger bekommt eine Mutter. Die Kirche bekommt eine Mutter. Die Menschheit bekommt eine Mutter. Ein wunderbarer Reichtum, mit dem uns derjenige beschenkt, der für uns arm geworden ist. 1235 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. „Mich dürstet“ (Joh 19,28). Ja. Durst haben die trockenen Lippen, der Gaumen und die Zunge, die vom Todesfieber brennen. Noch größerer Durst hat die Seele Christi. Einen unendlichen Durst, der alles und alle umfaßt. Einen Durst, der von Beginn an bis zum Ende geht und darüber hinaus: bis der Sohn dem Vater alles unterstellt, „damit Gott herrscht über alles und in allem“ (vgl. 1 Kor 15,28). 5. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34; vgl. Ps 22,2). Mit diesen Worten beginnt der Psalm 22, und der Menschensohn, der am Kreuze stirbt, der Knecht Jahwes aus der Weissagung des Jesaja, beginnt zu beten mit den Worten eben dieses Psalms. Aber wie weit gehen diese Worte? Wie kann Gott von Gott verlassen sein? Der ewige Sohn vom Vater? Aus menschlicher Sicht scheint das unmöglich und unvorstellbar zu sein. In Gott aber. . . Wenn der Sohn vom Vater im Heiligen Geist verlassen ist, dann ist in diesem Verlassen die ganze Fülle der Liebe enthalten, die rettet: die Fülle der Einheit des Sohnes mit dem Vater im Heiligen Geist. 6. „Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30). Im Anklang an einen Psalm wurden einst die Worte gesprochen: „Siehe, ich komme, deinen Willen, o Gott, zu tun“ (vgl. Ps 40,8-9). Diese Worte durchzogen dann das seelische Ringen im Garten Getse-mani: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (Lk 22,42). Und nun erreichen diese Worte ihren Endpunkt, um das Opfer der Erlösung endgültig zu besiegeln: „Siehe, ich komme“ - „Es ist vollbracht!“ 7. „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Jesus Christus, Menschensohn, nimmt den Menschentod an, das Erbe vom ersten Menschen Adam. Dieser leibliche Tod ist zugleich die „Übergabe des Geistes“ an Gott. Jeder Tod eines Menschen findet sein Urbild im Tode Christi: Er ist eine Übergabe des Geistes an denjenigen, der den Menschen zur Unsterblichkeit erschaffen hat. Der Sohn Gottes, der als wahrer Mensch seinen Geist in die Hände Gottes legt, wird hierdurch eins mit dem Vater im Heiligen Geist, der gegenseitigen Liebe von Vater und Sohn, von Ewigkeit einander geschenkt. Tod und Liebe begegnen sich beim Abschluß des Kreuzesopfers. Hier beginnt der Sieg des Kreuzes. Die Liebe siegt im Tod. 1236 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Am Abend des Karfreitags sind wir noch einmal unter das Kreuz auf Golgota zurückgekehrt. Wir haben die Worte betrachtet, die er vom Kreuz herab gesprochen hat. Wenn wir diesen Ort gleich verlassen, tragen wir sie mit uns als kostbares Testament unserer Erlösung. „Wir beten dich an, Herr Jesus, und preisen dich; denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst“ Amen. Versöhnung und Auferstehung Brief an den maronitischen Patriarchen von Antiochien, Kardinal Khoraiche, vom 5. April An Seine Seligkeit Kardinal Antoine-Pierre Khoraiche maronitischer Patriarch von Antiochien Zu dem Zeitpunkt, an dem die Kirche die Ostergeheimnisse feiert und Christi gedenkt, der über die Mächte der Sünde und des Todes gesiegt hat, gehen meine Gedanken zu denjenigen unserer Brüder, die noch immer vor allem aufgrund des Krieges und seiner schmerzlichen Folgen leiden. Um so mehr ist für mich der Umstand, zu wissen, daß das geliebte libanesische Volk auch im Innern Spannungen und Widerstände erlebt, die Angst und Entmutigung hervorrufen, ein zusätzlicher Grund zu Kummer und Besorgnis. Im Licht und in der Hoffnung von Ostern, das für alle ein Fest des Heiles ist, richte ich durch Vermittlung Eurer Seligkeit meine lebhaften Wünsche für Frieden und Versöhnung an alle katholischen Kirchen des Libanon, an alle, die den Glauben an Christus, den Erlöser, bekennen, und an das ganze Volk Eures inniggeliebten Landes. Der maronitische Patriarch von Antiochien, den die Libanesen als das Symbol ihres Landes und Gewährsmann für die jedweder ihrer Gemeinschaften eigenen Werte betrachten, wird ein treuer Fürsprecher der Sorge und der Wünsche sein, die sich in der Seele des Papstes in intensives und ständiges Gebet umsetzen. Ich bin ebenso gewiß, daß Eure Eminenz gern eine wirksame Tätigkeit entfalten wird, um die Gemüter wieder zu beruhigen und insbesondere zu 1237 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bewirken, daß die Christen des Libanon einen konkreten und würdigen Weg zum gemeinsamen Verständnis und zur Zusammenarbeit all ihrer Landsleute für das Wohl des Landes finden. Könnte doch das Hohepriesterliche Gebet,, das Jesus an den Vater richtete: „Bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“ (Joh 17,11), die Herzen vor allem jetzt inspirieren, wo die Versuchung zu Spaltungen in Leid und Ungewißheit über die Zukunft noch stärker ist. Diese Worte des Herrn sollen für alle libanesischen Christen Grund zur Hoffnung sein und sie anspornen, mit den Bischöfen der Kirchen loyal gegenüber den legitimen Autoritäten und Instutionen und zum Wohl der libanesischen Nation zusammenzuarbeiten. Gott möge nicht zulassen, daß die Uneinigkeit der Christen dazu beitrage, das Wohl des Libanon selbst in Frage zu stellen, zu dessen Geschichte sie mit soviel Großherzigkeit und während so langer Zeit einen wesentlichen Beitrag geleistet haben. Das traurige Ereignis, das ich soeben erwähnte, würde gleichfalls die Freiheit, ihren Glauben zu leben und vor den anderen zu bezeugen, in Gefahr bringen. Unser Glaube lehrt uns, daß der Mensch aufgerufen ist, sich nach dem Vorbild Christi in den Dienst seiner Brüder zu stellen. In den sozialen Beziehungen müssen Gewalt, Aggressivität, feindselige Gesinnung, Härte in Worten und im Verhalten dem Wohlwollen, der Verfügbarkeit und dem Dialog Platz machen. Das alles natürlich, ohne deshalb auf Gerechtigkeit, Wahrheit und die jedem Menschen eigene Würde zu verzichten. Gestärkt durch die Lehre Christi, der uns „in seinem Siegeszug mitführt“ (2 Kor 2,14), haben alle libanesischen Christen als Mitglieder von Gemeinschaften, deren fundamentale Sendung es ist, als Jünger des göttlichen Meisters Zeugnis zu geben, gemeinsam die Pflicht, die Gegensätze selbst in Fällen zu überwinden, wo diese durch ernste aktuelle Geschehnisse motiviert scheinen. Ihr Glaube und ihre Liebe zu ihrer Heimat machen ihnen das zur Pflicht. Nur so werden sie die heikle Aufgabe erfüllen können, in prophetischer Weise den Dialog und die Versöhnung zu garantieren, die ihre Quelle im Herzen des für die vielen gestorbenen und auferstandenen Christus haben. Es ist auch ein Dienst, den sie dem Land und der Menschheit leisten können, indem sie zum Wiederaufbau einer Zivilisation beitragen, die von loyalem Zusammenleben und Zusammenarbeit gekennzeichnet ist. Ich bin sicher, daß diese Gedanken und Gefühle von den anderen Patriarchen und christlichen Bischöfen — an die ich meine besonderen Grüße richte - geteilt werden und daß sie im Grunde des Herzens eines jeden echten Libanesen guten Willens vorhanden sind. 1238 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herr Kardinal, während ich Ihnen meine ganze Solidarität mit den Leiden und Ängsten der libanesischen Christen und ihrer Landsleute jeder Gemeinschaft ausspreche, vertraue ich meine Hoffnung dem Gebet der Kirche und der Fürsprache der seligsten Jungfrau an. Möge Gott, der Allmächtige, dem libanesischen Volk gewähren, durch so viele Leiden und Unsicherheiten hindurch den Weg der Versöhnung und der Auferstehung zu finden. Mit meinem Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 5. April 1985 PAPST JOHANNES PAUL II. Offenbarung der göttlichen Macht Predigt bei der Feier der Osternacht in St. Peter am 6. April 1. O wahrhaft selige Nacht! So singt die Kirche in der Ostenacht, wenn sie am Grabe Christi wacht. In diesem Grab liegt sein gefolterter, wegen des Paschafestes in Eile vom Kreuz genommener Leib. Es war noch das Pascha des Alten Bundes. 2. O wahrhaft selige Nacht! So singt die Kirche in dieser Nacht, die dem Pascha des Neuen Bundes voraufgeht. Auf der ganzen Erde ist die Kirche im Wachen vereint, um die Macht des Höchsten anzubeten: „Die Rechte des Herrn ist erhoben, die Rechte des Herrn wirkt mit Macht!“ (Ps 118/16). Das ist die gleiche Macht, die sich am Anfang in der Schöpfung der Welt offenbart hat: „Im Anfang hat Gott Himmel und Erde geschaffen“ (Gen 1,1). Und die gleiche Macht, die sich bei der Befreiung Israels aus Ägypten kundgetan hat, die Macht, die das auserwählte Volk durch das Rote Meer geführt hat, um es aus der Hand des Pharao zu retten. Die in der Nacht am Grabe Christi vereinte Kirche meditiert über die Ereignisse, in denen sich die Macht Gottes kundgetan hat: - die schöpferische Macht - die heilbringende Macht. 1239 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. O wahrhaft selige Nacht! Und wirklich selig ist diese Nacht, in der das Licht Christi neu erstrahlt. In der das Leben den Tod besiegt: Aus der Tiefe des Psalmes spricht zu uns der, der „gestorben war“. „Ich werde nicht sterben, sondern leben, um die Taten des Herrn zu verkünden.“ „Die Rechte des Herrn ist erhoben.“ 4. Wir sind hier in der Nacht vereint, um diese göttliche Macht durch den Glauben und die Liebe zu erfahren. Wir sind hier, um seine Offenbarung zu empfangen, so wie sie die drei Frauen gehört haben, die am frühen Morgen, als es noch dunkel war, zuerst zum Grab gingen und es leer fanden. So wie die Apostel, die zum Grab gelaufen sind. Von diesen Frauen sagt der Evangelist, daß sie „ratlos“ waren, daß sie „erschraken“ (vgl. Lk 24,4-5), daß sie „sich fürchteten“ (Mk 16,5). Sie standen vor einem Geheimnis, das den Menschen und den Schrecken übersteigt: vor einem Geheimnis, das zittern macht. 5. Die Furcht führt zum Staunen, zum Geheimnis, das fasziniert, zur anbetenden Bewunderung. Und die beim Grab Christi vereinte Kirche sieht in der Mitte dieser seligen Nacht auch die Sünde in neuem Licht, weshalb sie zu singen wagt: „O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden.“ Was in dieser Nacht geschah, ist wirklich das „Werk des Herrn: vor unseren Augen geschah dieses Wunder“ (Ps 118,23). 6. Besonders euch, liebe Brüder und Schwestern, die ihr in dieser Osternachtsfeier die Taufe empfangt, laden wir ein, diese Offenbarung der göttlichen Macht - der schöpferischen und heilbringenden Macht - aufzunehmen. Die Kirche nimmt euch mit großer Freude auf - euch, die ihr in sakramentaler Weise mit Christus in seinen Tod zu tauchen wünscht, um auch mit ihm zum neuen Leben aufzuerstehen. Der Bischof von Rom grüßt euch herzlich und lädt euch ein zu den Quellen des Heils. Ihr seid eine Gruppe von 24 Personen, alle jung, aus über zehn Nationen und verschiedenen Kontinenten. Ich seid Zeichen dafür, daß Christus seine Jünger aus allen Völkern und Nationen der Erde beruft. Ihr beweist die Universalität der evangelischen Botschaft. Durch euch wird die Osternacht zu einem besonders beredten Zeichen. Das Pascha-Mysterium unseres Herrn Jesus Christus ist immer im Sakrament der Kirche gegenwärtig. Die Macht des Todes und die Auferstehung hören nicht auf, in den Seelen der Menschen zu wirken. 1240 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. So wird also die Kirche durch das Wirken der göttlichen Macht, der schöpferischen Macht, der heilbringenden Macht, in der Auferstehung des gekreuzigten Herrn zum Leben geboren: „Der Stein, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Eckstein geworden“ (Ps 118,22). Wir alle werden von ihr geboren: als lebendige Steine, durchdrungen vom lebensspendenden Atem dieser Osternacht, vom Hauch der Auferstehung Christi. „So sollt auch ihr für die Sünde tot sein, aber für Gott leben in Christus Jesus“ (vgl. Röm 6,11; Kol 2,13). Erst die Herzen, dann die Strukturen ändern Osterbotschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi“ am Ostersonntag, 7. April 1. „. . . gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, ... am dritten Tage auferstanden von den Toten.“ Im Verlauf der Karwoche und Ostern durchlebt die Kirche in besonderer Weise diesen Glauben, den sie ständig bekennt und verkündigt: „Tod und Leben, die kämpften unbegreiflichen Zweikampf; des Lebens Fürst, der starb, herrscht nun lebend.“ 2. Die Frauen, die am ersten Tag nach dem Sabbat zum Grabe kamen, fanden den Verschlußstein fortgewälzt und hörten die Stimme: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden“ (LA: 24,5-6). Zum erstenmal erklang so dieses Wort und fiel wie ein Same in das Erdreich der Geschichte des Menschen, wo der Tod seit jeher das Gesetz des Lebens ist. Die Apostel haben dann das Zeugnis vom Auferstandenen in die ganze damalige Welt getragen. Die Kirche übernimmt diese apostolische Botschaft und verbreitet sie heute feierlich „Urbi et Orbi“ - „der Stadt und dem Erdkreis“. 3. „Gnade sei mit euch und Frieden von ihm, der ist und der war und der kommt, . . . und von Jesus Christus; er ist der treue Zeuge, der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde.“ So spricht der Menschensohn im Buch der Offenbarung. „Ich bin der Erste und der 1241 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt“ (Offb 1,4-5. 17.18). 4. Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, schreitet durch die Geschichte des Menschen, durch die Geschichte der Menschheit und der Völker. Am Morgen des Ostersonntags stehen die Generationen immer wieder vor dem leeren Grab und hören seit nunmehr fast 2000 Jahren dieselbe apostolische Botschaft: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden.“ 5. An Gräbern stellen sich die Menschen immer Fragen. Das tun sie besonders, wenn die Gräber das traurige Ergebnis aus dem Sturm von Gewalt und Vernichtung sind, wie Kriege ihn auslösen. So erinnern wir uns heute spontan an die Zeit vor 40 Jahren, als in Europa und Asien sowie in den anderen Kontinenten der Zweite Weltkrieg, den eine wahnwitzige imperialistische Doktrin entfesselt hatte, zu Ende ging. Mehr als fünf Jahre hindurch hatte die Menschheit eine furchtbare Erfahrung durchlebt: Millionen und Millionen von Menschen an den Kriegsfronten niedergemetzelt, Städte dem Erdboden gleichgemacht, ungeheure Verluste an Schiffen und Flugzeugen, die Bevölkerung verzweifelt vor Hunger und Elend; viele weitere Millionen von Menschen umgebracht und ausgelöscht in den Konzentrationslagern, das jüdische Volk der Vernichtung ausgeliefert und schließlich das fürchterliche Erleben der ersten Atomexplosionen. 6. Auch heute noch fragt die Menschheit nach dem Sinn dieser Opfer. Man muß zunächst an die Männer und Frauen denken, die in jedem der beteiligten Länder ihr Leben für die gerechte Sache aufopferten: für die Würde des Menschen. Sie gingen dem Tod entgegen als wehrlose Opfer, der Vernichtung ausgeliefert, oder als solche, die mit Waffen ihre Freiheit verteidigten. Sie leisteten Widerstand, nicht um der Gewalt neue Gewalt, dem Haß weiteren Haß entgegenzusetzen, sondern um ein Grundrecht und die Freiheit zu beanspruchen für sich selbst und für die anderen, auch für die Nachkommen jener, die damals noch ihre Unterdrücker waren. In dieser Hinsicht waren sie Märtyrer und Helden. Das war ihr Widerstandskampf. Ähnlich handelten damals die angegriffenen Völker. Sie verteidigten ihre Freiheit und Unabhängigkeit, das Recht auf eigene Existenz, im Namen 1242 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einer internationalen Rechtsordnung in Europa und in der Welt insgesamt. Am 2. Juni 1945 verkündete Pius XII., zunächst noch als einsamer Rufer, daß die Nationen, vor allem die mittleren und kleineren, die so viele Opfer auf sich genommen hatten, „um das System brutaler Gewalt“ zu zerstören, einen Anspruch darauf hätten, die Möglichkeit zu erhalten, „ihr Geschick in die eigene Hand zu nehmen“, und daß alle Völker sich nach einem Frieden sehnten, der jede gewaltsame Unterdrückung oder Vorherrschaft verschwinden lasse. 7. Von dieser Sehnsucht gedrängt, verpflichteten sich die Vereinten Nationen in einer feierlichen Vereinbarung, „die kommenden Generationen vor der Geißel des Krieges zu bewahren“, und bekräftigten mit einer Allgemeinen Erklärung und mit anderen internationalen Dokumenten erneut die Grundrechte jedes Menschen, von Mann und Frau, und der großen wie der kleinen Nationen. Sie wollten damit die eigentliche Wurzel des Krieges beseitigen, die in der Verletzung der Menschenrechte und des Völkerrechtes sowie in der Verletzung der gerechten sozialen Ordnung liegt. Der Schutz der Grundrechte der Menschen und Völker ist der Weg, an den sich die Kirche hält. Vor 40 Jahren hat Pius XII. dies die Grundlage für „eine neue Friedensordnung“ genannt; Johannes XXIII. bekräftigte das mit Nachdruck in der Enzyklika Pacem in terris-, Paul VI. ging bei verschiedenen Gelegenheiten und in mehreren Botschaften darauf ein. Es handelt sich um jene Rechte und Freiheiten, die in meiner Ansprache vor der UNO im Jahre 1979 aufzuzählen ich für meine Pflicht ansah; denn sie gehören zum „allgemeinen Bewußtsein von der Menschenwürde“. <202> <202> Vor 40 Jahren endete der Krieg. Hat sich nun der Frieden als Frucht einer gerechten Ordnung wirklich durchgesetzt? Der Frieden, errichtet auf einer wirklichen Achtung - nicht nur des Buchstabens, sondern auch der Gesinnung — vor den Menschenrechten und den Rechten der Nationen? Mit Schmerzen müssen wir zugeben, daß es auf der Erdkarte noch allzu viele Orte gibt, wo die Menschenrechte bestritten oder verletzt werden in Formen härtester Unterdrückung; wo Folterkammern, Intemierungs- und grausame Arbeitslager ungezählte Opfer fordern, oft totgeschwiegen oder vergessen; wo Millionen von Kindern, Männern und Frauen dem Hungertod wegen Emteausfalls, Dürre oder Mangelernährung überlassen werden; wo Nationen darauf warten, daß ihre Rechte auf Selbstbestimmung anerkannt werden, weil sie diese nicht zurückerhalten oder wieder verlo- 1243 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ren haben; wo Ideologien, die Haß, Gewalt und Unterdrückung verbreiten, immer noch die Völker täuschen oder vergiften; wo der Rüstungswettlauf die Bedrohung durch eine völlige Zerstörung ins Unermeßliche steigert; wo zahlreiche Kriege von unterschiedlicher Ausdehnung und Dauer, aber mit immer größerer Vernichtungskraft fortwährend neue Ruinen schaffen und manche Weltregionen mit Blut bedecken. 9. Die Kirche lebt die Friedensbotschaft, die von Christus stammt. „Der Friede sei mit euch“ ist der Gruß und Segenswunsch des auferstandenen Herrn an die im Abendmahlsaal versammelten Apostel. Mit diesem Gruß und Segenswunsch wendet sich die Kirche an alle Menschen, vor allem aber an die jungen Menschen in diesem Internationalen Jahr der Jugend; denn „Frieden und Jugend (sind) zusammen unterwegs“. 10. Am vergangenen Sonntag bin ich mit Hundertausenden von Jugendlichen zusammengetroffen; das festliche Bild ihrer Begeisterung hat sich meiner Seele tief eingeprägt. Indem ich mir wünsche, daß sich diese wunderbare Erfahrung in den kommenden Jahren wiederholen möge und so ein Internationales Palmsonntagstreffen der Jugend ins Leben gerufen wird, bekräftige ich meine Überzeugung: Die Jugend erwartet eine schwere, aber zugleich packende Aufgabe: die grundlegenden „Mechanismen“ zu verändern, die in den Beziehungen zwischen den Nationen Egoismus und Unterdrückung fördern, und neue Strukturen zu schaffen, die sich an der Wahrheit, der Solidarität und am Frieden ausrichten. Die jungen Menschen sollen jedoch immer daran denken: Um die Strukturen ändern zu können, muß man zu allererst die Herzen ändern. Frieden entsteht im Herzen des Menschen; Frieden stirbt im Herzen des Menschen. <203> <203> Christus allein, der das Herz des Menschen kennt, kann diesem ein neues Herz geben, das fähig ist, sich dem Bruder in freier, selbstloser Liebe zu schenken. An Christus muß sich deshalb die heutige Menschheit wenden, um von ihm die Botschaft von Befreiung und Frieden zu empfangen. In ihm, dem Erstgeborenen einer neuen Menschheit, in der die Macht der Auferstehung schon am Werk ist, können sich die Völker eine Zeit der Gerechtigkeit, der Wahrheit und des Friedens erhoffen. So spricht der Menschensohn im Buch der Offenbarung: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt“ (Offb 1,17-18). 1244 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dienen im Geist der Ehrfurcht Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Ministrantentreffens auf dem Petersplatz am 10. April Liebe Freunde! 1. Zu den Freuden des Papstes in dieser Osterwoche 1985 gehört auch die, mit euch Zusammentreffen zu können. Eure Gegenwart ruft die schöne Beziehung in Erinnerung, die diese Woche einmal hatte: die „weiße Woche“, die Woche der weißen Kleider. Die Kleidung, in der viele von euch kommen, der weiße Kittel, ist bezeichnend und charakteristisch für euren Dienst am Altar und erinnert uns an den Brauch, den es in früheren Jahrhunderten hier in Rom gab. Die in der Osternacht Neugetauften nahmen in der Osterwoche an verschiedenen Gottesdiensten teil, die in den römischen Basiliken gefeiert wurden, und trugen dabei weiße Kleider. Alles war eine Bewegung in blendendem Weiß, das mit den zartesten Ausdrücken bezeichnet wurde. 2. In diesem Rahmen vollzieht sich unsere Begegnung. Ich möchte euch daran erinnern, daß die weißen Kleider, die ihr im Gottesdienst tragt, auch darum weiß sind, weil ihr einmal das Taufkleid getragen habt. Dieses Sakrament ist der Ausgangspunkt des liturgischen Dienstes, den ihr vollzieht, als Helfer eurer Priester und Diakone, als Ministranten, Lektoren, Kommentatoren, Mitglieder einer Sängerschola (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 29). Die Kleider, in denen ihr am Altar dient, sollten euch Anlaß sein zu der Überzeugung, daß es auch für Christen Dinge gibt, die man nicht ablegen kann. Die Liturgie dieser Tage läßt uns die Worte des hl. Paulus wiederholen: „Ihr alle, die ihr in Christus getauft seid, habt auch von Christus ein neues Gewand erhalten.“ Die schmucken und schönen Gewänder, die ihr tragt, wenn ihr euch den Geheimnissen nähert, müssen auch ein Zeichen sein für die innere Bereitschaft, die die Ministranten besitzen sollen, und ein geistlicher Schatz für das ganze Leben bleiben. Deshalb empfehle ich euch die Lesung und das Studium der Bibel, besonders des Evangeliums; die Kenntnis der Liturgie, ihrer Botschaft und ihrer Aussagen; die Liebe zum Gottesdienst. 3. An dieser Stelle wende ich mich mit besonderer Freude an die Meßdiener aus den Ländern deutscher Sprache, von denen ich weiß, daß sie die 1245 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zahlenmäßig stärkste Gruppe bilden. Ich grüße euch alle sehr herzlich und wünsche euch frohe und erlebnisreiche Tage hier in der Ewigen Stadt. Bei unserer heutigen kurzen Begegnung ermutige ich euch vor allem zu einem stets verläßlichen und eifrigen Dienst am Altar. Damit ihr euren Ministrantendienst würdig verrichten könnt, möchte ich euch im folgenden auf einige wichtige Voraussetzungen hinweisen. a) Ihr müßt euch stets in Ehrfurcht dessen bewußt sein, was ihr tut. Der Meßdiener weiß in einer besonderen Weise darum, daß in jeder liturgischen Handlung Christus selber gegenwärtig ist und wirkt. Jesus ist gegenwärtig, wenn die Gemeinde sich versammelt zum gemeinsamen Gebet und Gotteslob; der ist zugegen im Wort der Schrift und der Verkündigung; er ist zugegen vor allem im heiligen Meßopfer, unter den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein; er ist zugegen im Priester selbst, der an der Stelle Jesu Christi die heilige Messe feiert und die anderen Sakramente spendet. Daraus folgt, daß der Dienst, den ihr als Ministranten während der Liturgie, dem Priester leistet, letztlich Christus selber gilt. Denn Christus ist es, der in diesem Augenblick im und durch den Priester gegenwärtig ist und sein Heilswirken unter den Menschen fortsetzt. Dieses verleiht eurer Mitwirkung am Altar eine besondere Würde und ebenso eine große Verantwortung. Im Priester steht ihr dem Herrn selber zur Seite. Bei eurem Ministrantendienst seid ihr in einer besonderen Weise die Freunde und Helfer Jesu Christi, des ewigen Hohenpriesters. Und wie würde ich mich freuen, wenn ihr dieses nicht nur für einige Jahre seid. Könnten nicht einige von euch sich diese enge Freundschaft mit Christus sogar zu ihrer Lebensaufgabe, zu ihrem Beruf erwählen, indem sie sich vom Ministrantendienst für den Priesterdienst entscheiden? Der Priester steht ganz und für immer im Dienst Jesu Christi, durch den dieser heute sein Heil unter den Menschen wirkt. Er braucht auch heute sehr dringend Menschen, die sich ihm großmütig und vorbehaltlos zur Verfügung stellen. Hört deshalb auf die Stimme des Herrn, wenn er auch euch in diese seine engere Nachfolge beruft! b) Die zweite Voraussetzung, auf die ich euch für euren Ministrantendienst hinweisen möchte, ist eine gute Vertrautheit mit dem Wort Gottes in der Schrift. Dieses ist ja ein wesentlicher Bestandteil jeder liturgischen Feier. Lest und hört deshalb aufmerksam die Lesungen der heiligen Messe und vertieft euch auch durch persönliche Lektüre in die Heilige Schrift. Meßdiener sollten die Bibel besonders gut kennen. Sie wissen ja, daß der 1246 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herr selbst darin zu ihnen spricht. Durch Lesung und Evangelium bereitet euch das Wort Gottes darauf vor, würdig und mit Andacht euren Dienst bei der Eucharistiefeier zu verrichten. Möchte doch von jedem Meßdiener gelten, was der hl. Hieronymus von einem seiner jungen Schüler gesagt hat: „Durch eifrige Schriftlesung und durch tägliche Betrachtung hat er sein Herz zu einer Bibliothek Christi gemacht“ (vgl. ep. ad Heliodorum, LX, 10). So reich war sein Wissen über Christus und seine Frohe Botschaft. c) Bemüht euch also um eine solch gründliche Kenntnis der Heiligen Schrift, aber zugleich auch um eine tiefe Kenntnis der Liturgie selbst. Diese ist der bevorzugte Ort, wo Gott und Mensch einander begegnen. In ihr spricht Gott noch immer zu seinem Volk, und dieses antwortet mit Gesang und Gebet (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 33). Für den Ministranten ist die Liturgie festlicher Ausdruck und Feier des Glaubens. Ihre vielfältigen Zeichen und Symbole sprechen von der geheimnisvollen Gegenwart Gottes und vom wundervollen Heilswirken, das seine Gnade durch sie im Menschen vollbringt. Die Sprache der Liturgie wendet sich an den Verstand, an Herz und Sinne. Eure Aufgabe ist es, ihre verschiedenen Ausdrucksweisen und den reichen Inhalt der heiligen Handlungen immer besser zu verstehen, damit euer Ministrantendienst zu einem lebendigen und bewußten Mitvollzug der Liturgie werden kann. d) Eure Kenntnis der Liturgie wird sich mit zunehmendem Alter und mit wachsender Erfahrung als Meßdiener gewiß vertiefen. Ihr muß die Art und Weise entsprechen, wie ihr mit den heiligen Dingen umgeht; wie auch eure äußere und innere Haltung, mit der ihr euren heiligen Dienst verrichtet: wie ihr am Altar steht, das Kreuzzeichen und die Kniebeuge macht, wie ihr sitzt und einherschreitet, wie ihr euch am gemeinsamen Gebet und Gesang beteiligt. Euer Ministrantendienst wird für euch selbst und für eure Gemeinde zum Bekenntnis eures Glaubens, wenn er vom Geist der Ehrfurcht und inneren Sammlung beseelt ist. Dadurch leistet ihr einen wichtigen Beitrag zur würdigen Gestaltung des Gottesdienstes in euren Heimatgemeinden. 1247 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Band, des Friedens, der Liebe und der Einheit Ansprache an die Teilnehmer des Italienischen Kirchentags in Loreto am 11. April Ehrwürdige Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Delegierte der Kirche in Italien! 1. Allen meinen freundlichen und herzlichen Gruß! Mit inniger Freude bin heute hier unter euch, um an eurem Kirchentag teilzunehmen, bei dem die verschiedenen Glieder des Gottesvolkes vertreten sind, das in diesem geliebten Land Italien seinen Glauben lebt. Ich bin vor allem nach Loreto gekommen, um mit euch den auferstandenen Christus, den Erlöser des Menschen, den Versöhner der Menschheit (vgl. 2 Kor 5,18 f.), zu feiern. Ich bin gekommen, um mich mit euch zu Füßen des Kreuzes zu stellen, des immer paradoxen, aber unersetzlichen Zeichens unserer Versöhnung, dieses großen Geschenkes, das die Unentgeltlichkeit und Wirkungskraft der unerschöpflichen Liebe Gottes bekundet. Die Versöhnung ist ein Geschenk Gottes, das aus der durchbohrten Seite des gekreuzigten Christus auf uns herabfließt: Sie ist immer ein überirdisches Geschenk, das die von Gottes Schöpferhand in die Gemeinschaft der Menschen gesäten guten Keime aufnimmt, reinigt, hütet und erhöht. Sie ist das Geschenk, das alle zu dem „über die Erde erhöhten“ (vgl. Joh 12,32) Herrn Christus führt, indem sie die sakramentale und historische Bewegung ins Leben ruft, die die Kirche sammelt und in ihr der ganzen Menschheit die Versöhnung mit Gott und zwischen den Menschen schenkt. Ihr habt deshalb recht getan, liebe Brüder und Schwestern, die Vorbereitung dieser Versammlung auf die Betrachtung des glorreichen Kreuzes Christi auszurichten. Die große Ikone des Karfreitags stellt für uns einen unumstößlichen Bezugspunkt dar. Ihr habt sie an den Beginn eures Weges gestellt, wie man im zweiten Vorbereitungspapier der Tagung unter dem Titel „Die Kraft der Versöhnung“ lesen kann (2.1). Und diese Ikone wolltet ihr hier ins Zentrum eurer Arbeiten stellen, um die Aufmerksamkeit aller Kirchentagsteilnehmer auf sie zu lenken. Auch ich schließe mich euch bei diesem Akt der Verehrung und Kontemplation an. Und wie sehr wünschte ich, daß diese Haltung die geliebte, in Italien dahinpilgernde Kirche Gottes immer kennzeichne! Wie sehr wünschte ich, daß sich dieses Bild des Gekreuzigten in das Herz aller einprägte! Wie sehr wünschte ich, daß jeder von uns aufrichtig mit dem Apostel Paulus sagen könnte: „Ich 1248 BO TSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN hatte mich entschlossen, bei euch nichts zu wissen außer Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten“ (2 Kor 2,2). Christus ist am Kreuz gestorben, jedoch um aufzuerstehen. Nach dem Zeugnis des Lukas ist er „der Lebende“ (vgl. Lk 24,5; Apg 1,3), und so begegnen wir ihm unter vielerlei Gestalt auf den Straßen der Welt, in den Herzen der Menschen, vor allem aber in seiner Kirche. Wir haben, während wir das Zeugnis des Paulus und die Botschaft des Lukas wiedergeben, das Verlangen, uns in die Haltung des Evangelisten Johannes zu versetzen, der uns mit dem genialen Geist des „Theologen“ und mit der Freude des Geretteten das Kreuz Jesu als Königsthron, als Grund der Herrlichkeit, als Quelle des Heiligen Geistes vorstellt. Hier, nur hier, am ruhmreichen Kreuz Jesu, des Sohnes des Hochgelobten (Mk 14,61), dürfen wir den Ansporn und Mut zu jedem Akt der Versöhnung schöpfen, angefangen von der Versöhnung innerhalb der Kirche, um dann zur Versöhnung im ökumenischen Bereich vorzustoßen und uns mit missionarischem Elan für die Versöhnung der Welt einzusetzen. Ihr wolltet auch die eindrucksvolle Botschaft der beiden großen Schutzpatrone Italiens miteinschließen: des hl. Franz von Assisi und der hl. Katharina von Siena. Beim ersten habt ihr an sein Bemühen erinnert, die Bande des Friedens zu vermehren: „In der Tat - so sagt einer seiner Biographen - war der Sinn seiner Worte der, die Feindschaften auszulöschen und die Grundlagen für neue Friedensvereinbarungen zu legen“ (Tommaso da Spalato, in: Fonti Franc., n. 2252). Von der hl. Katharina habt ihr die Ermahnung an die Christen ihrer Zeit aufgegriffen: „Wenn ihr seid, was ihr sein sollt, werdet ihr in ganz Italien Feuer entzünden“ (Brief Nr. 368 an Stefano di Corrado Maconi). Das ist wahr: Wenn die heutigen Christen das sind, was sie sein sollen, wird das Feuer der Liebe Christi wieder neu aufflammen im Herzen eines Volkes, das so ruhmreiche Seiten in die Geschichte der Kirche geschrieben hat und das aufgrund der einzigartigen Aufgabe, die ihm von Gott bei der Verkündigung des Evangeliums an die Welt übertragen worden ist, dazu berufen ist, noch mehr dieser Seiten zu schreiben. Das Konzil nicht nach persönlichem Belieben interpretieren 2. Die Versöhnung, dieser unermeßliche Strom der Gnade und Vergebung, der aus dem Herzen Christi auf uns herabfließt, geht durch die Kirche. Von ihr hat das Zweite Vatikanische Konzil in bleibend symbolischen Worten gesagt: „Die Kirche ist in Christus gleichsam das Sakrament, d. h. Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott 1249 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen gentium, Nr. 1). Der Dienstcharakter der Kirche beim Heilswerk, in Abhängigkeit und Weiterführung des Werkes Christi, des Dieners und Herrn (vgl. Joh 13,12-17), ist ein Faktum, das die Überlieferung stets stark hervorgehoben hat. Das Konzil hat sich zum getreuen Echo davon gemacht. Es ist daher notwendig, daß sich jeder Christ bemüht, sein Engagement im Dienst des Evangeliums in voller Übereinstimmung mit der Kirche zu leben. Um aber eine echte und gültige Erfahrung der Kirche zu machen, muß man die Kirche so annehmen, wie sie von ihrem Stifter gewollt war. Und wo ließe sich der Plan Christi besser erkennen als in der Offenbarung und den Dokumenten des Lehramtes der Kirche, der der Heilige Geist beisteht? Wir wollen heute unsere Aufmerksamkeit auf das Zweite Vatikanische Konzil richten, das dieses Thema ausführlich behandelt hat. Das Konzil darf freilich nicht nach Spezialansichten oder nach persönlichem Belieben interpretiert werden: Niemand darf die Konzilsbotschaft über die Kirche, in ihrer Dimension als Universal- wie als Teilkirche, umstoßen und verzerren. In diesem Zusammenhang möchte ich hier mit euch eine aufschlußreiche Seite von Lumen gentium neu lesen, auf der die vielfältige und einzigartige Wirklichkeit der Kirche in ihrem ganzen Reichtum erscheint aufgrund des verschiedenartigen und komplementären Beitrags der Gegenwart und Mitwirkung aller: des Papstes mit den Bischöfen und dem Volk Gottes. In Nr. 23 des erwähnten Dokuments lesen wir also: „Die kollegiale Einheit tritt auch in den wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Bischöfe zu den Teilkirchen wie zur Gesamtkirche in Erscheinung. Der Bischof von Rom ist als Nachfolger Petri das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielfalt von Bischöfen und Gläubigen. Die Einzelbischöfe hinwiederum sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche. Daher stellen die Einzelbischöfe je ihre Kirche, alle zusammen aber in Einheit mit dem Papst die ganze Kirche im Band des Friedens, der Liebe und der Einheit dar.“ Wenn ich diese Aussage von hohem, lehrhaftem und pastoralem Wert wieder lese, kommt es mir darauf an, der tiefen Einheit zu huldigen, die die italienischen Bischöfe untereinander und mit dem Nachfolger Petri verbindet, die ich lebhaft schätze und die für mich.ein Grund des Trostes in der gemeinsamen Sorge im Dienst an der Kirche Christi in Italien ist, auf die man nicht zu Unrecht von allen Seiten der Welt blickt, hat doch die Göttliche Vorsehung die Schritte des Fischers aus Galiläa in eben dieses Land geführt. 1Z50 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Während wir Gott für das Band der Gemeinschaft danken, das er durch die belebende Kraft seiner Liebe zwischen uns stärkt, werden wir uns erneut der wesentlichen Rolle bewußt, den die Teilkirchen im Heilsplan zu spielen berufen sind. Die Teilkirchen, die Gottes Wort voll Ehrfurcht hören (vgl. Dei verbum, Nr. 1), durch die Teilnahme an der göttlichen Liturgie im Geheimnis Christi verwurzelt sind (vgl. Sacrosanctum conci-lium, Nr. 2), sich im Zeugnis der Liebe engagieren (vgl. Gaudium et spes, Nr. 26) und sich um die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, versammeln (vgl. Christus Dominus, Nr. 16), sind in der Welt und für die Welt sichtbares und greifbares Zeichen der barmherzigen Liebe des Vaters zur Tröstung und vollen Befreiung des Menschen. Die einzelnen Christen sind aufgerufen, an dieser Sendung dem Grad ihres Dienstes entsprechend teilzuhaben. Wenn man sich von dieser Versammlung ein Ergebnis wünschen darf, kann es wohl mit einem erneuerten Kirchenbewußtsein bezeichnet werden, dank dem in der Teilhabe an dem einen Geschenk und in der Mitarbeit an der einen Sendung alle lernen mögen, sich gegenseitig zu verstehen und brüderlich zu schätzen, aufeinander zu zählen und sich gegenseitig zu warnen, aufeinander zu hören und sich unermüdlich zu informieren, damit das Haus Gottes, also die Kirche, durch den Beitrag jedes einzelnen erbaut wird und die Welt sieht und glaubt (vgl. Joh 17,21). Dazu wird entscheidend die Wiederentdeckung des Bußsakramentes - zu der ich euch herzlich ermahne - beitragen, wenn es in seinem ganzen unerschöpflichen Reichtum und in der Fülle seiner personalen und gemeinschaftlichen Dimension gelebt wird. Es ist notwendig, die tiefe Beziehung zwischen der Feier des Erbarmens, das die Sünde tilgt, und der Erneuerung eines moralischen Engagements, das dem empfangenen Erbarmen angemessen ist, wiederherzustellen. Ich bin sicher, daß auch mit diesem Engagement die Kirche wieder den Weg der Einheit und des Friedens finden und der Gemeinschaft der Menschen in Italien die Pfade Gottes zeigen kann (vgl. Jes 44,8-11). 3. Mit diesem neubelebten kirchlichen Bewußtsein wird es möglich sein, sich an die nicht leichte Aufgabe der Suche nach den geeignetsten Wegen zu machen, um der heutigen Welt die Botschaft Christi zu bringen und insbesondere die christliche Wahrheit über den Menschen in die Wirklichkeit der italienischen Nation einzuschreiben, die einem jeden von uns so teuer ist. Unerläßliche. Voraussetzung für ein solches Engagement ist die gründliche Kenntnis des gesellschaftlichen italienischen Kontextes in seinen kom- 1251 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN plexen Komponenten. Ohne Zweifel gehören die Grundsätze des Katholizismus zum historischen Erbe des italienischen Volkes; ja, seine ganze Geschichte und seine Kultur sind vom Christentum durchtränkt und aufs engste mit dem Weg der Kirche seit den Zeiten der Apostel verflochten. Das bezeugen nicht nur die zahllosen Kunstwerke, die im Laufe der Jahrhunderte die verschiedenen Regionen dieses Landes, aber auch die Traditionen, die Bräuche, die Gewohnheiten bereichert haben, an denen sich das Tun und Handeln des italienischen Volkes im Rahmen eines gelebten und durch den Beitrag so vieler Generationen bereicherten christlichen Humanismus inspiriert. Doch Spannungen und Schwierigkeiten haben bereits in der Vergangenheit häufig die Präsenz der Kirche in Italien gekennzeichnet. In den letzen Jahren haben die Schwierigkeiten durch den Säkularisierungsprozeß, der oft in einer wahren Entchrist-lichung der Gesinnung und der Gewohnheit zum Ausdruck kommt, durch die Verbreitung des praktischen Materialismus, zu dem das kulturelle und politische Gewicht atheistischer Ideologien hinzukommt, neue Dimensionen und Perspektiven angenommen. Es gibt nicht wenige negative Tendenzen: von der Krise der Familie mit der Zunahme nicht nur der Trennungen und Scheidungen, sondern auch der Abtreibungspraktiken und mit der damit zusammenhängenden Abnahme kirchlicher Trauungen bis hin zu den Problemen, die sich aus der gegenwärtigen Phase des gesellschaftlichen Umformungsprozesses auch durch die Einführung neuer Technologien im Nachrichtenwesen, im Bereich der Kommunikation und der Produktion ergeben, bis zu den Schwierigkeiten vor allem für Jugendliche und für Frauen, einen Arbeitsplatz zu finden. Aber glücklicherweise fehlt es in diesem Zusammenhang auch nicht an Gründen zur Zuversicht: So nimmt man zum Beispiel ein neues Verlangen nach tiefen und dauerhaften Gefühlen wahr, das zu einer Hochschätzung des Wertes der Familie führt; bemerkenswert ist sicher der Einsatz der Verteidigung des menschlichen Lebens vom Augenblick der Empfängnis an und die Vermehrung erzieherischer und Hilfsinitiativen, die vor allem von der kirchlichen Gemeinschaft ausgehen und sich von freien katholischen oder christlichen Schulen bis zu Treff- und Bildungszentren für Kinder und Jugendliche, Zentren zur Rehabilitierung von Drogenabhängigen und Pflegestätten für Alte und Behinderte erstrecken; und das mit breiter Beteiligung freiwilliger Helfer. Auch das Engagement zur Teilhabe am öffentlichen Leben weist Zeichen der Wiederbelebung auf, wie z. B. bei der gesellschaftlichen Leitung der Schule. Die jetzt erwähnten positiven Zeichen löschen nicht die negativen 1252 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erscheinungen aus, die das allgemeine Bewußtsein beunruhigt haben oder neuerlich zu beunruhigen drohen. Hinter diesen Erscheinungen müssen die tiefgreifenden Auswirkungen des aktuellen Entchristianisierungsprozesses gesehen werden: Denn wo der Galube an den menschgewordenen Gott abnimmt, gerät der tiefste Beweggrund zur Anerkennung der ursprünglichen Würde jedes Menschen in eine Krise. Wenn die Person absichtlich auf ein Teilchen der Natur oder ein anonymes Element der Gesellschaft reduziert wird (vgl. Gaudium et spes, Nr. 14), darf man sich nicht wundern, daß sich die Grundmaßstäbe, auf die sich das menschliche Zusammenleben stützt, verändern. 4. Welche Therapie können wir für diese Gesellschaft empfehlen, die zwar in höchst positiver Weise den Wert und die Rechte der menschlichen Person entdeckt hat, aber nicht selten Entscheidungen trifft, die im Kontrast zu den eigenen Interessen des Menschen und zur christlichen Zivilisation stehen, die die italienische Geschichte gekennzeichnet hat? Alles Bemühen um Reflexion und alles Beten der Kirche in Italien, die sich zu dieser Versammlung eingefunden hat und von ihren Bischöfen vertreten wird, um die sich so viele ausgewählte Priester, Ordensleute und Laien scharen, richtet sich auf die Beantwortung dieser Frage. Während ich meine Reflexion und mein Gebet mit dem euren verbinde, möchte ich einige Grundlinien hervorheben, die immer zu beachten sind, damit der pastorale Einsatz der Kirche positive Ergebnisse erzielen kann. Die erste dieser Grundlinien ist zweifellos die innere Einheit der Kirche: Wie könnte die christliche Gemeinschaft „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott und für die Einheit der ganzen Menschheit“ sein {Lumen gentium, Nr. 1), wenn sie nicht in Christus diese unaufhörliche Einheit vor allem in ihrem eigenen Inneren lebte, damit sie versöhnte Kirche, ja „Erstversöhnte der Welt“ (vgl. Augustinus, Sermo 96,8) ist? Es besteht jedoch ein grundlegender Zusammenhang zwischen Einheit und Wahrheit: Die echte Versöhnung kann nur in der Wahrheit Christi geschehen, nicht außerhalb ihrer oder gegen sie (vgl. Reconciliatio et paenitentia, Nr. 9). Die geoffenbarte Wahrheit ist übrigens Eigentum Gottes; die Kirche ist nicht willkürliche Herrin über sie, sondern vielmehr ihre treue Dienerin und Zeugin: Der Geist der Wahrheit wird ihr geschenkt, um ihr in dieser ihrer entscheidenden Sendung beizustehen, indem er den Bischöfen das Charisma der Unfehlbarkeit garantiert, aber auch das ganze Volk Gottes mit einem besondern Glaubenssinn ausstattet. Es ist darum notwendig, daß das Gefühl der Verantwortung für die Wahrheit von allen Gläubigen geteilt wird, insbesondere von denen, die 1253 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie die Theologen eine besondere Aufgabe haben bei der Vertiefung der geoffenbarten Wahrheit und bei der Verpflichtung, ihre Inhalte in den heutigen kulturellen Kontext einzuordnen: von ihnen wird in besonderer Weise eine enge, treue und achtungsvolle Zusammenarbeit mit den Hirten der Kirche verlangt (vgl. Redemptor hominis, Nr. 19). Die Treue zur Wahrheit ist unumgängliche Voraussetzung dafür, daß alle Christen ihre prophetische Sendung in der Welt entfalten können. Die Wahrheit ist das Maß der Sittlichkeit: Entscheidungen und Motivierungen können nicht sittlich gut und somit anerkennungswürdig genannt werden, wenn sie nicht dem objektiven Guten konform sind. Das Verständnis und die Achtung für den Irrenden verlangen auch Klarheit und Eindeutigkeit bei der Bewertung des Irrtums, dessen Opfer er ist. Denn die Achtung für die Überzeugungen des anderen schließt ja nicht den Verzicht auf die eigenen Überzeugungen ein. Das „Wahrheitsbewußtsein“, das heißt das Bewußtsein, Träger der heilbringenden Wahrheit zu sein, ist ein wesentlicher Faktor der missionarischen Dynamik der ganzen kirchlichen Gemeinschaft, wie die Erfahrung der Kirche seit ihren Anfängen beweist. Heute, in einer Situation, wo es dringlich ist, auch in einem Land wie Italien so etwas wie eine neue „implantatio evangelica“, eine Neueinpflanzung des Evangeliums, zu beginnen, scheint ein starkes und verbreitetes Wahrheitsbewußtsein besonders notwendig. Daher die Dringlichkeit einer systematischen, vertieften und ausgebauten Erwachsenenkatechese, die den Christen das reiche Erbe der Wahrheit, dessen Träger sie sind, und die Notwendigkeit bewußt machen muß, immer ein treues Zeugnis ihrer christlichen Identität zu geben. 5. Zugleich muß die Wahrheit Christi, damit sie vom Menschen, besonders vom modernen Menschen in ihrem wahren Sinn verstanden und bis zum letzten angenommen werden kann, als eine Wahrheit verkündet und gelebt werden, die - nach dem Psalmwort (Ps 85,11) - mit der Liebe verbunden ist: „Es begegnen einander Huld und Treue; Gerechtigkeit und Friede küssen sich.“ Während in der modernen Zeit der Anspruch auf Wahrheit aus bekannten historischen Gründen oft als Hindernis für das friedliche Zusammenleben der Menschen angesehen wurde, so als könnte diese lediglich auf relativistischen Grundlagen beruhen, und während die Ideologien in der Tat die Menschen entzweien und in Gegensatz zueinander stellen, will die Wahrheit Christi in der Liebe verwirklicht werden, um auf diese Weise zur Brüderlichkeit zu führen. Denn sie ist in ihrem tiefsten Wesen Offen- 1254 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN barung der Liebe und kann nur im konkreten Zeugnis der Liebe ihre volle Glaubwürdigkeit finden. Darum sind die christlichen Gemeinschaften aufgerufen, Orte zu sein, wo die Liebe Gottes zu den Menschen gewissermaßen erfahren und gleichsam mit Händen gegriffen werden kann. Der Durst nach Glaubwürdigkeit, der gerade wegen der augenblicklich herrschenden „Kultur des Argwohns“ im Herzen der Menschen besonders lebendig ist, macht das Bedürfnis nach derartigen Gemeinschaften vordringlich: Sie erscheinen als der wichtigste Weg, um unser Volk in die volle Zugehörigkeit der Kirche und in die volle Zustimmung zur Wahrheit des Glaubens zurückzuführen. Auch bei der Seelsorge schwieriger Fälle, wie bei wiederverheirateten Geschiedenen oder bei Priestern, die sich in einer irregulären Lage befinden, müssen, wie ich in dem Apostolischen Schreiben im Anschluß an die Bischofssynode Reconciliatio et paenitentia (Nr. 34) in Erinnerung gerufen habe, gleichzeitig der Grundsatz des Mitgefühls und des Erbarmens - dem gemäß die Kirche immer bemüht ist, soweit es ihr möglich ist, den Weg der Rückkehr zu Gott und der Versöhnung mit ihm anzubieten -und der Grundsatz der Wahrheit und Konsequenz bedacht werden, aufgrund dessen die Kirche nicht bereit ist und bereit sein kann, gut zu nennen, was böse ist, und böse, was gut ist. Die Vertreter des sogenannten Dissenses dürfen ihrerseits gewiß sein, daß auch ihnen der Weg der Rückkehr immer offensteht, aber zu diesem Zweck müssen sie die Forderungen der kirchlichen Gemeinschaft im Bereich des Glaubens und der Disziplin aufrichtig annehmen. 6. Um die kirchliche Gemeinschaft und die Fähigkeit zur apostolischen Präsenz der Kirche zu fördern, scheint die große Vielfalt und Lebendigkeit von Vereinigungen und Bewegungen, vor allem von Laienbewegungen, die die gegenwärtige nachkonziliare Periode kennzeichnet, sehr bedeutsam und verheißungsvoll. Damit der Reichtum der Gnadengaben, die der Herr uns schenkt, seinen vollen Beitrag zur Errichtung des gemeinsamen Hauses leistet, bedarf es vor allem der ständigen Bezugnahme auf den eigenen Bischof, das „sichtbare Prinzip und Fundament der Einheit der Teilkirche“ (Lumen gentium, Nr. 23). Jedes kirchliche Umfeld sowie jedes Problem, das in ihm auftauchen kann, findet in der Teilkirche und ihren konkreten Strukturen den von der Vorsehung bestimmten Ort, auf den man sich bei der Suche nach der angemessenen Lösung beziehen muß. Alles natürlich im Rahmen der unerläßlichen Gemeinschaft mit der Gesamtkirche, die im Nachfolger 1255 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Petri den immerwährenden und sichtbaren Mittelpunkt ihrer Einheit hat (vgl. ebd.). Die Teilkirchen, in denen und aus denen die eine und einzige Kirche Christi besteht {ebd), finden nämlich ihren wahren Sinn und ihren kirchlichen Zusammenhalt einzig und allein als Ausdruck und Verwirklichung der Catholica, d.h. der einen, universalen und erstgeborenen Kirche. Für die solidarische Errichtung des gemeinsamen Hauses ist es außerdem notwendig, daß jeder Geist des Widerstandes und Streites aufgegeben wird und man vielmehr in gegenseitiger Achtung wetteifert (vgl. Röm 12,10), sich in der Liebe und im Willen zur Zusammenarbeit gegenseitig zuvorzukommen, und das mit Geduld, Weitblick und der Bereitschaft zum Opfer, das daraus folgen kann. Denn Vereinigungen und Bewegungen bilden einen bevorzugten Kanal für die Formung und Förderung eines tätigen Laienstandes, der sich seiner Rolle in der Kirche und in der Welt entsprechend der authentischen Lehre des Konzils bewußt ist. Dieses glaubwürdige christliche Laientum, das Gegenstand und Thema der nächsten ordentlichen Versammlung der Bischofssynode sein wird, darf sich keineswegs in Alternative zur Kirchlichkeit, sondern nur in dieser als besondere, von der Einfügung in die irdischen Wirklichkeiten gekennzeichnete Weise verstehen, die gemeinsame Zugehörigkeit zu dieser Kirche und ihre christliche und kirchliche Sendung zu leben (vgl. Lumen gentium, Nr. 31). Analog findet die berechtigte Autonomie der irdischen Wirklichkeiten {Gaudium et spes, Nr. 36) ihren Sinn und ihre Stellung in einem Heilsplan, der in Christus seinen Mittelpunkt hat und die gesamte Ordnung der Schöpfung und der Erlösung umfaßt (vgl. Lumen gentium, Nr. 7; Gaudium et spes, Nr. 45; Apostolicam actuositatem, Nr. 5). Konkret hat die Kirche, die auf Erden den Anfang und Keim des Gottesreiches darstellt, die Aufgabe, das Reich der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt zu errichten (vgl. Lumen gentium, Nr. 5). 7. Unsere Überlegungen kommen damit zum zweiten grundlegenden Aspekt dieses Kirchentages: dem Beitrag, den die versöhnte Kirche in Italien zum Aufbau der Gemeinschaft der Menschen leisten kann und soll, indem sie einen unerläßlichen Teil ihres Sendungsauftrages als Förderin der Einheit und Dienerin der Versöhnung erfüllt. Denn die Kirche geht zusammen mit der Menschheit und fühlt sich wirklich und aufs innigste solidarisch mit dem Menschengeschlecht und seiner Geschichte (vgl. Gaudium et spes, Nr. 1 und 40). Da es der Kirche anvertraut ist, das Geheimnis Gottes, des letzten persönlichen Zieles des Menschen, offen- 1256 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kundig zu machen, erschließt sie dem Menschen gleichzeitig das Verständnis seiner eigenen Existenz, d. h. die letzte tiefe Wahrheit über sich selbst und seine Bestimmung (vgl. Gaudium et spes, Nr. 41). Wenn also diese Kirchenversammlung ihre Ziele erreichen will, wird sie diese Aufgabe der kirchlichen Gemeinschaft hervorheben müssen, die sich letztlich auf die erregende und gnadenhalber gewährte Tatsache gründet, daß „sich der Sohn Gottes in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt hat“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Christus ist „der Hauptweg der Kirche“, und er ist auch der Weg, der zu jedem Menschen führt: „Auf dieser Straße, die von Christus zum Menschen führt - schrieb ich in der Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 13 -, darf die Kirche sich von niemandem aufhalten lassen.“ Auch und gerade in einer pluralistischen und zum Teil entchristlichten Gesellschaft ist die Kirche auf gerufen, gelehrig, mutig und voll Vertrauen in den Herrn tätig zu sein, damit auf dem Weg in die Zukunft der christliche Glaube eine führende Rolle spielt und eine daraus resultierende Wirksamkeit hat oder wiedergewinnt. Ich möchte hier an die klare Überzeugung Papst Johannes’ XXIII. erinnern, daß eine religiös begründete sittliche Ordnung „besser als jede äußere Macht und jedes äußere Interesse imstande (ist), Probleme zu lösen, die das Leben der einzelnen und der sozialen Gruppen, das eines Volkes und das der Völkergemeinschaft stellt“ (Mater et magistra, Nr. 208). Die Förderung der moralischen Werte ist ein grundlegender Beitrag zum wahren Fortschritt der Gesellschaft. Bei der Erfüllung dieser Tätigkeit dringt also die Kirche nicht in die Kompetenzen eines anderen ein, sondern handelt kraft dem, was ihr ursprünglich zusteht: „Die Kraft, die die Kirche der menschlichen Gesellschaft von heute mitzuteilen vermag, ist jener Glaube und jene Liebe, die sich in Tat und Wahrheit des Lebens auswirken, nicht aber irgendeine äußere, mit rein menschlichen Mitteln ausgeübte Herrschaft“ (Gaudium et spes, Nr. 42). Die Komplexität des soziokulturellen Kontextes macht natürlich die Übung der geistlichen und pastoralen Unterscheidung, die im Zentrum der Aufmerksamkeit dieser Versammlung steht, besonders notwendig. Es gilt vor allem, das Grundkriterium einer solchen Unterscheidung klar vor Augen zu haben. Bereits das Konzil (Gaudium et spes, Nr. 12) erkannte im Menschen, in der zentralen Stellung des Menschen, das Prinzip der Übereinstimmung zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden in der heutigen Zeit, die man humanistisch nennen muß (vgl. Redemptor hominis, Nr. 17), fügte aber gleich die fundamentale Frage an: Aber was 1257 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist der Mensch?, und unterstrich die Vielfalt und Gegensätzlichkeit der diesbezüglichen Meinungen. In Weiterentwicklung dieser großen Konzilsorientierung konnte ich ausführen: „Je mehr sich die Sendung der Kirche auf den Menschen konzentriert, je mehr sie sozusagen anthropozentrisch ist, desto mehr muß sie sich als theozentrisch erweisen und es in Wirklichkeit sein, sich also in Jesus Christus auf den Vater ausrichten. Während verschiedene Geistesströmungen in der Vergangenheit und der Gegenwart dazu neigten und neigen, Theozentrik und Anthropozentrik voneinander zu trennen und sogar in Gegensatz zueinander zu bringen, bemüht sich die Kirche, darin Christus folgend, deren organische, tiefe Verbindung in die Geschichte des Menschen einzubringen. Das ist auch ein Grundgedanke, vielleicht sogar der wichtigste, in der Lehre des letzten Konzils“ (Dives in misericor-dia, Nr. 1). Liebe Brüder und Schwestern, der Bruch zwischen Evangelium und Kultur muß überwunden werden, der auch für Italien das Drama unserer Zeit darstellt; es muß eine Inkulturation des Glaubens beginnen, die durch die Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien, die bestimmenden Werte, die Denkgewohnheiten und Lebensmodelle erreicht und verwandelt (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 19—20, in: Wort und Weisung, 1975, S. 551), und zwar in einer Weise, daß das Christentum auch weiterhin dem Menschen der modernen Industriegesellschaft Sinn und Daseinsorientierung vermittelt. Das kann nur unter der Bedingung geschehen, daß die christliche Wahrheit sich nicht verflacht und die Unterschiede nicht dadurch vertuscht werden, daß man auf zweifelhafte Kompromisse abzielt: Die unerschöpfliche Dynamik der christlichen Versöhnung und das „siebenundsiebzig-mal“ Vergeben heben ja die objektiven Forderungen der Wahrheit und der Gerechtigkeit nicht auf (vgl. Dives in misericordia, Nr. 14). Denn es darf nicht die Gefahr einer tatsächlichen „Enteignung“ dessen, was seiner Natur nach christlich ist, verschwiegen werden unter dem Anschein einer „Aneignung“, die in Wirklichkeit eine rein verbale Sache bleibt, was schließlich die „Angleichung“ an die Welt statt deren Christianisierung zur Folge hat. Es ist also notwendig, Vertrauen nicht nur im Hinblick auf die Kirche, sondern auch auf das Leben der Gesellschaft, in die einigende und versöhnende Kraft der Wahrheit, die sich in der Liebe verwirklicht, zu haben. Ich möchte an dieser Stelle den Männern und Frauen dieser großen Nation sagen: Habt keine Angst vor Christus, fürchtet nicht die auch öffentliche Rolle, die das Christentum für die Förderung des Men- 1258 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen und für das Wohl Italiens leisten kann, in der vollen Achtung und überzeugten Förderung der religiösen und bürgerlichen Freiheit aller und jedes einzelnen, und ohne irgendwie die Kirche mit der politischen Gemeinschaft zu vermischen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 76). 8. Gerade die Form der demokratischen Regierung, die Italien erreicht hat und die jeder Christ als Staatsbürger zu schützen und zu stärken verpflichtet ist, bietet ihnen den nötigen Raum und fordert die Präsenz aller Gläubigen. Die Christen würden ihre Aufgaben verfehlen, wenn sie sich nicht darum bemühten, daß die sozialen Strukturen immer mehr oder von neuem die ethischen Werte, in denen sich die volle Wahrheit über den Menschen spiegelt, achten. In diesem Zusammenhang erinnere ich gern an die alte und bedeutende Tradition des sozialen und politischen Engagements der italienischen Katholiken. Die Geschichte der katholischen Bewegung ist seit ihren Ursprüngen eine Geschichte des kirchlichen Engagements und der sozialen Initiativen, die die Grundlagen für eine christlich inspirierte Aktion auch im eigentlich politischen Bereich gelegt haben, unter der direkten Verantwortung der Laien als Bürger, wobei diese Aktion sehr wohl vom apostolischen Einsatz der katholischen Vereinigungen zu unterscheiden ist. Sie erinnert daran, daß es im Verlauf der Ereignisse nicht an Spannungen und Spaltungen gefehlt hat, aber stets das Bemühen um einen Einsatz die Oberhand hatte, der sich in der freien Reifung der christlichen Gewissen vor allem in den Augenblicken als einheitlich erweisen mußte, in denen das höchste Wohl der Nation dies erforderte. Diese Lehre der Geschichte über die Präsenz und das Engangement der Katholiken gerät nicht in Vergessenheit; ja, in der Realität des heutigen Italiens hält man sie sich in den Augenblicken der verantwortlichen und folgerichtigen Entscheidungen, die der christliche Bürger treffen soll, vor Augen. Wie ich 1981 den Teilnehmern des von der Italienischen Bischofskonferenz zum 90. Jahrestag der Veröffentlichung der Enzyklika Rerum nova-rum veranstalteten Kongresses sagen konnte: „Es gibt, ja, es muß eine fundamentale Einheit geben, die jedem Pluralismus vorausgeht und die allein dem Pluralismus erlaubt, nicht nur legitim und berechtigt, sondern erwünscht und ertragsreich zu sein . . . Das konsequente Festhalten an den eigenen Grundsätzen und die daraus folgende, an ihnen inspirierte Konsequenz im Handeln sind unerläßliche Vorbedingungen dafür, daß der Einsatz der Christen sich auswirken kann beim Aufbau einer Gesellschaft, die dem Menschen gerecht wird und dem Plan Gottes entspricht“ 1259 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (Ansprache am 31. Oktober 1981, in: Wort und Weisung, 1981, S. 586-587). Im besonderen möche ich sodann die herausragende Bedeutung unterstreichen, die für den Dienst der italienischen Kirche beim Aufbau der Gemeinschaft der Menschen die katholischen Sozialwerke und sozialen Initiativen besitzen, deren heutige Dynamik ich bereits erwähnt habe. Sie sind lediglich ein Ersatz für vorläufige Mängel des Staats und schon gar nicht eine Konkurrenz für ihn, sondern ursprünglicher und schöpferischer Ausdruck der Fruchtbarkeit christlicher Liebe. Das Engagement in den katholischen Werken bildet im übrigen nicht eine Alternative zur Präsenz der Gläubigen in den staatlichen Strukturen. In dem unermeßlichen Bereich der Förderung einer versöhnten Menschheit möchte ich besonders und vor allem die Familie erwähnen, die neuralgische Zelle sowohl der Kirche wie der bürgerlichen Gesellschaft. Neben der Familie die Welt der Arbeit, die z. Z. eine schwere Beschäftigungskrise durchmacht, auch aufgrund der Einführung neuer Produktionstechniken: Die menschliche Arbeit bleibt jedoch eine fundamentale Dimension des Daseins, der Schlüssel der gesamten sozialen Frage. Angesichts der gegenwärtigen Schwierigkeiten muß die technologische Entwicklung immer entschiedener auf das vorrangige Wohl des Menschen und der menschlichen Arbeit abgestimmt werden. Ein weiterer Bereich, in der der Einsatz der Christen entscheidend ist, betrifft den ganzen Bogen der erzieherischen Themen und der sozialen Kommunikation: Hier spielt sich in der Tat großenteils die Gegenwart und Zukunft der Beziehungen zwischen Evangelium und Kultur ab. In diesem Ausblick auf die Zukunft gehen unsere Gedanken mit besonderer Liebe zur Welt der Jugend; ich hatte ja die Freude, anläßlich des zum Internationalen Jahr der Jugend veranstalteten Treffens mit einer breiten Vertretung dieser Jugendlichen zusammenzukommen. Die Kirche muß der Jugend in ihrer Sehnsucht nach einem Frieden in Gerechtigkeit und Freiheit zur Seite stehen; sowohl denen, die loyal der Pflicht nachkom-men, dem Vaterland (mit der Waffe) zu dienen, als auch jenen, die sich aus Gewissensgründen für den alternativen Zivildienst entscheiden. Ein eigenes Wort möchte ich der Rolle Vorbehalten, die die Priester in der Kirche haben, die in gehorsamer Zusammenarbeit mit den Bischöfen dazu berufen sind, „Gesandte an Christi Statt“ und Diener der Versöhnung zu sein (vgl. 2 Kor 5,18-20). Sie sind es, die in den Pfarreien und in den Vereinigungen die Last der konkreten Heilspräsenz der Kirche tragen. Zusammen mit den Priestern muß auch an den Beitrag der Ordensmänner und Ordensfrauen zum Alltagsleben der Kirche erinnert werden: In der 1260 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vielfalt der Charismen und Dienste des Ordenslebens findet die kirchliche Gemeinschaft einen immer neuen Reichtum für ihren Sendungsauftrag der Versöhnung und für ihre konkrete und pflichtgemäße Präsenz im Bereich der Werke der Erziehung, der Sozialhilfe und der Mission. Das Wissen um die Bedeutung dieser Komponente für das Leben der Kirche soll alle anspornen, sich mit erneutem Eifer um die wirksame Mehrung der Ordensberufe zu bemühen, indem sie ihr Entstehen pflegen und sie dann auf ihrem langen Weg ihrer Ausbildung begleiten. Als entscheidender Punkt des ganzen Weges der Versöhnung zeichnet sich schließlich vor unseren Augen der unendlich weite Raum der leidenden und bedrohten Menschheit ab: von den Kranken in unserer Nähe bis zu den Emigranten und Einwanderern, bis zu den ungezählten Massen der hungernden Völker und weiter über alle jene, die die Tragödie des Krieges, der Verfolgung, der Beraubung der menschlichen Grundrechte, angefangen von der religiösen Freiheit, durchmachen. Allen schulden wir brüderliche Hilfe, hochherzige und mutige Solidarität, das irdische Brot und das Brot, das für das Leben der Welt vom Himmel kommt. Aufgrund dieser Solidarität und Brüderlichkeit werden wir heute und in Zukunft beurteilt. <204> <204> Das, liebe Brüder und Schwestern, sind die Gedanken, die ich euch mitteilen wollte. Ich bin sicher, daß ihr ihnen eure Aufmerksamkeit schenken werdet. Ich wünsche mir von Herzen, daß der Austausch von Erfahrungen und Gedanken, der die euch wohlbekannte Natur dieser qualifizierten Versammlung kennzeichnet, wertvolle Vorschläge nahelegt, aus denen die Bischöfe die geeigneten Richtlinien des pastoralen Wirkens für die Kirche Italiens in unserer Zeit ziehen werden. Außerdem wünsche ich mir, daß ihr für die ganze kirchliche Gemeinschaft in Italien ein großes Zeichen der Verbundenheit darstellt, indem ihr die jeweiligen Gesichtspunkte in der wunderbaren Symphonie der katholischen Einheit zusammenlaufen laßt. So wird dieser Kirchentag eine hohe Bedeutung annehmen und ein starkes Motiv des Friedens und der Versöhnung für die geliebte Gemeinschaft der Menschen darstellen können, die sich im ausgehenden zweiten Jahrtausend in Italien findet. Während wir uns jetzt anschicken, miteinander vor dem ehrwürdigen Marienheiligtum hier in Loreto die Eucharistie zu feiern, vertrauen wir Maria und ihrer mächtigen Fürsprache den guten Ausgang dieses Kirchentages an, auf den wir so große Erwartungen und Hoffnungen setzten: Die erbarmende Liebe Gottes, die der Ursprung jeder Gemeinschaft und 1261 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Versöhnung ist, offenbart sich in der Tat mit besonderer Feinfühligkeit durch ihr Mutterherz in der Geschichte der Kirche und der Menschheit (vgl. Dives in misericordia, Nr. 9). Die Jungfrau Maria, das Bild der versöhnten Menschheit, stehe den Arbeiten bei, die hier noch warten; sie, die das Sinnbild des Gehorsams und der Selbsthingabe an das „Wort der Versöhnung“ ist. Ihr gilt unser ganzes Vertrauen. „Strategie des Kreuzes und Opfers“ Ansprache an die Teilnehmer der Pilgerfahrt der Vereinigung des Katholischen Apostolats in der Audienzhalle am 12. April Liebe Jugendliche und Seelsorger aus der Vereinigung des Katholischen Apostolats! 1. Es ist mir eine große Freude, euch hier zu begegnen; herzlich grüße ich euch alle auf eurer Pilgerfahrt, durch die ihr den 150. Jahrestag der Gründung eurer verdienten Gemeinschaft durch den hl. Vinzenz Pallotti feierlich begeht. Von nah und fern seid ihr nach Rom gekommen, in die Stadt, wo Vinzenz Pallotti während seines kurzen Lebens (1795-1850) mit unermüdlichem apostolischen Einsatz gewirkt hat. Ihr seid hier, um sein Lebensvorbild und seine Verkündigung zu betrachten; diese bleiben ja stets gültig und aktuell, bei allem Wandel von Zeit und Mentalität. Schließlich seid ihr auch gekommen, um dem Papst zu begegnen, der als Nachfolger des Apostels Petrus so sehr von eurem Gründer verehrt und gehört worden ist. Von Herzen danke ich euch für euer Kommen. Ihr wißt gut, wie sehr Vinzenz Pallotti die jungen Menschen geliebt hat. Mit 20 Jahren hatte er das Gelübde der Keuschheit, der Armut, der Demut und des Gehorsams gegenüber seinem Beichtvater abgelegt, um sich voll und ganz dem Dienst am ewigen Heil der Menschen widmen zu können. In seinem Tagebuch schreibt er zu jener Zeit: „Non il mondo, ma Dio!“, was man übersetzen könnte: „Nicht die Welt, sondern Gott (ist mein Ziel)!“ Diesem Programm ist er sein ganzes Leben lang treu geblieben. Als er am 16. Mai 1818 zum Priester geweiht wurde, hatte er schon eine Zeitlang 1262 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit voller Kraft unter der Jugend volksreicher Stadtviertel gewirkt: Er ging zu den jungen Menschen, spielte mit ihnen, hörte ihnen zu, öffnete sich ihren Problemen, tröstete sie bei Schwierigkeiten, gab ihnen Ratschläge und ermutigte sie zum Guten. Ihre Freizeitbeschäftigungen endeten stets mit einer geistlichen Besinnung in der Kirche. Vor allem aber setzte er sich für die religiöse Unterweisung der Jungen und Mädchen ein. Zu diesem Zweck richtete er Abendschulen in Städten und Dörfern ein, organisierte Kurse künstlerischer oder handwerklicher Art und widmete sich selbst immer intensiver der direkten apostolischen Arbeit. Aus seinem Zusammenwirken mit den Menschen entstand so die fruchtbare Idee des Laienapostolats, die später in der Katholischen Aktion eine offizielle konkrete Form annahm, während sie ihren maßgebenden Ausdruck in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils gefunden hat. Der hl. Vinzenz Pallotti hatte so geschrieben: „Wie alle dazu berufen, ja dazu verpflichtet sind, Jesus Christus nachzufolgen, so sind alle je nach ihren Möglichkeiten und ihrem Stand zum Apostolat berufen ... Das katholische oder universale Apostolat, das von jeder Art von Menschen ausgeübt werden kann, bedeutet also, das zu tun, was jeder einzelne für die größere Ehre Gottes und für das eigene und der anderen Heil tun kann und tun sollte“ {Werke, III, S. 137-143). Das Zweite Vatikanische Konzil widmete dem Laienapostolat ein eigenes Dekret, Apostolicam actuositatem genannt. Dort heißt es wörtlich: „Pflicht und Recht zum Apostolat haben die Laien kraft ihrer Vereinigung mit Christus, dem Haupt. Denn durch die Taufe dem mystischen Leib Christi eingegliedert und durch die Firmung mit der Kraft des Heiligen Geistes gestärkt, werden sie vom Herrn selbst mit dem Apostolat betraut“ (Nr. 3 a). 2. Liebe Jugendliche! Im hl. Vinzenz Pallotti habt ihr einen Schutzheiligen und erleuchteten Lehrer. Er drängt euch dazu, euch apostolischen Tätigkeiten zu widmen. Er scheint geradezu das Echo der Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils zu sein: „Allen Christen ist also die ehrenvolle Last auferlegt, mitzuwirken, daß die göttliche Heilsbotschaft überall auf Erden von allen Menschen erkannt und angenommen wird“ {Apstolicam actuositatem, Nr. 3). Wie ich in meinem Schreiben an die Jugendlichen zum Internationalen Jahr der Jugend schrieb, besitzt ihr einen großen und wundervollen Schatz — eben eure Jugend. Schenkt ihn Christus! Macht von diesem Schatz Gebrauch, um der Welt zu verkünden und zu bezeugen, daß Christus wirklich der Retter und Erlöser der Menschheit ist. 1263 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn man sich dem christlichen Apostolat widmet, heißt das, daß man die Bedeutung des menschlichen Lebens wahrhaftig begriffen hat. Es heißt auch, sein eigenes Leben auf große Ideale, auf universale und übernatürliche Ideale zu stützen. Dazu muß einer natürlich tiefe und lebendige Überzeugungen besitzen, inspiriert von einer vollen Kenntnis Christi und seiner unaufhörlichen, glühenden Nachfolge. Die erste dieser Überzeugungen ist die, daß Gott in der Tat einen jeden zur Erkenntnis der Wahrheit und zu ewigem Heil beruft. Wie der hl. Paulus an Timotheus schreibt, will „Gott, unser Retter, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (2 Tim 2,4). Das Heil kommt von Christus. Er sagt unablässig, daß er die Wahrheit ist, das Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der Sohn Gottes, der gekommen ist, um das Leben zu geben: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen, wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Joh 17,3). Die zweite Überzeugung, die ihr haben müßt, betrifft das Vorhandensein und die Sendung der Kirche, die von Jesus gewollt und gegründet wurde, um den Glauben unversehrt zu erhalten und das Heil sicherzustellen. Noch eine dritte Überzeugung müßt ihr haben: die Überzeugung, daß es darauf ankommt, die Strategie des Apostolats anzunehmen, die eine Strategie des Kreuzes und Opfers ist. Jesus Christus ist natürlich das „Zeichen der Versöhnung“; aber er ist auch das „Zeichen des Widerspruchs“. Wie das Leben des hl. Vinzenz Pallotti klar zeigt, werden die Seelen durch Gebet und Leiden gerettet. Und oft ist es ein schweres Kreuz, ein durchwegs gutes Leben zu leben, dem Moralgesetz und dem Gesetz der Selbsthingabe zu gehorchen, um in der Gnade zu leben und gegenüber den anderen Liebe zu üben. Besonders schwer fällt es in der modernen Gesellschaft, die oft die transzendenten Werte leugnet und nur auf der Suche nach Bequemlichkeit und Vergnügen ist. Aber wir wissen, daß in Christus Leben ist und das Leben das Licht der Menschen ist und das Licht in der Finsternis leuchtet (vgl. Joh 1,4-5). Die Nachfolge Christi war die Grundlage für die persönliche Verpflichtung Vinzenz Pallottis. Und nun lädt er euch, junge Leute, zu eben dieser anspruchsvollen Verpflichtung ein, so daß ihr tatsächlich „das Salz der Erde und das Licht der Welt“ sein könnt (vgl. Mt 5,13-14). 3. Liebe, junge Leute, ich möchte eure Aufmerksamkeit noch einmal auf zwei große Lehren des hl. Vinzenz Pallotti hinweisen und sie euch als Erinnerung an eure römische Pilgerfahrt mitgeben: die geistliche Führung und die Hingabe an die Jungfrau Maria. Als Pius XII. vom „demütigen und schlichten“ Apostel von Rom sprach, 1264 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erinnerte er daran, daß seine Verkündigung stets auf das „unum necessa-rium“, das eine Notwendige, gerichtet war, was zur Folge hatte, daß sein Beichtstuhl rege aufgesucht wurde und von außergewöhnlichen Gnadenwirkungen umgeben war“ (Discorsi e Radiomessaggi die Sua Santitä Pio XII, Vol. XII, 2. März 1950, S. 9). So erwähnte auch Papst Johannes XXIII. in der Ansprache bei der Heiligsprechung Vinzenz Pallottis „die geduldige und weise direkte Seelenführung im Beichtstuhl“ (Discorsi, Messaggi, Colloqui del Santo Padre Giovanni XXIII, Vol. V, 20. Januar 1963, S. 89). Die Zeit, in der wir leben, ist voll von Schwierigkeiten für den Glauben und für das christliche Leben; wie ich in dem Schreiben an die Jugendlichen bemerkt habe, werden eure Seelen von vielen quälenden Fragen geplagt (Nr. 15); in der finsteren Nacht verliert man mitunter den Weg! Ihr müßt erleuchtet und geführt werden! Ihr müßt mit echtem asketischem Engagement zum Sakrament der Versöhnung und zur geistlichen Führung, wie sie Pallotti einschärfte und wie sie die Kirche seit eh und je lehrte, zurückkehren, um euch vor dem Übel zu bewahren und euch in der Tugend und im Mut zur Nächstenliebe und zum Zeugnis zu stärken. Möge das ein lebendiger und fester Vorsatz sein, der eurem Besuch am Grab des hl. Petrus entspringt, um immer fest zu sein in der Kraft des Glaubens! (vgl. 1 Petr 5,9). Vertraut sodann immer eurer himmlischen Mutter Maria! In der Biographie Pallottis lesen wir, daß, wenn Pallotti durch die Straßen Roms ging, alle, die von ihm Wohltaten empfangen hatten, und alle, die ihn kannten, auf ihn zugingen, um ihm die Hand zu küssen; er aber zog sofort ein Bild der Muttergottes aus dem Ärmel, um es küssen zu lassen, und mahnte, immer die seligste Jungfrau Maria anzurufen. Wie viele aufsehenerregende Bekehrungen von Sündern und der Kirche fernstehenden Personen schrieb er der Fürsprache Mariens zu, die er vertrauensvoll anrief und unaufhörlich nachahmte! Auch obliegt es als Christen, eine unermeßliche Welt zu lieben, zu Christus zu bekehren, zu heilen, zu erheben! Und der wahre Weg dafür ist der, den der hl. Vinzenz Pallotti gezeigt hat: die Verehrung des unbefleckten und schmerzensreichen Herzens Mariens! Liebe Jugend! Das mögen die Vorsätze für das Gedenkjahr sein, das ihr mit Begeisterung begeht, um wirklich aktive und überzeugte Mitglieder der Vereinigung des Katholischen Apostolats entsprechend dem Charisma des Gründers, zu eurem Wohl und zum Wohl der Kirche und der Gesellschaft zu sein. Und mein Segen ermutige euch! 1265 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fest auf Gottes Wort gegründet Ansprache an den Weltkongreß des Gebetsapostolats am 13. April Liebe Mitbrüder in Christus! 1. Der Weltkongreß der Nationalsekretäre des Gebetsapostolats bietet mir die willkommene Gelegenheit, euch, die ihr aus den fünf Kontinenten nach Rom gekommen seid, und besonders den hochw. P. Peter-Hans Kolvenbach, Generaloberer der Gesellschaft Jesu und Generalleiter des Gebetsapostolats, zu begrüßen, dem ich aufrichtig für die Initiative danke. Ihr setzt euch zum Ziel, bei diesem Kongreß die Arbeitsweise des Werkes zu studieren, das seit mehr als einem Jahrhundert als besonders geeignetes und wirksames Instrument der Pastoral der Kirche große Dienste leistet. Das Gebetsapostolat - das ich seit vielen Jahren kenne und schätze - will den apostolischen Wert des Gebets in der Kirche hervorheben; es gründet sich auf die Ermahnung des hl. Paulus, der empfahl, für alle Menschen zu beten, was „recht ist und Gott, unserem Retter, gefällt“ (I Tim 2,3); auf die Wirksamkeit des Gebets, das im Namen Jesu (vgl. Joh 16,23 f.), gemeinsam (vgl. Mt 18,19 f.), zusammen mit der seligsten Jungfrau Maria (Apg 1,14) gesprochen wird. Wenn das Gebetsapostolat die Spiritualität des Opfers in Verbindung mit dem Opfer Christi in der heiligen Messe ausprägt, befindet es sich ganz auf der Linie der Konzilslehre, die das eucharistische Opfer als Quelle, Mittel- und Höhepunkt des gesamten christlichen Lebens dargestellt hat (vgl. Lumen gentium, Nr. 11; Presbyte-rorum ordinis, Nr. 5; Ad gentes, Nr. 9), und dem Gebet der Gläubigen, das die Kirche in der Eucharistiefeier und im Stundengebet erneuert hat, seinen rechten Wert gibt (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 53). 2. Das Gebetsapostolat hat sich stets durch sein Engagement bei der Verkündigung und Verbreitung der Frömmigkeit und Spiritualität vom Herzen des Erlösers ausgezeichnet. Es folgte darin den Lehren und Weisungen meiner ehrwürdigen Vorgänger, wie Leos XIII., der in der Enzyklika Annum Sacrum (25. Mai 1899) die Weihe der ganzen Menschheit an das Heilige Herz proklamierte, Pius’ XI., der in der Enzyklika Miserentissimus Redemptor{8. Mai 1928) die Weihe an das Herz Jesu und die Sühnepflicht einprägte; Pius’ XII., der in der Enzyklika Haurietis aquas (15. Mai 1956) schrieb: „Das Herz Christi ist das Herz einer göttlichen Person, nämlich des fleichgeWordenen Wortes, und stellt daher die ganze Liebe, die er für uns hatte und noch hat, dar und führt sie uns 1266 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gleichsam vor Augen. Eben darum muß die Verehrung des heiligsten Herzens Jesu in so hoher Achtung bleiben, da sie als das vollkommenste Bekenntnis der christlichen Religion betrachtet werden kann . ... Daraus läßt sich also leicht der Schluß ziehen, daß die Verehrung des heiligsten Herzens Jesu die Verehrung für die Liebe ist, mit der Gott uns durch Jesus geliebt hat, und zugleich die praktische Übung unserer Liebe zu Gott und zu den anderen“ (AAS 48, 1956, S. 344 f.). Ich möchte auch meinen Vorgänger Paul VI. erwähnen, der im Apostolischen Schreiben Investigabiles divitias auf der zentralen Bedeutung der Herz-Jesu-Verehrung bestand: „Da das heilige ökumenische Konzil sehr die frommen Übungen des christlichen Volkes empfiehlt . . ., vor allem wenn sie auf Wunsch des Apostolischen Stuhles gehalten werden, wird man sich diese Frömmigkeitsform vor jeder anderen aneignen müssen. Denn ... es handelt sich um einen Kult, der im wesentlichen in der Anbetung und der Christus, dem Herrn, gebührenden Sühneleistung besteht und sich hauptsächlich auf das erhabene Geheimnis der Eucharistie gründet, von dem - wie von den anderen liturgischen Handlungen -die Heiligung der Menschen und die Verherrlichung Gottes in Christus herrührt, was alle Tätigkeiten der Kirche als ihr Ziel anstreben“ (AAS 57, 1965, S. 300 f.). Werdet darum weiterhin zu Verkündern des Evangeliums dessen, der reich an Erbarmen ist, denn „die Kirche bekennt und verehrt das Erbarmen Gottes, so will es scheinen, auf besondere Weise, indem sie sich an Christi Herz wendet“ (Dives in misericordia, Nr. 13). 3. Ich möchte euch heute meine aufrichtige Anerkennung für die Mühe zum Ausdruck bringen, die von der Gesellschaft Jesu auf der ganzen Welt aufgewandt wurde, um in allen Gläubigen den „Geist der Erlösung“, jenes heilige Feuer, das die Herzen der Christen entzünden soll, zu verbreiten und lebendig zu erhalten. Dem Gebetsapostolat muß man zu einem großen Teil die Vitalität des Opfergeistes, der Aufopferung des christlichen Lebens, das Bewußtsein, am Werk der Erlösung mitzuwirken, sowie die Kraft der Herz-Jesu-Spiritualiät, die Weihe der Familien, der Städte, der Nationen art das Herz Christi zuschreiben. Die verschiedenen Ausgaben des „Herz-Jesu-Boten“, des Mitteilungsblattes des Gebets-apostoläts, waren und sind große und wertvolle Instrumente für die Verbreitung der Spiritualität der Weihe und der Sühne in allen Sprachen, wo sie wesentlich sind, um das Geheimnis des Herzens Christi echt zu leben. Dieser Kongreß der Nationalsekretäre des Gebetsapostolats findet in 1267 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einem für das Leben der Kirche bedeutsamen Moment, nämlich zwanzig Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, statt. Bereits zu Beginn meines päpstlichen Dienstes habe ich die Gläubigen aufgefordert, ganz Christus, dem Erlöser des Menschen und der Welt, nachzufolgen (Enzyklika Redemptor hominis)-, die Botschaft von der erbarmenden Liebe Gottes zur sündigen Menschheit zu leben (Enzyklika Dives in misericordia); in diesem Geiste sollte, das war mein Wunsch, das außerordentliche Jahr der Erlösung gefeiert werden, das den gekreuzigten Christus als endgültige Antwort auf das Geheimnis unseres menschlichen Leidens darstellte (Apostolisches Schreiben Salvifici doloris), um die Früchte der Erlösung zu empfangen und am Werk der Erlösung selbst mitzuwirken. 4. Das Gebetsapostolat kann einen gültigen und konkreten Beitrag erbringen für die Verbreitung der großen und tröstlichen Aussage auf allen Ebenen, daß jeder Christ durch die Aufopferung seines Lebens an das Herz Christi aufs engste mit Christus, dem Erlöser, vereint werden kann. Ich zweifle nicht daran, daß die Gesellschaft Jesu auch weiter ihre Fähigkeiten, ihre Talente, ihre Organisation und ihren Gehorsam in den Dienst dieser höchsten geistlichen Zielsetzung stellen wird. Ich vertraue heute erneut diesen Einsatz dem Eifer des Generaloberen an und empfehle ihm, in Treue zum Geist der Gesellschaft nach den im jetzigen Zeitpunkt wirksamsten Wegen zu suchen, um unter allen Gläubigen das Bewußtsein zu verbreiten, daß sie mit Christus, dem Erlöser, Zusammenarbeiten durch die Aufopferung ihres mit dem Herzen Christi verbundenen und gelebten Lebens in völliger Hingabe und Weihe an seine Liebe und als Sühne für die Sünden der Welt durch das Unbefleckte Herz Mariens, jenes Herz, das „im Geist dem von der Lanze des Soldaten geöffneten Herzens des Sohnes begegnet“, jenem Herzen, das „von der Liebe zum Menschen und zu der Welt geöffnet wurde, mit der Christus den Menschen und die Welt geliebt hat, indem er sich selbst für sie am Kreuz hingab bis zu dem Lanzenstich des Soldaten“ (Insegnamenti di Giovanni Paolo II, V, 2, 1982, S. 1573. 1582). Die Erfahrung eines echten Gebets vermitteln Die Förderung und Belebung dieses so wesentlichen Geistes muß der Daseinsgrund der ganzen Organisation, die Struktur und die Aktivität des Gebetsapostolats in unserer Zeit sein; besondere Aufmerksamkeit muß dabei den Kindern und Jugendlichen gelten, die die Eucharistische 1268 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jugendbewegung bilden - eine aktuelle Fassung des klassischen Euchari-stischen Kreuzzuges -, sowie den Kranken, die durch ihre Bereitschaft, am Leiden Christi teilzuhaben (vgl. Salvifici doloris, Nr. 23-27), tragende und bevorzugte Elemente der Vereinigungen sind. Darüber hinaus müßt ich euch bemühen, Christen zu formen, die ganz aus der Eucharistie leben, die die Kraft schenkt, sich hochherzig zu bemühen, alle Dimensionen des eigenen Lebens zu umfassen im Geist des Dienstes an den Brüdern, wie der Leib Christi, der hingegeben, und sein Blut, das vergossen wurde (vgl. Lk 22,19 f.). Fahrt in diesem Sinne mit immer größerem und neuem Engagement fort, die fromme Praxis des Herz-Jesu-Freitags zu empfehlen und zu verbreiten: der durch das Sakrament der Buße mit Gott, mit der Kirche und mit den Brüdern versöhnte Gläubige verbindet sich durch den Empfang des Sakraments der Eucharistie mit dem Herzen Jesu und hat an seiner Haltung der Hingabe und Sühne teil. 5. Ihr fühlt euch in besonderer Weise mit dem Stellvertreter Christi verbunden und betet darum jeden Tag für ihn, wie es die Urkirche in Jerusalem für Petrus tat (vgl. Apg 12,4); ihr wollt den Mitgliedern die konkreten Probleme erläutern und zur Kenntnis bringen, die der Universalkirche Sorge machen, besonders jene bezüglich der Missionen, um sie zum Gegenstand aufmerksamen Nachdenkens zu machen, das dem Volk Gottes ein bewußtes und verantwortungsvolles Gebet eingeben soll. Das Gebet, das ihr fördert, besteht ja nicht nur im Sprechen einer Formel, sondern es soll aus dem Herzen des Gläubigen kommen im Bewußtsein seiner Situation als Geschöpf, aber auch als Adoptivkind Gottes sowie aus dem Wissen um seine Teilhabe am priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi kraft der Einheit mit ihm (vgl. Lumen gentium, Nr. 30-38). Mögen sich eure Mitglieder gleichzeitig des heiligenden und apostolischen Wertes ihrer als Mitarbeit am Werk Gottes, des Schöpfers und Erlösers, verstandenen täglichen Arbeit (vgl. Laborem exercens, Nr. 25-27) sowie ihrer Leiden bewußt sein, durch die sie in ihrem irdischen Leben ergänzen sollen, was an den Leiden Christi noch fehlt (Kol 1,24; Salvifici doloris, Nr. 24). Ich fordere euch daher auf, immer nachdrücklicher auf der ständigen geistlichen, lehrmäßigen und katechetischen Formung eurer Mitglieder zu bestehen, wie es eure Statuten (III,1) nahelegen; eine Ausbildung, die fest auf das Wort Gottes gegründet, der Lehre der Kirche treu ist und mit den Weisungen des Konzils übereinstimmt (Apostolicam actuositatem, 1269 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nr. 22-32), wobei sie euren Mitgliedern nicht nur die Kenntnis, sondern den Sinn der stets lebendigen Liebe Christi, des Erlösers, zu allen Menschen, die Bedeutung ihrer apostolischen Berufung und der allgemeinen Solidarität vermittelt. Ich zweifle nicht daran, daß ihr für diese geistlichen Ziele alle sozialen Kommunikationsmittel, deren ihr euch bedienen könnt, in den Dienst der Orts- und Teilkirchen stellen werdet, um allen Menschen die Erfahrung eines echten Gebets zu vermitteln, das den verschiedenen Kulturen angepaßt und in ihre jeweilige historische Situation eingegliedert wird; insbesondere gilt das für das Gebet in den Familien, das ich selbst sooft empfohlen habe (vgl. Familiaris consortio, Nr. 59-62). 6. So wird sich der Wunsch Pius’ XII. erfüllen, nach dem „das Gebetsapostolat . . . sich so mit den anderen frommen Vereinigungen verbindet, um sie gleichsam mit einer reinen und heilen Luft zu durchdringen, durch die sich das übernatürliche Leben und die apostolische Tätigkeit immer und überall erneuern und stärken soll“ {Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses des Gebetsapostolats, 27. September 1956: AAS 48, 1956, S. 676 f.). Mit diesen Wünschen lege ich diesem frommen Weltverband in eure Hände wie einen kostbaren Schatz des Herzens des Papstes und des Herzens Christi. Setzt alle eure Gaben und alle eure Bemühungen ein für die Erfüllung dieser Sendung, die ich euch heute anvertraue. Die seligste. Jungfrau Maria, Mutter der Kirche, begleite euch in diesen Tagen im Abendmahlssaal und dann bei eurem Dienst für die Welt, während ich ihre mütterliche Fürsprache auf die Arbeiten des Kongresses herabrufe und euch, die ihr hier seid, euren Mitarbeitern und allen Mitgliedern des Gebetsapostolats den Apostolischen Segen erteile. „Kostbare Kraft der Hoffnung“ Ansprache bei der Audienz für die italienische Vereinigung für multiple Sklerose am 13. April <205> <205> Sehr geehrte Damen und Herren der Internationalen Förderation der Vereinigungen für die multiple Sklerose und der gleichnamigen italienischen Vereinigung! Seien Sie -zu dieser Sonderaudienz willkommen. 1270 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich begrüße alle Mitglieder der Föderation, die aus verschiedenen Nationen kommen, und insbesondere Ihren Präsidenten, Herrn Roddiger, sowie die Präsidentin der italienischen Vereinigung, Frau Prof. Rita Levi Montalcini, Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, zusammen mit dem Ko-Präsidenten Dt. Giorgio Valente, den Vizepräsidenten und allen angeschlossenen Mitgliedern. 2. Sie widmen sich der Hilfe, Erforschung und Behandlung einer schweren Krankheit, die sich auch im sozialen Bereich sehr stark auswirkt. Bei den Generalaudienzen begegne ich sehr oft Menschen, die von diesem Leiden befallen sind: eine Krankheit, die zumeist junge Menschen im Vollbesitz ihrer Kräfte heimsucht; eine fortschreitende Krankheit, die die körperliche Leistungsfähigkeit verringert und zur allmählichen Verdrängung aus dem Arbeitsbereich, den sozialen Beziehungen, manchmal sogar aus der Familie führt. Was Sie schmerzt, aber gleichzeitig - so meine ich - zu Ihrer Forschungsarbeit anspornt, ist die Tatsache, daß die Ursachen der Krankheit noch immer größtenteils unbekannt sind und daß deshalb auch auf therapeutischem Gebiet die Kenntnisse noch nicht ausreichen. Ich möchte Ihnen vor allem sagen, daß ich Sie, falls das nötig wäre, in Ihrem zähen Engagement für diese schwierige Forschungsarbeit, die diese schwere Krankheit betrifft, ermutigen will. Ich möchte Ihnen mein ganzes Verständnis und meine Solidarität beweisen in Ihrem Gemütszustand, der Sie mitunter tief bedrückt, wenn Sie ohnmächtig vor einem Leiden stehen, von dem Sie spüren, daß Sie es lindem müssen, vor Menschen, die sich bei den ersten Symptomen der Krankheit voller Angst an Sie wenden und nach Hoffnung suchen im Vertrauen auf Ihre berufliche Kompetenz und Ihr Einfühlungsvermögen. Möge der Herr alle Ihre Bemühungen auf diesem Gebiet unterstützen und Ihnen Erfolg schenken. 3. In besonderer Weise ruft uns der an multipler Sklerose Erkrankte das Bild des gekreuzigten Jesus in Erinnerung. Die fortschreitende Bewegungsunfähigkeit der Glieder läßt uns an das schmerzliche Bild des ans Kreuz genagelten Jesus denken und ruft uns die Worte des hl. Paulus in Erinnerung: „Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben . . . Wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird“ (2 Kor 4,8-18). 1271 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Kraft des Glaubens Resignation überwinden helfen Aus dieser Betrachtung, so scheint mir, ergibt sich komplexer, aber hinreichend klar die Aufgabe, die Ihnen in der physischen Behandlung, aber auch in der Tröstung und Stärkung des Leidenden zukommt. Es handelt sich darum, dem Kranken den Wert dieser Ähnlichkeit und die Nähe zu Jesus, dem Erlöser, begreiflich zu machen. Jesus Christus, „indem er die Erlösung durch das Leiden bewirkte und gleichzeitig das menschliche Leiden auf die Ebene der Erlösung gehoben hat“ (Salvifici doloris, Nr. 19), scheint hier mit klarer Stimme zu sagen, daß jeder Mensch in seinem Schmerz seinen Anteil am Erlösungswerk haben kann. Wenn das Bild des Gekreuzigten auch im Herzen, nicht nur im Leib gegenwärtig ist, wird von Jesus selbst die wunderbare Kraft und die Gnade des Trostes ausgehen. Im Glauben wird der Kranke wie der Apostel sagen können: „Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteil geworden sind, so wird uns durch Christus auch überreicher Trost zuteil“ (2 Kor 1,5). Ich wünsche Ihnen, daß Sie so in die gequälte Seele des Patienten die kostbare Kraft der Hoffnung einpflanzen können. Denn das Kreuz ist ja nicht der Zielpunkt der Verheißungen des Herrn. Ostern, das wir feiern, sagt uns, daß vom Kreuz wie von dem in die Erde gesenkten Samenkorn die Herrlichkeit geboren wird und daß von dem letzten Schrei des sterbenden Jesus sich der Triumph des neuen und vom Übel befreiten Lebens ankündigt. Mit der Kraft des Glaubens werden Sie jedem Kranken helfen können, die Resignation zu überwinden, sich nicht darauf zu beschränken, die verlorenen Fähigkeiten zu beklagen; Sie werden ihm beweisen können, daß Willenskraft viele Dinge möglich macht; Sie werden ihm Mut einflößen können, indem Sie ihn zu einer bewußten und gelassenen Annahme seines Zustandes anleiten und ihm kraft des Zeugnisses Jesu die Suche nach anderen hohen Werten für die Gesellschaft und die Brüder nahelegen. 4. Während ich Ihnen besten Erfolg bei Ihrer eifrigen Forschung wünsche, möchte ich Ihnen in aufrichtiger Freundschaft noch einmal sagen: Lassen Sie sich nicht entmutigen, und lassen Sie nicht nach bei Versuchen und Erfahrungen, die Sie zu enttäuschen scheinen; geben Sie nicht auf angesichts der Schwierigkeiten und des Unverständnisses; bieten Sie den Kranken immer ein ermutigendes und hoffnungsvolles Wort an. Es handelt sich sehr oft um Brüder, die das Bedürfnis nach wirklicher Nähe 1272 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN haben und denen manchmal geistlicher Trost wichtiger ist als sonst irgend etwas. Sie wissen, wie schwer derartige Situationen den ganzen Bereich der Familie belasten, die nicht selten von der Krisensituation und den außerordentlichen Bedingungen der Hilfe, der Pflege, des Beistandes, die diese Krise auslösen, erschüttert wird. In diesem Fall darf nichts, was erlaubt und möglich ist, unversucht bleiben, um mit der Liebe der Menschen, denen Sie beistehen, auch die Solidarität der Familienangehörigen, die wirksame Beteiligung der staatlichen Hilfseinrichtungen gemäß Ihren Vorschlägen, die große Bereitschaft zu freiwilliger Hilfe zu suchen, damit die Gefahren der Vereinsamung und Isolierung, der materiellen und psychischen Verlassenheit überwunden werden können. Der tägliche Besuch Ihrer Patienten möge zwischen Ihnen eine echte und beispielhafte, aus christlicher Liebe genährte Brüderlichkeit wachsen lassen. Mit diesen Wünschen erteile ich Ihnen allen als Unterpfand meinen Apostolischen Segen, in den ich die Kranken, Ihre Mitarbeiter, die Familien und die Ihnen teuren Menschen einschließen möchte. Wo Gott in den Seelen wirkt Predigt bei der feierlichen Seligsprechung der Ordensgründerinnen Pauline von Mallinckrodt und Maria Caterina Troiani auf dem Petersplatz am 14. April „Dankt dem Herrn, denn er ist gut, in Ewigkeit währt sein Erbarmen.“ 1. Diesen Jubelruf legt uns die Liturgie heute angesichts des großartigen Werkes in den Mund, das der himmlische Vater für uns in seinem geliebten Sohn vollbracht hat, als er ihn durch die Auferweckung vom Tod verherrlichte! In diesen Tagen österlicher Freude haben wir in den liturgischen und sakramentalen Zeichen Leiden, Tod und Auferstehung unseres Erlösers miterlebt. Mit den Gläubigen überall auf Erden haben wir die Wahrheit verkündet, die dem Christentum am Herzen liegt: Jesus von Nazaret ist auf erstanden, um nicht mehr zu sterben! Er lebt mit dem Vater und betet unablässig für seine Kirche (vgl. Röm 8,34; Heb 7,20), während er ihr sein göttliches Leben mitteilt. 1273 BOTSCHAFTEN UNDANSPRACHEN 2. An diesem Sonntag nach Ostern, dem Weißen Sonntag, an dem zwei Ordensfrauen, Schwester Pauline von Mallinckrodt und Schwester Cate-rina Troiani, seliggesprochen werden, lädt uns die Liturgie dazu ein, im Licht des auferstandenen Christus über die Grundlagen unseres Glaubens und über die Pflicht der Nächstenliebe gründlich nachzudenken, die die neuen Seligen ausgezeichnet haben. Die Episode vom Erscheinen Christi bei den Jüngern am Abend nach der Auferstehung - mit dem bedeutsamen Detail von der Abwesenheit des Thomas, der Zwilling genannt wurde - ist wie eine erhellende Katechese, die sich an die menschliche Person wendet, die mit all ihren Fähigkeiten nach der Wahrheit sucht im Verlangen, sie wenn möglich zu einer irgendwie „greifbaren“ Erfahrung zu machen. Den Mitjüngern, die Thomas voller Freude die bedeutsame Mitteilung machen: „Wir haben den Herrn gesehen!“, antwortet er, daß er mit ihrem Zeugnis nicht zufrieden ist, ja nicht einmal mit dem bloßen Sehen; um zu glauben, verlangt und fordert er, die Zeichen der Nägel, die Kreuzmale, nicht nur zu sehen, sondern eigenhändig zu berühren. Man könnte sagen, daß Jesus die Herausforderung annimmt, die aus einer Haltung echten und leidgeprüften Suchens und nicht nur selbstgenügsamer, rationaler Gewißheit entsprungen ist. Acht Tage später erscheint er wieder bei den Jüngern; er kommt, um seinen ungläubigen Jünger die greifbaren Beweise zu liefern, die dieser suchte und forderte: „Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“ (Joh 20,27). Angesichts der Augenscheinlichkeit, mit der der auferstandene Christus sich ihm mit den Zeichen seiner Hingabe und seiner Liebe vorstellt, kapituliert Thomas und spricht das wunderbare Glaubensbekenntnis: „Mein Herr und mein Gott!“ Jesus nimmt diese Geste des Jüngers zur Kenntnis, aber er verkündet die Seligkeit derjenigen, die „nicht sehen und doch glauben“. Das ist die Seligkeit, die uns Vorbehalten ist, die wir heute hier anwesend sind, den Millionen und Abermillionen Männern, Frauen, Jugendlichen und auch Kindern, die im Laufe der Jahrhunderte und noch heute in Anbetung vor Christus knien, der in der Eucharistie zwar für die Augen unsichtbar, aber wirklich gegenwärtig ist, um mit freudiger Erregung zu ihm zu sagen: „Mein Herr und mein Gott!“ Mit diesem vorbehaltlosen, reinen, demütigen Glauben wollen wir den auferstandenen Christus aufnehmen, indem wir seine Anwesenheit nicht nur in der Realität des Sakraments, sondern auch in der Person unserer Brüder und Schwestern erkennen, die uns auf dem Lebensweg begegnen. 1274 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Das alles taten die Christen der ersten Jerusalemer Gemeinde, deren Glaube hauptsächlich in der „brüderlichen Gemeinschaft“ seinen Ausdruck fand. Sie waren „ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam“ (Apg 4,32). Sie wollten die sozialen Diskriminierungen zum Verschwinden bringen, um eine echte Gemeinschaft zu bilden, die imstande ist, glaubwürdige Beziehungen der Freundschaft und Brüderlichkeit zu verwirklichen, bis hin zur freien und befreienden Mit-Teilung und Austeilung der eigenen materiellen Güter. Sie besaßen einen Glauben, der „in der Liebe wirksam war“ (vgl. Gal 5,6). Diese Erfahrung blieb nicht auf die ersten Anfänge des Christentums beschränkt. Die Kirche freut sich, heute der Verehrung und Nachahmung durch die Gläubigen zwei neue Selige vorstellen zu können, die in ihrem Erdenleben von einem Glauben und einer Liebe Zeugnis gegeben haben, von denen wohl gesagt werden kann, daß sie dem Beispiel der ersten Christengeneration folgten. 4. Die geistliche Botschaft der neuen Seligen Pauline von Mallinckrodt können wir in einem sehr aktuellen und konkreten Lebensprogramm zusammenfassen: vorbehaltlose Christusnachfolge in unerschütterlichem Glauben; Liebe zu Gott und liebende Hingabe an die Unglücklichsten und Ärmsten um Christi willen. Mutter Pauline von Mallinckrodt war reich an natürlichen Gaben: ein einfaches, freundliches Wesen, Zuversicht und Vertrauen zum Nächsten, Zielstrebigkeit in der Verwirklichung ihrer Vorhaben; beständige Treue zu den Grundentscheidungen ihres Lebens und auch in Prüfungen und größeren Schwierigkeiten - und eine Opfergesinnung, mit der sie sich hochherzig und ohne Vorbehalte an alle zu verschenken suchte. Diese reichen Gaben, die Gott ihr so überaus freigiebig anvertraut hatte, wurden in ihr durch einen tiefen und ausgeprägten Glaubensgeist vollendet. Dieses Gnadengeschenk, das sie in der Taufe empfangen hatte, entwickelte sich wunderbar unter der Anleitung ihrer Mutter und ihrer Lehrerinnen und Lehrer. Sie wuchs in der friedvollen Umgebung einer Familie heran, in der Liebe und gegenseitige Achtung herrschten, in einem Klima, das dennoch nicht ganz frei war von stillem Leiden wegen der unterschiedlichen Konfession der Eltern: die Mutter, eine gläubige Katholikin; der Vater, ein überzeugter Protestant. Mit Hilfe der Gnade festigte sich hierdurch die Treue Paulines zum Herrn, indem sie sich mit dieser Situation auseinandersetzte. 1275 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es gab in ihrer Jugend jedoch auch eine kritische Periode, eine Zeit großer Qual, voller Skrupel, Ängste und Unsicherheiten, die sie nur dadurch zu überwinden wußte, daß sie sich in tiefem und ständigem Gebet voll und ganz Gott anvertraute. Und Gott war ihr nahe und hellte ihre Seele mit einem solch klaren Glaubenslicht auf, daß es zu Recht eine besondere „Gnade des Glaubens“ genannt werden kann. Kraft dieser neuen gottgegebenen Sicht konnte sie ausrufen: „Dieser Glaube durchdrang mich so klar und fest, daß ich ihm mehr als meinen Augen geglaubt hätte“ (vgl. Selbstbiographie). Der Glaube machte aus Pauline, wie ein Zeitgenosse von ihr bezeugt, eine Person aus einem Guß, klar und durchsichtig wie das Licht und ebenso einfach (vgl. Schlüter), so daß sie bereits mit achtzehn Jahren in eindeutiger Gewißheit das Ziel ihres Lebens in einer besonderen Berufung Gottes erkannte. Ein bewußter und tapferer Glaube war es, mit dem sie Schmerzen, Bitterkeiten und vielerlei Prüfungen zu ertragen wußte und der sich in ihrer vollen und vorbehaltlosen Liebe zu Jesus Christus und zu seiner Mutter Maria zeigte, denen sie sich vertrauensvoll und zuversichtlich überließ. Im Streben nach Gott und seiner größeren Ehre wuchs sie in der Gnade, indem sie sich immer wieder an den Quellen des Gebets in einem tiefen eucharistischen Leben stärkte. Aus ihrer Liebe zu Gott entsprang natürlich und spontan die Liebe zum Nächsten. Mit aller Zärtlichkeit widmete sie sich den unglücklichen blinden Kindern, denen sie inneres Licht schenken wollte als Strahl des göttlichen Lichtes. Für diesen Liebesdienst um Christi willen gründete sie ihre Kongregation der Schwestern von der Christlichen Liebe. Zusammen mit jenen Kindern nahm sie sich dann noch weiterer Hilfsbedürftigter an; alle fanden in ihr und ihrem großen Werk Hilfe, Trost und vor allem Liebe. Dieselbe Liebe drängte sie dazu, für ihre Kongregation schließlich noch die Unterrichtung der Jugend hinzuzunehmen: Sie hielt diese für eine echte Mission, wie sie von den Erfordernissen der Zeit in besonderem Maße verlangt wurde. Kühn waren die Pläne der Seligen; aber sie wußte in stiller und demütiger Zurückhaltung die Stunde Gottes abzuwarten. Ihr Werk wuchs mit Erfolg, wenn auch unter fortwährendem Ringen und mit vielen Schwierigkeiten. In der Zeit seines besten Wachstums kam zugleich die Stunde eines zerstörerischen Sturmes in der harten Verfolgung unter den Gesetzen des Kulturkampfes. Aber auch hier zeigte Mutter Pauline ihre innere Offenheit für den Willen Gottes und war bereit und fähig, den Prüfungen zu begegnen und ihren Kreuzweg zu gehen. 1276 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mutter Pauline ist ein Lebensbeispiel. Der angstvollen Unruhe des modernen Menschen zeigt sie heute einen Weg zu innerem Frieden: mutig und zuversichtlich Gott im leidenden Bruder zu suchen. So ist ihre Botschaft aktuell, wie die Suche nach Gott immer aktuell ist. 5. Der Glaube und die Liebe erstrahlten auch im Leben von Schwester Caterina Troiani, Gründerin des Instituts der Franziskanerinnen vom Unbefleckten Herzen Mariens. Von der Vorsehung berufen, das Kloster der Klarissinnen von Ferentino zu verlassen, um sich mit einigen Mitschwestern nach Ägypten zu begeben, wo sie sich der menschlichen und christlichen Bildung der Mädchen in jenem Land jenseits des Meeres widmen wollten, nahm sie mit voller Bereitschaft den Plan Gottes an. Eingedenk des in den ersten Jahren des Ordensberufes gesprochenen Gelübdes, „immer im Gehorsam und in Selbstvergessenheit zu leben“, gab sie sich mit missionarischem Elan dem neuen Dienst in der Stadt Kairo hin. Vor ihr erhob sich ein Berg von Elend und Leid, in dem sich eine Synthese menschlichen Schmerzens zu spiegeln schien: Sklaverei, Hunger, Armut, verlassene und verwahrloste Kinder und Kranke, Ausbeutung und Benachteiligung seitens der Gesellschaft. Schwester Caterina beschränkte sich nicht darauf, anderen zu empfehlen, was für jene unglückseligen Menschen getan werden sollte. Wie der barmherzige Samariter im Gleichnis des Evangeliums hielt sie neben jedem der körperlich und geistig leidenden Brüder und Schwestern inne, reichte ihnen liebevoll ihre wohltätige Hand und setzte sich persönlich ein. Gegenüber dem Nächsten, der Opfer des Schmerzes, der Krankheit, des Elends war, gab es für ihre Liebe niemals Hindernisse: Katholiken, Orthodoxe, Muslime - alle fanden bei ihr Aufnahme und Hilfe, weil Schwester Caterina in jedem von Schmerz gekennzeichneten Menschen das leidende Antlitz Christi erblickte. Nicht umsonst war die kleine Schwester mehr als unter ihrem Namen als „Mutter der Armen“ bekannt; und von den aus der Sklaverei befreiten Frauen des Ortes wurde sie die „weiße Mutter“ genannt. Nicht einmal die lebensgefährliche Ansteckungsgefahr gebot der Kühnheit der Nächstenliebe von Schwester Caterina Einhalt: zweimal wütete die Cholera, unter diesen dramatischen Umständen waren die Selige und ihre Mitschwestern nur darauf bedacht, den von der Krankheit Betroffenen beizustehen. Eine von ihnen bezahlte diesen Dienst der Hingabe und Liebe mit dem Leben. Als die von ihr eingerichteten Werke allem Anschein nach ruhig gediehen, brach plötzlich 1882 der Krieg aus, der alles zunichte zu machen 1277 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schien. Auch in dieser Situation traten der leuchtende Glaube, die feste Kraft und die glühende Liebe der Sehgen hervor. Mit unerschütterlicher Hoffnung in die Vorsehung verhielt sie sich weiterhin unter allen Umständen entsprechend dem ihr treuen Grundsatz: „Mißtraue dir selbst, vertraue auf Gott!“ Die selige Caterina Troiani hat sich mit einem eigenen Stil in den Dienst der Kirche eingefügt: als aufmerksame und treue Jüngerin der hl. Klara und des hl. Franz von Assisi gelang es ihr, in sich das kontemplative Leben der einen mit dem Wanderapostolat des anderen zu verschmelzen. Sie war missionarisch in der Klausur und kontemplativ in der Mission, in der vollen und totalen Hingabe an den Herrn und an die Brüder. 6. „Danket dem Herrn, denn er ist gut, in Ewigkeit währt sein Erbarmen!“ Im Licht der uns von den beiden Seligen hinterlassenen Beispiele können wir wirklich sagen, die Wunder betrachtet zu haben, die Gott weiterhin insbesondere in den Seelen wirkt, die für seine Gnade offen und gefügig, sind. Die selige Pauline von Mallinckrodt und die selige Caterina Troiani seien uns Leitung und Ansporn dazu, daß wir in unserem Alltagsleben wie sie ein konsequentes Zeugnis des Glaubens und der Liebe geben. Amen. Die Fülle des Lebens gefunden Ansprache bei der Audienz für deutsche Pilger am 15. April Liebe Brüder und Schwestern! Ihr seid zur Seligsprechung der verdienten Ordensgründerin Pauline von Mallinckrodt hier nach Rom gekommen. Selige und Heilige sind nicht eine exotische Sorte von Menschen, die wie Sonderlinge bestaunt werden. Es sind Menschen wie wir, die uns mit ihrem Vorbild vorangehen, uns den rechten Weg zeigen und uns ermutigen, das allen verheißene Ziel unbeirrt anzustreben. Wer das Leben der seligen Mutter Pauline betrachtet, wird an vielen Stellen zum Nachdenken gebracht. Einen Punkt möchte ich besonders herausgreifen. Die junge Pauline hatte sich blinder Kinder erbarmt und 1278 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Sorge für eine Gruppe von ihnen bereits geraume Zeit übernommen, bevor sie eine religiöse Gemeinschaft gleichgesinnter Frauen gründete. Daran wird sichtbar, wie die Liebe zu den Ärmsten und der Antrieb zu konkreter Hilfe auch unabhängig vom Ordensleben möglich sind. Heute wie damals sollten wir Erwachsenen den jungen Menschen alle Anerkennung und Förderung schenken, die aus der Kraft eines jugendlichen Idealismus zu einem sozialen Einsatz drängen, auch dort, wo ein solcher Einsatz uns zunächst noch zu ungestüm oder planlos vorkommt. Doch dann entschloß sich Pauline von Mallinckrodt zur vollen Hingabe ihres Lebens in der Form von Ordensgelübden; ja sie gründete sogar selbst eine Gemeinschaft von Ordensschwestern der Christlichen Liebe, in die sie gleichsam als heilige Mitgift ihre erste Gruppe von blinden Kindern einbrachte. Was drängt wohl einen von Christi Liebe durchglühten Menschen dazu, für seinen sozialen Einsatz die Form des Ordenslebens zu wählen? Ein solcher Mensch will vor seinen Mitmenschen bekennen, daß es ihm nicht um weltlichen Applaus, nicht um Selbstbestätigung oder um den Dank der Hilfsbedürftigen geht, sondern daß die Wurzel seiner helfenden Liebe in Gott selbst liegt und er Christus nachfolgen möchte, der das Erbarmen Gottes mit den Menschen in letzter Treue vorgelebt hat. Ein solcher Mensch will sich durch ein Leben nach den evangelischen Räten ganzheitlich, ohne Vorbehalt seinem sozialen Dienst schenken und dabei die Kühnheit Christi wagen, der uns ermutigt, unser Leben einzusetzen, es „loszulassen“ und zu „verlieren“, um es so wahrhaft zu „gewinnen“. Ein solcher Mensch wilLder Welt zeigen, daß nach unserem Glauben kein Gegensatz besteht zwischen dem Einsatz für den benachteiligten Mitmenschen und der Ehre Gottes. Christus selbst hat uns bis in sein Leiden hinein offenbart, daß der Vater im Himmel gerade dann verherrlicht wird, wenn sich der Sohn für das Heil der Welt hingibt und verschenkt. Schließlich möchte sich ein solcher Mensch für seinen sozialen Dienst die Kraft gleichgesinnter Mitmenschen zunutze machen, mit denen er eine Gemeinschaft des Lebens, der Arbeit und des Gebetes bildet, wie eben in einer Ordensgemeinschaft, wo auch die Herzen durch eine religiös motivierte Entscheidung miteinander verbunden sind. Liebe Brüder und Schwestern! Das sind einige wichtige Gründe, die wohl auch die selige Schwester Pauline bewogen haben, die besondere Nachfolge Christi in den evangelischen Räten zu erwählen, um in einer Gemeinschaft von Ordensschwestern der Christlichen Liebe jenes großartige soziale Werk aufzubauen, 1279 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dessen Früchte ungezählte Menschen am eigenen Leib bis in unsere Gegenwart erfahren durften. Darin sind wir uns gewiß alle einig. Schwieriger wird es vielleicht, wenn ich euch nun frage, ob ihr als einzelne oder als Familie und Pfarrei genügend tut, um auch heute junge Menschen zu ermutigen, in einem Ordensberuf das mit soviel Idealismus und Opfer begonnene Werk fortzuführen. Ganz herzlich bitte ich euch: Habt ein offenes Auge für jede jugendliche Hochherzigkeit bei euren Söhnen und Töchtern, freut euch darüber, fördert sie und gebt acht, sie nicht durch allzuviel Berechnung und Eigeninteresse zu verschütten! Nehmt innerhalb eine positive Haltung ein zur Möglichkeit, daß sich auch eines eurer Kinder für einen Ordensberuf entscheiden möchte. Nur mit einer solchen vorausgehenden positiven Einstellung wird es euch gelingen, richtig und christlich zu reagieren, falls ein junger Mensch diesen Wunsch eines Tages vor euch aussprechen sollte. Aber vielleicht fragt ihr euch ängstlich, ob eure Tochter, euer Sohn oder ein befreundeter junger Mensch denn wohl ihr Glück in einem Leben nach den Gelübden finden können, ob sie sich auf diese Weise denn auch selbst verwirklichen werden. Ja, Selbstverwirklichung ist wichtig. Aber wer wollte es am heutigen Tage wagen zu behaupten, Pauline von Mallinckrodt und alle anderen Seligen und Heiligen hätten sich nicht selbst verwirklicht? Das Urteil der Kirche lautet im Namen des Herrn: Sie haben sich verwirklicht; sie haben die Fülle ihres Lebens gefunden. Gott sei Lob und Dank! Von Herzen empfehle ich euch und eure Familien, besonders auch alle Schwestern und Werke der Kongregation der Christlichen Liebe der Fürsprache und dem Schutz der neuen Seligen, der seligen Pauline vom Mallinckrodt, und erteile euch in der Liebe Jesu Christi meinen besonderen Apostolischen Segen. Göttlich inspirierte Bücher Ansprache an die Päpstliche Bibelkommission am 18. April 1. Ich freue mich, im strahlenden Licht des von den Toten auf erstandenen Christus, der seinen Jüngern „die Augen für das Verständnis der Schrift öffnete“ (Lk 24,45), mit der Päpstlichen Bibelkommission zusam- 1280 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menzutreffen, die zum ersten Mal nach ihrer teilweisen Neubildung in Rom tagt. Aus ganzem Herzen begrüße ich Herrn Kardinal Joseph Ratzinger, den Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre und Vorsitzenden dieser Kommission, und danke ihm für die Ansprache, mit der er diesen Kongreß eröffnete. Mit Freude begrüße ich die altgedienten Mitglieder, die bereits zu den früheren Arbeiten der Bibelkommission großen Beitrag leisteten, unter ihnen den jetzigen Sekretär, Prof. Heinrich Cazelles; mit ebensolcher Freude begrüße ich die neuen Mitglieder, die aus vielen verschiedenen Gegenden gekommen sind, um mit ihrem Wissen dem höchsten Lehramt und dem gesamten Volk Gottes zu dienen. Ich danke Ihnen allen für Ihren guten Willen und wünsche Ihnen sehr, daß Ihre Arbeit fruchtbar sei. Die vor einigen Monaten besorgte Ausgabe des Werkes „Bible et Christologie“ hat die fruchtbare Ergiebigkeit der Arbeit der Bibelkommission in helleres Licht gerückt und ebenso ihre große Nützlichkeit „für die Förderung der Bibelstudien und einer wirksamen Hilfe an das Lehramt der Kirche“. Ich hoffe, daß Ihre künftigen Arbeiten reichlich Frucht bringen. 2. Das Thema, dem Sie Ihre gemeinsame Forschung widmen, ist nicht ohne Bedeutung für das heutige Leben der Kirche. Sie sollen nämlich über die „Beziehungen der Ortskirchen zur Gesamtheit des einen Gottesvolkes“ nachdenken. Selbst die Form, in der das Thema angegeben wird, läßt eine gewisse Spannung zwischen Vielfalt und Einheit erkennen: der Vielfalt der Ortskirchen, die über den ganzen Erdkreis verstreut sind; der Einheit des von „einem Geist“ „zu einem Leib“ zusammengefügten Gottesvolkes: wie es auch „eine Hoffnung“ gibt, zu der alle berufen sind (vgl. Eph 4,4). Sie wissen ja, daß das Zweite Vatikanische Konzil diese so bedeutsamen Spannung dadurch vermehrt hat, daß es die Rolle der Ortskirchen herausstellte. Besonders nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil hat die Theologie der lateinischen Kirche nicht nur für die Darstellung der Universalkirche Sorge getragen, sondern ihre Studien auch auf die Ortskirchen, ihr Leben und ihre Rechte gerichtet. Die dogmatische Konstitution über die Kirche erklärte nämlich: „Diese Kirche Christi ist wahrhaft in allen rechtmäßigen Ortsgemeinschaften der Gläubigen anwesend, die in der Verbundenheit mit ihren Hirten im Neuen Testament auch selbst Kirchen heißen“ (Lumen gentium, Nr. 26). Diese Besinnung auf die Teilkirchen hat viele Vorteile, solange sie nicht einseitig wird und nicht zum Nachteil der übrigen notwendigen Eigen- 1281 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN . schäften der Kirche, wie Universalität und Einheit, gereicht. Diese Neigung zeigte sich gerade in den letzten Jahren. Aus diesem Grunde scheint die Erforschung dieser Thematik angebracht, wenn sie bei den biblischen Zeugnissen ihren Ausgang nimmt. Ihre Aufgabe wird es sein, die Zeugnisse der göttlich.inspirierten Bücher zu untersuchen und zu erforschen, ihre tatsächliche Bedeutung zu beurteilen und auch zu überprüfen, was darüber auf exegetischem Gebiet veröffentlicht wurde, damit Sie immer größere Aufmerksamkeit darauf verwenden, die Aussagen herauszufinden, die den Glauben-.und das Leben der Kirche in der Situation dieser Zeit besser erhellen können. 3. Ihr kirchliches Amt muß bewirken, daß Sie die von Gott inspirierte Heilige Schrift mit größter Hochachtung behandeln und die Texte der Heiligen Schrift sorgfältig von den Auslegungen der Gelehrten, Ihren eigenen oder denen anderer trennen. Nicht selten ist in diesem Bereich heute eine gewissen Verwirrung festzustellen, da es nun einmal Leute gibt, die Vermutungen mehr Vertrauen schenken als den göttlichen Worten. Ihre Arbeit muß zwei Eigenschaften haben, nämlich wissenschaftliche Exaktheit und Unverkürztheit des Glaubens. Nur so kann sie für das Lehramt der Kirche von Nutzen sein, dem die Aufgabe anvertraut ist, das Wort Gottes verbindlich zu erklären (vgl. Dei verbum, Nr. 10). Nur so kann sie zum Wohl der Gläubigen gereichen, die von daher erleuchtet und im Hören des Wortes Gottes und in ihrem kirchlichen Leben bestärkt werden sollen. Allen wird es. nämlich sehr nützen, keine verstümmelte und unvollständige Kenntnis der Dinge zu erhalten, die uns die Heilige Schrift „über die Beziehungen der Ortskirchen zur Gesamtheit des einen Gottesvolkes“ offenbart. Die Gnade Christi,.der vom Tode auferweckt wurde und zur Rechten des Vaters sitzt, stehe Ihnen bei der Erfüllung dieser Ihrer Aufgabe bei. Dazu erteile ich Ihnen von Herzen den Apostolischen Segen. 1282 Jüdisch-christliche Beziehungen - Verpflichtung für beide Religionen Ansprache an die Teilnehmer des Symposions zum 120. Jahrestag der Konzilserklärung „Nostra aetate“ am 19. April Liebe Freunde! Ich bin glücklich, euch anläßlich des Kolloquiums.das ihr zum Gedenken an den 20. Jahrestag der Konzilserklärung Nostra aetate, über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, und insbesondere den Teil dieser Erklärung, der sich mit den Beziehungen der Kirche zum Judentum befaßt, einberufen habt, im Vatikan zu begrüßen. Es handelt sich in der Tat um ein bemerkenswertes Ereignis, nicht, nur wegen des Gedenkens selbst, sondern auch, weil es durch die Zusammenarbeit der Theologischen Fakultät der Päpstlichen St.-Thomas-Universi-tät, der Liga gegen die Diffamierung des Judentums von B’nai B’rith, des Zentrums Pro Unione und des Internationalen Dienstes der jüdischchristlichen Dokumentation (SIDIC) Katholiken, andere Christen und Juden zusammenführt. Die Kommission des Hl. Stuhls für die religiösen Beziehungen zu den Juden hat ebenfalls zugestimmt, euch Hilfe und Beteiligung zu gewähren. Darin, daß sich so bedeutende Institutionen zusammenfinden, um Nostra aetate zu feiern, sehe ich einen Weg, um eine der wichtigsten Empfehlungen der Erklärung zu verwirklichen, nämlich wo sie sagt: „Da also das Christen und Juden gemeinsame und geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern, die vor allem die Frucht biblischer und theologischer Studien sowie des brüder-lichen Gesprächs ist“ (Nostra aetate, Nr. 4). Euer Kolloquium ist ein solches „brüderliches Gespräch“ und wird sicherlich zu der vom Konzil erwähnten „gegenseitigen Kenntnis und Achtung“ beitragen. Juden und Christen müssen einander besser kennenlernen. Nicht nur oberflächlich als Menschen verschiedener Religionen, die lediglich am selben Ort nebeneinander leben, sondern als Mitglieder solcher Religionen, die eng miteinander verbunden sind (vgl. Nostra aetate, Nr. 4). Das bedeutet, daß Christen versuchen, so genau wie.möglich die charakteristischen Glaubensüberzeugungen, religiösen Praktiken und die Spiritualität der Juden kennenzulemen, und daß umgekehrt die Juden versuchen, die 1283 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glaubensüberzeugungen, Praktiken und die Spiritualität der Christen kennenzulernen. Das scheint der geeignete Weg zu sein, um Vorurteile zu zerstreuen. Aber auch um auf christlicher Seite die tiefen jüdischen Wurzeln des Christentums zu entdecken und auf jüdischer Seite die besondere Weise richtiger zu beurteilen und anzuerkennen, in der die Kirche seit den Tagen der Apostel das Alte Testament gelesen und das jüdische Erbe empfangen hat. Hier befinden wir uns bereits in dem, was wir Christen ein theologisches Umfeld nennen. Ich ersehe aus dem Programm eures Kolloquiums, daß ihr geeignete theologische Probleme behandelt. Ich glaube, das ist ein Zeichen der Reife unserer Beziehungen und ein Beweis dafür, daß der Vorstoß und die praktischen Empfehlungen von Nostra aetate tatsächlich unsere Gespräche inspirieren. Es ist hoffnungsvoll und erfrischend zu sehen, daß das in einer Begegnung geschieht, die des 20. Jahrestages der Erklärung gedenkt. Gemeinsame theologische Studien können nämlich nicht ins Auge gefaßt werden, wenn es nicht auf beiden Seiten ein hohes Maß gegenseitigen Vertrauens und tiefer Achtung füreinander gibt - Vertrauen und Achtung, die von solchen Studien nur profitieren und wachsen können. Ihr habt euch auch der Frage der jüdischen und christlichen Spiritualität im Rahmen der gegenwärtigen säkularisierten Welt gestellt. Ja, in unseren Tagen kann man mitunter den traurigen Eindruck einer Abwesenheit Gottes und seines Willens vom privaten und öffentlichen Leben der Männer und Frauen haben. Wenn wir über eine derartige Situation und ihre tragischen Folgen für die Menschen nachdenken, die ihrer Wurzeln in Gott und damit ihrer grundlegenden moralischen Ausrichtung beraubt ist, können wir dem Herrn nur dafür dankbar sein, daß wir als Juden und Christen an ihn glauben, und wir beide können mit den Worten des Deuteronomiums sagen: „Höre Israel! Jahwe ist unser Gott, Jahwe allein!“ (Dtn 6,4). Aber die Dankbarkeit verwandelt sich bald in die Verplichtung, diesen Glauben zum Ausdruck zu bringen, öffentlich vor der Welt zu bekennen und unser Leben ihm entsprechend zu leben, „damit die Menschen unsere guten Werke sehen und unseren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16). Die Existenz und die Vorsehung des Herrn, unseres Schöpfers und Retters, werden so im Zeugnis unseres täglichen Verhaltens und Glaubens gegenwärtig gemacht. Und das ist eine der Antworten, die diejenigen, die an Gott glauben und bereit sind, „seinen Namen zu heiligen“ (vgl. Mt 6,9), auf das säkularisierte Klima unserer Tage geben können und sollten. 1284 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Jubiläumskolloquium wird so leicht zum Ausgang für einen neuen und intensiven Einsatz nicht nur für immer tiefere Beziehungen zwischen Juden und Christen in vielen Bereichen, sondern auch für das, was der Mensch in der heutigen Welt am nötigsten hat: ein Gefühl für Gott als einen liebenden Vater und für seinen Heilswillen. In diesem Zusammenhang bemerke ich in eurem Programm die Bezugnahme auf die Katastrophe, die das jüdische Volk vor und während des Krieges besonders in den Todeslagern so grausam dezimierte. Ich bin mir sehr bewußt, daß das traditionelle Datum für ein derartiges Gedenken gerade jetzt gegeben ist. Gerade ein Fehlen des Glaubens an Gott und folglich der Liebe und Achtung für unsere Mitmenschen kann leicht solche Katastrophen herbeiführen. Laßt uns miteinander beten, daß niemals wieder etwas derartiges geschieht und daß alles, was wir tun, um einander besser kennenzulernen, um miteinander zusammenzuarbeiten und Zeugnis zu geben von dem einen Gott und seinem Willen, wie er in den Zehn Geboten zum Ausdruck kommt, dazu helfe, den Menschen immer noch mehr den Abgrund bewußt zu machen, in den die Menschheit stürzen kann, wenn wir andere Menschen nicht als Brüder und Schwestern, als Söhne und Töchter desselben himmlischen Vaters anerkennen. Jüdisch-christliche Beziehungen sind niemals eine akademische Übung. Im Gegenteil, sie sind Teil des echten Werkraums unserer religiösen Verpflichtungen und unserer Berufungen als Christen und als Juden. Für Christen haben diese Beziehungen besondere theologische und moralische Dimensionen, weil die Kirche, wie es in dem Dokument, dessen ihr gedenkt, heißt, überzeugt ist, „daß sie durch jenes Volk, mit dem Gott aus unsagbarem Erbarmen den Alten Bund geschlossen hat, die Offenbarung des Alten Testamentes empfing und genährt wird von der Wurzel des guten Ölbaums, in den die Heiden als wilde Schößlinge eingepfropft sind (vgl. Röm 11,17—24)“ (Nostra aetate, Nr. 4). Durch das Gedenken an den Jahrestag von Nostra aetate sollen uns all diese Dimensionen noch stärker bewußt und überall in die tägliche Praxis umgesetzt werden. Ich hoffe ernsthaft und bete darum, daß das Wirken eurer Organisationen und Institutionen auf dem Gebiet der jüdisch-christlichen Beziehungen immer mehr vom Herrn gesegnet werde, dessen Name ewig gepriesen sei: „Groß ist der Herr und hoch zu loben“ (Ps 145,3). 1285 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe Gebetsaufruf für das armenische Volk bei der Generalaudienz am 24. April Heute gedenken die in der ganzen Welt zerstreuten Brüder und Schwestern des geliebten armenischen Volkes der schmerzlichen Ereignisse, die sie vor nunmehr siebzig Jahren im osmanischen Reich erlitten. Die Gläubigen der armenischen christlichen Kirchen vereinen ihre Gebete für den Seelenfrieden jener, die Opfer der tragischen Geschehnisse wurden, und dafür, daß sich so schreckliche Begebenheiten nie mehr wiederholen. Ich lade euch alle ein, euch diesem inständigen Gebet anzuschließen in Gemeinschaft des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung mit den Brüdern und Schwestern dieses alten und stolzen Volkes. Mögen die schmerzlichen Erinnerungen, die das heutige Gedächtnis in uns wachruft, im Bewußtsein aller wieder die Pflicht zum Gebet und zum Einsatz für ein friedliches Zusammenleben wecken, zu dem man gelangt, wenn man auf jede Gewalt verzichtet und sich gegenseitig als Kinder des einen Gottes und Brüder einer einzigen Menschheitsfamilie anerkennt. „Den Menschen versteht nur, wer Gott kennt“ Ansprache an die Teilnehmer des Symposions „Christlicher Glaube und Evolutionstheorie“ am 26. April In diesen österlichen Tagen, da wir das Geheimnis der Auferstehung Jesu Christi von den Toten in großer Freude feiern, nehme ich gern die Gelegenheit wahr, die hier anwesenden Teilnehmer des internationalen wissenschaftlichen Symposions zu grüßen, die sich zur Erörterung des wichtigen Themas „Christlicher Glaube und Evolutionstheorie“ in diesen Tagen in Rom eingefunden haben. Mein besonderer Gruß gilt Ihnen, sehr verehrter Herr Kardinal Ratzinger, dem Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre, Ihren Mitarbeitern, den Konsultoren Ihres Dikaste-riums, den Vertretern der Internationalen Theologenkommission und der Päpstlichen Bibelkommission, die sich an der Arbeit dieser Tage beteiligen. 1286 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ebenso herzlich grüße ich die Herren Professoren Robert Spaemann und Reinhard Löw sowie ihre Mitarbeiter des Lehrstuhls I für Philosophie an der Ludwig-Maximilian-Universität zu München. Von ihnen ist ja die Initiative zu diesem Gelehrtenkongreß ausgegangen, dessen Trägerschaft in erster Linie auch bei Ihnen liegt. Sie haben sich dafür bereits durch zwei vorangegangene Symposien über „Evolution und Freiheit“ sowie über „Evolutionstheorie und menschliches Selbstverständnis“ vor der wissenschaftlichen Welt ausgewiesen. So ist es Ihnen gelungen, zahlreiche anerkannte Fachleute aus den verschiedenen Disziplinen der philosophischen und theologischen Wissenschaftszweige dafür zu gewinnen, denen gleichfalls mein Willkommensgruß gilt. Der vielschichtige und philosophisch befrachtete Begriff der „Evolution“ entwickelt sich seit geraumer Zeit immer mehr zu einem umfassenden Paradigma des Gegenwartsbewußtseins. Er beansprucht, Physik, Biologie, Anthropologie, Ethik und Soziologie in einen allgemeinen wissenschaftlichen Erklärungszusammenhang zu integrieren. Das Evolutionsparadigma entwickelt sich, nicht zuletzt durch eine ständig anwachsende Literatur, zu einer Art geschlossener Weltanschauung, einem „evolutioni-stischen Weltbild“. Von dem materialistischen Weltbild, das um die Jahrhundertwende propagiert wurde, unterscheidet sich diese Weltanschauung durch eine umfassendere Ausarbeitung und durch größere Fähigkeit der Integration scheinbar inkommensurabler Dimensionen. Während der traditionelle Materialismus das sittliche und religiöse Selbstverständnis des Menschen als Illusion zu entlarven suchte und bisweilen militant bekämpfte, fühlt sich der biologische Evolutionismus stark genug, dieses Selbstverständnis funktional durch die damit verbundenen Selektionsvorteile zu begründen und in sein Gesamtkonzept zu integrieren. Das hat zur praktischen Folge, daß die Promotoren dieser evolutionären Weltanschauung eine neue Verhältnisbestimmung zur Religion eingenommen haben, die von dem der jüngeren und ferneren Vergangenheit beträchtlich abweicht. Was den rein naturwissenschaftlichen Aspekt der Frage angeht, so hat bereits mein unvergessener Vorgänger Papst Pius XII. im Jahr 1950 in seiner Enzyklika Humani generis darauf hingewiesen, daß die Erörterung des Erklärungsmodells „Evolution“ vom Glauben nicht behindert wird, wenn diese Diskussion im Rahmen der naturwissenschaftlichen Methode und ihrer Möglichkeiten verbleibt. Die Grenze in der Reichweite dieser Methode markiert er, wenn er sagt, das kirchliche Lehramt verbiete nicht, daß die Entwicklungslehre, entsprechend dem jetzigen Stand der Profanwissenschaft und der Theologie, von den Fachleuten beider Gebiete in 1287 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Forschung und Erörterung behandelt werde, insofern die Untersuchung den menschlichen Leib aus schon vorliegender und belebter Materie betrifft; denn bezüglich der Seele gebietet uns der katholische Glaube, daran festzuhalten, daß sie unmittelbar von Gott geschaffen ist. Bei dieser Untersuchung soll man die Gründe für beide Ansichten, die zugunsten und die zuungunsten sprechen, mit gebührendem Ernst, mit der gebührenden Besonnenheit und Mäßigung abwägen und beurteilen (vgl. DS 3896). Gemäß diesen Ausführungen meines Vorgängers stehen sich recht verstandener Schöpfungsglaube und recht verstandene Evolutionslehre nicht im Wege: Evolution setzt Schöpfung voraus; Schöpfung stellt sich im Licht der Evolution als ein zeitlich erstrecktes Geschehen -als creatio continua - dar, in dem Gott als der „Schöpfer des Himmels und der Erde“ den Augen des Glaubens sichtbar wird. Die Frage der rechten Begrenzung und der richtigen Zuordnung der verschiedenen Bereiche des menschlichen Erkennens, die im Mittelpunkt der erwähnten Äußerung der Enzyklika Humani generis steht, hat durch das neue „evolutionistische Weltbild“ auch neue Dimensionen gewonnen. In dessen weitreichendem Anspruch geht es nicht mehr bloß um die Entstehung des Menschen, sondern umfassender um eine Rückführung aller geistigen Pänomene einschließlich Moral und Religion auf das Grundmodell „Evolution“, von dem aus zugleich deren Funktion und Grenze umschrieben wird. Eine solche Funktionalisierung des christlichen Glaubens müßte ihn in seinem Kern treffen und verändern. Daher muß sich das dem Glauben verantwortliche Denken mit dieser revolutionären Weltanschauung auseinandersetzen, die weit über ihre naturwissenschaftlichen Grundlagen hinausgeht. Die zentrale Frage des Glaubens ist immer die Frage nach der Wahrheit. So muß er auch hier fragen, welcher Wahrheitsgehalt und gegebenenfalls welcher Stellenwert den wissenschaftlichen Theorien zukommt, welche die oft populärwissenschaftlich vorgetragene Philosophie stützen und begründen sollen, die in die naturwissenschaftliche Erkenntnis eingetragen oder im Anschluß an sie entwickelt wird. Es ist offenkundig, daß diese dringend erforderliche Aufgabe ohne Philosophie nicht bewältigt werden kann. Es kommt ja gerade der Philosophie zu, die Art und Weise, wie Ergebnisse und Hypothesen gewonnen werden, einer kritischen Prüfung zu unterziehen, das Verhältnis von Theorie und Einzelaussagen, den Status naturwissenschaftlicher Aussagen und deren Reichweite, insbesondere den eigentlichen Inhalt wissenschaftlicher Behauptungen von weltanschaulichen Extrapolationen zu unterscheiden. 1288 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Deshalb begrüße ich dieses Symposion, in dem kompetente Gelehrte -besonders Philosophen und Theologen verschiedener Richtungen und Spezialisierungen - sich dieser Arbeit stellen wollen in der Absicht, die Probleme präzis zu lokalisieren und mit dem Erkennen der Fragen auch die rechten Antworten vorzubereiten. Im letzten geht es um das Verstehen des Menschen, das freilich von der Gottesfrage nicht zu trennen ist. Nach einem tiefen Wort von Romano Guardini versteht den Menschen nur, wer Gott kennt. In der Tat, erst in dieser geweiteten Perspektive kommt die wahre Größe des Menschen zum Vorschein, zeigt sich, wer er im tiefsten ist: ein von seinem Schöpfer gewolltes und geliebtes Wesen, dessen unveräußerliche Größe darin besteht, zu Gott „Du“ sagen zu dürfen. In diesem Sinne erteile ich Ihnen für Ihre Arbeit von Herzen den Apostolischen Segen. Zusammenarbeit und gemeinsames Zeugnis Ansprache an die Beauftragten der Ökumene-Kommissionen der Bischofskonferenzen am 27. April Ehrwürdige Brüder, Geliebte in Christus! 1. Ich danke euch, daß ihr im Auftrag der Ökumene-Kommissionen von 63 Bischofskonferenzen nach Rom gekommen seid, um bei einer Begegnung am Sekretariat für die Einheit der Christen eure Erfahrungen auszutauschen, auf die vor euch liegenden Aufgaben zu blicken und neuen Mut zu schöpfen, um diese Aufgaben freudig und beherzt anzupacken. Ich begrüße auch jene, die als Beobachter von anderen Gemeinschaften und vom Weltkirchenrat gekommen sind. Da ihr aus der ganzen Welt kommt, spiegelt ihr in eurer Zusammenkunft und Zusammenarbeit die Einheit in der Vielfalt der katholischen Kirche wider. Vor genau zwanzig Jahren ging das Zweite Vatikanische Konzil zu Ende, das das Bild dieser Einheit erneuert und sich in eindrucksvoller Weise zur ökumenischen Verantwortung der Kirche bekannt hatte. 2. In seinen großartigen Aussagen über die Kirche umriß das Konzil die Grundlage für unsere ökumenische Aufgabe. Es stellte die Kirche als ein 1289 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN durch die Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes geeintes Volk (vgl. Lumen gentium, Nr. 4) dar. Das ist die tiefe Vorstellung von Einheit, die wir im Gebet Jesu für seine Jünger finden: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie eins sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast; denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind“ (Joh 17,21-22). Nichts Geringeres als die Einheit des inneren dreifältigen Lebens Gottes ist Vorbild für die Einheit der Kirche Christi (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 2). Die „durchdachte Definition“ (Paul VI., 29. September 1963), die das Konzil von der Kirche zu geben versuchte, enthüllt sie uns als eine Gemeinschaft mit dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist - eine universale Gemeinschaft, in der sämtliche Ortskirchen an allem Guten teilhaben, das der Herr seiner Kirche durch und in seinem Geist geschenkt hat, um sie in der Einheit zu bewahren und an Heiligkeit wachsen zu lassen. Aber die Christen sind gespalten, und nicht alle Kirchen und Gemeinschaften sind eins in dieser vollen Gemeinschaft. Doch das Konzil betonte, daß „eine gewisse, wenn auch nicht vollständige Gemeinschaft mit der katholischen Kirche“ besteht (Unitatis redintegratio, Nr. 3). Das Konzil lehrt uns nämlich, daß die „getrennten Kirchen und Gemeinschaften trotz der Mängel, die ihnen nach unserem Glauben anhaften, nicht ohne Bedeutung und Gewicht im Geheimnis des Heiles sind. Denn der Geist Christi hat sich gewürdigt, sie als Mittel des Heiles zu gebrauchen, deren Wirksamkeit sich von der der katholischen Kirche anvertrauten Fülle der Gnade und Wahrheit herleitet“ (ebd.). Darum schließt der Ökumenismus die Förderung der Wahrheit, der Einheit des Glaubens, Eintracht und Zusammenarbeit und einen Geist brüderlicher Liebe ein, so daß „dadurch allmählich die Hindernisse, die sich der völligen kirchlichen Gemeinschaft entgegenstellen, überwunden und alle Christen zur selben Eucharistiefeier, zur Einheit der einen und einzigen Kirche versammelt werden, die Christus seiner Kirche von Anfang an geschenkt hat“ {ebd., Nr. 4). 3. Wir bestehen deshalb darauf, daß die katholische Kirche weder ihre Lehre modifizieren oder relativieren noch die Fülle dessen leugnen kann, dessen Trägerin sie ist als die Gemeinschaft, in der die Kirche Christi Bestand hat. Aber sie muß offen und empfänglich sein „für die wahrhaft christlichen Güter aus dem gemeinsamen Erbe, die sich bei den von uns getrennten Brüdern finden“ {Reconsiliatio et paenitentia, Nr. 25; vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 4). Und wie das Zweite Vatikanische Konzil sagte: „Man darf auch nicht übergehen, daß alles, was von der Gnade des Heili- 1290 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen Geistes in den Herzen der getrennten Brüder gewirkt wird, auch zu unserer eigenen Auferbauung beitragen kann. Denn was wahrhaft christlich ist, steht niemals im Gegensatz zu den echten Gütern des Glaubens, sondern kann immer dazu helfen, daß das Geheimnis Christi und der Kirche vollkommener erfaßt werde“ (Unitatis redintegratio, Nr. 4). Ökumenische Bewegung als lebendiger Teil der Kirche 4. In diesem Gedenkjahr zum Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils weisen wir auf die Einsichten hin, die es uns erneut gewährt hat, nicht als Unterweisung in Geschichte, sondern damit wir uns zurechtfinden auf unserem Weg in die Zukunft. Die ökumenische Bewegung ist ein lebendiger, gesunder Teil des Lebens der katholischen Kirche und der anderen Kirchen und Gemeinschaften, die daran teilhaben. Eure Diskussionen werden sehr unterschiedliche Muster der Übereinstimmung im theologischen Verständnis des gemeinsamen Zeugnisses des Evangeliums unseres Herrn Jesus Christus, gemeinsamer Initiativen in christlichem Dienst und menschlichem Fortschritt, die kennzeichnend sind für die Lebenskraft dieses Zeugnisses, widergespiegelt haben. Oft geht die ökumenische Arbeit im stillen vor sich, ist spezialisiert oder ein Teil der Alltagsroutine. Das sollte uns nicht das Wunder dessen übersehen lassen, was Gott für die Einheit seines Volkes wirkt. 5. Eine Gnade der heutigen Zeit ist es, daß manche der theologischen Dialoge, die mit solcher Geduld und solchem Vertrauen geführt wurden, die Möglichkeiten einer Übereinstimmung im theologischen Verständnis beweisen. Noch einmal möchte ich sagen: „Ein eingehender und seit langem geführter Dialog . . . hat uns erkennen lassen, wie bedeutend und fest die gemeinsamen Fundamente unseres christlichen Glaubens sind“ (Generalaudienz am 25. Juni 1980). Das ist auch ein kostbares Geschenk für die katholische Kirche, das es Katholiken ermöglicht, zu tieferer Erkenntnis und klarerem Ausdruck ihres Glaubens zu gelangen, „denn die Kirche strebt im Gang der Jahrhunderte ständig der Fülle der göttlichen Wahrheit entgegen“ (Dei verbum, Nr. 8). Trotz des Fortschrittes im theologischen Dialog und in der Zusammenarbeit bleibt noch viel zu tun. Es müssen noch verantwortungsbewußte ökumenische Haltungen entwickelt werden durch ein gezielteres Bemühen um ökumenische Bildung; das habt ihr bei eurer Tagung ja nachdrücklich betont. Die ökumenische Dimension ist ein unerläßlicher Teil aller christlichen Bildungsprozesse. Dazu gehören die Bildung der Laien, 1291 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Jugendarbeit sowie Programme für Katechese und religiöse Unterweisung oder theologische Fortbildung. Der vielleicht einflußreiche Ort ökumenischer Bildung ist in der katholischen Kirche die Ausbildung des Klerus und der Ordensleute. Im Mittelpunkt dieser Ausbildung muß ein vertieftes Verständnis vom Geheimnis der Kirche stehen, und sie muß zu einer klaren Kenntnis der katholischen Grundlagen des Ökumenismus führen. Das ist notwendig, um sicherzustellen, daß diejenigen, die Verantwortung für die ökumenische Arbeit in der katholischen Kirche tragen, verstehen, daß ökumenische Initiativen unter der Leitung der Bischöfe und in enger Verbundenheit mit dem Hl. Stuhl durchgeführt werden sollten und sie dessen entscheidender Rolle beim Dienst an der Einheit aller volle Bedeutung beimessen. Das heißt, in die Kurse des Theologiestudiums muß die ökumenische Dimension aufgenommen und eine ausdrückliche Unterweisung über die ökumenische Bewegung, ihre Geschichte, ihre theologische und pastorale Bedeutung angeboten und die neuen Fortschritte, die durch sie Platz greifen, vorgestellt werden. Dieser formale Unterricht wird in der pastoralen Praxis mit Leben erfüllt: durch das gemeinsame Gebet, den theologischen Dialog und Bemühungen um ein gemeinsames Zeugnis und Zusammenarbeit. 6. Das Sekretariat für die Einheit der Christen feiert in diesem Jahr sein 25jähriges Bestehen. Seine Leistungen unter dem Beistand des Heiligen Geistes können euch dazu anhalten, mit noch größerem Vertrauen in die göttliche Gnade in die Zukunft zu blicken. Während eures Aufenthaltes hier habt ihr gesehen, mit welcher Hingabe Kardinal Willebrands und sein Mitarbeiterstab ihre Aufgabe erfüllen. Ich hoffe, daß ihr nach eurer Rückkehr in eure Länder weiter entschlossen in engem Kontakt mit dem Sekretariat arbeiten werdet, da sein unersetzliches Wirken nicht nur im Dienst der Universalkirche, sondern auch der Ortskirchen steht. Mit seiner Hilfe könnt ihr in euren theologischen Dialogen auf örtlicher und nationaler Ebene mit Einfallsreichtum und Klugheit vorbereiten, indem ihr die rechten Strukturen und Methoden für die Zusammenarbeit findet, weiter für die Einheit betet, gemeinsame Projekte eifrig fortsetzt und neue Wege ausfindig macht, um gemeinsam Zeugnis von der Frohbotschaft Gottes und der uns in Jesus Christus angebotenen Erlösung zu geben. 7. Habt Dank für das, was ihr tut, um zur Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft der Christen in dem einen apostolischen Glauben und einer 1292 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einzigen eucharistischen Gemeinschaft im Dienst eines wahrhaft gemeinsamen Zeugnisses beizutragen. Wenn ihr von Rom abreist, nehmt meine guten Wünsche und meine Ermutigung für jene mit, die mit euch in den ökumenischen Kommissionen arbeiten, und für eure Partner in den anderen Kirchen und Gemeinschaften. Mein Apostolischer Segen und meine Gebete begleiten euch bei dieser ökumenischen Aufgabe, die für die Kirche, für alle Christen und für die Menschheit so lebenswichtig ist. „Er aber, der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können, er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten. Amen“ (Eph 3,20-21). „Ermutigt junge Menschen, Christi Ruf zu folgen!“ Botschaft zum Weltgebetstag für geistliche Berufe am Sonntag, 28. April Verehrte Brüder im Bischofsamt! Liebe Söhne und Töchter in aller Welt! <206> <206> Am 4. Sonntag der Osterzeit wird wie alljährlich der Weltgebetstag um geistliche Berufe begangen. Als Hirte der ganzen Kirche fühle ich mich nun gedrängt, alle Getauften um ihre Gebets- und seelsorgliche Hilfe bei der Weckung von Priester- und anderen geistlichen oder missionarischen Berufen in ihren vielfältigen Formen zu bitten. Es ist dies ein zentrales Anliegen der Kirche, von dessen Lösung ihre Zukunft und Entwicklung sowie die Verwirklichung ihres universalen Heilsauftrages abhängen. Seitdem der unvergeßliche Papst Paul VI. diesen Gebetstag begründete, haben sich die päpstlichen Botschaften, obwohl für das ganze christliche Volk bestimmt, doch vorzugsweise an die junge Generation gewandt. Das soll besonders für das Jahr 1985 gelten, das von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Jugend erklärt wurde. Dabei darf die Kirche nicht abseits stehen. Sie will dazu einen Beitrag leisten, wie er dem Glauben und den christlichen Wertvorstellungen entspricht. Zahlreiche Initiativen sind aus diesem Anlaß vorgesehen, und andere werden noch geplant, und zwar auf gesamtkirchlicher oder Ortsebene. Ich selbst habe an die Jugendlichen in aller Welt die Einladung zu 1293 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einem Treffen in Rom, und zwar am Palmsonntag, gerichtet. Dabei geht es um das Bekenntnis zu Christus als unserem Frieden. Es ist mein lebhafter Wunsch, daß dieses Jahr für die junge Generation sich diesmal auch mit den geistlichen Berufen befaßt. Dafür bietet der Weltgebetstag einen idealen Anlaß, denn an ihm wird deutlich, was die christlichen Gemeinschaften von der jungen Generation erwarten. Daher richtet sich mein Wort vornehmlich an die Jugend, daneben aber auch an all jene, die seelsorgliche und erzieherische Verantwortung tragen. 2. Ihr jungen Menschen! Christus liebt euch! Diese frohe Botschaft soll euch mit Freude erfüllen. Ich wiederhole ja nur das Evangelium, wenn ich feststelle: Christus liebt euch junge Menschen ganz besonders, und er erwartet von euch, daß ihr diese Liebe weitergebt. Überall in der Welt habe ich mit Vertretern eurer Generation gesprochen. Überall habe ich junge Menschen gefunden, die sich nach Liebe und Wahrhaftigkeit sehnen, auch wenn sie voller Fragen sind über den Sinn ihres Lebens. Oft begegnet ihr zwar falschen Führern und Lehrern, die euch schmeicheln und die euch für Unternehmen zu werben suchen, die nur Bitternis und Enttäuschung hervorrufen. Ich möchte euch daher fragen: Seid ihr schon dem begegnet, der von sich selber sagt, er sei der einzige wahre Lehrer (vgl. Mt 23,8)? Wißt ihr nicht, daß er allein „Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68) und eine rechte Antwort auf eure Fragen hat? Die Liebe zu Christus ist die stärkste Macht der Welt, und es ist eure Macht. Habt ihr diese wunderbare Entdeckung schon gemacht? Sobald ein junger Mensch ihm begegnet ist und seine Liebe erfahren hat, vertraut er ihm, hört er auf seine Stimme, folgt ihm und ist zu allem bereit, selbst zur Hingabe des Lebens. 3. Liebe Jugendliche! Christus ruft euch. Die Liebe kennt viele Wege. Genauso vielfältig sind auch die Aufgaben, die er einem jeden von euch anvertraut. Als Christ hat jeder Getaufte vom Herrn seinen besonderen Auftrag. Jede Berufung ist wichtig und verdient Anerkennung. Jede soll angenommen und großherzig befolgt werden. Unser Herr hat jedoch bei der Gründung der Kirche auch besondere Dienstämter geschaffen, die er jenen seiner Jünger anvertraut, die er aus eigenem Ermessen dafür bestimmt hat. Daher will der göttliche Erlöser sehr vielen unter euch das priesterliche Amt übertragen, damit die Menschheit Eucharistie feiern und Vergebung 1294 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihrer Sünden finden kann, damit ihr das Evangelium verkündet und ihre Gemeinden geleitet werden. Christus braucht Menschen, die diese wundervolle Aufgabe erfüllen. Die Welt braucht Priester, weil sie Christus braucht. Der Herr bittet viele von euch, alles zu verlassen und ihm in Keuschheit und Gehorsam nachzufolgen. Die geheimnisvolle Einladung zu einem Leben in Liebe, dem nur Christus genügt, richtet sich an viele junge Menschen. Ihr denkt vielleicht, diese Einladung gelte anderen und nicht auch euch. Sie erscheint euch möglicherweise als sehr schwierig, weil sie Verzichtleistung, Opfer und unter Umständen sogar die Hingabe des Lebens fordert. Schaut auf die Bereitwilligkeit der Apostel. Schaut auf die großartigen Erfahrungen Abertausender Priester, Diakone, Ordensmänner und -frauen, gottgeweihter Laien, Missionare, die den Menschen tapfer bezeugen, das Christus gestorben und auferstanden ist. Schaut auf die Großherzigkeit der vielen tausend Jugendlichen, die sich in Seminarien, Noviziaten und anderen Bildungsstätten auf den Empfang der heiligen Weihen, das Gelübde der evangelischen Räte oder auf die Aussendung in die Mission vorbereiten. All diesen Jügendlichen gilt meine Ermutigung und die Bitte, daß sie Altersgenossen für ihr Ideale gewinnen. 4. Liebe, junge Menschen! Christus sendet euch! „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Diese Worte, die unser Herr Jesus sprach, bevor er zum Vater heimging, richte ich heute an euch. 2000 Jahre nach dem Kommen Christi hat eine riesige Zahl von Menschen immer noch nicht das Licht des Evangeliums erhalten und lebt in schwerer Ungerechtigkeit und Elend. Der Herr selbst weist hin auf das Mißverhältnis zwischen dem Anspruch des Heilswirkens und der unzulänglichen Zahl seiner Mitarbeiter: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter“ {Mt 9,37). Das sagte er, als er die müde und erschöpfte Volksmenge wie eine Herde ohne Hirten sah. Auf meinen apostolischen Reisen habe ich in allen Teilen der Welt beobachtet, daß die Klage des Erlösers ganz aktuell ist. Nur die Gnade Gottes, die freilich erbetet werden darf, nur sie ist imstande, dieses schmerzliche Mißverhältnis zu überwinden. Könnt ihr wirklich ungerührt bleiben, wenn ihr den Aufschrei der Menschheit hört? Ich ermutige euch daher, zu beten und euch auch selbst nicht zu versagen, wenn der Herr der Ernte euch als Arbeiter in seine Ernte senden möchte (vgl. Mt 9,38). 1295 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Mein Aufruf richtet sich ferner an alle christlichen Gemeinschaften, denn sie alle tragen Verantwortung gegenüber der jungen Generation. Ich wende mich insbesondere an euch, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, ferner an alle, die mit euch besondere Aufgaben in der Seelsorge und Erziehung wahrnehmen: an die Priester, die Ordensleute, die Seelsorger der geistlichen Berufe, an die Eltern, Religionslehrer und Erzieher. In diesem Jahr, das der Jugend gewidmet ist, müssen wir uns aufs neue deutlich machen, was sie für die Kirche bedeutet. Seid euch darüber im klaren: Was wir für die Jugend tun, das tun wir für die Kirche. Dies ist ganz vorrangig vor anderen Aufgaben und Notwendigkeiten. Liebt die jungen Menschen, so wie Christus sie liebte. Bemüht euch darum, sie auch persönlich kennenzulernen. Geht auf sie zu und wartet nicht darauf, daß sie zu euch kommen. Ermutigt sie vor allem, dem Ruf zu folgen, den Christus an die Jugend richtet. Eine Jugendseelsorge ohne Bemühen um geistliche Berufe wäre unvollständig. So steht es nachdrücklich im Schlußdokument des II. Internationalen Kongresses für geistliche Berufe (vgl. Nr. 42). Ich möchte euch dies noch einmal in Erinnerung rufen. Christus hat der Kirche das Recht und zugleich die Pflicht zur Werbung für geistliche Berufe übertragen. Dabei geht es nicht um die Berufung, insofern diese ein Werk des Heiligen Geistes ist, sondern um die Freilegung jener Pläne, die Gott in das Herz so vieler junger Menschen gelegt hat, die aber oft von den Lebensumständen erstickt werden. Die jungen Menschen haben dagegen das Recht und zugleich die Pflicht, sich bei der Entdeckung und Verwirklichung ihrer Berufung helfen zu lassen. Möge das Internationale Jahr der Jugend die Anstrengungen auch auf diesem Gebiet vermehren. Der Weltgebetstag sei dem Gebet für immer neue geistliche Berufe gewidmet. 6. Zusammen mit den Jugendlichen aller Welt richten wir unser Gebet an den Herrn der Ernte, daß er die Verkünder des Evangeliums zahlreich mache. Dabei leitet uns die feste Zuversicht, daß er uns, wie der Herr es ausdrücklich gesagt hat, auch erhören wird: Gott, unser Vater. Wir vertrauen dir die Jugendlichen aus aller Welt mit ihren Problemen, Sehnsüchten und Hoffnungen an. Wende dich ihnen voll Liebe zu und mache sie zu Bauleuten des Friedens und einer Gesellschaft im Zeichen der Liebe. 1296 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rufe sie in die Nachfolge Christi, deines Sohnes. Laß sie begreifen, daß es sich lohnt, sein Leben für dich und die Menschheit aufzuopfern. Schenke ihnen die Hochherzigkeit und Bereitschaft, dir zu folgen. O Herr, nimm unser Lob und unser Gebet auch für jene jungen Menschen an, die wie Maria, die Mutter der Kirche, deinem Wort glaubten und sich auf die heiligen Weihen, die Ordensgelübde oder auf den Einsatz in der Mission vorbereiten. Laß sie begreifen, daß der Ruf, den du an sie gerichtet hast, immer gilt und daß er dringend ist. Amen. Im zuversichtlichen Vertrauen darauf, daß der Herr das Gebet der Kirche um geistliche Berufe erhören wird, erflehe ich für euch, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, für euch Priester, Ordensleute und für das ganze christliche Volk, insbesondere aber für jene Jugendlichen, die den göttlichen Ruf hochherzig annahmen, als Unterpfand reichster himmlischer Gnaden von Herzen den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 25. Januar 1985 PAPST JOHANNES PAUL II. „ Wolle Gott, daß das der Weg ist“ Ansprache beim Austausch der Ratifizierungsurkunden des Friedensund Freundschaftsvertrages zwischen Argentinien und Chile im Vatikan am 2. Mai Nach dem endgültigen Abschluß der Verhandlungen, die für den zwischen der Republik Argentinien und der Republik Chile zustande gekommenen Friedens- und Freundschaftsvertrag erforderlich waren, haben wir mit großer Befriedigung und in frohen Empfindungen, verbunden mit Ihren Landsleuten, meine Herren Minister, den Anbruch dieses Tages erwartet, an dem man, wie soeben geschehen, das Protokoll unterzeichnet, das den Austausch der Ratifizierungsurkunden des genannten Vertrages seitens der beiden geliebten Länder beglaubigt. Damit wird der lang dauernde Streit über die Südzone beendet, und zugleich findet das ausgedehnte Vermittlungswerk seinen glücklichen Abschluß, um das beide Länder mit der Unterzeichnung der Vereinba- 1297 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rangen von Montevideo am 8. Januar 1979 ersuchtenund das im Hinblick auf das höchste Gut des Friedens und zum Wohl der mir so lieben Völker der beiden Nationen mit großer Bereitschaft angenommen wurde. Desgleichen stellt diese Urkunde die Einleitung eines neuen Abschnitts der gegenseitigen Beziehungen zwischen beiden Staaten dar. Wie sollte man sich nicht der von beunruhigenden Vorahnungen erfüllten Augenblicke im Dezember 1978 und der Erwartungen erinnern, die aus der Bitte um Vermittlung erwuchsen! Ich möchte Ihnen jetzt anvertrauen, daß ich nach Bedenken und Abwägung des Ernstes der Lage und im Bewußtsein der Verantwortung, die man von mir verlangte, die Entscheidung traf, die heikle Verpflichtung zu übernehmen und zu helfen, geeignete Wege zu suchen und ausfindig zu machen für eine endgültige und vollständige, gerechte, angemessene und für beide Seiten ehrenvolle Lösung in dem Konflikt, der ihre Beziehungen trübte und bedrohte. Danken wir Gott dafür, daß die heutige Wirklichkeit das Übermaß an Befürchtungen von damals ersetzt. Da sich übermorgen zum sechsten Mal der Tag jährt, an dem diese Entwicklung begann, können wir unmöglich umhin, voll Dankbarkeit und Bewunderung an die Person des betrauerten Kardinals Antonio Samore zu erinnern, dem ich die schwierige Aufgabe anvertraute, mich bei der konkreten Arbeit, die die Vermittlung erforderte, zu vertreten; und er hat es vermocht, diese Arbeit mit Festigkeit und Klugheit Richtung und Anstoß zu geben. Ebenso möchte ich ein besonderes Wort des Dankes den Herrn Präsidenten der beiden Staaten übermitteln, mit deren Scharfblick, klugem Eingreifen, offenem und positivem Beitrag alle jene Probleme überwunden wurden, für die sich anscheinend keine Lösung finden ließ oder die die endgültige Übereinkunft zwischen den beiden Seiten immer noch verzögerten. Im Verlauf dieser Jahre habe ich bei wiederholten Gelegenheiten die offiziellen Vertreter Ihrer edlen Nationen und deren Delegationen empfangen und so die Gelegenheit wahrgenommen, mir Ihre Standpunkte persönlich anzuhören und Ihnen persönlich zu sagen, was ich darüber dachte. Ausdrücklich möchte ich die Audienz vom 12. Dezember 1980 erwähnen, wo ich den Herrn Kanzlern der beiden Länder meinen Vorschlag mit Ratschlägen und Anregungen überreichte; die Audienz vom 23. April 1982, wo ich Sie ersuchte, die aktive Verhandlungsphase für die Ausarbeitung eben dieses Vorschlages einzuleiten; und die Audienz vom 29. November 1984, dem Tag, an dem der Vertrag unterzeichnet wurde. 1298 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mein dankbares Gedenken gilt allen, denen ich bei der einen oder anderen Gelegenheit begegnet bin, und allen, die im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben ihre wertvolle Mitarbeit zur Verfügung stellten. Heute freuen wir uns alle darüber, daß wir nach Erreichung des Zieles der Vermittlung und nach Überwindung der Gegensätze, Schwierigkeiten und Ungewißheiten des sehr verwickelten Prozesses die Tatsache begrüßen, daß beide Seiten ihre Rechte, Interessen und legitimen Bestrebungen vermittels einer Verhandlungsweise bewahren konnten, bei der auf beiden Seiten eine wirksame Klugheit und der Wille geschickter Führung vorherrschte, die Verfechtung der eigenen Postitionen mit dem Verständnis und der Offenheit für die des anderen und mit der Berücksichtigung des höheren Gutes des Friedens zu verbinden. Dazu hat in hohem Maße auch die entschiedene Unterstützung beigetragen, die von einer beachtlichen Mehrheit der beiden Völker und von der in den beiden Ländern so fest verwurzelten katholischen Kirche bekundet wurde. Das alles hat die Aufgabe des Heiligen Stuhls begünstigt, der stets ohne eigene Interessen und mit der aufrichtigen Sorge tätig war, eine objektive Sicht und ein unparteiisches Vorgehen zu bewahren. Die Zeremonie, die wir begehen, bezeichnet jedoch, wie ich vorhin sagte, nicht nur einen erreichten Zielpunkt. Sie ist mehr noch der Beginn einer neuen Ära, die sich für die beiden Länder vielversprechend öffnet und die den Bedürfnissen und Anforderungen ihrer Wurzeln und Bestimmung entspricht, welche ihnen aus geographischen, historischen, im weitesten Sinne geistigen und wirtschaftlichen Gründen im wesentlichen gemeinsam sind. Der erste und wichtigste Grund unserer dankbaren Freude ist zweifellos, daß heute der Friede gefestigt wird, und das in einerWeise, die mit Recht die begründete Zuversicht auf seine dauernde Beständigkeit zu geben vermag. Dieses Geschenk des Friedens verlangt jedoch eine tägliche Anstrengung, um ihn vor den Behinderungen zu bewahren, die sich ihm in den Weg stellen können, und um alles zu fördern, was ihn zu bereichern vermag. Anderseits bietet der Vertrag die geeigneten Mittel für das Zustandebringen beider Zielsetzungen, nämlich sowohl was die Überwindung von Streitigkeiten betrifft, die möglicherweise auftreten können -wir hoffen freilich, daß dies nicht der Fall sein wird -, als auch für die Förderung einer harmonischen Freundschaft durch eine Zusammenarbeit auf allen Gebieten, die zu einem engeren Miteinander der Nationen führt. Befriedigung auch darüber, welch beispielgebende Bedeutung der vollständigen und endgültigen Lösung eines Konfliktes durch friedliche Mittel und Abschluß eines Friedens- und Freundschaftsvertrages in der aktuel- 1299 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN len internationalen Lage zukommt, wo so viele Konflikte fortdauern und sich seit Jahren verschärfen, ohne daß es wirklich gelingt, sie unter absolutem Ausschluß von Gewalt oder unter Verzicht auf Androhung von Gewaltanwendungen zu lösen. Wolle Gott, daß das der Weg sein möge, den die Länder einschlagen, die sich jetzt durch verschiedene Kontroversen feindselig gegenüberstehen! Eine begründete Hoffnung schließlich für die großen Möglichkeiten eines legitimen und größeren materiellen Fortschritts, die sich für Ihre beiden Ländern heute auftrun: An erster Stelle, weil die ungeheure Menge an menschlichen und wirtschaftlichen Mitteln, die bisher für die Kostendek-kung von Bereichen verwendet wurden, die Sie für unumgänglich und vorrangig hielten, weitaus nützlicher für die Deckung anderer Bedürfnisse und für die friedliche Entwicklung Ihrer Völker eingesetzt werden kann. Sodann, weil nach Inkrafttreten des Vertrages die ersehnte und so zweckmäßige Zusammenarbeit zwischen Ihren beiden Nationen endlich Wirklichkeit sein wird. Ich bin mir völlig klar darüber, daß es noch andere Probleme, die vielen lateinamerikanischen Ländern gemeinsam sind, und Probleme in der übrigen Welt gibt, deren Lösung - davon bin ich überzeugt - nicht allein aufgrund wirtschaftlicher Kriterien und Mittel zustande kommen kann: Man denke nur an das Problem der enormen Auslandsverschuldung, auf das ich in meiner Ansprache an das beim Heiligen Stuhl akkredidierte Diplomatische Korps am 12. Januar dieses Jahres Bezug nahm. Noch einmal spreche ich den Wunsch aus, daß in den umfassenden Verhandlungen über dieses so schwierige Thema endlich das erwünschte neue System der Solidarität zur Anwendung gelangen möge, das zu einer befriedigenden Lösung führen und den beiden von einer drückenden Last beschwerten Ländern eine frohere Zukunft bescheren wird. In diesem feierlichen Augenblick einer historischen Wende für Ihre Nationen erhebt sich spontan unser Dankgebet zum Herrn, von dem alles Gute kommt, das er uns im Laufe dieser sechs Jahre als ständigen Beweis seiner Nähe, seines Lichts und seines Beistands durch seine Mutter, die Jungfrau Maria, Königin des Friedens, zuteil werden ließ. Es ist auch natürlich, daß wir den guten Anfang und die weitere glückliche Entwicklung der erneuerten Verbrüderung und des Verständnisses zwischen Ihren Völkern in die Hände Gottes und unter den Schutz Mariens stellen wollen, und in der Hoffnung, daß ich bei Gelegenheit sie persönlich aufsuchen und segnen kann, übersende ich nun jedem der geliebten argentinischen und chilenischen Söhne und Töchter einen ganz herzlichen Apostolischen Segen. 1300 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein „Ringen um das richtige Menschenbild“ Ansprache an eine Gruppe von Bezirkshauptleuten des Landes Niederösterreich sowie an Vertreter der Tiroler Malerinnung am 3. Mai Sehr verehrte Damen und Herren! In diesen österlichen Tagen - zugleich die Zeit der aufblühenden Natur -bedenken wir besonders froh und hoffnungsvoll die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Wenn Gott seinen vielgeliebten Sohn und unseren Bruder zu neuem, ewigem Leben ruft, öffnet sich damit auch für uns das Dunkel der Zukunft auf ein klares, hohes Ziel hin: auf die Erfüllung aller Menschensehnsucht in Gott. Mehr noch, der Weg zu diesem Ziel ist uns bereits auf gezeigt im Evangelium Jesu Christi und in der Lehre seiner Kirche. Wir sind schon unterwegs. Die Kraft für diesen Weg wird uns ständig angeboten in Verkündigung und Sakrament unter der Führung der beauftragten Hirten. Herzlich freue ich mich, in Ihnen heute Menschen zu begegnen, die diese Grundlage unseres Christenlebens gläubig anerkennen und auch für sich selbst zur Mitte ihres Selbstverständnisses machen. Und dies nicht nur für ihr privates Leben in Familie und Bekanntenkreis, sondern gerade auch als Verantwortliche in der Politik und Verwaltung Ihres Landes. Als Christen in solch maßgeblicher Stellung sind Sie besonders aufgerufen, in der heutigen Zeit dieselben Tugenden konkreter Glaubensverwirklichung zu leben wie der Landespatron Österreichs, der hl. Markgraf Leopold, sie zu seiner Zeit so überzeugend gelebt hat. Zu Recht haben Sie deshalb diese Romfahrt unter seinen besonderen Schutz und Ansporn gestellt. Mit Interesse habe ich auch von den anderen Initiativen vernommen, die vor allem in Niederösterreich und beim berühmten Stift Klosterneuburg zum 500jährigen Jubiläum der Heiligsprechung Ihres Landespatrons in diesen Monaten stattfinden. Sein nachahmenswertes christliches Lebensbeispiel faßt die Kanonisationsbulle mit den folgenden Worten zusammen: Fürst Leopold „hat inmitten der häuslichen Sorgen, der Schwierigkeiten der Ehe, der Liebe zu seinen Kindern, der Sorge um sein Land Distanz zur Welt gehalten und das Zeitliche so verwaltet, daß er das Ewige nicht aus den Augen verlor“. Die Aufgabe derer, die in der Öffentlichkeit Verantwortung tragen, wird in unseren Tagen wieder schwieriger. Allenthalben in Europa wächst heute das Bewußtsein, daß das gewohnte Ansteigen unseres Wohlstandes 1301 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN an ein Ende gekommen ist, daß sogar die Beibehaltung des gegenwärtigen Standes nicht leicht sein wird. Immer mehr Menschen sind davon überzeugt, daß die Ziele unseres sozialen Zusammenlebens, unseres Arbeitens und Wirtschaftens neu bedacht, abgewogen und geordnet werden müssen. Ziele, die sich gegenseitig noch auszuschließen scheinen, wie Arbeitsplatzsicherung und Umweltschutz, müssen in einen sinnvollen Ausgleich gebracht werden. Und dies alles zum wahren Wohl des Menschen und seiner echten, grundlegenden Bedürfnisse, zu denen an erster Stelle seine innere Freiheit und Persönlichkeit gehören, sein tiefstes Wesen als Ebenbild Gottes; Diese Grundsatzdiskussion steht wohl erst an ihrem Anfang. Noch wird sie vielerorts bei gegebenem Anlaß heftig und emotionell geführt. Es ist die besondere Aufgabe des christlichen Politikers, das christliche Verständnis vom Menschen, unsere gläubige Zuversicht im Blick auf die Zukunft, die vom Evangelium geprägte Soziallehre der Kirche mit Überzeugungskraft in die heutige geistige Auseinandersetzung einzubringen. Was vordergründig wie ein Suchen nach den besten technischen, organisatorischen Lösungen aussieht, ist in Wirklichkeit vielmehr ein Ringen um das richtige Menschenbild. „Hierfür seid ihr die Zeugen“ (Lk 24,48). Dieses Wort Jesu an die Jünger, denen er sich nach Leiden und Tod als Lebender gezeigt hatte, möchte ich heute auch an Sie richten. Für das in Gott begründete Menschenbild sollen auch Sie Zeugen in Ihren Familien, am Wohnort, in Ihrer Partei und in Ihrem Berufsverband, bei grundlegenden politischen Beratungen und Entscheidungen sein. Von Herzen erteile ich Ihnen und Ihren Angehörigen in der Heimat wie auch Ihren Mitarbeitern für Gottes bleibenden Schutz und Beistand meinen besonderen Apostolischen Segen. In diesen Segen schließe ich auch Sie gern mit ein, die Sie sich als weitere Pilgergruppe zu dieser Begegnung hinzugesellt haben. Ich heiße auch Sie herzlich im Vatikan willkommen. Als Mitglieder der Tiroler Malerinnung leisten Sie durch Ihr Handwerk einen konkreten Beitrag in jenem Bereich der Arbeit und Wirtschaft Ihres Landes, von dem ich soeben gesprochen habe. Mögen Sie sich Ihrer Verantwortung als Christen für das Gemeinwohl und die richtige Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens stets bewußt sein und diese entsprechend Ihren Möglichkeiten im Geist des Evangeliums und christlicher Solidarität nach Kräften fördern. Dazu schenke Ihnen Gott seine reiche Gnade! 1302 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Keine Berufung darf verlorengehen“ Ansprache an den Leitungsrat der Päpstlichen Missionswerke am 3. Mai Liebe Brüder im Herrn! 1. Zum Abschluß der Jahresvollversammlung des Leitungsrates der Päpstlichen Missionswerke habt ihr wie schon in den vergangenen Jahren eine Begegnung mit mir gewünscht, damit ich euch in eurem verdienstvollen Engagement für die Ausbreitung des Reiches Gottes in der ganzen Welt ansporne und euch dazu aneifere, allen, die Christus folgen, die leidenschaftliche Glut und das Bewußtsein des missionarischen Charakters ihrer Taufe ins Herz zu senken. Mein Gruß ergeht an den neuernannten Pro-Präfekten der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, Erzbischof Jozef Tomko; an Erzbischof Simon Lourdusamy, Sekretär des Dikasteriums und Präsident der Päpstlichen Missionswerke; an die Generalsekretäre, die Berater, die nationalen Leiter aus allen Kontinenten und an das Personal der Generalsekretariate. Mein ganz herzlicher Gruß, verbunden mit meiner aufrichtigen Bewunderung und meinem herzlichen Dank - der der Dank der ganzen Kirche ist -, gilt auch und vor allem euren unzähligen, still und im verborgenen wirkenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in den Diözesen, in den Pfarreien, in den Vereinen und Bewegungen und den Missionaren und Missionarinnen der verschiedenen Orden, Kongregationen und Säkularinstitute, die fern von ihrer irdischen Heimat und ihren Lieben unter großen Schwierigkeiten, aber in voller Erfüllung des Gebots Christi am Evangelisierungswerk mitarbeiten und stets bereit sind, für dieses höchste geistliche Ziel alles, selbst ihr Leben hinzugeben. In tiefer Ergriffenheit gedenke ich in diesem Augenblick der unvergeßlichen Gestalt des jungen Missionars des Päpstlichen Instituts für Auslandsmissionen (P.I.M.E.), Pater Tullio Favali, der am 11. April auf den Philippinen brutal ermordet wurde, während er seinen Dienst friedlicher Versöhnung erfüllte. Blutige Geschehnisse dieser Art erinnern uns an das, was Jesus beim Letzten Abendmahl zu den Aposteln gesagt hat: „Denkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh 15,20). 2. Euch, die ihr hier anwesend seid, bringe ich meine Freude über all das zum Ausdruck, was die Päpstlichen Missionswerke - das Werk der 1303 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glaubensverbreitung, das Apostel-Petrus-Werk, das Missionswerk der Kinder, die Missionsunion des Klerus und der Ordensleute - geleistet haben und weiter zu leisten Vorhaben, um unter Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen, Seminaristen und Laien den missionarischen Geist zu verbreiten, sie noch offener zu machen und ihren Blick noch mehr zu weiten für die Probleme der Universalkirche, entsprechend dem so zutreffenden Wort des Konzilsdekrets über die Missionstätigkeit der Kirche: Die Päpstlichen Missionswerke stellen das wichtigste Mittel dar, „die Katholiken von Kindheit an mit einer wahrhaft universalen und missionarischen Gesinnung zu erfüllen“ {Ad gentes, Nr. 38). Dieses missionarische Empfinden hat mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zugenommen; das ist insbesondere das Verdienst der dogmatischen Konstitution Lumen gentium und des angeführten Dekrets Ad gentes. Allen Brüdern und Schwestern im Glauben, die in irgendeiner Weise in der Evangelisierung arbeiten, wünsche ich, daß sie ihren geistlichen Eifer bewahren und noch weiter entfalten mögen. „Bewahren wir also das Feuer des Geistes. Hegen wir die innige und tröstliche Freude der Verkündigung des Evangeliums, selbst wenn wir unter Tränen säen sollten. Es sei für uns - wie für Johannes den Täufer, für Petrus und Paulus, für die anderen Apostel und die vielen, die sich in bewundernswerter Weise im Lauf der Kirchengeschichte für die Evangelisierung eingesetzt haben - ein innerer Antrieb, den niemand und nichts ersticken kann. Es sei die große Freude unseres als Opfer dargebrachten Lebens“: Das sind die leidenschaftlichen Worte meines großen Vorgängers Paul VI. {Evangelii nuntiandi, Nr. 80, in: Wort und Weisung, 1975, S. 603). 3. Während der Arbeiten der Vollversammlung habt ihr in Mitwirkung mit dem Internationalen Jahr der Jugend, zu dem die Vereinten Nationen das laufende Jahr erklärt haben, das Thema „missionarische Animation der Jugend“ behandelt. Die Jugendlichen — Jungen und Mädchen — sind offen und bereit für große Ideale; und welches höhere Ideal könnte es geben, als mit aller nur möglichen Hingabe mitzuarbeiten für das Kommen des Reiches Gottes auf Erden und in den Herzen? Sich an den Initiativen zu beteiligen, die den Missionen, den jungen Kirchen geistliche und wirtschaftliche Hilfe leisten wollen? Seine Zeit, seine Kräfte und, im Falle einer besonderen Berufung, das ganze Leben einzusetzen? In meinem jüngsten Schreiben an die Jugend der Welt, mit dem ich mich an jeden einzelnen von ihnen wandte, sagte ich: „Wenn ein solcher Ruf dein Herz erreicht, bring ihn nicht zum Schweigen! Laß ihn sich entfalten 1304 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bis zur Reife einer Berufung! Wirke mit durch Gebet und Treue! . . . Und sehr viele sind nötig, die der Ruf Christi ,Folge mir nach“ erreichen müßte“ (Nr. 8, in: O.R.dt., 29.3.85, S. 7). Ich wünsche aus ganzem Herzen, daß recht viele junge Menschen das Wort und die Einladung Christi hören und annehmen mögen. 4. Bei dieser Audienz denke ich mit großer Freude an meine Pastoralbe-suche in Asien, Afrika und Lateinamerika; ganz besonders denke ich wieder an die Begegnung mit den neugeweihten Priestern in Korea und mit den zahlreichen Theologiestudenten in den Seminaren, die soviel Zulauf haben, daß sie gar nicht alle Kandidaten aufnehmen können. Eine der großen Gnadengaben, die der Kirche unserer Tage vom Heiligen Geist gewährt werden, ist gerade die Tatsache, daß im Laufe der letzten Jahrzente in den jungen Kirchen in einem noch kurz zuvor ungeahnten Umfang ein einheimischer Klerus herangereift ist. Ja, wir können einen großen Schritt vorwärts tun; ein neuer Abschnitt der Kirchengeschichte kündigt sich an. Schon begeben sich Missionare aus den jungen Kirchen, die bis vor kurzem noch Missionsländer waren, in andere Weltgegenden, um ihrerseits dem Auftrag Christi, das Evangelium zu verkündigen, nachzukommen. Diese so willkommene Entwicklung macht aber den von den Missionaren bisher geleisteten Dienst natürlich nicht überflüssig. Gerade in der Verquickung, im Miteinander von Missionaren und einheimischem Klerus wird der katholische, universale Charakter der Kirche deutlich. Mit besonderer Freude habe ich von dem Beschluß der nationalen Leiter des Apostel-Petrus-Werkes gehört, daß sie zum hundertjährigen Bestehen des Werkes im Jahr 1989 eine besondere Initiative ergreifen wollen: sie soll darin bestehen, bis dahin das Apostel-Petrus-Werk für die Missionen in der ganzen Kirche zu verlebendigen und zu fördern. Ich bitte schon jetzt die Bischöfe und alle katholischen Gläubigen, dieses Engagement zu unterstützen: Keine Berufung darf aus Mangel an verfügbaren Mitteln verlorengehen. Im Augenblick gibt es in einigen Ländern Asiens und Afrikas mehr Kandidaten für das Theologiestudium, als man aufnehmen kann. Viele Bischöfe der Dritten Welt haben zudem große Schwierigkeiten, die notwendigen Mittel zusammenzubekommen für die Bedürfnisse des Lebensunterhalts und der Studien, denn viele Berufe kommen aus armen Familien. Sie brauchen eine starke finanzielle Hilfe! Wie viele Früchte würde die Beteiligung und die Hilfe der Gläubigen hier bringen! Man könnte auf diese Weise helfen, dem Gebot des Herrn: „Geht hinaus in die ganze 1305 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15; vgl. Mt 28,19 f.) leichter nachzukommen. 5. Mit aufrichtiger Zufriedenheit habe ich auch erfahren, daß man im Rahmen dieser Initiative daran denkt, vor allem das gemeinsame Gebet für die Berufe zu intensivieren, denn durch das Gebet werden Berufe gewonnen (vgl. Mt 9,37 f.), z. B. durch den Engel des Herrn, wenn er in allen Teilen der Welt um neue Berufe gebetet würde. Die allerseligste Jungfrau Maria ist ja das erste Geschöpf, das ganz für Jesus Christus gelebt hat; ihr Dasein hatte keinen anderen Zweck als ihn, ihren Sohn und ihren Gott! Sie hatte die Berufung, Jesus zu gehören und in seiner Nähe und in seiner Liebe zu leben. Sie durchlief in ihrer Berufung und in ihrer Selbsthingabe alle Berufungen, besonders die aller jener, die aufgerufen sind, dem Herrn in größerer Unmittelbarkeit zu folgen. Ich ermutige euch zu dieser Entscheidung, denn mit Maria und wie Maria beten heißt, in hervorragender Weise den Heiligen Geist um Berufe bitten. Der Angelus ist als Gebet um Berufungen besonders geeignet. Und der allerseligsten Jungfrau Maria, Königin der Missionen und „Leitstern der Evangelisierung“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 82), vertraue ich zu Beginn dieses Monats, der ihr in besonderer Weise geweiht ist, die Päpstlichen Missionswerke und ihr weiteres Wachstum an, damit die Botschaft ihres Sohnes Jesus, des Erlösers des Menschen und der Welt, immer mehr auf allen Kontinenten verbreitet werde und die Herzen aller Menschen durchdringe und verwandle. Möge sie die Gnade erwirken, daß alle Getauften, die sich ihrer hohen Würde als Kinder Gottes bewußt sind, stets von einem intensiven Missionsgeist beseelt seien. Mit diesen herzlichen Wünschen erteile ich euch, euren Mitarbeitern, allen Missionaren und Missionarinnen, die in der Welt verstreut wirken, den Apostolischen Segen. 1306 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Drogenproblem international behandeln! Ansprache bei der Audienz für Frau Nancy Reagan am 4. Mai Sehr geehrte Frau Reagan! Es ist mir eine Freude, Sie heute im Vatikan willkommen zu heißen. Ich danke Ihnen für die Freundlichkeit Ihres Besuches und möchte Sie bitten, dem Prädidenten der Vereinigten Staaten meine repektvollen Grüße zu überbringen. Ich habe den Wunsch, Ihnen meine Anerkennung für die Gründe auszusprechen, die Sie diesmal nach Rom geführt haben, nämlich Ihre Teilnahme am Kampf gegen den Drogenmißbrauch und an der Rehabilitierung jener Menschen, deren Leben von diesem sozialen Übel betroffen worden ist. Die katholische Kirche ist in großer Sorge wegen der schmerzlichen Auswirkungen eines derart verbreiteten und alarmierenden sozialen Problems, wie es die Drogenabhängigkeit darstellt. Durch die Versklavung als Folge dieser Abhängigkeit wird die Würde der menschlichen Person ernsthaft verletzt. Die tragischen Folgen führen ganz offensichtlich zur Schwächung und Entkräftigung der Familie und der Gesellschaft überhaupt. Man muß sich tatsächlich fragen, bis zu welchem Grad diese Erscheinung symptomatisch ist für eine tiefe Krise der sozialen und sittlichen Ordnung. Spiegelt sie vielleicht nicht die Unfähigkeit der modernen Gesellschaft wider, das geistige Verlangen der heutigen Menschen zufriedenzustellen? Alle Anstrengungen im Kampf gegen den Drogenmißbrauch gewinnen in diesem Jahr, das von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Jugend erklärt wurde, eine besondere Bedeutung. Eine der großen Herausforderungen an die moderne Gesellschaft ist es, gangbare Lösungen für dieses Problem zu finden, das so viele unserer jungen Leute betrifft. Zweifellos müssen sich die Führer der Gesellschaft um die Schaffung sozialer Verhältnisse bemühen, in welchen die Jugendlichen davon abgehalten werden, Zuflucht zu suchen in der Phantasiewelt der Zügellosigkeit und der Droge, und man sie dazu anspornt und ihnen behilflich ist, verantwortliche Aufgaben in der Gesellschaft zu erfüllen. Ganz besonders möchte ich alle ermutigen, die die internationale Zusammenarbeit im Hinblick darauf fördern, dieses schwerwiegende soziale Übel einzudämmen und womöglich auszurotten. Interne Gesetzgebung und strenge Durchführung dieser Gesetze, um dem Drogenhandel Einhalt 1307 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu gebieten, sind letztlich nur insofern wirksam, als sie die Unterstüzung anderer Nationen erhalten, die sich höheren menschlichen Werten und dem gemeinsamen Wohl ihrer jeweiligen Bürger und ihrer Nachbarn verpflichtet wissen. Ebenso ist die internationale Zusammenarbeit für Programme zur Therapie und Wiederherstellung erforderlich. Die Behandlung muß den unterschiedlichen Situationen angepaßt werden, in denen sich dieses soziale Phänomen entwickelt und verbreitet. Der Austausch von Gedanken und Methoden auf internationaler Ebene ist sehr nützlich und empfehlenswert. Mit meinem Gruß an Sie möchte ich zugleich erneut meinen Dank aussprechen für die großzügige Arbeit, die in Ihrem eigenen Land und überall in der Welt für drogenabhängige Menschen geleistet wird, und ich appelliere an alle Männer und Frauen guten Willens, ihre Kräfte zu vereinen und mit Sachkenntnis und Mitleid den Nöten ihrer Mitmenschen, besonders der Jugendlichen, zu begegnen. Der Herr, der reich an Erbarmen ist, segne die mannigfachen Anstrengungen, die unternommen werden, und kröne sie mit Erfolg. Kontemplation - Förderin der Kultur Ansprache an das Generalkapitel der Unbeschuhten Karmeliten am 4. Mai Liebe Brüder! 1. Ich freue mich über diese Begegnung mit euch während eures Kapitels, das die Wiederwahl von Pater Felipe Sainz de Baranda zum Generalobern erlebte. Zunächst spreche ich ihm meine Glückwünsche aus zu seiner Bestätigung in diesem schweren Amt und danke ihm für die freundlichen Worte, die er an mich richtete und mit denen er das gemeinsame Denken zum Ausdruck brachte. Sodann begrüße ich von Herzen euch alle und bitte den Herrn, daß der Beistand seiner Gnade eure Arbeiten zu einem glücklichen Abschluß führen möge. Ich weiß, daß das Kapitel bereits als zentrale Thematik der Reflexion und als Programm für die nächsten sechs Jahre das Thema „Die Kultur im Orden“ gewählt hat; neben anderen Zielsetzungen, die weiterhin den Vorrang haben, wie die Förderung von Berufen und die ständige Weiter- 1308 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bildung, Zielsetzungen, die der gegenwärtigen Periode des Neuaufschwungs eures Ordens entsprechen, der in den letzten Jahren in neuen Ländern Fuß fassen und neue Provinzen errichten konnte. Ihr habt natürlich eure eigene, charakteristische Art, den großen Wert der Kultur in Übereinstimmung mit eurem spezifischen Charisma zu leben, das euch zu Führern in der kontemplativen Erfahrung vor allem auf den Spuren von Meistern wie dem hl. Johannes vom Kreuz und der hl. Theresia von Jesus befähigen will. Die Kultur ist dem Seelenhirten und Priester besonders nützlich, sei es zur ständigen Weiterbildung, sei es, um ihm die Suche nach den Seelsorgsmethoden zu erleichtern, die für eine wirksame und glaubwürdige Weitergabe des Evangeliums an den heutigen Menschen am geeignetsten sind, und schließlich, um ihm zu helfen, die Vielfalt der Situationen und Bedürfnisse jener Seelen zu verstehen und genau einzuschätzen, die er leiten will, damit sie von der Sünde befreit und zur Freude und Liebe der göttlichen Wirklichkeit geführt werden. 2. Der reiche geistliche Schatz, dessen Erben ihr seid, läßt euch die Gestalt des Ordensmannes als Meister der Kontemplation, als Mann Gottes, hervorheben, der in den anderen den Durst nach Gott dadurch zu wecken vermag, daß er die Hindernisse beseitigt, die die als Gottes geschaffene Seele daran hindern, sich den Weg zu Gott zu bahnen. Denn in der christlichen Kontemplation wird - wie ich bereits vor einigen Jahren in einem Schreiben an euren Generalobern betonte - das menschgewordene Wort für uns zum Führer in die tiefe Erkenntnis des Geheimnisses Gottes: Christus ist „die ,Tür‘, durch die wir zum Vater gelangen und dank welcher der Vater jedem seine Vertraulichkeit schenkt“. Das also ist die eigentliche und unersetzliche Funktion des Priesters als Diener Christi, wenn er die Seelen zur kontemplativen Erfahrung führt, und das in besonderer Weise durch die Anwendung der geistlichen Führung und die weise Verwaltung des Bußsakraments. Die laufende Wiederentdeckung der Bedeutung dieser Form des priester-lichen Dienstes bringt natürlich die Aufwertung einer seiner besonderen und wesentlichen Funktionen mit sich, die dem Priester die Entfaltung eines unersetzlichen Dienstes bei der Unterscheidung, Förderung und Haltung der geistlichen Berufe, insbesondere der kontemplativen, gestattet. Das Bestehen anderer wirksamer Seelsorgsmethoden darf uns Priester niemals die klare und schwere Verantwortung vergessen lassen, die wir auf diesem Gebiet für das Wohl und Heil der Seelen haben. Und ihr Karmelitenpriester seid besonders befähigt, einen wertvollen Dienst nicht 1309 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nur zum Nutzen eurer Ordensfamilie, sondern der ganzen Kirche und der modernen Welt zu vollbringen. Charisma für die ganze Kirche 3. Keine kulturelle Vorbereitung wird jedoch jemals imstande sein, jene dem Priester und Beichtvater eigene pastorale Unterscheidung und Erkenntnis zu ersetzen, die es ihm erlaubt, die Wirkung, die die Gnade in den Seelen vollbringt, manchmal in sehr präzisen Worten festzustellen und sich daher - mit einer weisen Führungsarbeit - zur Hilfe und zum Werkzeug dieses geheimnisvollen göttlichen Wirkens zu machen: Die erwähnte Unterscheidung und Erkenntnis ist in der Tat reines Geschenk des Heiligen Geistes, unendlich weit über den Fähigkeiten, die eine bloß menschliche Kultur zu vermitteln vermag. Trotzdem - und das möchte ich wiederholen - ist für den Priester, vor allem in der heutigen Welt, eine ausgedehnte, nüchterne und kluge Beachtung der Probleme, der Fragen, der echten und einer kritischen Prüfung unterzogenen Werte, die von den vielfältigen Richtungen des modernen Denkens stammen, höchst nützlich. Es steht außer Zweifel, daß eine Ausbildung auf diesem Gebiet den Wirkungskreis des Seelenhirten beträchtlich erweitert, da es ihn mit einer größeren Zahl von Menschen in Kontakt bringt, denen er seine Arbeit als Priester und Gottesmann zum Dienst anbieten kann. Es kommt also darauf an, daß der Priester gerade im Hinblick auf die volle Bestätigung seiner besonderen Sendung an die Spitze aller seiner Interessen stets das Streben und die Suche nach jener göttlichen Weisheit stellt, dem „Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes, die Gott vor allen Zeiten vorausbestimmt hat zu unserer Verherrlichung“ (2 Kor 2,7): jene Weisheit, die nicht einfach Frucht unserer menschlichen Erfahrungen und unserer Überlegungen ist, sondern die reines Geschenk Gottes ist, das er den Demütigen, den wirklich Reumütigen und denen gewährt, die ihn lieben und seine Gebote halten. Diese Weisheit, die nicht notwendigerweise an das Weihesakrament oder an besondere theologische Studien gebunden ist, sondern sich im wesentlichen auf die Übung der Liebe gründet, erlaubt jedem Ordensmann und jeder Ordensfrau, wenn sie sich ernsthaft um den Weg der Vervollkommnung bemühen, die Entfaltung einer echten geistlichen Führungsfunktion, wie wir es bei der hl. Theresia von Jesus ganz klar sehen. 4. Noch eine letzte Ermahnung will ich euch mitgeben: Fühlt euch gerade mit eurem Charisma heute mehr denn je im Dienst der ganzen Kirche und 1310 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Welt, die auf der Suche nach Gott ist. Jeder von uns empfängt von Gott übernatürliche Gaben zum .Nutzen und zum Aufbau des ganzen mystischen Leibes. Dieses Bewußtsein, weit davon entfernt, zu einer Haltung anmaßender Überheblichkeit zu führen, soll uns demütiger, dankbarer gegenüber Gott machen, verantwortungsvoller und bereiter, in jenem Bereich zu dienen, in dem wir Gottes Gnade und Hilfe erfahren haben. Euer Charisma, geliebte Brüder, ist für die ganze Kirche bestimmt. Ver-geßt das nie! Ein Charisma, das - wie das eure - von der Kirche gutgeheißen wurde, gereicht immer der Kirche zum Wohl. Seid daher immer bereit, nicht nur in den euch nahestehenden Kreisen, sondern für jede andere Ordensfamilie und für jede gutgesinnte Seele, auch wenn sie aus sehr fernen Bereichen des Geistes kommt. Eine gute kulturelle Grundlage wird ein wertvolles Hilfsmittel sein, um solche nützlichen Kontakte herzustellen und zu erhalten. Zum Abschluß kann ich nicht umhin, euch einen Wunsch auszusprechen: Eure Kultur sei Einführung in die Betrachtung, eure Kontemplation sei Befürworterin und Förderin der Kultur; einer Kultur, die sich nicht in Spekulation erschöpfen, sondern die dem Leben Ansporn und Auftrieb verleihen möge. Zeigt der Welt, daß die Weisheit, die uns das Evangelium lehrt, Quelle einer Kultur ist, die, während sie im Menschen die Sensibilität für die echten Werte der Freiheit, der Gerechtigkeit, des Friedens fördert, dessen Horizont auf die Wahrnehmung und den Geschmack für die religiösen Werte hin ausweitet, indem sie ihn in jene Erfahrung des Göttlichen einführt, in der allein die Unruhe unseres Herzens Befriedigung finden kann. Mit diesen Gedanken und Wünschen versichere ich euch nochmals meiner ganzen Zuneigung und Beistands meines Gebetes, während ich allen von Herzen meinen Segen erteile. Anvertraut zu gegenseitigem Schutz Predigt bei der Messe mit den Schweizer Gardisten am 6. Mai . . . Wer um meines Namens willen . . . verlassen hat“ (Mr 19,29). Diese Worte aus dem Festevangelium des heiligen Nikolaus von Flüe hat der große Patron eurer Heimat wortwörtlich in seinem Leben verwirklicht. In 1311 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einem gewissen Sinne lassen sie sich aber auch auf euch, liebe, junge Rekruten, anwenden. Auch ihr habt Vater und Mutter, Brüder und Schwestern, Äcker und Häuser um eines geistigen, religiösen Wertes willen für eine Zeitlang verlassen. Ihr habt euch für die Päpstliche Schweizergarde gemeldet, um dem Bischof von Rom und Nachfolger des Petrus einen wichtigen Dienst zu erweisen: ihm die notwendige Sicherheit zu gewährleisten, damit er sich frei und ungehindert den Menschen zuwenden und ihnen die Glaubensbotschaft verkünden kann. Für diesen Dienst braucht ihr eine positive, wohlwollende Einstellung zur Kirche und ihrer Einheit, zum Papst und seiner Sorge gerade für diese Einheit. Um den Menschen, die sich an euch wenden, in der rechten Haltung begegnen zu können, muß euch das christliche Menschenbild in seinen wesentlichen Zügen besonders bewußt sein: Vor euch steht immer der Mensch mit all seinen Schwächen, der aber von Christus bereits grundsätzlich erlöst ist, dem in Gott eine helle Zukunft eröffnet ist. Wie der Herr am Kreuz seine Mutter Maria und den Jünger Johannes einander anvertraut hat zum gegenseitigen Schutz, so führt er uns alle zusammen, damit wir uns gegenseitig auf dem Weg schützen und stärken, helfen und führen. Ja, euer Dienst geschieht wie bei einem geistlichen Beruf um eines religiösen Wertes willen oder, wie Jesus eben im Evangelium sagte: „um meines Namens willen.“ Darum ist es sehr sinnvoll, daß ihr den Tag eurer Vereidigung mit dem heiligen Meßopfer Jesu Christi beginnt. Die Treue des Sohnes zum ewigen Vater im Himmel führte ihn bis zur Hingabe seines Lebens für die vielen. Wenn er euch gleich das Brot bricht und uns zur Speise wird, will er uns dadurch ermutigen und bestärken, wie er zu dienen und treu zu sein bis zum Einsatz des Lebens. Liebe Eltern, Verwandte und Freunde der neuen Rekruten! Euch danke ich aufrichtig für die Bereitschaft, euren Sohn und Bruder, euren Freund und Kollegen für eine gewisse Zeit aus eurer Lebensgemeinschaft freizugeben. Ich habe die Gewißheit, daß ihr ihn tiefer und wertvoller zurückerhalten werdet. Denn jeder Einsatz für das Reich Gottes und die Kirche Christi, gerade dann, wenn er mit einem gewissen Verzicht verbunden ist, wird von Gott gesegnet und findet in ihm seinen Lohn. Liebe Freunde, die ihr bereit seid, in der Päpstlichen Garde zu dienen, ich danke euch herzlich. Der Papst zählt auf euch, um in seiner und der Umgebung seiner unmittelbaren Mitarbeiter die Sicherheit und Ordnung und auch den würdigen und höflichen Empfang für unsere Besucher zu gewährleisten. Ich weiß, daß euch euer Ehrgefühl, euer Berufsethos, eure Liebe zur Kirche und eure Anhänglichkeit an die Person des Nachfolgers 1312 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Petri dazu befähigen, euren Dienst vortrefflich zu versehen. Ich wünsche mir, daß diese Dienstzeit im Vatikan für jeden von euch auch Gelegenheit zur menschlichen Bereicherung und Festigung des Glaubens bieten möge. Herzlich und voll Dankbarkeit grüße ich eure Eltern und Freunde, die aus der Schweiz, für die Französichsprechenden vor allem aus der romanischen Schweiz, gekommen sind. Eure Anwesenheit ruft mir vor allem meinen glücklich verlaufenen Pastoralbesuch in eurem Land in Erinnerung. Als Unterpfand reicher Gnaden erteile ich euch meinen Apostolischen Segen. In der Freiheit des Gehorsams Ansprache an die Studenten der Päpstlichen Diplomatenakademie am 6. Mai Herr Präsident! Liebe Priester, Studenten der kirchlichen Akademie! 1. Die Freude über meine Begegnung mit euch ist in dieser österlichen Zeit erfüllt von dem Licht, von der Liebe und dem Frieden, die die Menschlichkeit des auferstandenen Herrn ausstrahlt. Mögen seine Gnade und seine Freude in euren Herzen wohnen! Mit lebhafter Aufmerksamkeit habe ich die vornehmen Worte gehört, die Msgr. Cesare Zacchi an mich gerichtet und mit denen er euren Gefühlen Ausdruck verliehen hat. Ich danke ihm von Herzen für seine Worte und vor allem für die Hingabe, mit der er sich in eurem Dienst aufopfert. Ich möchte außerdem allen jenen meinen Dank aussprechen, die in verschiedenen Funktionen und auf verschiedene Weise an eurer kulturellen und geistlichen Ausbildung mitwirken und zur geordneten und ruhigen Entwicklung eures Lebens an der Akademie beitragen. Einen besonderen Gruß und Wunsch richte ich an die Studenten, die ihren akademischen Studiengang abgeschlossen haben und demnächst in den unmittelbaren Dienst des Apostolischen Stuhls treten werden. 2. Meine Lieben, euer Dienst muß fest in Jesus Christus verwurzelt sein und sich nach den grundlegenden Weisungen seines Geistes richten. Nun aber ist die innere Haltung, die das ganze Leben und den Heilsdienst 1313 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christi formt, der vollkommene Gehorsam gegenüber dem Vater. Das ewige Wort nimmt, indem es sozusagen den Weg des ungehorsamen Adam zurückgeht, die Gestalt des Knechtes an, der gehorsam wird bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,8). Er hat keine irdischen Interessen und Neigungen zu pflegen; er muß nicht einmal einen eigenen, persönlichen Lebensplan verwirklichen; oder besser, sein Plan besteht darin, den Willen des Vaters zu tun, seine Werke zu vollbringen und sich ganz für die Sache des Gottesreiches aufzuopfern. Diese totale Verfügbarkeit und vollkommene Treue gegenüber dem Willen des Vaters war für Jesus Christus nicht ohne Leiden und inneren Kampf; es kostete ihn Tränen und Blut. Der Verfasser des Hebräerbriefes versichert uns, daß Jesus, „obwohl er der Sohn war, durch Leiden den Gehorsam gelernt hat“ (Hebr 5,8). Der Gehorsam Jesu ist in seiner Tiefe betrachtet der echteste Ausdruck und höchste Beweis seiner grenzenlosen Liebe zum Vater und zu den Menschen. Die Liebe ist immer uneigennützige Selbsthingabe, um den Willen des Geliebten zu tun. Jesus ist gehorsam, weil er den Vater liebt; Jesus ist Knecht, weil er die Menschen liebt. Er selbst erklärt seinen Jüngern: „Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe“ (Joh 15,10). Man muß darüber hinaus feststellen, daß der Gehorsam der Lebenshaltung Jesu Christi, einen außerordentlichen Sinn für die innere Freiheit im Dienst seiner Sendung verleiht. Denn Jesus Christus, der sich ganz der Ehre des Vaters, der Verkündigung des Evangeliums, dem Zeugnis der Wahrheit widmet, ist in bezug auf Familienbande und irdische Güter innerlich frei, ganz und gar losgelöst von menschlichem Prestigestreben, allen Kompromissen abgeneigt, erhaben über die Vorurteile seiner Zeit. 3. Nach dem Vorbild Jesu soll auch der Apostel des Neuen Testaments ein Mensch sein, der in der Freiheit des Gehorsams voll verfügbar ist für den Dienst an der Kirche und an der Welt. Der hl. Paulus, das Modell und Muster jedes Apostels, ist Diener Jesu Christi, Gefangener um des Evangeliums willen, total verfügbar für den Geist, der ihn unaufhörlich dazu anspornt, getrennt von Familie und Besitz und Bequemlichkeit die Welt zu durchqueren, stets bereit, alles und vor allem sich selbst aufzuopfern für das Wohl der Seelen. Liebe Priester, der Dienst, zu dessen Erfüllung ihr eines Tages berufen werdet, verlangt eine besondere Übung des Gehorsams aus tiefem Glau- 1314 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bensgeist. Ja, ich würde sagen, ihr müßt euer Leben und die verschiedenen Appelle, die euch erreichen, mit Hilfe des Gehorsams deuten. Bereits euer Eintritt in die Akademie gründet sich auf einen Gehorsamsakt. Wenn ihr dann in den Dienst des Apostolischen Stuhls aufgenommen werdet, müßt ihr bereit sein, in jede Weltgegend zu gehen und jedes Klima in den verschiedensten sozio-kulturellen Umfeldern auf euch zu nehmen. Die Aufgabe der diplomatischen Vertretung läßt sich als eine anspruchsvolle Form des Gehorsams ansehen, da sie gleichsam eine Selbstentleerung verlangt, um das Denken dessen, den man vertritt, getreu aufnehmen und loyal vermitteln zu können. Der von euch geforderte Gehorsam ist jedoch nicht der Gehorsam eines passiv untergeordneten Menschen; es ist ein persönlicher, aktiver, verantwortlicher Gehorsam. Denn der wahre Gehorsam besteht ja in der Fähigkeit des Zuhörens, in der Öffnung des Geistes, in der geistigen Sensibilität, die Appelle wahrzunehmen und zu deuten, die vom Geist, von euren Oberen, von den Ortskirchen, von der Welt an euch herangetragen werden. Die Vielfalt und Komplexität der Aufgaben, der Situationen, der Probleme, denen ihr euch stellen müßt, wird von euch eine bewährte geistige Verfügbarkeit, eine außerordentliche innere Freiheit, eine vollkommene Loslösung von euch selbst und von euren Neigungen, eine große geistige Gewandtheit und lebhaften Eifer verlangen. 4. Dieser Gehorsam läßt sich natürlich nicht ohne engagierten Einsatz, ohne Opfer und ohne eine fortschreitende geistliche Reifung verwirklichen. In der Eucharistie, die ihr täglich feiert, könnt ihr die lebendige Form des höchsten Gehorsams Jesu empfangen, um sie in der konkreten Situation, in die euch die Vorsehung stellen wird, tatsächlich zu leben. Dieses Leben des Gehorsams, das ihr dem Vater, der Kirche und den Menschen hochherzig darbringt, wird es euch ermöglichen, dem göttlichen Plan zur Erlösung des heutigen Menschen zu dienen. Wenn ihr diesen Weg des Gehorsams einschlagt, werdet ihr auch ein inneres Gefühl unaussprechlichen Friedens erfahren. Im Zusammenhang mit diesem Wortpaar „Gehorsam und Friede“ möchte ich an das beispielhafte Zeugnis Johannes’ XXIII. erinnern. Als er vor nunmehr genau 60 Jahren zum Bischof und zum Apostolischen Administrator in Bulgarien ernannt worden war, schrieb er in sein Geistliches Tagebuch: „Mein Wappenspruch sind die Worte ,oboedientia et pax‘ (Gehorsam und Frieden), die Pater Cesare Baronio jeden Tag sprach, wenn er in Sankt Peter den Fuß des Apostels küßte. Diese Worte sind so etwas wie meine 1315 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geschichte und mein Leben. Mögen sie für alle Zeit die Verherrlichung meines armen Namens sein.“ Mit dem Frieden wird euch der im Glauben verwurzelte Gehorsam auch ein unerschütterliches Gefühl der Zuversicht vermitteln. Ich zitiere noch einmal aus dem Geistlichen Tagebuch Johannes’ XXIII.: „Die Kirche macht mich zum Bischof, um mich nach Bulgarien zu senden, wo ich als Apostolischer Administrator einen Friedensdienst ausüben soll. Möglicherweise erwarten mich auf meinem Weg zahlreiche Nöte und Schwierigkeiten. Mit der Hilfe des Herrn fühle ich mich zu allem bereit. Ich suche nicht, ich will nicht den Ruhm dieser Welt; ich erwarte ihn, einen großen Ruhm, in der anderen Welt.“ Hier ist der Widerhall der Worte des Völkerapostels zu vernehmen: „Ich weiß, wem ich Glauben geschenkt habe, und ich bin überzeugt, daß er die Macht hat, das mir anvertraute Gut bis zu jenem Tag zu bewahren“ (2 Tim 1,12). Möge der auferstandene Herr in euch den Geist des Gehorsams stärken und euch zugleich seinen Frieden und seine Zuversicht schenken! Mit diesem Wunsch segne ich euch alle von Herzen. Die Grundlagen der Erneuerung schaffen! Schreiben an UN-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar vom 7. Mai Das besondere Interesse, das ich dem Libanon entgegenbringe, und die alarmierenden Nachrichten, die unaufhörlich aus diesem blutgetränkten Land eintreffen, drängen mich wieder, mich an Eure Exzellenz zu wenden. Nach so vielen Jahren der Konfrontationen, die nichts als Verwüstung, Intoleranz und Trauer verbreitet haben, hat es den Anschein, als wäre das Schlimmste noch im Kommen. Jeden Tag erbitterte Kämpfe, unaussprechliche menschliche Tragödien und Hilferufe von allen Seiten und allen Gemeinschaften erfüllen mein Herz aufs neue mit tiefem Schmerz. Die durch den langanhaltenden Kriegszustand schwergeprüfte libanesische Bevölkerung scheint an das Äußerste des Ertragbaren gelangt zu sein, und niemand kann so vielem Leid und so viel Zerstörung gegenüber gleichgültig bleiben. Man kann nicht untätig bleiben angesichts des 1316 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erschütternden Dramas dieser Familien, die gezwungen sind, ihre Häuser, ihr Hab und Gut zu verlassen, und verfolgt werden und Repressalien aller Art ausgesetzt sind. Was im Süden des Landes geschieht - ich denke insbesondere an die christliche Bevölkerung und an die Gefahren, denen sich alle aussetzen, die Zuflucht in Jezzine gefunden haben die wahllosen Bombenangriffe, die auf Beirut niedergehen, und die Anarchie, die nach und nach alle Bereiche des sozialen Lebens erfaßt, das alles bringt uns auf den Gedanken, daß eine solche Situation auf die Dauer zum Verhängnis für das Überleben des Landes werden könnte. In diesem Zusammenhang muß man die Befürchtungen der Libanesen selbst - Christen und Moslems - teilen, die sehen, wie sich die Kluft zwischen den verschiedenen Gemeinschaften vertieft, der Extremismus sich steigert und schließlich jede nationale Identität verschwindet. In der Überzeugung, daß ein solcher Ausgang nicht unausweichlich ist und da ich den Lebenswillen der Libanesen kenne und auf die Solidarität vieler Menschen guten Willens vertraue, scheue ich weiterhin keine Mühe, an das Gewissen der Nationen und ihrer Verantwortlichen zu appellieren, damit der Libanon wieder er selbst werden kann. Es handelt sich für mich um einen Einsatz, der ganz offensichtlich aus meinem Pastoralauftrag als Hirt erwächst, der zuerst um die vielen seiner Kinder besorgt ist, die von schwerster Not und Bedrängnis heimgesucht werden und die oft das Gefühl haben, wenig bekannt und fast vergessen zu sein. Es handelt sich sodann um eine Verpflichtung zur Treue gegenüber dem, der für alle Menschen die Seligpreisung des Friedens verkündet hat und der damit zu einer Einsicht verhelfen will, die imstande ist, alle, die irgendeine Entscheidungsgewalt - innerhalb wie außerhalb des Libanon -besitzen, zu einem konkreten Einsatz zu bewegen, damit den Feindseligkeiten, der Furcht und der Gewalt Einhalt geboten wird. Die Organisation der Vereinten Nationen scheint durch ihre Verbreitung und ihre internationalen Verantwortlichkeiten als Forum besonders geeignet zu sein, einen Appell zu erlassen, der gewissermaßen die Stimme der verzweifelten Libanesen sein will: Verlaßt den Libanon nicht! Helft seinem Volk, die Grundlagen für einen erleuchteten Dialog zur Errichtung eines wahrhaft erneuerten Landes zu schaffen! Ich vertraue darauf, Herr Generalsekretär, daß die Organisation der Vereinten Nationen bis in ihre höchsten Instanzen meinen Vorstoß aufgreifen und alle ihre Möglichkeiten ausschöpfen wird, um konkrete und dringende Initiativen zu koordinieren, die eine derart komplexe Lage auferlegt. Ich bin zudem überzeugt, daß dieselbe Organisation nicht 1317 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zögern wird, ihre Beteiligung an der Wiederherstellung des Friedens in dem Land zu verstärken durch eine erweiterte Präsenz der Truppe, die sie schon seit vielen Jahren im Libanon bereithält und der eine besonders wichtige Mission zukommt. Während ich dem Generalsekretär der Vereinten Nationen diese Überlegungen und Wünsche mitteile, hege ich die Hoffnung, daß ihnen ein breites Echo beschieden sein wird und so der gute Wille all jener angespornt wird, die in der Gemeinschaft der Nationen noch immer an die vom Libanon vertretenen Werte glauben und ehrlich wünschen, daß diesem langanhaltenden, tödlichen Kampf ein Ende bereitet werde. Darüber hinaus soll den vielen Libanesen, die für die Zukunft in ihrem eigenen Land wie im ganzen Nahen Osten ein Zusammenleben ersehnen, das sich auf gegenseitiges Verständnis zwischen den Gemeinschaften und den Völkern der Region gründet, Zuversicht und Mut wiedergegeben werden. Indem ich auf Ihren Einfluß und auf Ihre moralische Autorität zähle, bitte ich Sie, Herr Generalsekretär, den erneuten Ausdruck meiner Hochachtung entgegenzunehmen. Aus dem Vatikan, 7. Mai 1985 PAPST JOHANNES PAUL II. In der Kirche, mit der Kirche und für die Kirche Botschaft an die Internationale Vereinigung der Generaloberinnen anläßlich ihrer Vollversammlung in Rom vom 13. bis 16. Mai Liebe Schwestern, Generaloberinnen der Ordenskongregationen sowie ihre Assistentinnen und Sekretärinnen! Wie bei euren früheren Versammlungen hätte ich mich sehr gefreut, im Laufe eurer Tagung, die die Vertreterinnen der Ordensfrauen der ganzen Welt in das Zentrum der Christenheit führt, mit euch zusammenzutreffen und euch mit dem Glauben der Kirche gegenüber dem geweihten Leben auch erneut ihre Anerkennung auszusprechen für das, was ihr seid, für die Werte, die ihr in den Augen der Christen und vor der Welt vertretet, ihr 1318 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vertrauen in eure ebenso wertvolle wie unersetzliche Mitarbeit im Dienst der Ausweitung des Reiches Christi und der Verbreitung des Evangeliums. Wegen meiner apostolischen Reise in die Niederlande, nach Luxemburg und nach Belgien befinde ich mich gerade während eurer Tagung außerhalb vom Rom. Ich wollte jedoch an euch, die ihr in ganz besonderer Weise den Auftrag wahrnehmt, eure über die ganze Welt verteilten Schwestern zu leiten, eine Botschaft richten, die euch mein tiefes Interesse für eure Arbeiten bekunden, euch meine herzliche Ermutigung für die Bemühungen zukommen lassen soll, die ihr vollbringt, um die grundlegenden Werte eurer Weihe an den Herrn in seiner Kirche zum geistlichen und leiblichen Dienst an euren Brüdern zu vertiefen und immer stärker zu entfalten. Vor allem möchte ich mich mit euch freuen in diesem Jahr, da ihr das zwanzigjährige Gründungsjubiläum eurer Vereinigung feiert. Denn am 8. Dezember 1965, dem Abschlußtag des Konzils, Unterzeichnete ja der Kardinalpräfekt der Religiosenkongregation das Dekret zur Errichtung der Internationalen Vereinigung der Generaloberinnen, die damals als die erste Frucht des Dekrets Perfectae caritatis angesehen und verwirklicht wurde, um den Ordensfrauen bei der Anwendung der Konzilsentscheidungen, insbesondere der aus Lumen gentium und Perfectae caritatis herrührenden Beschlüsse, behilflich zu sein. Die Feier dieses Jubiläums gibt mir Gelegenheit, den Männern und Frauen zu danken, die seit zwanzig Jahren mit Aufopferung, Klugheit und Sachkenntnis darum bemüht sind, den Instituten zu helfen, daß sie ihre Zweckbestimmung vollgültiger gewährleisten und ihre spezifische, von der Kirche anerkannte Eigenart und ihrem Geist gemäß der Forderung von Perfectae caritatis (Nr. 23) bewahren. Ebenso möchte ich ihnen dafür danken, daß sie die Zusammenarbeit zwischen dem Hl. Stuhl und den verschiedenen Ordensinstituten durch die direkten Beziehungen der Internationalen Vereinigung der Generaloberinnen mit allen Instituten erleichtert haben. Als Thema für eure Arbeiten habt ihr gewählt: „Ausbildung zum Ordensleben in der modernen Kultur.“ Schon dieser Titel allein ist ein Zeugnis eures Glaubens an das Ordensleben, das immer aktuell bleibt. Denn gestern wie heute erscheint — daran erinnert Lumen gentium — „das Bekenntnis zu den evangelischen Räten als ein Zeichen, das alle Glieder der Kirche wirksam zur eifrigen Erfüllung der Pflichten ihrer christlichen Berufung hinziehen kann und soll“ (Nr. 44). Das beständige Suchen nach Gott, nach ungeteilter Liebe zu Christus und 1319 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN absoluter Hingabe für das Wachsen seines Reiches sind seit den Anfängen bevorzugte Zeugnisse des wahren Ordenslebens. Ohne dieses konkrete Zeichen „würde die Liebe, die die gesamte Kirche beseelte, Gefahr laufen, zu erkalten, der Heilswille des Evangeliums, so widersinnig es klingt, sich abschwächen, das ,Salz‘ des Glaubens in einer Welt, die im Begriff ist, entgeistigt zu werden, schal werden“ (Evangelica testificatio, (Nr. 3). Um dieses Zeugnis, das die Welt von ihm erwartet, geben zu können, muß das Ordensleben jedoch seine besondere Eigenart bewahren, nämlich ein „Zeichen des Widerspruchs“ (Ansprache an die Ordensleute am 2. Februar 1984) zu sein, nicht gegen den Menschen, sondern gegen das Unmenschliche der heutigen Gesellschaft, nicht gegen die moderne Welt, sondern um sie zu retten. Die Ordensleute müssen in der Tat auf schöpferische Art und Weise zeigen, daß das Ordensleben an sich eine Bedeutung besitzt. Die Kirche bedarf zunächst der Anwesenheit der Ordensfrauen als solcher; das Gebet schränkt das Apostolat nicht ein: Die richtig verstandene Kontemplation führt dahin und läßt die in Angriff genommene Tätigkeit fruchtbar werden. Es ist daher von höchster Bedeutung, daß die Kandidatinnen gleich bei ihrer ersten Kontaktnahme mit dem Ordensleben Gemeinschaften finden, in denen wirklich gebetet wird, in denen Christus tatsächlich der Herr des Hauses ist, in denen man einander schwesterlich liebt, freiwillige Armut und zugleich inneres Losgelöstsein von materiellen Gütern lebt und manche damit zusammenhängenden Entbehrungen frohen Herzens erträgt; Gemeinschaften, in denen die Schwestern sich ihrer Identität bewußt sind, sie wirklich leben und nicht zögern, sie in Erscheinung treten zu lassen, auch nach außen hin, und wo man sich bemüht, am Evangelisierungsauftrag der Kirche mitzuarbeiten. Das erste Ziel der Ausbildung zum Ordensleben ist es zweifellos, den jungen Menschen zu ermöglichen, sich ihrer Identität bewußt zu werden. Nur dieses Bewußtsein wird es ihnen erlauben, ohne Verwässerung ihrer eigenen Persönhchkeit in der Welt eingesetzt zu werden. Die für die Ausbildung Verantwortlichen haben, auf welche Schwierigkeiten auch immer sie stoßen, die schwere Aufgabe, den jungen Menschen zu helfen, durch ihr Leben der Welt das hohe Ideal des geweihten Lebens sichtbar zu machen. Sicher kann die konkrete Wirklichkeit je nach Zeit und Ort Anpassungen fordern, und die Kirche wünscht die Suche nach den Mitteln und Methoden, die sich für die Ausbildung der heutigen jungen Leute und für die 1320 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verschiedenen kulturellen Verhältnisse, in denen sie ihr Apostolat ausüben, am besten eignen. Bei diesem berechtigten Bemühen um Anpassung gilt es jedoch in erster Linie, stets den Vorrang des Evangeliums zu wahren und mit Überlegung vorzugehen, um zu vermeiden, daß der Bevölkerung in bestimmten Gebieten Denk- und Handlungsmodelle auferlegt werden, die ihr fremd sind. Bei dieser Anpassung an die Kultur soll die Untersuchung immer von theologischen Überlegungen im Licht der Heiligen Schrift, der Überlieferung und des Lehramtes begleitet sein, um zu erkennen, auf welchen Wegen der Glaube die Bräuche, die Kulturformen und die Sitten der verschiedenen Völker annehmen kann. Andererseits darf man, wenn die jungen Leute auf Werke oder auf neue Initiativen vorbereitet werden sollen, die der heutigen Wirklichkeit und den Verhältnissen in den Gebieten, in die sie gesandt werden, angepaßter sind, nie vergessen, daß die Schulen, die Krankenhäuser, die Fürsorgezentren, die bereits seit langem für den Dienst an den Brüdern bestehen, ihre ganze Aktualität behalten. Die Kirche weiß um die verschiedenen Probleme, denen die Arbeiter des Evangeliums je nach Zeit und Ort begegnen, und sie hält sich an die Wirklichkeit, die die Zeichen der göttlichen Vorsehung an sich trägt. Sie bemüht sich, den Verantwortlichen für die Ordensausbildung bei ihrer schwierigen Aufgabe zu helfen, die, wenn sie erfolgreich sein soll, immer in der Kirche, mit der Kirche und für die Kirche entwickelt werden muß. Die Verfügungen des Codex des kanonischen Rechts, die die Anträge des Konzils klar formulieren, stellen eine unerläßliche Hilfe dar bei der maßgebenden und so wichtigen Ausbildung der Ordensfrauen. In dieser österlichen Zeit, in der die Kirche den auferstandenen Christus feiert, nachdem sie an seinen Leiden teilgenommen hat, empfehle ich euch: „Haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (1 Petr 3,15). Euch alle vertraue ich der Jungfrau Maria, Mutter der Kirche an, die die Apostel zur unmittelbaren Vorbereitung ihres Apostolats in den Abendmahlssaal begleitete. Ich bitte sie für euch um freudige Großherzigkeit, damit ihr euren Brüdern helft, ihren Sohn kennenzulernen. Und von Herzen segne ich euch sowie eure Ordensfamilien, für die ihr die edle und schwere Verantwortung tragt. Aus dem Vatikan, am 7. Mai 1985 IOANNES PAULUS PP. II 1321 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Christlichen Radikalismus“ leben! Ansprache bei einer Begegnung europäischer Ordensleute zur Förderung geistlicher Berufe am 10. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Ich drücke euch meine ehrliche Freude über diese Audienz aus. Sie bietet mir die willkommene Gelegenheit zu einer, wenn auch kurzen, Begegnung mit euch als Vertretern der nationalen Verantwortlichen für die männlichen und weiblichen Ordensberufe, die ihr in diesen Tagen an der ersten „Europäischen Begegnung“ teilnehmt, die von der Union der Konferenzen der Höheren Obern Europas organisiert wurde. Mit großer Befriedigung habe ich erfahren, daß ihr diesen Kongreß sehr sorgfältig vorbereitet habt, um gemeinsam über das Thema nachzudenken: „Wie können die Europäischen Konferenzen der Höheren Obern zur Pastoral der Berufe in den europäischen Ländern beitragen?“ Mit sachlichem Realismus habt ihr den kulturellen Rahmen der Erfahrung der Jugend gegenüber dem Ordensleben anlaysiert; und obwohl Zeichen eines Wiedererwachens festzustellen sind, habt ihr zur Kenntnis genommen, daß die Krise der geistlichen Berufe im allgemeinen und die der Ordensberufe im besonderen in Europa immer noch besteht. Doch diese Erscheinung bedeutet für euch nicht Enttäuschung und Entmutigung, sie ist euch - wie für die ganze Kirche - vielmehr ein ständiger Ansporn, für die Suche nach Berufen und deren Reifung zu beten und zu arbeiten. Dazu gehört natürlich, daß das Ordensleben in seiner Wirklichkeit und in der Vielfalt seiner Formen von den Hirten und von allen christlichen Gemeinden in ihrer Gebetserfahrung, in der Katechese und in der Förderung von Berufen noch besser verstanden, gewürdigt und ermutigt wird. Gemäß den Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils müssen die verschiedenen Mitglieder der ganzen kirchlichen Gemeinschaft, insbesondere die Familien, die Lehrer, die Erzieher, die Verbände, die Priester und als Hauptverantwortliche die Bischöfe für das Problem des Aufspü-rens von Berufen und ihrer Förderung sensibilisiert werden (vgl. Optatam totius, Nr. 2). Auf allen Ebenen muß darum ein tiefer Sinn für die Kirche, eine großzügige Offenheit für die pastoralen Bedürfnisse der Gesamtkirche, eine gegenseitige und loyale Zusammenarbeit zwischen Weltklerus und Ordensleuten erkennbar werden, sich entwickeln und zunehmen, um jene Männer und Frauen hilfreich zu unterstützen, die durch ein Leben nach 1322 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den evangelischen Räten Jesus mit größerer Freiheit folgen, ihn möglichst getreu nachahmen und sich ihm mit ungeteiltem Herzen weihen wollen. In besonderer Weise wird die Berufung und spezifische Sendung der Ordensfrauen, der Brüder und der Mitglieder der kontemplativen Orden Unterstützung und Hilfe erfahren müssen. Aber wichtig ist auch und vor allem, daß nicht unrichtige Meinungen über Wert und Gültigkeit des geweihten Lebens verbreitet werden, die besonders unter den jungen Menschen, die bereit sind, die Einladung Christi anzunehmen, Verwirrung und Desorientiertheit hervorrufen. 2. Es sind ja gerade die jungen Männer und Frauen, an die sich der Anruf Jesu, ihm in besonders inniger und verbindlicher Weise zu folgen, bevorzugt richtet. Trotz der heutigen Schwierigkeiten sind im allgemeinen junge Menschen anzutreffen, die offen und bereit sind, einen echten christlichen Radikalismus zu leben, sich einem selbstlosen Dienst an den Armen, den Ausgestoßenen, den Bedürftigen und Kranken hinzugeben und zu widmen. Die verschiedenen Ordensfamilien, die über reiche, jahrhundertealte Erfahrungen verfügen, könnten und sollten ein Bezugspunkt für ihre Lebensentscheidung sein. Die Sehnsüchte, die Ansprüche und die Wünsche der jungen Männer und Frauen von heute sind für die Ordensmänner und Ordensfrauen oft ein starker Anruf und auch eine echte Herausforderung. In meinem Apostolischen Schreiben An die Jugendlichen der Welt anläßlich des Internationalen Jahres der Jugend habe ich versucht, das Thema des Gesprächs Christi mit der Jugend zu analysieren: und dieses Gespräch schließt mit der Aufforderung zur Nachfolge, die in dem Streben nach „etwas Höherem“, als es selbst die Einhaltung des Gesetzes Gottes ist, Gestalt annehmen kann; von einem Leben gemäß den Geboten zu einem Leben im Wissen um das Geschenk durch den Dienst im Priesteramt oder im Ordensberuf (vgl. An die Jugendlichen der Welt, Nr. 8, in: O. R. dt., 29. 3. 1985, S. 7). Aber für den erwünschten Zuwachs an geistlichen Berufen bedarf es des inständigen Gebets: „Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ {Mt 9,38); es bedarf des freudigen Zeugnisses der Mitglieder der männlichen und weiblichen Ordensfamilien; es bedarf einer besonderen Berufspastoral, die von Phantasie, Kreativität und dynamischem Eifer beseelt ist. Bestärkung verdienen in diesem Bereich die fruchtbaren Erfahrungen, die in zahlreichen Ländern gemacht werden, wie z. B. die gastfreundlichen Ordenskommunitäten, die den jungen Bur- 1323 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen und Mädchen für die reifliche Erwägung ihrer Berufsentscheidung ihre Hilfe anbieten; die Erfahrungen des persönlichen und gemeinschaftlichen Gebets, besonders jene, die sich auf die Eucharistie, die Quelle jeder christlichen Berufung, konzentrieren. 3. Die Förderung der Ordensberufe muß, um tatsächlich wirksam zu sein, von den Ordensinstituten selbst ausgehen. Kein Ordensmann und keine Ordensfrau, keine Kommunität darf diesem grundlegenden Problem der Kirche gegenüber gleichgültig bleiben, wie ich bei vielen Anlässen, bei meinen Begegnungen und auf meinen Pastoraireisen gemahnt habe. Und da die Berufe ein Geschenk Gottes an seine Kirche sind, müssen wir sie durch Gebet, Buße und das Zeugnis eines auf das Evangelium gegründeten Lebens verdienen und erbitten. Maria, der Jungfrau, die sprach „mir geschehe“, vertraue ich meine und eure Wünsche an: sie, die ihrem Jesus zu folgen vermochte bis zur letzten Hingabe auf Golgota, öffne die Herzen vieler junger Menschen, damit sie die Einladung Christi annehmen und schon hier auf Erden in Armut, Keuschheit und Gehorsam die eschatologische Wirklichkeit leben, die in jenem neuen Himmel und jener neuen Erde, von denen die Heilige Schrift spricht, symbolisch vorweggenommen wird (vgl. Jes 65,17; 2 Petr 3,13; Offb 21,1). Mein Apostolischer Segen begleite euch jetzt und immer. Mit Medien Schranken überwinden! Botschaft zum 19. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel über das Thema „Soziale Kommunikation für eine christliche Förderung der Jugend“ am Sonntag, 19. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Männer und Frauen, denen die Würde der menschlichen Person am Herzen liegt, und von allem ihr, Jugendliche der ganzen Welt, die ihr eine neue Seite der Geschichte für das 3. Jahrtausend schreiben müßt! <207> <207> Die Kirche schickt sich wie jedes Jahr an, den Welttag der sozialen Kommunikationsmittel zu begehen. Einen Tag des Gebets und der 1324 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Betrachtung, in den sich die ganze kirchliche Gemeinschaft, zur Verkündigung und zum Zeugnis des Evangeliums aufgerufen (vgl. Mk 16,16), einbezogen fühlen muß, damit die Massenmedien durch die Zusammenarbeit aller Menschen guten Willens wahrhaftig „zur Verwirklichung von Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und menschlichem Fortschritt“ (Commu-nio et progressio, Nr. 100) beitragen können. Das Thema des diesjährigen Welttages - „Soziale Kommunikation für eine christliche Förderung der Jugend“ - will ein Echo auf die Initiative der Vereinten Nationen sein, die das Jahr 1985 zum „Internationalen Jahr der Jugend“ erklärt haben. Die Mittel der sozialen Kommunikation, die „den Bereich der Vernehmbarkeit des Wortes Gottes fast unbegrenzt auszuweiten vermögen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 45), können den jungen Menschen tatsächlich einen beachtlichen Beitrag anbieten, um durch freie und verantwortliche Entscheidung ihre persönliche Berufung als Menschen und Christen zu verwirklichen, indem sie sich so darauf vorbereiten, Baumeister und Protagonisten der Gesellschaft von morgen zu sein. 2. Die Kirche hat mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, dessen Abschluß sich in diesem Jahr zum 20. Mal jährt, und danach mit lehramtlichen Äußerungen klar die große Bedeutung der Massenmedien für die Entfaltung der menschlichen Person anerkannt: auf der Ebene der Information, der Bildung, der kulturellen Reifung, über Unterhaltung und Freizeitbeschäftigung hinaus. Sie hat aber auch klargestellt, daß es sich um Instrumente im Dienste des Menschen und des Gemeinwohls handelt, um Mittel und nicht um Ziele. Die Welt der sozialen Kommunikationsmittel ist heute in einer ebenso steilen wie komplexen und unvorhersehbaren Entwicklung begriffen -man spricht schon von einem technotronischen Zeitalter, um auf die zunehmende Wechselwirkung zwischen Technologie und Elektronik hinzuweisen -, und sie wird von nicht wenigen Problemen beeinträchtigt, die mit der Ausarbeitung einer neuen Weltordnung der Information und Kommunikation Zusammenhängen, nicht zuletzt in bezug auf die durch den Einsatz der Satelliten und die Überwindung der Äthergrenzen eröff-neten Aussichten. Es handelt sich um eine Revolution, die nicht nur eine Veränderung in den Kommunikationssystemen und -techniken mit sich bringt, sondern die gesamte kulturelle, soziale und geistige Welt der menschlichen Person miteinbezieht. Sie kann folglich nicht einfach eigenen inneren Regeln folgen, sondern muß ihre grundlegenden Kriterien aus der Wahrheit des 1325 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen und über den Menschen beziehen, der als Ebenbild Gottes geschaffen ist. Entsprechend dem Recht auf Information, das jeder Mensch hat, muß die Kommunikation in ihrem Inhalt immer der Wahrheit entsprechend und in der Achtung der Gerechtigkeit und Liebe integer sein. Das gilt um so mehr, wenn sie sich an die jungen Menschen wendet, an diejenigen, die dabei sind, sich den Erfahrungen des Lebens zu öffnen. Vor allem in diesem Fall darf die Information den Werten gegenüber nicht gleichgültig bleiben, die das menschliche Dasein tief berühren, wie dem Vorrang des Lebens vom Augenblick der Empfängnis an, der sittlichen und geistlichen Dimension, dem Frieden, der Gerechtigkeit. Die Information darf Problemen und Situationen gegenüber nicht neutral sein, die auf nationaler und internationaler Eben das Beziehungsgeflecht Gesellschaft zerstören, wie Krieg, Verletzung der Menschenrechte, Armut, Gewalt, Drogen. 3. Das Schicksal des Menschen entscheidet sich seit eh und je auf der Ebene der Wahrheit, der Entscheidung, die er kraft der ihm vom Schöpfer überlassenen Freiheit zwischen Gut und Böse, Licht und Finsternis trifft. Aber es ist beeindruckend und schmerzlich, heute eine immer größere Zahl von Menschen zu sehen, die daran gehindert werden, diese Entscheidung frei zu treffen: weil sie von autoritären Regimen unterdrückt, von ideologischen Systemen erstickt, von einer totalisierenden Wissenschaft und Technik manipuliert, von den Mechanismen einer Gesellschaft abhängig gemacht werden, die immer stärker unpersönliche Verhaltensweisen fördert. Die Freiheit scheint die große Herausforderung zu sein, der sich die soziale Kommunikation stellen muß, um dort Räume für eine hinreichende Autonomie zu gewinnen, wo sie noch immer der Zensur totalitärer Regime oder den Diktaten mächtiger kultureller, wirtschaftlicher und politischer Pressionsgruppen ausgesetzt ist. Als Faktoren der Gemeinschaft und des Fortschritts müssen die Massenmedien die ideologischen und politischen Schranken überwinden, indem sie die Menschheit auf ihrem Weg zum Frieden begleiten und den Prozeß brüderlicher Integration und Solidarität zwischen den Völkern in der zweifachen Richtung Ost-West und Nord-Süd fördern. Als Träger von Bildung und Kultur müssen die Massenmedien zur Erneuerung der Gesellschaft und insbesondere zur menschlichen und sittlichen Entwicklung der Jugend beitragen, indem sie ihnen die geschichtlichen Verpflichtungen bewußt machen, die sie am Vorabend des 3. Jahrtausends erwarten. Zu diesem Zweck müssen die Massenmedien der Jugend neue 1326 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Horizonte erschließen, indem sie sie zur Pflicht, zur Ehrenhaftigkeit, zur Achtung von ihresgleichen, zum Sinn für Gerechtigkeit, Freundschaft, Studium und Arbeit erziehen. 4. Diese Überlegungen heben klar das gewaltige Potential an Gutem hervor, das die sozialen Kommunikationsmittel verbreiten können. Aber zugleich lassen sie die ernsten Bedrohungen ahnen, die die Massenmedien - wenn sie sich der Logik von Mächten oder Interessen beugen, wenn sie mit verzerrten Zielsetzungen gegen die Wahrheit, gegen die Würde der menschlichen Person, gegen ihre Freiheit eingesetzt werden -der Gesellschaft bringen können: und in erster Linie ihren schwächsten und schutzlosesten Mitgliedern. Die Zeitung, das Buch, die Schallplatte, der Film, das Radio, vor allem der Fernsehapparat und jetzt das Videogerät bis hin zu dem immer raffinierteren Computer stellen jetzt schon eine wichtige, wenn auch nicht einzige Quelle dar, durch die der junge Mensch mit der äußeren Wirklichkeit in Kontakt tritt und die seinen Alltag gestaltet. Immer reichlicher schöpft gerade der Jugendliche aus der Quelle der Massenmedien, weil sich sowohl die Freizeit erweitert hat als auch der strenge Rhythmus des modernen Lebens die Neigung zur Ausspannung als reiner Flucht immer stärker ausprägt. Darüber hinaus hat sich durch die Abwesenheit beider Eltern, wenn auch die Mutter zur Arbeit außerhalb des Hauses gezwungen ist, die traditionelle erzieherische Kontrolle über den Gebrauch, der von diesen Medien gemacht wird, gelockert. Die Jugendlichen sind somit die ersten und unmittelbarsten Empfänger der Massenmedien, aber sie sind auch am stärksten der Vielfalt von Nachrichten und Bildern ausgesetzt, die durch diese Medien direkt ins Haus gelangen. Anderseits läßt sich nicht die Gefährlichkeit bestimmter Botschaften leugnen, die selbst in Stunden ausgestrahlt werden, in denen vor allem das jugendliche Publikum zuhört, eingeschmuggelt von einer immer freizügigeren und aggressiveren Werbung oder von Darstellungen geboten, wo das Leben des Menschen lediglich von den Gesetzen der Sexualität und der Gewalt geleitet zu werden scheint. Man spricht von „Video-Abhängigkeit“ - ein Begriff, der jetzt Allgemeingebrauch ist -, um den immer breiteren Einfluß anzuzeigen, den die sozialen Kommunikationsmittel mit ihrem Gewicht von Suggestion und Modernität auf die Jugendlichen ausüben. Dieses Phänomen muß gründlich untersucht und seine tatsächlichen Folgen für die Rezipienten geprüft werden, die kein ausreichendes kritisches Bewußtsein besitzen. Denn das ist nicht nur eine Frage der Freizeitbedingungen, d. h. einer Einschrän- 1327 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kung der Zeiträume, die täglich anderen geistigen und erholsamen Tätigkeiten Vorbehalten sind, sondern auch der Bedingungen der Psychologie, der Kultur, der jugendlichen Verhaltensweisen. Die von den herkömmlichen Bildungsträgern, insbesondere von den Eltern vermittelte Erziehung neigt in der Tat dazu, von einer Einbahnerziehung abgelöst zu werden, die die grundlegende dialogische, zwischenmenschliche Beziehung über Bord wirft. Auf eine Kultur, die auf inhaltlichen Werten, auf der Qualität der Informationen beruhte, folgt somit eine Kultur des Vorläufigen, die dazu führt, sich langfristigen Verpflichtungen zu entziehen, verbunden mit einer Kultur der Vermassung, die dazu verleitet, vor an der Freiheit inspirierten persönlichen Entscheidungen zurückzuschrecken. Einer Bildung, die darauf ausgerichtet ist, das Verantwortungsgefühl des einzelnen und der Gemeinschaft wachsen zu lassen, steht eine Haltung passiver Annahme von Trends und Bedürfnissen entgegen, die gerade in Mode sind und von einem Materialismus gesteuert werden, der den Konsum anheizt und dabei die Gewissen entleert. Die dem Jugendalter eigene Phantasie als Ausdruck seiner Schöpferkraft, seines hochherzigen Elans versiegt in der Gewöhnung an das Bild, d. h. in einer Gewohnheit, die eher zur Trägheit wird und Impulse und Wünsche, Verpflichtungen und Planungen zum Erlöschen bringt. 5. Diese Situation, auch wenn sie nicht allgemein zutrifft, sollte alle, die in der sozialen Kommunikation tätig sind, zu ernstem und gründlichem Nachdenken veranlassen. Ihre Aufgabe ist eine erhebende und beängstigende zugleich: davon, wie sie von ihren geistigen und beruflichen Fähigkeiten Gebrauch machen, hängt in weitem Maße die Bildung derjenigen ab, die morgen unsere Gesellschaft, die, in ihren menschlichen und geistlichen Werten verarmt, von der Selbstzerstörung bedroht ist, verbessern müssen. Eine noch verantwortungsvollere Aufgabe haben die Eltern und Erzieher. Denn ihr Zeugnis vermag, wenn es von einem kulturell und moralisch konsequenten Verhalten begleitet wird, den wirksamsten und glaubwürdigsten Unterricht darzustellen. Dialog, kritische Unterscheidung, Wachsamkeit sind unerläßliche Bedingungen, um den Jugendlichen zu einem verantwortungsvollen Verhalten im Gebrauch der Massenmedien zu erziehen, indem sie in ihm, nach einem möglicherweise negativen Einfluß dieser Medien, wieder das rechte Gleichgewicht hersteilen. Das Internationale Jahr der Jugend wendet sich, auch in diesem Bereich, an die ganze Welt der Erwachsenen. Es ist die Pflicht aller, den Jugendli- 1328 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen dazu zu helfen, als verantwortliche Staatsbürger, als gebildete und sich ihrer Würde bewußte Menschen in die Gesellschaft einzutreten. 6. In diesem Punkt liegt die eigentliche Bedeutung des 19. Welttags der sozialen Kommunikationsmittel. Das Thema dieses Welttages trifft das Herz der Sendung der Kirche, die allen Menschen das Heil bringen soll, indem sie das Evangelium „von den Dächern“ verkündet {Mt 10,27; Lk 12,3). Große Möglichkeiten bieten sich heute der sozialen Kommunikation, in der die Kirche das Zeichen des Schöpfungs- und Erlösungswerkes Gottes erkennt, das der Mensch weiterführen soll. Diese Werkzeuge können daher zu mächtigen Kanälen für die Weitergabe des Evangeliums werden, und zwar sowohl auf vorevangelisatorischer Ebene wie im Bereich der weiteren Vertiefung des Glaubens, um die menschüche und christliche Förderung der Jugend zu begünstigen. Das erfordert offensichtlich: - eine gründliche Erziehungsarbeit in Familie, Schule und Pfarrei durch die Katechese, um die Jugendlichen zu einem ausgewogenen und disziplinierten Gebrauch der Massenmedien anzuhalten und hinzuführen, indem man ihnen hilft, sich über das, was sie gesehen, gehört und gelesen haben, ein kritisches, vom Glauben erleuchtetes Urteil zu bilden (vgl. Inter mirifica, Nr. 10; 16; Communio etprogressio. Nr. 67—70; 107): - eine sorgfältige und spezifische, theoretische und praktische Ausbildung in den Seminaren, in den Vereinigungen des Laienapostolats, in den neuen kirchlichen Bewegungen, besonders in den Jugendbewegungen -nicht nur, um eine angemessene Kenntnis der sozialen Kommunikationsmittel zu erreichen, sondern auch, um die unzweifelhaft bestehenden Möglichkeiten zur Stärkung des Dialogs in der Liebe und den Gemeinschaftsbindungen zu verwirklichen (vgl. Communio et progressio, Nr. 108; 110; 115-117); - die aktive und konsequente Präsenz der Christen in sämtlichen Bereichen der sozialen Kommunikation, damit sie nicht nur den Beitrag ihres kulturellen und beruflichen Wissens einbringen, sondern auch ein lebendiges Zeugnis ihres Glaubens (vgl. Communio et progressio, Nr. 103); - die Verpflichtung der katholischen Gemeinschaft, sich, wenn sich das als notwendig erweist, gegen Vorführungen und Programme zur Wehr zu setzen, die das sittliche Wohl der Jugendlichen gefährden; zu fordern ist außerdem eine wahrheitsgetreuere Berichterstattung über die Kirche und die Ausstrahlung von Sendungen, die sich positiver an den echten Werten des Lebens ausrichten (vgl. Inter mirifica, Nr. 14). - die Darbietung der evangelischen Botschaft in ihrer Ganzheit: Das 1329 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heißt in der Sorge, sie nicht zu verraten, nicht zu banalisieren, nicht für bestimmte Zwecke auf gesellschaftspolitische Sichtweisen zu beschränken; sie aber auch nach dem Vorbild Christi, des vollkommenen Kommunikators, den Empfängern anzupassen gemäß der Denkweise der Jugendlichen, ihrer Art zu sprechen, ihrem Bildungsstand und ihrer Situation (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 35; 39; 40). 7. Zum Abschluß dieser Botschaft möchte ich mich ganz besonders an die jungen Menschen selber wenden: an die Jugendlichen, die Christus schon begegnet sind, an alle, die zu Beginn der Karwoche in geistlicher Gemeinschaft mit Millionen ihrer Altersgenossen nach Rom gekommen sind, um zusammen mit dem Papst zu verkünden, daß „Christus unser Friede ist“; aber auch an alle Jugendlichen, die, bei aller Unklarheit, Ungewißheit, bei allen Ängsten, vielleicht verbunden mit falschen Schritten, dem „Jesus, der der Christus genannt wird“ (Mt 1,6), zu begegnen trachten, um ihrem Leben einen Sinn, ein Ziel zu geben. Liebe, junge Freunde! Bis jetzt habe ich mich an die Welt der Erwachsenen gewandt. Aber in Wirklichkeit seid ihr die Erstadressaten dieser Botschaft. Wichtigkeit und Bedeutung der sozialen Kommunikationsmittel hängen letztlich davon ab, welchen Gebrauch die menschliche Freiheit von ihnen macht. Es wird daher von euch abhängen, von dem Gebrauch, den ihr von ihnen macht, von der kritischen Fähigkeit, mit der ihr sie zu benutzen lernt, ob diese Medien eurer menschlichen und christlichen Bildung dienen oder ob sie sich gegen euch richten, indem sie eure Freiheit ersticken und euren Durst nach Authentizität zum Erlöschen bringen. Von euch jungen Menschen wird es abhängen, wem die Aufgabe zufällt, die Gesellschaft von morgen aufzubauen, in der die Intensivierung des Nachrichten- und Kommunikationswesens die Formen des Zusammenlebens vervielfältigt und die technologische Entwicklung die Schranken zwischen den Menschen und den Nationen niederreißt; von euch wird es abhängen, ob die neue Gesellschaft eine einzige Menschheitsfamilie sein wird, wo Menschen und Völker in engerer Zusammenarbeit und gegenseitiger Integration leben können, oder ob sich hingegen in der künftigen Gesellschaft jene Konflikte und Spaltungen verschärfen, die die heutige Welt in Stücke reißen. Mit den Worten des Apostels Petrus wiederhole ich hier den Wunsch, den ich in meinem Schreiben an die Jungen und Mädchen der Welt gerichtet habe: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt!“ (1 Petr 3,15). „Ja, gerade ihr, weil von 1330 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN euch die Zukunft abhängt, weil von euch das Ende dieses Jahrtausends und der Anfang des neuen abhängt. Bleibt deshalb nicht untätig stehen; übernehmt Verantwortung in allen Bereichen unserer Welt, die euch offenstehen“ (Apostolisches Schreiben an die Jugend, Nr. 16). Liebe Jugend! Meine Einladung zur Übernahme von Verantwortung, zu entsprechendem Einsatz, ist vor allem eine Einladung zur Suche nach der „Wahrheit, die euch befreien wird“ (Joh 8,32), und diese Wahrheit ist Christus (vgl. Joh 14,6). Es ist daher eine Einladung, die Wahrheit Christi in den Mittelpunkt eures Leben zu stellen; diese Wahrheit in eurem Alltag bei allen Lebensentscheidungen zu bezeugen, um so der Menschheit zu helfen, auf den Wegen des Friedens und der Gerechtigkeit zu wandeln. Mit diesen Gedanken erteile ich allen als Unterpfand himmlischen Lichtes meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 15. April 1985, dem siebten Jahr meines Pontifikats PAPST JOHANNES PAUL II. Die Heilstat Christi in die Welt tragen Ansprache beim geheimen Konsistorium im Konsistoriensaal des Apostolischen Palastes, am 25. Mai Ehrwürdige Brüder! Ein heiliges Konsistorium pflegt ein einzigartiger Augenblick im Leben der Kirche zu sein, weil dabei die Versammlung der Männer stattfindet, die nach alter Sitte die engsten Ratgeber und Mitarbeiter des Nachfolgers Petri sind. Euer Anblick ist mir daher ein Grund zu großer Freude, und ich begrüße euch alle und jeden einzelnen mit einem starken Gefühl der Liebe und Zuneigung. Es liegt nämlich im Wesen des Kardinals selbst, daß er dem Apostolischen Stuhl und dem, der das höchste Amt der Leitung der Gesamtkirche innehat, aufs engste verbunden ist, aber diese Verbundenheit wird stärker offenbar, wenn dieser Senat der Kirche sich sichtbar versammelt. Ich habe euch, wie ihr wißt, zusammengerufen, um einige schwierige Probleme zu behandeln, vor allem zur Ernennung der neuen Mitglieder 1331 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Heiligen Kollegiums. Ich habe befunden, daß achtundzwanzig Männer der Kirche mit diesem Amt und dieser Würde ausgezeichnet werden sollten, obwohl dies auch anderen, die es wohl verdient haben, verliehen werden könnte; aber es ist recht und billig, die hinsichtlich der Zahl der Kardinäle festgelegten Grenzen zu beachten. Diejenigen, die jetzt in euer Kollegium aufgenommen werden, machen gewissermaßen die Universalität der Kirche sichtbar und führen die verschiedenen Ämter und Dienste vor Augen, die all das verrichten, was dem Aufbau dieser Kirche dient. Dieses Heilige Konsistorium fällt in eine Zeit, wo die Kirche sich sehr bemühen muß, die Wahrheit Christi und seine Heilstat in die Welt hineinzutragen, die das Gute sowie das Herausragende und Notwendige oft nicht kennt oder es leugnet oder sogar bekämpft. Wie ihr wißt, habe ich am 1. Adventssonntag vergangenen Jahres das Apostolische Schreiben über Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche von heute herausgegeben: Das heißt, ich habe die Beschlüsse und Vorschläge der sechsten Bischofssynode zu einem einzigen Dokument zusammengefaßt. Wenn wir auf die Spaltungen und Ungerechtigkeiten achten, von denen die Menschen und Völker unserer Zeit heimgesucht werden, mußte nachdrücklich nach deren Ursache gefragt werden, und zwar aus einem Geist heraus, der das Auffinden geeigneter Heilmittel ermöglichen sollte. Die Wurzel all dieser Übel aber ist die Wunde, die im Innern der menschlichen Seele sitzt: die Sünde, die die Menschen dadurch begehen, daß sie die ihnen von Gott geschenkte Freiheit schlecht gebrauchen. Es ist also notwendig, daß sie sich mit Gott, mit sich selbst und mit ihren Brüdern versöhnen und durch Buße die von der Sünde gestörte Ordnung wiederherstellen. Da es, wie ich in dem genannten Dokument aufzeigte, sogar innerhalb der Kirche, was Lehr- und Pastoralfragen anbelangt, hier und jetzt Spaltungen gibt, schien es mir angebracht, die Wahrheit über das Wesen der Sünde auszusprechen und alle, die es angeht, an die Verfügungen des Lehramtes über den rechten Gebrauch des Bußsakraments zu mahnen. Außerdem wird bekanntlich das sogenannte Internationale Jahr der Jugend abgehalten, das die Organisation der Vereinten Nationen ausgerufen hat. Die Kirche mußte diese Gelegenheit ergreifen, um sich als Mutter und Lehrerin an die Jugendlichen zu wenden, auf die sie große Hoffnungen setzt. Aus diesem Grund habe ich vor wenigen Monaten an sie ein Apostolisches Schreiben gerichtet. Das ist zweifellos ein Thema, das uns alle bewegt, nämlich daß „der Schatz künftiger Reichtümer, den die Jugend darstelle“ {ebd., Nr. 1), nicht zerstört, sondern bewahrt, gefördert, 1332 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vermehrt wird. Ausdrücklich mußte der Vorschlag zum Priester- und Ordensleben herausgestellt werden, weil in der heutigen Zeit vor allem in manchen Nationen und Ordensfamilien der Mangel an Arbeitern in der Ernte des Herrn und solchen, die die evangelische Räte gelobt haben, spürbar ist. Das rufe ich euch, ehrwürdige und geliebte Brüder, in Erinnerung, damit ihr zusammen mit mir euch in intensivem Einsatz und unermüdlichem Engagement bemüht, den Nöten und Problemen, von denen die Kirche bedrängt wird, abzuhelfen. Hinzu kommt, daß wir durch frommes Gebet die wirksame Hilfe des Himmels erflehen. Wir stehen unmittelbar vor dem schönen Pfingstfest, an dem wir mit besonderer Anbetung den Heiligen Geist verehren, der den Leib der Kirche zusammenhält und mit Leben erfüllt. Ihn bitten wir, daß er in dieser schweren Zeit seine Gaben reichlich ausspenden und unser pastorales Wirken fruchtbar machen möge. Als die Apostel den verheißenen Beistand erwarteten, „verharrten sie alle einmütig im Gebet . . . zusammen mit Maria, der Mutter Jesu“ (Apg 1,14); ihrem Beispiel wollen wir folgen. Hören wir nicht auf, sie, die zur Gefährtin des Erlösers im Werk der menschlichen Versöhnung geworden ist und die auf der Hochzeit von Kana, als der Wein ausging, für die jungen Menschen, das heißt die neuen Eheleute, Fürsprache eingelegt hat, inständig zu bitten, damit alles, was der Kirche heute am meisten Sorge bereitet, einen glücklichen Ausgang finde. Das wollte ich euch mit liebevollem und besorgtem Herzen sagen. Ehe ich aber die Namen derer nenne, die in das Heilige Kollegium aufgenommen werden, gilt es für den suburbikarischen Bischofssitz Porto und Santa Rufina Sorge zu tragen, dessen Titel durch den Tod von Kardinal Paolo Marella seligen Andenkens vakant geworden ist. Ich ernenne hier somit den hochwürdigsten Herrn Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli zum Titularbischof von Porto und Santa Rufina. Die Namen der neuen Kardinäle sind: Luigi Dadaglio, Titularerzbischof von Lero, Pro-Großpönitentiar; Simon D. Lourdusamy, ehemaliger Erzbischof von Bangalore, Sekretär der Kongregation für die Glaubensverbreitung; Francis A. Arinze, ehemaliger Erzbischof von Onitsha, Pro-Präsident des Sekretariats für die Nichtchristen; Juan Francisco Fresno Larrain, Erzbischof von Santiago de Chile; Antonio Innocenti, Titularerzbischof von Eclano, Apostolischer Nuntius in Spanien; Miguel Obando Bravo, Erzbischof von Managua; Augistin Mayer, Titularerzbischof von Madrid; Jean Jeröme Hamer, 1333 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Titularerzbischof von Lorium, Pro-Präfekt der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute; Ricardo Vidal, Erzbischof von Cebu; Henryk Roman Gulbinowicz, Erzbischof von Breslau; Paulus Tzadua, Erzbischof von Addis Abeba; Josef Tomko, Titularerzbischof von Doclea, Pro-Präfekt der Kongregation für die Glaubensverbreitung; Myroslaw Iwan Lubachiwsky, Großerzbischof von Lemberg (Ukraine); Andrzej Maria Deskur, Titularerzbischof von Tene, emeritierter Präsident der Päpstlichen Kommission für die sozialen Kommunikationsmittel; Paul Poupard, Titularerzbeschof von Usula, Pro-Präsident des Sekretariats für die Nichtglaubenden und Präsident des Exekutivkomitees des Päpstlichen Rates für die Kultur; Albert Vachon, Erzbischof von Quebec; Albert Decourtray, Erzbischof von Lyon; Rosalio Jose Castillo Lara, Titularerzbischof von Precausa, Pro-Präsident der Päpstlichen Kommission für die authentische Interpretation des Kirchenrechts; Friedrich Wetter, Erzbischof von München und Freising; Silvano Piovanelli, Erzbischof von Florenz; Adrianus J. Simonis, Erzbischof von Utrecht; Edouard Gagnon, Titularerzbischof von Giustiniana prima, Pro-Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie; Alfons Stickler, Titularerzbischof von Bolsena, Pro-Bibliothekar und Pro-Archivar der Heiligen Römischen Kirche; Bernard P. Law, Erzbischof von Boston; John J. O’Connor, Erzbischof von New York; Giacomo Biffi, Erzbischof von Bologna; Pietro Pavan. Mit der Vollmacht des allmächtigen Gottes, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und meiner eigenen ernenne ich somit öffentlich zu Kardinä-len der Heiligen Römischen Kirche: Zu Kardinaldiakonen ernenne ich die übrigen von mir vorher angeführten Namen. Ich, der ich bei dem am 13. Juni 1979 abgehaltenen Heiligen Konsistorium gesagt habe, daß ich die Ernennung des einen oder anderen Bischofs im Herzen - in pectore - bewahre, erneuere und bekräftige bei dieser feierlichen Versammlung diesen meinen Willen. Mit den notwendigen und zweckmäßigen Dispensen, Aufhebungen und Klauseln. Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Im übrigen ist für die Kirchen zu sorgen, die ohne Bischof sind. 1334 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Treu, bis zum Vergießen des Blutes Ansprache beim öffentlichen Konsistorium auf dem Petersplatz am Pfingstsamstag, 25. Mai „Laßt uns dem Herrn voll Freude singen.“ 1. Verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Gläubige, die ihr euch heute sogar von weither auf diesem Platz eingefunden habt, wir haben in der Tat Grund, dem Herrn voll Freude zu singen und ihm für das feierliche Geschehen zu danken, das wir hier erleben dürfen: Das Kardinalskollegium wird heute morgen durch 28 neue Mitglieder bereichert. Den neuernannten Kardinälen bekunde ich meine herzlichen Glückwünsche und versichere sie meiner besonderen Wertschätzung und Verbundenheit. Zugleich richte ich meinen ehrerbietigen Gruß an die Delegationen der verschiedenen Länder wie auch an die Vertreter aus zahlreichen Diözesen, die heute hier zugegen sind, um die neuen Kardinäle zu ehren. „Laßt uns dem Herrn voll Freude singen.“ Diese Worte bringen gut die Gefühle zum Ausdruck, die uns alle beseelen. Was heute geschieht, hat eine große Bedeutung für das Leben der Kirche, die ihren Weg durch die Welt und die Geschichte geht. Welches diese Bedeutung ist, wird verdeutlicht durch das Wort Gottes, das wir soeben gehört haben. Christus erneuert diesen neuernannten Kardinälen gegenüber die Weisung, die er den Aposteln gegeben hat, als sie zu ihrer ersten apostolischen Sendung aufbrachen: Sie sollen zu ihren Brüdern gehen und ihnen begegnen „klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben“ (vgl. Mt 10,16), indem sie allen die Frohbotschaft des Heils verkünden. Sie dürfen sich keine Illusionen über die Art und Weise machen, wie sie aufgenommen werden. Nicht selten werden sie nämlich zum Zeichen des Widerspruchs und mitunter sogar der Verfolgung. Dürfen sie sich deshalb entmutigen lassen und zu Pessimisten werden? Die Ermahnungen Christi gehen genau in die entgegengesetzte Richtung. Gleich dreimal mahnt Jesus die Apostel, sich nicht zu fürchten, sich nicht von der Furcht ergreifen zu lassen, keine Angst zu haben (vgl. Mt 10,26.28.31); sie sollen sich vielmehr um eine Haltung vertrauensvoller Gelassenheit und vorbehaltloser Hingabe bemühen. Und das — man beachte es - , ohne sich über den möglichen Verlauf des persönlichen Lebensschicksals zu täuschen. Ihre Sendung wird sie dazu führen, sich auch mit jenen zu messen, „die den Leib töten“ {Mt 10,28), und in dieser Konfrontation wird auch ihr Leben geopfert werden können. Und den- 1335 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN noch müssen sie weiter Vertrauen haben. Warum? Der Grund ist ein zweifacher: Vor allem deswegen, weil der himmlische Vater, der sogar um den Spatzen weiß, der tot zur Erde fällt, auch seine Kinder vollkommen kennt, eingeschlossen die Haare auf ihrem Haupt (vgl. Mt 10,30 f.). Sie können deshalb gelassen sein: Was immer geschehen mag, es wird nichts Unvorhergesehenes geben; nichts, das nicht Teil eines Planes der Vorsehung wäre, der zu einer noch größeren Freude für den Jünger Christi führt, wenn er sich in der Prüfung bewährt hat. Der zweite Grund ist, daß „nichts verhüllt ist, was nicht enthüllt wird, und nichts verborgen ist, was nicht bekannt wird“ {Mt 10,26). Die Botschaft, die Jesus für den Augenblick „dem Ohr“ seiner Apostel anvertraut, wird im folgenden „von den Dächern verkündet“ werden (vgl. Mt 10,27); sie wird hörbar für alle Ohren erschallen. Das Wort des Evangeliums besitzt in sich selbst eine unwiderstehliche Kraft, die es in die Welt hinaus und in die Zukunft drängt. Man kann versuchen, es zu behindern und es zu ersticken, am Ende wird es jedoch alle Widerwärtigkeiten besiegen, alle Hindernisse überwinden, in alle Teile der Welt Vordringen, das Herz jedes Menschen guten Willens gewinnen. Zweitausend Jahre Geschichte bestätigen die Wahrheit dieser Voraussage Christi: Das Evangelium hat die Meere überquert und ist über die Grenzen bis in die entlegensten Regionen der Erde vorgedrungen. Behinderungen und Verfolgungen haben in der Zwischenzeit nicht aufgehört: auch von diesem Gesichtspunkt aus behält das Wort Christi weiter seine aktuelle Dringlichkeit. Aber die Gläubigen von heute können schon jetzt wissen, was das Ende der Ängste ist, denen sie gegenwärtig unterworfen sind: Die Verkünder des Evangeliums können auch eingekerkert sein, nicht aber das Evangelium, dessen Verkünder sie sind (vgl. 2 Tim 2,9). 2. Das Wort des Evangeliums wird auch aus den heutigen Verfolgungen siegreich hervorgehen und die Schwelle in das schon nahende neue Jahrtausend überschreiten, um den kommenden Generationen die Verheißung der Vergebung und die Botschaft der Hoffnung zu verkünden. Zu Recht mahnt deshalb Petrus in seinem ersten Brief: „Beugt euch also in Demut unter die mächtige Hand Gottes, damit er euch erhöht, wenn die Zeit gekommen ist. Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch“ (5,6-7). Die demütige und vertrauensvolle Überantwortung in die Hände Gottes ist die richtige Haltung des Glaubensboten, der Prüfungen zu bestehen hat. „Gott kümmert sich um euch“: Diese Sorge Gottes für das Geschick seiner Kinder ist die Grundlage, auf die sich das Vertrauen der Kirche in 1336 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allen Zeiten stützt. Es ist ein gut begründetes Vertrauen, weil die Sorge den Vater veranlaßt hat, der Gemeinschaft der Gläubigen die dritte Person der Dreifaltigkeit, den Heiligen Geist, zu senden, damit er für immer bei ihr bleibe: „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll“ (Joh 14,16). Wir bereiten uns darauf vor, morgen erneut das wunderbare Geschehen von Pfinsten zu feiern. Die Kirche schart sich heute im Gebet eng um Maria, wie es die erste Gemeinde im Abendmahlssaal zu Jerusalem getan hat, um sich auf die Ankunft dessen vorzubereiten, der kommt, um „die Welt zu überführen, was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist“ (vgl. Joh 16,8); auf die Ankunft dessen, der kommt, um der Kirche die notwendige Kraft zu geben, sich der Welt mutig zu stellen und vor ihr die Verurteilung der Sünde, den Sieg über Satan und den Triumph der Gerechtigkeit Gottes zu bezeugen. 3. Die heutige Pfingstvigil strahlt auf das Konsistorium aus, das wir in einem besonderen Licht feiern. Es wurden Persönlichkeiten in das Kardinalskollegium berufen, die aus verschiedenen Erdteilen kommen. Durch sie werden Kirchen vertreten, die geographisch zwar voneinander entfernt, aber tief vereint sind durch das Band der Liebe Christi. Vielfalt und Einheit: Dies ist eine Tatsache, die uns zum Nachdenken einlädt. Im Kardinalskollegium zeigen sich zwei wesentliche Dimensionen der Kirche, die zugleich weltweit und ortsbezogen ist. Seit ihren Anfängen ist sie immer so gewesen. Schon in Jerusalem war die erste Gemeinde, die sich um die Apostel bildete, gleichzeitig „ortsbezogen“ und „weltweit“: Sie war „ortsbezogen“, weil sie an einen bestimmten Ort gebunden war, nämlich an Jerusalem; und sie war zugleich „weltweit“, weil sich in ihr Völker verschiedener Nationen zusammenfanden, die eine eigene Sprache, eine eigene Kultur, eigene Bräuche und Traditionen hatten. Das Ereignis, das wir heute feiern, stellt uns diese doppelte Dimension der Kirche erneut vor Augen: Die neuen Kardinäle werden durch ein besonderes Band mit der Kirche von Rom verbunden, welche die Apostel Petrus und Paulus durch ihr Wort und Blut gegründet haben. Sie geben aber auch zugleich Zeugnis von der weltweiten Ausbreitung der Kirche: Unter ihnen sind ja Persönlichkeiten, die aus den verschiedensten Teilen der Erde kommen, Glieder von sehr alten Kirchen, die ehrwürdige Traditionen besitzen, wie auch Vertreter von Kirchen, die in jüngeren Zeiten gegründet wurden, in denen jedoch der Samen des Evangeliums schon reiche Früchte getragen hat. Die Schätze verschiedener Kulturen fließen so durch diese Persönlichkei- 1337 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten in diese Kirche von Rom: mit ihnen kommen die Erfahrungen und die menschlichen Errungenschaften der Völker aus lOOOjähriger Geschichte und tragen bei zum Schatz der Weisheit, den die Jahrhunderte beim Stuhl Petri angehäuft haben. Zugleich fließt der lebendige Sinn der Katholizität, den man in dieser Stadt atmet, welche die Vorsehung zum Zentrum der Christenheit bestimmt hat, zurück in die Kirchen, in welchen sie ihren Dienst ausüben, oder wird in jener Tätigkeit fruchtbar, die sie in den verschiedenen Behörden des Hl. Stuhls verrichten. Unter den neuen Kardinälen leisten viele dem Apostolischen Stuhl ihren treuen und wertvollen Dienst, in den sie ihre Erfahrung und ihre besten Energien ein-bringen. 4. Es bestätigt sich also auch im heutigen Ereignis das Geheimnis der Einheit und der Vielfalt der Kirche. Dieses Geheimnis wollen wir heute mit freudiger Dankbarkeit feiern, während wir uns auf die neue Ausgießung des Gottesgeistes im Pfingstfest vorbereiten. Das, was wir heute erleben, ist wirklich ein Pfingstereignis, in welchem wir die besondere Gegenwart des „Trösters“ verspüren, den Christus seiner Kirche verheißen hat. Wir rufen ihn heute besonders inständig an, damit er auf die neuen Kardinäle herabsteige und sie mit seinen Gaben erfülle. Möge jeder von ihnen den eigenen Aufgaben in Treue entsprechen „usque ad sanguinis effusionem“, bis zum Vergießen des Blutes, wie es in der altehrwürdigen Formel heißt, die im Purpur ihrer Insignien eine deutliche und ausdrucksstarke Entsprechung hat. Gleichzeitig wollen wir in unser Beten alle Hirten der Kirche einschließen, die sich mit den Kräften des Bösen, die in der Welt gegenwärtig sind, messen müssen. Für alle diese „Zeugen der Leiden Christi“ (vgl. 1 Petr 5,1) erflehen wir Licht, Mut, Festigkeit, damit sie sich, treu der empfangenen Sendung, ihren Herden mit tiefer Hirtenliebe schenken können, und zwar mit Blick auf „den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit“ (7 Petr 5,4). Beten wir auch für alle Gläubigen auf der Welt, damit sie inmitten der täglichen Prüfungen „standhaft“ im Glauben“ (vgl. 1 Petr 5,9) sein mögen. „Komm, Heiliger Geist!“, rufen wir mit der ganzen Kirche. „Komm, o Geist der Heiligkeit, aus des Himmels Herrlichkeit, sende deines Lichtes Strahl.“ Ja, komm! Die Kirche wartet auf deine Hilfe. Komm und hilf ihr, daß sie sich auf den Straßen der Welt nicht verirrt, sondern aufgerichtet durch die Wärme deines Lichtes, sicher ihrem Bräutigam 1338 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN entgegengeht, nach dem sie mit der ganzen Sehnsucht ihres Herzens verlangt (vgl. Apg 22,17). Komm, Geist Gottes! Amen. Am Schluß seiner Ansprache richtete der Papst kurze Grußworte in französischer, englischer, spanischer und polnischer Sprache an die anwesenden Pilgergruppen. Auf deutsch sagte er: Mit froher Anteilnahme grüße ich auch die Angehörigen und Freunde der neuernannten Kardinäle aus der Bundesrepublik Deutschland und aus Österreich. Eine Kardinalserhebung ehrt immer auch die Kirche in der Heimat und stärkt ihre Verbundenheit mit dem Stuhl Petri. Die Kardinäle sind die engsten Mitarbeiter des Papstes in seiner Verantwortung für die Weltkirche, sei es, daß sie einer eigenen Diözese als Oberhirten vorstehen oder ein Leitungsamt in der Römischen Kurie innehaben. Begleitet das neue, noch verantwortungsvollere Wirken eurer Kardinäle auch in Zukunft mit eurem treuen Gebet. Von „einem einzigen Geist“ beseelt Predigt bei der Konzelebration mit den neuemannten Kardinälen auf dem Petersplatz am Pfingstsonntag, 26. Mai <208> <208> „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19). Heute, am Pfingstsonntag, befinden wir uns im Abendmahlssaal in Jerusalem: die Apostel zusammen mit der Mutter des Herrn. Und wenn auch schon viele Tage seit der Auferstehung vergangen sind, bewahren doch alle noch die Erinnerung an jenen Tag, an dem Christus, während die Türen des Raumes, in dem sie sich aufhielten, verschlossen waren, unter sie trat. Auch die Liturgie gedenkt jenes Tages. Er kam, trat in ihre Mitte und sprach: „Friede sei mit euch!“ (ebd.). Heute am Pfingsttag wird Christus nicht allein kommen. Er wird mit dem kommen, den er angekündigt und verheißen hat: den Tröster, den Geist der Wahrheit: Paräkletos. „. . . wenn ich gehe, so werde ich ihn zu euch senden“ (Joh 16,7). Nachdem Jesus gegangen war, verharrten die Apostel zusammen mit Maria im Gebet, während der Augenblick der Herabkunft des Geistes näherrückte. 1339 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Dieser Augenblick - das Mysterium der Herabkunft des Heiligen Gottes - ist aufs engste mit jenem Abend „des ersten Tages der Woche, dem Tag der Auferstehung, verbunden. Damals trat Jesus unter die Apostel und „zeigte ihnen seine Hände und seine Seite“ (Joh 20,20). Es war derselbe Mensch, der „am Tag vor dem Paschafest“ ans Kreuz genagelt und dem, nachdem er seinen Geist aufgegeben hatte, von der Lanze des Soldaten die Seite durchbohrt worden war. Vor den Aposteln erschien also der Gekreuzigte und zugleich Auferstandene und sprach: „Friede sei mit euch!“ Nachdem er sie gegrüßt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: „Empfangt den Heiligen Geist“ {Joh 20,22). Das war nicht mehr eine bloße Ankündigung. Es war zugleich die Erfüllung der Verheißung. Christus sagt mit aller Klarheit: „Empfangt!“ Die Apostel empfangen also den Heiligen Geist. In den Worten des Auferstandenen ist der ganze göttliche Realismus der Gabe: der Gabe von oben, vom Himmel. Diese Gabe ist der Heilige Geist - der Geist, der eins ist mit dem Vater und dem Sohn: Er ist gleichsam die Frucht ihres Lebenshauchs. Ihre Liebe. Die ungeschaffene und ewige Gabe. Er ist der Parakletos, der Beistand. Der Vater sendet ihn „im Namen Christi“ (vgl. Joh 14,26). Und Christus selbst sendet ihn (vgl. Joh 16,7; 20,22). Eben in dem Augenblick, da er spricht: „Empfangt den Heiligen Geist.“ 3. Das war die Geburtsstunde der Kirche. Der Kirche als Leib Christi. Der auferstandene Christus macht die Kirche als Leib offenbar, wenn er zu den Aposteln spricht: „Empfangt den Heiligen Geist.“ Er offenbart den Beginn der Kirche und setzt zugleich ihren tatsächlichen Anfang. Denn die Kirche gleicht dem Leib, der „eine Einheit“ ist, auch wenn „er viele Glieder hat“ (vgl. 1 Kor 12,12). Als der auferstandene Christus zu den Aposteln geht, sind eben sie es, die den Beginn des neuen Leibes Christi darstellen: jenes Leibes, der die Kirche ist. Dieser Leib wird in der Geburtsstunde der Kirche im Abendmahlssaal der Auferstehung in ihnen Wirklichkeit; er nimmt in ihnen seinen Anfang. Die Zwölf bilden den Ursprung des neuen Israel (vgl. Ad gentes, Nr. 5). Durch den Empfang des Heiligen Geistes werden sie zu einer einzigen Wirklichkeit: zur Kirche, dem neuen Leib Christi. „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt“ (1 Kor 12,13). 1340 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das geschah, als Christus sie anhauchte und zu ihnen sprach: Empfangt den Heiligen Geist! (Joh 20,22). 4. Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche. Der vom Heiligen Geist in den Herzen der Apostel geeinte Leib Christi offenbart sich von jenem Tag an der Welt. Alles, was sich am Pfingsttag im Abendmahlssaal - und rund um den Abendmahlssaal - ereignet, all diese Dinge sind sozusagen die Symptome dafür, daß die Kirche zur Welt gekommen ist. Sie kommt zur Welt, oder vielmehr, sie tritt in die Welt ein, die Kirche, der Leib Christi, bereit, in der Welt zu leben und zu handeln. Unter allen Völkern. 5. Das kommt vor allem zum Ausdruck durch „ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt“ (Apg 2,2): denn er, der „im Namen Christi“ vom Vater gesandt wird, ist der „Hauch“. Er vollbringt die Einheit der Herzen. Dank ihm verließen die Zwölf als Kirche den Abendmahlssaal: als ein einziger Leib, in dem der gekreuzigte und auferstandene Christus lebt. 6. Das tut sich gleichzeitig kund im Zeichen der Zungen. Zungen wie von Feuer entzünden sich über den Häuptern der Apostel - und sie beginnen „in fremden Sprachen zu reden“ (Apg2,4)-Für sie sind es „fremde“, d. h. von ihrer Muttersprache verschiedene Sprachen. Und zugleich sind es auch eigene Sprachen, nämlich die Muttersprachen der Leute, die sich um den Abendmahlssaal eingefunden hatten, die Sprachen dieser Menschenmenge. Da waren - nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte - „Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten. Juden und Proselyten, Kreter und Araber“ (Apg 2,9-11). Der ganze Mittlere Osten von damals und von heute - und zugleich die Welt des Mittelmeerraumes: die Kultur der Kirche. 7. Sie alle waren eine Ankündigung der Vielfalt in der Kirche - die Ankündigung ihrer Universalität; sie waren die erste geschichtliche Dimension dieser Universalität, die sich durch eine Vielfalt von Sprachen, Kulturen, Völkern und Nationen verwirklicht. Alle sind am Kreuz Christi erlöst, durch seine Auferstehung gerechtfertigt worden. Alle warteten — vielleicht auch ohne es zu wissen — darauf, in Christus ein 1341 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leib zu werden: zur Kirche, zum neuen Israel zu werden. Sie warteten darauf, daß aus der Vielfalt diese wunderbare, von einem einzigen Geist bewirkte Einheit erwachse. „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen . . ., alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt“ (7 Kor 12,13). 8. Damals also, im Zentrum dieses Geschehens, sollten die Apostel zutiefst die Worte begreifen, die Christus am Tag der Auferstehung zu ihnen gesagt hatte: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Angesichts dieser Menge begriffen sie endgültig, daß sie „gesandt“ waren. Der Heilige Geist bewirkte diese Sendung, diese Mission, die sich in ihren Herzen und auf ihren Lippen kundtat. Sie war in ihnen zu konkreter Reife gekommen. Die um den Abendmahlssaal versammelten Menschen fragten: „Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören? . . . Wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden“ (Apg 2,7-8.11). 9. Es war der Beginn des Auftrags und der Sendung der ganzen Kirche, die von Jahrhundert zu Jahrhundert und von Generation zu Generation immer neue Sprachen spricht. In dieser Vielfalt der Sprachen ist sie universal und eins zugleich: Sie bildet einen einzigen Leib! In unserem römischen „Abendmahlssaal“ beim Grab des hl. Petrus erklingen heute in besonderer Weise einige dieser von der heutigen Kirche gesprochenen Sprachen: Italienisch, Französisch, Spanisch, Englisch, Deutsch, Polnisch, Niederländisch, Ukrainisch, Slowakisch, Tamil, Ibo und Äthiopisch. Liebe Brüder, die ihr mit mir zusammen diese heilige Eucharistie Christi über dem Grab des hl. Petrus feiert, liebe, neue Kardinäle! Ihr seid ein besonderes Zeichen dieser Universalität, die aus vielen Sprachen und zugleich aus der Einheit der Kirche besteht: geeint vom Heiligen Geist durch das Kreuz und die Auferstehung Christi. Ihr seid das Zeugnis der apostolischen Kirche, vereint um Petrus wie damals am Pfingsttag. Am heutigen Pfingstfest sollt ihr aufs neue den Sinn der Worte erfahren, die der auferstandene Herr gesprochen hat: „Friede sei mit euch! Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich euch.“ In der Berufung zur Kardinalswürde ist der besondere Ausdruck der Sendung der ganzen Kirche enthalten, ein besonderer Hinweis auf das apostolische Erbe, das mit dem Bischofsamt, mit dem bischöflichen Dienst und insbesondere mit dem Dienst des Petrus verbunden ist. 1342 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr müßt daher diese Einheit, die in der Vielfalt und Universalität enthalten ist, bezeugen und sie in besonderer Weise aufbauen, müßt sie festigen und sie bekunden. Das alles gehört entscheidend zu dem großen Geheimnis vom Leib Christi, der „eine Einheit ist und doch viele Glieder hat“ und dessen Glieder alle von „einem einzigen Geist“ beseelt werden (vgl. 1 Kor 12,12.14). 10. Friede sei mit euch! Friede sei mit euch, liebe Brüder und Schwestern, die ihr mir jetzt hier beim Petrusgrab zuhört. Und mit euch, die ihr auf dem ganzen Erdkreis mit uns verbunden seid. Friede sei mit euch: alle Kirchen des Gottesvolkes, die ihr in der Gemeinschaft mit dem, der den Vorsitz in der Liebe hat, eine einzige Kirche bildet: den Leib Christi, ausgebreitet in der ganzen Welt. Friede sei mit euch allen, Brüder und Schwestern, die ihr mit uns denselben Christus bekennt, auch wenn ihr euch nicht mit uns in der Einheit derselben Kirche befindet. Heute rufen wir gemeinsam den Geist, den Tröster, an, damit bald die Zeit jener Einheit kommt, die im Pfingst-geschehen von Jerusalem ihren Anfang nahm. Friede sei mit euch, Brüder und Schwestern, durch das allgemeine Priestertum im Sakrament der heiligen Taufe verbunden, und besonders mit euch, die ihr aufgrund dieses Priestertums euch durch die Ordensgelübde ganz Christus hingegeben habt. Friede sei mit euch, Priester der Kirche, Diener Gottes und des Gottesvolkes auf der ganzen Erde. Friede sei mit euch, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, Diener und Hirten dieses Volkes. Friede sei mit dir, ehrwürdiges Kardinalskollegium, das heute durch neue Mitglieder erneuert und bereichert wurde. Friede sei mit dir, Kirche Gottes! Friede sei mit dir, Welt von heute! Der Geist des Friedens nehme in dir Wohnung und erneuere das Antlitz der Erde! <209> <209> Der auferstandene Christus trat in den Abendmahlssaal, und „die Jünger freuten sich“ (Joh 20,20). Der verheißene Geist kam auf die Apostel herab, . . . „die Jünger freuten sich“. Liebe Brüder und Schwestern! Möge uns niemand „diese Freude nehmen“ (vgl. Joh 16,22). Amen. 1343 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Für die Freiheit der Kirche gekämpft Predigt bei der Messe anläßlich des 900. Todestages des hl. Papstes Gregor VII. in Salerno am Pfingstsonntag, 26. Mai 1. „Ich habe die Gerechtigkeit geliebt und die Ungerechtigkeit gehaßt, deshalb sterbe ich in der Verbannung.“ Gestern jährte sich zum 900. Mal der Todestag des hl. Papstes Gregor VII., der hier in Salerno am 25. Mai 1085 starb. Nach dem Zeugnis der Chronisten der Zeit soll der leidende, von vielen im Stich gelassene und scheinbar besiegte Gregor VII. die oben wiedergegebenen Worte gesprochen haben: ohne auf die Frage ihrer Authentizität einzugehen, besitzen sie eine tiefe historische Wahrheit, weil sie den Sinn des ganzen Wirkens des großen Papstes zusammenfassend darstellen und genau dem entsprechen, was das höchste und ständige Ideal seines gesamten Lebens war. (Zur Authentizität vgl. G. B. BORINO, Storicitä delle ultime parole di Gregorio VII, in „Studi Gregoriani“ V, 1956, S. 403-411; kritisch dazu: P. E. HÜBINGER, Die letzten Worte Papst Gregors VII., Opladen 1973.) Auf diese Worte - die nun auch auf der neuen Grabstätte des heiligen Papstes in eurer Kathedrale zu lesen sind - hat mein Vorgänger Pius XII. in der Rundfunkbotschaft hingewiesen, die er am 11. Juli 1954 anläßlich der kanonischen Überprüfung des Leichnams des hl. Gregor VII. an euch, Gläubige von Salerno, gerichtet hat. Pius XII. nannte in seiner Botschaft Gregor VII. einen „Giganten des Papsttums, so daß man von ihm ruhig wahrheitsgetreu sagen kann, daß er einer der größten Päpste nicht nur des Mittelalters, sondern aller Zeiten gewesen ist {AAS 46, 1954, S. 408). Die großartige, dem Wesen nach theozentrische und religiöse Zusammenschau des heiligen mittelalterlichen Papstes verbindet sich mit einer reichen Vorstellung von Gerechtigkeit. Diese Tugend darf nicht nur mit dem „unicuique suum tribuere“ („jedem das Seine“) des römischen Rechts verstanden werden, sondern geht direkt auf ihre biblischen Ursprünge, auf den paulinischen Begriff der dikaiosyne, der Rechtfertigung, zurück: Sie ist die Verwirklichung des ewigen und barmherzigen Planes Gottes, der sich in der Kirche und durch die Kirche erfüllt und zu dem die iniquitas, die Ungerechtigkeit, die Verneinung und Ablehnung dieses Planes, also die Sünde, im Gegensatz steht. Diese nicht juridische, sondern dem Wesen nach theologische Auffassung beseelt und erfüllt die ganze Briefsammlung Gregors VII. in den wertvollen Zeugnissen seiner Register, wo der heilige Papst sich ganz spontan eröffnet und uns die Motive enthüllt, die ihn zu seinem Handeln inspiriert 1344 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN haben. Die Gerechtigkeit ist für ihn die Ordnung Gottes in der Welt; sie bringt mit sich, daß alle menschlichen Dinge, von den kleinsten bis zu den größten, nach dem Willen und Gesetz Gottes geordnet sind, so daß der Mensch nicht von der Sünde entstellt, sondern als Gottes Ebenbild geformt wird. Die vorrangige und gewaltige Aufgabe des Papstes besteht nach Meinung des hl. Gregor VII. darin, darüber zu wachen, daß die iustitia Dei, die Gerechtigkeit Gottes, verwirklicht und die iniquitas, die Ungerechtigkeit, mit allen Mitteln verhindert wird. In einem im Hinblick auf die Synode von 1083 an die Bischöfe Galliens gerichteten Brief beschreibt er die Drangsal und Not, die Verfolgungen, die Gefahren, in denen sich die heilige Mutter Kirche befindet. Sein Schmerz wird noch dadurch erhöht, daß er weder Bedauern noch Hilfe fand. Ziemlich betrübt stellt er fest, daß es keine oder nur ganz wenige „Förderer der Gerechtigkeit“ gibt, die bereit sind, Leiden und Mühsal auf sich zu nehmen, um der Mutter Kirche zu helfen. Was uns angeht - verkündet der hl. Gregor VII. -, sei Gott gepriesen und gelobt, der „bis jetzt die Gerechtigkeit in unserer Hand verteidigt hat nach dem Zeugnis unseres Gewissens und der dadurch, daß er die menschliche Schwachheit durch die Kraft seiner Macht stärkt, es nicht zuläßt, daß uns irgendwelche verlockenden Versprechungen und irgendeine Angst vor Gewalt dazu bringt, daß wir uns der Ungerechtigkeit zuwenden“ (Gregorii VII Registrum, IX, 11: ed. CASPAR, S. 588). Und weiter schrieb er: „Wenn wir mit Gottes Gnade den alten Feind besiegen und schlagen und seine List und Gerissenheit nicht beachten wollen, müssen wir uns Mühe geben, nicht nur um der Gerechtigkeit willen den Verfolgungen und Beleidigungen, die inszeniert werden, ja selbst dem Tod zu entgehen, sondern auch um der Liebe Gottes und der Verteidigung des christlichen Glaubens willen den Tod herbeizusehnen“ (vgl. Epistolae collectae, 23: ed. JAFFE’ Bibliotheca Rerum Germani-carum, II, Berlin 1865, II, S. 548 ff.). Und er fügt hinzu: „Wir werden bereit sein, eher den Tod auf uns zu nehmen, als die Gerechtigkeit aufzugeben“ (Gregorii VII Registrum IX, 21: ed. a.a.O., S. 602). Es überrascht darum nicht, daß, nachdem sein Leben in der leidvollen Verbannung in Salerno zu Ende gegangen war, seine engsten Vertrauten von ihm sagen können, er sei „standhaft bis zum Tod in der Verteidigung der Gerechtigkeit“ gewesen (BERNOLDO, Chronicon, ad annum 1085: ed. PERTZ, Mon. Germ. Hist., Script. V, S. 444), und in seinem Tod, dem Höhepunkt und der Synthese seiner Leiden für die Reinheit und Freiheit der Kirche, gleichsam die Kennzeichen des Martyriums erkennen (vgl. 1345 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN UGO DI FLAVIGNY, Chronicon, II: ed. PERTZ, Mon. Germ. Hist., Script., VIII, S. 466). 2. In diesem Jahr begehen wir den 900. Todestag Papst Gregors VII. Hildebrand am Pfingstsonntag. Der Abschnitt des Evangeliums nach dem hl. Johannes, den wir gehört haben, beschreibt das Erscheinen des auferstandenen Herrn bei den im Abendmahlssaal versammelten Aposteln: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch . . . Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,21 f.). Das sind Worte von außerordentlicher Bedeutung, weil sie die Sendung der Apostel und des Nachfolgers Petri im Verlauf der Geschichte, von der Auferstehung Jesu bis zu seiner Wiederkunft in Herrlichkeit als souveräner und endgültiger Richter der Menschheit, verkünden und darstellen. Die Worte, die der auf erstandene Christus an jenem Abend zu Petrus und den Aposteln gesprochen hatte, haben im Laufe der Jahrhunderte das mit dem Nachfolger Petri vereinte Bischofskollegium erreicht, und sie haben auch Hildebrand erreicht, der, nachdem er am 22. April 1073 zum Bischof von Rom gewählt worden war und den Namen Gregor VII. angenommen hatte, zwölf Jahre lang der leidenschaftliche und unermüdli-che Vorkämpfer jenes großartigen Werkes der Reinigung und Befreiung der Kirche war, das nach ihm Gregorianische Reform genannt wurde. 3. Die ernsten und umfassenden Probleme, denen sich Gregor VII. in seiner Zeit, zu Beginn des zweiten Jahrtausends der Verbreitung des Evangeliums gegenübersah, werden von der Krise des mittelalterlichen Christentums bestimmt, jener geschichtlichen Verkörperung der christlichen Botschaft, die das Hoehmittelalter kennzeichnet und sich als Societas christiana, christliche Gesellschaft, darstellt, deren Merkmal eine starke Durchdringung von Geistlichem und Irdischem ist. Das in die Kirche einbezogene, von Heiligkeit gezeichnete Reich, das Heilige Reich, spielt nicht nur die Rolle eines Beschützers; die Kirche ihrerseits ist auch zu weltlichen Aufgaben berufen und stark in die Strukturen des. Reiches einbezogen. Eine besondere Erfahrung, die nicht geringe Vorteile bot, da sie der Kirche Beiträge zur Evangelisierung und zur Entfaltung, ihrer Rolle in der Zivilisation bot: Es ging um den Aufbau Europas auf christlicher Grundlage. Aber auf lange Sicht hatte diese Erfahrung auch sichtbare Konsequenzen der Verweltlichung, besonders im zehnten Jahrhundert. Die auffallendsten darunter waren die Simonie (der Kauf geistlicher Ämter) und der sittliche Verfall des Klerus. Die 1346 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Reformbewegung, die im 11. Jahrhundert eine lebhafte Entwicklung nimmt, setzt auf den Kampf für die Freiheit der Kirche, insbesondere in der Frage der Ernennungen, die die Kirchengüter betrafen, und auf die Notwendigkeit eines Klerus, der vor allem geistlich angemessen auf seine kirchlichen Aufgaben vorbereitet wird, und das unter anderem durch die neuerliche Bestätigung und Wiederherstellung des Zölibats. Es ist das Verdienst des hl. Gregor VII., diese Probleme sehr klar wahrgenommen und sich vor allem mit dem Nachdruck und der äußersten Konsequenz mit ihnen auseinandergesetzt zu haben, die Charaktermerkmale seiner starken Persönlichkeit sind. Die Haltung Gregors VII., seine Entscheidungen und seine Stellungnahmen im sogenannten Investiturstreit standen im Widerspruch gegen Situationen irdischer Interessen; deshalb gab es so starken Widerstand, nicht nur von seiten der Königreiche und besonders des Kaiserreiches, sondern auch von seiten der kirchlichen Amtsträger. Doch der hl. Gregor VII. handelte so, weil er die Kirche, die Braut Christi, unermeßlich liebte und sie rein, keusch, heilig und frei wissen wollte; und er hat für die Kirche unendlich gelitten: Zu einem bestimmten Zeitpunkt am Ende seines Pontifikats wurde er sogar von vielen seiner ersten Mitarbeiter verlassen. Er hat die Folgen seines Liebesdienstes an der Kirche persönlich getragen. Doch der Same, den er in die von seinen Tränen begossenen Furchen gesät hatte, sollte Frucht bringen, und seine Spur sollte auf lange Zeit die Kirche nach ihm prägen. 4. Die von Christus gegründete Kirche befindet sich auf dieser Erde auf Pilgerschaft; sie setzt sich aus Menschen zusammen, sie fühlt sich wirklich und zutiefst solidarisch mit, der ganzen Menschheit und ihrer Geschichte. Die Beziehung zwischen der Kirche und der zeitlichen Wirklichkeit wurde im Laufe der Jahrhunderte auf komplexe Weise erfahren und erlebt, die sich vielfältig und verschieden in einer Dialektik dauernder Spannung dar stellte. Seit den oft dramatischen und schmerzlichen Ereignissen der Zeit Gregors sind 900 Jahre vergangen. Auch heute hat die Kirche, die immer auf die Zeichen der Zeit achtet, diese grundlegende Aufgabe ihrer Existenz in der Welt vertieft, und zwar ganz besonders, als sie während des Zweiten Vatikanischen Konzils in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes darlegte, wie sie ihre Präsenz und ihr Handeln in der modernen Welt versteht. Sie will das Werk Christi fortsetzen, der in die Welt gekommen ist, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen (vgl. Joh 18,37), zu retten und 1347 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht zu verdammen, zu dienen und nicht sich dienen zu lassen (vgl. Joh 3,17; Mt 20,28; Mk 10,45; Gaudium et spes, Nr. 3). Das Selbstverständnis der Kirche ist das ihres Stifters und Hauptes: dem Menschen dienen im Lichte des in Christus geoffenbarten Gottes. Die ihr eigene Sendung, die Christus seiner Kirche übertragen hat, besitzt nicht politischen, wirtschaftlichen oder sozialen, sondern ausschließlich religiösen Charakter. Doch aus eben dieser religiösen Sendung fließt die Verpflichtung, zum Aufbau und zur Festigung der menschlichen Gemeinschaft nach dem göttlichen Gesetz beizutragen. Die Kirche arbeitet darum mit an der Förderung der verschiedenen Institutionen des Menschen, weil ihr nichts mehr am Herzen liegt, als dem Wohle aller zu dienen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 42). Die politische Gemeinschaft und die Kirche sind auf je ihrem Gebiet voneinander unabhängig und autonom. Indem die Kirche die Botschaft des Evangeliums verkündet und alle Bereiche menschlichen Handelns durch ihre Lehre und das Zeugnis der Christen erhellt, achtet und fördert sie auch die politische Freiheit und die Verantwortlichkeit der Bürger. Sie setzt ihre Hoffnung nicht auf Privilegien, die ihr von der staatlichen Autorität angeboten werden. Sie fordert - und das tut sie auch heute hier in Salerno in Erinnerung an den hl. Gregor VII. durch den Mund seines Nachfolgers überall und immer die volle Freiheit zur Verkündigung des Glaubens zu haben, ihre Mission ausüben und das eigene moralische Urteil auch über Vorgänge politischer Art abgeben zu können, wann immer die Grundrechte des Menschen und die Rettung der Seelen das nötig machen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 76). 5. Erleuchtet vom Heiligen Geist, den sie an Pfingsten empfangen hat, setzt die Kirche ihren Weg zur kommenden Stadt hin fort in voller Treue zu ihrem Bräutigam Jesus Christus. Es ist der Heilige Geist, der ihr ganzes Apostolat „von Jerusalem bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8) beseelt; er stellt die wunderbare Ausbreitung des Gotteswortes sicher; er stärkt und beseelt die Apostel und die Jünger, damit sie im Namen Christi das Heil verkünden; er wird die Apostel und Jünger lehren und sie an alles erinnern, was Jesus gesagt hat (vgl. Joh 14,26); er wird immer bei ihnen bleiben (vgl. Joh 14,16). Die Zeit der Kirche ist die Zeit der Sendung, des Zeugnisses, der Glaubensverkündigung. Alle vier Evangelien schließen mit der Aussendung der Apostel in die Welt. Welche Bedeutung, welche Kraft, welche Ergriffenheit wecken diese Überlegungen gerade hier in Salerno, dessen historische Kathedrale die sterblichen Reste des Apostels und Evangeli- 1348 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sten Matthäus bewahrt! Seine geheimnisvolle Anwesenheit ist so etwas wie das sprechende und lebendige Zeichen der Fortdauer des Beistandes des Geistes für seine Kirche. Auch wir, cjie wir an diesem Pfingsttag wie einst die Apostel „einmütig im Gebet verharren zusammen . . . mit Maria, der Mutter Jesu“ (Apg 1,14), rufen hier in der Stadt Salerno, in unmittelbarer Nähe der Reliquien des hl. Matthäus, den Heiligen Geist an; hier in Salerno, das durch den unerschrockenen heiligen Papst Gregor VII. aufs engste mit dem römischen Stuhl des hl. Petrus verbunden ist. Deshalb bin ich mit besonderer Freude nach Salerno gekommen und grüße aus ganzem Herzen diese berühmte Stadt und diese verdienstvolle Erzdiözese. Am Pfingsttag traten die Apostel nach dem starken Anhauch des Heiligen Geistes aus dem Abendmahlssaal und erwiesen sich bis zum Vergießen ihres Blutes als unerschrockene Zeugen des Jesus von Nazaret, des Messias, des Herrn, des Sohnes Gottes, der Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist für unser Heil. Der hl. Gregor VII. erflehe für die Kirche, für alle Christen unserer Zeit den unerschrockenen Geist des Glaubens! Amen. Die Heilsnachricht auf die Straßen der Welt tragen! Botschaft zum Weltmissionssonntag 1985 vom 26. Mai Liebe Brüder und Schwestern! Jedes Jahr am Hochfest Pfingsten erfährt die Kirche mit unsagbarer Freude aufs neue den Beginn ihres Daseins und des allen Völkern bestimmten Werkes der Evangelisierung. An diesem so bedeutungsvollen Tag ist es mir daher willkommen, wie üblich meine Botschaft zum Weltmissionssonntag zu verkünden, der im kommenden Monat Oktober gefeiert wird. <210> <210> Am Pfingsttag entsteht die Kirche unter dem Anhauch des Heiligen Geistes Treu dem Gebot Christi sind die Apostel im Abendmahlssaal versammelt, um gemeinsam mit Maria zu beten und nachzudenken. In diesen auser- 1349 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wählten Männern sitzt ein Gefühl der Angst vor dem Auftrag, den ihnen der Meister anvertraut hat: „Geht und lehrt alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (vgl. Mt 28,19). Angst wegen der neuen Drohungen der Juden, wegen des Nichtverstehens vieler Aussagen des Herrn und vor allem wegen der Erfahrung des eigenen Ungenügens und der eigenen Grenzen, dem göttlichen Auftrag nachzukommen. Diese weder gebildeten noch kühnen ersten Apostel sind dicht um jene geschart, die sie als eigene Mutter betrachten und als Quelle der Hoffnung und des Vertrauens. Und siehe, auf einmal geschieht die Umwandlung mit dem mächtigen Anhauch des Heiligen Geistes. Eine radikale Umwandlung des Verstandes und des Herzens: Die Apostel fühlen jetzt, wie ihr Verstand aufgeht, sie werden von einem unhaltbaren dynamischen Eifer erfüllt; sie sind von einem einzigen Antrieb beherrscht: zu verkünden, den anderen mitzuteilen, was sie in neuem, sonnengleichem Licht schauen. Wie in einem wunderbaren Mosaik fügt der Geist in ihnen jedes von Christus gesprochene Wort neu zusammen. So wird die Kirche geboren. Am Pfingsttag wird sie geboren. „Sie wird -wie ich in meiner Predigt zum Abschluß des XX. Italienischen Eucharisti-schen Kongresses in Mailand am 22. Mai 1983 in Erinnerung gerufen habe - geboren unter dem mächtigen Anhauch des Heiligen Geistes, der den Aposteln befiehlt, den Abendmahlssaal zu verlassen und ihre Sendung aufzunehmen ... So gehen sie unter die Leute und machen sich auf, durch die Welt zu ziehen, um alle Völker zu lehren (in: O.R. dt., Nr. 23, 10. Juni 1983, S. 8). 2. Die Kirche, Gemeinschaft in fortwährendem Missionszustand Vom Anbeginn ihres Entstehens an erscheint die Kirche also als die Gemeinschaft der Jünger, deren Seinsgrund die Verwirklichung der Sendung Christi in der Zeit ist, die Evangelisierung der Welt (vgl. Lumen gentium, 17 a; Adgentes, 2 a; 5 a; 6 f.; 10). Sie ist daher eine Gemeinschaft in fortwährendem Missionszustand, ist missionarische Gemeinschaft, deren Mitglieder zu einem einzigen Leib vereint sind, um zu den Völkern gesandt zu werden (vgl. Ad gentes, 36); wenn in dieser Gemeinschaft auch die Rollen, die Funktionen und die Charismen verschieden sind (vgl. 1 Kor 12,4 ff.), so ist doch die missionarische Berufung allen gemeinsam (vgl. Lumen gentium, 17 b; Ad gentes, 35-36): den Bischöfen, den Priestern, den Ordensmännern, den Ordensfrauen und den Laien. Alle ohne Unterschied sind gerufen, die Sendung des Erlösers zu verwirk- 1350 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehen, wenn auch in der eigenen, spezifischen Berufung und in den eigenen Gegebenheiten und Möglichkeiten (vgl. Ad gentes, 28). Alle sollen sich zu einem einzigen missionarischen Auftrag verpflichtet fühlen: in der Welt der uns von Christus gebrachten Frohen Botschaft Raum geben, damit sich die Weissagung des Psalmendichters erfüllt: „Doch ihre Botschaft geht in die ganze Welt hinaus, ihre Kunde bis zu den Enden der Erde“ (Ps 19,5). Es sollen sich also nicht nur diejenigen verpflichtet fühlen, die spezifisch an den Vorposten der Evangelisierung arbeiten, die „Missionare“ im eigentlichen Sinn, sondern jeder Priester oder Gottgeweihte, der in seinem Tätigkeitsbereich den Gläubigen den Sinn für die missionarische Pflicht einzuprägen hat. Auch den Laien kommt die schwierige Aufgabe zu, das soziale und kulturelle Geflecht um sie herum in der Tiefe zu evangelisieren, sei es in den Ländern, wo die Verkündigung des Glaubens noch nicht angelangt ist, sei es auch in jenen, wo das Christentum dringend einer Wiederbelebung bedarf, um wieder neue und größere Durchschlagskraft zu erlangen. 3. Die Jugendlichen, Hoffnung der Evangelisierung Wenn diese Verpflichtung auch, wie ich gesagt habe, allen Mitgliedern der Kirche gemeinsam ist, so betrifft sie doch in besonderer Weise die Jugendlichen, Jungen und Mädchen. Ich richte daher in diesem „Internationalen Jahr der Jugend“ meinen Appell an ihre Energien, an ihre Hochherzigkeit, an ihre verständnisvolle Hingabe, die nie fehlt, wenn es darum geht, eine gerechte Sache zu unterstützen. Im Blick auf das herannahende dritte Jahrtausend und in diesem entscheidenden Augenblick der menschlichen Geschichte, in dem eine düstere Drohung der Zerstörung und der Vernichtung auf unserer Welt zu lasten scheint, rufe ich euch auf und ermutige euch im Namen Christi des Herrn, Verkünder des Evangeliums zu werden und mit all euren Kräften das heilbringende Wort, die Wahrheit von Gott zu verbreiten; sei es, daß ihr mit eurem Leben ein Zeugnis vom eschatologischen Reich der Wahrheit und der Liebe erbringt, sei es, daß ihr euch konkret für die Umwandlung der ganzen zeitlichen Wirklichkeit nach dem Geiste des Evangeliums einsetzt (vgl. Schreiben an die Jugend der Welt, Nr. 9), und die Versuchung der Entmutigung besiegt, die zum Rückzug und zum Nachlassen führt. Es ist nicht an der Zeit, Angst zu haben, noch anderen diese wohl schwierige aber erhabene Aufgabe zu überlassen. Jeder muß als Glied der 1351 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche seinen Teil der Verantwortung übernehmen. Jeder von euch muß in der Familie, in der Schule, in der Kulturwelt, der Arbeitswelt den, den er vor sich hat, verstehen lassen, daß Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, daß er allein die Verzweiflung und Entfremdung des Individuums bezwingen kann, indem er eine Erklärung für das Dasein des Menschen gibt, eines Geschöpfes, das mit allerhöchster Würde ausgestattet ist, als Bild und Gleichnis Gottes geschaffen. Die heilbringende Wahrheit muß verkündet und jedem Menschen bekanntgemacht werden, denn es ist nicht möglich, daß man gleichgültig bleibt gegenüber Millionen und Abermillionen von Menschen, die die unschätzbaren Reichtümer der Erlösung noch nicht oder schlecht kennen. Zweitausend Jahre sind verflossen seit dem „euntes docete“ Christi: Nun, es scheint, daß es mit diesem Befehl an einigen Orten zum Stillstand gekommen ist, während es an anderen nur sehr langsam weitergeht. Ich rufe daher euch Jugendliche aus aller Welt und sende euch, wie Christus die Apostel gesandt hat mit der Kraft, die aus dem Wort Christi selber kommt: Die Zukunft der Kirche hängt von euch ab, die Evangelisierung der Erde in den nächsten Jahrzehnten hängt von euch ab! Seid Kirche! Macht die Kirche jung, erhaltet sie jung mit eurer enthusiastischen Präsenz und übertragt ihr überall Lebendigkeit und prophetische Kraft. Christus braucht euch, um die Wahrheit zu verkünden, um die Heilsnachricht auf die Straßen der Welt zu tragen, er braucht euer großmütiges und bereites Herz, um allen Menschen seine unendliche und barmherzige Liebe kundzutun. Sensibilisert und motiviert eure Altergenossen, eure Gemeinschaften, entzündet überall die Flamme des Glaubens: Nur so kann der Dämon der Droge besiegt werden, nur so können die Geißeln der Gewalt, der Verweltlichung, der Vergnügungssucht endgültig beseitigt werden, die so viele kostbare jugendliche Energien trüben und auf Abwege bringen. Nur so kann sich das Herz der vielen Brüder aus den verschiedenen Religionen zu einem fruchtbaren und konstruktiven Dialog öffnen. Laßt euch bei diesem faszinierenden Unternehmen, so wie es die Apostel seit dem Pfingsttag getan haben, immer fügsam vom Heiligen Geist leiten, dem „Erstbeweger der Evangelisierung“ (Evangelii nuntiandi, 75), der alles trägt, erleuchtet, tröstet und vollkommen macht. 1352 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Die missionarische Zusammenarbeit: dringende und wichtige Aufgabe des ganzen Gottesvolkes Alle Gläubigen jedoch sind lebhaft aufgefordert, sehr aufmerksam über die oben dargelegten Überlegungen nachzudenken. Tatsächlich sind alle Gläubigen, alle Glieder der Kirche, die „ihrem Wesen nach missionarisch“ ist (Ad gentes, 2 a), „Gesandte“, sind mitverantwortlich für die Ausbreitung des Reiches Gottes. Im übrigen: Wenn man nur kurz die Bedürfnisse nach missionarischer Tätigkeit und die alarmierende Lage eines so großen Teils der Menschheit, der noch nicht von der Verkündigung des Evangeliums erreicht wurde, ins Auge faßt, so kann man nicht umhin, im Gewissen die fortdauernde Aktualität des Gebotes Christi zu verspüren; man kann nicht umhin, die Schwere der jedem Christen zukommenden Pflichten wahrzunehmen, den Fortschritt der Evangelisierung zu fördern. Denn — so sagt der hl. Paulus — „Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt? Wie aber soll jemand verkündigen, wenn er nicht gesandt ist? (Röm 10,14-15). Als Gemeinschaft, als mystischer Leib Christi, begleitet und unterstützt die Kirche den missionarischen Einsatz ihrer Glieder, indem sie die geeignetsten Vorgehensweisen für die Zusammenarbeit aufzeigt, nach denen der einzelne seinen Beitrag leisten kann. Diese Vorgehensweisen sind vielfältig und die Mittel zahllos. Dennoch möchte ich zum diesjährigen Weltmissionssonntag die besondere Bedeutung einiger dieser Mittel in Erinnerung rufen; es sind in der Erfahrung bewährte, nicht ausschließliche, aber doch bevorzugte Mittel, insofern sie in engem Zusammenhang mit dem Stuhl Petri stehen: die Päpstlichen Missionswerke. 5. Die Päpstlichen Missionswerke, bevorzugtes Instrument der Zusammenarbeit Die Päpstlichen Missionswerke sind, wie man in ihren Statuten lesen kann, „das offizielle und wichtigste Instrument der Kirche für die missionarische Zusammenarbeit“ (in: Statui delle PP.OO.MM., Roma, 1980, Cap. I, n.“). Ihnen „gebührt - wie das Konzil bekräftigt — mit Recht der erste Platz, da sie Mittel darstellen, die Katholiken von Kindheit an mit einer wahrhaft universalen und missionarischen Gesinnung zu erfüllen und zur tatkräftigen Sammlung von Hilfsmitteln zum Wohl aller Missio- 1353 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen gemäß den jeweiligen Bedürfnissen anzueifern“. {Ad gentes, 38). Sie sind in der Tat die modernen, aktiven und dynamischen Instrumente, mit denen in jeder Hinsicht das unmittelbare Wirken der Missionare in vorderster Reihe unterstützt und die unentbehrliche Hilfe für die ihrer seelsorgerischen Betreuung anvertrauten Völker sichergestellt werden können. Die Päpstlichen Missionswerke sind das Instrument der Liebe des Gottesvolkes, des Wunders der Bruderliebe, das sich jedes Jahr zum Nutzen so vieler erneuert, auch wenn leider nicht alle erreicht werden können. Unter den vier Werken hält gerade der Missionsbund der Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen in den Gläubigen das Bewußtsein der Pflicht missionarischer Zusammenarbeit wach. Dies geschieht über die Führer des Gottesvolkes, die dieses verdienstvolle Werk durch ständige Bildungsarbeit vorbereitet und zu der ihrer Berufung innerlich zugehörigen missionarischen Gesinnung „erzieht“. Und deshalb möchte ich noch einmal gegenüber allen Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen, Mitgliedern von Säkularinstituten, gegenüber jenen, die die Freude haben, ein geweihtes Leben zu leben, wiederholen, daß sie nicht isoliert arbeiten sollen, sondern eng vereint unter dem Zeichen des gleichen Ideals und des gemeinsamen Einsatzes. Der Päpstliche Missionsbund bietet euch diese Gelegenheit, indem er euch in missionarischem Geist bildet, euch Stütze gibt, euch auf eurem Weg hilft. Ich habe Zuversicht, daß diese Botschaft, wenn sie zu allen Gläubigen in den einzelnen Ortskirchen gebracht ist, in jedem die Pflicht erwecken wird, die Päpstlichen Missionswerke zu unterstützen, die leider noch nicht überall bekannt und eingerichtet sind. Jeder Christ, der die Päpstlichen Missionswerke unterstützt, kann sich als lebendiger und lebenswichtiger Teil der universalen Kirche fühlen und in den wahrsten Sinn ihrer Katholizität eindringen: denn die Päpstlichen Missionswerke sind das wirksamste Mittel dafür, daß alle Christen sich durch die Teilnahme an den missionarischen Anstrengungen der Kirche als jene „lebendigen Steine“ (vgl. 1 Petr 2,5) fühlen, „lebendige Steine“ seien, die den mystischen Leib aufbauen. Machen wir es möglich, daß die, die uns jetzt in vielen Teilen der Welt die Hände entgegenstrecken und um Hilfe anflehen, eines Tages mit dem Apostel sagen können: „Ich habe alles empfangen und habe jetzt mehr als genug; mir fehlt nichts mehr, seit ich . . . eure Gaben erhielt, ein schönes Opfer, eine angenehme Opfergabe, die Gott gefällt“ {Phil 4,18). 1354 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Möge Maria die Allerseligste, Mutter Christi und Mutter der Kirche, euch beistehen bei diesem hochherzigen missionarischen Einsatz! Allen erteile ich meinen Apostolischen Segen als Unterpfand reicher Gunst des Himmels. Aus dem Vatikan, den 26. Mai, am Hochfest Pfingsten des Jahres 1985, dem siebten im meinem Pontifikat PAPST JOHANNES PAUL II. Dichtung als Kontemplation Ansprache bei der Eröffnung der Ausstellung „Dante im Vatikan“ am 30. Mai Liebe Künstler! 1. Seid willkommen! Eure freundliche Anwesenheit macht mir große Freude. Mit euren Stichen zur Göttlichen Komödie bietet ihr mir die Möglichkeit, die große Dichtung durch die Wahrheit und Schönheit der Bilder zu sehen und zu empfinden. Dafür danke ich euch Von ganzem Herzen. In der Zeit einer auf das Sehen ausgerichteten Zivilisation, die ihre Mitteilungen der Kommunikationsschnelligkeit der Massenmedien anvertraut, könnte die Dichtkunst wirklichkeitsfremd erscheinen. Doch die mittelalterliche Welt Dantes konnte in euch, in euer Bewußtsein eindrin-gen; ihr habt sie geistig erlebt, um sie ein neues Mal durch den Wert der künstlerischen Formen wiedergeben zu können. So können wir in euren glücklichen Eingebungen Dante wie eine Aufforderung lesen, uns an einer veranschaulichten Wirklichkeit zu erfreuen, die vom Leben des Jenseits und vom Geheimnis Gottes mit der eigenen Kraft des theologischen Denkens spricht, das vom Glanz der miteinander verbundenen Kunst und Poesie verklärt wurde. Ihr, geliebte Künstler, habt gewiß das Echo einer jahrhundertealten Geschichte gehört, die heute unter verschiedenen Namen wieder aufblüht, und habt euch darum Dante genähert, weil ihr saht, daß sich in ihm unsere heutige Welt und ihre Hoffnungen widerspiegeln. Dante kämpfte 1355 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für die Gerechtigkeit; sie widerfuhr ihm nicht von seiten der Menschen, er erbat sie von Gott; sein Glaube stützte ihn auf seiner irdischen Pilgerschaft, trotz Verbannung und Verurteilungen. 2. Ich werde mir gleich diese Ausstellung ansehen, liebe Künstler, die das Dantehaus mit seinen Beratern, seinen edlen Kulturtraditionen folgend, in einem so festlichen Rahmen auszurichten wünschte. Auch ich werde eine Reise durch die Trostlosigkeit der Stätte des Feuers machen, durch die von der Schuld befreiende Buße bis hin zu der höchsten Freude der „weißen Rose“. Zweifellos erinnert Dantes Dichtung als Erzählung an die Werke der mittelalterlichen Kunst. Es handelt sich um Symbole und Allegorien zur Erklärung der Vorstellungen. Die Substanz ist theologisch wahr, sie inspiriert sich an der Heiligen Schrift, an den Gedanken der Kirchenväter und Theologen; die Formen sind die der Zeit, die sich mit allen Mitteln um die religiöse Unterweisung, um den Kontakt mit dem Volk bemühte. Es war eine volkstümliche Verkündigung, die an den Fassaden der Kathedralen, auf den Fresken der Apsiden, an den Triumphbögen zur hohen Kunst wurde. Dante wurde von dieser theologischen Erzählweise erfaßt und fand das Wort, das seiner unmittelbaren Erfahrung entsprang, um in erzählerischer Form die Loslösung von den vergänglichen und sündhaften irdischen Dingen und die erhabene Reinheit der großen Ausblicke des Glaubens zu erhellen. 3. Es gibt einen kostbaren Hinweis, der zur christlichen Askese gehört und im Italienischen in einem sehr wirksamen Wort seinen Ausdruck findet: trasumanare, „die Grenzen der menschlichen Natur überschreiten“. Das war das höchste Bemühen Dantes, es so einzurichten, daß die Last des Menschlichen nicht das Göttliche in uns zerstöre und die Größe des Göttlichen den Wert des Menschlichen nicht herabsetze. Deshalb gab der Dichter mit Recht seinem persönlichen Schicksal und dem der ganzen Menschheit einen theologischen Schlüssel; darum vergeistigte er das Planetensystem, sah die Himmel als bevorzugte Erzähler der Herrlichkeit Gottes, erfüllte die Steilabhänge des Purgatoriums und die Himmel des Paradieses mit Licht. Insbesondere das Licht: Das ganze Mittelalter sprach vom Licht, verfaßte Traktate über das Licht, suchte das Licht im Glanz der Mosaiken durch das Flimmern der Mosaiksteine, versuchte in den Kirchen mittels der berühmten bemalten Glasfenster verschiedenfarbiges Licht zu erzielen. Wie viele Personen, Sünder und Heilige, wie viele geschichtliche Ereig- 1356 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nisse, wie viele Leiden, Freuden und Hoffnungen werden in den drei Gesängen sichtbar! Wie viele Probleme der Philosophie und Theologie! Wie oft kehrt er zur Erde zurück, um das Jenseits mit der menschlichen Erfahrung zu verbinden! Ihr Künstler wolltet mit unmittelbarer Gegenständlichkeit die geistliche und phantastische Wirklichkeit der Dichtung als Meditation, als Kontemplation, als höchste Liebe darstellen, indem ihr eure Intuitionen diesen Radierungen anvertraut habt, die jetzt unserem Genuß geboten werden. Möge jeder, der diese Bilder betrachtet, sich innerlich angespornt fühlen, wieder den Weg Dantes zu gehen, indem er mit ihm über „diesen . . . kurzen Lebensabend, der unseren wachen Sinnen noch verblieben“ (Inferno, XXVI, 114 f.), hinaus aufsteigt zur Betrachtung der „Liebe, die beweget Sonne und Sterne“ (Paradies, XXXIII, 145). Mit diesem Wunsch erteile ich euch und euren Angehörigen von Herzen meinen Segen. Katechese von grundlegender Bedeutung Ansprache an die Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz am 30. Mai Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. Ich begrüße euch alle herzlich. In meinem Herzen ist noch die Erinnerung an die Begegnung lebendig, die ich mit euch und einer qualifizierten Vertretung eurer Diözesen vor kurzem beim Kirchentag in Loreto hatte, wo ich in besonderer Weise die lebendigen Kräfte, die Spannungen und die Probleme, aber auch die Möglichkeiten und Ausblicke, die in der kirchlichen Wirklichkeit Italiens vorhanden sind, kennenlernen konnte. Ich freue mich, auch heute bei euch zu sein, um euch meiner brüderlichen Verbundenheit in der Liebe Christi zu versichern und euch zugleich meine Ermutigung zum Ausharren in der hochherzigen Hingabe zu bieten, mit der ihr eure Kräfte im Dienst an der Herde einsetzt, in der euch der Heilige Geist zu Lehrern und Hirten bestellt hat (vgl. Apg 20,28). Mit Freude habe ich die Botschaft entgegengenommen, die ihr mir zur Beginn eurer Versammlung zugeleitet habt, und die Gedanken, die ihr darin ausgedrückt habt, als ermutigend empfunden. Dafür danke ich euch. 1357 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Die Arbeit, die ihr auf dieser 25. Vollversammlung bewältigen wollt, beansprucht euch stark: Die Tagesordnung ist sehr gedrängt und unterbreitet euch Themen zur Prüfung, die in pastoraler Hinsicht von großer Bedeutung zu sein scheinen. Da ist vor allem die „pastorale Note“ der Versammlung zu dem erwähnten Kirchentag in Loreto. Sie wird die geeigneten pastoralen Richtlinien für das Handeln bei den großen Problemen der Gegenwart im Lichte all dessen auf stellen müssen, was ich in meiner Ansprache vor den Teilnehmern des Kirchentages zu sagen für richtig hielt. Nun kommt es darauf an, sich loyal und konsequent darum zu bemühen, daß die Kirche in Italien immer mehr als versöhnte Gemeinschaft erscheinen kann, die die Versöhnung verkündet, durchführt und verwirklicht. Ich bin sicher, daß jeder von euch in Eintracht mit dem Klerus, den Ordensleuten und den Gläubigen nicht versäumen wird, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um einer komplexen und heiklen Situation gewachsen zu sein, in der es unerläßlich ist, daß alle wertvollen Kräfte aufgerufen sind, sich zu sammeln und durch Wort und Beispiel Christus, den höchsten Versöhner der Menschen untereinander und mit dem Vater, zu bezeugen. 3. Weitere Themen von großer Bedeutung in der erwähnten Tagesordnung sind der Religionsunterricht an den staatlichen Schulen und, in gewisser Weise damit verbunden, die Prüfung der neuen Katechismen. Was die neuen Katechismen betrifft, brauchen keine Worte verloren zu werden, um ihre außerordentliche Bedeutung herauszustellen. Ihr wißt gut, wieviel Sorgfalt die Kirche der vergangenen Generationen stets auf die Vorbereitung guter katechetischer Texte gelegt hat. Selbst das Konzil von Trient wünschte die Abfassung eines catechismus ad parochos (Pfarrer-Katechismus) in der Überzeugung, daß eine angemessene Vermittlung der authentischen Lehre die wirksamste Voraussetzung für die Durchführung der allgemeinen Reform der Kirche wäre. Mit Recht beabsichtigt ihr daher, dieser Aufgabe durch ein sorgfältiges Studium der bereits in den vergangenen Jahren erprobten Texte besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Ich möchte euch versichern, daß ich diese eure Mühe mit lebhaftem und dankbarem Interesse begleite. Denn ich denke an die kommenden Generationen und habe sie vor Augen, die in den von euch erstellten Katechismen ihre Berufung zur Bekanntschaft mit dem Geheimnis Christi, zur in der Nachfolge und dem Zeugnis vor der Welt verwirklichten Christusliebe vertiefen können. Von dem Grad und der Echtheit dieser Erkenntnis wird 1358 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht nur das persönliche „Heil“ jedes einzelnen abhängen, sondern auch seine Fähigkeit, Sauerteig in der Masse zu werden, um in der Gemeinschaft der Menschen eine nicht nur friedliche, sondern auch vollmenschliche Gesellschaft zu fördern. Am Horizont zeichnen sich große sittliche Herausforderungen ab, mit denen das Überleben der Menschheit selbst eng verbunden ist. Die Kirche von heute ist sich bewußt, daß sie mit der Vorbereitung ihrer Katechismen eine fundamentale Aufgabe gegenüber der Kirche und der Gesellschaft von morgen erfüllt. Das alles habt ihr bereits erkannt, als ihr im Vorbereitungsdokument des Kirchentages von Loreto die Katechese über die ethischen Grundwerte als einen der wirksamsten Beiträge ausgewiesen habt, die die Kirche Italiens der Zukunft der menschlichen Gemeinschaft anbieten kann. Die neuen Katechismen müssen daher gute Erklärungsformen und einen soliden theoretischen Aufbau aufweisen, indem sie zusammen mit dem ganzen christlichen Geheimnis von der Heilsrettung (Glaube - Moral -Sakramente - Gebet) auch seine inneren Verknüpfungen vorlegen, unter besonderer Berücksichtigung der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den menschlichen Grundwerten und den christlichen Wahrheiten, die deren Rechtfertigung und tiefste Wurzel bieten. Am Beginn nicht weniger Glaubenskrisen steht in der Tat eine mangelhafte katechetische Bildung. Ich ermutige darum gern zu allem, was ernsthaft unternommen wird, um im Einklang mit den von den zuständigen Organen des Heiligen Stuhles gegebenen Anweisungen den geeignetsten Weg zu finden, um an den modernen Menschen heranzukommen, der um so mehr nach Sicherheit und Gewißheit dürstet, je verworrener und widersprechender die um ihn herum ertönenden Stimmen sind. 4. Es ist also wichtig, gute Texte für eine entsprechende Katechese zu erstellen; aber es ist ebenso wichtig, von jeder Gelegenheit Gebrauch zu machen, die als Vorbereitung auf die Katechese oder als weitere Reflexion über ihre Inhalte dienen könnte. Unter diesen Gelegenheiten ragt der Religionsunterricht in den staatlichen Schulen wegen der gesellschaftlichen Bedeutung, die ihm zukommt, und wegen der Breite der Zuhörerschaft, an die er sich wendet, besonders hervor. Ich schließe gern meine Stimme der euren an, ehrwürdige Brüder, um die Familien und die Schüler auf die Pflicht hinzuweisen, diese Möglichkeit, ja dieses Recht, das auch das Konkordat vom 18. Februar 1984 ihnen zuerkennt, nicht zu vernachlässigen. Die religiöse Bildung ist ein integrierender Bestandteil 1359 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der menschlichen Bildung, und die katholische Erziehung ist ein Recht und eine Pflicht der Getauften. In dieser Hinsicht gilt es, das Problem der Vorbereitung und Fortbildung der Religionslehrer anzupacken, denn klarerweise wird von der Qualität ihres Unterrichts in nicht geringem Maße sowohl die bildende Wirkung auf die Schüler als auch die Entscheidung abhängen, die diese später gegenüber diesem Unterricht treffen werden. Als wichtig erweist sich von diesem Gesichtspunkt her auch die Vorbereitung von Texten, die auf die Bedürfnisse der jungen Generationen eingehen und imstande sein müssen, deren Interesse für das Thema Religion und insbesondere für die großen Wahrheiten des Christentums zu wecken. 5. Ehrwürdige Brüder, die Tagesordnung eurer Vollversammlung hat einen eigenen Punkt für die Behandlung der Probleme des Klerus im Lichte der neuen, im Kirchenrecht und im Konkordat enthaltenen Bestimmungen. Jeder von uns ist sich der Bedeutung voll bewußt, die der Arbeit der Priester in der täglichen Sorge für die Bedürfnisse der Herde Christi zukommt. Ausdrücklich anerkennt das Zweite Vatikanische Konzil: „Die Bischöfe sollen die Priester, denen in der Weihe die Gabe des Heiligen Geistes verliehen wurde, als ihre notwendigen Helfer und Ratgeber im Dienstamt der Belehrung, der Heiligung und der Leitung des Gottesvolkes betrachten“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 7). Ich bin sicher, dem Empfinden von euch allen Ausdruck zu geben, wenn ich einen besonderen Gedanken der Anerkennung und Dankbarkeit an die Priester richte: im Trubel der Großstädte wie in der Verlassenheit kleiner Gebirgsdörfer sind sie die hochherzigen Arbeiter im Weinberg des Evangeliums, sind sie die ersten Wächter zum Schutz des Schafstalles Christi. Wenn es die Pflicht von uns Bischöfen ist, uns um ihre geistlichen Bedürfnisse zu kümmern, so darf nicht weniger dringend die Sorge um ihre materiellen Bedürfnisse sein, so daß es ihnen nicht an dem würdigen Lebensunterhalt fehlt, der sich für die Diener Gottes ziemt. 6. Neben den Priestern sind die Laien aufgerufen, für das Kommen des Reiches Gottes zu arbeiten. Das Zweite Vatikanische Konzil hat ihre besondere Berufung klar herausgestellt, wobei es nachdrücklich die Bedeutung ihres Beitrags zur Heilssendung der Kirche in der Welt unterstrichen hat. Daß man sich zunehmend der Rolle bewußt wird, die die Laien im Heilswerk haben, ist zweifellos ein „Zeichen der Zeit“. Deshalb wollte ich - womit ich im übrigen der Anregung vieler Bischöfe aus verschiedenen 1360 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Teilen der Welt entgegenkomme daß die Berufung und Sendung der Laien Thema und Gegenstand genauer Untersuchung durch die nächste, für den Herbst 1987 vorgesehene ordentliche Bischofssynode sein sollte. Ich bin euch dankbar, daß ihr auch diesen Punkt auf die Tagesordnung eurer Versammlung gesetzt habt. Die Reflexion der Kirche über dieses Thema und das Gebet während der Jahre der Vorbereitung werden gewiß zur Förderung eines neuen apostolischen Aufschwungs des Laientums im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils beitragen. 7. Die Anwendung des Konzils ist eine Aufgabe, die uns alle unmittelbar angeht und die den hochherzigen Einsatz des Gottesvolkes und in erster Linie der Hirten verlangt. Ich meinerseits will nichts unterlassen, was sich für die Verwirklichung dieser Aufgabe, die das Wohl der Kirche und der einzelnen Gläubigen zutiefst berührt, als nützlich erweisen kann. In dieser Richtung muß auch die Initiative verstanden werden, für den kommenden Herbst anläßlich des zwanzigsten Jahrestages des Abschlusses jenes historischen Ereignisses eine außerordentliche Synode anzusetzen. Auch damit befaßt ihr euch in eurer Vollversammlung. Dafür danke ich euch in der Überzeugung, daß sich die Feier jenes Jubiläums nur durch den Beitrag der ganzen Kirche als wirklich spürbar und fruchtbar erweisen kann. Ich bitte euch, den Klerus, die Ordensmänner und Ordensfrauen sowie alle Gläubigen, um den Beitrag eures Engagements und eines besonderen Gebets, damit die Vorbereitung der außerordentlichen Synode und ihr Verlauf dem besseren Verständnis der wahren Botschaft des Konzils nützen, indem sie dessen immer hochherzigere Annahme von seiten aller Glieder des Gottesvolkes zum Vorteil der Kirche und der Menschheit in ihrer Gesamtheit fördern. Letzter Punkt eurer Versammlung ist das Symposion der europäischen Bischöfe. Ich bin gewiß, daß die italienischen Bischöfe durch ihre Delegierten zur kollegialen Vertiefung von Themen beitragen werden, die einen Kontinent betreffen, der einen großen Anteil an der Geschichte der katholischen Kirche hatte und weiter haben soll. Die Heilige Jungfrau stehe uns mit ihrer mütterlichen Sorge bei. Wie sie inmitten des Apostelkollegiums war, um die Herabkunft des Geistes auf dieses zu erflehen, so bleibe sie bei uns, um unter den täglichen Mühen des Hirtenamtes neue Ausgießungen der Gaben des Trösters für uns zu erwirken. Mit diesem Wunsch erteile ich euch als Unterpfand brüderlicher Liebe von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1361 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Petrus landete in Ostia“ Ansprache an die Verkehrsminister der europäischen Länder am 1. Juni Sehr geehrte Herren Verkehrsminister! Meine Danen und Herren! 1. Da Sie zu Ihrer periodischen Konferenz, an der die Minister der europäischen Nationen, Nordamerikas und des Fernen Ostens teilnehmen, diesmal in Rom zusammengekommen sind, freue ich mich über die heutige Begegnung mit Ihnen. Herzlich danke ich dem Herrn Repräsentanten des italienischen Verkehrsministeriums für die freundliche Grußadresse, die er soeben im Namen der verschiedenen Delegationen an mich gerichtet hat. Mein Gruß ergeht an alle, die sich zum Abschluß so anstrengender und wichtiger Arbeitstage heute hier eingefunden haben. 2. Der hier zu Ihnen spricht, wird, bei einer Gelegenheit wie dieser, nicht die Geschichte des Christentums vergessen können. Schon seit Beginn seiner bald zweitausendjährigen Verbreitung kamen dem Evangelium Christi die berühmten römischen Verkehrswege in einzigartiger Weise zugute. So landete Petrus aus Galiläa, der zusammen mit den anderen Aposteln den Auftrag erhalten hatte, in alle Welt zu gehen und zu lehren, im Hafen von Ostia, um Rom zu seinem apostolischen Sitz zu machen. Von diesem neuen Zentrum strahlte die evangelische Botschaft sehr rasch in alle Richtungen aus. Das war der Anfang eines ununterbrochenen Vormarsches. Der Glaube und die Zivilisation rücken auf von Menschen erbauten Straßen vor. Was für die Vergangenheit galt, gilt um so mehr in unserer modernen Gesellschaft, die sicher anders zu definieren ist, aber zweifellos von einer sehr große Beweglichkeit gekennzeichnet ist. Daher ist die wachsende Bedeutung des Verkehrsbereiches und seiner Strukturen. Mit fällt da ein Text des Propheten Jesaja ein. Achthundert Jahre vor Christus beschrieben diese Worte die Reisen der messianischen Zeit im Bild der sich hebenden Täler und sich senkenden Berge (vgl. Jes 40,4). Wenn wir heute auf den modernen Autobahnen dahinfahren, durch Tunnels und über Talbrücken, fällt es schwer, nicht an diese alte biblische Prophezeiung zu denken. Ihre Aufgabe, meine Herrn Minister, drängt sie unablässig, die moderne, von den Wundern der Beweglichkeit wie geblendete Bevölkerung mit 1362 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN neuen, raschen und sicheren Straßen zu versorgen; aber ebenso mit immer zahlreicheren, wirksameren und komfortableren sowie finanziell annehmbaren Verkehrsmitteln. Und die Technik ist auf dem Weg, weitere Möglichkeiten für die Entwicklung des bereits dichten Netzes der Luftwege anzubieten. Die Vermehrung der Verbindung auf dem Land, zu Wasser und in der Luft stellt das Ziel Ihrer Politik innerhalb jedes Ihrer Länder dar. Aber Ihre Fachtagungen auf Ministerebene veranlassen Sie, über die nationalen Grenzen hinauszugehen, um die Ihnen gemeinsamen Schwierigkeiten zu lösen; und umfassendere und tiefere Beziehungen zu kulturell nahestehenden oder geographisch weit entfernten Ländern anzuknüpfen. 3. Obgleich die modernen Ballungszentren - vor allem wegen des Stadtverkehrs - noch weit entfernt sind von der idealen Stadt für den Menschen, so zählt hingegen auf internationaler Ebene der Verkehr zu den wirksamsten Mitteln, um ganz konkret eine gerechtere Gesellschaft und eine größere Heimat zu verwirklichen. Durch die oft sehr hochentwickelten modernen Verkehrsmittel wird der Warenaustausch zwischen den Völkern erleichtet, die Entfernungen zwischen den Kontinenten werden verkürzt; und innerhalb der einzelnen Kontinente - wie das in Europa bereits der Fall ist - kommen Kräfte verschiedener Art in Bewegung, die auf den Aufbau einer neuen und größeren Einheit hinzielen. In unserer Zeit erleben wir, wie gewaltige Menschenmassen - man kann von Hunderten von Millionen Menschen sprechen - auf den Straßen der Welt, jenseits ihrer Landesgrenzen und ihrer Zeitzonen, unterwegs sind, auf der Suche nach Arbeit, als Touristen, um andere Völker und andere Kulturen zu entdecken. Das ist ein Phänomen friedlicher Mobilität, die von dem Grundsatz inspiriert ist, daß die besonderen und eigentümlichen Güter einer Nation gleichsam das Erbgut der ganzen Menschheit darstellen. Jeder Bewohner des Universums ist dazu berufen, sie im Rahmen des Möglichen zu nutzen, um aus diesen Gütern eine menschliche und geistige Bereicherung zu schöpfen. Das gilt ebenso für die Schönheiten der Natur, die zum Betrachten geschaffen sind, wie für die Werke der Kunst, die aus der Nähe betrachtet werden sollen, oder die Arbeitsstellen, die auf gefunden werden müssen, und schließlich auch für die Kultstätten, die besucht werden wollen. Die echte Förderung des Menschen ist ein großartiges Werk. Es kann durch den Verkehr der heutigen Zeit in einzigartiger Weise erleichtert 1363 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN werden. Der Mensch, dessen Sendungsauftrag der Aufbau einer wahrhaft menschlichen Gesellschaft ist, muß sich das immer mehr angelegen sein lassen, unter Einbezug der Bedeutung des Bereiches Verkehr. 4. Sehr geehrte Herren Minister, meine Damen und Herren, die Kirche, die für alles, was den Geist und das Herz des Menschen erheben und die Völker einander näherbringen kann, zutiefst empfänglich ist, richtet einen aufmerksamen und hoffnungsvollen Blick auf die Arbeiten einer Konferenz wie jener, die Sie soeben abgehalten haben. Sie tut dies im Namen des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit, der menschlichen und religiösen Förderung. Darum möchte ich zum Abschluß dieser angenehmen Begegnung noch einmal jedem einzelnen von Ihnen meine Grüße und meine besten Wünsche aussprechen. Gott stehe Ihnen bei! 1364 Rundschreiben Slavorum Apostoli an die Bischöfe, die Priester, die Ordensgemeinschaften und alle Gläubigen in Erinnerung an das Werk der Evangelisierung der heiligen Cyrill und Methodius vor 1100 Jahren 2. Juni 1985 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN I. Einleitung 1. Die Apostel der Slawen, die heiligen Cyrill und Methodius, bleiben im Gedächtnis der Kirche zusammen mit dem großen Werk der Glaubensverkündigung, das sie vollbracht haben. Man kann sogar sagen, daß ihr Andenken in unseren Tagen besonders lebendig und aktuell geworden ist. In Anbetracht der Verehrung und Dankbarkeit, welche die heiligen Brüder von Saloniki (dem alten Thessalonike) seit Jahrhunderten vor allem bei den slawischen Völkern erfahren, und in Erinnerung an den unschätzbaren Beitrag, den sie für das Werk der Glaubensverkündigung unter jenen Völkern und zugleich für die Sache der Versöhnung, des freundschaftlichen Zusammenlebens, der menschlichen Entwicklung und der Achtung vor der inneren Würde jeder Nation erbracht haben, habe ich durch das Apostolische Schreiben Egregiae virtutis1 vom 31. Dezember 1980 die heiligen Cyrill und Methodius zu Mitpatronen Europas erklärt. Damit führte ich die Linie fort, die meine Vorgänger bereits gezogen hatten, vornehmlich Leo XIII., der vor mehr als hundert Jahren, am 30. September 1880, mit der Rundschreiben Grande munus <211> den Kult der beiden Heiligen auf die gesamte Kirche ausgedehnt hat, und Paul VI., der mit dem Apostolischen Schreiben Pacis nuntius <212> vom 24. Oktober 1964 den heiligen Benedikt zum Patron Europas erklärt hat. <211> Das Dokument vor fünf Jahren zielte darauf hin, das Bewußtsein von diesen feierlichen Akten der Kirche neu zu beleben, und wollte die Aufmerksamkeit der Christen und aller Menschen guten Willens, denen das Wohl, die Eintracht und die Einheit Europas am Herzen liegen, darauf lenken, wie lebendig und aktuell jene hervorragenden Gestalten Benedikt, Cyrill und Methodius als konkrete Modelle und geistige Stützen für die Christen unserer Zeit und insbesondere für die Völker des europäischen Kontinents sind, die schon seit langem, vor allem dank des Gebetes und des Wirkens dieser Heiligen, bewußt und eigenständig in der Kirche und in der christlichen Überlieferung Wurzel gefaßt haben. 1366 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN billigte. Der zweite Anlaß war der 100. Jahrestag des erwähnten Rundschreibens Grande munus; und der dritte war der gerade in jenem Jahr 1980 glücklich beginnende erfolgversprechende theologische Dialog zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche auf Patmos. 3. Im vorliegenden Dokument möchte ich mich im besonderen auf das genannte Rundschreiben beziehen, mit dem Papst Leo XIIL der Kirche und der Welt die apostolischen Verdienste beider Brüder in Erinnerung rufen wollte: nicht nur des Methodius, der nach der Überlieferung im Jahre 885 sein Leben in Welehrad in Großmähren beschloß, sondern auch des Cyrill, den der Tod bereits im Jahre 869 in Rom von seinem Bruder trennte, in jener Stadt, die seine Reliquien aufnahm und mit frommer Verehrung noch heute in der antiken Basilika des hl. Klemens bewahrt. Im Andenken an das heilige Leben und die apostolischen Verdienste der beiden Brüder von Saloniki setzte Papst Leo XIII. ihr liturgisches Fest auf den 7. Juli fest. Nach dem II. Vatikanischen Konzil wurde das Fest infolge der liturgischen Reform auf den 14. Februar verlegt, ein Datum, das unter historischem Gesichtspunkt die „Geburt“ Cyrills für den Himmel angibt. Nach mehr als hundert Jahren seit der Veröffentlichung der Enzyklika Leos XIII. veranlassen uns die neuen Umstände, in die der 1100. Jahrestag des seligen Todes des hl. Methodius fällt, dazu, jenem Andenken neu Ausdruck zu verleihen, das die Kirche von diesem wichtigen Ereignis bewahrt. Dazu fühlt sich in besonderer Weise der erste Papst verpflichtet, der aus Polen und damit aus der Mitte der slawischen Völker auf den Stuhl des hl. Petrus berufen worden ist. Die Ereignisse des letzten Jahrhunderts und vor allem der letzten Jahrzehnte haben dazu beigetragen, in der Kirche zusammen mit dem religiösen Andenken auch das geschichtlich-kulturelle Interesse für die beiden heiligen Brüder neu zu wecken; ihre besonderen Charismen wurden dabei im Licht der unserer Epoche eigenen Situationen und Erfahrungen noch besser verständlich. Dazu haben viele Geschehnisse beigetragen, die als echte Zeichen der Zeit zur Geschichte des 20. Jahrhunderts gehören, so vor allem jener bedeutende Vorgang, der sich im Leben der Kirche durch das II. Vatikanische Konzil zugetragen hat. Im Licht des Lehramtes und der pastoralen Ausrichtung jenes Konzils können wir in einer neuen, reiferen und tieferen Weise diese zwei Heiligengestalten betrachten, von denen uns nunmehr schon elf Jahrhunderte trennen, und aus ihrem Leben und apostolischen Wirken jene Botschaft ablesen, welche die Weisheit der göttlichen Vorsehung darin niederlegte, damit sie sich in unserer Epoche in neuer Fülle zeige und neue Früchte trage. 1367 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN II. Einige biographische Hinweise 4. Nach dem Beispiel des Rundschreibens Grande munus möchte ich das Leben des hl. Methodius in Erinnerung rufen, dessen 1100. Todestag wir dieses Jahr begehen, ohne dabei jedoch den damit so eng verbundenen Lebensweg seines Bruders, des hl. Cyrill, zu übergehen. Das soll hier nur in großen Linien geschehen, während genauere Einzelheiten und die Diskussion einzelner Punkte der Geschichtsforschung überlassen bleiben. Die Stadt, in der die beiden heiligen Brüder geboren wurden, ist das heutige Saloniki; im 9. Jahrhundert bildete es ein wichtiges Zentrum des wirtschaftlichen und politischen Lebens im byzantinischen Reich und nahm im geistigen und sozialen Geschehen jener Balkangegend einen bedeutenden Platz ein. Da es an der Grenze zu den slawischen Ländern lag, hatte es gewiß auch einen slawischen Namen: Solun. Methodius war der ältere Bruder und trug wahrscheinlich den Taufnamen Michael. Er wurde zwischen den Jahren 815 und 820 geboren. Der jüngere Konstantin, später besser bekannt unter dem Ordensnamen Cyrill, kam im Jahre 827 oder 828 zur Welt. Der Vater war hoher Beamter der kaiserlichen Verwaltung. Die gesellschaftliche Stellung der Familie eröffnete den beiden Brüdern eine ähnliche Laufbahn, wie sie Methodius dann auch tatsächlich einschlug und dabei den Rang eines Archonten oder Präfekten in einer der Grenzprovinzen erlangte, wo viele Slawen lebten. Aber schon um das Jahr 840 brach er diese Laufbahn ab, um sich in eines der Klöster am Fuß des Olymp in Bithynien zurückzuziehen, der damals unter dem Namen Heiliger Berg bekannt war. Der Bruder Cyrill studierte mit besonderem Erfolg in Byzanz, wo er die heiligen Weihen empfing, nachdem er eine glänzende politische Laufbahn entschieden zurückgewiesen hatte. Aufgrund seiner ausgezeichneten Begabungen und Kenntnisse auf kulturellem und religiösem Gebiet wurden ihm bereits in jungen Jahren schwierige kirchliche Aufgaben anvertraut, wie die eines Bibliothekars im Archiv an der berühmten Kirche der heiligen Sophia in Konstantinopel und zur gleichen Zeit das angesehene Amt eines Sekretärs des Patriarchen in derselben Stadt. Sehr bald aber zeigte er sich entschlossen, solchen Aufgaben zu entsagen, um sich, frei von jedem Streben nach Ehren, dem Studium und dem kontemplativen Leben zu widmen. So flüchtete er heimlich in ein Kloster am Ufer des Schwarzen Meeres. Als man ihn dort nach sechs Monaten fand, ließ er sich dazu bewegen, den Unterricht in Philosophie an der Hochschule von Konstantinopel zu übernehmen; dabei verdiente er sich wegen seiner hervorragenden Kenntnisse den Beinamen Philosoph, unter dem er noch 1368 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heute bekannt ist. Später wurde er von Kaiser und Patriarch in offizieller Mission zu den Sarazenen entsandt. Nachdem dieser Auftrag beendet war, zog er sich vom öffentlichen Leben zurück, um sich seinem älteren Bruder Methodius anzuschließen und mit diesem das Leben eines Mönches zu teilen. Doch zusammen mit Methodius wurde er erneut als religiöser und kultureller Fachmann in eine Delegation von Byzanz berufen, die zu den Chasaren entsandt wurde. Während eines Aufenthaltes auf der Krim bei Cherson glaubten sie die Kirche entdeckt zu haben, in der einst der hl. Klemens beigesetzt worden war, der römische Papst und Märtyrer, den man seinerzeit in jene entfernte Gegend ins Exil geschickt hatte; sie erhoben die Reliquien und nahmen sie mit sich. Die Reliquien begleiteten dann die beiden Brüder auf der nachfolgenden Missionsreise zum Westen bis zu jenem Augenblick, da diese sie feierlich nach Rom bringen und an Papst Hadrian II. übergeben konnten. 5. Das Ereignis, das den folgenden Verlauf ihres Lebens völlig bestimmen sollte, war die Bitte von Fürst Rastislaw von Großmähren an Kaiser Michael III., seinen Völkern „einen Bischof und Lehrer zu schicken, . . . der in der Lage sei, ihnen den wahren christlichen Glauben in ihrer eigenen Sprache zu erklären“. Dafür erwählt wurden die heiligen Cyrill und Methodius. Sie nahmen die Aufgabe bereitwillig an, brachen auf und erreichten wahrscheinlich schon im Jahre 863 Großmähren, das damals einen Staat von verschiedenen slawischen Völkern in Mitteleuropa bildete, am Schnittpunkt der beiderseitigen Einflüsse von Ost und West. Unter diesen Völkern begannen sie nun jene Mission, der beide den ganzen Rest ihres Lebens widmeten: auf Reisen, unter Entbehrungen, Leiden, Feindseligkeiten und Verfolgungen, die bei Methodius sogar zu grausamem Gefängnis führten. Dies alles ertrugen sie mit starkem Glauben und unbesiegbarer Hoffnüng auf Gott. Sie waren ja auch für die ihnen anvertraute Aufgabe gut vorbereitet: Sie trugen die für die Feier der heiligen Liturgie notwendigen Texte der Heiligen Schrift bei sich, die von ihnen zusammengestellt, in die altslawische Sprache übersetzt und in einem neuen Alphabet niedergeschrieben waren, das von Konstantin (Cyrill), dem Philosophen, erarbeitet und den Lauten jener Sprache vollkommen angepaßt war. Das missionarische Wirken der beiden Brüder war von bemerkenswertem Erfolg begleitet, aber auch von verständlichen Schwierigkeiten, welche die vorhergehende Erstchristianisierung durch die benachbarten lateinischen Ortskirchen den neuen Missionaren bereitete. Ungefähr drei Jahre später unterbrachen sie eine Reise nach Rom in 1369 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Pannonien, wo sie der Slawenfürst Kozel - der aus dem wichtigen politischen und religiösen Zentrum von Nitra geflohen war - gastfreundlich aufnahm. Nach einigen Monaten setzten sie von hier aus zusammen mit ihren Schülern, für die sie die heiligen Weihen erhalten wollten, den Weg in Richtung Rom fort. Ihre Reise ging über Venedig, wo die neuen Grundlagen der von ihnen durchgeführten Mission einer öffentlichen Diskussion unterzogen wurden. In Rom nahm sie Papst Hadrian II., der inzwischen auf Nikolaus I. gefolgt war, sehr wohlwollend auf. Er billigte die slawischen liturgischen Bücher und ließ sie feierlich auf den Altar der Kirche Santa Maria ad Praesepe, heute Santa Maria Maggiore genannt, niederlegen; er gab Anweisung, ihren Schülern die Priesterweihe zu erteilen. Dieser Abschnitt ihrer Mühen endete somit auf äußerst günstige Weise. Methodius mußte allerdings die folgende Etappe allein unternehmen, weil sein jüngerer Burder, schwer erkrankt, gerade noch die Zeit fand, die Ordensgelübde abzulegen und das Mönchsgewand anzuziehen; denn kurz darauf, am 14. Februar 869, starb er in Rom. 6. Der heilige Methodius blieb den Worten treu, die Cyrill auf dem Sterbebett zu ihm gesprochen hatte: „Siehe, Bruder, wir haben das gleiche Geschick geteilt und den Pflug in dieselbe Furche gedrückt; jetzt falle ich auf dem Felde am Abend meiner Tage. Ich weiß, du liebst sehr deinen Heiligen Berg; gib aber um dieses Berges willen dein Wirken in der Glaubensunterweisung nicht auf. Wo könntest du dich auch wahrlich besser retten?“ Nachdem er zum Erzbischof für den Bereich der alten Diözese Pannonien geweiht und zum päpstlichen Legaten „ad gentes“ (für die Slawenvölker) ernannt worden war, übernahm er als kirchlichen Sitz das wiederhergestellte Bistum Sirmium. Das apostolische Wirken des Methodius wurde jedoch unterbrochen infolge von Schwierigkeiten, die politisch-religiöser Natur waren, und die mit der Einkerkerung des Methodius für zwei Jahre unter der Anklage, er habe sich in eine fremde bischöfliche Jurisdiktion eingemischt, ihren Höhepunkt erreichten. Erst durch die persönliche Intervention von Papst Johannes VIII. kam er wieder frei. Auch der neue Herrscher von Großmähren, Fürst Swatopluk, zeigte sich schließlich ablehnend gegenüber dem Wirken des Methodius, indem er sich der slawischen Liturgie widersetzte und in Rom Zweifel an der Rechtgläubigkeit des neuen Erzbischofs verbreitete. Im Jahre 880 wurde Methodius ad limina Apostolorum gerufen, um dort noch einmal die ganze Frage Papst Johannes VIII. persönlich vorzutragen. Nachdem er in Rom von allen Anklagen freigesprochen worden war, erlangte er vom Papst die Veröf- 1370 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fentlichung der Bulle Industriae tuae, die wenigstens im Kern die Privilegien erneuerte, die der Vorgänger Hadrian II. der Liturgie in slawischer Sprache zuerkannt hatte. Als sich Methodius im Jahre 881 oder 882 nach Konstantinopel begab, erhielt er eine entsprechende Anerkennung völliger Rechtmäßigkeit und Rechtgläubigkeit auch vom byzantinischen Kaiser und vom Patriarchen Photius, der in jener Zeit mit Rom in voller kirchlicher Gemeinschaft stand. Die letzten Jahre seines Lebens widmete er vor allem weiteren Übersetzungen der Heiligen Schrift und der liturgischen Bücher, der Werke der Kirchenväter sowie auch der Sammlung des byzantinischen Kirchen- und Zivilrechtes, die Nomokanon genannt wurde. Aus Sorge für das Überleben des von ihm begonnenen Werkes bestimmte er zu seinem Nachfolger seinen Schüler Gorazd. Methodius starb am 6. April 885 im Dienst für die Kirche unter den Slawenvölkem. 7. Weitsichtiges Wirken, tiefe und rechtgläubige Theologie, Ausgeglichenheit und Treue, apostolischer Eifer und unerschrockener Großmut verschafften ihm die Anerkennung und das Vertrauen der römischen Päpste, der Patriarchen von Konstantinopel, der byzantinischen Kaiser und verschiedener Fürsten der neuen Slawenvölker. Darum wurde Methodius der Anführer und rechtmäßige Oberhirt der Kirche, die in jener Zeit bei diesen Nationen Wurzel faßte; einmütig wird er zusammen mit seinem Bruder Konstantin verehrt als Verkünder des Evangeliums und als Lehrmeister „von seiten Gottes und des heiligen Apostels Petrus“ als Fundament der vollen Einheit zwischen den neugegründeten und den älteren Ortskirchen. Deshalb bildeten „Männer und Frauen, Kleine und Große, Reiche und Arme, Freie und Knechte, Witwen und Waisen, Fremde und Einheimische, Gesünde und Kranke“ jene Volksmenge, die unter Weinen und Singen den guten Meister und Hirten zu seiner letzten Ruhestätte geleitete, ihn, der „allen alles geworden (war), um auf jeden Fall einige zu retten“. Es ist leider wahr, daß das Werk der beiden heiligen Brüder nach dem Tode des Methodius in eine schwere Krise geriet, und die Verfolgung seiner Schüler nahm so heftige Formen an, daß sie gezwungen waren, ihr Missionsfeld zu verlassen; dennoch trug ihre Aussaat der Frohen Botschaft weiterhin ihre Früchte, und ihre pastorale Einstellung, die sich darum bemühte, die offenbarte Wahrheit den neuen Völkern in Achtung vor ihrer kulturellen Eigenart zu vermitteln, bleibt ein lebendiges Modell für die Kirche und die Missionare aller Zeiten. 1371 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN III. Verkünder des Evangeliums 8. In ihrer Kultur Byzantiner, verstanden es die Brüder Cyrill und Methodius, im vollen Sinne des Wortes Apostel der Slawen zu werden. Die Trennung von der Heimat, die Gott zuweilen von den erwählten Menschen fordert, stellt immer, wenn sie im Licht des Glaubens und seiner Verheißung angenommen wird, eine geheimnisvolle und fruchtbare Voraussetzung für die Entwicklung und das Wachstum des Volkes Gottes auf der Erde dar. Der Herr sprach zu Abraham: „Zieh weg aus deinem Land, aus deiner Heimat und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde! Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein“. Während der nächtlichen Vision, die der hl. Paulus in Troas in Kleinasien hatte, erschien ihm ein Mazedonier, also ein Bewohner des europäischen Kontinents, und flehte ihn an, in sein Land zu kommen, um auch dort das Wort Gottes zu verkünden: „Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!“ Die göttliche Vorsehung, die für die beiden heiligen Brüder in der Stimme und Autorität des Kaisers von Byzanz und des Patriarchen der Kirche von Konstantinopel zum Ausdruck kam, richtete an sie eine ähnliche Aufforderung, als sie von ihnen verlangte, auf Mission unter den Slawen zu gehen. Ein solcher Auftrag bedeutete für sie, nicht nur eine ehrenvolle Stellung, sondern auch das kontemplative Leben aufzugeben; er bedeutete, den Umkreis des byzantinischen Reiches zu verlassen und eine lange Pilgerfahrt im Dienst des Evangeliums auf sich zu nehmen, unter Völkern, die in vielerlei Hinsicht weit entfernt waren von jener Zivilisation, die auf der entwickelten staatlichen Organisation und der verfeinerten Kultur von Byzanz beruhte, welche von christlichen Prinzipien ganz durchdrungen war. Eine ähnliche Aufforderung richtete der Papst in Rom dreimal an Methodius, als er ihn als Bischof zu den Slawen von Großmähren sandte, in die kirchlichen Gebiete der alten Diözese Pannonien. <213> <213> Die slawische Lebensbeschreibung des Methodius überliefert uns die Bitte, die Fürst Rastislaw an Kaiser Michael III. durch seine Gesandten richtete, mit folgenden Worten: „Zahlreiche christliche Lehrer sind zu uns aus Italien, Griechenland und Germanien gekommen, die uns in verschiedener Weise unterrichten. Aber wir Slawen . . . haben niemanden, der uns auf verständliche Weise in der Wahrheit einführt und uns darin unterrichtet.“15 Das war die Stunde, da Konstantin und Methodius aufgefordert wurden, sich auf den Weg zu machen. Ihre tief christliche Antwort auf 1372 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN diese Bitte, wie sie sie jetzt und bei ähnlichen Gelegenheiten gaben, ist in wunderbarer Weise mit den Worten ausgedrückt, die Konstantin an den Kaiser richtete: „Wenn auch müde und von schwacher Gesundheit, so gehe ich doch mit Freude in jenes Land“; „mit Freude breche ich auf für den christlichen Glauben“. Die Echtheit und Kraft ihres missionarischen Auftrags stammten aus der innersten Mitte des Erlösungsgeheimnisses, und ihre Verkündigung unter den Slawenvölkern sollte ein wichtiges Glied in jener Sendung bilden, die der Erlöser der gesamten Kirche bis ans Ende der Zeiten aufgetragen hat. In ihrem Wirken erfüllten sich - in einer bestimmten Zeit und unter konkreten Umständen - die Worte Christi, der in der Kraft von Kreuz und Auferstehung die Apostel aufgefordert hatte: „Verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“; „geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“. Indem sie danach handelten, ließen sich diese Missionare und Lehrer der Slawenvölker vom apostolischen Ideal des hl. Paulus leiten: „Ihr seid alle durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt. Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid,einer“ in Christus Jesus.“ Neben einer hohen Achtung vor den Personen und selbstloser Sorge für deren Wohl besaßen die beiden heiligen Brüder auch ein gutes Maß an Energie, Klugheit, Eifer und Liebe, die unerläßlich sind, um den Menschen das Glaubenslicht zu bringen und zugleich das wahre Heil vor Augen zu stellen mit dem Angebot konkreter Hilfe, um es auch wirklich zu erreichen. Für dieses Ziel strebten sie danach, in allem denjenigen ähnlich zu werden, denen sie das Evangelium brachten; sie wollten Mitbürger jener Völker werden und ihr Geschick in allem teilen. <214> <214> Gerade aus diesem Grunde fanden sie es natürlich, eine klare Stellung in all jenen Konflikten einzunehmen, die damals die slawischen Gemeinschaften auf ihrem Weg zu staatlicher Organisation erschütterten; sie machten sich dabei die Schwierigkeiten und Probleme zu eigen, die nicht zu vermeiden waren für Völker, die ihre eigene Identität unter dem militärischen und kulturellen Druck des neuen römisch-germanischen Reiches verteidigten und versuchten, jene Lebensformen zurückzuweisen, die ihnen fremd erschienen. Zur selben Zeit begannen auch weiterreichende Auseinandersetzungen, die sich unglücklicherweise noch verschärfen sollten, zwischen der östlichen und der westlichen Christenheit, und die zwei heiligen Missionare sahen sich persönlich darin verwickelt; 1373 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie verstanden es aber, immer eine untadelige Rechtgläubigkeit zu bewahren und eine überzeugende Rücksicht auf das Erbe der Tradition wie auch auf die neuen Lebensumstände der zum Evangelium bekehrten Völker. Oft stellten sich die Gegensätze in all ihren mehrdeutigen und schmerzlichen Verwicklungen dar; trotzdem versuchten Konstantin und Methodius nicht, sich den Prüfungen zu entziehen: Unverständnis, offene Böswilligkeit und für den heiligen Methodius sogar Gefängnisketten, die er aus Liebe zu Christus annahm, vermochten weder den einen noch den anderen von ihrem entschlossenen Vorhaben abzuhalten, dem Wohl der Slawenvölker zu nützen und zu dienen. Das war der Preis, den sie für die Verbreitung des Evangeliums, für ihr missionarisches Werk, für die mutige Suche nach neuen Lebensformen und wirksamen Wegen entrichten mußten, um die Frohe Botschaft zu den Slawenvölkern gelangen zu lassen, die sich gerade bildeten. Im Hinblick auf die Evangelisierung - so berichten ihre Lebensbeschreibungen - wandten sich die beiden heiligen Brüder der schwierigen Aufgabe zu, die Texte der Heiligen Schrift, die ihnen in Griechisch bekannt waren, in die Sprache jenes slawischen Stammes zu übersetzen, der bis zu den Grenzen ihrer Gegend und ihrer Geburtsstadt vorgedrungen war. Indem sie ihre Kenntnis der griechischen Sprache und Kultur für dieses schwierige und einmalige Vorhaben dienstbar machten, setzten sie es sich zur Aufgabe, Sprache, Sitten und Traditionen der Slawenvölker zu verstehen und zu durchdringen und dabei die menschlichen Werte und Intentionen, die darin lagen und zum Ausdruck kamen, getreu zu deuten. <215> <215> Um die Glaubenswahrheiten in eine neue Sprache zu übersetzen, mußten sie sich darum bemühen, die geistige Welt derjenigen gut kennenzulernen, denen sie das Wort Gottes in Büdern und Begriffen verkünden wollten, welche diesen vertraut erschienen. Die Ausdrücke der Bibel und die Begriffe der griechischen Theologie in Zusammenhang davon sehr verschiedener geschichtlicher Erfahrungen und Ideen richtig einzufügen, erschien ihnen als eine unerläßliche Voraussetzung für den Erfolg ihres missionarischen Wirkens. Es ging um eine neue katechetische Methode. Um deren Berechtigung zu verteidigen und ihren Wert aufzuzeigen, zögerte der hl. Methodius nicht, zunächst gemeinsam mit seinem Bruder und dann auch allein die Aufforderung zu einem Besuch in Rom bereitwillig anzunehmen, die sie im Jahre 867 von Papst Nikolaus I. und im Jahre 879 von Papst Johannes VIII. erhielten. Diese wollten die Lehre, welche die Brüder in Großmähren vortrugen, mit jener vergleichen, die die heiligen Apostel Petrus und Paulus zusammen mit dem ruhmreichen 1374 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Denkmal ihrer heiligen Reliquien dem ersten Bischofssitz der Kirche hinterlassen hatten. Zuvor hatten Konstantin und seine Mitarbeiter sich darum bemüht, ein neues Alphabet zu schaffen, damit die Wahrheiten, die sie verkünden und erklären wollten, in der slawischen Sprache aufgeschrieben werden könnten und sich so als voll verständlich und aneignungsfähig für ihre Adressaten erwiesen. Es war eine besondere Anstrengung, missionarischem Geist wahrhaft würdig, die Sprache und Mentalität der neuen Völker zu erlernen, um ihnen den Glauben bringen zu können, wie auch ihre Entschlossenheit beispielhaft war, diese Mentalität sich selbst zu eigen zu machen und alle Forderungen und Erwartungen der Slawenvölker zu übernehmen. Der hochherzige Entschluß, sich mit deren Leben und Traditionen zu identifizieren, nachdem sie diese durch die Offenbarung gereinigt und erleuchtet hatten, macht Cyrill und Methodius zu einem wahren Modell für alle Missionare, die in den verschiedenen Zeitepochen die Aufforderung des hl. Paulus angenommen haben, allen alles zu werden, um alle zu erlösen, und vor allem für diejenigen Missionare, die vom Altertum bis in die Neuzeit - von Europa bis Asien und heute in allen Kontinenten -daran gearbeitet haben, die Bibel und die liturgischen Texte in die lebenden Sprachen der verschiedenen Völker zu übersetzen, um darin das eine und einzige Wort Gottes erklingen zu lassen, das auf diese Weise in den Ausdrucksformen, die jeder einzelnen Zivilisation eigen sind, zugänglich wird. Die vollkommene Gemeinschaft in der Liebe bewahrt die Kirche vor jeglicher Form von völkischer Einseitigkeit oder Ausschließlichkeit oder rassischem Vorurteil wie auch vor jeder nationalistischen Überheblichkeit. Diese Gemeinschaft muß jedes berechtigte rein natürliche Gefühl des menschlichen Herzens erheben und veredeln. IV. Sie pflanzten die Kirche Gottes ein 12. Aber das Charakteristische, das ich im Wirken der Slawenapostel Cyrill und Methodius besonders hervorheben möchte, ist ihre friedliche Art, die Kirche aufzuerbauen, wobei sie sich vom Blick auf die eine, heilige und universale Kirche leiten ließen. Auch wenn die slawischen Christen mehr als die anderen die heiligen Brüder als „Slawen nach dem Herzen“ ansehen, so bleiben diese doch Menschen hellenistischer Kultur und byzantinischer Prägung, Menschen 1375 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN also, die ganz der östlichen Tradition des Christentums angehören, sei es im gesellschaftlichen wie im kirchlichen Bereich. Schon zu ihren Zeiten begannen die Unterschiede zwischen Konstantinopel und Rom Vorwände für Uneinigkeit zu werden, auch wenn die beklagenswerte Spaltung zwischen den beiden großen Teilen der einen Christenheit noch fern war. Die Verkündiger des Evangeliums und Lehrer der Slawen machten sich auf den Weg nach Großmähren, erfüllt vom ganzen Reichtum der Tradition und der religiösen Erfahrung, der das östliche Christentum auszeichnete und seinen besonderen Ausdruck in der theologischen Lehre und in der Feier der Liturgie fand. Wenn auch schon seit einiger Zeit die Gottesdienste in allen Kirchen des byzantinischen Reiches in griechischer Sprache gefeiert wurden, so waren doch die eigenen Traditionen vieler Nationalkirchen des Orients - wie zum Beispiel der georgischen und der syrischen Kirche -, die im Gottesdienst die Sprache ihres Volkes benutzten, im Bereich der höheren Kultur von Konstantinopel und insbesondere Konstantin, dem Philosophen, gut bekannt, dank der Studien und der wiederholten Kontakte, welche er in der Hauptstadt und auf seinen Reisen mit den Christen jener Kirchen gehabt hatte. Im Bewußtsein des Alters und der Legitimität dieser ehrwürdigen Traditionen hatten beide Brüder keinerlei Bedenken, die slawische Sprache für die Liturgie zu gebrauchen, sondern benützten sie als wirksames Werkzeug, um die göttlichen Wahrheiten allen Menschen dieser Sprache näherzubringen. Sie taten dies in einer geistigen Haltung, der jedes Gefühl der Überlegenheit oder Vorherrschaft fremd war, allein aus Liebe zur Gerechtigkeit und mit eindeutigem apostolischem Eifer gegenüber den Völkern, die dabei waren, sich zu entwickeln. Das abendländische Christentum hatte nach der Völkerwanderung die hinzugekommenen ethnischen Gruppen mit der ansässigen lateinischen Bevölkerung verschmolzen und in der Absicht, sie zu einigen, auf alle die lateinische Sprache, Liturgie und Kultur übertragen, wie sie von der römischen Kirche überliefert waren. Von der so erreichten Einheitlichkeit leitete sich für die verhältnismäßig jungen und in voller Ausbreitung begriffenen Gemeinschaften ein Gefühl der Stärke und der Geschlossenheit her, das zu einer noch engeren Einheit wie auch zu einem kraftvolleren Auftreten in Europa beitrug. Man kann verstehen, wie in einer solchen Situation jede Verschiedenheit manchmal von vielen als Bedrohung der noch im Werden befindlichen Einheit verstanden wurde und wie die Versuchung groß werden konnte, sie mit Zwangsmaßnahmen auszuschalten. 1376 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 13. An diesem Punkt erscheint es einzigartig und bewunderswert, wie die beiden heiligen Brüder, die in so schwierigen und unsicheren Situationen wirkten, nicht einmal versuchten, den Völkern, die ihrer Predigt zugewiesen waren, die unbestrittene Überlegenheit der griechischen Sprache und der byzantinischen Kultur oder die Sitten und Gebräuche der fortgeschritteneren Gesellschaft aufzudrängen, in welcher sie selbst aufgewachsen waren und ihre Angehörigen und Freunde selbstverständlich noch lebten. Vom Ideal bewegt, die neuen Gläubigen in Christus zu einigen, paßten sie die reichen und verfeinerten Texte der byzantinischen Liturgie der slawischen Sprache an und glichen ebenso die ausgefeilten und komplizierten Werke des griechisch-römischen Rechtes der Mentalität und den Gewohnheiten der neuen Völker an. Aufgrund des gleichen Programmes von Eintracht und Frieden erfüllten sie jederzeit die Verpflichtungen ihrer Mission, indem sie auf die traditonellen Vorrechte und kirchlichen Rechte achteten, die in den Konzilskanones festgelegt waren, wie sie es auch für ihre Pflicht hielten - als Untertanen des Ostreiches und als Gläubige des Patriarchates von Konstantinopel -, dem römischen Papst Rechenschaft über ihre Missionsarbeit abzulegen und seinem Urteil zur Bestätigung die Lehre, die sie bekannten und verbreiteten, die in slawischer Sprache verfaßten liturgischen Bücher und die Methoden, die sie bei der Evangelisierung jener Völker anwandten, zu unterbreiten. Als sie ihre Missionsarbeit im Auftrag von Konstantinopel aufnahmen, versuchten sie gewissermaßen die Bestätigung hierfür zu erhalten, indem sie sich an den Apostolischen Stuhl in Rom wandten, das sichtbare Zentrum der Einheit der Kirche. Sie erbauten so die Kirche im Sinne ihrer Universalität, nämlich als die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Dies zeigt in sehr klarer und ausdrücklicher Form ihr gesamtes Verhalten. Man kann sagen, daß die Bitte Jesu im Hohepriester-lichen Gebet - damit sie eins sind - ihr missionarisches Motto darstellt nach den Worten des Psalmisten: „Lobet den Herrn, alle Völker, preist ihn, alle Nationen.“ Für uns Menschen heute liegt in ihrem Apostolat auch ein ökumenischer Appell: die Aufforderung, in Versöhnung und Frieden die Einheit wiederherzustellen, die in der Zeit nach den heiligen Cyrill und Methodius tief verletzt worden ist, zuallererst die Einheit zwischen Ost und West. Die Überzeugung der beiden heiligen Brüder von Saloniki, wonach jede Ortskirche dazu berufen ist, mit ihren eigenen Gaben die katholische „Fülle“ anzureichern, stimmte vollkommen überein mit ihrer dem Evangelium entnommenen Sicht, daß die verschiedenen Lebensbedingungen der einzelnen christlichen Kirchen niemals Unstimmigkeiten, Zwietracht 1377 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Spaltungen im Bekenntnis des einen Glaubens und in der Praxis der Liebe rechtfertigen können. 14. Nach der Lehre des II. Vatikanischen Konzils versteht man bekanntlich „unter der ,ökumenischen Bewegung“ . . . Tätigkeiten und Unternehmungen, die je nach den verschiedenartigen Bedürfnissen der Kirche und nach Möglichkeit der Zeitverhältnisse zur Förderung der Einheit der Christen ins Leben gerufen und auf dieses Ziel ausgerichtet sind“. Es erscheint also keineswegs anachronistisch, in den heiligen Cyrill und Methodius die authentischen Vorläufer des Ökumenismus zu sehen, weil sie jede wirkliche oder auch nur scheinbare Spaltung unter den einzelnen Gemeinschaften der einen Kirche wirksam haben überwinden oder verringern wollen. Tatsächlich widerspricht die Spaltung, die sich leider in der Geschichte der Kirche ereignet hat und unseligerweise noch andauert, „ganz offenbar dem Willen Christi, sie ist ein Ärgernis für die Welt und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen“. Der glühende Eifer der beiden Brüder, vor allem des Methodius wegen seiner bischöflichen Verantwortung, für die Bewahrung der Einheit des Glaubens und der Liebe zwischen den Kirchen, deren Mitglieder sie waren, das heißt der Kirche von Konstantinopel und der Kirche von Rom auf der einen Seite und den jungen Kirchen auf slawischem Boden, war ihr großes Verdienst und wird es immer bleiben. Dieses Verdienst ist um so größer, wenn man sich vergegenwärtigt, daß ihre Missionsarbeit in den Jahren 863-885 geschah, also in den kritischen Jahren, in denen der fatale Streit und die bittere Auseinandersetzung zwischen der Ostkirche und der abendländischen Kirche ausbrachen und sich zu vertiefen begannen. Die Spaltung spitzte sich zu wegen der Frage über die kanonische Zugehörigkeit Bulgariens, das gerade damals das Christentum offiziell angenommen hatte. In dieser stürmischen Zeit, die auch von bewaffneten Konflikten zwischen benachbarten christlichen Völkern gekennzeichnet war, bewahrten die beiden Brüder von Saloniki eine feste und wachsame Treue zur rechten Lehre und zur Tradition der vollkommen geeinten Kirche und insbesondere zu den „göttlichen Regelungen“ wie zu den „kirchlichen Regelungen“, auf denen sie gemäß den Kanones der alten Konzilien Struktur und Organisation ihrer Missionsarbeit errichteten. Diese Treue erlaubte ihnen, ihre großen missionarischen Aufgaben zu vollenden und dabei in voller geistlicher und kanonischer Einheit mit der römischen Kirche, mit 1378 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Kirche von Konstantinopel und mit den jungen Kirchen, die von ihnen unter den slawischen Völkern gegründet worden waren, zu bleiben. 15. Vor allem Methodius schreckte nicht zurück vor Unverständnis und Widerstand, sogar nicht vor Diffamierung und physischer Verfolgung, ohne dabei in seiner beispielhaften kirchlichen Treue nachzulassen, und indem er seinen Pflichten als Christ und Bischof treu blieb wie auch seinen Verpflichtungen gegenüber der byzantinischen Kirche, aus der er stammte und die ihn zusammen mit Cyrill als Missionar ausgesandt hatte; gegenüber der Kirche von Rom, dank derer er sein Amt als Erzbischof „für den Glauben“ auf „dem Territorium des hl. Petrus“ ausübte; wie auch gegenüber jener jungen Kirche auf slawischem Boden, die er als eigene annahm und die er - überzeugt von Recht und Gerechtigkeit - vor den kirchlichen und staatlichen Autoritäten zu verteidigen wußte, indem er besonders die Liturgie in altslawischer Sprache und die kirchlichen Grundrechte der Kirchen bei den verschiedenen Völkern zu schützen suchte. Dabei verwandte er immer, wie Konstantin, der Philosoph, den Dialog mit denjenigen, die gegen seine Ideen oder pastoralen Initativen waren und deren Erlaubtheit in Frage stellten. So wird er immer für jene ein Lehrer bleiben, die, in welcher Zeit auch immer, Streitigkeiten zu vermindern suchen, indem sie die vielfältige Fülle der Kirche achten, die nach dem Willen ihres Stifters, Jesu Christi, immer die eine, heilige, katholische und apostolische sein muß: diese Weisung fand ihren vollen Widerhall im Symbolum der 150 Väter des II. Ökumenischen Konzils von Konstantinopel, welches das unantastbare Glaubensbekenntnis aller Christen darstellt. V. Der katholische Sinn der Kirche 16. Nicht nur der vom Evangelium geprägte Inhalt der durch die heiligen Cyrill und Methodius verkündeten Lehre verdient besonders hervorgehoben zu werden. Sehr ausdrucksvoll und lehrreich für die Kirche von heute ist auch ihre katechetische und pastorale Methode, die sie bei ihrer apostolischen Tätigkeit unter den Völkern anwandten, die noch nicht erlebt hatten, wie die göttlichen Geheimnisse in ihrer Muttersprache gefeiert wurden, noch die Verkündigung des Wortes Gottes in einer Weise vernommen hatten, die ganz ihrer eigenen Mentalität entsprach und ihre konkreten Lebensbedinungen berücksichtigte. 1379 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir wissen, daß das II. Vatikanische Konzil vor 20 Jahren die besondere Aufgabe hatte, das Selbstverständnis der Kirche zu wecken und ihr durch eine innere Erneuerung einen neuen missionarischen Impuls für die Verkündigung der bleibenden Botschaft des Heils, des Friedens und der gegenseitigen Eintracht unter den Völkern und Nationen zu geben, die alle Grenzen sprengt, die unseren Planeten noch teilen, der durch den Willen Gottes, seines Schöpfers und Erlösers, dazu bestimmt ist, eine gemeinsame Wohnstatt für die ganze Menschheitsfamilie zu sein. Die Bedrohungen, die sich heutzutage über der Erde auftürmen, können die prophetische Sicht von Papst Johannes XXIII. nicht vergessen machen, der das Konzil in der Absicht und in der Überzeugung zusammengerufen hat, es möge imstande sein, eine Zeit des Frühlings und der Wiedergeburt im Leben der Kirche vorzubereiten und einzuleiten. Zum Thema der Universalität der Kirche hat das Konzil unter anderem ausgeführt: „Zum neuen Gottesvolk werden alle Menschen berufen. Darum muß dieses Volk eines und ein einziges bleiben und sich über die ganze Welt und durch alle Zeiten hin ausbreiten. So soll sich das Ziel des Willens Gottes erfüllen, der das Menschengeschlecht am Anfang als eines gegründet und beschlossen hat, seine Kinder aus der Zerstreuung wieder zur Einheit zu versammeln (vgl. Joh 11, 52) . . . Die Kirche oder das Gottesvolk entzieht mit der Verwirklichung dieses Reiches nichts dem zeitlichen Wohl irgendeines Volkes. Vielmehr fördert und übernimmt es Anlagen, Fähigkeiten und Sitten der Völker, soweit sie gut sind. Bei dieser Übernahme reinigt, kräftigt und hebt es sie aber auch. . . Diese Eigenschaft der Weltweite, die das Gottesvolk auszeichnet, ist Gabe des Herrn selbst.'. . Kraft dieser Katholizität bringen einzelne Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu, so daß das Ganze und die einzelnen Teile zunehmen aus allen, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle in Einheit Zusammenwirken.“ <216> <216> Wir können zu Recht feststellen, daß eine solche traditionelle und zugleich äußerst moderne Sicht der Katholizität der Kirche - erlebt wie eine Sinfonie der verschiedenen Liturgieformen in allen Weltsprachen, geeint in einer einzigen Gesamtliturgie, oder wie ein harmonischer Chor, der, getragen von den Stimmen endloser Mengen von Menschen, zum Lob Gottes anhebt mit unzähligen Variationen, Klangfarben und Rhythmen, von jedem Punkt unseres Erdballs aus, in jedem Augenblick der Geschichte - in besonderer Weise der theologischen und pastoralen Sicht entspricht, die das apostolische und missionarische Werk von Cyrill und 1380 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Methodius beseelte und die Mission unter den slawischen Nationen stützte. Vor den Vertretern der kirchlichen Kultur in Venedig, die an einem eher engen Verständnis der kirchlichen Wirklichkeit festhielten und deshalb jene Sicht ablehnten, verteidigte der hl. Cyrill sie tapfer, indem er auf die Tatsache hinwies, daß viele Völker bereits in der Vergangenheit eine Liturgie eingeführt hatten und besaßen, die in der eigenen Sprache aufgeschrieben und gefeiert wurde, wie „die Armenier, die Perser, die Abasken, die Georgier, die Sukden, die Goten, die Awarer, die Tirsen, die Chasaren, die Araber, die Kopten, die Syrer und viele andere“. Er erinnerte daran, daß Gott seine Sonne aufgehen und regnen läßt über allen Menschen ohne Ausnahme und sagte: „Atmen wir etwa die Luft alle in derselben Weise ein? Und ihr scheut nicht davor zurück, nur drei Sprachen festzusetzen (Hebräisch, Griechisch und Latein) und zu entscheiden, daß alle anderen Völker und Stämme blind und taub bleiben müssen! Sagt mir: Unterstützt ihr dies, weil ihr Gott für so schwach haltet, es nicht anders erlauben zu können, oder für so neidisch, es nicht anders zu wollen?“ Auf die geschichtlichen und logischen Argumente, die ihm entgegengehalten wurden, antwortete der Heilige mit dem Hinweis auf das inspirierte Fundament, die Heilige Schrift: „Jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr“, zur Ehre Gottes des Vaters“; „alle Welt bete dich an und singe dein Lob, sie lobsinge deinem Namen“; „lobet den Herrn, alle Völker, preist ihn, alle Nationen“. <217> <218> <217> Die Kirche ist auch darum katholisch, weil sie es versteht, die geoffenbarte Wahrheit, die sie in ihrem göttlichen Inhalt unversehrt behütet, in jeder menschlichen Umgebung so vorzulegen, daß es zu einer geistigen Begegnung mit den höchsten Ideen und den berechtigten Erwartungen jedes Menschen und jedes Volkes kommt. Zudem ist das gesamte Erbe an Werten, das jede Generation der nächsten verbunden mit dem unschätzbaren Geschenk des Lebens übergibt, wie eine bunte und überreiche Menge von charakteristischen Farben, die zusammen das lebende Mosaik des Pantokrätor bilden, der sich in seinem vollen Glanz erst im Augenblick der Wiederkunft offenbaren wird. Das Evangelium führt nicht zur Verarmung oder zur Auslöschung dessen, was jeder Mensch, jedes Volk und jene Nation, was jede Kultur während ihrer Geschichte als Wert, Wahrheit und Schönheit anerkennen und leben. Es regt vielmehr an, diese Werte aufzunehmen und sie weiter zu entwicklen: sie mit Freude und Großmut zu leben und im geheimnisvollen und erhebenden Licht der Offenbarung zu vollenden. 1381 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die konkrete Dimension der Katholizität, von Christus, dem Herrn, der Struktur der Kirche selbst eingeschrieben, ist nicht etwas Statisches, Geschichtsloses, eintönig und flach, sondern entspringt und entwickelt sich gleichsam täglich wie eine Neuheit aus dem einmütigen Glauben all derer, die an den einen und dreifältigen Gott glauben, den Jesus Christus offenbart hat und den die Kirche in der Kraft des Heiligen Geistes verkündet. Diese Dimension geht ganz spontan aus der gegenseitigen Achtung — wie sie brüderlicher Liebe zu eigen ist — gegenüber jedem Menschen und jeder Nation hervor, sei sie groß oder klein, sowie aus der redlichen Anerkennung der Eigenschaften und Rechte der Glaubensbrüder. 19. Die Katholizität der Kirche zeigt sich ebenso in der aktiven Mitverantwortung und großzügigen Zusammenarbeit mit allen für das Gemeinwohl. Die Kirche verwirklicht allenthalben ihre Universalität, indem sie jeden echten menschlichen Wert auf ihre Weise mit mütterlicher Sorgfalt aufnimmt, einfügt und erhebt. Zugleich bemüht sie sich an jeder Stelle der Welt und in jeder geschichtlichen Situation, die Menschen einzeln und alle zusammen für Gott zu gewinnen, sie untereinander und mit ihm in seiner Wahrheit und Liebe zu vereinen. Jeder Mensch, jede Nation, jede Kultur und Zivilisation hat eine eigene Rolle und einen eigenen Platz im geheimnisvollen Plan Gottes und in der universalen Heilsgeschichte. Dies war der Gedanke der beiden heiligen Brüder: Der „barmherzige und gütige“ Gott, der „will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“, erträgt es nicht, daß das Menschengeschlecht der Schwäche erliegt und zugrunde geht, indem es der Versuchung des Feindes anheimfällt, sondern teilt in allen Jahren und Zeiten unaufhörlich vielfältige Gnaden aus, von Anfang an bis heute auf die gleiche Weise: zuerst durch die Patriarchen und Väter, nach diesen durch die Propheten; dann durch die Apostel und Märtyrer, durch Gerechte und Weise, die er mitten aus diesem stürmischen Leben erwählt. <219> <219> Die Botschaft des Evangeliums, die die heiligen Cyrill und Methodius für die slawischen Völker übersetzt haben, indem sie mit Weisheit aus dem Schatz der Kirche „Altes und Neues“38 schöpften, wurde durch Predigt und Katechese in Übereinstimmung mit den ewigen Wahrheiten übermittelt und zugleich der konkreten geschichtlichen Situation angepaßt. Dank der missionarischen Anstrengungen der beiden Heiligen konnten sich die slawischen Völker zum erstenmal der eigenen Berufung 1382 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zur Teilnahme am ewigen Entwurf der Heiligsten Dreifaltigkeit, am universalen Heilsplan der Welt, bewußt werden. Damit erkannten sie auch die eigene Rolle zum Besten der gesamten Geschichte der Menschheit, die von Gott, dem Vater, geschaffen, vom Sohn und Heiland erlöst und vom Heiligen Geist erleuchtet ist. Dank dieser Verkündigung, die damals von den Autoritäten der Kirche, den Bischöfen von Rom und den Patriarchen von Konstantinopel, anerkannt wurde, konnten sich die Slawen zusammen mit den anderen Völkern der Erde als Abkömmlinge und Erben der Verheißung fühlen, die Gott dem Abraham gegeben hat. Dank der kirchlichen Organisation, die der hl. Methodius geschaffen hat, und dank des Bewußtseins von der eigenen christlichen Identität nahmen sie so den ihnen zugedachten Platz in der Kirche ein, die auch in jedem Teil Europas bereits entstanden war. Dafür bewahren ihre heutigen Nachfahren eine dankbare und bleibende Erinnerung an den, der das Bindeglied geworden ist, das sie mit der Reihe der großen Verkünder der göttlichen Offenbarung des Alten und Neuen Testamentes verbindet: „Nach all jenen erweckte der barmherzige Gott zu unserer Zeit zum Besten unseres Volkes - um das sich noch nie jemand gekümmert hatte -für das gute Werk unseren Lehrer, den seligen Methodius, dessen Tugenden und Mühen wir, ohne zu erröten, eine nach der anderen mit denen jener gottgefälligen Menschen gleichsetzen.“ VI. Evangelium und Kultur 21. Die Brüder von Saloniki waren nicht nur Erben des Glaubens, sondern auch der antiken griechischen Kultur, die in Byzanz fortlebte. Es ist bekannt, welche Bedeutung dieses Erbe für die gesamte europäische Kultur und direkt oder indirekt für die Weltkultur hat. Im Werk der Evangelisierung, das sie als Pioniere in den von slawischen Völkern bewohnten Gebieten vollbracht haben, findet sich zugleich ein Beispiel für das, was man heute als „Inkulturation“ bezeichnet - die Inkarnation des Evangeliums in den einheimischen Kulturen - wie auch die Eingliederung dieser Kulturen in das Leben der Kirche. Dadurch daß die heiligen Cyrill und Methodius das Evangelium mit der einheimischen Kultur der von ihnen missionierten Völker in eine lebendige Einheit gebracht haben, besitzen sie besondere Verdienste um die Bildung und Fortentwicklung eben dieser Kultur, oder besser, vieler Kulturen. Denn alle Kulturen der slawischen Völker verdanken ihren „Anfang“ oder ihre Entwicklung dem Werk der Brüder aus Saloniki. 1383 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese haben nämlich mit der eigenen, originalen und genialen Schöpfung eines Alphabetes für die slawische Sprache einen grundlegenden Beitrag für die Kultur und Literatur aller slawischen Völker geleistet. Die Übersetzung der Heiligen Bücher, die von Cyrill und Methodius zusammen mit ihren Schülern durchgeführt wurde, hat der altslawischen Liturgiesprache Kraft und kulturelle Würde verliehen: Sie wurde für viele Jahrhunderte nicht nur die Kirchensprache, sondern auch die offizielle und literarische, ja sogar die allgemeine Sprache der gebildeteren Schichten des Großteils der slawischen Völker und insbesondere aller Slawen des orientalischen Ritus. Sie war auch in der Heilig-Kreuz-Kirche in Krakau in Gebrauch, bei der sich die slawischen Benediktiner niedergelassen hatten. Hier wurden die ersten in dieser Sprache gedruckten liturgischen Bücher herausgegeben. Bis heute wird diese Sprache verwendet in der byzantinischen Liturgie der slawisch-orientalischen Kirchen des konstantinopolitanischen Ritus, der katholischen wie der orthodoxen, in Ost- und Südosteuropa sowie in verschiedenen Ländern Westeuropas; ferner wird sie benutzt in der römischen Liturgie der Katholiken in Kroatien. 22. In der geschichtlichen Entwicklung der Slawen des orientalischen Ritus hatte diese Sprache eine ähnliche Bedeutung wie die lateinische Sprache im Westen; sie hat sich aber noch länger erhalten - teilweise bis ins 19. Jahrhundert - und einen viel direkteren Einfluß auf die Bildung der einheimischen Literarsprachen ausgeübt dank ihrer engen Verwandtschaft mit ihnen. Diese Verdienste um die Kultur aller slawischen Völker und Nationen machen das Werk der Glaubensverbreitung der heiligen Cyrill und Methodius in einem gewissen Sinn ständig gegenwärtig in der Geschichte und im Leben dieser Völker und Nationen. VII. Die Bedeutung und Ausstrahlung des christlichen Milleniums in den slawischen Gebieten <220> <220> Das apostolisch-missionarische Wirken der heiligen Cyrill und Methodius, das in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts fällt, kann als die „erste wirkliche Evangelisierung der Slawen“ betrachtet werden. Es erstreckte sich in verschiedenem Grade auf die einzelnen Gebiete, wobei es sich jedoch hauptsächlich auf den Bereich des Staates von Großmähren konzentrierte. Es umfaßte vor allem die Regionen des 1384 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Metropolitansitzes, dessen Oberhirte Methodius war, nämlich Mähren, die Slowakei und Pannonien, einen Teil des heutigen Ungarn. Im weiteren Einflußgebiet dieses apostolischen Wirkens, besonders von seiten der durch Methodius vorbereiteten Missionare, befanden sich die anderen Gruppen der Westslawen, vor allem die von Böhmen. Der erste geschichtlich namhafte Fürst Böhmens aus der Dynastie der Premysliden, Bozyvoj (Bofivoj), wurde wahrscheinlich nach dem slawischen Ritus getauft. Später erreichte dieser Einfluß die serbo-lusazianischen Stämme und die Gebiete von Südpolen. Dennoch trat seit dem Fall von Großmähren (ca. 905-906) an die Stelle dieses Ritus der lateinische Ritus, und Böhmen wurde kirchlich dem Bischof von Regensburg und dem Metropolitansitz von Salzburg unterstellt. Besondere Aufmerksamkeit verdient jedoch der Umstand, daß noch gegen die Mitte des 10. Jahrhunderts, also zu den Zeiten des hl. Wenzeslaus, eine starke gegenseitige Durchdringung der Elemente beider Riten und eine vorgeschrittene Symbiose der zwei in der Liturgie benutzten Sprachen bestand: der slawischen und der lateinischen Sprache. Im übrigen war die Christianisierung des Volkes nicht möglich, ohne sich seiner Muttersprache zu bedienen. Und nur auf einer solchen Grundlage konnte sich die christliche Terminologie in Böhmen entwik-keln und sich später von hier aus die kirchliche Terminologie in Polen entfalten und festigen. Die Bemerkung über den Fürsten der Vislani im Leben des Methodius ist der älteste geschichtliche Hinweis auf einen der polnischen Stämme. Es fehlen aber hinreichende Daten, um mit dieser Anmerkung die Errichtung einer kirchlichen Organisation in slawischem Ritus in den polnischen Landen verbinden zu können. <221> <222> <221> Die Taufe Polens im Jahre 966 in der Person des ersten geschichtlichen Herrschers Mieszko, der die böhmische Prinzessin Dubravka heiratete, geschah hauptsächlich durch die Kirche Böhmens. Auf diesem Wege kam das Christentum von Rom aus in der lateinischen Form nach Polen. Es bleibt jedoch die Tatsache, daß sich die ersten Anfänge des Christentums in Polen in gewisser Weise mit dem Werk der beiden Brüder verbinden, die aus dem fernen Saloniki aufgebrochen waren. Unter den Slawen der Balkanhalbinsel hat der pastorale Einsatz der beiden heiligen Brüder noch deutlichere Früchte hervorgebracht. Dank ihres Apostolats hat sich das Christentum in Kroatien gefestigt, das dort schon seit längerem Wurzel gefaßt hatte. In Bulgarien behauptete und entfaltete sich die Mission von Cyrill und Methodius hauptsächlich durch Gefährten, die aus ihrem ursprünglichen Wirkungsgebiet ausgewiesen worden waren. Hier entstanden dank des 1385 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wirkens des hl. Klemens von Ochrida kraftvolle Zentren des monasti-schen Lebens, hier entfaltete sich besonders das kyrillische Alphabet. Von hier aus verbreitete sich das Christentum auch in andere Gebiete, über das benachbarte Rumänien bis hin in das antike Rus’-Reich von Kiew, um sich dann von Moskau noch weiter nach Osten auszubreiten. In einigen Jahren, genau im Jahre 1988, ist die Tausendjahrfeier der Taufe des hl. Wladimir, des Großfürsten von Kiew. 25. Zu Recht wurden deshalb die heiligen Cyrill und Methodius von der Familie der slawischen Völker schon früh als Väter sowohl ihres Christentums als auch ihrer Kultur anerkannt. In vielen der schon genannten Gebiete bewahrte ein Großteil der slawischen Bevölkerung, obwohl schon verschiedene Missionare dort gewirkt hatten, noch im 9. Jahrhundert heidnische Bräuche und Überzeugungen. Nur auf dem von unseren Heiligen bestellten oder von ihnen wenigstens für die Bestellung vorbereiteten Land hat das Christentum im folgenden Jahrundert seinen endgültigen Einzug in die Geschichte der Slawen gehalten. Ihr Werk bildet einen hervorragenden Beitrag für die Bildung der gemeinsamen christlichen Wurzeln Europas; jener Wurzeln, die wegen ihrer Festigkeit und Lebenskraft einen der solidesten Bezugspunkte bilden, von denen kein ernsthafter Versuch, die Einheit des Kontinents auf neue und heutige Weise wiederherzustellen, absehen kann. Nach elf Jahrhunderten des Christentums unter den Slawen sehen wir deutlich, daß das Erbe der Brüder von Saloniki für jene tiefer und stärker ist und bleibt als irgendeine Spaltung. Beide christlichen Traditionen - die östliche, die sich von Konstantinopel herleitet, und die westliche, die von Rom stammt - sind im Schoß der einen Kirche entstanden, wenn auch im Rahmen verschiedener Kulturen und eines unterschiedlichen Umgangs mit den gleichen Problemen. Eine solche Verschiedenheit kann, wenn nur ihr Ursprung richtig verstanden sowie ihr Wert und ihre Bedeutung angemessen eingeschätzt wird, die Kultur Europas und seine religiöse Tradition nur bereichern und ebenso eine angemessene Grundlage für seine ersehnte geistige Erneuerung werden. <223> <223> Seit dem 9. Jahrhundert, als sich in Europa eine neue Ordnung abzuzeichnen begann, verkünden uns die heiligen Cyrill und Methodius eine Botschaft, die sich für unsere Zeit als sehr aktuell erweist, welche gerade wegen vieler schwieriger Probleme religiöser und kultureller, gesellschaftlicher und internationaler Natur eine lebenskräftige Einheit in der konkreten Gemeinschaft der verschiedenen Bestandteile sucht. Von 1386 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den beiden Glaubensboten kann man sagen, daß für sie die Liebe zur Gemeinschaft mit der universalen Kirche, sei es im Osten oder im Westen, und in ihr zur Ortskirche, die sich in den slawischen Völkern gerade herausbildete, charakteristisch war. Sie richten auch an die Christen und an die Menschen unserer Zeit die Einladung, zusammen die Gemeinschaft aufzubauen. Von noch größerem Wert ist aber das Beispiel von Cyrill und Methodius im besonderen Bereich der missionarischen Tätigkeit. Diese ist nämlich eine wesentliche Aufgabe der Kirche und heute dringend in der schon erwähnten Form der „Inkulturation“. Die beiden Brüder vollbrachten ihre Sendung nicht nur in hoher Achtung vor der bei den slawischen Völkern schon bestehenden Kultur, sondern haben diese zusammen mit der Religion auf hervorragende und ständige Weise gefördert und bereichert. Analog können und müssen die Kirchen alten Ursprungs den jungen Kirchen und Völkern helfen, in ihrer Identität zu reifen und sich in ihr weiter zu entfalten. 27. Cyrill und Methodius sind gleichsam die Verbindungsringe, eine geistige Brücke zwischen der östlichen und der westlichen Tradition, die beide in der einen Tradition der universalen Kirche zusammenfließen. Sie sind für uns Beispiele und zugleich Fürsprecher in den ökumenischen Anstrengungen der Schwesterkirchen des Ostens und des Westens, um durch Dialog und Gebet die sichtbare Einheit in der vollkommenen und umfassenden Einheit wiederzufinden, „die Einheit, die - wie ich anläßlich meines Besuches in Bari gesagt habe - weder ein Aufsaugen noch eine Verschmelzung ist“. Die Einheit ist die Begegnung in der Wahrheit und in der Liebe, die uns vom göttlichen Geist geschenkt sind. Cyrill und Methodius sind in ihrer Persönlichkeit und in ihrem Werk Gestalten, die in allen Christen „eine große Sehnsucht nach Gemeinschaft und nach Einheit“ zwischen den zwei Schwesterkirchen des Ostens und des Westens wachrufen. Für die volle Katholizität hat jedes Volk, jede Kultur im universalen Heilsplan eine eigene Aufgabe zu erfüllen. Jede besondere Tradition, jede Ortskirche muß offen und empfänglich bleiben für die anderen Kirchen und Traditionen und zugleich für die universale und katholische Gemeinschaft; wenn sie in sich verschlossen bliebe, würde sie sich der Gefahr aussetzen, auch selber zu verarmen. Indem Cyrill und Methodius ihr eigenes Charisma verwirklichten, leisteten sie einen entscheidenden Beitrag zur Bildung Europas, und zwar nicht nur in der religiösen, christlichen Gemeinschaft, sondern auch für seine gesellschaftliche und kulturelle Einheit. Auch heute gibt es keinen ande- 1387 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ren Weg, um die Spannungen zu überwinden und die Risse und Gegensätze in Europa und in der Welt zu beheben, die eine entsetzliche Zerstörung von Leben und Werten herbeizuführen drohen. Christen zu sein in unserer Zeit bedeutet Baumeister an der Gemeinschaft in der Kirche und in der Gesellschaft zu sein. Zu diesem Zweck sind von besonderem Wert ein offenes Herz gegenüber den Brüdern, gegenseitiges Verständnis, Bereitschaft zur Zusammenarbeit durch einen ausgiebigen Austausch der kulturellen und geistigen Güter. Eine tiefe Sehnsucht der heutigen Menschheit ist tatsächlich, die Einheit und die Gemeinschaft für ein wirklich menschenwürdiges Leben auf Weltebene neu zu finden. Die Kirche, die sich bewußt ist, universales Zeichen und Sakrament des Heils und der Einheit des Menschengeschlechts zu sein, erklärt sich bereit, diese ihre Pflicht zu erfüllen, der „die gegenwärtigen Zeitverhältnisse . . . eine besondere Dringlichkeit geben, daß nämlich alle Menschen, die heute durch vielfältige soziale, technische und kulturelle Bande enger miteinander verbunden sind, auch die volle Einheit in Christus erlangen“. VIII. Schluß 28. Die ganze Kirche soll deshalb mit festlicher Freude die elf Jahrhunderte feiern, die seit der Beendigung des apostolischen Wirkens des ersten in Rom für die slawischen Völker geweihten Erzbischofs, des Methodius, und seines Bruders Cyrill vergangen sind, in Erinnerung daran, daß hiermit diese Völker auf die Weltbühne der Heilsgeschichte getreten sind und in die Zahl der europäischen Nationen eingegliedert wurden, die schon während der vorhergehenden Jahrhunderte die Botschaft des Evangeliums angenommen hatten. Alle können verstehen, mit welch großer Freude der erste Sohn slawischer Herkunft an dieser Jubiläumsfeier teilzunehmen gedenkt, der berufen ist, nach fast zweitausend Jahren den Bischofssitz innezuhaben, der in dieser Stadt Rom dem hl. Petrus gehört hat. <224> <225> <226> <227> <228> <229> <230> <224> „In deine Hände empfehle ich meinen Geist“: Wir grüßen die elf hundertjährige Wiederkehr des Todes des hl. Methodius mit denselben Worten, die er selber - wie seine Lebensbeschreibung in altslawischer Sprache berichtet46 - vor seinem Tode ausgesprochen hat, als er im Begriffe war, sich mit seinen Vätern im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe zu vereinen: mit den Patriarchen, Propheten, Aposteln, Kir- chenlehren, Märtyrern. Mit dem Zeugnis des Wortes und des Lebens, die 1388 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vom Charisma des Heiligen Geistes getragen waren, gab er das Beispiel einer fruchtbaren Berufung sowohl für das Jahrhundert, in dem er lebte, als auch für die nachfolgenden Jahrhunderte und in besonderer Weise für unsere Zeit. Sein seliger „Heimgang“ im Frühjahr des Jahres 885 seit der Menschwerdung Christi (nach der byzantinischen Zeitrechnung im Jahre 6393 seit der Erschaffung der Welt) erfolgte in einer Zeit, da sich beängstigende Wolken über Konstantinopel zusammenzogen und feindselige Spannungen immer mehr die Ruhe und das Leben der Völker und sogar die heiligen Bande der christlichen Brüderlichkeit und der Gemeinschaft zwischen den Kirchen des Ostens und des Westens bedrohten. In seiner Kathedrale, gefüllt mit Gläubigen verschiedener völkischer Abstammung, haben die Menschen, die dem hl. Methodius im Glauben gefolgt sind, ihrem verstorbenen Oberhirten die feierliche Ehre erwiesen für die Botschaft des Heils, des Friedens und der Versöhnung, die er ihnen gebracht hat und der er sein Leben geweiht hat: „Sie feierten einen Gottesdienst in Latein, Griechisch und Slawisch“, indem sie Gott anbeteten und den ersten Erzbischof der von ihm unter den Slawen gegründeten Kirche verehrten, denen er zusammen mit seinem Bruder das Evangelium in ihrer Sprache verkündet hatte. Diese Kirche erstarkte noch mehr, als sie mit ausdrücklicher Zustimmung des Papstes eine einheimische Hierarchie erhielt, die in der apostolischen Sukzession gründete und in der Einheit des Glaubens und der Liebe sowohl mit der Kirche von Rom als auch mit der von Konstantinopel blieb, von der die Slawenmission ihren Ausgang genommen hatte. Während sich elf Jahrhunderte seit seinem Tod vollenden, möchte ich wenigstens geistig in Welehrad gegenwärtig sein, wo - wie es scheint - die Vorsehung Methodius sein apostolisches Leben hat beenden lassen: - ich möchte auch in der Basilika San Clemente in Rom verweilen, an dem Ort, wo der hl. Cyrill beigesetzt ist; - und an den Gräbern dieser beiden Brüder, der Apostel der Slawen, möchte ich ihr geistiges Erbe mit einem besonderen Gebet der Heiligsten Dreifaltigkeit anempfehlen. 30. „In deine Hände empfehle ich .. .“ O großer Gott, einer in drei Personen, dir empfehle ich das Glaubenserbe der slawischen Völker; erhalte und segne dieses dein Werk! Gedenke, allmächtiger Vater, das Augenblicks, als nach deinem Willen für diese Völker und für diese Nationen die „Fülle der Zeit“ kam und die heiligen Missionare von Saloniki in treuer Erfüllung des Auftrags, den 1389 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dein Sohn Jesus Christus seinen Aposteln gegeben hat, und nach ihrem Beispiel und dem ihrer Nachfolger in die von Slawen bewohnten Länder das Licht des Evangeliums, die Frohe Botschaft des Heils, gebracht und vor ihnen Zeugnis für dich abgelegt und verkündet haben: - daß du der Schöpfer des Menschen bist, daß du uns Vater bist und wir Menschen alle in dir Brüder sind; - daß du durch deinen Sohn, dein ewiges Wort, allen Dingen das Dasein gegeben und die Menschen dazu berufen hast, an deinem Leben ohne Ende teilzuhaben; - daß du die Welt so geliebt hast, daß du ihr deinen eingeborenen Sohn geschenkt hast, der für uns Menschen und um unseres Heiles willen vom Himmel herabgestiegen ist und durch das Wirken des Heiligen Geistes im Schoß der Jungfrau Maria Fleisch angenommen hat und Mensch geworden ist; - und daß er schließlich den Geist der Stärke und des Trostes gesandt hat, damit jeder von Christus erlöste Mensch in ihm die Würde des Sohnes erhalte und zum Miterben der unvergänglichen Verheißungen werde, die du der Menschheit gegeben hast! Dein Schöfpungsplan, o Vater, der in der Erlösung gipfelt, berührt den lebendigen Menschen und umfaßt sein ganzes Leben und die Geschichte aller Völker. Erhöre, Vater, was die ganze Kirche heute von dir erbittet, und mach, daß die Menschen und die Nationen, die dank der apostolischen Sendung der beiden heiligen Brüder von Saloniki dich, den wahren Gott, erkannt und angenommen haben und durch die Taufe in die heilige Gemeinschaft deiner Kinder aufgenommen wurden, weiterhin ohne Hindernisse und mit Begeisterung und Vertrauen dieses Programm des Evangeliums annehmen und alle ihre menschlichen Möglichkeiten auf der Grundlage ihrer Lehren verwirklichen! - Mögen sie im Einklang mit ihrem Gewissen der Stimme deines Rufes auf jenen Wegen folgen können, die ihnen vor elf Jahrhunderten zum ersten Mal auf gezeigt worden sind! - Ihre Zugehörigkeit zum Reich deines Sohnes möge niemandem jemals als Gegensatz zum Wohl ihres irdischen Vaterlandes erscheinen! - Mögen sie dir die geschuldete Ehre erweisen können im privaten wie im öffentlichen Leben! - Mögen sie leben können in der Wahrheit, in der Liebe, in der Gerechtigkeit und im Verkosten des messianischen Friedens, der die Herzen der Menschen, die Gemeinschaften, die Erde und den gesamten Kosmos umfaßt! 1390 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - Im Bewußtsein ihrer Würde als Menschen und Kinder Gottes mögen sie die Kraft haben, jeglichen Haß zu überwinden und das Böse mit dem Guten zu besiegen. Gewähre aber auch, o Heiligste Dreifaltigkeit, dem ganzen Europa, daß es auf die Fürsprache der beiden heiligen Brüder immer mehr die Notwendigkeit einer religiös-christlichen Einheit und der brüderlichen Gemeinschaft aller seiner Völker verspürt, damit es, nachdem das Unverständnis und das gegenseitige Mißtrauen überwunden und die ideologischen Konflikte im gemeinsamen Bewußtsein der Wahrheit beigelegt sind, für die ganze Welt Beispiel für ein gerechtes und friedliches Zusammenleben in gegenseitiger Achtung und in unverletzlicher Freiheit sein kann. 31. Dir also, allmächtiger Vater, dir, Gott Sohn, der du die Welt erlöst hast, dir, Gott Heiliger Geist, der du Stütze und Lehrer aller Heiligkeit bist, möchte ich die ganze Kirche von gestern, von heute und von morgen anempfehlen, die Kirche in Europa und in aller Welt. In deine Hände empfehle ich diesen einzigartigen Reichtum, der sich aus so vielen verschiedenen Gaben zusammensetzt, alten und neuen, die in den gemeinsamen Schatz so vieler verschiedener Söhne und Töchter eingegangen sind. Die ganze Kirche dankt dir, daß du die slawischen Völker in die Gemeinschaft des Glaubens gerufen hast, für das Erbe und den Beitrag, den sie zum universalen Schatz geleistet haben. Dir dankt dafür in besonderer Weise der Papst slawischer Abstammung. Möge dieser Beitrag nie aufhören, die Kirche, den europäischen Kontinent und die ganze Welt zu bereichern! Er gehe nicht verloren in Europa und in der Welt von heute! Er fehle nicht im Bewußtsein unserer Zeitgenossen! Wir möchten alles vollständig aufnehmen, was die slawischen Nationen an Ursprünglichem und Wertvollem zum geistigen Schatz der Kirche und der Menschheit beigetragen haben und noch beitragen! Im Bewußtsein des gemeinsamen Reichtums bekennt die ganze Kirche ihre geistige Solidarität mit ihnen und bekräftigt die eigene Verantwortung für das Evangelium, für das Heilswerk, das sie gemäß ihrer Berufung auch heute in der ganzen Welt, bis zu den Grenzen der Erde, vollbringen muß. Es ist unerläßlich, zur Vergangenheit zurückzukehren, um in ihrem Licht die konkrete Gegenwart zu verstehen und in die Zukunft auszuschauen. Die Sendung der Kirche ist nämlich immer mit unerschütterlicher Hoffnung auf die Zukunft hin orientiert und ausgerichtet. 32. Die Zukunft! Wie sehr diese auch menschlich gesehen voller Gefahren und Ungewißheit erscheint, legen wir sie mit Vertrauen in deine 1391 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hände, himmlischer Vater, und rufen die Fürsprache der Mutter deines Sohnes und der Mutter der Kirche an und die deiner heiligen Apostel Petrus und Paulus, der Heiligen Benedikt, Cyrill und Methodius, Augustinus und Bonifatius, und aller anderen Missionare Europas, die - stark im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe - unseren Vätern dein Heil und deinen Frieden verkündet haben und unter den Mühen der geistlichen Aussaat die Errichtung einer Zivilisation der Liebe begonnen haben, einer neuen Ordnung, die auf dein Gesetz und den Beistand deiner Gnade gegründet ist, die am Ende der Zeiten alles und alle im himmlischen Jerusalem mit ihrem Leben erfüllen wird. Amen. Euch allen, liebe Brüder und Schwestern, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 2. Juni, dem Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit, des Jahres 1985, des siebten meines Pontifikates Anmerkungen <231> <231> JOHANNES PAUL II., Apostolisches Schreiben Egregiae virtutis(31. Dezember 1980): AAS 73 (1981), S. 258-262. 2 LEO XIII., Rundschreiben Grande munus (30. September 1880): Leonis XIII Pont. Max. Acta, II, S. 125-137; vgl. auch PIUS XI., Schreiben QuodS. Cyrillum(\3. Februar 1927) an die Erzbischöfe und Bischöfe der Region der Serben, Kroaten und Slowenen sowie der tschechoslowakischen Republik: AAS 19 (1927), S. 93-96, JOHANNES XXIII., Apostolisches Schreiben Magnifici eventus (11. Mai 1963) an die Oberhirten der slawischen Nationen: AAS 55 (1963), S. 434-439; PAUL VI., Apostolisches Schreiben Antiquae nobilitatis (2. Februar 1969) zum 1100. Jahrestag des Todes des hl. Cyrill: AAS 61 (1969), S. 137-149. 3 PAUL VI., Apostolisches Schreiben Pacis nuntius (24. Oktober 1964): AAS 56 (1964), S. 965-967. 4 Vgl. Magnae Moraviae Fontes Historici, Bd. III, Brno 1969, S. 197-208. 5 Nur bei einigen slawischen Nationen wird das Fest noch am 7. Juli gefeiert. 6 Vgl. Vita Constantini VIII, 16-18: Constantinus et Methodius Thessalonicenses, Fontes, recensuerunt et illustraverunt Fr. Grivec et Fr Tomsic (Radovi Staroslavenskog Instituta, Knjiga 4, Zagreb 1960) 184. 7 Vgl. Vita Constantini XFV, 2-4: ed. cit., S. 199 f. 8 Vita MethodiiVl, 2-3: ed. cit., S. 225. 1392 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 9 Vgl. Magnae Moraviae Fontes Historici, Bd. III, Brno 1969, S. 197-208. 10 Vgl. Vita Methodii VIII, 1-2: ed. cit., S. 225. 11 Vgl. Vita Methodii XVII, 13: ed. cit., S. 237. 12 A. a. O.; vgl. 1 Kor 9, 22. 13 Gen 12, 1 f. 14 Apg 16, 9. 15 Vita MethodiiV, 2: ed. cit., S. 223. 16 Vita Constantini XIV, 9: ed. cit., S. 200. 17 Vita Constantini VI, 7: ed. cit., S. 179. 18 Mk 16, 15. 19 Mt 28, 19. 20 Gal 3, 26-28. 21 Auch wenn die Nachfolger von Papst Nikolaus I. besorgt waren wegen der widersprüchlichen Informationen, die hinsichtlich von Lehre und Wirken von Cyrill und Methodius eintrafen, gaben sie den beiden Brüdern bei der direkten Begegnung mit ihnen vollständig recht. Die Verbote oder Einschränkungen des Gebrauchs der neuen slawischen Liturgie muß man eher dem Druck der Verhältnisse, den wechselhaften politischen Beziehungen und der Notwendigkeit, Frieden zu halten, zurechnen. 22 Joh 17, 21 f. 23 Ps 117, 1. 24 Dekret Unitatis redintegratio, 4. 25 Dekret Unitatis redintegratio, 1. 26 Vgl. Vita Methodii IX, 3; VIII, 16: ed. cit., S. 229; S. 228. 27 Vgl. Vita Methodii IX, 2: ed. cit., S. 229. 28 II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 13. 29 Vita Constantini XVI, 8: ed. cit., S. 205. 30 Vgl. Mt 5, 45. 31 Vita Constantini XVI, 4-6: ed. cit., S. 205. 32 A. a. O. XVI, 58; ed. cit., S. 208; Phil 2, 11. 33 Vita Constantini XVI, 12: ed. cit., S. 206; Ps 66, 4. 34 Vita Constantini XVI, 13: ed. cit., S. 206; Ps 117, 1. 35 Vgl. Ps 112, 4; Joel 2, 13. 36 Vgl. 1 Tim 2, 4. 37 Vita Constantini I, 1: ed. cit., S. 169. 38 Vgl. Mt 13, 52. 39 Vgl. Gen. 15, 1-21. 40 Vita Methodii II, 1: ed. cit., S. 220 f. 41 Vgl. Vita Methodii XI, 2-3: ed. cit., S. 231. 42 Vgl. II. VATIKANISCHES KONZIL, Dekret Ad gentes, 38. 43 JOHANNES PAUL II., Ansprache bei der ökumenischen Begegnung in der Basilika San Nicola zu Bari (26. Februar 1984), Nr. 2: InsegnamentiVWl (1984), S. 532. 44 JOHANNES PAUL II., a. a. O. S. 531. 45 II. VATIKANISCHES KONZIL, Dogmatische Konstitution Lumen gentium, 1. 46 Vgl. Vita Methodii XVII, 9-10: ed. cit., S. 237; Lk 23, 46; vgl. Fs 31, 6. 47 Vita Methodii XVII, 11: ed. cit., S. 237. 1393 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In besonderer Weise „Erben Gottes“ Predigt bei der feierlichen Messe und Priesterweihe in der Petersbasilika am Dreifaltigkeitssonntag, 2. Juni 1. . Macht alle Menschen zu meinen Jüngern, tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie . . {Mt 28,19-20). Mit diesen Worten hat Christus das größte Geheimnis unseres Glaubens enthüllt. Es ist das Geheimnis vom dreifältigen Gott. Dieser Gott, eins in seiner göttlichen Natur, ist zugleich Vater, Sohn und Heiliger Geist. Das ist die Dreifaltigkeit. Die Gemeinschaft der (göttlichen) Personen. Diese Gemeinschaft ist das Leben Gottes. Zusammen mit der ganzen Kirche stehen wir heute vor der unsagbaren Majestät der Dreifaltigkeit. Wir beugen das Knie, wir knien nieder, um zu bekennen, daß die Heiligste Dreifaltigkeit der lebendige und wahre Gott ist. Es ist der Gott, der „in unzugänglichem Licht wohnt“ {1 Tim 6,16) und mit seiner Göttlichkeit die ganze Schöpfung unendlich überragt. Auch das, was der Mensch mit seiner geschaffenen Vernunft von Gott zu begreifen und auszudrücken vermag. 2. „Geht ... und lehrt alle Völker“ (Mt 28,19-20). Die Worte, die Christus unmittelbar vor seiner Aufnahme in den Himmel an die Apostel richtete, richtet er heute an die ganze Kirche, die den Missionsauftrag von den Aposteln als Erbe übernommen hat. Die Kirche befindet sich „in statu missionis“. Christus richtet diese Worte in besonderer Weise an euch, die ihr heute an diesen Altar und vor den Bischof von Rom tretet, um die Priesterweihe zu empfangen. Auch ihr sollt in besonderer Weise den Auftrag übernehmen, der den Aposteln am Tag des Abschieds des Herrn übertragen und mit dem Zeichen des Mysteriums der Heiligsten Dreifaltigkeit versehen worden ist. Und deshalb kniet ihr euch beim Empfang der Priesterweihe nieder, während die ganze Kirche betet, daß jedem von euch die Gnade des Sakraments der Priesterweihe zuteil werde. 3. Jeder von euch ist auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes getauft. Dieses am Anfang des Lebens empfangene Sakrament bleibt durch ein unauslöschliches Zeichen in euch: Das ist das Wesen der heiligen Taufe. 1394 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist das Zeichen des Sohnes, und es ist das Zeichen der Kinder Gottes. . Ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: ,Abba, Vater!“ So bezeugt der Geist selber unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind“ (Röm 8,15-16). In dieser Weise wohnt durch das Sakrament der Taufe die Heiligste Dreifaltigkeit in euch. Sie wohnt in jedem von uns, in jedem Getauften. Und ebenso entfaltet sich in jedem von uns jener mächtige und zugleich geheimnisvolle Heilsplan, der vom Vater, vom Sohn und vom Heiligen Geist vollbracht wird, indem sie in uns das Endreich Gottes selbst vorbereiten. Jeder lebt im Sohn, weil er das unauslöschliche Zeichen der Sohnschaft an sich trägt, und nähert sich dank des Zeugnisses des Geistes und unter seinem Wehen dem Vater. Für jeden von uns und für alle im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit Getauften passen darum die Psalmworte der heutigen Liturgie, in denen wir ausrufen: „Laß deine Güte über uns walten, o Herr, denn wir schauen aus nach dir“ (Ps 33,22). 4. Der heutige Tag ist für jeden von euch, liebe Söhne und Brüder, ein entscheidender Tag. An ihm soll sich an jedem von euch vollziehen, was Christus gesagt hat: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde“ {Mt 28,18). Kraft dieser Macht will Christus - der ewige Priester und das heiligste Opfer zugleich — jeden von euch in besonderer Weise an seinem Priestertum teilhaben lassen: als Diener der Eucharistie, seines sakramentalen Opfers. Er macht jeden von euch zum besonderen Erben der Einsetzung des Letzten Abendmahles, wo er sagte: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (Lk 22,19); zu einem besonderen Erben des Abends der Auferstehung, an dem er sagte: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben“ {Joh 20,22-23). Kraft dieser Macht, die euch im Himmel und auf der Erde gegeben ist, will Christus durch den Dienst der Kirche, durch das Auflegen der Hände des Bischofs euch ein neues unauslöschliches Zeichen aufprägen: ein neues W esensmerkmal. In ihm ist eine besondere Ähnlichkeit mit ihm enthalten, mit Christus, der sich im Opfer darbringt; mit Christus, der kraft dieses Opfers die Sünden erläßt; mit Christus, der wie der gute Hirte sein Leben hingibt für die Schafe; mit Christus, der lehrt; mit Christus, der rettet und heilt. 1395 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Das Priestertum kommt von Gott selbst. Durch das Priestertum werdet ihr in besonderer Weise zu „Erben Gottes“ und „Miterben Christi“ (Röm 8,17), zum Dienst am ganzen messianischen Volk, das durch das Blut des Kreuzes Christi erlöst wurde. Zusammen mit diesem Sakrament wird die Heiligste Dreifaltigkeit auf neue Weise in euch wohnen. In jedem von euch wohnen und wirken: der Vater, der Sohn, der Heilige Geist. Ja, der Heilige Geist, der Tröster, an den wir gleich unsere Gebete richten werden, wird jeden von euch an der Macht des Sohnes teilhaben lassen: an der Macht des Priestertums Christi, damit ihr in ihm euch selber und alles Seiende dem Vater darbringen könnt. 6. Die ganze Kirche betet: „Herr, deine Gnade walte über diesen unseren Söhnen und Brüdern.“ Damit jeder von ihnen Priester auf ewig werde: Priester, ein Mensch, der in besonderer Weise das Merkmal des göttlichen Lebens, des Geheimnisses der Heiligsten Dreifaltigkeit, in sich trägt. Instrument der Zusammenarbeit Ansprache bei der Audienz für den italienischen Ministerpräsidenten Bettino Craxi anläßlich des Austausches der Ratifkationsurkunden des neuen Konkordats zwischen dem Hl. Stuhl und Italien im Vatikan am 3. Juni <232> <232> Ich danke Ihnen, Herr Ministerpräsident, sehr für die Geste freundlicher Aufmerksamkeit, die Sie dem römischen Papst gegenüber an dem Tag erweisen wollten, an dem mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden zu dem jüngsten Abkommen zwischen Italien und dem Hl. Stuhl die neuen Konkordatsbestimmungen in Kraft treten. Ich danke Ihnen insbesondere für die gewählten Worte, mit denen Sie die Bedeutung des Vertragsereignisses, das heute seine Krönung erfährt, erläuterten, wobei Sie den Schutz und die Förderung der menschlichen Person in all ihren Dimensionen in den Mittelpunkt stellten. Gern heiße ich Sie, Exzellenz, den Herrn Außenminister und die hohen Persönlichkeiten Ihrer Begleitung mit hoher Achtung herzlich willkommen. 1396 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heute beginnt ein neuer Abschnitt in den institutioneilen Beziehungen zwischen Kirche und Staat in Italien. Spontan regt sich der Wunsch, daß er reich an Früchten für den zivilen und religiösen Fortschritt dieser teueren Nation sein möge, deren Geschichte und Kultur — wie ich kürzlich beim Kirchentag in Loreto hervorhob - „aufs engste mit dem Weg der Kirche seit den Zeiten der Apostel verflochten sind“ (Ansprache vor dem Italienischen Kirchentag in Loreto am 11. April 1985, Nr. 3, in: O.R. dt., 3. 5. 85, S. 4). Als Instrument der Eintracht und Zusammenarbeit hat das Konkordat nun seinen Platz in einer Gesellschaft, die vom freien Wettstreit der Ideen und von der pluralistischen Artikulierung der verschiedenen gesellschaftlichen Komponenten gekennzeichnet ist: Es kann und soll einen Faktor der Förderung und des Wachstums darstellen, indem es die tiefe Einheit von Idealen und Empfindungen begünstigt, durch die sich alle Italiener als Brüder in ein und demselben Vaterland fühlen. 2. Ich erinnerte in Loreto daran, daß gerade die Form der demokratischen Regierung, die Italien erreicht hat und die jeder Christ als Staatsbürger zu schützen und zu stärken verpflichtet ist, ihnen den nötigen Raum bietet und die Präsenz aller Gläubigen fordert“ (ebd., Nr. 8, ß. «. O., S. 6). Die kirchliche Gemeinschaft ist sich bewußt, in der italienischen Gesellschaft eine aktive Rolle zu spielen und ihren eigenen Beitrag zu den großen Problemen zu garantieren, die heute anstehen und die beizeiten weitblickende Lösungen verlangen, wie die Förderung des Lebens und der Lebensqualität, der Schutz der Familie, die kulturelle Entwicklung, die Organisation der Arbeit und die Schaffung neuer Arbeitsplätze, insbesondere für die Jugend; sie weiß, daß sie ihre Vorstellungen zur Überwindung von Übeln vorschlagen kann, die vor allem in den industriellen und städtischen Ballungsgebieten endemisch geworden zu sein scheinen, wie das Randgruppendasein der Schwachen, der Alten, der Behinderten, der Einwanderer und die schreckliche Geißel der verbreiteten Drogensucht. Es ist ein Beitrag an Werten, Ideen und Kräften, die die italienische Kirche aus dem Evangelium und der bedeutsamen und reichen religiösen Tradition schöpft, die leuchtende Seiten der Geschichte dieser Nation geschrieben hat. Wir denken unwillkürlich an die blühende Zeit der Stadtkultur, wo der christliche Glaube Triebkraft einer ursprünglichen und schöpferischen Erfahrung bürgerlicher Freiheiten war; und weiter an das Zeitalter der Renaissance, wo der wunderbare Frühling der Künste 1397 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ausbrach, der Wahrheiten und Bilder der Offenbarung mit der Sprache der Schönheit schilderte. Wenn wir im Geist die Jahrhunderte zurückgehen, stellen wir noch immer voll Bewunderung die aus der katholischen Reform erwachsene Bemühung um die Evangelisierung und Förderung des Volkes fest; und nachdenklich halten wir inne vor der Sorge und Mühsal der Zeit der Romantik und des Risorgimento, die gleichfalls von idealen Kräften durchsetzt waren, deren Wurzeln letztlich im Nährboden der christlichen Tradition verankert sind, wie der große Alessandro Manzoni, dessen zweihundertsten Geburtstages wir in diesem Jahr gedenken, mit Recht bemerkte. Schließlich erheben sich unsere Gedanken zu der noch frischen Erinnerung an die Teilhabe der Gläubigen an den Leiden des Krieges und der Wiedergeburt aus den Trümmern des unmenschlichen Konfliktes, in dem nicht wenige Priester und Laien das Zeugnis für die evangelischen Werte der Brüderlichkeit und Freiheit mit ihrem Blute besiegelten. Die heutige Kirche fühlt sich durch das Beispiel und den Auftrag ihres göttlichen Stifters und auch durch die Erinnerung an ihre eigene Vergangenheit verpflichtet, fortzufahren im engagierten Dienst am Menschen, in dessen Mittelpunkt sie „das Prinzip der Zusammenarbeit zwischen Glaubenden und Nichtglaubenden in unserer Zeit“ stellt. 3. Bei der Ausübung dieser „diakonia“, d. h. dieses Dienstes am Menschen, versucht die Kirche in voller Respektierung der Unabhängigkeit der politischen Ordnung und der Souveränität des Staates vorzugehen. Ebenso achtet sie sorgfältig auf die Wahrung der Freiheit aller als unerläßlicher Bedingung für die Errichtung einer menschenwürdigen Welt; denn nur in der Freiheit vermag der Mensch die Wahrheit in ihrer Fülle wieder zu suchen und ihr aufrichtig anzuhängen, weil er darin Grund und Anregung für den solidarischen und einheitlichen Einsatz für das Gemeinwohl findet. Der eigene und ursprüngliche Beitrag der Kirche zum Wohl der bürgerlichen Gesellschaft - durch ihre Mitglieder, die ja auch Bürger des Staates sind - ist natürlich in erster Linie moralischer Art. Es bleibt nicht aus, daß dieser Beitrag aufgrund der ihm innewohnenden Dynamik sich in den anderen Bereichen der menschlichen Erfahrung auswirkt, indem er deren konsequente Entwicklung zu immer höheren Zielen anregt. Deshalb ist die Kirche überzeugt, daß „die Förderung der moralischen Werte ein grundlegender Beitrag zum wahren Fortschritt der Gesellschaft ist“ {Ansprache in Loreto, Nr. 7, a. a. O., S. 6). Von vorrangiger Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die moralische 1398 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Inspiration und Gesinnung der einzelnen Personen: denn auch eine mit den vollkommensten Gesetzen ausgestattete Republik wäre weit davon entfernt, ihre Ziele erreichen zu können, würde sie nicht von dem sittlichen Bemühen ihrer Mitglieder unterstützt. Desgleichen garantiert die rege und aktive Teilhabe sämtlicher kirchlichen Einrichtungen und Bewegungen am Leben des Landes im offenen Dialog mit den anderen Kräften der italienischen Gesellschaft einen unersetzlichen Beitrag von hoher moralischer und staatsbürgerlicher Prägung. 4. In diesem Zusammenhang möchte ich ein gebührendes und herzliches Gedenken der ganzen Italienischen Bischofskonferenz widmen, der die neuen Konkordatsbestimmungen eine besonders verantwortungsvolle Rolle zuerkennen. Denn die Bischöfe sind die ersten Garanten und Förderer jenes Beitrages an Werten, den die christliche Gemeinschaft für den Aufbau der Gesellschaft garantiert. Da ist die Nähe der Priester zu den Familien von deren Gründung an in der staatlich anerkannten sakramentalen Feier der Eheschließung; da ist die pastorale Sorge, die sie darauf verwenden werden, daß der katholische Religionsunterricht an den staatlichen Schulen getreu nach dem Lehramt der Kirche erteilt werde und die Zielsetzungen der Schule in geeigneter Weise entspreche; da ist der Ansporn, den sie den kirchlichen Einrichtungen geben sollen, damit sie den Bedürfnissen der heutigen Menschen noch besser entsprechen: Das sind einige der hauptsächlichen Gelegenheiten für nützliche Beiträge zur Förderung der christlichen Werte der Gesellschaft, wie sie gerade von den Konkordatsbestimmungen angeführt werden. Es scheint mir angebracht, hinzuzufügen: Die kirchliche Gemeinschaft ist sich sehr wohl bewußt, daß sie nicht die einzige Förderin von Werten in der bürgerlichen Gesellschaft sein kann. Sie gibt, aber zugleich empfängt sie in einer Art existentiellem Dialog. Ist das etwa nicht die Wahrheit, die sich gerade aus der Geschichte der christlichen Spiritualität ergibt, wo Heilige wie Franziskus, Klara, Katharina von Siena, Filippo Neri hervorragen, die so sehr vom italienischen „Genius“ geprägt waren, daß er ihrem Zeugnis Züge einer unverkennbaren Originalität verlieh? Aber das Gesagte gilt für viele andere Aspekte des kirchlichen Lebens, von denen ich nur den Einsatz der Nächstenliebe und Fürsorge als unmittelbare Antwort auf ein klares Gebot Christi (vgl. Lk 10,9; Mt 25,36) erwähne. Wie könnte man die typisch italienischen Wesensmerkmale der Barmherzigen Brüder und Schwestern sowie anderer Bruderschaften mit karitativen Zielsetzungen verkennen und wie sollte man nicht staunen über die ersten großen Krankenhäuser, denen geniale 1399 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Architekten der Renaissance auch einen Adel der ästhetischen Linie verliehen, für die der Mensch der damaligen Zeit besonders empfänglich war? In der Geschichte der Nation zeichnen sich auf Schritt und Tritt Zeugnisse dieser fruchtbaren Symbiose ab, die sich als so bedeutsam für die Förderung der einzelnen und den Fortschritt der ganzen Gesellschaft erwiesen hat. 5. Ihr heutiger Besuch im Vatikan, Herr Ministerpräsident, findet statt, während die italienische Regierung ihren turnusmäßigen sechsmonatigen Vorsitz im Ministerrat der Europäischen Gemeinschaft innehat. Seit deren Gründung hat sich Italien stets in lobenswerter Weise für die Förderung der Institutionen der Gemeinschaft, die Stärkung ihrer Einheit und die Erleichterung ihrer hochherzigen und weitblickenden Öffnung gegenüber anderen Ländern eingesetzt. Auch der jüngste Plan einer europäischen Einigung ist durch den aktiven Beitrag italienischer Initiative und Unterstützung gekennzeichnet. Bei der Errichtung des Europa von morgen werden die Katholiken Italiens (wie übrigens die Katholiken der anderen europäischen Ländern auch) spontan sich allen verbunden wissen, die dafür wirken wollen, daß die politische Einheit des Kontinents auf dem soliden Fundament einer Gemeinschaft moralischer und kultureller Werte zustande kommt, wobei den gemeinsamen ideellen Wurzeln mehr Aufmerksamkeit gezollt werden soll als der notwendigen Übereinstimmung der Interessen. Auf dieser Grundlage wird das Europa des Jahres 2000 aufs neue ein Pol der Verbreitung von Kultur und Zivilisation und ein Antriebszentrum der Solidarität für die Entwicklung der weniger begünstigten Länder sein können. In diesem ideellen Zusammenhang erneuere ich meinen ganz herzlichen Wunsch, daß Italien voll und ganz der Berufung entspreche, die es aus so vielen historischen, kulturellen, geographischen und nicht zuletzt religiösen Gründen in der Versammlung der Völker auszeichnet. Und von Herzen rufe ich den Segen Gottes herab auf Italien, auf seine Regierenden, auf alle seine Staatsbürger. 1400 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Bund, der alle einschließt Predigt beim feierlichen Gottesdienst vor der Lateranbasilika am Fronleichnamsfest, 6. Juni 1. . . Das ist mein Leib.“ „Das ist mein Blut, das Blut des Bundes“ (Mk 14,22.24). Das sind die Worte, die den göttlichen Plan zur Rettung des Menschen neu besiegelt haben. Das sind die Worte, die den Neuen Bund gestiftet haben. Um sie zu sprechen, um das Sakrament seines Leibes und Blutes einzusetzen, befahl Christus den Jüngern, einen passenden Raum zu finden: „Wo ist der Raum, in dem ich mit meinen Jüngern das Paschalamm essen kann?“ {Mk 14,14). Dieser Raum, der Platz des Letzten Abendmahls, wird Abendmahlssaal genannt. Jedes Jahr am Gründonnerstag versammelt sich die Kirche in Rom bei ihrer Bischofskirche, der Lateranbasilika, um hier das Gedächtnis an das Letzte Abendmahl zu feiern. Dieser Ort ist zum Abendmahlssaal der Kirche Roms geworden. 2. Auch heute haben wir uns an diesem Platz eingefunden. Wir kommen alle hierher, um das Gedächtnis an das Sakrament zu erneuern, durch das Jesus der Menschheit seinen Leib und sein Blut als Speise und Trank gegeben hat. Dieses Jahr erneuern wir das Gedenken an die Einsetzung der Eucharistie, indem wir das Evangelium nach dem hl. Markus lesen. „Während des Mahls nahm er das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: Nehmt, das ist mein Leib. Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, reichte ihn den Jüngern, und sie tranken alle daraus. Und er sagte zu ihnen: Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird“ {Mk 14,22-24). 3. Das Blut des Bundes. Jesus spricht diese Worte vor den Aposteln, deren Zwölfzahl den zwölf Stämmen Israels entspricht. Vor diese zwölf Stämme trat, wie wir heute im Buch Exodus lesen, Mose „und übermittelte dem Volk alle Worte und Rechtsnormen des Herrn . . . Darauf nahm er die Urkunde des Bundes und verlas sie vor dem Volk“ {Ex 24,3.7). Die Stämme Israels erklärten: „Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir 1401 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tun.“ Da „nahm Mose das Blut, besprengte damit das Volk und sagte: Das ist das Blut des Bundes, den der Herr aufgrund all dieser Worte mit euch geschlossen hat“ {Ex 24,7-8). Das Blut des Bundes. Der Alte Bund, geschlossen mit dem Blut der Opfertiere. 4. Im Abendmahlssaal von Jerusalem offenbart sich Christus als Mittler des Neuen Bundes, er, der „mit seinem eigenen Blut“ „ein für allemal in das Heiligtum“ hineingehen muß und damit „eine ewige Erlösung für uns bewirkt hat“ {Hebr 9,12). Der Mittler des Neuen Bundes. Der Hohepriester der künftigen Güter. Christus, „der sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat, wird unser Gewissen von toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen“ {Hebr 9,14). Der Hohepriester der künftigen Güter: „damit die Berufenen das verheißene ewige Erbe erhalten“ {Hebr 9,15). Christus, Mittler des in seinem eigenen Blut geschlossenen neuen und ewigen Bundes. 5. Dieses Blut ist das Blut seines Leibes. Und der Leib ist der Tempel seines Blutes. Wenn er seinen Leib am Kreuz hinopfert, vergießt er sein Blut, was zum Ganzopfer des vollkommenen Opfermahls wird. „Amen, ich sage euch: Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich von neuem davon trinke im Reich Gottes“ {Mk 14,25). Durch das im Abendmahlssaal unter den Zeichen von Brot und Wein eingesetzte Opfer geht Christus - der Hohepriester der künftigen Güter -„ein für allemal in das Heiligtum hinein“. Und er führt uns in diese Stätte ein. Das Sakrament des Leibes und Blutes ist das Sakrament des Weges. Jenes Weges, auf dem der Mensch voranschreitet, seiner ewigen Bestimmung in Gott selbst entgegengeht. Des Weges, der uns aus dem in die Zeitlichkeit eingetauchten Leben, aus dem vergänglichen Leben in das ewige Leben führt. 6. Heute haben wir uns wieder hier beim Lateran eingefunden wie am Gründonnerstag. Diesmal jedoch nicht im Inneren der Basilika, die uns an den geschlossenen Raum des Abendmahlssaales erinnert, sondern draußen. 1402 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bereit zu gehen. Wir müssen in der Tat in einer Prozession durch die Straßen Roms ziehen, um Zeugnis davon zu geben, daß der Leib und das Blut Christi, daß die Eucharistie das Sakrament des Weges ist: jenes Weges, auf dem uns der Gott des Bundes geleitet. „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben“ (Joh 6,51). Wir wollen gerade inmitten unserer Gemeinde Zeugnis geben. Und wir wollen allen Menschen sagen: Der Weg des Menschen ist der Weg zum ewigen Leben. Inmitten dieser Stadt, inmitten dieser Straßen, dieser Häuser, dieser Stätten der vielfältigen Tätigkeit des Menschen, die der Zeitlichkeit zugewandt ist, wollen wir vom Sakrament des ewigen Lebens im Leib und Blut Christi sprechen. 7. Wir wollen Zeugnis geben vom Bund. Gott, der den Menschen als sein Bild und Gleichnis geschaffen hat, ist von Anfang an der Gott des Bundes. Der Gott Abrahams. Der Gott des Mose. Der Gott Jesu Christi. Die Eucharistie: das Sakrament des Bundes des Leibes und Blutes Christi - des Bundes, der ewig ist. Das ist der Bund, der alle einschließt. Dieses Blut erreicht alle und rettet alle. Inmitten derer, die vergessen haben, derer, die nicht sehen, derer, die gleichgültig sind, derer, die dagegen sind, rufen wir: Was werde ich, Mensch, dem Herrn geben für alles, was er mir gegeben hat? Über alle Wirrnisse der Geschichte, über die Bedrohungen unserer Zeit, über die Schwankungen der menschlichen Herzen, der Gesinnungen und der Gewissen „erhebt die Kirche den Kelch des Heiles“ (vgl. Ps 116,13); erhebt sie die Eucharistie. 1403 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eltern müssen das Vorbild liefern Ansprache an die Teilnehmer der Internationalen Tagung über Vorbeugung und Behandlung des Alkoholismus am 7. Juni Liebe Freunde! Ich freue mich, Sie alle zu begrüßen, die Sie an der vom Internationalen Rat für Probleme des Alkoholismus und der Suchtkrankheiten in Lausanne und dem Italienischen Solidaritätszentrum in Rom gemeinsam veranstalteten 31. Internationalen Tagung über Vorbeugung und Behandlung des Alkoholismus teilnehmen. Bei Ihren Beratungen während dieser Tage bot sich Ihnen eine großartige Gelegenheit, Informationen auszutauschen und mit Spezialisten der Ärzteschaft aus anderen Ländern zusammenzutreffen, die sich mit dem Problem des Alkoholmißbrauchs beschäftigen. Das Problem hat in der Tat bedenkliche Ausmaße angenommen und betrifft Menschen jedes Alters und aller sozialen Schichten und Lebensbereiche. Besonders beunruhigend ist die Auswirkung des Alkoholmißbrauchs auf die Jugend der modernen Gesellschaft. Bei diesem sozialen Übel spielen zahlreiche Faktoren mit, nicht zuletzt der Druck Gleichaltriger und der Gruppenzwang in einer ungesunden Umwelt, die junge Menschen davon abhält, zu reifen und glückliche und gesunde Menschen zu werden. Die bequeme Verfügbarkeit von Alkohol im Vergleich zu anderen Drogen erhöht den Prozentsatz der Verbraucher unter den Jugendlichen sehr stark, und das ist gleichfalls ein Grund zu ernster Sorge. Ebenso können die wirtschaftlichen Verhältnisse in der Gesellschaft - der hohe Grad von Armut und Arbeitslosigkeit - bei einem jungen Menschen zum Gefühl der Unruhe, der Unsicherheit, der Frustration und sozialen Entfremdung beitragen und ihn zur Flucht aus den Lebensproblemen in die Phantasiewelt des Alkohols locken. So bedeutsam diese Faktoren auch sein mögen, so ist und bleibt es die Familie, die die Jugendlichen auf dem Gebiet des Alkohols am stärksten beeinflußt. Das Beispiel, das in allen Dingen, einschließlich des Alkoholmißbrauchs, von den Eltern gegeben wird, steht in der Formung der jungen Menschen an erster Stelle. Das Kind beobachtet mit wacher Aufmerksamkeit, wie Vater und Mutter die Schwierigkeiten des Lebens bewältigen. Das Kind kann leicht dazu angehalten werden, Verhaltensmuster, die es daheim gelernt hat, nachzuahmen. Die Eltern müssen besonders dafür Sorge tragen, diesbezüglich ein positives Vorbild zu 1404 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liefern, damit ihren Kindern nicht der Ausweg in die ungesunde Gewohnheit einer seelischen Flucht vermittelt wird. Gleichzeitig sollten die Eltern die Stärkung der Werte der Familie als wichtig erkennen, das meint, die Familie muß eine echte Gemeinschaft von Personen bilden, wo Mann und Frau, Eltern und Kinder in Beziehungen wahrer Liebe füreinander leben. Liebe ist der Ausgangspunkt und das Endziel der Familie. Liebe ist die innere Dynamik, die die Familie zu immer tieferer und immer intensiverer Gemeinschaft führt (vgl. Familiaris consortio, Nr. 18). Das Vorbild, das Eltern ihren Kindern bieten, wenn sie jene Liebe zeigen, die gegenseitige Achtung, Vergebung und Mäßigung in ihrem eigenen Verhalten einschließt, wird für ihre Kinder den Weg bezeichnen, dem sie folgen sollen. Ich möchte allen, die an einer Lösung des Problemes des Alkoholmißbrauchs arbeiten, meine Ermutigung aussprechen. Insbesondere will ich allen danken, die sich im Namen einer grundlegenden menschlichen Solidarität bemühen, Menschen, die an Alkoholismus leiden, zu helfen. Ich denke dabei an jene Experten, Ärzte, Krankenschwestern und andere Einzelpersonen sowie an die eigens zu diesem Zweck errichteten Institutionen, die einen unschätzbaren Dienst für ihre leidenden Mitmenschen leisten. Das Mitleid, das zu diesem Tun anregt, das an den Geist des Barmherzigen Samariters erinnert, ist ein schönes Zeugnis für die Sorge heutiger Menschen, den Leiden ihrer Mitmenschen mehr Beachtung zu schenken und zu versuchen, sich ihrer mit immer größerer Sachkenntnis anzunehmen. Möge Sie Ihre Tagung in Rom veranlassen, immer wirksamere Methoden und Verfahren zu Erreichung Ihrer Ziele zu entdecken. Seien Sie meines Gebetes und meiner Unterstützung für alles versichert, was Sie für diejenigen tun, die leiden. Gott segne Sie und Ihre Familien. 1405 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Immer noch Hoffnung auf Frieden Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des neuen libanesischen Botschafters beim Hl. Stuhl, Gazi Chidiac, am 8. Juni Herr Botschafter! Die Lage im Libanon prägt die Überreichung Ihres Beglaubigungsschreibens als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Libanon beim Heiligen Stuhl mit großem Ernst. Seit mehr als zehn Jahren befindet sich Ihre geliebte Heimat in bürgerkriegsartigem Zustand. Die Öffentlichkeit hat sich, so scheint es, leider daran gewöhnt. Ihre Landsleute und die unzähligen Freunde des Libanon hingegen haben nicht aufgehört, auf das Heraufkommen des Friedens zu hoffen. Ich danke Ihnen für Ihre Worte vorhin, in denen sich die Dankbarkeit für die ständige Sorge des Apostolischen Stuhls um das libanesische Volk und die Erwartung einer dringenden Hilfe seitens der Nationen zur Mitwirkung an dem Wiederaufbau dieses tief unglücklichen Landes miteinander verbinden. Und ich möchte Eurer Exzellenz die Versicherung meiner sehr lebendigen Verbundenheit mit den Leiden aller Bewohner dieses schönen Landes zum Ausdruck bringen, das auf Grund seiner Geschichte von so vielen menschlichen Werten geprägt und von so viel religiösem Glauben erfüllt ist. Wenn man freilich die letzten zehn Jahre betrachtet, könnte man versucht sein zu verzweifeln. Gott sei Dank, gibt es noch genügend Libanesen, ich will sagen, eine sehr große Zahl von Libanesen, die es nicht zulassen, daß die Strömung der Müdigkeit und des Defätismus die kleine Flamme der Hoffnung zum Verlöschen bringt. Eure Exzellenz bewahrt, wie zahlreiche Persönlichkeiten, Zuversicht. Es ist für die Bevölkerung maßgebend, daß die Verantwortlichen trotz der angehäuften Schwierigkeiten die Sorge um das Gemeinwohl und den unerläßlichen klaren Blick bewahren, um die Zukunft dieser Nation zu gewährleisten. Ich bin ebenfalls sicher, daß die libanesische Bevölkerung ihrerseits imstande und willens sein wird, an allen Bemühungen mitzuwirken, die unternommen werden, um die Institutionen zu stärken, das Leben der Gesellschaft wiederherzustellen und ein Klima gegenseitigen Vertrauens zu schaffen. Die Zukunft des Libanon liegt in den Händen aller seiner Söhne und Töchter, das heißt, jeder einzelne Mensch - was immer seine politischen Einstellungen und seine Religionszugehörigkeit sein mögen und welche Prüfungen und Enttäuschungen er erlebt haben mag - verfügt in sich über erstaunliche Reserven für einen moralischen und geistigen 1406 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wiederaufstieg. Wir rühren damit an das eigentliche Geheimnis der menschlichen Person, die der materiellen Welt und zugleich der Welt des Geistes verhaftet ist. Der Mensch ist als Gottes Ebenbild geschaffen. Diese geistliche Dimension bringt, sobald sie nach bestem Wissen und Gewissen erkannt wird, die Wiederaufrichtung des einzelnen und der Gemeinschaft hervor. Der Verstand des Menschen, sein freier Wille, sein offenes, großmütiges Herz sind Quelle des Verständnisses, der Dynamik, des echten demokratischen Geistes, der zur Annäherung der Differenzen zum allgemeinen Wohl führen kann. Meine Vorschläge treffen sich so mit denen Eurer Exzellenz. Sie tragen auch einem Faktor Rechnung, der allen Bevölkerungsgruppen des Libanon gemeinsam ist: der Glaube an den einen und einzigen Gott, der die nationale Wiederversöhnung fördern kann und muß. Ich möchte noch zwei grundlegende Elemente herausstellen, deren Entfaltung den Libanesen am Herzen liegen muß. Das ist einmal das Fortbestehen der Begegnung und Koexistenz verschiedener religiöser Tradition auf dem Boden ihrer Heimat. Die Zugehörigkeit zu einem Religionsbekenntnis sollte nicht Ursache zu Feindseligkeit und Extremismus sein, sondern im Gegenteil zu Gefühlen der Verständigung und einer konkreten Zusammenarbeit im Hinblick auf das materielle und spirituelle Wohl der nationalen Gemeinschaft anregen. Andererseits hat der Libanon lange Zeit einen kulturellen Pluralismus akzeptiert. Seine Schlüsselstellung zwischen Orient und Abendland erklärt übrigens dieses Phänomen. Zahlreiche umsichtige Beobachter bestätigen, daß dieser kulturelle Pluralismus mit ein Faktor für die Entwicklung des Landes gewesen ist, auch wenn man bedauern kann, daß er für diese oder jene Region von geringerem Vorteil war als für andere. Er kann zweifellos Abgrenzungen kennen, aber er hütet seine ganze Daseinsgrundlage. Ich wünsche inständig, daß die Verantwortlichen, die Bevölkerungsgruppen in dieser doppelten Richtung neue Schritte unternehmen. Der allmächtige Gott, der von der großen Mehrheit der Libanesen angerufen wird, helfe jedem von ihnen, seine Gesinnung und sein Verhalten zu überprüfen und umzuwandeln, damit im Geist und in den Herzen wieder die menschlichen und geistigen Werte vorherrschen, die das Gefüge jeder menschlichen Gesellschaft, jeder Zivilisation bilden oder wieder bilden, die würdig ist, in die Geschichte einzugehen: die heilige Achtung vor dem Leben, die Annahme jedes Menschen in seinen Unterschieden, die Preisgabe von Sonderinteressen um des allgemeinen Wohls willen, der Schutz der unveräußerlichen Rechte und Freiheiten, die tägliche Pflicht- und Gewissenstreue. In diesem Sinne sprach ich mit der 1407 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Delegation libanesicher Parlamentarier, die mir am 29. März d. J. einen Besuch abgestattet haben. Mein letzter und sehnlicher Wunsch ist, daß die Nationen guten Willens sich endlich und in immer größtem Respekt vor der Souveränität des Libanon untereinander abstimmen, um das Land von der Geißel des Krieges zu befreien und ihren Beitrag zu leisten, ihm Frieden und Glück wiederzugeben. Herr Botschafter, nochmals danke ich Ihnen für Ihre von Würde und Einsicht, Klugheit und Weisheit geprägten Worte. Ich hege für Sie und für die hohe Mission, die Herr Präsident Amine Gemayel Ihnen anvertraut hat, die herzlichsten Wünsche. Gott sei Ihnen Beistand und gebe, daß alle mutig für den Frieden in der Welt arbeiten! Allein der Geist der Wahrheit Predigt beim Gottesdienst mit Spendung des Firmsakramentes an 348 Jugendliche aus aller Welt in St, Peter am 9. Juni 1. „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben“ (Joh 14,16). Diese Worte sprach der Herr Jesus am Tag vor seinem Leiden und Tod am Kreuz. Als er die Seinen, die Apostel, verlassen mußte, versprach er ihnen „einen anderen Beistand“, „der für immer bei euch bleiben soll“ (ebd.). Dieser „andere Beistand“ ist der Heilige Geist, der Geist der Wahrheit. Wir wissen, daß sich diese Ankündigung und Verheißung des Herrn Jesus den Aposteln gegenüber erstmals am Pfingsttag erfüllt hat. Damals empfingen sie den Geist der Wahrheit, der nicht nur sie persönlich „zur ganzen Wahrheit“ führte (vgl. Joh 16,13), sondern ihnen auch ermöglichte, die anderen zu lehren: die anderen in der Wahrheit zu stärken, die ihre ewige Quelle in Gott selber hat. 2. „Ich werden den Vater bitten.“ Dieses Gebet des Herrn Jesus im Abendmahlssaal geht weiter. Christus bittet ohne Unterlaß den Vater um den Heiligen Geist für seine Jünger: für diejenigen, die in den immer neuen Generationen das Zeugnis der Apostel annehmen. 1408 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heute erbittet Christus den Heiligen Geist in besonderer Weise für euch, Jugendliche, die ihr in der jetzigen Generation der Getauften, also der Christen, in unmittelbarer Nähe des Grabes des hl. Petrus das Sakrament der Firmung empfangen sollt. Zu diesem Grab, das allen Christen heilig ist, weil es Erinnerung und Zeugnis gibt von dem Märtyrertod, den das Haupt der Apostel um des Glaubens willen erlitten hat, seid ihr - um eben in diesem Glauben gefestigt zu werden — aus vielen Teilen der Welt gekommen: aus Frankreich, Österreich, Deutschland, aus den Vereinigten Staaten, Nigeria, Zaire, Finnland; aus vielen römischen Pfarreien und zahlreichen Regionen Italiens: dem Veneto, der Toskana, aus Umbrien, Latium, Kampanien, Apulien, Sardinien und Sizilien. Ich begrüße euch alle mit aufrichtiger Liebe, wobei ich besonders an die Brüder aus dem römischen Rehabilitationszentrum „La Nostra Scuola“ und an die Mitglieder der Krankenpflegeschule des römischen Krankenhauses Sant’ Eugenio denke. 3. Das Sakrament der Firmung hat in gewissem Sinne die Aufgabe, in jedem und jeder von euch zu bestätigen und zu vervollständigen, was bereits im Sakrament der Taufe grundgelegt wurde. Die Firmung soll festigen. Durch die heilige Taufe ist jeder und jede von euch Christ geworden und hat das unauslöschliche Zeichen der Gotteskindschaft empfangen, das uns Christus, dem Sohn Gottes, geistlich ähnlich macht. Durch die Firmung soll jeder und jede von euch auf eine noch neue Weise Christ werden. Ein reifer Christ im Heiligen Geist, ähnlich wie die Apostel an Pfingsten. Ein reifer Christ sein heißt „Zeuge Christi“ sein: von ihm Zeugnis geben, wie es die Apostel am Beginn der Kirche getan haben. So wie hier in Rom der hl. Petrus, über dessen Grab wir uns befinden, und der hl. Paulus, dessen Märtyrerstätte sich in einem anderen Teil dieser Stadt befindet, Zeugnis gegeben haben. 4. Um auf diese Weise reife Christen zu werden, müssen wir den Geist der Wahrheit empfangen und aufnehmen. Allein der Geist der Wahrheit, der der Geist Gottes ist, vermag uns in der göttlichen Wahrheit zu festigen. Allein der Geist der Wahrheit, der der Geist Jesu Christi ist, vermag in unserem Geist und in unserem Willen die Überzeugung von jener Wahrheit zu stärken, die Christus verkündete; von jener Wahrheit, die er mit seinem Kreuz und seiner Auferstehung gefestigt und besiegelt hat. Jene Wahrheit heißt Frohbotschaft: das Evangelium. 1409 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Allein der Heilige Geist kann uns zu wahren „Menschen des Evangeliums“ machen, das heißt: zu wahren, bewußten und verantwortungsvollen Christen. Der Christ ist „der Mensch des Evangeliums“. 5. Der Christ ist der neuen Mensch dieser Neuheit, dieser Erneuerung, die von Christus ausgeht. Diese Erneuerung beginnt im Herzen, im Gewissen. Wenn ihr den Heiligen Geist empfangt, erfüllen sich die Worte des Propheten Ezechiel, die wir in der heutigen Liturgie gehört haben: „Ich schenke euch ein neues Herz und gebe euch einen neuen Geist. . . Ich lege meinen Geist in euch hinein und bewirke, daß ihr nach meinen Gesetzen lebt und meine Gebote achtet und erfüllt“ (Ez 36,26-27). Glauben heißt zugleich: nach dem Glauben leben, so handeln, wie er es uns anzeigt. Zeugnis geben von Christus heißt: seine Gebote praktisch anwenden, vor allem das Gebot der Liebe. „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten“ (Joh 14,15). Das Sakrament der Firmung soll den in der heiligen Taufe empfangenen Glauben stärken und bewirken, daß er lebendig ist, das heißt beseelt wird von der Gottes- und Nächstenliebe. 6. Das Sakrament der Firmung festigt die christliche Berufung eines jeden von uns, durch die wir an der Gemeinschaft der Kirche teilhaben. Ja, wir erbauen als „lebendige Steine“ (nach den Worten des hl. Petrus, 1 Petr 2,5) diese Kirche. Wir erbauen die Kirche, die der Leib Christi ist, (nach den Worten des hl. Paulus), als „Glieder dieses Leibes“: „Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden, so ist es auch mit Christus: Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen“ (1 Kor 12,12-13). Und auch in einem einzigen Geist werden wir heute durch das Sakrament der Firmung gefestigt. 7. In diesem Zusammenhang möchte ich euch die Worte aus meinem diesjährigen „Schreiben an die Jugend der Welt“ in Erinnerung rufen: „Ihr müßt auch die Bedeutung der Taufe und der Firmung tief überdenken. In diesen beiden Sakramenten ist ja das Fundament des christlichen Lebens und der christlichen Berufung enthalten. Von hier führt der Weg weiter zur Eucharistie, welche die Fülle der sakramentalen Gnaden enthält, die dem Christen geschenkt werden: Der ganze Reichtum der 1410 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche konzentriert sich in diesem Sakrament der Liebe“ (An die Jugendlichen der Welt, Nr. 9, in: O.R. dt., 29. 3. 85, S. 8). 8. So also, junge Freunde, will ich vor Christus, der in dieser Eucharistiefeier „den Vater für uns bittet“, an euch diesen sakramentalen Dienst vollziehen, den Petrus, Johannes und andere Apostel vollbrachten, wie uns die Apostelgeschichte berichtet. Wenn ich euch allen — einem und einer jeden von euch hier Anwesenden - die Hand auflege, werde ich euch die Stirn mit dem heiligen Chrisam salben und die Worte sprechen: „Empfange das Siegel des Heiligen Geistes, der dir als Gabe gegeben wird.“ Und ihr, jeder von euch, werdet - zusammen mit dem Zeugen eurer Firmung - antworten: „Amen.“ Dieses „Amen“ will heißen: „Ich nehme an.“ Ich nehme (ihn) an, wie ihn die Apostel angenommen haben. So wie ihn ganze Generationen von Christen verschiedener Nationen, Sprachen und Rassen empfangen haben und empfangen. Ich nehme diese Gabe an und möchte sie mit meinem Geist und mit meinem Herzen, mit meinem Leben und mit meinem Tun beantworten. Ich möchte dem Geist der Wahrheit entsprechend denken, handeln und leben. „Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt“ (Joh 14,17). Aber ich nehme an, ich empfange ihn. Denn „ich kenne ihn“ durch das Evangelium Christi. Durch das Kreuz und die Auferstehung Christi. Darum erfülle sich an uns, an jedem von euch, an allen, was Christus verkündet hat: „Er, der Geist der Wahrheit, bleibt bei euch und wird in euch sein“ (vgl. Joh 14,17). Sei gegrüßt, süßer Gast der Seele! Dulcis Hospes animae! Ich nehme an. Amen. 1411 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einem hohen Ideal verpflichtet Ansprache an eine Gruppe von ÖVP-Abgeordneten des Landes Niederösterreich anläßlich der Pilgerfahrt zur 500-Jahr-Feier des hl. Leopold am 10. Juni Hochwürdigster Herr Abt! Sehr geehrte Damen und Herren! Herzlich heiße ich Sie zu Ihrem heutigen Besuch im Vatikan willkommen. Ich grüße in Ihnen Persönlichkeiten, die in ihrem Heimatland Niederösterreich - sei es im Landtag oder in der Landesregierung - verantwortungsvolle Aufgaben für ihre Mitbürger zu erfüllen haben. Es freut mich deshalb besonders, daß Sie in so großer Zahl unter der Führung Ihres Landeshauptmanns Siegfried Ludwig zu einer mehrtägigen Pilgerreise in die Ewige Stadt gekommen sind. Diese Begegnung erinnert mich an eine andere Gruppe von Niederösterreichern, die erst vor wenigen Tagen -wiederum unter Ihrer Leitung, Herr Landeshauptmann - zur Kardinalserhebung Ihres Landsmannes, Erzbischof Dr. Alfons Stickler, Gäste in Rom und im Vatikan gewesen sind. Durch den hohen Würdenträger ist Ihr Bundesland ehrenvoll in der römischen Kurie vertreten. Sie gedenken durch diese Romwallfahrt in Dankbarkeit gegen Gott des bedeutenden Jubiläumsjahres der staatlichen Unabhängigkeit und Freiheit ihrer österreichischen Heimat. Zugleich verbinden Sie damit die Erinnerung an den 500. Jahrestag der Heiligsprechung Ihres Landespatrons, des heiligen Leopold. Dadurch ist diese Pilgerreise zu den Gräbern der Apostel auch Ausdruck Ihrer persönlichen Verbundenheit mit der Kirche und mit diesem Zentrum der katholischen Christenheit. Niederösterreich, das Sie hier vertreten, hat als Kernland Ihres Staates im Lauf der Geschichte Entscheidendes zur Entwicklung Österreichs beigetragen. In diesem Zusammenhang möchte ich gerade in diesem Gedenkjahr die Namen ihrer Staatsmänner Leopold Figl und Julius Raab nennen, die nach der Beendigung des Zweiten Weltkrieges den Weg des neuen Österreich vor allem durch die Unterzeichnung des Staatsvertrages und die Erklärung der Neutralität maßgeblich bestimmt haben. Gleich diesen hervorragenden Männern hatten Sie in Ihren Reihen immer wieder Persönlichkeiten, die sich ernsthaft darum bemüht haben, die politische Verantwortung mit ihrem katholischen Glauben und dem christlichen Sendungsauftrag in der Welt in Einklang zu bringen. Auch Sie 1412 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fühlen sich diesem hohen Ideal verpflichtet. Der hl. Leopold, Ihr Landespatron, ist Ihnen dafür leuchtendes Vorbild und mächtiger Fürsprecher. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Dogmatischen Konstitution Lumen gentium erneut unterstrichen: „Jeder Laie ist kraft der ihm geschenkten Gaben zugleich Zeuge und lebendiges Werkzeug der Sendung der Kirche selbst nach dem Maß der Gabe Christi (Eph 4,7)“ (Nr. 33). Ein solch christliches Zeugnis ist Ihnen entsprechend Ihren Berufspflichten in der Politik Ihres Landes aufgetragen. In diesem Geist bemühen Sie sich erfolgreich darum, sowohl den Aufgaben des ländlichen Raumes wie den Problemen der technisierten Industriegesellschaft im Rahmen des Möglichen gerecht zu werden. Besonders möchte ich Ihre familienfördernden Maßnahmen und Ihre Sozialhilfe für ältere und kranke Menschen hervorheben. Hilfe und Aufnahme haben Sie in dankenswerter Weise in den letzten Jahrzehnten auch vielen Menschen gewährt, die aus Ihren Nachbarländern - auch aus meiner polnischen Heimat - in Ihr Land gekommen sind. Möge der christliche Glaube, der die reiche Geschichte Niederösterreichs geprägt hat und sich im Leben Ihrer Diözesen und Pfarrgemeinden, besonders auch in Ihren vielen Stiften, Klöstern und Wallfahrtsstätten bis heute ausdrückt, Ihnen und Ihrem verantwortungsvollen Wirken auch in Zukunft geistige Hilfe und Wegweisung sein. Mit diesem Wunsch erteile ich Ihnen, Ihren Angehörigen sowie allen Ihren Landsleuten in Niederösterreich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. „Tut das Unmögliche!“ Ansprache an die Vollversammlung des Instituts der Töchter der Liebe des hl. Vinzenz von Paul am 20. Juni Ehrwürdige Mutter! Ehrwürdiger Pater! Meine Schwestern! Diese familiäre Begegnung bereitet uns allen eine große kirchliche Freude. Gott sei gedankt für das zu Ende gehende Kapitel für die 33 000 „Töchter der Liebe“, deren Vertreterinnen ihr wart! Gott sei gepriesen für eure bedeutenden Gründer, den hl. Vinzenz von Paul und die hl. 1413 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Louise de Marillac! Die Kirche empfindet euch gegenüber sowie gegenüber allen Ordenskongregationen eine von Achtung, Vertrauen und Anspruch geprägte Sorge. Zuallererst halte ich es für meine Schuldigkeit, die am 28. Mai gewählte ehrwürdige Mutter Anne Dauzan zu begrüßen und ihr meine herzlichen Wünsche und Gebete darzubringen für die Fruchtbarkeit des Auftrags, den sie im Geist vinzentinischen Glaubens übernommen hat. Ebenso halte ich es für angebracht, im Namen der Kirche Mutter Lucie Roge zu danken für ihren tapferen Dienst an Kirche und Orden nach so vielen hochverdienten Generaloberinnen, wie zum Beispiel Mutter Guillemin jüngsten Andenkens. Ein Generalkapitel kann verschiedene Ziele haben. Es versucht immer, den ersten Elan eines Ordensinstituts neu zu beleben. Bei diesem Besuch, der ein neues Zeichen eurer beispielhaften Anhänglichkeit - ich scheue nicht, das zu unterstreichen - an den Nachfolger Petri und an die Kirche ist, erwartet ihr auch meine Ermutigungen. Ich könnte sie kurz und bündig in einem Satz, ein wenig nach Art von Herrn Vinzenz, zusammenfassen: „Allen Hindernissen zum Trotz achtet gut auf eure Identität!“ Doch ich will meinen Satz unter Bezugnahme auf euren Stifter etwas näher ausführen. Es gibt ein Porträt der „Tochter der Liebe“, das er selbst bei Entsendung von sieben Schwestern in die Mission Umrissen hat: „Gebt euch alle Gott hin für den Dienst an den Armen“ (vgl. Ecrits et Conferences de saint Vincent, ed. Pere Coste, Bd. 9, c. m., 1925). Jedes Wort-hat seine Bedeutung. Kommentatoren haben mit Recht die Präposition „für“ hervorgehoben. Sie gibt den Zweck der Hingabe an und heiligt den Dienst. Denn dieser ist nicht so etwas wie eine zweite Zeit der Weihe. Er ist bereits in der Weihe gegenwärtig. Könnte man diese Weihe begreifen, wenn man vom Dienst an den Armen absieht? Und würde der Dienst an den Armen dadurch, daß man ihn von der "Weihe isoliert, nicht entstellt, wenn nicht gar verfälscht? Im Sinne des hl. Vinzenz ist die Hingabe ganz offensichtlich grundlegend. Das ist einer unter anderen Gründen, der ihn dazu veranlaßte, die jährliche Erneuerung der Weihe -mit Datum vom 25. März - vorzuschlagen. Damit diese radikale Hingabe an den Herrn für die Sache der Armen und für die Armen ihre Lebendigkeit und ihren täglichen Elan behalte, kam Vinzenz von Paul, von seinem Beginn im Jahr 1647 an und am 31. Mai 1648 nachdrücklich auf das Problem des Gebets zu sprechen: „Es stimmt, meine Schwestern, eine Tochter der Liebe kann nicht bestehen, wenn sie nicht betet. Es ist auch unmöglich, daß sie ausharrt, nicht aufgibt. Sie wird sich einige Zeit noch halten, aber die Welt wird sie mit sich reißen. Sie 1414 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wird ihre Tätigkeit zu schwer finden . . . Sie wird lustlos werden . . . und sie schließlich aufgeben“ (vgl. op.cit., S. 416). Euer Gründerheiliger wagt sogar, eine echte Diagnose anzufügen: „Und was meint ihr, meine Töchter, woher kommt es, daß so viele die Berufung aufgegeben haben? Oh! Deshalb, weil sie das Gebet vernachlässigt haben“ (ebd.). Wenn man daran denkt, daß Herr Vinzenz so oft gesagt hat, das Gebet um des Dienstes wegen aufgeben heißt, Gott um Gottes wegen aufgeben, ist klar, daß diese Lehre nicht dazu benutzt werden kann, um die Bedeutung des Gebets zu relativieren. Ich freue mich zu erfahren, daß in dieser Hinsicht die Gesellschaft gleichsam eine Erneuerung ihrer Treue zum Gebet erfährt. „ Geht zu den Allerärmsten!“ Aktion und Gebet, die im Denken des hl. Vinzenz unterschieden und doch eng verbunden sind, werden durch ein Gemeinschaftsleben, das diesen Namen verdient, gefördert. Seit etwa zwanzig Jahren haben die Ordensinstitute im allgemeinen in diesem Bereich des Gemeinschaftslebens viele Überlegungen angestellt und viele Experimente durchgeführt. Es scheint, daß die übertriebene Aufgliederung von Kommunitäten - ihre „Atomisierung“, wie manche Beobachter sagen, - weitere Schwierigkeiten verursacht hat. In der Tat, wenn man Gottes Plan für die Menschheit bedenkt, ist es offenkundig, daß er sich nur dann für die menschliche Person erfüllen kann, wenn die einzelnen einwilligen, aus sich selbst herauszugehen, um sich in eine Familie, eine Stadt, in die Kirche einzugliedern. Das Gemeinschaftsleben als untrennbares Element des täglich gelebten und regelmäßig überprüften Ordenslebens müßte seinen Mitgliedern immer viel Hilfe und Befriedigung verschaffen und tut das ja tatsächlich, und zwar dank der aktiven und intelligenten Mitwirkung jeder einzelnen Schwester, dank der wohltuenden Wirkung der gegenseitigen Ergänzung durch Verschiedenheit, dank der schwesterlichen Hilfe - alles Proben für die Liebe im Herrn. Ein solches Gemeinschaftsleben ist außerdem, wie das 6. Kapitel von Lumen gentium in Erinnerung ruft, eine Bekundung und Ankündigung der künftigen Welt, die in der gegenwärtigen Geschichte bereits im Entstehen ist. Wenn das Zeugnis des einzelnen seinen Wert hat, so erweitert die Gemeinschaft im Orden ganz besonders den Rahmen des evangelischen Zeugnisses und vermehrt seine Wirkkraft. Die Gruppe ist mehr als nur die Summe ihrer Glieder. Die moderne Welt hat die 1415 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geistliche Sicht und Transparenz der Ordensgemeinschaften dringend nötig. Darf ich euch noch einen kirchlichen Wunsch anvertrauen, den der hl. Vinzenz von Paul zweifellos im Laufe eures jüngsten Generalkapitels ausgesprochen hätte? Meine Schwestern, tut das Unmögliche und geht zu den Allerärmsten! Sie gibt es heute in so großer Zahl! Im Namen der Kirche lenke ich eure Aufmerksamkeit, was sage ich, die Liebe Gottes, die in euren Herzen brennt, auf die Flüchtlinge, die Arbeitslosen, die Hungernden, die Drogenopfer und die Randexistenzen der Gesellschaft hin. Je mehr ihr den Elenden zur Verfügung steht, desto mehr werdet ihr das Bedürfnis spüren, selbst diese materielle Armut zu leben, von der der hl. Vinzenz von Paul mit solcher Glut spricht: „Ihr habt nur das Recht auf Kleidung und Nahrung, das übrige gehört den Armen“ (vgl. Ecrits et Conferences de saint Vincent, Bd. 10). Die ganze Kirche muß sich daran erinnern, daß, wenn die Evangelisierung auch die Mittel und Möglichkeiten der Zeit nicht außer acht lassen kann, die Verkünder des Glaubens als die Jünger der armen Christen erscheinen sollen. Geht, liebe Schwestern, in die ganze Welt! Die Kirche zählt sehr auf euch. Sie weiß, daß die apostolische Beweglichkeit zu eurer Ordensweihe gehört. Die Kirche vermittelt euch in verschiedenster Weise die Reichtü-mer Christi, damit ihr in diesem hervorragenden Dienst an den Armen immer weitergehen könnt. Die Kirche bietet euch auch ihre lehramtliche Unterweisung an, um die gesellschaftspolitischen und ethischen Probleme zu klären, denen sich so viele „Töchter der Liebe“ in ihrer Liebe zu den Armen gegenübersehen. Mögen die Schwestern von allen diesen Quellen den bestmöglichen Gebrauch machen! Zum Abschluß unseres Gespräches wenden wir uns gemeinsam Christus, dem Erlöser, zu. Bitten wir ihn, zahlreiche Berufe für eure Gesellschaft zu wecken. Wie viele junge Mädchen, die vom Elend in der Welt erschüttert sind, könnten in euren Reihen Platz finden, alle ihre Talente für den Dienst an den Ärmsten einsetzen und paradoxerweise das evangelische Glück der Seligpreisungen erfahren! Bitten wir auch die Mutter des Erlösers, die eine und einzige Mutter eurer Gesellschaft, alle Schwestern bei ihrer Hingabe an den Herrn und ihren Beziehungen zu den Armen zu begleiten. Mit meinem herzlichen Apostolischen Segen. 1416 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wissenschaft kein Ersatz für Glaube und Ethos Ansprache an die Teilnehmer der „Marcel-Grossman-Tagung über Relativistische Astrophysik“ am 21. Juni Meine Damen und Herren, liebe Freunde! Es ist mir eine große Freude, Sie alle, die Sie an der Marcel-Grossman-Tagung über Relativistische Astrophysik teilnehmen, heute im Vatikan willkommen zu heißen. In Ihnen grüße ich auch die berühmten Institutionen, die diese Tagung mitveranstalten: das Internationale Zentrum für Theoretische Physik in Triest, die Abteilung für Physik der beiden römischen Universitäten und die Vatikanische Sternwarte. Ich versichere Sie alle meiner Achtung und Wertschätzung. Desgleichen will ich diese besondere Gelegenheit wahrnehmen, um die Welt der Wissenschaft und alle die hervorragenden Männer und Frauen zu ehren, die zur Erweiterung menschlichen Wissens und zu den Möglichkeiten für den Frieden beitragen. Ihre Anwesenheit heute hier ist ein weiterer Hinweis auf die gemeinsame Entschlossenheit der Kirche und der Wissenschaft, Seite an Seite in Freundschaft und gegenseitiger Unterstützung der Sache des Menschen zu dienen. Aufrichtig anerkenne ich unter Ihnen die Anwesenheit der Nobelpreisträger sowie der Botschafter der bei Ihrer Tagung vertretenen Länder. Mit tiefer Befriedigung nimmt die Kirche Kenntnis von der Solidarität, die Ihre wichtige Tagung und diese Zusammenkunft im Vatikan auszeichnet. <233> <233> Wir leben in einem ungewöhnlichen Zeitalter. Es gab eine Zeit, wo wissenschaftliche Entdeckungen, die eine enorme Wirkung auf die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und auf die Art und Weise, wie wir uns selbst sehen, ausübten, nur etwa alle hundert Jahre vorkamen. Jetzt werden sie in viel kürzeren Zeitabständen gemacht: jedes Jahr, jeden Monat, ja jede Woche. Und was vielleicht noch bedeutsamer ist: Die Wirkung auf die Technik erfolgt beinahe unverzüglich. Im Laufe der letzten Jahrzehnte waren wir in der Tat Zeugen von mehr grundlegenden Fortschritten in unserem Verständnis der physikalischen Wirklichkeit, als während der gesamten vorangegangenen Geschichte unseres Planeten gemacht worden waren. Alles deutet darauf hin, daß diese exponentielle Zunahme von Vorstellungsvermögen und wissenschaftlicher Erkenntnis weitergehen wird. 1417 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist wunderbar zu sehen, wieviel man inzwischen in bezug auf die Struktur der Sterne versteht - ihr Entstehen, Leben und Tod, Ursprung und Struktur der Milchstraßen, die Bildung der Elemente und andere Bausteine physikalischer Realität im frühen All sowie die ineinandergrei-fenden Rollen fundamentaler Wechselwirkungen und Prozesse im großen und im kleinen. Diese wissenschaftlichen Errungenschaften verkünden die Würde des Menschen und klären in hohem Maße die einzigartige Rolle des Menschen im Universum. Es sollte für uns freilich ein Anlaß zur Sorge sein, daß, während sich die Wissenschaft mit ständig zunehmender Geschwindigkeit entwickelt, andere Bereiche menschlichen Strebens verhältnismäßig untätig bleiben oder sogar rückläufige Tendenz zeigen. Mangels einer reifen Wechselwirkung zwischen der Wissenschaft und den praktischen und theoretischen Bemühungen der Politik, Wirtschaft, Kunst, Philosophie, Ethik und Theologie können die neue Sicht und die neuen technischen Kräfte, die die Wissenschaft liefert, zu einer noch nie dagewesenen menschlichen Katastrophe führen. Der heutige Mangel einer solchen verantwortlichen Wechselwirkung auf vielen Ebenen stellt eine große „versäumte Gelegenheit“ dar für die Schaffung eines neuen echten „Humanismus“ von großer Tiefe, Schönheit, sittlicher und geistlicher Würde und persönlichem Feingefühl. 2. Höchst interessant: Die offenkundige Divergenz zwischen dem Entwicklungsgang in der Wissenschaft und dem anderer kritischer Bereiche menschlicher Bemühungen, besonders der Politik, spiegelt sich in den persönlichen Tragödien bestimmter Wissenschaftler im Dienst der Menschheit und ihrer eigenen Nationen wider. Manche von ihnen waren und sind Genies, und das nicht nur in den Spezialbereichen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit, sondern auch in ihrer unerschütterlichen persönlichen Hingabe an moralische und personhafte Werte sowie im Hinblick auf die Förderung dieser Werte in der menschlichen Gesellschaft sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Das persönliche Mißgeschick dieser pflichtbewußten Männer und Frauen legt Zeugnis von einer viel größeren Tragödie ab, die eine schweigende und machtlose Gesellschaft erlebt. Nichtwissenschaftler können oft noch größere Eingriffe in ihre persönliche Freiheit und menschlichen Rechte erleiden, haben aber weniger Wege und Mittel, sie bekannt zu machen. In einigen wissenschaftlich und technisch fortgeschrittenen Gesellschaften werden die Menschenrechte nicht geachtet. Die moralische Stimme und die persönliche und geistige Empfindsamkeit von Wissenschaftlern und 1418 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nichtwissenschaftlern gleichermaßen bleiben gelegentlich ungehört oder werden von denen, die Macht ausüben, einfach nicht berücksichtigt. 3. Wissenschaft kann, so wichtig sie ist, kein Ersatz für andere menschliche Tätigkeiten sein. Vor allem kann sie nicht Glauben, sittliche Werte, Kunst und Politik ersetzen. Der Beitrag, den die Wissenschaft durch ihren Dynamismus und ihr ständiges Ausgreifen nach der Wahrheit leisten kann, besteht darin, anderen menschlichen Tätigkeiten Inspiration und einen reicheren physikalischen Zusammenhang bzw. Anblick zu verleihen. Sie kann mit ihnen die Ergebnisse teilen, die sie aus ihrer ständigen Erforschung der universalen Gesetze der Natur hergeleitet hat. Die Wissenschaft kann die Menschheit schließlich dazu führen, sich vor dem Schöpfer des Alls zu verneigen, der nach christlichem Standpunkt als Erlöser des Menschen geoffenbart ist. Heute sehen wir auf diesem Programm zwei Beispiele einer symbiotischen Beziehung, in diesem Fall zwischen Wissenschaft und Kunst. Die mathematischen Lösungen der Einsteinschen Feldgleichungen allgemeiner Relativität, die die Kreisbahnen der Teilchen um einen gravitationsmäßig zusammengebrochenen Gegenstand beschreiben, haben einen Bildhauer zur Schaffung eines Kunstwerkes inspiriert, während die elektromagnetischen Signale eines Pulsars, der handfeste Rest einer Explosion vor Jahrtausenden, die Inspiration für eine Komposition klassischer Musik geliefert haben. 4. Was neben Ihrer wissenschaftlichen Arbeit bezüglich dieses Treffens am bedeutsamsten ist, ist die Tatsache, daß hier Wissenschaftler aus über dreißig Nationen Zusammenarbeiten und miteinander diskutieren, wobei sie in brüderlicher Solidarität einige der herausforderndsten und grundlegendsten Fragen und Probleme aneinander richten, die dem menschlichen Geist je gestellt worden sind. Keine Nation kann isoliert werden. Keine Nation kann sich den Luxus leisten, andere Nationen ihr ganzes Denken für sie verrichten zu lassen! Noch sollte eine Nation die Rechte und Beiträge ihrer Wissenschaftler ausschließlich zu ihrem eigenen Vorteil sammeln und horten. Jede Nation, gleichgültig, wie fortgeschritten oder wie klein sie ist, hat es nötig, sich an dieser Arbeit, an diesem Suchen und an diesem Dialog zu beteiligen. Jedes Land, jeder Mensch wird durch solches Tun gefördert und erhöht. Und umgekehrt trägt ein jeder etwas ganz Besonderes zum Studium dieser Probleme von seinem eigenen Hintergrund, seiner Kultur und Weltanschauung her bei. Ihr persönliches und gemeinsames Arbeiten 1419 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Denken bekundet in vieler Hinsicht die außerordentlich reiche und wertvolle Eigenart der menschlichen Natur, die eine entscheidende Wirkung auf die Welt und auf die ganze Gesellschaft hat und weiter haben wird. Liebe Freunde, seien Sie meines von Gebet begleiteten Interesses an Ihren vielen schwierigen und bedeutenden Bemühungen versichert. Möge Gott, die Quelle aller Wahrheit, Ihnen tiefe Einsichten und reiche Weisheit gewähren. Und mögen alle Ihre Errungenschaften zur Besserung der Gesellschaft und zur vollständigeren Anerkennung der Würde der menschlichen Person beitragen, die nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffen ist. Bringt der Welt Frieden und Freude des hl. Franz Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels der Franziskaner am 22. Juni Liebe Kapitelväter des Franziskanerordens! 1. Zur Eröffnung der Arbeiten des Generalkapitels habe ich euch eine Botschaft der Ermutigung, des Vertrauens und der Hoffnung gesandt mit dem Ziel, das kostbare geistliche Erbe eures Ordens noch besser verwertet, eure Liebe zur Kirche nach dem Beispiel des hl. Franz gesteigert und die Regel, die euer seraphischer Vater der Billigung und dem Schutz der heiligen Mutter Kirche anvertraute, immer getreuer beachtet zu sehen. Zum Abschluß eures Kapitels freue ich mich, euch empfangen zu können, um nicht nur euch, sondern alle Franziskaner zu begrüßen und ihnen zu danken, indem ich jedem einzelnen ein Leben wünsche, das er in steter Treue zum Evangelium, zur Kirche, zu den Vorbildern und Lehren des hl. Franz lebt. Einen besonderen Dank möchte ich dem hochwürdigen Pater Generalminister des Ordens, P. John Vaughn, für die an mich gerichteten Worte aussprechen. Laßt mich auch Msgr. Vincenzo Fagiolo, dem Sekretär der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, für seine Anwesenheit als Sonderbeauftrager bei eurem Kapitel und euren Arbeiten danken. 1420 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Die Wahl des Ortes, an dem das Kapitel abgehalten wird, ist schon an sich sehr bezeichnend. Die Portiuncula bringt in der Tat eine tiefe Bindung an die Ursprünge zum Ausdruck und regt dazu an, dem Charisma des Stifters mit großem Eifer zu folgen. In der Krypta der Patriarchalbasilika S. Maria degli Angeli, unmittelbar gegenüber den Resten des kleinen Klosters, in dem der hl. Franz gewohnt hatte, gibt es einen Altar, der von einem kräftigen Baumstumpf gestützt wird, dessen Äste den Tisch tragen: Man wollte so auf wirksame und plastische Weise die blühende Lebenskraft der franziskanischen Bewegung darstellen. Tatsächlich zeigt die beinahe achthundert jährige Geschichte des Ordens, daß der Baum, der vom hl. Franz am Fuße des der Jungfrau der Engel geweihten Altars in dem mystischen Kirchlein der Portiuncula gepflanzt worden war, blühend und fruchttragend gewachsen ist und kraft des Geistes, der ihn von Anfang an beseelt hat, seine Zweige über die ganze Welt ausgebreitet hat. Es genügt, einen Blick in das Martyrologium Franciscanum (Vicenza, 1939) zu werfen, in dem die Heiligen, die Seligen, die Verehrungswürdi-gen und die Diener Gottes genannt werden, die der Seraphische Orden der Kirche geschenkt hat, um sich die wunderbare Blüte franziskanischer Heiligkeit bewußt zu machen. Ich selbst hatte die Freude, den Seligen Pedro de Betancur, den Apostel Guatemalas und Zentralamerikas; die Seligen Salvatore Lilli und sieben Märtyrergefährten; die Selige Caterina Troiani, Gründerin der Franziskanischen Missionsschwestern vom Unbefleckten Herzen Mariens, zur Ehre der Altäre zu erheben, und am 9. März d. J. habe ich das Dekret über den heroischen Tugendgrad des großen Apostels Mexikos und Kaliforniens, des ehrwürdigen Junipero Serra, promulgiert. Das sind die leuchtenden Helden der von euch ererbten großen religiösen Lebenskraft: Der Ruhm der Vergangenheit weist den Weg, den der Orden weiter in die Zukunft gehen soll. 3. Die Wahl, die der hl. Franz getroffen hat, muß eure Wahl sein; er wußte von Anfang an, das Evangelium mit klarem Blick zu lesen und nahm sich vor, es zu verwirklichen, indem er den Blick fest auf das Wort Gottes gerichtet hatte, das Mensch und unser Bruder geworden ist. Die Heiligtümer von Greccio und Verna erinnern uns daran, daß der Heilige aus Assisi sein Leben nach dem Beispiel des Lebens des Erlösers von Betlehem bis Golgota gestalten wollte. Er wollte keine anderen Lehrmeister, sondern er folgte dem einzigen 1421 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Meister mit seiner ganzen Liebe, mit unbeugsamer Treue und mit völligem Selbstverzicht, indem er sich für strengste Armutspraxis und für die vollständige Bereitschaft zum Dienst an Gott und den Brüdern einsetzte. Um bei der Gründung des Ordens seiner Entscheidung gewiß zu sein, begab er sich von Assisi nach Rom, um vom Stellvertreter Christi die Billigung zu erbitten, und im 1. Kapitel der approbierten Ordensregel schrieb er: „Bruder Franziskus gelobt dem Herrn Papst Honorius und seinen rechtlich gewählten Nachfolgern Gehorsam und Ehrfurcht (Regola Bollata, Kap. 1). Außerordentlich charakteristisch für seine Spiritualität war die kindliche Verehrung zur heiligen Jungfrau. Bereits vor der Gründung des Franziskanerordens begab er sich in das kleine Kirchlein Santa Maria degli Angeli, in die Portiuncula, und zu Füßen des der Muttergottes gewidmeten Altars gründete er den Ersten, Zweiten und Dritten Orden. Drei Eckpfeiler der franziskanischen Spiritualität Es gibt also drei Eckpfeiler der franziskanischen Spiritualität: in Liebe und Armut gelebte Treue zu Christus und zum Evangelium; kindliche Verehrung zur Muttergottes; Treue zur Kirche. 4. Die moderne Gesellschaft braucht noch immer die Gegenwart des hl. Franz, weil sie Christus braucht, dessen charakteristische Züge der „Poverello“ mit außerordentlicher Wirksamkeit an sich selbst darzustellen vermochte. „Franziskanischer Geist“ ist im wesentlichen „Nachfolge Christi“ durch die Verkündigung des Evangeliums, durch die Bekehrung der Menschen zu der einzigen geoffenbarten Wahrheit, durch die Rettung der Seelen im Ausblick auf die Ewigkeit. Darum ist eure Präsenz vor allem eine des überzeugten und sicheren Glaubens und das heißt der Treue zur ganzen Botschaft Christi und zum Lehramt der von ihm gewollten und auf Petrus und die Apostel gegründeten Kirche. Ihr spürt in euren Herzen den Drang zur Einheit in der Wahrheit und in der Disziplin und folgt damit dem wunderbaren Beispiel eures Gründers. Er hat sich niemals erlaubt, von der Lehre und den Weisungen derer abzuweichen, die er als Gottes Boten in der Kirche anerkannte! Er hatte auch seine Leiden; die Bitterkeit der Gegensätze und der Mißverständnisse blieb ihm nicht erspart; aber er verstand es immer, über die Grenzen der einzelnen Personen und der unwesentlichen Maßnahmen hinauszublicken; er vermochte die Person des Göttlichen 1422 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Meisters zu sehen und seine Stimme zu hören: „Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit. . (Joh 17,17). Der von der Kirche authentisch gelehrten Lehre folgen heißt auch, Verwirrungen und Beunruhigungen vermeiden, die stets schädlich für ihre Einheit sind. Der hl. Franz erleuchte euch und gebe euch die nötige innere Kraft, um Christus und der Kirche in den gegenwärtigen Veränderungen der Gesellschaft stets treu zu sein, so daß ihr den heutigen Menschen das echte Bild dessen vor Augen stellt, der seinen Zeitgenossen als „vir catholicus, totus apostolicus“ (katholischer, ganz apostolischer Mann) erschien (Giuliano da Spira, Vita, Nr. 28). 5. Eure Präsenz als Söhne des hl. Franz muß sodann in einem ernsthaften Bemühen um persönliche Heiligung zum Ausdruck kommen. Ihr seid voll davon überzeugt, daß es die göttliche Gnade ist, die in den Seelen wirkt; und ihr wißt auch, daß man nur das geben kann, was man besitzt. Der wahre „franziskanische Geist“ fordert die vollkommene Demut, ein sich völliges Überlassen an die Vorsehung durch den Gehorsam gegen die Kirche und die eigenen Obern, eine vollkommene Trennung von den irdischen Gütern durch Armut und Keuschheit. Es handelt sich zweifellos um eine Lebensform, die Heroismus verlangt. Sie gründet sich jedoch auf eine besondere Berufung, kann auf besondere Gaben des Geistes rechnen und ist Quelle erhabener Tröstungen, die jene süße Freude nähren, die nach dem Zeugnis des alten Chronisten auf dem Gesicht des hl. Franz und seiner ersten Gefährten leuchtete: „Erat eis exultatio magna“ (Sie empfangen große Freude) (Celano, Vita, Nr. 35). 6. Schließlich muß sich eure Präsenz als Franziskaner in der modernen Gesellschaft im Dienst und in der Liebe zu den Menschen nach dem Beispiel des Poverello verwirklichen. Ich betone noch einmal: nach dem Beispiel des Poverello. Sein Zeugnis bewahrt in der Tat eine unvergleichliche Originalität, die es von anderen Entwürfen dieser Art unterscheidet und zugleich seine immer aktuelle Anziehungskraft erklärt. Es ist eine sehr bedeutsame Tatsache, daß der hl. Franz nach achthundert Jahren nichts von seiner Frische und Lebendigkeit verloren hat: Man könnte sagen, er gehört zum allgemeinen „Bewußtsein“. Von Dante bis Goethe, von Giotto bis Murillo, vom hl. Bonaventura bis Alessandro Manzoni war und ist er Quelle der Inspiration und Betrachtung für die ganze Menschheit. Warum dieser große Eindruck auf das Menschenherz? Wegen des echt evangelischen Tones, den auch seine soziale Botschaft bewahrt. Wenn er auch die Notwendigkeit der Gerechtigkeit und des 1423 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Teilens predigte, machte er zugleich den unabdingbaren und ewigen Wert der „Seilgpreisungen“ begreiflich. Denn die „Seligpreisungen“ lassen sich weder aus der Struktur der Geschichte und erst recht nicht aus dem Zusammenhang des Evangeliums wegstreichen. Die heutigen Menschen lieben und ihnen dienen heißt sicher, für die Entwicklung und den Fortschritt der Gesellschaft und für die Erreichung gerechterer und würdigerer menschlicher Lebensverhältnisse zu wirken; aber es heißt auch, niemals jemanden über den wahren Sinn der irdischen Pilgerschaft zu täuschen, deren Endziel über die Zeit hinausgeht und nicht erreicht werden kann ohne eine erleuchtete Trennung von den materiellen Gütern und ohne die Übung der verstehenden und verzeihenden Liebe: „Gelobt sei, mein Herr, für diejenigen, die um deiner Liebe willen vergeben - und Schwachheit und Drangsal ertragen . . .“. 7. Vor euch Söhnen des hl. Franz möchte ich gern das Gebet wiederholen, das mir in Assisi zu Beginn meines Pontifikats aus dem Herzen kam, als ich meine erste Pilgerfahrt unternahm, um mich am Grab eures Ordensstifters niederzuknien: „Du hast Christus den Menschen deiner Zeit nahegebracht: Hilf uns, diesen Christus jetzt unserer Zeit nahezubringen, dieser schwierigen und kritischen Zeit. Der du mit ganzer Seele das Schicksal deiner Zeitgenossen miterlebt hast, hilf uns mit dem Herzen, das dem Herzen des Erlösers nahe ist, das ganze Leben unserer Zeitgenossen bereitwillig mitzutragen: die schwierigen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme, die Probleme der Kultur und der zeitgenössischen Zivilisation, alle Leiden des heutigen Menschen, seine Zweifel, seine Ablehnungen, seine Abweichungen, seine Spannungen und Komplexe, seine Unruhe . . . Hilf uns, all dies in die einfache und fruchtbare Sprache des Evangeliums zu übersetzen, damit Christus selbst auch für die Menschen unserer Zeit ,Weg, Wahrheit und Leben“ sein kann“ {Ansprache in Assisi, 5.11.1978, in: Wort und Weisung, 1978, 3. Teil, S. 105-106). Überbringt euren über die Welt verstreuten Mitbrüdern die Gewißheit, daß die von ihnen geleistete apostolische Arbeit, auch wenn bescheiden und verborgen, vor Gott groß, für die Kirche wertvoll und für die Gesellschaft von Nutzen ist. Bringt der heutigen Welt den Frieden und die Freude des hl. Franz! Und helfen möge euch auch mein Segen, den ich euch jetzt aus ganzem Herzen erteile und den ich voll Liebe auf den ganzen Orden der Franziskaner ausdehne. 1424 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dem Notleidenden ein „barmherziger Bruder“ Predigt bei der Seligsprechung der Diener Gottes Benedetto Menni und Peter Friedhofen im Petersdom am 23. Juni 1. „Die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14). Diese Worte des hl. Paulus, in denen er uns sein Herz öffnet, lassen uns verstehen, was die geheime Triebfeder seines Lebens als Heiliger, als Hirt und Apostel war. Sie könnten von allen gesprochen sein, die die Liebe Christi bis zum Ende leben wollen, und deshalb werden sie auch voll geteilt von unseren beiden Brüdern im Glauben, die ich heute als Selige zur Ehre der Altäre erhoben habe: Pater Benedetto Menni und Bruder Peter Friedhofen. Was hat den hl. Paulus dahin gebracht, sich von der Liebe Christi durchglüht und vollkommen besessen zu fühlen? Wie konnte diese Liebe in so vollkommener Weise der zentrale Antrieb seines ganzen Wirkens werden? Das sagt er uns selbst in den folgenden Worten: Er fühlte sich unwiderstehlich „gedrängt“, da „er erkannt hatte“, daß „einer (Christus) für alle gestorben ist“ (Vers 14). 2. Christus, das unschuldige Lamm, das sich selbst geopfert hat, schenkte der ganzen Menschheit, die durch die Sünde gestorben war, das Leben. „Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben“; und durch den Tod des „einen“ gewinnen wir das Leben. Wie Christus für uns gestorben ist, so müssen auch wir sterben: „für die Sünde tot“ (Röm 6,11), Jesu im Tod gleichförmig (vgl. Phil 3,10; vgl. 2 Kor 4,10), „mit ihm begraben in der Taufe“ (vgl. Kol 2,12; Röm 6,4). Der Sünde sterben heißt, daß wir nicht mehr für uns selbst leben, sondern für den, der für uns gestorben und auferstanden ist (vgl. 2 Kor 5,15). Der egoistische Rückzug auf uns selbst ist eine trügerische Weise, unsere Lebensinteressen zu schützen, denn diese sind gerade dadurch gewährleistet, daß wir in Christus für die Brüder sterben. 3. Das Leben beider Seligen, die heute vor der ganzen Kirche leuchten, hat sich gerade unter dem Einfluß dieser drängenden und vollkommenen, opfernden und universalen Liebe geformt. Pater Menni hat diese Notwendigkeit, das eigene Leben Christus zu weihen, voll begriffen. Er hatte die Worte des göttlichen Meisters gelesen und sich zu eigen gemacht, die im Evangelium dieser Eucharistiefeier verkündet wurden: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {Mt 25,40). Unter dem, was der Herr als 1425 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „ihm getan“ betrachtet, wählte Pater Menni in besonderer Weise die liebende Sorge für die Kranken, vor allem für die Kinder und die Geisteskranken. Indem er sich ganz von der Spiritualiät des Krankenpflegeordens vom hl. Johannes von Gott, in den er jung eingetreten war, nährte, wurde er nach der traurigen Zeit der napoleonischen Unterdrückung und der antikirchlichen politischen Herrschaft, die sich bis in seine Tage fortsetzte, der Erneuerer des Ordens. Er ist also ein Ruhm des Krankenpflegeordens. Dieser hat in ihm ein leuchtendes Beispiel des Dienstes am Kranken, den er mit Christus gleichgesetzt hat. Darüber hinaus wußte Pater Menni, aus der Spiritualität seines Ordens wunderbare Früchte zu ziehen, indem er zum Gründer einer neuen Schwesternkongregation wurde, die sich in den Dienst der geisteskranken Frauen stellte: die Krankenschwestern des Heiligen Herzen Jesu, die heute jubeln, weil sie im Monat der Herz-Jesu-Verehrung die Tugenden dessen feierlich von der Kirche anerkannt sehen, den sie als ihren Vater und Lehrer verehren. Die Seligsprechung ihres Gründers, die von ihnen so heiß gewünscht war, möge dazu beitragen, den Eifer für den Dienst an Christus in der Person der Kranken gemäß dem besonderen Charisma des Instituts zu steigern. 4. Die Arbeit, die P. Menni tat, um das Leiden so vieler Menschen zu lindern, war in den verschiedenen Ländern, in denen er seine karitative Tätigkeit ausübte, sehr aktuell - besonders in Spanien, wo er einen wichtigen Teil seines Lebens verbrachte. Aber auch in unseren Tagen ist sein Werk weiterhin verdienstvoll und providentiell in einer Gesellschaft, in der man leider oft die Schwächsten und Leidenden an den Rand drängt. Der Selige, den wir heute verehren, entging - wie alle, die Christus nachfolgen — nicht Unverständnis und Leid, auch von seiten seiner Umgebung. Pater Menni aber, überzeugt von seinen guten Absichten und gestärkt durch seine tiefe Gemeinschaft mit Christus und der Kirche, konnte den Angriffen widerstehen und sein fruchtbares Werk des Dienstes an der Gesellschaft und am Reich Gottes weiterführen. Seine außerordentliche Tätigkeit war ständig getragen und beseelt von einer innigen, tiefen Hingabe an das Heiligste Herz Jesu und von einer besonderen Verehrung der Muttergottes, vor allem unter dem Namen Unserer Lieben Frau vom Heiligsten Herzen Jesu. Durch seine beispielhafte Demut lebte er fortwährend in der Bereitschaft zur Umkehr und in einem grenzenlosen Vertrauen in die Macht der 1426 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN göttlichen Vorsehung. Er war unermüdlich in seinem Bemühen, dem Weg Christi, des guten Samariters, zu folgen, indem er auf einzigartige Weise seinem Beispiel im Erbarmen gegenüber dem leidenden Menschen folgte, ohne daß ihm dessen Stand oder Herkunft wichtig war, denn in ihm sah er immer einen jener „geringsten“ Brüder, in denen der göttliche Erlöser verborgen ist. „Laßt uns Jesus bitten“, schrieb er in einem seiner Briefe, „daß er uns mit seiner Liebe entflamme. Laßt uns die Königin der Liebe bitten, die makellose Jungfrau, daß sie in uns dieses göttliche Feuer entfache.“ Ohne dieses „göttliche Feuer“, d. h. das Feuer des Heiligen Geistes, hätte der Selige alles, was er so wunderbar vollbrachte, nicht tun können. 5. Pater Menni beschränkte sich nicht darauf, Christus „dem Fleisch nach“ (2 Kor 5,16) zu erfassen, d. h. nach menschlichen und irdischen Maßstäben, sondern er konnte und wollte sich durch das göttliche Geheimnis erleuchten lassen, das sich in der Menschlichkeit Christi verbirgt; er wollte es „dem Geist nach“ erfassen und sich so läutern und leiten lassen durch die Kraft dieses Geistes, der uns anleitet, in uns selbst das Erlösungswerk Christi als Geheimnis des Todes und der Auferstehung nachzubilden, „neue Geschöpfe“ zu sein, die für die Sünde sterben und ihr Leben für die Brüder hingeben. Heilig zu werden bedeutet auch, das Wesen dieser „neuen Schöpfung“ zu begreifen, erneuert und wiedergeboren durch den Geist Christi; „neue Schöpfung“, die ihr Leben dadurch verwirklicht, daß sie es hingegeben hat, lauteren Herzens, auch für „einen der geringsten Brüder“ Christi (vgl. Mt 25,40). Laßt uns auf die Fürsprache des neuen Seligen bitten, daß auch wir ohne Vorbehalt unser Herz der Liebe Christi öffnen können. Auf daß diese Liebe uns antreibe und uns in einem solchen Ausmaß erfülle, daß wir, gestorben für die Sünde, unser Leben Christus und den Brüdern widmen und aus dieser Welt eine neue Welt, befreit von Sünde und Tod, machen können. 6. „Die Liebe Christi drängt uns“, so bekennt von sich der Apostel Paulus. Dieselbe Liebe Christi war es, die auch den neuen Seligen Peter Friedhofen dazu drängte, im Alter von dreißig Jahren sein Leben ganz Gott und dem Dienst an den Kranken zu weihen. Selbst arm und von schwacher Gesundheit, gab er seinen Zivilberuf als Schornsteinfeger auf, um aus religiöser Überzeugung und brennender Nächstenliebe einen Neuanfang zu wagen. Er sah die Not entwurzelter, kranker und hilfsbedürftiger Menschen und erkannte seine apostolisch-karitative Sendung. 1427 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN So gründete er 1850 die Gemeinschaft der „Barmherzigen Brüder von Maria-Hilf“ mit der Aufgabe, Gott in den armen, kranken und alten Menschen zu dienen. Gottes Vorsehung hatte Peter Friedhofen durch eine harte Lebensschule dafür vorbereitet, die Zeichen der Zeit im großen sozialen Umbruch des neunzehnten Jahrhunderts zu erkennen und aus dem Geist des Evangeliums darauf zu antworten. Als Vollwaise mußte er bereits in seiner Kindheit Leid und materielle Not persönlich erfahren. Sein Elternhaus und die rheinische Heimat vermittelten ihm eine tiefe Religiosität, vor allem eine innige Verehrung zur Unbefleckten Jungfrau Maria. Schon zur Zeit seiner Berufsausbildung war er beseelt von großem apostolischen Eifer. Er sammelte gleichgesinnte junge Menschen um sich zu einer Aloysiusbruderschaft, um sie zu einem gottesfürchtigen Leben nach dem Evangelium anzuspornen. In diesem Jugendapostolat, im Ringen um persönliche Heiligung und in der besonderen Sorge und Hilfsbereitschaft für notleidende Mitmenschen reifte allmählich seine religiöse Berufung, die in der Gründung der Brüdergemeinschaft zur vollen Entfaltung gelangte, nämlich: Christus so eng wie möglich nachzufolgen, die Menschen zu Christus zu führen, die Liebe zu Maria in die Herzen der Menschen einzupflanzen und aus christlicher Liebe den Kranken zu dienen. 7. Das Werk seiner Ordensgründung war von großen Schwierigkeiten und Prüfungen begleitet, in denen sich der selige Peter Friedhofen als Mann unerschütterlichen Glaubens und Vertrauens auf Gottes Vorsehung und die Hilfe Mariens erwies. In diesem übernatürlichen Kraftquell gründeten seine erstaunliche Entschlossenheit und Festigkeit, mit denen er trotz zunehmender körperlicher Erkrankung seine Vorhaben verwirklichte und seiner Ordensgemeinschaft im Dienst christlicher Nächstenliebe Gestalt und geistliche Weisung gab. „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). Die Aussaat des seligen Peter Friedhofen unter vielen persönlichen Prüfungen und Opfern ist in fruchtbares Erdreich gefallen, so daß sie über seinen frühen Tod — im Alter von nur 41 Jahren - hinaus bis auf den heutigen Tag reiche Frucht bringt. Heute wirken Barmherzige Brüder in verschiedenen Ländern Europas sowie in Brasilien und Malaysia. Ihre Krankenhäuser und Altenheime sind nicht nur Ausdruck menschlicher Solidarität mit den Armen und Hilfsbedürftigen, sondern sind Zeugnis ihrer konkreten Nachfolge Christi, der nicht gekommen ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um 1428 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu dienen (vgl. Mt 20,28), und der als ihm getan erachtet, was wir einem seiner geringsten Brüder tun (vgl. Mt 25,40). In Peter Friedhofen ehrt die Kirche heute einen Mann, dessen Lebensprogramm und -werk so überzeitlich aktuell ist wie die Frohe Botschaft Jesu Christi selbst. Als „barmherziger Bruder“ neigte er sich in der Liebe Christi zu den Notleidenden, die seiner Hilfe bedurften. Seine Sorge galt dabei nicht nur der leiblichen Krankheit, sondern der Hilfsbedürftigkeit des ganzen Menschen, besonders auch seiner seelisch-geistlichen Not. Auch unsere Zeit bedarf solcher Vorbilder und solcher Menschen, die sich auf diese Weise der Nöte und Gebrechen der Mitmenschen annehmen und ihnen den Weg zu demjenigen zeigen, der alle unsere Leiden getragen und sie durch seinen Tod und seine Auferstehung erlöst hat. Möge das Leben und Wirken des seligen Peter Friedhofen auch heute vielen Menschen zum wegweisenden Vorbild und Ansporn werden! Amen. Petrusamt - Dienst an der Einheit Predigt beim Gottesdienst für die Römische Kurie und die Angestellten des Vatikans in St. Peter am 28. Juni Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne und Töchter der Römischen Kurie! <234> <234> Auch in diesem Jahr wollte ich euch am Tag vor dem Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus hier vereint sehen, damit wir uns alle miteinander geistlich auf die liturgische Feier der beiden Säulen der Kirche von Rom vorbereiten. Hier an diesem Grab spricht noch immer Petrus zu uns und zur Welt, wie er Christus das Bekenntnis zum Ausdruck bringt, das uns alle trägt. Hier spricht Christus selbst, der an ihn die Worte wiederholt, die wir soeben in der Lesung des Evangeliums gehört haben und die sichtbar festgehalten sind auf dem goldenen Mosaikfries, das die Architektur dieser Basilika krönt: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe.“ Und diese Stimmen - die Stimme Christi und die Stimme des Petrus - ziehen uns mit hinein, lassen uns an die Sendung denken, die der Herr uns allen, wenn auch in den verschiedenen Aufgaben jedes einzelnen, anvertraut: dem Nachfolger 1429 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Petri und euch, die ihr mit voller Hingabe und Verantwortungsgefühl helft. Heute möchte ich in dieser für die gemeinsame Reflexion und Sicht günstigen Stunde mit euch einen besonderen Aspekt des Lebens der Kirche im gegenwärtigen Augenblick betrachten: die ökumenische Tätigkeit für die Einheit der Christen. Jedes Jahr beenden wir am Fest Pauli Bekehrung, dem 25. Januar, die Weltgebetswoche für die Einheit in der über dem Grab des Völkerapostels errichteten Basilika an der Via Ostien-se. Heute bewegt mich ein besonderer Anlaß dazu, mit euch über die reale Wirklichkeit, über die Fortschritte, über die Probleme der Einheit unter den Christen zu sprechen, die wir auf Christi Gebot suchen müssen: Es ist das 25jährige Jubiläum der Errichtung des gleichnamigen Sekretariats, das mein Vorgänger Johannes XXIII. im Rahmen der Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils wünschte. Denn am 5. Juni 1960, damals Pfingsten, errichtete Johannes XXIII. mit dem Motu proprio Superno Dei nutu die elf Kommissionen, die das Konzil vorbereiten sollten, und zusammen mit ihnen ein Sekretariat für die Förderung der christlichen Einheit. Der Papst hatte auf diese Weise das Mittel gefunden, um bei der Vorbereitung des Konzils und während seiner Durchführung das ständige Gegenwärtigsein der Sorge um die Wiederherstellung der christlichen Einheit sicherzustellen; an dieser Sorge und an diesem Bemühen die Vertreter der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften teilnehmen zu lassen und es so einzurichten, daß das Konzil bis zu einem gewissen Maße ein Ereignis „zur Erhebung und Freude des ganzen christlichen Volkes“ würde. 2. Das geschah am Pfingstfest, und wir erinnern daran am Vortag des Festes der hl. Apostel Petrus und Paulus. Wir haben eben aus der Apostelgeschichte die Ereignisse jenes außergewöhnlichen Tages gehört. Als am Pfingsttag die zwölf Apostel „alle mit dem Heiligen Geist erfüllt wurden“ {Apg 2,4), ergriff unter ihnen und in ihrem Namen Petrus das Wort und verkündete der Menge, die „vor Staunen außer sich geraten war“ (ebd. 2,7), daß Gott Jesus von Nazaret, diesen Mann, der von Gott durch Wunder und Zeichen beglaubigt wurde, der ans Kreuz geschlagen, umgebracht und begraben wurde (vgl. ebd. 2,22-24), „auferweckt hat, dafür sind wir alle Zeugen. Nachdem er durch die rechte Hand Gottes erhöht worden war und vom Vater den verheißenen Heiligen Geist empfangen hatte, hat er ihn ausgegossen“ {ebd. 2,32-33). Bei dieser ersten Kundgebung der Kirche empfängt Petrus zusammen mit den anderen die Gnadengabe Gottes, und im Namen aller verkündet er, daß 1430 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich im und durch den auferstandenen Christus die Verheißung erfüllt hat. Der von Ezechiel angekündigte Tag (vgl. Ez 32,25-27) ist eingetroffen. Nach seiner Erhöhung gießt Jesus den Geist aus und versammelt die zerstreuten Kinder Gottes in der Einheit. Die ursprüngliche Dynamik des Gebets, das er am Vorabend der Passion an seinen Vater richtet: „Denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit“ (Joh 17,22—23), findet so am Pfingsttag ihre Antwort. Denn zu Pfingsten wurde das Prinzip der Einheit gesetzt; der Geist, der uns die Empfindungen des Sohnes einflößt und uns teilhaben läßt am Weggang des Sohnes zum Vater, der Geist, der uns zu Söhnen und Töchtern im Sohn macht und der uns somit gegenseitig zu Brüdern und Schwestern macht, ist die tiefe Quelle der Einheit. Die eschatologische Gabe des Geistes und seine Verkündigung, die von denen, die die verschiedensten Sprachen sprechen, verstanden werden (vgl. Apg 2,5-11), beweisen unmißverständlich, daß die zu Babel entstandene Trennung (vgl. Gen 11,1—2), der Archetyp jeder Trennung, beendet ist. Eine geheimnisvolle Einheit, die über jede menschliche Trennungsursache hinausgeht, wird uns seit damals geschenkt. Aber sie wird von der Gemeinschaft, die aufgerufen ist, „einmütig zu sein“ (vgl. Apg 1,14; 2,46; 4,24; 5,12; 8,6; 15,25), ständig ins Werk gesetzt werden müssen. Diese Gemeinschaft weiß, daß wir das empfangene Geschenk „in zerbrechlichen Gefäßen tragen“ (2 Kor 4,7) und die Kirche während ihrer ganzen Geschichte niemals auf hören darf, darüber zu wachen; sie wird es vor der Sünde bewahren müssen, die es dauernd bedroht; sie wird die Wunden lindern müssen, die sie ihm zugefügt. Das ist der Sendungsauftrag der Zwölf und ihrer Nachfolger und unter ihnen und mit ihnen sollte das vor allem der Sendungsauftrag des Petrus und seiner Nachfolger sein. 3. An jenem ersten Pfingsttag und mit dieser Verkündigung beginnt Petrus seine Sendung. Er erduldet die schmerzliche Erfahrung der menschlichen Schwachheit. Nachdem ihm von Jesus nach dem dreimaligen Bekenntnis seiner Liebe zu ihm vergeben worden ist, erhält Petrus den Auftrag, „die Herde zu weiden“ (vgl. Joh 21,15-17; und auch Joh 10,14). Nachdem er bereut hat, soll er die Brüder stärken (vgl. Lk 22,32). Er wird Jesus folgen bis zu einem dem seinen ähnlichen Tod (vgl. Joh 21,18-19). Man kann gar nie genug betonen, wie in diesen Texten die dem Petrus anvertraute Sendung mit einer außergewöhnlichen Liebe und mit einer 1431 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nachfolge Jesu verbunden wird, die bis zum äußersten Beweis dieser Liebe geht (vgl. Joh 15,13; 1 Joh 3,16). Durch einen geheimnisvollen Plan der Vorsehung beendet er seinen Weg in der Nachfolge Jesu in Rom, und in Rom leistet er diesen höchsten Beweis der Liebe und Treue. In Rom erbringt auch der Völkerapostel Paulus das höchste Zeugnis. Die Kirche von Rom wurde so die Kirche des Petrus und Paulus. Und ihr Bischof empfing als Erbe den Sendungsauftrag, seine Brüder zu stärken (Lk 22,32) und die Herde der ganzen Kirche zu weiden. Das alles läßt uns besser begreifen, wie prophetisch die Sicht Papst Johannes’, des Bischofs von Rom, war, der die Vorbereitungskommission des Konzils und das Sekretariat für die Einheit gerade am Tag des Pfingstfestes errichtete. Ebenso bedeutsam erschien mir, daß wir 25 Jahre danach uns gemeinsam dieses Ereignisses am Vortag des Festes Peter und Paul erinnern sollten, um Gott für den zurückgelegten Weg zu danken, um erneut unsere Entschlossenheit zu bekunden, auf diesem Weg weiterzugehen bis an sein Ziel, auf dem uns unentwegt das Gebet Christi aufruft, und um unseren Schritten auf die sichtbare Einheit aller derer zu, die durch die Taufe mit ihm gestorben sind, um im Heiligen Geist zu einem neuen Leben zu erwachen, einen neuen Elan zu geben. 4. Darum eben finde ich es besonders angebracht, bei euch, liebe Brüder, Söhne und Töchter der Römischen Kurie, die ihr als Mitarbeiter des Papstes auch im Dienst der Einheit der Kirche engagiert seid, der in einzigartiger Weise den Bischof von Rom angeht, diese Ereignisse in Erinnerung zu rufen. Jede Teilkirche, jeder Bischof muß eifrig Sorge tragen für die Einheit und muß die ökumenische Bewegung fördern: Der neue Codex des kanonischen Rechts, der vor kurzer Zeit promulgiert wurde, hat äußerst klar daran erinnert, daß es sich um den Willen Christi handelt (vgl. can. 755). Aber die Kirche von Rom und ihr Bischof müssen sich dieser Sorge in ganz besonderer Weise widmen. In der Römischen Kurie besteht eine Einrichtung, deren Aufgabe und Tätigkeit zugunsten der Einheit sich nur zusammen mit den anderen Dikasterien verwirklichen läßt. Die Suche nach der Einheit und die ökumenische Sorge sind eine für das Gesamtleben der Kirche notwendige Dimension. Alles kann und muß dazu beitragen. Ich habe bereits bei mehr als einer Gelegenheit gebeten, die Wiederherstellung der Einheit unter allen Christen wirklich als eine der pastoralen Prioritäten zu betrachten. Wenn wir uns mit unseren Brüdern der anderen Kirche und kirchlichen Gemeinschaften in der ökumenischen Bewegung, das heißt in jenem Miteinander von „Tätigkei- 1432 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten und Unternehmungen, die zur Förderung der Einheit der Christen ins Leben gerufen und auf dieses Ziel ausgerichtet sind“ ( Unitatis redintegra-tio, Nr. 4), engagieren, gilt es, in allem das Bemühen zu beweisen, daß wir dem entgegenkommen wollen, was unsere christlichen Brüder berechtigterweise wünschen und von uns erwarten, da wir ihre Denkweise und ihre Gefühle kennen. Man muß daher die Zusammenarbeit noch stärker entfalten, um zu einem wirksameren Dienst an der Sache der Einheit zu gelangen. Die Gaben jedes einzelnen müssen zum Nutzen und Vorteil aller entwickelt und entfaltet werden. Keine bequemen Lösungen suchen Ich wollte die besondere Verantwortung, die jeder von euch als Mitglied der Römischen Kurie bei der Suche nach der Einheit hat, bei diesem 25jährigen Jubiläum der Errichtung des Sekretariats für die Einheit der Christen kurz hervorheben. Darüber hinaus gewinnt die heutige Hervorhebung des Themas Ökumenismus eine noch späterhin ausdrucksstarke Bedeutung, wenn wir zwanzig Jahre nach Abschluß des Konzils uns vor der außerordentlichen Synode befinden, die zu dem Zweck angesetzt wurde, der Verwirklichung der verschiedenen Konzilsbeschlüsse neuen Aufschwung zu geben und den Geist, der sie inspiriert hat, aufs neue zu bestätigen. Ich möchte in unserer Begegnung ein Zeichen der Gültigkeit jener Initiative sehen. Es ist daher nützlich, daß wir auf dem Gebiet des Ökumenismus unseren Blick auf den Weg richten, den wir bis jetzt auf dem Weg zur Einheit zurückgelegt haben, und seine treibende Kraft, seinen bewegenden Geist wahrnehmen. 5. Unter den innerhalb der katholischen Kirche vorgenommenen Initiativen erwähne ich vor allem das „Ökumenische Direktorium“, dessen Vorschrift von vielen Bischofskonferenzen zweckmäßig aufgenommen wurde für die Schaffung der entsprechenden mit der Förderung der Suche nach der Einheit betrauten Kommissionen, je nach ihren Notwendigkeiten und Verhältnissen; auch die Diözesen haben in ihrem Bereich einen Verantwortlichen für den Ökumenismus ernannt. Jede Bischofskonferenz konnte sich auf diese Weise mit dem Werkzeug versehen, das notwendig ist, um die Beziehungen zu den anderen Christen zu fördern, und so beweisen, daß sie die Bande der Gemeinschaft anzuerkennen vermag, die bereits zwischen uns und ihnen im wesentlichen durch den Glauben und die Taufe bestehen - jenen allen Christen gemeinsamen Glauben, nach dem wir „im Namen Christi Jesu“ und in keinem anderen gerettet werden 1433 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN können. All das kennzeichnet die Beziehungen, die wir zu den anderen Christen haben und entfalten sollen nach den Weisungen des Konzils, das die Tatsache unterstrichen hat, daß „die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit Sache der ganzen Kirche ist, sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten, und einen jeden angeht, je nach seiner Fähigkeit“ (Unitatis redintegratio, Nr. 5). Die nationalen und regionalen ökumenischen Kommissionen haben zudem mit dem Sekretariat Verbindungen gegenseitiger Zusammenarbeit entwickelt, für die erst kürzlich die im April nach Rom einberufene Tagung ihrer Vertreter einen weiteren Beweis geliefert hat. Die ökumenischen Kommissionen und die Beziehungen, die wir zu ihnen haben, erlauben die harmonische Anwendung der Bestimmungen des bereits oben erwähnten Canon 753; und zur Verwirklichung dieses Ziels bedarf es eines erneuerten Engagements zur ökumenischen Ausbildung. Diese setzt ein gutes Verständnis der katholischen Prinzipien des Ökumenismus, ihre Aufnahme und Assimilierung (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 2-4) sowie auch die Kenntnis der anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften (ebd., Nr. 9) und der Geschichte der ökumenischen Bewegung voraus. Gern will ich bei dieser Gelegenheit den Ortskirchen und den Bischofskonferenzen meinen Dank für alles zum Ausdruck bringen, was sie für die Einheit tun, und für den guten Willen, mit dem sie die Bestimmungen des „ökumenischen Direktoriums“ angenommen und angewandt haben; dieses Direktorium wird in den nächsten Monaten schrittweise auf den letzten Stand gebracht werden müssen, wobei der neue Codex und der Fortschritt der ökumenischen Bewegung, der das „Direktorium“ ja unmittelbar dienen will, zu berücksichtigen ist. Ein Führer trägt positiv dazu bei, jeden Pilgerzug zum Ziel zu führen, auch wenn er mitunter falsch eingeschlagene Straßen oder solche ohne Ausgang kennzeichnen muß. Unsere brennende Sehnsucht nach der Einheit, unser aufrichtiger Schmerz darüber, nicht gemeinsam die Eucharistie des Herrn feiern zu können, müssen uns dazu anspornen, alle Probleme, die uns im Bekenntnis des Glaubens noch trennen, zu lösen. 6. Man muß sich freilich auch fragen: Kann man das Ignorieren dieser Fragen oder ein Handeln, als wären sie gelöst, während sie das noch nicht sind, wirklich Fortschritt nennen? Die Einheit im Bekenntnis des Glaubens ist das grundlegende Element der Bekundung der kirchlichen Gemeinschaft: und diese Einheit des Glaubens wird in jeder Eucharistiefeier verwirklicht. Als „in vorzüglichem Sinn heilige Handlung“ (Sacro- 1434 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sanctum concilium, Nr. 7), als „Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ (ebd Nr. 10), ist die Eucharistiefeier, wenn das ganze gläubige Volk „voll und tätig an ihr teilnimmt“, „die vorzügliche Sichtbarmachung der Kirche“ (vgl. ebd., Nr. 41): Sie muß daher die fundamentale Einheit des Glaubensbekenntnisses voraussetzen, die das Herz der kirchlichen Gemeinschaft darstellt. Ist das nicht der Fall, würde dem gleichen Verständnis von Kirche und Eucharistie, das wir von der westlichen wie von der östlichen Überlieferung empfangen haben, Schaden zugefügt. Von dieser Wahrheit und ihren Erfordernissen Zeugnis geben heißt jedoch nicht, der ökumenischen Bewegung Einhalt gebieten. Im Gegenteil, es bedeutet zu vermeiden, daß sie sich mit. bequemen Lösungen zufriedengibt, die zu keinem stabilen und echten Ergebnis führen. Wir müssen in der Tat unsere wiedergefundene Einheit auf die gemeinsame Vertiefung „des überlieferten Glaubens, der den Heiligen ein für allemal anvertraut ist“ (Jud 3), gründen; wir müssen miteinander alle Aspekte und Erfordernisse der Wahrheit entdecken; wir müssen sie annehmen und uns ihnen gemeinsam unterwerfen. Das ist keine abstrakte oder akademische Wahrheit, sondern es handelt sich um eine Heilswahrheit. Eine Wahrheit, die uns unentgeltlich zuteil wurde, damit wir sie verwirklichen könnten. Eine Wahrheit, die unteilbar Weg und Leben ist (vgl. Joh 14,6). 7. Ein weiteres wichtiges Merkmal unserer gemeinsamen Suche nach der ganzen Wahrheit, um zur Einheit zu gelangen, ist, daß sie in der Liebe gesucht werden muß: Ohne die Liebe kann die christliche Wahrheit nicht aufgenommen werden. Nur wenn wir zwischen uns wieder ein echtes Klima brüderlicher Liebe herstellen und es ständig vertiefen, können wir gemeinsam in der Wahrheit fortschreiten. Ja, in dem Maße, in dem wir uns vom Geist der Wahrheit führen lassen (vgl. Joh 15,26) - der die Quelle jeder brüderlichen Liebe ist (vgl. Gal 5,22) und der sich in dieser brüderlichen Liebe offenbart (vgl. 1 Joh 3,23-24) -, können wir die Wahrheit, die uns geoffenbart worden ist, begreifen. Allein sein Licht wird „uns in die ganze Wahrheit führen“ können (Joh 16,13). In diesem Sinn sprach das Konzil, als es den Weg des Ökumenismus aufzeigte, von der Bekehrung des Herzens und betonte, daß „wir vom göttlichen Geiste die Gnade aufrichtiger Selbstverleugnung, der Demut und des geduldigen Dienstes sowie der brüderlichen Herzensgüte zueinander erflehen müssen“ ( Unitatis redintegratio, Nr. 7). Die an der Liebe und der Achtung vor der Wahrheit inspirierte gegenseitige Demut muß uns bei der ständigen 1435 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Suche nach geeignetsten Wegen für die Wiederherstellung der Einheit unter den Brüdern führen. Einer der wichtigsten Aspekte der christlichen Wahrheit, den das Zweite Vatikanische Konzil wieder in volles Licht gerückt hat, ist die tiefe, wenn auch noch unvollkommene Gemeinschaft, die bereits zwischen all denen besteht, die durch den Glauben an Jesus Christus gerechtfertigt sind, die durch die Taufe ihm eingegliedert und vom Heiligen Geist beseelt sind. Und darum anerkennen wir sie mit Recht als Brüder im Herrn (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 3). Johannes XXIII. hatte bereits vor dem Konzil eine tiefe Vorahnung davon: All diese Brüder gehören zur christlichen Familie und sollen in irgendeiner Weise mit uns am Konzil teilnehmen. Und da sie das nicht in vollkommener Weise tun konnten, wollte er, daß sie zumindest als delegierte Beobachter ihrer Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften anwesend sein sollten. Wir alle wissen, wie wichtig und bedeutsam diese Anwesenheit beim Konzil war, um der Versammlung konkret die Notwendigkeit der Wiederherstellung der Einheit in Erinnerung zu rufen sowie Beziehungen einzuleiten, die sich in der Folge zu den verschiedenen Dialogen entwickelt haben. Ich danke den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften dafür, daß sie diese Dialoge angenommen und mit uns wieder Beziehungen und Kontakte angeknüpft haben; für alles, was sie für die vom Geist ins Leben gerufene ökumenische Bewegung getan haben (ebd., Nr. 4). Der Herr gewähre uns, ihnen und uns, seinem Willen mutig gefügig zu sein, damit er das, was er mitten unter uns erweckt hat, zu Ende führen kann. Die Anerkennung der bereits bestehenden, wenn auch unvollkommenen tiefen Gemeinschaft - in der Liebe, in der Demut, im Gebet - ist die Grundlage jedes Dialogs, die Voraussetzung, die ihn überhaupt möglich macht und ihm seine fundamentale Orientierung gibt. Man muß sich auch vor Augen halten, daß der Weg der Einheit, eben weil er sich auf die Demut und die Liebe gründet, von allen und besonders von seiten der Öffentlichkeit große Geduld erfordert. Mancher konnte vielleicht den Eindruck haben, daß der anfängliche Elan zum Stillstand gekommen sei. Nach der Abhaltung des Konzils und dem dichten Geflecht von Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und den christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die sich mit einer bis dahin noch nie erreichten Intensität und Häufigkeit vollzogen, konnte man meinen, die Einheit wäre bereits hergestellt, ohne sich Rechenschaft zu geben, daß sie hingegen Frucht ständiger Schritte nach vorne ist. Diese Bewegung hält an, darüber besteht gar kein Zweifel. Geduld bedeutet nicht Untätigkeit oder Resignation; sie vermerkt die unablässige Mühe, 1436 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die man sich beharrlich, wenn auch manchmal gegen alle Hoffnung, gibt, ohne sich je entmutigen zu lassen, indem man fortschreitet zum Licht der evangelischen Lehre vom Weizenkorn, das gemäß dem von Gott gewollten Rhythmus wächst und keimt. 8. Zeugnis für solches geduldige und unermüdliche Ausharren ist der theologische Dialog, der sowohl mit den Ostkirchen wie mit den reforma-torischen Gemeinschaften des Westens stattfindet. Er war in diesen Jahren auch von unvergeßlichen geistlichen Erfahrungen gekennzeichnet. Ich erinnere an die prophetischen Gesten Pauls VI.: vor allem die Aufhebung des gegenseitigen Kirchenbannes zwischen der Kirche Roms und der Kirche von Konstantinopel am 7. Dezember 1965 und zehn Jahre später der Kuß auf die Füße des Metropoliten Meliton als Zeugnis für den demütigen Dienst an der Einheit, der dem Nachfolger Petri obliegt. Den Ostkirchen sehr nahe Erwähnen möchte ich bei dieser Gelegenheit auch die verschiedenen Begegnungen, die ich bei meinen apostolischen Reisen in diesen Jahren mit den Vertretern der christlichen Kirchen des Ostens und den kirchlichen Gemeinschaften im Westen hatte: vom Besuch im Phanar im November 1979 bis zu all den Zusammenkünften — die ihren Höhepunkt im Gebet fanden - mit den Vertretern der anderen Christen, zum Beispiel während meines Besuches in Canterbury und in Deutschland; zu den Kontakten, die ich mit den lutherischen Bischöfen der Vereinigten Staaten von Amerika oder auch mit den Reformierten in der Schweiz hatte, bis hin zu der jüngsten Begegnung in Utrecht während meiner Pilgerreise in die Niederlande. Ich vergesse auch nicht den Besuch bei der lutherischen Gemeinde von Rom in der Christus-Kirche im Dezember 1983. Das alles ist ein fortlaufender Faden von Beziehungen, die auf der Ebene der wechselseitigen Bekanntschaft die gegenseitige Achtung herstellen und die Annäherung auf der streng theologischen Ebene an geeignetem Ort und zu festgesetzten Zeiten fördern. Vor allem mit den ehrwürdigen orthodoxen Kirchen, den Schwesterkirchen - nach dem Papst Paul VI. teuren Ausdruck (vgl. Tomos Agapis 176, 283 u. a.) -, mit denen wir sehr enge Gemeinschaftsbande haben, unterhält die Kirche einen Dialog der Liebe, in dessen Rahmen der theologische Dialog zunimmt. Das erste Ergebnis dieses letzteren ist ein gemeinsames Dokument über das Mysterium der Kirche und der Eucharistie im Lichte des Mysteriums der Heiligsten Dreifaltigkeit. Es macht deutlich, 1437 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie fruchtbar die Begegnung der Überlieferungen aus Ost und West ist, um unserem Glauben einen noch reicheren Ausdruck zu geben, unserem Glauben, der in bezug auf diese Geheimnisse wahrhaftig gemeinsam ist, auch wenn es einer größeren Vertiefung der Lehrpunkte bedarf, die uns noch trennen. Wie ich mehrmals gesagt habe: Die Kirche muß lernen, wieder mit ihren beiden Lungen, der östlichen und der westlichen, zu atmen. Das bekräftige ich heute mit um so größerer Freude, als hier die von Seiner Heiligkeit dem ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. zu mir gesandte Delegation anwesend ist, die zur Feier des Festes der hll. Petrus und Paulus nach Rom gekommen ist. Im Namen aller entbiete ich den hohen Vertretern des Patriarchats von Konstantinopel einen ehrfurchtsvollen und herzlichen Gruß. Zugleich gebe ich vor euch meiner Freude darüber Ausdruck zu erfahren, daß Seine Heiligkeit Papst Shenouda III., Patriarch der koptischen Kirche, alle seine Verantwortlichkeiten an der Spitze seiner Kirche wieder übernehmen konnte. Wir werden also den Dialog wieder aufnehmen und auf Beschluß der einen und der anderen Seite ohne weitere Verzögerungen fortsetzen können in dem Willen, in der Fülle der Wahrheit die noch bestehenden Lehrunterschiede zu überwinden. Auch müssen wir die Streitereien und Verurteilungen der Vergangenheit weit aus unserem Gedächtnis vertreiben, um sie dem Erbarmen Gottes anzuvertrauen. Wir müssen uns bemühen, gemeinsam eine Gegenwart und eine Zukunft aufzubauen, die dem Willen Christi zur Einheit für alle seine Jünger besser entsprechen. Im Rahmen dieser Verpflichtung erinnere ich noch an die gemeinsame Erklärung, die im vergangenen Jahr von mir zusammen mit dem syrischen Patriarchen von Antiochien, Seiner Heiligkeit Mar Ignatius Zakka Iwas, unterzeichnet wurde; sie stellt einen wichtigen Schritt auf dem Weg dar, den wir in Richtung der Verwirklichung der Einheit unternehmen. 9. Wenn wir den Ostkirchen und den altorientalischen Kirchen dank der engen Gemeinschaft, die uns verbindet, objektiv sehr nahe stehen, so ist gewiß die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit mit den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften des Westens nicht geringer. Denn sie haben, was ihren Ursprung und die Entwicklung ihres christlichen Lebens im Laufe der Jahrhunderte betrifft, Verbindungen ganz besonderer Art mit der Kirche von Rom. Verbindungen, die niemals völlig unterbrochen waren und denen die ökumenische Bewegung durch den Fortschritt des theologischen Dialogs und des Dialogs der Liebe neue Kraft gibt, insofern 1438 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN diese allmählich die von den Gegensätzen und Polemiken der Vergangenheit gegenseitig zugefügten Wunden heilen. Alle diese sich wieder anknüpfenden Beziehungen sind wichtig. Es ist die Einheit aller Christen, die unermüdlich gesucht werden muß. Ich habe vorhin auf die Schweiz und meine so aufrichtigen und brüderlichen Kontakte mit dem Bund der reformierten Kirchen dieses Landes hingewiesen. Ich will auch an meinen bedeutsamen Besuch beim Ökumenischen Rat der Kirchen erinnern, mit dem sich seit 1965 eine fruchtbare Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten entfaltet: auf sozialem Gebiet und im Bereich der Suche nach Gerechtigkeit und Frieden; über die Probleme der Mission und der Evangelisierung sowie auch des Dialogs mit den anderen Religionen. Bald wird eine gemeinsame Studie über die Religionsfreiheit und über ihre Erfordernisse begonnen werden. Duich Vermittlung des Einheitssekretariats sind katholische Theologen voll in der theologischen Forschung der Kommission „Glaube und Verfassung“ engagiert, und die katholische Kirche studiert ernsthaft das Dokument von „Glaube und Verfassung“ über die Taufe, die Eucharistie und das Amt. Sie wird zur rechten Zeit ihre Stellung zu diesem ersten Ergebnis einer solchen gemeinsamen Untersuchung bekanntgeben. Gemeinsam Zeugnis geben für Christus Es ist mir hier nicht möglich, die Ergebnisse, zu denen die verschiedenen Dialoge gelangt sind, ausführlich zu beschreiben. Die Geschichte hat verschiedene Streitigkeiten ausgelöst, die mit Geduld in gemeinsamem Einvernehmen zu lösen versucht werden müssen. Das muß mit Konsequenz geschehen und, ich würde auch sagen, im vollen Bewußtsein der Interdependenz, die diese Dialoge zwischen zwei Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften besitzen, sowie auch mit dem multilateralen Dialog, der im Rahmen der Kommission „Glaube und Verfassung“ geführt wird. Vor allem müssen wir dem Heiligen Geist und der Weise, wie der Geist heute zu den Kirchen spricht (vgl. Apg 2,7), immer gefügiger sein. Wir müssen in allen Dingen - und wo immer es möglich ist - darum besorgt sein, gemeinsam Zeugnis zu geben von Christus und seinem Evangelium in unserer Welt, die heute so reich an. Möglichkeiten ist, aber auch von so vielen Übeln heimgesucht wird, die sie verderben und untergraben: Man denke an den Hunger, die Drogen, die arbeitslosen Jugendlichen. Da sind außerdem alle die Bereiche, in denen die Christen vieles gemeinsam zu sagen und zu verwirklichen haben, in der gemeinsamen, aufs neue beteuerten Achtung vor dem Menschen, vor seiner 1439 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN moralischen Größe, die heute auf so vielen Ebenen gefährdet ist, vor seiner ständigen Förderung in Freiheit, Fortschritt und Frieden. 10. Allein Christus, das wissen und glauben wir alle, allein Christus kann uns retten. Allein Christus, das wissen und glauben wir alle, gibt dem Leben des Menschen und seinem Mühen einen Sinn. Das müssen wir gemeinsam aussprechen, „ob man es hören will oder nicht“ (2 Tim 4,2), das müssen wir auf jede Weise verkünden. Seit meiner ersten Enzyklika habe ich geltend gemacht, daß „wir schon von jetzt an unsere Einheit leben und sie der Welt bekunden müssen: in der Verkündigung des Geheimnisses Christi, im Aufzeigen der göttlichen und zugleich menschlichen Dimension der Erlösung, in dem mit unermüdlicher Ausdauer geführten Kampf für jene Würde, die jeder Mensch in Christus erreicht hat und beständig erreichen kann“ (Redemptor hominis, Nr. 11). Ich werde bei der Ausübung des Petrusamtes - das Dienst an der Einheit in Wahrheit und Liebe ist - niemals müde werden, auf diesen Punktzu dringen und jede in dieser Richtung unternommene Bemühung auf allen Ebenen, in denen wir uns mit unseren christlichen Brüdern begegnen, zu ermutigen. Leider erfährt dieses gemeinsame Zeugnis oft eine Einschränkung, weil wir nicht zu einem vollkommenen Einvernehmen über seinen Inhalt gelangt sind. Aber diese Feststellung darf uns weder zurückhalten und schon gar nicht entmutigen. Indem wir von jetzt an alles, was möglich ist, verwirklichen und zugleich Fortschritte in Richtung auf ein gemeinsames Bekenntnis des apostolischen Glaubens heute zu machen trachten, wollen wir miteinander Christus verkündigen und uns so der Einheit nähern. Es liegt mir daran, neuerlich zu beteuern, daß die katholische Kirche mit unwiderruflicher Entschlossenheit in der ökumenischen Bewegung engagiert ist und mit allen ihren Möglichkeiten dazu beitragen will. Und für mich als Bischof von Rom stellt das eine der pastoralen Prioritäten dar. Es ist eine Verpflichtung, die ich in besonderer Weise, eben kraft der mir eigenen pastoralen Verantwortung erfüllen muß. Diese Bewegung wurde vom Heiligen Geist hervorgerufen, und ich halte mich ihm gegenüber für voll verantwortlich. Und ich bitte den Geist demütig um sein Licht und seine Kraft, um der heiligen Sache der Einheit auf beste Weise zu dienen. Ich bitte euch, das zusammen mit mir von ihm zu erflehen; ich bitte euch, ihn für mich anzuflehen; ihn anzuflehen für einen jeden von euch. Danken wir Gott für das, was er durch das Einheitssekretariat in diesen fünfundzwanzig Jahren bereits gewirkt hat; für das, was er in den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und durch sie gewirkt hat (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 3). 1440 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 11. Liebe Brüder, Söhne und Töchter der Römischen Kurie, ich weiß, daß ich mich auf euch verlassen kann, um diese besondere Aufgabe meines Amtes zu bewältigen. Ich danke euch für die Unterstützung, die ihr mir gewährt; und ich danke dem Herrn für eure Arbeit. Für ihn, allein für ihn arbeiten wir alle, denn es ist: „Ein Leib und ein Geist. . ., ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,4-6). Und in seinem Namen segne ich euch alle von Herzen. Amen. „Modelle“ für ein christliches Europa Ernennungsschreiben an Kardinalstaatssekretär Casaroli Meinem ehrwürdigen Bruder Kardinal Agostino Casaroli, Päpstlicher Legat bei den Feierlichkeiten zu Ehren der heiligen Kyrill und Method in Jugoslawien. In dem Wunsch, bis zu einem gewissen Grad an den Feierlichkeiten teilzunehmen, die die Kirche in Jugoslawien gebührend angekündigt hat, um des 1100. Todesjahres des hl. Method in angemessener Weise zu gedenken, habe ich beschlossen, Ihnen, ehrwürdiger Bruder, den Auftrag und die Aufgabe anzuvertrauen, sich als mein Gesandter zu jenen geliebten Völkern zu begeben. Ich wollte zu dieser Aufgabe des Legaten gerade Sie bestimmen, der Sie mir in den täglichen Beanspruchungen und Arbeiten des universalen Hirtenamtes unmittelbar aus nächster Nähe helfen, und damit auch meine große innere Zuneigung zu erkennen geben, die mich mit den Gläubigen jener geliebten Nation verbindet. Zugleich wollte ich die außerordentliche Verehrung zum Ausdruck bringen, die ich für den hl. Method und seinen Bruder, den hl. Kyrill, hege, die des ewigen Gedenkens würdigen Apostel der slawischen Völker. Mit diesem Namen nämlich, Slavorum Apostoli, habe ich sie in der Enzyklika bezeichnet und gegrüßt, die ich soeben geschrieben habe, um alle Christen aufzufordern, sie mögen „aus deren Leben und apostolischem Wirken jene Botschaft ablesen, welche die Weisheit der göttlichen Vorsehung darin niederlegte, damit sie sich in unserer Epoche in neuer Fülle zeige und neue Früchte trage“ (Slavorum Apostoli, Nr. 3). Außerdem hege ich die sichere Hoffnung, daß jene Enzyklika von den 1441 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirchen Jugoslawiens mit großem Interesse aufgenommen werden wird, da mir die sichtbare spontane Verehrung, die in diesen Ländern von den Menschen allgemein jenen ersten Herolden der evangelischen Botschaft unter den slawischen Völkern entgegengebracht wird, nur zu gut bekannt ist. Bezeichnenderweise hat die Kirchenregion Kroatien und Slowenien seit ihrer Errichtung im Jahre 1852 in den beiden heiligen Brüdern ihre Schutzpatrone erkannt, denen sich ebenso die Erzdiözesen Laibach und Belgrad als Hauptpatronen anvertraut haben, während die Diözese Mar-burg-Lavant sie als Mitpatrone verehrt. Beachtliche Zeugnisse eben dieser Frömmigkeit sind auch im Leben und Werk hervorragender Söhne Jugoslawiens zu finden; noch fehlt es an ausgezeichneten Männern, die aus dem Gebiet jener geliebten Nation stammen und sich mit dem Studium über Kyrill und Method beschäftigen. Für die kirchliche Gemeinschaft in Jugoslawien war es also weder unerwartet noch erstaunlich, daß meine Aufforderung „an alle Christen und Menschen guten Willens“ erging, „denen das Wohl, die Eintracht und die Einheit Europas am Herzen liegen“, sie mögen „jene hervorragenden Gestalten des Benedikt, Kyrill und Method“ im Auge haben „als konkrete Modelle und geistige Stützen für die Christen des europäischen Kontinents, die schon seit langem, vor allem dank des Gebetes und des Wirkens dieser Heiligen, bewußt und eigenständig in der Kirche und in der christlichen Überlieferung Wurzel gefaßt haben“ (Slavorum Apostoli, Nr. 2). Daß sie sich dessen sehr klar bewußt sind, haben die christlichen Gemeinden Jugoslawiens bereits bewiesen, die durch ihre Bischöfe in dem Vorbereitungsschreiben auf das Jubiläum gerade die Werte hervorhoben die die heiligen Kyrill und Method auch unserer heutigen Zeit und Generation, wie auch für die Zukunft als Unterpfand und Hoffnung weitergeben. Im einzelnen handelt es sich um folgende: den geradezu leidenschaftlichen Wunsch, daß die Verkündigung des Evangeliums jedes Volk im kulturellen und geistigen Sinn höherführe und es mit seiner Ursprünglichkeit und Würde in den göttlichen Heilsplan einfüge, der durch die Wechselfälle der Zeiten in die Tat umgesetzt wird; die Überzeugung, daß die christliche Welt zur Einheit gelangen kann, wenn bei aller vernünftigen Vielfalt stets die Einheit im wesentlichen bewahrt wird; und schließlich die beharrliche Zurückweisung jeder Diskriminierung von Menschen und Nationen. Die gleichen Werte wurden auch von den Päpsten anerkannt, die mir auf dem Stuhl Petri vorausgegangen sind. Sie haben den aktuellen Nutzen und das Vorbild der beiden Verkünder des Evangeliums und Lehrer der slawischen Völker als leuchtendes Beispiel für die Gesamtkirche der 1442 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heutigen Zeit gepriesen und haben wiederholt ein besonderes Wort an die Bischöfe Jugoslawiens gerichtet: so Leo XIII. mit dem Schreiben Etsi perspecta vom 8. Januar 1881 an den Erzbischof von Zadar und die übrigen Bischöfe Dalmatiens; desgleichen Pius XI. mit dem Schreiben Quod Sanctum Cyrillum vom 13. Februar 1927 an die Erzbischöfe und Bischöfe Serbiens, Kroatiens und Sloweniens (vgl. AAS 19, 1927, S. 93-96). Vor allen anderen aber fühle ich als erster Papst slawischer Abstammung mich mit den heiligen Aposteln der slawischen Völker geistig verbunden. Die christliche Religion, die im Heiligen Geist nach der unvergänglichen Lehre des Evangeliums gelebt wird, hat die bewußte und verantwortungsvolle Zugehörigkeit eines jeden Gläubigen zu seinem Volk niemals geschmälert oder behindert, sondern sie gibt dieser im Gegenteil Aufschwung, fördert und festigt sie, während sie aber auch anderseits im Gläubigen ebenso die aufrichtige Achtung gegenüber allen Völkern und Formen menschlicher Kultur vermehrt und ihn davon überzeugt, daß auf geheimnisvolle Weise überall die Samen des göttlichen Wortes zum Wachsen kommen können. Möge alles, was bei den slawischen Völkern bisher aus dem tätigen Wirken der heiligen Kyrill und Method und anderer hervorgegangen ist, denen das Vorbild und die Weisung der Brüder Belehrung und Anregung gaben, auch in unseren Tagen sich fortsetzen durch das einträchtige Wirken all derer, die in den beiden Heiligen jene Patrone im Himmel anerkennen, die stets bereit sind, jedem zu Hilfe zu kommen, der sie anruft. Das bewahrheite sich insbesondere bei den geliebten Völkern Jugoslawiens, für die ich stets eine besondere Liebe in meinem Herzen empfinde. Sie, ehrwürdiger Bruder, bitte ich schließlich, bei den Bischöfen der Kirchen Jugoslawiens und bei den ihrer pastoralen Sorge anvertrauten Gläubigen diese meine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Allen erteile ich durch Sie als Unterpfand reicher Himmelsgaben den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 28. Juni 1985, im siebten Jahr meines Pontifikats IOANNES PAULUS PP. II 1443 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die „Schule“ der beiden Heiligen Schreiben an Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli Meinem ehrwürdigen Bruder, Kardinal Agostino Casaroli, Päpstlicher Legat bei den Feierlichkeiten zu Ehren der heiligen Kyrill und Method in Velehrad/Tschechoslowakei. Unter den zahlreichen Initiativen, die die Elfhundertjahrfeiern zum Tod des hl. Method angeregt haben, hat jene eine besondere Bedeutung, die die Gläubigen der Tschechoslowakei am 7. Juli in Velehrad durchführen. Das Gebiet nämlich, das diese beiden Völker bewohnen, war zu einem wesentlichen Teil Zeuge des Apostolats der hll. Kyrill und Method und nahm auch den letzten Atemzug und den entseelten Leib des älteren der beiden Brüder auf. Velehrad, Nitra und Devin geben historisches Zeugnis von ihrer Mission und ihrem Leben. Dieses geschichtliche Ereignis habe ich in meiner jüngsten Enzyklika Slavorum Apostoli mit folgenden Worten erwähnt: „Das apostolischmissionarische Wirken der hll. Kyrill und Method, das in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts fällt, kann als die erste wirkliche Evangelisierung der Slawen betrachtet werden. Es erstreckte sich in verschiedenem Grade auf die einzelnen Gebiete, wobei es sich jedoch hauptsächlich auf den Bereich des Staates von Großmähren konzentrierte. Es umfaßte vor allem die Regionen des Metropolitansitzes, dessen Oberhirte Method war, nämlich Mähren, Slowakei und Pannonien, einen Teil des heutigen Ungarn. Im weiteren Einflußgebiet dieses apostolischen Wirkens, besonders von seiten der durch Method vorbereiteten Missionare, befanden sich die anderen Gruppen der Westslawen, vor allem die von Böhmen“ (Slavorum Apostoli, Nr. 23). Mein Geist nimmt diese Bedeutung lebhaft wahr und das Herz rät mir zu einer bedeutungsvollen Handlung, die deutlich zeigen soll, daß ich an diesem feierlichen Tag in der Tschechoslowakei teilnehme. Ich ernenne daher Sie, Herr Kardinal, zu meinem Legaten bei den Feierlichkeiten, die in Velehrad stattfinden werden. Da Sie die Arbeit des Nachfolgers Petri aus unmittelbarer Nähe kennen und verfolgen, seine Sorgen und Freuden teilen, werden Sie am deutlichsten ein Zeichen meiner Anwesenheit geben und meine Liebe und Zuneigung am offenkundigsten zum Ausdruck bringen können. Sie wissen auch gut, wie sehr ich das Wirken schätze, das die Brüder aus Saloniki für die Evangelisierung der slawischen Völker, für ihren mensch- 1444 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehen und kulturellen Fortschritt und für die Sache der Einheit zwischen dem Osten, woher sie kamen, und dem Westen, der sie als die Ihrigen aufnahm, geleistet haben. Die Erklärung, mit der ich Kyrill und Method zusammen mit dem hl. Benedikt zu Schutzpatronen Europas ausgerufen habe, entsprang spontan aus dieser Überzeugung. „Kyrill und Method sind gleichsam die Verbindungsringe, eine geistige Brücke zwischen der östlichen und der westlichen Tradition, die beide in der einen großen Tradition der universalen Kirche zusammenfließen“ (Slavorum Apostoli, Nr. 27). In dem Werk dieser beiden Heiligen verschmelzen die Treue zur ewigen Botschaft des Evangeliums und die Beachtung des Ackers, der den Samen aufnimmt, eng miteinander. Die Synthese der östlichen und der westlichen Traditionen, die im Leben und in den Taten der heiligen Brüder in vielfältiger und erstaunlicher Weise zum Ausdruck kommt, beweist uns, daß bei dieser Begegnung niemand gezwungen wird, die Werte des Geistes und der Nation, die er besitzt, aufzugeben, und daß gerade durch die Achtung vor dem fremden Erbe die jedem Volk eigenen geistigen Reichtümer besser ins Licht gerückt werden. Außerdem lehren uns die hll. Kyrill und Method mit ihrem Werk, daß alle Formen menschlicher Kultur, die nach dem Guten, der Wahrheit und der Schönheit streben, vom Licht der Offenbarung und des Evangeliums Christi dazu angeregt werden, Werte dieser Art tagtäglich mehr zu fördern. Die Erinnerung an diese berühmten Apostel und ihre Lehre bleiben also lebendig: Die Erzdiözese Olmütz, in deren Bereich Velehrad liegt, rühmt sich, sie zu Schutzpatronen zu haben. Auch der Hochaltar der Kathedrale ist seit Beginn des 14. Jahrhunderts ihnen geweiht. Darüber hinaus tragen die Theologischen Fakultäten der Tschechoslowakei ihre Namen; und die bekannten ökumenischen Kongresse, die seiner Zeit von Bischof Anton Stojan seligen Angedenkens mit den orthodoxen slawischen Kirchen in Velehrad abgehalten wurden, waren die Frucht der „Schule“ dieser beiden Heiligen. Während ich den Wunsch zum Ausdruck bringe, daß die Beispiele der Vergangenheit immer und für jede Zeit geeignet sein mögen, hoffe ich inständig, daß diese Jubiläumsfeiern eine ständige Fortsetzung finden mögen in der Bewahrung und im Wachstum des wahren Glaubens, in der Stärkung und Verbreitung der christlichen Hoffnung, in der Glut und Steigerung der tätigen Liebe. So möge das Evangelium den Weg zu den Werten des Menschen und der menschlichen Kultur fortsetzen, und die menschliche Kultur stets dem Licht offenstehen, das von oben kommt. 1445 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zum Schluß bitte ich Sie, ehrwürdiger Bruder, diese meine Empfindungen und Gedanken bei den Völkern der Tschechoslowakei auszusprechen und zu erläutern, die ich im Herzen trage und dem Herrn Christus im täglichen Gebet anvertraue, während Sie ihnen meinen väterlichen Segen und die Versicherung meiner tiefen Zuneigung überbringen. Dem Heiligtum von Velehrad verleihe ich sodann das Ehrenzeichen der „Goldenen Rose“. Aus dem Vatikan, am 28. Juni 1985, im siebten Jahr meines Pontifikats IOANNES PAULUS PP. II Das Fundament der Kirche erbaut Predigt beim feierlichen Gottesdienst am Fest der Apostel Petrus und Paulus im Petersdom am 29. Juni 1. „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes (Mt 16,16). Diese Worte, die bei Cäsarea Philippi gesprochen wurden, dieses Bekenntnis der Wahrheit über Jesus von Nazaret, das für ein Kind des Alten Testaments nicht leicht auszusprechen war, kennzeichnen den Augenblick der Geburt des Petrus! Wir können sagen, daß er durch dieses Bekenntnis geboren wurde. Vorher war er als der Sohn des Jona, als Simon, bekannt. Er war Fischer wie sein Bruder Andreas. Und es war Andreas, der ihn am Ufer des See Genezareth zu Jesus geführt hat. Schon damals sagte Jesus: „Du sollst Kephas (das bedeutet Petrus/Fels) heißen“ (Joh 1,42). Dies war aber nur eine Vorankündigung. Petrus - Kephas - Fels. In dem Augenblick, in dem Simon, Sohn des Jona, bekennt, daß Christus - der Messias - der Sohn Gottes ist, wird diese Vorankündigung Wirklichkeit. Und Christus sagt zu Simon: „Du bist Petrus“ - der Fels. So also ist das Bekenntnis, das bei Cäsarea Philippi erfolgte, in Wirklichkeit der Augenblick der Geburt des Petrus. Er wurde geboren durch den Glauben an die Gottessohnschaft Christi. In diesem Glauben hat sich der Vater offenbart, der Gott des Bundes als Vater. Gottvater hat Simon seinen Sohn offenbart: „Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). 1446 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Diese neue Geburt des Simon, Sohn des Jona - die Geburt des Petrus — ermöglicht es Christus, die Idee vom Reiche Gottes zu konkretisieren, das er vom Anfang seiner messianischen Sendung in Israel verkündet hat. Christus sagt: Ich werde meine Kirche bauen, „und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ {Mt 16,18). In der Verkündigung Christi wird die Kirche an Petrus gebunden, und Petrus wird in die Kirche als Kephas, als Fels, eingegliedert. In dieser Weise erklärt sich das Geheimnis des Namens, den Jesus von Nazaret schon bei der ersten Begegnung dem Simon gegeben hat. „Ich sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen.“ Die Worte sind klar und eindeutig. Derjenige, der die Kirche baut, ist Christus selbst. Petrus soll ein besonderes „Bauelement“, ein Teil des Gebäudes sein. Er muß es sein durch die Treue zu seinem Bekenntnis, das er bei Cäsarea Philippi gemacht hat; kraft der Worte: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ 3. Die Geburt des Petrus bei Cäsarea Philippi hat, wie man sieht, einen doppelten Charakter: einen christologischen und einen ekklesiologischen. Petrus wird geboren aus dem Glauben an die Gottheit, an die Gottessohnschaft Christi. Er wird zugleich in der Kirche und für die Kirche geboren. Er wird geboren für einen besonderen Dienst, dem ein besonderes Charisma entspricht. Der Dienst des Petrus und das Charisma des Petrus. Christus sagt: „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ {Mt 16,19). Die Kirche hat ihren Anfang in Gott: im Vater, im Sohn und im Heiligen Geist. In der Heiligsten Dreifaltigkeit hat sie auch ihre endgültige Bestimmung. Die Berufung und Sendung der Kirche werden sich endgültig im Reich Gottes vollenden. Auf dem Weg zu diesem Reich soll die Kirche „binden und lösen“, soll sie also „die Schlüssel des Himmelreiches“ verwalten, und Petrus ist der erste Inhaber dieser Vollmacht, die ein Dienst ist (dieses Dienstes, der eine Vollmacht ist). 4. Heute gedenkt die Kirche von Rom, deren Anfänge mit dem Dienst des Apostels Petrus verbunden sind, in liebender Verehrung des Martyriums ihres „Felsens“. Vom Tag des Todes Petri schaut sie - anhand der liturgischen Lesungen - auf seine Geburt. Zugleich bemüht sie sich, auch 1447 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der wichtigsten Etappen seines Lebens zu gedenken, die ihn von Cäsarea Philippi hierher nach Rom geführt haben. In besonderer Weise gedenkt sie der Zeit in Jerusalem, als der Herr Petrus durch ein Wunder „den Händen des Herodes“ entriß (Apg 12,11). Es ist bekannt, daß der hl. Petrus nach seinem Abschied von Jerusalem, noch bevor er dann nach Rom kam, auch die Kirche von Antiochien gegründet hat. In all diesen Lebensabschnitten sind für ihn die Worte Christi bestimmend geblieben, durch die Simon, der Sohn des Jona, als Petrus geboren wurde. Worte, die nach der Auferstehung von Christus bestätigt worden sind, als er Petrus in der Liebe festigte und ihm den Hirtendienst an vertraute: „Weide meine Lämmer . . . weide meine Schafe“ (Joh 21,15-17). Damals hat er ihm vorhergesagt, „durch welchen Tod er Gott verherrlichen würde“ (Joh 21,19). 5. Heute gedenkt die Kirche von Rom genau dieses seligen Märtyrertodes. Sie hat am Ende des Weges beide Apostel: Petrus und Paulus vereint. Der hl. Augustinus spricht davon in der heutigen Stundenliturgie auf die folgende Weise: „Ein einziger Tag ist dem Fest der zwei Apostel geweiht worden. Aber auch sie waren zusammen eins. Obgleich sie an verschiedenen Tagen den Märtyrertod erlitten, waren sie eins. Petrus ging voraus. Paulus folgte. Feiern wir deshalb diesen Festtag, der durch das Blut der Apostel für uns geheiligt ist. Lieben wir deren Glauben, das Leben, die Mühen, die Leiden, das Zeugnis und die Verkündigung“ (Sermo 295, PL 38, 1352). 6. Die Kirche vom Rom vereint beide Apostel im gemeinsamen Gedächtnis ihres Märtyrertodes. Die Liturgie widmet einen weiteren Tag der Erinnerung der Geburt des Paulus. Am 25. Januar wird seine wunderbare Bekehrung vor den Toren von Damaskus gefeiert. Er, der sich bekehrt hat, war zuerst ein Todfeind Christi und Verfolger der Christen. Sein Name war Saulus. Saulus aus Tarsus. Auf der Straße nach Damaskus hat die Kraft Gottes ihn zu Boden geworfen. Christus fragte ihn: „Warum verfolgst du mich?“ (Apg 9,4). An Simon wendet sich Jesus mit der Frage: „Für wen halten die Leute den Menschensohn“? {Mt 16,13). An Paulus: „Warum verfolgst du mich?“ So wie aus der Antwort von Simon Petrus geboren ist, so ist aus der Antwort, die Saulus in der Nähe von Damaskus Christus gegeben hat, 1448 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Paulus geboren. Der Apostel Paulus, der gesagt hat, er sei der „geringste“, weil er sich daran erinnert, „die Kirche Gottes“ (1 Kor 15,9) einmal verfolgt zu haben, ist aus dem Glauben an den auferstandenen Jesus geboren, dessen Kraft er vor den Mauern von Damaskus erfahren hat. Und er hat sie später auf allen Wegen seiner apostolischen Sendung erfahren. Auch in die geistliche Geburt des Paulus hat Christus das Geheimnis der eigenen Kirche eingeschrieben. Schon da, als er ihn fragte: „Warum verfolgst du mich?“, spricht er von der Kirche. Saulus verfolgte ja die Kirche. Paulus konnte also bereits an jener Wende mit den Augen des Glaubenden Christus in der Kirche und die Kirche in Christus sehen. Die Kirche, den Leib Christi. 7. Heute, an dem Tag, an dem der selige Tod der beiden Apostel in Rom geehrt wird, scheinen beide uns zu sagen, daß wir die Kirche sind: „Verherrlicht mit mir den Herrn, laßt uns gemeinsam seinen Namen rühmen“ (Ps 33,4). Gleichzeitig antwortet die Kirche den beiden Aposteln mit demselben Vers des Psalmes: „Verherrlicht mit mir den Herrn, laßt uns gemeinsam seinen Namen rühmen.“ In besonderer Weise tut dies die Kirche von Rom: „O glückliches Rom, du bist mit dem kostbaren Blut so vieler Fürsten getränkt, nicht durch deinen Ruhm, sondern durch deren Verdienst übersteigst du jegliche Schönheit der Welt“ (Erste Vesper). 8. Die Kirche von Rom freut sich, die orthodoxe Delegation zu grüßen, der der Metropolit Chrysostomos von Myra vorsteht, die der Ökumenische Patriarch Dimitrios I. nach Rom zum Fest der hll. Petrus und Paulus geschickt hat. In Anwesenheit dieser Delegation ist uns an diesem Festtag, der Simon, dem Sohn des Jona, gewidmet ist, teuer. Petrus wurde ja durch seinen Bruder Andreas gerufen, der in besonderer Weise von der Kirche von Konstantinopel verehrt wird, deren Patron er ist. Wir danken den Vertretern dieser Kirche herzlich, daß sie an dieser Feier teilnehmen. Der offene Dialog zwischen unseren Kirchen im gemeinsamen Apostolischen Glauben wird uns in eine volle Einheit führen und schließlich dazu, gemeinsam die Eucharistie des Herrn zu feiern. Für die Erreichung dieses Ziels bitte ich alle, immer zu beten und besonders am heutigen Tag. 1449 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 9. Die Kirche von Rom freut sich auch über die Anwesenheit der neuen Metropoliten, die das Pallium hier beim Grab des hl. Petrus erhalten werden. Es sind elf Erzbischöfe, die aus verschiedenen Teilen der Erde kommen. Wie wir wissen, ist das Pallium Symbol einer besonderen Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri. Es ist Ehrentitel, aber auch Aufforderung zu einer höheren Verantwortung, zu einem hochherzigen Geist für den Dienst und für das Opfer in der Treue und in der Gemeinschaft mit dem Vertreter Christi für die Einheit, die Heiligung und das Wachsen des mystischen Leibes und des Heils der Welt. Den Wunsch, den ich an euch, liebe Mitbrüder, richte, ist, daß eure Liebe zu Christus und zur Kirche niemals abnehme, und daß ihr für diese Liebe bereit seid, jeder Versuchung standzuhalten, indem ihr am apostolischen Mut der Heiligen, die wir heute feiern, teilhabt. 10. Schließlich, verehrte Brüder im Bischofsamt, und auch ihr, liebe Brüder und Schwestern des Volkes Gottes! Freuen wir uns in der Feier der hll. Apostel Petrus und Paulus. Durch ihre Berufung und ihren Dienst für die Geheimnisse Christi, des Gottessohnes, ist eine solche Feier ein für allemal in die Geschichte des Gottesreiches auf Erden eingeschrieben. Beide Apostel sind aus diesem Geheimnis geboren, sie haben die Kirche in ihren Fundamenten erbaut. Selig bist du, Simon, Sohn des Jona! Selig bist du, Paulus aus Tarsus! „Sie besitzen den Kranz des Lebens, mit dem sie geschmückt sind, nachdem der eine durch das Kreuz, der andere durch das Schwert triumphiert hat“ (Hymnus der Ersten Vesper). Die Kirche von Rom feiert mit großer Dankbarkeit den Tag eurer Geburt für das Himmelreich: für die Ewigkeit in Gott. 1450 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Liebe näherkommen Ansprache an die Delegation des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel am 29. Juni Liebe Brüder! „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Röm 1,7). Die Gedächtnisfeier der hll. Apostel Petrus und Paulus, das Patronatsfest der Kirche von Rom gibt uns wieder einmal Gelegenheit zur Begegnung im Gebet, in der Freude und in fruchtbarem und brüderlichem Meinungsaustausch. Ich heiße Sie, Eminenz, und Ihre Begleiter ganz herzlich willkommen. Ich bin sehr glücklich, Sie persönlich zu empfangen. Durch Sie grüße und danke ich Ihrer Heiligkeit Dimitrios I., dem ökumenischen Patriarchen, dafür, daß er Sie zur Teilnahme an unserem Fest entsandt hat, um so den Besuch unserer Delegation zu erwidern, die sich jedes Jahr zum Fest des Apostels Andreas, des Erstberufenen, in den Phanar begibt. Die gemeinsame Feier der Apostel hebt unseren Glauben hervor, den Glauben, den wir von ihnen empfangen haben, und erinnert uns an die apostolische Sukzession, die in unseren Kirchen ein fundamentales Element für die Heiligung und Einheit des Gottesvolkes ist. Im Breve Anno ineunte, das Papst Paul VI. bei seinem Besuch im Phanar dem Patriarchen Athenagoras übergeben hat, wird die wichtige Bedeutung der apostolischen Sukzession aufgezeigt. Durch die Taufe „sind wir eins in Christus“. Außerdem „verbinden uns kraft der apostolischen Sukzession das Priestertum und die Eucharistie ganz eng miteinander ... Und liegt nicht darin, daß in jeder Ortskirche sich dieses Mysterium ereignet, wohl der Grund dafür, daß die herkömmliche Redeweise die Ortskirchen gern als Schwesterkirchen bezeichnet?“ (Tomos Agapis, Nr. 176). Der Dialog zwischen unseren Kirchen findet eine solide Grundlage in der gemeinsamen Erfahrung, die wir während des ersten Jahrtausends trotz der Spannungen, an denen es damals nicht gefehlt hatte, miteinander erlebt haben. Die ökumenischen Konzilien sind Ausdruck des synodalen Lebens und der Gemeinschaft der Kirchen auf höchster Ebene gewesen. Sie haben den apostolischen Glauben formuliert und promulgiert und ihn vor jeder Fälschung bewahrt. Damit führten sie unsere Kirchen zur gemeinsamen Doxologie, in der wir den Vater loben und anbeten, der uns durch den Sohn und im Heiligen Geist die große Mysterien des Glaubens geoffenbart hat. 1451 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Dienste dieses Glaubens haben sich die Konzilien zugleich immer mit größter Achtung vor der legitimen Mannigfaltigkeit des Ausdrucks dieses Glaubens in den verschiedenen liturgischen, disziplinären und theologischen Formen der Kirchen des Orients und Okzidents geäußert. Man erinnere sich daran, wie in den Anfangszeiten Clemens von Rom an die Kirche von Korinth schrieb und wie Ignatius von Antiochien an die Kirche von Rom schrieb. Man denke an den hl. Irenäus und sein Werk. Heute begegnen unsere Kirchen einander in dem echten Geist der Brüderlichkeit, der die Beziehungen zwischen Schwesterkirchen kennzeichnet. Nach Jahrhunderten finden wir uns wieder im Dialog der Liebe, in dessen Mitte sich der theologische Dialog entfaltet. Durch ihn versuchen wir miteinander wieder eine gemeinsame Formulierung unseres Glaubens in den Punkten zu finden, wo unterschiedliche Entwicklungen Mißverständnisse und Entzweiungen hervorgerufen hatten. Die Grundsätze, die unsere Väter veranlaßt haben, die Gemeinschaft in der Achtung der Verschiedenheit der Bräuche und theologischen Formulierungen aufrechtzuerhalten, müssen uns dazu führen, die volle Gemeinschaft zwischen uns wiederherzustellen. Wir feiern heute das 1100. Todesjahr des hl. Method. Er vollbrachte zusammen mit seinem Bruder, dem hl. Kyrill, eines der bedeutsamsten Werke der Evangelisierung Europas. Sie taten dies in vollem Einvernehmen mit Rom und mit Konstantinopel. Mögen sie uns beschützen, mögen sie Fürbitte einlegen für den Fortschritt unseres Dialogs, mögen sie uns Vorbilder sein. Ich danke allen, die sich im Namen ihrer Kirche in diesem Dialog engagieren. Ich bitte den Herrn, das Werk, das er durch uns begonnen hat, an sein Ziel zu führen. Das wird dem ganzen Volk Gottes zur größten Freude gereichen, einer Freude, die auch Frucht des Geistes ist. In diesen Empfindungen bin ich Ihnen zutiefst dankbar für diese Begegnung; die gemeinsame Feier des Festes der heiligen Apostel Petrus und Paulus beseele unsere Brüderlichkeit und stärke unseren Glauben. So kommen Katholiken und Orthodoxe einander in der Liebe nahe, Brüder einer einzigen Familie, gemeinsam gesandt, um allen Nationen das eine Evangelium zu verkünden. In Erinnerung an unsere Begegnung im ökumenischen Patriarchat vor sechs Jahren am Fest des hl. Andreas bitte ich Sie, den Patriarchen Dimitrios I. und dem Heiligen Synod den Ausdruck meiner Wertschätzung und meiner brüderlichen Liebe zu überbringen. Der Friede des Herrn sei mit Ihnen und mit uns! 1452 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Neue und Ewige Bund Predigt bei der hl. Messe zum Abschluß des Eucharistischen Diözesan-Kongresses in Teramo am 30. Juni 1. „Wo sollen wir das Paschamahl für dich vorbereiten?“ (Mk14,12). So fragen die Jünger Jesus, als nach der Tradition des Alten Bundes das „Fest der Ungesäuerten Brote“, der Tag der Opferung des Paschalammes, gekommen war. Da gibt ihnen Christus an, wohin sie sich begeben und welche Vorbereitungen sie treffen sollen, damit das Paschamahl zur festgesetzten Zeit stattfinden kann. Dieses Paschamahl Christi mit den Aposteln wird zum Letzten Abendmahl und zugleich zum ersten. Das letzte Mahl, das er mit seinen Jüngern vor seinem Leiden und Sterben eingenommen hat: und auch das letzte Paschamahl des Alten Bundes. Zugleich ist es das erste Paschamahl des Neuen Bundes: die erste Eucharistiefeier. Und auch ihr, liebe Brüder und Schwestern von Teramo und Atri, habt in der Gemeinschaft eurer Diözese in der abgelaufenen Woche und besonders am heutigen Sonntag euer Pascha Christi besonders feierlich vorbereitet: den Eucharistischen Kongreß. 2. Es ist für mich Anlaß zu großer Freude, am Höhepunkt dieses Eucharistischen Kongresses teilnehmen zu können. Ich begrüße herzlich Bischof Abele Conigli und bringe ihm meinen Dank zum Ausdruck für das Amt, das er mit priesterlicher Hingabe erfüllt. Mit ihm danke ich dem Herrn für die erste Frucht dieser liturigischen Versammlung: die Einheit des Geistes und der Herzen bei der Feier des Glaubens. Ich grüße die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Laien, die in den Pfarreien, in den kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen verantwortungsvoll tätig sind. Der Kongreß, der heute feierlich zu Ende geht, war geplant zur 50-Jahr-Feier des Nationalen Eucharistischen Kongresses, der 1935 in dieser Stadt abgehalten wurde und „Die Eucharistie und die Heilige Schrift“ zum Thema hatte. Ich weiß, daß euer Kongreß sorgfältig vorbereitet wurde. Zunächst mit der Visitation, die vor drei Jahren begonnen und zahlreiche geistliche Begegnungen mit Erwachsenen, Jugendlichen und Familien ermöglicht hat und vor allem bei der Feier des heiligen Opfers die Gläubigen der einzelnen Pfarreien um den Bischof versammelte. Dann 1453 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die von den eifrigen Passionistenpatres in Atri, Teramo und auf der Isola del Gran Sasso durchgeführten Missionen und die unmittelbare Vorbereitung durch die Wallfahrt Mariens unter der sorgfältigen Leitung des Erzbischofs von Loreto. Eine Woche lang hielt sich das Gnadenbild von Loreto - das Bild derjenigen, die die erste Wohnstatt des Gottessohnes war - in den besiedeltsten Ortschaften auf, damit durch die Verehrung für Maria, den Schrein des Neuen Bundes, das Bewußtsein wachse, daß der Christ Tempel und Zelt des Herrn ist (vgl. Hieronymus, Adv. Iov. 1, 33; PL 23,267), der vom Menschen das fiat erwartet, um bei ihm zu bleiben und ihm auf seinem Lebensweg beizustehen. 3. Als der Herr Jesus mit den Aposteln in dem Saal war, in dem sie das Paschamahl einnehmen sollten, nahm er während des Mahls „das Brot, und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es ihnen und sagte: Nehmt, das ist mein Leib. Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet, reichte ihn den Jüngern, und sie tranken alle daraus“ {Mk 14,22-23). Jede Eucharistie, die wir in der Kirche feiern, ist eine Danksagung. In ihr danken wir mit Christus für „Gottes großen Taten“ (vgl. Apg 2,11), die dieses Sakrament gewissermaßen ergänzt und zusammenfaßt. Wir danken für die Wohltaten der Schöpfung und der Erlösung. Wir danken Gott, weil er unser Vater ist - und weil er in Jesus Christus „Immanuel: Gott mit uns“ (vgl. Mt 1,23) geworden ist für alle Zeiten. Wir danken für den Geist der Wahrheit - den Tröster, den er uns im „Namen Christi“ weitergibt. Der Eucharistische Kongreß ist eine breit angelegte und lange Danksagung besonderer Art. In diesem Dank findet die geistliche Lebenskraft von uns allen Ausdruck, die wir zum Paschamahl an den Tisch des Wortes Gottes und des Brotes, das der Leib Christi ist, geladen sind. 4. Euer Kongreß bewegte sich um das Thema: „Versöhnt und vereint im Brechen des Brotes“. Als der Herr Jesus nach der Wandlung des Paschabrotes in seinen eucharistischen Leib den mit Wein gefüllten Kelch nahm, sagte er zu den Jüngern: „Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird“ {Mk 14,24). So lautet die von dem Evangelisten Markus festgehaltene Formel. An anderer Stelle lauten die Worte der Wandlung des Weines in das Blut des Herrn so: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut“ (Lk 22,20; vgl. 1 Kor 11,25). Der liturgische Text der hl. Messe sagt: „Das ist der Kelch meines Blutes für den Neuen und Ewigen Bund.“ 1454 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Bund ist Frucht der Wiederversöhnung mit Gott oder besser, der Wiederversöhnung Gottes mit den Menschen. Gott hat sich mit seinem Volk Israel durch Mose wieder versöhnt, wie die erste Lesung der heutigen Liturgie in Erinnerung ruft. Die Frucht dieser Wiederversöhnung war der Alte Bund vom Berg Sinai, und Zeichen dieses Bundes war das Blut der Opfertiere. „Das ist das Blut des Bundes, den der Herr mit euch geschlossen hat“ (Ex 24,8), erklärte Mose, nachdem er das Volk mit jenem Blut besprengt hatte. Der Neue und Ewige Bund, den Gott mit der Menschheit in Jesus Christus geschlossen hat, findet seinen sakramentalen Ausdruck in der Eucharistie. Der Preis des Bundes ist der im Kreuzopfer hingegebene Leib und das Blut, in dem Gott die Welt mit sich versöhnt hat, wie der hl. Paulus verkündete (vgl. 2 Kor 5,19). 5. Euer Eucharistischer Kongreß hat diese Versöhnung zu seinem Thema gewählt, die die Initiative der Heiligsten Dreifaltigkeit ist. Sie ist die besondere Gabe Gottes für uns — und die Eucharistie Christi ist das ununterbrochene und unveränderliche Zeichen dieser Gabe. Sie ist das Sakrament der Wiederversöhnung, mit der der Ewige Vater in Jesus Christus die Welt ein für allemal mit sich versöhnt hat: der Neue und Ewige Bund. Gleichzeitig damit, daß Gott uns diese Wiederversöhnung als eine selige Gabe anbietet, weist er sie uns Menschen als Aufgabe zu. Zuerst ermöglicht er sie uns durch das Sakrament der Wiederversöhnung. Und gleichzeitig interpelliert er unablässig an die Gewissen und Herzen, damit sie empfänglich für die Wiederversöhnung werden: für die Wiederversöhnung mit Gott und zugleich gegenseitige Versöhnung. „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ - sagt Jesus (Joh 15,12). 6. Das Thema dieses Kongresses entspricht dem, was in letzter Zeit zum zentralen Thema der Arbeit der Kirche geworden ist, die sich zusammen mit der ganzen Menschheit auf den Übergang vom zweiten ins dritte Jahrtausend vorbereitet. Während ich auf den Ruf des Menschen höre und sehe, wie er in den Umständen seines Lebens eine Sehnsucht nach der Einheit mit Gott, mit sich selbst und mit dem Nächsten an den Tag legt, habe ich mich durch die Gnade und Inspiration des Herrn entschlossen, jenes ursprüngliche Geschenk der Kirche, das die Wiederversöhnung ist, wieder mit Nachdruck vorzuschlagen. 1455 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Deshalb habe ich im Herbst 1983 die 6. Vollversammlung der Bischofssynode einberufen, deren Beiträge in dem nachsynodalen Apostolischen Schreiben Reconciliatio et paenitentia vorgelegt wurden. Aus demselben Grund habe ich das Jubiläumsjahr der Erlösung ausgerufen. Dessen Ziel war, wie ihr wißt, die 1950. Wiederkehr des Erlösungsopfers des Gottessohnes zu feiern und „einen neuen Einsatz aller und jedes einzelnen für den Dienst an der Versöhnung nicht nur zwischen allen Jüngern Christi, sondern zwischen allen Menschen“ zu fördern (Verkündigungsbulle Ape-rite portas Redemptori, Nr. 3). Dieser Einsatz wird um so beständiger und hochherziger sein, als die Gläubigen Christus mit tiefem Glauben in ihrem Herzen aufnehmen und sich vom Geheimnis des unendlichen Erbarmens Gottes mit dem Menschen durchdringen lassen. 7. In voller Gemeinsamkeit der Absichten und des Handelns hat die Kirche in Italien auf dem Kongreß „Christliche Versöhnung und Gemeinschaft der Menschen“ die beiden angeführten Initiativen weitergeführt und entfaltet. Während diese Versammlung in der Osterwoche in Loreto zusammengetreten war, begab ich mich dorthin, um daran teilzunehmen und vor allem, um „mit den Vertretern der verschiedenen Glieder des Gottesvolkes, das in diesem geliebten Land Italien seinen Glauben lebt, den auferstandenen Christus, den Erlöser des Menschen, den Versöhner der Menschheit zu feiern. Ich bin gekommen, um mich mit ihnen zu Füßen des Kreuzes zu stellen, des immer paradoxen, aber unersetzlichen Zeichens unserer Versöhnung, dieses großen Geschenkes, das die Unentgeltlichkeit und Wirkungskraft der unerschöpflichen Liebe Gottes bekundet“ {Ansprache in Loreto, 11. April 1985, in: O.R. dt., 3.5.85, S. 4). Da ich sodann die Festigung der Versöhnung als Geschenk Gottes und als seinem mystischen Leib anvertraute Aufgabe bekräftigen wollte, habe ich als wünschenswertes Ergebnis des Kirchentages „ein erneuertes Kirchenbewußtsein“ bezeichnet, dank dem in der Teilhabe an dem einen Geschenk und in der Mitarbeit an der einen Sendung alle lernen mögen, sich gegenseitig zu verstehen und brüderlich zu schätzen, aufeinander zu zählen und sich gegenseitig zu warnen, aufeinander zu hören und sich unermüdlich zu informieren, damit das Haus Gottes, also die Kirche, durch den Beitrag jedes einzelnen erbaut wird und die Welt sieht und glaubt“ (ebd.). 8. Auf der Linie dieser Initiativen liegt auch dieser Eucharistische Kongreß. Für die Diözesen Teramo und Atri war er - und ich hoffe und 1456 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wünsche, er wird es noch lange sein - eine feierliche und verpflichtende Gelegenheit, den Glauben und das christliche Leben durch das Aufzeigen der Eucharistie als Mysterium der versöhnenden Liebe, als Quelle von Kraft, Friede und Freude neu zu beleben. Der Leib Christi ist lebendige Speise für uns, seine Brüder; wenn wir an den heiligen Tisch treten, werden wir ihm nicht nur einverleibt, sondern werden zu Teilhabern an seiner Macht der Fürsprache. In Jesus, mit ihm und durch ihn bringen wir dem Vater uns selbst zum Geschenk dar als Lob- und Sühneopfer, als Gott willkommene Hostie, die für die ganze Menschheit gebrochen wird. Nährt euch von der eucharistischen Speise, die euch in den Neuen Bund eingliedert und euch in der versöhnenden und barmherzigen Liebe des Erlösers bleiben läßt. Auf diese Weise werden eure Pfarrgemeinden immer stärker zum Zeichen für die Gegenwart Gottes in der Welt, die dieser einigenden und versöhnenden Kraft bedarf, die sich in der Liebe verwirklicht (vgl. ebd.). 9. Als Mose, der im Namen Gottes handelte, nach seiner Rückkehr vom Berg Sinai „dem Volk alle Worte und Rechtsnormen des Herrn“ übermittelte, da antwortete das ganze Volk einstimmig und sagte: „Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun“ (Ex 24,3). Das wollen wir tun: Eine ähnliche Bereitschaft muß auch eure Herzen jetzt durchdringen, wo euch durch die Arbeiten des Eucharistischen Kongresses „die Worte des Herrn“ über die Versöhnung in Jesus Christus vertrauter geworden sind. Nun wo sich euch von neuem — und noch mehr - das Geheimnis dieses Sakramentes enthüllt hat, das der Neue und Ewige Bund in dem für die Heilsrettung der Welt hingegebenen Leib und Blut Jesu Christ ist. Ihr müßt alle noch mehr Jünger des göttlichen Meisters und seiner Apostel werden, entsprechend „dem Maß“, in dem jeder von euch an dem Geschenk teilhat (vgl. Eph 4,7). 10. Kehren wir noch einmal in den Abendmahlssaal zurück. Nachdem Jesus hier das Sakrament seines Leibes und seines Blutes, das Sakrament der Liebe, eingesetzt hat, sagt er zu seinen Jüngern: „Amen, ich sage euch: Ich werde nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken bis zu dem Tag, an dem ich von neuem davon trinke im Reich Gottes“ (Mk 14,25). Die Eucharistie ist das Sakrament, das das Himmelreich verkündet und ankündigt. Es verkündet und kündigt den Menschen das ewige Leben mit Gott an. 1457 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Teilnehmer am Eucharistischen Kongreß! Ich wünsche, daß sich für euch - für jeden von euch - die Worte der von Christus im Abendmahlssaal verkündeten Verheißung erfüllen, daß es euch gegeben sei, von der Frucht der Eucharistie im Reich Gottes zu essen und zu trinken, daß sie in einem jeden von euch zum Unterpfand des ewigen Lebens werde! Kritisches Methodenbewußtsein notwendig Ansprache an die Teilnehmer des im Vatikan abgehaltenen Kongresses „Die Grenzen der Kosmologie“ am 6. Juli Liebe Freunde! 1. Ich heiße die Teilnehmer an dem Vatikanischen Kongreß über Kosmologie herzlich willkommen. In diesem Jahr, das durch das 50jährige Bestehen der wissenschaftlichen Forschung an der Vatikanischen Sternwarte ausgezeichnet ist, möchte ich bei dieser Gelegenheit gern P. Coyne und dem gesamten Stab des Observatoriums aufrichtig gratulieren und meine besten Wünsche aussprechen. Sie sollen wissen, daß Ihre gewissenhafte Arbeit, besonders auf dem Gebiet der Astrophysik, zusammen mit Ihrer kirchlichen Hingabe in hervorragender Weise Zeugnis ablegt von dem tiefen Interesse der Kirche an der Welt der Wissenschaft und insbesondere an den Männern und Frauen, die in der wissenschaftlichen Forschung engagiert sind. Herzlich begrüße ich die Astronomen, die sich der Himmelsbeobachtung widmen, und die Theoretiker auf dem Gebiet der Gravitationsphysik und Kosmologie, die die Einladung zur Teilnahme an dieser bedeutsamen Tagung angenommen haben. Es ist eine Freude für mich, Sie heute zusammen mit Ihren Familien willkommen zu heißen. 2. Durch die Naturwisschaften und insbesondere die Kosmologie sind wir uns unserer wahren physikalischen Stellung innerhalb des Universums, innerhalb der materiellen Wirklichkeit in Raum und Zeit viel stärker bewußt geworden. Wir sind tief betroffen von unserer Kleinheit und scheinbaren Bedeutungslosigkeit und noch mehr von unserer Verwundbarkeit in einer so riesigen und anscheinend feindseligen Umwelt. Denn dieses unser Universum, diese Milchstraße, in der unsere Sonne und der 1458 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Planet, auf dem wir leben, ihren Platz haben, ist unser Zuhause. Das alles dient in der einen oder anderen Weise dazu, uns zu erhalten, uns zu ernähren, uns zu faszinieren, uns zu inspirieren, indem es uns aus uns selbst herausführt und uns drängt, weit über die Grenzen unseres bloßen Gesichtsfeldes hinauszublicken. Was wir durch unser Studium der Natur und des Universums in all seiner Unermeßlichkeit und reichen Vielfalt entdecken, dient einerseits dazu, unsere Gebrechlichkeit und unserer Kleinheit hervorzuheben, andererseits aber auch, mit aller Klarheit unsere Größe und Überlegenheit inmitten der ganzen Schöpfung zu bekunden - die zutiefst erhabene Stellung, derer wir uns erfreuen, weil wir imstande sind, so vieles zu erforschen, uns vorzustellen und zu entdecken. Wir sind nach dem Abbild und Gleichnis Gottes geschaffen. So sind wir fähig, immer mehr über das Universum und alles, was es enthält, zu erkennen und zu verstehen. Wir können bis in sein inneres Funktionieren Vordringen und seine planmäßige Anordnung erfassen und loten staunend, es mit Ehrfurcht und Phantasie befragend, seine Tiefen aus. 3. Einer der wichtigsten Schwerpunkte dieses Kongresses ist es, wie man mir sagte, die innere Begrenzung der Kompetenz der Kosmologie und ihrer Beweisbarkeit durch die Beobachtung, die theoretischen und praktischen Grenzen der wissenschaftlichen Überprüfbarkeit ihrer theoretischen Ergebnisse zu ermitteln. Mit schrittweisem, ständigem Wachsen in demütiger Selbsterkenntnis sind wir imstande, die Extreme einer aufgeblähten Überschätzung unserer eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten einerseits und einer engen und oberflächlichen Geringschätzung anderseits zu vermeiden. Und das gilt für jedes Studienfach und jedes Forschungsgebiet. Eine gesunde Einschätzung sowohl unserer Grenzen als auch unserer starken Seiten setzt uns in den Stand, unsere Vorhaben sorgfältig zu planen, angemessene Beziehungen zu den materiellen, personalen und göttlichen Gegebenheiten der Wirklichkeit zu unterhalten und immer feinfühliger zu werden für all die wertvolle Information, die uns durch die moderne Wissenschaft zur Verfügung gestellt wird. 4. Je mehr wir über die physikalische Wirklichkeit wissen, über die Geschichte und den Aufbau des Universums, über die grundlegende Zusammensetzung der Materie und die Prozesse und Pläne, die der materiellen Welt zugrunde liegen, um so mehr können wir die Unermeßlichkeit des Geheimnisses Gottes erahnen und würdigen, um so mehr sind wir in der Lage, unser eigenes Geheimnis - unseren Ursprung und unsere 1459 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bestimmung - zu begreifen. Denn die Schöpfung, wie wir sie kennengelernt haben, spricht zu uns in bruchstückhaften, aber ganz echten Widerspiegelungen von dem Gott, der sie geschaffen hat und sie im Dasein erhält. Natürlich muß dieses Bild immer quälend unvollständig bleiben. Denn manche Aspekte unseres Lebens erheben sich über die materielle Dimension und gehen über sie hinaus, und, obwohl sie tief in der Materie verwurzelt sind, übersteigen sie das Verständnis, das die Naturwissenschaften zu liefern imstande sind. Sie lenken unsere Aufmerksamkeit auf das Reich des Geistes. Die menschlichen Schöpfungen der Kunst und Poesie, unsere Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Frieden und nach Ganzheit, ja jede wahrhaft menschliche Erfahrung lassen uns erkennen, daß es im Universum und insbesondere im menschlichen Leben einen inneren Bereich gibt, etwas Innewohnendes, das nicht einfach auf die Merkmale der Wirklichkeit zurückgeführt werden kann, mit der sich die physikalischen und anderen Naturwissenschaften beschäftigen. Es gibt sicherlich wichtige und wesentliche Beiträge, die von den Naturwissenschaften direkt und indirekt zu diesen mehr inneren und geistigen Wesensmerkmalen der Wirklichkeit erbracht werden können. Ja, solche Beiträge müssen erbracht werden, aber ihre Erforschung und ihr Studium erfordern andere ergänzende Methoden und Disziplinen, wie sie von den Künsten, den Humanwissenschaften, der Philosophie und Theologie bereitgestellt werden. Diese wiederum müssen sich der ihnen eigenen, wesentlichen Zuständigkeiten und Grenzen bewußt werden. 5. Vieles von dem, was die moderne Astronomie und Kosmologie erforscht, findet keine unmittelbare Anwendung durch die Technik oder Technologie. Doch es liefert einen äußerst wichtigen Beitrag. Denn es hilft uns letzten Endes, uns selber und alles andere in eine umfassendere, weiter reichende Perspektive zu stellen, indem es uns anregt, uns über unsere eigenen engen und egoistischen Interessen hinauszubewegen. Unsere Auffassung über uns selbst, über Gott und über das Universum unterscheidet sich grundlegend von jener der Menschen des Mittelalters. Wir sehen uns in einen viel größeren Zusammenhang hineingestellt, in eine Welt und ein Universum, die viel umfassender und viel komplizierter, ja auch schwieriger sind. Zum erstenmal haben wir uns von außerhalb - vom Mond und von anderen Beobachtungspunkten in unserem Sonnensystem aus — gesehen. Und durch diese aufsehenerregende Perspektive erkennen wir, daß wir, unabhängig darvon, welches unsere Nation, Religion oder politische 1460 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einstellung ist, mehr Verantwortung für und selbst, für unseren Nächsten, für unsere Institutionen und für unseren Planeten tragen müssen. Wir werden uns immer tiefer unserer Kleinheit und Gebrechlichkeit, aber zugleich auch unserer Größe bewußt. Wir fühlen uns mehr geneigt, zusammen mit dem Psalmisten des Alten Testaments zu sprechen: „Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes, vom Werk seiner Hände kündet das Firmament“ (Ps 19,2). „Mögen sie leben können in der Wahrheit und in der Liebe“ Predigt bei der hl. Messe für die in Rom lebenden tschechischen und slowakischen Gläubigen in der Cappella Paolina am 7. Juli Herr Kardinal! Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Brüder und Schwestern! „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde“ (Mt 28,18). Diese Worte hörten die Apostel aus dem Mund des auferstandenen Christus, nachdem sie ihn auf dem Berg in Galiläa gesehen hatten und vor ihm niedergefallen waren. Mit dieser Macht ausgestattet, sendet Christus sie in die ganze Welt, zu allen Völkern, damit sie sie für Christus gewinnen, sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes taufen: um ihre Herzen zu öffnen für die Wahrheit des Evangeliums, um ihnen das göttliche Leben zu verschaffen, um sie am Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit teilnehmen zu lassen. Mit dieser Frohbotschaft und mit der Macht, die den Aposteln und ihren Nachfolgern auf dem Berg in Galiläa zuteil geworden war, begaben sich die hll. Kyrill und Method zu unseren Vorfahren und lehrten sie, alles zu beachten, was Jesus geboten hatte. Sie lehrten sie, unseren Herrn und Retter zu lieben, hatten sie doch selbst erfahren und erlebt, daß derjenige das unaussprechliche Geheimnis vom Gottessohn, der um unseres Heiles wegen Mensch geworden ist, tiefer als alle anderen zu erkennen und zu durchdringen vermag, der zu lieben imstande ist, derjenige, der, wie das größte Gebot es fordert, mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all seinen Gedanken liebt (vgl. Mt 22,31). 1461 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Charakteristisch ist die Tatsache, daß der hl. Kyrill, als er sich zusammen mit Method auf seine Mission in Großmähren vorbereitete, als erstes die Übersetzung des Johannesevangeliums begann. Auf diese Weise war der erste in slawischer Sprache geschriebene Satz: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“ (Joh 1,1). Die Slawenapostel zögerten nicht, unseren Vorfahren die tiefsten Wahrheiten zu lehren. Sie vertrauten auf die Macht jener Liebe, die auch das zu erkennen vermag, was sich als mit Worten unaussprechbar erweist; und sie vertrauten ebenso auf die Gnade und die Güte des Vaters, des Herrn des Himmels und der Erde, der diese Dinge den Weisen und Klugen verborgen und sie den Unmündigen offenbart hat (vgl. Mt 11,25). Das bestätigt auch das kleine Metallkreuz aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, das in dem Ort Sady bei Uherske Hradiste gefunden wurde, wo zur Zeit der hll. Kyrill und Method wahrscheinlich ein Kloster oder eine Schule bestand. Die griechische Inschrift auf dem Kreuz lautet: „Jesus Christus - Licht - Leben - Sieg.“ Das könnte eine Zusammenfassung der Predigten des Kyrill und Method sein, eine Zusammenfassung dessen, was sie immer wieder und mit Nachdruck an ihre Schüler und unsere Vorfahren Weitergaben. Diese Inschrift könnte auch ein Widerhall jenes tiefen Glaubens sein, der aus dem Prolog des Johannesevangeliums herrührt, der auf diese Weise zum Beginn der slawischen Literatur wird. Jesus Christus: - Licht - Leben. Derjenige, der dieses kleine Metallkreuz trug, bekannte so, an wen er glaubte. Er verkündete den anderen, die es sahen und vielleicht auch küßten, daß „in ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen“ (Joh 1,4). Die hll. Kyrill und Method kamen, um unseren Ahnen den Zugang zu dem Leben zu eröffnen, das das Licht ist, sie kamen, um Zeugnis zu geben von jenem Licht, weil sie von Jesus ergriffen waren, der gesagt hatte: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Jesus Christus: - Licht - Leben - Sieg. Als Licht hat er die Finsternis besiegt, als Leben hat er den Tod und alles, was zu ihm führt, überwunden. Die heiligen Brüder aus Saloniki brachten unseren Vorfahren das Licht des Glaubens. Aber der Glaube besiegt die Welt. „Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube. Wer sonst besiegt die Welt, außer dem, der glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist?“ (1 Joh 5,4-5). Wir können mit dem Apostel Paulus hinzufügen: „Verschlungen ist der Tod vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel? Der Stachel des 1462 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Todes aber ist die Sünde . . . Gott aber sei Dank, der uns den Sieg geschenkt hat durch Jesus Christus, unseren Herrn“ (7 Kor 15,55-57). Davon gehen auch die ermutigenden Worte des Apostels aus: „Daher, geliebte Brüder, seid standhaft und unerschütterlich, nehmt immer eifriger am Werk des Herrn teil, und denkt daran, daß im Herrn eure Mühe nicht vergeblich ist“ (1 Kor 15,58). Am Werk des Herrn teilnehmen heißt, das von unseren Aposteln begonnene Werk fortsetzen. Und das Werk des Herrn fortsetzen heißt daher, die Botschaft Christi, die Botschaft von Vergebung und Heil verkünden, indem wir sie als das Licht für jede Zeit, für jede Epoche, für jede Generation, auch für unsere verbreiten. Das heißt, den guten Samen in jedes Erdreich aussäen, ihn immer wieder aussäen und so die Kirche Christi in den Seelen und in jedem Bereich stärken und zusammen mit ihr das Leben in der Gnade und das Reich der Liebe festigen. Das Werk des Herrn fortsetzen bedeutet, jedes Volk und jede Sprache, jede Kultur und jede Lebensäußerung mit dem Licht Christi erleuchten. So können und müssen wir alle uns in Jesus Christus begegnen, denn er allein ist für den Menschen, für jeden Menschen der Weg, die Wahrheit und das Leben (vgl. Joh 14,6). So wird Christus auch unser Sieg, und wir siegen mit ihm. Liebe Brüder und Schwestern! Wir haben uns heute hier genau zu der Stunde eingefunden, wo die Mengen der Gläubigen sich in Velehrad versammeln, um gemeinsam und in würdiger Weise in der Kathedrale der Diözese des 1100. Todestages des hl. Method zu gedenken. Auch die slowakischen Gläubigen in Kanada feiern heute in der Kathedrale der griechisch-katholischen Diözese in Unionville bei Toronto dieses Jubiläum. Wir alle sind mit ihnen geistig verbunden. Ich bin geistig auch mit allen tschechischen und slowakischen Gläubigen verbunden, die nicht nur des Todestages des hl. Method gedenken und ihn festlich begehen, sondern die im geistlichen Erbe und im Werk dieser Slawenapostel auch den Weg und die Ermutigung für ihr eigenes tägliches Leben suchen. Mein Herz fließt über von Liebe zu euch allen und von dem Verlangen, jedem von euch zu begegnen und ihn persönlich begrüßen und ermutigen zu können. Diese unsere heutige Begegnung ist gleichsam ein Zeichen dessen, wonach sich das Herz sehnt, was aber bis jetzt nicht voll erreicht werden konnte, ja was nicht einmal ganz auszusprechen möglich ist. Daher gehen die Worte in das Gebet über, denn was den Menschen nicht möglich ist, ist Gott möglich. So beschließe ich meine Ausführungen mit einem Teil des Gebets, in das auch meine jüngste Enzyklika Slavorum Apostoli einmündet: 1463 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „O großer Gott, einer in drei Personen, dir empfehle ich das Glaubenserbe der slawischen Völker; erhalte und segne dieses dein Werk! Gedenke, allmächtiger Vater, des Augenblicks, als nach deinem Willen, für diese Völker und für diese Nationen die ,Fülle der Zeit kam und die heiligen Missionare von Saloniki in treuer Erfüllung des Auftrags, den dein Sohn Jesus Christus seinen Aposteln gegeben hat, und nach ihrem Beispiel und dem ihrer Nachfolger in die von Slawen bewohnten Länder das Licht des Evangeliums, die Frohe Botschaft des Heils, gebracht haben . . . Erhöre, Vater, was die ganze Kirche heute von dir erbittet, und mach, daß die Menschen und die Nationen, die dank der apostolischen Sendung der beiden heiligen Brüder von Saloniki dich, den wahren Gott, erkannt und angenommen haben und durch die Taufe in die heilige Gemeinschaft deiner Kinder aufgenommen wurden, weiterhin ohne Hindernisse und mit Begeisterung und Vertrauen dieses Programm des Evangeliums annehmen und alle ihre menschlichen Möglichkeiten auf der Grundlage ihrer Lehren verwirklichen! - Mögen sie im Einklang mit ihrem Gewissen der Stimme deines Rufes auf jenen Wegen folgen können, die ihnen vor elf Jahrhunderten zum erstenmal aufgezeigt worden sind! - Ihre Zugehörigkeit zum Reich deines Sohnes möge niemandem jemals als Gegensatz zum Wohl ihres irdischen Vaterlandes erscheinen! - Mögen sie dir die geschuldete Ehre erweisen können im privaten wie im öffentlichen Leben! - Mögen sie leben können in der Wahrheit, in der Liebe, in der Gerechtigkeit und im Verkosten des messianischen Friedens, der die Herzen der Menschen, die Gemeinschaften, die Erde und den gesamten Kosmos umfaßt! - Im Bewußtsein ihrer Würde als Menschen und Kinder Gottes mögen sie die Kraft haben, jeglichen Haß zu überwinden und das Böse mit dem Guten zu besiegen!“ (Slavorum Apostoli, Nr. 30). Amen! 1464 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christliche Perspektiven Schreiben an den Generaldirektor der UNESCO, Amadou Mathar M’Bow, anläßlich des Weltjugendkongresses in Barcelona (8. bis 15. Juli) Mit Freude und Hoffnung habe ich die Nachricht vom Weltjugendkongreß aufgenommen, der vom 8. bis 15. Juli in Barcelona stattfinden wird. Seit mehreren Jahren besteht nun schon eine Zusammenarbeit zwischen dem Heiligen Stuhl und der UNESCO. Gern entspreche ich daher dem von Eurer Exzellenz bekundeten Wunsch und lasse dem Kongreß meine Botschaft zukommen. Bei vielen Anlässen habe ich die Bedeutung der Sache der Jugend unterstrichen. Ich habe daran vor allem die Jugendlichen selbst erinnert bei den schönen Begegnungen, die ich in den verschiedenen Teilen der Welt mit ihnen hatte. Sie sind die Hauptpersonen ihres Lebens in dem faszinierenden Abenteuer, als Menschen heranzuwachsen. Nur dadurch, daß wir ihnen Vertrauen zu sich selbst und zu den Erwachsenen, Fähigkeit zur Hoffnung, Pflichtbewußtsein und Verantwortungsgefühl einflößen, können wir sie auf den Weg in eine Zukunft führen, die ihre Kreativität anspornt und ihren Enthusiasmus belebt. Das habe ich auch den Eltern, den Erziehern, den Persönlichkeiten des kulturellen Lebens und den Regierenden in Erinnerung gerufen. Ihre Aufgabe ist es aus verschiedenen Gründen, die familiären, kulturellen und strukturellen Voraussetzungen für eine Zukunft der Gerechtigkeit, des Friedens, der Achtung und Förderung der Rechte und des Lebens aller sicherzustellen. Mit besonderem und verständlichem Nachdruck habe ich alle, die in der Kirche ihren Glauben an Jesus Christus leben, an diese erfreuliche und erhabene Pflicht erinnert. Meine Brüder im Priesteramt habe ich kürzlich gebeten, gemeinsam mit der Jugend unserer Zeit jene von eindrucksvoller Menschlichkeit und apostolischem Eifer erfüllte Haltung zu erneuern, die Jesus gegenüber dem reichen Jüngling des Evangeliums einnahm: „Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er . . .“ (Mk 10,21). Oft habe ich den Grund dieser Aufgabe unterstrichen, indem ich eine verbreitete und zunehmende Sorge äußerte, die alle Menschen guten Willens betrifft: „Die Jugend ist ein entscheidender Abschnitt im Leben jedes Menschen.“ Auf der Jugend ruht die Hoffnung der Menschheit; und die Hoffnung, die mit der Zukunft verbunden wird, ist die Erwartung der „künftigen Güter“. Sie ist als christliche Hoffnung mit der aktiven und hingebungsvollen Erwartung jener ewigen Güter verbunden, die Gott selber in Jesus 1465 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus dem Menschen verheißen hat. Und zugleich ist sie als christliche und menschliche Tugend die Erwartung jener Güter, die der Mensch erreichen soll, indem er von den Talenten und Fähigkeiten Gebrauch macht, die ihm die Vorsehung geschenkt hat. Aber heute ist die Jugend auch bedroht, und zwar gerade in ihrer Aufgabe als Hoffnungsträger der Menschheit und ihrer Zukunft. Die Formen dieser Bedrohung sind verschieden, aber die Ergebnisse sind alle gleich betrüblich und besorgniserregend. Viele Jügendliche finden sich in derart verzweifelten Situationen, daß sie schließlich jede vernünftige Perspektive für eine verheißungsvolle Zukunft verlieren. Andere fühlen in dramatischer Weise die Schrecken, die die Menschheit wahrnimmt, über ihre eigene Person hereinbrechen: Kriege, Vernichtung, Hunger, Manipulationen, Gewalttaten und absurde Ungerechtigkeiten. In den westlichen Gesellschaften haben sehr viele Jugendliche durch den ungeahnten Überfluß und die unkontrollierte Fülle von Möglichkeiten und durch nicht selten einander widersprechende Botschaften die Orientierung verloren. Sie geraten in eine intensive Identitäts- und Sinnkrise. Die grundlegenden existenziellen Fragen bleiben ohne eine sichere und beruhigende Antwort. Mitunter weichen auch die Erzieher diesen Fragen aus, da ein deprimierend tiefer Skeptizismus oder eine frustrierte Lebenspraxis vorherrscht. Ein geradezu erbitterter Individualismus, der sich paradoxerweise in einer Massengesellschaft ausbreitet, beraubt schließlich das persönliche Leben des einzelnen seiner Festigkeit und Innerlichkeit. Er zerstört letzten Endes seine Existenz oder würdigt sie zu einem mittelmäßigen Konformismus herab. Diese bedrohliche Krise macht viele junge Menschen zu Gefangenen einer Gegenwart ohne Perspektive oder veranlaßt sie, nach Auswegen zu suchen, die lediglich eine Flucht aus dem Dasein sind, die das Menschsein an sich verletzen und häufig auf tragische Weise im Tod enden. Jesus Christus leidenschaftlich lieben Glücklicherweise gibt es jedoch auch viele positive Reaktionen und Zeichen der Hoffnung. Die zahlreichen Jugendlichen, denen ich auf meinen apostolischen Reisen begegnet bin, und jene zahlreichen anderen, die nach Rom gekommen sind, um mit mir das Heilige Jahr der Versöhnung und das derzeitige Internationale Jahr der Jugend zu feiern, nähren meine Hoffnung. Es gibt sicher viele und sehr befähigte junge Menschen, die sich heute und jetzt voll und ganz dafür einsetzen, die Gesellschaft zu 1466 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erneuern, eine „Zivilisation der Liebe“ aufzubauen. Es sind junge Menschen, die Jesus Christus leidenschaftlich lieben, ihn, dem sie voller Glück die Türen ihres Herzens weit geöffnet haben; sie bilden eine lange Kette, die in eine bereits nahe Zukunft reicht. Mein Blick kann jedoch nicht bei diesen Jugendlichen verweilen, ohne daß ich mich gleichzeitig mit väterlichem Herzen um alle übrigen sorge. Mit diesen Gefühlen freue ich mich mit der UNESCO über die sinnvolle Initiative, in Zusammenarbeit mit engagierten Erziehern und anerkannten Experten diesen Weltkongreß zu organisieren. Ein Grund zu weiterer Befriedigung ist es für mich gewesen, die Themen zu erfahren, die auf der Tagesordnung stehen. Erziehung, Arbeit, kulturelle Entwicklung, internationale Zusammenarbeit stellen sich als fundamentale Probleme des Lebens der Jugend und neuralgische Punkte der sozialen Veränderungsprozesse dar. Nicht wenige der bestehenden Probleme, die denen, die die Jugend zu schätzen wissen, Sorge bereiten, haben hier ihre Wurzel. Wie zum Beispiel können jene Jugendlichen mit Hoffnung in die Zukunft blicken, denen allmählich die Möglichkeit genommen wird, sich ihr Brot zu verdienen und sich durch eine sichere und gerecht entlohnte Arbeit ein ehrbares Leben zu schaffen? Die jungen Menschen suchen nach einer Gesellschaft, wo die Unterschiede nicht die Zusammenarbeit behindern und wo die zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen oder zwischen den Völkern aus Haß errrichteten Schranken, eingewurzelte Diskriminierung, nationalistischer Argwohn oder Hegemonieansprüche endlich einem ungezwungenen und auf bauenden Zusammenleben den Vortritt lassen, das auf das Wohl und die gesamtmenschliche Entwicklung aller ausgerichtet ist. Doch leider stoßen sie jeden Tag auf Nachrichten und Erfahrungen von Krieg, widersinnigen Zwistigkeiten und Spaltungen, Spielen mit der Macht, die die Kluft zwischen reichen und armen Ländern vergrößern. Die Hoffnungslosigkeit, die die Gewalt hervorruft oder in einem hemmungslosen Konsumismus entartet, entsteht aus tieferen und weitreichenden Ursachen, die es mit Klarheit und Mut auszumachen gilt. Das Studium dieser Probleme in allen ihren tatsächlichen Dimensionen kann allen ein kritischeres Bewußtsein, einen begründeten Realismus geben und gleichzeitig neue und kühne Perspektiven eröffnen. Es mag sein, daß ihr zu dem Schluß kommt, daß es Schwierigkeiten gibt, die eure Kraft übersteigen, und daß man noch lange Zeit hoffen muß, ehe unsere Hoffnungen in Erfüllung gehen werden. Die Analyse so wichtiger Themen, deren Lösung oft den Handlungsmöglichkeiten der Jugend entgleitet, weil sie höhere Kompetenzen und Verantwortlichkeiten 1467 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN betrifft, könnte auch einen weiteren Grund zu Enttäuschung, Skeptizismus und sogar zum Bruch zwischen den Nationen darstellen. Der Kongreß hat sehr weise der Erziehung besondere Beachtung geschenkt. Ich möchte betonen, daß Erziehung weit mehr ist als eine Vorbereitung auf das praktische Leben; daß sie nicht einfach auf den Erwerb von Wissen oder das Beibringen einer Fertigkeit beschränkt werden darf. Die echte Erziehung schließt natürlich das Wissen, die Kultur und die Technik ein, aber sie ist auf das vornehmste Ziel, nämlich die Bildung und Formung der Person in ihren gesamtmenschlichen Dimensionen und in der Sicht ihrer erhabensten Ziele, ausgerichtet. Die Erziehung ist folglich Aussage und Aneignung von „Werten“, die die Grundlage der Identität, der Würde, der Berufung und der Verantwortung des Menschen als Person und als Glied der Gesellschaft sind. Die Jugendlichen hoffen mit Recht, Erzieher zu haben, die im wahren Sinne Lehrer sind, die es verstehen, sie auf hohe Ideale hin zu orientieren und ihnen durch ihr Leben ein Vorbild für diese Ideale zu geben. Eine Haltung und ein Klima des Relativismus und der Permissivität, die sich häufig nach dem Verlust oder dem Abbröckeln geistiger und sittlicher Werte entwickelt haben, haben sicher keine guten Früchte getragen und nicht zur Entfaltung der wahren Persönlichkeit der Jugendlichen beigetragen. Ich möchte euch sagen: Habt den Mut, den heutigen Jugendlichen hohe Ziele zu setzen und - indem ihr sie dazu motiviert - von ihnen auch die für die Erreichung dieser Ziele notwendigen Opfer zu verlangen. Das wird die oft in ihren Seelen latent vorhandenen Kräfte anspornen. Junge Leute erwarten überzeugte Erzieher und Experten, sie erwarten, daß diese sie in die Lage versetzen, Hervorragendes zu leisten und daß sie ihnen kreative Orientierungshilfen geben. Auf diesem Weg können auch Strukturen und Methoden des verkümmerten gesellschaftlichen Lebens wiederbelebt werden. So können der menschlichen Existenz und Arbeit ihr ursprünglicher Sinn und ihre Freude wiedergegeben werden. Exzellenz, indem ich Ihnen und allen Teilnehmern an diesem wichtigen Kongreß meine ganz aufrichtigen und herzlichen Wünschen ausspreche, bitte ich Gott, den Allmächtigen, er möge die Anstrengungen aller segnen, die für das Wohl der Jugend arbeiten, jener Jugend, die wir so sehr lieben und schätzen. IOANNES PAULUS PP. II 1468 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott ist mit uns Rundfunkbotschaft an die Teilnehmer des 11. Nationalen Eucharistischen Kongresses Brasiliens in Aparecida vom 16. bis 21. Juli Liebe Kongreßteilnehmer und Pilger in Aparecida! Liebe Brüder und Schwestern in Brasilien! Gelobt sei unser Herr Jesus Christus! 1. Mein erster Gedanke gilt heute dem „Gott mit uns“ im Heiligsten Sakrament der Eucharistie, das im Mittelpunkt der Feierlichkeiten steht, die dieser Tage im Haus Unserer Lieben Frau stattfinden, wo die Gegenwart der Himmelsmutter besonders spürbar ist. Während sie da ihre Kinder aufnimmt, wiederholt sie heute wie gestern immer wieder: „Tut alles, was Christus euch sagt!“ (vgl. Joh 2,5). Er ist der Mittelpunkt der Aufmerksamkeiten, der Beachtung. Auf ihn sind die Augen aller gerichtet. An ihn ergeht mit meiner Verehrung und in Einstimmigkeit mit euch allen das Dankgebet, die Wiedergutmachung und die inständige Bitte um Barmherzigkeit: „Gesegnet, gepriesen und verehrt sei das Allerheiligste Sakrament der Eucharistie!“ Im Geiste kehre ich in diesen Tagen des 11. Nationalen Eucharistischen Kongresses nach Aparecida zurück. Im Geiste kehre ich nach Brasilien zurück, während ich mir dankbar die Reise vor fünf Jahren mit dem Ziel Fortaleza in Erinnerung rufe, wo der vorige Kongreß abgehalten wurde. Heute wie damals denke ich an den Leitspruch, der euch dort versammelt: „Brot für die Hungernden.“ Gemeint ist jede Art von Hunger: der Hunger des Leibes ebenso wie der Hunger des Geistes. Und ich bitte Christus, daß er jeden Kongreßteilnehmer und jeden Pilger hören läßt: „Ich bin das Brot des Lebens“ (Joh 6,35), wirklich gegenwärtig im Sakrament der Liebe. 2. Mehr noch als im Geist wollte ich durch meinen Sonderbeauftragten, Herrn Kardinal Sebastiano Baggio, einen Freund Brasiliens, der — dessen bin ich sicher - Brasilien kennt und schätzt, in dem Nationalheiligtum zugegen sein. Wie bei ähnlichen Bekundungen der Zuneigung für das geliebte brasilianische Volk - ich denke an die Gewährung der zweiten Goldenen Rose eben an das Heiligtum in Aparecida im Jahr 1967 -möchte der Nachfolger Petri dort, in der Kirche Brasiliens, mit euch allen anwesend sein, die ihr „Geheiligte in Christus Jesus und zur Heiligkeit 1469 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN berufen seid“ (vgl. 1 Kor 1,2); ich bin mit euch im Gebet verbunden. Gott segne Brasilien. So schließe ich mich unter dem Blick der Muttergottes und unserer Mutter dem um den Altar versammelten Volk an, um die grundlegende Wahrheit unseres Glaubens und des christlichen Lebens zu verkünden: Jedes heilige Meßopfer ist eine unblutige Erneuerung des von unserem Herrn, Jesus Christus, am Kreuz dargebrachten Opfers; in ihm lebt durch die Jahrhunderte hindurch sein Ostergeheimnis weiter. Jedesmal wenn wir die Eucharistie feiern, „verkündigen wir den Tod des Herrn“ (vgl. 1 Kor 11,26); aber wir verkündigen auch seinen Sieg über den Tod, seine Auferstehung. Wir verkündigen das Geheimnis der Erlösung bzw. wir verkündigen, daß die Liebe stärker ist als der Tod, mächtiger als die Sünde; wir verkündigen, daß „Gott die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). 3. Darum steht die Eucharistie im Mittelpunkt der Gemeinschaft der Gläubigen, sie ist das Sakrament der Versöhnung, sie wird verstanden als dauernder Bund Gottes mit seinem Volk, der auf dem Sinai seine erste Gestalt erhalten hatte: „Das ist das Blut des Bundes, das (nach dem Neuen Testament) für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ {Mt 26,28). Die Eucharistie, Zentrum und Gipfel des christlichen Lebens, versöhnt, reinigt, reißt die Wurzeln der Sünde aus, vermehrt die Liebe, und festigt die kirchliche Gemeinschaft. In der Eucharistie werden wir durch den Empfang des Leibes und Blutes Christi zu Blutsverwandten Christi, Brüder untereinander. Die Kirche lebt aus der Eucharistie, mit ihr wird sie auferbaut, mit ihr gestärkt. Es gibt weder eine Kirche ohne Eucharistie, noch gibt es eine Eucharistie ohne Kirche. Denkt, betet und lebt in diesen Tagen als Familie Gottes in eurem Land. Wenn die Liebe Gottes tief in eurem Dasein Fuß faßt, werdet ihr tiefgreifende Fundamente der Einheit als Kirche, des einzigen mystischen Leibes Christi, schaffen. Und vereint mit euren Hirten werdet ihr alle die Fülle der Gnade genießen, die ihr ständig aus dem Brechen des Brotes der Eucharistie und aus dem Wort Gottes schöpft (vgl. Apg2,42; 4,33), um so an der christlichen Identität festzuhalten und sie zu bezeugen: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ {Joh 13,35). 4. Das letzte Wort sei eine Bitte an die Muttergottes und unsere Mutter, an das Geschöpf, das am engsten mit dem Geheimnis der Erlösung des 1470 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen und der Welt, mit dem Opfer Christi, das in der Eucharistie fortdauert, verbunden ist: O Mutter, die du der Urkirche angehörtest, die du zu denen gehörtest, die festhalten an der Lehre der Apostel, an der Einheit, am Brechen des Brotes und an den Gebeten, indem sie nach dem Plan des Schöpfers als Brüder lebten, mach uns zu Vorbildern brüderlicher Teilnahme und des Bemühens um die Annäherung der Menschen untereinander! O Mutter, mach, daß wir, indem wir an die Vergangenheit denken, auf die Gegenwart blicken und eine bessere Zukunft der brasilianischen Familien planen. Hilf uns, nein sagen zu können zu Gleichgültigkeit, Desinteresse, Gewalt und zu jeder Form der Lieblosigkeit. Hilf uns, ja zu sagen zu Solidarität, zu Brüderlichkeit, zum Frieden und zur Liebe, weil Gott Liebe ist! O Mutter! Gib, daß die Eucharistie richtig verstanden und würdig gefeiert wird. Gib, daß dieser Eucharistische Kongreß als Frucht eine erneuerte Verehrung der Eucharistie mit sich bringt, durch die Anbetung und die Werke der Liebe: „Damit alle das Leben haben und es in Fülle haben“; damit alle denjenigen entdecken und persönlich dem begegnen, der gesagt hat: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Amen! Und mit einem Herzen, das überfließt vor Freude über diese Begegnung, erteile ich euch mit Christus in der Eucharistie den Segen: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes! Die Kultur des anderen achten Botschaft zum Welttag des Emigranten vom 16. Juli Liebe Söhne und Töchter der Kirche! 1. Diese Botschaft zum Welttag des Emigranten, den die Ortskirchen im Laufe des Kirchenjahres feiern, soll meine Liebe, meine Fürsorge und meine Besorgnis ausdrücken für die vielen Menschen, die von einem höchst komplexen und dramatischen Phänomen der Geschichte betroffen sind: von der Migration. Das Argument verdient jedes Interesse und erweckt ernste Sorge; in letzter Zeit hat die Migration oft das unmenschliche Gesicht der Verfolgung angenommen: der politischen, religiösen, ideologischen und ethnischen Verfolgung, und dieses Leid hat das Gesicht 1471 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Flüchtlinge, der Ausgewiesenen, der Vertriebenen und der Verbannten gezeichnet: Männer und Frauen, Alte und Junge, ja sogar Kinder, die oft auf tragische Weise ihre Eltern verloren haben. Es ist jedoch ein großer Trost zu wissen, daß sich die Kirche ganz dem so vielseitigen Problem der Migration öffnet und deshalb Vorschläge aufzeigen kann, die das Überleben, das Weiterleben und das Arbeiten möglich machen und eine Umgebung schaffen, die von der Achtung der fundamentalen Menschenrechte gekennzeichnet ist. Nur in einem solchen Klima können diese unsere Brüder und Schwestern leichter das oft so schmerzliche Drama der Integration überwinden, welches sich oft für sie als richtiges Trauma auswirkt - aufgrund ihrer natürlichen Zurückhaltung, des Mangels an Anpassungsfähigkeit und Aufgeschlossenheit, auch weil sie oft bei ihren Mitmenschen auf Abweisung, auf Verschlossenheit und Intoleranz stoßen gegenüber allem, was für anders gehalten wird oder soziale oder ökonomische Unannehmlichkeiten bereiten könnte. Gleichzeitig aber möchte ich meine Anerkennung zum Ausdruck bringen für die vielen gesetzlichen und sozialen Initiativen, die von den Aufnahmeländern zugunsten der Emigranten bereits eingeführt worden sind, um nicht nur eine Atmosphäre der Toleranz, sondern ein Klima der Brüderlichkeit und des Verstehens zu schaffen. Besonders die Bischofskonferenzen haben sich ausgezeichnet durch einen mutigen, vom Geist des Evangeliums getragenen Einsatz. In dieser Botschaft aber möchte ich besonders von diesem Strom dramatischer Mobilität sprechen, die sich aus pastoraler Sicht als ein ernstes Problem des christlichen Lebens zeigt, besonders im Hinblick auf die kirchliche Integration. 2. Das II. Vatikanische Konzil (vgl. Christus Dominus, Nr. 18) unterstreicht nachdrücklich, daß die veränderten menschlichen Bedingungen auch innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft oft Schwierigkeiten hervor -rufen können, die nur die Achtung der Rechte und der Pflichterfüllung lösen helfen kann. Die Ortskirchen wissen, daß sie all denen, die aus irgendeinem Grund außerhalb ihres Heimatlandes oder ihrer ethnischen Gemeinschaft leben, im Hinblick auf die kirchliche Integration, als Ausübung ihres Rechts auf Freiheit, besondere Aufmerksamkeit schenken sollen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 58). Die gleichermaßen freie und aktive Mitwirkung in Parität mit den in den Ortskirchen geborenen Gläubigen, ohne zeitliche oder milieubedingte Einschränkungen, bildet den Weg für die kirchliche Integration der 1472 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zugewanderten Gläubigen. Da es sich hier um einen Prozeß der Förderung der eigenen Person handelt, ist es unerläßlich, daß diese Menschen die Möglichkeit haben, verstehen und bewerten zu können, und daß man ihnen beisteht und hilft in allem, was in ihre existentielle Erfahrung aufgenommen werden kann in der Form und Art ihrer fundamentalen Kultur und im Pluralismus ihrer Identität. Die zugewanderten Gläubigen müssen in der Ausübung ihres Rechtes und ihrer Pflichten sich ganz der Ortskirche und der kirchlichen Gemeinschaft zugehörig fühlen. Sie sollen sich allen gegenüber als Christen und Brüder fühlen und trotzdem sich selbst, der eigenen Sprache, der Kultur, der Liturgie, der Spiritualität und besonders auch ihren Traditionen treu bleiben, damit jene kirchliche Integration erreicht wird, welche die Kirche Gottes bereichert und Frucht der dynamischen Realität der Menschwerdung des Sohnes Gottes ist. Im Bereich der Migration wird jeder Versuch, die Integration, die Eingliederung und Angleichung zu beschleunigen oder zu hemmen, besonders wenn dieser von nationalistischen, politischen oder sozialen Gedanken an Vorherrschaft getragen ist, jene wünschenswerte Pluralität des Ausdrucks nur ersticken oder beeinträchtigen; sie kommt aus dem Recht auf Freiheit zur Integration, welches den zugewanderten Gläubigen in jeder Ortskirche zusteht, in der die einzelnen Gruppen, aus denen sie sich zusammensetzt, sich gegenseitig akzeptieren, weil sie die Kultur der einzelnen achten und respektieren. Kraft dieses Rechts auf Integration wird auch die besondere Art des kirchlichen Lebens, welches die Emigranten aus ihrer Herkunftskirche mitbringen, nicht Grund zur Zerrüttung oder Entfremdung der Glaubenseinheit werden, weil der Glaube ja universal und katholisch ist. Diese Katholizität der Kirche sieht man ja ganz konkret in der Verschiedenheit der Volksgruppen und Kulturen, und diese Katholizität verlangt auch eine totale Öffnung anderen gegenüber, eine Bereitschaft, dieselbe kirchliche Gemeinschaft zu leben und zu teilen. „Für die volle Katholizität hat jedes Volk, jede Kultur im universalen Heilsplan eine eigene Aufgabe zu erfüllen. Jede besondere Tradition, jede Ortskirche muß offen und empfänglich bleiben für die anderen Kirchen und Traditionen und zugleich für die universale und katholische Gemeinschaft; wenn sie in sich verschlossen bliebe, würde sie sich der Gefahr aussetzen, auch selber zu verarmen“ {Slavorum Apostoli, Nr. 27). In der Enzyklika über die menschliche Arbeit habe ich aufgefordert, alles zu tun, damit das Phänomen der Migration, soweit dies möglich ist, zu einer Bereicherung des persönlichen, familiären und sozialen Lebens der 1473 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Emigranten werde, und dies „im Hinblick auf das Gastland, wie auch auf das Herkunftsland“ (Laborem exercens, Nr. 23). Tatsächlich bringen die Emigranten nicht nur ihre Arbeitserfahrung, sondern auch oft den Reichtum ihrer Kultur und Tradition mit. Der religiöse Aspekt 3. Die freie Integration der Emigranten, ihre Entfaltung und Vollendung ist in der Natur der Kirche begründet, die eine Glaubens- und Liebesreali-tät ist. Die einzelnen Ortskirchen sind Gemeinschaft in einem Leib, im mystischen Leib Chrsti. Sie sind die Kirche mit verschiedenen Riten, mit unterschiedlichen liturgischen, kulturellen und religiösen Traditionen. Sie sind die Kirche, die in ihren Emigranten Menschen sieht, denen man alle Mittel anbieten muß, die ihnen helfen können, im Glauben und in der Liebe zu wachsen, und ihnen beistehen, ihr Leben in der kirchlichen Gemeinschaft zu intensivieren und zu stärken, so als wären sie in ihrem Heimatland. Deshalb sind die Ortskirchen bemüht, ihnen Priester und Ordensleute, Mitglieder von Säkularinstituten und freiwillige Laienhelfer zur Verfügung zu stellen, um ihnen eine geeignete Liturgie anzubieten, dargebracht in ihrer Muttersprache und unter Berücksichtigung ihrer rechtmäßigen Bräuche; durch Einzelgespräche oder Besuche in den Familien soll ihnen das Wort Gottes Trost bringen, damit sie die Gegenwart der Kirche in ihrem täglichen Leben, an ihrem Wohnort und in ihren Familien spüren. Die Emigranten werden sich auf diese Weise in der Gesellschaft und am Arbeitsplatz verstanden fühlen, sie spüren, daß sie nicht allein sind, weder in schwierigen Zeiten des Leidens noch in Zeiten der Freude und der Freizeit. Man muß verstehen, daß viele Probleme durch das Aufeinandertreffen verschiedener Sprachen, Nationalitäten, christlicher Traditionen und kulturelle Werte wie auch der unterschiedlichen Intensität des religiösen Lebens entstehen, wodurch die Zusammenarbeit erschwert und das Verständnis und die gemeinsamen Ziele getrübt werden können. Wenn diese komplexe Situation auch große, ja oft heroische Hingabe und Bereitschaft verlangt, haben die Ortskirchen doch die feste Überzeugung und Sicherheit, daß der Heilige Geist Gaben und Charismen schenken wird, damit sie diese Pastoralarbeit mit Freude und Eifer aufgreifen, entwickeln und fördern werden. Meine Gedanken gehen auch an jene verdienstvollen Institute des gottgeweihten Leben, wo Ordensmänner und -frauen heranreifen, die sich ganz 1474 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Aufbau des mystischen Leibes Christi hingeben und so bereit sind für diese schwierige pastorale Arbeit zum Wohle der ärmsten und verlassensten Emigranten, Flüchtlinge, Deportierten, Ausgewiesenen und Verfolgten. Gerade unter diesen von der Mobilität so stark betroffenen Menschen können sich Priester, Ordensleute, Seminaristen und gottgeweihte Laien befinden, die durch das Geheimnis der Göttlichen Vorsehung und mit dem Beistand der Ortskirchen, in denen sie sich nun befinden, unschätzbare Mitarbeiter in der Ausländerseelsorge werden können. Die Ortskirchen der Länder mit überwiegend katholischer und christlicher Bevölkerung müssen auch die oft dringliche Aufgabe erfüllen, eine erste missionarische Evangelisation zu beginnen unter der großen Zahl der nichtchristlichen Emigranten. Es kann Vorkommen, daß aus dem Land dieser Emigranten auch Missionare und Missionarinnen ausgewiesen wurden, denen die Sprache, die Kultur, die Werte und die Traditionen dieser Menschen bekannt sind; sie können Apostel werden, indem sie ihre Bereitschaft und ihre Fähigkeiten dem zuständigen Bischof anbieten. 4. Ich habe hier kurz die religiösen Aspekte einer großen menschlichen und geschichtlichen Realität aufgegriffen, der Migration unserer Tage, und sie im Lichte des transzendenten Planes Gottes betrachtet, um so ihre Stellung im Heilsplan, der in der Kirche und von der Kirche ausgeführt wird, aufzudecken. Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal dazu aufrufen, jeden Einsatz zu verstärken, damit dieses komplexe Phänomen der Migration gerade in seinen dramatischsten und beunruhigendsten Aspekten die rechte menschliche, politische und soziologische Bewertung erfahre. Politiker und Soziologen haben bereits und können auch weiterhin sehr viel dazu beitragen, damit die Ursachen verringert und, wo immer es möglich ist, ganz beseitigt werden. Ihrerseits hat die Kirche es nie daran fehlen lassen — und wird auch weiterhin ihr möglichstes tun —, danach zu trachten, daß ihre eigene karitative Tätigkeit mit dem Einsatz der zivilen Stellen in Einklang stehe. Möge diese Botschaft dazu beitragen, auf dem Gebiet der Migration nicht nur die Hindernisse zu überwinden, die eine gerechte Integration erschweren, sondern auch jene, die eine authentische Brüderlichkeit im Sinne des Evangeliums verhindern (vgl. Apg 2,42—4, 32—34). Möge sie dazu beitragen, die Einheit der Emigranten mit der einheimischen Bevölkerung zu fördern und es allen ermöglichen, in der eigenen Sprache den einen und den gleichen Glauben und die Liebe zu Jesus Christus, dem Erlöser des Menschen, auszudrücken. 1475 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Euch allen, geliebte Brüder und Schwestern, erteile ich meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 16. Juli 1985, dem siebten Jahr meines Pontifikats IOANNES PAULUS PP. II „Ein neuer Anstoß der Gnade“ Schreiben an Bischof James R. Crumley, Vorsitzenden der Lutherischen Kirche in Amerika, vom 22. Juli Mit Dankbarkeit habe ich Ihren Brief vom 22. Mai 1985 erhalten als eine weitere ökumenische Geste Ihrerseits gegenüber der katholischen Kirche. Ihre drei Romreisen haben uns die Möglichkeit gegeben zum Gedankenaustausch über die Entwicklung der Beziehungen zwischen Lutheranern und Katholiken, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Ihr Brief lobt den Fortschritt, der in der ökumenischen Bewegung in den Vereinigten Staaten erzielt worden ist. Tatsächlich haben viele katholische Bischöfe Ihres Landes von diesem Fortschritt zu mir gesprochen. Diese Entwicklung ist für Katholiken wichtig, weil „die Wiederherstellung der Einheit aller Christen“ (Ökumenismusdekret JJnitatis redintegratio, Nr. 1) eines der Hauptanliegen des II. Vatikanischen Konzils war. Diese Aufgabe ist weiterhin eine Priorität in der katholischen Kirche. Sie ist auch mir ein vorrangiges Anliegen, besonders seit meiner Berufung auf den Stuhl Petri, der ja von seinem eigentlichen Wesen her dazu besteht, um der Einheit der Kirche Christi zu dienen. Denn die Schrift zeigt, daß Christus selbst uns das Beispiel gibt, wenn er für die, die ihm folgen, betet, „alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Es ist erfreulich, von Ihrem starken persönlichen Einsatz zum weiteren Voranschreiten zu hören, was von der offiziellen Erklärung der Lutherischen Kirche in Amerika bestätigt wird: „ökumenismus: Eine lutherische Verpflichtung“ (1982). Es ist immer angebracht, daß wir uns in unserem Gespräch auf die Schrift besinnen. Denn alle Christen müssen von der darin enthaltenen Frohen Botschaft genährt werden. Besonders die Evangelien, die die Worte 1476 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christi für uns bewahrt haben, sind uns allen teuer, und wir wollen mit unserem ganzen Herzen ihrem Geist und ihrer Lehre treu sein. Der lutherisch-römisch-katholische Dialog auf internationaler Ebene hat uns daran erinnert, daß „die Einheit der Kirche nur eine Einheit in der Wahrheit des Evangeliums“ (Malta-Report 1972, Paragraph 14) sein kann. Er erinnerte uns in der Tat daran, daß „letztlich Lutheraner und Katholiken sich wegen der Frage des richtigen Verständnisses des Evangeliums trennten“ {ebd., Paragraph 14). Darum ist ja unser gemeinsames Streben nach Einheit heute auch ein Suchen, dem Evangelium wahrheitsgetreuer zu entsprechen. Und zugleich „ist die Heilige Schrift gerade beim Dialog ein ausgezeichnetes Werkzeug in der mächtigen Hand Gottes, um jene Einheit zu erreichen, die der Erlöser allen Menschen anbietet“ ( Unitatis redintegratio, Nr. 21). Auf die Eingebungen des Geistes durch die Suche nach der Einheit antworten heißt, uns vom Wort Gottes formen zu lassen. Es heißt, glaubwürdige Zeugen des Evangeliums Jesu Christi zu werden. Das II. Vatikanische Konzil sagte von der ökumenischen Bewegung, daß sie wahrhaftig „von der Gnade des Heiligen Geistes entstanden ist und gefördert wird“ (Unitatis redintegratio, Nr. 1). Erkennbare Zeichen dieser Gnade sind die verschiedenen Weisen, in denen die Einheit unter den Christen Gestalt annimmt. In Ihrem Brief haben Sie freundlicherweise die Aufmerksamkeit auf mein eigenes diesbezügliches Zeugnis gelenkt, als ich nämlich zum 450. Jahrestag der „Confessio Augustana“ (am 25. Juni 1980) sagte, der ökumenische Dialog mit den Lutheranern „hat uns neu entdecken lassen, wie breit und fest die gemeinsamen Fundamente unseres christlichen Glaubens gegründet sind“ (in: Wort und Weisung, 1980, S. 171). Ihre eigene Erwähnung, daß der Dialog uns in wachsendem Maße zum Bewußtsein gebracht hat, wie nahe wir einander im „Herzen des Evangeliums“ sind, erinnert uns an das, was der Malta-Bericht als den Mittelpunkt des Evangeliums nachdrücklich hervorhebt: den „eschatologischen Heilsakt Gottes im Kreuz und der Auferstehung Jesu“ (Paragraph 24). Für den Fortschritt, der mit dieser gemeinsamen Aussage gemacht worden ist, müssen wir dankbar sein. „Haben wir nicht früher schon von diesem Schmerz gesprochen?“ Aber es schmerzt uns nach wie vor, daß die volle Einheit noch nicht erreicht worden ist. Haben wir nicht das letzte Mal, als Sie hier waren, eben von diesem Schmerz gesprochen? Denn das Fehlen der Einheit ist 1477 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sowohl ein pastorales Problem wie ein Problem der Geschichte und Theologie. Kommt uns hier nicht das neutestamentliche Bild unseres Herrn als des Guten Hirten in den Sinn, das Bild des Hirten, der die Schafe zu einer Herde versammelt? Denn Spaltungen unter den Christen verdunkeln das Antlitz Christi und erschweren es der Welt zu glauben. Ich weiß, daß auf lokaler Ebene Mitglieder katholischer Pfarreien und benachbarter anderer christlicher Gemeinden die Not der Uneinigkeit empfinden, da sie sich noch nicht zur vollen Einheit desselben Glaubens bekennen und deshalb nicht gemeinsam an der Fülle des kirchlichen Lebens teilnehmen können. Wenn Mitglieder ein und derselben Familie getrennten christlichen Gemeinschaften angehören, müssen sie in Hoffnung auf die Einheit, die bestehen sollte, leben und für sie arbeiten. Aber Menschen in dieser Situation werden auch die Verwirrung oder sogar Entfremdung erfahren, zu der es kommen kann, wenn einzelne in einer Familie sich zu verschiedenen, ja sogar gegensätzlichen Ansichten des christlichen Glaubens bekennen. Seelsorgesituationen wie diese machen uns persönlich bewußt, wie lebenswichtig der Einsatz für die Einheit der Christen ist. Denn es ist „ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,5-6). Worte, die ich am 17. November 1980 an den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland richtete, haben hier auch ihre Bedeutung: „Alle Dankbarkeit für das uns Verbleibende und das uns Verbindende darf uns nicht blind machen für das, was immer noch trennend zwischen uns steht. Wir müssen es möglichst miteinander ins Auge fassen, nicht um Gräben zu vertiefen, sondern um sie zu überbrücken. Miteinander sind wir gerufen, ... die volle Einheit im Glauben anzustreben. Erst die volle Einheit gibt uns die Möglichkeit, uns eines Sinnes und eines Glaubens an dem einen Tisch des Herrn zu versammeln“ (Ansprache an die Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland, 17.11.1980 in Mainz, in: O. R. dt., 21.11.80, S. 16). Wir sollten hinzufügen, daß wir besonders im Licht dessen, was uns verbindet, den Ernst dessen, was uns trennt, und die Dringlichkeit erkennen können, in Treue zum Wort Gottes den Weg zu jener Einheit zu finden, wie sie der Wille und die Gnade des Herrn für seine Kirche vorsieht. Aus eben diesen Gründen bin ich glücklich, daß der Dialog zwischen Lutheranern und Katholiken in den Vereinigten Staaten weitergeht, ein Dialog, der bereits vor dem Ende des II. Vatikanischen Konzils begonnen hat. Er hat zu einer Reihe beeindruckender Erklärungen geführt, wie z. B. die kürzlich veröffentlichte Justification by Faith (Rechtfertigung aus dem 1478 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glauben). Diese Anstrengungen, die unternommen wurden, müssen wir zweifellos loben. Seit dem II. Vatikanischen Konzil ist die Nationale Bischofskonferenz der katholischen Bischöfe in den Vereinigten Staaten, die Schritte unternimmt, das Ökumenismusdekret in einem Geist der Zusammenarbeit mit dem Sekretariat für die Einheit der Christen zu erfüllen, an der Aufnahme einer Reihe von Gesprächen mit verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften interessiert und beteiligt. Diese Dialoge im nationalen Rahmen (wie eben der Dialog zwischen Lutheranern und Katholiken in den Vereinigten Staaten) sind nicht nur für die jeweilige Region, in der sie gehalten werden, von Bedeutung, sondern auch wegen des Beitrages, den sie zum Verhältnis unserer christlichen Gemeinschaften zueinander auf internationaler Ebene leisten können. Zusammen mit den in anderen Ländern geführten Gesprächen und in ständiger Verbindung mit dem Sekretariat für die Einheit der Christen und dem Lutherischen Weltbund kann Ihr Dialog in den Vereinigten Staaten zu der Aufgabe beitragen, jene Einheit im Glauben zu erreichen, die unser Ziel ist. Die Worte des hl. Paulus sind hier eine Herausforderung an uns: „Ich ermahne euch aber, Brüder, im Namen Jesu Christi, unseres Herrn: Seid alle einmütig, und duldet keine Spaltungen unter euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung“ (1 Kor 1,10). Ich bin glücklich zu hören, daß Sie von der anderen Form der Zusammenarbeit sprechen, jener in Gebet und guten Werken, wie sie in den Vereinigten Staaten zwischen Lutheranern und Katholiken auf verschiedenen Ebenen stattfindet. Die jährliche Begegnung der Vorsitzenden Bischöfe der verschiedenen am Dialog beteiligten lutherischen Kirchen mit den katholischen Bischöfen der US-amerikanischen Bischofskonferenz, bei der Sie Wege und Möglichkeiten zur Ermutigung des Ökumenis-mus in den örtlichen Gemeinden erörtern, ist von Bedeutung. In der katholischen Kirche obliegt den Bischöfen eine besondere Verantwortung der Führung und „Stärkung des Ökumenismus, wie er von der Kirche verstanden wird“ (Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe, Christus Dominus, Nr. 16). Mit Freude höre ich wieder von diesen Bemühungen, und man kann nur hoffen, daß sie weitergehen. Denn die ökumenische Zusammenarbeit der katholischen Gläubigen unter der Führung ihrer Bischöfe und in enger Verbundenheit mit dem Bischof von Rom ist eine vom II. Vatikanischen Konzil angeregte Aufgabe und eine dauernde Verantwortung in der katholischen Kirche. Im Hinblick darauf, daß die Lutherische Kirche in Amerika in den nächsten Jahren einer neuen ökumenischen Beziehung zu anderen lutherischen Kirchen in den Vereinigten Staaten entgegengeht, mögen Sie 1479 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wissen, daß ich diese Bemühungen um Einheit in mein Gebet einschließe. Da wir alle, Christen vieler Gemeinschaften und Länder, auf das 21. Jahrhundert zugehen, können wir vielleicht diesen Zeitpunkt als einen neuen Anstoß der Gnade sehen. Eine weitere Geschichtsepoche, die sich vor uns entfaltet, bietet Gelegenheiten, die Spuren von Feindseligkeiten und Mißverständnissen, die das Erbe des nun zu Ende gehenden Jahrtausends sind, hinter uns zu lassen. Leicht wird die Lösung der Probleme nicht sein, denen wir uns, wenn wir die Einheit erreichen wollen, gegenübersehen. Aber „die Hoffnung läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Können wir also nicht darauf abzielen, den Beginn des dritten Jahrtausends zum Beginn einer besonderen Zeit für die Suche nach der vollen Einheit in Christus zu machen? Ich bete darum, daß das der Fall sein möge. Aus dem Vatikan, am 22. Juli 1985 PAPST JOHANNES PAUL II. „Glauben, Wissenschaft und Werke“ Schreiben an Kardinal Augustin Mayer zum 50jährigen Priesterjubiläum vom 1. August Meinem ehrwürdigen Bruder, Kardinal Augustin Mayer, Präfekt der Kongregationen für die Sakramente und für den Gottesdienst Am 25. August sind es fünfzig Jahre her, daß Sie durch göttliche Huld die Priesterweihe empfangen haben: ein Tag, der einen wahrhaft leuchtenden Tag bezeichnen sollte sowohl für Sie, ehrwürdiger Bruder, der Sie sich dieser großen Gnade würdig erwiesen haben, wie für den ganzen Orden des hl. Benedikt, dem Sie die ganze Zeit Ihres Leben hindurch zur Ehre und Zierde gereichten, und auch für die Kirche, deren Wohl und Lob all Ihre Arbeiten, Sorgen und Studien im Auge hatten. Was aber mich betrifft, ehrwürdiger Bruder, so habe ich die Tugenden und Verdienste Ihres Geistes und Ihrer Begabung stets sehr hoch 1480 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geschätzt: Ich meine jene hervorragende Verehrung für Gott, den Ursprung aller Dinge, und seine liebe Mutter, die Königin der Priester und Mittlerin himmlischer Gnaden; sodann die Liebe zunächst zu den Brüdern Ihres Ordens, aber auch zu allen, die Ihnen im Laufe Ihres Lebens aus verschiedenen Gründen begegneten; und die Klugheit, „die an der Unterscheidung von Gut und Böse erkenntlich ist“ (Cic., De finibus. . . 5,23,67): Denn die Wahrnehmung Ihrer (so vielfältigen und schweren!) Pflichten verlangte von Ihnen oft, daß Sie alles sorgfältig abwogen. Desgleichen war es stets Ihre Liebenswürdigkeit, die die Herzen gewann und sie zu Liebe und Gehorsam veranlaßte. Übrigens war - und ist - der Leitstern Ihrer Tugenden immer der Eifer für die Ehre Gottes und die Förderung des Seelenheils, hinter dem alles als höchstem Gesetz zurücktreten muß. Wenn ich jetzt auch unter Berücksichtigung Ihrer Frömmigkeit zu dem komme, was Sie als Priester und Bischof geleistet haben, erkenne ich sehr wohl, daß es viel und hervorragend war. Sie haben nämlich die Talente, die Gott Ihnen verliehen hat, nicht im Erdreich vergraben; sondern, indem Sie klug damit umgingen, haben Sie sie vermehrt, um sie so dem wiederkehrenden Herrn zurückzugeben. Um nur weniges hinzuzufügen: Nachdem Sie 1935 in der deutschen Stadt Metten die Priesterweihe empfangen hatten, verbrachten Sie die ersten Gnadenjahre als frommer Mönch und Lehrer an der Ordensschule; dort nämlich hatten Sie das Studium begonnen, das Sie später in Salzburg und Rom abgeschlossen haben. Bald darauf, 1939, wurden Sie in die Ewige Stadt berufen, wo Sie sich 27 Jahre lang durch Wissenschaft, Glauben und Werke ausgezeichnet haben: zuerst als Professor für Dogmatik, dann aber 1949 als Rektor der Päpstlichen Hochschule Sant’Anselmo. Was alles Sie in diesen Jahren geleistet haben, weiß Gott allein. Daß Sie in dieser Zeit das Päpstliche Liturgische Institut gegründet haben, gereicht Ihnen zu großem Lob. Nicht vergessen sei auch, daß Sie in jenen Jahren Konsultor der Kongregation für das katholische Bildungswesen und Apostolischer Visitator der Priesterseminare in der Schweiz waren und sich eifrig der Ausbildung und Schulung katholischer Vollakademiker und anderer Mitglieder der Ordensfamilien angenommen haben. Als dann aber das II. Vatikanische Konzil herannahte, brachte es Ihre Kompetenz mit sich, daß Sie zum Sekretär der vorbereitenden Konzilskommission ernannt wurden; bald haben Sie im konziliaren und nachkon-ziliaren Rat dieselbe Aufgabe wahrgenommen und waren gleichzeitig mit der Moderierung der katholischen Schulen und einer guten Priesterausbildung betraut. Wie erfahren, weise und überlegt Sie die Ihnen übertragene 1481 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aufgabe durchgeführt haben, davon sprechen verschiedene Konzilsdokumente. Im Jahre 1966 wurden Sie zum Abt von Metten gewählt, 1971 aber zum Sekretär der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute ernannt. In Ausübung dieses Amtes haben Sie viel Lobenswertes getan, wobei es Ihnen vor allem darum ging, daß einerseits die Weisungen des Vatikanischen Konzils in bezug auf die Ordensleute in die Tat umgesetzt würden und anderseits die einzelnen Ordensfamilien sich unter Wahrung ihres je besonderen Charismas in kluger Weise der heutigen Zeit anpassen. Sie waren, wie Sie es noch heute sind, auch Konsultor mehrerer Kongregationen sowie Berater der Päpstlichen Kommission für die Seelsorge am Menschen unterwegs. Im übrigen wurden Sie 1984 zum Präfekten der Kongregationen für die Sakramente und für den Gottesdienst zugleich ernannt und leiten sie mit viel Bedachtsamkeit. Um all dem gebührend Rechnung zu tragen, habe ich Sie am 25. Mai in das Kollegium der Kardinäle aufgenommen, auch um Ihre Dienste noch reicher in Anspruch nehmen zu können. Danach, ehrwürdiger Bruder, komme ich zum besonderen Anlaß zurück und beglückwünsche Sie lebhaft zum Jubiläum Ihres Priestertums, das sich durch so große Frömmigkeit auszeichnet, durch so reiche Werke und so hohe Würde. Gott und auch Ihnen Dank, wenn ich Ihnen für die Zukunft von Herzen alles Gute und Heilige wünsche. Im übrigen möge Sie, Ihre Offizialen, die Ämter der Kongregationen, denen Sie vorstehen und alle, die Ihnen teuer sind, vor allem aus der benediktinischen Familie, der Apostolische Segen als Unterpfand göttlicher Gnade stützen, stärken und trösten. Aus dem Vatikan, am 1. August 1985, im siebten Jahr meines Pontifikats PAPST JOHANNES PAUL II. 1482 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein unerschrockener Zeuge Einführungsworte zum Gedächtnisgottesdienst für Paul VI. in Castel Gandolfo am 6. August 1. An diesem Tag, an dem die Liturgie die Verklärung des Herrn feiert, sind wir hier versammelt, um über das Mysterium nachzudenken. Aus den Seiten des Evangeliums hören wir die Worte des Vaters: „Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören“ (Mk 9,7). Seit 2000 Jahren hört die Kirche, die diesem Gebot gehorsam ist, auf den „Menschensohn“, in dem sie ihren Herrn erkennt. Seit 2000 Jahren macht sie sich inmitten der Menschen auf allen Wegen der Welt zur Verkünderin des Evangeliums. 2. Ein unerschrockener Zeuge und ein unermüdlicher Verkünder der Frohbotschaft war der große Papst, der vor genau sieben Jahren an diesem Tag der Verklärung des Herrn, seine Augen vor dem Licht dieser Welt schloß, um sie vor dem des Himmels wieder zu öffnen. Papst Paul VI. verstand in außergewöhnlicher Weise das Drama des heutigen Menschen und teilte mit ihm die Spannungen, Probleme und Ängste. Im besonderen machte er sich zum Vermittler der Sicherheits- und Friedenserwartungen des Menschen. Um den Frieden zu vertreten, sprach er im Jahre 1965 vor der Versammlung der Vereinten Nationen und weckte das Verantwortungsbewußtsein der Staatsoberhäupter und der einzelnen Bürger für den Frieden. Er führte die Feier des Weltgebetstages für den Frieden ein und legte anschaulich nach und nach die Vorzüge dieses grundsätzlichen Gutes des Menschen dar, das auf dem Respekt für die Würde des Menschen, seiner Freiheit und seines transzendenten Schicksals beruht. 3. Wenn wir vom Frieden sprechen, so ist es naheliegend, sich gerade am heutigen Tage der tragischen Tatsachen von Hiroshima und Nagasaki zu erinnern, die sich im Abstand von drei Tagen vor gerade 40 Jahren ereigneten. Die Erinnerung an die Vergangenheit muß in einen bewußten und großzügigen Einsatz für die Zukunft münden. Das Begehen des Jahrestages hätte keinen Sinn, wenn die heutige Generation nicht dadurch zum Nachdenken über die Irrtümer der vorherigen Generation angeregt würde, um ärgere Fehler für die Zukunft zu vermeiden. Darüber soll vor allem die Jugend nachdenken, da ja die Zukunft in ihren Händen liegt. Möge sie auf den im Glanz seiner Auferstehung endgültig verklärten 1483 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus hören und seine Botschaft inmitten der Welt verkünden. So wird sich das menschliche Zusammenleben entschieden an dem Ziel orientieren können, das Papst Paul VI. der Jugend aufzeigte: die Errichtung der „Zivilisation der Liebe“. Mit diesen Gedanken und Gefühlen beginnen wir die Teilnahme an dieser eucharistischen Feier. Liturgische Musik muß echte Kunst sein Schreiben an den Direktor der Cappella Sistina, Msgr. Domenico Bartolucci, zum Europäischen Jahr der Musik vom 6. August Msgr. Domenico Bartolucci, Direktor der Cappella Sistina und Präsident des Komitees des Hl. Stuhls für das Europäische Jahr der Musik 1. Das Europäische Jahr der Musik, das aus Anlaß der Gedenkjahre von Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel und Domenico Scarlatti begangen wird, bietet mir die willkommene Gelegenheit, an die Musiker und an alle Musikfreunde meinen herzlichen Gruß zu richten, verbunden mit dem innigen Wunsch, daß diese edle Kunst den Geist immer mehr zum Verständnis der echten menschlichen und geistigen Werte erheben möge und sich als Werkzeug wahrer Brüderlichkeit erweise, indem sie Diskriminierungen und Grenzen überwinden hilft. Die Kirche, aus der Europa einen Großteil seiner Kultur geschöpft hat, schließt sich gern dieser Initiative an, die an die oben erwähnten berühmten Künstler, Universalgenies, welche einen Teil ihrer Werke dem Lobpreis Gottes gewidmet haben, erinnern soll. Muß man nicht erwähnen, daß Johann Sebastian Bach seine sämtlichen Musikwerke mit dem Zeichen versah: S.D.G. (Soli Deo Gloria). 2. Die Musik besitzt höchste Fähigkeiten, den Reichtum jeder Kultur zum Ausdruck zu bringen. Nicht allein das, sondern sie vermag aufgrund ihrer Natur innere Harmonien zum Klingen zu bringen, sie löst intensive und tiefe Gefühle aus und übt mit ihrem Zauber einen mächtigen Einfluß aus. Sei es, daß sie das Wort des Menschen verherrlicht oder jenem Wort, das 1484 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Menschen von Gott geoffenbart wurde, melodische Form verleiht, sei es, daß sie sich ohne Worte ergießt, gleichsam als Stimme des Herzens weckt die Musik Schönheitsideale, die Sehnsucht nach einer vollkommenen, nicht von menschlichen Leidenschaften verwirrten Harmonie und den Traum einer universalen Gemeinschaft. Aufgrund ihres transzendenten Charakters ist die Musik auch Ausdruck der Freiheit: Sie entzieht sich jeder Macht und kann zur Zufluchtsstätte von äußerster Unabhängigkeit des Geistes werden, auch wenn alles den Menschen zu erniedrigen und zu nötigen scheint. Die Musik besitzt also in sich wesentliche Werte, die jeden Menschen angehen. Darum sind auch die Meisterwerke, die die Musik zu allen Zeiten und an allen Orten hervorgebracht hat, Schätze der ganzen Menschheit, Ausdruck der gemeinsamen menschlichen Empfindungen und dürfen nicht auf ausschließlichen Besitz eines einzelnen oder einer Nation verkürzt werden. 3. Auf der Grundlage dieser Eigenschaften, die alle erproben können, stellt sich die Musik als beispielhafte Sprache der Kommunikation und als Gelegenheit für den gegenseitigen Austausch von Werten vor, notwendige Bedingungen für das Verständnis der Menschen untereinander und die Förderung des Menschen. Die Kunst der Musik hat sich stets als wirksames Mittel der Einheit zwischen den Völkern verschiedener Herkunft, Sprache, Kultur und Wesensart erwiesen: Im Mittelalter trug der Gregorianische Gesang dazu bei, die Einheit von geistlichen und liturgischen Überlieferungen im Herzen Europas auszubreiten und zu festigen, was unbestreitbare Auswirkungen auf die soziale Einheit hatte. Ebenso schenkte die Blüte der Formen polyphoner Musik in der Renaissance ganz Europa eine einzigartige musikalische Inspiration, durch die sich Musiker aus jeder Nation als Bürger eines gemeinsamen Vaterlandes anerkannten, das durch den Austausch von Kultur und Kunst entstanden war. Die großen Genies, deren dreihundertstes Geburtsjahr im Europäischen Jahr der Musik gefeiert wird, sind gute Zeugen für den übernationalen Charakter der Musik: Alle erfreuen sich noch heute ihrer Werke, und keine Grenze wird je verhindern, sie zu verstehen, sie zu genießen, sie zu lieben. 4. Sowohl die Volksmusik wie die gehobene Musik hat eine universale Sprache, in deren Klängen sich die Seelen versöhnen und sich in der Brüderlichkeit der Herzen und Sinne vereinigen. Gerade weil von allen künstlerischen Mitteln der Klang mit einer besonderen Kraft ausgestattet ist, in die Seelen einzudringen, muß die Musik als 1485 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mittel angesehen werden, das dazu bestimmt ist, den Menschen zu adeln und seine besten Fähigkeiten zu fördern. Es ist daher notwendig, daß jeder Zugang zur Kunst der Musik finden kann, sei es, um sich ihr mit beruflichem Engagement zu widmen, sei es, um ihre unaussprechlichen Reichtümer zu genießen. Darüber hinaus gilt es, auf jeder Ebene die Früchte der Begabung aller derer anzuerkennen, die ihre Kräfte und ihr Leben der Musik widmen, um ihnen die Ruhe für ihre Arbeit zu garantieren und ihre spirituellen, intellektuellen und affektiven Begabungen zu schützen. Die sehr umfassende Aufgabe schließt den guten Willen aller ein, die auf musikalischem Gebiet tätig sind: Komponisten, ausübende Musiker, Musikpublikum, Kritiker und Organisatoren. Nur so wird die Kunst der Musik weiterhin dem ihr eigenen geistigen Wesen voll Ausdruck verleihen können, durch das sie das Wort ausweitet, erhebt und wirksamer macht; und wenn sie über das unmittelbare Verständnis des Wortes selbst hinausgeht, wird sie zu einem Überströmen vokaler und instrumentaler Klänge, wobei sie so erhabene Gipfel erreicht, jenseits derer in unaussprechlichem Einklang die göttliche Harmonie erklingt. 5. Die Kirche hat bekanntlich immer die Musik als Zeugnis für den lebendigen Reichtum einer Gemeinschaft gepflegt und gefördert; ja, sie ist immer Mäzen der Musik gewesen, da sie nur zu gut um ihre geistliche, kulturelle und soziale Bedeutung wußte. Ja, die Kirche weiß es zu schätzen und besteht darauf, daß im erhabensten Augenblick ihrer Tätigkeit, nämlich in der Liturgie, die Kunst der Musik als Element der Verherrlichung Gottes, als Ausdruck und Unterstützung des Gebets, als Mittel des Aufbruchs der Herzen der Teilnehmer, als Zeichen der Feierlichkeit, das alle begreifen können, ihren Platz haben muß. Aus diesen Gründen wird - ohne Diskriminierung bestimmter Techniken oder Stilformen - gefordert, daß die Musik für den Gottesdienst echte Kunst ist und immer die Heiligkeit des Kultes zum Ziel haben muß. 6. Aus ganz Europa, dem fruchtbaren Boden der musikalischen Kunst, erhebe sich ein harmonisches Konzert, dessen Klänge und Stimmen gleich einer sich immer weiter ausbreitenden Woge an die Ufer aller Kontinente gelangen und dorthin die Botschaft des Friedens und der Brüderlichkeit bringen, die auch die von der Liebe beseelte Musik zu schenken vermag. Zur Erreichung dieser Ideale wird es einer unerläßlichen großen geistigen Disziplin bedürfen, die sicher nicht geringer ist als jene, die für eine gute 1486 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN musikalische Aufführung notwendig ist. Das heißt, es bedarf eines Lebens, das nicht nur von der Kunst, sondern auch vom Glauben erleuchtet und in Kommunikation und Freundschaft mit Gott gelebt wird. Die Künstler, besonders jene, die sakrale und religiöse Musik aufführen, müssen nicht nur die Stimmen, sondern auch die Seele erheben, indem sie erneut den benediktinischen Ausspruch verwirklichen: „Mens concordet voci“ (Das Herz soll mit der Stimme in Einklang stehen) {Reg. C. XIX, 7). Ich möchte diese Gedanken, die mir im Verlauf dieses der Musik gewidmeten Jahres gekommen sind, mit der Bitte an den Herrn abschließen, daß er dem kostbaren Werk aller beistehe, die in dem schwierigen, aber lohnenden Bereich dieser Kunst engagiert sind, während ich ihnen von Herzen den Apostolischen Segen erteile. Aus dem Vatikan, am 6. August 1985 PAPST JOHANNES PAUL II. Notwendige Besinnung nach 40 Jahren Ansprache zur Eröffnung der Fotoausstellung „Hiroshima - Nagasaki“ im Vatikan am 11. September Liebe Freunde! Gern heiße ich Sie im Vatikan willkommen und freue mich, an der Eröffnung dieser Ausstellung zum Gedenken an den 40. Jahrestag des tragischen Bombenabwurfs über den Städten Hiroshima und Nagasaki teilzunehmen. In einem zeitlichen Abstand von Jahren ist es wichtig, der Welt den ganzen Schrecken und das Todes- und Zerstörungspotential, das die Atomwaffen verkörpern, vor Augen zu halten. Hiroshima und Nagasaki kennen die Gewalt dieser entsetzlichen Zerstörungskraft aus eigener Erfahrung. Sie wollen damit alles nur Mögliche unternehmen, um der Welt klarzumachen, daß sich eine solche Tragödie nie wiederholen darf und sich auch nicht zu wiederholen braucht. Ich habe bei einer Reihe von Gelegenheiten auf die besondere Rolle 1487 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bezug genommen, die die Bewohner von Hiroshima und Nagasaki bei der Bildung der öffentlichen Meinung in Sachen Atomkrieg spielen können. „Die Menschen dieser beiden Städte können kraft ihrer eigenen Erfahrung den Wert des Lebens über den Tod, des Friedens über den Krieg verkünden“ (Rundfunkbotschaft des Papstes an das japanische Volk am 6. August 1985). Die jetzige Ausstellung ist ein überzeugender Ausdruck Ihrer Bemühungen, unseren Zeitgenossen ins Gewissen zu reden, indem sie sie an vergangene Übel erinnert, gleichzeitig aber eindringlich auffordert, sich für die Verwirklichung von Frieden und Gerechtigkeit einzusetzen, eine der tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens. Durch Sie möchte ich Ihren Mitbürgern die Versicherung aussprechen, daß die katholische Kirche voll und ganz die Überzeugung teilt, daß der Friede möglich ist. Mit Gottes Hilfe und mit gutem Willen und Verantwortungsbewußtsein auf seiten der Menschen kann der Krieg vermieden werden und der Friede gedeihen. Gott segne Sie und schenke der Welt den Frieden! „Seid Lehrer einer neuen Lebensauffassung“ Ansprache an die Priester von „Comunione e liberazione“ am 12. September Liebe Brüder in der Taufe und im Priesteramt! 1. Ich freue mich sehr über diese Begegnung am Ende eures Jahrestreffens zu Gebet und Meditation, den geistlichen Übungen, die nun schon seit langem die Priester, die an der Erfahrung von „Comunione e liberazione“ direkt teilhaben oder ihr nahestehen, versammeln. Ich hatte schon mehrmals, vor allem während meiner Reisen innerhalb Italiens und in den verschiedenen Ländern der Welt Gelegenheit, den großen und vielversprechenden Reichtum der kirchlichen Bewegungen kennenzulernen, und habe sie einen Grund zur Hoffnung für die ganze Kirche und für die Menschen genannt. Denn die Kirche, die aus der Passion und der Auferstehung Christi und der Geistsendung entstanden ist und sich auf dem Fundament der Apostel und ihrer Nachfolger in der ganzen Welt und zu jeder Zeit weiter 1488 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ausgebreitet hat, ist im Laufe der Jahrhunderte durch die Gnade immer neuer Gaben bereichert worden. Sie haben es ihr in den verschiedenen Epochen ermöglicht, in neuen, dem Durst nach Wahrheit, Schönheit und Gerechtigkeit angemessenen Formen gegenwärtig zu sein, einem Durst, den Christus im Herzen der Menschen weckte und auf den er selbst die einzige, befriedigende und vollkommene Antwort ist. Wie sehr bedarf die Kirche der ständigen Erneuerung, der Auffrischung und immer mehr der authentischen Wiederentdeckung der unerschöpflichen Fruchtbarkeit ihres Ursprungs! Oft sind die Päpste und Bischöfe selbst Träger dieser charismatischen Kraft der Erneuerung gewesen, andere Male wollte der Geist, daß Priester oder Laien Intitiatoren und Gründer eines Werkes der christlichen Erneuerung würden, das durch die Gründung von Gemeinschaften, Instituten, Vereinigungen, Bewegungen die Zugehörigkeit zur einen Kirche und den Dienst an dem einen Herrn zu leben erlaubte. 2. An den kirchlichen Bewegungen nehmen zusammen mit den Laien im allgemeinen auch Priester teil, die in Gehorsamsgemeinschaft mit den Teilkirchen das Charisma ihres Dienstes vor allem durch die Feier der Sakramente und das Angebot einer reifen Berufung in das Leben der Gemeinschaften einbringen. Darum will ich mich jetzt an euch Priester wenden, um euch zu einem besseren Verständnis und Leben eurer kirchlichen Zugehörigkeit im Rahmen der Zugehörigkeit zur Bewegung „Comunione e liberazione“ zu verhelfen. Was ich oben bezüglich des Lebens der Kirche angeführt habe, gilt auch für jeden Gläubigen und insbesondere für jeden Priester. Das Entstehen der Kirche als Institution, ihre Überzeugungskraft und ihre einigende Wirkung haben ihre Wurzel in der Dynamik der sakramentalen Gnade. Sie findet jedoch ihre Ausdrucksform, ihre Wirkungsweise, ihre konkrete geschichtliche Auswirkung in den verschiedenen Charismen, die die Wesensart und Geschichte einer bestimmten Person kennzeichnen. So wie uns die objektive Gnade der Begegnung mit Christus auf dem Weg über Begegnungen mit bestimmten Personen zuteil wird, an deren Gesicht, Worte, Gegebenheiten wir uns voll Dankbarkeit erinnern, genauso tritt Christus durch die Wirklichkeit unseres Priestertums, das sämtliche Aspekte unserer Persönlichkeit und unseres Empfindungsvermögens annimmt, mit den Menschen in Verbindung. Auf diese Weise wird jeder Priester, wenn er die Gnade des Sakraments voll lebt, fähig, seinem Volk ein Gesicht zu geben und so „Vorbild für seine Herde zu sein“ (1 Petr. 5,3). 1489 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Wenn eine Bewegung von der Kirche anerkannt wird, wird sie ein bevorzugtes Werkzeug für eine persönliche und immer neue Verbindung mit dem Geheimnis Christi. Laßt niemals zu, daß sich in eure Teilnahme der Wurm der Gewohnheit, der Routine, des Alterns einnistet! Übt unablässig die Wiederentdeckung des Charismas, das euch fasziniert hat, und es wird euch noch stärker dazu anhalten, Diener jener einzigartigen Gewalt zu werden, die Christus, der Herr ist! Das II. Vatikanische Konzil, dessen Abschluß vor zwanzig Jahren wir in Kürze mit einer außerordentlichen Synode feiern werden, hat mehrmals in seinen Dokumenten die Priestervereinigungen als Weg unterstützt, auf dem das unerschöpfliche persönliche Wesen des apostolischen Wirkens des Priesters eine Steigerung erfährt: „Hochzuschätzen und achtsam zu unterstützen sind auch Vereinigungen, die nach Prüfung ihrer Satzungen von der zuständigen kirchlichen Autorität durch eine geeignete und entsprechend bewährte Lebensordnung sowie durch brüderliche Hilfe die Heiligkeit der Priester in der Ausübung ihres Dienstes fördern und auf diese Weise dem ganzen Priesterstand dienen möchten“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 8; vgl. auch CIC, can. 298). Die Charismen des Geistes schaffen immer Verbundenheiten, die für jeden einzelnen bei seiner objektiven Aufgabe in der Kirche Stütze sein sollten. Das Entstehen solcher Gmeinschaft ist ein Universalgesetz. Sie zu leben ist ein Aspekt des Gehorsams gegenüber dem großen Geheimnis des Geistes. Eine authentische Bewegung ist daher wie eine nährende Seele innerhalb der Institution. Sie ist keine Alternativstruktur zu ihr. Sie ist hingegen Quelle einer Präsenz, die ihre existentielle und geschichtliche Authentizität ständig erneuert. Der Priester soll also in einer Bewegung Licht und Wärme finden, die ihn zur Treue gegenüber seinem Bischof befähigt, die ihn bereit macht für die Aufträge der Institution und die ihn die kirchliche Disziplin beachten läßt, so daß der Schwung seines Glaubens und die Freude an seiner Treue fruchtbarer werden. 4. Zum Abschluß dieser Begegnung kann ich nicht umhin, euch aufzufordern, Spender jener Gaben zu sein, die euch vom priesterlichen Charakter aufgeprägt sind. Seid vor allem Männer der Vergebung und der Gemeinschaft, die der Welt vom geöffneten Herzen Christi geschenkt werden und durch die Sakramente der Eucharistie und der Buße zur Wirksamkeit gelangen. 1490 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Seid bei dieser Aufgabe nicht träge, ja, macht die Feier des Sakraments zu einer Schule für euer Leben, wohl wissend, was die dringendsten Bedürfnisse des Menschen jeder Zeit sind. Tragt im persönlichen und gemeinsamen Gebet die Fragen und Bedürfnisse derer, die euch anvertraut sind, vor Gottes Angesicht und bittet den Herrn um Beistand für das Leben eurer Bewegung. Seid Lehrer der christlichen Kultur, jener neuen Lebensauffassung, die Christus in die Welt gebracht hat, und unterstützt die Versuche eurer Brüder, damit diese Kultur in immer ausgeprägteren Formen ziviler und sozialer Verantwortung zum Ausdruck kommt. Beteiligt euch mit Hingabe am Werk der Überwindung des Bruches zwischen Evangelium und Kultur, wozu ich die ganze Kirche Italiens kürzlich in der Ansprache während des Kirchentages in Loreto aufgefordert habe. Seid euch der Bedeutung und der Dringlichkeit einer Neuevangelisierung eures Landes bewußt! Seid die ersten Zeugen jenes missionarischen Antriebs, den ich eurer Bewegung aufgetragen habe! Es unterstütze euch die Kraft Christi, des Herrn, der „für alle gestorben ist, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“ (2 Kor 5,15). Es begleite euch der Schutz der seligsten Jungfrau Maria: ihr vertraut eure Vorhaben und eure Hoffnungen an! Mit diesen Wünschen erteile ich euch und allen, denen euer pastorales Wirken gilt, meinen Segen. Glaube, der zu hören weiß Ansprache an die Teilnehmer der Europameisterschaften für Blinde in Castel Gandolfo am 14. September Herr Präsident des Organisationskomitees der Europameisterschaften für Blinde! Liebe, junge Athleten und Sportler! Und ihr alle, liebe Begleiter, Organisatoren und Betreuer dieses internationalen Treffens! <235> <235> Seit willkommen zu dieser Begegnung, die für mich Anlaß zur Freude und tiefer, innerer Bewegung ist. 1491 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eure Bitte, mich anläßlich eures Romaufenthaltes besuchen zu dürfen, habe ich gern erfüllt. Wir blicken uns vorwiegend mit den Augen des Geistes an; das verstärkt die Bedeutung der heutigen Audienz und vermehrt mit der Emotion die gegenseitige Zuneigung und spontane Freundschaft. 2. Auf dem Werbeplakat für eure Wettkämpfe habe ich die Worte gelesen, die mich sehr ergriffen haben: „Nicht sehen bedeutet nicht, nicht lieben; nicht sehen bedeutet nicht, sich in sich selbst verschließen; nicht sehen bedeutet nicht, die Schönheiten des Lebens nicht genießen; nicht sehen bedeutet nicht, keinen Sport betreiben zu können.“ Diese Worte sind eine Botschaft, die sich als starker, hoffnungsvoller Aufruf an alle Blinden richtet; sie sind aber darüber hinaus eine wichtige Mahnung an alle, die sehen und die bei den vielfältigen Gelegenheiten des Alltagslebens mit euch in Kontakt kommen. Es sind ernste Worte, weil sie an jeden, der das Geschenk der Gesundheit, des Sehvermögens, der Leistungsfähigkeit besitzt, appellieren, damit er begreift, daß in jedem Menschen, auch wenn er Träger irgendeiner schweren Behinderung ist, immer eine menschliche Person, ein menschliches Herz mit dem ganzen Reichtum der Individualität vorhanden ist, die nicht nur zu respektieren ist, sondern der geholfen werden soll, sich entsprechend den ihr verliehenen Gaben und Neigungen zu ihrem eigenen Wohl und zum Vorteil der ganzen Gemeinschaft zu entfalten. Solche Worte bestätigen mit Recht, daß ihr, obwohl ihr nicht seht, die anderen Sinnesfähigkeiten in einer Weise entwickelt habt, daß ihr euch nicht nur nicht von den menschlichen Beziehungen ausschließt, sondern euch sogar für einen in Kontakt mit den anderen öffnet. Die aufmerksamere Wahrnehmung der Reize, die euch von außen erreichen, und insbesondere die Verfeinerung des Gehörs erlauben euch, die feinsten Zwischentöne eines Gespräches zu erfassen, wodurch ihr zu Experten in der Unterscheidung der Töne zur Orientierung und Kenntnis eurer Umwelt werdet. Die Wettkämpfe, die ihr austragt, sind ein Beweis dafür und zeigen in hervorragender Weise, welche Ziele ihr zu erreichen imstande seid. 3. Liebe, junge Athleten und alle, die euch begleiten, ich begrüße euch heute mit großer Herzlichkeit. Auch wenn eure sportlichen Aktivitäten für Leute, die nicht gewöhnt sind, solchen Veranstaltungen beizuwohnen, recht überraschend sind, haben sie eine sehr tiefe Bedeutung: Sie geben Zeugnis von euren großen 1492 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menschlichen Fähigkeiten. Ihr laßt euch nicht von Schwierigkeiten überwältigen, sondern seid entschlossen, sie zu überwinden. Darin beweist ihr Mut und große Geistes- und Willensgaben. In der Tiefe der Seele das göttliche Licht erkennen Der Mensch hat von Gott viele Talente erhalten, und ihr beweist, daß ihr euch dieser Gaben und Talente bewußt und sie mit Würde und Zielstrebigkeit zu gebrauchen imstande seid. Die Ausübung des Sports in eurer besonderen Situation zeigt nicht nur ein natürliches Bedürfnis nach körperlicher Betätigung, noch ist sie lediglich mit dem spontanen Verlangen nach friedlichem Wettbewerb verbunden. Sie weist auch hin auf eure menschlichen Fähigkeiten und auf den Reichtum der euch zur Verfügung stehenden Anlagen. Auf diese Weise sagt ihr der Welt, daß es viele Ziele gibt, die ihr auch mit euren Tätigkeiten in der Gesellschaft erreichen könnt. 4. In den Schriften des Neuen Testaments wird die christliche Berufung oft mit einem Weg oder einer Reise verglichen. Ihr wißt aus Erfahrung um das große Problem, das für jene besteht, die nicht wirklich sehen können, welchen Weg sie nehmen sollen. Aber jedermann weiß, daß es, wenn der einzuschlagende Weg nicht aus Schritten besteht, sondern aus einer Entscheidung, die dem ganzen Leben Sinn geben wird, eines ganz anderen Ausblicks bedarf. Das Denk- und Überlegungsvermögen, die richtige Anwendung des Urteils, die Weisheit des Herzens: Das sind die Gaben, die uns auf den Pfaden des Lebens leiten. Mit stiller Würde könnt ihr den Leuten, unter denen ihr lebt, den Männern und Frauen eures Alters, die oft unzufrieden und innerlich verstört sind, eine großartige Lektion, ein heilsames Zeichen anbieten. Ihr könnt ihnen die richtige Wegweisung auf der Straße des Lebens zeigen. Ihr könnt auf überzeugende Weise deutlich machen, daß eine Person nicht verarmt ist, wenn sie, von der Stimme Gottes geführt, maßgebende Ziele und Leistungen zu erreichen vermag. Das verlangt eine Glaubenshaltung, die sich auf das Wort des Herrn gründet, einen Glauben, der wahrhaftig zu hören weiß. Ihr seid hervorragende Hörer und ihr wißt, daß uns Gott eben durch sein Wort begegnet. Ihr gebt der Welt das kostbare und bedeutungsvolle Beispiel von Menschen, die den Eingebungen der inneren Stimme Gottes Beachtung zu schenken wissen. So werdet ihr dadurch, daß ihr von dem großen Reichtum eures Menschseins Gebrauch macht, allen, die euch begegnen, zeigen können, daß 1493 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Größe des Geistes und sorgfältige Fähigkeit zum Hören genau der Weg sind, in der Tiefe der Seele das Licht zu entdecken, das in die Welt kam und das jeden Menschen erleuchtet (vgl: Joh 1,9). 5. Schließlich will ich noch ein Wort an euch richten, die ihr diese jungen Menschen begleitet und ihnen beisteht. Ihr helft euren sehbehinderten Freunden, ihre Leistungsfähigkeit zu entdecken und zu erlangen, ihr ermutigt sie, die Kraft und Zuversicht zu besitzen, sich in verantwortlicher Weise allen Tätigkeiten zu widmen, zu denen sie fähig sind. Ihr führt sie zur vollen Verwirklichung ihrer menschlichen Fähigkeiten. Euer Wirken schafft eine tiefe Freundschaft zwischen euch und ist von hochherzigem Eifer und starkem Interesse füreinander begleitet. Ich danke euch und beglückwünsche euch zu den Erfolgen, die ihr erzielt; ich danke euch besonders für jene große Freude, für den Trost und die Sicherheit, die euren blinden Freunden einzuflößen euch gelang. Als Unterpfand meiner tiefen Zuneigung rufe ich nun auf euch, meine Brüder und Schwestern, und auf eure Lieben und alle, die euch ihre liebende Sorge schenken, den reichen Segen des allmächtigen Gottes herab. Ich möchte noch ein Wort für die Athleten anfügen, die am dritten Europäischen Marathonlauf teilnehmen. Ich danke euch für euren Besuch und möchte euch daran erinnern, daß Jungsein heißt, nach dem richtigen Weg für sein Leben zu suchen, einem Weg, der es ermöglicht, persönliche Verpflichtungen dadurch zu erfüllen, daß man der Wahrheit, der Gerechtigkeit und dem Dienst am allgemeinen Wohl folgt, bewahrt diesen Gedanken, während ihr eure lange Laufstrecke zurücklegt. Gott segne euch! Demütig und kompromißlos Zeugnis geben Predigt bei der Bischofsweihe von Msgr. Justin Rigali im Dom von Albano am 14. September <236> <236> „Laßt uns die großen Taten Gottes nicht vergessen“ (Ps 78,7). So singt die Kirche in der heutigen Liturgie am Fest Kreuzerhöhung. Es ist ein sehr altes Fest. Es hatte seinen Ursprung in Jerusalem, wo es zwei Basiliken aus konstantinischer Zeit gab, die über dem Grab bzw. der Stätte des Martyriums Christi errichtet worden waren. 1494 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Jahrestag der Weihe dieser Kirchen wurde mit großer Feierlichkeit und unter beachtlicher Teilnahme auswärtiger Pilger, Bischöfe, Priester, Mönche und Laien, begangen, die bei dieser Gelegenheit die Kreuzreliquien des Herrn bewundern und verehren konnten, die für die Gläubigen zur frommen Verehrung ausgestellt — „erhöht“ - wurden. Diese Feier verlieh dem Fest, das sich eben „Kreuzerhöhung“ nannte, mit der Zeit eine besondere Bedeutung. An diesem Tag steht also mit besonderer Klarheit das Kreuz Christi vor uns, das uns vor allem daran erinnert, daß an ihm ein wahres Erlösungsopfer vollbracht worden ist, jenes einzigartige und unendliche Opfer des Gottessohnes, „denn unser Tod ist durch seinen Tod überwunden, in seiner Auferstehung ist das Leben für alle erstanden“ (Präfation für die Osterzeit II). Am Kreuz hat sich unser Schicksal vollzogen, „denn aus der Seite des am Kreuz entschlafenen Christus ist das wunderbare Geheimnis der ganzen Kirche hervorgegangen“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 5), und in der Kirche wird einem jeden von uns das Heil angeboten. Alle Menschen sind aufgerufen, um das Kreuz herum einen einzigen Leib zu bilden, ihre Berufung zu leben und im Glauben zu wachsen. 2. „Laßt uns die großen Werke Gottes nicht vergessen.“ Mit diesen Worten wendet sich die Kirche heute an dich, lieber Justin, designierter Titurlarerzbischof von Bolsena und Präsident der Päpstlichen Diplomatenakademie. Siehe, du bist dazu berufen, dem Geheimnis der Kreuzerhöhung zu dienen. Die moderne Welt vergißt das Kreuz Christi Du bist aufgerufen, dem Andenken der Kirche zu dienen, das vor allem mit diesem Geheimnis verbunden ist. Denn in ihm ist der eigentliche Mittelpunkt des göttlichen Heilsplanes eingeschlossen: „Der Menschensohn muß erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, in ihm das ewige Leben hat“ {Joh 3,14-15). Im Zentrum des Gedächtnisses der Kirche steht dieses außerordentliche göttliche Geheimnis. Da ist das Kreuz Christi — und in ihm ereignet sich die Erhöhung des Menschen zum Leben Gottes, zur Herrlichkeit des gekreuzigten und auferstandenen Herrn. 3. Lieber Bruder Justin, du bist aufgerufen, diesem unaussprechlichen Geheimnis zu dienen und es zu verkünden: „Denn Gott hat die Welt so 1495 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Das Geheimnis der erlösenden Liebe; das Geheimnis der erbarmenden Liebe. „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“ (Joh 3,17). Das Geheimnis der erlösenden Liebe: Gericht und Urteil werden dem Sohn auferlegt. Er wird am Kreuz erhöht, er nimmt Schmach und Tod auf sich, damit der Mensch lebe: damit er das ewige Leben habe. Lieber Bruder Justin! Von diesem Mysterium der Erlösung, das am Kreuz den Vater und den Sohn im Heiligen Geist vereint, mußt du vor allen Menschen Zeugnis geben. Du mußt Zeugnis geben vom Kreuz Christi, durch das der Mensch erhöht worden ist. 4. Siehe da, Jesus Christus „wurde wie ein Sklave . . ., er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ {Phil 2,7-8). Davon mußt du Zeugnis geben, lieber Bruder Justin! Bis zu dieser Stunde hast du als ein Priester Jesu Christi Zeugnis gegeben. Von nun an mußt du das noch mehr tun: als Bischof mit der ganzen Kraft der apostolischen Sukzession. Du muß Zeugnis geben - und du mußt dienen. Dem Vorbild des Gottessohnes folgend, der „wurde wie ein Sklave“. Du bist stets für jede Art von Dienst bereit gewesen. Wir erinnern uns an deine Bereitschaft und Verfügbarkeit, an deinen großen Arbeitseifer, an deine unermüdliche Sorge für die Kirche. Von nun an soll dein aus dem Charisma des Priesteramtes erwachsender Dienst mit der Gnade und dem Charisma des Bischofsamtes verknüpft werden. Es gilt also, eine neue Dimension anzunehmen in der Beziehung zu Christus, dem Sohn Gottes, der „wurde wie ein Sklave“. 5. Die Welt, in der wir leben, die heutige moderne Welt, ist voller Vergeßlichkeit im Hinblick auf die großen Taten Gottes. Sie vergißt die Wahrheit über die Schöpfung. Sie vergißt die Wirklichkeit der Erlösung durch das Kreuz Christi. Sie vergißt dies absichtlich. Auf systematische Weise. Oder aber sie vergißt dies dadurch, daß sie sich dem Zeitgeist anschließt. Lieber Bruder, du mußt dich in diese komplizierte moderne Welt hineinversetzen und laut rufen: „Vergeßt nicht die großen Taten des Herrn!“ Durch die Kraft des Heiligen Geistes mußt du zu einem Diener des 1496 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lebendigen Gedächtnisses der Kirche werden, einer Kirche, die nicht aufhört, inmitten der Welt das Zeugnis - das demütige und zugleich kompromißlose Zeugnis — des Triumphes des Kreuzes Christi zu sein! Wir alle, die wir hier versammelt sind, wünschen dir ein solches Zeugnis: ein fruchtbares Zeugnis, ein gesegnetes Zeugnis. Wir alle erbitten für dich von der Heiligsten Dreifaltigkeit die Gnade und die Kraft eines solchen Zeugnisses. 6. Uber dem Kreuz von Golgota stehen die Worte des Völkerapostels: „Darum hat ihn Gott über alles erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen . . . zur Ehre Gottes, des Vaters: Jesus Christus ist der Herr“ (Phil 2,9.11). Diesem Beispiel folgend, wiederholt die Kirche durch alle Jahrhunderte: „Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“ Dieses Bekenntnis der Kirche nimmt seinen Anfang im Herzen der Mutter, die unter dem Kreuz stand: in ihr ist das Wort Fleisch geworden. Es ist unsere Hoffnung, lieber Bruder Justin, daß du diesem Herzen immer nahe sein wirst. Es ist unsere Hoffnung, daß in dem großen, universalen Bekenntnis der Kirche unserer Zeit dein Herz schlägt und deine Stimme widerhallt, die Stimme und das Herz eines Verwalters der Geheimnisse Gottes, die Stimme und das Herz eines Bischofs. Mögen deine Lippen niemals aufhören, Zeugnis zu geben von dem Triumph des Kreuzes Christi! Möge diese Zeugnis dein ganzes Leben erfüllen. Sei eine Stimme der Hoffnung für die Welt! Ich möchte diese Gelegenheit wahrnehmen, um einen herzlichen Willkommensgruß an alle zu richten, die aus den Vereinigten Staaten und insbesondere aus der Erzdiözese Los Angeles gekommen sind, wo der neue Bischof getauft, im christlichen Glauben erzogen und zum Priester geweiht wurde. Besonders begrüße ich Kardinal Manning, Erzbischof Mahony und die Weihbischöfe und alle seine Angehörigen und Freunde. Möge diese Feier des Kreuzes Christi eurem Leben Freude bringen und der Heiligsten Dreifaltigkeit zur Ehre gereichen: dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Amen. 1497 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Bewahrt den Geist eures Gründers!“ Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer der Jubiläumswallfahrt der Internationalen Schönstatt-Bewegung am 20. September Verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Mitglieder der Apostolischen Schönstatt-Bewegung! 1. Ich begrüße euch herzlich mit den Worten des Apostels Paulus: „Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes“ {Rom 15,13). Mit dieser Pilgerfahrt zum Zentrum der katholischen Christenheit und zum Haus des gemeinsamen Vaters wollt ihr die Feier des 100. Geburtstages eures Gründers Pater Josef Kentenich ihren Höhepunkt erreichen lassen. Ich freue mich, daß ihr hierhergekommen seid und bedanke mich aufrichtig für die Worte des Vorsitzenden des Generalpräsidiums sowie für die Darstellung einzelner Aspekte der Geschichte und der Botschaft eurer Bewegung, für eure Lebenszeugnisse in Bild und Gesang. 2. Aus vielen Ländern seid ihr zusammengekommen, um für das Geschenk zu danken, das Gott euch in der Person Pater Kentenichs gemacht hat. Durch die lebendige Erinnerung an seine Person und seine Botschaft habt ihr euren Geist erneuern wollen, um sein geistliches Vermächtnis weiterzutragen und zu künden; um mehr und mehr eine geistliche Familie zu werden, die aus der Kraft ihres Gründungscharismas lebt und dadurch ihre Sendung zum Dienst an Kirche und Welt verwirklicht. Im Gebet dieses Gedenkjahres habt ihr „die Gnade der schöpferischen Treue zum prophetischen Auftrag“ eures Vaters und Gründers erfleht. Die jahrhundertelange Erfahrung der Kirche lehrt uns, daß die innige geistige Verbundenheit mit der Person des Gründers und die Treue zu seiner Sendung - eine Treue, die je neu auf die Zeichen der Zeit achtet -Quelle kraftvollen Lebens für die eigene Gründung und für das ganze Gottesvolk sind. Deshalb rufe ich euch die Worte, die mein Vorgänger Paul VI. an die Gemeinschaften des gottgeweihten Lebens gerichtet hat, in Erinnerung: Bewahrt in Treue „den Geist der Gründer und Gründerinnen, ihre am Evangelium ausgerichteten Zielsetzungen und das Beispiel ihrer Heiligkeit. . . Genau daraus erwächst jeder Ordensgemeinschaft ihre je eigene Dynamik“ (Paul VI., Evangelica testificatio, Nr. 11—12). 1498 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr seid berufen, an der Gnade, die euer Gründer erhalten hat, teilzuhaben und sie der ganzen Kirche anzubieten. Denn das Charisma der Gründer erweist sich als eine geistgewirkte Erfahrung, die den eigenen Schülern überliefert wurde, damit sie danach leben, sie hüten, vertiefen und ständig weiterentwickeln, und zwar in der Gemeinschaft und zum Wohl der Kirche, die ja selbst aus der immer neuen Treue zu ihrem göttlichen Gründer lebt und wächst. Im Geist des II. Vatikanischen Konzils 3. Innerhalb dieser geistgewirkten Erfahrung, aus der eure Bewegung entstanden ist, nimmt das Liebesbündnis, das der Gründer und die erste Generation mit der Gottesmutter im Heiligtum von Schönstatt am 18. Oktober 1914 geschlossen hat, eine zentrale Stellung ein. Wenn ihr treu und hochherzig aus diesem Bündnis euer Leben gestaltet, werdet ihr zur Fülle eurer christlichen Berufung hingeführt. Ihr werdet erfahren, wie wahr die Aussage des II. Vatikanischen Konzils ist: „Maria vereinigt, da sie zuinnerst in die Heilsgeschichte eingegangen ist, gewissermaßen die größten Glaubensgeheimnisse in sich und strahlt sie wider. Daher ruft ihre Verkündigung und Verehrung die Gläubigen hin zu ihrem Sohn und seinem Opfer und zur Liebe des Vaters“ (Lumen gentium, Nr. 65). In der Tat, Maria hat von Gott den Auftrag erhalten, Vorbild und mütterliche Erzieherin des „neuen Menschen“ in Christus Jesus (vgl. Kol 3,9-10) zu sein. Die Liebe zu ihr soll euch dahin führen, daß ihr das Beispiel ihres Lebens nachahmt und es im eigenen Leben widerspiegelt. Macht euch die Haltungen Mariens zu eigen: ihre vertrauensvolle Hingabe an den Willen des Vaters, ihre bedingungslose Christusnachfolge bis zum Kreuz, ihr bereitwilliges Eingehen auf die Anregungen des Heiligen Geistes, ihre dienende Liebe gegenüber den Menschen — besonders den Armen und Bedürftigen -, ihre schöpferische Mitwirkung als Helferin bei der Erlösung der Welt. Das Gebet eures Gründers im Konzentrationslager Dachau sollte auch eure Bitte an Maria sein: „Laß uns gleichen Deinem Bild, ganz wie Du durchs Leben schreiten: stark und würdig, schlicht und mild. Liebe, Fried’ und Freud’ verbreiten; in uns geh durch unsere Zeit, mach für Christus sie bereit.“ 4. Echte Marienfrömmigkeit läßt eine tiefe und tragfähige Liebe zur Kirche wachsen. Das Leben eures Gründers legt Zeugnis für diese Wahrheit ab. Es ist gerade diese Liebe zur Kirche, die euch heute zu dieser Begegnung mit dem Nachfolger Petri geführt hat, um die Versprechen zu 1499 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erneuern, die er meinen Vorgängern Pius XII. und Paul VI. gemacht hat. Damit gebt ihr eurer Bereitschaft Ausdruck, die Forderungen des Evangeliums durch die Heiligung des Werktags zu erfüllen. Ihr verpflichtet euch, am Bau einer neuen Gesellschaftsordnung mitzuwirken, die dem Geist Christi entspricht. Ihr erklärt euch bereit, im eigenen Lebensbereich einen Beitrag zur Verwirklichung des II. Vatikanischen Konzils zu leisten. Und schließlich wollt ihr nach Kräften mithelfen, daß jede gottgewollte Autorität in der Kirche anerkannt und als geistliche Vaterschaft gewertet wird. Mit Freude und Dankbarkeit nehme ich die Erneuerung dieser Versprechen entgegen und bitte euch: Setzt alle eure Kräfte ein, daß diese hohen Ziele immer mehr Wirklichkeit werden! Zusammen mit eurem Gebet erflehe ich euch dazu die notwendigen Gnaden. Ihr seid euch gewiß der Aktualität und Bedeutsamkeit dieser Zielsetzungen für das Leben der Kirche bewußt. Ein Blick auf die Themen der beiden bevorstehenden Synoden zeigt diese Bedeutung sehr eindeutig und klar. In meiner letzten Enzyklika habe ich daran erinnert, „daß das II. Vatikanische Konzil vor 20 Jahren die besondere Aufgabe hatte, das Selbstverständnis der Kirche zu wecken und ihr durch eine innere Erneuerung einen neuen missionarischen Impuls für die Verkündigung der bleibenden Botschaft des Heils, des Friedens und der gegenseitigen Eintracht unter den Völkern und Nationen zu geben, die alle Grenzen sprengt, die unseren Planeten noch teilen, der durch den Willen Gottes, seines Schöpfers und Erlösers, dazu bestimmt ist, eine gemeinsame Wohnstatt für die ganze Menschheitsfamilie zu sein“ (Slavorum Apostoli, Nr. 16). Papst Paul VI. hat deutlich auf das wichtigste Mittel für diese ersehnte und so notwendige Erneuerung hingewiesen: „Für die Heutigwerdung der Kirche genügen heute klare Richtlinien oder ein Überfluß an Dokumenten nicht mehr; was fehlt, sind Persönlichkeiten und Gemeinschaften, die verantwortungsbewußt den Geist des Konzils verkörpern und weitergeben“ (Paul VI., Ansprache an die Hauptverantwortlichen und Mitglieder der Säkularinstitute zum 25. Jahrestag von Provida Mater Ecclesia vom 2. Februar 1972). Vereint mit allen apostolischen Kräften der Kirche und loyal in eure Lokalkirchen eingegliedert, mögt ihr sorgen, daß ihr diese Menschen und Gemeinschaften werdet, die den Geist des II. Vatikanums darstellen und künden! 1500 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zwei Drittel der Menschheit im Elend Botschaft an die Tagungsteilnehmer der Konferenz der Vereinten Nationen über Handel und Entwicklung (UNCTAD) in Genf vom 26. September Vom 30. September bis 11. Oktober fand in Genf die 6. Tagung der zwischenstaatlichen Gruppe der UNO-Konferenz über Handel und Entwicklung (UNCTAD) statt, die sich mit der Frage der unterentwickelten Länder befaßte. Der Papst hatte an die Teilnehmer dieser Tagung folgende Botschaft gesandt: Herrn Alister Mclntyre, Beigeordneter Generalsekretär der Konferenz der Vereinten Nationen über Handel und Entwicklung Seit der Tagung der Konferenz über „die unterentwickelten Länder“, die im September 1981 in Paris stattgefunden hat, und schon nach der Ausarbeitung des „neuen wesentlichen Aktionsprogrammes für die achtziger Jahre“ haben die Weltwirtschaftskrise und verschiedene andere Faktoren nicht die Verwirklichung sämtlicher damals festgelegter Ziele zugelassen. Eine allgemeine Überprüfung der Durchführung dieses Aktionsprogrammes erweist sich darum auf halber Strecke sehr angebracht. Und man muß sich freuen, wenn man sieht, daß die „mit dem Problem der unterentwickelten Länder beauftragte zwischenstaatliche Gruppe“ im Rahmen der UNCTAD und mit ihrer Hilfe Zusammentritt. Ich selbst bringe gern allen, die an dieser Genfer Tagung teilnehmen, meine herzliche Ermutigung zum Ausdruck. Ich wünsche zutiefst, daß aufgrund einer objektiven Analyse der gegenwärtigen Situation der politische Wille zur Durchführung gerechterer und wirksamerer Maßnahmen wiederbelebt werde, um zu einer geeigneten Lösung eines der schwerwiegendsten Probleme unserer Zeit beizutragen. Im Verlauf meines jüngsten Pastoralbesuches in Afrika habe ich nicht versäumt, bei mehreren Gelegenheiten zu unterstreichen, wie sehr mir der Fortschritt alle Völker am Herzen liegt, für den in erster Linie die Regierenden und die Bevölkerungen jedes einzelnen Landes, aber auch in solidarischer Weise die ganze Gemeinschaft der Nationen verantwortlich sind. In diesem Sinne habe ich z. B. in Yaounde zum Präsidenten der Republik, zu den bestehenden Gremien und zum Diplomatischen Korps gesprochen. Die Bemühungen afrikanischer Länder, die gewiß von begrenzten Mitteln bedingt sind, wären jedoch — mit der aktiven Hilfe der 1501 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN internationalen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Ernährung, der Gesundheit und der Investitionen - imstande, die wirtschaftliche und soziale Herausforderung, die die große Mehrzahl ihrer Bewohner bedrückt und erniedrigt, allmählich aufzudecken. Ich zweifle nicht daran, daß die Teilnehmer im Laufe der Tagungsarbeiten, wo sie sich aufmerksam mit den technischen Beziehungen und den Statistiken befassen, Geist und Herz wirklich ergreifen lassen werden von den menschlichen Dramen, die Millionen und Abermillionen unserer Mitmenschen tagtäglich in den benachteiligten Ländern erleben. Alle diese Brüder sind unserer Solidarität würdig. Doch sollte man nicht den Jugendlichen, die ohne Arbeit, ohne Zukunft und manchmal bereits an ihrer Gesundheit und Entwicklung Schaden gelitten haben, eine gewisse Priorität einräumen? Ich möchte unbedingt noch eine heikle und schmerzliche Frage anschneiden. Ich will über die große Sorge der Verantwortlichen mehrerer Länder sprechen, die nicht mehr wissen, wie sie mit dem beängstigenden Problem der Verschuldung fertigwerden sollen. Ohne auf technische Überlegungen eingehen zu wollen, möchte ich dieses Problem dennoch erwähnen, das einen der kompliziertesten Gesichtspunkte der allgemeinen Situation der internationalen Wirtschaft darstellt. Eine strukturelle Reform des Weltfinanzsystems ist ohne jeden Zweifel eine der Initiativen, die als die dringendsten und notwendigsten erscheinen. Mir sei gleichwohl gestattet, Ihrer wohlwollenden Aufmerksamkeit zwei Punkte zur Überlegung vorzuschlagen. Zunächst scheint mir notwendig, Maßnahmen zu suchen und sie zu verdeutlichen, die geeignet sind, den unterentwickelten und verschuldeten Ländern zu helfen, im Bereich der Ernährung Selbstversorger oder wenigstens weitgehend Selbstversorger zu werden. Dann möchte ich den in besonderer Weise den christlichen Wert der Liebe unterstreichen. Dieser Wert wird besonders in dringenden Fällen dazu veranlassen, politische und wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, die nicht allein von Überlegungen strenger menschlicher Gerechtigkeit bestimmt, sondern von einer Hochherzigkeit höherer Art inspiriert werden: dem, was die Christen die Nächstenliebe nennen und die ein Ausdruck der Gottesliebe ist. Das Evangelium gibt uns zu diesem Thema eine einleuchtende Lehre und schlagende Beispiele. Dann werden die technischen Einrichtungen im edelsten Sinne des Wortes im Dienst einer politischen Entscheidung stehen. Dank dieses tiefen Einvernehmens über das gemeinsame Wohl der Menschheit und dank derartiger mutiger Entscheidungen wird der 1502 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Friede zwischen den Nationen errichtet bzw. wiedererrichtet. In der Familie widerspricht die Liebe niemals der Gerechtigkeit, sondern sie verleiht ihr eine Dimension und eine Qualität, die ihnen das Überstehen von Prüfungen und die Überwindung von Krisen ermöglichen. So kann die große Völkergemeinschaft der ganzen Menschheitsfamilie helfen, auf den Wegen einer wirksamen Solidarität Fortschritte zu machen und ihre tiefe Friedenssehnsucht zu festigen. Nochmals spreche ich den Wunsch aus, daß die wichtigsten und schwierigen Arbeiten dieser sechsten Tagung der mit der unterentwickelten Ländern betrauten zwischenstaatlichen Gruppe den Erwartungen dieser Länder voll und ganz entsprechen. Es geht um das Wohl von zwei Dritteln der Menschheit, die ein unerträgliches Elend erleidet. Es geht um die Ehre und das Gewissen der Völker, die im Überfluß leben. Auf die Regierenden, die Experten, die Berater und alle Teilnehmer an dieser humanitären Tagung, die imstande ist, unseren Brüdern und Schwestern der unterentwickelten Länder wieder Hoffnung zu geben, rufe ich die Fülle des Lichtes und der Kraft Gottes herab. Gott segne Ihre Anstrengungen! Aus dem Vatikan, am 26. September 1985 IOANNES PAULUS PP. II Die Spaltungen überwinden! Ansprache bei der Audienz für eine Gruppe lutherischer Bischöfe aus den Vereinigten Staaten am 27. September Liebe Freunde! Ich heiße Sie herzlich in Rom, der Stadt der Apostel Petrus und Paulus, willkommen: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (2 Thess 1,2). Ich weiß, daß Ihr Besuch hier ein Abschnitt einer bemerkenswerten Reise ist, die Sie der ökumenischen Verständigung wegen machen. Sie sind in Genf und Istanbul gewesen und werden Canterbury besuchen. An jedem 1503 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ort wird Zeugnis gegeben von dem Bedürfnis nach der christlichen Einheit. Ich weiß Ihre Arbeit zu schätzen, die Sie mit Ihrem jetzigen Kommen nach Rom verbinden, nämlich Ihre Kenntnis von der katholischen Kirche zu vertiefen und deren Verpflichtung zum Ökumenismus besser zu verstehen. Ich lobe diese Ihre Anstrengung, denn sie nimmt so klar Bezug auf das Gebet Christi: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21). Bei drei Gelegenheiten bin ich dem Vorsitzenden Bischof der Lutherischen Kirche in Amerika, Bischof James Crumley, persönlich begegnet. Ich bin dankbar für seine freundlichen Worte, die soeben verlesen wurden. Wie tief er sich dem Anliegen der christlichen Einheit verpflichtet fühlt, weiß ich aus unseren Gesprächen und aus den Briefen, die wir ausgetauscht haben. Bitte, überbringen Sie ihm meine ganz herzlichen Grüße. Wenn wir bei ökumenischen Begegnungen wie dieser Zusammenkommen, herrscht immer ein Gefühl der Freude, der Hoffnung und der Dankbarkeit, aber auch des Kummers. Da ist Freude und Hoffnung, weil der lutherisch-katholische Dialog während der letzten zwanzig Jahre uns immer mehr gewahr werden ließ, wie nahe wir einander in vielen grundlegenden Dingen sind. Wir empfinden aber auch Kummer, weil es bedeutsame Probleme gibt, die uns im Bekenntnis des Glaubens noch trennen und uns daran hindern, gemeinsam die Eucharistie zu feiern. Dennoch können wir dankbar sein, denn jede neue Begegnung von Personen, die die Einheit der Christen suchen, ist eine neue Antwort an den Heiligen Geist, der uns ständig auffordert, unsere Spaltungen zu überwinden. Liebe Brüder in Christus, Sie sind ganz herzlich hier willkommen. Freuen wir uns darüber, daß eine solche Begegnung überhaupt stattfinden kann. Entschließen wir uns, offen zu sein für den Herrn, damit er diese Begegnung für seine Zwecke nützen und die Einheit, wie er sie wünscht, herbeiführen kann. Ich danke Ihnen für die Anstrengungen, die Sie für die volle Einheit in Glaube und Liebe unternehmen. In einer Ansprache an die Römische Kurie im Juni gab ich einen Überblick über das, was der Ökumenismus während der letzten 25 Jahre erreicht hat. Ich brachte dann eine Hoffnung zum Ausdruck, die, so meine ich, jetzt für uns alle angemessen ist: „Der Herr gewähre uns . . ., seinem Willen mutig gefügig zu sein, damit er das, was er mitten unter uns erweckt hat, zu Ende führen kann“ (Predigt beim Gottesdienst für die Römische Kurie, 28. Juni, Nr. 7, in: O.R. dt., 5.7.85, S. 5). Mit dem hl. Paulus sind wir überzeugt, daß er, der dieses gute Werk in uns begonnen hat, „es auch vollenden wird bis zum Tag Christi Jesu“ (Phil 1,6). 1504 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Botschaft den jungen Menschen bringen Ansprache an das 25. Generalkapitel der Maristen am 27. September Liebe Brüder in Christus! 1. Es ist mir eine Freude, euch heute herzlich willkommen zu heißen, liebe Teilnehmer am Generalkapitel der Maristen. In besonderer Weise begrüße ich die neugewählten Mitglieder eures Generalrates und euren Generalobern und spreche ihnen meine besten Wünsche aus. Als Teilnehmer eines Generalkapitels übernehmt ihr im Auftrag aller Mitglieder eures Instituts eine sehr ernste Verantwortung. Das trifft besonders zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Geschichte zu, wo ihr gemeinsam die Revision eurer Konstitutionen erarbeiten müßt. In der treuen Erfüllung dieser heiklen Aufgabe erweist ihr euren Brüdern echte Liebe und einen pastoralen Dienst. Mögt ihr euch alle von einer tiefen Liebe zur Kirche motivieren lassen, und möge diese Liebe von einer fruchtbaren Wertschätzung eurer Geschichte und des Weges geleitet sein, auf dem der Geist Gottes euer Geschick von Anfang an gelenkt hat. 2. Ihr steht kurz vor der Feier des 150jährigen Gründungsjubiläums eures Instituts, einem Ereignis, das Grund zu tiefer Freude und Dankbarkeit für euch alle ist. Wenn ihr Gott für die reichen Segnungen preist, die er durch die Maristenpatres und -brüder in den letzten eineinhalb Jahrhunderten über die Kirche ausgegossen hat, werdet ihr zweifellos an die hervorragenden Traditionen und Charismen erinnert werden, die euch und eure Vorgänger in eurem Ordensleben und apostolischen Dienst bereichert und getragen haben. Der Priester muß sich durch Zugänglichkeit auszeichnen Ein Kennzeichen eures Instituts ist sicherlich euer missionarischer Vorstoß gewesen. In demselben Jahr, in dem ihr vom Hl. Stuhl die Anerkennung als Ordensinstitut erhieltet, nämlich im Jahr 1836, habt ihr begonnen, Missionare nach Ozeanien zu senden. Seitdem habt ihr ohne Unterbrechung die Heilsbotschaft in jenem Teil der Welt verkündet. Und der Beitrag, den die Maristen in enger Zusammenarbeit mit den übrigen Kategorien der Ordensfamilie zur Mission der Kirche in Ozeanien geleistet haben, ist in der Tat ein ruhmreiches Kapitel in der Geschichte der Evangelisierung. Aber nicht nur in der Südsee hat sich euer großer 1505 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN missionarischer Eifer kundgetan. In aller Herren Länder habt ihr euch in dieser großen Aufgabe engagiert, ständig gedrängt von dem Verlangen, allen die Frohbotschaft vom Heil in Christus zu bringen. 3. Liebe Brüder, die erste und wichtigste Aufgabe der Kirche, die Glaubensverkündigung, muß am Ausgang des zweiten Jahrtausends ernsthaft fortgesetzt werden. Überall wo der missionarische Geist nachgelassen hat, muß er wiederbelebt und erneuert werden. Sicherlich müssen die Methoden geändert werden, um den neuen Herausforderungen zu begegnen, denen wir heute gegenübergestellt sind. Ich denke an die Millionen Flüchtlinge, die kaum Hoffnung auf Rückkehr in ihre Heimat haben. Dann gibt es das weltweite Phänomen der Urbanisierung mit den damit einhergehenden Gefahren für die Stabilität der Familie und den Versuchungen eines verführerischen Materialismus. Und man kann die wichtigen, jedoch schwierigen Probleme nicht übersehen, die die Inkulturation des Evangeliums, den Dialog mit den nichtchristlichen Religionen und den rechten Platz für eine ökumenische Zusammenarbeit betreffen. Ungeachtet der Komplexität der modernen Gesellschaft müssen die missionarischen Anstrengungen der Kirche fortgesetzt werden. Während uns diese Komplexität Angst einflößt, so daß wir zaudern, muß uns die immerbestehende Gültigkeit des Gebots Christi anspornen: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ {Mt 28,19). Und ihr, meine Brüder im Priesteramt, spielt eine vorrangige Rolle bei den Bemühungen der Kirche. Bei eurer Priesterweihe hat die Kirche euch das Evangelium anvertraut und euch aufgetragen, es der Welt unerschrocken zu verkündigen. 4. Ich möchte euch in besonderer Weise bitten, die Botschaft Christi zu den jungen Menschen zu bringen, sie zum besonderen Gegenstand eures pastoralen Dienstes zu machen, was auch immer die Umstände oder der Ort eures priesterlichen Wirkens sein mögen. Wie ihr wißt, war dies das Hauptthema meines diesjährigen Gründonnerstagsbriefes an die Priester. Dort sprach ich davon, wie wichtig es ist, daß wir Priester uns durch ein Offensein und eine Zugänglichkeit auszeichnen, die derjenigen Christi ähnlich ist: „Für die jungen Menschen darf es nicht schwierig sein, sich dem Priester zun nähern; an ihm müssen sie dieselbe Offenheit und Verfügbarkeit, dieselbe Gesprächsbereitschaft gegenüber den Problemen feststellen können, die sie bedrängen. Ja, wenn sie von Natur aus etwas zurückhaltend oder verschlossen sind, sollte das Verhalten des Priesters es ihnen erleich- 1506 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tern, die Widerstände zu überwinden, die von dort herrühren. Im übrigen gibt es verschiedene Wege, jenen Kontakt herzustellen und zu vertiefen, der insgesamt als ,Heilsdialog bezeichnet werden kann (Schreiben an alle Priester der Kirche zum Gründonnerstag 1985, Nr. 4, in: O. R. dt., 5.4.85, S. 4). Ich bitte euch überdies, euch besonders zu bemühen, zu Priester- und Ordensberufen zu ermutigen, indem die Freude an eurer eigenen Berufung zu einem Leuchtzeichen wird, das junge Leute dazu einlädt, einen ähnlichen Ruf vom Herrn anzunehmen. 5. Der Geist Mariens ist es, der die Maristen verbindet und inspiriert. Kindliche Verehrung für die Muttergottes hat die Mitglieder eures Instituts von Anfang an und immer ausgezeichnet. Durch meditative Betrachtung der Ereignisse im Leben Mariens, wie wir sie aus den Evangelien kennen, habt ihr gelernt, ihre Gehorsamsbereitschaft gegenüber Gott in allen Dingen nachzuahmen: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). In Zeiten der Enttäuschung und Schwierigkeiten habt ihr ihre Fürbitte gesucht. Und ihr habt erfahren, daß sich die Worte des Gebets bewahrheiten: „daß es von Ewigkeit nicht gehört wurde, daß jemand, der zu Dir seine Zuflucht nahm, Deinen Beistand anrief und Deine Hilfe anflehte, von Dir sei verlassen worden.“ Die Grundhaltung im Leben der Gottesmutter war eine Haltung des Glaubens. Maria vertraute auf die Vorsehung Gottes. Wie Elisabeth von ihr sagte: „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ {Lk 1,45). Ich bete, daß eurer Leben ebenso von einem tiefen Glauben an die Vorsehung Gottes geprägt sei. Dann werdet ihr mit vertrauensvoller Hingabe an den Willen des Herrn in allen Angelegenheiten hoffnungsvolle Zeugen Christi in der Welt sein. Maria erwirke euch diese Gnade. Und ihr göttlicher Sohn segne euch mit seinem Frieden. 1507 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glückwunsch für Hans Urs von Balthasar Ansprache an die Teilnehmer des II. Internationalen Kolloquiums über Adrienne von Speyr am 20. September Meine Herren Kardinäle! Herr Professor! Meine hochwürdigen Patres! Ich freue mich, Sie am Ende Ihres Kolloquiums über die Person der Adrienne von Speyr, dieser Schweizer Ärztin, die bis zu ihrer endgültigen Konversion 1940 die katholische Wahrheit mit solchem Eifer gesucht hat, empfangen zu dürfen. 1. Ein Blick auf das Programm Ihres Treffens hat mir gezeigt, daß jeder von Ihnen einen qualifizierten Beitrag zu der schwierigen Arbeit der Vertiefung und Unterscheidung der geistlichen Erfahrung und der Schriften der Adrienne von Speyr geleistet hat. Ich weiß, daß Sie in dieser freundschaftlichen Audienz von meiner Seite ein Urteil erwarten, das Autorität hat. Zunächst, ich habe mich über ihre Arbeiten gefreut. Sie haben zusammen versucht, das geheimnisvolle und beeindruckende Wirken des Herrn in einer nach ihm dürstenden menschlichen Existenz besser zu erkennen. Ich sage das auch, weil Adrienne von Speyr Schweizerin ist, und ich dabei an die großartige Geschichte der rheinisch-flämischen Mystik des 13. und vor allem des 14. Jahrhunderts denke. Sie können sagen, ob die Summe dieser mystischen Theologie auf diese glühende Konvertitin starken Einfluß hatte. Ich freue mich auch deshalb, weil die Kirche immer Beispiele von Laien braucht, vor allem solcher, die fest in ihrem Berufsleben verankert und gleichzeitig in Gott eingetaucht sind. War es nicht Ekkehard, der seine Schüler gelehrt hat: „Alles, was Gott auf die dringendste Weise von dir verlangt, ist, dich selbst zu verlassen . . . und Gott in dir wirken zu lassen“ (vgl. Abhandlungen und Predigten). Man könnte meinen, der Mystiker lasse seine Menschenbrüder im Stich, wenn er sich von den Geschöpfen trennt. Der gleiche Ekkehard sagte aber, umgekehrt, er sei auf wunderbare Weise präsent, jedoch auf der einzigen Ebene, wo er sich ihnen wirklich nähern könne, nämlich in Gott. 2. Ich möchte gleichzeitig den Mitgliedern der Johannes-Bruderschaft meine besten Wünsche ausdrücken, die ihre Existenz einer Inspiration 1508 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Adrienne von Speyrs verdankt. Sie hatte eine Vorliebe für „den Jünger, den Jesus liebte“, und betrachtete ihn als den letzten und tiefsten Deuter des Geheimnisses Jesu, der Liebe des Vaters zur Welt, der Rolle des Heiligen Geistes als vollkommenem Führer in das volle Licht der Offenbarung des Vaters und des Sohnes. Sie ist sehr weit in die tiefe Gemeinschaft des Glaubens und der Herzen zwischen der Mutter Jesu und dem einzigen Apostel, der mit ihr zu Füßen des Kreuzes geblieben war, eingedrungen. Sie sah ihn als den jungfräulichen Ursprung der Kirche, dieser Kirche, die dem Petrus anvertraut werden sollte. Diese Spiritualität, die von Adrienne von Speyr intensiv gelebt wurde, hilft euch, eure Sorge um ein Leben in der Kirche gemäß dem Evangelium immer mehr in die Realitäten der heutigen Welt einzubringen. 3. Erlauben Sie mir, Herrn Professor Hans Urs von Balthasar besonders herzlich zu begrüßen. Ich beglückwünsche ihn zu seinem 80. Geburtstag, und ich danke ihm noch einmal für seine großartige theologische Arbeit, wie ich das schon im vergangenen Jahr bei der Überreichung des Preises des Instituts Paul VI. getan habe. Und ich rufe von ganzem Herzen über die Veranstalter dieses Kolloquiums und alle seine Teilnehmer die Fülle der göttlichen Gnaden herab. Dankbarkeit für ihr Zeugnis Predigt bei der Gedächtnismesse für seine Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul I. in St. Peter am 28. September Liebe Brüder und Schwestern, wir sind anläßlich der Wiederkehr des Todestages der beiden Päpste Paul VI. und Johannes Paul I. hier zur Eucharistiefeier zusammengekommen: Wir wollen ihnen gegenüber eine Pflicht des Gedenkens erfüllen, verbunden durch die Fürbitte und beseelt von Gefühlen der Dankbarkeit. Diese meine beiden unmittelbaren Vorgänger haben mir ein Beispiel an Hingabe und Weisheit bei der Leitung der Kirche hinterlassen, und ich kannte die große Liebe, die sie in dem Amt bewiesen haben, als Nachfolger Petri die schwere und erregende Aufgabe fortzusetzen, voll übernatürlicher Liebe die Herde Christi zu weiden. Diese meine Gefühle sind sicher auch die euren, liebe Brüder und 1509 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schwestern. Viele von euch kannten Paul VI. und Johannes Paul I. persönlich; viele waren Mitarbeiter bei ihrem apostolischen Wirken. Die ganze Kirche schließt sich mit inniger Anteilnahme unserem Gebet und unserer Fürbitte an. Wir wenden uns an Gott mit Dankbarkeit für ihr Zeugnis und mit unserem demütigen und zuversichtlichen Gebet um ihren ewigen Lohn. Anstelle einer Predigt wurden Ausschnitte aus zwei Ansprachen der beiden verstorbenen Päpste verlesen: Von Paul VI. ein Abschnitt aus seiner Ansprache zur Eröffnung der zweiten Sitzungsperiode des II. Vatikanischen Konzils am 29. September 1963 und von Johannes Paul I. ein Auszug aus seiner Ansprache bei der Generalaudienz am 13. September 1978, den wir im folgenden wiedergeben. Das ist also der Glaube: sein eigenes Leben ändern und sich bedingungslos Gott überlassen. Das ist nicht immer leicht. Augustinus hat uns über seinen Weg zum Glauben berichtet, der besonders in der letzten Entwicklungsphase qualvoll war. Wenn man das liest, spürt man, wie er in der Seele erschauerte und an inneren Konflikten litt. Hier Gott, der ihn nachdrücklich ruft, und dort die alten Gewohnheiten „alte Freundinnen“, wie er schreibt. „Und sie zogen mich sanft am Gewand des Fleisches und sagten: ,Wie, Augustinus, du willst uns aufgeben? Bedenke, daß du dann dies und jenes nicht mehr tun kannst, und zwar für immer!4 — Schwierige Sache! - ,Ich kam mir vor4 - sagte er -, ,wie jemand, der im Bett liegt in der Früh. Man ruft ihn: ,Raus, Augustinus, steh auf!4 Ich sagte: ,Ja, aber später, warte noch ein bißchen!4 Endlich gab mir der Herr einen Ruck, und ich war heraußen. Man darf also nicht sagen: ,Ja, aber... ja, aber später.4 Man muß sagen: ,Ja, Herr, sofort!4 Das ist Glaube: mit großmütiger Bereitschaft dem Herrn antworten. Aber wer sagt schon dieses Ja? Wer demütig ist und sich vollständig dem Herrn anvertraut.“ Als ich schon größer war, sagte meine Mutter zu mir: „Als Kind warst du oft krank. Ich mußte dich von einem Arzt zum anderen tragen, ganze Nächte habe ich an deinem Bett gewacht. Glaubst du mir das?“ Wie hätte ich sagen können: „Nein, Mutter, ich glaube dir nicht!“ - „Freilich glaube ich, ich glaube, was du mir sagst, aber vor allem glaube ich dir.“ Und so ist es beim Glauben. Es geht nicht nur darum zu glauben, was Gott geoffen-bart hat, sondern an ihn zu glauben, der unseren Glauben verdient, der uns so sehr geliebt und so viel aus Liebe zu uns getan hat. Es ist schwierig, manche Wahrheiten anzunehmen, denn es gibt zweierlei Arten von Wahrheiten: die einen sind uns willkommen, die anderen unangenehm. So ist es z. B. angenehm zu hören, daß Gott eine so große Zärtlichkeit für uns hegt, die sogar noch über die Zärtlichkeit einer Mutter zu ihren 1510 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kindern hinausgeht, wie Jesaja sagt. So etwas ist uns willkommen und paßt uns. Es gab einen großen französischen Bischof, Dupanloup, der zu den Seminarregenten zu sagen pflegte: „Seid den künftigen Priestern Vater und Mutter.“ So etwas hört man gern. Bei anderen Wahrheiten dagegen tut man sich schwer. Gott muß strafen - gerade dann, wenn ich Widerstand leiste: Er ruft mir nach, bittet mich, umzukehren, und ich sage: „Nein!“ Dann zwinge ich ihn ja gerade, mich zu bestrafen. Das ist unangenehm. Aber es ist die Wahrheit des Glaubens. Und dann gibt es noch eine letzte Schwierigkeit: die Kirche. Der hl. Paulus fragte: „Wer bist du, Herr?“ — „Ich bin Jesus, den du verfolgt.“ Da erleuchtete ein Blitz seinen Geist. Er überlegte: Jesus, den ich nicht einmal kenne, verfolge ich doch nicht; ich verfolge die Christen. Man sieht: Jesus und die Christen, Jesus und die Kirche sind eine Sache: unlösbar, untrennbar. Lest beim hl. Paulus nach: „Der Leib Christi, der die Kirche ist.“ Christus und die Kirche sind eins, Christus ist das Haupt, wir, die Kirche, sind seine Glieder. Es ist kaum möglich, den Glauben zu haben und zu sagen: Ich glaube an Jesus, ich nehme Jesus an, aber die Kirche nicht. Wir müssen die Kirche so annehmen, wie sie ist. Und wie ist diese Kirche? Papst Johannes hat sie „Mater et magistra“, Mutter und Lehrerin, genannt -auch Lehrerin. Der hl. Paulus sagt: „Jeder nehme uns an als Helfer Christi, seine Sachwalter und Spender seiner Geheimnisse.“ Wenn der arme Papst, wenn die Bischöfe und Priester die Lehre darlegen, tun sie nichts anderes, als Christus helfen. Es ist nicht unsere Lehre, es ist die Lehre Christi. Wir haben sie nur zu hüten und darzulegen. Ich war dabei, als Papst Johannes am 11. Oktober 1962 das Konzil eröffnete. Er sagte an einer Stelle: „Wir hoffen, daß mit dem Konzil die Kirche einen Sprung nach vorn tut.“ Das haben wir alle gehofft. Doch auf welchem Weg sollte dieser Sprung nach vorn erfolgen? Das sagte Papst Johannes gleich darauf: auf dem Weg der gesicherten und unveränderlichen Wahrheiten. Papst Johannes hat nicht einmal im Traum daran gedacht, daß die Wahrheiten zu laufen anfangen, sich auf den Weg machen und dann nach und nach ändern könnten. Die Wahrheiten bleiben; aber wir müssen auf der Straße dieser Wahrheiten weitergehen, indem wir sie immer besser verstehen, uns ihnen anpassen und sie in einer heute angemessenen Form vorlegen. Das war auch der Gedanke von Papst Paul. Das erste, was ich tat, kaum daß ich Papst war - ich ging in die Privatkapelle des Päpstlichen Hauses. Dort hat Papst Paul an der Rückwand zwei Mosaiken anbringen lassen: Petrus und Paulus. Petrus, wie er 1511 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stirbt, und Paulus, wie er stirbt. Unter dem hl. Petrus stehen die Worte Jesu: „Ich werde für dich beten, Petrus, damit dein Glauben nicht wanke.“ Unter dem hl. Paulus, der den Schwerthieb empfängt: „Ich habe meinen Lauf vollendet und den Glauben bewahrt.“ Ihr wißt, in seiner letzten Ansprache am 29. Juni hat Paul VI. gesagt: „Nach fünfzehn Jahren Pontifikat darf ich dem Herrn danken, daß ich den Glauben verteidigt und bewahrt habe.“ Erbe von unschätzbarem Wert Predigt bei der Festmesse mit europäischen Chorgemeinschaften in Sankt Peter am 29. September 1. „Herr, heilige uns in deiner Wahrheit!“ (vgl. Joh 17,17). Mit diesen Worten des Gesanges zum Evangelium des heutigen Sonntags, des Tages der Auferstehung des Herrn, möchte ich euch alle herzlich begrüßen, liebe Mitglieder der Scholae Cantorium Europas, die ihr euch zu dem vom Komitee des Hl. Stuhls für das Europäische Jahr der Musik und dem Italienischen Cäcilien-Verband veranstalteten Internationalen Kongreß in Rom eingefunden habt. Unter allen künstlerischen Ausdrucksformen stellt die musikalische Überlieferung der Kirche ein Erbe von unschätzbarem Wert dar, sowohl wegen des besonderen künstlerischen Ausdrucks als auch wegen ihres geistlichen Wertes, denn die Kirchenmusik ist dazu berufen, die Wahrheit des Geheimnisses, das in der Liturgie gefeiert wird, zum Ausdruck zu bringen (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 112). Eure Anwesenheit ist ein Anlaß zu inniger Freude und beweist noch einmal, daß der Hl. Stuhl der Initiative gern zugestimmt hat, das Jahr 1985 zum Europäischen Jahr der Musik zu erklären, - einmal, um des 300. Geburtsjahres von Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel und Giuseppe Domenico Scarlatti zu gedenken; letzterer war Komponist, Cembalist und Dirigent der Cappella Giulia in Rom von 1713 bis 1719; - sodann, weil die Initiative dazu beitragen kann, eine Botschaft der Schönheit und Freude weiterzugeben und vor allem die geistliche Musik im allgemeinen und die liturgische im besonderen noch mehr bekannt zu machen und ihr zu größerer Anerkennung zu verhelfen, denn der Grego- 1512 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rianische Choral hatte einen beachtlichen Einfluß auf die Musikentwicklung in Europa, stellte jahrhundertelang ein wirksames Band der Einheit zwischen den Völkern des europäischen Kontinents dar und wird noch heute von der Kirche als „der der römischen Liturgie eigene Gesang“ betrachtet (Sacrosanctum concilium, Nr. 116). Das Komitee des Hl. Stuhles hat in diesem Jahr bereits einige wichtige Veranstaltungen organisiert: den Internationalen Kongreß für Gregorianischen Gesang, der in Subiaco abgehalten wurde; den Internationalen Kongreß der Pueri Cantores, der in Paris stattfand; für den kommenden November steht in Rom der 8. Internationale Kongreß für Kirchenmusik anläßlich der Einweihung des neuen Sitzes des Päpstlichen Instituts für Kirchenmusik auf dem Programm. Die Quelle der Wahrheit, des Guten und des Schönen 2. Bei dieser Begegnung im Gebet, das besonders von dem Chorgesang so vieler Kirchenchöre gestaltet wird, spricht die Wortliturgie des heutigen Sonntags einerseits von Inspiration und anderseits von Ärgernis. Bezüglich der Inspiration lesen wir in der ersten Lesung: „Der Herr kam in der Wolke herab und redete mit Mose. Er nahm etwas von dem Geist, der auf ihm ruhte, und legte ihn auf die siebzig Ältesten. Sobald der Geist auf ihnen ruhte, gerieten sie in prophetische Begeisterung“ (Num 11,25). Vom Ärgernis lesen wir im Markusevangelium: „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde“ (Mk 9,42). So spricht Christus. Und als er dann vom Ärgernis spricht, sagt er die harten Worte von der Hand, dem Fuß und dem Auge des Menschen, falls sie zur Ursache von Sünde werden. Die Sünde ist ein Übel, sie ist die Quelle des Verderbens. Durch sie gehen das menschliche Leben und die menschliche Kultur zugrunde. Davon geben die starken Worte des Jakobusbriefes Zeugnis, die wir in der zweiten Lesung gehört haben; sie sind an diejenigen gerichtet, die den Arbeitern den Lohn vorenthalten; die sich eines üppigen, ausschweifenden Lebens erfreuen; die den Unschuldigen, der ihrer Gewalt keinen Widerstand leisten kann, verurteilen und umbringen (vgl. Jak 5,1—6). Bei der Beschreibung der traurigen Situation des Menschen, der Sklave und Opfer der Sünde ist, sagte der II. Vatikanische Konzil wirkungsvoll zusammenfassend: „Die Sünde mindert den Menschen selbst, weil sie ihn hindert, seine Erfüllung zu erlangen“ (Gaudium et spes, Nr. 13). 1513 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Darum hat Jesus jenes bedrohliche und erschreckende Wort ausgestoßen: „Wehe der Welt mit ihrer Verführung!“ (Mt 18,7). 3. Wir wollen heute, an diesem Tag der Freude, der dem Gesang, der Musik gewidmet ist, vor allem über die Inspiration sprechen: über das, was die Quelle der Wahrheit, des Guten und des Schönen im menschlichen Leben ist. In der Menschheitsgeschichte hat die musikalische Inspiration - wie das Wort und vielleicht noch mehr als dieses - versucht, die tiefsten Gefühle der Person zum Ausdruck zu bringen: die Freude, die Liebe, den Schmerz, die Angst, den Zweifel. . . und insbesondere das Gebet und das Lob vor Gott, dem Schöpfer und Vater. Die enge Verbundenheit der Musik mit der Liturgie Wegen dieser Ausdrucksfähigkeit der Musik hat die Kirche seit ihren Anfängen in ihrer Lehre und in ihrer Tätigkeit ein unaufhörliches Interesse für den Gesang und für die „geistliche“ Musik bekundet, vor allem angesichts der engen Verbundenheit der musikalischen Kunst mit der Liturgie. Die Kirche hat deshalb stets die Prinzipien und Richtlinien betont, damit diese edle und veredelnde Kunst mit entsprechender Vollkommenheit ihre liturgische Aufgabe und ihr oberstes Ziel erfülle, das „die Ehre Gottes und die Heiligung der Gläubigen ist“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 112). Wie ich zu den Mitgliedern des Italienischen Cäcilien-Verbandes sagte, „hat sich die Kirche . . ., um der Heiligsten Dreifaltigkeit Anbetung und Verehrung darzubringen, der Musik und des Gesanges bedient, um den tiefsten religiösen Empfindungen des Christen Ausdruck zu verleihen: Anbetung, Dank, Fürbitte, Flehen, Schmerz, geistlicher Aufschwung“ (Insegnamenti III, 2, 1980, S. 697). Der hl. Augustinus, der ein leidenschaftlicher und genialer Liebhaber der Musik war und auch eine berühmte Abhandlung über sie geschrieben hat, hat das tiefe Band zwischen der Schönheit der Wirklichkeit und der Musik glücklich zusammengefaßt: „Die Schönheit des ganzen Universums, dessen Teile so sind, daß sie zu allen Zeiten passen, verbreitet sich wie ein großartiger Gesang eines überirdischen Musikers, und von da dringen zur ewigen Betrachtung der Herrlichkeit Gottes diejenigen vor, die ihn gebührend verehren, auch dann, wenn die Stunde des Glaubens gekommen ist“ (vgl. Epist. 138, I. 5: PI22,527). 1514 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Bei dieser Eucharistiefeier, die auch dreier großer Männer der Musik gedenken will, die für ihre Werke erhabenste Inspiration in den Themen der Heilsgeschichte gefunden und so den späteren Generationen ein einzigartiges Zeugnis ihrer Religiosität hinterlassen haben, wende ich mich an euch, die ihr hier anwesend seid, und an alle Mitglieder der über die Kontinente verstreuten Scholae Cantorum. Ihr habt eine besondere Sendung in der Kirche und gegenüber der Welt, weil ihr dadurch, daß ihr der Inspiration, deren Quelle das Wort Gottes ist, folgt, an der prophetischen Aufgabe Christi selbst teilhabt. Kraft der Taufe hat euch Jesus zu seinen Zeugen bestellt, damit die Kraft des Evangeliums im täglichen Leben in Familie und Gesellschaft aufleuchte. Ihr habt die Aufgabe, mitzuwirken an der Ausweitung und dem Wachstum des Reiches Christi in der Welt (vgl. Lumen gentium, Nr. 35). Besonders euer Einsatz im Rahmen der Scholae Cantorum ist ein Zeugnis und ein Glaubensbekenntnis, weil ihr aktiv an der Liturgie teilnehmt, deren „notwendiger und integrierender Bestandteil“ der gottesdienstliche Gesang ist (Sacrosanctum concilium, Nr. 112). Mit dieser eurer musikalisch-liturgischen Tätigkeit seid ihr ein Zeichen jener jahrhundertealten Verbundenheit des Evangeliums und der Kirche mit der Schönheit, der Kunst, der Musik! Ludwig van Beethoven soll einmal gesagt haben, er würde alle seine Symphonien hingeben für die Melodie eines Vaterunsers oder eine Präfation! Ihr dürft mit Recht darauf stolz sein, daß ihr durch euren Gesang so tief in die Liturgie einbezogen seid, die „der Höhepunkt ist, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 10). Euer ganzes Leben sei ein Gesang der Anbetung und des Lobpreises für Gott durch das ständige Zeugnis eurer Treue zur Botschaft Christi. Hören wir noch einmal die Worte des hl. Augustinus, die gerade an euch, Mitglieder der Scholae Cantorum, gerichtet zu sein scheinen: „Wer für Gott lebt, besinge Gott; wer für seine Ehre tätig ist, preise seinen Namen. Wenn ihr so singt, so lobpreist, d. h. so lebt, so tätig seid . . ., bereitet ihr Christus den Weg; denn durch die schönen Schritte derer, die die Frohbotschaft verkünden (vgl. Jes 52,7), öffnen sich ihm die Herzen der Gläubigen“ (Enarr. in ps. 67,5: PL 36,814f.). 5. Bei diesem bedeutsamen Anlaß möchte ich meine Gedanken auch allen Liebhabern der Musik, besonders der geistlichen Musik, zuwenden: den Komponisten, Dirigenten, Dozenten, Direktoren, den ausführenden Musikern und auch den Zuhörern. 1515 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich wende mich an euch, damit ihr euren Beitrag dazu leistet, daß die von der Kirche in die Feier ihrer Mysterien einbezogene Musik wahrhaft heilig, geistlich sei, d. h. eine ihrer hohen religiösen Zielsetzung angemessene Empfindung besitzt; daß sie wahrhaft künstlerisch sei, d. h. imstande, die Empfindungen des Menschen beim Gesang der Anbetung und der Bitte an die Heiligste Dreifaltigkeit zu bewegen und zu verwandeln. Wie in der Vergangenheit, so ist die Kirche auch heute, auch wenn sie den Gregorianischen Choral als den „der römischen Liturgie eigenen Gesang“ betrachtet, offen, auch andere musikalischen Ausdrucksformen wie die Polyphonie und die „moderne“ Musik anzuerkennen. Ich wünsche wirklich von Herzen, daß die zeitgenössischen Komponisten aus den Themen der christlichen Offenbarung Inspiration beziehen, um sowohl den Scho-lae Cantorum als auch den Gläubigen die reife Frucht ihrer Genius und ihrer Frömmigkeit zu bieten! Diesen Wunsch bringe ich bei diesem freudigen Anlaß zum Ausdruck. 6. Wir haben gesagt, daß die Wortliturgie des heutigen Sonntags von Inspiration und auch von Ärgernis spricht. Ihr alle, die ihr die Inspiration empfangt und von ihr lebt durch eure künstlerischen Werke, durch die Kirchenmusik und den Kirchengesang, weitet in der heutigen Welt den Bereich des Schönen, des Guten und der Wahrheit aus! Verringert den Bereich des Bösen, der Bedrohung, der Sünde, des Ärgernisses! Liebe Mitglieder der Scholae Cantorum Europas, eure ganze Tätigkeit, eure Arbeit, eure eifrige und schöpferische Liebe will ich heute in das Geheimnis Christi einschließen durch diese Eucharistiefeier, an der ihr teilnehmt, während ich euch heute, am 29. September, der auch das Fest der Erzengel ist, dazu einlade, voll Freude eure Stimme mit dem gewaltigen Chor der Engel und Heiligen im Himmel zu vereinen, die ewig singen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott des Universums. Himmel und Erde sind erfüllt von deiner Herrlichkeit. Hosanna in der Höhe. Amen. Eine ruhmreiche Tradition der deutschen Kirchenchöre Nach der Messe richtete der Papst Grußworte in verschiedenen Sprachen an die Teilnehmer. Auf deutsch sagte er: Herzlich grüße ich auch die anwesenden Chöre aus den Ländern deutscher Sprache. Die ruhmreiche Tradition der geistlichen Musik in euren 1516 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heimatländern verpflichtet euch zu einer besonderen gewissenhaften Pflege dieses kostbaren Erbes. Macht es fruchtbar für eine lebendige Gestaltung der heutigen Liturgie, für das Gotteslob und die geistige Erhebung der Menschen unserer Zeit. In eurem Gesang wird die Sprache der Kunst zum Gebet. Möge er euch selber Gott näherbringen und auch eure Hörer zu einer persönlichen Begegnung mit Gott führen. Ich ermutige euch in eurem musikalischen Wirken und segne euch von Herzen. Ferner sprach er Grußworte in spanisch und französisch. Zuletzt wandte er sich an die Chöre aus Kroatien: Gelobt sei Jesus und Maria! Vom Herzen grüße ich die Vertreter der Scholae Cantorum Kroatiens. Mir ist sehr wohl bekannt, wie sehr das kroatische Volk die Musik liebt und daß auch das einfache Volk während der Messe und anderen christlichen Andachten an der Kirchenmusik teilnimmt. Zudem ist es dort Brauch, daß die kroatischen Bauern mit wunderbaren Marienliedern, die es in sehr großer Zahl gibt, die Arbeit auf dem Feld begleiten und so mit der Arbeit und dem Gebet in Form des Gesanges den Herrn preisen. Setzt diesen Brauch auch in Zukunft fort! Euch, die ihr hier anwesend seid, und allen, die daheim geblieben sind, erteilt der Papst von Herzen seinen Apostolischen Segen. „Damit es jeder Mund bekennt. . Ansprache an die Leiter des Weltbundes des Katholischen Bibelapostolats und des Weltbibelvereins am 30. September Lieber Brüder! 1. Mit lebhafter Freude empfange ich heute Sie alle, die Verantwortlichen und Repräsentanten des Weltbibelvereins und des Weltbundes des Katholischen Bibelapostolats, zusammen mit bedeutenden Exegeten verschiedener Konfessionen, den Übersetzern und Herausgebern der Heiligen Schrift. Anlaß unserer Begegnung ist die erste Veröffentlichung des Alten Testamentes und der revidierte Neudruck des Neuen Testamentes in interkonfessioneller Übersetzung in die Umgangssprache. Wir hatten 1517 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bereits Gelegenheit zu einer Begegnung, als die Ausgabe des Neuen Testaments, von der Vorsehung bestimmt, das millionste Exemplar erreicht hatte. Nun aber wird, Gott sei Dank, endlich auch das Alte Testament den Gläubigen und Nichtglaubenden in einer eigens erarbeiteten Fassung zur Verfügung gestellt, um ihnen sowohl die Schönheiten wie die Schwierigkeiten der alten Schriften Israels in höherem Maße zugänglich zu machen. Ein großer Moment ökumenischer Begegnung 2. Ich weiß, daß die heutige Veröffentlichung das Ergebnis mühevoller Arbeit ist, die fünf Arbeitsgruppen sieben Jahre lang beschäftigt hat. Aber ich bin sicher, daß sich zu der Mühe die kennzeichnende Freude gesellt hat, die von einem täglichen tiefen Kontakt mit dem göttlichen Wort herrührt, daß der Psalmist mit Recht eine Leuchte für unsere Füße und ein Licht auf unserem Weg nennt (vgl. Ps 119,105). Nehmen Sie daher den Ausdruck meines tiefempfundenen Danks für das Ergebnis Ihres Einsatzes entgegen. Er ist darüber hinaus ein väterlicher Ansporn, mit Eifer und Klugheit die interkonfessionellen Übersetzungen der Bibel fortzuführen, die, wie ich weiß, noch in etwa 160 Sprachen im Gange sind, damit der Wunsch des Apostels tatsächlich Wirklichkeit werde: „Damit jeder Mund bekennt! ,Jesus Christus ist der Herr <237> - zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil 2,11). <237> Da wir uns heute treffen, werde ich an das gewaltige Potential an Gutem erinnert, das Rundfunk und Fernsehen besitzen und das ständig im Wachsen begriffen ist. Zugleich bin ich mir bewußt, daß auch die gegenteilige Möglichkeit gegeben ist, die immer größere Möglichkeit zum Bösen wegen der Versuchung, diese modernen Mittel der sozialen Kom- 3. Das Unternehmen, an das Sie sich gemacht haben, ist auch ein bedeutender Moment ökumenischer Zusammenarbeit und Begegnung. Und ich meinerseits wünsche inständig, daß diese Zeit nicht ungenützt verstreicht, sondern wirklich zu einer fruchtbaren Wiederentdeckung der gemeinsamen Plattform unseres Ursprungs führt; wenn sie dahin zurückkehrt, muß die ganze Kirche dies zu ihrer Verjüngung, zum gegenseitigen Zusammenhalt und zu einem wirksamen Zeugnis vor der Welt nützen. Denn darauf kommt es an: daß das Wort, das vom Propheten mit dem Regen und dem Schnee verglichen wird, die vom Himmel fallen, um die Erde zu tränken und fruchtbar zu machen und so den Menschen Nahrung zu geben, das bewirkt, was der Herr will, und nicht zu ihm zurückkehrt, ohne das erreicht zu haben, wozu er es ausgesandt hat (vgl. Jes 55,10-11). Und sicher ist der Wille des Herrn Jesus nicht die Zerstreuung oder gar die Verfeindung seiner Gläubigen, sondern ihre wechselseitige Gemeinschaft und Verbundenheit, damit nach den Worten seines letzten Gebets „die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). 1518 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Heute feiert die Kirche in ihrer Liturgie das Gedächtnis des hl. Hieronymus, der in der christlichen Überlieferung Lehrer und Vorbild der bedingungslosen Hingabe an die Heilige Schrift bleibt. Auch Ihre Arbeit wird von ihm gelobt und sogar von ihm verlangt, wenn er in seinem gewohnten Scharfsinn schreibt, daß die „ecclesiastica interpretatio“ - die kirchliche Auslegung - des Wortes Gottes für alle verständlich sein müsse, da Gott ja nicht nur zu den Schulen der Philosophen und zu einigen wenigen Jüngern, sondern zur ganzen Menschheit spreche: „ut non otiosis philosophorum scholis paucisque discipulis, sed universo loquatur hominum generi“ (Epist. XLVIII, Ad Pamm.). Erbitten wir daher auch seinen besonderen Schutz, damit „das Wort des Herrn sich ausbreitet und verherrlicht wird“ (2 Thess 3,1). Mit diesem Wunsch rufe ich auf Sie alle und auf Ihre Arbeit den Segen des Herrn herab; in meine Gedanken sind auch alle eingeschlossen, die auf verschiedene Weise an Ihren wertvollen Initiativen mitarbeiten. Kommunikation - ein Akt der Liebe Ansprache an die Teilnehmer des 21. Verwaltungssymposions der Europäischen Rundfunkunion am 3. Oktober Meine Damen und Herren! Es ist mir eine Freude, die Teilnehmer am 21. Verwaltungssymposion der Europäischen Rundfunkunion zu begrüßen. Sie sind in diesen Tagen nach Rom gekommen, um die wirtschaftlichen und organisatorischen Probleme im Zusammenhang mit Rundfunkübertragungen zu studieren. Zugleich war es Ihr Wunsch, in Ihre Tätigkeiten diese Begegnung mit dem Papst, dem universalen Hirten der katholischen Kirche, einzuschließen. Ich fühle mich durch Ihre Anwesenheit geehrt und heiße Sie ganz herzlich im Vatikan willkommen. <238> <238> Da wir uns heute treffen, werde ich an das gewaltige Potential an Gutem erinnert, das Rundfunk und Fernsehen besitzen und das ständig im Wachsen begriffen ist. Zugleich bin ich mir bewußt, daß auch die gegenteilige Möglichkeit gegeben ist, die immer größere Möglichkeit zum Bösen wegen der Versuchung, diese modernen Mittel der sozialen Kom- 1519 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN munikation in einer Weise zu gebrauchen, die die Wahrheit entstellt oder die Würde und Freiheit der menschlichen Person verletzt. So lastet eine wirklich schwere Verantwortung auf Ihren Schultern. Sie haben in unserer technologischen Gersellschaft eine bevorzugte Stellung inne. Ihre Entscheidungen und Ihre Tätigkeit können die Erziehung und die kulturelle Entwicklung von ungezählten Menschen weitgehend formen. Sie können das Denken, die Arbeitsweise und Freizeitgestaltung der heutigen und künftiger Generationen bedeutend beeinflussen. 2. Die Nachrichten- und Informationssendungen, aber auch Programme, die vorwiegend für Freizeit und leichte Unterhaltung bestimmt sind, haben immer eine Auswirkung auf die moralischen und geistigen Werte der menschlichen Person. Deshalb führte ich in diesem Jahr in meiner Botschaft zum 19. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel aus: „Die Information darf den Werten gegenüber nicht gleichgültig bleiben, die das menschliche Dasein tief berühren, wie dem Vorgang des Lebens vom Augenblick der Empfängnis an, der sittlichen und geistlichen Dimension, dem Frieden, der Gerechtigkeit. Die Information darf Problemen und Situationen gegenüber nicht neutral sein, die auf nationaler und internationaler Ebene das Beziehungsgeflecht Gesellschaft zerstören, wie Krieg, Verletzung der Menschenrechte, Armut, Gewalt, Drogen“ (Nr. 2, in: O.R. dt., 3. 5. 85, S. 12). Ihr Ersuchen um diese heutige Audienz ist ein Zeichen, daß Sie die Wirkung von Fernsehen und Rundfunk auf das Denken und die Herzen der Zuschauer und Zuhörer erkennen. Ich fordere Sie dringend auf, die elektronischen Medien stets in den Dienst der Menschheit und das Wohl aller zu stellen. Achten Sie auf die tiefverwurzelten kulturellen und religiösen Werte Ihres Publikums, denn diese haben einen grundlegenden Einfluß auf den sozialen und zwischenmenschlichen Charakter der menschlichen Existenz. Sie bestimmen weitgehend die Einheit und Harmonie der Gesellschaft. Wenn Ihre Bemühungen der Stärkung dieser Werte dienen, werden Sie damit der Menschheit einen unschätzbaren Dienst erweisen. 3. Als Glieder der katholischen Kirche suchen wir, zu allen Zeiten die Frohbotschaft unseres Herrn Jesus Christus zu verkünden. Und wir suchen nach immer wirksameren Mitteln, diese Sendung in die Welt hinauszutragen. Sie werden daher leicht einsehen, warum wir so großes Interesse an den neuesten Entwicklungen im Bereich von Rundfunk und Fernsehen haben: Wir haben von Leuten wie Ihnen noch viel zu lernen. 1520 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir sind davon überzeugt, daß die Massenmedien in der pastoralen Arbeit der Kirche Anwendung finden müssen. Darum wurde ja vor mehr als fünfzig Jahren mit Hilfe von Guglielmo Marconi Radio Vatikan errichtet und hat seine Dienste im Laufe der Jahre ständig ausgeweitet und verbessert. Viele Ortskirchen überall in der Welt haben gleichfalls die Möglichkeiten von Rundfunk und Fernsehen genutzt, um das Evangelium von der Erlösung zu verkünden und dem Volk Gottes in Wahrheit und Freiheit zu dienen. Im Gehorsam gegenüber der ihr von Christus aufgetragenen Sendung begrüßt die Kirche die Gelegenheit, Fachleute auf dem Gebiet von Rundfunk und Fernsehen kennenzulernen und mit ihnen zum Wohl aller zusammenzuarbeiten. Ich möchte daher diese Gelegenheit benutzen, Sie meines echten Interesses an Ihrer Arbeit und an Ihren Bemühungen um Förderung der Kommunikation zu versichern. Wie Sie nur zu gut wissen, ist Kommunikation mehr als der Prozeß der Weitergabe von Information oder Auslösung von Emotionen. Im tiefsten ist sie ein persönlicher Akt der Liebe, eine hochherzige Selbsthingabe sowohl mit dem Denken wie mit dem Herzen. Möge Gott ihnen die Gnade gewähren, gute Kommunikatoren zu sein, deren Arbeit Einheit und Frieden fördert. Und möge er Ihnen und Ihren Familien reichen Segen gewähren. Gesellschaft braucht „Freiwillige“ Ansprache an den italienischen Staatspräsidenten Francesco Cossiga bei dessen offiziellem Besuch im Vatikan am 4. Oktober Herr Präsident! 1. Ich bin Ihnen herzlich dankbar für den Besuch, mit dem Sie mich heute beehren. Er findet im Rahmen der Tradition guter Beziehungen zwischen dem Staat und der Kirche in Italien statt, die die jüngste Revision der Lateranverträge bestätigt hat. Sie, Herr Präsident, haben Ihren ersten offiziellen Besuch außerhalb der Grenzen des italienischen Staates mir Vorbehalten: Das ist eine Aufmerksamkeit, die ich hoch zu schätzen weiß und für die ich Ihnen danke. 1521 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sie sind heute hier im Namen des italienischen Volkes, dessen legitime Vertreter im vergangenen Juni mit großer Mehrheit übereingekommen sind, Sie mit dem höchsten Amt des Staates zu betrauen. Während ich Ihnen auch bei dieser Gelegenheit meine Glückwünsche für die Einsetzung in das hohe Amt ausspreche, möchte ich durch Sie allen italienischen Staatsbürgern, die Sie in würdiger Weise repräsentieren, ein besonderes Grußwort und gute Wünsche zugehen lassen. Mein nun bereits siebenjähriger Aufenthalt in Rom und die Pastoraireisen, die ich in diesen Jahren in die verschiedenen Regionen Italiens machen konnte — in einigen Tagen beabsichtige ich, wie Sie wissen, mich auch auf die herrliche Insel zu begeben, wo Sie geboren sind —, haben mir erlaubt, dieses von Gott besonders ausgezeichnete Land immer gründlicher kennenzulernen und mit steigender Intensität zu lieben. Mit tiefer Zuneigung spreche ich daher den Wunsch aus, daß sich Italien stets des unvergleichlichen menschlichen und christlichen Erbes klar bewußt sein möge, das seinen Namen unter den Völkern berühmt gemacht hat. Möge es in den zivilen und religiösen Traditionen, die den Webfaden seiner Geschichte bilden, eine stets frische Quelle neuer Kräfte für weitere Fortschritte auf dem Weg der Kultur und des Friedens sehen. 2. Während ich diesen Wunsch ausspreche, gehen die Gedanken unwillkürlich zu der leuchtenden Gestalt jenes Sohnes der italienischen Erde, dessen der Kalender am heutigen Tage gedenkt: zum hl. Franz von Assisi! Dieser Gedanke verwandelt sich in einen Glückwunsch für Sie, Herr Präsident, der Sie den Namen dieses Heiligen tragen. Es ist ein Gedanke, der im weiteren Sinn alle Italiener einschließt. Schwerlich ließe sich eine andere Gestalt finden, die die Wesenszüge des italienischen Geistes auf ebenso reiche wie harmonische Weise verkörpert. In einer Zeit, in der die Entwicklung der freien Stadtrepubliken Prozesse der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Erneuerung auslöste, die die alte Welt des Feudalismus in ihren Grundfesten erschütterten, brachte Franziskus es fertig, sich zwischen den sich befehdenden Parteien zu erheben, um in voller Treue zur Kirche, als deren Sohn er sich fühlte, und in völliger Zugehörigkeit zu dem Volk, dem er sich verbunden wußte, das Evangelium des Friedens und der Liebe zu verkündigen. Freiheit, nicht Privilegien für die Kirche 3. Auf die faszinierende Gestalt des Heiligen aus Assisi möchte ich heute Bezug nehmen, Herr Präsident, weil ich in ihm den sicheren Befürworter 1522 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und gültigen Verfechter jener geistlichen Werte sehe, die die eigentliche Seele und den bleibenden Reichtum des italienischen Volkes bilden. Gewiß hat sich der Rahmen der sozialen Beziehungen und insbesondere jener der Beziehungen zwischen religiösen und weltlichen Instanzen, zwischen Kirche und Staat seit den Zeiten des Franziskus beachtlich verändert. Heute unterstreicht man mit Recht die Autonomie des Staates, in dem sich alle Staatsbürger trotz ihrer unterschiedlichen religiösen und ideologischen Überzeugungen voll erkennen können sollen. Desgleichen bekräftigt man heute mit neuem Bewußtsein die Freiheit der Kirche, die das II. Vatikanische Konzil als „das grundlegende Prinzip den Beziehungen zwischen der Kirche und den öffentlichen Gewalten sowie der gesamten bürgerlichen Ordnung“ (Dignitatis humanae, Nr. 13) bezeichnet. Heute jedoch nicht weniger als gestern müssen die politische Gemeinschaft und die Kirche, auch wenn sie „auf je ihrem Gebiet voneinander unabhängig und autonom sind“, sich bewußt sein, daß „sie beide, wenn auch in verschiedener Begründung, der persönlichen und gesellschaftlichen Berufung der gleichen Menschen dienen“ (Gaudium etspes, Nr. 76). Die Kirche ihrerseits ist voll davon überzeugt, daß sie, „indem sie die Wahrheit des Evangeliums verkündet und alle Bereiche menschlichen Handelns durch ihre Lehre und das Zeugnis der Christen erhellt“, zur Achtung und Förderung „auch der politischen Freiheit der Bürger und ihrer Verantwortlichkeit“ (ebd.) beiträgt. Wenn sie also ihre Freiheit geltend macht, tut sie das nicht in Verkennung der legitimen Zuständigkeiten der staatlichen Autorität, die sie ja gebührend anerkennt und respektiert. Mit Bekräftigung ihrer Freiheit will die Kirche keine Privilegien erlangen, sondern nur frei dem Wohl der Nation dienen können, wie ich anläßlich des Kirchentages von Loreto unterstrichen habe, als ich an den Beitrag erinnerte, „den die Kirche in Italien zum Aufbau der Gemeinschaft der Menschen“ leisten kann und soll, indem sie einen unerläßlichen Teil ihres Sendungsauftrages als Förderin der Einheit und Dienerin der Versöhnung erfüllt“ (Ansprache an die Teilnehmer des italienischen Kirchentages in Loreto, am 11. April, in: O.R. dt., 3. 5. 85, S. 5). Die einzige Sorge der Kirche ist der Schutz der Möglichkeit, sich in voller Unabhängigkeit von jedem irdischen Anspruch auf Christus und auf den Menschen berufen zu können: denn das sind die beiden „Pole“, zwischen denen sich ihr ganzes Wirken in der Welt und in der Geschichte vollzieht. Aber eben aufgrund dieser ständigen Bezugnahme auf den Menschen in seiner konkreten Existenz weiß die Kirche, daß ihr Weg dem anderer menschlicher Instanzen und insbesondere dem vom Staat durchlaufenen 1523 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Weg begegnen muß. Im Hinblick auf den Menschen und den zu seinem ganzen Wohl zu leistenden Dienst bietet die Kirche daher ihre Mitarbeit an und verlangt ihrerseits Zusammenarbeit: das natürlich unter getreuer Respektierung der gegenseitigen Unabhängigkeit und der jeweiligen Rollen. 4. Ein Gebiet, auf dem diese Zusammenarbeit heute besonders vielversprechende Aussichten zu bieten scheint, ist der Freiwilligendienst. Das Offensein für die Bedürfnisse des anderen, dadurch, daß man unentgeltlich seine Zeit und seine Kräfte zur Verfügung stellt, hat für den Christen sehr klare und bedeutsame, im Evangelium wurzelnde Begründungen. Das Beispiel Christi, der gekommen ist, „nicht um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen“ (Mt 20,28), hat in allen Zeiten der Geschichte das Herz der Gläubigen angesprochen und von ihnen Antworten erhalten, die auch bei denen Bewunderung weckten, die ihren Glauben nicht teilten. Das Zeugnis des hl. Franz von Assisi - um wieder auf ihn zu sprechen zu kommen - liegt genau auf dieser Linie des Dienstes, den er außerhalb jeder Aussicht auf menschliche Belohnung dem Bruder „freiwillig“ geleistet hat. Die gegenwärtigen sozialen Lebensbedingungen, die neuen Formen der Armut, die in weiten Bereichen der Bevölkerung auftretenden Bedürfnisse, die bis gestern unterschiedlich befriedigt worden sind, scheinen diese Form des Beitrages von seiten der Staatsbürger auch für die Strukturen des Staates besonders brauchbar zu machen. Es scheint daher sehr wichtig, daß die öffentliche Verwaltung die Bereitschaft und Verfügbarkeit, die sich bei einzelnen und bei Gruppen kundtut, zur Kenntnis nimmt, ihren Einsatz unterstützt, ihre Koordinierung mit den bereits angelaufenen Initiativen fördert, um dort, wo die Bedürfnisse am dringendsten sind, ein harmonisches Zusammenwirken zu fördern. Das setzt eine wirksame Achtung für die selbständige Kreativität der Kräfte voraus, die auf den Plan treten, denn die kennzeichnenden Werte des Freiwilligendienstes können nur in Freiheit gepflegt werden. Es ist, Herr Präsident, meine tiefe Überzeugung, daß der blühende Reichtum an Initiativen, die vom Freiwilligendienst auch in Italien gefördert werden, eines der ermutigendsten Zeichen für die Zukunft der Kirche und der Nation sind. Ich meinerseits will gern die volle Mitarbeit der von christlichem Antrieb beseelten Kräfte bei allem zusichern, was die staatlichen Strukturen passenderweise vor allem im Bereich der sozialen Dienste verfügen. Es ist zu wünschen, daß die wachsende Präsenz des Christen und des 1524 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bürgers auf dem weiten Gebiet des Sozialen in der Öffentlichkeit allmählich das Gefühl der Teilnahme und der Solidarität für die vielen Probleme reifen läßt, die nicht abgewälzt werden können, weil sie Probleme aller sind. Auf diese Weise wird der Freiwilligendienst als Erfahrung der Unentgeltlichkeit bei der Aufnahme des andern und bei der eigenen Hingabe zum Ansporn für die Veränderung, die häufig schon in der heutigen Situation der Benachteiligten und der Armen aus Liebe das vorwegnimmt, was ihnen die Gerechtigkeit erst in einer ungewissen Zukunft sicherstellen wird. 5. Ich habe, Herr Präsident, auf ein bestimmtes Gebiet der Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat hingewiesen. Die Zeit gestattet es nicht, die Aufmerksamkeit noch auf andere Bereiche zu lenken, in denen sich die Zusammenarbeit als nicht weniger nützlich und dringend erweist. Nicht wenige dieser Bereiche, wenn auch sicher nicht alle, werden übrigens mit verpflichtenden Direktiven im Abkommen vom 18. Februar 1984 genannt, das Abänderungen des Lateranvertrags formuliert und der Italienischen Bischofskonferenz eine wichtige Rolle zuerkennt. Man braucht hier nur hervorzuheben, daß die heutige Begegnung an sich eine bedeutende Bekundung des Willens darstellt, der die Autoritäten des Staates und der Kirche bei der ständigen Suche nach geeigneten Formen der Verständigung in allem, was die Förderung des Menschen und das Wohl des Landes betrifft, geleitet hat und leitet. Ich möchte wünschen — und ich bin sicher, damit auch Ihren Wunsch auszusprechen -, daß die kommenden Jahre diese Absichten auf ermutigende Weise bestätigen. Das italienische Volk wird sicher daraus Vorteile ziehen können. In der Treue zu dem reichen geistlichen Erbe, das es auszeichnet, wird es tatsächlich die Inspiration und Orientierung finden, um in Einheit und Eintracht die menschlichen Probleme der Gegenwart zu lösen und voll Zuversicht den Weg in seine Zukunft zu gehen, die, darum bitte ich Gott, glücklich und friedvoll sein möge. Das ist der Wunsch, den ich für alle Bürger dieses geliebten Landes und besonders für Sie, Herr Präsident, formuliere, der Sie mit einmütigem Beifall Ihre Mission im Dienst des geliebten italienischen Volkes angetreten haben. 1525 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Keine vergleichbaren Körperschaften Ansprache an die Gemischte Arbeitsgruppe der katholischen Kirche und des Weltrats der Kirchen am 5. Oktober Liebe Brüder und Schwestern, Mitglieder der Gemischten Arbeitsgruppe der katholischen Kirche und des Weltrats der Kirchen! Ich begrüße Sie im Namen unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,26). 1. Ich danke Ihnen ganz herzlich, daß Sie mich während Ihres Treffens in Riano besuchen. Ich schätze Ihren Besuch besonders hoch, weil sich in diesem Jahr die Errichtung der Gemischten Arbeitsgruppe zum zwanzigsten Mal jährt. Ich möchte mich Ihnen anschließen, wenn Sie Gott für das danken, was in dieser Zeit erreicht worden ist, und den Wunsch erneuern, auf den Wegen weiter voranzugehen, die er uns zeigen wird. Ich bin, wie Sie wissen, überzeugt von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit mit dem Weltrat der Kirchen und seinen Mitgliedskirchen und habe wiederholt gefordert, daß diese Zusammenarbeit, wann immer möglich, ausgeweitet werden sollte. Darum habe ich ja den Rat in seinem ökumenischen Zentrum in Genf im vergangenen Jahr besucht. Ich betrachte jenen Besuch als einen wichtigen Beitrag des Hirtenamtes, das mich in besonderer Weise in den Dienst der Einheit stellt. Ich würde gern sehen, daß der positive Impuls, der von jenem Besuch gegeben wurde, im Handeln zum Wohl unserer Zusammenarbeit und der ökumenischen Bewegung als ganzer umgesetzt wird. Während der vergangenen zwanzig Jahre hat die Gemischte Arbeitsgruppe ihre Aufgabe bescheiden und diskret in Angriff genommen, und das war wohl der Grund, daß ihre Bedeutung nicht voll gewürdigt wurde. Sie hat viel dazu beigetragen, die Zusammenarbeit lebendig zu erhalten und zu entwickeln, und sie hat das mit dem Vertrauen der zuständigen Vorgesetzten Stellen getan. Die Arbeit der Gruppe ist von der Art, daß man stolz sein darf, wenn man daran teilnimmt. Sie fordert Ihre besten Gaben heraus, Ihre Phantasie, Ihren Mut und ein tiefes Verantwortungsbewußtsein. Es ist ein Dienst, den Sie der gesamten ökumenischen Bewegung leisten, denn die Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und dem Weltrat der Kirchen hat für diese Bewegung eine sowohl praktische wie in hohem Maße symbolische Bedeutung. 1526 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Als die Gemischte Arbeitsgruppe eingerichtet wurde, wurde klar anerkannt, daß der Weltrat der Kirchen und die katholische Kirche keine vergleichbaren Körperschaften sind. Auf der einen Seite steht der Rat, der eine Gemeinschaft vieler Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften unterschiedlicher konfessioneller Traditionen ist. Auf der anderen Seite steht die katholische Kirche mit ihrer ganzen pastoralen Verantwortung als Kirche. Darum wirft diese Zusammenarbeit besondere Probleme auf. Außerdem haben ja die katholische Kirche und der Weltrat der Kirchen nicht zu allen Problemen dieselbe Einstellung. Notgedrungen ist dann die Art der Zusammenarbeit manchmal begrenzt. Das macht Ihre Aufgabe schwieriger, aber nicht unmöglich und nicht weniger wichtig. Es bedeutet, daß Sie mit den tatsächlich bestehenden Problemen unserer Trennung arbeiten, denen sich in Hoffnung und Entschlossenheit zu stellen die ökumenische Bewegung uns durch Gottes Gnade ermöglicht. Unter den verschiedenen Aspekten Ihrer Aufgabe steht an erster Stelle die Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Partnern auf der katholischen Seite und den verschiedenen Untereinheiten und Programmen des Rates. Ich sagte kürzlich, daß sich seit 1965 eine fruchtbare Zusammenarbeit „auf sozialem Gebiet und im Bereich der Suche nach Gerechtigkeit und Frieden, über die Probleme von Mission und Evangelisierung sowie hinsichtlich des Dialogs mit den anderen Religionen“ entwickelt hat {Ansprache an die Römische Kurie am 28. Juni 1985, in: O.R. dt., 5. 1. 85). Es muß in Ihrem Interesse liegen, aufgeschlossen für die Möglichkeiten zu sein und sie klug zu unterstützen. Eine Rolle hat die Gemischte Arbeitsgruppe auch beim Ausfindigmachen aussichtsreicher Gebiete für Studium und Forschung bei der Suche nach der Einheit zu spielen. Hier kann sie die bedeutsame Arbeit, die gemeinsam in der Kommission für Glaube und Kirchenordnung geleistet werden soll, unterstützen und ergänzen. Was die Zusammenarbeit als ganze betrifft, so muß die Gemischte Arbeitsgruppe sich immer auf die sichtbare Einheit konzentrieren, die das Ziel der ökumenischen Bewegung ist. Ebenso ist Gelegenheit, manche der allgemeinen Fragen und Probleme aufzugreifen, denen sich Christen in ihrer Sendung in der Welt gegenübergestellt sehen. Ohne wiederholen zu wollen, was bereits von den verschiedenen katholischen oder Weltkirchenratsbehörden geleistet worden ist, scheint auch noch Raum zu sein für eine systematischere ökumenische Erörterung von Fragen, wie die Weitergabe des Glaubens heute, das Wesen der Säkularisierung und seine Folgen, die Probleme der Kultur und des Weltfriedens. „Vor allem müssen wir dem Heiligen Geistes und der Weise, wie der 1527 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geist heute zu den Kirchen spricht (vgl. Offb 2, 7), immer gefügiger sein. Wir müssen in allen Dingen - und wo immer es möglich ist - darum besorgt sein, gemeinsam Zeugnis zu geben von Christus und seinem Evangelium in unserer Welt, die heute so reich an Möglichkeiten ist, aber auch von so vielen Übeln heimgesucht wird“ (ebd.). 3. Als die Gemischte Arbeitsgruppe gegründet wurde, sagte Kardinal Bea, daß eine ihrer Aufgaben der Dialog sei. Damit ist nicht nur die theologische Diskussion gemeint, die in der Kommission Glaube und Kirchenordnung stattfindet. Er bedeutet auch die dauernde Beziehung zwischen der katholischen Kirche und dem Weltrat der Kirchen, die wie alle Beziehungen eine ununterbrochene Kommunikation, Zeichen der Freundschaft und Höflichkeit, liebevolle Aufmerksamkeit füreinander, Interesse für die Freuden und Sorgen und wichtigen Ereignisse des andern erfordert. Diese Dimension des Dialogs kann unter dem Druck der täglichen Arbeit leicht übersehen werden, aber sie ist sicher in der heutigen Zeit noch notwendiger, wo die ökumenische Bewegung so bedeutende Fortschritte gemacht hat, daß wir uns einigen der wichtigsten Probleme, die uns voneinander trennen, stellen müssen. Nicht zuletzt wird die Gemischte Arbeitsgruppe zu einer Art Dolmetscher zwischen der katholischen Kirche und dem Weltrat der Kirchen werden; sie wird denen, die auf örtlicher Ebene arbeiten, darlegen, was sich auf internationaler Ebene tut; sie wird die ökumenische Bewegung einem breiteren Publikum nahebringen. Sie hat mittlerweile ein gewisses Maß an Weisheit gesammelt, die es ihr ermöglicht, von Zeit zu Zeit klare Äußerungen zu gewissen Aspekten der Zusammenarbeit oder der ökumenischen Bewegung zu machen. Ihre Rolle kann darin bestehen, die Phantasie anzuregen, Erläuterungen und Impulse zu geben und zu beraten, was die Schritte in Richtung Einheit stärken wird. Ich setze große Hoffnungen in Ihre Arbeit und ermutige Sie dazu. Ich bete zu Gott, daß er Ihnen die Sicht, die Ausdauer, die Geduld und den Einblick geben möge, die sie erfordert. Möge er Sie und Ihre Familien und alle, für die Sie verantwortlich sind, segnen. „Gnade sei mit euch und Friede in Fülle durch die Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn“ (.2 Petr 1, 2). 1528 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dank für „wertvolle Zusammenarbeit“ Ansprache an die Internationale Theologenkommission am 5. Oktober Herr Kardinal! Ehrwürdige Bischöfe! Hochwürdige Herren! Fünfzehn Jahre sind es nun her, seit die Internationale Theologenkommission von meinem Vorgänger Papst Paul VI. errichtet wurde. Das gibt dem Nachfolger des Apostels Petrus die willkommene Gelegenheit, den Kardinalpräsidenten, die Bischöfe und die anderen Mitglieder dieser Kommission mit Freude und ebensolcher Ehrerbietung zu begrüßen, Gott für die geleistete Arbeit zu danken und meine Wünsche für die nächsten fünf Jahre auszusprechen. Es scheint gut und angebracht, an das Vollbrachte zu erinnern und eine Betrachtung über diese Form der Zusammenarbeit zwischen dem Lehramt der Kirche und den Professoren und Pflegern der Theologie anzuregen. 1. Die in 15 Jahren durchgeführten Studien Diese fünfzehnjährige Arbeit der Internationalen Theologenkommission war, Gott sei Dank, nicht fruchtlos. „Die Gnade Christi war bei euch nicht vergeblich.“ Unter der Leitung von Kardinal Seper und Kardinal Ratzin-ger arbeiteten die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission im Zusammenwirken mit den verschiedenen Dikasterien der Römischen Kurie: dem Staatssekretariat, der Kongregation für die Glaubenslehre, der Bischofssynode, der Päpstlichen Kommission für die Familie, der Kommission „Justitia et Pax“ usw. a) In den Bereich der dogmatischen Theologie gehören sehr viele Studien und Veröffentlichungen: Angeführt seien die Studien über die Apostolizi-tät der Kirche, die Kollegialität, den berechtigten und den unberechtigten theologischen Pluralismus in der Kirche, die Beziehungen zwischen Lehramt und Theologen. Dreimal haben Sie zu Recht und treffend die Aufmerksamkeit auf „den Mittelpunkt unseres Glaubensbekenntnisses“, Christus, den Herrn, gelenkt. Diese Studien der Kommission sind bereits bekannt und publiziert: „Ausgewählte Fragen zur Christologie“ (1979), „Theologie, Christologie, Anthropologie“ (1981). Auf Anregung meines hochgeschätzten Lehrers und Freundes Rozycki haben Sie bereits die Untersuchungen über die menschliche Erkenntnis Jesu aufgenommen. 1529 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN b) Auf die Sakramententheologie bezieht sich, was Sie über das Priesteramt an sich und in seiner Verbindung mit dem gemeinsamen Priestertum aller Christen bereits zu Beginn der Arbeiten der Internationalen Theologenkommission im Zusammenhang mit der Synode von 1971 gesagt haben. Ebenso aus der Sicht der Synode haben Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die lehrhaften und seelsorglichen Aspekte des Sakraments der Versöhnung oder der Buße gelenkt. Lehrfragen über die christliche Ehe bildeten treffenderweise vor der Synode von 1980 den Gegenstand Ihrer Studien. c) Was die Moraltheologie betrifft, so haben Sie nach den Grundlagen der christlichen Praxis und ihren biblischen Quellen gefragt, wobei Sie auf dem Fortbestehen der sittlichen Normen des Neuen Testaments bestanden. Sie haben aufgezeigt, daß die Verantwortung der Bischöfe und aller Gläubigen einem doppelten Werk gelten muß: dem von Jesus Christus gewirkten Heil und der Förderung des Menschen. Zu dieser Förderung des Menschen haben Sie in den letzten Jahren drei Publikationen herausgebracht: 1) Thesen über die Förderung des Menschen und die Menschenrechte; 2) Buch über die aktuellen Aspekte dieser wichtigen Frage in Zusammenarbeit mit der Päpstlichen Kommission „Justitia et Pax“; 3) Beiträge verschiedener Mitarbeiter in der Zeitschrift „Gregorianum“. Bei der letzten Sitzung dieses Jahres schließlich haben Sie das Studium ausgewählter Themen der Ekklesiologie abgeschlossen, die sich in dieser Zeit nach dem Konzil als besonders dringend erwiesen haben, wie z. B. die Frage der Gründung der Kirche durch Jesus Christus, der Kirche als „neues Volk Gottes“, der Kirche als „Mysterium“ und „geschichtliches Subjekt“, die Beziehung zwischen den Teilkirchen und der Universalkirche, die Frage des eschatologischen Charakters der Kirche oder über Reich und Kirche. Der hochwürdigste Herr Kardinal Joseph Ratzinger, Präsident Ihrer Kommission, teilte mir mit, daß der endgültige Text dieser Studie gebilligt sei und daher veröffentlicht werden könne. Noch ein weiteres Thema von Bedeutung haben Sie in diesem Zeitraum in Angriff genommen, nämlich „Über das menschliche Bewußtsein Christi“. Der Text dieser Untersuchung ist von seiten der Kommission bereits gebilligt worden. 2. Glückwunsch und Ermutigung Angesichts des gegenwärtigen Standes der effektiven Arbeit aller Mitglieder, Experten, Mitarbeiter während der vergangenen 15 Jahre möchte ich 1530 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ein paar Worte des Denkes und der Ermutigung sagen. Das ganze Leben Ihres Verstandes und Geistes spielt sich im theologischen Zustand vor allem des Fragens, der Anwendung wissenschaftlicher Methoden und des Einsicht fordernden Glaubens ab. Es gibt verschiedene Gnadengaben, Dienste, Kräfte - schrieb der Völkerapostel an die Korinther (1 Kor 12,4-7), „aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“. In dieser Aufzählung der Gnadengaben, Dienste und Kräfte scheinen mir gewissermaßen bereits die Verschiedenheit und die enge Zusammenarbeit bestätigt zu sein, die zwischen dem Lehramt und den Theologen herrschen muß. „Gott hat in der Kirche die einen als Apostel eingesetzt.“ Die Nachfolger des Petrus und der übrigen Apostel übernahmen die einzige pastorale Verantwortung in der Kirche. Gewiß müssen diese Ämter im Geist der Diakonie ausgeübt werden, wie das II. Vatikanische Konzil schrieb, nämlich von Dienern des Gottesvolkes, so wie Christus, der Herr, Diener alle war. Aber der Herr selbst spricht auch von seiner Macht (vgl. Mt 28,18), er teilt sie den Aposteln und ihren Nachfolgern ebenso mit wie die Verantwortung und Autorität, zu lehren und Jünger zu leiten. Gewiß gibt es Mitarbeiter und Helfer der Apostel, des römischen Papstes und der Bischöfe, wie das ja bereits aus den Paulusbriefen klar hervorgeht. Oft, aber nicht immer werden sie „Presbyter“ genannt. Manchmal ist auch die Rede von „Lehrern“ (1 Kor 12,28). Diese Hilfe und wertvolle Zusammenarbeit wird wohl, was die Theologen betrifft, vorherverkündet, wenn Paulus im ersten Korintherbrief von den Lehrherren spricht. In diesem Sinne grüße ich als Nachfolger des Apostels Petrus die Lehrer der theologischen Wissenschaft. Ihnen und im besonderen der Internationalen Theologenkommission danke ich und segne sie aus ganzem väterlichem Herzen. Mögen auch Ihre künftigen Forschungsarbeiten erfolgreich und fruchtbar sein. 1531 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Den Glauben mutig verteidigt Ansprache an die Teilnehmer der 4. Synode der ukrainischen Bischöfe am 5. Oktober Herr Kardinal! Ehrwürdige Brüder! 1. Aus tiefstem Herzen begrüße ich Herrn Kardinal Myroslaw Iwan Lubachiwsky, Großerzbischof der Ukrainer von Lemberg, und alle Hierarchen der ukrainisch-katholischen Kirche, die sich hier in Rom beim Grab des Apostelfürsten Petrus zu ihrer 4. Bischofssynode eingefunden haben. Entsprechend den Satzungen der Synode seid ihr zu gemeinsamen Beratungen zusammengekommen, die sich mit den wichtigen Problemen der ukrainisch-katholischen Kirche, die bereits seit 400 Jahren fest mit diesem Apostolischen Stuhl verbunden ist, beschäftigen. Die Gemeinschaft eurer Kirche mit der Universalkirche um den Nachfolger Petri steht am Beginn der fruchtbaren Entwicklung, die sie im Laufe ihrer Geschichte erlebt hat. Bei den Unionsbemühungen des 16. Jahrhunderts hat eure Kirche eine äußerst wichtige Rolle gespielt. Darauf könnt ihr mit Recht stolz sein, und zugleich muß es euch zu immer engerer Verbundenheit mit dem Stuhl Petri anspornen. Auch heute ersehnt die Kirche glühend die Einheit der Christen. Das Zweite Vatikanische Konzil, das wir bei der bevorstehenden außerordentlichen Bischofssynode wieder zum Leben erwecken wollen dadurch, daß wir seinen Geist und seine Lehren verwirklichen, hat in der Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft zwischen allen Christen eine der Hauptaufgaben der Kirche gesehen; und es hat konsequenterweise die Richtlinien angegeben, die auf dem Weg zu diesem Ziel zu befolgen sind. Wir vergessen nicht voll tiefem Schmerz, daß die Kirche, die ihr auf dieser Synode vertretet, wegen ihrer Zugehörigkeit zur katholischen Kirche, zur Gemeinschaft Petri, ungerecht behandelt und verfolgt wurde und wird. Diese schmerzlichen Prüfungen sind meinen Vorgängern auf dem Apostolischen Stuhl stets gegenwärtig gewesen, und ich spüre sie tief in meinem Herzen. Darum habe ich wiederholt den Wunsch ausgesprochen, daß die genannte katholische Gemeinschaft sich der religiösen Freiheit erfreuen könne, auf die sie ebenso wie andere religiöse Bekenntnisse ein 1532 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Recht hat. Und so haben die Vertreter des Hl. Stuhls bei verschiedenen Sitzungen der Konferenz von Helsinki für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa gefordert, daß ihr von seiten des Staates die Existenzberechtigung zuerkannt werde. Es ist unser gemeinsamer Schmerz, für euch, Brüder im Bischofsamt, und für mich, euren Bruder, den ersten Papst slawischer Herkunft. Von daher rührt meine besondere Sorge um die Rettung jeder einzelnen Seele in der Heimat des hl. Wladimir und draußen - in der Diaspora. Der Apostolische Stuhl hat diese Sorge in vielfältiger Weise bewiesen, als er - in den Ländern von Nord- und Südamerika, in Australien, in Frankreich, Großbritannien und Deutschland - die Eparchien und Exarchate schuf, die ihr auf dieser Synode vertretet. Aber man kann beim Aufbau der künftigen Geschichte der ukrainischen Kirche nicht von den Wurzeln, aus denen sie entstanden ist, und von den herausragenden, berühmten Hierarchen dieser Kirche absehen. Ehrwürdige Brüder! „Es ist unerläßlich, zur Vergangenheit zurückzukehren, um in ihrem Licht die konkrete Gegenwart zu verstehen und in die Zukunft auszuschauen. Die Sendung der Kirche ist nämlich immer mit unerschütterlicher Hoffnung auf die Zukunft hin orientiert und ausgerichtet“ (Slavorum Apostoli, Nr. 31). Eines Tages wird, so hoffen wir - und dafür beten wir in der Aufopferung unseres gemeinsamen, eures und meines Schmerzes -, der Tag kommen, an dem die volle Gemeinschaft zwischen allen Söhnen und Töchtern des hl. Wladimir das Licht erblicken kann. 2. Und sollte man sich nicht des bedeutsamen Ereignisses erinnern, das eure Geschichte prägte, als im Jahr 1595 ukrainische Bischöfe die berühmte Erklärung über die Notwendigkeit der Wiederherstellung der Gemeinschaft des Metropolitansitzes von Kiew mit dem Hl. Stuhl erließen? Gleich danach traten der Bischof von Luck, Exarch des Patriarchen von Konstantinopel, Kyrillus Terletzkyj, und der Bischof von Wolodomyr, Ipozio Potij, als Vertreter der anderen Bischöfe die Reise nach Rom an, um dem Nachfolger Petri persönlich zu bekunden, daß die ukrainische Kirche zur Union bereit sei. 3. Mein Vorgänger Clemens VIII. verkündete mit der Päpstlichen Bulle Magnus Dominius et laudabilis nimis diese tröstliche Nachricht. 1533 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aus dem Apostolischen Schreiben Benedictus sit pastor vom 7. Februar 1596 geht klar hervor, mit welcher Freude und welchem Bangen zugleich die Kirche von Rom die ukrainische Nation in ihren Schoß aufnahm. Union mit der lateinischen Kirche In diesem Brief erklärte der römische Papst - nachdem er dem Herrn, dem Spender alles Guten, für die erreichte Union gedankt hat -, daß die Traditionen der ukrainischen Kirche und ihre legitimen Riten ohne jede Veränderung beibehalten werden sollten. Am Ende fordert er die Bischöfe auf, die Synode der ganzen Kirchenprovinz einzuberufen und dort offiziell die Union der Ukrainer mit der katholischen Universalkirche zu verkünden. 4. Diesem großen Ereignis verdanken wir heute die Existenz und die Entfaltung eurer Kirche mit ihren vielfältigen heilsamen Aktivitäten nicht nur in der Ukraine, sondern auch in vielen anderen Regionen der Welt. Ihr, ehrwürdige Brüder, seid ja auch dieses Mal zusammengekommen, um wichtige kirchliche Probleme allgemeiner und besonderer Art zu prüfen und über sie nachzudenken. 5. Eure aufmerksamen Sorgen und Überlegungen gelten diesmal einem besonderen Ziel, nämlich der würdigen Feier des tausendjährigen Bestehens des Christentums in der russischen Ukraine. In drei Jahren soll das große Jahrtausendjubiläum des Christentums in eurem Volk begangen werden. Euer ruhmreicher Fürst Waldemar, der mit Recht als Förderer und Urheber der Bekehrung der Rus zum christlichen Glauben gefeiert wird, blieb, auch wenn er die liturgischen Riten und heiligen Zeremonien vom Osten übernommen hat, nicht nur bis zuletzt in der Einheit der katholischen Gesamtkirche, sondern war voll Eifer bestrebt, freundschaftliche Beziehungen zwischen dem Apostolischen Stuhl und seinem Staat zu unterhalten. Den ältesten Traditionen der ukrainischen Kirche entsprechend, verhielt sich der Metropolit Isidor von Kiew, als er 1439 auf dem Konzil von Florenz das Dekret Unterzeichnete, mit dem die byzantinische Kirche die Union mit der lateinischen Kirche beschloß. 6. Aber auch in jüngerer Zeit fehlte es nicht an Gelegenheiten, daß Bischöfe und Priester mit ihrer Herde ihre Seelenstärke bewiesen, am 1534 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN katholischen Glauben festzuhalten, indem sie die Freiheit der Kirche verteidigten. Wir wollen hier an die asketische Gestalt des Metropoliten Andreas Szeptyckyi erinnern. Als der Erste Weltkrieg wütete, wurde er von seinem Bischofssitz vertrieben und in den äußersten Osten Europas verbannt. Dort verbrachte er lange Zeit unter strenger Bewachung und hatte keinen anderen Wunsch, als seine Treue und Ergebenheit gegenüber dem Apostolischen Stuhl zu bekunden; er war bereit - sollte sich die Möglichkeit ergeben -, mit der Gnade Gottes für die Bewahrung des Glaubens und für seine Herde auch das Martyrium zu erleiden. Seinem Beispiel sind dann im Laufe der letzten vierzig Jahre alle Bischöfe der Westukraine, an der Spitze Kardinal Josyf Slipyj seligen Andenkens, gefolgt. Seiner vortrefflichen Persönlichkeit gedenken wir heute, am ersten Jahrestag seines Todes, mit besonderer Liebe und Verehrung. 7. Unterdessen, liebe Brüder, stärke euch bei eurer Arbeit und in euren Sorgen das Wort des Völkerapostels: „Das Wort ist glaubwürdig: Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben; wenn wir standhaft bleiben, werden wir auch mit ihm herrschen; wenn wir ihn verleugnen, wird auch er uns verleugnen. Wenn wir untreu sind, bleibt er doch treu, denn er kann sich selbst nicht verleugnen“ (2 Tim 2,11-13). Diese Ermutigung an uns, liebe Brüder, können wir nicht besser bekräftigen und vollenden als durch die Mahnung desselben Völkerapostels: „Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark!“ (7 Kor 16,13). Gebt ein mutiges Zeugnis von eurem Glauben vor all denen, die ihn ins Wanken bringen wollen, „und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält. Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist“ (Eph 4,3-4). Denkt daran, Brüder, daß „für die volle Katholizität jedes Volk, jede Kultur im universalen Heilsplan eine eigene Aufgabe zu erfüllen hat. Jede besondere Tradition, jede Ortskirche muß offen und empfänglich bleiben für die anderen Kirchen und Traditionen und zugleich für die universale und katholische Gemeinschaft; wenn sie in sich verschlossen bliebe, würde sie sich der Gefahr aussetzen, auch selber zu verarmen“ (Slavorum Apostoli, Nr. 27). Und in vollem Vertrauen zu euch, daß ihr mutig und mit Freude auf diese unsere Aufforderung mit Hilfe der göttlichen Gnade antworten werdet, wünschen und erbitten wir vom Vater des Erbarmens und dem Gott allen Trostes für euch und für eure Kirche bessere und ruhigere Zeiten. 1535 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nachdem ich euch einige meiner Gedanken dargelegt habe, halte ich es, bevor ich schließe, für angebracht, allen Mitbrüdern im Bischofsamt für den Beitrag zu danken, den sie bei der Durchführung dieser 4. Synode der ukrainisch-katholischen Kirche geleistet haben. Und zugleich erteile ich aus überstömendem Herzen euch allen und euren Gläubigen und besonders den Priestern, Mönchen und Nonnen meinen Apostolischen Segen. „ Töchter jener Pilgerin der Hoffnung“ Ansprache an die internationale Familie der Mary-Ward-Schulen anläßlich des 400. Geburtstages der Ordensgründerin am 5. Oktober Liebe Freunde! Liebe, junge Leute! Ich weiß, daß ihr euch auf diese Begegnung gefreut habt. Auch der Papst hat sich darauf gefreut. So wollen wir gemeinsam unserem Vater im Himmel für den Glauben und das christliche Leben danken, das uns in der Kirche, dem Leib Christi, vereint! Ich bin sehr glücklich, daß ihr des 400. Geburtstages von Mary Ward mit dieser Pilgerfahrt nach Rom gedenkt. Das ist für euch eine Gelegenheit, den besonderen Geist besser kennenzulernen, der die internationale Familie der Mary-Ward-Schulen beseelt. Es ist auch eine Gelegenheit für euch, über das Leben und Werk dieser großen Frau nachzudenken, die die Anforderungen ihres Lebens als treues Glied der Kirche so gut mit den neuen Erfordernissen der Zeit, in der sie lebte, in Einklang zu bringen wußte. Ich bete auch dafür, daß euch euer Besuch in Rom eine tiefere Liebe zur Kirche als der universalen Familie der Jünger Christi schenken möge. <239> <239> Meine Freunde, ihr steht in jener wundervollen Lebenszeit, die man Jugend nennt. Diese Jahre eures Lebens sind eine wichtige Phase in eurer persönlichen Geschichte sowie in der Geschichte eurer Familien und der Gesellschaft. Wir stehen im Internationalen Jahr der Jugend. Am Palmsonntag schrieb 1536 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ich euch und der Jugend der ganzen Welt einen Brief über eure besondere Rolle und Verantwortung in diesem Augenblick der Geschichte und über die Lebens- und Liebesbotschaft Christi an die jungen Menschen: „In euch liegt Hoffnung, weil ihr zur Zukunft gehört, wie die Zukunft euch gehört“ (An die Jugend in der Welt, Nr. 1). Mit diesen Worten wollte ich euch, junge Leute, einladen, die großen Herausforderungen zu erkennen, die vor euch liegen, wenn ihr vorhabt, eure Gesellschaft und die ganze Menschheitsfamilie auf den Wegen des Fortschritts, der Gerechtigkeit und des Friedens zu führen. Ich wollte auch darauf hinweisen, daß euer Erfolg dabei davon abhängen wird, wie weit ihr eure Herzen der Wahrheit und Liebe unseres Herrn Jesus Christus öffnet. 2. Wenn ihr euch fragt, über welche Mittel, über welche Ideale, Werte und Wahrheiten ihr verfügt, um euch den Verantwortlichkeiten des Jahres 2000 zu stellen und das dritte Jahrtausend in diesem Geist universaler Brüderlichkeit zu beginnen, dann müßt ihr euch dem Thema dieses internationalen Treffens zuwenden: „Siehe, ich gehe euch voraus.“ Ja, Christus geht euch voraus, um euch den Weg zu zeigen! Diese Worte erinnern uns an den auferstandenen Herrn. Sie erinnern an die Botschaft des Engels an die Frauen am Grab: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat . . . Seht ... er geht euch voraus nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen“ (Mt 28,5-7). Der hl. Lukas sagt es noch deutlicher. Seinem Bericht nach fragten die Engel die Frauen: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ (Lk 24,5). Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Ja, Christus lebt noch. Sein Tod und seine Auferstehung, die ihm Macht über Sünde und Tod gaben, sind die eigentliche Quelle unserer Hoffnung. Sie bezeichnen den Eckstein des christlichen Lebens- und Geschichtsbildes. Dabei handelt es sich um eine ihrem Wesen nach optimistische Sicht, weil sie an unsere Fähigkeit glaubt, uns für das Gute anstatt für das Böse, für den Frieden anstatt für Gewalt und Haß zu entscheiden. Um die Macht Christi kennenzulernen und an seiner Heilssendung teilzuhaben, müssen wir ihm natürlich in Offenheit und Vertrauen nahekommen. Euer Besuch in Rom hat euch Gelegenheit gegeben, am Grab des hl. Petrus zu beten. Wer war dieser Petrus? Die Evangelien erzählen uns, daß er ein einfacher Fischer aus einem kleinen Dorf in Galiläa war. 1537 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eines Tages fragte Jesus die Jünger, was die Leute über ihn redeten, wer er sei. Nachdem sie verschiedene Antworten gegeben hatten, fragte Jesus sie direkt: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ {Mt 16,15). Petrus antwortete: ,jDu bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Petrus war der erste der Jünger, der diesen ausdrücklichen Akt des Glaubens an Jesus setzte. Auf diesen Glauben als einen Felsen hat Jesus die Kirche gebaut - die Gemeinschaft derjenigen,.die ihren Glauben an Christus bekennen und gemäß seinen Lehren löben. Der Glaube des Petrus ist ein Vorbild für ..eure in Offenheit und Vertrauen gegebene Antwort an Christus. 3. Junge Menschen der Mary-Ward-Schulen, bevor ihr Rom verlaßt und nach Hause zu euren Familien zurückkehrt, habt den Mut,. Jesus Christus eure Antwort zu geben! Er wird euch nicht im Stich lassen. So wie er Mary Ward nicht im Stich gelassen hat. Wie groß aueb die Schwierigkeiten waren, die sie durchmachen mußte - schlechter Gesundheitszustand, gefahrvolle Reisen, Einkerkerung, vor allem aber selbst von bedeutenden Leuten in der Kirche mißverstanden zu werden -, sie verlor bei alldem niemals ihr Vertrauen und ihre gute Laune. Und seht, wie fruchtbar ihr Leben gewesen ist! Und alles, weil sie ihr ganzes Leben auf die Freundschaft mit Jesus gebaut hatte. Den Mitgliedern, der Institute, deren Gründerin diese „unvergleichliche Frau“ - wie Papst Pius XII. sie nannte - ist, möchte ich meine Grüße und meine Wertschätzung zum Ausdruck bringen. Die ganze Kirche bewundert die Arbeit, die ihr in der Erziehung der Jugend und in anderen Formen des Apostolats in verschiedenen Teilen der Welt leistet. Als Mitglieder des Instituts der seligen Jungfrau Maria, des Instituts der seligen Jungfrau Maria von Loreto und des Instituts der seligen Jungfrau Maria von Toronto findet ihr im Charisma eurer Gründerin die Weisheit und Einsichten, die nötig sind, um fortzufahren in der Sendung, die Christus euch anvertraut hat. Lebt weiterhin eure Berufung in Freude und Demut als wahre Töchter jener Pilgerin der Hoffnung, deren bleibender Schatz das Gnadenleben in ihr war, aus dem sie die Kräfte für eine Aufgabe gewann, die wegen ihrer Dynamik und ihres Unternehmungsgeistes vielen ihrer Zeitgenossen ungewöhnlich und unerklärlich schien. Möge die selige Jungfrau Maria Fürsprache für .eure Institute einlegen, damit sie mit neuen Mitgliedern blühen und in zunehmendem Maße das Zeugnis der Heiligkeit und des Eifers geben! Euch allen und euren Familien und Freunden daheim sage ich: Seid stark, 1538 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seid glücklich in eurem Christenleben! Macht unseren Herrn Jesus Christus zu eurem besten Freund! Gott segne euch! In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder der weltweiten Maria-Ward-Familie! Zu Ehren dieser großen Frau und Ordensgründerin aus England habe ich mich zuerst in englischer Sprache an euch gewandt. Dabei vertraue ich darauf, daß die überaus große Gruppe unter euch aus Deutschland und Österreich meine Worte ebenfalls verstanden hat, weil ihr die englische Sprache gewiß gut beherrscht. Wie zahlreiche andere vorbildliche und heiligmäßige Christen der Vergangenheit hat Maria Ward die engen Grenzen ihrer eigenen Nation überschritten und auch in anderen Kulturen und Sprachen ihr fruchtbares Wirken entfaltet. Auf der Grundlage eines starken Vertrauens in Gottes Führung und in die weltweite Sendung der Kirche hat ihr Erziehungswerk auch in fremden Ländern Heimat gefunden und so auch dort die Botschaft Christi unermüdlich weitervermitteln können. Diese großen Christen haben der Kirche Jesu Christi einen wichtigen Dienst erwiesen: Sie haben ihr konkret geholfen, Menschen verschiedenster Sprachen und Kulturen auf den Weg der Gotteskindschaft zu führen und sie über alle Grenzen und Schranken hinaus zu einen. Auf diese Weise konnte und kann die Kirche immer wieder wahrhaft katholisch werden, allumfassend und offen für jeden, der Gott ehrlichen Herzens sucht und die erprobten Wege zu ihm hin beschreitet. Euch jungen Menschen wünsche ich von Herzen, daß euch das Leben und Lernen in euren Schulen hilft, diese große Weite und Offenheit zu erwerben. Sie ist ja zugleich auch Voraussetzung für wahren Frieden und echte Gerechtigkeit unter den Menschen. Unser Herr Jesus Christus segne euch auf die Fürsprache seiner Mutter Maria; er segne euren Alltag und eure Feste, eure Sorgen und eure Freuden, eure Hoffnungen und eure Ängste. Er sagt auch euch allen und jedem einzelnen: „Ich gehe euch voraus.“ 1539 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeugnis geben von der Liebe Gottes Predigt bei der feierlichen Seligsprechung von Diego Luis de San Vitores, Jose Maria Rubio und Francisco Gärate aus der Gesellschaft Jesu in St. Peter am 6. Oktober 1. „Ich stehe vor der Tür und klopfe an“ (Offb 3,20). Jesus Christus, „der treue und zuverlässige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes“ (Offb 3,14), steht vor der Tür und klopft an. Jesus Christus, den der Vater gesalbt und gesandt hat, damit er den Armen gute Nachricht bringe und alle heile, deren Herz bedrückt ist, und die Befreiung verkünde . . . (vgl. Jes 61, 1). Jesus Christus, das wahre Weizenkorn, das, nachdem es in die Erde gefallen und gestorben ist, reiche Frucht bringt (vgl. Joh 12,24). Heute sind auch wir aufgerufen, Zeugen dieser Frucht zu sein. 2. Jesus Christus: Alle Lesungen der heutigen Liturgie sprechen direkt von ihm, von seiner Person und seinem Geheimnis. So hat er vor der Tür jenes Mannes haltgemacht, der Ignatius von Loyola hieß, und hat bei seinem Herzen angeklopft. Wir alle sind dieses Anklopfens eingedenk. Sein Widerhall ist noch immer in der über fünf Kontinente verbreiteten Kirche zu vernehmen. Jesus Christus, der treue und zuverlässige Zeuge: Eine Frucht dieses Zeugnisses war der neue Mensch in der Geschichte des Ignatius von Loyola. Später war es eine große neue Gemeinschaft, die Societas Iesu, die Gesellschaft Jesu. Heute sind wir eingeladen, uns der Früchte zu erinnern, die von dieser Gemeinschaft im Laufe von mehr als 400 Jahren erbracht worden sind; der Missionen, der Wissenschaft, der Erziehung, der Seelsorge. Vor allem aber der Früchte, die der Heiligkeit des Lebens der geistlichen Söhne des Heiligen von Loyola zu verdanken sind. Heute werden zu denen, die die Kirche zur Ehre der Altäre erhoben hat, die drei Diener Gottes Diego Luis de San Vitores, Jose Maria Rubio und Francisco Gärate hinzugefügt. 3. Die drei neuen Seligen wurden in Spanien geboren, einer Nation, die sich durch die Verkündigung des Evangeliums und auch durch die Lebenskraft ihres katholischen Glaubens so sehr ausgezeichnet hat. Mehrere Diözesen und Städte fühlen sich durch ihre Verknüpfung mit 1540 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN diesen erwählten Gottesmännern geehrt: Burgos ist die Geburtsstadt von Pater San Vitores, dem Verkündiger des Glaubens auf den Marianen; Pater Rubio wurde in Dalias (Almeria) geboren und übte sein Apostolat vor allem in der spanischen Hauptstadt aus, wo er als der „Apostel von Madrid“ bekannt war; Bruder Gärate stammt von einem Bauernhof in unmittelbarer Nähe des Schlosses Loyola in der Pfarrei Azpeitia (Guipuz-coa) und verbrachte den Großteil seines Lebens in Deusto (Bilbao). Was ist die Botschaft dieser drei Seligen an den heutigen Menschen? Wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf die tiefsten Wurzeln ihres Lebens lenken, sehen wir, daß diese drei Vorbilder der Heiligkeit wie durch ein gemeinsames Element verbunden sind: das völlige und hochherzige Offensein für Gott, der zu ihnen sagt: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir“ {Offb 3,20). „Wir öffnen unsere Tür, um ihn aufzunehmen, wenn wir beim Hören seiner Stimme aus freien Stücken seinen offenkundigen oder verborgenen Aufforderungen nachkommen und uns mit Eifer den Aufgaben hingeben, die er uns anvertraut“ (Beda Venerabilis, Hom. 21). Tatsächlich verbindet die bereitwillige und hochherzige Antwort der drei Seligen auf den Ruf Gottes die verschiedenen, aber zugleich einander ergänzenden Aspekte ihrer als Mitglieder der Gesellschaft Jesu gelebten Ordensberufung. 4. Diego Luis de San Vitores Alonso vernahm bereits in ganz jungen Jahren in sich eine Stimme, die ihn fesselte und zugleich anspornte. Er fühlte sich von Christus angezogen, dem zur Erlösung der Menschen vom Vater ewig Gesandten, der in ihm das Verlangen weckte, als Werkzeug seiner Heilssendung in ferne Länder zu gehen. In den Ohren Diegos fanden die Worte des Herrn in der Synagoge von Nazaret Widerhall: „Der Herr hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Lk 4,18; Jes 61,1). Jesus steht vor der Tür und klopft an; seine Stimme wird immer klarer und eindringlicher in dem edelmütigen Herzen des jungen Mannes, der sich Gott öffnet und zum Eintritt in die Gesellschaft Jesu entschließt, womit er auf eine glänzende Zukunft verzichtet, die ihm seine persönlichen Anlagen und die gesellschaftliche Stellung seiner Familie verschafft hätten. In Gebet und innerer Einkehr betrachtet seine Seele den „Jesus, der durch alle Städte und Dörfer zog, in den Synagogen lehrte und das Evangelium vom Reich verkündete“ {Mt 9,35), und bittet den Herrn um die Gnade, „daß er nicht taub sei für seinen Ruf, sondern schnell und 1541 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bereit, seinen heiligsten Willen zu erfüllen“ (Ignatius von Loyola, Geistliche Übungen, 91). Der junge Ordensmann klopft an die Tür seiner Obern, damit sie ihn in die Missionen im Fernen Osten entsenden, wo er die Frohbotschaft Christi den Völkern verkünden will, die sie noch nicht kennen. Nach einer langen und anstrengenden Fahrt nach dem Osten, die ihn über Mexiko führte, erreichte er die Philippinen, wo er fünf Jahre blieb, bevor er auf die Marianen entsandt wurde. Im Juni 1668 erreichten P. San Vitores und seine Jesuitengefährten den Archipel und errichteten auf der Insel Guam das Zentrum ihrer künftigen Missionsarbeit. Sein apostolischer Eifer und die völlige Hingabe an diese Menschen, die der geistlichen und menschlichen Förderung bedurften, kennzeichneten die Jahre dieses vorbildlichen Missionars, der in Nachfolge der Worte des Meisters: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13), sein Blut als Opfergabe vergoß, während er Gott bat, denen zu vergeben, die seinen Tod verschuldet hatten. Das Leben dieses neuen Seligen war gekennzeichnet von der vollen Bereitschaft, dorthin zu eilen, wohin Gott ihn rief. Er spricht mit aktuellen und eindringlichen Worten zu den heutigen Missionaren über die Haltung der Offenheit und Bereitschaft, auf die Forderungen des Gebotes zu antworten: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Junge Menschen, die ihr mich hört oder diese Botschaft empfangt: Öffnet euer Herz dem Herrn, der vor der Tür steht und anklopft (vgl. Offb 3,20)! Seid hochherzig wie der junge Diego, der alles verließ und zum Pilger und Missionar in fernen Ländern wurde, um den Menschen Zeugnis zu geben von der Liebe Gottes. 5. Jose Maria Rubio y Peralta, der „Apostel von Madrid“. Sein Leben als treuer Jünger Christi lehrt uns, daß es die Haltung des Gehorsams und der Demut gegenüber dem Handeln Gottes ist, die den Christen auf dem Weg zur Vollkommenheit weiterkommen läßt und ihn zu einem wirksamen Werkzeug der Erlösung umformt. Ihr wißt alle, daß P. Rubio im Beichtstuhl und von der Kanzel eine große apostolische Aktivität entfaltete. Sein ausgesprochenes Feingefühl als Seelenführer ließ ihn den passenden Rat, das richtige Wort, die manchmal anspruchsvolle Buße finden, die während jahrelanger geduldiger Arbeit im stillen Apostel, Männer und Frauen aus allen Gesellschaftsschichten, heranbildete, die in vielen Fällen zu seinen Mitarbeitern in den von ihm 1542 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN inspirierten und geleiteten Werken der Wohltätigkeit und christlichen Nächstenliebe wurden. Er bildete engagierte Laien aus, denen gegenüber er gern seinen bekannten Ausspruch wiederholte: „Du mußt damit beginnen!“, um sie zu ermutigen, als Christen in die Elendsviertel am Stadtrand des Madrid der Jahrhundertwende zu gehen, wo er Schulen gründete und den Kranken, Alten und Arbeitslosen beistand. Seine innige Verbundenheit mit Christus, besonders im Sakrament der Eucharistie, und seine Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu führten ihn in die Vertrautheit mit dem Herrn und sein Denken und Fühlen ein (vgl. Phil 2,5 ff.). In dem beispielhaften Weg seines Lebens erscheint dieser berühmte Sohn des hl. Ignatius dem heutigen Menschen als ein echter „zweiter Christus“, ein Priester, der den Nächsten von Gott her sieht und darum die Fähigkeit besitzt, den anderen etwas mitzuteilen, was denen Vorbehalten ist, die in Christus leben. 6. Die Botschaft der Heiligkeit, die Bruder Francisco Gärate Aranguren uns hinterlassen hat, ist so einfach und klar, wie sein opferreiches Leben als Ordensmann an der Pforte der Universität in Deusto war. Seit seiner Jugend öffnete Francisco nach und nach sein Herz Christus, der an seine Tür klopfte und ihn einlud, sein treuer Jünger, sein Freund zu sein. Wie die Jungfrau Maria, die er wie eine Mutter zärtlich liebte, antwortete er mit Hochherzigkeit und grenzenlosem Vertrauen auf den Ruf der Gnade. Bruder Gärate erlebte seine Ordensweihe als radikale Öffnung für Gott, dessen Dienst und Ehre er sich weihte (vgl. Lumen gentium, Nr. 44) und von wo er die Inspiration und Kraft empfing, allen seine große Güte zu bezeigen. Das konnten sehr viele Personen bestätigen, die durch die Pforte des „liebenswürdigen Bruders“, wie er liebevoll genannt wurde, in der Universität von Deusto gingen: Studenten, Professoren, Angestellte, Väter der Studenten, kurzum Leute aller Schichten und jeden Ranges, die in Bruder Gärate die liebenswürdige und lächelnde Haltung eines Mannes sahen, der sein Herz in Gott verankert hat. Er gibt uns ein konkretes und aktuelles Zeugnis vom Wert des inneren Lebens als Seele jedes Apostolats und auch der Ordensweihe. In der Tat, als er sich Gott hingegeben und sein Leben in ihm seinen Mittelpunkt gefunden hat, lassen die apostolischen Früchte nicht auf sich warten. Von der Pforte eines Studienzentrums aus machte dieser Laienbruder der Gesellschaft Jesu die Güte Gottes durch die evangelisierende Kraft seines stillen und demütigen Dienstes gegenwärtig. 1543 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Was haben die drei Seligen, die wir heute lobpreisen und die die Liturgie „die Eichen der Gerechtigkeit, die Pflanzung, durch die der Herr seine Herrlichkeit zeigt“ (Jes 61,63), nennt, der Kirche und der Welt von heute zu sagen? In verschiedenen Zeiten und unter ganz verschiedenen Menschen und geographischen Verhältnissen haben sie bereitwillig auf die Einladung Jesu geantwortet, der in ihrem Inneren anklopfte. Mit ihrem auf die Liebe Gottes konzentrierten Leben haben sie, jeder auf seine Weise, Zeugnis gegeben: von der absoluten Verfügbarkeit des Missionars bis zum Vergießen des eigenen Blutes, von der geduldigen und einfühlsamen Arbeit des Seelenführers und Erziehers zu Aposteln, vom demütigen und stillen Dienst bei der täglichen Pflichterfüllung. 8. Richten wir unseren Blick nochmals auf den „treuen und zuverlässigen Zeugen“ des Buches der Geheimen Offenbarung, der eines Tages vor der Tür des Ignatius von Loyola stand und anklopfte. Auf den Schritt des Herrn achtend, öffnete ihm Ignatius die Tür seines Herzens. Mit dieser Antwort verwandelte sich das Herz Jesu für ihn zu einer „Quelle des Lebens und der Heiligkeit“. Heute wie in vergangenen Zeiten erhebt die Kirche erneut drei Söhne des hl. Ignatius zur Ehre der Altäre. Möge dieser feierliche Tag in Jesus Christus ein neuer „Anfang der Schöpfung Gottes“ sein (Offb 4,13). Möge sich kraft dieses „Anfangs“ in jedem einzelnen Mitglied der Gesellschaft Jesu der Ruf zum untrennbaren Dienst an Gott in der Kirche und in der Welt erneuern, was euer Gründer und Vater mit jenen knappen Worten ausgedrückt hat: „Nimm hin, Herr, und empfange meine ganze Freiheit . . .“ (Geistliche Übungen, 234). Die Namen der Jesuiten Diego Luis de San Vitores Alonso, Jose Maria Rubio y Peralta und Francisco Gärate Aranguren werden heute der langen und fruchtbaren Geschichte der Heiligkeit dieser verdienstvollen Ordensfamilie hinzugefügt. Wie das Weizenkorn, das in die Erde fällt und stirbt, haben sie viel Frucht gebracht. Sie waren fruchtbar, weil Gott der Mittelpunkt ihres Lebens war. Möge in jeder eurer ignatianischen Kommunitäten mit neuer Kraft der Ruf nach der Heiligkeit wieder auf leben, deren herausragende Vorbilder die neuen Seligen sind, die die Kirche heute als bevorzugte Söhne preist. Mögen durch die Fürbitte Mariens, der Königin aller Heiligen, deren mütterlicher Sorge ich das Erbe der Heiligkeit, mit dem der Geist uns bereichert hat, anvertraue, die Früchte der Fülle christlichen Lebens in der Kirche überströmen. 1544 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dem Beispiel des hl. Norbert folgen Ansprache an die Äbte und Prioren des Prämonstratenserordens am 7. Oktober Herr Generalabt! Liebe Prämonstratenser! 1. Da ihr im Generalat in Rom zu einem Gespräch über die heutige Situation des Ordens in den verschiedenen Teilen der Welt - mit besonderer Bezugnahme auf die Erfahrungen und wichtigsten Aspekte der nach-konziliaren Periode - zusammengekommen seid, habt ihr den Wunsch zu dieser Begegnung ausgesprochen, die auch für mich eine große Freude ist. Ich entbiete euch allen meinen ergebenen Gruß und weite mein herzliches Gedenken auf eure Mitbrüder aus. Eure Haltung der Verbundenheit mit dem Apostolischen Stuhl schätze ich tief und danke euch dafür, eingedenk der Ehrerbietung und Ehrfurcht, die der hl. Norbert den Päpsten seiner Zeit stets entgegengebracht hat: Paschalis II., Gelasius II. und Calixtus II., die er auf ihren Reisen nach Frankreich traf, um ihnen seine apostolischen Sorgen anzuvertrauen; Honorius II., von dem er im Februar 1130 die Bestätigung seiner Ordensgründung erhielt, und schließlich Innozenz II., den er unterstützte und zusammen mit dem hl. Bernhard unermüdlich gegen den Antipapst verteidigte. Eure Anwesenheit ist ein leuchtender Beweis dafür, daß auch ihr eng mit der kirchlichen Hierarchie verbunden seid und es bleiben wollt; wie der hl. Norbert wollt auch ihr die lebendige Stimme des Nachfolgers Petri hören. Der inständige Wunsch und das Gebot des göttlichen Meisters, daß alle in der Wahrheit und in der Liebe vereint bleiben, sind in unserer gegenwärtigen Periode der Kirchengeschichte, in der freilich aus anderen Gründen als denen des 11. und 12. Jahrhunderts Stürme der Opposition und der Zwietracht wehen, zu einer besonders dringenden Forderung geworden. Um die vom hl. Gregor VII. gewünschte und angeordnete „gregorianische Reform“ im Klerus und in den Diözesen zu verwirklichen und die politischen und sozialen Schwierigkeiten der Zeit zu überwinden, scheute sich, wie ihr wißt, der hl. Norbert nicht, zuerst als Priester und Wanderprediger und dann als Erzbischof von Magdeburg große Schwierigkeiten und Isolierung auf sich zu nehmen. Ihr habt in ihm ein wunderbares und noch immer lebendiges Vorbild; und 1545 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenn ihr euch an seinem Charisma und seiner Spiritualität inspiriert, könnt ihr sicher sein, wirksam zum Wohl der Kirche und der Gesellschaft und zum ewigen Heil der Seelen beizutragen, das ja der einzige Zweck der Schöpfung und der Erlösung ist. 2. Die Zusammenkunft in Studium und Gebet, die ihr dieser Tage in Rom abhaltet, dient dem Nachdenken über die Richtlinien, die nach dem Kapitel von 1968 eingeschlagen wurden, und als Vorbereitung auf das neue Generalkapitel, das in drei Jahren abgehalten werden soll: die wichtigen und grundsätzlichen Themen wie Gemeinschaftsleben, Liturgie, Apostolat vor allem in den Pfarreien, Ausbildung und Erziehung der Jugend waren Gegenstand genauer Betrachtung und auch erleuchteter Überlegungen. Die heutige Begegnung gibt mir, auch wenn sie nur kurz dauert, die günstige Gelegenheit, euch aufzufordern, in allem dem Beispiel und Charisma eures Gründers zu folgen. Wollte man die Spiritualität des hl. Norbert in wenigen Worten zusammenfassen, könnte man sagen, daß in ihm die eucharistische Frömmigkeit, die Treue zur Kirche, die Einfachheit des Lebens und die apostolische Sorge in wunderbarer Weise vereint sichtbar werden. Es ist ein wahrhaft ernstes und gewaltiges Programm, das er dem Prämonstratenserorden mit der Regel des hl. Augustinus zugrunde legen wollte und das er seinem priesterlichen und bischöflichen Dienst fortwährend einprägte; dieses Programm hat in den vergangenen Jahrhunderten die herausragenden Gestalten vieler eurer Mitbrüder geformt, die nicht nur auf dem Gebiet des Apostolats, sondern auch in den Künsten und Wissenschaften berühmt und hochverdient waren. In besonderer Weise möchte ich an den Generalabt Norbert Calmels erinnern, der mit soviel Weisheit und Hingabe auf dem II. Vatikanischen Konzil und in anderen ihm vom Hl. Stuhl übertragenen Aufgaben tätig war und der plötzlich im vergangenen März abberufen wurde, um den himmlischen Lohn zu empfangen. Die Spiritualität des hl. Norbert möge vom Orden weiterhin mit Liebe und Eifer befolgt werden, indem das liturgische Gebet, die persönliche Betrachtung, der apostolische Einsatz in den Pfarreien und der Ernst im Verhalten verbunden werden. In der zerrissenen Gesellschaft von heute ist es unsere Aufgabe, unsere „Diakonia“, die Menschen, unter denen wir leben zu verstehen und zu lieben; freudig und mutig die Heilsbotschaft des Evangeliums zu bezeugen; unseren Zeitgenossen zu helfen und ihre Leiden mit dem Wort der Wahrheit, das von Christus und von der Kirche 1546 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN herkommt, und mit der Glut der Liebe, die aus unseren Herzen steigt, zu lindern. Die moderne Gesellschaft hat ein äußerst starkes Bedürfnis, die transzendenten und ewigen Werte wiederzufinden, den wahren Sinn des Lebens und der Geschichte zurückzugewinnen, die Philosophie des Nihilismus und des Hedonismus zu überwinden. Und sie braucht dazu authentische, konkrete Vorbilder. Was der hl. Norbert zu Beginn des zweiten Jahrtausends lehrte und in die Praxis umsetzte, hat auch für das Ende dieses Jahrtausends volle Gültigkeit, freilich mit den pastoralen Veränderungen und der psychologischen Umsicht, die die jeweiligen Zeiten erfordern. 3. Meine Lieben! Wie ihr wißt, wurde im Jahr 1767 in der Petersbasilika die Statue des hl. Norbert aufgestellt: Sie stellt euren heiligen Ordensgründer dar, wie er mit der rechten Hand den Kelch und die Hostie emporhebt, deren Glanz den Häretiker, der sich zu seinen Füßen windet, zu blenden scheint. Die Statue gibt die übliche Darstellungsweise des Heiligen wieder und ist eine eindrucksvolle Synthese seines Lebens und seiner Spiritualität. Haltet die Eucharistie hoch über alles Elend und die Irrtümer dieser Welt: Das heilige Meßopfer sei eure Kraft und euer Glück! In steter Treue zur katholischen Kirche bringt dem heutigen Menschen Wahrheit, Gewißheit, Liebe, indem ihr ihn an den eucharistischen Jesus heranführt; prägt allen die Liebe zur seligsten Jungfrau Maria ein, während ihr das Beispiel eines schlichten und ernsten Lebens gebt. Auf diese Weise wird sich euer Orden nicht nur wirkungsvoll auf das nächste Generalkapitel vorbereiten, sondern auch einen konkreten Beitrag zur authentischen Verwirklichung des II. Vatikanischen Konzils leisten. Mit diesem Wunsch erteile ich euch von ganzem Herzen als Unterpfand den Apostolischen Segen, in den ich mit gleicher Liebe alle eure Mitbrüder sowie alle, die eurem Dienst anvertraut sind, einschließe. 1547 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Neuevangelisierung Europas Ansprache an die Teilnehmer am VI. Symposion der europäischen Bischöfe am 11. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich freue mich, euch zum Abschluß der Arbeiten dieses VI. Symposions des Rates der Eruopäischen Bischofskonferenzen zu empfangen. „Säkularisierung und Evangelisierung in Europa heute“ lautet das Thema, das ihr nach einer Reihe von Treffen auf regionaler Ebene in diesen Tagen mit Hilfe von Experten in einer Atmosphäre pastoraler Brüderlichkeit und Gebetsgemeinschaft gründlich analysiert habt. Das Thema, mit dem ihr euch befaßt habt, stellt zweifellos den zentralen und neuralgischen Punkt unserer Sendung als Bischöfe dar; es befragt scharfsinnig die heutige Kirche und berührt zugleich das Schicksal Europas. Als Hirten des Gottesvolkes und zu allen Menschen gesandt, haben wir in verantwortlicher Weise und mit Zuversicht im Licht des Geistes darüber nachdenken wollen, wie heute die ewige Botschaft des Evangeliums wirksam und mutig verkündet und dem modern denkenden Menschen die unerforschlichen Reichtümer des Geheimnisses Christi enthüllt werden können. Das Europa, zu dem wir entsandt worden sind, hat derartige und so viele kulturelle, politische, soziale und wirtschaftliche Wandlungen durchgemacht, daß sich das Problem der Evangelisierung in völlig neuen Begriffen stellt. Wir können auch sagen, Europa, wie es sich in der Folge der komplexen Veränderungen des letzten Jahrhunderts herausgebildet hat, stellt das Christentum und die Kirche vor die radikalste Herausforderung, die die Geschichte bisher gekannt hat, zugleich erschließt es heute neue und kreative Möglichkeiten der Verkündigung und Inkarnation des Evangeliums. Während die Überlegungen des Symposions die Wirklichkeit und den historischen Augenblick, den Europa heute erlebt, überzeugter und lebendiger bewußt machten, haben sie zugleich die Wege vorgezeichnet, die derjenige mit hoffnungsvoller Begeisterung einschlagen muß, der im Glauben an Christus und beseelt von der Hoffnung die Herausforderungen der Zeit anzunehmen weiß und bereit ist, alle sich bietenden Möglichkeiten, dem heutigen Menschen die Frohbotschaft vom Heil zu verkünden, aufzuspüren. 1548 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Dieses neue Evangelisierungswerk, das wir in Angriff nehmen, steht in organischer und dynamischer Kontinuität vor allem mit der ersten Evangelisierung durch Christus (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 7) und dann durch die Apostel. Inhalt und Herz der Heilsbotschaft für den durch die Geschichte pilgernden Menschen bleibt immer Christus, der Weg, die Wahrheit und das Leben, der Erste und der Letzte (vgl. Offb 22,13), er, in dem alles vereint werden soll (vgl. Eph 1,10). Die von Christus ausgesandten Apostel haben die Frohbotschaft, die schließlich bis zu uns gelangt ist, in der Welt verbreitet. Wir gedenken voll Dankbarkeit des Augenblicks, in dem der Apostel Paulus zum ersten Mal aufgefordert wurde, die Grenze Kleinasiens zu überschreiten, und seinen Fuß auf den Boden Griechenlands setzte; wir gedenken voll Ehrfurcht des Augenblicks, in dem Petrus in dieser Stadt Rom eintraf, die von der Vorsehung bestimmt war, um eine besondere Rolle beim Evangelisierungswerk durch die Jahrhunderte hin zu entfalten. Von den ersten apostolischen Anfängen an, die das Evangelium auf europäischem Boden gesät und diesen mit dem Blut der Märtyrer getränkt haben, hat sich der jahrhundertelange fruchtbare Prozeß entwickelt, der Europa mit dem christlichen Lebenssaft durchtränkte. Besondere Zeugen dieses Prozesses sind die heiligen Patrone Europas: der hl. Benedikt und die heiligen Kyrill und Method. Das besondere Charisma ihres Evangelisierungswerkes besteht darin, daß sie Keime gelegt und Formen und Stile der Inkarnation des Evangeliums im kulturellen und sozialen Gewebe und in der Seele der europäischen Völker, die damals im Entstehen waren, ins Leben gerufen haben, die sich als Anfänge und Fundamente einer neuen und dauerhaften Synthese christlichen Lebens erweisen sollten. Wenn diese Patrone einen Meilenstein und einen wesentlichen Bezugspunkt des geschichtlichen Evangelisierungsprozesses Eurpas darstellen, bleiben sie auch für uns ein aktuelles inspirierendes Vorbild, da in der besonderen Situation, in der sich Europa heute befindet, das Evangelisierungswerk dazu berufen ist, eine neue kreative Synthese zwischen Evangelium und Leben herzustellen. 3. Man muß sich der Wichtigkeit bewußt sein, die neue Evangelisierung in diese gemeinsamen Wurzeln Europas einzupflanzen. Denn wenn wir ein weitreichendes Werk der Erneuerung und Entwicklung, das auch Bestand haben soll, in Angriff nehmen, ist es weise, den lebendigen Kontakt mit den tiefen Quellen, die die Inspiration speisen, beizubehalten. So gesehen ist es gut, sich die Taufdaten einiger Nationen zu vergegenwärtigen, die in diesem Jahrhundert das tausendjährige Jubiläum 1549 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihrer Christianisierung gefeiert haben, wie Polen (966) und Ungarn (972), während in Kürze die Tausendjahrfeier der Rus von Kiew begangen wird (988). Diese Daten führen uns zu besonders reichen und inspirierenden christlichen Wurzeln zurück, weil sie sich auf denselben Glauben stützen, auf dieselbe ungeteilte Kirche beziehen und einer Kultur und einem christlichen Humanismus von außergewöhnlichem Wert Nahrung gegeben haben. Sie werden heute von dem mütterlichen Gedenken der Kirche gehütet, das sie uns gerade in der heutigen Situation als besonders bedeutsam und wichtig in Erinnerung ruft, wo in manchen Umfeldern und von gewissen Denkströmungen versucht wird, diese Wurzeln aus dem Gedächtnis und dem Leben zu tilgen. Das Vergessen der eigenen Geburt und der eigenen organischen Entwicklung ist immer eine Gefahr und kann sogar zur Selbstentfremdung führen. 4. Anderseits müssen wir auch bedenken, daß diese gemeinsamen Wurzeln zweigeteilt sind. Denn sie stellen sich als zwei christliche Traditionsströme in theologischer, liturgischer und asketischer Hinsicht und als zwei verschiedene, aber nicht entgegengesetzte, sondern vielmehr sich ergänzende und gegenseitig bereichernde Kulturmodelle dar. Benedikt hat die christliche und kulturelle Überlieferung des Abendlandes mit dem Geist der mehr logischen und rationalen Latinität durchdrungen; Kyrill und Method sind die Vertreter der antiken griechischen Kultur, die mehr intuitiven und mystischen Charakter besitzt, und werden als Väter der Überlieferung der slawischen Völker verehrt. . Wir müssen das Erbe dieses reichen und sich ergänzenden Denkens aufgreifen und die geeigneten Mittel und Möglichkeiten für seine Aktualisierung und eine intensivere geistliche Kommunikation zwischen Orient und Okzident finden. Die Kategorie „Krise“ nicht verwendet 5. Während wir mit lebendigem Sinn für die Geschichte das reiche und vielfältige geistige Erbe der Vergangenheit sammeln, müssen wir uns mit zuversichtlichem Herzen der Gegenwart öffnen und uns voll Hoffnung auf die Zukunft hin ausrichten. Der Erinnerung muß die Prophetie entspringen. Christus, „der ist und der war und der kommt“ (Offb 1,8), ist bei uns, und sein Geist führt uns. Bei den Arbeiten des Symposions wurde vor allem versucht, in ruhigem Nachdenken das heutige Europa in seiner ganzen lebendigen und artiku- 1550 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lierten Wirklichkeit zu begreifen. Bei euren Überlegungen seid ihr von der Betrachtung jener typisch westlichen Wirklichkeit ausgegangen, die man mit dem Begriff „Säkularisierung“ zu bezeichnen pflegt. Bei einer gründlichen Analyse wurde die Zweideutigkeit, ja sogar Mehrdeutigkeit des Begriffes festgestellt, der so vieldeutig, ungenau und dehnbar ist, daß er vielfältige und auch gegensätzliche Erscheinungen bezeichnet, weshalb es notwendig scheint, eine semantische und inhaltliche Klärung dieses Phänomens vorzunehmen. Anderseits hieltet ihr es nicht für notwendig, zur näheren Erläuterung des heutigen Europas den Begriff „Krise“ zu übernehmen. Auch wenn es zu einem Gemeinplatz gworden ist, im Hinblick auf Europa von Krise zu sprechen, wollen wir uns nicht in die engen und pessimistischen Schablonen einer „Kultur der Krise“ pressen lassen, obwohl wir uns sehr wohl der Fragen, der Schwierigkeiten, der Probleme sowie der Widersprüche, Verletzungen und Verworrenheiten bewußt sind, die das Europa unserer Tage kennzeichnen. Aber was ist Europa? Was ist seine Identität, was ist seine innerste Seele, was sind seine Erwartungen und seine Enttäuschungen? Welchen „Moment“ macht es gerade durch? Das sind die Fragen, von denen man ausgehen und auf die man eine Antwort suchen muß, um ein wirksames Evangelisierungswerk in die Wege leiten zu können. 6. Ein erster Blick auf Europa enthüllt uns seinen Mangel an Einheit, den Bruch, der die Völker des Ostens von denen des Westens trennt. Die Ursachen und die historischen, politischen und ideologischen Ereignisse sind bekannt, die diese sehr ernste Situation herbeigeführt haben, die für das von menschlichen und christlichen Idealen, die bei der Gestaltung des Kontinents führend waren, genährte Gewissen unannehmbar ist. Die vor zehn Jahren Unterzeichnete Schlußakte von Helsinki hat den europäischen Völkern die Hoffnung gegeben, eine Entwicklung einzuleiten, die den Geist gegenseitiger Solidarität, die freie und fruchtbare Kommunikation und die Zusammenarbeit fördern soll. Diese Hoffnung muß trotz der Verzögerungen, Schwierigkeiten und auch Enttäuschungen, zu denen die Zeit nach Helsinki Anlaß gegeben hat, lebendig erhalten werden, weil das der einzige Weg ist, der der Völker Europas würdig und imstande ist, Europa Aussichten auf einen wahren Frieden zu eröffnen. Die Kirche ist aufgrund ihrer Natur und ihrer wesentlichen Sendung dazu berufen, die Zusammenarbeit, die Brüderlichkeit und den Frieden unter den Völkern Europas zu fördern. Der Rat 1551 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Europäischen Bischofskonferenzen repräsentiert — von diesem Gesichtspunkt her - eine höchst bedeutsame und prophetische Wirklichkeit und gibt die Richtung an, die voller Überzeugung und Mut verfolgt werden muß. Desgleichen werden wir die ökumenische Verständigung mit Eifer und Beharrlichkeit fortsetzen und ausbauen müssen, da wir davon überzeugt sind, daß die Einheit der Christen nicht nur ein an sich wesentliches Gut ist, sondern auch eine notwendige Dimension der Evangelisierung, und einen Friedensfaktor in Europa darstellt. 7. Unser Blick konzentriert sich sodann auf das „Modell“ der heutigen europäischen Gesellschaft. Westeuropa hat nach dem Wiederaufbau nach dem Krieg eine rasche industrielle und technische Entwicklung erlebt und einen noch nie dagewesenen Wohlstand erreicht. Der Überfluß an Konsumgütern, der allgemeine Zugang zur Kultur, zum Gesundheitswesen, zu den verschiedensten sozialen Diensten, die vom „Wohlfahrtsstaat“ sichergestellt werden, sind einige Aspekte dieses Gesellschaftsmodells. Damit Hand in Hand vollzog sich in dieser modernen Massen- und Konsumgesellschaft unter dem Einfluß der Massenmedien eine schnelle Entwicklung der Denkweisen und Gewohnheiten. Osteuropa hat eine langsamere Entwicklung erlebt, da es von der Starrheit des Systems und der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen gebremst wurde. 8. Weltweit gesehen, gehört Europa zu dem, was man als den entwickelten Norden im Gegensatz zu dem die Entwicklungsländer umfassenden Süden zu bezeichnen pflegt. Angesichts des Unterschieds, der zwischen diesen beiden Polen besteht, stellen sich die Probleme der Gerechtigkeit und des Friedens in neuen Begriffen und verlangen, daß man sich ihnen mit einem neuen Geist und neuen Initiativen stellt. Indem hegemonistische Absichten und engherzige wirtschaftliche, politische oder ideologische Berechnungen unterlassen werden, sollte sowohl West- wie Osteuropa mit hochherziger Offenheit auch in struktureller Hinsicht nach Reformen und Lösungen suchen, die es erlauben, dieses dramatische Problem unserer Zeit zu lösen. Die Kirche ihrerseits wird jene evangelischen Werte der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens bezeugen und fördern müssen, die mit dieser Situation verknüpft sind. 9. Bei den Begegnungen zur Vorbereitung auf dieses Symposion und in euren Beratungen war die Aufmerksamkeit in besonderer Weise auf die tatsächliche Situation der Familie konzentriert. Diese Option ist voll berechtigt, weil die Familie die natürliche Grundlage der Gesellschaft ist. 1552 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tatsächlich werden die kulturellen, sozialen, religiösen und ethischen Krisen und Veränderungen der europäischen Gesellschaft am Modell der Familie auf erschütternde Weise offenkundig und spiegeln sich darin. Es ist hier nicht der Ort, die bereits durchgeführten Analysen wieder aufzugreifen. Die Kirche, die sich des enormen Einsatzes, der auf dem Spiel steht, bewußt ist, hat diesem entscheidenden Thema eine Bischofssynode gewidmet. Ich meine, im Hinblick auf eine neue Evangelisierung muß die Familien-pastoral zweifellos unter die Prioritäten eingereiht werden. Hier stehen das Wohl und die Zukunft der Kirche in Europa nicht weniger auf dem Spiel als das Wohl und die Zukunft der europäischen Gesellschaft. Wir wissen um die Konflikte und Spannungen, die zwischen dem vom Evangelium vorgezeichneten Modell der Familie und Familienmoral und dem in der heutigen Gesellschaft verbreiteten Modell bestehen. Aber es ist wichtig, sich auch die inneren Widersprüche und den Rückschritt ohnegleichen des „säkularisierten“ Ehe- und Familienmodells vor Augen zu halten. Während ein Subjektivismus und Individualismus bevorzugt wird, dem es nur um die Suche nach der eigenen egoistischen „Selbstverwirklichung“ geht, wurde die Ehe ihrer innersten und natürlichen Bedeutung und ihres Wertes beraubt. 10. Entsprechend dieser Denkweise, die, wenn auch mit gewissen Unterschieden, dem Osten wie dem Westen gemeinsam zu sein scheint — ein Zeichen des immanentistischen und hedonistischen Materialismus, der dem zugrunde liegt —, hat die Abtreibung Aufnahme gefunden. Die Einführung des Gesetzes zur Freigabe der Abtreibung wurde als Bestätigung eines Prinzips der Freiheit angesehen. Wir fragen uns hingegen, ob es nicht der Triumph des Prinzips des materiellen Wohlstands und des Egoismus über den heiligsten Wert, nämlich den des menschlichen Lebens, ist. Man behauptet, die Kirche habe eine Niederlage erlitten, weil ihr die Durchsetzung ihres Moralgesetzes nicht gelungen ist. Aber ich glaube, daß in dieser so traurigen und rückschrittlichen Erscheinung der tatsächlich Unterlegene der Mensch, die Frau, ist. Unterlegen ist der Arzt, der seinem Eid und der edelsten Würde der ärztlichen Kunst abtrünnig geworden ist, nämlich, das menschliche Leben zu verteidigen und zu retten; unterlegen ist der „säkularisierte“ Staat, der auf den Schutz des geheiligten Grundrechtes auf Leben verzichtet hat, um zum Werkzeug eines angeblichen Interesses der Kollektivität zu werden, und sich bisweilen als unfähig erweist, die Einhaltung seiner Gesetze zu schützen. Über diese „Niederlage“ wird Europa nachdenken müssen. 1553 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Geburtenrückgang und die Überalterung der Bevölkerung lassen sich nun nicht mehr leugnen oder gar als Lösung für das Problem der Arbeitslosigkeit heranziehen. Die Bevölkerung Europas, die 1960 25 Prozent der Weltbevölkerung bildete, würde, wenn der gegenwärtige demographische Trend anhält, bis zur Mitte des kommenden Jahrhunderts auf fünf Prozent absinken. Das sind Zahlen, die den einen oder anderen verantwortlichen Europäer veranlaßt haben, von einem „demographischen Selbstmord“ Europas zu sprechen. Wenn dieser Rückgang Anlaß zur Sorge gibt, so für uns vor allem deshalb, weil er, in seiner Tiefe betrachtet, als ernstes Symptom eines Verlustes des Lebenswillens und der Zukunftsaussichten und noch mehr als Zeichen einer tiefen geistlichen Entfremdung erscheint. Deshalb dürfen wir nicht müde werden, Europa immer wieder zu sagen: Finde wieder zu dir selbst! Finde deine Seele wieder! Der modernen Gesellschaft eine Seele geben 11. Diese besorgten Überlegungen veranlassen uns, noch mehr über das anthroplogische und kulturelle Modell nachzudenken, das das heutige Europa kennzeichnet. Was ist und wie stellt sich das Bild des „säkularisierten“ europäischen Menschen dar? Wir können sagen, daß dieser europäische Mensch so sehr mit den Aufgaben des Aufbaus der „irdischen Stadt“ beschäftigt ist, daß er die „Stadt Gottes“ aus dem Blick verloren hat oder sie bewußt ausschließt. Aber der theoretische und praktische Atheismus schlägt sich notwendigerweise im Begriff vom Menschen nieder. Wenn der Mensch nicht Ebenbild Gottes ist und auf nichts als auf sich selbst verweist, welchen Wert hat er dann, wozu arbeitet und lebt er? Tatsächlich ist Europa, das im Westen in der Philosophie und in der Praxis bisweilen den „Tod Gottes“ erklärt hat und im Osten dahin gelangt ist, diesen „Tod Gottes“ ideologisch und politisch aufzuzwingen, auch das Europa, wo der „Tod des Menschen“ als Person und transzendenter Wert verkündet worden ist. Im Westen ist die Person dem Wohlstand geopfert worden; im Osten ist sie dem Regime zum Opfer gefallen. Aber diese Einstellungen erweisen sich als bar aller überzeugenden Perspektiven der Kultur. Zudem sind die Kultursysteme, die Institutionen und Ideologien, die das Europa dieses Jahrhunderts gekennzeichnet und naive Utopien hervorgebracht hatten, unter den Schlägen rationaler Zweckdienlichkeit und der Vorherrschaft von Wissenschaft und Technik in eine Krise geraten. Die Universität — diese ruhmreiche europäische Institution, der die Kirche zur Geburt verholfen hat - erweist sich als unfähig, einen 1554 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN annehmbaren Kulturplan zu entwerfen. Das aber bedeutet, daß die Führungsfunktion der Kultur in der heutigen Gesellschaft nachgelassen hat. Heute lebt und kämpft man in erster Linie für Macht und Wohlstand, nicht für Ideale. Im Westen entsteht daraus eine komplexe, pluralistische vieldeutige Gesellschaft, in der der einzelne allein von seinem autonomen Rechtsanspruch her die Ziele, Werte und Sinnbezüge seines Lebens und Tuns erhalten will, plötzlich aber im Dunkeln herumzutasten beginnt und nach metaphysischen Gewißheiten, nach letzten Zielen und Fixpunkten für eine ethische Bezugnahme sucht. Dieser Mensch, der so gern erwachsen, reif und frei sein möchte, ist auch ein Mensch, der vor der Freiheit flieht, um sich dem Konformismus zu überlassen, ein Mensch, der einsam ist, von vielfältigem seelischen Unbehagen bedroht, den Tod beiseite schieben will und in erschreckendem Maß die Hoffnung verliert. 12. Das ist Europa, und das ist der Mensch, den wir heute zu evangelisie-ren berufen sind. Neue und unermeßliche Aufgaben warten auf uns und drängen uns, aber gleichzeitig tun sich große Möglichkeiten und glänzende Erwartungen auf. Die soziologische und kulturelle Forschung hat aufgezeigt, daß ein unvermutetes, bisweilen unterdrücktes und schmerzliches Fragen nach religiösen Werten und nach dem Sinn des Lebens sich aus dem Herzen vieler unserer Zeitgenossen erhebt, die sich nach gültigeren und befriedigenderen Antworten sehnen, als sie von den verbrauchten Denk- und Lebensmodellen geboten werden. Das ist ein positiver Aspekt, der eindringlich an uns interpelliert. Der Niedergang der Ideologien, das schwindende Vertrauen in die Fähigkeit der Strukturen, auf die schwerwiegenden Probleme und angstvollen Erwartungen des Menschen zu antworten, die Unzufriedenheit mit einem auf Vergänglichkeit gründenden Dasein, die Einsamkeit der Massenmetropolen, die sich selbst überlassene Jugend und der Nihilismus haben eine tiefe Leere geschaffen, die auf glaubwürdige Verkünder neuer Wertangebote wartet, die eine neue, der Berufung des Menschen würdige Gesellschaft aufzubauen vermögen. Die Kirche muß zum barmherzigen Samariter des heutigen Menschen werden und in der Lage sein, die „semina verbi“, die „Samenkörner des Wortes Gottes“, aufzusprüren, um sie zu hegen und zur Reifung zu bringen. Mit tiefer Demut, aber auch mit der frohen Gewißheit, die ihr von Christus kommt, muß sie sich bewußt sein, daß sie Europa das bieten muß, was dieser Kontinent heute am dringendsten braucht und was er sich allein nicht zu beschaffen vermag. Die Kirche ist aufgerufen, der modernen Gesellschaft, sei es der komple- 1555 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN xen und pluralistischen des Westens oder der monolithischen des Ostens, eine Seele zu geben. Und diese Seele muß die Kirche ihr nicht von oben und von außen einflößen, sondern indem sie in sie eindringt und sich zum Nächsten des heutigen Menschen macht. Daher erscheinen die aktive Präsenz und intensive Teilhabe am Leben des Menschen unerläßlich. 13. Für diese erhabene Sendung, ein neues Zeitalter der Evangelisierung in Europa erblühen zu lassen, sind heute besonders vorbereitete Glaubensverkündiger erforderlich. Es werden Herolde des Evangeliums gebraucht, die Experten im Umgang mit den Menschen sind, die das Herz des heutigen Menschen gründlich kennen, seine Freuden und Hoffnungen, Ängste und Sorgen teilen und zugleich beschauliche Freunde Gottes sein wollen. Dazu bedarf es neuer Heiliger. Die großen Evangelisatoren Europas waren die Heiligen. Wir müssen den Herrn bitten, daß er den Geist der Heiligkeit in der Kirche vermehre und uns neue Heilige sende, um die Welt von heute zu evangelisieren. 14. Entsprechend dem Auftrag des Herrn sind die ersten Evangelisatoren die Bischöfe, also wir. Unsere bischöfliche Sendung und unsere apostolische Sorge müssen jene des hl. Paulus erneuern, der erklärte: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündige!“ (1 Kor 9,16). Der sichere Bezugspunkt für dieses Evangelisierungswerk in kontinuierlichem Zusammenhang mit der lebendigen Überlieferung der Kirche muß das Gnadenereignis des Zweiten Vatikanischen Konzils bleiben. Der Geist hat zu den Kirchen von heute gesprochen, und seine Stimme hat im ökumenischen Konzil Widerhall gefunden. Dieses, so darf man wohl sagen, stellt das Fundament und den Beginn eines gigantischen Evangelisierungswerkes der modernen Welt dar, die an einem neuen Wendepunkt der Menschheitsgeschichte angelangt ist, wo Aufgaben von unermeßlicher Bedeutung und Fülle auf die Kirche warten. Der ursprünglichen Inspiration entsprechend nahm sich das Konzil im wesentlichen vor, „die moderne Welt mit den lebenspendenden Kräften des Evangeliums in Kontakt zu bringen“ (Apostol. Konstitution zur Einberufung des Konzils, Humanae salutis, 1961). Über dem Aufschwung des ökumenischen Konzils und in der Treue zu seinem Ziel ist ein wachsendes Verlangen entstanden, das Thema Evangelisierung sowohl auf der Ebene der Universalkirche wie im Bereich der Ortskirchen zu vertiefen. Davon zeugen in besonderer Weise die Bischofssynode von 1974 und das großartige Apostolische Schreiben Evangelii nuntiandi, in dem Paul VT. die Früchte dieser Synode vorlegt 1556 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und das ein Dokument lebendiger Aktualität bleibt. Die kommende Bischofssynode, deren Thema das II. Vatikanische Konzil ist, soll unter einem nicht zweitrangigen, sondern wesentlichen Aspekt eine Wiederaufnahme des Themas Evangelisierung der modernen Welt sein. Sie wird eine neue Gnade sein und Früchte der Evangelisierung in dem Maße hervorbringen, in dem sie darauf ausgerichtet sein wird, die ursprüngliche Inspiration des Zweiten Vatikanischen Konzils wiederzuentdecken, sie zu verinnerlichen und mit neuem Eifer und apostolischem Elan weiterzuführen. Man kann wohl sagen, daß die Evangelisierung im heutigen Europa das zentrale und bewegende Thema darstellt, das euch in diesen Jahren und besonders intensiv in diesen Tagen beschäftigt hat. Die Analysen und Schlußfolgerungen des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen verdienen zu einem „Denk- und Arbeitsinstrument“ der europäischen Episkopate zu werden. 15. Wir stehen natürlich im Evangelisierungswerk nicht allein: Wir haben Mitarbeiter. Vor allem möchte ich die Sendung der Priester und der Ordensmänner und Ordensfrauen unterstreichen. Ihre Evangelisierungsarbeit ist wesentlich und vorrangig. Diesen unseren bevorzugten Mitarbeitern müssen wir unsere besonders eifrige und zuvorkommende Aufmerksamkeit widmen, um sie mit Klugheit, Liebe und Weitblick anzuleiten, ihnen in den Prüfungen beizustehen, sie in Schwierigkeiten zu ermutigen und ihnen eine angemessene geistliche und kulturelle Erneuerung sicherzustellen. Eine Analyse der heutigen Situation in Europa zeigt neben tröstlichen Zeichen von Lebendigkeit und neuem Aufschwung auch eine anhaltende Krise der Berufe und das schmerzliche Phänomen des Abfalls. Die Ursachen dieser schmerzlichen Erscheinung sind vielfältig, und man wird ihnen mit Festigkeit entgegentreten müssen, vor allem jenen, die sich auf geistliche Austrocknung oder auf ein Verhalten zersetzender Zwietracht zurückführen lassen. In solcher Umgebung können keine Berufe entstehen. Sodann müssen wir berücksichtigen, daß mit der Minderung der bildungsmäßigen und qualitativen Anforderungen an das Apostolat keine wirksamere und ausgeprägtere Evangelisierungsarbeit durchzuführen ist, sondern ganz das Gegenteil. Das „Gedächtnis“ der Kirche, wie das der heiligen Patrone Europas, stellt diesbezüglich eine bedeutsame Lektion dar. In dieser Sicht muß man wiederum mit evangelischer Klarheit und Mut bekräftigen, daß die Ehelosigkeit und der um des Himmelreiches wegen gelobte Zölibat eine 1557 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN besonders wirksame Kraft für die Verkündigung des Evangeliums und die Vollbringung der Werke der Nächstenliebe freisetzen. Die Worte aus dem Evangelium „die Ernte ist so groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“ sind noch immer von dramatischer Aktualität, infolgedessen müssen wir „den Herrn der Ernte bitten, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,37-38). Die Kirche als Mutter verehren Eine Kirche, die evangelisiert, ist eine Kirche, die dafür betet, Glaubensverkünder zu erhalten. Unter diese Sicht der Evangelisierung verdient das ganze Missionsproblem gestellt zu werden. Bis vor kurzem stellte die reiche Blüte der Missionsberufe eine wichtige Dimension der Evangelisierung gerade auch Europas dar. Diese Dimension wurde heute bis zu einem gewissen Maß abgeschwächt, auch wenn sie in ihren Wirkungen fortdauert. Wir müssen uns bewußt sein, daß es unmöglich sein wird, wieder ein wirksames Evangelisierungswerk in Gang zu setzen, ohne den missionarischen Geist unserer christlichen Gemeinden neu zu entfachen. Mitten in das Verhältnis zwischen Evangelisierung und „Säkularisierung“ gehört die Betrachtung der Sendung und Rolle der Laien. Die Bischofssynode von 1987 wird eben diesem Thema gewidmet sein. Ohne das Wirken und das Zeugnis der Laien könnte das Evangelium niemals das gesamte menschliche Leben durchdringen und in das ganze Leben der Gesellschaft hineingetragen werden. Manche Initiativen, wie die theologischen Schulen für Laien und die zunehmende Anzahl von Laien, die in der Katechese eingesetzt sind, lassen hoffen, daß - wie in der allerersten Zeit der Glaubensverkündigung - auch das neue Zeitalter der Evangelisierung auf wahrhaft missionarische Laien zählen kann. 16. Eine fundamentale Form der evangelischen Verkündigung, die Aufmerksamkeit verdient, ist das Zeugnis in Verbindung mit dem Zeichen. Ohne das Zeugnis und ohne die Bestätigung durch das Zeichen läuft die Verkündigung stets Gefahr, toter Buchstabe zu bleiben. Evangelii nun-tiandi hat großen Nachdruck auf die zentrale Bedeutung des Zeugnisses gelegt, im übrigen in Übereinstimmung mit den Weisungen des Neuen Testaments und der Überlieferung. Verkündigung und Zeugnis müssen leuchten von reiner lehrhafter und sittlicher Klarheit, eingedenk dessen, daß das Evangelium zwar einen paradoxen Zug für die Einsicht und das 1558 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leben des Menschen hat, aber deshalb keine Beschneidungen oder Kompromisse erleiden darf. In dem Schreiben an die sieben Kirchen in der Geheimen Offenbarung macht Christus diesen Kirchengemeinden eben die Kompromisse in bezug auf Lehre und Moral zum Vorwurf und mahnt sie immer wieder zu einem Zeugnis, das bis zum Martyrium gehen kann. Bei der heiklen und schweren Aufgabe, heute eine neue Synthese zwischen Evangelium und Leben, zwischen evangelischer Botschaft und moderner Kultur zuwege zu bringen, verpflichtet uns unsere Hirtenaufgabe diesbezüglich dazu, eine besonders schwierige, anspruchsvolle und aufmerksame Unterscheidung zu üben. 17. Aus dieser Sicht werden wir feststellen müssen, daß die Erscheinung der Uneinigkeit, der Zwietracht ein sehr großes Hindernis für die Evangelisierung darstellt. Die Uneinigkeit in Lehre und Moral erscheint als ein mehr oder weniger typisches Symptom des „reichen“ Westens und somit auch Europas. In gewisser Hinsicht scheint sie von einer Verlagerung ziviler Lebensmodelle und der politischen Auseinandersetzung auf das religiöse und kirchliche Gebiet herzurühren; unter einem anderen Aspekt kann sie wohl einen stolzen menschlichen Geist ausdrücken, der von den Forderungen des Evangeliums ebensowenig wissen will wie von der Notwendigkeit der „Gnade“ Gottes, um sie anzunehmen und zu leben. Eine nicht unerhebliche Vorbedingung für die Evangelisierung wird es also sein, über und trotz der Uneinigkeit das echte Empfinden der Gläubigen zu erreichen und zu beleben, das das Evangelium in seiner sich vom Geist der Welt unterscheidenden Unverkürztheit aufnimmt, wie die Mahnung des hl. Paulus besagt: „Gleicht euch nicht dieser Welt an!“ (Röm 12,2). Wichtig ist zu betonen, daß nur eine solche Identifizierung mit dem unverkürzten Evangelium die wahre Kraft der Evangelisierung darstellen kann, weil allein das Wort Gottes aufgrund seiner Natur die heilbringende und lebenspendende Kraft ist. 18. Um ein wirksames Evangelisierungswerk zustande zu bringen, müssen wir uns wieder an dem allerersten apostolischen Vorbild inspirieren. Dieses beispielhafte Gründungsmodell sehen wir im Abendmahlssaal: Die Apostel sind vereint und warten mit Maria, das Geschenk des Heiligen Geistes zu empfangen. Erst mit der Ausgießung des Geistes beginnt das Werk der Evangelisierung. Die Gabe des Geistes ist der erste Antrieb, die erste Quelle, der erste Anhauch echter Evangelisierung. Es gilt also, mit 1559 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Evangelisierung zu beginnen, indem wir um den Geist bitten und suchen, wo er weht (vgl. Joh 3,8). Manche Zeichen solchen Wehens des Geistes sind zweifellos im heutigen Europa gegeben. Um sie zu finden, zu stärken und zu entwickeln, wird man bisweilen verkümmerte Schemata aufgeben müssen, um dorthin zu gehen, wo das Leben beginnt, wo wir Früchte des Lebens „nach dem Geist“ (vgl. Röm 8) sehen. Diese Lebensquellen im Einklang mit den Zügen des allerersten apostolischen Modells finden sich allgemein dort, wo Christus und die Liebe zu Christus mit dem kirchlichen Bewußtsein und Leben verbunden ist; dort, wo die Kirche wie Maria als Mutter verehrt und angenommen wird. Die Verkündigung Christi, die von der Mutterkirche getrennt ist oder, schlimmer, zu ihr im Gegensatz steht, könnte nicht die Verkündigung des menschgewordenen Wortes sein, das von der Jungfrau Maria geboren wurde und ständig von der Kirche im Herzen der Gläubigen zum Leben erweckt wird. Das, liebe Brüder im Bischofsamt, sind einige Überlegungen, die mir das so wichtige Thema eurer Arbeiten nahegelegt hat. Noch einmal möchte ich euch zur Hoffnung und zum Vertrauen auffordern. Die Aufgabe ist gewaltig, aber Gott ist mit uns; seine Liebe erhält und tröstet uns. Mein Segen begleite euch. ,,Seid Priester Christi und seid es ganz!“ Ansprache an die Neupriester des Collegium Germanicum et Hungaricum am 12. Oktober Liebe Neupriester, liebe Brüder und Schwestern! Die Begegnung mit den Priestern steht bei meinen Pastoraireisen stets im Mittelpunkt der religiösen Feiern und Veranstaltungen. Wo es möglich ist, spende ich gern auch persönlich das Sakrament der Priesterweihe. Dadurch möchte ich das enge Band sichtbar machen und noch fester knüpfen, das gerade die Priester mit der Person und dem Amt des Nachfolgers Petri zuinnerst verbindet. Deshalb ist es mir auch eine besondere Freude, euch, die Neupriester des Collegium Germanicum-Hungaricum, zusammen mit euren Angehörigen heute kurz empfangen zu können. In herzlicher Mitfreude beglückwün- 1560 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehe ich euch alle zu dem soeben empfangenen großen Gnadengeschenk: euch, meine jungen Mitbrüder im Priesteramt, die ihr fortan in der Kirche Jesu Christi die priesterliche Sendung des ewigen Hohenpriesters unter den Menschen vergegenwärtigen und fortsetzen dürft, aber auch euch, die Familien, die Eltern und Geschwister der Neugeweihten. Nicht ohne Grund bezeichnet das Zweite Vatikanische Konzil die Familie als das „erste Seminar“ (Optatam totius Ecclesiae renovationem, Nr. 2). Eine Berufung zum Priestertum ist niemals nur ein rein persönliches Geschenk; sie entsteht und entfaltet sich in der Gemeinschaft des Gottesvolkes und wird durch das Gebet und Glaubenszeugnis der Mitchristen -besonders der nahestehenden - begleitet und gefördert. Eine Priesterweihe ist deshalb auch immer eine besondere Gnade und Auszeichnung für die Familie und die Pfarrgemeinde des Berufenen. Mit dem Empfang der Priesterweihe beginnt nun euer priesterlicher Dienst in der Kirche zur Verkündigung der Frohen Botschaft Christi und zur Ausspendung seiner Gnaden. Es ist letztlich Christus selber, der durch euch sein Heil unter den Menschen wirken möchte. Deshalb bleibt euer priesterlicher Dienst stets zuinnerst gebunden an den Heilsauftrag der Kirche und kann sich nur in enger Gemeinschaft mit eurem Bischof rechtmäßig vollziehen und fruchtbar entfalten. In der gemeinsamen Sorge um das Heil der Menschen teilt ihr zugleich die Hirtensorge des Nachfolgers Petri, dem vom Herrn die Verantwortung für die ganze Kirche anvertraut ist. Ich begrüße euch deshalb heute auch als meine neuen Mitarbeiter im universalen Sendungsauftrag Jesu Christi. Besonders von den Priestern, die wie ihr die Ausbildung hier im Zentrum der katholischen Christenheit empfangen haben, erhoffe ich mir eine wahrhaft katholische, weltweite Sicht ihres Wirkens und eine besondere Verbundenheit mit dem obersten Lehr- und Hirtenamt der Kirche. Liebe, junge Mitbrüder, lebt euer Priestertum stets von jener Gnade her, die seit der Handauflegung in euch wohnt! Wir alle wissen um die Schwierigkeiten und Herausforderungen, denen der Priester in der heutigen säkularisierten Gesellschaft begegnet. Diese sollen euch jedoch nicht entmutigen, sondern euch vielmehr in der Überzeugung bestärken, wie sehr gerade die Welt von heute des Priesters als Zeugen für Gott und für die ewige Bestimmung des Menschen bedarf. Ihr sollt mir Zeugen sein, sagt Christus auch zu euch. Wie er sollt auch ihr fortan von der Wahrheit Zeugnis geben - gelegen oder ungelegen. Seid Priester Jesu Christi und seid es ganz! Steht zu eurem Wort, zu euren Aufgaben und Verpflichtungen und versteht euch nicht als Herren, sondern als Diener des Volkes Gottes und der Menschen; als Diener, die den 1561 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auftrag in Treue erfüllen, den sie im Namen Christi empfangen haben; als Diener, die um Christi willen allen alles werden, um alle für Gott und sein Reich zu gewinnen. Ich empfehle euer künftiges priesterliches Wirken in einer besonderen Weise dem begleitenden Gebet eurer eigenen Angehörigen und Gemeinden. Möge der Herr stets mit euch sein, euch stärken und führen! Mit besten persönlichen Wünschen erteile ich euch und euren Lieben hier und in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Die christlichen Wurzeln Europas Ansprache beim Ökumenischen Europäischen Symposion anläßlich des Kyrill-und-Method-Jahres in der Audienzhalle am 12. Oktober Liebe Schwestern und Brüder! 1. Es ist mir eine große Freude, euch hier versammelt zu sehen: Slawen und ihre Freunde aus so vielen europäischen Ländern, den Vereinigten Staaten und Kanada, heute, am Vorabend unserer großen Liturgiefeier zu Ehren der Slawenapostel Kyrill und Method in diesem Jahr der 1100. Wiederkehr des Todestages des hl. Method und des Jubiläums des Evangelisierungswerkes der beiden Heiligen. Unter euch begrüße ich die Vertreter der europäischen Bischofskonferenzen, die eben selbst ihr Symposion über die in der heutigen Zeit notwendige Evangelisierung der Länder Europas gehalten haben. Voll Freude begrüße ich an ihrer Seite die Vertreter der anderen christlichen Konfessionen, die sich, in gutem ökumenischem Geist, der Besinnung auf unsere gemeinsamen Wurzeln gern angeschlossen haben. Ich danke dem römischen Komitee für die Jubiläumsfeierlichkeiten zu Ehren der hll. Kyrill und Method mit seinem Präsidenten, Kardinal Wladyslaw Rubin, der leider aus Gesundheitsgründen nicht anwesend sein kann, dem Vizepräsidenten, Kardinal Jozef Tomko, und ebenso denen, die als Sekretäre fungiert haben: Msgr. Hrusovsky in der ersten Zeit, dann Msgr. Jezernik. Ich heiße die Kongreßteilnehmer willkommen, die Künstler und alle Pilger, die gekommen sind, um unsere beiden großen Heiligen als Mitpatrone Europas zu feiern. 1562 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Diese Feier zum 1100. Todestag des hl. Method hat uns sehr am Herzen gelegen: mir selbst als einem Sohn Polens, aber auch euch allen, meine lieben Freunde. Sie ist ein bedeutendes, Impulse gebendes Ereignis für die slawischen Völker, aber auch für das ganze Europa und für die ganze Kirche. Deshalb haben wir dieses Jubiläumsjahr durch eine Reihe von wichtigen Veranstaltungen hervorheben wollen. Mit dem 14. Februar, dem jetzigen Festtag der beiden Brüder aus Saloniki, der mit der Neugeburt des hl. Kyrill für den Himmel übereinstimmt, habe ich die Jubiläumsfeierlichkeiten mit einer Konzelebration in der Basilika San Clemente eröffnet, wo die sterblichen Überreste des hl. Kyrill ruhen. Mit Datum vom 2. Juni habe ich die Enzyklika Slavorum Apostoli veröffentlicht, in der ich das großartige Charisma und das bewundernswerte Werk der beiden großen Glaubensboten gewürdigt habe aus der Überzeugung heraus, daß die ganze Kirche und besonders diejenigen, die heute am Werk der Evangelisierung mitwirken, großen Nutzen aus dem Beispiel ihres Lebens, aus ihrer kirchlichen Einstellung und aus der Methode ihrer apostolischen Tätigkeit ziehen können. Anfang Juli habe ich Kardinalstaatssekretär Casaroli in zwei Länder des alten Großmährischen Reiches, denen ganz besonders die Glaubensverkündigung unserer beiden Heiligen zugute gekommen ist, entsandt mit dem Auftrag, in meinem Namen zwei großen Feierlichkeiten vorzustehen: in Djakovo in Jugoslawien und dann in Velehrad in der Tschechoslowakei. Es hat mich sehr ergriffen, mit welcher Inbrunst die jeweilige örtliche Bevölkerung an diesen beiden Feiern teilgenommen hat, zu denen auch der Bischof von Rom sehr gern selbst gekommen wäre. Mir ist bekannt, daß an manchen Orten und in manchen Ländern die Kirchen sich zu ähnlichen Feiern entschlossen haben in Würdigung alles dessen, was sie ihren Gründern und deren Schülern zu verdanken haben, und zwar nicht nur diese Kirchen, sondern auch die Nationen und die derzeit bestehenden Gesellschaftsgruppen der slawischen Welt. In dieser Woche nun führen mehrere Veranstaltungen zum Höhepunkt des Jubiläumsjahres. Ich möchte auf die Ausstellung über Kyrill und Method in der Vatikanischen Bibliothek hinweisen, die mehr als 120 Zeugnisse slawischer Kultur der Öffentlichkeit zugänglich macht. Zur selben Zeit findet in der Universität Urbaniana dank der Bemühungen des römischen Komitees der hll. Kyrill und Method und des Päpstlichen Instituts für Ostkirchenkunde ein Kongreß statt, auf dem eine Anzahl renommierter Wissenschaftler das Werk der beiden großen Glaubensboten und seine Auswirkungen darlegen. 1563 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heute nun empfange ich mit innerer Freude die zahlreichen Pilger, die aus verschiedenen slawischen Ländern nach Rom gekommen sind, und ebenso ihre Freunde. Ich werde sie noch in ihren eigenen Sprachen begrüßen. Und morgen werden wir gemeinsam die große Eucharistiefeier halten, die ich eigens aus diesem Anlaß angesetzt habe. 3. Nun noch ein besonderes Wort an die Teilnehmer des Kongresses. Liebe Freunde! Euer internationaler Kongreß aus Anlaß des 1100. Todestages des hl. Method mit dem Thema: „Das Christentum unter den Slawen“ hat wie selbstverständlich seinen Veranstaltungsort in Rom gefunden. Während nämlich der hl. Method die Wiederkunft des Herrn am Jünsten Tag in Velehrad in Mähren erwartet, ruht Konstantin-Kyrill hier in Rom. Er war sein Bruder und unzertrennlicher Gefährte bei der Missionierung, die Method unter den Slawen zu Ende geführt hat, und er ist sein unzertrennlicher Gefährte auch bei der ihm heute dargebrachten Ehrung: „Mein Bruder“, sagte der heilige Kyrill auf dem Sterbebett, „wir haben das gleiche Schicksal geteilt, indem wir den Pflug durch dieselbe Furche gezogen haben“ (Vita Methodii, VII, 2). Hier in Rom ist der Ort, wo mein Vorgänger Papst Hadrian II. in der Basilika Santa Maria Maggiore die von Kyrill und Method in die altslawische Sprache übertragenen heiligen Bücher auf dem Altar niedergelegt und durch diesen Akt sowohl die Übersetzungen als auch die Liturgie in dieser Sprache gutgeheißen hat. Hier in Rom haben die ersten slawischen Geistlichen die Weihe empfangen und ihre erste heilige Messe auf slawisch gesungen. Hier auch wurde Method zum Bischof von Sirmium geweiht und damit zum Oberhaupt des ersten Bistums für die slawischen Völker Pannoniens und des Großmährischen Reiches bestellt, wobei er die sehr weitreichende Autorität eines Delegaten des Hl. Stuhls für alle Slawen erhielt. Euer Kongreß mit seiner großen Fülle von wissenschaftlichen Beiträgen und Berichten sowie die anderen parallel stattfindenden Veranstaltungen wie die Ausstellung von Handschriften, Inkunabeln und anderen seltenen Büchern in slawischer Geschichte - eine gute Art und Weise, die beiden heiligen Slawenapostel anschaulich hervortreten und sie in ihrer reichen Vielfalt erstrahlen zu lassen. Ihr seid die Vertreter aller slawischen Nationen und auch der anderen Völker, die sich ihnen einig wissen in der Verehrung und Wertschätzung der beiden Heiligen und in der gegenseitigen Liebe zu ihren Erben. Ja, eure Anwesenheit hier ist ein lebendiges Bild der Größe und Weite des geistlichen Erbes von Kyrill und Method, das untrennbar in Religion und Kultur fortbesteht. 1564 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Eine solche Veranstaltung ist nicht nur von historischem und wissenschaftlichem Interesse; sie erlaubt uns, den Weg aufzuzeigen, den die Glaubensverkündiger von heute gehen müssen. Der Sinn, der dem Apostolat der hll. Kyrill und Method zugrundeliegt, ist auch für uns von großer Bedeutung, wie ich in der ihnen gewidmeten Enzyklika ausgeführt habe. Wir tun gut daran, den missionarischen Mut dieser Pioniere zu bewundern, die ihr Vaterland und die leuchtende Kultur von Byzanz verlassen haben, um das Evangelium in eine andere Kultur zu tragen: um den Preis großer Entsagung, vieler Strapazen, schroffen Unverständnisses und schonungsloser Verfolgung. Sie hatten nichts anderes im Sinn als das Wohl der slawischen Völker, die sie als gleichwertige Brüder und Schwestern in Jesus Christus achteten und ohne jeden Anflug von Diskriminierung liebten. Sie legten großen Wert darauf, ihnen bei der Verteidigung ihrer eigenen Identität zu helfen und sie an dem von Christus gebrachten Heil teilhaben zu lassen. Die Verkündigung des Evangeliums verlangte eine hohe Achtung vor den Menschen als Personen, vor ihren Traditionen, ihren menschlichen Werten, ihren Erwartungen, und das alles in einem Geist der Dialogbereitschaft, der ein gewaltsames Vorgehen ausschloß. Dank solcher Liebe, solchen Eifers und solchen Realismus’ haben sie die Kultur ihrer Freunde in sich aufgenommen, ihre Mentalität ergründet und erfaßt, die Botschaft des Christentums in ihre Sprache übertragen und eine entsprechende Schrift dafür geschaffen. Was an ihrem Werk der Anpassung und Inkulturation nicht minder bemerkenswert ist, ist die Sorgfalt, die sie auf die Beachtung der Rechtgläubigkeit der Botschaft verwandt haben, damit Glaube und Sitte der Neubekehrten mit dem einzigen Schatz der Überlieferung eng verbunden blieben. Sie hatten einen wachen Sinn für die geistliche Einheit der Kirche von Rom, von Konstantinopel und bei den Slawen. Sie wußten, daß in diesem Augenblick die Einheit im Glauben, der Friede und die Liebe unverzichtbar für die Kirche waren. Mit ihnen lernen wir die christlichen Wurzeln Europas besser zu würdigen. Mit ihnen können wir besser verstehen, wie die Kirche sich darstellen und wie sie ihre Sendung ausüben soll in der Welt von heute, in Europa und in den jungen Kirchen der Mission. 5. Nun möchte ich mich an die vielen Pilger wenden, die aus Anlaß dieser Feiern nach Rom gekommen sind. Aufrichtige pastorale Sorge und missionarischer Eifer veranlaßten die hll. Kyrill und Method zu ihrer Reise nach Rom. Sie suchten Rat und Hilfe für ihre Bemühungen, das Evange- 1565 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lium zu verbreiten und das kirchliche Leben der slawischen Völker in eine geordnete Form zu bringen. Zugleich kamen sie aber auch als wahre Pilger in diese Stadt, eifrig bemüht, die Orte aufzusuchen, die geheiligt waren durch das mutige Zeugnis von Petrus und Paulus und durch das heldenhafte Leben zahlloser anderer Märtyrer und Heiliger. Sie nahmen an Liturgiefeiern in den verschiedenen Kirchen Roms teil: in den Basiliken San Clemente, Santa Maria Maggiore, Sant’Andrea, St. Paul, St. Peter und anderen. Sie beteiligten sich an Prozessionen und Andachten, sogar an Diakonats- und Priesterweihen. Als Männer, die das Gebet und die heilige Liturgie besonders liebten, waren sie sehr froh über die Möglichkeit, sich dem reichen sakramentalen und liturgischen Leben der römischen Kirche anschließen zu können. Vom ersten Jahrhundert an ist Rom ununterbrochen ein bedeutendes Wallfahrtsziel gewesen. Gläubige jeden Alters kamen zu den Gräbern der Apostel und Märtyrer auf der Suche nach geistlicher Erneuerung und Vertiefung ihres Glaubens. Bischöfe kamen aus ihren Ortskirchen, um den Nachfolger des hl. Petrus zu besuchen und um die Bande kollegialer Einheit und brüderlicher Liebe mit ihm zu stärken. Junge Menschen kommen und suchen den Eifer und die Begeisterung, die den Glauben der Märtyrer entzündeten. Kranke und Behinderte beten hier um Heilung und Besserung. Sünder erwarten voll Sehnsucht die Vergebung ihrer Schuld und die Versöhnung mit Gott. Intellektuelle und Gebildete kommen, um die Schätze der Kunst und Architektur zu sehen und den Horizont ihrer Wertschätzung von Wahrheit und Schönheit zu erweitern. Bei allen, die sich auf die Reise hierher begeben, drückt die Pilgerfahrt einen Hunger und eine Sehnsucht nach Gott aus, eine innere Suche nach jener Ganzheit und Integrität, die nur in unserem Erlöser zu finden ist. Die Romreise von Pilgern aus aller Welt spiegelt in gewisser Weise das Geheimnis der Kirche wider. Der Hebräerbrief sagt: „Wir haben hier keine Stadt, die bestehen bleibt, sondern wir suchen die künftige“ (Hebr 13,14). Wir sind als Pilger unterwegs zum himmlischen Reich. Und an so besonderen Wallfahrtsstätten wie der Stadt Rom finden wir die Ermutigung und die geistliche Erleuchtung, die wir brauchen, um auf unserem Weg voranzuschreiten. Die vielen Pilger, die hierherkommen, sind aber auch ein Ausdruck der Universalität der Kirche. Wir sprechen verschiedene Sprachen. Wir repräsentieren eine reiche Vielfalt von Kulturen. Und doch sind wir durch die Taufe und den Glauben in Hoffnung und Liebe vereint. Wir alle sind Glieder des einen Leibes Christi, der Kirche. 1566 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Ein Wort möchte ich noch an die Künstler richten, die an dieser Zusammenkunft teilnehmen und uns eine Probe ihres Könnens gegeben haben. Die Früchte der von den heiligen Kyrill und Method begonnenen Evangelisierung sind erstaunlich reichhaltig und vielfältig gewesen. Sie strahlen fort im Glanz der göttlichen Liturgie der slawischen Völker. Sie haben die Gestalt und die Entwicklung ihrer Kultur in Musik, Literatur, Architektur und vielen anderen Ausdrucksformen der Kunst und des Geisteslebens nachhaltig beeinflußt. Dieser Einfluß ist in der Tat so beherrschend, daß man die Kultur der Slawen nicht verstehen kann, wenn man die entscheidende Einwirkung des christlichen Glaubens nicht anerkennt. Es ist deshalb nicht mehr als recht, daß Kyrill und Method zusammen mit dem hl. Benedikt den Titel „Patrone Europas“ tragen. Denn diese drei großen Heiligen haben tatsächlich in ganz bezeichnender Weise zum kulturellen und künstlerischen Erbe Europas beigetragen: in Ost und West. Neue Hoffnung auf die Einheit Predigt bei der feierlichen Messe zum Abschluß des Kyrill-und-Method-Jahres in St. Peter am 13. Oktober <240> <240> „Ich habe dich zum Licht für die Völker gemacht, bis an das Ende der Erde sollst du das Heil sein“ (Apg 13,47). Das apostolische Bewußtsein, das missionarische Bewußtsein entspringt der göttlichen Berufung - dem, was Gott in den Menschen hineinlegt, für den Menschen bereitstellt. Dafür sind, wie wir in der ersten Lesung der heutigen Messe gehört haben, in der Zeit der Apostelgeschichte Paulus und Barnabas Zeugen. Davon zeugen die Brüder Kyrill und Method aus Saloniki im 9. Jahrhundert nach Christus. Ich habe euch zum Licht für die Völker gemacht, damit ihr ihnen das Heil bringt (vgl. Apg 13,47). Diese besondere göttliche Berufung, die einige als Apostel einsetzt, entwickelt sich immer und überall unter dem Blick des Guten Hirten, der spricht: „Ich habe noch andere Schafe . . ., auch sie muß ich führen“ .(Joh 10,16). 1567 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Bild des Guten Hirten steht über der Liturgie des heutigen Festes, wie es im 9. Jahrhundert über der Mission der beiden Brüder gestanden hat. 2. Heute haben wir uns hier am Grab des hl. Petrus versammelt, um uns in den Rhythmus des Kyrill-und-Method-Jahres einzufügen, das in der ganzen Kirche Widerhall freudiger und intensiver Beteiligung geweckt hat. Die Feier dieses Jahres habe ich in Rom eröffnet, als ich mich am 14. Februar in die Basilika San Clemente begab, wo die sterblichen Überreste des hl. Kyrill ruhen, und darüber hinaus wollte ich mit der Veröffentlichung einer eigenen Enzyklika, Slavorum Apostoli, die Bedeutung unterstreichen, die die Gestalt und das Werk der beiden heiligen Brüder für die gesamte kirchliche Gemeinschaft haben. Im Juli habe ich dann meinen Kardinalstaatssekretär nach Djakovo in Jugoslawien und nach Velehrad in die Tschechoslowakei entsandt, damit er mich bei den Feierlichkeiten vertrete, die dort unter großer und begeisterter Beteiligung der Gläubigen stattfanden. In vielen Ortskirchen wurde dieses Jubiläums von den verschiedenen Bischöfen mit geeigneten Initiativen gedacht, zum Beweis für die Verehrung, die das christliche Volk in allen Teilen der Welt dem heiligen Brüderpaar entgegenbringt. Es sind 1100 Jahre her seit dem Tod des älteren der Brüder, Method, der in Velehrad in Mähren starb. Der Zweitgeborene, Kyrill, war schon vorher zum Vater heimgekehrt, und zwar während beide Brüder in Rom weilten. Und obwohl der Tod sie bereits im Jahr 869 getrennt hat, dauert doch ihr gemeinsames Werk, dem sie sich miteinander gewidmet haben, fort; das Werk der Verkündigung des Evangeliums unter den slawischen Völkern; von den uns geographisch am nächsten gelegenen Völkern, wie den Kroaten, Serben und den anderen slawischen Völkern auf der Balkanhalbinsel, bis zu den slawischen Völkern, die die östlichsten Regionen des Kontinents bewohnen; und auch unter anderen Völkern, die zu jener Zeit in Europa lebten. 3. Der Beginn dieses Werkes führt uns in die Stadt, die uns aus den Paulusbriefen gut bekannt ist: nach Saloniki, dessen antiker Name Thessalonike ist. Und er führt uns auch nach Konstantinopel, Hauptstadt des Reiches und Patriarchalsitz. Dort haben die beiden Brüder den Ruf vernommen: „Sei stark in der Gnade, die dir in Christus Jesus geschenkt ist. Was du vor vielen Zeugen von mir gehört hast, das vertrau zuverlässigen Menschen an . . .“ (2 Tim 2,1—2). Und mehr noch: „Leide mit mir als 1568 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN guter Soldat Christi“ (2 Tim 2,3). Dieser Aufruf ist im zweiten Brief des hl. Paulus an Timotheus enthalten. Als die Delegation von Ratislav, des Fürsten von Großmähren, eintraf, begriffen die beiden Brüder ihre Berufung erst ganz: Das Wort Gottes sollte sich in jener ganzen Gegend verbreiten (vgl. Apg 13,49). 4. Beide waren seit langem von Liebe zu diesem Wort erfaßt. Sie hatten seine geheimnisvolle Kraft kennengelernt. Sie wußten, daß es das „Licht für die Völker“ ist. Sie wußten, daß sich das Wort Gottes nicht in Fesseln legen läßt (vgl. 2 Tim 2,9). Zu Beginn der neuen Mission waren sie sich der Notwendigkeit bewußt, die Heilsdynamik dieses Wortes zu „entfesseln“, damit es sich im Denken und im Herz der slawischen Völker kraftvoll ausbreiten könne. Die Kirche verdankt den heiligen Kyrill und Method das Werk der „Losbindung“ des Wortes des Evangeliums zum Wohl dieser Völker. Das brachte eine intensive Arbeit auf sprachlichem Gebiet mit sich, die zu den ersten Ülbersetzungen der Heiligen Schrift in die altslawische Sprache führte. Und von damals an haben die Lippen unserer Vorfahren im slawischen Teil Europas gelernt, das Wort des Evangeliums, das Wort, das das Heil in sich trägt, zu sprechen und zu verkünden. 5. Eine große Arbeit, die die Sprache zum Gegenstand hat und zugleich die eigentlichen Wurzeln der Kultur berührt. Die Völker, die der Arbeit der beiden Brüder aus Saloniki die Anfänge ihrer kulturellen Identität verdanken, sind sich dessen sehr wohl bewußt. Während des heutigen Festgottesdienstes fühlen wir uns mit diesen Nationen besonders verbunden. „Inkulturation“ hat immer bedeutet und bedeutet noch heute den Eintritt des Evangeliums in eine Kultur und gleichzeitig der Kultur in das Evangelium. Besonders durch die Sprache. 6. Das Missionswerk der heiligen Kyrill und Method enthüllt ein besonderes Kapitel in der Geschichte der christlichen Mission in der Kirche. Die Worte des Guten Hirten: „Ich habe noch andere Schafe . . ., auch sie muß ich führen“ (Joh 10,16), haben im 9. Jahrhundert durch den Dienst der beiden Brüder Früchte getragen. Heute machen wir, die wir hier versammelt sind, uns nach elfhundert Jahren aufs neue die hohe Bedeutung ihres Werkes klar. Im zwanzigsten Jahrhundert - in dem sich Europa als ein in seinen östlichen und seinen westlichen Teil gespaltener Kontinent darbietet -, in diesem zwanzigsten 1569 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jahrhundert nimmt das Bewußtsein von seiner Einheit, das im Wort des Evangeliums auftauchte, für uns heute eine grundsätzliche Bedeutung an. Der Blick des gegenwärtigen Christus, seine Sorge als Guter Hirte überwinden die Grenzen jeder Spaltung. „Der Gute Hirte gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,11). Und auch die Schafe geben ihr Leben hin. Der Gute Hirt sieht den Wolf kommen und ergreift nicht die Flucht. Er bleibt bei den Schafen. So kennt er -seine Schafe, und; die -Schafe kennen ihn (vgl. Joh 10,14). 7. In diesem Zeugnis der Zeit, mit dem das Werk des Evangeliums den ganzen europäischen Kontinent in West und Ost durchsetzt, sind die heiligen Kyrill und Method für .uns alle nicht bloß Erinnerung, sondern auch Herausforderung. Wir gedenken nicht nur ihrer Mission, sondern wir vertrauen uns auch ihrer Fürbitte an. Nach elfhundert Jahren scheinen sie uns Menschen von heute zu sagen: „Leidet auch ihr für das Evangelium!“, nehmt die Leiden auf euch, an denen dieses Jahrhundert reich ist. Hat etwa Europa nicht eine neue Evangelisierung nötig? Wiederholt Christus nicht immer aufs neue auch für diesen Kontinent die Worte: „Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muß ich führen?“ 8. Wir wenden uns an die beiden Brüder als an die Verteidiger der Einheit. Wir wissen, daß damals, als sie ihre Mission durchführten, die Christenheit noch keine Spaltung erlitten hatte; Rom und Konstantinopel waren noch, nicht getrennt. Es gab Meinungsverschiedenheiten, aber noch keine Spaltung. Natürlich gab es zwischen den beiden Seiten der Kirche, zwischen den beiden großen Traditionen des Christentums, in denen sich auf wunderbar verschiedene und ergänzende Weise der eine Glaube historisch verkörpert hatte, zwischen dem östlichen und dem westlichen Teil der .einen Kirche, Spannungen, Unverständnis, aber noch keine Spaltung. Die Slawenapostel haben das Evangelium im Namen der einen, ungeteilten Kirche verkündet. Dann kam es zur Spaltung. Heute leben wir in einer neuen Hoffnung auf die Einheit. Wir beten und arbeiten für die Einheit der Christen. Und darum haben die beiden heiligen Brüder solche Bedeutung für uns. Aus der Tiefe von elfhundert, Jahren erreicht uns leuchtender denn je ihr Zeugnis von der christlichen Einheit: und in ihnen spiegelt sieh heute 1570 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unsere Hoffnung auf Erreichung des Zieles wider. Christus wünscht die Einheit von Orient und Okzident. 9. Der heutigen Konzelebration verleiht die Teilnahme zahlreicher Brüder im Bischofsamt besondere Feierlichkeit. Zahlreich vertreten sind die Kirchen Westeuropas, weniger zahlreich hingegen ist leider die Vertretung der Kirchen Osteuropas. Ich grüße sie alle mit großer Herzlichkeit. Bei der heutigen Feier sind auch verschiedene Vertreter anderer noch nicht voll mit der katholischen Kirche vereinigter Kirchen und christlicher Gemeinschaften aus Ost und West anwesend, um mit uns zu beten. Ich grüße sie voll Liebe im Herrn, mit tiefer Achtung und mit dem Gefühl aufrichtiger Dankbarkeit. Diese Vielfalt der Anwesenden bezeugt die gemeinsame Verehrung für die beiden großen Missionare, die das Evangelium Christi mit Liebe, Ausdauer, Klugheit im Geist der Einheit und Universalität der Kirche verbreitet haben. Heute werden sich die heiligen Kyrill und Method im Himmel freuen und für uns alle Fürsprache leisten. Ihr Werk, das in der Zeit vollbracht wurde, als Orient und Okzident trotz der beginnenden Spannungen in der vollen Einheit des Glaubens lebten, spornt die Chri-' sten von heute dazu an, die volle Einheit im Gehorsam gegenüber dem Willen des Herrn und um einer übereinstimmenden Evangelisierung in unserer Zeit willen wiederherzustellen. Der gemeinsame Herr hat für seine Jünger aller Zeiten gebetet, „alle sollen eins sein, damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). 10. Christus, der Gute Hirt, sagt: „Dann wird es nur eine Herde geben“ (Joh 10,16). Zwanzig Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil, nach der Konstitution Lumen gentium, bittet die Kirche durch Fürsprache der heiligen Kyrill und Method, der Slawenapostel, darum, daß er selbst, der Gute Hirt, der Herr der Geschichte, uns durch den Geist der Wahrheit die Wege zeige, auf denen wir wandeln müssen, damit sich sein Wort erfüllen kann: „nur eine Herde.“ Möge dieses Wort Fleisch werden, so wie er selbst im Schoß der Jungfrau Fleisch geworden ist: Er, der das Wort des Vaters ist, „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15), „ein Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2,32). Er: der Gute Hirt. 1571 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit Krieg ist alles verloren! Botschaft an die Vereinten Nationen vom 14. Oktober An seine Exzellenz Jaime de Pinies, Präsident der 40. Vollversammlung der Vereinten Nationen Durch seine Teilnahme an den Feiern zum 40. Jahrestag des Inkrafttretens der in San Francisco Unterzeichneten Charta der Vereinten Nationen möchte der Hl. Stuhl erneut seine moralische Unterstützung und sein Angebot zur Mitarbeit an den edlen Zielen bekräftigen, die sich „die Völker der Vereinten Nationen“ gleich nach dem Zweiten Weltkrieg gesetzt haben. Er möchte sie ermutigen aufgrund dessen, was die gesammelten Erfahrungen gelehrt haben, wie auch aufgrund einer besseren Kenntnis der noch zu überwindenden Schwierigkeiten, die neuen Herausforderungen der internationalen Zusammenarbeit aufzugreifen. 1. Im Anschluß an meine Vorgänger Johannes XXIII. und Paul VI. hatte ich bereits die Ehre, am 2. Oktober 1979 in einer persönlichen Ansprache vor dieser bedeutenden Versammlung daran zu erinnern, mit welch großer Wertschätzung der Hl. Stuhl die Aktivitäten begleitet, die die Charta vom 26. Juni 1945 den Nationen zuweist, die „beschlossen haben, ihre Kräfte zu vereinen“, um die höchsten Güter, nämlich den Frieden, die Gerechtigkeit und die Solidarität zwischen ihnen zu fördern. Der Hl. Stuhl, der zwar aus wohlverständlichen Gründen nicht Mitglied Ihrer Organisation ist, nimmt doch an ihren Arbeiten und an den Zielen, die sie verfolgt, in dem Maße teil, in dem diese mit den Forderungen seines eigenen Auftrags in der Welt vereinbar sind. Seine Anwesenheit durch einen ständigen Beobachter am Sitz der Vereinten Nationen in New York sowie in Genf und bei den Sonderorganen in Rom, Paris und Wien beweist sein Interesse an den Arbeiten der Vereinten Nationen und unterstreicht die Übereinstimmung von Zielen, die Ihre Organisation, die eine Weltorganisation sein will, auf der einen und die religiöse Gemeinschaft mit universaler Bestimmung, wie sie die katholische Kirche ist, auf der anderen Seite - jede auf dem ihr eigenen Gebiet - anstreben. Die katholische Kirche ist sich der Eigenart ihres etwaigen Beitrags wohl bewußt, der vor allem darin besteht, angesichts der die Menschen und die Nationen trennenden und entzweienden Kräfte an das Gewissen der Menschheit zu appellieren, unermüdlich nach neuen Wegen des Friedens, 1572 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Eintracht und der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Menschen und den Gemeinscchaften zu suchen. Zwischen Ihrer Organisation und der katholischen Kirche ist die Zusammenarbeit übrigens um so müheloser und fruchtbarer, als sich beide auf das in der Präambel der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ von 1948 beteuerte Grundprinzip berufen, das der Hl. Stuhl selbst mit Nachdruck lehrt und wonach „die Anerkennung der persönlichen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Menschheitsfamilie das Fundament der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt darstellt“. 2. Der Hl. Stuhl hat, wie Sie wissen, die Organisation der Vereinten Nationen schon am Anfang als eine in der gegenwärtigen Phase der Menschheitsgeschichte unersetzliche Einrichtung angesehen. Mein Vorgänger Paul VI. zögerte nicht, in ihr „den obligaten Weg der modernen Zivilisation und des Weltfriedens“ zu sehen, und ging so weit, sie „die letzte Hoffnung auf Eintracht und Frieden“ zu nennen (Ansprache vor den Vereinten Nationen, AAS 57, 1965, S. 878-879). Diese stetige Unterstützung von seiten des Hl. Stuhles ist aus der Überzeugung der Kirche entstanden, nach der die Nationen eine solidarische Einheit bilden und trotz und gerade wegen wiederholter Fehlschläge in Vergangenheit und Gegenwart die Pflicht haben, die institutionellen Mechanismen zu entdecken, die ihre friedlichen Beziehungen sicherstellen, und sie immer mehr zu vervollkommnen. Bereits im August 1917 schlug Benedikt XV. in seinem weltbekannten Appell an die kriegführenden Mächte die allgemeine Rüstung und die Einsetzung einer internationalen Autorität vor, die eine Schiedsrichterrolle zu spielen und Sanktionen zu verhängen vermag (vgl. AAS 9, 1917, S. 417-420). Wieder vor dem Hintergrund eines Krieges forderte Pius XII. bereits 1939 eine internationale Organisation, die wirklich imstande ist, gegen die Willkür von Staaten aufzutreten (vgl. Enzyklika Summi Pontificatus, AAS 31, 1939, S. 498). In seiner Weihnachtsbotschaft desselben Jahres nannte er die Voraussetzungen, unter denen das Ärgste noch vermieden und ein dauerhafter Friede in Aussicht genommen werden könnte: Eine dieser Voraussetzungen war die Schaffung einer neuen Weltorganisation auf der Grundlage des internationalen Rechts (vgl. AAS 32, 1940, S. 5-15). Johannes XXIII. versicherte in seiner unvergeßlichen Enzyklika Pacem in terris, daß die natürliche sittliche Ordnung die Einrichtung „einer öffentlichen Autorität mit weltweiter Befugnis“ verlange, um überall in der Welt 1573 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „die Anerkennung, die Achtung, den Schutz und die Förderung der Rechte des Menschen“ zu beleben und anzuspornen (AAS 55, 1963, S. 293-294). Eine solche Autorität - legte er klar - sollte, weil sie ja nicht gewaltsam aufgezwungen werden konnte, von den souveränen Staaten frei errichtet und gebilligt werden. Ihr Zweck ist es, dem universalen Gemeinwohl zu dienen, d. h. den erhabensten Interessen der Weltgemeinschaft als solcher, deren letztes Kriterium immer die Achtung und die Förderung der universalen und unveräußerlichen Rechte der menschlichen Person bleibt. Ihre Organisation scheint alle Voraussetzungen zu vereinen, um in immer wirksamerer Weise diese notwendige ausgleichende Autorität darzustellen. Mein Vorgänger Paul VI. und ich selber hatten Gelegenheit, dies vor Ihrer edlen Versammlung zu betonen (vgl. AAS 57, 1965, S. 888, und AAS 71, 1979, S. 1160). 3. Vierzig Jahre sind zweifellos wenig, wenn es darum geht, die uralte Neigung der Menschen und Völker zu beseitigen, ihre Konflikte mit Waffengewalt zu regeln und ihre Interessen gewaltsam zu verteidigen. Wenig ist es leider auch im Hinblick auf das letzte Ziel, das erreicht werden soll: eine Gesellschaft im Zeichen des Friedens. Die nationalen Egoismen, die ideologischen Verhärtungen, die Abkapselung, das Zögern oder sogar die Weigerung, sich im Krisenfall an die internationalen Instanzen zu wenden, der Versuch, eben diese Instanzen für Propagandazwecke umzufunktionieren, sind Klippen, die sich noch sehr schwer umgehen lassen. Aber vierzig Jahre Erfahrung haben gezeigt, daß die Ziele, die dem Hl. Stuhl und den Vereinten Nationen gemeinsam sind, trotz möglicher Fehlschläge und zahlreicher Enttäuschungen unbedingt verfolgt werden müssen. Unser Glaube an den Gott der Bibel, der uns daran erinnert, daß die Fülle des Friedens und der Gerechtigkeit auf Erden nicht durch das alleinige Bemühen der Menschen erreicht werden kann, versichert uns, daß mit Recht die dauernde Spannung auf dieses letzte Ziel hin besteht, das dem ganzen menschlichen Abenteuer Sinn und Größe verleiht. Es wäre ungerecht, all das schweigend zu übergehen, was die Vereinten Nationen im Laufe dieser ersten Periode ihres Bestehens geleistet haben. Wir müssen uns die Frage stellen, wie die Weltgeschichte im Ablauf der vierzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ohne Ihre Organisation hätte aussehen können: diese so reiche und so bewegte Zeit, manchmal vielversprechend und voller Fragen, die das fast vollständige Ende des Kolonialismus erlebt hat und die Zahl der Nationen, die zur Unabhängigkeit gelangt sind, unvergleichlich anwachsen sah, eine Zeit, die die Entfal- 1574 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tung eines so gewaltigen Fortschritts auf dem Gebiet der Wissenschaften und der Technik gesehen hat, neben zahlreichen gefährlichen Spannungen, insbesondere die tiefgehende ideologische Spaltung des Planeten -Spannungen und Spaltungen, die gewiß nicht die Frucht der Organisation der Vereinten Nationen sind, sondern deren fatalste Entwicklungen diese ja eben oft in Schranken halten konnte. Die Funktionsstörungen, die sich kaum vermeiden, aber immer überwinden lassen, dürfen kein Grund zur Entmutigung sein, sondern ein Hinweis auf die Lenkung der vorzunehmenden Anstrengungen und Verbesserungen. Je mehr die alten Reaktionen der Zuflucht zur Gewalt an der Tagesordnung bleiben, desto klarer wird, daß man Gefahr läuft, ein totales Scheitern nicht nur der internationalen Zusammenarbeit, um deren Wiederaufbau man sich seit vierzig Jahren geduldig bemüht, sondern der menschlichen Gesellschaft überhaupt herbeizuführen. Schon Pius XII. erinnerte am Vorabend des Zweiten Weltkrieges feierlich daran, daß „mit dem Frieden nichts verloren ist, mit dem Krieg alles verloren sein kann“ (AAS 31, 1939, S. 334). Heute läßt uns die Aussicht, daß es einen Atomkrieg geben könnte, keine Wahl. Sie zwingt uns - manche würden sagen: Sie verdammt uns - dazu, eine andere Zukunft zu schaffen, in der die Lösungen nach Recht und Gerechtigkeit über das Recht des Stärkeren siegen. Vierzig Jahre nach der Unterzeichnung der Charta der Vereinten Nationen müssen die Einsätze für den Frieden und die Menschenrechte mit einem feineren Verantwortungsgefühl behandelt werden als vorher. Die von den Unterzeichnerstaaten dieser Charta feierlich eingegangenen Verpflichtungen müssen ihrem Geist und ihren Buchstaben gemäß respektiert und ausgeführt werden. Einem Plan dienen, der den Menschen übersteigt Ganz besonders möchte ich in diesem Zusammenhang an die gewaltige Arbeit erinnern, die von Ihrer Organisation seit vierzig Jahren bei der Erarbeitung der Rechtsmittel geleistet wurde, die den Schutz der Grundrechte der menschlichen Person erläutern und entwickeln. Auf diesem Gebiet, das ja die Schaffung einer regelrechten Rechtsprechung der universalen Menschenrechte und des internationalen Rechts darstellt, sind bedeutende Fortschritte gemacht worden. Bei dieser langen und geduldigen Arbeit, das Weltgewissen wachzurütteln und schrittweise eine gerechtere Weltordnung aufzubauen, haben es der Hl. Stuhl und die katholische Kirche, wie Sie wohl wissen, nicht versäumt, ihren Beitrag anzubieten. 1575 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Ihre Organisation ist keine Weltregierung; sie verfügt nicht einmal über eine wirkliche Souveränität. Sie nennt sich eine Vereinigung souveräner Staaten. Wenn sie auch keine Vollmacht zu Zwangsmaßnahmen besitzt, ist sie doch mit einer Autorität ausgestattet, die sich auf die höchsten sittlichen Wert der Menschheit und auf das Recht stützt. Die Ereignisse der letzten vierzig Jahre scheinen die Notwendigkeit zu bestätigen, daß eine solche Autorität mit rechtlichen und politischen Mitteln und Möglichkeiten ausgestattet ist, die es ihr erlauben, das weltweite Gemeinwohl immer wirksamer zu fördern und, wenn Konflikte zwischen den Nationen auszubrechen drohen, Lösungen des Rechts und der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Der Hl. Stuhl kann die Vereinten Nationen gar nicht genug ermutigen, diese Rolle des Dienstes am Frieden, die ihre Existenzberechtigung ausmacht, zu verstärken und in gemeinsamem Einvernehmen nach geeigneten Mitteln der Überzeugung und Intervention zu suchen, wenn Mitgliedstaaten versucht sind, zur Gewalt zu greifen - oder leider tatsächlich zur Gewalt greifen, um ihre Konflikte beizulegen. Ihre Organisation ist ihrer Natur und ihrer Berufung nach das Weltforum; vor dem die Probleme im Licht der Wahrheit und der Gerechtigkeit unter Verzicht auf kleinliche Egoismen und auf Gewaltandrohung geprüft werden sollen. 5. Es gibt ein Problem von weltweiter Aktualität, das den Mitgliedern Ihrer Organisation und in gleichem Maß dem Hl. Stuhl Sorgen bereitet, denn es hat auch einen ethischen und humanitären Aspekt: Es handelt sich um die Frage der sogenannten „Dritten Welt“, insbesondere „Lateinamerika“. Es herrscht heute Übereinstimmung darüber, daß das Problem der Gesamtverschuldung der Dritten Welt und der neuen Abhängigkeiten, die es hervorruft, sich nicht bloß in Wirtschafts- und Währungsbegriffen stellt. Es hat sich zu einem Problem der politischen Zusammenarbeit und der Wirtschaftsethik ausgeweitet. Der Preis für diese Situation in wirtschaftlicher, sozialer und menschlicher Hinsicht ist oft derart hoch, daß er ganze Länder bis an den Rand des Zusammenbruchs führt. Im übrigen haben weder die Gläubiger- noch die Schuldnerländer etwas dabei zu gewinnen, wenn hoffnungslose Situationen entstehen, die jeder Kontrolle entgleiten. Es ist gerecht und liegt im Interesse aller, daß auf Weltebene die Lage in ihrer Gesamtheit und in allen ihren nicht nur ökonomischen und finanziellen, sondern auch sozialen, politischen und menschlichen Dimensionen ins Auge gefaßt wird. 1576 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihre Organisation spielt gewiß eine vorrangige Rolle in der Koordinierung und Verstärkung des weltweiten Einsatzes, den die Situation erfordert, und zwar im Geist richtig verstandener Gerechtigkeit, der im übrigen Hand in Hand geht mit einer realistischen Einschätzung der Lage. 6. Abschließend möchte ich unterstreichen, daß der Hl. Stuhl mit Ihrer Organisation der gleichen Ansicht ist, daß folgende Zielsetzungen der gemeinsamen Aktion Vorrang haben müssen: - zunächst die Intensivierung des Prozesses einer allgemeinen, ausgewogenen und kontrollierten Abrüstung; - die Stärkung der moralischen und rechtlichen Autorität der Vereinten Nationen für die Bewahrung des Friedens und die internationale Zusammenarbeit zugunsten der Entwicklung aller Völker; - die Durchführung der Unterzeichneten Abkommen und die Verteidigung der Grundrechte des Menschen; - die tatsächliche Anerkennung seitens aller Mitgliedsstaaten der in der Charta von 1945, in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ von 1948 und in den anderen internationalen Rechtsdokumenten enthaltenen Rechtsprinzipien und -mittel. Die internationale Gemeinschaft darf nicht zulassen, daß Mitgliedsstaaten dieser Organisation durch Ausübung der Rassendiskriminierung, Anwendung der Folter, der politischen und ideologischen Unterdrückung, durch Einengung der Meinungs- und Gewissensfreiheit systematisch und offen die Grundrechte des Menschen verletzen. Hier geht es nicht bloß um die Belange der einzelnen und der Völker, sondern um die Sache des Friedens in den verschiedenen Teilen der Welt, Für die Erreichung dieser Ziele ist es unerläßlich, daß ein größeres Vertrauen zwischen den Nationen der verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Systeme und vor allem zwischen den Großmächten zustande kommt, die in dieser Hinsicht eine besondere Verantwortung haben. Die Vereinten Nationen werden ihre hohe Sendung um so wirksamer erfüllen, wenn sich in den Mitgliedsstaaten und bei ihren Führern die Überzeugung herausbildet, was es heißt, über Menschen zu regieren: nämlich einem Plan zu dienen, der sie übersteigt. Die von Hoffnung und Mut erfüllte Vorstellung der Männer, die 1945 die Charta abgefaßt haben, ist von den Schwierigkeiten und Hindernissen nicht widerlegt worden, und sie kann nicht widerlegt werden, solange alle Völker der Welt entschlossen sind, diese Schwierigkeiten gemeinsam zu überwinden. 1577 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das ist die Ermutigung, die ich an Sie richte; das ist der brennende Wunsch, den ich aus ganzem Herzen ausspreche und den ich dem Schutz Gottes anvertraue. Aus dem Vatikan, am 14. Oktober 1985 PAPST JOHANNES PAUL II. Wesentliche Einheit der Liturgie wahren Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für den Gottesdienst am 17. Oktober Liebe Brüder, Mitglieder der Kongregation für den Gottesdienst! 1. Eure Versammlung bestätigt sichtbar die Erneuerung dieser Kongregation. Nachdem sie nämlich seit dem 5. April 1984 von der mit der Disziplin der Sakramente beauftragten Kongregation wieder getrennt ist, hat sie euch auf gef ordert, ihre erste Vollversammlung auf der Linie des wichtigen Kolloquiums vom Oktober 1984 abzuhalten, das die Präsidenten und Sekretäre der nationalen Liturgiekommission zusammenrief. Und eure derzeitige Versammlung findet im Lichte des zwanzigsten Gedenkjahres des II. Vatikanischen Konzils statt, dessen Höhepunkt die außerordentliche Synode im kommenden Monat sein wird. Über alle diese brüderlichen Begegnungen, die eine vom Heiligen Geist inspirierte gemeinsame Erneuerungsarbeit zum Wohl der Kirche anregen, freue ich mich mit euch, liebe Freunde, und danke Gott dafür. Ich habe nicht die Absicht, euren Studien über zahlreiche liturgische Themen eine lange Rede hinzuzufügen. Ich möchte eure Aufmerksamkeit nur auf zwei Punkte lenken, die sich in euren Arbeitsberichten abzeichnen und die ich sowohl eurer pastoralen Sorge wie eurem Gebet anvertraue. 2. Ich denke zuallererst an die grundlegende Bedeutung einer soliden liturgischen Erziehung. Sie ist auf allen Ebenen dringend geboten, wenn wir erreichen wollen, daß die diesbezüglichen Konzilsentscheidungen in der Alltagspraxis getreu und klug angewendet werden. Die Liturgie! Alle Welt spricht, schreibt 1578 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN oder diskutiert über dieses Thema. Man kommentiert sie, man lobt sie, man übt Kritik an ihr. Aber wer weiß wirklich über die Anwendungsprinzipien und -normen Bescheid? Die Konstitution Sacrosanctum concilium bezeichnete die Liturgie als die „Quelle“ und den „Höhepunkt“ des Lebens der Kirche (Nr. 10): Was tut man, um diese erhebende Definition in die Wirklichkeit umzusetzen? Man muß natürlich gerecht sein. Ich weiß, wieviel Anstrengungen seit zwanzig Jahren in allen Ländern, in allen Ordensfamilien unternommen werden, damit der Gottesdienst vom Volk Gottes nach dem Wunsch des Konzils „in voller, tätiger und gemeinschaftlicher Teilnahme mitgefeiert werden kann“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 21). Auf vielen Ebenen hat man bei den Seelsorgern wie bei den Gläubigen offenkundige Fortschritte erreicht. Aber man muß feststellen, daß, mit diesen Fortschritten vermischt, mitunter bedauerliche Mängel zu beobachten sind, die korrigiert werden müssen: z. B. ein allzu persönlicher Stil, unerlaubte Auslassungen oder Hinzufügungen, frei erfundene Riten, die außerhalb der festgesetzen Normen liegen, Verhaltensweisen, die dem Sinn für das Heilige, der Schönheit und der Andacht nicht förderlich sind. Diese Schwächen bedauern wir alle, und sie müssen zurückgenommen werden, denn sie verursachen für das Gebetsleben in der Kirche eine sehr nachteilige Verzögerung und Ablenkung. Die erste Aufgabe besteht also darin, eine solide Ausbildung für die Seelsorger sicherzustellen, die sie den Gläubigen vermitteln sollen. Und das auf allen Ebenen und mit allen Mitteln: Unterricht in den Kollegien, den Seminaren und den Hochschulinstituten für Liturgie, verschiedene Aktionen der nationalen Zentren, Tagungen für Pastoralliturgie, Studiengruppen, Teams für die Gestaltung des Gottesdienstes, liturgische Zeitschriften. Ich bitte euch also, alle diese Einrichtungen und Initiativen im Dienst einer besser verstandenen und besser angewandten Liturgie zu ermutigen und zu fördern, damit die hier mit aller Sorgfalt festgelegten Bestimmungen in der ganzen Kirche ihre Frucht bringen können. 3. Ein zweiter wichtiger Punkt bei den Überlegungen eurer Vollversammlung - auf dem alle Berichte des Kolloquiums vom Oktober 1984 bestanden hatten - ist die Anpassung der Liturgie an die verschiedenen Kulturen. Es genügt, in die verschiedenen Kontinente zu reisen, um die Dringlichkeit des Problems und seine Notwendigkeit zu sehen. Die sprachliche Anpassung war rasch, wenn auch manchmal schwierig zu verwirklichen. Auf sie folgte die Anpassung der Riten, die langsamer vor sich geht und 1579 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heikler, aber gleichfalls notwendig ist. Denn die meisten - vor allem außereuropäischen - Länder stehen vor dem schwierigen Problem der Inkulturation. Auf diesem Gebiet wird bedeutende Arbeit geleistet, man muß jedoch auf die Legitimität der verschiedenen Formen der Anpassung achten. Viele sind notwendig oder einfach nützlich. Manche erscheinen jedoch als unbrauchbar oder gefährlich, vor allem wenn sie den Stempel heidnischer oder abergläubischer Vorstellungen tragen. Das heißt, die notwendige Anpassung muß vor allen Dingen die wesentliche Einheit der römischen Liturgie bewahren und daher das Ergebnis hoher Sachkundigkeit und solider Studien in Liturgie, Theologie, Recht, Geschichte, Soziologie und in den Sprachen der verschiedenen Völker sein. Die Anpassung muß der Tatsache Rechnung tragen, daß es in der Liturgie, vor allem in der Liturgie der Sakramente, einen unveränderlichen Teil gibt, dessen Hüterin die Kirche ist, und einen nicht unveränderlichen Teil, bei dem sie ermächtigt und manchmal sogar verpflichtet ist, ihn an die Kulturen der neuevangelisierten Völker anzupassen (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 21). Das erfordert noch eine ernsthafte Ausbildung und eine längere und schwierigere Arbeit als die bloße Übertragung von einer Sprache in die andere (vgl. ebd., Nr. 23, 37, 38). Die Seelsorger und die Fachleute müssen sich in Verbundenheit mit den römischen Dikasterien unablässig darum bemühen. Abschließend vertraue ich das alles eurem Eifer, eurer Klugheit und eurem Gebet an. Ich weiß um die Zuständigkeit derer, die für die Kongregation, deren Mitglieder ihr seid, arbeiten, und ich weiß, daß ihr ihnen so gut wie möglich helft, indem ihr ihnen euren Rat und die Frucht eurer Erfahrung zur Verfügung stellt. Seit Oktober vergangenen Jahres hat dieses Dikasterium mit seinen Konsultoren viel gearbeitet, und eure Vollversammlung selbst konnte wichtige Themen behandeln, wie die Anpassung der Liturgie, von der wir sprachen, Sonntagsgottesdienste in Abwesenheit des Priesters, die Rolle der Frauen in der Liturgie. Besondere Aufmerksamkeit konntet ihr auch bestimmten Frömmigkeitsformen des Gottesvolkes widmen, wie den Messen zu Ehren der seligen Jungfrau Maria und der Heiligen. Für alle diese Arbeit, die große Sorgfalt erfordert, seid bedankt, beglückwünscht und ermutigt. Gott segne euch, liebe Brüder, die ihr aufgerufen seid, ihm in diesem bevorzugten Bereich des Gottesdienstes zu dienen! Seine Gnade inspiriere eure Arbeit während dieses neuen Abschnitts der Liturgiereform, „auf daß eurer Tun in ihm seine Quelle finde und in ihm seine Vollendung erfahre“ (Laudes, Montag I „per annum“)! 1580 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gleiche gesetzliche Garantien für Bürger und Einwanderer Ansprache an die Teilnehmer des 2. Weltkongresses für die Seelsorge am Menschen unterwegs am 17. Oktober Herr Kardinal! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der Papst fühlt sich verpflichtet, diejenigen, die sich so gut um die Aufnahme der Ausländer, der Gastarbeiter, der Menschen unterwegs bemühen, in seinem Haus bestens aufzunehmen! Euer Weltkongreß für die Seelsorge am Menschen unterwegs will sich im Laufe dieser Studientage nicht nur mit den Problemen der Aufnahme, sondern mit denen der Eingliederung der Ausländer und Gastarbeiter gründlicher befassen. Ich wünsche, daß euer brüderlicher Erfahrungsaustausch, eure klaren Situationsanalysen, eure Überlegungen aus der Sicht des Evangeliums, eure theoretische und praktische Orientierung wirksamer Ansporn seien für alle, die als Priester, Ordensleute und Laien zu dieser Integrierung in Kirche und Gesellschaft beitragen. Ihr wißt, ich bin durch meine Stellung darum bemüht, darauf hinzuwirken, daß jeder seine vollen Rechte in der Einheit der Kirche findet, die die Andersartigkeit respektiert. Ich bin daher froh, euch meine Ermutigung zum Ausdruck bringen und euch auf einige Aspekte hinweisen zu können, die vielleicht ein ergänzendes Licht auf die Vielschichtigkeit eurer Arbeit werfen. 2. Ihr habt die Idee entwickelt, daß die kirchliche Integrierung der Einwanderer die Ausübung eines wesentlichen Rechtes ist, das die Freiheit und die Entfaltung der menschlichen Person betrifft. Ich selbst sagte es in der Enzyklika Laborem exercens: „Der Mensch hat das Recht, seine Heimat aus verschiedenen Gründen zu verlassen — wie auch dorthin zurückzukehren - und in einem anderen Land bessere Lebensbedingungen zu suchen“ (Nr. 23). Diese Erfahrung kann nur dann positiv sein, wenn der der Arbeit wegen emigrierte Mensch wirtschaftlich, gesellschaftlich und kirchlich eingegliedert wird und so würdige Lebens- und Entwicklungsbedingungen findet, die seine Persönlichkeit und seine Herkunft berücksichtigen. Das ganze Problem besteht also darin zu wissen, wie man dieses Recht ausüben kann. 1581 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Aber ehe ich fortfahre, lenke ich eure Aufmerksamkeit auf die anderen Aspekte der Frage, damit alles in gerechter, ausgewogener und realistischer Weise gesehen wird. Eine solche Emigration an sich ist oft ein Drama; sie ist eine Prüfung, ja man könnte unter gewissen Gesichtspunkten sagen, ein Übel, ein notwendiges.Übel. Das gilt für die Person, die emigriert, für ihre Familie, die im allgemeinen eine schwierige Zeit mit allen Gefahren der Entwurzelung durchmachen muß; das gilt für das Herkunftsland, das eines Menschen beraubt wird, der das Leben, die Kultur, den Aufstieg dieses Landes bereichert hat. Ja, man ist versucht zu wünschen, daß die Gastarbeiter aus freien Stücken in ihre Heimat zurückkehrten. Wenn es sich um Flüchtlinge handelt, die die Umsiedlung auf sich nehmen mußten, um vor dem Schrecken, dem Krieg, der Ungerechtigkeit, der ideologischen Unterdrückung zu fliehen, besteht die beste Lösung - wie ich schon mehrmals zu sagen Gelegenheit hatte — mit um so größerem Recht über alle lobenswerten und notwendigen Bemühungen hinaus in der freiwilligen Repatriierung mit Sicherheitsgarantien (vgl. Ansprache in Yaounde am 12. August 1985, Nr. 12; vgl. auch Ansprache an das Diplomatische Korps, 15. Januar 1983, Nr. 6). Man kann also nicht a priori jede Auswanderung als ein positives Faktum ansehen, das anzustreben oder zu fördern ist. Eine weitere allgemeine Bemerkung ist, daß man auf diesem wie auf anderen Gebieten nicht von „Recht“ für den Zuwanderer wie für das Aufnahmeland sprechen darf, ohne von „Pflichten“, gegenseitigen Verpflichtungen, zu sprechen. Und wenn das Gastland seine Pflicht wahrnehmen und den Einwanderern zu einem würdigen Leben verhelfen soll - vor allem wenn es darum geht, ihnen das Asylrecht einzuräumen, das ein gutes Recht ist -, kann es an die Solidarität der anderen Länder appellieren, um nicht allein Lasten auf sich zu nehmen, die seine Kräfte übersteigen und das Gemeinwohl seiner Staatsangehörigen, das wohl seine erste Pflicht ist, in Gefahr bringen würden. Aber während wir diese Überlegungen anstellen, um eine verantwortungsvolle Rede zu halten, bleibt die Tatsache bestehen, daß die Emigration, vor allem der Arbeit wegen, eine Erscheinung ist, die in unseren modernen Gesellschaften immer weitere Verbreitung findet; eine Erscheinung, die sich zweifellos noch ausdehnen wird, denn die Suche nach Arbeit oder besseren Lebensbedingungen verlangt notwendig die Mobilität. Gleichzeitig erlebt man die Unabänderlichkeit der Situation der Gastarbeiter mit: Die meisten von ihnen, vor allem jene der zweiten Generation, wollen in dem Land bleiben, wo sie endlich eine größere 1582 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lebenssicherheit als in ihrem Herkunftsland gefunden haben. Das setzt voraus, daß sie sich besser eingliedern, integrieren können. Und eben das war das Thema eurer Arbeiten. Noch ein Gutes läßt sich der Prüfung der Emigration abgewinnen: das Zugehen auf eine in ihrer Vielfalt kulturell reichere und, so hoffen wir, in ihren brüderlichen Beziehungen offenere Gesellschaft. Es hat in der Tat den Anschein, daß man in den technisch fortgeschrittenen Ländern auf Mehrvölker und multi-kulturelle Gesellschaften zusteuert. So verstanden, kann die Migration sogar eine Chance für den Fortschritt sein. Aber zu welchen Bedingungen? 4. Ihr seht euch ja gerade mit den Schwierigkeiten der Integration konfrontiert, mit den Hindernissen, auf die sie stößt, und den Versuchungen, die da und dort auftauchen. Denn wenn vermieden werden soll, daß die Migranten neben den anderen leben, eine Welt für sich bilden, müssen sie sich nicht mehr so sehr „assimilieren“, absorbieren lassen, daß sie in der sie umgebenden Gesellschaft aufgehen, auf ihre ursprünglichen Eigenarten, auf ihre Identität verzichten. Es muß alles getan werden, daß sie mit ihrem eigenen Erbe an dem kulturellen, geistigen und menschlichen Gemeinwohl der ganzen Nation, der sie sich anschließen, teilhaben. Das setzt Offenheit, gegenseitige Achtung, Dialog, Austausch, Teilhabe aller Partner voraus. Die, die sie aufnehmen, müssen nicht nur auf die Bedürfnisse, sondern auf die Persönlichkeit der Gastarbeiter sorgfältig achten; sie müssen die Notwendigkeit der Teilhabe und Achtung begreifen, indem sie allen Geist der Selbstgefälligkeit, des Hochmuts, des Egoismus verbannen und sich erinnern, daß die Güter eine universale Bestimmung haben, daß alle Arbeiter und ihre Familien das Recht auf die gleichen gesetzlichen Garantien haben. Dieser Geist der Gleichheit ist um so notwendiger, als die Zurückweisung des Ausländers eine starke Versuchung darstellt, wenn das Industrieland eine große Wirtschaftskrise mit nachfolgender Arbeitslosigkeit erlebt, vor allem wenn eine rassistische Ideologie diese instinktive Schutzreaktion zu rechtfertigen sucht. Die Ankommenden ihrerseits haben zahllose Schwierigkeiten zu überwinden, darunter häufig die der Sprache und des kulturellen Niveaus, der unsicheren Lebensbedingungen, der Bürokratie. Sie dürfen deswegen nicht der Versuchung nachgehen, sich abzukapseln, sich in ein Gettodasein, in einen Isolierungs- oder Minderwertigkeitskomplex zu verschließen. Sie müssen zugleich in friedlicher Weise Zeugnis geben von der Treue zu ihren Wurzeln und vor allem von der Treue zu ihrem Glauben. 1583 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. In alledem hat die Kirche eine wichtige erzieherische Rolle gegenüber dem Volk, den Verantwortlichen und den Einrichtungen der Gesellschaft zu spielen, um die öffentliche Meinung aufzuklären und die Gewissen wachzurütteln. Aber sie muß ihrerseits selbst Zeugnis geben von dem Vorzug der Integration, die sie in ihrer Mitte übt. Ist sie nicht das „Sakrament der Einheit“, das in die Einheit die katholische Vielfalt aufnimmt, das Zeugnis gibt von der Versöhnung, die Christus durch sein Kreuz erwirkt hat? Die christlichen Gemeinden sollten diese Dynamik der brüderlichen Einheit und der Respektierung der Verschiedenheiten besser leben als andere gesellschaftliche Gruppen. Dank dem Heiligen Geist sollen sie sich um den ständigen Aufbau eines Volkes von Brüdern bemühen, das die Sprache der Liebe spricht, um Antrieb für den Aufbau der menschlichen Einheit, der Gesellschaft im Zeichen der Liebe zu sein. Dafür müssen sich die Bischöfe einsetzen. Sie müssen unablässig zum Dialog aufrufen und erziehen, indem sie gegen das Gewicht und den Einfluß der Haltungen und Gewohnheiten ankämpfen, die gegen das Gesetz von der Aufnahme des „fremden Bruders“ verstoßen. Gewiß hat die Kirche Etappen und Räume zur kirchlichen Integrierung geplant und in Aussicht genommen: Personalpfarreien, besondere Seelsorgezentren, „missiones cum cura animarum“. Diese Räume sind oft notwendig; sie dürfen jedoch nicht der Gefahr erliegen, sich in sich selbst zu verschließen und damit dem unerläßlichen Austausch miteinander Abbruch zu tun. Auch soll man im Namen der Einheit nicht berechtigte Entwicklungen, die Zeit brauchen, überstürzen: damit würde man sich des Erbes berauben, das eine gemeinsame Daseinsweise, die Kunst des „Miteinander-Lebens“, bereichern und befruchten sollte. 6. Was die Migranten betrifft, so kann es für sie noch nicht unmittelbar eine Frage der kirchlichen Integrierung sein, wenn die Kirche, als Mutter und Erzieherin, alle an ihr Recht erinnert, in neuen Lebensverhältnissen sie selbst bleiben zu wollen unter gleichbleibender Solidarität mit den anderen, nicht auf die bloße Rolle eines Mittels zur Produktion herabgewürdigt zu werden, sondern am gesellschaftlichen Leben des Landes und auch an bestimmten Einrichtungen des politischen Lebens teilzuhaben. Es gibt noch viel zu tun, damit die Gastarbeiter in den Genuß eines Status gelangen, der ihnen das Recht gibt, ihre Ursprünglichkeit in der nationalen Solidarität zu leben. Das ist komplexer und richtiger als eine einfache „Naturalisierung“. 1584 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. In allen diesen Punkten wird sich die Kirche zur Stimme derer machen, die ohne Stimme sind, zum barmherzigen Samariter, der die schwierigen Situationen aufmerksam verfolgt, der sich nicht mit patriarchalischen Gesten zufriedengibt, sondern der den Gastarbeitern behilflich ist, ihre Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie wird das Bild und der Sauerteig einer brüderlichen Gemeinschaft sein. Ihr habt die Ehre, daran in besonderer Weise teilzuhaben, um eure Brüder und Schwestern, die christlichen Gemeinden, zu einem Bewußtsein und einem Handeln zu veranlassen, die dem eindringlichen Wort Jesu entsprechen: „Ich war fremd . . ., und ihr habt mich aufgenommen“ {Mt 25,35). Ich spreche den Wunsch aus, daß ihr euch nicht damit zufriedengebt, die Hindernisse oder das, was getan werden muß, aufzudecken, sondern daß ihr es - bescheiden und der Größe der Aufgabe bewußt - versteht, auf die großartigen Bemühungen hinzuweisen, die mancherorts bereits versucht oder verwirklicht worden sind. Ist das nicht die beste Methode, die ersehnte Integrierung zu fördern? Ich rufe auf euch und diejenigen, die ihr vertretet, die Gnaden des Lichtes und der Kraft des Heiligen Geistes herab und segne euch alle aus ganzem Herzen. „Eure Wege sind uns nicht fremd“ Ansprache an zwei Arbeitsgruppen der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 21. Oktober Meine Damen und Herren! 1. Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen. Und ich freue mich mit der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und ihrem illustren Präsidenten, Prof. Carlos Chagas, daß es ihr gelungen ist, zwei Gruppen so hervorragender Wissenschaftler zusammenzuführen, um auf einer Studientagung die Themen zu behandeln: „Die künstliche Verlängerung des Lebens und die Feststellung des genauen Augenblicks des Todes“ und „Der Zusammenhang zwischen parasitären Erkrankungen und Ernährung“. Auf den diese Themen umfassenden Fachgebieten beweisen die Männer und Frauen der Naturwissenschaft und der Medizin ein weiteres Mal ihren 1585 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wunsch, für das Wohl der Menschheit zu arbeiten. Die Kirche fühlt sich in dieser Aufgabe mit Ihnen verbunden, denn auch sie trachtet, Dienerin der Menschheit zu sein. Wie ich in meiner ersten Enzyklika Redemptor hominis sagte: „Die Kirche darf am Menschen nicht Vorbeigehen; denn sein ,Geschick, das heißt seine Erwählung, seine Berufung, seine Geburt und sein Tod, sein ewiges Heil oder Unheil sind auf so enge und unaufhebbare Weise mit Christus verbunden“ (Nr. 14). 2. Ihre Anwesenheit erinnert mich an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus dem Evangelium, der sich um einen nicht namentlich genannten Mann kümmerte, der, von Räubern ausgeplündert und schwerverletzt, am Straßenrand liegengeblieben war. Die Gestalt des barmherzigen Samariters sehe ich in jedem von Ihnen sich widerspiegeln: Sie bieten mittels Naturwissenschaft und Medizin Ihre Fürsorge ungenannten leidenden Menschen an, sowohl unter den hochentwickelten Völkern wie auch unter den Massen jener Menschen, die von Krankheiten heimgesucht werden, deren Ursache Unterernährung ist. Für Christen erhalten Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit durch die Worte des hl. Paulus einen neuen Sinn: „Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“ (Röm 14,7-8). Diese Worte bieten uns, die wir an Christus glauben, viel Sinn und große Hoffnung; auch Nichtchristen, die die Kirche schätzt und mit denen sie Zusammenarbeiten will, verstehen, daß es im Geheimnis von Leben und Tod Werte gibt, die alle irdischen Reichtümer übersteigen. 3. Wenn wir das Thema aufgreifen, das Sie in Ihrer ersten Gruppe behandelt haben, nämlich: „Die künstliche Verlängerung des Lebens und die Feststellung des genauen Augenblicks des Todes“, so tun wir das mit zwei grundsätzlichen Überzeugungen: Leben ist kostbar; Tod ist ein natürliches Ereignis. Da Leben in der Tat kostbar ist, ist es richtig, daß Wissenschaftler die Forschung fördern, die menschliches Leben steigern und verlängern kann, und daß Ärzte über die fortschrittlichsten wissenschaftlichen Möglichkeiten, die ihnen im Bereich der Medizin zur Verfügung stehen, gut unterrichtet sind. Wissenschaftler und Ärzte sind dazu berufen, ihr Können und ihre Kraft in den Dienst des Lebens zu stellen. Niemals, aus keinem Grund und auf keinen Fall dürfen sie das Leben auslöschen. Für alle, die einen ausge- 1586 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN prägten Sinn für den überragenden Wert der menschlichen Person haben-das gilt für Glaubende und Nichtglaubende gleichermaßen —, ist die Euthanasie ein Verbrechen, an dem man keinesfalls mitwirken oder mit dem man sich auch nur einverstanden erklären darf. Wissenschaftler und Ärzte dürfen sich nicht selbst als Herren des Lebens, sondern als dessen erfahrene und selbstlose Diener betrachten. Gott allein, der den Menschen mit einer unsterblichen Seele geschaffen und den menschlichen Leib durch das Geschenk der Auferstehung erlöst hat, ist der Herr des Lebens. 4. Aufgabe der Ärzte und des Pflegepersonals ist es, den Kranken die Behandlung zuteil werden zu lassen, die ihnen helfen wird, sie zu heilen, aber auch ihre Leiden mit Würde zu ertragen. Selbst unheilbare Kranke sind nie unbehandelbar: Wie auch immer ihr Zustand sein mag, angemessene Fürsorge muß ihnen zuteil werden. Zu den nützlichen und zulässigen Behandlungsformen gehört die Verwendung schmerzstillender Mittel. Obwohl es Menschen gibt, die Leiden ohne Linderung ertragen können, mindert doch der Schmerz bei der Mehrzahl ihre moralische Kraft. Nichtsdestoweniger muß, wenn man den Gebrauch schmerzstillender Mittel ins Auge faßt, unbedingt die Lehre beachtet werden, die in der Erklärung der Glaubenskongregation vom 5. Juni 1980 enthalten ist: „Schmerzstillende Mittel, die Bewußtlosigkeit verursachen, bedürfen besonderer Beachtung. Denn eine Person muß nicht nur imstande sein, ihre moralischen Erfordernisse und familiären Pflichten zu erfüllen; sie muß sich auch mit vollem Bewußtsein auf die Begegnung mit Christus vorbereiten.“ Weder Herr des Lebens noch Herrscher über den Tod 5. Der Arzt ist nicht der Herr des Lebens, aber ebensowenig ist er Herrscher über den Tod. Der Tod ist ein unvermeidlicher Tatbestand des menschlichen Lebens, und die Anwendung von Mitteln zu seiner Vermeidung muß die Lage des Menschen berücksichtigen. Hinsichtlich der Anwendung gewöhnlicher und ungewöhnlicher Mittel äußerte sich die Kirche in der eben erwähnten Erklärung: „Wenn keine anderen ausreichenden Heilmittel oder Abhilfen zur Verfügung stehen, ist es mit Einwilligung des Patienten gestattet, zu den von den fortschrittlichsten ärztlichen Techniken bereitgestellten Mitteln und Möglichkeiten zu greifen, selbst wenn sich diese noch im Versuchsstadium befinden und nicht ohne Risiko sind . . . Ebenso ist mit Einwilligung des Patienten die Unterbrechung 1587 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieser Methoden gestattet, wenn die Ergebnisse den Erwartungen nicht entsprechen. Aber um eine solche Entscheidung zu treffen, wird man den berechtigten Wünschen des Patienten und seiner Familie sowie auch dem Rat der Ärzte Rechnung tragen müssen, die in dem betreffenden Fall besonders zuständig sind . . . Es ist auch zulässig, sich mit den herkömmlichen Mitteln, die die Medizin anzubieten hat, zu behelfen. Man kann also niemandem verpflichtend auferlegen, zu einer Technik zu greifen, die zwar bereits in Gebrauch ist, aber Gefahren in sich birgt und belastend ist. . . Wenn trotz der angewandten Mittel der unvermeidliche Tod bevorsteht, ist es mit gutem Gewissen erlaubt, die Entscheidung zu treffen, Behandlungsformen zurückzuweisen, die nur eine bedenkliche und drückende Lebensveränge-rung bewirken würden, vorausgesetzt, daß die normale Pflege, die dem Kranken in ähnlichen Fällen gebührt, nicht unterbrochen wird.“ 6. Wir sind Ihnen, meine Damen und Herren, dankbar, daß sie in allen Einzelheiten die wissenschaftlichen Probleme im Zusammenhang mit dem Versuch, den Zeitpunkt des Todeseintritts festzustellen, studiert haben. Eine Kenntnis dieser Probleme ist erforderlich, um mit reinem moralischem Gewissen über die Wahl üblicher oder außergewöhnlicher Behandlungsformen zu entscheiden und sich mit den bedeutsamen moralischen und gesetzlichen Aspekten von Organverpflanzungen zu beschäftigen. Das hilft uns auch bei den weiteren Überlegungen, ob die häusliche Pflege oder der stationäre Krankenhausaufenthalt für die Behandlung der Kranken und besonders der unheilbaren Fälle geeigneter ist. Das Recht auf eine gute Behandlung und das Recht, mit Würde sterben zu können, erfordern für die häusliche und die stationäre Pflege menschliche und materielle Mittel, die das Wohl und die Würde des Kranken sicherstellen. Den Kranken und vor allem den Sterbenden darf es nicht an der Liebe ihrer Familien, an der Sorge und Pflege der Ärzte und Schwestern und an der Hilfe ihrer Freunde mangeln. Jenseits allen menschlichen Trostes kann jeder sehen, welche außerordentliche Hilfe den Todkranken und ihren Familien durch den Glauben an Gott und die Hoffnung auf ein ewiges Leben zuteil wird. Ich möchte deshalb Krankenhäuser, Ärzte und vor allem Verwandte besonders im heutigen säkularisierten Klima bitten, es den Kranken leicht zu machen, zu Gott zu kommen, da sie in ihrer Krankheit neue Fragen und Ängste haben, die nur in Gott eine Antwort finden können. 1588 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. In vielen Gebieten der Welt kommt dem Thema, das Sie in Ihrer zweiten Arbeitsgruppe zu studieren begonnen haben, unermeßliche Bedeutung zu, nämlich dem Problem der Unterernährung. Hierbei handelt es sich nicht nur um das Problem des Nahrungsmangels, sondern auch um die Qualität der Nahrung, ob sie für die gesunde Entwicklung des ganzen Menschen geeignet ist oder nicht. Schlechte Ernährung läßt Krankheiten entstehen, die die körperliche Entwicklung behindern und ebenso das Wachstum und die Reifung von Verstand und Willen hemmen. Die bisher durchgeführte Forschung, die Sie jetzt bei diesem Kolloquium ausführlicher prüfen, hat zum Ziel, die mit schlechter Ernährung zusammenhängenden Krankheiten festzustellen und zu behandeln. Zugleich verweist sie auf die Notwendigkeit der Anpassung und Verbesserung der Anbaumethoden, Methoden, die imstande sind, Nahrungsmittel mit all den Elementen zu erzeugen, die die richtige Versorgung der Menschen und die volle körperliche und geistige Entwicklung der Person sicherstellen können. Ich hoffe inständig und bete dafür, daß Ihre Überlegungen die Regierungen und Völker der wirtschaftlich entwickelten Länder ermutigen werden, den von Unterernährung oder schlechter Ernährung am schwersten betroffenen Völkern zu helfen. 8. Meine Damen und Herren, die katholische Kirche, die auf der kommenden Weltbischofssynode des Abschlusses des II. Vatikanischen Konzils vor 20 Jahren gedenken wird, bekräftigt erneut die Worte, die die Konzilsväter an die Männer und Frauen des Denkens und der Wissenschaft richteten: „Unsere Wege mußten sich kreuzen. Euer Weg ist auch unser Weg. Eure Wege sind uns nicht fremd. Wir sind Freunde eurer Berufung als Forscher, Wegbegleiter auf eurem Arbeitsplatz, Bewunderer eurer Erfolge und, wenn nötig, Tröster in eurer Entmutigung und euren Fehlschlägen.“ In diesem Sinne rufe ich den Segen Gottes, des Herrn des Lebens, auf die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, auf alle Mitglieder der beiden Arbeitsgruppen und ihre Familien herab. 1589 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „ Wahrheit, die auch schwierig ist“ Predigt bei der Eucharistiefeier für die Professoren und Studenten der Päpstlichen Universitäten zu Beginn des akademischen Jahres in Sankt Peter am 25. Oktober 1. „Und er lehrte sie lange“ {Mk 6,34). Mit diesem Satz endet der Abschnitt aus dem Markusevangelium, der im heutigen Wortgottesdienst gelesen wurde: Jesus lehrte sie lange. Zu Beginn des akademischen Jahres an den Päpstlichen Universitäten und kirchlichen Kollegien in Rom wollen wir uns im Licht dieser Worte bewußtmachen, daß die Lehrunterweisung Jesu weitergeführt wird. Sie wird in der ganzen Kirche fortgesetzt. Und aufgrund der Tatsache, daß die Kirche in die Welt gesandt wird, geht sie auch in der Welt weiter. Denn Christus hat, ehe er zum Vater ging, gesagt: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ {Mk 16,15). „Geht zu allen Völkern . . . und lehrt sie“ (Mt 28,19). Die Lehrunterweisung Christi wird also in der Kirche fortgesetzt, wobei sie vielfältige Formen annimmt und Methoden, die je nach dem Lernenden und dem Lehrenden verschieden sind. 2. Die katholischen und Päpstlichen Universitäten und anderen Hochschulen sind ein bevorzugter Ort dieser Unterweisung. Ein Ort, dem besondere Bedeutung zukommt. Bedeutung unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung für die Wahrheit, die gelehrt wird. Bedeutung unter dem Gesichtspunkt der menschlichen Kultur, weil die Universitäten immer in gewissem Sinne der erste und wichtigste Ort der Inkulturation waren und noch immer sind. Die göttliche Wahrheit, die dem Menschen geoffenbarte, von der Kirche authentisch gelehrte Wahrheit tritt immer aufs neue in die menschliche Kultur ein. Sie nimmt ihre Formen an und durchdringt sie gleichzeitig mit ihrem Licht. 3. In diesen Prozeß, der ein Heilsprozeß ist, sieht sich der Mensch hineingestellt. Die Gemeinschaft der päpstlichen Hochschulen wird von vielen Menschen gebildet, und anläßlich der heutigen Eröffnung des neuen Studienjahres gedenken wir ihrer aller gemeinsam. Doch in besonderer Weise wollen wir uns dem Menschen zuwenden, der unterrichtet, und dem Menschen, der studiert. Die Universität ist, der noch immer aktuellen Bedeutung des Wortes entsprechend, eine Gemeinschaft von Professoren 1590 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Studenten. Die gemeinsame Verantwortung für die Wahrheit verbindet sie. Diese Verantwortung kommt in erster Linie denen zu, die unterrichten. 4. Es wäre daher gut, wenn sich die einen wie die anderen wieder den Dialog zwischen Jahwe und dem Propheten zu Herzen nähmen, an den uns die erste Lesung heute, aus dem Buch Jeremia, erinnert: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt“ (Jer 1,5). Prophet. Jawohl. Lehren ist eine besondere Form der Teilnahme an der prophetischen Sendung Jesu Christi. Denkt alle daran, die ihr lehrt und die ihr studiert, Professoren und Studenten! Teilnehmen an der prophetischen Sendung Christi, an seinem „munus propheticum“, heißt, in vollem Gehorsam gegenüber der Wahrheit handeln, die er verkündet hat und ständig durch die Kirche verkündet. Gegenüber der Wahrheit, die er selber ist. 5. Wie bedeutungsvoll ist darum auch die Tatsache, daß der Prophet Jeremia Angst hat; er hat Ehrfurcht vor Gott, der ihn ruft, und vor der Wahrheit, die auch schwierig ist. Sie ist die Frohe Botschaft, auch wenn sie vom Verstand, von der Mentalität, von den Gebräuchen der Menschen manchmal nicht leicht angenommen wird! „Da sagte ich: Ach, Gott und Herr, ich kann doch nicht reden, ich bin noch zu jung“ (Jer 1,6). „Sag nicht: Ich bin noch zu jung! Wohin ich dich sende, sollst du gehen, und was ich dir auftrage, sollst du verkünden. Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin mit dir und werde dich retten“ (Jer 1,7-8). 6. Das bezieht sich auf euch alle, die ihr hier anwesend seid, aber vor allem auf euch junge Menschen, auf euch Studenten. Die Studienzeit, in der ihr steht, ist für die einen eine Zeit der Vorbereitung auf das Priestertum, für die anderen eine Zeit der Festigung des empfangenen Priesteramtes. Es gilt also, diese beiden Prozesse miteinander in Einklang zu bringen: damit die Theologie bei euch zugleich der Weisheit und dem Mut zur „prophetischen“ Sendung diene. „Verkünde!“ vernimmt der Prophet aus dem Munde Gottes, und zugleich: „Fürchte dich nicht.“ Es ist also heute, zu Beginn des neuen Studienjahres, notwendig, daß der Herr euren Mund „berührt“ (vgl. Jer 1,9), liebe Professoren und Studen- 1591 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten, und daß er euren Geist und eure Herzen „berührt“, damit ihr in verschiedener Weise, wie es euren Aufgaben entspricht, zu euch sagen hört: „Hiermit lege ich meine Worte in deinen Mund“ (Jer 1,9). Darum sind wir in gemeinsamem Gebet zum Heiligen Geist hier versammelt. Mit diesem Gebet möchte ich als Bischof von Rom das neue Studienjahr nicht nur an den Päpstlichen Universitäten Roms, sondern indirekt an allen katholischen und kirchlichen Hochschulen, die auf die Kirche der fünf Kontinente verteilt sind, eröffnen. 7. Wenn wir im Gebet singen: „Veni Creator Spiritus, mentes tuorum visita“, mögen wir in unserem Gedächtnis die Worte gegenwärtig haben, die der göttliche Meister am Gründonnerstag seinen Aposteln verkündet hat: „Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit“ (.Toh 14,16-17). Im Vertrauen auf das Licht und die Macht des Geistes der Wahrheit beginnen wir das neue Jahr der akademischen Arbeit und des Dienstes im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit - unter dem Schutz Mariens, die der „Sitz der Weisheit“ ist. Mit dem Stamm Abrahams geistlich verbunden Ansprache an die Teilnehmer der Jahresversammlung der Internationalen Kommission für die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum am 28. Oktober Liebe Freunde! Zwanzig Jahre nach dem Tag, an dem das II. Vatikanische Konzil die Erklärung Nostra aetate verkündete, haben Sie für die zwölfte Versammlung des Internationalen Verbindungskomitees zwischen der katholischen Kirche - vertreten durch die Kommission des Heiligen Stuhls für die religiösen Beziehungen zum Judentum — und dem Internationalen Jüdischen Konsultationskomitee für Kontakte zu anderen Religionen Rom als Tagungsort gewählt. Vor zehn Jahren, im Januar 1975, haben Sie sich gleichfalls in Rom getroffen, um den zehnten Jahrestag der Verkündung dieses Dokuments 1592 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu begehen. Denn die genannte Erklärung behandelt in ihrem vierten Abschnitt die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und der jüdischen Glaubensgemeinschaft. Es wurde wiederholt gesagt, daß der Inhalt dieses Abschnitts, der nicht zu lang und nicht übertrieben kompliziert ist - bahnbrechend war, die bestehende Beziehung zwischen der Kirche und dem jüdischen Volk verändert und eine neue Ära in dieser Beziehung eröffnet hat. Es freut mich, zwanzig Jahre später hier versichern zu können, daß die Früchte, die wir seit damals geerntet haben - und Ihr Komitee ist eine dieser Früchte die diesen Behauptungen zugrunde liegende Wahrheit bestätigen. Die katholische Kirche ist immer bereit, mit Hilfe der Gnade Gottes alles in ihren Haltungen und Ausdrucksmöglichkeiten zu revidieren und zu erneuern, von dem sich herausstellt, daß es zu wenig ihrer Identität entspricht, die sich auf das Wort Gottes gründet, auf das Alte und Neue Testament, wie es in der Kirche gelesen wird. Sie tut das nicht aus irgendeiner Zweckmäßigkeit noch um irgendeinen praktischen Vorteil zu gewinnen, sondern aus einem tiefen Bewußtsein von ihrem eigenen „Geheimnis“ und aus einer erneuerten Bereitschaft, dieses Geheimnis in die Tat umzusetzen. Die Konzilserklärung sagt mit großer Exaktheit, daß sie, die Kirche, bei ihrer Besinnung auf dieses „Geheimnis“ des „Bandes gedenkt“, durch das sie „mit dem Stamme Abrahams geistlich verbunden ist“. Ein „geheiligtes“ Band Dieses „Band“, das die Erklärung weiter anschaulich erläutert, ist das eigentliche Fundament unserer Beziehung zum jüdischen Volk. Eine Beziehung, die man wohl als eine tatsächliche „Abstammung“ bezeichnen könnte und die wir nur zu dieser Religionsgemeinschaft haben, trotz unserer vielfältigen Kontakte und Beziehungen zu anderen Weltreligionen, besonders zum Islam, die von der Erklärung in eigenen Abschnitten behandelt werden. Dieses „Band“ muß als ein „geheiligtes“ Band bezeichnet werden, da es vom geheimnisvollen Willen Gottes herstammt. Unsere Beziehungen konnten sich seit jenem historischen Tag unter verschiedenen Gesichtspunkten und auf verschiedenen Ebenen im Leben der katholischen Kirche und der jüdischen Gemeinschaft nur verbessern, vertiefen und ausweiten. In diesem Zusammenhang ergriff, wie Sie wohl wissen, der Heilige Stuhl bereits 1974 die Initiative zur Schaffung einer Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum und veröffentlichte eben durch diese Kommission zwei weitere Dokumente, die für die 1593 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Anwendung der Konzilserklärung auf viele Bereiche des kirchlichen Lebens gedacht waren: 1975 die „Leitlinien“ und vor kurzem „Anmerkungen zur richtigen Darstellung der Juden und des Judentums in der Verkündigung und Katechese der katholischen Kirche“. Beide Dokumente sind ein Beweis für das fortgesetzte Interesse und die Verpflichtung des Heiligen Stuhles gegenüber dieser erneuerten Beziehung zwischen der katholischen Kirche und dem jüdischen Volk und für die Bereitschaft, daraus alle praktischen Folgen zu ziehen. Gegen Antisemitismus in jeder Form Was die oben erwähnten „Anmerkungen“ betrifft, die im vergangenen Juni veröffentlicht wurden, so bin ich sicher, daß sie maßgebend dazu beitragen werden, unsere Katechese und den Religionsunterricht von einer negativen oder falschen Darstellung der Juden und des Judentums im Rahmen des katholischen Glaubens zu befreien. Sie werden auch zur Förderung der gegenseitigen Achtung und Anerkennung, ja, der Liebe zueinander beitragen, da beide im unergründlichen Plan Gottes stehen, der „sein Volk nicht verstößt“ (vgl. Ps 94,14; Röm 11,2). Aus demselben Grunde sollte der Antisemitismus in seinen häßlichen und manchmal gewalttätigen Äußerungen völlig ausgerottet werden. Um so besser wird sicherlich eine positive Sicht unserer beiden Religionen, mit gebührender Achtung für die Identität einer jeden von ihnen, in Erscheinung treten, wie das bereits vielerorts der Fall ist. Zum richtigen Verständnis unserer Dokumente und besonders der Konzilserklärung ist es natürlich notwendig, daß man gut in die Kenntnis katholischer Überlieferung und katholischer Theologie eingedrungen ist. Ich würde sogar sagen, um den Abgrund der Vernichtung von Millionen Juden während des Zweiten Weltkrieges und die dabei dem Bewußtsein des jüdischen Volkes zugefügten Wunden zu ermessen, bedarf es für Katholiken unbedingt auch der theologischen Reflexion, wozu ja die „Anmerkungen“ (Nr. 25) sie auffordern. Ich hoffe darum ernsthaft, daß das Studium der Theologie und die Reflexion über die Theologie immer mehr zu einem Teil unseres Gedankenaustausches wird, zu unserem gemeinsamen Besten, auch wenn es, was nur allzu verständlich ist, Gruppen in der jüdischen Gemeinschaft gibt, die immer noch Vorbehalte gegen einen solchen Meinungsaustausch haben. Tiefe Kenntnis und Achtung der religiösen Identität des anderen scheinen jedenfalls wesentlich zu sein für die Bestätigung und Festigung des „Bandes“, von dem das Konzil gesprochen hat. 1594 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Internationale Verbindungskomitee, dem Sie angehören, ist selber ein Beweis und die praktische Bekundung dieses „Bandes“. Sie haben sich seit 1971 zwölfmal getroffen, und trotz normaler Anpassungsschwierigkeiten und selbst gelegentlicher Spannungen sind Sie zu einer reichen, vielfältigen und offenen Beziehung gelangt. Ich sehe hier anwesend sowohl Vertreter zahlreicher Lokalkirchen als auch mehrerer lokaler jüdischer Gemeinden. Eine so zahlreiche Anwesenheit von Vertretungen in Rom anläßlich des zwanzigsten Jahrestages von Nostra aetate ist schon an sich trostreich und verheißungsvoll. Wir haben wirklich große Fortschritte in unseren Beziehungen gemacht. Um unter Gottes Blicken und mit seinem alles heilenden Segen auf demselben Weg weiterzugehen, werden Sie gewiß mit um so größerer Hingabe für ein ständig tieferes gegenseitiges Kennenlemen, für ein größeres Interesse an den legitimen Beziehungen zueinander und besonders für die Zusammenarbeit in den vielen Bereichen wirken, in denen unser Glaube an den einen Gott und unsere gemeinsame Achtung vor seinem Abbild in jedem Mann und in jeder Frau unser gemeinsames Zeugnis und unsere Verpflichtung zur Verbundenheit herausfordern. Für die geleistete Arbeit danke ich mit Ihnen dem Herrn unserem Gott. Und für das, was noch zu tun Sie aufgerufen sind, bringe ich meine Gebete dar, und ich freue mich, noch einmal zu bekräftigen, wie sehr sich die katholische Kirche zu dieser Beziehung und diesem Dialog mit der jüdischen Gemeinschaft verpflichtet fühlt. Möge der Herr Ihrem guten Willen und Ihrem Einsatz für diese wichtige Aufgabe als einzelne und als Institution beistehen. „Dein Glaube hat dich geheilt“ Ansprache an die Teilnehmer der Behindertenwallfahrt des österreichischen Malteserordens am 31. Oktober Liebe Brüder und Schwestern! Die Möglichkeit zu dieser kurzen Begegnung ist nicht nur eine Freude für euch, sondern auch für mich selbst. Bei allen meinen Pastoralbesuchen und auch bei den wöchentlichen Generalaudienzen haben die Kranken immer einen bevorzugten Platz. Ihnen galt die besondere Vorliebe Chri- 1595 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sti, ihnen gilt auch die besondere pastorale Sorge und Zuneigung des Nachfolgers Petri. Deshalb grüße ich euch sehr herzlich: die Kranken, ihre Angehörigen und Betreuer wie auch die Organisatoren dieser Kranken-und Romwallfahrt des Malteserordens aus Österreich. Wie die Evangelien berichten, drängten die Kranken in Scharen zu Jesus. Schon damals waren beherzte Menschen ihnen dabei behilflich, wie z. B. beim Gelähmten, den sie vom Dach des Hauses zu ihm herabließen. Jesus begegnet den kranken Menschen niemals nur in ihren leiblichen Gebrechen, sondern sieht dahinter immer auch ihre seelische Not. Er lobt vor allem ihr Vertrauen und ihren Glauben und spricht ihnen die Vergebung der Sünden zu. So sagt Jesus zum Blinden am Wegrand von Jericho: „Dein Glaube hat dich geheilt.“ Fast nur beiläufig fügt der Evangelist noch hinzu: „Und sogleich konnte er sehen“ (Mk 10,52). Wichtiger ist für Jesus die innere Heilung durch den Glauben. Auch diese Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel soll für euch zu einer solchen Begegnung mit Christus führen. Schenkt ihm euer ganzes Vertrauen, erneuert euren Glauben an ihn, der gekommen ist, auf daß wir das Leben haben und es in Fülle haben. Er wird diese verheißene Fülle des Lebens auch euch schenken in der Weise, wie es seinem geheimnisvollen Ratschluß entspricht. Wenn er auch eure Gebrechen nicht von euch nimmt, so wird er euch doch helfen, sie mit neuem Mut und tieferem Verständnis zu tragen. Er möchte vor allem die Lähmung und die Blindheit unseres Herzens von uns nehmen und uns befähigen, ihm immer vollkommener nachzufolgen entsprechend unserer jeweiligen ganz persönlichen Berufung. Ein starker, lebendiger Glaube wird auch euch heilmachen, euch inneren Frieden und ein erfülltes Leben schenken, selbst wenn die äußeren Gebrechen bleiben. Ich empfehle eurem Gebet und Opfer die großen Anliegen der Kirche. Macht euer Leben fruchtbar für Christus und seine Sendung zum Heil der Menschen. Euch erbitte ich als Gnade dieser Pilgerreise jenen heilenden Glauben, der den inneren Menschen erneuert und zur wahren Fülle des Lebens in Christus führt. Mit euch zusammen danke ich euren Angehörigen und Helfern für ihre aufopfernden Dienste, die vom Herrn die Verheißung eines reichen Lohnes haben. Zugleich erteile ich euch allen und euren Lieben in der Heimat für Gottes steten Schutz und Beistand von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 1596 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „ Überleben“ von katholischen Krankenhäusern Ansprache an den Weltkongreß der Internationalen Vereinigung katholischer Krankenhäuser am 31. Oktober 1985 Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich wirklich, Sie alle in Sonderaudienz zu empfangen, Ärzte, Krankenpfleger, freiwillige Helfer, geistliche Krankenschwestern und Verwalter, die Sie in Vertretung der über die ganze Welt verstreuten katholischen Krankenhäuser zu Ihrem Kongreß nach Rom gekommen sind, um nicht nur das Studium für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den sanitären Krankenhausstrukturen zu vertiefen, sondern auch um insbesondere den Entwicklungsländern wissenschaftliche und technische Hilfen, verbunden mit praktischer Beteiligung, zu liefern. Ich begrüße Sie alle, die Sie hier anwesend sind, herzlich, besonders die Initiatoren der Confoederatio Internationalis Catholicorum Hospitalium, Msgr. James Cassidy und Dr. Marcello Sacchetti als Präsident bzw. Generalsekretär des Förderungskomitees. Außerdem gelten meine Gedanken Kardinal Pironio und Msgr. Fioronco Angolini, Präsident bzw. Pro-Präsident der Päpstlichen Kommission für das Krankenapostolat, und Fra Pier Luigi Marchesi, der hier als Vertreter der Ordenskrankenhäuser teilnimmt. Es ist mir willkommen, Ihnen meine Freude über diese Initiative zum Ausdruck zu bringen, die ich für bedeutsam halte, weil sie qualifizierte Leute, die auf dem heiklen Gebiet des Gesundheitswesen tätig sind, in Kennenlernen, Freundschaft, Diskussion zusammenbringt und Ihnen damit Ansporn und Ermutigung bei der oft aufreibenden und unbeachteten Ausübung der eigenen Tätigkeit verschafft. Ich bin sicher, daß Ihre Begegnungen, die eine immer intensivere Förderung des Kulturaustausches und der technischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit zum Ziel haben, sich für Ihren Beruf und für einen besseren Dienst an allen, die sich in Ihre ärztliche Behandlung begeben, als nützlich erweisen. Eben um diese Zusammenarbeit zu fördern, habe ich am 11. Februar dieses Jahres eine eigene Päpstliche Kommission errichtet, wobei ich in dem aus diesem Anlaß veröffentlichen Motu proprio Dolentium hominum den Wunsch nach besserer Koordinierung aller im Bereich der Gesundheitsfürsorge eingesetzten katholischen Organisationen und Institutionen aussprach (vgl. Nr. 4). 1597 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Wenn es sich um Organisationen wie die Ihrigen handelt, die sich am Evangelium Christi und am Lehramt der Kirche inspirieren, die ja aus angeborener Berufung schon immer die Krankenfürsorge gefördert hat, werden meine Worte noch vertrauensvoller, und mein Herz öffnet sich zu einer noch aufrichtigeren Dankbarkeit für die Arbeit, die Sie leisten. Ihre Eigenschaft als Katholiken, die im Gesundheitswesen beschäftigt sind, die den Antrieb für die eigene Sendung aus den Grundsätzen der christlichen Moral holen, macht Sie gewissermaßen zu Fortsetzern der Heilungstätigkeit des Herrn, das vom Evangelisten Matthäus so zusammengefaßt wird: „Jesus zog in ganz Galiläa umher, lehrte in den Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden. Und sein Ruf verbreitete sich in ganz Syrien. Man brachte Kranke mit den verschiedensten Gebrechen und Leiden zu ihm, Besessene, Mondsüchtige und Gelähmte, und er heilte sie alle“ (Mt 4,23-24). Die von Jesus bewirkten Heilungen beschränkten sich bekanntlich nicht auf die bloße Beseitigung eines pathologischen Phänomens, sondern waren zugleich prophetische Zeichen für das Kommen des Gottesreiches und der neuen geistlichen Situation, die im Geheilten entstehen würde. Nach biblischer Auffassung erscheint die Krankheit, wie Verbannung und Sklaverei, als eine vorläufige Wirklichkeit, deren Verschwinden mit dem Heraufkommen der neuen Zeit verbunden ist. Anläßlich der Heilung des Blindgeborenen antwortete Jesus auf die Frage der Jünger: „Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst? Oder haben seine Eltern gesündigt, so daß er blind geboren wurde?“, „Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden“ (Joh 9,2-3). Die Heilungen waren also Gelegenheiten, die körperliche Gesundheit zurückzugeben und das Heil der Seele zu schenken, das heißt, in dem auf wunderbare Weise Geheilten das Reich Gottes Wirklichkeit werden zu lassen. Aus dem Beispiel Jesu erwächst für den Katholiken, der in der Gesundheitsfürsorge tätig ist, die Verpflichtung, sich nicht auf die natürlich immer dringend gebotene Sorge für den Leib zu beschränken, sondern seine Bemühungen auf die Evangelisierung des Geistes auszuweiten, weil die Patienten ein Recht darauf haben, über den Sinn von Leben und Tod im Lichte des christlichen Glaubens unterrichtet zu werden. Der im Krankenapostolat Tätige, der in reichem Maße über diese Spiritualität verfügt, insbesondere der Priester, ist zusammen mit dem Pastoralrat dazu berufen, unter den Kranken und ihren Angehörigen eine wichtige, auf die christliche Hoffnung gegründete Tätigkeit zu entfalten. Seien Sie, liebe Brüder und Schwestern, glaubwürdige und aufmerksame Zeugen dieser 1598 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hoffnung am Bett derer, die auf Sie blicken, um körperliche Erleichterung und geistlichen Trost zu erhalten. 3. In dieser.'Sich rasch wandelnden Welt sind Sie auch zusammengekommen, um miteinander über .die für ein besseres Funktionieren Ihrer sanitären Gegebenheiten notwendigen technischen Aspekte zu diskutieren. Um den großen Idealen, die ich soeben angedeutet habe, gerecht zu werden, dürfen die katholischen Krankenhäuser nichts unversucht lassen, damit die Kranken so versorgt und betreut werden, wie es ihre Würde als Personen, „die als Abbild Gottes“ geschaffen worden sind (Gen 1,26), verlangt. Niemandem entgeht, wie sehr die technische Entwicklung und gerade auch die Veränderungen gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Natur in der Welt das Gefüge verändert haben, auf das sich das gesamte Leben im Krankenhaus stützt. Daraus ergibt sich die Forderung nach einer neuen Kultur, besonders bei der technischen und vor allem der moralischen Ausbildung der in allen Bereichen des Gesundheitswesens Tätigen. Das katholische Krankenhaus, das verpflichtet ist, Zeugnis von der Kirche zu geben, muß sodann gründlich die Organisation überprüfen, damit sie immer besser die Werte des Evangeliums widerspiegelt, die in den sozialen und sittlichen Weisungen des Lehramtes ihren Widerhall gefunden haben; es darf sich nicht von den „Systemen“ vereinnahmen lassen, die nur die wirtschaftlich-finanzielle Komponente und die klinisch-pathologischen Aspekte im Auge haben; es bemühe sich, stets dem Menschen ganz nahe zu sein und ihm angesichts der Ängste, die ihn in den kritischsten Augenblicken der Krankheit befallen, beizustehen; es soll eine Kultur schaffen, deren Ziel die Humanisierung der Medizin und der Krankenhauswirklichkeit ist. Das alles erfordert eine starke einigende Bewegung zwischen den katholischen Krankenhäusern in sämtlichen Bereichen, einschließlich des wirtschaftlich-organisatorischen. Mit dieser angestrebten Einheit soll das katholische Krankenhaus noch mehr als jede andere Krankenhauseinrichtung für die Bedürfnisse aller Patienten jedes Erdteils, besonders der Entwicklungsländer, offenstehen. 4. Es gibt eine besondere Form des Dienstes, die noch einmal zu erwägen ich Ihnen nahelegen möchte, denn ich bin überzeugt, daß katholische Krankenhäuser auch auf diese Weise anderen Gesundheitsdiensten und -Strukturen ein Beispiel sein sollten. 'Überall auf der Welt gibt es eine 1599 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN starke Zunahme des Phänomens des freiwilligen Dienstes, bei dem zahlreiche Menschen, besonders unter den Jugendlichen, bereit sind, wenigstens einen Teil ihrer Zeit für die Leistung unbezahlter Arbeit zugunsten der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Für Christen ist die Übernahme solcher Verantwortung für das öffentliche Wohl ein praktischer Weg, Bereitwilligkeit zu zeigen, durch Teilhabe an den Problemen und Schwierigkeiten ihrer Brüder und Schwestern dem Beispiel Christi zu folgen. Wie können wir dem bedeutenden Beitrag, der den Möglichkeiten der Gesundheitsfürsorge von der liebevollen und diskreten Präsenz freiwilliger Helfer, die die Arbeit des eingestellten Pflegepersonals vervollständigen, zuteil wird, die gebührende Anerkennung versagen? Der freiwillige Dienst kann, wenn er richtig eingeplant wird, die Qualität der geleisteten Fürsorge durch einen zusätzlichen Kontakt menschlicher Wärme und Aufmerksamkeit verbessern helfen, was die Patienten offensichtlich zu trösten vermag und vermutlich auch eine positive Auswirkung auf den Verlauf der Behandlung hat. Ich weiß, daß in einer ansehnlichen Anzahl katholischer Krankenhäuser, besonders bei den chronisch Kranken, in dieser Hinsicht schon viel getan wird. Aber die gegenwärtigen Verhältnisse lassen es angeraten erscheinen, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, sich zu bemühen, in noch größerem Maße von den Möglichkeiten der in der Gemeinschaft verfügbaren Hochherzigkeit Gebrauch zu machen; und zu diesem Zweck würde es sich für die verschiedenen Krankenhäuser, die nach christlichen Grundsätzen ausgerichtet sind, als nützlich erweisen, ihre Erfahrungen auszutauschen. Das angestrebte Ziel ist eine Struktur des Gesundheitswesens, die nicht isoliert ist, sondern einen lebendigen Teil des Sozialgefüges der Nachbarschaft bildet. Ein aktiver Austausch zwischen der Gemeinschaft der Gesunden und der Gemeinschaft der Kranken muß sich einfach als ein mächtiger Ansporn zu einem allgemeinen Wachsen in der Liebe erweisen. Unsere Zeit ist voll hoher Verantwortung für die katholischen Krankenhäuser, und ihr Überleben hängt davon ab, wie es den Katholiken gelingt, nicht nur mit den heutigen Kranken, sondern mit allen Menschen unserer Tage umzugehen. Ihr Überleben hängt gleichfalls davon ab, ob es den Katholiken gelingen wird, eine neue Kultur und neue Formen pastoraler Krankenfürsorge zu schaffen, ob sie in der Lage sind, Zeugnis zu geben von Christus als dem Erlöser der Seele und des Leibes. 5. Liebe Brüder und Schwestern, der Probleme, die auf eine Lösung warten, gibt es viele: Meine Hoffnung ist, daß Sie nicht hinter dem, was 1600 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von Ihnen erwartet wird, Zurückbleiben, um die hohe Wertschätzung aufrechtzuerhalten, die den in der Vergangenheit Ihrer Verantwortung anvertrauten Gesundheitsinstitutionen mit Recht gewährt wird. Folgen Sie weiter Ihren Traditionen mit beispielhafter Hingabe, denn die Sache, der Sie dienen, ist edel und erhebend: Es ist die Sache der Menschlichkeit! Möge dieses Ideal Sie in den Schwirigkeiten, denen Sie begegnen, aufrechthalten und in Ihren Herzen die Gefühle entfachen, die den Barmherzigen Samariter veranlaßten, sich des Mannes anzunehmen, der (vgl. Lk 10,30-35), verwundet am Straßenrand lag. Ich erteile allen meinen Apostolischen Segen. Der Glaube an die universale Kirche Predigt bei der Eucharistiefeier auf dem römischen Friedhof Verano am Allerheiligenfest, 1. November 1. „Danach sah ich eine große Schar“ (Offb 7,9). Mit dem Verfasser der Geheimen Offenbarung schärft die Kirche heute ihren Blick des Glaubens, um das Geheimnis von Allerheiligen zu erfassen. Wir bekennen dieses Geheimnis im Apostolischen Glaubensbekenntnis gemeinsam mit dem Glauben an die Gesamtkirche: „Ich glaube an . . . die heilige katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, . . . Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“ Der Glaube an die Kirche, die das Volk Gottes ist, das über diese Erde zum Haus des Vaters pilgert, findet im Geheimnis von der Gemeinschaft der Heiligen eine „Verlängerung“. Dieser Glaube erlaubt uns, hier auf Erden die Vermittlung und Fürsprache aller Heiligen und insbesondere der heiligen Gottesmutter Maria zu suchen. Dieser Glaube hält uns dazu an, das Lebensmodell, das sie uns gegeben haben, nachzuahmen. 2. An ihnen hat sich die „Liebe“, die „uns der Vater geschenkt hat“, bis zum Äußerten erfüllt. Davon spricht die zweite Lesung der heutigen Liturgie. Diese Liebe wird in der Tatsache offenbar, daß wir schon jetzt „Kinder Gottes heißen“ und es tatsächlich sind {1 Joh 3,1), doch „was wir 1601 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sein werden, ist noch nicht offenbar geworden“ (1 Joh 3,2). Der Apostel schreibt: „Wir wissen, daß wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (ebd.). „Er ist rein - heilig“ (1 Joh 3,3). Jene, die Gott „von Angesicht zu Angesicht schauen“ (1 Kor 13,12), „so wie er ist“, haben endgültig an seiner Heiligkeit teil. Durch diese Teilhabe sind auch sie heilig. Das ewige Leben offenbart sich also im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen. 3. Von diesem Geheimnis, an das das heutige Fest erinnert, führt uns die Kirche weiter zum Gedächtnis aller verstorbenen Gläubigen, das morgen begangen wird. Wir begeben uns an die Gräber unserer Lieben, besuchen die Friedhöfe. Wir denken auch an alle, deren Grabstätte unbekannt bleibt: an alle, die die Schwelle der Zeitlichkeit und des ewigen Lebens überschritten haben. Für alle beten wir. Das Gebet der Kirche schließt in besonderer Weise jene ein, die auf dem Weg zu Gott dem Leiden der Läuterung unterzogen werden: die Seelen am Ort der Reinigung. Auf sie beziehen sich auch die Worte des Psalmes, den wir gerade zuvor in der Liturgie gehört haben: „Wer darf hinaufziehen zum Berg des Herrn, wer darf stehen an seiner heiligen Stätte? Der reine Hände hat und ein lauteres Herz“ (Ps 24,3). 4. Während wir uns hier an diesem Ort, auf der Schwelle zwischen dem irdischen und dem ewigen Leben, befinden, wollen wir Jesus Christus für das Licht des Evangeliums danken. Für das Licht, das von den acht Seligpreisungen auf unser menschliches Leben herabfällt. Es ist das Licht des Himmelreiches, das Licht, das uns Gott sehen läßt, das Licht der endgültigen Tröstung. Und dieses Licht fällt auf alle, die arm sind vor Gott, die Trauernden, die Sanftmütigen, die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, die ein reines Herz haben, die Barmherzigen, die Friedensstifter, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden. Sie sind es, an die sich die Botschaft der acht Seligpreisungen wendet. Dieses Licht der Gemeinschaft der Heiligen fällt auf sie durch die Wahrheit des Evangeliums. Der Retter der Welt spricht: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ (Mt 11,28). Danken wir darum für das Licht des Evangeliums: der Frohbotschaft vom ewigen Leben. 1602 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Und danken wir für das Geheimnis vom Gotteslamm. Dieses Gotteslamm befindet sich inmitten der „großen Schar“ derer, die der Verfasser der Apokalypse in seiner Endzeitvision sieht. „Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“ (■Offb 7,14). Sie sind „gezeichnet“ mit dem Siegel seiner Erlösung. Mit lauter Stimme rufen sie: „Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm“ (Offb 7,10). Danken wir also für das Geheimnis des Lammes, für sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung, für die Erlösung der Welt, denn das führt uns zum ewigen Tabernakel, zur Gemeinschaft der Heiligen. 6. Möge sich an den Gräbern unserer Brüder und Schwestern in Christus in nah und fern unser Glaube an das ewige Leben erneuern. Wir alle leben im Ausblick auf die endgültige Begegnung „von Angesicht zu Angesicht“, im Hinblick auf die „große Schar“ der Geheimen Offenbarung. Wir sind das gläubige Volk, das Gott sucht: „Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner“ (Ps 24,1). Ihm gehört die Ewigkeit. Die Wirklichkeit des ewigen Lebens findet sich in ihm. „Wer darf hinaufziehen zum Berg des Herrn, wer darf stehen an seiner heiligen Stätte?“ Siehe: Das sind die Menschen, die nach ihm fragen, die das Antlitz des Gottes Jakobs suchen (vgl. Ps 24,6), des lebendigen Gottes. 7. Ich glaube an die katholische Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden . . . und das ewige Leben. „Das ewige Licht leuchte ihnen“, das Licht Gottes selbst. Wir auf Erden wandeln durch den Glauben in diesem Licht. Amen. 1603 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vinzenz Pallotti: der Kirche dienen, der Kirche treu sein Ansprache an die Teilnehmer einer Wallfahrt der Vereinigung des Katholischen Apostolats am 2. November Liebe Brüder und Schwestern, Mitglieder der Vereinigung des Katholischen Apostolats! 1. Euch allen meinen herzlichen Willkommensgruß! Ihr seid aus zwölf Ländern und fünf Kontinenten als Pilger in das Zentrum der katholischen Christenheit gekommen, um euren Glauben zu erneuern, um am Grab des hl. Petrus zu beten und um dem Nachfolger des Apostels Petrus zu begegnen. Vor allem aber wollt ihr am Grab des hl. Vinzenz Pallotti in der Kirche San Salvatore in Onda beten, um von seinem drängenden apostolischen Geist erfüllt zu werden. In 25 Ländern der Welt habt ihr das 150jährige Jubiläum des Werkes des hl. Vinzenz Pallotti gefeiert; aber hier in Rom, der Stadt der Apostelfürsten, soll diese Feier ihren Höhepunkt erreichen. Dankbar blickt ihr zurück auf diese 150 Jahre, die von Gott gesegnet waren; hat doch der hl. Vinzenz, euer Gründer, in dem von ihm ins Leben gerufenen Werk viele Christen zusammengeführt. Die Vereinigung des katholischen Apostolats umfaßt Priester, Brüder, Schwestern und Laien, Verheiratete und Unverheiratete; sie alle wollen aus der Kraft des Evangeliums leben und nach dem Vorbild ihres Gründers der Kirche in Treue verbunden sein und für sie wirken. 2. Der hl. Vinzenz Pallotti selbst hat die Kirche geliebt und ihr bis in die letzte Stunde seines Lebens selbstlos gedient. War er doch als gläubiger und eifriger Priester überzeugt, daß in der Kirche die unendliche Liebe Gottes, die sich in Jesus Christus offenbart hat, aufleuchtet. Wie oft beschreibt der Heilige die Kirche als Zeichen des Heiles für diese unsere Welt und als den Ort, an dem sich Gottes Erbarmen in die Welt hinein ergießt. Der Herr hat sie, so sagt er, „in unendlicher Liebe eingesetzt“, als Erweis seiner Güte. Die Kirche ist gesandt, die erlösende Liebe auszubreiten, und alle ihre wahren Gläubigen sind aufgerufen, dabei mitzuhelfen. Deshalb lieben auch die Mitglieder des Werkes des hl. Vinzenz Pallotti die Kirche und dienen ihr, damit sie als „Stadt auf dem Berg“ (vgl. Mt 5,14) aufleuchte. Wie euer Gründer es wollte, tut auch ihr es, Brüder 1604 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Schwestern: Liebt die Kirche auf ihrem Weg in dieser Zeit, die bedrängte und verkannte Kirche, die verfolgte Kirche und jene, in der das Feuer der Liebe zu Jesus Christus, ihrem Herrn, brennt. 3. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in treuer Fortführung der Theologie der Väter die Kirche als das umfassende Sakrament des Heils für die Welt dargestellt. „Auferstanden von den Toten, hat er seinen lebendigmachenden Geist, den Jüngern mitgeteilt und durch ihn seinen Leib, die Kirche, zum allumfassenden Heilssakrament gemacht“ (Lumen gentium, Nr. 48), so lehrt das Konzil. In der Kirche lebt und wirkt also der gekreuzigte und auferstandene Herr, durch den allein die Kirche die Kraft zur Verkündigung der Frohen Botschaft erhält und der er in seiner Liebe den Heiligen Geist mitgeteilt hat. Er, der Geist Jesu Christi, festigt die Kirche durch alle Jahrhunderte in der Treue zu ihrem Herrn und Haupt und entzündet in ihr die Liebe zu Gott und den Menschen. Deshalb darf die Kirche auch nicht nach Art weltlicher Gesellschaftsformen, wie z. B. nach demokratischen Denkmodellen, beurteilt werden. Gewiß gründet sie im Zeitlichen und Geschichtlichen, zu dessen Rettung sie ja berufen ist. Sie nimmt zwar teil am Wechsel der Geschichte: Sie leidet mit den Unterdrückten und Verfolgten, sie tritt ein für die Rettung der wahren menschlichen Werte. Ja, sie selbst wurde im Laufe der Geschichte bis in unsere Tage hinein bedroht, geknebelt und verfolgt, und sie muß immer wieder erneuert werden. Aber ihr tiefes Geheimnis tut sich nicht in der bloßen Betrachtung ihres geschichtlichen Weges kund: Ihr Mysterium gründet in Jesus Christus, der in ihr wirkt. Deshalb kann die Kirche die endgültige Zusage Gottes kundmachen: Gott will die Rettung und das Heil aller Menschen. Aus diesem Geheimnis der Kirche hat der hl. Vinzenz Pallotti gelebt, fest davon überzeugt, daß Gott im Sakrament des Heiles, das die Kirche ist, alle Nationen, Völker und Sprachen durch seinen Sohn Jesus Christus heimholen will. Folgt dem Beispiel eures Gründers und entdeckt das abgrundtiefe Geheimnis der Kirche. Folgt dem hl. Vinzenz Pallotti, der seiner Gründung eine tiefe, ja kindliche Anhänglichkeit an die Kirche Jesu Christi eingepflanzt hat. Ja, der Heilige bekannte ausdrücklich seine Treue zum Nachfolger des hl. Petrus, die er meinen verehrten Vorgängern Gregor XVI. und Pius IX. gegenüber vorbildlich gelebt hat. Ihnen hat er sein Werk anvertraut, und mit ihrem Segen wollte er das vereinte Apostolat von Priestern und Laien, von Schwestern, Jungen und Alten, von Verheirateten und Alleinstehenden in der Vereinigung des katholischen Apostolats fortführen. 1605 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mehr noch: Der hl. Vinzenz wollte seine Gründung gänzlich in den treuen Dienst der Kirche stellen. Deshalb gab er seine Vereinigung „gleichsam als Hilfskorps der Kirche“ (OOCCI, 6f.) unter die volle Abhängigkeit des Nachfolgers des hl. Petrus (ebd., 5). Ein „Hilfskorps“ soll helfen, soll zu Diensten sein; alle seine Kräfte soll es einsetzen für die Sendung der Kirche in dieser Welt. Diese Einheit des Verstandes, des Willens und des Herzens mit der Kirche, vom heiligen Gründer der Vereinigung eingestiftet, bleibt für euch, Brüder und Schwestern, eine täglich neue Aufgabe. 4. Das Werk des hl. Vinzenz, von Papst Gregor XVI. am 11. Juli 1835 gutgeheißen, will die gemeinsame apostolische Berufung aller Glieder des Gottesvolkes erneuern und entfalten, damit alle Christen nach Maßgabe ihres Standes, ihrer Kräfte, ihrer Möglichkeiten und Verhältnisse sich immer mehr für das Heil ihrer Mitmenschen und für den wirksamen Einfluß der Gläubigen in der Welt einsetzen. Deshalb soll in allen Getauften der Glaube an die apostolische Berufung geweckt werden, die Verantwortung für die Rettung ihrer Mitmenschen gestärkt und der feste Wille zu einem apostolischen Leben und Arbeiten gefördert werden. Alle Getauften, so wünschte der Heilige sehnlichst, sollen mithelfen, daß der apostolisch-missionarische Geist und Eifer in der Kirche noch mehr erstarke. Wenn euer Gründer vom Apostolat seines Werkes spricht, kehren die Ausdrücke „zusammenführen“, „einen“, „versammeln“, „Zusammenarbeiten“ häufig wieder. Er erkannte, wie sehr Priester, Ordensleute und Laien im Apostolat geeint sein müssen, um der Kirche wirksam zu dienen. Deshalb gründete er die Gemeinschaft der Priester und Brüder, die die Vereinigung des katholischen Apostolats tragen und ihr „zentraler und bewegender Teil“ sind; die Schwestern der Kongregationen des katholischen Apostolates wissen sich mit ihnen verantwortlich für die Einheit und Wirksamkeit der Vereinigung, und die Laienmitglieder lädt er ein, in der Welt, in der Familie, am Arbeitsplatz Zeugnis von der Frohbotschaft Jesu Christi zu geben. Priester, Brüder, Schwestern und Laien will der Heilige „im heiligen Band enger, brüderlicher und schwesterlicher Gemeinschaft sammeln“ (V. Pallotti, Lettere 527). So finden sich in der Vereinigung des katholischen Apostolates verschiedene Berufungen und Dienste: die Priester und Brüder, die durch Leitung und Inspiration führen; die Schwestern durch das apostolische Zeugnis ihres gottgeweihten Lebens im Dienst an Jungen und Alten, an den Gesunden und Kranken und in anderen Werken der Nächstenliebe; die Laienchristen sind berufen, als „Salz der Erde“ (Mi 5,13) in der Welt zu 1606 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wirken. Alle aber bleiben vereint in der Liebe, wie der Gründer sagt: „Die tätige Liebe, wie der Apostel sie im ersten Korintherbrief beschreibt, bildet das wesentliche Baugesetz der Vereinigung“ (OOCCIII, 137/1.). 5. Der hl. Vinzenz Pallotti gab seinem Werk die Nachfolge Jesu, des Apostels des ewigen Vaters, zum Vorbild. Sagt er doch: „Wir müssen Jesus, den Apostel des ewigen Vaters, nachahmen. Denn das Leben Jesu Christi, das sein Apostolat ist, muß das Modell des Apostolates eines jeden sein“ (OOCC III, 143). Im Heilsplan der Erlösung wurde Jesus vom Vater gesandt, die ganze Menschheit zu retten und die Verirrten heimzuholen (vgl. Mt 18,13). In seiner Nachfolge sollen die Mitglieder, insbesondere die Laienchristen, seine Botschaft in die Welt tragen. Das Gesandtsein in die Welt, das Apostelsein für die Welt, lebt aus der unbesiegbaren Hoffnung, daß Jesus Christus die Welt überwunden hat (vgl. Joh 16,33). Deshalb leben die Christen mitten in der Welt in einer zweifachen Dimension: In Gemeinschaft mit der Kirche sind sie im Gebet dem Herrn zugewandt und empfangen gleichzeitig in und mit ihr von ihm die Kraft, die ganze Menschheit zu erfahren. So wünschte ja auch der heilige Vinzenz Pallotti von seinen Söhnen und Töchtern, ihr Apostolat müsse in einer tiefen Vereinigung mit Gott gründen, damit sie fähig seien, ein noch glaubwürdigeres christliches Zeugnis vor der Welt zu geben. Ja, er war fest überzeugt, daß dieses Zeugnis um so fruchtbarer werde, je mehr das Leben Christi, des Apostels des ewigen Vaters, in den Mitgliedern der Vereinigung des katholischen Apostolats Gestalt annehme (vgl. Vinzenz Pallotti Compendium Regulae, Racc. I, 1). Christen, die in der Welt leben und wirken, müssen ganz im Leben Jesu Christi gründen: Die Eucharistie muß sie nähren, sie müssen sich regelmäßig reinigen lassen im Sakrament der Buße, und im Wort Gottes sowie im Gebet Kraft suchen. Die Nachfolge Jesu, des Apostels des ewigen Vaters, ist, wie der Heilige schreibt, „ein hervorragendes Mittel der Heiligung“ (Racc. I, 35, vgl. Lumen gentium, Nr. 41); sie ist aber auch viel mehr: Durch die Gegenwart des Herrn selbst und durch das Streben ihrer Gläubigen nach Heiligkeit wird die Kirche zum „Licht der Welt“ und zum „Sauerteig“ (vgl. Mt 13,33; Lk 13,21) und fördert so auch in der irdischen Gesellschaft, die „wahrhaft menschliche Weise zu leben“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 40). Aus diesem Grund ist die christliche Berufung wesentlich apostolisch; nur im Dienst am Evangelium findet der Christ die Fülle der eigenen Würde und Verantwortung. Deshalb rufe ich euch, den Laienchristen in der Vereinigung des katholischen Apostolats, zu: Seid einig untereinander, bleibt mit den Priestern, 1607 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brüdern und Schwestern vereint; mehr noch: Bleibt mit Jesus Christus, unserem Herrn, und seiner Kirche verbunden, um Zeugen seiner Auferstehung und Zeugen seiner Liebe vor der ganzen Menschheit sein zu können. Mit diesen Wünschen erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Dieser Märtyrer ist ein Mann unseres Zeitalters Predigt bei der feierlichen Seligsprechung von P. Titus Brandsma in St. Peter am 3. November 1. „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand“ (Weish 3,1). Die Kirche hört das Wort Gottes am heutigen Sonntag, dem 3. November, nach dem Allerheiligenfest und dem Tag, der dem Gedenken aller verstorbenen Gläubigen gewidmet ist. Die Kirche hört dieses Wort an dem Tag, an dem sie Titus Brandsma, einem Sohn der Niederlande und Mitglied des Karmeliterordens, zur Ehre der Altäre erhebt. Wieder wird ein Mann der Ehre der Altäre würdig befunden, der die Qualen des Konzentrationslagers Dachau durchgemacht hat. Ein Mann, der - nach den Worten der heutigen Liturgie (Weish 3,4) - „gestraft“ wurde. Und gerade in dieser Bestrafung, im Konzentrationslager, das das Schandmal unseres Jahrhunderts ist, hat Gott Titus Brandsma seiner würdig befunden (vgl. Weish 3,5). Heute liest die Kirche die Zeichen dieser göttlichen Anerkennung neu und verkündet die Herrlichkeit der Heiligsten Dreifaltigkeit, indem sie mit dem Verfasser des Weisheitsbuches bekennt: „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand; sie haben nie mehr Qualen zu erdulden“ ( Weish 3,1). 2. Doch Titus Brandsma hat Qualen durchgemacht: In den Augen der Menschen wurde er bestraft. Ja, Gott hat ihn geprüft. Die ehemaligen Gefangenen der Konzentrationslager wissen sehr gut, welcher menschliche Kreuzweg diese Straforte waren. 1608 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Orte einer großen Prüfung für den Menschen. Die Prüfung der physischen Kräfte, erbarmungslos vorangetrieben bis zur völligen Vernichtung. Die Prüfung der moralischen Kräfte . . . Darüber spricht vielleicht noch deutlicher das heutige Evangelium, das uns an das Gebot der Feindesliebe erinnert. Die Konzentrationslager sind eingerichtet worden entsprechend dem Programm der Menschenverachtung, entsprechend dem Programm des Hasses. Welche Prüfung des Gewissens, des Charakters, des Herzens mußte ein Jünger Christi durchmachen, der sich seiner Worte über die Feindesliebe erinnerte! Haß nicht mit Haß, sondern mit Liebe erwidern. Das ist vielleicht eine der größten Prüfungen der moralischen Kraft des Menschen. 3. Aus dieser Prüfung ist Titus Brandsma als Sieger hervorgegangen. Inmitten wütenden Hasses brachte er es fertig zu lieben; alle, auch seine Peiniger: „Auch sie sind Kinder des gütigen Gottes“, sagte er, „und wer weiß, ob nicht etwas an ihnen hängen bleibt. . .“ Ein solcher Heroismus stellt sich natürlich nicht unvermittelt ein. Pater Titus reifte im Laufe eines ganzen Lebens dazu heran, von den ersten Erfahrungen der Kindheit an, die er im Schoß einer tiefchristlichen Familie in seinem geliebten Friesland verbrachte. Von den Worten und dem Vorbild der Eltern, von den Unterweisungen in der Dorfkirche, von den im Bereich der Pfarrgemeinde durchgeführten Initiativen der Nächstenliebe lernte er das grundlegende Gebot Christi über die Liebe zu allen, die Feinde nicht ausgeschlossen, kennen und befolgen. Eine Erfahrung, die ihn zutiefst prägte, bis sie seinem ganzen Leben Richtung gab. Die Tätigkeiten, die Pater Brandsma im Laufe seines Lebens entfaltete, weisen eine erstaunliche Vielfalt auf; wollte man aber nach ihrem Bewegungsgrund und ihrer Antriebskraft suchen, würde man sie genau hier finden: in dem bis zur äußersten Konsequenz durchgeführten Gebot der Liebe. 4. Pater Brandsma war vor allem Professor für Philosophie und Geschichte der Mystik an der Katholischen Universität von Nijmegen. Auf diese Aufgabe verwendete er seine besten menschlichen und beruflichen Kräfte, indem er für die wissenschaftliche Ausbildung einer großen Zahl von Studenten sorgte. Doch er beschränkte sich nicht darauf, ihnen abstrakte, von ihren konkreten Daseinsproblemen losgelöste Kenntnisse zu vermitteln. Pater Brandsma liebte seine Studenten und fühlte sich 1609 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN deshalb verpflichtet, ihnen die Werte mitzuteilen, die sein Leben inspirierten und trugen. So entstand zwischen Dozent und Studenten ein Dialog, der sich ausweitete und schließlich nicht nur die großen alten Menschheitsfragen einschloß, sondern auch die Fragen, die von den Ereignissen einer Zeit gestellt wurden, über die die nationalsozialistische Ideologie immer düstere Schatten warf. Die Studenten bildeten freilich nur eine kleine Gruppe der viel größeren nationalen Wirklichkeit. Das Herz von Pater Titus konnte den vielen Brüdern gegenüber nicht gleichgültig bleiben, die außerhalb der akademischen Institutionen standen und die sich auch nach einem klärenden Wort sehnen mochten. Für sie wurde er Journalist. Jahrelang arbeitete er an Tageszeitungen und Zeitschriften mit und vertiefte in Hunderten von Beiträgen den Reichtum seines Geistes und seiner Sensibilität. Und auch hier hatte seine Mitarbeit nicht bloß Berufscharakter: Viele Kollegen hatten in ihm einen diskreten Vertrauten, einen erleuchteten Ratgeber, einen aufrichtigen Freund, der stets bereit war, Sorgen und Leid zu teilen und Hoffnung einzuflößen. 5. Es gab keine Schranke, die dem Eifer der Liebe, von dem der große Karmelit beseelt war, hätte Einhalt gebieten können. Und die Liebe erklärt auch das Engagement, mit dem er die ökumenische Bewegung in einer Haltung unveränderlicher Treue gegenüber der Kirche und der völligen Loyalität gegenüber den Angehörigen anderer Konfessionen förderte. Tief ergriffen von einem so leuchtenden Zeugnis konsequenten Lebens nach dem Evangelium sagte ein protestantischer Pfarrer von ihm: „Unser in Christus geliebter Bruder Titus Brandsma ist wahrhaftig ein Mysterium der Gnade!“ Ein Urteil von einzigartiger Eindringlichkeit! Was im Leben von Pater Brandsma vor allem erstaunt, ist eben dieses sich immer offenkundigere Entfalten der Gnade Christi. Hier liegt das Geheimnis der gewaltigen Ausstrahlung seiner Tätigkeit, hier ist die Quelle des stets frischen Stromes seiner Liebe. Pater Titus selbst war sich übrigens dessen voll bewußt, daß er alles der Gnade zu verdanken hat, d. h. dem göttlichen Leben, das in ihm am Werk war, indem es aus den unerschöpflichen Quellen des Erlösers in seine Seele floß. Das Wort Christi: „Ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5), war für ihn die Richtschnur seiner täglichen Entscheidungen. Deshalb betete er inständig. Er sagte: „Das Gebet ist Leben, nicht eine Oase in der Wüste des Lebens.“ Als Professor für Geschichte der Mystik war er bestrebt, das Fach, das er lehrte, in jedem Augenblick seines Lebens zu leben. „Wir dürfen“, so sagte er, „keine Scheidung zwischen 1610 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott und der Welt in unserem Herzen machen, sondern wir müssen die Welt stets vor dem Hintergrund Gottes betrachten.“ Aus dieser tiefen Verbundenheit mit Gott entsprang der Seele Pater Brandsmas sein fortdauernder Strom von Optimismus, der ihm die Sympathie aller eintrug, die das Glück hatten, ihn kennenzulernen; und dieser Optimismus hat ihn nie verlassen: Er begleitete ihn auch in das Inferno des Konzentrationslagers. Bis zuletzt gab er den anderen Gefangenen Halt und schenkte ihnen Hoffnung; er hatte für alle ein Lächeln, ein verstehendes Wort, eine gütige Geste. Selbst die „Krankenschwester“, die ihm am 26. Juli 1942 die Todesspritze verabreichte, bezeugte später, daß sie das Gesicht jenes Priesters, der „Mitleid mit mir hatte“, immer in lebendiger Erinnerung habe. Und das Gesicht von Pater Titus Brandsma steht heute auch vor uns: Wir betrachten sein strahlendes Lächeln in der Herrlichkeit Gottes. Er spricht zu den Gläubigen seiner Heimat, der Niederlande, und zu allen Gläubigen der Welt, um noch einmal zu bekräftigen, was die Überzeugung seines ganzen Lebens gewesen ist: „Auch wenn das Neuheidentum die Liebe nicht mehr haben will, wird uns die Liebe das Herz der Heiden zurückgewinnen. Die praktische Lebenserfahrung wird sie immer aufs neue eine siegreiche Kraft sein lassen, die die Herzen der Menschen erobern und festhalten wird.“ 6. Wenn wir die Lebensbeschreibung von Titus Brandsma hören, wenn wir den Blick des Herzens auf den apostolischen Eifer dieses Diener Gottes und dann auf seinen Märtyrertod heften, gewinnen die Worte der heutigen Liturgie eine besondere Bedeutung: Gott hat ihn geprüft. . . Wie Gold im Schmelzofen hat er ihn erprobt und ihn als vollwertiges Opfer angenommen (vgl. Weish 3,5-6). So hat keine Qual ihn berührt, weil die Strafe nach dem Vorbild des Kreuzes Christi zum Opfer wurde. Und das Opfer erleidet die Qual, überwindet und besiegt sie. In ihm ist jene Hoffnung enthalten, die voll Unsterblichkeit ist (vgl. Weish 3,4). Die Hoffnung, durch die sie „Wohltat empfangen werden“ (Weish 3,5). So hat das Kreuz Christi zu Titus Brandsma gesprochen. So spricht es zu einem jeden von uns: „Leide mit mir als guter Soldat Christi Jesu“ (2 Tim 2,3). „Denk daran, daß Jesus Christus . . . von den Toten auferstanden ist“ (2 Tim 2,8). Also: „Für das Evangelium habe ich zu leiden und bin sogar wie ein Verbrecher gefesselt“ (2 Tim 2,9). 1611 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Das alles scheint uns heute Titus Brandsma zu sagen, während er sich der Worte des Völkerapostels bedient. „Wenn wir mit Christus gestorben sind, werden wir auch mit ihm leben“ (2 Tim 2,11). „Das Wort Gottes ist nicht gefesselt (2 Tim 2,9), es hat seine Heilskraft im Tod des Märtyrers offenbar gemacht. Dieser Märtyrer ist ein Mensch unseres Zeitalters. Er ist euer Landsmann, liebe Brüder und Schwestern aus den Niederlanden. „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand“, aber der Tod und die Herrlichkeit dieses Gerechten gehören in besonderer Weise euch, eurer Kirche und eurer Nation. Sprechen davon etwa nicht die Worte, die wir anläßlich der heutigen Seligsprechung im Brief des Paulus lesen? „Das alles erdulde ich um der Auserwählten willen, damit auch sie das Heil in Christus Jesus und die ewige Herrlichkeit erlangen“ (2 Tim 2,10). Wir wollen diese Worte in besonderer Weise auf die Kirche und die Nation beziehen, deren Sohn der selige Titus Brandsma ist. „Benedictus Deus in sanctis suis et sanctus in Omnibus operibus suis.“ „Gesegnet sei Gott in seinen Heiligen und geheiligt in allen ihren Werken.“ Amen. Liebe ist stärker als der Haß Ansprache an niederländische, deutsche und italienische Pilger in der Audienzhalle am 4. November <241> <241> Ich freue mich von Herzen, euch alle, die ihr zur Seligsprechung von Pater Titus Brandsma nach Rom gekommen seid, hier zu begrüßen. Durch seine Seligsprechung will die Kirche vor allem Gott ehren und ihm, der in einem Menschen seine Wunder vollbracht und die Kraft seiner Gnade im Leben dieses Menschen auf besondere Weise sichtbar gemacht hat, danken. Aber auf diese Art hat eine Seligsprechung zugleich den Zweck, jedes Mal wieder ein stets neues, aktuelles Vorbild für das eigene Leben der Gläubigen, der Christen, vorzustellen. Ein konkretes Beispiel der Gottesliebe, die in der Liebe eines Menschen zu den anderen Menschen ihren Ausdruck gefunden hat. 1612 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein solches Beispiel ist Pater Brandsma, dessen ganzes Leben bis zum Äußersten, bis zum Martyrium, von der Liebe inspiriert war. Die moralische Kraft, die der selige Titus Brandsma so in seinem Leben, in seinen zahlreichen und vielfältigen Tätigkeiten und schließlich in seinem Kreuzweg und in seinem Tod an den Tag gelegt hat, war zweifellos mit seinem Wesen, mit seinem friesischen Charakter verbunden, der von Grundsatzfestigkeit, Treue, Beharrlichkeit und Ehrenhaftigkeit gekennzeichnet war. Diese moralische Kraft war genährt und gestärkt von seiner großartigen geistigen Schulung, seiner hervorragenden wissenschaftlichtheologischen Ausbildung. Aber die wichtigste Quelle war zweifellos sein tiefes persönliches geistliches Leben. Pater Brandsma lehrte Geschichte der Mystik. Die Mystik ist aber für ihn nicht ein bloßes theoretisches Lehrfach geblieben. Er hat sie persönlich in seinem Leben gelebt, das in allen seinen Aspekten von der engen Verbundenheit mit dem Herrn Zeugnis gibt, in der er stets gelebt hat. Ein schlichter, aber ergreifender Beweis dafür ist dieses schöne kurze Gedicht, das er im Gefängnis von Scheveningen geschrieben hat: „Du, o Jesus, bist bei mir. Nie war ich so nah bei dir. Bleib bei mir, bei mir, o Jesus süß. Dein Hiersein macht mir alles gut.“ Dank seines starken Charakters, seiner soliden theologischen Bildung, seines tiefen geistlichen Lebens war Pater Brandsma in der Lage, eine umfassende Tätigkeit zu entfalten: seinen Einsatz für das Aufblühen seines geliebten Karmel in seiner Heimat, sein Bemühen um einen guten und wahrhaft katholischen wissenschaftlichen Unterricht und um eine geeignete katholische Presse, seine Arbeit als wissenschaftlicher Autor und Journalist und nicht zuletzt seine Rolle als geistlicher Berater und Führer. So steht uns die edle Gestalt des seligen Titus Brandsma geistig vor Augen: ein Mann, der seiner Berufung und der Beobachtung seiner Ordensgelübde bedingungslos treu, den Nachfolgern der Apostel, den Bischöfen, und dem Auftrag, den sie ihm gegeben haben und der ihn zum Martyrium führte, gehorsam war, voll Liebe für alle, auch für seine Feinde, unbestechlich in seiner wissenschaftlichen Arbeit, ganz überzeugt von der Notwendigkeit einer wirklich katholischen Lehre und Presse, unnachgiebig in seinem Kampf gegen eine Ideologie, die die Grundsätze des Glaubens und der Moral verletzte. Deshalb ist Pater Brandsma ein leuchtendes Vorbild für die Kirche und für die Gläubigen unserer Zeit, insbesondere in seiner Heimat. 1613 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sein Leben für Christus verausgabt 2. Einen herzlichen Gruß richte ich auch an die deutsprachigen Pilger, die zur Seligsprechung von Pater Titus Brandsma nach Rom gekommen sind. Wie schon der Völkerapostel lehrt, zählt in der Kirche Jesu Christi nicht so sehr die völkische Abstammung, ob einer Jude oder Grieche, Deutscher oder Holländer ist. Enscheidend ist der Geist der Brüderlichkeit, der alle Christen über jeden Unterschied hinaus als Glieder Christi miteinander verbindet. In diesem Sinne gehören die Seligen und Heiligen eines Volkes immer auch der ganzen kirchlichen Gemeinschaft. Sie werden allen Gläubigen als Vorbild vor Augen gestellt. So fortan auch unser neuer seliger Karmelit und Märtyrer. Sein Zeugnis für Christus als Ordensmann, Professor und katholischer Journalist fand seine letzte Prüfung und geistliche Vollendung im unseligen Geschehen des Zweiten Weltkrieges und im Konzentrationslager Dachau. Seine innere Größe zeigte er vor allem in der äußeren Bedrängnis und Erniedrigung. Im Leiden wußte er sich zuinnerst Christus verbunden. Dies gab ihm christliche Gelassenheit selbst seinen Peinigern gegenüber und verlieh ihm die Kraft, auf den widerfahrenen Haß mit Liebe zu antworten. Seine Solidarität mit den Mitgefangenen, sein gelebter Glaube, der ihn sogar für seine Henker beten läßt, vermitteln all denen Licht und Hoffnung, die mit ihm die Grausamkeit und Unmenschlichkeit des Lagers teilen. Aus der persönlichen engen Verbindung und Lebensgemeinschaft mit Christus wird er für seine Mitmenschen zum lebendigen Zeugen der Frohen Botschaft und der in Gott begründeten Würde des Menschen. Der selige Titus Brandsma sagte: „Wer die Welt für Christus gewinnen will, muß den Mut haben, mit ihr in Konflikt zu geraten.“ Er selber hat so gelebt und uns darin ein Beispiel gegeben. Habt auch ihr den Mut, euch der Welt um Christi willen nicht gleichförmig zu machen, ihren trügerischen Verlockungen zu widerstehen und allein Gottes Wege in Treue zu gehen. Dazu erbitte euch der neue Selige Gottes Licht und Beistand! 3. Es ist wohl angemessen, daß ich auch ein Wort an die zahlreichen Pilger italienischer Sprache und besonders an die Angehörigen des Karmeliterordens richte, die sich über die Erhebung eines Mitbruders zur Ehre der Altäre freuen. Pater Titus Brandsma ist eine vielseitige Gestalt und beinahe unser Zeitgenosse, der durch seine überragende moralische Größte Achtung einflößt: integerer Priester, Hochschullehrer, kirchlicher Berater für die 1614 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN katholische Presse, Schriftsteller und Journalist. Ein Leben, das für Christus verausgabt wurde, bis hin zum heroischen Selbstopfer in Verteidigung der Wahrheit und des katholischen Glaubens gegen die Angriffe des Totalitarismus während der dunklen Jahre der nationalsozialistischen Besetzung Hollands im letzten Weltkrieg. Voll unerschrockenen Mutes wie klarer innerer Ruhe nahm Pater Titus seinen Kalvarienberg auf sich, während er unter den qualvollen Grausamkeiten, die den Häftlingen angetan wurden, von einem Gefängnis ins andere gebracht wurde, um im Vernichtungslager Dachau sein Zeugnis für Christus mit dem äußersten Opfer zu besiegeln. Das leuchtende Beispiel von Pater Titus Brandsma steht vor uns, um uns zu sagen, daß die Liebe stärker ist als der Haß und trotz vorübergehender Mißerfolge siegen wird. Möge diese Wahrheit die Herzen der heutigen Menschen erobern und sie dazu veranlassen, sich mit neuer Entschlossenheit wieder auf die Wege der Solidarität, der Eintracht und des Friedens zu begeben. Mit diesen Wünschen erteile ich euch und allen euren Lieben von Herzen meinen Apostolischen Segen. Katechese darf nicht „abwandern“ Ansprache an die Teilnehmer der Tagung zum 20. Jahrestag der Konzilserklärung „Gravissimum educationis“ am 5. November Herr Präsident! Meine Damen und Herren! <242> <243> <242> Es ist Ihnen daran gelegen, des 20. Jahrestags der „Erklärung über die christliche Erziehung“ zu gedenken, die von den Konzilsvätern des <243> Vatikanums erarbeitet und am 28. Oktober 1965 von Papst Paul VI. verkündet worden ist. Ich gratuliere Ihnen sowie der Kongregation für das katholische Bildungswesen, deren herzliche Unterstützung gleich nach Bekanntwerden des Projekts ihr zu schätzen wißt, zu dieser glücklichen Initiative. Bei dieser Jubiläumsveranstaltung gilt unsere dankbare Anerkennung auch dem Andenken Pius’ XI., der am 31. Dezember 1929 über das gleiche wichtige Problem die Enzyklika Divini illius magistri veröffentlichte. 1615 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Über die entscheidende Bedeutung der Erziehung im menschlichen Leben und ihren ständig wachsenden Einfluß auf den gesellschaftlichen Fortschritt der Gegenwart hat das Heilige Ökumenische Konzil eingehende Erwägungen angestellt. Tatsächlich machen die Gegebenheiten unserer Zeit die Erziehung der Jugend, ja sogar eine stetige Erwachsenenbildung leichter und vor allem dringlicher“ (Gravissimum educationis, Einleitung). Dieser Konzilstext bewahrt eine erstaunliche Stoßkraft. Ich möchte gern mit Ihnen eine Reihe von Überlegungen zur christlichen Erziehung in der heutigen Zeit und vor allem zum Erziehungsplan der katholischen Schule anstellen. Eltern sind Erstverantwortliche für die christliche Erziehung 2. Die tiefgreifenden wissenschaftlichen und technischen Veränderungen, die unsere Zeit weithin kennzeichnen, verlangen einen klaren und gewissenhaften Austausch zwischen Wissenschaft und Glauben. In dieser Absicht habe ich 1982 den Päpstlichen Rat für die Kultur errichtet. Ich habe den Wunsch, daß Ihre Organisation eng mit diesem Rat zusammenarbeitet. Wissenschaft und Technik machten und machen weiterhin bemerkenswerte Fortschritte, die zur Verbesserung der materiellen Daseinsberechtigung beitragen. Doch diese Fortschritte haben nicht notwendigerweise eine Höherbewertung der menschlichen Person zur Folge gehabt. Vielmehr müssen wir - allzuoft wenigstens - feststellen, daß die echte Geistes- und Herzensbildung zu wünschen übrig läßt, während sie ein vorrangiges und unersetzliches Erfordernis beim Aufbau einer gesunden, ausgewogenen, friedlichen und glücklichen Gesellschaft ist. Ich denke an eine Überlegung, die häufig von Paul VI. in seiner Lehre benutzt wurde, wenn er von dem Binom „Wahrheit und Liebe“ sprach. „Zum Glück“, sagte er, „hat uns das vergangene Konzil im einen wie im anderen bestätigt: in der Wahrheit, der stets die Ehre gebührt und für die wir, wenn nötig, auch unser Leben einsetzen müssen, um sie zu bezeugen, zu verbreiten und zu verteidigen; und in der Liebe als der Lehrmeisterin der Freiheit, Güte, Geduld und Selbstverleugnung, in allen unseren Beziehungen zu den Menschen, die das Evangelium als unsere Brüder bezeichnet. Das ist kein Spiel mit Worten, das sind keine Schulstreitigkeiten, keine historischen Schicksalsdramen. Das sind vielmehr Probleme, die in der menschlichen Natur und Gesellschaft liegen. Sie finden im Evangelium und deshalb in jener ,Gesellschaft im Zeichen der Liebe‘, die wir ... ersehnen, ihre demütige und zugleich triumphale Lösung“ (Generalaudienz am 18. Februar 1976, in: Wort und Weisung, 1976, S. 22). 1616 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. In unserer Welt, wie sie nun einmal ist und die wir zu lieben die Pflicht haben, um sie zu retten, empfinden die den katholischen Lehranstalten anvertrauten Jugendlichen - und offensichtlich alle anderen - oft das dringende Bedürfnis, von einem überhandnehmenden Materialismus, einem sie verfolgenden Hedonismus befreit und mit Güte und Festigkeit zu den Höhen der unleugbaren Wahrheit und der opferbereiten Liebe geführt zu werden. Darum appelliere ich mit allen Kräften zuerst an die Eltern. Ich weiß natürlich, daß viele christliche Familien von der modernen pluralistischen Gesellschaft und der Fülle auseinandergehender Meinungen, die sie kennzeichnet, verunsichert sind. Genau das ist mehr denn je die St unde für die christlichen Elternvereinigungen. Sie leisten in zahlreichen Ländern hervorragende Arbeit. Zunächst stellen sie ein freundschaftliches Band zwischen den Familien her. Desgleichen helfen sie den Eltern, die gegenwärtigen soziokulturellen Veränderungen besser zu begreifen und in Verbindung mit den Schulerziehern auf menschlicher wie auf religiöser Ebene die geeignetsten Erziehungsmethoden anzuwenden. Vaterschaft und Mutterschaft ist nach einer typisch christlichen Anschauung eine gewissermaßen verlängerte Geburt, die auf gewisse Weise heikler ist als die erste Entbindung. Die Dosierung der Eingriffe und der stillschweigenden Hinnahme, der Nachsicht und der Festigkeit, der Ermutigungen und der Forderungen, der konvergierenden Beispiele des Vaters und der Mutter können so die harmonische Entwicklung der Kinder bis zu ihrem Fortgang aus dem heimischen Nest fördern oder beeinträchtigen! Liebe Eltern, die ihr hier anwesend seid oder die ihr diesen Aufruf lesen werdet, scheut keine Mühe, die christliche Erziehung zu fördern oder sogar zu rehabilitieren! Eure Kinder und die Jugendlichen im allgemeinen müssen unbedingt mit Gewißheiten über den Sinn des menschlichen Daseins und seinen würdevollen Gebrauch ins Leben gehen. Eure Sendung in dieser Hinsicht ist schwierig und großartig zugleich. Die persönliche Begegnung dieser jungen Menschen mit Christus wird euren Einsatz reichlich ergänzen. Er ist „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ {Joh 14,6). Ohne auch nur im geringsten selbstgefälliger Zufriedenheit nachzugeben, muß man beteuern, daß die christliche Erziehung in der Familie und in den katholischen Lehranstalten, deren Existenzrecht anerkannt und konkret sichergestellt ist, einen unerläßlichen Dienst an der ganzen wahrhaft demokratischen Gesellschaft und an einer Zivilisation darstellt, die die Zerstörung durch den theoretischen und praktischen Materialismus ablehnt. 1617 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Als Erstverantwortliche für die christliche Erziehung ihrer Kinder sollen die Eltern für sie die Schule auswählen, die ihren religiösen und moralischen Überzeugungen entspricht. Aber sie haben das Recht, von katholischen Schulen die bestmögliche menschliche und religiöse Erziehung zu erwarten. Ich möchte hier mein Vertrauen zu den verschiedenen nationalen, regionalen und diözesanen Instanzen der katholischen Erziehung überall in der Welt erneuern. Priester, Ordensleute und Laien, die sich durch Hingabe und fachliche Kompetenz auszeichnen, widmen sich ihr ganz. Wir könnten viele Beispiele anführen. Gleichzeitig richte ich an sie folgende Aufforderung: Alle diese Verantwortlichen mögen entschlossen über den spezifischen Charakter der katholischen Lehranstalten wachen! Die missionarische Öffnung dieser Lehranstalten hat, zumindest an manchen Stellen, möglicherweise die Identität bestimmter katholischer Einrichtungen verdunkelt. Durch die lobenswerte Achtung gegenüber Schülern anderer Konfessionen oder Schülern ohne Religionszugehörigkeit oder mit nur geringer Bindung an die Religion hat man den Raum des übermittelten, bezeugten und vollzogenen Glaubens unbedachterweise eingeengt. Die Katechese ist - man mag sich fragen, warum - bisweilen sogar aus der katholischen Lehranstalt abgewandert. Ganz bewußt bestehe ich - auch unter Berücksichtigung der notwendigen missionarischen Öffnung der katholischen Schulen und Kollegien und der psychischen Verfassung der modernen Jugend - auf der Aufrechterhaltung der Katechese, d. h. der Unterweisung in christlicher Religion an der katholischen Schule, auf ihrer sorgfältig angepaßten Darbietung, ihrer Lehrgenauigkeit und ihrer großen Ehrfrucht vor dem Geheimnis Gottes. Eine solche Katechese wird zumindest in den jungen Menschen das Verlangen nach einer persönlichen Begegnung mit Jesus Christus, dem Leitbild schlechthin, wachrufen und viele von ihnen dahin führen. Der Hebräerbrief sagt uns in einem eindrucksvollen Satz: „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). 5. Nun sind es die Lehrer, die im Bereich der Schule selbst tagtäglich die Erziehergruppen bilden. Es kommt in höchstem Maße darauf an, daß diese Erzieher, ob sie von selbst ihre Dienste in einer katholischen Lehranstalt angeboten haben oder von der Leitung des Instituts angeworben und eingestellt worden sind, eine klare Vorstellung von der christlichen Erziehung haben, die sich auf die Botschaft des Evangeliums gründet. Es ist eine heilige Pflicht für alle, einzeln und mitunter gemeinsam Zeugnis von ihrem Glauben zu geben. 1618 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Manche werden es mit Freude auf sich nehmen, die Stunden des Religionsunterrichts oder der Katechese lebendig zu gestalten. Jeder wird in seinem Unterrichtsfach in angebrachter Weise Gelegenheit finden können, die Jugendlichen entdecken zu lassen, daß Wissenschaft und Glaube zwei verschiedene und sich ergänzende Weisen sind, das Universum und die Geschichte zu lesen. Wenn die Zusammensetzung des Lehrkörpers eines der ernsten Probleme für die Aufrechterhaltung der Identität des katholischen Unterrichts ist, bedarf es mehr denn je der Ausbildung künftiger Lehrer und der regelmäßigen Um- und Weiterbildung von Lehrern auf profanem wie auf religiösem Gebiet. Die Kirche freut sich über die in diesem Bereich unternommenen Bemühungen. Aber der katholische Unterricht muß sich zugleich durch berufliche Kompetenz seiner Lehrer, durch das Zeugnis ihres glühenden Glaubens, durch eine die ganze Schule prägende Atmosphäre der Achtung, der gegenseitigen Unterstützung, der Freude am Evangelium auszeichnen. 6. Ich bin sicher, daß in all diesen Bereichen das Internationale Amt für katholischen Unterricht einen Ansporn und einen glücklichen Beitrag zu liefern vermag. Schöpferische Zusammenarbeit von Familie und Lehrkörper Mit einem Wort, die Zukunft der katholischen Schulen, Kollegien und Universitäten hängt von der ausdauernden, überlegten, schöpferischen und gleichmäßigen Zusammenarbeit der Familien und der Lehrkörper ab. Das alles im Geist ungetrübter Treue zur Kirche und unter eindeutiger Achtung ähnlicher Institutionen, die rechtmäßig von den Regierungen jedes Landes verwaltet und geleitet werden. Tragen Sie dazu bei, ganz und gar unkonstruktive Polemiken zu verhindern. Versuchen Sie gegebenenfalls und in geeigneter Weise, die Christen an Ihren Überzeugungen teilnehmen zu lassen, die Gleichgültigkeit oder Skepsis hinsichtlich des großen Nutzens katholischer Schuleinrichtungen an den Tag legen. Was das betrifft, so wissen Sie, daß die Realisierung - ich meine die geglückte menschliche und christliche Bildung der in den katholischen Schulen erzogenen Männer und Frauen - überzeugender ist als alles Reden. Dem Internationalen Amt für katholischen Unterricht und seinem eifrigen Präsidenten, aber ebenso allen christlichen Familien, die bewußt religiöse Erziehungsanstalten für ihre Kinder gewählt haben, allen Verantwortlichen für die katholische Erziehung auf nationaler oder diözesa-ner Ebene, allen Elternvereinigungen, allen Lehrkörpern der Primarschu- 1619 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN len, der höheren Schulen und der Universitäten spreche ich erneut mein Vertrauen und meine herzliche Ermunterung aus. Auf alle rufe ich die Fülle der göttlichen Weisheit und Kraft herab. Soziallehre der Kirche kein starrer Rahmen Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Kommission „Justitia et Pax“ am 9. November Herr Kardinal! Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute“ sind - dessen seid ihr, Mitglieder der Päpstlichen Kommission „Justitia et Pax“, euch besonders bewußt - auch „Freude, Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi, und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände“ (Gaudium etspes, Nr. 1). Ich weiß, daß seit der Errichtung eurer Kommission vor achtzehn Jahren euer Bestreben das ist, was das Konzil der Kirche aufgetragen hat: „Unter Führung des Geistes, des Trösters, das Werk Christi selbst weiterzuführen, der in die Welt kam, um der Wahrheit Zeugnis zu geben; zu retten, nicht zu richten; zu dienen, nicht sich bedienen zu lassen“ (ebd., Nr. 3). Ja, arbeiten für den Frieden, „den Aufschwung armer Gegenden und die soziale Gerechtigkeit fördern“, das ist eure Aufgabe seit Beginn des Wirkens dieses Organismus der Römischen Kurie. Ich weiß um die entfalteten Bemühungen, und ich danke euch für die ganze Hingabe, mit der ihr euch dem widmet. Für eure 17. Vollversammlung - die zweite der Gruppe, die zur Zeit die Kommission bildet - habt ihr mit Recht beschlossen, eine neuerliche vertiefte Lesung der Pastoralkonstitution Gaudium etspes, zwanzig Jahre nach ihrer Annahme durch das Zweite Vatikanische Konzil und ihrer Verkündung durch meinen verehrten Vorgänger Papst Paul VI. vorzunehmen. Gaudium et spes ist ein Dokument von außerordentlicher Bedeutung - eines der wichtigsten Dokumente — für die Arbeit eurer Kommission. Und das nicht nur, weil die Konzilsväter die Schaffung eines Organs der 1620 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gesamtkirche wünschten, dem eure Kommission seine konkrete Gestalt gegeben hat (vgl. Gaudium et spes, Nr. 90), sondern vor allem, weil die von dieser Konstitution vorgelegte Auffassung von der menschlichen Person eurer gesamten Arbeit für die Kirche zugrunde liegt; und die Weise, wie sie die Anwesenheit und die Sendung der Kirche in der Welt darstellt, ist eine unerläßliche Anleitung für eure Tätigkeit. Aus diesen Gründen wird euch die Überlegung, die ihr über den Konzilstext angestellt habt, die Möglichkeit geben, von seinen verschiedenen Kapiteln her auf die grundlegende Orientierung der Kirche bei der Erörterung bestimmter heutiger Probleme der Gesellschaft in ihrer ganzen Kompliziertheit und unter Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Bedeutung hinzuweisen. Im vergangenen Jahr hatte ich Gelegenheit, zu euch über die engen Kontakte zu sprechen, die die Kommission zu den Bischofskonferenzen unterhalten soll. Ich weiß, daß euer Dikasterium im regen Maße Begegnungen mit den Bischöfen im Verlauf ihrer Ad-limina-Besuche organisiert hat. Das ist für euch eine bevorzugte Gelegenheit, mit den Bischöfen der Ortskirchen der ganzen Welt zahlreiche Probleme zu besprechen, denen sie sich auf sozialem, wirtschaftlichem und politischem Gebiet stellen müssen. Dieser Gedankenaustausch bereichert euch bei eurer eigenen Arbeit. Zugleich gestattet er euch, den Bischöfen die Ergebnisse eurer Studien hinsichtlich der Soziallehre der Kirche zu unterbreiten. Das Lehramt hat sich seit seinen Anfängen zum Sozialbereich geäußert. Das bedeutet ein reiches Erbe. In unserem Jahrhundert hat seine Lehre die Grundsätze entwickelt, die auf jede soziale Situation Anwendung finden sollten, in der der Wert der menschlichen Person und ihre Würde sowie die Achtung jedes einzelnen Menschen die letzten Kriterien konkreter Unterscheidungen und sozialwirtschaftlicher Programme sein müssen. Die strukturierte Entwicklung ihrer Soziallehre erlaubt der Kirche, der Unterschiedlichkeit der Situation von einer Nation zur anderen, von einem Kontinent zum anderen zu entsprechen. Ohne zu einem starren und vorgeprägten Rahmen für die Gesellschaft zu werden, bleibt die Soziallehre nichtsdestoweniger ein sehr sicherer Weg für alle Christen in ihrem Beitrag zu der Gesellschaft, in der sie leben. Die Bischofskonferenzen bedürfen eurer Sachkenntnis. Ihr wiederum bedürft der Erfahrung und Weisheit der Bischöfe sowie der verschiedenen Institutionen, die überall in der Welt in den gleichen Bereichen tätig sind. Ich hoffe, daß in der Zukunft eine immer engere Zusammenarbeit der Kommission, den Bischöfen und den anderen Verantwortlichen ermöglichen wird, die Stimme der Kirche besser zu Gehör zu bringen und besser 1621 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verständlich zu machen. So wird sich im sozialen Bereich die pastorale Sendung der Gesamtkirche als ein Dienst an der Teilkirche erweisen können, und die Teilkirche wird von den Früchten dieser Mitarbeit Gebrauch machen können, einer „aufrichtigen Mitarbeit der Kirche zur Errichtung jener brüderlichen Gemeinschaft aller, die dieser Berufung entspricht“ (Gaudium et spes, Nr. 3). Für Frieden, der keine Grenzen kennt 3. Die Beziehungen der Ortskirchen zur Kommission stellen jedoch nicht deren einziges Aktionsfeld dar. In diesem Jahr, wo man das vierzigjährige Bestehen der Organisation der Vereinten Nationen feiert, ist es sehr wichtig festzustellen, daß die Kommission von den ersten Jahren ihres Bestehens an die Arbeiten der UNO und der anderen internationalen Instanzen stets mit Aufmerksamkeit verfolgt hat. Ihr habt es nicht versäumt, die Lehre der Kirche und ihre Besorgnisse diesen Körperschaften zum Wohl der menschlichen Person und der Nationen vorzutragen. Außerdem hat eure Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat und mit den übrigen Dikasterien der Römischen Kurie die aktive Präsenz des Hl. Stuhls bei den internationalen Konferenzen wirksamer gemacht, wo die Gemeinschaft der Nationen die Normen und Strukturen zu entwickeln versucht, die die Rechte des einzelnen und der Völker schützen sollen, und die Projekte unterstützt, die darauf abzielen, das Gemeinwohl und die Zukunft aller, besonders der Ärmsten, sicherzustellen. Das Bemühen um internationale Zusammenarbeit für die Entwicklung, wirtschaftliche und finanzielle Gerechtigkeit, Menschenrechte, Schutz der Freiheit, das alles muß weiterhin Gegenstand eurer Aufgabe bilden und eure Tätigkeit in allererster Linie bestimmen. 4. Ganz besonders möchte ich euch die Arbeit für den Frieden empfehlen. Ich bin froh, daß sich der Hl. Stuhl in diesem Internationalen Jahr des Friedens an verschiedenen Initiativen aktiv beteiligt. Für die Kirche bleibt außerdem der Weltfriedenstag eines der bedeutsamsten Ereignisse, um ihr festes und beständiges Engagement zugunsten des Friedens zu beweisen. Wie ihr wißt, lautet das Thema des nächsten Welttages: „Der Friede ist ein Wert ohne Grenzen.“ Ich möchte an die Mitarbeit aller appellieren, damit wir in der ganzen Welt zu „einem einzigen Frieden“ gelangen. Die internationale Gemeinschaft hat in der Vergangenheit dem Weltfriedenstag stets große Bedeutung geschenkt. Die Belebung dieser Initiative ist 1622 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN euch anvertraut; ich hoffe, daß es euch gelingen wird, das aktive Engagement der Kirche für die große Sache eines Friedens ohne Grenzen zu vertiefen und noch besser bekanntzumachen. Wir dürfen niemals müde werden: Die Stimme der Kirche muß sich überall erheben, wo es gilt, an die wahren Werte des Friedens zu erinnern. Wir haben die Vorstellung von einer Welt, wo der Krieg nicht mehr ein Werkzeug zur Regelung der internationalen Beziehungen ist; von einer Welt, wo die offenen Kontakte und die aufrichtigen Verhandlungen zwischen den Nationen die normalen Mittel für den Abbau von Spannungen und den Aufbau geeigneter Strukturen darstellen. So wollen wir versuchen, einen Geisteszustand zu fördern, der dahin führt, dem Wettrüsten und der Vergeudung der Geldmittel dafür ein Ende zu setzen. So werden wir versuchen, die Freiheit und die Sicherheit aller Nationen zu schützen und zugleich mehr Mittel für die Gesamtentwicklung der Völker und Nationen der Welt einzusetzen. Die Kommission „Justitia et Pax“ bemüht sich mit Verständnis und Hingabe um die Verwirklichung dieser Zielsetzungen, die in Gaudium et spes klar beschrieben sind. 5. Im Rahmen dieser Begegnung mit euch, Mitgliedern der Päpstlichen Kommission „Justitia et Pax“ aus allen Teilen der Welt, möchte ich noch eine Beobachtung unterstreichen. Zu euch gehören Bischöfe und Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Männer und Frauen aus dem Laienstand. Ihr bildet in gewissem Sinne einen Mikrokosmos, der unter diesem pastoralen Gesichtspunkt engagierten Kirche. Die Zusammensetzung eurer Gruppen erinnert uns alle daran, daß es, wenn auch die Glaubensgrundsätze von den Hirten verkündet werden müssen, Sache des ganzen Gottesvolkes ist, in der Gesellschaft in verantwortlicher Weise den besonderen Beitrag der Kirche zu leisten. Die Laien haben eine eigene Rolle zu erfüllen. Es ist angebracht, daß die Kommission in Übereinstimmung mit den Bischöfen zur Kenntnis und zur konkreten Anwendung der kirchlichen Soziallehre durch die Laien im Dienst an der menschlichen Gemeinschaft ermutigt. 6. Das sind meine Überlegungen und der Sinn meines Gebetes für euch alle, während ihr im Verlauf dieser Vollversammlung eure Untersuchung fortführt. Ich sage euch noch einmal, daß ich eure Arbeit hochschätze. Und ich fordere euch auf, euer Engagement mit allen euch zur Verfügung stehenden Mitteln zu vertiefen. Ich bete dafür, daß eure Bemühungen zu der großen Sendung beitragen, die Botschaft Christi jedem Menschen und jeder Nation so zu überbringen, daß die in Gaudium et spes enthaltenen 1623 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Worte Wirklichkeit werden: „Die Kirche wird kraft ihrer Sendung, die ganze Welt mit der Botschaft des Evangeliums zu erleuchten und aller Menschen aller Nationen, Rassen und Kulturen in einem Geist zu vereinigen, zum Zeichen der Brüderlichkeit, die einen aufrichtigen Dialog ermöglicht und gedeihen läßt“ (Nr. 92). Der Herr erfülle euch mit seinem Licht und seiner Gnade und segne euch. Studenten „von Vorbildern angezogen“ Ansprache an die Rektoren der Katholischen Universitäten der Gesellschaft Jesu am 9. November Liebe Brüder! 1. Ich empfinde es als große Freude, mit Ihnen, den Rektoren und Verantwortlichen der der Gesellschaft Jesu in den verschiedensten Ländern anvertrauten Hochschulen, begleitet von einigen anderen Rektoren, zusammenzutreffen und Sie hier in Rom, der Stadt des Nachfolgers Petri, zu empfangen, und das um so mehr, als zwischen Ihrer Gesellschaft und dem Hl. Stuhl besondere Bande bestehen. Mit dieser Freude verbindet sich ein lebhafter Dank an die ganze Gesellschaft - angefangen bei Ihrem Generalobern - für die hochherzige Bereitschaft, mit der sie die Leitung und die Förderung Ihrer zahlreichen, über die ganze Welt verteilten akademischen Zentren sicherstellt. Unsere heutige Begegnung bringt uns jene Audienz in Erinnerung, die am 8. August 1975 mit meinem verehrten Vorgänger Paul VI. stattgefunden hat. Die Ansprache, die er damals an die Rektoren und Leiter Ihrer akademischen Zentren richtete, zielte darauf ab, den apostolischen Eifer der Gesellschaft im Bereich der höheren Bildung, genauer auf dem Gebiet der Katholischen Universitäten, zu festigen und zu intensivieren. Das Wort Pauls VI. hat der Gesellschaft Jesu im Laufe dieser letzten zehn Jahre die Bedeutung ihres besonderen Auftrages innerhalb der Katholischen Universitäten wieder lebendiger und deutlicher bewußtgemacht. Man könnte sagen, daß diese Ansprache bei einer Reihe von Jesuiten die Liebe, ja die Leidenschaft für einen Bereich des Apostolats gestärkt hat, der sich als äußerst empfindlich und schwierig, aber auch entscheidend für die Lebenskraft der Kirche erweist. 1624 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Man wird immer mit Ausdauer, Mut und Enthusiasmus vorangehen und entschlossen handeln müssen trotz der Schwierigkeiten, denen man auf dem Weg begegnet. 2. Es steht fest, daß die Gesellschaft Jesu eine ganz besondere Verbindung zur Kultur besitzt. Ihr Gründer hat ihr ja in der Tat unter anderen Apostolaten dasjenige aufgetragen, das die Kultur und die studierende Jugend betrifft. Getreu dieser Sendung hat sich die Gesellschaft Jesu dafür eingesetzt und darum bemüht - und tut das noch immer -, daß ihre akademischen Institute nicht nur ihrer Aufgabe hinsichtlich der Ernsthaftigkeit der Forschung und der Qualität der Lehre gewachsen, sondern auch und vor allem von dem Streben nach dem besonderen Ziel gekennzeichnet sind, dessentwegen die Gesellschaft gegründet worden ist: der Verteidigung und Verbreitung des Glaubens. Ihre Universitäten und akademischen Institute sind daher berufen, in erster Linie und mehr als alles andere ihren Charakter als katholische akademische Zentren, die am Evangelisierungsauftrag der Kirche teilhaben, zu gewährleisten und zu fördern. Das ist der Geist, der die der Gesellschaft Jesu anvertrauten Universitäten beseelt und in erster Linie beseelen muß, wenn sie ihrer Berufung, ihrem Charisma möglichst getreu entsprechen wollen. 3. Die Kirchengeschichte lehrt uns, wie schwierig Glaubensverkündigung in kulturellen Umbruchzeiten wie der unsrigen ist. Wir wissen, daß die der Gesellschaft Jesu anvertrauten akademischen Institutionen sich heute für die Förderung eines mutigen Dialogs zwischen Glaube und Kultur einset-zen. Besonderes Lob verdient der Einsatz, den diese Institutionen im Licht der katholischen Lehre für die Lösung der aus dem sozialen Fortschritt erwachsenden Probleme leisten. Neue wissenschaftliche Entdek-kungen stellen nicht selten ernsthafte Herausforderungen für den Glauben auf dem Gebiet der Lehre wie im moralischen und sozialen Bereich dar. Diese Herausforderungen machen den Dialog zwischen Theologen und Naturwissenschaftlern erforderlich mit dem Ziel, die betreffenden Probleme aufzuzeigen, zu beschreiben und eine Antwort auf sie zu finden, die mit der Wissenschaft wie mit dem Glauben vereinbar ist. Die Katholische Universität ist der geeignetste Ort für diesen Dialog. 4. Für die richtige Förderung dieses Dialogs zwischen Glaube und Kultur gibt es zwei grundlegende Forderungen. Die erste ist die dringende Notwendigkeit der Treue zum Wort Gottes, zu 1625 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seiner Wahrheit, zu seiner Heilskraft für Menschen jedes Alters, zu der ihm innewohnenden Fähigkeit, zu reinigen, zu erneuern und zu erhöhen. Treue zum Wort Gottes schließt eine mutige Verkündigung des Evangeliums ein. Das Apostolische Schreiben Evangelii nuntiandi betont mit Recht die Tatsache, daß der Dialog zwischen dem Evangelium und der Kultur nur stattfinden kann, wenn das Evangelium verkündet wird (vgl. Nr. 20). Es ist Aufgabe der Katholischen Universitäten, unerschrockene Verkünder der Frohbotschaft des Heils zu sein. Auf sie lassen sich auch die Worte des hl. Paulus anwenden: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16). Die bei der Evangelisierung notwendige und ständige Aufforderung zur Treue zu der uns von Gott durch seinen menschgewordenen Sohn geof-fenbarten Wahrheit ist zu allen Zeiten, von den ersten Jahrhunderten des Christentums an, vernommen worden. Hier könnte man einen Kirchenschriftsteller zitieren, der in einer Zeit des großen kulturellen Wandels lebte und einen intensiven Dialog zwischen dem Evangelium und der kulturellen Entwicklung in Gang zu bringen versuchte: Clemens von Alexandria. Er schrieb: „Es gibt Wahrheit in der Geometrie, es gibt Wahrheit in der Musik, es gibt Wahrheit in der echten Philosophie . . . Doch die einzige authentische Wahrheit ist die, die uns vom Sohn Gottes gelehrt wird . . . Wir sind von Gott gelehrt und vom Sohn Gottes in den wahrhaft heiligen Schriften unterwiesen worden“ (Stromata I, 20; PG VIII, S. 816). Das fleischgewordene Wort ist in der Tat die Menschwerdung der ganzen Wahrheit. Treue zum Wort Gottes heißt, jenes Wort in seiner Tiefe zu studieren, darüber nachzudenken und es in praktisches Tun umzusetzen. Sie bedeutet auch Treue zum Lehramt der Kirche, der Kirche, der Christus dieses Wort anvertraut hat, damit es in seiner Reinheit und Unversehrtheit bewahrt und authentisch ausgelegt werde. Ohne solche Treue kann es keinen wirksamen Dialog zwischen Glaube und Kultur geben. 5. Die zweite Forderung ist die dringende Notwendigkeit zur philosophischen Reflexion hinsichtlich der Wahrheit über den Menschen. Heute ist eine historizistische Vorstellung vom Menschen und seiner Geschichte weitverbreitet und vorherrschend. Diese Vorstellung führt durch die Relativierung fundamentaler Werte zu einem unbegründeten Vorrang der Freiheit vor der Wahrheit, der Praxis vor der Theorie, des Werdens vor dem Sein. Sie mündet schließlich in einem ideologischen und moralischen Relativismus. Eine sorgfältige Prüfung heutiger kultureller Strömungen macht die Not- 1626 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wendigkeit einer gut fundierten philosophischen Anthropologie, die auf die Entwirrung des Geheimnisses des Menschen abzielt, verständlich. Diese metaphysische Reflexion über den Menschen, durch Herstellung einer gemeinsamen Grundlage für die Menschen guten Willens, wird die Unterscheidung und korrekte Integrierung dessen, worauf es beim menschlichen Fortschritt heute ankommt, erleichtern. Sie wird helfen zu vermeiden, was in manchen ideologischen Strömungen und moralischen Verhaltensformen abwegig ist. Darüber hinaus ist sie unentbehrlich für die Vorbereitung einer angemessenen Evangelisierung der Kultur. Treue zum Wort Gottes und Treue zur Wahrheit über den Menschen: Das sind die beiden Formen der Treue, die helfen werden sicherzustellen, daß der menschliche Fortschritt das Geheimnis Gottes berücksichtigt. Je besser einer um das Geheimnis des Menschen weiß, um so offener wird er für das Geheimnis der Transzendenz. Und je tiefer einer in das göttliche Geheimnis eindringt, um so mehr entdeckt er die wahre Größe und Würde der menschlichen Person. 6. Eine besondere Aufgabe der Gesellschaft Jesu ist auch die Führung der jungen Menschen, die ihre Unterrichtszentren besuchen. Bekannt und lobenswert ist die Tatsache, daß in den der Gesellschaft Jesu anvertrauten Universitäten ein hochqualifizierter Unterricht geboten wird, um die Studenten auf eine angemessene Ausübung ihres späteren Berufes vorzubereiten. Dem Geist des ihnen eigenen Charismas folgend, bemühen sich die genannten Institutionen auch, durch geeignete Lehre die Studenten in eine tiefere Kenntnis der christlichen Botschaft einzuführen. Auf diese Weise wird in die Praxis umgesetzt, was in der Konzilserklärung über die christliche Erziehung der Jugend Gravissimum educationis über den Auftrag der Katholischen Universitäten gesagt ist, ihren Studenten zu ermöglichen, daß „sie zu Menschen herangebildet werden, die in ihrer Wissenschaft bestens bewandert, wichtigen Aufgaben im öffentlichen Leben gewachsen und Zeugen des Glaubens und der Welt sind“ (Nr. 10). 7. Während ich beim heutigen Anlaß Ihre großzügigen Bemühungen anerkenne, fordere ich Sie auf, der Gesamtbildung der Studenten, in der eine solide theoretische und praktische religiöse Bildung einen hervorragenden Platz einnimmt, besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Diese Bildung muß insofern praktisch sein, als die religiöse Bildung der Studenten einer Katholischen Universität nicht nur theoretische Lehre sein darf, sondern gewährleisten muß, daß die Studenten im täglichen Umgang an 1627 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Universität lernen, die christliche Lehre, die sie sich intellektuell angeeignet haben, konkret zu leben. Daraus ergibt sich die dringende Notwendigkeit, im Bereich der Katholischen Universität eine Atmosphäre anzubieten, die für die Integrierung der intellektuellen Ausbildung in die Praxis geeignet ist. Dazu wird es einer immer stärkeren Förderung unter der Führung eifriger Ordenspriester bedürfen, die den Studenten geistig beistehen und alle Initiativen unterstützen, die geeignet sind, dem jungen Menschen bei der Vertiefung der Erkenntnis und der praktischen Verwirklichung des christlichen Lebens, in einer harmonischen Synthese zwischen Glaube und Leben, zu helfen. Bei verschiedenen Begegnungen mit den Hochschulstudenten der ganzen Welt hatte ich Gelegenheit, persönlich wahrzunehmen, daß sich bei ihnen bezeichnenderweise die religiöse Frage hauptsächlich als das dringende Bedürfnis erhebt, ihrem Leben einen Sinn zu geben. Man muß in ihrem Geist zu leben wissen und begreifen, daß sie sich Vorbilder eines wahrhaft christlichen Lebens erwarten. Mehr als von theoretisch unterbreiteten Lehren fühlen sie sich von den Beispielen der konkret gelebten Lehren angezogen. 8. In dem tiefgreifenden Wandel, den unsere Welt erfährt, betraut man Sie mit einer gewaltigen Verantwortung. Ich bin sicher, daß auch Sie davon überzeugt sind. Darum ermutige ich Sie, in Ihrer schwierigen Sendung fortzufahren. Die Kirche braucht Sie und Ihre als katholisch und wissenschaftlich qualifizierten Universitäten mehr denn je. Wie Sie wissen, hat die Kongregation für das katholische Bildungsewesen eine Untersuchung in die Wege geleitet, um eine Apostolische Konstitution über Katholische Universitäten im Hinblick auf den unabdingbaren Auftrag der Katholischen Universität in der Welt von heute vorzubereiten. Ihre Universitäten und akademischen Institute haben zweifellos zu dieser Untersuchung ihren wertvollen Beitrag erbracht, wofür ich Ihnen schon jetzt danke. Niemandem entgeht die Zweckdienlichkeit des sogenannten Dokuments, das von der tiefgehenden Entwicklung auf kulturellem Gebiet, wie sie sich in diesen letzten Jahren vollzogen hat, und auch von der kirchlichen Gemeinschaft selbst gefordert wird, die wünscht, daß ihre Universitäten dem Menschen Inhalt und Dynamik des katholischen Denkens wirksamer anbieten. 9. Zum Abschluß dieser Überlegungen möchte ich noch auf Ihre lobenswerte kulturelle Tradition Bezug nehmen, der gemäß Sie in unseren 1628 _ BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tagen präsent, aktiv und schöpferisch, aber zugleich treu sein sollen: treu dem Geist Ihres Gründers, der Kirche und deren Lehramt. Mögen die Katholischen Universitäten empfänglich sein für die Zeichen der Zeit; empfänglich für die vielfältigen kulturellen Nöte unserer Zeit und zugleich offen für den Geist der Teilkirchen durch eine brüderliche und enge Verbundenheit mit ihren Bischöfen und offen für den Geist der Universalkirche durch Ihre aufrichtige Anhänglichkeit an den Hl. Stuhl. Mit diesen Wünschen erteile ich Ihnen sowie den Professoren und den Studenten ihrer akademischen Lehrzentren meinen besonderen Apostolischen Segen. Wieviel und wie einer gibt Predigt in der Eucharistiefeier zum 40jährigen Bestehen der FAO in St. Peter am 10. November „Der Herr . . . hält ewig die Treue. Recht verschafft er den Unterdrückten, den Hungernden gibt er Brot“ (Ps 146,6 f.). <244> <244> Diese Worte des Antwortpsalms, die wir in der heutigen Sonntagsliturgie gehört haben, sind auch von besonderer Bedeutung für die Feier des 40jährigen Bestehens der UNO-Welternährungsorganisation FAO, an der ich auf eine freundliche Einladung hin mit großer Freude teilnehme. Einen herzlichen und hochachtungsvollen Gruß richte ich an die hohen Vertreter der Mitgliedstaaten der FAO sowie an deren leitende Beamte und möchte ihnen versichern, wie sehr ich ihr Wirken und die hohen Ziele, denen ihr Bemühen gilt, schätze. Ich grüße auch die anderen Persönlichkeiten und alle Gläubigen, die sich dieser Dankmesse haben anschließen wollen. Eure Gegenwart, sehr verehrte Damen und Herren, liebe Brüder und Schwestern, erinnert uns an die von der FAO unternommenen Anstrengungen, um jene Hindernisse und Ungleichheiten zu beseitigen, die dem dynamischen Ablauf einer Lebensmittelproduktion im Wege stehen, der für einen angemessenen Austausch lebensnotwendiger Güter erforderlich ist. Ich brauche nicht eigens zu betonen, wie sehr euch die Kirche bei diesem Werk menschlicher Solidarität nahesteht. Ihre Sendung ist es ja, 1629 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Lehren und Taten ihres göttlichen Meisters durch die Jahrhunderte zu tragen und so auch unaufhörlich jenen bewegenden Aufschrei seines Herzens angesichts einer hungernden Menschenmenge neu zu vernehmen: „Ich habe Mitleid mit diesen Menschen; sie sind schon drei Tage bei mir und haben nichts mehr zu essen. Ich will sie nicht hungrig wegschik-ken, sonst brechen sie unterwegs zusammen“ (Mt 15,32). Zweifellos bestätigt die gegenwärtige Weltlage die vorrangige und unersetzliche Funktion der FAO. Es geht vor allem darum, die fortschreitende Entwicklung zur Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln in jedem Volk zu unterstützen, indem die entsprechende Produktion vergrößert und die vorhandenen Vorräte gerechter verteilt werden. Zu diesem grundlegenden Wirken kommen außerordentliche Maßnahmen für Notstandshilfen hinzu. Leider gibt es gegenwärtig immer umfassendere Bitten für dringende Soforthilfen in besonderen Zonen und Kontinenten, wie von seiten so vieler afrikanischer Länder, die von Trockenheit und Hungersnot betroffen sind. Die Ernährungskrisen mehren sich nicht allein infolge ungünstiger klimatischer Bedingungen und Naturkatastrophen, sondern auch infolge von Konflikten, die aus einer bisweilen falschen Wirtschaftspolitik oder aus gewaltsamen Umsiedlungen ganzer Bevölkerungsgruppen resultieren. Daraus ergeben sich zusätzliche Aufgaben, die einen immer breiteren Raum einnehmen, damit die offensichtlichen Bedürfnisse der Bevölke-- rung, auch der zukünftigen, in angemessener Weise erfüllt werden können. Dabei richtet man sich nach den Anforderungen der einzelnen Regierungen, vereinbart aber auch gemeinsame Aktionspläne zwischen den Mitgliedsstaaten der Organisation. 2. Diese Feier ruft mir auch das 40jährige Bestehen der Organisation der Vereinten Nationen (UNO) in Erinnerung, in deren Umkreis wir das gesamte System der speziellen zwischenstaatlichen Organisationen in abgestimmter Weise am Werk sehen. Der Hl. Stuhl hat sich sehr gern dem Gedächtnis dieses Jubiläums angeschlossen, welches an das Inkrafttreten der Charta der Vereinten Nationen erinnert. Durch den Kardinalsstaatssekretär habe ich Herrn Jaime de Pinies, dem Präsidenten der 40. UNO-Vollversammlung, eine Botschaft gesandt, um die moralische Unterstützung zu bekräftigen, die der Hl. Stuhl diesem Organismus von Anfang an hat stets zukommen lassen, indem er zu einer besonderen Zusammenarbeit ermutigte für die Förderung eines wahren Friedens und einer fruchtbaren Verständigung zwischen den Personen und Nationen. Bei verschiedenen Gelegenheiten hat die Kirche ihre Wertschätzung und 1630 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zustimmung für dieses Forum der Völkerfamilie bekundet und unterstützt auch weiterhin seine Aufgaben und Initiativen, welche die ehrliche Zusammenarbeit der Nationen fördern wollen. Bei Gelegenheit dieses 40jährigen Jubiläums möchte ich noch einmal meinen Dank für die Einladung vom Oktober des Jahres 1979 bekräftigen, vor den Mitgliedern jener Vollversammlung das Wort zu ergreifen. Diese Einladung bedeutete mir sehr viel, weil sie beweist - wie ich in jener feierlichen Versammlung sagte -, „daß die Organisation der Vereinten Nationen die religiös-moralische Dimension jener menschlichen Probleme anerkennt und respektiert, um die sich die Kirche mit Hilfe ihrer Botschaft der Wahrheit und der Liebe, die sie der Welt nahebringen muß, kümmert“ (Ansprache vor der UNO-Vollversammlung am 2. 10. 1979; in: O. R. dt., Nr. 40/1979). Von hier aus wird das Bemühen verständlich, das in diesen 40 Jahren die Kirche und die Organisation der Vereinten Nationen in stets wachsender Zusammenarbeit und Solidarität gesehen hat, um „den Menschen in seiner Integrität, in der ganzen Fülle und dem vielfältigen Reichtum seiner geistlichen und materiellen Existenz (ebd.) zu verteidigen. In einer geschichtlichen Stunde, da die Technik auf Kriegsziele, auf Hegemonie und Eroberung ausgerichtet war, da der Mensch den Menschen mordete, die Nationen sich gegenseitig zerstörten, wurde die Geburt eines solchen Organismus von den Menschen, die sich sorgenvolle Gedanken um das Schicksal der Menschheit machten, als eine neue Sicherheitsvorrichtung für Frieden und Hoffnung begrüßt, als ein sachgerechter Weg, um zur Anerkennung und Achtung der unveräußerlichen Rechte der Personen und der Volksgemeinschaften zu gelangen. Ich möchte hoffen, daß dieses Jubiläum eine solche Überzeugung zu bekräftigen vermag und insbesondere dazu beiträgt - wie ich in der Botschaft vom vergangenen 14. Oktober gesagt habe -, die moralische und juridische Autorität dieses Organismus für die Erhaltung des Friedens und für die internationale Zusammenarbeit im Dienst am Fortschritt und der Freiheit aller Völker zu stärken. Die Vereinten Nationen werden ihren hohen Auftrag um so fruchtbarer erfüllen, je mehr bei allen Mitgliedern die Überzeugung wächst, daß Menschen zu regieren, bedeutet, einem Plan höherer Gerechtigkeit zu dienen. Die mutige und hoffnungsvolle Vision, die die Verfasser der UNO-Charta vom Jahre 1945 geleitet hat, dürfte niemals verlorengehen, trotz der Schwierigkeiten und Hindernisse, auf die sie in diesen 40 Jahren gestoßen ist. Sie muß der ideale Mittelpunkt bleiben, solange solche Hindernisse nicht überwunden sind. Das ist mein brennender Wunsch, 1631 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den ich in dieser liturgischen Feier erneuern möchte, wobei ich vom Herrn allen guten Erfolg erbitte für die Bemühungen um die Sache des Friedens. 3. Die Szene, die uns das heutige Evangelium vor Augen führt, betont das Verhältnis zwischen Reichen und Armen im Hinblick auf das unterschiedliche Verhalten des Schriftgelehrten und der Witwe. In der gegenwärtigen Welt findet dieser Kontrast seine geschichtliche Entsprechung in den unterschiedlichen Entwicklungsbedingungen der verschiedenen Länder, ein Kontrast, der gemeinhin als Nord-Süd-Gefälle bezeichnet wird. Christus wertet es negativ, wenn jemand in Luxus und Reichtum lebt und die Armen verachtet; wenn die Reichen den Armen nicht geben, was sie könnten, oder wenn sie derart augenfällig Almosen verteilen, daß damit eher ihre Sucht nach Eigenruhm bewiesen wird: „Nehmt euch in acht vor den Schriftgelehrten! Sie . . . lieben es, wenn man sie auf den Straßen und Plätzen grüßt, und sie wollen in der Synagoge die vordersten Sitze und bei jedem Festmahl die Ehrenplätze haben“ (Mk 12,38 f.). Der Aussage des Antwortpsalms: „Der Herr . . . hilft den Waisen und Witwen“ (Ps 146,9) steht gegenüber, was das Evangelium von den Schriftgelehrten sagt, indem es ihre Frömmigkeitsübungen anprangert, denen ihr Urteilen und die von ihnen verübten Ungerechtigkeiten widersprechen: „Sie bringen die Witwen um ihre Häuser und verrichten in ihrer Scheinheiligkeit lange Gebete“ (Mk 12,40). Der verborgenen Geste der armen Witwe dagegen, die hochherzig sogar das Lebensnotwendige hergibt, schenkt Jesus ein Lob von tiefer Bedeutung: Er stellt sie den Gaben so vieler Reichen gegenüber, die zwar „viel Geld“ geben, dabei aber gern gesehen werden wollen. 4. Dieser Tadel Jesu fordert uns heute zu einer Selbstprüfung auf: Wir müssen uns fragen, ob die Ankunft des Reiches Gottes wirklich zu einer Beseitigung der in der Welt bestehenden Situation von Unterdrückung und Luxus geführt hat. Das hätte eintreten können, wenn ein jeder seinen Glauben in Übereinstimmung mit den entsprechenden Werken gelebt hätte, vor allem mit Werken für die Armen, die Ausgestoßenen und Verachteten. Das Endgericht der Geschichte für die einzelnen und für die Völker wird nach dem Maßstab geschehen, wie ihre Verpflichtung, zum Wohl der Mitbrüder im Verhältnis zum eigenen Wohlstand in einer konkreten weltweiten Mitverantwortung nach Recht und Gerechtigkeit beizutragen, praktisch verwirklicht worden ist. Es ist zu wünschen, daß sich alle - einzelne, Gruppen, Privatunterneh- 1632 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN men, öffentliche Initiativen - dazu verstehen, hinreichend für die Mittellosen zu sorgen, angefangen beim Grundrecht, ihren Hunger zu stillen. Jeder müßte sich durch sein Handeln in dieser Zeit so vorbereiten, daß er bereit ist, den Messias zu empfangen, wenn er zum zweiten Mal erscheinen wird, um zu sagen: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist“ (Mt 25,34). 5. Hiermit sind wir zu einer Gewissensprüfung auf gefordert, die ganz gewiß bei der persönlichen Lebensführung eines jeden ansetzt und nach seinem Bewußtsein von Reichtum und Armut fragt. Ihr seid heute aufgerufen, euer Vorrecht anzuerkennen, aktiv und zuverlässig in den Strukturen der internationalen Gesellschaft mitzuarbeiten. Das wache Verantwortungsbewußtsein für den guten Gebrauch des Reichtums, welcher der FAO zur Verfügung steht, fordert vor allem, daß jeder die entsprechende fachliche Qualifikation besitzt und verbessert und diese bei den täglichen Aufgaben ernsthaft und genau anwendet. Eine solche Gewissensprüfung betrifft aber auch die Ebene der Verantwortung der Mitgliedstaaten der FAO, damit sie mit konkreten Vorschlägen, die zu unverzüglichen Beschlüssen und sachgerechten Realisierungen führen, zu den inneren wie internationalen politischen Entscheidungen beitragen. Es ist sehr wichtig, daß man zwischen den Völkern der ganzen Welt und ihren Staaten Beziehungen auf der Grundlage internationaler Gerechtigkeit aufbaut. Dringend ist es jedoch, daß man mit noch stärkerem Nachdruck die Solidarität der reicheren Länder herbeiführt und in immer weiterem Rahmen multilaterale Wege wählt. „ Weltsicherheitsplan für Ernährung“ wünschenswert Das Nachdenken über den eigenen Einsatz als Mitglieder der FAO und darüber hinaus im System der Vereinten Nationen müßte dazu führen, daß die Pflicht jedes Volkes festgestellt wird, im Verhältnis zum eigenen Wohlstand sowie zur Not der anderen seinen Beitrag zu leisten. Es wäre wünschenswert, daß ein „Weltsicherheitsplan für Ernährung“ -wie jener, der auf der FAO-Konferenz zur Approbation vorgelegt werden wird — so ausgearbeitet und anerkannt wird, daß er den Wert nicht nur eines ethischen Appells, sondern auch einer rechtlich bindenden Kraft besitzt. Es ist zu hoffen, daß der Pakt, den die Versammlung schließen wird, wenigstens für die Mitgliedstaaten eine solche Wirksamkeit erhält, 1633 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN indem die Formen verwandt werden, die man nach heutigem internationalen Recht für angebracht hält. 6. Man muß jedoch leider feststellen, daß es immer wieder Mißtrauen gibt und häufigen Mangel an Bereitschaft, echte und genaue Verpflichtungen zu übernehmen, die den Nöten entsprechen und auch wirklich eingehalten werden. Allzuoft stehen verschiedene Arten von übersteigertem Nationalbewußtsein und Günstlingswirtschaft im Wege, daß lebenswichtige Nahrungsmittel für alle ohne Diskriminierung bereitgestellt oder daß Lebensmittel von den Ländern mit hoher Produktion zu jenen mit großem Mangel gebracht werden. Solche Hindernisse und Verhaltensweisen stehen in offenem Widerspruch zu den Grundsätzen einer wirklichen Gerechtigkeit und Solidarität und zur erklärten Bereitschaft, mit der Vorsehung Gottes Zusammenwirken zu wollen. Die Eucharistiefeier erinnert uns daran, daß Christus, Priester und Opfergabe, sich auch heute ohne jede Einschränkung hingibt. „Ein einziges Mal ist er am Ende der Zeiten erschienen, um durch sein Opfer die Sünde zu tilgen“ (Hebr 9,26). Am Kreuz hat er sich für alle Menschen geopfert, „um die Sünden vieler hinwegzunehmen“ (Hebr 9,28). Er hat sich verschenkt, um die Sünde des Egoismus, die in der Geschichte der menschlichen Gesellschaft so oft vorkommt, zu besiegen. Die Eucharistie, die die vollkommene Selbsthingabe Christi und sein Lebensopfer für das Heil der Brüder gegenwärtig setzt, erfordert und schenkt zugleich die Reinigung des Herzens vom Egoismus, um sich so den Mitmenschen im Geist der Solidarität und der tatkräftigen Bruderliebe zu öffnen. Dabei muß man die pure Gerechtigkeit übersteigen, nach dem beispielhaften Verhalten jener Witwe, das uns lehrt, hochherzig auch das zu geben, was wir selbst nötig hätten. Vor allem aber muß man sich bewußt bleiben, daß Gott das Handeln des Menschen nicht mit einem Maßstab mißt, der sich mit dem äußeren Anschein begnügt, „wieviel“ einer,gibt. Gott mißt mit dem Maßstab der inneren Werte: Er fragt danach, „wie“ sich jemand dem Nächsten zur Verfügung stellt; ein Maßstab also nach dem Grad der Liebe, mit der man sich aus freiem Herzen dem Dienst an den Brüdern widmet. 7. Die Kirche, die die religiöse Sendung Christi fortführt, bietet die Kraft an, die' notwendig ist, um ausdauernd für Gerechtigkeit in Solidarität zu wirken. Durch Christus, der die menschliche Natur voll angenommen hat 1634 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und sie so mit der Fülle Gottes verbindet, wird die lebendige Einheit mit Gott, der die Liebe ist, möglich. Diese innere Kraft Gottes kann die menschlichen Anstregungen unterstützen, damit das eine Prinzip der Liebe zu Gott und der Liebe zum Nächsten zur Grundregel des Zusammenlebens der Menschen werde. Wie sich der Prophet Elija nicht scheut, von der Witwe sogar das zu erbitten, was ihr zum Lebensunterhalt gerade noch übriggeblieben ist, so scheut sich auch der Papst nicht, heute die Vertreter der FAO zu bitten, weiterhin die laufenden Aktivitäten und die Initiativen, die zugunsten der Ärmsten in der Welt konkret durchzuführen sind, zu unterstützen und zu entwickeln. Die Kirche gibt dazu ihren Beitrag durch Initaitiven ihrer eigenen Einrichtungen und Verbände, die in den verschiedenen Kontinenten und Völkern wirken. Als ihre Pflicht und ihr unveräußerliches Recht betrachtet sie vor allem die Werke leiblicher und geistlicher Barmherzigkeit, insbesondere jene der christlichen Caritas und gegenseitigen Hilfe, die jede Art menschlicher Not lindern sollen (vgl. Vat. II, Dekret Apostolicam actuositatem, Nr. 8). Ebenso ermutigt die Kirche jede Aktivität nichtstaatlicher Hilfsorganisationen. In letzter Zeit treten diese mit wachsender Kraft immer mehr in den Vordergrund und erscheinen als ein wirksamer Faktor für die gemeinsame Aktion, die die gesamte Menschheit zugunsten der Ärmsten unternehmen muß. Die Kirche wünscht sich jedoch, daß solche freiwilligen Initiativen wirklich in selbstloser und völlig unparteiischer Weise geschehen. Die Kirche möchte schließlich zu einer aktuellen Kenntnis der FAO-Tätigkeit beitragen, zur Bildung einer öffentlichen Meinung, welche die öffentliche Hand und die privaten Einrichtungen der einzelnen Länder dazu drängt, immer umfassendere Initiativen zu ergreifen, um die Entwicklung auf dem Gebiet von Ernährung und Landwirtschaft zu fördern, und der es gelingt, daß sich alle Menschen weltweit, aktiv und beständig daran beteiligen. Mit dieser Feier wollen wir dem Herrn danken für das Gute, das schon erreicht, und für jeden hochherzigen Beitrag, der bisher erbracht worden ist. Ich gebe dem Wunsch Ausdruck, daß dies auch eine gute Gelegenheit für jeden sei, sich mit erneuten Kräften für zukünftige noch wirksamere und rechtzeitige Aktionen einzusetzen und dies nach den jeweiligen Pflichten und dem Maß an Verantwortung, die ein jeder in der gegenwärtigen Gesellschaft hat. 1635 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Am Schluß fügte der Papst in Arabisch hinzu: „Fiat panis“ heißt das Motto der FAO. Es möge für die ganze Welt glückliche Wirklichkeit werden. In Chinesisch: Alle Völker, die Hunger leiden, mögen die wirksame Solidarität der mehr begünstigten Völker finden. In Russisch: Durch eine bessere Verteilung der Güter der Erde möge der Friede in der Welt gestärkt werden. Wort des Trostes für Kolumbien Telegramm an den Apostolischen Nuntius in Bogota, Erzbischof Angelo Acerbi, vom 15. November Tief erschüttert über die traurige Nachricht vom Vulkanausbruch, dessen tragische Auswirkungen unzählige Opfer gefordert und nicht wiedergutzumachende Schäden hervorgerufen haben, bete ich zum Herrn für die Seelenruhe der Verstorbenen. Gleichzeitig bitte ich Eure Exzellenz, den Familienangehörigen meine tiefempfundene Anteilnahme sowie den Verletzten und Geschädigten dieser Katastrophe mein herzliches Wort des Trostes zu übermitteln, vereint mit der Bitte an den Allerhöchsten, er möge die Herzen rühren, damit sie die notwendige Hilfe im Geist hochherziger christlicher Solidarität leisten. Zugleich erteile ich von Herzen meinen väterlichen Apostolischen Segen. PAPST JOHANNES PAUL II. 1636 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schwester Theresia: ,,eine begnadete Erzieherin“ Predigt bei der Seligsprechung in St. Peter am 17. November 1. Ihr seid das Salz der Erde“ (Mt 5,13). In der heutigen Liturgie erinnert uns die Kirche an diese Worte des Herrn, die er in der Bergpredigt ausgesprochen hat. Das Salz hat seine Kraft, die es nicht verlieren darf. Wegen dieser Kraft ist das Salz für die Erde und für den Menschen notwendig. Das Essen ist ohne Salz fade, geschmacklos. Gerade deshalb muß das Salz seine Kraft bewahren. Wenn es sie verliert, dient es zu nichts mehr (vgl. Mt 5,13). Jesus sagt diese Worte zu den Jüngern. Er gebraucht sie in einer Parabel: „Ihr seid das Salz der Erde.“ Ihr müßt das Salz der Erde sein. Ihr müßt dem Leben der Menschheit Kraft - die Kraft des Evangeliums - geben. Ihr seid das Salz! 2. Die Kirche wendet diese Worte auf drei Personen an, die sie heute zur Ehre der Altäre erhebt: Pio Campidelli, Passionistenbruder; Schwester Maria Theresia von Jesus Gerhardinger, Gründerin der Armen Schulschwestern unserer Lieben Frau; Rafqa (Rebekka) Ar-Rayes de Himlaya, Ordensfrau des maronitisch-libanesischen Ordens. Die Heiligkeit ist „der besondere Geschmack“ des christlichen Lebens. Und in diesem Sinn sind die Heiligen das Salz der Erde (vgl. Lumen gentium, Nr. 33). Wie das gute Salz, so verstehen die Heiligen es, die ja in der vielfältigen Erfahrung des menschlichen Lebens und in die geschichtliche Epoche eingetaucht sind, in welcher sie ihre Sendung haben, mit der ganzen Kraft ihres gläubigen Zeugnisses, bis zur heroischen Treue, ihre Umgebung mit der Lehre Christi zu durchdringen, und tragen so zur fortschreitenden Verwirklichung der Sendung der Kirche in der Welt bei. 3. Im Internationalen Jahr der Jugend wird Pio Campidelli, Bruder Pio di San Luigi, zur Ehre der Altäre erhoben, ein junger Mann, der, wie ein kräftiges Salz, sein Leben für sein Land, für sein Volk gegeben hat: Er gab sein Leben für die Kirche, den Papst, die Bekehrung der Sünder, für seine Heimat, die Romagna. Bruder Pio hat den fundamentalen Wert seines religiösen Lebens genau in der Hingabe seiner selbst gefunden. Dieser wesentliche Abschnitt seiner inneren Haltung fällt den Zeugen besonders im Augenblick des Todes auf, als er „mit vollem Bewußtsein des baldigen Lebensendes sich täglich 1637 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN anbot für ein vollkommenes Lebensopfer und sich so dem Willen Gottes anheimgab; er bot sich für die Kirche an . . . und besonders für das Wohl seiner geliebten Heimt, der Romagna“ (aus dem Heiligsprechungsprozeß). Hier in diesem Augenblick drückt sich in besonderer Weise seine Tugend aus, hier offenbart sich der Stil seiner ganzen geistlichen Erfahrung. Von Kindheit an spürte Pio Campidelli die Neigung zum Gebet, zur Liturgie, zur religiösen Unterweisung, und unterstützt vom guten Beispiel der Familie, hatte er sich diesen mit Eifer gewidmet, wie der Verehrung der Gottesmutter, des Altarsakramentes und des gekreuzigten Herrn, freilich in typisch kindlichen Erscheinungsformen. Nachdem er in die Kongregation der Passionisten eingetreten war, fand er dort ein günstiges Klima vor, in welchem er die ihn beherrschende Neigung zur Einheit mit Gott im Innersten seiner selbst entwickeln und vorbereiten konnte, in der Ausübung des priesterlichen Dienstes auch anderen Menschen diese leidenschaftliche Erfahrung zu vermitteln. Bis zum Priestertum selbst jedoch gelangte er nicht, weil Gott ihn im Alter von 21 Jahren zu sich rief. In das besondere Gelübde der Passionisten, nämlich stets des Leides, des Todes und der Auferstehung Jesu zu gedenken, verstand er es, sein eigenes Leben vollständig hineinzugeben, und verwirklichte so die Sendung der besonderen Berufung seiner Ordensgemeinschaft. Er entstammte einer armen Familie, hatte eine zerbrechliche Gesundheit, eine normale Begabung; aber seine Armut und seine Begrenzung hielt er weder für ein Unglück noch fühlte er dies als seelische Belastung. Im Gegenteil, er verwirklichte das Größte, das er vermochte, weil „er die Weisheit im Gebet suchte . . . von Jugend an ihrem Fuß folgte . . . und schon Belehrung in Menge fand“ (vgl. Sir 51,13-16). Auf diese Weise wurde Bruder Pio wirklich „Salz der Erde“ für jene, die ihn als Lebenden kannten, und er fährt fort, „Salz“ für jene zu sein, die das leuchtende Zeugnis seines Beispiels nachzuahmen suchen. 4. „Ihr seid das Licht der Welt“ {Mt 5,14). Diese Worte des Evangeliums sagt Christus heute in einer besonderen Weise auch zu unserer neuen Seligen, Maria Theresia von Jesus Gerhardinger. Die Kirche hebt das Licht ihres heiligmäßigen Lebens und Wirkens durch die Seligsprechung auf den Leuchter, damit es fortan vor allen Menschen leuchte. Sie ehrt in Mutter Theresia eine begnadete Erzieherin und zugleich ein außergewöhnliches christliches Erziehungswerk, das diese durch die von ihr gegründete Kongregation der „Armen Schulschwestern von Unserer 1638 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lieben Frau“ in vielen Ländern und Kontinenten bis in unsere Tage fortsetzt. Als Karolina Gerhardinger im Alter von nur zwölf Jahren ihre Berufung zur Lehrerin bereitwillig annahm und später ihren Schulorden gründete, entsprach sie einer großen Herausforderung ihrer Zeit, die sie als besonderen Anruf Gottes an sie verstand. Die durch die politischen und sozialen Umwälzungen verursachte Bildungs- und Glaubensnot, der sittliche Verfall der Familie, vor allem die Verwahrlosung der Jugend, verlangten nach neuen Wegen für eine tiefgreifende Erziehung und christliche Erneuerung, besonders unter der Landbevölkerung sowie den einfacheren und armen Volksschichten. Mit Bischof Wittmann, ihrem geistlichen Berater, davon überzeugt, daß die Frauen und Mütter die Sittlichkeit der Städte und Nationen bestimmen, widmete sich die selige Maria Theresia von Jesus mit ihren Mitschwerstern hauptsächlich der christlichen Erziehung der Mädchenjugend, um durch die Heranbildung guter Mütter und Hausfrauen zur sittlichen Gesundung der Familien und zur Besserung der Gesellschaft beizutragen. Karolina Gerhardinger verstand ihren Erzieherberuf als Auftrag, im Geist Christi für die anderen „Salz der Erde“ zu sein (vgl. Mt5,13). Ihr sozialer Einsatz ist zutiefst christliches Apostolat, das in der persönlichen Ganzhingabe an Gott im Ordensstand seinen vollkommensten Ausdruck findet. Sie gründet ihren Orden auch letztlich, um „Gott zu verherrlichen“, und für das „Heil der Seelen“. Deshalb sollen ihre Schwestern in den Schulen nicht nur Unterricht erteilen, sondern „die Bildung des Menschen zu lebendiger Gottesfurcht . . . und zu einem christlichen Leben erstreben“. Das Geheimnis für die große Fruchtbarkeit von Mutter Theresias Wirken und Erziehungswerk war neben ihrer beruflichen Tüchtigkeit vor allem die Strahlkraft ihres eigenen geistlichen Lebens: ein unerschütterliches Gottvertrauen und glühende Liebe zu Christus und zu den Armen. Das Wort der Heiligen Schrift, die Eucharistie und das Gebet waren ihre innere Kraftquelle. In nächtlicher Stille verbrachte sie oft lange Zeit vor dem Tabernakel, um Gottes Willen zu erkennen und sich die Kraft zu erbitten, ihn in die Tat umzusetzen. Für sich und ihre Schwestern wählte sie Maria zum Vorbild und weihte ihr die Kongregation. Wie Maria sollten sie leben und wirken, ihr eigenes Leben ganz auf Gott ausrichten und Christus in die Welt zu den Menschen tragen. Maria Theresia von Jesus, diese schlichte, aber zielstrebige und mutige Ordensfrau, hat Großes für die Menschen und das Reich Gottes geleistet. Bei ihrer Ordensgründung erwies sie sich als „starke Frau“, die für dieses 1639 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werk, das sie stets als „Gottes Werk“ bezeichnete, keine Opfer und Mühen scheute. Ihr Schulorden wurde bahnbrechend für die Entwicklung des Bildungswesens in zahlreichen europäischen Ländern und in Amerika. Das geistige Erbe der neuen Seligen lebt heute fort. In rund 7500 Schulschwestern in Europa, Nord- und Lateinamerika, in Asien, Ozeanien und Afrika. Ihr Erziehungsideal ist auch in der säkularisierten Gesellschaft unserer Zeit ebenso aktuell und gültig wie je zuvor. Möge die selige Maria Theresia von Jesus Gerhardinger dafür nicht nur den Schwestern ihrer Kongregation, sondern allen christlichen Erziehern fortan leuchtendes Vorbild und Fürsprecherin sein. 5. Die dritte leuchtende Gestalt, die heute seliggesprochen wird, ist ebenfalls eine Frau, die selige Rafqa. Ihre Herkunft lenkt unseren Blick und unser Herz auf das Land des geliebten Libanon, von dem uns bereits die Bibel sehr eindrucksvolle Bilder überliefert hat. Heute ist diese Erinnerung mit tiefen Schmerz verbunden wegen der unzähligen Leiden, welche die unglückliche Bevölkerung dieses Landes erduldet. Darum erhebt sich aus meinem Herzen zu dieser neuen Seligen die heiße Bitte um Fürsprache. Ich bitte sie, bei Gott für ihr geliebtes, aber so gepeinigtes Vaterland einzutreten. Mögen die Bewohner des Libanon im Beispiel dieser starkmütigen Frau, die so viel erlitten hat, ohne je selbst Leiden zuzufügen, die Ermutigung finden, um den Weg des Verzeihens, der Versöhnung und des Friedens zu gehen! Die selige Rafqa von Himlaya war wirklich „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“: So lebte sie die Sendung, die alle Jünger Christi betrifft. Nachdem die neue Selige zuvor aus den reichen kirchlichen und monasti-schen Traditionen des Libanon empfangen hatte, hat sie dann ihrem Land und der Kirche die geistliche Würze eines Lebens, das durch und durch von der Gesinnung unseres Heilandes Jesus Christus geprägt ist, hinterlassen. Sie ist wahrlich „ein Licht auf dem Berge“. Auf sie kann man auch den schönen Psalmvers anwenden: „Der Gerechte gedeiht wie die Palme; er wächst wie die Zedern des Libanon“ (Ps 92,13). Nachdem sie zunächst bei den Mirjam-Schwestern eingetreten war und den Namen „Schwester Anissa“, das ist „Schwester Agnes“, erhalten hatte, wurde sie nach kurzer Vorbereitung damit beauftragt, ihren jungen Landsleuten Grundschulunterricht und Glaubensunterweisung zu erteilen. Bei diesen schwierigen Aufgaben bewies sie solche Sorgfalt und Hingabe, daß ihre Schüler und deren Angehörige davon tief berührt wurden. Die Kinder wandten sich ihr ganz spontan zu. Während der Verfolgung des Jahres 1860 rettete sie viele von ihnen. Man berichtet, ein 1640 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kind aus Deir-el-Qamar sei dem Tode entkommen, indem es sich unter den Mantel der verehrten Schwester flüchtete. Das Jahr 1871 stellte eine Wende im Leben von Schwester Anissa dar. Ihre geliebte Kongregation der Mirjam-Schwestern wurde aufgelöst. Die Schwester wandte sich danach dem Libanesischen Maronitenorden zu und legte dort am 25. August 1873 ihre feierliche Profeß ab unter dem Namen Rafqa, das heißt Rebekka, dem Namen ihrer Mutter. Im Alter von 50 Jahren und noch bei guter Gesundheit wünschte sich Schwester Rafqa, unter dem geheimnisvollen Anstoß des Heiligen Geistes, die Gnade, von Krankheit heimgesucht zu werden. Ohne daß sie Opfer eines krankhaften Verlangens nach Schmerz gewesen wäre, verspürte sie die geistliche Anziehungskraft einer Angleichung an den leidenden Christus. Vom Jahre 1885 an bis zu ihrem Tod im Jahre 1914 hatte sie täglich Kopf- und Augenschmerzen, die sie nach und nach vollständig kraftlos und blind werden ließen. Ihr häufiges Gebet war damals: „Mit deinem Leiden, o Jesus, vereint.“ Bewundernswerte Schwester Rafqa, du demütiges und wahres Abbild des gekreuzigten Christus, wir danken dir! Wenn du auch der einzigartigen und überreichen Erlösung unseres Herrn Jesus Christus nichts hinzugefügt hast, so hast du uns doch das aufrüttelnde Zeugnis einer geheimnisvollen und schmerzensreichen Mitwirkung bei der Zuwendung der Früchte jener Erlösung hinterlassen. Mögen die Jünger Christi, wo immer sie heute leben, sowie deine Landsleute im Libanon, die durch zehn Jahre voller Kämpfe hart geprüft sind, aus deinem Leben im Leiden und in der Herrlichkeit den christlichen Mut schöpfen, zu opfern, zu hoffen, zu vergeben, zu lieben! 6. In der Vielfalt der Begabungen, die das Leben der Seligen auszeichnen, stellen wir fest, daß ihnen die Suche nach Weisheit, von der die 1. Lesung spricht, gemeinsam ist. Gemeinsam ist ihnen auch die Liebe, jene Liebe ohne Verstellung, die das Böse flieht und das Gute ergreift. Die Liebe zum Bruder. Die Liebe, aus der brennender Eifer hervorgeht, die dazu verhilft, stark zu sein in der Bedrängnis, ausdauernd im Gebet. Eine Liebe, die froh und hoffnungsvoll sein läßt (vgl. Röm 12,9-12). Wenn die Kirche solche Menschen ehrt, erinnert sie dadurch unsere Zeit, daß der größte Reichtum des Menschen sein in der Schule der Liebe geformtes inneres Leben ist, daß jegliche Lebenslage zur Heiligkeit führen kann, daß nichts klein und wertlos ist, wenn jemand Gott liebt, weil dann alles die Dimension Gottes annimmt, ferner daß Gott denjenigen nicht enttäuscht, der sich ihm ganz zuwendet und ihm bis zum letzten 1641 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN treu bleibt, und schließlich, daß das Ordensleben ein Weg und eine Form ist, die alle Sehnsucht eines menschlichen Geschöpfes vollkommen zu erfüllen vermag. 7. „Ihr seid das Salz der Erde“, so sagt uns noch einmal der Herr - und die Kirche bezieht diese Worte auf die neuen Seligen. „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,13.14). Seht, das Licht aus dem Leben eines jeden von ihnen wird heute auf den Leuchter der Kirche gestellt, „damit es allen im Hause leuchte“ (Mt 5,15). Die Kirche möchte eben, daß dieses Licht nur „unter einem Gefäß“, d. h. verborgen bleibt. Das „Haus“ des lebendigen Gottes braucht eine Lampe. Die Menschen brauchen sie! So erstrahle denn euer Licht vor den Augen der Menschen: seliger Pius, selige Maria Theresia, selige Rafqa! Es erstrahle ... „damit sie eure guten Werke sehen“ und euch nacheifern! Es erstrahle . . . „damit „sie euren Vater im Himmel preisen“ (vgl. Mt 5,6). Ja, die Ehre Gottes ist das Leben des Menschen: „das Salz der Erde“ und „das Licht der Welt“. Bevorzugte ,, Option für die Armen“ Ansprache an die Teilnehmer der 19. Vollversammlung des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ am 18. November Herr Kardinal! Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Brüder und Schwestern! <245> <245> Während wir uns darauf vorbereiten, den 20. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils zu begehen, werdet ihr im Verlauf eurer Vollversammlung gewiß nicht versäumen, euch daran zu erinnern, daß Ziel und Tätigkeit eures Päpstlichen Rates mit diesem Konzil verbunden sind. Papst Paul VI. sagte selbst (vgl. Schreiben zur Errichtung von „Cor 1642 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unum“ vom 15. Juli 1971), daß die Arbeit dieses Rates „voll den vom Zweiten Vatikanischen Konzil zum Ausdruck gebrachten Wünschen entspricht“, was die Koordinierung und organische Zusammenarbeit „in den Bereichen der wohltätigen Hilfe, der Unterstützung und der Entwicklung“ und die Rolle der Christen bei der gegenseitigen internationalen Hilfe betrifft, wie es die Pastoralkonstitution Gaudium et spes ausdrückt, auf die er sich bezogen hat. 2. Eure Inspiration findet ihr in dieser „Pflicht zur universalen Liebe“ als Vorbedingung „der Förderung einer für alle menschlicheren Welt, wo alle in der Lage sein werden, zu geben und zu empfangen“ (Populorum progressio, Nr. 44). Ich habe euch wiederholt aufgefordert, zur Wiederherstellung dieser Liebe beizutragen; es ist eure Aufgabe, davon in der Katechese zu sprechen; sie ist so etwas wie ein Leitfaden des Konzils, der es erlaubt, seine Texte und Dokumente wieder miteinander zu verbinden. Ist sie nicht das Merkmal des Heiligen Geistes, der die Initiative und den Ablauf des Zweiten Vatikanums inspiriert hat? Diese Sendung des Geistes der Liebe, dessen Diener wir sind, ist es, die die Kirche verwirklichen muß. Wie Paul VI. hinsichtlich der Solidarität und Hilfe erwähnte, ist diese Pflicht in erster Linie dem Nachfolger Petri aufgegeben und gehört zu der apostolischen Aufgabe, die ihm vom Willen Gottes anvertraut worden ist, denn dieser hat ihn zum Oberhirten der römischen Kirche eingesetzt, „der den Vorsitz in der universalen Versammlung der Liebe hat“ (Ignatius von Antiochien, Ad Romanos, Inscr., Funk, 1 S. 253). 3. Als Päpstlicher Rat helft ihr dem Nachfolger Petri und steht auch den Bischöfen zu Diensten, die in ihren Teilkirchen der Versammlung der Liebe auf Diözesanebene vorstehen. Was die Tätigkeiten der Sozialpasto-ral angeht, steht ihr im Dienst der Kollegialität, so wie sie beim Zweiten Vatikanischen Konzil klar herausgestellt wurde. Um wahrhaftig ein Zeichen der Solidarität zu sein, nach der sich die Völkerfamilie sehnt, muß die Kirche in ihrem Leben eine starke Zusammenarbeit zwischen den Kirchen der reichen Länder und jenen der armen Länder bekunden; es handelt sich gleichzeitig um geistliche Gemeinschaft und Teilung der menschlichen und materiellen Möglichkeiten. Um die Hilfe zwischen den Kirchen besser ins Werk zu setzen, müssen die verschiedenen Instanzen der Kirche und vor allem des Hl. Stuhls ihre Bemühungen koordinieren, und die brüderliche Solidarität muß stets die Selbständigkeit und Verantwortlichkeit der Hilfsempfänger begünstigen. 1643 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In diesem Sinne müssen die Kriterien festgelegt, konkrete Projekte ausgewählt und für ihre Verwirklichung gearbeitet werden. Ziel ist die ganzheitliche Entwicklung des Menschen Eine solche Organisation darf nicht allein wirtschaftliche Projekte im Auge haben, sondern muß auch Aktivitäten zulassen, die die menschliche und geistliche Bildung zu fördern imstande sind, die den für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen notwendigen Sauerteig sicherstellt. 4. Betonen möchte ich noch, daß selbst die Zusammensetzung eures Rates vom Geist des Konzils abhängig ist, und zwar nicht allein durch die internationale Herkunft der Mitglieder, sondern durch diese Begegnung von Bischöfen, von Ordensmännern und Ordensfrauen, von Priestern und Laien, von Verantwortlichen der Diözesen und Vertretern katholischer Organisationen, die alle in der Sozialpastoral engagiert sind, als Abbild dessen, was die Kirche Gottes, die Versammlung der Liebe ist. Ja, ich sage euch noch einmal voll Freude und Anerkennung: „Gott sei gelobt, daß er Papst Paul VI. zur Schaffung dieser modernen Diakonie der Liebe im Zentrum der Kirche inspiriert hat!“ (Ansprache bei der Audienz für „Cor Vnum“ am 23. November 1983). Es ist gewiß, daß, wie auch immer die Strukturen der Institution, ihre Verbindungen oder ihre Zusammenarbeit mit anderen Dikasterien aussehen mögen, euer besonderer Dienst mit euren aktuellen Zielsetzungen und wesentlichen Aktivitäten sichergestellt sein muß, denn das ist grundlegend für das Liebeswerk des Papstes und des Apostolischen Stuhls, für die Förderung der Liebe in der Kirche und die brüderlichen Bande der Hilfe zwischen den Kirchen. 5. Mögen die Armen selbst erkennen, daß eure Organisation ganz besonders für sie da ist! Sind sie nicht mit dabei in diesen Tagen, wo ihr vorhabt, eure Überlegungen, besser eure Meditation über „den Armen“ gemeinsam anzustellen? Bittet den Heiligen Geist, euch Herzen von Armen zu geben, damit ihr begreifen könnt, wie Gott den Armen will, warum Christus die Armut gewählt hat. Die Jungfrau Maria lehre euch die Worte ihres Magnifikat, die uns in das Verständnis der Seligpreisungen einführen! Kurz und gut, ihr begreift die bevorzugte Option für die Armen, von der oft die Rede ist, in ihrem wahren Sinn, das heißt, ohne irgend jemanden auszuschließen, was immer er sei, und ohne den politischen Bereich und die pastorale Tätigkeit zu vermischen. Eine solche Option muß von der 1644 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganzen Kirche durchgeführt werden, doch in der Kirche habt ihr - auch in Treue zum Konzil - die besondere Verantwortung, alle daran zu erinnern, daß „der Geist der Armut und Liebe Ruhm und Zeugnis der Kirche Christi ist“ (Gaudium et spes, Nr. 88). Ich freue mich, heute anläßlich eurer Vollversammlung der Sendung, die ihr erfüllt, und allen, die daran mitwirken, meine Anerkennung zu zollen: vor allem den ständigen Mitgliedern, die, offen gesagt, in recht kleiner Zahl hier täglich ein gewaltiges Arbeitspensum bewältigen, eine qualitativ hochstehende Arbeit als Präsident, Vizepräsident, Sekretär, Untersekretär samt Mitarbeitern. Ich danke ebenso den Mitgliedern, die sich aus gegebenem Anlaß eingefunden haben, den Organisationen, die dabei vertreten sind, den Experten und Beratern. Möge der Herr euch diesen kirchlichen Dienst vergelten, in dem ihr eure Talente so fruchtbar zum Tragen bringt! Ich bitte den Heiligen Geist, den Geist der Liebe, euch zu inspirieren und euch weiter bei euren Arbeiten zu führen, denen ich mich ganz besonders nahe fühle. Und von ganzem Herzen erteile ich euch meinen Apostolischen Segen. Die Kirche bedarf großer Bewegungen Ansprache an die Teilnehmer der Tagung des Päpstlichen Laienrates zum 20. Jahrestag des Konzilsdekrets „Apostolicam actuositatem“ am 18. November Meine Herren Kardinäle, liebe Brüder! 1. Dieses Datum, das den 20. Jahrestag der Verkündigung des Konzilsdekrets Apostolicam actuositatem, über das Laienapostolat, bezeichnet, durfte man nicht unbeachtet vorübergehen lassen. Das Verdienst, daran erinnert zu haben, dieses Jubiläumskolloquium veranstaltet und so viele bedeutende Persönlichkeiten dazu versammelt zu haben, gebührt dem Päpstlichen Rat für die Laien, dessen Präsidenten, Kardinal Pironio, und alle Mitglieder ich ebenso begrüße wie Sie alle, die Sie an dem Kolloquium teilnehmen. Aber erlauben Sie mir, einen besonderen Gedanken an die Laienauditoren des Zweiten Vatikanischen Konzils zu richten - von denen einige hier anwesend, andere im Gebet mit uns verbunden, andere in das Haus des 1645 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vaters zurückgekehrt sind —, deren Gegenwart bei diesem außergewöhnlichen kirchlichen Ereignis schon damals ein bedeutsames Zeichen all dessen darstellte, was in den Konzilsdokumenten über die Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt hervorgehoben und entwickelt werden sollte. Unsere Gedanken und unsere Dankbarkeit gilt allen, die - auf den großen, umfassenden und reichen, von der Führung des Heiligen Geistes erleuchteten Schauplatz der Vorbereitungsarbeiten, der Studien und Konsultationen, der Wortmeldungen und Redaktion - auf verschiedene Weise zur Ausarbeitung und endgültigen Fassung des Dekrets Apostolicam actuositatem beigetragen haben. Ich selbst hatte als Konzilsvater Gelegenheit, bei diesem Arbeitsprozeß meine Mitarbeit anzubieten. Aber warum sollten wir in unser dankbares Gedenken nicht die vielen Persönlichkeiten, Vereinigungen, Christen einschließen, die zu verschiedenen Zeitpunkten der Geschichte Vorkämpfer des langen Prozesses der „Förderung der Laien“ gewesen sind, der bereits im vorigen Jahrhundert besondere Impulse erhielt und sich dann als eine der fruchtbarsten und lebendigsten Strömungen der Erneuerung der Kirche in unserem Jahrhundert abgezeichnet hat? Indem sie aus der unerforschlichen Fülle des Geheimnisses der Kirche Kraft schöpften und über die Wirklichkeit ihrer Verbundenheit und Sendung unter den Bedingungen der modernen Zeit nachdachten, wurden alle Lebenskräfte der Kirche mobilisiert und die Würde und Verantwortung der christlichen Laien voll anerkannt. Deshalb steht das Dekret Apostolicam actuositatem, das erste Dokument, das ein Konzil zur Gänze den Laien gewidmet hat, notwendig und vollkommen im Gesamtplan des Konzils als besondere Entwicklung der vollständigen Ekklesiologie der dogmatischen Konstitution Lumen gentium und der Pastoralkonstitution Gaudium et spes. 2. Das Dekret Apostolicam actuositatem hat seinen Kern in der vollen Anerkennung der Würde und Verantwortung der Laien als „Christgläubige“, als solche, die Christus einverleibt, das heißt, lebendige Glieder seines Leibes sind, die kraft des Sakraments der Taufe und der Firmung und des daraus folgenden gemeinsamen und universalen Priestertums aller Christen an diesem Geheimnis der Gemeinschaft teilhaben. Sie sind zur Heiligkeit des Lebens und zum Apostolat im Gewebe der gewöhnlichen Gegebenheiten des Lebens in Familie und Gesellschaft, in allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens berufen, um „die zeitliche Ordnung mit dem Geist des Evangeliums zu durchdringen und zu vervoll- 1646 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kommnen“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 31 ff.; Apostolicam actuositatem, Nr. 5). Es ist wichtig, immer das Wesentliche im Auge zu haben, und das ist, was die Laien betrifft, eben die Fruchtbarmachung der Taufgnade durch eine immer innigere und lebensvollere Begegnung mit Christus, der sie in seine Nachfolge beruft und mit jedem einzelnen eine persönliche Beziehung der Hingabe und gegenseitigen Zugehörigkeit, einen Bund der Wahrheit und des Lebens herstellt. Recht und Pflicht der Laien zum Apostolat In der Praxis des sakramentalen und des Gebetslebens, im kindlichen Gehorsam gegenüber den Bischöfen der Gemeinschaft mit allen Jüngern Christi, in der christlichen Hingabe für das Geschick des Menschen soll der Glaube der Laien - als Christgläubige - immer intensiver zu Leben, Kultur, Sittlichkeit und Sendung werden. Sie sind berufen, die Macht der Erlösung Christi - Schlüssel und Fülle des Sinnes für das menschliche Dasein — in allen kirchlichen Gemeinschaften und in allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens zu leben, zu bezeugen, zu teilen: in der Familie, bei der Arbeit, in der Nation, in der internationalen Ordnung. Die Laien haben ein „Recht“ und eine „Pflicht“ zum Apostolat, zu dem der Herr selbst sie bestimmt und ein Recht und eine Pflicht „kraft ihrer Vereinigung mit Christus, dem Haupt“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 3). Das Dekret gibt wertvolle Orientierungen über diese wesentliche und dringende Berufung zum Apostolat und über ihre christologischen, ekkle-siologischen, geistlichen und pastoralen Grundlagen; über die vollständige Zielsetzung des Laienapostolats als Ausdruck der Sendung, dem Menschen in Wahrheit, Liebe und Gerechtigkeit zu dienen; über die verschiedenen Bereiche, in denen dieses Apostolat ausgeübt werden soll - nichts von allem, was menschlich ist, darf ihm fremd sein; über die unumgängliche und unersetzliche Grundlage des Apostolats des einzelnen im Rahmen der notwendigen assoziativen Formen der Gemeinschaft und Sendung der Christgläubigen. Über die Anwendung dieses Dekrets in den 20 Jahren nach dem Konzil ließe sich vieles sagen. Es hat fruchtbare Erfahrungen gegeben, wie die ermutigende Entwicklung neuer kirchlicher Bewegungen. Verschärft hat sich die vorrangige Dringlichkeit einer christlichen Präsenz und eines christlichen Zeugnisses in der Welt der Jugend, im Familienleben, im Bereich der Kultur und der sozialen Kommunikation, in der Welt der 1647 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Arbeit und in den Arbeiterbewegungen. Neue Fragen und Probleme sind aufgetaucht, wie z. B. die der Dienstämter ohne Weihe, der Förderung der Würde der Frau, des Einsatzes für und der Suche nach neuen gemeinschaftsfreundlichen Formen an der Schwelle des Jahres 2000. Ich kann mich jetzt nicht bei so weitgespannten und komplexen Themen aufhalten, von denen einige im übrigen Gegenstand Ihrer Überlegungen in diesen Tagen sind. Die Gedanken gehen unwillkürlich voll Vertrauen und Hoffnung zur Mobilisierung der Laien für die Vorbereitung der Bischofssynode 1987, die der „Berufung und Sendung der Laien im Leben von Kirche und Gesellschaft“ gewidmet ist. Was dieses Ereignis betrifft, so hoffe ich sehr auf die Mitarbeit der lebendigen Kräfte des Laikats, die der Päpstliche Rat für die Laien in diesem Sinne anspornen wird. 3. Es konnte für den Beginn der Arbeiten der Vollversammlung des Päpstlichen Laienrates kein glücklicheres Datum als den heutigen Tag geben. Jedem einzelnen der Mitglieder dieses Dikasteriums, die aus allen Kontinenten gekommen sind, gilt mein herzlicher Gruß, die Versicherung meiner Wertschätzung, mein herzliches Wort der Ermutigung. Ihr habt das Thema „Die Bildung der Laien“ gewählt, die die grundlegende Perspektive für die tatsächliche Verwirklichung der christlichen Berufung zur Heiligkeit und zum Apostolat darstellt. Dabei handelt es sich weniger um eine „in-formatio“, also eine Information über Christus, als eine „con-formatio“, d. h. eine Gleichbildung des Lebens mit Christus, damit sie ständig im Herrn wachsen und das ganze Leben wieder im Lichte des Ereignisses seiner österlichen Gegenwart lesen und nach ihm ausrichten können. Die Kirche bedarf vor allem großer Strömungen, Bewegungen und Zeugnisse der Heiligkeit unter den Christgläubigen, weil aus der Heiligkeit jede echte Erneuerung der Kirche, jede Bereicherung des Verständisses des Glaubens und der christlichen Gefolgschaft, eine lebendige und fruchtbare Wiederbelebung des Christentums in der Begegnung mit den Bedürfnissen der Menschen, eine neue Form der Anwesenheit im Herzen des menschlichen Daseins und der Kultur der Nationen erwächst. Ich wünsche, daß der Geist Gottes eure Arbeiten erleuchte und befruchte. Ich weiß, daß sie ihren Höhepunkt in eurer Teilnahme an der heiligen Messe finden werden, die ich zusammen mit den Bischöfen der ganzen Welt in der Petersbasilika zur Eröffnung der außerordentlichen Bischofssynode zelebrieren werde. Ich zähle auf eure Gebete, die, vereint mit jenen der ganzen Kirche, vom Herrn das Geschenk der Einheit und der 1648 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahrheit, der Festigkeit und der Treue für die Mitglieder der Synode erbitten sollen, damit im Gefolge des Konzils die Botschaft und das Zeugnis Christi immer transparent und kräftiger im Leben der Gemeinschaft der Christgläubigen zur Ehre seines Namens, zum Wohl der Kirche, zum Nutzen der ganzen Menschheit erstrahlen. Ich segne euch von Herzen. Laienbrüder mithineingenommen Ansprache an das Generalkapitel der Redemptoristen am 18. November 1. Mit echter Freude empfange ich euch heute, liebe Söhne des hl. Alfons, die ihr zum Generalkapitel zusammengekommen seid, um eure Sendung in der Kirche und in der Welt zu erneuern und zu stärken. Allen voran möchte ich Pater Juan Manuel Sasso de la Vega y Miranda, den neuen Generaloberen, begrüßen und ihm die besten Wünsche für den Auftrag aussprechen, der ihm von dem derzeit tagenden Kapitel anvertraut wurde und den er mit dem Geist des Glaubens selbstlos angenommen hat. In gleicher Weise danke ich im Namen der Kirche Pater Josef Pfab, der während seines zwölfjährigen Generalats unermüdlich für die Ordensfamilie der Redemptoristen und die Kirche tätig gewesen ist und auch aktive und wirksame Mitarbeit als Mitglied der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute geleistet hat. 2. Meine Lieben, vor nicht allzulang habt ihr das 250jährige Gründungsjubiläum eurer Kongregation gefeiert und von der Kirche die Approbation eurer neuen Konstitution erhalten, wie sie das Konzil gefordert hat. Im Mai 1982 wurde zudem einer eurer Brüder, Pater Pierre Donders, ein unermüdlicher und unerschrockener Missionar, seliggesprochen. Das alles beweist, daß die Gründung des hl. Alfons ein wirksames und zeitgemäßes Werkzeug für die Heiligung ihrer Mitglieder und für die Evangelisierung der Welt ist. Von Anfang an dem Charisma des hl. Alfons treu verbunden, habt ihr Redemptoristen stets versucht, den Armen, den Verlassenen, den Unterdrückten besondere Aufmerksamkeit zu schenken, und der Herr hat euer Werk in einer Weise gesegnet, daß ihr heute eine zahlenmäßig beachtliche Schar im Dienst der Kirche in 60 Ländern der fünf Kontinente darstellt. 1649 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemäß den auf dem Kapitel von 1979 vorgebrachten Wünschen habt ihr mit Entschiedenheit beschlossen, das Programm des Gründerheiligen immer intensiver zu leben: „Dem Beispiel Jesu Christi zu folgen durch Verkündigung des Gotteswortes an die Armen“. In diesem Sinne habt ihr euch bemüht, die ausdrückliche Verkündigung des Wortes Gottes mit Hilfe der traditionellen „Volksmissionen“, die dem hl. Alfons so teuer waren, mit Hilfe der Katechese, der Missionsarbeit bei den Völkern, die die evangelische Botschaft noch nicht erhalten haben, zu intensivieren, wobei ihr euer Wirken an die jeweilige Situation, die sich darbietet, anpaßt. Setzt mutig und mit Ausdauer dieses Apostolat fort, in enger und aufrichtiger Zusammenarbeit mit den Ortskirchen und ihren Bischöfen verbunden. 3. Ihr wißt um die fundamentale Bedeutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Gebets als einziger Quelle des apostolischen Lebens, Zeugnis des Glaubens und der Hoffnung. Außerdem seid ihr euch voll bewußt, daß eine Ordenskommunität, die nicht betet, nicht bestehen kann: Ihr werdet darum alles so zu planen wissen, um das persönliche und gemeinsame Gebet zu fördern und zu stärken, damit ihr füreinander wirksame Stütze und brüderliche Hilfe seid. Denn ihr übt euer Apostolat nicht als einzelne aus, sondern als Gemeinschaft, im Geist brüderlicher Verbundenheit, wobei ihr Gebet und Reflexion, Arbeit und Leiden vereinigt, ohne euch von den Erfolgen zu sehr begeistern, noch von den Mißerfolgen entmutigen zu lassen, sondern alles nach dem Dienst des Evangeliums ausrichtet. In dieser geistlichen Brüderlichkeit, die gewiß von jedem einzelnen Anstrengung und Opfer erfordert, die aber eines der wesentlichen Elemente des Ordenslebens darstellt, werdet ihr die unerläßliche Kraft für die apostolische Arbeit finden und so der Welt die Liebe Christi deutlich machen. Das gesamte Leben des hl. Alfons war Zeugnis pastoraler und brüderlicher Liebe für die Verbreitung des Evangeliums. 4. Die Laienbrüder werden nach Zahl und Fähigkeiten ganz in die apostolische Arbeit der Priester mithineingenommen und sind wie sie im Vollsinn Ordensmänner durch das Gelübde der evangelischen Räte und das Zeugnis ihres selbstlosen Einsatzes. Mit den eigenen Bedingungen ihrer Berufung haben sie teil an der pastoralen Sendung, die dem Institut von der Kirche übertragen wurde; und darum muß man mit gutem Recht für ihre theologische und geistliche Ausbildung sorgen. 1650 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Als Mitglieder einer Kongregation, die ihren Namen vom göttlichen Erlöser nimmt, bemüht ihr euch immer stärker darum, in eurem Leben die christliche und religiöse Berufung im Licht des Geheimnisses der Erlösung zu verwirklichen. Die gläubige, selbstlose und frohe Befolgung der evangelischen Räte stellt ein unerschöpfliches Zeugnis von der Macht des Kreuzes und der Auferstehung Christi dar, der einzigen Kraft, die die Menschheit zu ihrer endgültigen Vollendung in Gott und nur in Gott führen kann (vgl. Redemptionis donum, Nr. 14). Die Jungfrau Maria, die im Geheimnis der Erlösung aufs innigste mit ihrem göttlichen Sohn vereint ist und die besonders von den Mitgliedern eurer Ordensfamilie sowie auch von den Gläubigen, die in den Genuß eures Apostolats kommen, unter dem Titel Unsere Liebe Frau von der Immerwährenden Hilfe angerufen wird, stehe euch sowohl in eurem Leben als Ordensmänner als auch in eurem Apostolat immer bei und erwirke für eure Kongregation zahlreiche hochherzige und engagierte Berufe zur Verwirklichung der Sendung, die sie in Kirche und Welt zu vollbringen berufen ist. Der gemeinsame apostolische Glaube Botschaft an den Ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. zum Fest des hl. Andreas An Seine Heiligkeit Dimitrios I., Erzbischof von Konstantinopel, ökumenischer Patriarch „Friede sei mit euch allen, die ihr in (der Gemeinschaft mit) Christus seid“ (1 Petr 5,14). Mit diesem Gruß schloß der Apostel Petrus die von Liebe erfüllte Botschaft, die er an die Christen in Pontus, Galatien, Kappadozien, Asien und Bithynien richtete. Fast zweitausend Jahre danach läßt Gott uns an Sie dieses selbe Grußwort richten anläßlich der Feier des bevorstehenden Festes des hl. Andreas, Bruder des Petrus und Patron der Schwesterkirche von Konstantinopel. Das ist für mich ein Anlaß zu inständigem Gebet, zu tiefer Freude und brüderlicher Gemeinschaft. Der Gruß der Kirche von Rom wird Ihnen dieses Jahr von einer Delega- 1651 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tion überbracht, die unser Bruder, Kardinal Albert Decourtray, Erzbischof von Lyon und Primas von Gallien, Mitglied des Sekretariats für die Einheit der Christen, leitet. Während sich die Delegation der römischen Kirche im ökumenischen Patriarchat aufhält, haben wir dieses Jahr zu unserer Freude als Beobachter bei der außerordentlichen Bischofssynode Erzbischof Stylianos von Australien, Kopräsident der gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche, unter uns. Wir sehen darin ein glückliches Zusammentreffen, um am zwanzigsten Gedenkjahr der Aufhebung der Bannflüche gemeinsam das Fest des heiligen Apostels Andreas zu feiern. Dieses historische Ereignis vor zwanzig Jahren hat den neuen Beziehungen zwischen unseren Kirchen eine positive Richtung gegeben. Seit damals ist die Communio unablässig im Wachsen begriffen, und die Bande der Brüderlichkeit werden immer stärker. Wir haben einen besonderen Grund, dem Herrn, der uns führt und stützt, dafür zu danken. Die regulären Beziehungen, die eingeführt wurden, haben ein direktes und gegenseitiges Kennenlernen der Wirklichkeit, der Menschen und der Gefühle, die sie beseelen, ermöglicht. Und das ist eine unerläßliche Vorbedingung für jeden echten Fortschritt. Zur Zeit sind wir auch beim theologischen Dialog angekommen, der sich auf ein gemeinsames sakramentales Verständnis der Kirche gründet und fortschreitend die zwischen uns noch offenen Fragen anschneidet, damit wir gemeinsam zu einem bleibenden Einvernehmen kommen, das uns die Freude der vollen Gemeinschaft schenken soll. Dieser Dialog braucht den Beitrag aller. Jeder ist, je nach Berufung und Verantwortung, die er in der Kirche hat, davon betroffen. Ein solcher Dialog hat die spezifische Zuständigkeit der Theologen und anderer Fachleute in den kirchlichen Disziplinen ebenso nötig wie das aufgeschlossene Engagement der Bischöfe und Priester und das Gebet und die Sympathie aller Gläubigen. Zwanzig Jahre nach dem providentiellen Akt der Aufhebung der Bannflüche, der mit dem zwanzigsten Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils zusammenfällt, blicken wir nach vorn, in die Zukunft, auf das Ziel, das der Heilige Geist Gottes uns bestimmt. Gebet, Studium, Dialog und aktives Handeln müssen verstärkt werden und von tiefer Liebe getragen sein, um Widerstände und Ängste zu überwinden. „Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes, jeder mit der Gabe, die er empfangen hat.“ (1 Petr 4,10). Denn bei der Suche nach der Einheit der Christen gibt es eine Quelle der gegenseitigen 1652 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bereicherung für die Einheit des Glaubens in der Wahrheit seiner liturgischen, disziplinären und theologischen Ausdrucksformen. Die jährliche Feier der Feste der heiligen Apostel Petrus und Paulus in Rom und des heiligen Andreas im ökumenischen Patriarchat wird unsere Kirchen nach und nach daran gewöhnen, den gemeinsamen apostolischen Glauben tiefer zu leben. Die Fürsprache der heiligen Apostelbrüder wird uns helfen, wieder einen gemeinsamen Ausdruck der Fülle dieses Glaubens zu finden. Heiligkeit, geliebter Bruder, ich versichere Ihnen, daß ich bei dieser Feier des Festes des heiligen Andreas, des Bruders des heiligen Petrus, mit Ihnen, dem Sie umgebenden Synod und mit Ihrer ganzen Kirche in Gebet und Gedenken verbunden bin. Noch einmal spreche ich Ihnen meine aufrichtige und brüderliche Liebe und Zuneigung im Herrn aus. Aus dem Vatikan, am 20. November 1985 IOANNES PAULUS PP. II. Synthese von Liturgie und Musik als Ziel Ansprache bei der Einweihung des neuen Sitzes des Päpstlichen Instituts für Kirchenmusik am 21. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gern habe ich die Einladung angenommen, die feierliche Weihe der neuen Orgel und die Einweihung des neuen Sitzes dieses Päpstlichen Instituts für Kirchenmusik zu leiten, das von meinem ehrwürdigen Vorgänger, dem hl. Papst Pius X. im Palazzo ApoIIinare gegründet worden war und heute in diese freundliche Abtei San Girolamo in Urbe übersiedelt. Ich danke dem Herrn vor allem dafür, daß er den Umzug an diesen Ort ermöglichte, der für die Zwecke des Instituts geeigneter ist, weil er für die musikalischen Studien und Übungen bessere Bedingungen bietet. Gedanken der Dankbarkeit gelten auch Kardinal William Baum und Msgr. Johannes Overath, dem Großkanzler und dem Rektor des Instituts, für 1653 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die eindrucksvollen Worte, mit denen sie diese Zeremonie eingeleitet haben. Meine herzliche Dankbarkeit spreche ich darüber hinaus allen aus, die Werkzeuge der Vorsehung gewesen sind bei der Instandsetzung der Räume, ganz besonders den Mitgliedern des St.-Gregorius-Werkes, die deren Durchführung großzügig erleichtert haben. An euch alle, Dozenten, Studenten und Freunde der Musik, die ihr bei dieser feierlichen Begegnung anwesend seid, richte ich meinen herzlichen Gruß verbunden mit dem Wunsch, daß ihr von Tag zu Tag in der Liebe zu Gott dadurch wachsen könnt, daß „ihr aus vollem Herzen singt und jubelt zum Lob des Herrn“ (Eph 5,19). 2. Heute, am Vorabend des Festes der hl. Cäcilia im Europäischen Jahr der Musik muß in diesem Kreis auf die Berufung und die Ausbildung aller jener hingewiesen werden, die sich in erster Linie der Liturgie und ihrer Musik widmen. Die Konzilskonstitution über die heilige Liturgie unterstreicht die Würde und Bedeutung der Musik bei der liturgischen Handlung. Diese Würde verlangt beim Kirchenmusiker eine echte, eigene Berufung. Und in der Großzügigkeit seiner Antwort wird der Musiker auch die Kraft finden, sich der schwierigen Aufgabe zu stellen, die das Studium dieses Fachbereiches mit sich bringt. Da es sich aber um Kirchenmusik handelt, deren Wurzeln in der Liturgie gründen, sind künstlerische Begabungen ersten Ranges gefordert. Kirchenmusikalische Tätigkeit verlangt eine dauernde Anstrengung, um das Göttliche durch die reiche Skala der Töne zum Ausdruck bringen zu können, soweit das dem Menschen möglich ist. Die Berufung neigt aufgrund der ihr innewohnenden Dynamik außerdem dazu, zur Anbetung zu werden; eine Erfahrung, die möglich wird, wenn das „Singen im Gottesdienst“ aus einem echten „sentire cum Ecclesia“ erwächst. Diese ständige Einheit mit Gott und die künstlerische Begabung verbinden sich also zu einer glücklichen Synthese, in der sich die beiden Elemente gegenseitig bereichern. Hier ist die unerschöpfliche Quelle der sakralen Kunst zu suchen. Die mit der ganzen Teilnahme der Person erlebte Liturgie muß aber die vorrangige Sorge auf dem Ausbildungsweg aller sein, die Kirchenmusiker werden wollen. 3. Das Päpstliche Institut für Kirchenmusik in Rom, das sich in der Nähe des Stuhles Petri erhebt, möge sich dadurch in die apostolische Sendung einbezogen fühlen, daß es jene Programme kirchlicher Erneuerung konkretisiert, die vom Konzil längst erwünscht worden sind. 1654 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Neben den traditionellen Grundfächern, wie gregorianischer Gesang, Orgel und klassische Polyphonie - das sind künstlerische Bereiche, die zu wahren Apologien des Glaubens und damit zu reinem Lebenssaft geworden sind, der seit den Anfängen die künstlerische und geistliche Entwicklung der europäischen Musikkultur genährt hat -, muß unbedingt das reiche Geschenk anerkannt werden, das die ganze Kirche aus der liebevollen und sachkundigen Kenntnis der Schätze der orientalischen Kirchen, ihrer Liturgie und Musik, empfängt. Das Konzil fordert darum auch eine neue Aufmerksamkeit für verschiedene kulturelle Faktoren. Die Einführung der Volkssprachen in die römische Liturgie verlangt eine umfassende Wertschätzung der lokalen Traditionen des Kirchengesanges. Die neue kulturelle Sensibilität und noch zuvor eine wahrhaft katholische kirchliche Sichtweise verlangt nach einer Öffnung von Herz und Geist für die musikalischen Gegebenheiten der außereuropäischen Kulturen. Dringend notwendig ist es, nach dem weisen Grundsatz des „Bewahrens und Förderns“ vorzugehen. Bemüht euch in der Ausbildung und den praktischen Übungen daher, die Synthese zwischen Liturgie und Musik, zwischen liturgischen Wissenschaften und musikalischer Praxis, zwischen wissenschaftlicher Forschung und seelsorglichem Einsatz zu finden. Lange Zeit sind aufgrund ihres Wesens einander ergänzende Wirklichkeiten, wie die Liturgie und ihre Musik, Gegenstand paralleler Studien und Aufmerksamkeit gewesen, ohne jene einheitliche Zusammenschau, die allein eine entsprechende Würdigung der einen wie der anderen erlaubt. Eure Aufgabe ist es, mutig jeden Aspekt des liturgischen Lebens zu vertiefen, bis ihr das rechte Gleichgewicht findet, das eine wahre Antwort auf alles zu geben erlaubt, was die Kirche und die Welt von den Musikern im Dienste der Liturgie erwarten. 4. Während das Institut nunmehr am Vorabend seines 75jährigen Gründungsjubiläums eine neue Phase seines Lebens beginnt, ist zu wünschen, daß dieser Sitz gleichsam zu einer Wegkreuzung wird, wo im liturgischen Leben die verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen einander begegnen, die bewußt die Verherrlichung Gottes und die Heiligen der Menschen zum Ziel haben. In diesem Zusammenhang ist das Geschenk der neuen Orgel von Bedeutung, die Maria geweiht ist, ihr, die im Gesang des Magnifikat die Demütigen gepriesen hat, die in ihren Herzen die unaussprechlichen Wunder Gottes wahrzunehmen vermögen. Mit Maria, Mutter der Kirche und wahre Harfe des Heiligen Geistes, ist jeder eingeladen, in Gottes 1655 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herz selbst einzudringen. Ich will euch darum die Worte des hl. Ambrosius sagen: „In jedem einzelnen sei die Seele Mariens, damit er den Herrn preist, in jedem einzelnen sei der Geist Mariens, damit er sich freut in Gott“ {Exp. Ev. sec. Lucam II, 26). Das Studium der Kirchenmusik wäre verlorene Mühe, erhielte es nicht Nahrung aus einem vom Glauben gekennzeichneten kirchlichen Leben: einem Glauben, der sich in Verbindung mit dem religiösen und künstlerischen Erbe der Vergangenheit erneuert, aber sich den kulturellen und künstlerischen Erfahrungen der Gegenwart in dem Wissen stellt, daß die Treue zum Gott der Geschichte als Voraussetzung und als Folge eine absolute Treue zum Menschen mit sich bringt: dem Menschen, der sich seit jeher danach sehnt, der Sänger des Schönen und dessen zu sein, der der Schöpfer des Schönen ist. 5. Aber die Kirchenmusik soll auch die Liebe unter den Brüdern fördern. Sie soll die Gemeinschaft dadurch formen, daß sie den Einklang der Stimmen und der Herzen fördert und die Seelen in einem einzigen sehnenden Streben im Lob Gottes, Schöpfers des Alls und Vaters aller, vereint. Aus diesem Grund empfiehlt das Konzil, daß „der religiöse Volksgesang eifrig gepflegt werde, so daß die Stimmen der Gläubigen bei Andachtsübungen und gottesdienstlichen Feiern und auch bei den liturgischen Handlungen selbst gemäß den Richtlinien und Vorschriften der Rubriken erklingen können“ {Sacrosanctum concilium, Nr. 118). Den Verantwortlichen für die Förderung der Kirchenmusik obliegt die Pflicht, die Teilnahme der Gläubigen an der Liturgie durch die Wertschätzung des alten musikalischen Erbes und durch die Suche nach neuen Formen zu unterstützen, wobei dafür zu sorgen ist, daß alles das Heilige auszudrük-ken und die religiöse Sensibilität der Menschen unserer Zeit zu berühren vermag. Der Gesang, der zu euren Studien gehört, werde so zu einem Unterscheidungsmerkmal eures christlichen Lebens und eurer Identifikation mit der Kirche, wie der hl. Augustinus zu seiner Zeit mahnte: „Singt mit der Stimme, singt mit dem Mund, singt mit dem Herzen, singt mit einem richtigen Verhalten“ (Sermo 34,6). Mit diesen Gedanken wünsche ich euch, daß eure akademische Tätigkeit aus der heutigen Zeremonie neuen Schwung schöpft und ihr gute Ergebnisse erzielen könnt in euren persönlichen Anstrengungen auf einem so edlen Gebiet wie der Kirchenmusik, die zur Ehre Gottes und zur glanzvollen Schönheit des Gottesdienstes bestimmt ist. 1656 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Petrusamt - ein Dienst an der Einheit Ansprache an die Vollversammlung des Kardinalskollegiums am 21. November 1. Mit großer Freude sehe ich euch hier versammelt, ehrwürdige Brüder Kardinäle, die ihr seit ältesten Zeiten als die engsten Berater und Helfer des Nachfolgers Petri und, wie sich mein Vorgänger Sixtus V. ausdrückte, „als die Augen und Ohren und edelsten Teile des heiligen Hauptes und seine (des Papstes) wichtigsten vom Heiligen Geist bestimmten Glieder“ (Konstitution Postquam 3. Dezember 1586; Bullarium Romanum, 4, IV, 279 ff.) angesehen werdet. Ich begrüße euch von ganzen Herzen und danke für euer Kommen trotz eurer vielfältigen Arbeitsverpflichtungen. Ihr seid gekommen, um dem Bischof von Rom den wertvollen Beitrag eurer Anwesenheit und Hilfe zu leisten. Das entspricht voll dem Wesen des Kardinalats selbst, das mehr ein Dienst als eine Würde ist; und dieser Dienst erhält sein besonderes Merkmal durch die zweifache Dimension, die, wie zu verschiedenen Malen wiederholt wurde, die Institution des Kardinalats charakterisiert: die Universalität und die Einheit. In Anbetracht der engen Zusammenarbeit mit dem Papst, zu der das Kardinalskollegium seit seinen Anfängen berufen ist, habe ich euch, ehrwürdige Brüder, bereits zu Beginn meines Pontifikats nach Rom gerufen. Wie ich bei der ersten Versammlung, am 5. November 1979, feststellte, habt ihr „nicht nur die Aufgabe, den Bischof von Rom zu wählen, ihr müßt ihn auch in der Hirtensorge für die Kirche, vor allem in ihrer universalen Dimension, unterstützen“. Und nach Erwähnung der besonderen Bande, die euch zu einem lebendigen Teil der Römischen Kirche machen, fügte ich hinzu: „Eben diese einzigartige Verbundenheit ... ist Grund und Ursache dafür, daß der Bischof von Rom öfter mit euch Zusammentreffen will, um aus euren Ratschlägen und euren vielfältigen Erfahrungen Nutzen zu ziehen. Zudem stellt die Zusammenkunft der Mitglieder des Kardinalskollegiums eine Form dar, in der auch jene bischöfliche und pastoraie Kollegialität geübt wird, die seit mehr als tausend Jahren lebendig ist; und es steht uns an, sie gerade in der heutigen Zeit anzuwenden“ (Ansprache am 5. November 1979, Nr. 2. AAS 71, 1979, 1448 f.; in: Wort und Weisung, 1979, S. 274-275). 1657 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 89 Kardinäle waren schon beim Konzil dabei So griff ich bei der nächsten Vollversammlung im November 1982 wieder diese wesentlichen Zielsetzungen auf, derentwegen das Kardinalskollegium heute zur Ausübung der grundlegenden Aufgabe als erste Berater und Mitarbeiter des Papstes im besonderen Rahmen der „allgemeinen Entwicklung der Kollegialität nach dem Zweiten Vatikanum“ (AAS 75, 1983, 137; in: Der Apostolische Stuhl, 1982, S. 1440) einberufen worden ist. 2. Die vorangegangenen Vollversammlungen lassen uns also gut erkennen, daß die Kardinäle - und zwar nicht nur jeder einzelne, sondern alle zusammen als Kollegium - mit dem Bischof von Rom Zusammenarbeiten und so an dem „Petrusamt“, das ihm anvertraut ist, teilhaben. a) Aus dieser Sicht wurden in der Versammlung des Jahres 1979 drei Hauptprobleme unterbreitet: die Neuordnung der Gesamtstruktur der Römischen Kurie nach der Apostolischen Konstitution Regimini Ecclesiae Universae und ihre notwendige Überprüfung: die Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und der Kultur mit Berücksichtigung der Tätigkeit der verschiedenen Päpstlichen Akademien; die Verantwortung im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Lage des Apostolischen Stuhles und den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Aber es wurden auch andere, nicht weniger wichtige Fragen berührt, wie die Familienpastoral mit der Forderung nach Errichtung eines eigenen Dikasteriums „für die Familie“; und die Förderung der heiligen Liturgie im Rahmen der Zuständigkeiten der Kurie. Die obengenannten Probleme sind ausdrücklich mit der praktischen Verwirklichung der vom Zweiten Vatikanum gegebenen Richtlinien verbunden: Es genügt, an den zweiten Teil der Konstitution Gaudium etspeszu erinnern, der „einige der dringendsten Probleme“ behandelt, die sich aus dem Verhältnis zwischen Kirche und moderner Welt ergeben, wie die Würde der Ehe und der Familie und ihre Förderung (ebd., Nr. 47-52) und die Förderung des kulturellen Fortschritts {ebd., Nr. 53-62). b) Die Themen der Vollversammlung von 1982 hatten zum Hauptgegenstand das „Problem der Apostolischen Konstitution Regimini Ecclesiae Universae und ihren Gesamtkomplex“ {Ansprache am 23. November 1982, AAS 15, 1983, 138 f.; in: Der Apostolische Stuhl, 1982, S. 1442): Aber es wurde auch an die Methode erinnert, mit der die Anregungen hinsichtlich der Familie und der Kultur wirksam in die Tat umgesetzt worden sind, insbesondere durch die damals erfolgte Errichtung der 1658 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Päpstlichen Kommission für die Familie — im Anschluß an die Sitzung der Bischofssynode - sowie des Päpstlichen Rates für die Kultur, der nach den Vorschlägen der voraufgehenden Vollversammlung der Kardinäle errichtet wurde. Außerdem wurde die Einrichtung der aus 15 Mitgliedern gebildeten Sonderkommission der Kardinäle zur Prüfung der organisatorischen und wirtschaftlichen Probleme des Hl. Stuhls erwähnt mit Hinweis auf die ersten Schritte dieses Organismus. Das alles erfolgte gleichsam am Vorabend der Promulgation des neuen Kirchlichen Gesetzbuches, dessen Revision mein Vorgänger Johannes XXIII. sozusagen parallel zur Entscheidung über die Einberufung des Konzils gewünscht hatte. Das Kirchliche Gesetzbuch, das ich zu meiner Freude am 25. Januar 1983 - zwei Monate nach der zweiten Vollversammlung der Kardinäle - promulgieren konnte, war gewissermaßen das letzte Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils und die erste Ankündigung der Wiederbelebung, die mit der Feier des Heiligen Jahres der Erlösung, das am 25. März jenes Jahres begann, in die Kirche hineingetragen werden sollte. 3. In diesen drei Tagen versammelt sich das Kardinalskollegium zum dritten Mal vollzählig. a) Ich muß vor allem hervorheben, daß dies unmittelbar vor der außerordentlichen Bischofssynode erfolgt, die von mir am 25. Januar einberufen wurde, um des 20. Jahrestages des Konzilsabschlusses zu gedenken. Die Ziele dieser Synode wurden wie folgt bestimmt: - „jene außergewöhnliche Atmosphäre kirchlicher Gemeinschaft wieder lebendig zu machen, die die ökumnische Versammlung in der gegenseitigen Teilnahme an den Leiden und Freuden, den Kämpfen und Hoffnungen, die in den verschiedenen Teilen der Welt zum Leib Christi gehören, gekennzeichnet hat; - Erfahrungen und Informationen über die Anwendung des Konzils im Rahmen der Universalkirche und der Teilkirchen auszutauschen und zu vertiefen; - die weitere Vertiefung und ständige Einbringung des Zweiten Vatikanums in das Leben der Kirche auch im Licht der neuen Erfordernisse zu fördern“ (O.R. dt., 1. 2. 1985, S. 1). Ich vertraue darauf, daß die Bezugnahme auf das Zweite Vatikanum anläßlich dieses 20jährigen Jubiläums sich auch bei der jetzigen Vollversammlung bemerkbar machen wird. Es stimmt, daß nur ein Drittel der an der kommenden Synode teilnehmenden Bischöfe bei den Arbeiten des Konzils zugegen war. Aber es ist 1659 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN interessant festzustellen, daß von dem derzeitigen Plenum des Kardinalskollegiums 89 der hier anwesenden Kardinäle an allen oder an einigen Konzilssitzungen teilgenommen haben. Wir können also sagen, daß wir noch alle an dieser Erfahrung teilhaben, von ihr herkommen; und die Mitglieder des Weltepiskopats, der in diesen Jahren neue Mitglieder erhielt, sowie die ehrwürdigen im Laufe der letzten zwanzig Jahre ernannten Brüder Kardinäle gehören einer Generation an, die die Atmosphäre des Konzils geatmet, die erstaunliche und hochherzige, glühende und auch dramatische Zeit erlebt hat, die auf die Kenntnisnahme, Verbreitung und Anwendung seiner grundlegenden Dokumente folgte. Die römischen Tage, die gleichfalls am 8. Dezember, dem Fest der Erwählung Mariens, abgeschlossen werden, die Anwesenheit alter und neuer Mitglieder sowie der Auditoren und Auditorinnen, der Spezialgäste, der delegierten Beobachter werden sicherlich jene einzigartige Erfahrung wieder lebendig werden lassen und uns im „Kairos“ des Heute zu jenem vor 20 Jahren zurückbringen. Darum vertraue ich darauf, daß die enge Beziehung der Synode zum Konzil in der Versammlung, die wir heute beginnen, eine lebendige Stimme hat. Man kann in der Tat sagen, daß diese Versammlung so etwas wie eine verpflichtende Einführung in die große Veranstaltung ist, die wir in Kürze beginnen werden: Denn bekanntlich hat das Thema „Römische Kurie“ seit der Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils lebhaftes Interesse bei den Bischöfen geweckt, die bereits in der Vorbereitungsphase zahlreiche Vorschläge zu einer Reform der Kurie zu ihrer Internationalisierung, zu einer klaren Bestimmung ihrer Funktion und ihrer Zuständigkeiten und schließlich zu einer stärkeren Vertretung der Diözesanbischöfe unter den Führungskräften der Kurie eingebracht hatte. b) Das zentrale Thema dieser Versammlung betrifft also das konkrete Problem der neuen „Leitung und Verwaltung der Gesamtkirche“, Regi-mini Ecclesiae Universae. Es wurde darüber bereits 1979 und vor allem 1982 vor dem Hintergrund der damals erörterten Probleme gesprochen. Es handelt sich um ein konkretes Problem, weil wir es mit einem Projekt zu tun haben, das uns vor Augen liegt und das euch, den Mitgliedern des Kardinalskollegiums, wie auch den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen der fünf Kontinente und natürlich den unmittelbar betroffenen Leitern der Dikasterien der Römischen Kurie zugeleitet wurde. Eine so weitgespannte und vielseitige Konsultation war notwendig, um die Meinung der befragten Personen - als vollständige Vertretung der Kirche 1660 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und der Römischen Kurie — zu folgenden Punkten kennenzulernen: die bei der Revision befolgten Kriterien, die neue vereinfachte Typologie der Organe der Kurie, ihre Benennung und Struktur, die Kennzeichnung des pastoralen Charakters, der Kollegialität und der Hilfsbereitschaft, die sich aus dem neuen Gesamtansatz ergeben, und schließlich die Forderung nach einer engen Verbindung zwischen der Römischen Kurie und den Bischofskonferenzen und einer notwendigen Koordinierung der Dikasterien selbst. Man sieht also, es handelt sich um Probleme theologischer - insbesondere ekklesiologischer - Natur und nicht nur um Fragen pastoraler, juridischer und praktischer Art, die sich bei der Formung des jahrhundertealten Organismus verflechten und überschneiden, dessen sich die römischen Päpste bei der Ausübung des vom Herrn Christus empfangenen und von ihm an Petrus und seine Nachfolger übergebenen Auftrages bis ans Ende der Zeiten bedienen. Die Entscheidung zu einer Erneuerung der Apostolischen Konstitution Regimini Ecclesiae Universae war bereits von meinem Vorgänger Paul VI., einem klarsichtigen und scharfsinnigen Kenner der Römischen Kurie, gefaßt worden. Diese Entscheidung war die logische Folge des II. Vatikanums, wie ich bereits ausgeführt habe. Nach der Promulgation des neuen Kirchlichen Gesetzbuches sind zudem die Voraussetzungen für eine Neubearbeitung des Dokuments noch unmittelbarer gegeben. 4. Wir befinden uns auf der Ebene des Konzils. In der Tat führten die Vorschläge der Konzilsväter hinsichtlich der Erneuerung der Kurie nach den bekannten Diskussionen in den Generalkongregationen 60-63 zur Nr. 9 des Dekrets Christus Dominus, wo es heißt: „Bei der Ausübung der höchsten, vollen und unmittelbaren Gewalt über die Gesamtkirche bedient sich der Papst der Behörden der Römischen Kurie. Diese versehen folglich ihr Amt in seinem Namen und mit seiner Vollmacht zum Wohle der Kirchen und als Dienst, den sie den geweihten Hirten leisten. Die Väter des Heiligen Konzils wünschen jedoch, daß diese Behörden, die zwar dem Papst und den Hirten der Kirche eine vorzügliche Hilfe geleistet haben, eine neue Ordnung erhalten, die den Erfordernissen der Zeit, der Gegenden und der Riten stärker angepaßt ist, besonders was ihre Zahl, Bezeichnung, Zuständigkeit, Verfahrensweise und die Koordinierung ihrer Arbeit angeht“ {Christus Dominus, Nr. 9). In dieser Definition erscheint die Kurie als Werkzeug und Hilfe für den Papst. Sie hat also einen instrumentalen Charakter, der ihren Begriff bestimmt und ihr Dasein rechtfertigt. Sie bezieht sich auf den Papst und empfängt von ihm ihre Vollmacht; und in der Übereinstimmung mit 1661 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seinen Ansichten und seinem Denken liegt ihre ganze Stärke, ihre Grenze, ihr Pflichtenkodex. Die Kurie steht im Dienst der Einheit des Glaubens Im Jahr 1963, zwei Jahre vor der Verkündigung des Dekrets Christus Dominus, erklärte Paul VI. die Kurie als „Organ von unmittelbarer Verbundenheit und absolutem Gehorsam, dessen sich der Papst für die Erfüllung seines universalen Auftrags bedient“. Ihre Macht hat stellvertretenden Charakter und muß sich als solche ständig nach dem Willen dessen richten, „cuius vices agit“, an dessen Stelle sie handelt, auf der Suche nach einer absolut getreuen Interpretation. Aus dieser Sicht erkennt man, wie irrig Auffassungen sind, die behaupten, die Kurie stehe im Gegensatz zum Papst, als ob es sich um eine zweite Macht neben dem Papst oder eine Art Blende handle, die die Hirtensorge des Papstes behindere oder filtriere. Der römische Papst - das sagt uns obendrein das Dekret Christus Dominus - bedient sich, „bei der Ausübung der höchsten, vollen und unmittelbaren Gewalt über die Gesamtkirche“ der Behörden der Römischen Kurie. Das sind die klassischen Worte des Ersten Vatikanischen Konzils, die vom Zweiten Vatikanum wieder aufgenommen wurden (vgl. Lumen gentium, Nr. 22). Hier handelt es sich einzig um die Primatialgewalt des Papstes, die ihm persönlich übertragen wurde. Das Petrusamt ist jedoch grundlegend ein Dienst an der Einheit, wie Lumen gentium bestätigt: „Damit aber der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, hat er den hl. Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt“ {Lumen gentium, Nr. 18). Diese Einheit ist ein wunderbares Geschenk des Heiligen Geistes, das fortwährend bewahrt, verteidigt, geschützt, gefördert und zur Wirkung gebracht werden muß durch die wertvolle Zusammenarbeit vor allem jener, die ihrerseits das „sichtbare Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen“ sind {Lumen gentium, Nr. 23). Die Zusammenarbeit, die die Kurie dem Papst gewährt, gehört wesentlich zu diesem Dienst an der Einheit. Es handelt sich vor allem um die Einheit des Glaubens, der ihr unersetzliches Fundament bleibt; um die Einheit der Liebe, aber auch der Disziplin; um die Einheit, die die Verschiedenheit nicht fürchtet, ja die ständig bereichert wird durch die unendliche Vielfalt der Gaben, die der Heilige 1662 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geist den Kirchen gewährt, vorausgesetzt, daß sie keine isolationistischen und zentrifugalen Tendenzen werden und mit der grundlegenden Einheit der Universalkirche in Übereinstimmung sind. Aufgabe des Petrus ist es ferner, „die Brüder zu stärken“, und das verlangt eine ununterbrochene Sorge, den rechten Glauben zu hüten, zu lehren und zu erklären sowie die Brüder im Bischofsamt in ihrer Aufgabe als Meister und Lehrer des Glaubens zu unterstützen, was mitunter bestimmte Maßnahmen und Interventionen erfordert. Die Ausübung des Petrusamtes, die durch Zusammenarbeit mit der Kurie erfolgt, erfordert ein enges und vielfältiges Netz notwendiger Verbindungen zu den Teilkirchen so wie der Lebensstrom in einem einzigen Körper. In diesen Beziehungen zwischen der Universalkirche und den Teilkirchen, zwischen der Römischen Kurie und den Diözesanbischöfen können möglicherweise Spannungen auftreten, wenn die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche mitunter nicht klar und hinreichend verstanden werden. Da der Bischof von Rom „Hirt der ganzen Kirche“ ist (Lumen gentium, Nr. 22), ist sein höchstes Amt in erster Linie ein Hirtenamt; daher muß die Tätigkeit der Kurie ein klarer Ausdruck seines pastoralen Dienstes sein. Im Licht dieser Prinzipien und besonders des Prinzips des Hirtencharakters muß die Kurie alle jene Aufgaben der Kirche unserer Zeit erfüllen, die nach und nach im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils deutlich geworden sind. Alle Schritte, die in Verbindung mit dieser Feststellung von Paul VI. wie auch nach dem Jahr 1978 unternommen worden sind, hatten nur das zum Ziel. Ich erinnere an die Errichtung des Sekretariats für die Einheit der Christen und der übrigen Sekretariate; ebenso an die Schaffung der anderen nachkonziliaren Organismen, unter denen ich den Laienrat und das mit ihm zusammenhängende Familienkomitee erwähne, das später wegen der schwierigen und vielfältigen Problematik, die sich aus der heutigen Lage von Ehe und Familie ergab, zu einem getrennten Organismus wurde, der sich speziell dieses Sachbereichs annehmen sollte. In ähnlicher Weise wurde der Päpstliche Rat für die Kultur gegründet, indem man den bedenklichen Formen, die die Welt der modernen Kultur bietet, und den Herausforderungen, die sie an die Evangelisierung stellt, Rechnung trug. Kürzlich hat der Apostolische Stuhl sich dann - im Bereich des Rates für die Laien - um zweckmäßigere und spezialisierte Hilfe für jene bemüht, die im Krankenapostolat tätig sind und eine Berufsgruppe bilden, die für die christliche Berufung von großer Bedeutung ist, die sich vor die 1663 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verwickelten und schweren Probleme des Lebens und der Verantwortlichkeit für das Leben gestellt sieht. 5. Um diese umfangreiche Thematik zu bedenken, steht uns nicht sehr viel Zeit zur Verfügung. Wenn wir sie aber entsprechend nutzen, werden wir sicher das eigentliche Ziel dieser Vollversammlung der Kardinäle erreichen können, um so mehr, als ihr, sei es einzeln, sei es im Rahmen der jeweiligen Bischofskonferenzen, denen ihr angehört oder vorsitzt, sei es als Verantwortliche der verschiedenen Dikasterien der Römischen Kurie, eure Meinungen und Vorschläge bereits geäußert habt. Aus der Tagesordnung, die ihr erhalten habt, konntet ihr die organisatorischen Einzelheiten über Ablauf und Leitlinien für die Arbeit dieser Tagung erkennen. Je rascher und gewissenhafter die dort beschriebenen Regeln durchgeführt werden, um so wirkungsvoller und ertragreicher werden diese intensiven und fruchtbaren Tage sein. 6. Ehrwürdige und vielgeliebte Brüder! Ich erinnere noch einmal an die tausendjährige Vergangenheit und an die Verdienste des Kardinalskollegiums, das in der Wirksamkeit und in der Bedeutung des für das Petrusamt geleisteten Dienstes die theologische Rechtfertigung für die Ausübung seiner Aufgaben findet: Aufgaben sowohl der Vergangenheit wie von heute, für die Zeit, in der wir leben. Der hl. Petrus Damiani bezeichnete die Kardinäle als „spirituales Eccle-siae universalis senatores“, „geistliche Senatoren der Universalkirche“ (PL 145, 540). Und mein Vorgänger Sixtus V. betonte, daß sie dazu berufen seien, an der Seite des römischen Papstes, „des gemeinsamen Vaters und Hirten“, „die so schwere Mühe und Last der Völker auf sich zu nehmen und unermüdlich für das Heil der Seelen, für den Glauben, für die Gerechtigkeit, für die Einheit zu sorgen und zu arbeiten, indem sie unmittelbar neben ihm der Universalkirche dienen und sich dem Nutzen der Teilkirchen widmen, mit deren Rat der Papst sein Handeln bestimmt“ (Konstitution Postquam: Bullarium Romanum 4, IV, 279 ff.). Diese Worte wurden vor vierhundert Jahren geschrieben, aber sie drük-ken auch die Hirtensorge des Dienstes aus, zu dem uns die heutigen Verpflichtungen rufen. Die Erfüllung dieser Verpflichtungen hat diese Vollversammlung im Auge, die wir heute — im Namen Gottes — beginnen. 1664 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gerechtigkeit und Mehr-Mensch-Sein für alle Ansprache an die Teilnehmer des Symposions „Kirche und Wirtschaft“ am 22. November Eminenzen, Exzellenzen, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Mit besonderer Freude begrüße ich hier im Vatikan die Teilnehmer des Kongresses „Kirche und Wirtschaft in der Verantwortung für die Zukunft der Weltwirtschaft“. Sie beraten in diesen Tagen ein Thema, das die Völker der Welt und auch den Hl. Stuhl zutiefst beschäftigt: die brennende Frage nämlich, was in gemeinsamer Verantwortung getan werden muß, um zu verwirklichen, was mein Vorgänger Paul VI. „Popu-lorum progressio“, „die Entwicklung der Völker“, genannt hat. Ich konnte in diesen Tagen die Generalversammlung der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen im Vatikan empfangen. Sie wurde aus Anlaß des 40. Gründungsjahres einberufen, gleichzeitig aber auch, um im Anblick der wachsenden Not der Entwicklungsländer neue Initiativen zu planen. Aus den Berichten dieser Organisation der Vereinten Nationen ergibt sich ja ein erschütterndes Bild: Die wirtschaftliche Rezession der Industrieländer hat sich auf viele Entwicklungsländer verheerend ausgewirkt. Die Verschuldung vieler von ihnen hat derart zugenommen, daß ihnen ein finanzieller Zusammenbruch droht. In einer Reihe von Entwicklungsländern hat dies im Zusammenhang mit Naturkatastrophen und weiteren Faktoren zu einem Niedergang der Landwirtschaft geführt, so daß Elend und Hunger entsetzliche Ausmaße angenommen haben. Hier steht die ganze Menschheit vor einer Herausforderung, die mein Vorgänger in die Worte gefaßt hat: „Es eilt! Zu viele Menschen sind in Not, und es wächst der Abstand, der den Fortschritt der einen von der Stagnation, besser gesagt, dem Rückschritt der anderen, trennt“ (Populorum progressio, Nr. 29). 2. Aus dem Programm Ihres Kongresses ersehe ich, daß Sie, Vertreter der Industrieländer und Vertreter der Entwicklungsländer, sich gemeinsam bemühen, eine Antwort auf die drei Fragen zu finden, die im Mittelpunkt dieser Herausforderung stehen. Die erste Frage lautet: Was müssen die Industrieländer für die Entwicklung der Völker tun? Es ist nicht die Aufgabe der Kirche, konkrete Lösungen hierfür vorzuschlagen. Dazu verfügt sie weder über die notwendigen Mittel noch über die nötige Kompetenz. Sie muß aber immer wieder deutlich 1665 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN darauf hinweisen, daß die hochentwickelten Länder die schwere Verpflichtung haben, den anderen Ländern in ihrem Ringen um die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu Hilfe zu kommen. Das II. Vatikanische Konzil fordert, daß dazu in den Industrieländern selber „geistige und materielle Anpassungen“ vollzogen werden müssen, um die Herausforderung zu bestehen (Gaudium et spes, Nr. 86). In dieser Hinsicht geschieht bereits vieles auf staatlicher wie auf privater Ebene. Das muß dankbar anerkannt werden. Aber noch zu viele Industriebereiche, bis hin zur Waffenproduktion, werden nach rein wirtschaftlichen Regeln und Werten geführt und scheinen die Zeichen der Zeit und ihre gesellschaftspolitische Weltverantwortung noch nicht erkannt zu haben. Es ist zwar verständlich, daß die Industrieländer, die sich heute selber in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, zuerst auf die Lösung der eigenen Probleme achten. Aber die Gefahr eines kollektiven Egoismus, wie zum Beispiel bei der Versuchung zu neuen Schutzzöllen, muß deutlich gesehen werden. In den Industrieländern kann auch eine gewisse Resignation eintreten, weil ihre Hilfe gelegentlich mißbraucht wurde oder weil sie keinen raschen Erfolg oder sogar negative Effekte gebracht hat. Eine realistische Sicht läßt erkennen, daß Entwicklung von Völkern und Nationen ein langfristiger und mühsamer Prozeß ist. Aber all das darf die Industrienationen in der Verantwortung für die Entwicklung der Völker nicht ermüden lassen. Wir gehen auf eine Zukunft zu, in der die Welt immer mehr eins wird und in der alle von allen abhängen, auch wirtschaftlich. Eine Reihe von Problemen, die heute die einzelnen Nationalwirtschaften belasten, werden, auf weite Sicht gesehen, nur im Kontext einer funktionierenden Weltwirtschaft gelöst werden können. Für einen Christen und für jeden Menschen guten Willens geht es dabei niemals bloß um die Lösung rein wirtschaftlicher Marktprobleme, > sondern letztlich immer um die Verwirklichung von Gerechtigkeit und Mehr-Mensch-Sein für alle. 3. Mit Recht haben Sie auf diesem Kongreß noch eine zweite Frage gestellt: Was können und müssen die Entwicklungsländer selber für die * Entwicklung der Völker tun? Letztlich entscheidend ist ja die Selbsthilfe; sie kann durch keine Fremdhilfe ersetzt werden. Das wirtschaftliche Bemühen, konkret die Steigerung der eigenen Produktivkräfte, hat hierbei gewiß eine besondere Bedeutung. Hand in Hand wird aber auch die soziale Entwicklung angestrebt werden müssen. Das II. Vatikanische Konzil weist ausdrücklich darauf hin, daß bei allem Respekt vor der sozialen Eigenart der einzelnen Völker doch 1666 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vermieden werden muß, „bestimmte Gewohnheiten als starr und unveränderlich anzusehen, wenn sie neuen Bedürfnissen der Gegenwart nicht mehr genügen“ (Gaudium et spes, Nr. 69). Eine zentrale Bedeutung in der Eigenverantwortung der Entwicklungsländer erhält die Aufgabe der Bildung und Erziehung. Sie ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen des Werkes der Entwicklung. Solche Bildung und Erziehung haben zweifellos auch eine wirtschaftliche Dimension. Aber sie müssen weit darüber hinausgehen. Sie müssen letztlich aus einer geistigen Grundlage kommen und auf die Entfaltung des ganzen Menschen hinzielen. Eines aber muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden: Entwicklung der Völker kann nicht darin bestehen, daß die Entwicklungsländer einfachhin die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Modelle der Industrienationen übernehmen. Die Zerstörung des kulturellen Reichtums dieser Länder würde nicht nur zu schweren inneren Störungen, sondern auch zu schwerwiegenden Konsequenzen für die wachsende Einheit der Völkergemeinschaft führen, die ja nicht aus einer nivellierten Einheitszivilisation, sondern aus der reichen Vielfalt der Kulturen der Menschheit leben möchte. Eigengesetzlichkeit noch keine Garantie für Sittlichkeit 4. Sie behandeln in Ihrem Kongreß schließlich noch eine dritte Frage: Welche geistigen Voraussetzungen müssen vorhanden sein, um die Entwicklung mit jener Entschiedenheit voranzubringen, wie es die Not erfordert? Diese Voraussetzungen betreffen sowohl die Industrieländer als auch die Entwicklungsländer in gleicher Weise. Gewiß gibt es, wie das: Zweite Vatikanische Konzil sagt, im Bereich der einzelnen Kultursachbereiche eine gewisse Eigengesetzlichkeit, die beachtet werden muß. Das gilt auch für den Bereich der Wirtschaft und ihrer Entwicklung. Aber diese relative Eigengesetzlichkeit ist kein blinder, zwanghafter Mechanismus. Sie muß in einen sittlichen Zusammenhang gebracht werden und von dort ihre Ziele und letzten Motivationen erhalten. Die Suche nach diesen Zielen und Motivationen gehört zu den größten, aber auch schwierigsten Aufgaben unserer Zeit. Sie sind dieser Frage nicht ausgewichen, auch wenn Sie auf diesem Kongreß nicht sofort eine erschöpfende Antwort finden. Hier liegt sicher auch der Grund, warum Sie das Gespräch mit der Kirche gesucht haben, die sich, wie Paul VI. sagt, als „Expertin der Menschlichkeit“ versteht, und zwar der Menschlichkeit in ihrer tiefsten Wurzel: nämlich in der Frage des Sinns und des Ziels. 1667 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist die bewußte Aufgabe der Kirche, ihren Beitrag für die Formung jenes Menschen zu leisten, der aus einer geistigen Mitte lebt und sich aus dieser Mitte für die Mitarbeit an der Lösung der großen Menschheitsaufgaben verantwortlich weiß und der sich nicht enttäuschen und verbittern läßt, weil er immer aus der Hoffnung lebt. Um diese Aufgabe zu verwirklichen, braucht die Kirche den Dialog mit dieser Welt, vor allem mit den verantwortlichen Trägern der Verantwortung in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Kultur. Ihr Kongreß ist ein wertvoller Beitrag zu diesem ständigen Dialog. Darum begleite ich Ihre Arbeit mit meinem besonderem Interesse und meinem Segen. Es sind „Horizonte des Gottesreiches“ Predigt beim feierlichen Eröffnungsgottesdienst zur außerordentlichen Bischofssynode im Petersdom am 24. November <246> <246> Gepriesen sei, der kommt im Namen des Herrn! Gepriesen sei sein Reich . . . das nun kommt“ (Allelujavers). Heute, am letzten Sonntag des Kirchenjahres, feiern wir das Christkönigsfest. Daraus ergibt sich eine besondere Bedeutung für die heutige Eröffnung der zweiten außerordentlichen Versammlung der Bischofssynode, die ich zum 20. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils einberufen habe. Beginnen wir den Weg der Synode bei dieser Eucharistiefeier mit derselben Bereitschaft, auf den Heiligen Geist zu hören, mit derselben Liebe zur Kirche, mit derselben Dankbarkeit zur göttlichen Vorsehung, wie sie in den Konzilsvätern vor 20 Jahren gegenwärtig waren. Während der kommenden zwei Wochen werden alle Mitglieder der Synode - darunter viele, welche die besondere Gnadenstunde des Konzils persönlich miterlebt haben - zusammen mit jenem Konzil unterwegs sein, um das geistige Klima jenes großen kirchlichen Ereignisses wieder aufleben zu lassen und im Licht der damals entstandenen grundlegenden Dokumente und der im Laufe der darauf folgenden 20 Jahre gereiften Erfahrung das volle Erblühen jener Sämlinge eines neuen Lebens zu fördern, die der Heilige Geist in diesem ökumenischen Konzil zur größeren Ehre Gottes und für das Kommen seines Reiches hat aufkeimen lassen. 1668 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. „Gepriesen sei sein Reich, das nun kommt!“ Der heutige Sonntag bezeugt, daß der jährliche Festkreis als ganzer auf das Geheimnis des Reiches Gottes hin geöffnet ist. Von diesem Reich hören wir heute, daß es bereits existiert und die ganze Schöpfung umfaßt: „Fest steht dein Thron von Anbeginn. Von Ewigkeit her bist du“ (Ps 92,2). Und zugleich vernehmen wir, daß dieses Reich noch kommt. Für den Propheten Daniel kommt es zusammen mit dem Menschensohn. „Ihm wurden Herrschaft, Würde und Königtum gegeben . . . Seine Herrschaft ist eine ewige, unvergängliche Herrschaft. Sein Reich geht niemals unter“ (Dan 7,14). Es ist ein universales Reich: „Alle Völker, Nationen und Sprachen“ können darin Platz finden. 3. Für den Propheten Daniel muß das Reich Gottes, die Herrschaft Gottes, zusammen mit dem Menschensohn kommen. Es ist also schon gekommen. Der Menschensohn, Jesus Christus, der treue Zeuge, der Erstgeborene von den Toten, der Herrscher über allen Königen der Erde, ist derjenige „der uns liebt“, „der uns durch sein Blut befreit hat von unseren Sünden und uns die Würde von Königen gegeben und uns zu Priestern gemacht hat für den Dienst vor seinem Gott und Vater“ (Offb 1,5-6). Das Reich Gottes ist also in Jesus Christus schon gekommen. Zugleich aber eröffnet Christus die neue und endgültige Ära seiner Ankunft, in der dieses Reich immer näherkommt. Darum hat er uns ans Herz gelegt, ohne Unterlaß zu beten: „Vater unser im Himmel . . . dein Reich komme.“ Im Licht dieser Wahrheiten entsteht die Zeit der Kirche. Nach diesem Rhythmus verläuft jedes liturgische Jahr, wie wir alle am heutigen Sonntag besonders tief und persönlich miterleben. „Ich bin das Alpha und Omega, spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt“ (Offb 1,8). 4. In der Konstitution Lumen gentium hat das Zweite Vatikanische Konzil die Wahrheit vom Reich Christi mit folgenden Worten bekannt: „Christus ist gehorsam geworden bis zum Tod. Darum wurde er vom Vater erhöht (vgl. Phil 2,8-9) und ging in die Herrlichkeit seines Reiches ein. Ihm ist alles unterworfen, bis er selbst sich und alles Geschaffene dem Vater unterwirft, damit Gott alles in allem sei (vgl. 1 Kor 15,27-28)“ (Nr. 36). Jesus Christus hat das Reich Gottes verkündet: Durch sein Kreuz ist er in seine Herrlichkeit eingegangen, und aus der Kraft des Kreuzes und der 1669 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auferstehung bereitet er die endgültige Erfüllung dieses Reiches vor: wenn Gott alles in allem sein wird. Weiter sagt der Konzilstext, daß der gekreuzigte und auferstandene Herr den Menschen an dieser herrscherlichen Vollmacht Anteil gegeben hat: „seinen Jüngern, damit auch sie in königlicher Freiheit stehen“ (ebd.). Dies ist die Lehre der Konzilskonstitution Lumen gentium; im weiteren Verlauf dieses Textes erklärt das Konzil, worin diese königliche Freiheit besteht. Sie besteht darin, daß die Jünger „durch Selbstverleugnung und ein heiliges Leben das Reich der Sünde in sich selbst besiegen (vgl. Röm 6,12), aber auch Christus in den anderen dienen und ihre Brüder in Demut und Geduld zu dem König hinführen, dem zu dienen Herrschen bedeutet“ (ebd.). 5. Es handelt sich also um das „Königsein“ des Menschen, um die Würde, die er in Jesus Christus erlangt hat. Das Konzil, das uns eine reiche Ekklesiologie hinterlassen hat, verbindet seine Lehre über die Kirche organisch mit der Lehre über die Berufung des Menschen in Christus. Aufgrund dieser Beziehung konnte ja auch gesagt werden, daß „der Mensch der Weg der Kirche“ ist; denn die Kirche folgt Christus, der für alle Menschen „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) ist. Eine besondere Bestätigung dieser Lehre finden wir in der Antwort, die Christus im Prozeß vor Pilatus auf die Frage seines Richters gibt: „Du bist also ein König?“ - „Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Joh 18,37). 6. Der Menschensohn kommt in die Welt, um jedem Menschen das Bewußtsein von seiner Berufung zum Leben in der Wahrheit zu schenken. Hier liegt das tiefste Fundament für die Würde des Menschen, für sein „Königsein“. Darum sagt das Konzil, daß Christus dem Menschen das „Menschsein“ voll enthülle. Er schenkt dem Menschen Klarheit über sich selbst durch die Offenbarung des „Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Hier befinden wir uns im Kern jener Wirklichkeit, die „Reich Gottes“ heißt. In dieser unserer Zeit, in der von verschiedenen Seiten der Primat Gottes dem Primat des Menschen entgegengestellt wird, bringt das Konzil allen in überzeugender Weise zum Bewußtsein, daß das „Reich des Menschen“ seine wahre Dimension nur im Reiche Gottes finden kann. Das ist der Kern der Wahrheit, für die Jesus von Nazaret während der 1670 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganzen Zeit seiner Sendung, wie bei seiner Antwort vor Pilatus und dann vor allem durch Kreuz und Auferstehung Zeugnis abgelegt hat. 7. „Der Sohn Gottes hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ (ebd.). Indem er in unsere Mitte, zu den Menschen, gekommen ist, hat er „uns zu Königen gemacht und zu Priestern vor Gott, seinem Vater“ (Offb 1,6). So hat das Konzil das Bewußtsein von der christlichen Berufung erneuert. Sie ergibt sich aus der Teilnahme an der messianischen Sendung des Menschensohnes. Die Kirche tritt Generation für Generation in diese Sendung als Erbin ein, die ihre Quelle im dreifältigen Geheimnis Gottes selbst hat. Darum betrachtet sich die Kirche als ständig „gesandt“ („in statu missionis“). Und jeder Christ bleibt in der Gemeinschaft des Gottesvolkes durch die Teilnahme an der Sendung Christi, des Sohnes Gottes. Durch göttliche Adoption in Christus zur Würde eines Gotteskindes erhoben, nimmt der Christ an dessen dreifachem „Amt“ teil: des Priesters, des Propheten, des Königs. Auf diese Weise, durch Christus, ist das Reich des lebendigen Gottes wirklich „mitten unter uns“ (vgl. Lk 17,21). 8. Mögen diese Werte des Christkönigsfestes eine tiefe Inspiration werden für die Arbeiten der Bischofssynode im Verlauf ihrer außerordentlichen Sitzung, die wir heute mit dieser Feier eröffnen! Dankbar grüße ich die hier anwesenden Herren Kardinäle, die soeben an der Vollversammlung ihres Kollegiums teilgenommen haben; herzlich grüße ich alle Synodenteilnehmer, insbesondere die Patriarchen, Großerzbischöfe und Metropoliten außerhalb des Patriarchats aus den Kirchen des orientalischen Ritus, die Präsidenten der Bischofskonferenzen und die Vorsteher der römischen Kurienämter; weiterhin gilt mein Gruß den Ordensoberen und den anderen Mitgliedern der Synode wie auch den Teilnehmern mit spezieller Einladung, Klerikern und Laien, als unmittelbaren Zeugen des Zweiten Vatikanischen Konzils, und den zuhörenden Damen und Herren, welche die lebendigen Strömungen der Kirche vertreten. Mit besonderer Liebe grüße ich ebenfalls die Brüder aus den anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften, die meine Einladung angenommen haben, um hier als Beobachter und Delegierte zugegen zu sein, und die uns bei dieser speziellen Gelegenheit einer dem Zweiten Vatikanischen Konzil gewidmeten außerordentlichen Synode an ihre zahlreichen 1671 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mitbrüder erinnern, die bei jenem Ereignis anwesend waren, und damit auch zugleich auf den ökumenischen Weg hinweisen, der seitdem beschritten worden ist. Am Ende der heiligen Messe wollen wir zusammen den Heiligen Geist anrufen und bitten, daß alle an der Synode beteiligten Brüder und Schwestern ihre Arbeit tun können „in Glaube und Liebe“. 9. In der Pastoralkonstitution Gaudium et spes lesen wir: „Wenn der Herr Jesus zum Vater betet, ,daß alle eins seien . . . wie auch wir eins sind (Joh 17,29-22), und damit Horizonte aufreißt, die der menschlichen Vernunft unerreichbar sind, legt er eine gewisse Ähnlichkeit nahe zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe“ (Nr. 24). Versuchen wir, während der Synode in solche „Horizonte“ einzutreten. Dort möge sich die ganze Kirche mit uns zusammenschließen. Es sind ja die Horizonte des Gottesreiches, wie es das heutige Fest verkündet. In diesen Horizonten zeigt sich die Kirche, wie sie die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils in Christus gesehen haben: als „das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (Lumen gentium, Nr. 1). So erfahrt ihr Trost und Stärkung Botschaft an die Bischöfe Vietnams vom 24. November 1985 An Seine Eminenz, Kardinal Joseph-Marie Trinh-van-Can, Vorsitzender der Bischofskonferenz von Vietnam, und alle Bischöfe Vietnams Heute ist der 25. Jahrestag der Errichtung der Hierarchie der Kirche in Vietnam durch den lieben und verehrten Papst Johannes XXIII., und aus diesem Grund empfinde ich es als eine tiefe Freude, mich aus diesem freudigen Anlaß an Eure Eminenz, alle Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und das ganze christliche Volk Vietnams zu wenden. Diese Maßnahme, durch die drei Kirchenprovinzen geschaffen wurden, eine im Norden, die zweite im Zentrum und die dritte im Süden, mit den 1672 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Metropolitansitzen Hanoi, Hue und Saigon (gegenwärtig Ho-chi-Minh-Stadt), die insgesamt siebzehn neue Diözesen umfassen, war ein offenkundiges Zeichen der Wertschätzung, die Papst Johannes XXIII. für den Eifer und die besonderen Qualitäten des vietnamesischen Episkopats und Klerus hegte, und des Vertrauens, das er in die Reife ihrer pastoralen Opferbereitschaft setzte. Indem er unter sehr komplexen und schwierigen sozialen Bedingungen eine weitblickende Geste setzte, die vorwegnahm, was wenig später vom Zweiten Vatikanischen Konzil erneut bestätigt werden sollte, organisierte er eine stabile Kirche in Vietnam. Das Konzilsdekret Ad gentes sagt nämlich: „So sollen aus dem Samen des Gotteswortes überall auf der Welt . . . einheimische Teilkirchen heranwachsen, die mit eigener Kraft und Reife begabt sind. Sie sollen eine eigene Hierarchie in Einheit mit dem gläubigen Volk sowie die zum vollen Vollzug christlichen Lebens gehörigen Mittel in einer der eigenen Art gemäßen Weise besitzen“ (Nr. 6). Die Kirche in Vietnam hat dann ihr inneres Wesen und ihre Sendung gegenüber dem vietnamesischen Volk noch vollkommener bekundet. An diesem für eure Teilkirche so feierlichen und bedeutungsvollen Tag empfinde ich es als großen Trost, euch die Gefühle zum Ausdruck bringen zu können, die ich euch gegenüber, liebe Bischöfe, liebe Söhne und Töchter in Vietnam, hege. Es vergeht wirklich kein Tag, ohne daß ich im Gebet mit großer Zuneigung und tiefer Achtung an euch denke. Trotz der geographischen Entfernung, die uns trennt, kenne ich sehr wohl euer religiöses Empfinden, weiß ich, wie stolz ihr seid, zur katholischen Kirche zu gehören, und weiß um den Mut, mit dem ihr inmitten fortdauernder und zunehmender Schwierigkeiten Zeugnis von eurem Glauben gebt. Ich weiß, welche Opfer die Treue zum Evangelium euch abverlangt, und ich weiß auch, welche Seelenstärke ihr braucht, um das Evangelium in euren Familien, an eurem Arbeitsplatz und in der Gesellschaft authentisch zu leben. Die katholische Kirche der ganzen Welt blickt auf euch, und stark beeindruckt zieht sie einen großen geistlichen Gewinn aus dem Beispiel, das ihr ihr so klar bietet. Ihr Bischöfe gebt einen Beweis hochherziger Sorge, indem ihr auf die Nöte und Bedürfnisse eurer Brüder bedacht seid; ihr teilt ihre Ängste und ihre Sorgen, ihr lebt mit ihnen die Prüfung der Armut, doch durch ihre Zuneigung und durch das Zeugnis ihrer festen und aufrichtigen Gemeinschaft erfahrt ihr Trost und Stärkung. Die Glut des religiösen Lebens vermehrt in euch Gläubigen den Wunsch, für die pastoralen Dienste eine größere Zahl von Priestern bereitstellen zu 1673 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN können. An Berufungen mangelt es nicht, und ich bitte den Herrn Jesus, daß ihre so realen und berechtigten Erwartungen umgehend volle Befriedigung finden können. Liebe Brüder und Söhne in Vietnam, ich kann sagen, daß ihr wahrhaftig Ausdruck eines Volkes seid, das wegen seines Sinnes für die Arbeit und wegen der Zähigkeit und des Mutes bekannt ist und geachtet wird, mit dem ihr euch den vielen schweren und schmerzlichen Situationen stellt, insbesondere den vom Krieg verursachten Schwierigkeiten, der viele Jahre lang Tod, Zerstörung und Leid gesät hat. Ich möchte, daß über die Achtung hinaus, die man vor euch hat, sich die Völker gedrängt fühlen, eurer Nation in den menschlichen Nöten und Bedürfnissen, die sie am stärksten empfindet, wirksame Hilfe zuteil werden zu lassen. Wie es in dem gemeinsamen Hirtenbrief des Jahres 1980 formuliert ist, wollt ihr „die Kirche Christi inmitten eures Volkes“ sein. Ihr unternehmt ganz konkret ehrliche und aktive Anstrengungen zum Wiederaufbau und Gesamtfortschritt eures Landes, ihr tragt das Licht bei, das aus dem Evangelium kommt, und stellt euren Landsleuten die Kräfte des Heils zur Verfügung. Dieser 25. Jahrestag fällt in die Zeit, wo der Ad-limina-Besuch der Bischöfe Vietnams stattfindet. Es ist eine Freude für mich, daß ich in diesen Tagen mit drei Bischöfen, die nach Rom gekommen sind, Zusammentreffen kann und so Gelegenheit habe, persönlich an den Freuden, Ängsten und Sorgen der ihnen anvertrauten Gemeinden teilzunehmen. Beim Ad-limina-Besuch teilen die Bischöfe der ganzen Welt dem Nachfolger Petri persönlich ihre Leiden und ihre Freuden als Hirten mit, und der Papst hört sie an, tröstet sie und ermutigt sie im Glauben. Aber um wieviel schöner und bedeutsamer wäre es gewesen, wenn es allen vietnamesischen Bischöfen erlaubt gewesen wäre, nach Rom zu kommen, um „Petrus zu sehen“, wie es mein brennender Wunsch war! Wir hätten diese Gelegenheit wahrgenommen, um noch sichtbarer das Band der Gemeinschaft, das uns verbindet, zum Ausdruck zu bringen, und an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus eurer zu gedenken. Dieses zusätzliche Leid ist Gott dem Vater in der zuversichtlichen Hoffnung aufgeopfert, daß es sich für viele eurer Brüder in Licht und Kraft verwandeln wird. Ich habe bereits andere Anlässe wahrgenommen, um Botschaften an das vietnamesische Volk zu senden und ihm so zu zeigen, daß es in meinem Herzen ständig gegenwärtig ist. Ich würde gern jedem meiner Söhne dort persönlich begegnen und ihn kennenlernen, um ihm zu sagen, welche Liebe ich für ihn empfinde. 1674 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das jetzige Jubiläum soll ein Anlaß zu intensiver geistlicher Freude sein, die von der Gewißheit belebt wird, daß - nach dem Wort des Herrn - „das Weizenkorn, wenn es nicht in die Erde fällt und stirbt, allein bleibt; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). Ist es nicht das, was eure dreihundert Jahre alte katholische Tradition, die schon mehr als einmal vom Blut der Märtyrer besiegelt wurde, mit aller Deutlichkeit beweist und so den jungen Generationen der Jünger Christi Zuversicht schenkt? Wenn das das Schicksal der Saat auf dem Boden der Geschichte war, wird die Blüte eurer Kirche in der Zukunft bedeutend sein. Ich vertraue euch, Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Gläubige, Maria, der Mutter und Königin Vietnams, an, die ihr so zärtlich liebt. Sie wird euch in der Treue zu ihrem Sohn Jesus und zu seiner Kirche unterstützen, und sie wird eure Entscheidungen leiten und die Verwirklichung eurer tiefsten Wünsche erlangen können; sie wird sich eurer Gebet zu eigen machen, das während der nunmehr bevorstehenden Adventszeit das Gebet der gesamten Kirche sein wird: „Komm, Herr Jesus“ (Offb 22,20). Und aus ganzem Herzen sende ich euch meinen liebevollen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 24. November 1985 PAPST JOHANNES PAUL II. Wirksame zwischenkirchliche Hilfe Botschaft an die deutschen Katholiken anläßlich des 25. Jubiläums der Bischöflichen Aktion Adveniat vom 1. Dezember Verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! Fünfundzwanzig Jahre Bischöfliche Aktion Adveniat - ein noch junges Jubiläum, aber doch schon würdig, in einer besonderen Weise bedacht und gefeiert zu werden. Gern nehme ich dieses zum Anlaß, um für das bisherige segensreiche Wirken dieses großen Hilfswerkes für die Kirche in Lateinamerika im Namen der Christen jenes Kontinents an euch ein 1675 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aufrichtiges Wort der Anerkennung, des Dankes und der Ermutigung zu richten. Die Bischöfliche Aktion Adveniat bildet ein Glied in der langen Kette von Initiativen zwischenkirchlicher Hilfe, die bis in die urchristliche Gemeinde zurückreicht und in der Geldsammlung der Kirche von Korinth für die bedürftige Gemeinde in Jerusalem ihren Anfang nimmt (vgl. 1 Kor 16,14). Das erste Feld für die Betätigung und Bewährung christlicher Solidarität war schon immer die kirchliche Gemeinschaft selbst, die auch die entferntesten Ortskirchen und Gläubigen brüderlich untereinander verbindet. Die Bischöfliche Aktion Adveniat bildet einen Zeitpunkt, als in den meisten Ländern Lateinamerikas ein tiefgreifender gesellschaftlicher Wandlungsprozeß einsetzte. In diesem entscheidungsvollen Umbruch sah sich die Kirche in diesen Ländern Anforderungen und Aufgaben gegenübergestellt, die sie aus eigenen Kräften nicht bewältigen konnte. Gefordert waren vor allem ein verstärkter pastoraler Einsatz und eine engere kirchliche Zusammenarbeit über alle Grenzen hinweg. Weil es an Arbeitern für die große Ernte und auch an materiellen Mitteln mangelte, kam die Hilfe von Adveniat gerade im rechten Augenblick. Während das von den deutschen Bischöfen schon vorher ins Leben gerufene Werk Misereor Menschen in aller Welt im Kampf gegen Hunger und Krankheit unterstützt, will Adveniat der Kirche in Lateinamerika vor allem helfen, den Hunger der Menschen nach Gott zu stillen; ihr die notwendigen Mittel in die Hand geben, um allen Menschen die Frohe Botschaft von der Erlösung in Jesus Christus verkünden zu können, welche die Hirten auf den Feldern von Bethlehem zum ersten Mal vernommen haben. Deshalb ist auch die Durchführung dieser Kollekte am Weihnachtsfest sehr sinnvoll, weil dieses Fest die Christen daran erinnert, daß Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist, um alle Menschen zu retten und sie untereinander und mit dem himmlischen Vater zu versöhnen. Die Gründung von Adveniat durch die Deutsche Bischofskonferenz ist eine Konkretisierung der missionarischen Verpflichtung der Ortskirchen, wie sie kurze Zeit darauf vom II. Vatikanischen Konzil nachdrücklich in Erinnerung gebracht worden ist. Die der Kirche in Lateinamerika gewährte Hilfe war zunächst für den Bau von Priester Seminaren bestimmt, erfaßte aber bald alle Bereiche der pastoralen Arbeit. Überall, in Stadt und Land, stößt man auf die Spuren von Adveniat: Fahrzeuge für Priester und Ordensleute in ländlichen Großpfarreien, katechetisches Material und Ausgaben der Heiligen Schrift, Kapellen und 1676 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeindezentren am Rand der Städte oder in abgelegenen Landgegenden, Ausbildung von Personal, Exerzitienhäuser und Bildungszentren, Priesterseminare, die Koordinierungsarbeit der Bischofskonferenzen und des CELAM, soziale Kommunikationsmittel und Hilfe für alte und kranke Priester. Wie die Vorsitzenden der lateinamerikanischen Bischofskonferenzen selbst übereinstimmend festgestellt haben, hat die Hilfe von Adveniat in der Kirche Lateinamerikas einen außergewöhnlichen Prozeß der Evangelisierung eingeleitet. Diese wirksame Hilfeleistung wird von den dortigen Ortskirchen um so lieber angenommen, als sie mit Rücksichtnahme und Einfühlungsvermögen im Geist christlicher Brüderlichkeit geschieht und die Freiheit der Kirche stärkt. Mit großzügiger Spendefreudigkeit haben die deutschen Katholiken auf den Aufruf ihrer Bischöfe für diese Aktion geantwortet. Mit ihrer Hilfe konnten bisher über 80 000 kirchliche Projekte in allen Ländern Lateinamerikas verwirklicht oder gefördert werden. Zur jährlichen Weihnachtskollekte kam zusätzlich noch die „Adveniat-Patenschaftsaktion“ hinzu, durch welche Einzelpersonen und Familien einen wichtigen Beitrag zu den Unterhalts- und Studienkosten von Seminaristen in Lateinamerika leisten. Die von beiden Initiativen bisher gewährten Hilfen in Höhe von 2 Milliarden Mark veranschaulichen die Größe und Verdienste des Wirkens von Adveniat in den ersten 25 Jahren seines Bestehens. Im Namen der zahllosen beschenkten Gläubigen, Gemeinden und Diözesen der lateinamerikanischen Kirche danke ich aufrichtig den deutschen Bischöfen und Priestern, die das Anliegen von Adveniat zu ihrem eigenen gemacht haben, wie auch den Gläubigen, die all die Jahre hindurch Adveniat in die Lage versetzt haben, diese wirksame zwischenkirchliche Hilfe zu leisten. Die erzielten Ergebnisse selbst sollen euch ermutigen, dieses segensreiche Werk weltweiter christlicher Solidarität uneingeschränkt fortzusetzen, besonders auch im Rahmen der „Adveniat-Patenschaftsaktion“, weil eure Hilfe für die Zukunft der Kirche in Lateinamerika von größter Wichtigkeit ist. Möge der Herr der Ernte selber diese hochherzige Unterstützung der missionarischen Sendung der Kirche in der Welt mit seiner Gnade reich lohnen. Zugleich erteile ich den Verantwortlichen, Mitarbeitern und allen Förderern der verdienstvollen Bischöflichen Aktion Adveniat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 1677 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Neue Initiativen zur natürlichen Familienplanung Ansprache für Lehrer der natürlichen Methoden der Geburtenregelung am 3. Dezember Meine Lieben! 1. Mit großer Freude empfange ich euch zu dieser euch vorbehaltenen Sonderaudienz und begrüße euch ganz herzlich. Ihr seid aus verschiedenen Teilen Italiens nach Rom gekommen, um an dem „Kurs für Lehrer der natürlichen Methoden zur Geburtenregelung“ teilzunehmen, der an der Medizinischen und Chirurgischen Fakultät der Katholischen Universität Sacro Cuore veranstaltet und von Frau Dr. Anna Cappella geleitet wurde. Ich möchte euch meine Anerkennung aussprechen wegen eurer Sensibilität für diese höchst aktuelle und heikle Problematik, die nach klaren und konkreten Lösungen verlangt; für euer volles Vertrauen in das Lehramt der Kirche, das im Namen Gottes und einzig und allein zum Wohl des einzelnen, der Familien und der Gesellschaft lehrt und auf den göttlichen Plan für ein eheliches Leben hinweist, das sich ganz seiner Würde bewußt ist. 2. In der Reihe der Fortbildungsveranstaltungen, die ihr besucht habt, haben euch qualifizierte Fachleute über die Kenntnis des Leibes und seiner Fruchtbarkeitsrhythmen sowie über die moralischen und personenbezogenen Motivierungen der Geburtenregelung, über die menschlichen, physischen und psychischen Bedingungen aufgeklärt, die unerläßlich sind, um die Ehe im Plan der göttlichen Vorsehung zu verstehen und zu leben. Aufgrund des Verantwortungsbewußtseins, das euch auszeichnet, besteht eure Aufgabe darin, diese Lehren an die verschiedenen Kreise in Kirche und Gesellschaft weiterzugeben, wo es ein wirklich moralisches Leben zu fördern gilt. Ich fordere euch zu sachlicher Gelassenheit und zu vertrauensvoller Zuversicht auf. Wie es im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio heißt, „kann die sittliche Ordnung nicht etwas den Menschen Demütigendes und Unpersönliches sein. Im Gegenteil, sie entspricht den tiefsten Bedürfnissen des von Gott geschaffenen Menschen und dient somit der vollen Entfaltung seines Menschseins, in jeder einfühlenden und bindenden Liebe, mit der Gott selbst jedes Geschöpf beseelt, hält und zu seiner Seligkeit führt“ (Nr. 34). Der Herr erleuchte und begleite euch stets bei dieser eurer Aufgabe, damit ihr in den verschiedensten Kreisen wahrhaft christliche Gewissen 1678 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heranbilden könnt, die zu begreifen vermögen, was tatsächlich Gottes Wille hinsichtlich des menschlichen Lebens ist, samt der Pflicht, diesen Willen anzunehmen und zu fördern. Personale Liebe und Keuschheit in der Ehe 3. Eure Aufgabe ist zweifellos schwierig, weil sich die Information und Kenntnis über die natürlichen Methoden für eine verantwortliche Elternschaft auf eine einwandfreie Anthropologie gründen müssen und daher die Erziehung zur Selbstbeherrschung und somit die Hochhaltung der Keuschheit und die hohe Einschätzung der geistigen Dimension der Liebe erfordern, die die triebhaften Impulse und die Gefühlsneigungen in sich aufnimmt und sublimiert. Auch das Bemühen um Abtötung erhält so den Zweck, eine wahrhaft personale Liebe zum Ausdruck zu bringen, die einer täglichen Enthaltsamkeit, des Verständnisses füreinander und der Geduld fähig ist. Man muß die Ehe und damit den Gebrauch der Sexualität im Lichte des Ostergeheimnisses Christi betrachten, was logischerweise Leiden und Opfer, Sieg und Freude bedeutet, weil es erleuchtet, läutert, erhebt und erlöst. So schrieb Paul VI. in der Enzyklika Humanae vitae: „Die Beherrschung des Triebes (der Begierde) durch die Vernunft und den freien Willen erlegt zweifellos eine Askese auf, damit die Gefühlsäußerungen des ehelichen Lebens der rechten Ordnung entsprechen, was insbesondere für die Beachtung der periodischen Enthaltsamkeit gilt. Aber diese Disziplin, gerade im Hinblick auf die Keuschheit der Eheleute, bedeutet keinesfalls einen Schaden für die eheliche Liebe, im Gegenteil, sie verleiht dieser nur einen höheren menschlichen Wert. Das erfordert eine ständige Anstrengung, aber dank ihres segenbringenden Einflusses entfalten die Eheleute durch die Bereicherung mit den geistlichen Werten ihre ganzheitliche Persönlichkeit“ (Nr. 21). Die Unterweisung über die natürlichen Methoden kann daher nicht von der klaren Forderung nach einem Innenleben, das sich aus Gebet und Gottvertrauen nährt, und ebensowenig von einer ständigen Erziehung zur Berufung auf die Hilfe der Gnade, zum häufigen Empfang der Sakramente der Eucharistie und der Buße, zum verantwortlichen Verhalten im Bereich der Liebe getrennt werden. Denn es handelt sich ja nicht bloß um ein biologisches und psychologisches Problem, sondern vor allem um eine Lebensauffassung und -praxis, die im „Wort Gottes“, das uns über die Natur und die Bestimmung des Menschen erleuchtet, verwurzelt und daher im Hinblick auf die Ewigkeit orientiert sind. 1679 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Im „Schlußdokument“ der kürzlich zwanzig Jahre nach dem Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils abgehaltenen außerordentlichen Bischofssynode haben die Synodenväter unter anderem geschrieben: „Auf der ganzen Erde ist heute die Weitergabe des Glaubens und der aus dem Evangelium fließenden moralischen Werte an die kommende Generation (Jugend) in Gefahr. Die Kenntnis des Glaubens und die Anerkennung der moralischen Ordnung sind oft auf ein Minimum reduziert. Ein neuer Anstoß zur Evangelisierung und zu integraler und systematischer Katechese ist ein Gebot der Stunde“ (Schlußdokument der außerordentlichen Bischofssynode, II, B, a, 2). Übernehmt auch ihr mutig die Verantwortung dieses mühevollen Einsatzes bei der unverkürzten Weitergabe der Morallehre der Kirche zur christlichen Formung der Jugendlichen und der Familien. Da wir auf das heilige Weihnachtsfest zugehen, spreche ich euch meine herzlichsten Wünsche aus und versichere euch auch meines Gedenkens im Gebet vor der Krippe, damit das in die menschliche Geschichte eingetretene Wort Gottes euch immer im Lichte seiner Offenbarung erhalte und euch mit der Gnade der Erlösung stärke. Und bei eurer Aufgabe begleitet euch auch mein Segen, den ich euch aus ganzem Herzen erteile und in den ich die euch nahestehenden Personen miteinbeziehe. Im Gebet für die Einheit der Christen Ansprache beim ökumenischen Gottesdienst mit den Teilnehmern der außerordentlichen Bischofssynode am 5. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es gibt einen Mittelpunkt, um den die Menschheitsfamilie geeint werden kann - Jesus Christus. Das ist der Wille und der Plan Gottes. Jesus sagte: „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen“ (Joh 12,32). Er starb, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“, „das Sakrament, d. h. Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott für die Einheit der ganzen Menschheit {Lumen gentium, Nr. 1). Sie ist wahrhaft der Beginn der Hineinnahme der gesamten Menschheit in Jesus Christus, den einen Herrn. „Denn Gott 1680 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (Kol 1,19-20). Spaltungen unter den Christen laufen dem Plan Gottes zuwider. „Einer ist Gott, einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus“ (1 Tim 2,5); in ihm möchte Gott alle Dinge mit sich selbst versöhnen. Diejenigen, die Träger seiner Sendung sind, müssen selbst versöhnt werden; sie müssen seine vereinigende Liebe durch ihr Wirken bekunden; sie müssen in einer solchen Gemeinschaft leben, welche auf den Vater durch den Sohn im Heiligen Geist ausgerichtet ist, und dies in einer geeinten Gemeinschaft sichtbar machen, die Zeugnis ablegt für das Versöhnungswerk Gottes. Das Zweite Vatikanische Konzil warf auf diese Notwendigkeit neues Licht, und die gegenwärtige Synode hat das noch einmal bekräftigt. Es war deshalb wichtig, daß wir in diesen Tagen gemeinsam mit unseren Freunden, den delegierten Beobachtern von den anderen Kirchen und christlichen Gemeinschaften der Welt, einige Zeit im Gebet für die Einheit der Christen verweilen. 2. Die Wiederherstellung der Einheit muß vornehmlich eine Wiederherstellung der inneren Dimension christlichen Lebens sein, ein ungeteiltes persönliches Sich-Überstellen an Christus, das jede Form von Trennung zwischen denen, die daran teilhaben, untragbar macht. Ein Nachlassen in den Einheitsbestrebungen nach dem Impuls, den ihnen das Zweite Vatikanische Konzil gegeben hatte, ist zum Teil der ungenügenden Aufmerksamkeit zuzuschreiben, die wir dieser inneren Dimension entgegengebracht haben. Wir dürfen das nicht für selbstverständlich halten. Die grundlegendste Form der Arbeit für die Einheit der Christen ist ununterbrochenes und beharrliches Gebet, das ja bereits selbst nach Zusammenarbeit und Dialog ruft. Weil sich einzelne und Gemeinschaften in der katholischen Kirche solchen Gebeten gewidmet haben, deshalb war die Kirche auf dem Zweiten Vatikaischen Konzil in der Lage, mit besonderer Energie ihre ökumenische Verantwortung auf sich zu nehmen. Eine Umkehr des Herzens, eine innere Bekehrung, eine Erneuerung der Kirche, welche unter den zentralen Anliegen des Konzils waren ( Unitatis redintegratio, Nr. 6-7), sind für die ökumenische Bewegung und ihr Wachstum unabdingbar. 3. Da wir hier heute nachmittag Zusammenkommen, laßt uns den Herrn, der allen Feindseligkeiten am Kreuz ein Ende setzte und alle Mauern der 1681 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Trennung niederbrach, darum bitten, mit Barmherzigkeit auf die tödlichen Leiden unserer Welt zu schauen. Durch die Kraft seines Heiligen Geistes möge er uns zu Werkzeugen seines Friedens und seiner Versöhnung machen. Laßt uns darum beten, daß Gott die katholische Kirche mit der Macht seiner erneuernden Gnade auf dieser Synode rühren möge, daß er auch gleichermaßen jene Kirchen und christlichen Gemeinschaften der Welt, die hier durch ihre Beobachter vertreten sind, und alle anderen christlichen Gemeinschaften erneuere und in ihrer Suche nach Einheit ermutige. Laßt uns ihm danken für alles, was er für sie und die katholische Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil getan hat. Gemeinsam bitten wir darum, daß für uns alle diese Synode ein Ansatz zum Wiederaufblühen des Willens zur Einheit werde, eine Vertiefung unserer Entschlossenheit, vorwärtszuschreiten und eine Entschiedenheit zur Fortsetzung des theologischen Dialogs, was sich in einem größeren Bemühen um Zusammenarbeit, gemeinsames Zeugnis und unbeirrbares Gebet niederschlägt. Möge er, der in uns dieses gute Werk begonnen hat, „es auch vollenden bis zum Tage Christi Jesu“ (Phil 1,6). Synode „ein Zeugnis des Heiligen Geistes“ Ansprache bei der Schlußversammlung der außerordentlichen Bischofssynode am 7. Dezember Geliebte im Herrn! 1. Ich danke Gott für die außerordentliche Bischofssynode, die 20 Jahre nach Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils stattgefunden hat. Es gebührt sich, daß wir voll Dankbarkeit und Freude unsere Herzen zu Gott erheben, weil er uns das Glück dieser zwar nur wenigen, so doch um so arbeitsameren Tage gewährt hat, auf die sich die Aufmerksamkeit der ganzen Welt richtet. Sodann öffne ich mein dankbares Herz euch allen, die ihr an der 2. außerordentlichen Bischofssynode teilgenommen habt: euch, liebe Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und Priester, die ihr gemäß der geltenden Normen der Kirche als Mitglieder an der Synode teilnehmt. Ihr habt 1682 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Synode in brüderlicher Zusammenarbeit, offenem und freiem Meinungsaustausch und inniger Gemeinschaft erfolgreich Gestalt werden lassen. Mit euch waren auf dieser Synode die Freuden, Hoffnungen, Betrübnisse und Ängste der Menschen unserer Zeit anwesend. Bei meinem Dank denke ich vor allem an euch, die Patriarchen und Metropoliten, den Großerzbischof und die Metropoliten der geliebten orientalischen Kirchen. Ich denke an euch, Vorsitzende der Bischofskonferenzen, die ihr aus allen Kontinenten hierhergekommen seid. Ich denke an euch, Kardinalpräfekten der Dikasterien der Römischen Kurie, meine unmittelbaren Helfer im universalen Dienstamt des Bischofs von Rom. Ich denke an euch, Generalobere der Orden und Ordensgemeinschaften; nicht ausgenommen den Generalsekretär der Internationalen Theologenkommission und den Sekretär der Bibelkommission. Meinen Dank drücke ich den delegierten Vorsitzenden der Synode, den Kardinälen Krol, Malula und Willebrands, aus; im klaren Bewußtsein der Natur einer Synode, doch zugleich immer auch mit sicherem Urteil und fester Hand haben sie ihr Amt mit bewundernswürdigem Einsatz durchgeführt. Ganz besonderer Dank gilt Herrn Kardinal Danneels: Als Berichterstatter haben Sie die Sacharbeit der Synode geleitet, wobei Sie die Arbeit der Mitglieder beobachteteten, die sich abzeichnende Eintracht der Meinungen und die fortschreitende Behandlung der dieser Synode vorgelegten Fragen sachgetreu wahrnahmen; zusammen mit dem Sondersekretär, Prof. Walter Kasper, und seinen Mitarbeitern haben Sie wahrlich die Arbeit nicht gescheut noch mit bereitwilliger und hochherziger Zusammenarbeit gespart, um dem Ergebnis der Synode wirklich zu dienen. Auch die Ordensmänner, Ordensfrauen, Männer und Frauen im Laienstand, die teilgenommen haben, grüße ich: Durch sie waren in dieser Aula alle Stände und lebendigen Kräfte der Kirche vertreten. 2. Eine besondere Gnade war für alle die brüderliche Gegenwart der Beobachter-Delegierten der übrigen Kirchen und entsprechenden Gemeinschaften auf dem Erdkreis, mit denen die katholische Kirche einen theologischen Dialog führt, sowie die Präsenz des Weltrates der Kirchen. Sie haben Ihren Beitrag, nicht nur durch Ihre wohlwollende Teilnahme, durch Ihr im Namen aller auf der Synode vorgetragenes Votum, sondern vor allem durch Ihr Gebet zum Ausdruck gebracht. Der Wortgottesdienst, den wir gemeinsam in dieser Aula gefeiert haben, ist ein Unterpfand kontinuierlicher ökumenischer Zusammenarbeit. Eure Anwesenheit ruft uns den providentiellen kirchlichen Rechtsakt 1683 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wieder in Erinnerung, der vor nunmehr 20 Jahren nach Abschluß des Konzils zwischen Rom und Konstantinopel stattgefunden hat: Im Rahmen einer gleichzeitig in dieser Basilika und in der St.-Georgs-Kirche im Phanar stattgefundenen Meßfeier wurde damals die gemeinsame Erklärung Papst Pauls VI. und des Patriarchen Athenagoras I. seligen Angedenkens verlesen mit dem Dekret, die im Jahre 1054 verhängten Bannsprüche aufzuheben und sie aus der Erinnerung und dem Herzen der Kirche zu reißen, da sie als Zeichen des Schismas angesehen wurden und ein echtes Hindernis für eine Versöhnung in Liebe bildeten. Es war ein Akt kirchlicher Brüderlichkeit. Nach und nach befreite sich der Geist von den unseligen Erinnerungen an frühere kämpferische und streitsüchige Zeiten, die Liebe erstarkte, der Geist der Versöhnung festigte sich. Aus allen diesen Gründen bleibt jenes Ereignis ein Wahrzeichen, denn es verweist auf die Willenshaltung, welche die ganze Frage nach der Einheit aller Christen inspirieren muß: das heißt die gegenseitige Vergebungsbereitschaft, welche in brüderlicher Liebe wächst und sich darin ausdrückt. Daraus entstehen sämtliche Initiativen der Forschung, des Dialogs und des Handelns in Sicht auf die Wiederherstellung der vollen Einheit. Die Erinnerung an dieses Ereignis befeuert uns zur Erneuerung des ursprünglichen Geistes: unsere gemeinsame Arbeit zur Wiederherstellung der Einheit fortzusetzen, auszuweiten und zu verstärken, um dem Willen des Herrn in bezug auf seine Kirche zu entsprechen. 3. Wenn es uns so beeindruckend gelungen ist, Grundlagen und Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils wieder zu vergegenwärtigen, so ist das auch der Anwesenheit der Sondergäste zu verdanken, die in verschiedener Weise mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verbunden sind. Eure Mitarbeit bei den Diskussionen in den verschiedenen Ebenen und Weisen hat die Verbundenheit mit dem historischen Ereignis des Konzils deutlich sichtbar gemacht. Ich bin euch dankbar, daß ihr meine Einladung angenommen habt, um unsere Versammlung gleichsam mit lebendiger „Erinnerung“ an die Ereignisse zu bereichern, bei denen viele von uns nicht persönlich dabeisein konnten. Dankbar bin ich hier besonders Kardinal Gabriel-Marie Garrone für seinen sorgfältigen „historischen Bericht“. Ich möchte auch nicht all jene übergehen, die sich in den verschiedenen Diensten abgemüht haben, den Ablauf der Arbeit der Synodenmitglieder zu ermöglichen: allen voran den ehrwürdigen Bruder Jan Schotte und die Mitglieder des Generalsekretariats, die Priester und Seminaristen, Über- 1684 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN setzer, Techniker, die Verantwortlichen für Presse und Rundfunk - eine Beteiligung der Massenmedien ist ja eine lebendige und ständige Notwendigkeit -, das Personal der Aula Paul VI.; das Polizeikorps; die Schweizergarde und all jene, die wir nie sehen, die aber durch ihre verborgene Arbeit Tag und Nacht viele Stunden lang eine Stütze der Synode waren. 4. Zwanzig Jahre nach Abschluß des Konzils erschien eine gemeinsame Versammlung dieser Art notwendig, ja, sie wurde geradezu gefordert angesichts des großen und reichen Erbes eben dieses II. Vatikanums. Es war wichtig, daß in diesen Augenblicken diejenigen über das Konzil ihr Urteil abgegeben haben, welche vor allen anderen dazu berufen sind, damit Fehlinterpretationen ausgeschlossen würden. Diese Zusammenkunft vor dem Erbe des Zweiten Vatikanischen Konzils war nur kurz, aber für den Augenblick ausreichend. Sie sollte dazu dienen - und das tat sie auch -, irgendwie die Erfahrung, die zwischen 1962 und 1965 gemacht wurde, zu beschreiben, mehr aber noch, die Aufgabe der weiteren Aktualisierung des II. Vatikanums wiederaufzugreifen. Katholizität: viele Kulturen — ein Glaube Wie für eine Synode üblich, war auch für diese der gegenseitige Erfahrungsaustausch, zu dem es dabei kam, äußerst nützlich. So hat sich die Synode für die in der Kirche so unerläßliche Analyse und Synthese als notwendig erwiesen. 5. Der ersten außerordentlichen Bischofssynode, die im Jahre 1969 abgehalten wurde, war die Aufgabe gestellt, „Wesen und Vollmachten der Bischofskonferenzen und ihrer Beziehung zum Apostolischen Stuhl sowie untereinander zu beschreiben und zu bestimmen“ (vgl. Paul VI., Homilie am 11. Okotober 1969; AAS 61, 1969, S. 718), wobei die Frage der Kollegialität der Bischöfe nicht unerwähnt blieb. Der derzeitigen Synode ging es darum, das Zweite Vatikanische Konzil 20 Jahre nach seinem Abschluß neu zu überdenken, zu untersuchen und zu fördern. Schon zu Beginn dieser Synode wurde klar, daß alle, die hierzu zusammengerufen waren, mit diesen Zielen übereinstimmten. Die in der „Botschaft“ und im „Schlußbericht“ enthaltenen Früchte eurer Arbeit sind ein Beweis dafür, mit welchem Eifer und Fleiß ihr euch eingesetzt habt und von welch hoher kirchlicher Gesinnung ihr euch habt leiten lassen. Noch etwas ist zu bemerken: die Vielfalt in der Einheit. Die Synodenväter konnten ihre Meinung frei vortragen. Der Wert der Beiträge in der Aula 1685 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie in den Sprachgruppen ist hoch einzuschätzen. Diese Freiheit war kein Hindernis für die wesentliche Einheit, worin sich alle miteinender verbunden fühlten. Auf diese Weise habt ihr auf vorzügliche Weise kollegiale Liebe bewiesen. Mit großer Freude und Dankbarkeit nehme ich daher aus euren Händen die „Botschaft“ und den „Schlußbericht“ entgegen, die dieses Einheitsgefühl bezeugen und die mit meiner Zustimmung Rechtsgültigkeit erhalten. Ich bete zu Gott, sie mögen vielfältige Frucht bringen. Eure Aufgabe ist es nun, die große Kraft und Bedeutung des Konzils in die Kirche und in eure Teilkirchen und Gemeinden einzubringen. Hier ist ja Katholizität greifbar geworden: Menschen aus allen Kontinenten, die verschiedenen Kulturformen angehören, aber einen Glauben bekennen, sind zu einem erhabenen Werk zusammengekommen. Die gesamte Kirche blickte mit großer Aufmerksamkeit auf diese Synode und begleitete sie mit ihren Gebeten. Mit großer Freude erfuhr ich, daß dies Jugendliche getan haben. Besonders Erwähnung verdient in diesem Zusammenhang das Jugendzentrum San Lorenzo in Rom. Die Synode leistete ihre Arbeit im Zeichen des Kreuzes, das ich nach Abschluß des Heiligen Jahres der Erlösung der Jugend übergab und welches im Internationalen Jahr der Jugend sozusagen auf Pilgerschaft ging. Die Synode, welche im Namen des Herrn zusammengekommen war und stets Gott vor Augen hatte, überließ sich dem Wirken des Heiligen Geistes, der der eigentliche Handelnde in ihr war. 6. In besonderer Weise wurde auf dieser Synode das Wesen der Kirche als Mysterium und als „Communio“ oder „koinonia“ betrachtet. Aus den im Zuge der Vorbereitungen der Synode eingegangenen Antworten wurde als Hauptthema formuliert: „Die Kirche feiert unter dem Wort Gottes die Geheimnisse Christi für das Heil der Welt.“ In Wahrheit ist die Kirche, der mystische Leib Christi, um der Welt willen errichtet worden; sie hat kein anderes Anliegen, als zu dienen; sie will das vollkommene Heil der Menschen fördern. Auf dieser Synode wurde auch wieder der kollegiale Charakter des Bischofsamtes ins Licht gerückt. Denn die Bischöfe haben - wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt — „nicht nur für eine bestimmte Diözese, sondern für das Heil der ganzen Welt die Weihe empfangen“ (Ad gentes, Nr. 38). „So gewinnt das Bischofsamt an Weite und hat stärkeren Anteil an der Leitung der Gesamtkirche, wenn die Bischöfe mit dem Papst, von dem sie berufen wurden, in der Ausübung seines Amtes enger „Zusammenarbeiten“ (Paul VI., Ansprache am 27. Okt. 1972; AAS 64, 1972, 1686 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN S. 712). Von daher versteht sich die hohe Bedeutung solcher Versammlungen. Von den wertvollen Vorschlägen, die auf dieser Synode gemacht wurden, möchte ich einige besonders hervorheben: - der Wunsch, einen Katechismus oder ein Kompendium der gesamten katholischen Lehre zu erstellen, worauf sich die jeweiligen Katechismen oder Kompendien der Ortskirchen stützen sollen; dieser Wunsch kommt einem wirklichen Bedürfnis der Universalkirche und der Ortskirchen entgegen; - sodann der Wunsch, das Wesen der Bischofskonferenzen näher zu studieren, die in unserer Zeit für das Leben der Kirche unersetzliche Arbeit leisten; - schließlich die rasche Fertigstellung des Ostkirchenrechtes entsprechend der Überlieferung dieser Kirchen und den Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils. 7. Es hat mich gefreut, daß diese Synode ihre pastorale Sorge gegenüber den leidenden Brüdern bekundet hat, der auch ich Ausdruck verleihen möchte. Besonders gedacht wurde derer, die unter Gewalt zu leiden haben, vor allem der Brüder und Schwestern im Libanon. Diesen von Krieg und Leid geprüften Brüdern möchte ich sagen, daß wir ihnen nahe sind. Der Glaube sei ihre Kraft; Hoffnung und Liebe mögen ihnen helfen, alles für die Gewinnung des Friedens zu versuchen. Wie ihr wißt, ging der Synode die Vollversammlung des Kardinalskollegiums voraus, auf der ein wichtiger Aspekt des Lebens der Kirche behandelt wurde, nämlich die Neuordnung der Römischen Kurie unter Beachtung dessen, was die Erfahrung im Lichte des Zweiten Vatikanischen Konzils nach Veröffentlichung der Konstitution Regimini Ecclesiae Universae lehrte. Es gibt also einen gewissen Zusammenhang zwischen den beiden Versammlungen. Aus diesem Grunde wurden auch die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen zu Rate gezogen; denn da die Römische Kurie ein Organ und Werkzeug des römischen Papstes bei der Ausübung seines Hirtenamtes zum Wohl und im Dienst der gesamten katholischen Kirche ist, schien es mehr als angebracht, die Meinungen und Ratschläge derer zu hören, die die Bedürfnisse der Kirche ihrer Regionen gut kennen. Diese Ratschläge wurden auf der Versammlung der Kardinäle ernsthaft in Betracht gezogen. Sie werden für sehr wichtig erachtet, damit die Kurie ihre Aufgabe beim Aufbau der Kirche immer besser zu erfüllen vermag. 1687 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. Ich bin daher überzeugt, daß die Synode wirklich anerkennenswerte Arbeit geleistet hat. Man kann mit Recht sagen, die Synode hat dem Zweiten Vatikanischen Konzil große Dienste erwiesen, denn sie vollendet die von diesem aufgesstellten Normen. Sie bekundet die durch die Bischöfe der Ortskirchen gemachte Erfahrung der Gesamtkirche. Sie ist auch ein wirksames und flexibles Instrument, ein zeitgemäßes und geeignetes Instrument, das im Dienst aller Ortskirchen steht (vgl. Johannes Paul II., Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode, 30. April 1983, Nr. 2; AAS 75, 1983, S. 649; dt. in: Wort und Weisung 1983, S. 927). Deshalb ist es angebracht, daß in der Kirche ordentliche und - falls erforderlich - auch außerordentliche Synoden abgehalten werden. Damit aber noch reichere Früchte eingebracht werden können, müßten diese Versammlungen noch umfassender vorbereitet werden; d. h., es wäre sinnvoll, wenn in den Ortskirchen die Vorbereitungsarbeiten unter Beteiligung aller erfolgten; die Vorbereitung ist nämlich eine besondere Gelegenheit für das pastorale Wirken einer Pfarrei, einer Ordensgemeinschaft und Diözese bzw. ostkirchlichen Synode oder Bischofskonferenz. Aber es geht nicht nur um eine solche Vorbereitung, sondern auch darum, die Früchte der Synode in die Ortskirchen einzubringen. So wird im Dienst der Katholizität, in Einheit von Geist und Herz lebendige Bewegung in die Kirche gebracht. Auch die Gründe des Handelns und für die Methoden müssen ständig überprüft werden, damit sie immer wirksamer werden. Das aber erfordert ständiges Studium und Bemühen. Wie aber kann man dafür sorgen, daß diese Synode im Leben der Kirche zur Anwendung gelangt? Alle sind aufgefordert, mit großem Eifer und Pflichtgefühl diese Anwendung zu leisten. Natürlich werden sie Gebet und Buße zu Hilfe nehmen, die durch nichts ersetzt werden können, wenn wir echten geistlichen Fortschritt erzielen wollen. Sodann ist es Aufgabe der Bischöfe als Seelenhirten, gemeinsam mit den ihnen zur Seite stehenden Priestern, die Gläubigen über das zu belehren, was die Synode vorgelegt hat und sie zu ermahnen, sich aus den Schätzen des Konzils mit neuem Enthusiasmus zur Führung eines christlichen Lebens anspornen zu lassen, das von Tag zu Tag mehr den Grundsätzen des Glaubens verpflichtet ist. Wie bekannt, sollen die einzigartigen Früchte dieser Synode mit Hilfe des 1983 gewählten Rates des Generalsekretariats indieTatumgesetztwerden. Aufgabe dieses Rates wird es gleichzeitig sein, die nächste ordentliche Synode 1987 vorzubereiten, wo es um die Laien in der Kirche geht. 1688 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 9. Morgen, am 8. Dezember, dem Fest der Unbefleckten Empfängnis, jährt sich zum 20. Mal der Tag des Konzilsabschlusses. Ich lade euch zur Konzelebration im Petersdom ein und auch zur Vesper in der Basilika Santa Maria Maggiore, damit wir der Jungfrau und Gottesmutter, der Mutter der Kirche und Königin der Apostel, unsere Frömmigkeit und Liebe bezeugen. Mutter der Kirche, sagte ich, denn ihr, die in besonderer Weise dem Mysterium der Kirche gegenwärtig ist, da sie ja in besonderer Weise am Geheimnis Christi teilhat, wollen wir diese Zeit des Lebens und der Sendung der Kirche anempfehlen. Denn die Sendung der Kirche ist ja in ihrer Natur verwurzelt, besser: im Geheimnis der Kirche. Wenn nämlich die Kirche „in Christus das Sakrament der innigsten Vereinigung mit Gott und der Einheit der ganzen Menschheitsfamilie ist“, so sind ihre Beziehungen und Kontakte zu allen Menschen guten Willens evident; mit denen, die nichtchristlichen Religionen angehören, besonders mit denen, die sich zu einer monotheistischen Religion bekennen (wie die Muslime), und besonders mit denen, die durch die göttliche Offenbarung des Alten Testaments mit uns noch tiefer verbunden sind. Wir glauben, daß in die Reichtümer des Schöpfungsgeheimnisses alle einbezogen sind. Wir glauben, daß durch Christus alle erlöst wurden und sich den inneren Eingebungen des Heiligen Geistes ergeben können. 10. Die Kirche wollte sich durch das Konzil keinesfalls in sich selbst zurückziehen, sich nur mit sich selbst beschäftigen (was man „Kirchenzentrismus“ nennen könnte), sondern, im Gegenteil, sie wollte sich weiter öffnen. Diesem Anliegen bleiben wir unverbrüchlich verbunden; es ist ja unsere Pflicht und Aufgabe. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir das Geheimnis der Kirche besser kennenlernen (vgl. Lumen gentium, Nr. 2); sie selbst ist nämlich die Quelle der Öffnung und Sendung (eben in der Sendung des Sohnes und des Geistes). Aus dem Abendmahlssaal am Gründonnerstag hallen uns die Worte Christi entgegen: „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben ... Es ist der Geist der Wahrheit. . ., der von mir Zeugnis ablegen wird . . . Auch ihr sollt Zeugnis ablegen von mir . . .“ (Joh 14, 16-17, 26-27, zit. vulg.). Wir sind sicher, daß das Zweite Vatikanische Konzil ein auf unsere Zeit angepaßtes Zeugnis solcher Art gewesen ist, ein Zeugnis des Heiligen Geistes, eins mit dem Apostelkollegium, das in seinen legitimen Nachfolgern lebt und weiterwirkt. Es ist das Zeugnis von Christus, dem menschgewordenen Wort, von 1689 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus, der gekreuzigt wurde und von den Toten auferstanden ist, von Christus, in dem der Vater „die Welt geliebt hat“, von Christus, der dem Menschen den Menschen und seine höchste Berufung offenbart hat (vgl. GS); außer ihm gibt es kein Heil. Dieses bekräftigte und aufs neue verkündete Zeugnis wollen wir geben, indem wir das Werk des Zweiten Vatikanischen Konzils unter den Menschen und Nationen, zu denen wir gesandt werden, fortsetzen. Schließlich erteile ich euch allen als Unterpfand meiner Liebe von Herzen den Apostolischen Segen, und zugleich erteile und erbitte ich mit euch den kollegialen Segen für die Universalkirche und die Welt. Konzil hochherzig und treu verwirklichen! Predigt bei der feierlichen Messe zum Abschluß der außerordentlichen Bischofssynode in St. Peter am 8. Dezember 1. „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ (Lk 1,35). Die Kirche schaut auf Maria, die Mutter Gottes, wie auf ihr „Urmodell“. Dieser Wahrheit hat das Konzil im letzten Kapitel der Konstitution Lumen gentium Ausdruck gegeben. Heute werden wir uns dessen erneut bewußt, - vor allem weil wir soeben das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria feierlich begehen; - dann aber auch, weil wir so die Arbeiten der außerordentlichen Synode gleichsam krönen möchten, welche sich zum 20. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils in Rom versammelt hat. Vor 20 Jahren, an diesem gleichen 8. Dezember, haben die Konzilsväter unter der Leitung von Papst Paul VI. der Heiligsten Dreifaltigkeit durch das Unbefleckte Herz Mariens die Frucht ihrer vierjährigen Arbeit dargebracht. Das zentrale Thema des Konzils war die Kirche. „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“ Erscheint die Mutter Gottes im Licht dieser Worte des heutigen Evangeliums nicht wirklich als Modell und Figur der Kirche? Denn auch die Kirche ist ja in der Menschheitsgeschichte geboren worden durch das Kommen des Heiligen Geistes! Am Pfingsttag wurde sie geboren, als der Heilige Geist auf die Apostel herabkam, die zusam- 1690 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN men mit Maria im Abendmahlssaal versammelt waren. Die Kirche wurde geboren, als die „Kraft des Höchsten“ sich über die Apostel breitete, um sie vor ihrer Schwäche zu beschützen und zugleich auch vor dem Widerspruch, den die Botschaft des Evangeliums hätte hervorrufen können: die Wahrheit vom gekreuzigten und auferstandenen Herrn. 2. Heute, am Fest Mariä Unbefleckte Empfängnis, leitet uns die Liturgie an, zum Anfang der Schöpfungs- und Heilsgeschichte zurückzukehren. Ja, sie fordert uns sogar auf, noch vor diesen Anfang zu gehen. Im Lukasevangelium hört Maria: „Sei gegrüßt, du Begnadete“ (1,28), und diese Worte erreichen sie, wie uns die Lesung aus dem Epheserbrief angibt, aus dem ewigen Denken Gottes. Sie sind Ausdruck der ewigen Liebe, Ausdruck einer Erwähnung „im Himmel“, „in Christus“. „Denn in ihm hat er uns erzählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,4). Die Jungfrau von Nazaret vernimmt: „Sei gegrüßt, du Begnadete“, und die Worte sprechen von ihrer besonderen Erwählung in Christus: In ihm hat der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus dich erwählt, Tochter Israels, damit du heilig und untadelig seiest. Er hat dich erwählt „vor der Erschaffung der Welt“. Er hat dich erwählt, auf daß du ohne Makel seiest vom ersten Augenblick deiner Empfängnis an, aus dem Wirken deiner Eltern. Er hat dich erwählt auf Christus hin, damit der Sohn Gottes im Geheimnis der Menschwerdung eine Mutter finde, die dem göttlichen Wollen in ganzer Fülle entspreche: als Mutter „der göttlichen Gnade“. Darum nennt sie der Bote „voll der Gnade“. 3. Die Liturgie der Unbefleckten Empfängnis führt uns zugleich in das Innere jenes Geheimnisses, das wir Geheimnis des Anfangs nennen können. Die 1. Lesung entstammt ja dem Buch der Genesis, dem Buch vom Anfang. Zum „Geheimnis des Anfangs“ gehört zuinnerst die Sünde des Menschen. Dazu gehört aber auch das Urevangelium: die erste Ankündigung des Erlösers. Jahwe spricht zu dem, der sich unter der Figur der Schlange verbirgt: „Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau, zwischen deinen Nachwuchs und ihren Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse“ {Gen 3,15). Auf diese Weise wird die Unbefleckte Empfängnis durch ihren Kontrast dargestellt. Dieser Kontrast ist die Sünde: die Ursünde. Unbefleckte 1691 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Empfängnis bedeutet die Freiheit vom Erbe dieser Sünde, die Befreiung von den Folgen des Ungehorsams des ersten Adam. Diese Befreiung erfolgt um den Preis des Gehorsams des zweiten Adam: Christus. Um dieses Preises willen, wegen seines erlösenden Sterbens, berührt der geistige Tod der Sünde in keiner Weise die Mutter des Erlösers im ersten Augenblick ihrer irdischen Existenz. Unbefleckte Empfängnis bedeutet dabei aber nicht eine solche Bevorzugung Mariens, als wenn sie dem Lebensbereich all derer entzogen worden wäre, die die Sünde der Ureltern übernommen haben. Im Gegenteil, sie bedeutet ihre Sendung mitten hinein in den geistlichen Kampf, in jene „Feindschaft“, bei der im Laufe der Menschheitsgeschichte der „Fürst der Finsternis“ und „Vater der Lüge“ der Frau und ihrer Nachkommenschaft gegenübersteht. In den Worten aus dem Buch der Genesis erblicken wir die reine Jungfrau in der vollen Wirklichkeit ihrer Erwählung. Wir sehen sie dann auf dem Höhepunkt dieser „Feindschaft“: unter dem Kreuz Christi auf Kalvaria. Dort erfüllt es sich: „Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse.“ Um den Preis seiner Entäußerung trägt Christus den Sieg über Satan davon, den Sieg über Sünde und Tod in der Geschichte der Menschen. Maria, die reine Jungfrau, steht unter dem Kreuz: „Indem sie . . . mit ihrem am Kreuz sterbenden Sohn litt, hat sie beim Werk des Erlösers in durchaus einzigartiger Weise in Gehorsam, Glaube, Hoffnung und brennender Liebe mitgewirkt zur Wiederherstellung des übernatürlichen Lebens der Seelen. Deshalb ist sie uns in der Ordnung der Gnade Mutter.“ Das ist Lehre des Konzils {Lumen gentium, Nr. 61). 4. Darum ist die Gottesmutter „auch mit der Kirche auf das innigste verbunden . . . (Sie) ist, wie schon der hl. Ambrosius lehrte, der Typus der Kirche unter der Rücksicht des Glaubens, der Liebe und der vollkommenen Einheit mit Christus. Im Geheimnis der Kirche, die ja auch selbst mit Recht Mutter und Jungfrau genannt wird, ist die selige Jungfrau Maria vorangegangen, da sie in hervorragender und einzigartiger Weise das Urbild sowohl der Jungfrau wie der Mutter darstellt“ {ebd., Nr. 63). 5. Die Kirche schaut deshalb stets auf ihr Urbild als Jungfrau und Mutter. Dieser Blick geht auch durch das Prisma der Unbefleckten Empfängnis. So haben die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils am 8. Dezember 1965 geschaut. Und so schauen auch wir heute, 20 Jahre nach jenem nun schon historischen Datum. 1692 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Hören auf die Lesungen der heutigen Liturgie treffen wir erneut auf das Geheimnis der Kirche, welches das Konzil im 1. Kapitel seiner Konstitution Lumen gentium - dem ersten nicht nur in zeitlicher Reihenfolge, sondern vor allem im Grad seiner Bedeutung - verkündet hat. In diesem Geheimnis von Ewigkeit her ist ja die Quelle der Existenz der Kirche enthalten. Diese würde nicht sein ohne die ewige „Liebe des Vaters“, ohne „die Gnade unseres Herrn Jesus Christus“, ohne „die Gemeinschaft des Heiligen Geistes“. Ohne diese göttliche, dreifältige Gemeinschaft gäbe es hier, auf Erden, nicht jene geschaffene, menschliche Gemeinschaft, wie die Kirche sie ist, jene Gemeinschaft, von der das Konzil an vielen Stellen redet. Wenn wir also die Worte der heutigen Liturgie zum Abschluß der Synodenversammlung vernehmen, müssen wir niederknien und sprechen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus . . . Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt. . .; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn . . .“ (Eph 1,3-6). Die Anrede „du Begnadete“, die bei der Verkündigung an die reine Jungfrau gerichtet worden ist, hallt deshalb wie ein bleibendes Echo auch in der Seele der Kirche wider: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch allen! Die Gnade gehört zum Geheimnis der Kirche, weil sie zur Berufung des Menschen gehört. In diesem Sinne ist der Mensch der Weg der Kirche (vgl. Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 14). 6. Die Geschichte der Gnade verschränkt sich jedoch im Leben der Menschheit auf dramatische Weise mit der Geschichte der Sünde. Darüber hat das Konzil vieles gesagt, vor allem in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute. Gleich zu Beginn lesen wir dort: „Vor seinen (des Konzils) Augen steht also die Welt der Menschen, d.h. die ganze Menschheitsfamilie...; die Welt, der Schauplatz der Geschichte der Menschheit, von ihren Unternehmungen, Niederlagen und Siegen geprägt; die Welt, die nach dem Glauben der Christen durch die Liebe des Schöpfers begründet ist und erhalten wird; die unter die Knechtschaft der Sünde geraten, von Christus aber, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, durch Brechung der Herrschaft des Bösen befreit wurde; bestimmt, umgestaltet zu werden nach Gottes Heilsratschluß und zur Vollendung zu kommen“ {Gaudium et spes, Nr. 2). 1693 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN So verankert also das Konzil seine Lehre von der Sendung der Kirche in der Welt von heute im Gleichnis vom Anfang der Menschheit, als wenn es den Abschnitt aus dem Buch der Genesis in der heutigen Liturgie vortrüge. Zugleich bekennt das Konzil in ganzer Fülle und Tiefe das Geheimnis der Erlösung - der Welt und des Menschen in der Welt wie sie Tod und Auferstehung Christi bewirkt haben. Die ganze Kirche steht auf dem Fundament dieses Geheimnisses. Von der Kraft dieser Erlösung ist die Kirche durchdrungen; von ihr lebt sie, und durch sie überwindet sie die „Macht des Bösen“. Maria — Urbild der Kirche So erfährt also die Kirche, die wahre Kirche Christi, durchaus die „Feindschaft“, von der das Urevangelium der Genesis spricht; aber in der Gnade Gottes fürchtet sie sich nicht davor. Zur Berufung der Kirche gehört es, teilzuhaben an der von Christus erwirkten grundsätzlichen Befreiung, teilzuhaben in Demut und Zuversicht. So wie daran auch die reine Jungfrau Anteil hat: „sie, die geglaubt hat.“ 7. Im heutigen Evangelium sagt Maria als Antwort auf die Ankündigung des Engels von sich selbst: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Diese Worte sind tief eingegangen in die Sprache der Kirche. Heute wollen wir sie auf uns selbst beziehen, liebe Brüder im Bischofsamt und ihr alle, die ihr an dieser Synode zum 20. Jahrestag des Zweiten Vatikanischen Konzils teilgenommen habt. Wir möchten ja aus dieser Synode hinausgehen, um der Sache zu dienen, der sie sich ganz gewidmet hat; so wie wir vor 20 Jahren aus dem Konzil hinausgegangen sind. Die Synode hat die Ziele erreicht, für die sie einberufen worden ist: feierlich des Konzils zu gedenken, seine Auswirkungen zu prüfen, seine Realisierung zu fördern. Wenn wir nun aus der Synode hinausgehen, wollen wir unsere pastoralen Anstrengungen verstärken, damit das Zweite Vatikanische Konzil mehr und tiefer bekannt werde und die Leitlinien und Weisungen, die es uns hinterlassen hat, von allen mit ganzem Herzen angeeignet und in Treue und Liebe im Leben aller Mitglieder des Volkes Gottes verwirklicht werden. Wir verlassen die Synode mit dem festen Vorsatz, in der kirchlichen 1694 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaft immer mehr das Klima des neuen Pfingsten zu verbreiten, das uns während des Konzils beflügelte und das wir in diesen zwei Wochen erneut mit Freude erfahren durften. Wir verlassen die Synode mit dem Willen, der ganzen Menschheit mit frischer Überzeugungskraft die Botschaft von Glaube, Hoffnung und Liebe anzubieten, welche die Kirche in ihrer unvergänglichen Jugendlichkeit mit sich trägt; denn ihr Licht ist der lebendige Christus, „Weg, Wahrheit und Leben“ für den Menschen unserer Zeit und aller Zeiten. Am Ende dieser Eucharistiefeier wird in verschiedenen Sprachen die Botschaft verkündet, mit der sich die Väter der Synode an Kirche und Welt wenden. Ich wünsche mir, daß sie die Herzen erreicht und die Einsatzbereitschaft aller bestärkt, die Lehren und Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils hochherzig und getreu zu verwirklichen. 8. Solche Wünsche und Überzeugungen bewegen uns an diesem Hochfest der Kirche: Mariä Unbefleckte Empfängnis. Die Kirche schaut auf Maria, ihr „Modell und Urbild“ im Heiligen Geist. „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Diese Worte hört Maria während der Verkündigung der Menschwerdung Christi. „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8), so vernehmen es die Apostel vom auferstandenen Herrn, und das ist die Verkündigung der Geburt der Kirche am Pfingsttag. Am Ende des 2. Jahrtausends nach Christus wünscht die Kirche mit brennendem Herzen nur dies eine: dieselbe Kirche zu sein, wie sie vom Heiligen Geist geboren wurde, als die Apostel im Abendmahlssaal von Jerusalem zusammen mit Maria einmütig im Gebet verharrten (vgl. Apg 1,14). Von Anfang an gehörte ja zu ihrer Gemeinschaft auch die „ohne Erbschuld Empfangene“. Auf sie schauten sie als ihr Modell und Urbild. Am Ende des 2. Jahrtausends will die Kirche mit Nachdruck „Kirche in der Welt von heute“ sein; mit allen Kräften möchte sie dazu dienen, daß das Menschenleben auf dieser Erde immer mehr des Menschen würdig sei. Zugleich aber ist sie sich bewußt, vielleicht mehr als je zuvor, daß sie diesen Dienst nur in dem Maße erfüllen kann, wie sie in Christus das wirksame Zeichen inniger Einheit mit Gott und hierdurch auch das 1695 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wirksame Zeichen für die Einheit des ganzen Menschengeschlechtes ist (vgl. Lumen gentium, Nr. 1). In Jesus Christus. Durch den Geist der Wahrheit. Das Konzil Maria anvertraut Ansprache bei der Weihe an die Gottesmutter in der Basilika Santa Maria Maggiore am 8. Dezember 1. „Wo die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden“ (Röm 5,20). Diese Worte aus dem Römerbrief in der heutigen Liturgie beziehen sich vor allem auf das Geheimnis von der unbefleckten Empfängnis. In diesem Geheimnis erblicken wir in der Tat die erhabensten Früchte des göttlichen Erbarmens in einem menschlichen Geschöpf. Eben dort, im Herzen einer Frau: Eva, wo die Sünde mächtig wurde, ist im Herzen einer Frau: Maria, die Gnade übergroß geworden. Die Gnade, die der Menschheit durch Maria zuteil wird, ist viel größer als der Schaden, der von der Sünde unserer Ureltern herstammt. In Maria sehen wir wie in keinem anderen menschlichen Geschöpf den Triumph der Gnade über die Sünde, in ihr sehen wir die Erfüllung der Prophezeiung der Genesis vom „Sproß der Frau“, der die höllische Schlange „am Kopf trifft“ (vgl. Gen 3,15). 2. Zwanzig Jahre nach dem Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils kommen wir, die Teilnehmer an der anläßlich dieser 20-Jahr-Feier einbe-rufenen Synode, heute nachmittag als Pilger in dieses römische Heiligtum. In dieser herrlichen Basilika, einem wunderbaren Zeugnis der Marienverehrung, wollen wir heute die Geste wiederholen und wieder lebendig werden lassen, die Papst Paul VI. am 11. Oktober 1963, dem ersten Jahrestag des Konzilsbeginns, vollzogen hat, um das Gebet seines Vorgängers in dem Augenblick zu erneuern, wo die Konzilsväter sich anschickten, das Geheimnis Mariens zu behandeln; eine Geste, die er dann am Nachmittag des 21. November 1964 erneuerte, nachdem er morgens die Gottesmutter zur „Mutter der Kirche“ erklärt hatte. 3. Nach der Eucharistiefeier heute vormittag am Grab des hl. Petrus wollen wir hier in der Vesper mit Maria unser Magnifikat singen. 1696 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - „Er hat Großes an mir getan . . - Wir wollen nach zwanzig Jahren dem Herrn für das Geschenk des Zweiten Vatikanischen Konzils danken. - Wir wollen ihm auch für all das Gute, das sich während der Arbeiten der jetzigen Synode verwirklicht hat, danken. - Und wir danken auch der seligsten Jungfrau, daß sie während des Ablaufes der Synode mit ihrem wirksamen, wenn auch unsichtbaren Schutz gegenwärtig gewesen ist. - Wir danken ihr, daß sie vom Vater und vom Sohn den Beistand des Geistes für die Arbeiten der Synode erwirkt hat. - Wir danken ihr, daß sie für uns die erhebende und unsagbare Erfahrung der kirchlichen Gemeinschaft lebendig werden ließ. „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (.Ps 133,1). - Wir danken ihr, daß sie uns Vorbild gewesen ist für das Hören auf die Wahrheit, für die Hingabe in der Liebe, die Festigkeit in der Hoffnung, die Geduld in den Mühen, das Ausharren in den Schwierigkeiten. - Wir danken ihr, daß sie uns angeleitet hat zum Hören des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und uns das Geheimnis jener Kirche besser begreifen ließ, deren Mutter und unübertrefflich erhabenes Glied und Vorbild sie ist. 4. Wie Papst Johannes XXIII. die Arbeiten, Mühen und Hoffnungen des Zweiten Vatikanischen Konzils dem Schutz der Jungfrau und zugleich dem des hl. Josef anvertraute, so möchte ich diesen Akt erneuern und das große Geschenk des nach zwanzig Jahren nun mit den Augen der Synode gesehenen Konzils den Händen der unbefleckten Jungfrau und Gottesmutter anvertrauen. Ich möchte es ihr anvertrauen, damit die Kirche mit neuer Hingabe und Kraft zu verwirklichen vermag, was ihre eigentliche Sendung darstellt: „Sakrament der Einheit mit Gott . . . und der Einheit des ganzen Menschengeschlechts . . .“ zu sein. Damit sich die Kirche mit neuem Elan der Heilsaufgabe widmen kann, die ihr vom Vater, vom Sohn und vom Heiligen Geist aufgetragen wurde. Damit sie in Christus „das Licht der Völker“ und die „Freude und Hoffnung der Menschen“, der von vielfältigen Ängsten und Niedergeschlagenheiten verstörten Menschen, sein kann. Durch den Weiheakt bitten wir gemeinsam die Muttergottes, daß sie hier bei uns als Mutter der Kirche zugegen sein möge, so wie sie am Pfingsttag bei den Aposteln anwesend war. Nachdem wir uns in dieser Abendstunde mit den Mitgliedern der Synode 1697 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und zahlreichen anderen Brüdern und Schwestern um das verehrte Bild der Muttergöttes versammelt haben, bitten wir Maria darum, dieselbe geistliche Atmosphäre von Gemeinschaft, Einheit, Freude und Hoffnung erleben zu dürfen, die — wie die Apostelgeschichte berichtet (Apg 1,14) — die christliche Urgemeinde umgab, die sich über die Anwesenheit der Muttergottes freute. 5. „Wo die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden.“ Wir wissen um dieses „Mächtigwerden der Sünde“ auch in unserer Zeit, am Ende des zweiten Jahrtausends nach Christus. Da wir mit Maria verbunden sind, wagen wir zu hoffen, daß die „übergroße Gnade“ noch größer werden wird: - daß sich die Macht der Erlösung, die Macht des Kreuzes und der .Auferstehung als stärker erweisen wird als jedes Übel, das es in der Welt gibt und das aus der Welt und von außerhalb der Welt kommt. Dieser Sehnsucht haben wir bereits im Jubiläumsjahr der Erlösung -insbesondere am 25. März jenes Jahres — Ausdruck gegeben, und heute erneuern wir diese Glaubensgewißheit in Verbundenheit mit der Mutter der Kirche und ihrem unbefleckten Herzen. Wir wollen als Kirche Sakrament sein, „Werkzeug“ der Heilsökonomie Gottes. Wir wollen dienen. Blicken wir darum auf die Magd des Herrn. Durch sie wollen wir Christus tiefer kennenlernen. Wir wollen die Kirche und den Menschen besser kennenlernen, um ihm auf immer reifere Weise zu dienen. 6. Dazu lädt uns auch die Synode ein. Sie hat die Aufgabe, die sie sich vorgenommen hatte, erfüllt, nämlich das große Ereignis des Konzils zu feiern, seine Lehren zu verkünden und zu vertiefen, ihre Auswirkungen zu prüfen und ihre weitere Realisierung zu fördern. Dazu hat die Synode erneut das Geheimnis der Kirche untersucht, indem •-sie die Wirklichkeit ihrer Gemeinschaft und die Weite ihrer Sendung beleuchtete. Nachdrücklich hat die Synode die Verbundenheit der Kirche mit dem Paschamysterium von Tod und Auferstehung betont und dabei aufs neue die vorrangige Bedeutung der Verkündigung und des Zeugnisses der Frohbotschaft in unserer Zeit und damit der unumgänglichen Pflicht jedes Christen bestätigt, der Berufung zur Heiligkeit zu entsprechen, deren herrliches Beispiel die unbefleckte Jungfrau ist. Auf diese Weise zeigt sich die Kirche tatsächlich als „Sakrament“, d. h. als Zeichen und Instrument der Einheit, des Friedens und der Versöhnung auch zwischen allen Menschen, Nationen, sozialen Klassen, Kulturen und 1698 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN entfaltet ihren bevorzugten, wenn auch nicht ausschließlichen Dienst an den Armen, den Unterdrückten, den Benachteiligten im echten Geist des Evangeliums, der der Geist der Liebe und des Erbarmens ist. Dem mütterlichen Herzen der Jungfrau vertraue ich, gleichsam die Impulse eines ihrer Wünsche auf greifend, alle jene an, die überall auf der Welt wegen irgendwelcher Ängste und Leiden ihres Schutzes in besonderer Weise bedürfen. 7. So wollen wir also mit ihr, der unbefleckten Mutter der Kirche, „die großen Werke Gottes“ loben. „Du, Ruhm Jerusalems, du, Freude Israels, du, Ehre des neuen Volkes.“ In dieser alten Basilika, in der die Kirche von Rom dich als „Salus populi Romani“, als „Heil des römischen Volkes“ verehrt, wollen wir danken „für alles, was Gott an uns getan hat“, während wir von Generation zu Generation um sein Erbarmen für die Kirche und die Welt flehen. 8. Dir, o Mutter, vertrauen wir mit unendlicher Zuversicht die Früchte und Ergebnisse der Synode an! Dir vertrauen wir uns alle, unsere Mühen, unsere Vorsätze, unsere Hoffnungen an. Dir vertrauen wir die ganze Kirche und die gesamte Menschheit an, wobei wir besonders an jene Menschen und Völker denken, die dessen besonders bedürfen und deren Anvertrauung und Weihe du in höchstem Maße wünschst. Laß, o Mutter, durch deine Fürbitte die Botschaft der Synode in den Herzen wirksam werden, so daß ihre Ziele erreicht werden können und die konziliare Erneuerung aufrichtig wiederentdeckt, getreu vertieft, mutig verwirklicht und mit Enthusiasmus und Glaubwürdigkeit dargelegt und verbreitet werden kann! Du hast, überschattet vom Heiligen Geist, deinen göttlichen Sohn geboren; erwirke durch deine Fürbitte der Kirche eine neue Ausgießung des; Geistes, der einen heileren Glauben, eine reinere Hoffnung und eine selbstlosere Liebe in die Herzen bringe! Du ziehst die Herzen der Menschen sanft auf den Weg der Gerechtigkeit und Versöhnung. Rufe diejenigen wieder zur Einheit der kirchlichen Gemeinschaft, die sich aus ihr entfernt oder sie durch Auflehnung, Ungehorsam und Sünde zerbrochen haben! Du bist von der Empfängnis an vor jedem Makel bewahrt geblieben. Verteidige deine Kinder im Kampf gegen die Macht der Finsternis und die Nachstellungen des Irrtums und der Lüge! Dein unbeflecktes Herz herrsche in den Gewissen, in den Familien, in der Gesellschaft, in den Nationen, in der ganzen Menschheit! O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria! 1699 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „ Typus“ und „ Vorbild“ der Kirche Gebet an der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am 8. Dezember 1. Tota pulchra es, Maria: Ganz schön bist du, Maria. Mit diesen Worten grüßt die Kirche am heutigen Hochfest die Mutter Christi. Tota pulchra es, Maria, et macula originalis non est in te: Ganz schön bist du, Maria, und kein Makel der Erbsünde ist in dir. Du bist ganz schön von der Schönheit Gottes. Du bist ganz schön von der Schönheit der Gnade. Das Erbe der Ursünde ist nicht in Dir. Du bist ohne Makel. 2. Die Kirche von Rom, die Kirche der Ewigen Stadt, schließt sich diesem Lobhymnus an. Wegen dieser besonderen Erwählung, die der Immakulata, der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, zuteil geworden ist, betet sie die Heiligste Dreifaltigkeit an. Mit tiefster Verehrung bekennt sie das Mysterium der Erlösung, das sich in ihr auf besondere und außerordentliche Weise erfüllt hat. Der Sitz der Apostel Petrus und Paulus ist besonders empfänglich für die geistliche Schönheit der unbefleckten Jungfrau, verbunden mit der Schönheit ihrer göttlichen Mutterschaft. Er grüßt sie als die, die „voll der Gnade“ ist. Er grüßt sie als „Mutter der göttlichen Gnade“. Davon gibt die Kirche von Rom heute wie jedes Jahr in besonderer Weise Zeugnis, wenn sie sich am Fuß der von der Marienstatue gekrönten Säule auf dem Spanischen Platz zum Gebet einfindet. Wir alle nehmen an diesem Zeugnis teil und bekennen mit den Lippen und dem Herzen: „Tota pulchra es Maria.“ 3. Heute blicken wir mit besonderem Vertrauen auf sie, die so tief mit der Kirche verbunden ist und die ihr „Typus“ und „Vorbild“ geworden ist (vgl. Lumen gentium, Nr. 63). Sie ist die Führerin „in der Ordnung des Glaubens, der Liebe und der vollkommenen Einheit mit Christus“, wie das Konzil lehrt (ebd.). Erheben wir unsere Augen zu ihr mit der Bitte, uns das Mysterium Christi und der Kirche, in dem sie in herausragender Weise gegenwärtig ist, immer vollkommener zu enthüllen (vgl. Lumen gentium, Nr. 8). Beten wir auch darum, daß die Kirche von Rom sich gemäß den Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils unablässig erneuere. Die Versammlung der Bischofssynode, die heute zu Ende ging, ist ein neuer Antrieb dazu. 1700 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Indem wir alles Beunruhigende, die Leiden und Erwartungen unserer Zeitgenossen aufgreifen und mithineinnehmen, beten wir mit lauter Stimme und voll Inbrunst zur unbefleckten Jungfrau: Sei gegrüßt, du Stern des Meeres, glorreiche Gottesmutter . . . zerreiße die Fesseln der Unterdrückten, schenke Licht den Blinden, befreie uns vom Bösen, erflehe uns das Gute, schenke der Welt den Frieden! Erweise dich als Mutter aller! Amen. Zum Dienst an der ganzen Kirche bestimmt Ansprache an die Priester der Gemeinschaften des neokatechumenalen Wegs am 9. Dezember Meine Lieben! 1. Mit lebhaftem Interesse habe ich die Worte gehört, die Kiko Argüello im Namen von euch allen an mich gerichtet hat und mit denen er beschreiben wollte, wie alle in den verschiedenen Nationen verstreuten Gemeinschaften des neokatechumenalen Wegs sich in ständigem Gebet und Meditation für die außerordentliche Bischofssynode engagierten, die zwanzig Jahre nach Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils abgehalten wurde. Eure geistige Teilnahme an der Vorbereitung und eure Anwesenheit bei der Schlußzeremonie der Synode wollten eine bedeutungsvolle und feierliche Bekundung eurer Treue zu Christus, dem Erlöser, und zur pilgernden Kirche sein, die den Menschen die Gnade insbesondere in den sakramentalen Zeichen, die an die Wirksamkeit der Erlösung erinnern und sie gegenwärtig machen, vermittelt. Diese Audienz bietet mir die willkommene Gelegenheit, der zahlreichen Begegnungen zu gedenken, die ich mit euren verschiedenen Gemeinschaften besonders bei den Pastoralbesuchen in meiner Diözese Rom hatte, Begegnungen, bei denen ich eure geistliche Erfahrung ermutigte, die sich auf die Grundbedeutung des Taufsakraments gründet in dem Bewußtsein, daß die Taufe zu verwirklichen, vor allem heißt, wirklich als Christ zu leben; es bedeutet, sich innig mit Christus in der Eucharistie zu vereinen; es bedeutet, alle Menschen konkret und wirksam als Brüder in 1701 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus zu lieben; es bedeutet, die eigenen sittlichen Entscheidungen im Einklang mit dem Taufversprechen zu fällen und zu treffen. „Dieser Weg, der Weg des Glaubens, der Weg der wiederentdeckten Taufe - so sagte ich zu euren Freunden in der Pfarrei der kanadischen Märtyrer in Rom —, muß der Weg des neuen Menschen sein; dieser sieht das Verhältnis oder besser das Mißverhältnis seines geschaffenen Wesens, seiner Geschöpflichkeit im Vergleich zum Schöpfer, zu seiner unendlichen Majestät, zu dem erlösenden Gott, zu dem heiligen und heiligenden Gott und versucht, sich in dieser Perspektive zu verwirklichen“ (Insegnamenti III/2, 1980, S. 1044). 2. Die meisten von euch gehören einer großen Gruppe von Pfarrern und Priestern an, die auf dem Feld des neokatechumenalen Wegs arbeiten. Das Zweite Vatikanische Konzil hat seine Aufmerksamkeit und seine Sorge auch dem priesterlichen Dienst und Leben gewidmet: im Dekret Presbyterorum ordinis, das am 7. Dezember 1965 feierlich verkündet wurde. In diesem bedeutenden Dokument - über das erneut nachzudenken ich euch auffordere - unterstrich das Konzil, das sich dabei auf das Wort Gottes, auf die Lehre der Väter, des Lehramtes und auf die lebendige Tradition des Gottesvolkes stützte, daß die Priester durch die heilige Weihe und die vom Bischof empfangene Sendung „zum Dienst für Christus, den Lehrer, Priester und König bestellt werden. Sie nehmen teil an dessen Amt, durch das die Kirche hier auf Erden ununterbrochen zum Volk Gottes, zum Leib Christi und zum Tempel des Heiligen Geistes auferbaut wird“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 1). Ihr hier anwesenden Pfarrer und Priester wünscht natürlich auch ein Wort des Papstes, um besser verstehen zu können, was die Kirche heute von euch erwartet. Ich tue das gern, weil ich sicher bin, daß meine Ermahnung und Ermutigung auch auf eure Gemeinschaften und auf die einzelnen im Hinblick auf ihre Präsenz in der Wirklichkeit der Kirche einen positiven und heilsamen Einfluß haben wird. 3. Die Ziele, die sich eure neokatechumenalen Gemeinschaften setzen, entsprechen natürlich einer der besorgniserregendsten Fragen der heutigen Seelsorger, besonders in den Ballungsgebieten der Großstädte. Eure Absicht ist es, die Masse der getauften, aber im Glauben kaum unterwiesenen Erwachsenen zu erreichen, um sie durch einen spirituellen Weg zur Wiederentdeckung der bei der Taufe gelegten Wurzeln ihrer christlichen Existenz anzuleiten und sie immer stärker ihrer Pflichten bewußtzumachen. Auf diesem Weg bleibt das Wirken der Priester grundlegend. 1702 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, daß die Stellung, die euch als Führer der Gemeinschaften zukommt, ganz klar sein muß, damit euer Wirken im Einklang mit den realen Erfordernissen der Seelsorge steht. Die erste Forderung, die an euch gestellt wird, ist, eurer priesterlichen Identität innerhalb der Gemeinschaft treu zu bleiben. Durch die heilige Weihe ist euch ein besonderes Merkmal aufgeprägt worden, das euch dem Priester Christus gleichförmig macht, so daß ihr in seinem Namen handeln könnt (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 2). Der geweihte Diener wird daher nicht nur als Bruder, der mit der Gemeinde den Weg teilt, sondern vor allem als derjenige aufgenommen werden müssen, der „in persona Christi“, im Namen Christi, handelt und die unersetzliche Verantwortung des Lehrers, Heiligmachers und Führers der Seelen in sich trägt, eine Verantwortung, die er unter keinen Umständen abgeben kann. Die Laien müssen diese Tatsachen an dem verantwortungsvollen Verhalten, das ihr an den Tag legt, erkennen können. Es wäre eine Illusion zu glauben, ihr würdet dem Evangelium dienen, wenn ihr in einer falschen Auffassung von Demut und in einer mißverstandenen Äußerung von Brüderlichkeit euer Charisma verwässert. Ich will hier wiederholen, was ich bereits den kirchlichen Assistenten der Internationalen Katholischen Vereinigungen bei gegebenem Anlaß sagen konnte: „Laßt euch nicht irreführen! Die Kirche will, daß ihr Priester seid, und die Laien, die euch begegnen, wollen, daß ihr Priester seid und nichts anderes. Die Verwirrung der Charismen ist für die Kirche keine Bereicherung, sondern macht sie ärmer“ (Ansprache am 13. Dezember 1979, Nr. 4; Insegnamenti II/2, 1979, S. 1391). 4. Eine andere heikle und unverzichtbare Aufgabe, die euch erwartet, ist die Förderung der kirchlichen Gemeinschaft nicht nur innerhalb eurer Gruppen, sondern mit allen Gliedern der Pfarr- und Diözesangemeinde. Welcher Dienst auch immer euch anvertraut wird, ihr seid die Vertreter und die „providi cooperatores“, die beauftragten Mitarbeiter des Bischofs, an dessen Autorität ihr euch in besonderer Weise gebunden fühlen sollt. Denn in der Kirche ist es Recht und Pflicht des Bischofs, die Weisungen für die pastorale Tätigkeit zu erteilen (vgl. CIC, can. 381 ff.), und alle sind verpflichtet, sich nach diesen Weisungen zu richten. Diesbezüglich habe ich im vergangenen Jahr anläßlich der Vollversammlung der Kongregation für den Klerus folgendes gesagt: „Es wird Aufgabe der Pfarrer und Bischöfe sein, sich zu bemühen, die positiven Werte, die diese Gemeinschaften besitzen, für die Pfarreien zu nutzen und sich ihnen ihrerseits zu öffnen. Aber es muß klar sein, daß Basisgemeinden sich nicht 1703 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf dieselbe Ebene mit den Pfarrgemeinden als mögliche Alternative stellen können. Sie haben vielmehr die Pflicht zum Dienst in der Pfarrei und in der Ortskirche. Und eben an diesem Dienst, der im Gefüge der Pfarrei und der Diözese zu leisten ist, wird sich die Gültigkeit der jeweiligen Erfahrungen innerhalb dieser Bewegungen öder Vereinigungen erweisen“ (Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für den Klerus, 20. Oktober 1984, in: O.R. dt., 23. 11. 84, S. VII). 5. Noch einen Punkt möchte ich euch zu bedenken geben. Wenn ihr euren Dienst bei der Führung der neokätechumenalen Gemeinschaften ausübt, fühlt euch nicht zum Dienst an einer gesonderten Gruppe, sondern zum Dienst an der ganzen Kirche bestimmt. „Die Geistesgabe, die den Priestern in ihrer Weihe verliehen wurde - erinnert uns das Zweite Vatikanische Konzil -, rüstet sie nicht für irgendeine begrenzte und eingeschränkte Sendung, sondern für die alles umfassende und universale Heilssendung .. ., denn jeder priesterliche Dienst hat teil an der weltweiten Sendung, die Christus den Aposteln aufgetragen hat“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 10). Das Bewußtsein dieser Sendung und die Notwendigkeit, euch ihr anzupassen, sollen euch helfen, euren apostolischen Initiativen immer mehr Kraft zu verleihen und für die Probleme und Bedürfnisse der ganzen Kirche offen zu sein. Zudem wird euch eben dieses Bewußtsein dadurch, daß es euch das Band der Gemeinschaft mit der Gesamtkirche, mit ihrem sichtbaren Oberhaupt und den Bischöfen stärker fühlen und leben läßt, die sehr wichtige Aufgabe erleichtern, die den Priestern in den Gemeinden Vorbehalten ist, nämlich, wachsam zu sein, was die Richtigkeit des Verhaltens sowohl hinsichtlich der Ideen wie des praktischen Handelns betrifft. Festigt, liebe Brüder, in euch immer mehr diese lebendige Verbundenheit mit der ganzen Katholizität. Das wird euch eine große Hilfe sein, besonders wenn ihr euch müde und entmutigt fühlt, weil ihr seht, daß eure Bemühungen durch die Taubheit und Gleichgültigkeit der Herzen nicht gebührend belohnt werden; da werdet ihr euch trösten können mit dem Gedanken, daß ihr nicht allein seid und daß eure Arbeit, auch wenn sie in einem Teil des mystischen Leibes der Kirche Fehlschläge erleidet, keineswegs vergebens ist, weil Gott sie dem Wohl der ganzen Kirche dienen läßt. 6. Geliebte Priester, zum Abschluß dieser willkommenen Begegnung mit euch erneuere ich mein Vertrauen in euren kirchlichen Dienst und ermahne euch, euer ganzes Vertrauen wieder auf den zu setzen, der 1704 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN euch mit der Liebe der Erwählung geliebt und euch zur Teilhabe an seinem Priestertum berufen hat. Eben darum erinnert uns der hl. Paulus daran, daß wir alle Bedrängnis „durch den überwinden werden, der uns geliebt hat“ (Röm 8,37). Ich schließe mit der Ermahnung des Verfassers des Briefes an die Hebräer: „Werft also eure Zuversicht nicht weg, die großen Lohn mit sich bringt. Was ihr braucht, ist Ausdauer, damit ihr den Willen Gottes erfüllen könnt und so das verheißene Gut erlangt“ (Hebr 10,35-37). Setzt unter dem Blick der unbefleckten Jungfrau Maria, der Mutter der Priester und Königin der Apostel, euren Weg fort. Euch sowie alle eurer Führung anvertrauten neokatechumenalen Gemeinschaften begleite mein Apostolischer Segen. Gelebtes Zeugnis nach der Lehre der Kirche Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 13. Dezember Herr Kardinal! Liebe Brüder und Schwestern! <247> <247> Ich freue mich, euch anläßlich eurer Vollversammlung zu begrüßen, die besonders wegen des Beitrags der aus allen Gegenden kommenden Eheleute die hohe Zeit der Tätigkeit eures Päpstlichen Rates ist. Wir haben eben erst die außerordentliche Bischofssynode beendet, die aus Anlaß der 20-Jahr-Feier des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils zusammengetreten war. Wir haben zusammen mit den Präsidenten der Bischofskonferenzen und den anderen Synodenvätern versucht, die geistlichen Früchte des Konzils zu bewerten, wobei wir unseren Willen erneuerten, offen für das Wirken des Heiligen Geistes zu sein, der seine Kirche dazu anspornt, sich des Geheimnisses ihrer Identität im Verhältnis zu Christus und der Verantwortung, die ihr vor der Welt und vor den Menschen von heute zukommt, immer klarer bewußt zu werden. Wir haben seit einem Monat mehrere Konzilsdokumente erwähnt, die vor nunmehr zwanzig Jahren angenommen und veröffentlicht worden sind. Eines der wichtigsten Dokumente war die Pastoralkonstitution Gaudium et spes, die am 7. Dezember 1965 angenommen wurde. Sie macht eine 1705 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN christliche Sicht des Menschen und der Gesellschaft und die Wechselwirkung zwischen der Kirche als Volk Gottes und den menschlichen Gemeinschaften geltend. Sie behandelt eine Vielzahl von Problemen, die für die heutige Welt von entscheidender Bedeutung sind und von denen an erster Stelle die Lehre über die Ehe und Familie genannt werden muß. Diese beiden Themen sind seitdem Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit seitens des kirchlichen Lehramtes. Die Enzyklika Humanae vitae meines Vorgängers Paul VI., die Synode über die Aufgabe und Sendung der Familie und das Apostolische Schreiben Familiaris consortio sowie die katechetischen Überlegungen, die ich den konkreten Aspekten der christlichen Lehre über die Ehe gewidmet habe, abgesehen von den vielen Pastoraldokumenten meiner Brüder im Bischofsamt, haben die Gläubigen auf die rechte menschliche und christliche Ordnung der Bindung hingewiesen, die sie am sakramentalen Geheimnis der Ehe teilhaben läßt. Das Familienkomitee - das dann zum Päpstlichen Rat für die Familie geworden ist - wurde errichtet, um besser zur Darstellung und Verbreitung der Lehre über die Ehe und Familie beizutragen und so eine unmittelbare und angemessene Hilfe bei der spezifischen Seelsorge in verschiedenen, das Familienleben berührenden Situationen zu leisten. Ihr alle, die ihr völlig rechtmäßig diesem Dikasterium der Kirche angehört, seid also Mitarbeiter des Papstes in seiner Sorge für alle Kirchen. Ich danke euch herzlich für eure Zusammenarbeit. Eure Aufgabe bezieht sich zugleich auf die Lehre und die Pastoral der Familien. 2. Ihr müßt euch daher zuerst auf die Wahrheit beziehen, die die Kirche über die Ehe darlegt und weitergibt. Das Lehramt der Kirche erfindet die Lehre nicht, es lehrt die Forderungen der sittlichen Ordnung, damit in ihrem Licht das Urteil des Gewissens wahr sein kann. Der Gläubige hat das Recht, vom Lehramt die Unterweisung über die sittliche Wahrheit zu erhalten. Und man kann nicht sagen, daß das Lehramt der Kirche den „Rechten des Gewissens“ entgegensteht. Wenn die menschliche Vernunft und das auf die Offenbarung gegründete Lehramt, freilich in verschiedener Weise, Zugang zu der Wahrheit haben, die in Gott begründet ist, wird das von der Vernunft aufgeklärte Gewissen in diesem anderen Licht, das ihm durch das Lehramt zukommt, nicht bloß eine Auffassung unter anderen sehen, sondern die Hilfe, die unserer menschlichen Natur in ihrer Schwachheit und Begrenztheit von der göttlichen Vorsehung zuteil wird. Das kirchliche Lehramt ersetzt also nicht das sittliche Gewissen der Menschen; es hilft ihm, sich herauszubilden, die Wahrheit der Dinge, das Geheimnis und die Berufung der menschlichen Person, den tiefen Sinn 1706 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihrer Handlungen und ihrer Beziehungen zu entdecken. Denn das Gewissen darf sich niemals der Willkür überlassen; es kann sich täuschen, wenn es sich nach dem richtet, was ihm vernünftigerweise gut erscheint; aber es hat die Pflicht, sich dem der Wahrheit entsprechenden Guten zuzuwenden. Es ist nicht verwunderlich, daß die Ehe und die ehelichen Beziehungen einen der Bereiche darstellen, über die innere Unordnung als Folge der Ursünde und der persönlichen Sünden jedes einzelnen weithin den Schleier der Desorientierung und des Zweifels gebreitet hat. Das ist genau ein Punkt, wo das kirchliche Lehramt die Wahrheit darlegen und dabei besonders darauf achten muß, das Wohl der einzelnen Personen und der menschlichen Gesellschaft zu fördern, die so eng von der Grundzelle abhängt, die die Familie darstellt. Zusammenhang zwischen dem Wesen der Ehe, der gegenseitigen Selbsthingabe und der Offenheit für das Leben Mit der Darlegung der Moralgesetze, die die Wahrheit von der Hingabe der Eheleute umfassen, fördert die Kirche nicht allein das moralisch richtige Verhalten jedes Ehepartners, sondern sie verteidigt die Wahrheit von der Ehe selbst als Ursprung und Garantie der Familie. Deshalb nennt die Pastoralkonstitution Gaudium et spes, wenn sie die objektiven Kriterien — „die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben“ -, die die Sittlichkeit des Intimlebens der Ehegatten bestimmen, anführt, diese „Kriterien, die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren“ (Nr. 51). Aber zugleich sind die wirkliche gegenseitige Hingabe und die humane Zeugung im ehelichen Leben nichts anderes als das getreue Abbild des Wesens der Ehe. Logischerweise bestimmen die entscheidenden Zusammenhänge zwischen dem Wesen der Ehe selbst, der gegenseitigen Selbsthingabe und der Öffnung für das Leben die Wahrheit der spezifischen ehelichen Akte und bilden zugleich die Ursache dafür, ob diese gut sind oder nicht. In diesem Sinne kann man sagen, daß die Lehre der Kirche eine tiefe Weise ist, die Liebe zu üben: eine Liebe, die sich nicht darauf beschränkt, „Lösungen“ zu fördern, die vielleicht einfach und von unmittelbarer Wirkung sind, sondern wie ein guter Arzt die Ursachen der Unordnung zu heilen versucht, selbst dann, wenn man nicht sofort die Ergebnisse sieht. Dort nun, wo die Unordnung des ehelichen Lebens überwiegt, sind die Fundamente der Institution Ehe und der Stabilität der Familie bedroht, 1707 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und es müssen, je nach Ausmaß des Übels, gründliche Heilmittel vorbereitet werden. Aber es kommt sehr darauf an, die Lehre richtig darzulegen, mit Argumenten und Beispielen, die geeignet sind, unsere Zeitgenossen besser zu packen und zu überzeugen. Im übrigen beschränken sich die Probleme der Familie ja bei weitem nicht auf jene, die ich erwähnt habe, als ich von der Vereinigung der Eheleute sprach. Sie sind sehr vielfältig. Sie betreffen nicht nur die Zeugung, sondern die Erziehung der Kinder und die ganze Lebensatmosphäre der Familien. Schließlich stellen uns die wissenschaftlichen Fortschritte, insbesondere jene, die das ungeborene Leben betreffen, vor viele neue und ernste Fragen. Die Kirche muß sie klar im Auge behalten. Euer Rat ist daran beteiligt und muß achtsam bleiben und darauf sehen, daß die umfassenden Antworten des Lehramtes das Ergebnis der Zusammenarbeit mehrerer Dikasterien sind und die Überlegungen hochqualifizierter Experten sowie das theologische und moralische Urteil verschiedener Theologen und ihrer Bischöfe verwendet werden. Auch das ist ein Dienst, den die Kirche an den Gewissen und an der Gesellschaft leisten muß. Christliche Eheleute sind zu einem Apostolat der Familie aufgerufen 3. Die apostolische Wirksamkeit eures Rates muß, gestützt auf die Lehre, eine bessere Familienpastoral anstreben, die den Gläubigen ermöglicht, diese Wahrheit besser aufzunehmen und sie in ihr eigenes Leben ebenso eintreten zu lassen wie in die Gewohnheiten der Gesellschaft. Das ist der zweite Gesichtspunkt eures Auftrages, der vom ersten nicht zu trennen ist. Ihr habt übrigens während eurer Vollversammlung Überlegungen darüber angestellt, wie die in der Familienpastoral Tätigen vorzubereiten seien. Euer Beitrag bleibt sehr wertvoll und typisch. Denn ihr befindet euch in der Kurie, in direkter Beziehung zum Papst; der Horizont eurer Sorge ist die Universalkirche; und gerade auch die Zusammensetzung des Rates mit christlichen Ehepaaren aus verschiedenen Ländern, die die Lehre der Kirche über die Familie aufgenommen haben und sie zu leben versuchen, ist eine Voraussetzung für dieses Apostolat. Aber ihr wißt um den gewaltigen Umfang des Werkes. Sämtliche Laien, die die Berufung der Ehe leben, sind zu diesem Apostolat, unterstützt von ihren Priestern, aufgerufen. Man muß wünschen, daß in diesem Sinne in den Ortskirchen vielfältige Initiativen ergriffen werden und daß die Familienverbände, die Bewegungen und dafür spezialisierten Zentren 1708 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eine qualifizierte und hochherzige Zusammenarbeit leisten, die vom christlichen Geist inspiriert ist und treu an der Lehre der Kirche festhält. An Ort und Stelle sind die Bischöfe unmittelbar für die christliche Zuverlässigkeit und die Zweckmäßigkeit dieses Einsatzes verantwortlich. Sie zählen auf euer Verständnis und eure Unterstützung. Ein solches Apostolat wird die Bildung und die besonderen Verhältnisse der Menschen berücksichtigen, um sie zu einem besseren Verständnis der Forderungen der christlichen Ehe und zu einem Fortschritt in der ehelichen und elterlichen Liebe, wie der Herr sie will, zu führen. Wenn es auch nicht zulässig ist, von der „Gradualität des Gesetzes“ zu sprechen, als ob das Gesetz je nach der konkreten Situation mehr oder weniger hohe Anforderungen stelle, muß trotzdem das „Gesetz der Gradualität“ beachtet werden (vgl. Familiaris consortio, Nr. 34), denn jeder gute Pädagoge berücksichtigt, ohne deshalb die Erziehungsgrundsätze zu mißachten, die persönliche Situation seiner Gesprächspartner, um ihnen eine bessere Annahme der Wahrheit zu ermöglichen. Diejenigen, die ihr Leben nach diesen Forderungen gestalten oder sich zumindest bemühen, sie mit einiger Konsequenz zu leben, sind besser imstande, deren Werte zu vermitteln. Außer dieser christlichen Kohärenz zur Wahrheit werden natürlich alle Wissenschaften, die eine Beziehung zur Pädagogik haben -also jene, die zu einer besseren Kenntnis der Person verhelfen, und jene, die die Kommunikation fördern -, von großer Nützlichkeit sein. Aber so notwendig diese lehrmäßige Bildungsarbeit sein mag, das Lebenszeugnis christlicher Eheleute ist ein ganz einmaliger Wert. Das kirchliche Lehramt legt keine Wahrheiten vor, die sich nicht leben lassen. Gewiß übersteigen die Forderungen des christlichen Lebens die Möglichkeiten des Menschen, wenn ihm nicht Hilfe von der Gnade zuteil wird. Aber diejenigen, die sich vom Geist Gottes stärken lassen, machen die Erfahrung, daß die Erfüllung des Gesetzes Christi möglich ist, ja, daß es sich um ein „Joch“ handelt, „das nicht drückt“ (vgl. Mt 11,30), und daß diese Treue große Segnungen vermittelt. Das Zeugnis dieser Erfahrung stellt nun für die anderen Ehepaare guten Willens, die häufig verwirrt und unbefriedigt sind, ein starkes Motiv der Glaubwürdigkeit und der Ermutigung dar; wie das Salz, von dem das Evangelium spricht, verleiht es Geschmack daran, so zu leben. Das Sakrament der Ehe befähigt die christlichen Eheleute zu diesem Charisma (vgl. Familiaris consortio, Nr. 5; vgl. auch Predigt zur Eröffnung der 6. Bischofssynode, AAS 72, 1980, S. 1008, Wort und Weisung, 1980, S. 138-141). Sie bekunden damit, daß die christlichen Werte die Krönung und Stärkung der menschlichen Werte darstellen. Das garantiert und sichert die volle Wahrheit 1709 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN über Christus, ohne der wahren Liebe im geringsten Abbruch zu tun; sie steht am Beginn des Wohles der Eheleute; sie ruft für die Gesellschaft Familien ins Leben, die die Triebkräfte einer besseren Menschheit sein sollen. Viele Verantwortliche des bürgerlichen Lebens, die sich der tiefgreifenden Veränderungen und der Krise, die das Familienleben, die Stabilität der Familien, die Entwicklung von Eheleuten und Kindern so weitreichend in Mitleidenschaft ziehen, bewußt sind, sind zweifellos bereit, die Bedeutung dieses besonderen, von natürlichen und christlichen Moralgrundsätzen inspirierten und ehrenhaft und demütig angebotenen Beitrags in Betracht zu ziehen. Das also ist jedenfalls das, was wir mit Klarheit und Mut, in Verbindung mit den lebendigen Kräften, die bereits für die Familienpastoral arbeiten, in der Kirche fördern müssen. Die nächste Synode über den Auftrag der Laien wird zweifellos dieses Bewußtwerden und diese Aufforderung, die bereits von der vorhergehenden ordentlichen Bischofssynode aufgefrischt worden waren, stärken, denn die Familie ist einer der spezifischen Bereiche, wo es Sache der Laien ist, die menschliche Gesellschaft mit dem Geist Christi zu durchtränken. Ich danke euch nochmals für euren besonderen Dienst an der Kirche im Rahmen dieses Päpstlichen Rates; ich spreche den Wunsch aus, daß dieser Dienst immer fruchtbarer werden möge. Ich empfehle Gott eure Arbeit und ebenso die Anliegen, die ihr auf dem Herzen habt, besonders das Glück und die Ausstrahlung eurer Familien -deren Kinder ich ganz herzlich grüße -, und auch die schwierigen Situationen der Familien, deren Not und Bedrängnis ihr kennt und die auf euch zählen. Ich wünsche euch schon heute den Frieden und die Freude der Weihnacht, während ich euch meinen Apostolischen Segen erteile. 1710 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Alle Menschen schauen Gottes Heil Weihnachtsansprache an die Kardinale und alle Mitarbeiter der Römischen Kurie am 20. Dezember Meine Herren Kardinäle! Ehrwürdige Brüder! 1. „Alle Menschen schauen Gottes Heil“ (Jes 40,5; Lk 3,6). Diese Worte wiederholen sich beim Antwortpsalm der heutigen Messe vom 20. Dezember und vibrieren wie die ganze Liturgie der Tage vor Weihnachten von Erwartung wegen der kommenden Ankunft des Herrn. Sie lassen alljährlich unser Herz zittern vor immer neuer Freude über diese Ankunft, die die Welt verändert hat. Das ist die Gewißheit des Heils, das der Sohn Gottes und Sohn der Jungfrau Maria den Menschen gebracht hat. Das ist der Trost des Besuches, den das Wort des Vaters bei den Menschen macht, die endlich der Befreiung von der Sünde und der Sklaverei des Bösen nahe sind. Das ist die Freude zu wissen, daß „die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters, erschien“ (77/ 3,4). „Alle Menschen schauen Gottes Heil.“ Diese Atmosphäre atmen heute auch wir wie immer, wenn wir versammelt sind, um unsere Glückwünsche zum Weihnachtsfest und zum neuen Jahr auszutauschen. Ich danke dem verehrten Herrn Kardinal-Dekan für seine immer willkommenen und vornehmen Worte, die unsere Empfindungen in dieser Stunde familiärer Vertrautheit, in dieser Ruhepause inmitten der gemeinsamen täglichen Geschäfte, zum Ausdruck brachte. Und ich danke mit ihm euch allen, indem ich euch in einem einzigen Akt des Dankes, der Liebe, der Würdigung umarme: die Offizialen und Mitarbeiter der verschiedenen Dikasterien der Römischen Kurie, des Vikariats Rom, des Governatorats des Staates der Vatikanstaat. Und ich danke von hier aus den päpstlichen Repräsentanten und dem Personal des diplomatischen Dienstes in aller Welt. Ich bin im Geist bei euch allen, bei euren Familien, vor allem da, wo es eine offene oder verborgene Prüfung oder ein Leid gibt; bei der Arbeit, die ihr beim Stuhl Petri leistet, jeder nach seiner Zuständigkeit und seinem Auftrag. Jesus, der uns geboren wird, überschütte euch mit seiner Gnade und seiner Güte. Er vergelte euch den Dienst, den ihr seiner Kirche leistet. Gebt meine Empfindungen weiter an alle Priester, Ordensleute und Laien, die mit euch Zusammenarbeiten. 1711 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Drei Schwerpunkte im vergangenen Jahr 2. Diese zum Nachdenken günstige Stunde, wo die Zeit wieder dem Jahresende zueilt, diese gelöste geistliche Atmosphäre, hervorgerufen und verstärkt durch die Erwartung der Weihnacht, erlaubt gewöhnlich, einen Rückblick auf die Aktivitäten des Jahres zu werfen, das zu Ende geht. Sie erleichtert eine Überprüfung und läßt uns Elan und Mut finden für das, was uns im kommenden Jahr erwartet. Die Gelegenheiten zur Begegnung mit euch, die sich in den letzten Novemberwochen bis zum Fest der Immakulata wiederholt haben - erstens durch die Vollversammlung des Kardinalskollegiums, dann durch die 2. außerordentliche Bischofssynode -, erfordern keine detaillierte Analyse der verschiedenen Ereignisse seit dem letzten Weihnachtsfest oder eine Prüfung irgendeines besonderen Problems. Was mir bei diesem Rückblick auf das verflossene Jahr besonders vor Augen steht, sind drei Tatsachen, auf die ich mit euch besonders eingehen möchte: die Feier des Internationalen Jahrs der Jugend; die 1100-Jahr-Feier des Todes des hl. Method mit den verschiedenen Veranstaltungen im Rahmen des Kyrill-und-Method-Jahres und schließlich die 20. Wiederkehr der Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils, die durch die kürzliche Bischofssynode gefeiert wurde. Die Jugend und der Gärstoff, den sie in sich birgt; das Evangelisierungswerk der heiligen Brüder von Saloniki mit der großen Lehre, die sie der katechetischen, pastoralen und missioniarischen Arbeit der Kirche in der Welt von heute bietet, um die großen Probleme des Dialogs mit den autochthonen Kulturen in Angriff zu nehmen durch die Inkulturation des Evangeliums in jeder von ihnen; und die ständige Vertiefung des II. Vatikanums durch immer bessere und breitere Ausstrahlung in der Kirche und ihren Beziehungen zur heutigen Welt: das ist die große Bedeutung dieser drei Ereignisse, die einen besonderen Platz im Verlauf des Jahres hatten. Wenn ich mich in besonderer Weise damit befassen will, dann nicht nur, um ihre suggestive Bedeutung noch einmal rückblickend zu beleuchten, sondern zuerst und vor allem, um der Heiligsten Dreifaltigkeit dafür zu danken, daß sie uns die Möglichkeit gab, diese Ereignisse zu feiern und in ihrer geistlichen Fülle zu erleben. Es ist Gott, der die Geschichte leitet, die Geschichte der Welt und des Menschen: die Geschichte, von der wir wissen, daß sie einzig und allein „Heilsgeschichte“ ist in einem erlösenden Liebesplan, der seinen Gipfel in der Menschwerdung des Wortes erreicht. Er ist es, der seine Kirche leitet und sie zum bevorzugten Werkzeug der 1712 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erlösung macht. In diesem Licht finden diese drei Ereignisse ihre volle Bedeutung. In Zukunft Welttag der Jugend am Palmsonntag 3. Das Jahr 1985 wurde von der UNO zum Internationalen Jahr der Jugend erklärt. Wie es im Apostolischen Schreiben an die Jugendlichen in der Welt vom vergangenen 31. März heißt: „liegt darin eine besondere Bedeutung vor allem für (sie) selbst, dann aber auch für alle Altersstufen, für die einzelnen Personen, für die Gemeinschaften und für die ganze Gesellschaft. Darin liegt eine besondere Bedeutung für die Kirche als Hüterin grundlegender Wahrheiten und Werte und zugleich als Dienerin der ewigen Bestimmung, die der Mensch und die große Menschheitsfamilie in Gott selbst haben“ (O.R. dt., Nr. 13/85, S. 5). Diese Bedeutung wurde bei vielen Gelegenheiten in der ganzen Kirche sichtbar und greifbar. Vor allem hier am Sitz des Petrus, denn das Motto des 18. Weltfriedenstags hieß bekanntlich: „Frieden und Jugend, zusammen unterwegs.“ In der Botschaft, die ich jedes Jahr aus diesem Anlaß an die Welt richte, habe ich den Reichtum des Inhalts, die Tragweite, die Verantwortung, die sich daraus für alle Menschen, vor allem für die Jugend ergeben, erläutert. Und dann habe ich am Palmsonntag 1985, der auf den 31. März fiel, den erwähnten Brief an die Jugend gerichtet. Und an eben diesem Sonntag kamen die Vertreter der Jugend aus fünf Kontinenten nach Rom. Vor meinen Augen stehen noch die Eindrücke von der Begegnung mit dieser Jugend aller Rassen und jeder Herkunft auf dem Platz vor der Lateranbasilika, wo wir zusammen gebetet und nachgedacht haben, unter intensiver Beteiligung aller Anwesenden wie ein Herz und eine Seele, bis die Schatten des Abends über die vor der Bischofskirche von Rom versammelte Menge fielen. Die Bewegung bleibt ebenso stark, wenn ich an die Prozession und die Messe des folgenden Sonntags zurückdenke, an dem die Jugend — keine anonyme Masse, keine Nummer, sondern lebendige und persönliche Präsenz — mit hinreißender und disziplinierter Freude teilnahm in einem Gemeinschaftsakt der Liebe und des Glaubens an Christus, den Herrn, am Vorabend des Gedächtnisses seiner Passion. Ich erinnere mich, mit welcher Begeisterung die Jugend auf meine folgenden Worte antwortete: „Dieses Zeugnis, das Jesus von Nazaret für die Wahrheit ablegt, durchdringe euch tief! Er trägt in sich die Sache des Menschen: die ewige und entscheidende Sache! Jesus Christus ist gestern, heute und in Ewigkeit. . . Deshalb hat diese Welt - die Welt des ausgehenden zweiten Jahrtausends 1713 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN — stets und immer mehr denjenigen nötig, der gehorsam geworden ist bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Die Welt braucht Christus! “ (Predigt am Palmsonntag 1985; in: O.R. dt., Nr. 14-15/85, S. 16). Der Herr hat diese Begegnung in, besonderer Weise gesegnet, so daß in den kommenden Jahren am Palmsonntag, in Zusammenarbeit mit dem Rat für die Laien, der Welttag der Jugend zu feiern ist. Ich möchte darüber hinaus betonen, welche Aufmerksamkeit die Bischöfe aller Nationen der Welt der Jugend gewidmet haben, ganz besonders in diesem Jahr: Ich kann nicht alle Treffen und Initiativen in den verschiedenen Ländern hier aufzählen, das wäre zuviel. Und die Antwort der Jugend auf ihre Einladung nach Rom wäre nicht so breit und einstimmig gewesen, wenn sie nicht in den einzelnen Diözesen Ermutigung und Hilfe gefunden hätte durch die Arbeit meiner Mitbrüder im Episkopat und der Priester, die sie mit Hingabe und Aufopferung unterstützt haben. Diesen lieben Mitbrüdern im Priesteramt möchte ich öffentlich meinen Dank sagen für die Hochherzigkeit der Antwort auf meine Aufforderung in dem traditionellen Brief zum Gründonnerstag, ihr Apostolat vorzüglich in den Dienst an der Jugend zu stellen. Durch persönliche Begegnungen, durch die Katechese über Christus und seine Worte des Lebens und der Wahrheit, durch vermehrten Eifer, der sich vom Beispiel des Erlösers inspirieren läßt. Die Kirche muß auf die Jugend schauen wie auf ihre Hoffnung: vor allem, weil von ihr die Berufungen kommen, die die Garantie der Fruchtbarkeit der Kirche im 3. Jahrtausend sind. Die Priester- und Ordensberufe müssen besonders gepflegt werden in der Liebe Gottes, denn: „Gott liebt (wie der hl. Thomas von Aquin schrieb) in besonderer Weise die, die ihn von Jugend auf lieben“ (Super Ioannem, XXI, V, 2639). Aber alle Jugendlichen müssen sich von der Kirche begleitet fühlen: Deshalb sollte sich die ganze Kirche zusammen mit dem Nachfolger Petri auf Weltebene für die Jugend, ihre Ängste und Sorgen, ihr Offensein und ihre Hoffnung einsetzen, um ihren Erwartungen zu entsprechen. Sie muß ihr die Sicherheit mitteilen, die Christus ist, die Wahrheit, die Christus ist, die Liebe, die Christus ist, mittels einer angemessenen Bildung, die die notwendige und der heutigen Zeit entsprechende Form der Evangelisierung ist. Die Jugend wartet; sie ist enttäuscht von soviel Unzulänglichkeit auf ziviler, sozialer und politischer Ebene; sie urteilt klar und kritisch; am Ende dieses Jahres gibt es hier und da Anzeichen einer wachsenden Erwartung, die nicht enttäuscht werden darf von der Kirche, die mit Hoffnung und Liebe auf die Jugend schaut. Christus ist auf Suche nach der Jugend, heute wie an dem Tag, als er den 1714 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jungen Mann ansah und liebte (vgl. Mk 10,21), der ihn über das ewige Leben befragte. Die Kirche muß fortfahren, in planetarischen Dimensionen die Sorge und die Liebe des Herzens Christi auszustrahlen. Niemand darf sich hier zurückziehen! Wir müssen das „Wachsen“ unterstützen, von dem ich zur Jugend gesprochen habe als dem, wodurch die „Jugend eigentlich Jugend“ ist (Apostolisches Schreiben an die Jugendlichen in der Welt, Nr. 14): Wachsen an Alter, an Weisheit, an Gnade! Inkulturation des Evangeliums durch die heiligen Kyrill und Method 4. Auch das „Jahr der hll. Kyrill und Method“ hatte seinen tiefen Inhaltsreichtum, der auf allen Ebenen sehr bemerkt wurde - wie in der Kirche Europas so auch in denen der anderen Kontinente und ebenfalls in der zivilen Gesellschaft und der Welt der Kultur. Die 1100-Jahr-Feier des Todes des hl. Method hatte ihren Prolog im Apostolischen Schreiben Egregiae virtutis vom 31. Dezember 1980 gehabt (s. O.R. dt., Nr. 4/81, S. 6), in dem ich die heiligen Brüder zu Mitpatronen Europas mit dem hl. Benedikt erklärte. Schon Leo XIII., der ihre Verehrung auf die ganze Kirche ausdehnte, Johannes XXIII. und Paul VI., die sie aus verschiedenem Anlaß in der römischen Basilika San Clemente verehren wollten, wo der 869 in Rom verstorbene Philosoph Konstantin (Kyrill) begraben liegt, hatten die Grundlage für diese Entscheidung gelegt, die die ganze Kirche, besonders aber Europa und die slawischen Regionen berührt. Schon zu Beginn dieses Jahres, am 1. Januar, kündete ich das Jubiläum an. Wie sollte ich mich jetzt nicht an die Messe erinnern, die ich am 14. Februar in Gegenwart der Studenten der römischen Kollegien in der Basilika San Clemente feierte? An die Enzyklika Slavorum Apostoli vom 2. Juni, dem Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit? (s. O. R. dt., 28/85, S. 5). In diesem Licht sind auch die Gedenkfeiern in Djakovo (Jugoslawien) am 5. Juli und in Velehrad am 7. Juli am Grab des hl. Method in Anwesenheit des Kardinalstaatssekretärs als Päpstlichem Delegaten zu betrachten. Und in die Ausstrahlung ihres evangelisch-missionarischen Impulses auf die Kirche Europas ordnen sich auch ein das ökumenische Europäische Symposium und das 6. Symposium des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen, das im vergangenen Oktober in Rom stattfand, mit seinem Höhepunkt, der Konzelebration am 13. desselben Monats aus Anlaß des Jubiläums der hll. Kyrill und Method. Die Evangelisierung der slawischen Völker durch die beiden Brüder aus Saloniki hat eine Bedeutung, die das Leben und die Sendung der ganzen 1715 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche berührt. Der Kirche insgesamt. Der Kirche des 9. Jahrhunderts wie der Kirche unserer Zeit. Denn das Ziel des Evangelisierungswerks der beiden Brüder ist noch immer aktuell: „Die Verkündigung des Wortes; die Verbreitung und Erhaltung des Glaubens; die Einheit aller, die an Christus glauben; das Vertrauen in das Wirken der göttlichen Gnade; der pastorale Einsatz bis zur Selbsthingabe (Predigt vom 14. Februar 1985, in: O. R. dt., Nr. 9/85, S. 4). Aus diesen vielfältigen Elementen der Pastoralarbeit der beiden Heiligen ergeben sich als wichtigste Punkte ihrer ganz aktuellen Botschaft zwei Prioritäten. Die erste ist die Gültigkeit und Beständigkeit des ökumenischen Engagements, die gerade aus ihrem Beispiel das Motiv zu besonderer Ermutigung schöpft: denn - um Slavorum Apostoli zu zitieren - „ihre Liebe zur Gemeinschaft der universalen Kirche, sei es im Osten oder im Westen, war charakteristisch ... Sie richten auch an die Menschen unserer Zeit die Einladung, zusammen die Gemeinschaft aufzubauen“ (O.R. dt., Nr. 28/1985, S. 8). Der zweite Punkt ist der Einsatz für das Werk der Evangelisierung unter dem Gesichtspunkt der Inkulturation des Evangeliums, auf das ich schon hingewiesen habe. Die Kirche steht heute vor ähnlichen Herausforderungen wie die, die Gesellschaft und Menschen Kyrill und Method boten. Sie wußten darauf mit einer Glaubensstärke und einer Klarheit zu antworten, die Vorbild und Ansporn für uns alle bleiben müssen. Vielfältige Probleme auf der Ebene der Ideen, Verschlimmerung des pseudokulturellen Laizismus, die Furcht des heutigen Menschen, seine Autonomie und Identität gegenüber Gott zu verlieren, nicht immer ausgewogene Wertung des ethnischen Kulturerbes, das in der Evangelisierung erhalten bleiben muß: All das kann zur Entmutigung derer führen, die Christus gesandt hat, das Evangelium zu verkünden und allen Völkern zu predigen (vgl. Mt 28,19 f.). Hier sagen uns die Gestalt und das Werk der hll. Kyrill und Method, wie es in der zitierten Enzyklika heißt: „Das Evangelium führt nicht zur Verarmung und Auslöschung dessen, was jeder Mensch, jedes Volk und jede Nation, was jede Kultur während ihrer Geschichte als Wert, Wahrheit und Schönheit anerkennen und leben. Es regt vielmehr an, diese Worte aufzunehmen und sie weiterzuentwickeln: sie mit Freude und Großmut zu leben und im geheimnisvollen und erhebenden Licht der Offenbarung zu vollenden“ (ebd., S. 7 f.). Das ist ein sehr starker Appell zur Hoffnung, die nicht enttäuscht (vgl. Röm 5,5), aber auch zum unerschrockenen Mut, Christus und allen Menschen aller Zeiten zu verkünden, gemäß den Weisungen des Zweiten Vati- 1716 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kanischen Konzils und den beiden Bischofssynoden von 1974 und 1977, in deren Folge die beiden Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi und Catechesi tradendae erschienen sind. Das sind klare Weisungen an die Kirche vom obersten Lehramt des II. Vatikanums und vom Stuhl Petri. Feier, Überprüfung und Förderung des Konzils 5. Das Zweite Vatikanische Konzil: Wir haben gerade diese Erfahrung eines neuen Pfingsten wiedererlebt, die Johannes XXIII. bei der Ankündigung des Konzils des 20. Jahrhunderts gewollt hatte, und wir tragen die kurze, aber intensive Zeitspanne der 2. außerordentlichen Bischofssynode, die eben zu Ende ging, noch im Herzen: die Konzelebration am Sonntag, dem 24. November; die Plenarsitzungen und die Beratungen der Arbeitsgruppen; die Botschaft der Synodenväter an das Volk Gottes; die Schlußkonzelebration in St. Peter am Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens und die Vesper mit der Weihe an Maria in der Basilika Liberiana sowie das Schlußdokument der Versammlung. Deshalb ist es nicht notwendig, hier die Bedeutung der Initiative nochmals zu betonen, die in Wiederaufnahme der Grundthemen des Zweiten Vatikanischen Konzils seine Feier, Überprüfung und Förderung sein wollte. Es genügt zu unterstreichen, daß die Initiative als Dienst verstanden war, den die Kirche von Rom, ihrer Berufung entsprechend, in den Spuren der zwanzigjährigen Konzilsdokumente der Welt erneut leisten wollte. Als Summe des Nachdenkens der Kirche über ihre wesensgemäße Sendung, den einen und dreifältigen Gott zu offenbaren und die Fleischwerdung des Wortes in der Menschheit. Darüber hinaus ist zu betonen, daß diese Synode von allen Gruppen der Kirche und der ganzen Weltöffentlichkeit mit stärkerem Interesse verfolgt wurde als die anderen Synoden. Wenn man die tiefe Bedeutung dieser Gedenkfeier und Überprüfung des II. Vatikanums zugleich kurz zusammenfassen will, kann man sagen, daß sie — wie sich aus dem Schlußdokument ergibt — den Nachdruck auf den primären Zweck des Konzils legen wollte: Die Kirche als „universales Heilsskakrament“, von Christus als „Licht der Völker“ gewollt, fühlt sich immer mehr vom Willen ihres Gründers, in der Liebe des Heiligen Geistes gedrängt, der Welt den Vater zu verkünden. Mit einem Wort: Sie engagiert sich voll in ihrem Evangelisierungsauftrag, der dem Petrus und seinen Nachfolgern und - mit Petrus und unter Petrus — den Bischöfen der ganzen Welt, die von den Priestern unterstützt werden, an vertraut ist, um 1717 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN alle christlichen Laien zu verstärktem Bewußtsein ihrer Verantwortlichkeit bei der Berufung zum Apostolat aufzufordern. Die entscheidenden Ereignisse dieses Jahres, das jetzt zu Ende geht und über das wir heute morgen gesprochen haben, sind demnach Richtlinien, sind eine Ausreifung und eine Vertiefung dieser Sendung: die Jugend, dazu berufen, „im Leben tatkräftig die neue Wirklichkeit zu bezeugen . . ., in der Gemeinschaft der Kirche an der Heilssendung Christi teilzuhaben“ (Ansprache am 30. März, in: O.R. dt., Nr. 16/85, S. 8); die alten Kirchen Europas wie die der Dritten Welt, engagiert, um in den Pastoralmethoden der hll. Kyrill und Method das Vorbild zu finden zu erneutem Eifer in der vorzüglichen Pflicht, auf allen Ebenen zu evangeli-sieren, in der Wortverkündigung, in der würdigen Feier des Gottesdienstes, in der Durchdringung der alten und neuen Kulturen mit dem Evangelium; die ganze Kirche - so möchte ich sagen - in einem kosmischen Strahl auf eine neue Evangelisierungsaufgabe hin projektiert unter dem nach innen und außen gerichteten Antrieb der Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils, wie sie von der Bischofssynode wieder aufgenommen und beleuchtet wurden. 6. Ehrwürdige Brüder, liebe Söhne! Wir stehen kurz vor Weihnachten, der heiligen Zeit, in der wir täglich mit immer neuer Freude das Geheimnis dessen betrachten, von dem der hl. Augustinus sagt: „Der Gott war, wurde Mensch, um die zu Göttern zu machen, die Menschen waren“ (Serm. 192,1). Es gibt uns eine größere Glaubensgewißheit, wenn wir sehen, daß die Kirche ihrer Sendung immer bewußter wird. Das zu Ende gehende Jahr hat neben vielem anderen einen wunderbaren Beweis dafür gegeben in den Feiern, an die ich heute erinnert habe. Das neue Jahr möge uns darin engagiert finden, in Glaube, Hoffnung und Liebe die Sendung, die uns der Vater in Christus mit der Kraft des Heiligen Geistes anvertraut hat, weiterzuführen. Sie hat ihren unaufhaltsamen Lauf in jener Nacht begonnen, in der der Himmel sich mit der Erde verband und die Ankündigung einer neuen Zeit im Sternenhimmel über Bethlehem erscholl durch den Chor der Engel über der Grotte: „Ehre sei Gott in der Höhe, und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,14). Gott und Mensch, Erde und Himmel: im Geheimnis Christi und der Kirche. „Alle Menschen schauen Gottes Heil.“ Mit meinen herzlichsten Glückwünschen erteile ich allen meinen Segen. 1718 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Lied von der Geburt des Herrn Predigt bei der Christmette in St. Peter am 24. Dezember 1. „Et incarnatus est.“ „Er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“ Gleich werden wir diese Worte beim Glaubensbekenntnis sprechen und dabei alle niederknien. Zu dieser mitternächtlichen Stunde beginnt die Kirche das liturgische Fest, das den Augenblick feiert, da sich in der Menschheitsgeschichte die eben genannten Worte verwirklicht haben. Das Weihnachtsfest macht jedes Jahr von neuem jenes Geheimnis, das wir in den Worten des altehrwürdigen Glaubensbekenntnisses verkünden, zu einem ganz konkreten „Heute“. Jeden Tag bekennen wir an sich dieses Geheimnis, das Geheimnis der Menschwerdung; in der heiligen Weihnacht wird es jedoch erneut ein feierliches „Heute“ der Kirche. Die Liturgie erinnert nicht nur an das Geschehen, sondern „setzt es gegenwärtig“, „aktualisiert“ das Geheimnis. 2. Es geht hier um ein großes, unergründliches, göttliches Geheimnis. Ein unergründliches Geheimnis ist bereits Gott selbst in seiner göttlichen Natur. Unergründlich ist das Geheimnis des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes in der absoluten Einheit des göttlichen Wesens und in der Dreifaltigkeit der Personen. Die Worte unseres Glaubensbekenntnisses bezeugen jedoch darüber hinaus ein weiteres, ergänzendes Element, das noch unter einem anderen Aspekt unergründlich ist: „Cur Deus homo?“ — Warum ist Gott Mensch geworden? Wie kann Gott Mensch werden? So fragen sich die Jahrhunderte und die Generationen. Und viele gehen davon mit dieser Frage auf den Lippen; ungläubig ziehen sie sich zurück. Manchmal mit einer verständlichen Entrüstung, mit Einwänden gegen ein Geschehen, das ihr Verständnis übersteigt. Es ist unfaßbar, daß Gott Vater ist und Sohn ... Es ist unfaßbar, daß er Mensch wird . . . Das ist ein Geheimnis, ebenso schwierig und unergründlich wie das von der Einheit und Dreifaltigkeit Gottes. Wir jedoch glauben an die Allmacht Gottes und wissen darum, daß für Gott nichts unmöglich ist. Gott ist höchste Allmacht. Vor allem aber ist er Liebe. Nichts ist unmöglich für die Allmacht, die Liebe ist. Und gerade das ist unser Glaube: „Für uns Menschen und zu unserem Heil... ist er Mensch geworden.“ Für uns — das will sagen: aus Liebe zu uns. 1719 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Wenn wir in der Weihnachtsmesse bei den erwähnten Worten des Credos niederknien, werden wir wie die Hirten von Bethlehem. Sie standen als erste im Lichtstrahl des Geheimnisses, das die Finsternis in der Geschichte des Menschen auf dieser Erde erhellt. So lesen wir es bei Jesaja: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht“ (9,1). Näher bestimmt wird dieses Licht im Lukasevangelium. „Der Glanz unseres Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr“ (2,9), so schreibt der Evangelist (von den Hirten). Jenes Licht war also von überirdischer Art. Es richtete sich eher auf das Herz und den Geist des Menschen als auf seine Augen. Durch diesen Lichterglanz hat sich für die Hirten von Bethlehem das unergründliche Geheimnis gelüftet. Es ist ihnen zugänglich geworden. Sie haben es angenommen. Sie sind darauf zugegangen; sie haben sich ihm genähert. Sie haben ein Kind gefunden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt (vgl. Lk 2,12): Im Sichtbaren haben sie den Unsichtbaren erkannt. Sie sind die ersten Zeugen des Geheimnisses geworden. Sie haben sich Maria und Josef angeschlossen. Die Geburt des Herrn ist so vor allem an ihr Zeugnis gebunden. Das möchte die Kirche mit der heiligen Messe ausdrücken, die zu Mitternacht gefeiert wird und die an einigen Orten „Hirtenmesse“ genannt wird. 4. Von dieser ersten Bezeugung an ergeht an alle Welt die Aufforderung: „Christus ist geboren; kommt, wir wollen ihn anbeten!“ Ja, anbeten! Das Geheimnis Gottes fordert auf zur Anbetung, das Geheimnis, das im Licht der Offenbarung sichtbar wird, das Geheimnis Gottes, der Mensch geworden ist. Das Wort ist Fleisch geworden. In dieser Nacht macht sich die Kirche die Aufforderung zu eigen, die von der Krippe in Bethlehem ausgeht. Die gesamte Kirche vereint sich mit Maria und Josef. Sie vereint sich mit den Hirten. „Venite adoremus!“ - Kommt, wir wollen anbeten! Das Licht, das sie erleuchtet hat, ist der „Glanz des Herrn“. Gott wohnt „in unzugänglichem Licht“ (1 Tim 6,16), und auch dieser Gott, der als kleines Kind in der Krippe liegt, wohnt in solchem Licht; ja, auf eine ganz besondere Weise wohnt er dort. Cur Deus homo? - Warum wird Gott Mensch? Propter nos homines et propter nostram salutem - für uns Menschen und zu unserem Heil. In der Armut der Krippe von Bethlehem beginnt die Offenbarung jener Allmacht, die vor allem „Liebe“ ist: die Offenbarung der Liebe, welche 1720 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Allmacht ihre endgültige Bedeutung gibt, die Liebe, welche die endgültige Wahrheit über das Wesen Gottes ist, sein endgültiger Name. Allmacht in der Gestalt eines Kindes, Allmacht als Ohnmacht. Ohnmacht als Liebe, die alles überwindet, die allem einen Sinn gibt. 5. Die Geburt des Herrn ist ein Licht der Sinngebung: das Licht, in dem alle Dinge ihren Sinn wiederfinden und vor allem der Mensch und sein Leben. Cur Deus homo? Genau das bedeutet Licht! Die Nacht des Lichtes! Das Licht der Nacht von Bethlehem! Dieser leuchtende Sinn, dieser wiedergefundene Sinn der Menschennatur - der Sinn aller Dinge - überstrahlt die ganze Erde, wenn wir singen: „Singt dem Herrn ein neues Lied, singt dem Herrn, alle Lande . . .“ Euch allen, die ihr hier versammelt seid, allen Völkern und Nationen, der ganzen Schöpfung wünsche ich, daß sie in dieser Nacht von Bethlehem dieses Lied anheben in so vielen Sprachen, Traditionen, Kulturen: Das Lied von der Geburt des Herrn, das Lied, das den Sinn des Menschenlebens vor Gott verkündet. Berufung zur Teilhabe an der göttlichen Natur Weihnachtsbotschaft „Urbi et Orbi“ am 25. Dezember 1. Apparuit gratia Dei - die Gnade Gottes ist erschienen. Apparuit benignitas et humanitas — die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters, ist erschienen (vgl. Tit 2,11; 3,4). Mit diesen Worten verkündet der Apostel das Weihnachtsgeheimnis und verdeutlicht, was in der Nacht von Bethlehem geschehen ist. 2. Was ist denn in der Nacht von Bethlehem geschehen? Was ist denn in der heutigen Nacht wieder einmal gegenwärtig gesetzt worden? So hört: Kaiser Augustus erließ den Befehl, eine Volkszählung durchzuführen. So zog auch Joseph mit Maria von Galiläa hinauf zur Stadt Bethlehem; denn er war aus dem Hause David. Während sie dort weilten, kam für Maria die Zeit ihrer Niederkunft. Sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen, und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war (vgl. Lk 2,1-7). 1721 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Der erstgeborene Sohn der Jungfrau von Nazaret, zugleich der „Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15). Der ewige Sohn eines Wesens mit dem Vater, Gott von Gott, Licht vom Licht, gezeugt, nicht geschaffen, der für uns Menschen und zu unserem Heil Mensch geworden ist. Erschienen ist die Güte und Liebe: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). So ist uns das Heil erschienen. 4. Was ist das Heil? Das Heil ist eben dies: Gott zeigt sich, er öffnet sich dem Menschen. Gott, der in seinem ganz und gar unergründlichen Wesen verbleibt, in seiner Einheit und Dreifaltigkeit, öffnet sich dem Menschen und schenkt sich ihm, dessen Schöpfer und Herr er doch ist. Das Heil ist Gott als „unser Vater“. Es ist der Sohn Gottes als Sohn der Jungfrau. Es ist der Heilige Geist, der im Herzen der Menschen wirkt mit dem unendlichen Reichtum seiner Gaben. Das Heil ist der Immanuel: Gott mit uns. Gott mitten in unserem Leben. Das Heil ist Gott für uns: In der Nacht von Bethlehem, am Kreuz auf Kalvaria, bei der Auferstehung, in der Eucharistie, durch Pfingsten, durch die Kirche, den Leib Christi. 5. Das Heil ist zugleich der Mensch, der neue Mensch, neu geschaffen. Es ist der Mensch, von Gott besucht in der Tiefe seines menschlichen Wesens. Der neugeborene Mensch, geboren durch göttliche Wahrheit und Liebe. Es ist der Mensch, in seinem Geheimnis von Bild und Gleichnis berufen zur Teilhabe an der göttlichen Natur und von ihr durchdrungen. Gerufen in der Nacht von Bethlehem mit der geheimnisvollen Macht des Gottessohnes, um Sohn im Sohn zu werden. Das Heil ist also Gott in uns: in dir und mir, in ihm und ihr, in jedem, in allen. Das Heil ist also wir in Gott: wir als Gemeinschaft, wir als Familie, wir als Volk Gottes, wir als Kirche, wir als Menschheit. Das Heil - das Geschenk der Einheit im Heiligen Geist. Und die Nacht von Bethlehem ist der neue Anfang dieses Geschenkes auf der Erde. Eine neue Zeit für die Menschheit in Gott: „Denn die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten“ {Tit 2,11). Die Gnade - das Heil ist erschienen. 6. Die Gnade, sie ist zugleich eine Aufforderung: Wir sollen „besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt leben“ {Tit 2,12) und „uns von der Gottlosigkeit und den irdischen Begierden lossagen“ (ebd.). Als Volk, das 1722 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu Gott gehört, erlöst und rein von jeder Schuld, sollen wir voll Eifer danach streben, das Gute zu tun (vgl. Tit 2,14), „damit wir durch seine Gnade gerecht gemacht werden und das ewige Leben erben, das wir erhoffen“ (Tit 3,7). Wir sollen „auf die selige Erfüllung unserer Hoffnung warten: auf das Erscheinen der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Retters Jesus Christus, der sich für uns dahingegeben hat“ (Tit 2,13-14). 7. Das sagt uns der Apostel. Das sagt uns die Weihnachtsliturgie. Der Bischof von Rom, Nachfolger des Petrus und einer der Menschen, die unterwegs sind auf das Ende des 2. Jahrtausends zu, möchte die Aussagen des Apostels in den Zusammenhang der Zeichen und Bedürfnisse unserer Zeit stellen. 8. Zusammen mit der ganzen Kirche verkündet er erneut das wunderbare Ereignis, das sich in der Heiligen Nacht zugetragen hat. Er tut dies mit der unerschütterlichen Gewißheit des Glaubens, der die Jahrhunderte überdauert. Er tut dies inmitteln einer Welt voller Waffen, die oft der Versuchung unterliegt, sich gewaltsam und rücksichtslos durchzusetzen. Er verkündet dieses Ereignis mit Nachdruck in einer Welt, wo man immer noch an Hunger stirbt, wo die Menschenrechte vor aller Augen verletzt werden und ein Berg von Leiden auf der Menschheit lastet. Das verkündet er, daß auch an diesem Weihnachtsfest wieder „die Gnade erschienen ist“ und sich die Liebe Gottes für die Menschen offenbart hat. Der Menschheit voller Erwartung sagt die Kirche heute: Christus ist geboren, damit wir zu einer Neugeburt kommen, neue Menschen in Christus, dem neuen Menschen. 9. Männer und Frauen, die ihr mich hört: Die menschlichere Welt, die in Christus, dem Herrn, zu Bethlehem geboren, ihren Anfang hat, ist eine Welt, die von einem neuen Volk bewohnt wird, das „besonnen, gerecht und fromm“ unterwegs ist zur vollen Freude des Himmels. Ein Volk, das besonnen mit den Vorräten der Natur umzugehen versteht, das die Kräfte des eigenen Verstandes mit Weisheit benutzt. Denn es weiß dem trügerischen Glanz eines Fortschritts zu widerstehen, dem die moralischen Werte gleichgültig sind und der allein auf den unmittelbaren materiellen Nutzen zielt. Ein Volk ferner, das seine Ideen, Pläne und Taten an der Gerechtigkeit ausrichtet und stets darauf bedacht ist, eine immer echtere Gemeinschaft von Personen zu erreichen, in der sich jeder einzelne angenommen, geachtet und gewertet weiß. Ein Volk schließlich, 1723 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das in frommer Gesinnung über sich selbst hinausschaut und sich Gott öffnet, von dem es sich den ständigen Beistand erwartet, den es braucht, um auf der Straße des wahren Fortschritts auf die Begegnung mit Christus, dem Erlöser des Menschen und dem Herrn der Geschichte, zuzugehen. 10. Die Kirche möchte mit all ihren Kräften der Botschaft dienen, die von Weihnachten ausgeht, damit der Welt von heute jene Grundlage nicht fehle, von der Freude und Schmerz, Tod und Leben ihren Sinn erhalten. Christus ist geboren! Jeder Mensch werde neugeboren und nehme teil an der „Familie Gottes“, der die Engel von Bethlehem das Glück im Himmel und den Frieden auf Erden verheißen haben. Erschienen ist die Gnade Gottes! Gewalt entschieden verurteilt Telegramme zu den Terroranschlägen auf den Flughäfen von Rom und Wien Am Freitag, 27. Dezember, sind auf den Flughäfen von Rom und Wien offenbar von radikalen Palästinensergruppen Terroranschläge verübt worden, bei denen bis jetzt insgesamt 18 Menschen ums Leben kamen und rund 100 Personen verletzt wurden. In gleichlautenden Telegrammen an den Generalvikar des römischen Bistums, Kardinal Ugo Poletti, und an den Administrator des Erzbistums Wien, Weihbischof Helmut Krätzl, hat Papst Johannes Paul II. seiner Erschütterung über diese Bluttat Ausdruck gegeben. Das Telegramm in deutscher Sprache an Weihbischof Krätzl hat den folgenden Wortlaut: Mit tiefem Schmerz habe ich vom Attentat vernommen, das heute morgen Tod und Leid auf dem Flughafen von Wien verbreitet hat. Indem ich meinen Abscheu Ausdruck gebe für diese Bluttat, die menschliches und christliches Gewissen beleidigt, bedauere ich erneut den unmenschlichen Gebrauch von Gewalt, den Feind eines vernünftigen Fortschritts im Zusammenleben der Menschen. Ich bete für das ewige Heil dieser unschuldigen Opfer und spreche den vom Leid getroffenen Familien mein herzliches Beileid aus; den Verletzten erbitte ich Kraft und 1724 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN baldige Heilung. In der Hoffnung auf erfolgreiches Bemühen der Menschen guten Willens im Einsatz für Frieden und Völkerverständigung erteile ich allen von diesem Verbrechen Betroffenen meinen besonderen Apostolischen Segen. PAPST JOHANNES PAUL II. Kirche von Rom muß „Gewissen prüfen“ Predigt beim Jahresschlußgottesdienst in der römischen Kirche „II Gesü“ am 31. Dezember 1. „Singt dem Herrn ein neues Lied, singt dem Herrn, alle Länder der Erde!“ (Ps 96,1). In dieser frohen liturgischen Aufforderung spiegelt sich die Atmosphäre der Weihnachtsoktav wider. Kann es für die Schöpfung eine größere Freude geben als diese: Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, das Wort ist Fleisch geworden! Kann es für die Erde eine größere Freude geben: Gott, der sich von der unendlichen Schöpfung nicht fassen läßt, ist gekommen, um in ihr Wohnung zu nehmen? In der Tat, die Weihnachtsfreude ist grenzenlos. Die Liturgie versucht, sie zum Ausdruck zu bringen; und die Traditionen so vieler Völker, Nationen, Kirchen in der ganzen Welt versuchen sie auf verschiedene Weise auszudrücken: in Gesang, Wort, Malerei und Skulptur. Und Quellgrund all dieser Ausdrucksformen ist diese Freude. Denn dieser Brunnen ist größer als alles, was der Mensch darzutun fähig wäre. Und, ganz göttlich, überragt er jedes Wesen. Zugleich aber läßt sich diese Freude wider alle Regeln herab, kommt den Grenzen der Schlichtheit und Armut ganz nahe, von der eines Tages in den Seligkeiten der Bergpredigt und im ganzen Evangelium die Rede sein wird. Deshalb wendet sich diese Aufforderung zur Freude an die ganze Schöpfung. Weil die ganze Schöpfung bis in den Grund von der Fleischwerdung des Wortes durchdrungen ist, von der Menschwerdung des Gottessohnes. Die ganze Schöpfung steht jetzt vor ihrer endgültigen Erneuerung. Deshalb: „Singt dem Herrn ein neues Lied.“ 1725 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Deshalb: „Freue sich der Himmel, die Erde frohlocke, es brause das Meer und alles, was es erfüllt! Es jauchze die Flur und was auf ihr wächst! Jubeln sollen alle Bäume des Waldes!“ (ft 96,11-12). Der Psalmist bedient sich aller ihm zugänglichen Mittel der poetischen Sprache, um die Freude über das Kommen Gottes in seine Nähe auszudrücken. So wollen wir „vor dem Herrn (stehen), wenn er kommt“ (ft 96,13); vielmehr vor dem, der schon gekommen ist und auf Erden geboren wurde. Hier die bedeutsamen Worte: „Wenn er kommt, um die Erde zu richten“ (ebd.). Und der Psalmist fährt weiter: „Er richtet den Erdkreis gerecht und die Nationen nach seiner Treue“ {ebd.). Bedeutsam. Sehr bedeutsam. Was ist der tiefste Grund der Freude des Psalmisten? Was erwartet der Mensch am meisten von der Geburt Gottes? Was erwarten die Völker und die Welt, also die ganze Menschheit? Sie erwarten vor allem die Treue zur Wahrheit. Die Wahrheit offenbart sich beim Gericht. Die Erde wartet auf das Gericht, bei dem es keine Zweideutigkeit gibt und in dem sich gleichzeitig volles „Verständnis“ findet. Die Geburt Gottes ist die Verheißung dieses Gerichts. Vielleicht könnte man sagen, daß Gott, der als Mensch geboren wird, gewissermaßen Menschen experimentell „verstehen“ möchte. Auf dieses „Verstehen“ möchte er auch das endgültige Urteil stützen, dessen die Welt nach ihren zeitlichen Maßstäben nicht fähig ist. So also weist der Psalmist auf die tiefsten Beweggründe der Freude über die Gegenwart Gottes hin. 2. In dieser kurzen Betrachtung über den Psalm der heutigen Liturgie ist auch ein besonderer Hinweis auf den letzten Tag des Jahres 1985 enthalten. Das heißt, wir sind aufgefordert, im Licht des Weihnachtsgeheimnisses die Wahrheit und das Gericht, dessen Zeichen die Fleischwerdung des Wortes ist, anzunehmen. Wir sind aufgefordert, unser Gewissen zu prüfen. Die Kirche von Rom hat besondere Gründe, am Schluß des vergangenen Jahres ihr Gewissen zu prüfen. Denn sie ist als Erbin der heiligen Apostel Petrus und Paulus mehr als die anderen Kirchen der Welt gehalten, Zeugin der Gemeinschaft zu sein, die aus dem Weihnachtsgeheimnis als überfließenden Brunnen entspringt. Dazu ist der Bischof von Rom mit der ganzen Kirche der Ewigen Stadt berufen. 1726 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Es wäre schwierig, eine vollständige Gewissenserforschung zu machen, wir beschränken uns deshalb auf einige Aspekte. a) Der erste betrifft die Priester- und Ordensberufe, deren stetiges Wachsen tröstlich ist. Erstmals seit vielen Jahren gibt es in Rom ca. 100 junge Menschen, die sich im Seminar auf das Priestertum vorbereiten. Diese Tatsache ist sehr bedeutsam und wichtig, denn sie ist ein Zeichen der neuen Sensiblität, mit der man am Leben der Kirche teilhat. Es ist die Frucht der Gebetstreffen, die unter den Römern zunehmen, vor allem unter den Studenten und Schülern, und auch eine Folge der besseren Zusammenarbeit zwischen Pfarrei und Familie bei der Erziehungsarbeit. Trotz dieses Zuwachses ist die Zahl der Berufungen in Rom im Verhältnis zur Bevölkerungszahl nach wie vor unzureichend für die Seelsorge in einer so großen und unterschiedlichen Stadt, wenn man auf das 3. Jahrtausend hinschaut. Ich hoffe, daß in jeder Pfarrei der Eifer für die Berufungen noch größer wird. b) Ein zweiter Aspekt betrifft das religiöse Leben allgemein, in Rom und in der Diözese. Ich hatte die Freude, in diesem Jahr 15 Pfarreien besuchen zu können. Ich fand die einzelnen Pfarrgemeinden gut vorbereitet auf diese Begegnung, dank der voraufgegangenen Visitation des Distriktsbischofs und der sorgfältigen Arbeit der verantwortlichen Priester. Ich spreche meine lebhafte Anerkennung für die Arbeit der Pfarrer und ihrer Mitarbeiter, der Ordensmänner und Ordensfrauen, der engagierten und qualifizierten Laien, der Pastoralräte, der verschiedenen Gruppen kirchlichen Lebens und Erziehens aus. Beim Pfarrbesuch sehe ich persönlich, wieviel Gutes es in Rom und in der Diözese gibt: eifrige Priester, reich an Güte und seelsorglicher Dynamik, junge und erwachsene tiefchristliche Menschen, die beten, häufig die Sakramente empfangen, dem Nächsten in Liebe und Hingabe helfen; Kinder und Heranwachsende, die sich mit Ernst und Freude in ihren Vereinen auf das Leben vorbereiten. Für all diese gute Saat, die in unserer Stadt und Diözese wächst und gedeiht, wollen wir dem Herrn von Herzen danken. Die Gegenwart des „Sakralen“ ist zweifellos im Wachsen. Andererseits muß man betonen, wieviel religiöse Indifferenz es noch gibt: Ich beziehe mich auf die Teilnahme an den Sonn- und Feiertagsmessen, auf die notwendige Vertiefung der religiösen Kultur, auf die große Zahl der „Fernstehenden“. Das zweifellos vorhandene Streben nach echterer Beziehung zu Gott, Christus und der Kirche muß eine immer größere Verfügbarkeit für die Annahme der Wahrheit der Offenbarung und Erlösung und zum Zeugnis und zur Verkündigung des Evangeliums werden. 1727 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ungeachtet dieser noch vorhandenen negativen Aspekte gibt das unleugbare Erwachen die Zuversicht, daß die christlichen Familien sich als solche auch bei der Kindererziehung erweisen. Ich möchte dabei im besonderen die katholischen Eltern an die Möglichkeiten erinnern, die das kürzliche Abkommen zwischen der italienischen Bischofskonferenz und den zuständigen Regierungsbehörden über den katholischen Religionsunterricht in den Staatsschulen bietet. Es ist wichtig, daß die Jungen und Mädchen, wenn sie in der Schule soviel Entscheidendes zu ihrer Sicht der verschiedenen wichtigen Aspekte der Welt und des Menschen lernen, auch einen Religionsunterricht erhalten, der ihnen die Möglichkeit gibt, mit wachsender Reife und Verantwortlichkeit, im Licht der höheren Werte, die letzte Bedeutung des menschlichen Lebens und des eigenen persönlichen Schicksals zu verstehen und gleichzeitig über die Gegenwart Gottes in der Schöpfung und in der Menschengeschichte nachzudenken. Die katholischen Eltern müssen es überhaupt als ihre schwere moralische Pflicht betrachten, alles zu tun, damit ihre Kinder die Möglichkeit des Unterrichts in katholischer Religion benutzen, die ihnen die italienische Schule bietet. Über das garantierte Recht hinaus gibt es sicher eine moralische Pflicht, der die Eltern und Schüler in vollem Bewußtsein und in Kohärenz mit dem Glauben, den sie bekennen, nach-kommen müssen. c) Ein dritter Aspekt schließlich betrifft die soziale Situation der Stadt. In Rom entwickelt sich der Sinn für Aufnahmebereitschaft, speziell für die wachsende Zahl der Immigranten. Viele von ihnen kommen arm an, ohne Hilfe und Fürsorge. Ihre Gegenwart kann Probleme und Störungen schaffen. Aber sie sind unsere Brüder, und der christliche Glaube lebt und beweist sich erst voll durch die Liebe. Der religiöse Sinn des römischen Volkes fand und findet seinen konkreten Ausdruck in den verschiedenen Initiativen zugunsten der Unglücklichen, Verlassenen und Kranken. Neben den alten Institutionen, die fortfahren, ihre immer aktuelle und wertvolle karitative und fürsorgliche Aktivität zu entfalten, sind andere Formen entsprechend den neuen Notwendigkeiten entstanden. Sie wurden im Geist der Hingabe und des Dienstes von Vereinigungen und Bewegungen in die Tat umgesetzt und in besonderer Weise von der Diözesan-Caritas, die — in voller Treue zur Lehre der Kirche - immer breitere Aufmerksamkeit auf die bedürftigen Brüder und Schwestern zu lenken sucht, auch durch Anregung und Einsatz freiwilliger Hilfe. Aber hier bleibt ohne Zweifel noch viel zu tun, wenn man die wirkliche Not so vieler beseite geschobener und alleinstehender Menschen bedenkt. 1728 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hier sind Gleichgültigkeit und Mangel an Solidarität als Folgen des einfließenden Egoismus, der Unempfindlichkeit, des Individualismus oft stärker. Die unbezweifelbaren Zeichen sozialer Liebe und Solidarität müssen immer deutlich werden und die Liebestätigkeit jedes christlichen Römers prägen. d) Auch am jetzigen Jahresende fehlte es nicht an Episoden der Gewalttätigkeit, die das Leben der Stadt in Verwirrung gebracht haben. Unschuldiges Blut wurde sogar in den Weihnachtstagen durch ein Massaker vergossen, das die Öffentlichkeit besonders erregt und in der ganzen Welt Bestürzung ausgelöst hat. Unsagbares Leid hat viele Familien betroffen, Angst und Unsicherheit machen sich in der Bevölkerung breit. Alle Kräfte müssen sich verbinden, um die sinnlose Spirale der Gewalt zu brechen und die Manifestationen von Kriminalität und Terrorismus an der Wurzel zu heilen, die das Gesicht unserer Zeit schänden. e) Das Wissen darum, daß hier so viele Menschen kein Heim haben, während so viele Wohnungen zur Verfügung stehen, bedrängt unser Herz. Ein Christ kann dem Drama derer nicht empfindungslos gegenüberstehen, die auf der Straße sitzen. Das ist ein ungeheures Problem, aber die Bemühungen müssen verstärkt und vermehrt werden. Ich hoffe, daß das neue Jahr konkrete Schritte vermerken kann, um auch dieser großen Notsituation abzuhelfen, die dem Fortschritt und dem Wohlstand, der unsere heutige Gesellschaft charakterisiert, widerspricht. 4. Seht, wir nähern uns der „letzten Stunde“ (vgl. 1 Joh 2,18) dieses Jahres, das uns die göttliche Vorsehung geschenkt hat. Wir nähern uns dieser Stunde in der Freude von Weihnachten, in der Freude, zu der die ganze Menschheit und die ganze Schöpfung aufgerufen wurde. Wir wollen auf die Grotte von Bethlehem schauen, mit Maria und Josef, mit den Hirten, mit den Sterndeutern aus dem Morgenland vor dem fleischgewordenen Wort auf die Knie fallen und mit dem Evangelisten bekennen: „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade“ {Joh 1,16). Möge auf die Gnade des ausgehenden Jahres die Gnade der kommenden Jahre folgen. „Wir wollen dem Herrn ein neues Lied singen.“ 1729 IV. Ad-limina-Besuche AD-LIMINA-BESUCHE Glaube und Kulturen im Dialog Ansprache beim Ad-limina-Besuch einer Gruppe von Bischöfen aus Birma am 7. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großem Wohlwollen und einem tiefen Gefühl der Freude begrüße ich euch in unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Euer Ad-limina-Besuch führt euch aus eurem fernen Land zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus - jene Männer des Glaubens und Glaubenseifers, deren Kraft und Treue in Antwort auf den Ruf Christi so eng mit der wirklichen Gründung der Kirche verknüpft sind und die das Vorbild unserer eigenen Treue gegenüber dem Herrn im Dienst des Evangeliums sind. Ich begrüße euch mit den Worten des hl. Paulus: „Ich danke meinem Gott jedesmal, wenn ich an euch denke; immer, wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude und danke Gott, daß ihr euch gemeinsam für das Evangelium eingesetzt habt“ (Phil 1,3-5). Ja, ich denke oft an euch und eure Mitarbeiter, die Priester, Ordensleute und Laien, die sich täglich mit euch für den Aufbau der Kirche abmühen in der „Verteidigung und Bekräftigung des Evangeliums. Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach euch allen sehne mit der herzlichen Liebe, die Christus Jesus zu euch hat“ (ebd., 1,7-8). Als Lehrer in der Kirche Gottes seid ihr euch zufiefst bewußt, daß euer Dienst am Evangelium einen ausgesprochen theologischen Charakter und Grund hat. Das ganze Geheimnis der Erlösung entspringt einer göttlichen Initiative. Es hat seinen Ursprung in dem Ratschluß Gottes, des Vaters. Es entspringt „der quellhaften Liebe, dem Liebeswollen Gottes, des Vaters“ (Ad gentes, Nr. 2), das den Sohn und den Heiligen Geist hervorgehen läßt. Gottes Absicht war - das ruft uns das Zweite Vatikanische Konzil in Erinnerung -, Frieden und Gemeinschaft zwischen den sündigen Menschen und sich herzustellen und brüderliche Verbundenheit unter den Menschen zu stiften (vgl. Ad gentes, Nr. 3). Um das zu vollziehen, hat der Sohn Gottes die Wege wirklicher Menschwerdung beschritten, um die Menschen seiner göttlichen Natur teilhaft zu machen (ebd.). Unsertwegen ist er arm geworden, er, der doch reich war, damit wir durch eine Armut reich würden (vgl. 2 Kor 8,9). Die Kirche in Birma weiß, daß sie in den Fußstapfen jenes Jesus von Nazaret wandelt, der arm und demütig war, der den Umgang mit den 1733 AD-LIMINA-BESUCHE einfachen und armen Leuten vorzog und der seine Jünger lehrte, daß „wer sich selbst erniedrigt. . im Himmelreich der Größte ist“ (Mt 18,4). Ich habe volles Verständnis dafür, daß unser Hirtenamt dieses Vorbild des Meisters widerspiegelt. Euer Dienst ist ein Dienst der Liebe an euren Brüdern und Schwestern im Glauben, die oft in Armut und Entbehrung leben. Aber das geschieht euch durchaus nicht zum Nachteil, sondern tatsächlich zur Ehre und ist der Grund für das Vertrauen und die Liebe eures Volkes zu euch. Ihr müßt euch weiterhin um die Erfüllung der Konzilsempfehlung bemühen: „Bei der Erfüllung ihrer Vater- und Hirtenaufgabe seien die Bischöfe in der Mitte der Ihrigen wie Diener, gute Hirten, die ihre Schafe kennen und deren Schafe auch sie kennen, wahre Väter, die sich durch den Geist der Liebe und der Sorge für alle auszeichnen“ (Christus Dominus, Nr. 16). 2. Eure Bereitschaft, euer Vertrauen, vor allem auf die Gnade Gottes zu setzen, verbunden mit einer konsequenten Standhaftigkeit und Reinheit des Herzens im Dienst an eurem Volk, ist für euch und für eure Mitarbeiter bei der Aufgabe der Glaubensverkündigung und Katechese der beste Hinweis darauf, daß ihr für den Herrn selber tätig seid. Da ihr mit dem Leben und der Kultur eures Volkes vertraut seid, zeigt ihr, daß der Herr mitten unter ihnen gegenwärtig ist, ihr unterstützt sie in ihrem Glaubensbekenntnis, ihr schützt sie vor Mutlosigkeit und dem Ansturm einer materialistischen und egozentrischen Lebensanschauung. Ihr helft ihnen, sich immer mehr ihrer Würde als Söhne und Töchter Gottes und als loyale Bürger ihres Landes bewußt zu werden. Es ist wahr, daß durch den Mangel an Menschen und materiellen Mitteln, durch die Tatsache, daß die Katholiken in Birma eine kleine Minderheit bilden, und durch Umstände, die mit den heutigen historischen und geographischen Bedingungen eures Landes gegeben sind, das pastorale Wirken oft behindert wird. 3. Aber es ist auch wahr, daß in euren Ortskirchen viele übernatürliche Fortschritte auf die hochherzige - oft heroische - Hingabe von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien hindeuten. Ihr seid reich an Gnade und Liebe: Der Herr hat sie wachsen lassen (vgl. 1 Kor 3,7). Ihr könnt stolz sein auf einen richtigen Zulauf von Berufen zu den diözesanen Knabenseminaren und auch zum Priesterseminar in Rangun, das wegen der erhöhten Zahl von Bewerbern jetzt ausschließlich Theologiestudenten Vorbehalten ist, während die Studenten der Philosophie nach Maymyo in Mandalay übersiedelt sind. 1734 AD-LIMINA-BESUCHE Es hat eine ständige Zunahme in der Zahl der Ordensberufe gegeben, und die Arbeiten der Ordensleute sind gut in die Pastoralprogramme der verschiedenen Ortskirchen eingegliedert. Die aktive Mitarbeit der Laien als Katecheten und Gemeindeführer, verbunden mit einem zunehmenden Bewußtsein ihrer besonderen Rolle in der Kirche, bezeugt, daß der Heilige Geist „in ihren Herzen den Gehorsam des Glaubens weckt“ (Ad gentes, Nr. 15). Das sind Gottes Gaben an die Kirche in Birma, wofür wir Gott gemeinsam im Geiste der kollegialen Verbundenheit danken, die uns, die Nachfolger der Apostel mit dem Nachfolger des Petrus, vereint. Unter diesen Gaben ist eine, die zu besonderer Erwähnung reizt. Ich beziehe mich auf eure Priester: eure Mitarbeiter und Assistenten bei der Evangelisierung und Katechesierung eures Volkes. Sie bilden eine Einheit mit euch im Priestertum unseres Herrn, Jesus Christus, und haben aus diesem Grund auf ihre Weise teil an eurer Verantwortung für jede Ortskirche, „ja, für die Gesamtkirche“, wie uns die dogmatische Konstitution über die Kirche in Erinnerung ruft (Lumen gentium, Nr. 28). Die Wirksamkeit des Bischofs hängt zu einem großen Teil von seinen Priestern ab. Ihr müßt sie daher stets mit besonderer Liebe auf nehmen, sie als Büder, Söhne und Freunde ansehen, sie anhören und ihnen euer Vertrauen schenken. Ihr solltet um ihr geistliches, intellektuelles und materielles Wohl besorgt sein, so daß sie ein heiligmäßiges Leben führen und ihren Dienst getreu und fruchtbringend erfüllen können. Mit hilfsbereitem Erbarmen sollt ihr euch um jene Priester kümmern, die irgendwie in Gefahr schweben und sich in bestimmten Punkten verfehlt haben (vgl. Christus Dominus, Nr. 26). Damit ahmt ihr die Liebe im Herzen Jesu nach und holt reichen Segen auf eure Priester herab, von denen viele sehr abgeschieden leben und sich auch in Gefahr befinden, wenn sie verstreuten Gemeinden dienen und vielleicht kaum Gelegenheit haben, die Wärme und Verbundenheit der Kollegialität ihrer Brüder im Priesteramt zu erleben. 4. Die Kirche in Birma kann beim tätigen Einsatz für Evangelisierung und soziale Entwicklung mit der Bereitschaft und hochherzigen Unterstützung vieler Laien rechnen. Eure Katechisten spielen eine unentbehrliche Rolle bei der Erhaltung des christlichen Lebens eurer Gemeinden und bei der Vermittlung der göttlichen Heilsbotschaft an die Menschen nah und fern. Die Gültigkeit dieses Beitrags der Laien zur Mission der Kirche steht in engem Zusammenhang damit, welche Ausbildung diesen Männern und Frauen zur Verfügung 1735 AD-LIMINA -BESUCHE steht, die bestrebt sind, ihren Bischöfen und Priestern wirksame Hilfe zu leisten im Apostolat „von gleich zu gleich“ und bei der Verkündigung der christlichen Botschaft an Orten, die für den Klerus und die Ordensleute schwer oder überhaupt nicht erreichbar sind. Ich ermutige euch bei euren Anstrengungen, durch zweckentsprechende Spezialisten und Programme, die den Möglichkeiten eures Volkes angepaßt sind, diese Ausbildung bereitzustellen. Besonders froh bin ich zu erfahren, daß ihr den Bedürfnissen und Möglichkeiten junger Menschen besondere Aufmerksamkeit zollt. Auch sie können außerordentlich wirksam sein, wenn sie die Botschaft Christi zu ihresgleichen und zu den jüngeren Gemeindemitgliedern bringen. In meinem jüngsten Apostolischen Schreiben an die Jugendlichen der Welt anläßlich des Internationalen Jahres der Jugend schrieb ich, daß „die Kirche auf die Jugendlichen blickt; mehr noch, die Kirche erblickt sich selbst in einer besonderen Weise in den Jugendlichen“ (Nr. 15). Als Bischöfe werdet ihr die Rolle der Jugend in die lebendige Wirklichkeit eurer Ortskirchen zu überführen wissen. Das bedeutet, daß fähige Priester und Ordensleute mit der Aufgabe der Ausbildung junger Menschen betraut werden, und es schließt ein Bemühen seitens aller ein, ihnen das Gefühl der Zugehörigkeit zur Kirche als ihr Recht und ihre Würde zu vermitteln. 5. Es gibt da noch einen anderen Punkt, den ich kurz erwähnen und eurer Gebetsbetrachtung anvertrauen möchte. Das ist die Frage des notwendigen und wichtigen Dialogs zwischen Glaube und Kultur, der in den konkreten Gegebenheiten der Präsenz der Kirche an jedem Ort stattfindet. Die Kirche, die das Licht aller Völker ist, spricht zu allen dieselbe Heilsbotschaft und bietet allen Völkern dieselben Mittel und Wege der Heiligkeit und Gerechtigkeit an. Doch in jeder Ortskirche sucht sie einen ernsthaften und aufrichtigen „Dialog“ mit der Kultur und den Traditionen des Volkes, um eine echte „Inkulturation“ des christlichen Glaubens sicherzustellen. Ohne daß die Kirche eine Unterminierung der Unversehrtheit ihrer Wahrheit oder der Einheit ihrer katholischen Lehre zuließe, „nimmt sie die Errungenschaften der einzelnen Kulturen in Gebrauch, um die Botschaft Christi in ihrer Verkündigung bei allen Völkern zu verbreiten und zu erklären, um sie zu erforschen und sie tiefer zu verstehen, um sie in der liturgischen Feier und im Leben der vielgestaltigen Gemeinschaft der Gläubigen besser Gestalt werden zu lassen“ {Gaudium et spes, Nr. 58). Auf diese Weise bereichert der Glaube die 1736 AD-LIMINA-BESUCHE geistigen Qualitäten jeder Nation, und die Kirche selbst schreitet zu einem volleren Verständnis des Geheimnisses von der Erlösung fort. In diesem Prozeß gilt es einen doppelten Grundsatz zu beachten: die Verinbarkeit der verschiedenen in das Leben der Kirche aufgenommenen Kulturen und Kulturelemente mit dem Evangelium und die Bewahrung der Verbundenheit mit der universalen Kirche (vgl. Familiaris consortio, Nr. 10). Dieser „Dialog“ zwischen dem wahren katholischen Glauben der Kirche und den örtlichen Kulturen ist ein bedeutsamer Aspekt eures bischöflichen Dienstamtes. Es ist sehr wesentlich, daß die Bischöfe eines Landes auf diesem Gebiet in engem Kontakt mit der Römischen Kurie Zusammenarbeiten. Ich bete darum, daß der Heilige Geist, der Herr und Spender des Lebens, euch bei dieser Aufgabe führen möge, die sicherstellen soll, daß die Saat des christlichen Glaubens im Boden Birmas immer tiefere Wurzeln schlägt. 6. Meine bischöflichen Brüder, wir haben nur einige der vielen Aspekte eures Hirtenamtes berührt. Es ist nicht möglich, von allem zu sprechen, was wir auf dem Herzen haben. Worauf es besonders ankommt, ist, daß wir diese Begegnung in der vollen Gemeinschaft des Glaubens und in der Liebe unseres Herrn, Jesus Christus, haben. Ich empfehle euch und die Kirchen, denen ihr vorsteht und dient, der Fürsprache Mariens, der Mutter der Kirche. Bitte, überbringt euren bischöflichen Brüdern, die nicht kommen konnten, meine Grüße. Ich bete für das ganze Volk von Birma, besonders für die Jugend, die Alten und die Kranken. Mit den Worten des Apostels Petrus sage ich: „Friede sei mit euch allen, die ihr in Christus seid“ (2 Petr 5,14). 1737 AD-LIMINA-BESUCHE Mit der Kraft des Gotteswortes die Zerstreuten zusammenrufen Ansprache beim Ad-limina-Besuch einer Gruppe brasilianischer Bischöfe am 16. Februar Ehrwürdige und geliebte Brüder im Bischofsamt! 1. Ich heiße die Bischöfe der Kirchenprovinz Porto Alegre und der drei südlichen Regionen der Nationalen Brasilianischen Bischofskonferenz (CNBB), die die Reihe der vom brasilianischen Episkopat im Laufe dieses Jahres 1985 vorgesehenen Ad-limina-Besuche eröffnen, brüderlich und herzlich willkommen. Mit Wehmut denke ich an meine apostolische Reise nach Brasilien, an die Begegnung mit dem geliebten brasilianischen Volk und besonders mit allen Bischöfen in Fortaleza und mit euch in Porto Alegre. Ich denke voll Dankbarkeit an den damaligen Erzbischof, den ehrwürdigen Kardinal Alfredo Vicente Scherer, der jetzt seiner pastora-len Verantwortung aus Altersgründen entbunden ist, und an die anderen verdienstvollen Bischöfe. Große Freude hat mir die persönliche Begegnung mit jedem von euch in den Einzelgesprächen bereitet. Dies war ein direkter Kontakt mit der Teilkirche, deren Hirten ihr seid. Ich bin dankbar für die kollegialen Begegnungen, die ein Gesamtbild der kirchlichen Situation ihrer Region und der ganzen Nation vermitteln. Die Ad-limina-Besuche bilden ein bedeutsames Moment der Einheit und Katholizität der Kirche. Sie sind die Begegnung der Bischöfe als Nachfolger der Apostel mit dem Nachfolger Petri, dem sichtbaren Haupt der ganzen Kirche und ihrem „immerwährenden Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ (Lumen gentium, Nr. 18). Dadurch wird die bischöfliche Kollegialität, die die Einheit des Geistes, des Herzens und der Disziplin voraussetzt und auf diese Weise eine Festigung erfährt, bestätigt. Der römische Bischof nimmt in seiner Eigenschaft als oberster Hirte der „Herde des Herrn“ die Gelegenheit wahr, sich über die konkrete Lage der Teilkirchen zu unterrichten und mit ihren Bischöfen die Sorgen, aber auch die Freuden des Dienstes am Volk Gottes zu teilen. Was ich einer Gruppe von Bischöfen sage, will ich ebenso den anderen Gruppen sagen, wenn sie jeweils ihre Besuche hier durchführen. Auf diese Weise hoffe ich am Ende der Begegnungen in einer Gesamtschau 1738 AD-LIMINA-BESUCHE einige Hinweise für die hauptsächlichen Probleme zu geben, die die Kirche in Brasilien betreffen. * 2. Das Tätigkeitsfeld, das die Vorsehung eurem Eifer anvertraut, hat eine auch für die übrigen Diözesen und Staaten Brasiliens charakteristische Gestalt. Zu dem portugiesischen Stamm, der durch eine frühe Auswanderung von den Azoren in den äußersten Süden des Landes zustande gekommen war, kamen seit etwas mehr als einem Jahrhundert zahlreiche deutsche, polnische und italienische - vor allem venezianische - Familien hinzu, die, nachdem sie ihre Länder aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen hatten verlassen müssen, dort fruchtbares Land vorfanden, das sie mit Liebe un Hingabe bebauten. Aus diesen in materieller Hinsicht armen, aber an Glauben reichen Familien entstanden Siedlungen, die sich als große Reservate rechtschaffener Menschen und eifriger und überzeugter Christen und auch einer großen Zahl von Priester- und Ordensberufen erwiesen. Während dieses ganzen Jahrhunderts hat das Land die Wohltaten dieser vielen Priester und geweihten Personen aus dem Staat Rio Grande do Sul erfahren. Als vor 75 Jahren die Diözesen Pelotas, Santa Maria und Uruguayana geschaffen wurden, wurde die alte Diözese Säo Pedro in Porto Alegre zum erzbischöflichen Sitz, der vor 50 Jahren durch die Entstehung der Diözese Caxias do Sul bereichert wurde; dazu kamen weitere Diözesen, wie vor 25 Jahren Santa Cruz und Bage, um nur die zu nennen, die Jubiläen feiern, zu denen ich sie beglückwünsche. Seit dem Pionier Don Feliciano Jose Rodrigues Prates hat eine eindrucksvolle Reihe von Bischöfen, die durch Tugend, Weisheit und pastoralen Eifer hervorragte, die heutige Wirklichkeit der Kirchenprovinz aufgebaut und gefestigt. Ihr behaltet die Linie dieser Hirten der Vergangenheit bei und setzt ihr Werk zum Wohl des Gottesreiches in Rio Grande do Sul fort; ich habe die freundschaftliche und herzliche Verbundenheit wahrgenommen, die euch zusammenhält, um gemeinsam die Sorge und Mühe bei der Erstellung und Verwirklichung von gutabgestimmten Pastoralprogrammen zu erleben; ihr werdet von einem eifrigen Klerus dabei unterstützt, die zum geistlichen Amt Berufenen auszubilden und die Laien auf eine aktive Teilhabe am kirchlichen Leben vorzubereiten; und schließlich nehmt ihr euch vor, heute wie in der Vergangenheit die Berufung und Sendung als Bischöfe und Hirten nach dem Vorbild dessen zu verwirklichen, den der Apostel Petrus „oberster Hirt“ (1 Petr 5,4), „Hirt und Bischof unserer Seelen“ (i Petr 2,25) nannte. 1739 AD-LIMINA-BESUCHE 3. Berufung und Sendung der Bischöfe: Manche von euch, die wie ich die einzigartige Erfahrung des Zweiten Vatikanischen Konzils erlebt haben, werden sich daran erinnern, mit welcher Sorgfalt und welchem Eifer wir uns bemüht haben, diese Berufung und Sendung in den Kommissionen und in der Konzilsaula, wenn schon nicht zu definieren, so doch wenigstens zu beschreiben, wobei wir uns an der Heiligen Schrift und am Leben der Kirche inspirierten. Das Denken und die Überzeugung des Konzils in dieser Sache, die sich zutiefst in die umfassende ekklesiologische Sicht eben dieses Zweiten Vatikanums einfügen, sind in den verschiedenen Konzilsdokumenten insbesondere im dritten Kapitel von Lumen gentium und im Dekret Christus Dominus gegenwärtig. Darin erscheint der Bischof vor allem als derjenige, der mit der Kraft des Gotteswortes die Zerstreuten zusammenruft; der die Gemeinschaft des Glaubens, der Liebe, des Gebetes und des Zeugnisses aufbaut, die Kirche, in diesem Fall Teilkirche und er deren Bischof; der die Gemeinschaft in der Einheit und zugleich in der Vielfalt erhält und festigt, indem er darauf achtet, daß die Elemente der Abspaltung und Zersetzung, die Konflikte und Spannungen nicht die Gemeinschaft zerbrechen. Von jedem Bischof müssen wir mit dem Konzil sagen, daß er einer ist, der die Gemeinden sammelt, aufbaut. Doch ausdrucksvoller ist die Formulierung des Konzils selbst: In seiner Diözese ist der Bischof vor allen Dingen ein sichtbares und wirksames Zeichen der Glaubens- und Liebesgemeinschaft, deren „sichtbares Sakrament“ inmitten der Welt die Kirche ist (vgl. Lumen gentium, Nr. 18). 4. Der Bischof ist zweitens magister fidei und doctor veritatis, also Lehrer des Glaubens und Zeuge der Wahrheit. Lassen wir uns von diesen Ausdrücken nicht täuschen: Sie wollen nicht behaupten, daß der Bischof Herr der Wahrheit sei, vielmehr weisen sie ihn als Diener der Wahrheit aus, und eben um Diener zu sein, manipuliert er nicht die Glaubenswahrheit oder -Wahrheiten nach seinem Gutdünken, sondern gibt sie streng getreu weiter; bei der Glaubensverkündigung zwingt er diese Wahrheiten nicht auf, sondern legt sie allen zu gelegener und ungelegener Zeit, ohne zu überwältigen, jedoch mit demütiger Entschlossenheit und Ausdauer vor. Gestattet, daß ich euch bei dieser Begegnung brüderlich ermutige, unerschrockene Verkünder, Förderer und, wenn nötig, Verteidiger der geof-fenbarten Wahrheit und des Glaubens zu sein, der sich aus den genannten Wahrheiten nährt. Gebt diesen Glauben unverkürzt und rein weiter. Deckt auf und bekämpft, was ihn verderben oder verfälschen könnte. 1740 AD-LIMINA-BESUCHE Fördert ihn auch auf Kosten von Opfern und Unverständnis im Bewußtsein und im Herzen eurer Gläubigen. Euch, die ihr vom Heiligen Geist an die Spitze eurer Kirchen gestellt worden seid, obliegt die Sendung, die Gläubigen eurer Gemeinden dadurch im Glauben zu stärken, daß ihr persönlich das Wort der Wahrheit verkündet und mit einer Autorität, die von Gott stammt, dafür Sorge tragt, daß die Theologen, die Katecheten und alle, die die Verantwortung für die Verkündigung der Wahrheit, vor allem in und durch die liturgischen und paraliturgischen Feiern, übernehmen, dies in vollkommener Gemeinschaft mit euch tun, die ihr vor Gott werdet Rechenschaft geben müssen über den Glauben des euch anvertrauten Volkes. 5. Der Bischof ist ebenso Vater, Führer und Hirte. Mit energischen Worten schrieb Jesus Christus, vor allem im Johannesevangelium, sich den Namen und die Funktion des Guten Hirten zu. Jeder Bischof läßt diesen Namen und diese Funktion wieder neu erstehen und setzt sie fort. Dank dieser Funktion erkennt er in den verworrenen Wegen, die sich den Menschen anbieten, den Weg des Evangeliums und der christlichen Berufung. Er nimmt jeden an der Hand und führt ihn, indem er selbst vorausgeht, als guter Hirte, der ihm den Weg weist, Hinterhälten zuvorkommt und ihn gegen Angriffe verteidigt. Viele, die im Besitz menschlichen Wissens, der Wissenschaft und Technik sind, denen es aber an dem Wissen mangelt, das vom Himmel stammt, wenden sich an den Bischof als Hirten. Sie suchen keine wissenschaftlichen Antworten auf ihre menschlichen Probleme: Sie suchen jemanden, der ihnen den von Gott geoffen-barten Weg zeigt. 6. Und schließlich ist die Aufgabe des Bischofs zu heiligen. Ihr kennt die Definition des Bischofs, die der hl. Thomas von Aquin gegeben hat: perfector, Vervollkommner. Das heißt, daß ein glaubwürdiger Bischof jemand ist - insofern und weil er Baumeister der Gemeinschaft und Gemeinde, Lehrer und Erzieher im Glauben, Hirte und geistlicher Vater ist und um es wirklich zu sein -, der die einzelnen Personen und Gruppen seiner Gemeinde einlädt und anspornt, anleitet und bewegt, in dem zu wachsen, was das Wesen der Berufung und des Standes des Christen ausmacht: Sinn für und Suche nach dem Absoluten, das Gott ist, Liebe zu den Brüdern, Geist der Seligpreisungen, Nachfolge Jesu Christi auf den Wegen des Lebens, die Tatsache des Geheimnisses von Kreuz und Auferstehung im Dasein eines jeden, Glaubenszeugnis und christliches Leben inmitten der Welt. Mit anderen Worten, der Bischof hat die anspruchs- 1741 AD-LIMINA -BESUCHE volle, schöne und fruchtbare Aufgabe, die Gläubigen zur Heiligkeit anzuspornen und hinzuführen. 7. Ich wollte euch, meine Brüder im Bischofsamt, all diese Dimensionen der Sendung und Aufgabe des Bischofs in Erinnerung bringen. Ich füge noch einen Gedanken hinzu. Jeder Bischof hat die Pflicht, seine Sendung an der Spitze der Diözese, für die er verantwortlich ist, zu erfüllen. Diese Sendung ist „göttlichen Rechts“, um einen geheiligten Ausdruck zu gebrauchen. Der Stifter der Kirche wollte, daß in ihr ein durch die Handauflegung geweihter Diener seine potestas sacra (heilige Macht) und seine exousia (Amtsgewalt), die von Gott kommen, an der Spitze seiner Teilkirche ausübt. Infolgedessen sind alle Bischöfe als Glieder des Bischofskollegiums und rechtmäßige Nachfolger der Apostel aufgrund von Christi Stiftung und Vorschrift - so die Worte des Konzils - zur Sorge für die Gesamtkirche gehalten (vgl. Lumen gentium, Nr. 23). Darum müssen sie ihrem Hirten- und Leitungsamt die unerläßliche missionarische Dimension geben. Und hier möchte ich die vorzügliche und nützliche, großenteils in euren Diözesen verwirklichte Erfahrung der sogenannten „Schwesterkirchen“ besonders lobend hervorheben. Von der Sendung des Bischofs, die ihn zum Glied des Bischofskollegiums macht, stammt noch eine andere Ausdrucksform dieser Kollegialität, nämlich die vom Zweiten Vatikanum definierten und vertretenen und in entsprechender Weise in den Kodex des kanonischen Rechts aufgenommenen Bischofskonferenzen. Nach Gestaltung und Physiognomie ist - das weiß die CNBB aus ihrer Pioniererfahrung — die Bischofskonferenz Ort der Begegnung, des Dialogs und der gegenseitigen Bereicherung durch das, was man empfängt, und durch das, was man gibt. Beim Austausch von Erfahrungen und Urteilen, bei der Gegenüberstellung von Meinungen ist immer der Ausdruck liebevoller und wirksamer Kollegialität der Nachfolger der Apostel vorhanden, die eine feste Größe des ganzen Gottesvolkes bildet: „Im Glauben daran, daß es vom Geist des Herrn geführt wird, bemüht sich das Volk Gottes, in den Ereignissen, Bedürfnissen und Wünschen, die es zusammen mit den übrigen Menschen unserer Zeit teilt, zu unterscheiden, was darin wahre Zeichen der Gegenwart oder der Absicht Gottes sind“ (Gaudium et spes, Nr. 11). So können wir, wenn wir uns stets das Wort des Herrn: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,35) gegenwärtig halten, nichts mit größerer Inbrunst wünschen, als mit immer mehr Hochherzigkeit und Effizienz dem uns anvertrauten Teil des 1742 AD-LIMINA-BESUCHE Volkes Gottes zu dienen. Und dazu können uns beim pastoralen Wirken auf örtlicher Ebene die großartigen Weisungen und Richtlinien sehr helfen, die die Konferenz als charakteristisch von Natur und Gnade her oder vorrangig für eine Region oder Nation angibt. Bei der Arbeit einer Bischofskonferenz gibt es stets unumgängliche Bezugspunkte: die Identität eines jeden der teilnehmenden Bischöfe, dem der Heilige Geist die Leitung einer Teilkirche übertragen und ihn dafür mit persönlicher Autorität und Verantwortung ausgestattet hat; und gleichzeitig die Gemeinschaft, um sich gegenseitig bei der Evangelisierungsarbeit zu helfen, auf dieselben pastoralen Herausforderungen zu antworten, indem sie sich immer einander verbunden wissen und sich für alle Kirchen besorgt zeigen; denn durch göttliche Einsetzung und Vorschrift des apostolischen Amtes ist jeder einzelne gemeinsam mit den übrigen mitverantwortlich für die Gesamtkirche (vgl. Christus Dominus, Nr. 6). Weisheit und Liebe, Klugheit und gegenseitige Achtung werden diese Gemeinschaft fruchtbar werden lassen. „Der Gott der Geduld und des Trostes schenke euch die Einmütigkeit, die Christus Jesus entspricht, damit ihr Gott. . . einträchtig und mit einem Munde preist. Darum nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes“ (Röm 15,5-7). 8. Ich vertraue diese Überlegungen, die, wie ich hoffe, für eure Sendung nützlich sein werden, dem Guten Hirten Jesus Christus an; ich vertraue sie seiner seligen Mutter an, ihr, die Pilgerscharen aus euren Diözesen, den Spuren der Märtyrer von Rio Grande folgend, Jahr für Jahr unter verschiedenen Titeln verehren. Sie, die fürsorgliche Mutter, erlange für euch persönlich und für euer Bischofsamt die Gnaden Gottes. Dieselben Gnaden erflehe ich für eure unmittelbaren Mitarbeiter - Generalvikare und Bischofsvikare die Priester eurer Diözesen, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Seminaristen, Novizen und Novizinnen, die ständigen Diakone, die nicht geweihten Diener, die Kirchengemeinden, die Basisgemeinden, die Bewegungen und Gruppen, die Familien, Alten, Jugendlichen und Kinder, die Kranken und alle Leidenden. Allen sei der Herr Quelle des Friedens und des Trostes. Mit meinem herzlichen Apostolischen Segen. 1743 AD-LIMINA-BES UCHE „Macht euer Herz stark!“ Ansprache an eine Gruppe brasilianischer Bischöfe (Amazonas-Region) anläßlich ihres Ad-limina-Besuches am 29. April Ehrwürdige und liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Seid willkommen zu dieser kollegialen Begegnung, die für mich ein Grund zu tiefer Freude ist. Sie stellt die Krönung der höchstwillkommenen Aussprachen mit jedem einzelnen von euch Bischöfen der Kirchenprovinzen Belem und Manaus dar. Dabei hatte ich Gelegenheit, an euren Sorgen und Freuden teilzunehmen, eure Wünsche und Hoffnungen kennenzulernen und mich eurer Dankbarkeit gegenüber Gott anzuschließen für die Ziele, die ihr im Hirtendienst an der Herde, die der Herr euch anvertraut hat, erreicht habt. In diesem Augenblick möchte ich, wie der Herr im „Abendmahlssaal“, euch den Ausdruck meiner Gefühle der Zuneigung und Wertschätzung erneuern, in die ich die Priester, die Ordensleute und alle Gläubigen eurer Diözesen und Prälaturen in dieser ausgedehnten und schönen Region des riesigen Landes Brasilien einschließe. Voll Dankbarkeit gegenüber Gott, der Quelle allen Trostes (vgl. 2 Kor 1,3), danke ich auch euch für das Zeugnis der Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe, das dieser Ad-limina-Besuch darstellt, den die Bischöfe mit soviel Interesse und Sorgfalt vorbereiten. Das zeigt, daß sie sich der kollegialen Natur des Bischofsstandes bewußt sind, in Kontinuität mit der „uralten Disziplin, daß die auf dem Erdkreis bestellten Bischöfe untereinander und mit dem Bischof von Rom im Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens Gemeinschaft hielten“ (Lumen gentium, Nr. 22). 2. Wenn ich nach Durchsicht der Fünjähresberichte mit den Bischöfen spreche, kommen mir eindringlich Bilder voll Licht, Farben und Leben in den Sinn, der Rahmen, innerhalb dessen sich die konkreten Situationen ihrer Teilkirchen abspielen, über die sie berichteten oder die sie beschrieben haben; Bilder, die ich bei meinem Pastoralbesuch vor fünf Jahren in Belem und Manaus gesammelt habe, als ich den wundervollen Amazonas-Urwald überflog. Reiche und üppig sichtbare Gebiete, nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Natur, sondern auch unter menschlichem und religiösem Gesichtspunkt; das bekundet die Bevölkerung durch die Herzensgüte, durch das Gefühl der Gastfreundschaft, durch die Pflege der großen geistigen und christlichen Werte und ihre tiefverwurzelten Tradi- 1744 AD-LIMINA -BESUCHE tionen und Frömmigkeitsformen, an erster Stelle die Verehrung der Muttergottes. Vor allem wird für mich das Bild des Menschen wieder gegenwärtig, den ich bei den Begegnungen und Gottesdiensten, die ich zu meiner Freude halten konnte, angetroffen habe: des Menschen, der arbeitet und leidet, des Menschen, der hofft und vertraut. . . Belem-Marituba und Manaus-Indios des Amazonasgebietes, Doppelnamen, die bedeuten, daß es sich vom sozialen Gesichtspunkt her zugleich um Gebiete handelt, wo die Menschen vorwiegend arm sind und leiden, wie ihr mir einstimmig bestätigt habt. Ich beglückwünsche euch, da die Kirche auch in den Regionen, wo ihr berufen seid, die Herde zu leiten, in der euch der Heilige Geist zu Bischöfen bestellt hat (vgl. Apg 20,28), sich bemüht, auf die Herausforderungen zu antworten, und „gleich einem Gebäude wächst mit der Hilfe des Heiligen Geistes“ (vgl. Apg 9,31). Es ist die Frucht des göttlichen Wirkens und auch des unaufhörlichen und hochherzigen Dienstes und Apostolats der Arbeiter der Ernte, der Ordensfamilien und der Institute für das geweihte Leben und zahlreicher Laien, die sich selbstlos in der Pastoralarbeit der Gemeinden engagieren. 3. Dieses gemeinsame Bemühen vermittelt den Eindruck eines „guten Bodens“ und im allgemeinen, Gott sei Dank, einer „guten Saat“. Es fehlt gewiß nicht an Schwierigkeiten, Mängeln und Enttäuschungen, die das Wachstum dieser Saat des Wortes vom Reich Gottes verzögern. Aber es ist für uns auch die Regel, die der Apostel beschrieb: „In allem erweisen wir uns als Gottes Diener: durch große Standhaftigkeit“ (vgl. 2 Kor 6,4); und das gleiche gilt von der Lebenslehre der Rechtfertigung, die der hl. Jakobus uns gibt und die ihr wohl schon erprobt habt: „. . . Haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn! Auch der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde, er wartet, bis im Herbst und im Frühjahr der Regen fällt. Ebenso geduldig sollt auch ihr sein. Macht euer Herz stark“ (.Jak 5,7-8). Seit meinem Besuch in Manaus hatte ich die Absicht, eine Botschaft an euch zu richten, um euch zu der immer wichtigsten Aktivität der ganzen Seelsorge zu ermutigen, nämlich zu der vom Lehramt der Bischöfe geleiteten Evangelisierung, um dem Weg des Volkes, das auf dem gesegneten Land, dessen Bischöfe ihr seid, pilgert, Richtung zu geben (vgl. Predigt bei der Messe in Manaus, Nr. 4). Es besteht kein Anlaß, die damals geäußerten Überlegungen zu wiederholen, die ich noch heute für völlig aktuell halte. Andererseits stelle ich dankbar fest, daß ihr euch 1745 AD-LIMINA-BESUCHE bemüht, eure Gemeinden zu einer „evangelisierten Kirche“ zu machen, „damit diese ihrerseits evangelisieren kann“, um eine glückliche Formulierung meines Vorgängers Paul VI. zu gebrauchen. 4. Derselbe Papst hat bekanntlich die Evangelisierung als etwas Komplexes dargestellt, das zuallererst darin besteht, „auf einfache und direkte Weise Zeugnis zu geben von Gott, der sich durch Jesus Christus geoffen-bart hat im Heiligen Geist“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 26). „Evangelisieren ist in der Tat die Gnade und eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität. Sie ist da, um zu evangelisieren, d. h., um zu predigen und zu unterweisen, Mittlerin des Geschenkes der Gnade zu sein, die Sünder mit Gott zu versöhnen, das Opfer Christi in der heiligen Messe immer gegenwärtig zu setzen, welche die Gedächtnisfeier seines Todes und seiner glorreichen Auferstehung ist“ (ebd., Nr. 14). Der Evangelist Johannes besteht in der ihm eigenen Sichtweise vor allem in seinem ersten Brief auf der Erklärung, nach der der Glaube an Gott die Wahrheit und das Licht und das Zeugnis dafür bedeutet: der Liebe des Vaters, die im menschgewordenen, gestorbenen und auferstandenen Jesus Christus offenbar wurde, in dem allen Menschen das Heil als Geschenk der Gnade und des Erbarmens angeboten wird, gebührende Bedeutung verleihen. Ein Heil, das nicht der Welt innewohnt, sondern sie mit Dimensionen der Ewigkeit übersteigt: „Gott hat uns das ewige Leben gegeben; und dieses Leben ist in seinem Sohn“ (/ Joh 5,11). Auf dieser Grundlage sollt ihr, wie das Dokument von Puebla nachdrücklich betont, als „integrierenden Bestandteil“ der Evangelisierung die Suche und die Antwort auf die Fragen des konkreten Lebens der Menschen in ihrer Zeit und ihrem spezifischen Lebensraum betrachten. 5. Wenn wir die Geschichte Brasiliens betrachten, ragen die Gestalten der Missionare hervor, die alles verließen, um in das unbekannte Land vorzudringen und das Evangelium Christi in diese riesigen Gebiete zu tragen, wobei sie Mut und bewährte Selbstverleugnung an den Tag legten. Sie unternahmen alles, was für sie erreichbar war und überwanden unzählige Schwierigkeiten, damit auf diesem Neuen Kontinent der katholische Glaube verbreitet werden konnte, der ihn heute auszeichnet. Wegen der großen Entfernungen, des Mangels an Kommunikationswegen und der geringen Zahl von Evangelisatoren konnten sie nicht immer die religiöse Unterweisung und Bildung der Bevölkerung so vervollkommnen, wie sie es gern getan hätten. Trotz der Lücken, die man noch heute in dem ganzen Gebiet feststellt und die auf das Konto besonderer Umstände gehen, muß das große Verdienst 1746 AD-LIMINA-BESUCHE der Arbeit dieser Pioniere der Evangelisierung anerkannt werden, die dazu beigetragen haben, daß Brasilien zur größten katholischen Nation der Welt geworden ist und durch die Jahrhunderte hindurch an dem Glauben festgehalten hat, den sie ihm einst vermittelt haben. Eure Regionen Nordbrasilien 1 und 2 sind auch durch ihre enormen Ausdehnungen und Entfernungen gekennzeichnet. Und es ist zweifellos sehr schwierig für den Hirten, mit einer so verstreuten Herde Kontakt zu halten. Seine Stimme erreicht die Gläubigen oft nur über das Radio, das in jenen Gegenden mit großer Aufmerksamkeit gehört wird. Die Pastoraireisen erfordern einen wahren Abenteuergeist und eine intensive Liebe in jedem einzelnen der sich im unermeßlichen Urwald verlierenden Einwohner. Außerdem stoßt ihr unter menschlichem und sozialem Gesichtspunkt in der Tat auf konkrete Situationen offenkundiger Armut, Unwissenheit, Krankheit und manchmal eines Randdaseins, die euch nicht gleichgültig lassen können. Und vor allem fehlen die „Arbeiter für die Ernte“, die, die sich aktiv der Evangelisierung annehmen. Hier liegt wohl eine der Hauptquellen für die weitreichenden Sorgen der Bischöfe. 6. Ohne uns entmutigen zu lassen, „wollen wir versuchen, uns in all diesen Dingen als Diener Gottes zu erweisen“. Er ist der „Herr der Ernte“. Ich weiß, daß ihr das alles in klarem Bewußtsein erlitten habt und erleidet. Ihr seid deshalb bewußt aktiv bei dem Versuch, die beiden einzigen Wege einzuschlagen, die sich uns im normalen Plan der Gnade und Vorsehung Gottes anbieten, um den Engpaß zu überwinden. Der erste Weg besteht in der Höherbewertung der Mitarbeit der Laien bei bestimmten Aufgaben, wodurch das Wirken der Priester, die von ihrem Dienst sehr oft bis an die Grenze ihrer Kräfte beansprucht werden, erweitert und gestärkt werden soll. Außer ihrem persönlichen Zeugnis der Frohbotschaft als Christen, mit dem sie zu Werkleuten der Evangelisierung werden, sind die Laien in Kontinuität mit der bei der Taufe empfangenen Berufung und kraft des gemeinsamen Priestertums der Gläubigen aufgerufen, die Sendung der Kirche soweit als möglich zu verwirklichen. Vor allem dort, wo es an geweihten Dienern fehlt. Sie müssen als solche geschätzt und eingesetzt werden, indem man sie auf jede Weise um ihre Mitarbeit ersucht, ihr Bewußtsein und ihre Fähigkeit, ,überzeugte Christen zu sein, bildet und fördert, und ihnen hilft, schließlich ihre eigene Berufung zum Apostolat zu verwirklichen. Der andere Weg ist der der Pastoral und Förderung geistlicher Berufe, in die die Laien selbst, die Familie und die Schule einbezogen werden 1747 AD-LIMINA-BESUCHE müssen, indem man sie über die Bedeutung, die Notwendigkeit und die Voraussetzungen des Priesterberufes aufklärt. Und diese Aufklärung muß in der Gewißheit erfolgen, daß es Vollmachten gibt - Darbringung des eucharistischen Opfers, Vergebung der Sünden, Verkündigung des Gotteswortes -, die der göttliche Stifter der Kirche mit dem Priestertum, mit dem Amt des Priesters verbunden hat. So werden sich die Versuche, solche Vollmachten auf die Gemeinde zu übertragen, als nichtig erweisen und nicht imstande sein, der religiösen Lebendigkeit der Gemeinden zu dienen. Es gibt ein brasilianisches Sprichwort, wie man mir sagte, das in diesem Zusammenhang programmatisch sein könnte: „Plantando, da“, also: „Wenn man pflanzt, bringt man Frucht“; und es freut mich zu wissen, daß einige Bischöfe dabei sind, dies zur Devise zu nehmen; in dem Fall jedoch immer in dem großen Vertrauen, daß allein Gott wachsen läßt (vgl. 1 Kor 3,7). 7. In diesem wie in anderen Punkten konnte ich durch diejenigen, die mir ihr Herz öffnen und den dringenden Wunsch nach geeigneten Lösungen für die Probleme ihrer Gemeinden bekunden wollten, die Bedeutung ermessen, die für die Bischöfe bei der lobenswerten Suche nach Reinheit und Unversehrtheit des Glaubens und nach Einheit im kirchlichen Leben die für die ganze Kirche gemeinsamen Weisungen haben. Und so gilt es in der Tat, in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri und in voller Übereinstimmung mit dem einzigen, vom lebendigen Lehramt erleuchteten Evangelium den Einsatz beim Handeln und bei der Gewissensklärung der Gläubigen „zu gelegener und ungelegener Zeit“ (vgl. 2 Tim 4,2) zu überprüfen, indem man ihnen hilft, Zweifel zu überwinden und alles zu vermeiden, was Ursache von Verwirrung und Abweichung wäre. „Niemals kann man ohne die Kirche und noch weniger im Gegensatz zu ihr evangelisieren“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 16). Die Kirche, die in der Welt, im Dienst des konkreten Menschen steht und von Christus mit dem Geschenk des Lehramtes versehen wurde - wie ich in der Favela von Vigidal auszuführen Gelegenheit hatte ist die Universalkirche, die Kirche des Geheimnisses der Menschwerdung, die im Namen ihrer eigenen Wahrheit spricht, aber einer „wirklichkeitsbezogenen“ Wahrheit, die uns hilft, „jede menschliche Wirklichkeit, jeden Konflikt, jede Ungerechtigkeit und jede Spannung zu berücksichtigen“ (Nr. 5). Und dennoch bleibt ein Geheimnis der Einheit im Heiligen Geist: „ein Leib und ein Geist“ (Eph 4,4). Je schwieriger sich die Probleme und ihre Lösung erweisen, um so tiefer muß darum die Einheit mit dem sichtbaren Haupt des Kollegiums und der Bischöfe untereinander sein, 1748 AD-LIMINA-BESUCHE Frucht jener Liebe in Christus, aufgrund welcher alle erkennen werden, daß wir seine Jünger sind (vgl. Joh 13,35; Lk 11,23). 8. In diesem Licht wolltet ihr mich über Evangelisierungspläne und -Programme informieren, die ich gern unter der weisen Leitung eures Lehramtes erfolgreich verwirklicht sehen möchte. Ich bin sicher, daß euch allein der Vorsatz leitet, die Kirche so in der Einheit und im Frieden Christi aufzubauen, daß ihr euch „als Diener Gottes“ erweist. Diese Pläne und Programme betreffen — um nur einige zu nennen: - den Bereich der Liturgie und des sakramentalen Lebens mit besonderer Betonung der Feier der Sakramente der Eucharistie und der Buße sowie der Verkündigung des Wortes Gottes; - den Bereich der Familie im Hinblick auf die Bildung stabiler Ehen und gesunder Familien; im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio sagte ich, daß „die Zukunft der Menschheit über die Familie führt“; richtig geleitet, hat sie auch eine entscheidende Rolle in der Zukunft der Priester- und Ordensberufe; - den Bereich der christlichen Erziehung, wo ein falsch verstandener Pluralismus und eine Toleranz, die leicht in Permissivismus ausartet, das Sündenbewußtsein beinahe zum Verschwinden bringen, wie ich kürzlich in dem Apostolischen Schreiben Reconciliatio et paenitentia hervorhob (Nr. 16); - den Bereich der Bildung, um aktiv am Leben der Gemeinde teilzunehmen, wo es gilt, den christlichen Sinn vor politischer Polarisierung oder der Tyrannei modischer Ideologien zu bewahren, die es beide darauf abgesehen haben, die menschliche Leistungskraft auszubeuten und aus dem allgemeinen Elend Nutzen zu ziehen; - den riesigen sozialen Bereich, in dem die Sorge um Hilfe für die gesamtmenschliche Förderung breiter Schichten der Bevölkerung und für die Unterstützung und Wiederherstellung der Gerechtigkeit nicht den wesentlichen Inhalt des Evangeliums vergessen oder auf den zweiten Platz verdrängen lassen sollte; - den empfindlichen Bereich der Achtung der Indios, zu deren Gunsten es die Bischöfe niemals an Anstrengungen haben fehlen lassen, ihnen die Frohbotschaft vom christlichen Heil zu bringen, wobei sie ihre Rechte förderten und ihnen vor allem eine wahrhaft christliche Liebe widmeten. 9. Ich möchte diese Überlegungen nicht abschließen, ohne in eurer Gegenwart die Botschaft zu erneuern, die ich an zahlreiche Missionare gesandt habe, die in Brasilien - hauptsächlich in den Amazonasgebieten - 1749 AD-LIMINA-BESUCHE für das Reich Gottes gearbeitet haben und noch immer arbeiten, eine Botschaft, die ich ihnen überbrachte, als ich in Manaus war. Diese Botschaft ist zugleich ein Appell. Die Kirche ist sich auch heute bewußt, daß sie Seelen braucht, die, von der Liebe zu Christus erfüllt, die Aufgabe der Mission übernehmen, sie weiß, daß sie viele braucht, die ihr ganzes Leben hingeben, um für die Sache des Evangeliums zu arbeiten und zu leiden (vgl. Mk 8,35). Zum Abschluß dieser Ansprache erbitte ich euch, meine bischöflichen Brüder, und euren Kirchengemeinden durch die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria, den „Stern der Evangelisierung“, die Mutter der göttlichen Gnade und Unsere Liebe Frau von Nazaret - ein Titel, unter dem sie gerade in euren Regionen häufig angerufen wird -, die Ausgießung der Gaben des Heiligen Geistes, mit meinem allgemeinen Apostolischen Segen. Die Berufung zum Priesteramt Ansprache an eine Gruppe brasilianischer Bischöfe aus der Südregion anläßlich ihres Ad-limina-Besuches am 4. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (Ps 133,1). Mit diesen Worten des Psalmisten möchte ich beginnen, um der Freude Ausdruck zu verleihen, die ich empfinde, wenn ich euch Erzbischöfe und Bischöfe der Kirchenprovinzen Parana und Santa Catarina hier willkommen heiße, die die Regionalsekretariate „Süd-2“ und „Süd-4“ der Nationalen Bischofskonferenz Brasiliens bilden. Es ist eine herzliche und zugleich dankbare Begrüßung für das Zeugnis der Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri, das in der Visita ad Limina Apostolorum, im Besuch an den Gräbern der Apostel, immer enthalten ist. Ihr vertretet hier die geliebten Brüder dieser herrlichen Südregion Brasiliens, die ich bereits, symbolisch, bei dem unvergeßlichen Aufenthalt in Curitiba während meiner pastoralen Pilgerreise durch die brasilianische Erde besuchte. Bilder von dieser Begegnung mit gütigen und arbeitsamen Menschen erinnern mich mit einer gewissen Sehnsucht an die Intensität 1750 AD-LIMINA-BESUCHE der Liebe zu Christus, die ich erfahren habe, und die ungeheure Hoffnung, die ich erlebte und bewahre und damals in den Augen jedes Brasilianers, dem ich begegnete, lesen konnte. Die tiefverwurzelte christliche Tradition und das Empfinden für die kirchliche Gemeinschaft ist der besondere Reichtum der Bevölkerung eurer Erde, die von der geographischen Kontinuität und der ethnischen Vielfalt, aber mit gemeinsamen sozio-kulturellen und religiösen Aspekten, gekennzeichnet ist. Heute sehe ich in eurer Person - mit Vorfahren unterschiedlicher Herkunft - diese „Erde aller Völker“ wieder, ich sehe das „Mosaik“ von Physiognomien verschiedener Rassen, die verbrüdert und zusammengeschlossen sind in dem „neuen und allumfassenden Volk der Söhne Gottes. Dazu sandte Gott schließlich den Geist seines Sohnes, den Herrn und Lebensspender, der für die ganze Kirche und die Gläubigen einzeln und insgesamt der Urgrund der Vereinigung und Einheit in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet ist“ (vgl. Apg 2,42) (Lumen gentium, Nr. 13). Ich grüße alle Gäubigen eurer eifrigen christlichen Gemeinden, die berufen sind, in der einen Kirche Christi als Lichter in der Welt zu leuchten, indem sie am Wort des Lebens festhalten (vgl. Phil 2,16). Indem ihr als Bischöfe das Gleichnis vom „Schriftgelehrten, der ein Jünger des Himmelreichs geworden ist“ (vgl. Mt 13,52) erfüllt, bemüht ihr euch, an der Treue zu Christus festzuhalten und sie zu vermehren, die nicht geringen Einfluß auf die menschliche Förderung eures Volkes hatte, weil sie über die unvergleichliche Kraft zur Gesamtentfaltung der menschlichen Person und den Aufbau einer von der Macht der Brüderlichkeit beseelten Gesellschaft verfügt. 2. Ihr wißt, daß zusammen mit der Bekräftigung der bischöflichen Kollegialität und dem Erlebnis der Bande inniger Gemeinschaft im Glauben an Christus und im kirchlichen Leben zwischen dem Heiligen Stuhl und den verschiedenen Diözesen der Ad-limina-Besuch auch zum Nachdenken einlädt, zum Bewerten und Uberprüfen von Projekten und dazu, die eigenen Sorgen der Bischöfe „einzuordnen“. Die Kenntnis der Berichte und vor allem der persönliche Kontakt mit euch gaben mir Gelegenheit, an dem teilzuhaben, was euch am Herzen liegt. Ich danke Gott für die Feststellung, daß die Liebe zu Christus, verbunden mit dem Gefühl der persönlichen Verantwortung und der apostolischen Mitverantwortung, im Dienst an der Herde, zu deren Bischöfen, Lehrern und Hirten euch der Herr eingesetzt hat, den Ausschlag gibt (vgl. Christus Dominus, Nr. 12,15,16). 1751 AD-LIMINA-BESUCHE Angesichts des Bildes, das ihr mir vom „Acker Gottes“ gegeben habt, den ihr mit der Geduld des guten Bauern bebaut (vgl. Jak 5,7), muß ich auf jeden Fall auf das hinweisen, was augenblicklich den Gegenstand eurer Aufmerksamkeit und eures Einsatzes bildet: die Evangelisierung der Welt der Kultur; besondere Hindernisse für die Seelsorge in Städten und Vorstädten; Präsenz der Kirche in der Welt der Arbeit; Sorgen um die Gläubigen in ländlicher Umgebung; erzwungene Bevölkerungsbewegungen und zu überwindende soziale Ungerechtigkeiten auf der Suche nach einer gerechteren und brüderlicheren Gesellschaft, Erscheinungen, die die Söhne der Kirche nicht immer vorbereitet antreffen; das Auftreten neuer Sekten und Bewegungen mit mehr oder weniger religiösem Charakter, die das einfache und ahnungslose Volk verwirren; die entsprechende Anpassung der Katechese, die weder Verkürzungen der Lehre noch Verschleierung der Glaubenswahrheiten billigt; die Verpflichtung der Laien im Leben der Kirche und ihre Teilhabe am Gemeinschaftsleben; die „Spontaneitäten“ in Leben und Anpassung der Liturgie. Unermeßlich und vielfältig ist also das Feld, das sich eurem pastoralen Eifer und Engagement als Bischöfe öffnet, was sich bereits als unermüdlich und klug erweist. Begleiten muß uns alle immer das Vertrauen, daß wir „Mitarbeiter Gottes“ sind, wenn wir das tun, was wir tun müssen. Und dabei begleitet euch immer mein Gebet. 3. In Ergänzung der Themen, die ich bei meinen Begegnungen mit den verschiedenen Gruppen der Bischöfe Brasiliens anzuschneiden mir vorgenommen habe, möchte ich heute in kurzen Überlegungen bei der Aufgabe der ständigen Weiterbildung eurer Priester verweilen, die jedem Diöze-sanbischof obliegt: Ausbildung im Seminar und über das Seminar hinaus ständige Weiterbildung. Die Problemstellung auf diesem Gebiet darf sich nicht von dem unterscheiden, worauf vom Geist der Wahrheit und der Liebe mit Hilfe des heiligen Autors hingewiesen wurde: Der Priester „wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott, um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen“ (Hebr 5,1). In fünf Richtungen muß sich folglich die Aus- und Weiterbildung des Priesters vollziehen: die „Aussonderung“ aus den Menschen (nur nicht schon aus der „Welt“), der Dienst am Menschen vor Gott, das Opfer und die Wiederversöhnung. Es wäre schön und nützlich, anhand der vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorgezeichneten Linien jeden dieser Punkte darzulegen; auf ihnen beruht die Definition des Priesters, die Identität des „Vaters“, wie man in eurer Sprache lieber sagt. 1752 AD-LIMINA-BESUCHE Ich wußte es bereits und ihr habt es mir mit Freude bestätigt, daß eure Regionen nicht allein in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch was die Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben betrifft, als „Speicher Brasiliens“ bezeichnet werden können. Die Berufung ist und bleibt immer ein Geschenk Gottes, das er keiner Gemeinde versagt; aber es ist wie bei einer guten Saat, die nur in gutem Boden gedeiht, wächst und schließlich Früchte trägt. 4. In einem so riesigen Land wie Brasilien, mit einem so empfindlichen Mangel an Priestern und Ordensleuten, ist es tröstlich, ein Wiederaufblühen von Berufen festzustellen. Das läßt uns die Hoffnung hegen, daß die weitverbreitete, in euren Regionen vielleicht weniger spürbare Krise, überwunden werden könnte. Indessen wird sich diese Weckung von Berufen nur in dem Maß als fruchtbar erweisen, als man die „Berufenen“ entsprechend ausbildet. Darunter ist mehr als die bloße Aneignung von Kenntnissen oder akademische Bildung zu verstehen; sie muß integrale Bildung und Formung der Person sein, die die menschlichen Gaben und Eigenschaften berücksichtigt, um diese für die Sendung der Kirche zu entwickeln und einzusetzen, bis hin zum vollen asketisch-geistlichen Leben jedes einzelnen, auf der Grundlage der verschiedenen Zweige der Sakralwissenschaften, die von den Humanwissenschaften richtig ergänzt werden, und der Vorbereitung auf die Seelsorge zu dienen. Ich teile die eifrige Sorge, die ihr beweist, um den künftigen Priestern eine solide Ausbildung zu ermöglichen, und ich muß die Bedeutung loben, die ihr der Funktion des Seminars für die Erreichung dieses Zieles zuerkennt. Das Gemeinschaftsleben in diesen Institutionen, wie es beim Zweiten Vatikanischen Konzil empfohlen und erst vor kurzem vom Kodex des kanonischen Rechts bestätigt wurde, ist bei der Vorbereitung auf das Priestertum noch immer eine absolute Notwendigkeit. In diesem Punkt scheinen einige Experimente vergeblich gewesen zu sein, aber mehr als auf sie kommt es auf die Praxis an, die in den eurer Hirtensorge anvertrauten Diözesen gehandhabt wird, wo die Seminare blühen und Früchte tragen. Natürlich bedürfen die Seminare der ständigen Erneuerung und Anpassung, was bei denen, die diese Erneuerung durchführen, Ausgeglichenheit, Gemeinsinn und die notwendigen Eigenschaften erfordert; insbesondere einen tiefen evangelischen und priesterlichen Geist, der sich ganz in die Sendung der Kirche einfügt. 5. Man zögere also nicht, die besten Mitglieder aus den Reihen des Diözesanklerus und der Orden für die Seminare zu bestimmen und 1753 AD-LIMINA-BESUCHE entsprechend vorzubereiten, selbst um den Preis, auf ihre wirksame Mithilfe bei anderen Aufgaben verzichten zu müssen. Es handelt sich um eine für die Zukunft der Gemeinden lebenswichtige Aufgabe; menschlich gesprochen handelt es sich um eine „gesunde Investition“, die mehr oder weniger langfristig ihre Früchte tragen wird. Die Formung der christlichen Gemeinden, ob Pfarreien oder Gemeinschaften anderer Art, sowie der eigentlichen Diözesangemeinde hängt in hohem Maße von der Gestalt und den Fähigkeiten - selbstverständlich immer als „Werkzeuge“ Gottes - der jeweiligen Hirten ab, die sie leiten und ihnen dienen. Es scheint in diesem Zusammenhang angebracht, an das inspirierte Wort zu erinnern, das der Herr in einem sehr bezeichnenden Augenblick für seine Jünger wiederholte: „Ich werde den Hirten erschlagen, dann werden sich die Schafe zerstreuen“ (Mk 14,27; vgl. Sach 13,7). Das wußte „der Herrscher der Welt“ (Joh 14,30) sehr wohl; wir wissen gleichfalls, daß „die Kinder dieser Welt. . . klüger als die Kinder des Lichtes sind“ (vgl. Lk 16,8), die nicht aufhören, in dieser Zeit der Säkularisierung gegen die Priester aufzutreten und sie mit der „Sprache der Welt“ in Versuchung zu führen. Trotzdem verfügen wir und unsere Priester über die große Gewißheit, daß wir siegen werden: „Denn er, der in euch ist, ist größer als jener, der in der Welt ist“ (7 Joh 4,4). In der Folge hat Christus immer wieder gesagt: „. . . Habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ {Joh 16,33). Hoffentlich könnt ihr die Priester finden, die bereit sind, sich auf diese kirchliche Aufgabe vorzubereiten, oder die bereits darauf vorbereitet sind. Und zugleich mit diesem Wunsch kommt mir spontan auch ein Wort wohlwollender Anerkennung auf die Lippen für diese selbstlosen Diener der Sache des Reiches Gottes - die Erzieher des neuen Aufgebotes an Priestern -, und das verbunden mit dem liebevollen Wunsch, daß sie sich niemals des Vertrauens ihres Bischofs, also des Vertrauens der Kirche, unwürdig erweisen mögen; das heißt, daß sie sich nicht nur als wirklich kompetente Sachverständige in den jeweiligen Fachbereichen erweisen, sondern auch als vorbildlich in der Treue zum Lehramt und zur Hierarchie, als engagiert, voller Demut und Armut im Geiste, in jedem, besonders dem priesterlichen Bildungsprozeß, der in den Institutionen, denen sie dienen, verfolgt wird. Diese müssen in allen Diözesen, in ihrem Umfeld als Vorbild von Erziehungsgemeinschaften leuchtend hervorragen. 6. Besonders hervorheben möchte ich hier gern eure der lobenswerten Tradition eurer Regionen entsprechende Sorge als Bischöfe, daß eure 1754 AD-LIMINA-BESUCHE Priester so ausgebildet werden, wie Gott selbst es wünscht, und gemäß den Erläuterungen des göttlichen Willens, die die Kirche gibt. Ich weiß um eure besondere Liebe in Christus zu euren Priestern, die sich bis hin zu der Sorge kundtut, daß sie auch in materieller Hinsicht ein menschenwürdiges und in gesellschaftlicher Hinsicht ehrenhaftes Leben führen. Ich möchte euch ermutigen, in dieser bevorzugten Sorge für das Wohlergehen eurer unmittelbaren Mitarbeiter fortzufahren, damit sie in Freude und in Fülle, in Treue zu Gott und den Menschen ihre Identität leben als echte „Gesandte an Christi Statt“ (vgl. 2 Kor 5,20) in der Welt, ohne aber von der Welt zu sein. Die Mitgift, die die Priester aus dem Seminar mitbringen und die in den Konzilsdekreten Optatam totius und Presbyterorum ordinis aufgeführt ist, deren Lehre der Kodex des kanonischen Rechts voraussetzt oder übernimmt, besteht in einer ganzen Reihe von Tugenden, die im gesellschaftlichen Zusammenleben geschätzt werden, Tugenden moralischer, asketisch-spiritueller, intellektueller und pastoraler Qualitäten. Diese Gaben müssen ständig erneuert und bereichert werden, damit nicht in den Priestern „Christi Wohlgeruch“ (vgl. 2 Kor 2,15) schwindet. Um den in „irdischen Gefäßen“ (2 Kor 4,7) enthaltenen Schatz, der aus denen besteht, die euren Klerus bilden, zu schützen und zu bewahren, ist es äußerst wichtig, daß sie in ihrem Bischof einen Freund und Vertrauten ihres Lebens sehen, einen Bruder im Priesteramt und einen Vater im Glauben. Darauf wird sich die Bereitschaft der Priester gründen ohne Autoritätsverlust auf seiten dessen, der den Führungsdienst leistet: die Bereitschaft zu dem mit seinem Ansehen vereinbaren Dialog, wenn er sich mit der Armut im Geist vereint hat; zur Zusammenarbeit, die gegenseitige Anerkennung erfordert; und zum Gehorsam, der auf beiden Seiten lebendigen Glauben und überirdische Liebe voraussetzt. Das erleichtert sehr das Zeugnis, das die Sendung wirksam machen soll: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,35; vgl. 15,9 ff.); eine Liebe, die die Einheit hervorbringt: „Alle sollen eins sein . . ., damit die Welt an den glaubt“, den der Vater gesandt hat (vgl. Joh 17,21) und der seinerseits uns zueinander sendet. 7. Doch der komplexe Charakter der Gesellschaft, in der wir leben, verlangt, damit wir aus den Heilsgütern schöpfen und davon Zeugnis geben können, auch die planmäßige Abhaltung von Fortbildungskursen während der tatsächlichen Ausübung des Priesteramtes (vgl. CIC, can. 279 und 555, § 2). Die Bereiche, die es mit dem Geist des Evangeliums zu 1755 AD-LIMINA-BESUCHE durchdringen gilt, sind sehr zahlreich und verschiedenartig; und die Botschaft ist eine, einfach, immer identisch und für alle bestimmt. Man muß sie weise und klug denen anpassen, die sie annehmen müssen, um gerettet zu werden; man muß sie in die Praxis umsetzen nach der goldenen Regel des Apostels: „Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten“ (1 Kor 9,22). Das Konzil sagt: „Trotz ihrer verschiedenen Ämter werden alle Priester gesandt, an demselben Werk gemeinsam zu arbeiten“ (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 8, und CIC, can. 275). Und dieses Werk ist im Grunde die Verwirklichung des Planes Gottes, der „will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Die Sendung des Priesters innerhalb der ihr eigenen Sendung der Kirche bezieht sich also nicht auf den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich (vgl. Gaudium et spes, Nr. 42). Der Priester - als Mann der Kirche, „erwählt“ unter den Menschen, um ihnen zu dienen als Spender der Geheimnisse Gottes - ist seiner Bestimmung nach ein Fachmann des Glaubens und ein Gottesspezialist (vgl. CIC, can. 276). 8. Um in seiner besonderen Lage den Glanz des „Lichtes der Welt“ und die Kraft des „Salzes der Erde“ beizubehalten, wird der Priester klare persönliche Überzeugungen besitzen müssen, die ständig auf dem Fundament der „Philosophia perennis“ und der Theologie angereichert und gepflegt werden, die vom Lehramt der Kirche in engem, ununterbrochenem Kontakt mit der Heiligen Schrift gelehrt und gebilligt wird: Dogmatik, Moral, Liturgie, Pastoral, Soziologie, Pädagogik usw. Nur mit persönlicher Überzeugung und Gewißheit wird der Priester imstande sein, einen konstruktiven Dialog mit der Welt zu führen, den Zustand der Verwirrung und Illusion, der durch die modernen Versionen des Prometheus-Mythos entstanden sind, zu überwinden und anderen bei dieser Überwindung zu helfen. Ich kann sodann nicht umhin, euch zu dem Eifer zu beglückwünschen, mit dem ihr Studientagungen und „Aggiornamento“-Kurse für eure Priester fördert; und ebenso zu dem Niveau und dem Ton in den Plänen und Programmen organischer Seelsorge, die ihr regelmäßig für eure Regionen Süd-2 und Süd-4 und für einige Bischöfe, die sie übernehmen, erstellt. Eine der wichtigsten Funktionen des Diözesanbischofs ist eben folgende: für die ständige Weiterbildung seiner Priester zu sorgen, sie zur Treue zu ihrer Berufung anzuspornen, ihnen Auftrieb und Orientierung für ihren Eifer und ihre Seelsorgsarbeit zu vermitteln. Als Vorsitzender seines Klerus wird sich der Bischof als weitblickend und entschlossen im Festhal- 1756 AD-LIMINA -BESUCHE ten an der Lehre und in der Beachtung sowohl der rechtlichen wie der liturgischen und pastoralen Vorschriften erweisen müssen; und zugleich wird er immer freundlich und voll Erbarmen gegenüber den Priestern und ihrer Situation sein wie ein guter Familienvater: ein Vater der Priesterfamilie. 9. Ehe wir diese willkommene Begegnung beenden, möchte ich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem, was ich soeben sagte, noch einen weiteren sehr wichtigen Bereich erwähnen; ich tue das vor allem wegen der ständig vorhandenen Gefahr der Beeinflussung, die heute durch die Massenmedien, die keineswegs immer an der Schwelle des Heiligtums haltmachen, stark gefördert wird; und auch wegen der vermehrten Forderungen und Erfordernisse einer wirksamen Evangelisierung - ohne Zweideutigkeiten - der Menschen unserer Zeit. Ich beziehe mich auf das geweihte Leben. Ich kenne und schätze mit euch die hochherzige, opferbereite und wertvolle Hilfe, die die Mitglieder der Institute des geweihten Lebens auf den vielfältigen Gebieten des Apostolats eurer Regionen und in Brasilien überhaupt leisten, besonders überall dort, wo Mangel an Priestern herrscht. Ich bin sicher, daß ihr in eurer Feinfühligkeit als Bischöfe die Verantwortung, die ihr als wahre Lehrmeister und Führer der christlichen Vollkommenheit der ganzen Herde des Herrn haben müßt, niemals an die zweite Stelle rückt; ihr müßt infolgedessen auch Hüter der Berufung zur Heiligkeit, wie sie dem Geist und dem Charisma jedes einzelnen Ordensinstituts entspricht, sein, um die Ordensleute auf den Wegen der gesunden Lehre zu führen und zugleich als Animatoren, Erzieher und Väter im Glauben derer zu wirken, die zum Ordensleben berufen sind (vgl. Christus Dominus, Nr. 33-35; Mutuae relationes, Nr. 28). Es ist klar, daß die Verantwortlichkeit des Bischofs sich unmittelbarer in den Dienst einschaltet, den die Ordensleute im Apostolat auf Diözesan-ebene leisten; uns als Bischöfen obliegt es, sie zu integrieren und zu leiten (vgl. CIC, can. 394 und 680). 10. Liebe Brüder, mögen euch diese Überlegungen, die ich aufgrund dessen angestellt habe, was ich in den Berichten und persönlichen Gesprächen erfahren habe, zusammen mit eurer Liebe zur Kirche und mit dem Licht des Heiligen Geistes in eurem pastoralen Eifer ermutigen, den Auftrag Christi zu verwirklichen und die Sendung weiterzuführen, derentwegen er „für uns Menschen und für unser Heil vom Himmel herabgestiegen ist“. In ihm festige sich eure Hoffnung und der tätige Einsatz zum 1757 AD-LIMINA-BESUCHE Aufbau einer versöhnlicheren, christlicheren und eben deshalb menschlicheren und brüderlicheren Welt, wo Liebe und Friede herrschen. Und es sei mir in diesem Augenblick gestattet, die Worte zu übernehmen und paraphrasierend wiederzugeben, mit denen einer eurer Berichte endet: Wir danken Gott, Vater aller Menschen und Quelle aller Gaben, der uns inspiriert und mit seiner göttlichen Gnade bei der Verwirklichung so vieler wunderbarer Dinge hilft. Möge Gott durch seinen göttlichen Sohn Jesus Christus, der gestorben und auferstanden ist, uns weiter den Beistand seines Geistes der Wahrheit und der Liebe schenken! Und möge er durch die Fürsprache der Jungfrau Maria, Mutter der Kirche und Mutter unseres Vertrauens, den Mut und den guten Willen von uns allen, Bischöfen und unseren Mitarbeitern im Dienst, unterstützen, damit wir vereint und dieselbe Sprache sprechend fortfahren im Aufbau des Reiches Gottes! So soll es sein, mit einem weitreichenden und von Liebe erfüllten Apostolischen Segen, den ich euch erteile und den ich auf die Gemeinden eurer Ortskirchen ausdehne. Kirche spricht „Sprache des Evangeliums“ Ansprache an eine Gruppe brasilianischer Bischöfe beim Ad-limina-Besuch am 24. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Für den Bischof von Rom ist es immer ein Grund zur Freude, wenn er in seinem Amt als Nachfolger des Petrus die verschiedensten Gruppen von Personen, zumal Gruppen von Gläubigen, empfangen darf, die zur Ewigen Stadt gekommen sind. Das gilt um so mehr, wenn er bestimmten Gruppen von Brüdern im Bischofsamt aus den verschiedenen Teilen der Welt als Vertreter ihrer Ortskirchen begegnen kann. Einen besonders frohen und gemeinschaftlichen Charakter nimmt die Begegnung mit den Hirten der kirchlichen Gemeinschaften an, wenn sie im Rahmen ihres Besuches „ad liminia Apostolorum“ erfolgt. Seid überzeugt, daß meine Freude die Freude aller ist (vgl. 2 Kor 2,3), wenn wir gleich einem 1758 AD-LIMINA-BESUCHE einstimmigen Chor unsere Gedanken erheben, um Gott zu danken, weil er uns heute „die Einheit des Geistes im Band des Friedens“ (vgl. Eph 4,3) leben und bezeugen läßt, und das Band der Liebe, das uns auch die gleichen Gefühle hegen läßt. Ich grüße euch und möchte in euren Personen die Priester, Ordensleute und Gläubigen eurer diözesanen Gemeinschaften grüßen mit einem Wort des Apostels, das zugleich den Dank für diese Begegnung enthält: „Unser Herz steht euch völlig offen“ (2 Kor 6,11). Offen steht es allen Erzbischöfen und Bischöfen der Kirchenprovinzen in den Staaten Mato Grosso, Goiäs und Brasilia, die zur Region Mitte-West und äußerster Westen innerhalb der nationalen Bischofskonferenz Brasiliens gehören. Ebenso steht es allen hier Anwesenden offen. 2. In den persönlichen Begegnungen konnte ich zusätzliche Informationen über die Berichte hinaus gewinnen und mir ein direkteres Bild von der Lebenskraft und den Problemen eurer Gemeinschaften machen. Ich durfte ein wenig die Freuden und Schwierigkeiten von heute teilen, dazu die Aussichten und Hoffnungen für morgen, wie sie sich mit eurem hingebungsvollen Dienst als Seelsorger verbinden. Dieser Dienst vollzieht sich in wenig bekannten Gebieten, wenn ich mich so ausdrücken darf, die aber vom natürlichen Standpunkt aus reich an Fruchtbarkeit und umfangreichen Bodenschätzen sind, reich an menschlichen Werten und noch aussichtsvoller vom religiösen und kirchlichen Standpunkt aus. Für alles, was der Heilige Geist zum Aufbau des Reiches Gottes angeregt, geleitet und mit eurer Bereitschaft verwirklicht hat, dürfen wir wohl Gott von Herzen danken. All das geschah für die Herde des Herrn, die eurer pastoralen Führung anvertraut ist, in einem ausgedehnten Bereich des Landes, wo ein erheblicher Teil des lieben brasilianischen Volkes lebt. Als Bischöfe setzt ihr das verdienstvolle Wirken zahlreicher Missionare und Seelsorger fort, die ihr Leben hochherzig eingesetzt haben, um der Erde den Samen anzuvertrauen, der nun schon weiß wird zur Ernte (vgl. Joh 4,35), freilich auf noch mehr „Arbeiter“ hofft. Gebe es Gott, daß ihr in naher Zukunft, auch als Ergebnis eurer intensiven und extensiven Berufungspastoral, mit neuen Arbeitern im Reiche Gottes rechnen könnt. Die grundlegende Arbeit in euren derzeitigen Diözesen und Prälaturen, die großenteils eine junge Geschichte haben, besteht in der grundlegenden Evangelisierung, die ihr trotz geringer Mittel mutig und hingebungsvoll zu festigen und zu erweitern sucht. Indem ich mir eure Sorgen zu eigen machte, wurden mir auch die Hindernisse für einen größeren Erfolg 1759 AD-LIMINA-BESUCHE eurer Arbeit und eures seelsorglichen Eifers klar: Hindernisse, die sich besonders aus den konkreten Verhältnissen ergaben, in denen die Menschen eurer Ortskirchen leben, neben anderen, die heute mehr auf der Ebene der Universalkirche Sorge machen. 3. Was diese letzteren, also die der ganzen Kirche gemeinsamen Probleme angeht, so müssen wir vereint die Kräfte zusammenfassen in der ständigen Überzeugung, daß „wenn der Herr das Haus nicht baut, die Bauleute vergebens schaffen“ (Ps 126,1). So müssen wir suchen und voranschreiten, uns gegenseitig die Hände reichen und Wege zur Überwindung der Hindernisse finden. Kraft und Mut auf diesen Wegen wächst uns aus der Gewißheit zu, daß wir im Dienst des „obersten Hirten“ stehen, der im entscheidenden Augenblick verheißen hat, bei uns zu bleiben, alle Tage bis zum Ende der Welt (vgl. Mt 28,20); aus der weiteren Gewißheit, daß „der Knecht nicht über seinem Herrn steht, noch der Gesandte größer ist als der, der ihn gesandt hat“ (Joh 13,16). Dazu hat er uns das Beispiel gegeben, daß wir nicht „Beherrscher unserer Gemeinde, sondern Vorbilder für die Herde“ sind (vgl. 1 Petr 5,3-4). Zu diesem Dienst und dieser Vorbildlichkeit gehört ferner unerläßlich die Fähigkeit, zu lieben und das Leben hinzugeben als höchsten Beweis für die Tiefe der inneren Gemeinschaft sowie der Glaubwürdigkeit nach außen (vgl. Joh 13,35), endlich das Bemühen, „Zeichen und Werkzeuge der Einheit“ zu sein. Das Dokument von Puebla erhebt mit Recht die gebieterische Forderung nach der Gemeinschaft bei allen Aufgaben und auf allen Gebieten „mit dem Papst und den Brüder-Bischöfen, zumal denen der eigenen Bischofskonferenz“ (nn. 687 und 688). Daher vollziehen wir jeden Akt unseres pastoralen Dienstes innerhalb „des heiligen Geheimnisses der Einheit der Kirche in Christus und durch Christus, so daß sie Gottes alleinige Herde wie ein unter den Völkern erhobenes Zeichen ist. „Indem sie dem ganzen Menschengeschlecht den Dienst des Evangeliums des Friedens leistet, pilgert sie in Hoffnung dem Ziel des ewigen Vaterlandes entgegen“ (Unitatis redintegratio, Nr. 2). 4. Dieser Hinweis läßt freilich die Tatsache irgendwie im Dunkeln, daß wir Jünger Christi und autorisierte Führer anderer Jünger Christi sind, denen nichts wahrhaft Menschliches fremd ist; in ihren Herzen findet alles sein Echo (vgl. Gaudium et spes, Nr. 1). Wir wissen ferner, daß wir nur im Glauben die gegenseitige Durchdringung der irdischen und der himmlischen Stadt erfassen können, und es bleibt das Geheimnis der Geschichte des Menschen, das immer durch die Sünde verdunkelt wird. Die Kirche 1760 AD-LIMINA-BESUCHE glaubt aber, durch ihre Mitglieder und als Gemeinschaft, die sie ist, viel dazu beitragen zu können, daß die Menschheitsfamilie und ihre Geschichte immer menschlicher wird. Mehr noch, die Kirche weiß und hat es wiederholt im II. Vatikanischen Konzil betont, daß sie dieses Ziel auch erreichen wird, wenn sie ihrem eigenen Selbstverständnis treu bleibt und dem ihres göttlichen Stifters. Tatsächlich will Jesus Christus, daß durch die treue Predigt des Evangeliums, die Verwaltung der Sakramente und die liebevolle Leitung durch die Apostel und ihre Nachfolger, die Bischöfe, mit dem Nachfolger Petri als ihrem Haupt, sein Volk überall unter dem Wirken des Heiligen Geistes heranwächst und als Gemeinschaft in der Einheit vollkommener wird im Bekenntnis eines einzigen Glaubens, in der gemeinsamen Feier der göttlichen Liturgie und in der brüderlichen Eintracht als Familie Gottes (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 2). 5. Diese Sicht und diese Perspektive des Konzils vor Augen, werdet ihr, so bin ich sicher, euren seelsorglichen Eifer und Einsatz von der Liebe zu Christus und der Kirche bestimmen lassen und so auch die besonderen religiösen und sozialen Probleme eurer Gemeinschaften zum Antrieb für die Arbeit werden lassen, die ihr leistet in immer neuen Aufgabenbereichen der Evangelisierung. Einige davon möchte ich hier herausgreifen und besonders betonen. - Die massiven und ständigen, ja noch steigenden Wanderungen ganzer Bevölkerungsgruppen, die dazu gezwungen werden, aus Notlage heraus oder weil sie bessere Lebensbedingungen finden wollen; das bringt natürlich neue Situationen mit sich, die zuweilen kritisch werden. An erster Stelle ergibt sich das Problem der Integrierung, das zwar für alle Bevölkerungsgruppen gilt, besonders aber für die physisch, psychisch, beruflich und religiös Gefährdeten. - Mit der erwähnten sozialen Mobilität verbindet sich ein allmählich schwindender Sinn für die Bedeutung der Religion, ja man verliert den Sinn für sie, und auf moralischem Gebiet schwinden die Skrupel, die auch nicht das Heiligtum der Familie verschonen und ebensowenig vor den Grenzen haltmachen, die durch die Grundrechte des Menschen gesetzt sind. So kommt es, daß bisher verborgene instinktive Kräfte entfesselt werden und im Migrationsprozeß zahlreiche Breschen finden, zumal wenn er sich selbst überlassen bleibt, was dann wieder zu Konfliktsituationen führt. - Unter diesen Umständen gewinnt leicht eine Mentalität das Übergewicht, bei der Besitz und Macht sich zum Schaden für das Sein verbünden. 1761 AD-LIMINA-BESUCHE Dann kommt es zur Konzentration der Güter und Macht in den Händen weniger und demgegenüber zur unverdienten Armut vieler, die dann zum Vorwand für die Kolonialisierung neuer Gebiete wird. Schon das Konzil hat auf diese Zusammenhänge hingewiesen: „Gerade zu der Zeit, da das Wachstum der Wirtschaft, vernünftig und human gelenkt und koordiniert, die sozialen Ungleichheiten mildern könnte, führt es allzuoft zu deren Verschärfung, hie und da sogar zur Verschlechterung der Lage der sozial Schwachen und zur Verachtung der Notleidenden“ (Gaudium et spes, Nr. 63). Wir können es uns nicht ersparen, das alles zu bedenken und zu beklagen, doch noch weniger darf es uns erschrecken, auch nicht mit seinen Auswirkungen auf das Leben der Personen, Familien und Gruppen, insofern für die Verkündigung des Glaubens mehr oder weniger ungünstige Verhältnisse entstehen. Ganz im Gegenteil müssen wir möglichst nach Heilmitteln für die geistlichen Ursachen des Ganzen suchen: es fehlt an Glauben, an gediegener Christusnachfolge, an religiöser Bildung und vielleicht auch an Treue zur Kirche. Gerade darum müssen wir den Gott unseres Herrn Jesus Christus verkünden und mit allen Mitteln die Versuchung überwinden, Gott zu verschweigen, hintanzusetzen oder abzulehnen im Namen einer Menschlichkeit, die zuweilen ohne Offenheit für die Transzendenz und daher unvollständig dasteht. In diesem Sinn sind eure Äußerungen als Bischöfe und der Ernst zu verstehen, mit dem ihr auf dem Gebiet der sozialen Pastoral tätig seid, für das Land, für die Jugend, das Gesundheitswesen und die Randgebiete der Städte. Ich kann dieses Bemühen nur unterstützen und bete zu Gott, daß er es fruchtbar mache. 6. Um ihr pastorales Wirken durchschaubar, frei und beweglich zu halten, hat die Kirche in Brasilien im Rahmen von Lateinamerika, das wiederum ein Teil der einen und einzigen universalen Kirche ist, sich bevorzugt für die Armen entschieden. Sie tat es gewiß aufgrund einer klaren christlichen Sicht der Armen und im Bewußtsein, daß die soziale Ordnung und ihr Fortschritt immer zum Wohl der menschlichen Person gedeihen müssen: zugunsten jedes Menschen und aller Menschen. Tatsächlich möchte die Kirche in der ganzen Welt als Kirche der Armen dastehen, auch wenn sie die Kirche aller bleibt und das Geheimnis der Erlösung allen zugute kommen lassen will. Sie ist aber keineswegs die Kirche einer Klasse, einer Gruppe oder Partei, vielmehr eine Kirche, in der letztlich weder Jude noch Heide, weder Sklave noch Freier, weder Mann noch Frau zählen, vielmehr alle eins sind in Christus Jesus (vgl. Gal 3,28). 1762 AD-LIMINA-BESUCHE Während meines Pastoralbesuches in Brasilien, an den ich dankbar zurückdenke, habe ich zum brasilianischen Volk in der Favela von Vidigal gesprochen und Gelegenheit gehabt, deutlich zu sagen, daß ich mich als Träger der Botschaft einer Kirche der Seligpreisungen fühle: einer Kirche, die weder Spannungen wecken noch Konflikte verschärfen noch gewaltsamen Kampf unter den Menschen anstiften möchte; vielmehr einer Kirche, von der gilt: „Sie spricht die Sprache des Evangeliums und erklärt es im Licht des Fortschritts der menschlichen Wissenschaft, aber ohne fremde, irrgläubige und seinem Geist widersprechende Elemente einzuführen.“ Eine Kirche, die zu allen ohne'Ausnahme spricht, zu denen, die im Elend leben und als einziges Gut ihre persönliche Würde besitzen, aber auch zu jenen, die in der sozialen Stufenordnung ganz oben stehen und zu jenen, die Entscheidungsvollmacht besitzen. Eine Kirche endlich, die im Namen Christi und ebenso im Namen des Menschen (zumal jener, für die der Name Christi nicht die ganze Wahrheit ausspricht, die er enthält) (vgl. Ansprache in der Favela von Vidigal am 2. Juli 1980, nn. 4-5). 7. Puebla hat mit seiner bevorzugten Option für die Armen wie vor ihm bereits das Konzil die Grundprinzipien aufgestellt, nach denen das pastorale Wirken und die geistliche Erneuerung der Gemeinden zu erfolgen haben. Es geschah aber, daß aus verschiedenenGründen-oberflächliche Kenntnis des Geschehens in der Kirche, ideologische Interpretation ihrer Botschaft, allzu unmittelbare Anwendung ihrer Normen - sich Auffassungen breitmachten, die Wirklichkeit und Funktion der Kirche verfälschen, aufspalten und fehlleiten, die berufen ist, „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ zu sein (Lumen gentium, Nr. 1). Der Apostel Paulus empfand die Notwendigkeit, die Korinther angesichts der Arbeiter für das Evangelium und ihrer Sendung zu mahnen: „Jeder soll darauf achten, wie er weiterbaut. Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus“ (1 Kor 3,10-11). Durch das Wort Gottes belehrt, wissen wir, „wo Frieden herrscht, wird für die Menschen, die Frieden stiften, die Saat der Gerechtigkeit ausgestreut“ {Jak 3,18). Wir wissen aber auch, daß die soziale Ordnung sich in der Wahrheit begründet entwickeln muß, auf dem Fundament der Gerechtigkeit, dem die Liebe Leben geschenkt hat; es muß zu einem immer menschengerechteren Gleichgewicht in Freiheit kommen. Um alle diese Ziele zu erreichen, wird es notwendig, daß sich gleichzeitig die Mentalitäten tiefgreifend erneuern und weitreichende soziale Reformen mutig angepackt werden. 1763 AD-LIMINA-BESUCHE Es gehört nicht zur eigentlichen Sendung der Kirche, diese sozialen Reformen durchzusetzen oder die zufälligen Weisen ihrer Verwirklichung aufzuzeigen. Ihre Aufgabe liegt vielmehr in der Erklärung der ethischen Grundsätze, die hinter diesen Reformen als Antrieb stehen sollen; eine Aufgabe, die vorwiegend eine Erneuerung der Denkweisen und eine Bekehrung von Herz, Geist und Willen anstrebt. Frucht dieser Bekehrung wird dann die Versöhnung sein. Da ihr in direktem Kontakt und innig verbunden mit dem täglichen Leben der Menschen lebt und alle Trauer und Hoffnung des Volkes in euren Gemeinden teilt, laßt ihr euch gewiß leiten von eurem Bewußtsein als Diener der Kirche, dem „universellen Sakrament des Heiles“, das in Raum und Zeit hinein „die Offenbarung der Liebe und Barmherzigkeit (fortsetzt), die in der Geschichte des Menschen Gestalt und Namen erhalten haben: Jesus Christus“ (Redemptor hominis, Nr. 9). Eine echte Evangelisierung, die wirksam und fähig sein soll, die Menschen zur Bekehrung und Versöhnung zu führen, erleuchtet durch das Zweigespann „Liebe — Erbarmen“, kann es nur in Treue zu Christus und der Kirche geben; niemals aber entfernt von Christus und der Kirche oder gar in Gegensatz zu ihnen. So hat es ja Christus gelehrt. 8. Die religiöse Geschichte Brasiliens weist einen charakteristischen Zug und ein wesentliches Merkmal der Frömmigkeit des brasilianischen Volkes auf: echte und kindliche Zuneigung zum Nachfolger des Petrus, der nach dem Willen Christi sein Stellvertreter auf Erden als Hirte der universalen Kirche und Haupt des Bischofskollegiums ist. Die gleiche Zuneigung gilt notwendig auch für die Personen und Organe, die eng mit dem Papst Zusammenarbeiten, in seinem Namen und mit seiner Autorität ausgestattet, „zum Wohle der Kirchen und als Dienst, den sie den geweihten Hirten leisten“ (Christus Dominus, Nr. 9; CIC, can. 331 und 360). Euch ist die Sendung anvertraut, einen Teil des Volkes Gottes, das in den verheißungsvollen Gebieten Brasiliens pilgernd unterwegs ist - dieses einfache, friedfertige und hochherzige Volk -, zu leiten und ihm Wege der Evangelisierung anzubieten; es zu führen als Werkzeuge jenes Geistes, der die ganze Kirche und ihre Gegenwart in der Welt mit Leben erfüllt. Macht es zu einem Teil eures Hirteneifers, den Inhalt des Evangeliums und der echten Lehre der Kirche in eine Sprache zu übersetzen, die ihren Adressaten verständlich ist, innerhalb der Grenzen eines berechtigten und weisen Pluralismus der pastoralen Praxis, denn dadurch wird in konkreten Situationen größere Durchschlagskraft erzielt, und die Heilsbotschaft 1764 AD-LIMINA-BESUCHE kommt wirksamer an. Damit muß sich natürlich die Sorge verbinden, die wir nie aus den Augen verlieren dürfen, daß es nicht zu Stellungnahmen kommt, die dem Lehramt widersprechen oder dieses unberücksichtigt lassen, zu Stellungnahmen, die kirchlich nicht annehmbar und seelsorglich unfruchtbar sind. Dies ist eine Dimension unseres kirchlichen Dienstes und unserer pastoralen Liebe, die sich vom Geist der Wahrheit und der Liebe anregen läßt und sich nährt durch ein inniges Verhältnis zum Herzen Christi, des Guten Hirten. 9. Liebe Brüder, legt viel Wert auf Zusammenarbeit in der Seelsorge und in den verschiedenen Bereichen eures Dienstamtes. Euch zur Seite steht ein leider wenig zahlreicher, aber hochherziger Klerus, ferner die Schar der eifrigen Ordensschwestern und Laien, die schrittweise für Aufgaben der Kirche und der Evangelisierung vorbereitet, eingesetzt und begeistert werden. Ich freue mich über die Weisheit, mit der ihr die Prioritäten setzt und die besonderen Seelsorgsaufgaben anpackt, um etwa den Weltklerus zu vermehren, der Katechese intensiv und extensiv ihren Platz anzuweisen, für Kinder, Jugendliche und Erwachsene (auch um Formen der Fehlleitung der Religiosität eures Volkes durch Sekten und ähnliche Bewegungen zu begegnen, die häufig von Synkretismus und Relativismus gekennzeichnet sind). Ich freue mich ferner über die entsprechende Vorbereitung, die ihr vor Spendung der Sakramente angeordnet habt; über die Beteiligung des ganzen Volkes Gottes am Leben der Gemeinden; über das Angebot von Missionen in zeitlichen Abständen in jenen Gebieten, wo gewöhnlich kein Priester verfügbar ist; endlich auch über die besondere Aufmerksamkeit, die ihr den Familien und der Jugend schenkt. Für alles das danke ich mit euch dem Herrn und bitte ihn auf die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau Maria, daß er euch beisteht, Starkmut und Licht schenkt für eure Hingabe an den kirchlichen Dienst als echte Förderer des Glaubens, der Würde der menschlichen Person und Wegbereiter der Versöhnung in der Herde, die einem jeden von euch anvertraut ist. Mit meinem weiten und herzlichen Apostolischen Segen. 1765 AD-LIMINA-BESUCHE Initiativen für das Reich Gottes Ansprache beim Ad-limina-Besuch einer Gruppe von Bischöfen aus Nordostbrasilien am 16. September Herr Kardinal, ehrwürdige und liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Seid willkommen zu dieser Begegnung, die den Höhepunkt eures Ad-limina-Besuches darstellt, den ihr sorgfältig vorbereitet und im Geist des Glaubens und der kirchlichen Gemeinschaft durchgeführt habt, wie ich im Verlauf der Gespräche mit jedem einzelnen feststellen konnte. Nachdem wir im Namen des Herrn und in der vertrauensvollen Gewißheit, daß er mitten unter uns ist (vgl. Mt 18,20), zusammengekommen sind, empfange ich euch heute gemeinsam mit herzlichem Wohlwollen, während ich die geliebte Bevölkerung eurer Diözesen, der Regionen Nordost 1 und Nordost 4 der Nationalen Bischofskonferenz Brasiliens, die die Staaten Cearä, Piaui und Maranhao umfassen, in euch vertreten und anwesend sehe. Es handelt sich um Regionen, die zu den ärmsten ganz Brasiliens gehören. Darum sehe ich in dieser Gruppe bischöflicher Brüder Hirten, die sich aufopfern, die tagtäglich die Furcht und Hoffnung ihres Volkes auf sich nehmen, dessen Lebensbedingungen, die ich nach unserem persönlichen Kontakt sehr wohl kenne, in meinem Herzen Gefühle und Appelle wachrufen, die ich geäußert habe, als ich zu meiner Freude im Jahre 1980 in Teresina und Fortaleza mit dieser Bevölkerung zusammentraf. Ich möchte nun an die Menschen Nordostbrasiliens ein herzliches Wort des Trostes und der Hoffnung im Geist der Seligpreisungen richten; zu ihren Gunsten ließ ich damals an ganz Brasilien und an alle Menschen guten Willens einen Hilfeaufruf im Namen des Herrn Jesus ergehen, der zugleich mit seiner Botschaft „selig, die arm sind vor Gott“ {Mt 5,3), auch sagte: „Ihr alle aber seid Brüder“ {Mt 23,8) (vgl. Ansprache in Teresina am 5.7.1980). Dieser willkommene Pastoralbesuch hat in der Folge im Herzen zu einer Erhellung des Abgrundes göttlicher Liebe geführt, die dem Wort Christi selbst zugrunde lag, als er sich mit den „Geringsten“ identifizierte, mit denen, die von Hunger, Durst, Obdachlosigkeit, Nacktheit, Krankheit und Gefängnis betroffen sind (vgl. Mt 25,35-40). „Wie kann man ein so unermeßlich armes Volk evangelisieren?“ 3. Von so weit her, daß man sie als endemisch bezeichnen könnte, kommen die Probleme und Herausforderungen, die sich für das pastorale 1766 AD-LIMINA -BESUCHE Wirken im Nordosten Brasiliens stellen und den Hirten der Kirche die beunruhigende Frage auferlegen: Wie kann man ein so unermeßlich armes Volk evangelisieren und die aus ihrer Armut erwachsenden Ängste und Sorgen teilen, einer Armut, die im realen Leben höchst konkrete Formen annimmt, in denen wir die Leidenszüge Christi erkennen sollten? Wie kann man die Kirche, die als „Zeichen und Gewähr der transzendenten Dimension der menschlichen Person“ und Förderin ihrer vollen Würde bezeichnet wird, mit „lebendigen Steinen“ aufbauen, wenn ihre Armut sehr oft nicht bloß eine zufällige Periode unvermeidlicher Situationen infolge natürlicher Faktoren ist, sondern auch von bestimmten wirtschaftlichen, sozialen und politischen Strukturen hervorgerufen wird? 4. Man kann unter diesen Umständen nicht umhin, wenigstens global voll Dankbarkeit an die Scharen selbstloser, tugendhafter und eifriger Missionare und Priester erinnern, die euch vorausgegangen sind und als Gründer der Kirche Gottes (vgl. Eph 2,20) in euren heutigen Diözesen angesehen werden müssen oder als diejenigen, die - um einen Ausdruck der Kirchenväter zu verwenden - nicht ohne Leiden Kirchen „gezeugt haben“. Sie haben es zu ihrer Zeit gewiß nicht unterlassen, sich über den Plan Gottes für die Berufung jedes Menschen im Aufbau der Gesellschaft zu befragen, damit sie immer menschlicher, gerechter und brüderlicher wird, und wie sich die erste aller Prioritäten bei der Evangelisierung verwirklichen läßt, daß zuerst und vor allem das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu suchen ist. Diese ganze Problematik, die durch den schwindelerregenden Fluß der kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen, politischen und technischen Umwälzungen unserer Zeit, die auch euer Land mit seinen kontinentalen Ausmaßen erschütterten, noch verschärft wurde, habt ihr als Erbe erhalten; verschlimmert wurden die Probleme noch zusätzlich durch die Tatsache, daß mit der Freiheit der Personen deren kritischer Sinn gewachsen ist, und dadurch, daß man - in der Familie, den Schulen und den verschiedenen Lebensbereichen — das als heilig betrachtet, was in der Kirche im Rahmen des Religionsunterrichtes gesagt wird. Zu anderen Zeiten begünstigte das Gewicht gewisser Traditionen trotz allem die Verkündigung des Evangeliums. Um euch der liebevollen Aufmerksamkeit und geistlichen Gegenwärtigkeit zu versichern, mit der ich eure nicht leichte Seelsorgertätigkeit begleite, laßt mich ein Wort des Apostels Paulus anwenden und euch sagen: „Wir danken Gott für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken; unablässig erinnern wir uns vor Gott, unserem Vater, an 1767 AD-LIMINA-BESUCHE das Werk eures Glaubens, an die Opferbereitschaft eurer Liebe und an die Standhaftigkeit eurer Hoffnung auf Jesus Christus, unseren Herrn“ (7 Thess 1,2-3). 5. Ich habe nicht die Absicht, und es wäre auch gar nicht möglich, hier ein vollständiges Bild der Situationen vorzulegen, die euren pastoralen Eifer herausfordern, noch will ich die Aufgaben, die sich euch stellen, im einzelnen anführen. Eure Erfahrung und eure Weitsicht, die ihr bei den regelmäßigen Regionaltreffen einander mitteilt, tun das ausreichend und entheben mich der Gefahr unnötiger Wiederholungen. Mich beherrscht nur ein einziger Wunsch: beizutragen, daß „eure Liebe immer noch reicher an Einsicht und Verständnis wird, damit ihr beurteilen könnt, worauf es ankommt. Dann werdet ihr . . . reich an der Frucht der Gerechtigkeit (sein), die Jesus Christus gibt, zur Ehre und zum Lob Gottes (vgl. Phil 1,9-11). Ich will mich daher auf einige Hauptpunkte beschränken, die mir durch eure Berichte und das Gespräch mit euch eingegeben worden sind in der Teilnahme an euren Bemühungen, „die Armen zu evangelisieren“ und ihnen den Gott unseres Herrn Jesus Christus zu verkündigen. Es handelt sich dabei um eine Arbeit, die jeden Tag wiederaufgenommen, vertieft und erneuert werden muß, da „wir Arme immer bei uns haben werden“ (vgl. Joh 12,8), nach dem Wort des Guten Hirten und Meisters, das in gewisser Weise die erste Priorität aller Prioritäten, von der oben die Rede war, einschließt: „Euch aber muß es zuerst um das Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit gehen“ {Mt 6,33). 6. Um allmähliche und wirksame Fortschritte zu machen und nicht nur die unmittelbaren Lebensbedürfnisse zu befriedigen, brauchen die Völker und menschlichen Gruppen ganz allgemein Solidarität, damit sie die unerläßliche und dauerhafte Veränderung der Strukturen des Wirtschaftslebens erreichen. Aber auf diesem schwierigen Weg der geforderten Veränderungen voranzukommen, wird sich nur dann als möglich erweisen, wenn eine wahre Umkehr der Mentalität, des Willens und des Herzens stattfindet, die der Verwechslung der Freiheit mit dem Instinkt für das individuelle und kollektive Interesse oder sogar mit dem Instinkt, sich durchzusetzen und zu herrschen, ganz gleich, mit welchen ideologischen Farben das versehen wird, eine Absage erteilt (vgl. Redemptor hominis, Nr. 16). Wenn wir zur Verbesserung des menschlichen Zusammenlebens dadurch beitragen wollen, daß wir diese Solidarität unter den Menschen wecken, 1768 AD-LIMINA-BESUCHE müssen wir ihnen mit Ruhe und Geduld, mit Erbarmen und Verständnis als Quelle dieser Solidarität die Liebe, das Licht der Väterlichkeit Gottes zeigen, oder besser, das Licht der Liebe, die Gott ist, die in unserem Herrn Jesus Christus offenbar geworden ist. Zur wahren und vollkommenen Befreiung 7. Aus euren Berichten konnte ich entnehmen, daß eure Diözesen euch ständig dazu anhalten, Lösungen für die verschiedenen Probleme zu finden: materielle und wirtschaftliche Hilfe, Arbeitsplätze, Abwanderung und Umsiedlung, Verbesserung der Arbeitsverhältnisse und der Entlohnung, Aufnahme in die Krankenhäuser, Zugang zu den Schulen, verirrte Jugend, zur Last gewordene alte Menschen, Bitte um Hilfe in Behördenangelegenheiten usw. Sie wollen überleben, auf personaler Ebene, im Bereich der Familie und der Gesellschaft. Wenn ich das lese und höre, fällt mir das Mitleid ein, das Christus mit dem Volk hatte und von dem Markus berichtet (vgl. Mk 6,31—34). Wenn wir den Armen aufnehmen, um ihm im Rahmen der Möglichkeiten zu dienen, tun wir, was uns Christus gelehrt hat, als er unser Bruder wurde: Der Dienst am Armen ist ein bevorzugtes, wenn auch nicht das ausschließliche Mittel, wirklich Jünger Christi zu werden. Der beste Dienst, den wir den Armen leisten müssen, ist indessen immer noch die Evangelisierung: „Auf einfache und direkte Weise Zeugnis geben von Gott, der sich durch Jesus Christus geoffenbart hat im Heiligen Geist“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 26, in: Wort und Weisung, 1975, S. 555). Das bereitet ihn darauf vor, sich als Kind Gottes zu verwirklichen, und fördert ihn in seiner Ganzheit. Wer tief im Ostergeheimnis Christi lebt, weiß, daß man nur durch das Zeugnis und die Verkündigung des Evangeliums, so wie ihr es tut, zu einer wahren und vollkommenen Befreiung der Menschheit gehen kann: „Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12) (vgl. Puebla, Nr. 1309). Allerdings verstehe ich bei den riesigen Diözesen und einer viel zu geringen Priesterzahl sehr gut, was ihr fühlt, wenn euch das Mitleid mit den Massen überfällt, handelt es sich doch um Menschen, die den Weg des Heiles suchen, die grenzenloses Vertrauen haben in den „reinen und makellosen Dienst vor Gott“ (Jak 1,27) und die im Bischof der „Weisheit“ zu begegnen hoffen, „die von oben ist und die heilig, sodann friedlich, freundlich, gehorsam, voll Erbarmen und reich an guten Früchten unparteiisch ist und nicht heuchelt“ (Jak 3,17); Menschen schließlich, 1769 AD-LIMINA-BESUCHE die einander begegnen wollen und die „zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen“, die es bezeugen und mit aller Schlichtheit die anderen darauf hinweisen. 8. In diesem Teil der Welt, der von den Anstrengungen, den Niederlagen und Siegen der Menschen Nordost-Brasiliens geprägt ist, Teil der großen Welt, „die durch die Liebe des Schöpfers begründet ist und erhalten wird; die unter die Knechtschaft der Sünde geraten, von Christus aber, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, durch Brechung der Herrschaft des Bösen befreit wurde; bestimmt, umgestaltet zu werden nach Gottes Heilsratschluß und zur Vollendung zu kommen“ (Gaudium etspes, Nr. 2), lebt die Masse der Menschen, die eure Kirchengemeinden bildet. Das ist der Reichtum, über den eure mit Christus, dem Guten Hirten, übernommene Verpflichtung verfügt, die ihr hochherzig und mit totaler Hingabe erfüllen wollt. Und vor allem gibt es eine Menge von Armen: - Arme, weil sie sich tatsächlich im Zustand der Not befinden, der spontanes Mitleid hervorruft (vgl. M 6,31); - Arme, weil sie von niemandem gehört werden und sich gezwungen sehen, immer auf die anderen zu hören (vgl. Koh 9,16; Dtn 1,17); - Arme, weil sie allein sind und keinen Menschen haben, der ihnen hilft, sich vor dem Gelähmtsein zu retten (vgl. Joh 5,7ff.); - Arme, weil ihnen, da sie jung und ohne Erfahrung sind, die Orientierung und Richtlinien für den starken, hochherzigen Wunsch, in das Leben einzutreten, zu siegen und zu dienen, fehlen (vgl. Mt 19,16ff.); - Arme, weil sie vom Mangel an Liebe und von Haß beherrscht werden; und es gibt keinen Herrscher, der den Menschen mehr versklavt und entwürdigt (vgl. 1 Joh 3,7 ff.); - Arme schließlich, weil sie fern von Gott sind, der die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8), und fern von der Wahrheit, die uns befreit (vgl. Joh 8,32). Das sind alle die Armen, die evangelisiert werden müssen, denen geholfen werden muß, damit sie zu den Armen der Seligpreisungen werden; auch für sie hat der Herr einen Weg des Glücks, der Brüderlichkeit und des Friedens angegeben: „Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit.“ Unsere Aufgabe ist es, ihnen zu helfen, diese Suche fortzusetzen, selbst dann, wenn sie uns Leid zufügen, wenn sie sich uns gegenüber ungerecht erweisen, uns beleidigen und unser Tun übel auslegen, während sie den „Haß der Welt“ gegen uns schüren und uns den Leidensweg zum Kreuz gehen lassen; müssen wir nach dem Trost und dem Mut suchen, um mit Christus zu beten: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ {Lk 23,34). 1770 AD-LIMINA-BES UCHE Auf der Treue zu Gott beruhen die Grundlagen des Reiches und unsere Glaubwürdigkeit, wenn wir dieses Reich verkündigen und es und seine Gerechtigkeit zuerst suchen. Die Armen verlangen Sicherheiten für eine Hoffnung, die nicht enttäuscht. Man darf sie niemals in Ungewißheit darüber lassen, daß Gott das einzige absolute Gute ist. Das ist die Grundlage der Solidarität, die die Armen von uns erhoffen, und zugleich der Unterschiedenheit von der Welt, die sie in uns zu sehen hoffen. „ Was sollen wir tun?“ 9. In diesem Zusammenhang und in Anbetracht der konkreten Situation eurer Pastoralregionen erhebt sich spontan die Frage: Christus, der stets den Willen des Vaters tat, vermehrte auf wunderbare Weise das Brot und stillte den Hunger des Volkes, das ihn umgab. Aber unsere Werke helfender Nächstenliebe sind nicht mehr als ein Tropfen im Ozean der Not und Bedürfnisse und werden heute noch dazu in Frage gestellt. Was sollen wir tun? Wie seit jeher nehmen die karitativen Organisationen der Kirche, die durch hochherzige und unabhängige Initiativen entstanden sind, in der heutigen Welt als von der Vorsehung bestimmte Stellen weiterhin breiten Raum und einen hinsichtlich Subsidiarität und Koordinierung unersetzlichen Platz ein. Das christliche Volk wäre dem Beispiel und der Lehre Christi untreu, würde es sich nicht bemühen, denen, die unter jeglicher Form von Armut leiden, alle nur mögliche Hilfe zu geben. Das 25. Kapitel des Matthäusevangeliums, das immer Beunruhigung auslöste, bleibt für alle aktuell, die es mit Objektivität lesen. Die Kirche selbst würde etwas von ihrer Geschichte verleugnen und an einer ununterbrochenen Tradition Verrat begehen, wenn sie von der Ausübung konkreter Nächstenliebe und Hilfeleistung abließe: Sie würde den Ruhm vieler ihrer Institutionen und den heroischen Charakter vieler ihrer Heiligen in Abrede stellen. Andererseits werden diese Werke der Kirche, wenn sie den Ausdruck der reinen, wahren Liebe sind, wie sie der hl. Paulus im 1. Korintherbrief (Kap. 13) beschrieben hat, niemals aufhören, sich als geeignet zu erweisen und wirksam beizutragen zur Förderung und Erziehung zu Sensibilität und Mitgefühl der Menschen, deren gegenseitige Abhängigkeit immer mehr zunimmt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 25): Sie können dazu dienen, sie wieder miteinander zu versöhnen und alle Menschen guten Willens demselben Ziel zustreben zu lassen in der gemeinschaftlichen Teilhabe an dem Bemühen um die Wiederherstellung der Gerechtigkeit für alle, der 1771 A D-LIMINA-BES UCHE Würde aller und der Brüderlichkeit aller in einer einzigen Menschheitsfamilie. Dies wird sich um so leichter erreichen lassen, wenn man in den Werken der Kirche —die in eurer Heimat früher manchmal unter dem programmatischen Namen „Werke der Barmherzigkeit“ zusammengefaßt wurden - zuerst das Reich Gottes sucht, das „nicht Essen und Trinken ist, das Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist ist. Und wer Christus so dient, wird von Gott anerkannt und ist bei den Menschen geachtet“ {Röm 14,17—18). 10. Und unter diesen Gesichtspunkten - dessen bin ich gewiß - vollzieht sich in der Einheit des Glaubens und der Liebe in „demselben Herrn aller, der aus seinem Reichtum alle beschenkt, die ihn anrufen“ (vgl. Röm 10,12), und in der Gemeinschaft von Lehre und Disziplin der Universalkirche euer Einsatz bei der Evangelisierung der Armen, eine Aufgabe, die von der gemeinsamen und solidarischen Sorge beherrscht wird, die zu sein, „die gesandt sind“ (vgl. Röm 10,14 ff.): Es fehlt euch an Priestern, ihre Zahl ist zu gering angesichts der Aufgaben des Augenblicks und der wachsenden Bevölkerung. Mut, liebe Brüder! Die Aufgabe ist schwierig, aber nicht unmöglich. Ich bin im gemeinsamen Gebet zum „Herrn der Ernte“ mit euch verbunden. Unsere Arbeit als Hirten, als „Mitarbeiter Gottes“ auf seinem „Ackerfeld“ und in seinem „Bau“ (vgl. 1 Kor 3,5 ff.) muß die Apologie des Sklaven aus dem Evangelium rechtfertigen: In allen unseren Initiativen für das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, das die zeitlichen und irdischen Dimensionen der Gleichheit zwischen den Menschen übersteigt, wissen wir uns, „wenn wir alles getan haben, was uns befohlen wurde“, in vollkommener Treue gegenüber dem Herrn Jesus und gegenüber dem von ihm erlösten Menschen und können im „Hafen“ des Friedens mit Gott, mit uns selbst und mit unseren Brüdern den rettenden Anker ergreifen: „Wir haben alles getan, was wir tun sollten“ (vgl. Lk 17,7 ff.). Wenn sich die pastorale Arbeit auf die Seligpreisungen der „Armen“ und der „Friedensstifter“ konzentriert, wird sie umfassende Ausdrucksformen des Dienstes an den Brüdern finden und wecken können innerhalb der „bevorzugten Option für die Armen“, wie sie in Puebla mit einer „Verpflichtung“ der Bischöfe Lateinamerikas besiegelt wurde, ohne daß die Forderungen des mystischen Leibes in irgendeiner Weise verdunkelt würden: „Wer bei seiner Evangelisierung auch nur einen Menschen von seiner Liebe ausschlösse, würde nicht den Geist Christi besitzen“ {Schlußdokument von Puebla, Nr. 205). Zum Abschluß spreche ich euch meine Wünsche und mein Vertrauen aus: 1772 AD-LIMINA-BESUCHE Möge die Einheit der Kirche in Nordost-Brasilien auch in Zukunft sich in der Einheit der Gesamtkirche widerspiegeln, wie sie heute hier von uns gefeiert wurde. Mit diesem Gebet möchte ich durch euch eure Priester, die Ordensgemeinschaften und andere christliche Gemeinden, die Familien, die Jugendlichen und die Kinder, die Alten und alle Leidenden und schließlich alle Angehörigen eurer Diözesen grüßen. Überbringt ihnen die Versicherung meiner Liebe und meine Ermutigung, ihre christliche Berufung im Bau der Kirche zu leben, indem sie zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen. Mit meinem umfassenden Apostolischen Segen, den ich euch und ihnen aus ganzem Herzen erteile! Das Amt des Bischofs nach den Konzilsdokumenten Ansprache an eine Gruppe brasilianischer Bischöfe aus der Nordost-Region anläßlich ihres Ad-limina-Besuches am 30. September Herr Kardinal! Liebe Brüder im Bischofsamt! <248> <248> Wenn die persönliche Begegnung, die ich mit jedem einzelnen von euch hatte, für euch Bischöfe ein höchst bedeutsames Zeichen sakramentaler und hierarchischer Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri und damit ein Zeichen echter Kollegialität ist, wenn sie für die Gläubigen eurer Ortskirchen Grund zur Auferbauung und zur Reifung im Glauben ist, so ist sie für den Papst eine besondere Gelegenheit, euch besser kennenzulernen und durch euch Oberhirten, die ihr mit Hingabe, Eifer und Bescheidenheit und nicht ohne Opfer das Leben und die Probleme eures Volkes teilt, eure Diözesen kennenzulernen. Was man den Fünfjahresberichten beim raschen Lesen entnehmen kann, wird so durch die leider sehr kurzen Gespräche vervollständigt und stark bereichert, die ich zu meiner Freude mit euch führen kann. Für all das bin ich euch sehr dankbar. Denn im Maße des Möglichen gehört jetzt alles, was ich hören konnte, wenn ich es in der Schatzkammer des Gedächtnisses und des Herzens hüte, zu „meiner täglichen Sorge für alle Gemeinden“ (2 Kor 11,28) und wird zum Gegenstand meines ständigen Gebets für alle, die wie ihr für mich sehr liebe Brüder im Hirtendienst an der Herde sind. 1773 AD-LIMINA-BESUCHE 2. Bei dieser gemeinsamen Begegnung mit den Bischöfen der Regionen Nordost 2 und Nordost 3 der Brasilianischen Bischofskonferenz - deren Bedeutung Herr Kardinal Brandao Vilela auf so liebenswürdige und beredte Weise hervorgehoben hat - gilt es unbedingt, gemeinsam mit euch an die brasilianische Bevölkerung aus dem Nordosten zu erinnern, deren Antlitz ich in der unzähligen Menge, die ich vor fünf Jahren in Salvador und Recife sah, zumindest ahnen (wenn auch nicht wirklich kennenlernen) konnte. Wie ich in jenen denkwürdigen Tagen zu bekunden Gelegenheit hatte und wie ich seither viele Male wiederholt habe, hatte ich aus dem Kontakt mit Brasilien den Eindruck, einem Volk begegnet zu sein, dem eine tiefreligiöse Seele gegeben ist, das nach Gott hungert und dürstet und das offen ist für die geistlichen Werte. Ich weiß, daß diese „von Natur aus christliche Seele“ (Tertullian) im Falle Brasiliens trotz der missionarischen Anstrengungen von gestern und heute durch äußere und innere Faktoren ernsthaft bedroht ist. Äußere Faktoren sind: der chronische Priestermangel, der zahllose Gläubige wie Herden ohne Hirten läßt; die hinterlistige und unlautere Proselytenmacherei von Sekten und nichtkatholischen religiösen Gruppen; der erdrückende Vormarsch des Säkularismus in seinen verschiedenen Erscheinungsformen; die Krise der moralischen Werte. Innere Faktoren sind: eine gewisse Atmosphäre der Unsicherheit und Doppeldeutigkeit in der Verkündigung des Glaubens und der Glaubenswahrheiten; als Folge davon das Aufkommen von Zweifel und Ratlosigkeit im Denken vieler, vor allem der einfacheren Katholiken, hinsichtlich des Inhalts und der Forderungen des Glaubens; die Meinungsverschiedenheiten zwischen Brüdern im selben Glauben über fundamentale Fragen; die Gefahr, Vorstellungen von der Kirche sich verbreiten zu sehen, die weder in der Theorie noch in der Praxis jener Kirche entsprechen, die das menschgewordene Wort Gottes gewollt und gegründet hat. Angesichts dieses Bildes mit seinem Licht, das Freude und Hoffnung weckt, und mit seinen Schatten, die zu bemänteln oder zu ignorieren weder richtig noch klug ist, wird die Verantwortung (der Bischöfe) in ihrem ganzen Ausmaß und ihrer ganzen Tiefe deutlich. Wenn wir uns durch das Bild des Bischofs inspirieren lassen, das vor zwanzig Jahren die Konzilsdokumente Umrissen haben, können wir sagen, daß für euch wie für alle Hirten der Kirche die dringende Aufforderung des „obersten Hirten“ (1 Petr 5,4) gilt: Ihr sollt sein: - Baumeister der kirchlichen Gemeinde, indem ihr sowohl die Fernstehenden zusammenruft und sie im Glauben, in der Liebe und in der 1774 AD-LIMINA-BESUCHE Verehrung des lebendigen Gottes versammelt, als auch für die Gläubigen, vor allem inmitten der treibenden Kräfte der Spaltung, wirksame Zeichen der Einheit seid und diese Einheit schützt, wenn sie bedroht oder in Gefahr ist; - Verkünder des Wortes und folglich eifrige und leuchtende Lehrer und Gelehrte der geoffenbarten Wahrheit, der Wahrheit über Gott und über Christus, über die Kirche und über den Menschen; - geistliche Väter, die zahlreiche Kinder Gottes in Christus durch das Evangelium hervorbringen (vgl. 1 Kor 1,15) und sie im Glauben erziehen können, indem sie sie zur Gestalt des vollkommenen Menschen, Jesus Christus, wachsen lassen (vgl. Eph 4,13); - Hirten und Führer, klug, mutig, mildtätig, eifrig, voll Mitleid, die willens und in der Lage sind, alle, die zerstreut, vom Weg abgekommen oder enttäuscht sind, auf die Wege des Evangeliums zu leiten; - Lehrer des Gebets, die es sich angelegen sein lassen, die Gläubigen die Wege des Gebets und des Lobpreises, der Anbetung und - warum nicht? - der Kontemplation zu lehren; - Heiliger des Gottesvolkes, die es nicht geringachten, durch das Wort und die Sakramente den anderen das zu offenbaren, was jenseits der Horizonte dieser Welt und dieses Lebens existiert und was dieser Welt und diesem Leben vollen Sinn verleiht. Das Wort Gottes in der Heiligen Schrift, das Lehramt der Kirche, das Gewissen jedes Hirten und die - mehr oder weniger laute, aber immer klare und unabweisliche — Stimme seiner Gläubigen sagen unablässig, daß ein Bischof seiner Berufung und Sendung nicht voll gerecht wird, wenn er nicht jede dieser Dimensionen seines Bischofsamtes mit aller Sorgfalt erfüllt. 3. Bei der gewissenhaften Treue zu ihrer in erster Linie geistlich-religiösen Sendung (vgl. Gaudium et spes, Nr. 42) darf die Kirche nicht ihre Pflicht vernachlässigen bei Problemen, die den Menschen bedrücken, und insbesondere im Hinblick auf Situationen, die ihn in seinem Wesen als menschliche Person und Kind Gottes verletzen. In den Regionen, wo ihr als Bischöfe eingesetzt seid, erleidet eine Unzahl von Menschen — in ihnen erlebt Christus gewissermaßen noch einmal seine Passion - das Drama der Unterentwicklung und des Randdaseins mit seinen verschiedenen elenden Erscheinungsformen: Unterernährung, wenn nicht gar das Gespenst des Hungers, Krankheiten, Kindersterblichkeit usw. Angesichts der keineswegs nur mutmaßlichen, ja gar nicht so selten anzutreffenden Versuchung, sich in den Fatalismus zu flüchten, empfand ich es als meine 1775 AD-LIMINA-BESUCHE Pflicht, an die Ärmsten der Armen, die Überschwemmungsgeschädigten von Salvador, einen eindringlichen Appell zu richten: Gott will nicht, daß ihr verachtet, daß ihr zu einem unmenschlichen Leben herabgewürdigt werdet und im Elend versinkt. Gott will, daß ihr menschliche Geschöpfe und seine Kinder seid, ausgestattet mit der Würde, die das einschließt. 4. Während meine Gedanken jenen unseren Brüdern gelten und ich mich getragen fühle von dem Klima des Vertrauens dieser unserer Begegnung, kann ich dem Verlangen nicht widerstehen, euch, Herr Kardinal und liebe Erzbischöfe und Bischöfe, eine Überlegung vorzutragen, die ich als sehr wichtig erachte. Unter Bezugnahme auf Gedanken, die ich mehr als einmal - zuletzt anläßlich des Welttages der Alphabetisierung (im September 1985) -geäußert habe, sage ich, daß es weder eine Möglichkeit noch eine Chance der Entwicklung, der sozialen Integration (und folglich der Besiegung des Randdaseins) und auch nicht echter Freiheit gibt, solange man nicht beginnt, den Analphabetismus zu beseitigen und eine Grundunterweisung, eine Grunderziehung, Kultur zu vermitteln. Die alte und neuere Geschichte vieler Völker bestätigt die Richtigkeit dieser Überzeugung. Man kann keine echte Reform der Strukturen vornehmen, man schafft keine neue Sozialordnung, man kann keine wirkliche Befreiung verwirklichen mit Analphabeten. Die Erleichterung der Alphabetisierung und der Grunderziehung ist ein fundamentaler Dienst, der einer großen Zahl von Menschen, die am Rande der Gesellschaft lebt, geleistet werden muß. Ein Mensch, der lesen und schreiben lernt, begreift besser die Notwendigkeit der Hygiene, hat mehr Möglichkeiten, auf seine Gesundheit zu achten, kennt besser seine Rechte und Pflichten, spürt den Wunsch nach Teilhabe, beginnt sich aufzurichten, seine Befreiung zu verwirklichen, nicht eine Befreiung, wie man sie ihm auferlegen will, sondern wie sie ihm zusagt. Um das zu erreichen, muß der Alphabetisierungsprozeß einige innere Gesetzmäßigkeiten berücksichtigen. Da es unmöglich ist, sie alle hier zu erläutern, möchte ich nur eine der wichtigsten erwähnen: einziges Ziel der Alphabetisierung muß die Kultur und die ganzheitliche Entwicklung und Entfaltung des zu alphabetisierenden Menschen sein. Dieses Prinzip sollte genügen, um einen wie immer gearteten Alphabetisierungsprozeß zu verhüten, der es mit Hilfe seiner Methoden oder seiner mehr oder weniger verschleierten Zielsetzungen darauf abgesehen haben sollte, bei dem zu Alphabetisierenden eine Bewußtseinsbildung zu bewirken, wenn man dieses Wort in dem Sinn versteht, daß der Mensch einer bestimmten 1776 AD-LIMINA-BESUCHE Ideologie oder einem sozialpolitischen Denkschema unterworfen und dadurch seine Freiheit des Urteils und der persönlichen Wahlfreiheit eingeschränkt werden soll. Etwas anderes ist es, wenn man dieses Wort „Bewußtseinsbildung“ versteht als „Weckung des Bewußtseins der eigenen Würde als menschlicher Person mit ihren Rechten und Pflichten“. Eine Alphabetisierung, die den zu Alphabetisierenden in trügerischer Weise zu einer ideologischen Abhängigkeit führen würde, wäre nicht ein Prozeß der Befreiung, sondern einer neuerlichen Versklavung, die um so schwerwiegender ist, wenn sie mit dem Anschein der Befreiung bemäntelt wird. 5. Sollte man an dieser Stelle nicht das natürliche Band hervorheben, das zwischen der Sendung der Kirche und dem Bemühen um Unterricht und Erziehung besteht? Der Titel „Mater et Magistra“ (Mutter und Lehrmeisterin), den die Kirche von Anfang an erhielt, ist der treffendste Ausdruck für ihre ursprüngliche Berufung zu Unterricht und Erziehung. Sie ist während ihrer ganzen Geschichte der Erziehungsaufgabe treu geblieben: Man denke an die wichtige Tätigkeit der Klöster und Abteien in der Antike; an die Errichtung der ersten Universitäten im Mittelalter; an die Gründung von Orden und religiösen Kongregationen mit dem vorwiegenden und entscheidenden Charisma des Unterrichts und der Erziehung; an die große Zahl von Erziehungseinrichtungen, die von der Kirche an allen Ecken und Enden der Erde errichtet und erhalten werden. Der Beitrag der Kirche im Bereich von Erziehung und Kultur läßt sich nur mit dem vergleichen, was sie auf dem Gebiet des Gesundheitswesens und der Hilfe für die Allerbedürftigsten leistet und immer geleistet hat. Diese Feststellung stellt zweifellos eine Aufforderung an die Kirche dar, daß sie in dem Rahmen, in dem ihr (als Bischöfe) zu wirken aufgerufen seid, die Herausforderung annimmt, zusammen mit anderen staatlichen oder privaten Einrichtungen auch die Rolle des Vorkämpfers der Alphabetisierungsarbeit zu übernehmen. Sie tut das in einigen Ländern und könnte es in vielen anderen mit dem lebendigem Bewußtsein tun, daß diese Arbeit, auf die Liebe des Erlösers gegründet, dazu dient, Gerechtigkeit und Liebe zum Blühen zu bringen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 76) und so einen gültigen Beitrag zur ganzheitlichen Enwicklung der riesigen, am Rand der Gesellschaft lebenden Massen zu leisten. Im Dienst dieser Massen stürzt sich die Kirche in die einzige Revolution, die sie zu vollziehen weiß und die sie tatsächlich vollziehen kann: die Revolution der Liebe. In diesem Fall durch die friedliche, konstruktive, fruchtbare, wirksame und befreiende Revolution mit Buch und Feder. 1777 AD-LIMINA-BESUCHE 6. Die lebenswichtige Bedeutung dieses Themas wird vielleicht die Überraschung etwas vermindern, die seine Wahl für eine Ansprache wie diese auslösen könnte. Ich bin im übrigen gewiß, daß ihr den eindringlichen Appell, der in diesen Überlegungen enthalten ist, mit denen ich unsere Begegnungen besonders hervorheben möchte, richtig verstehen, mit hochherziger Bereitschaft auf nehmen und in Taten umsetzen werdet. Es ist ein Appell, der sich an die Bischöfe des Nordostens, aber auch -warum eigentlich nicht? - an die brasilianischen Bischöfe überhaupt richtet: der Aufruf dazu, daß das „ich habe Mitleid mit diesen Leuten“ (Mk 8,2) eine konkrete Form annimmt. In dem Bemühen, ihre Gläubigen am materiellen, moralischen und geistigen Fortschritt des Landes teilnehmen zu lassen, steht es den Bischöfen nicht an, technische Lösungen oder parteipolitische Alternativen vorzuschlagen, sondern sie haben das Recht und die Pflicht, einen zutiefst menschlichen Beitrag anzubieten, wie eben die Alphabetisierung ihn darstellt. Einen Beitrag von höchster Bedeutung - ich wiederhole es -, weil er wertvolle Folgen auf dem Weg der Entwicklung und Evangelisierung auslöst. Sodann übertrage ich euch vertrauensvoll die Aufgabe, Studien zu betreiben und anderen interessierten Einrichtungen Ratschläge und bestmögliche Zusammenarbeit zuteil werden zu lassen, zusammen mit einem wirksamen Hilfsplan für die Alphabetisierung und Grunderziehung der analphabetischen Bevölkerung. Niemand erwartet, daß die von euch angeleitete Mitarbeit der Kirche das Problem löst, das in eurem Land noch sehr ernst ist, wie ihr selbst mir gesagt habt. Aber diese Mitarbeit wird natürlich fruchtbar sein, um einen Teil des Problems zu lösen und zu anderen Anstrengungen anzuregen. Tausende Familien werden euch dafür dankbar sein. Gott wird euch segnen. Und vielleicht sagt eines Tages Christus selbst an der Schwelle seines Reiches zu euch: „Ich war Analphabet, und ihr habt mich lesen, schreiben und rechnen gelehrt.“ 7. Ich will nicht schließen, ohne darauf hinzuweisen, daß morgen der Monat Oktober beginnt, der von der Volksfrömmigkeit seit Jahrhunderten als „Rosenkranzmonat“ gefeiert wird. Ich weiß, daß das Beten des Rosenkranzes bis vor kurzem zur traditionellen Frömmigkeit des brasilianischen Volkes gehörte. In den Städten und Dörfern des Landesinneren war es üblich, in der Familie oder in den Landkapellen, wahren Keimzellen der kirchlichen Basisgemeinschaften, den Rosenkranz zu beten. Der Rosenkranz war jahrhundertelang ein Werkzeug der Katechese für die Armen und Ungebildeten, Ausdruck der 1778 AD-LIMINA-BESUCHE Volksfrömmigkeit, Äußerung kindlicher Liebe zu Unserer Lieben Frau. Es wäre schön, wenn dieser Ausdruck der Volksfrömmigkeit auf die eine oder andere Weise wieder in Blüte käme. Ihr selbst habt mir gesagt, daß die Verehrung für die Muttergottes, die so tief in der Seele des Volkes verwurzelt ist, sich als Mittel der Katechese und als Werkzeug erweist, um der Lawine der Sekten unter dem einfacheren Volk Einhalt zu gebieten. Der seligen Jungfrau, die über den Staat Bahia unter dem Ehrentitel „Jungfrau der Unbefleckten Empfängnis von Praia“ wacht, über Pernam-buco mit dem Beinamen „Unserer Lieben Frau vom Karmel“, über Paraiba unter dem Namen „Madonna vom Schnee“ und über die anderen Regionen mit anderen Ehrentiteln will ich euch persönlich und euer Bischofsamt und eure Hirtensorgen empfehlen; eure Priester, eure Brüder im Priesteramt und Mitarbeiter in den Mühen und Freuden des Hirtenamtes; die Ordensmänner und Ordensfrauen, die besonders bezeichnende Elemente im Leben der Diözesen darstellen, die verschiedenen Mitarbeiter in der Seelsorge; die Familien, die eure Ortskirchen bilden, mit ganz besonderer Erwähnung der Jugend, und alle jene, zu denen der Herr Jesus euch als Hirten gesandt hat. Ich bitte den „Leitstern der Evangelisierung“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 82), am Horizont eurer pastoralen Bemühungen als Morgenstern zu erstrahlen, als Zeichen neuer Morgenröte und Unterpfand neu aufbrechender Hoffnung für eure Sendung als Bischöfe. Gedenkt meiner vor Gott, besonders in der Eucharistie. Der Apostolische Segen, den ich euch erteile, ist das Zeichen und Versprechen dessen, was ich meinerseits für euch tue. 1779 AD-LIMINA-BESUCHE Glaubensunterweisung mit entsprechendem Einfallsreichtum Botschaft an die Bischöfe der indischen Region Kerala anläßlich ihres Ad-limina-Besuches am 22. November Liebe Brüder im Bischofsamt! Mit Freude heiße ich euch Bischöfe der Diözesen des lateinischen Ritus von Kerala willkommen, die ihr euren alle fünf Jahre fälligen Besuch an den Gräbern der Apostel, „ad limina Apostolorum“, durchführt. Für mich ist das ein Augenblick tiefer geistlicher Gemeinschaft mit euren Ortskirchen. Ich bitte euch, euren Priestern, Ordensleuten und Laien meine herzlichen Grüße und die Versicherung zu überbringen, daß ich voll Freude dem Pastoralbesuch entgegensehe, den ich mit Gottes Gnade im Februar kommenden Jahres verschiedenen Teilen Indiens abstatten werde. 1. Unsere Begegnung findet am Vorabend des Beginns der außerordentlichen Bischofssynode statt, die im Zeichen des 20. Jahrestages des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils steht. Zweck der Synode ist, „alle Glieder des Gottesvolkes zu einem immer vertiefteren Kennenlernen der Lehren des Konzils und einer immer getreueren Anwendung der Kritereien und Weisungen anzuspornen, die von dieser bedeutenden Versammlung ausgegangen sind“ ( Vor dem Angelus am 29. September, in O. R. dt., 4.10.85, S. 1). In diesem Sinn stellt die Synode für die ganze Kirche einen Augenblick der Reflexion und eine Zeit weiterer Hingabe an die kirchliche Erneuerung dar, wie sie das Konzil wünschte und für die es die erforderlichen Lehren und Richtlinien bot. Auch die Diözesen des lateinischen Ritus von Kerala sind mit dem Prozeß der Aneignung und Erfüllung des Vermächtnisses des Konzils in Lehre und Pastoral beschäftigt. 2. Die Berufung zur Heiligkeit, die sich nach dem Konzil an alle Christen wendet, ist in erster Linie eine Verpflichtung für die Bischöfe selbst. Diese Heiligkeit ist innig verbunden mit eurer sakramentalen Gleichförmigkeit mit Christus und eurer Treue zu ihm in Liebe und Jüngerschaft. „Denn ein Bischof muß — nach den Worten des hl. Paulus — unbescholten sein, weil er das Haus Gottes verwaltet“ (Tit 1,7). 1780 AD-LIMINA-BESUCHE Genauso wie das Konzil feststellt: „Die Bischöfe haben in hervorragender und sichtbarer Weise die Aufgabe Christi selbst, des Lehrers, Hirten und Priesters, inne und handeln in seiner Person“ (Lumen gentium, Nr. 21). Christus selbst ist der oberste Hirt eures Volkes (vgl. 1 Petr 5,4), und seinen Widerschein möchte der Gläubige in eurem Leben und Dienst sehen. Ihr wiederum wollt den Teil des Gottesvolkes, der eurem Dienst anvertraut ist, „zu einem heiligen Tempel im Herrn“ (Eph 2,21) wachsen sehen. Ich bete für eure Kirchen, daß sie unter eurer Leitung immer reicheren Nutzen ziehen mögen aus dem erneuerten Bewußtwerden der Berufung zur Heiligkeit des Lebens. Ich bete darum, daß ihr und eure Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und die Laien, die im Apostolat mit euch Zusammenarbeiten, hochherzig der Lehre des hl. Paulus entsprechen: „Das ist es, was Gott will: eure Heiligung“ (1 Thess 4,3). 3. Die Diözesen des lateinischen Ritus von Kerala haben wie die ganze Kirche die oberste Pflicht, die Heilsbotschaft des Evangeliums zu verkünden. Die Kirche „ist da, um zu evangelisieren, d.h., um zu predigen und zu unterweisen, Mittlerin des Geschenkes der Gnade zu sein, die Sünder mit Gott zu versöhnen, das Opfer Christi in der heiligen Messe immer gegenwärtig zu setzen, welche die Gedächtnisfeier seines Todes und seiner glorreichen Auferstehung ist“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 14, in: Wort und Weisung, 1975, S. 547). Die kirchliche Gemeinschaft selbst muß unablässig evangelisiert werden. Das gilt auch für eure Diözesen. Euer Volk verfügt über starke christliche Überzeugungen und Traditionen. Es hat ein gutentwickeltes christliches Identiätsverständnis. Doch angesichts der vielen Herausforderungen, denen die Kirche am Ende des zweiten Jahrtausends begegnet, besteht die große und dringende Notwendigkeit zu anhaltendem Bemühen um Evangelisierung und katechetische Unterweisung der Gläubigen, insbesondere der Jugend. Bei der Erfüllung dieser Aufgabe können sich die für die Evangelisierung Zuständigen nicht allein mit den Methoden der Vergangenheit zufriedengeben. Soziale und kulturelle Veränderungen stellen neue Forderungen. Insbesondere den Hirten in der Kirche „ist die Sorge aufgetragen, kühn und umsichtig und zugleich in unbedingter Treue zum Inhalt die geeignetsten und wirksamsten Weisen zur Mitteilung der Botschaft des Evangeliums an die Menschen unserer Zeit neu zu entdecken und in die Tat umzusetzen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 40, a.a.O., S. 564). 1781 AD-LIMINA-BESUCHE Laßt mich noch kurz auf einen Aspekt der Evangelisierung in der kirchlichen Gemeinschaft Bezug nehmen: Ich meine die sehr wichtige Arbeit der katechetischen Unterweisung. Wiederum erinnert uns Evangelii nuntiandi daran, daß „die Unterrichtsmethoden dem Alter, der Kulturstufe und der Aufnahmefähigkeit der einzelnen entsprechen müssen, um stets die wesentlichen Wahrheiten dem Gedächtnis, dem Verstand und dem Herzen einzuprägen versuchen, die unser ganzes Leben durchformen sollen“ (Nr. 44; a.a.O., S. 567). Ich möchte euch und eure Mitarbeiter, insbesondere die Katecheten, herzlich ermutigen, der Arbeit der Glaubensunterweisung der Laien getreu nach den Lehren der Kirche und mit entsprechendem Einfallsreichtum, was die Darbietung der Botschaft betrifft, weiterhin eure Sorge und Aufmerksamkeit zu schenken. Das ist eine für das Gedeihen eurer Gemeinden äußerst wichtige Aufgabe. Möge der Heilige Geist euch bei diesem Bemühen unterstützen! 4. Die evangelische Botschaft von der Heilsrettung in Christus steht in Beziehung zu den konkreten persönlichen und sozialen Verhältnissen, in denen die Hörer der Botschaft aufgerufen sind, sie in die Tat umzusetzen. Euer Volk befindet sich in einem wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungsprozeß, der für einige bereits Früchte in Form von besseren Lebensbedingungen und einer volleren Beteiligung am öffentlichen Leben gezeitigt hat, der aber gleichzeitig dazu dient, die Situationen grell zu beleuchten, die andere zum Randdasein zwingen. In dieser Situation ist es Pflicht der Kirche, Zeugnis zu geben von der unveräußerlichen Würde des Menschen und sich um seine echte Befreiung in Gerechtigkeit und evangelischer Liebe zu bemühen. Die von der Kirche verkündete Befreiung kann nicht nur mit den wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Entwicklungsdimensionen gleichgesetzt werden. Sie muß immer und gleichzeitig die geistliche und eschatologische Dimension der von Jesus Christus angebotenen Rettung im Auge haben und fördern. Bei der Ausübung des Lehramtes innerhalb der Kirche durch Predigt, Katechese und religiöse Unterweisung in jeder Form kommt es wesentlich darauf an, die Heilsbotschaft des Evangeliums in ihrer Fülle vorzulegen. Wichtig ist auch, daß die Glieder der Kirche für die Verwirklichung dieser Befreiung arbeiten, jeder entsprechend der empfangenen Gnade und in Übereinstimmung mit seiner Stellung im Leben. Im besonderen obliegt es den Laien, die Gesellschaft umzugestalten und „die Kultur und 1782 AD-LIMINA-BESUCHE die menschlichen Leistungen mit sittlichem Wert zu erfüllen“ (Lumen gentium, Nr. 36). 5. Meine lieben bischöflichen Brüder! Ich erkenne die Größe und den Umfang eurer Aufgabe, das Reich Christi unter eurem Volk gegenwärtig zu machen, voll an. Laßt uns gemeinsam unserem himmlischen Vater danken, der eure Kirchen mit dem lebendigen Sauerteig christlichen Lebens, der Lebendigkeit eurer Institutionen, einer großen Anzahl von Berufen und dem Zeugnis der Heiligkeit und des evangelischen Dienstes so vieler Priester, Ordensleute und Laien segnet. Wir wollen eure Ortskirchen der Fürsprache Mariens, der Mutter der Kirche, empfehlen, damit ihr alle fortschreitet in der Gemeinschaft mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus (vgl. 1 Joh 1,3). PAPST JOHANNES PAUL II. Für Vergebung und Versöhnung offen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der kolumbianischen Bischöfe am 22. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Nach der willkommenen persönlichen Begegnung mit einem jeden von euch, die mir die Gelegenheit bot, von euren Plänen als Hirten zu hören, eure Sorgen zu teilen, euch für die erreichten Ziele zu danken und über das Leben der Kirche in Kolumbien nachzudenken, nehme ich jetzt die glückliche Gelegenheit zu dieser gemeinsamen Begegnung wahr; sie erlaubt mir, euch noch einmal meine tiefe Liebe zum Ausdruck zu bringen, in die ich herzlich die geliebten Priester, Ordensmänner und -frauen und alle Gläubigen eurer Diözesen im Westen Kolumbiens einbeziehe. Vor allem will ich euch für den tiefen Ausdruck der Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe danken, der diesen Besuch an den Apostelgräbern, den ihr mit so großer Sorgfalt vorbereitet habt, auszeichnet. Ihr habt euch dabei von eurem Gewissen von Hirten leiten lassen, die auf diese 1783 AD-L1M1NA-BESUCHE Weise die Einheit mit dem Nachfolger Petri und die Universalität der Kirche im Geist der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils bezeugen wollen. Seid also willkommen zu dieser brüderlichen Begegnung, die von so großer Bedeutung ist und mir soviel Freude bereitet. 2. Die Fünfjahresberichte, die ihr eingesandt habt, und das persönliche Gespräch mit euch haben mir die Situation eures Landes und der euch als Bischöfen anvertrauten Gemeinden gründlicher kennenlernen lassen. Ich konnte mich auf diese Weise mit den wichtigsten Aspekten der pastoralen Tätigkeit, der Freuden und Betrübnisse, der Hoffnungen und Bemühungen in der Kirche während der letzten fünf Jahre vertraut machen. Es ist tröstlich festzustellen, wieviel bedeutende Schritte während der letzten fünf Jahre im Leben der Kirche in Kolumbien getan wurden. Und das alles als Frucht des göttlichen Wirkens und der zähen und hochherzigen Hingabe der Bischöfe, Priester, Mitglieder der Ordensfamilien und Institute des gottgeweihten Lebens sowie vieler und hochverdienter Laien, die sich im Apostolat engagierten. Freilich stimmt es, daß es auch Schwierigkeiten gegeben hat, und man könnte sogar manche Mängel erwähnen, doch der Same des geoffenbar-ten Wortes, den ihr mit Liebe und Ausdauer gesät habt, hat reiche Früchte getragen. Für alle diese Früchte danke ich, im Herzen vereint mit euch, Gott, von dem jede vollkommene Gabe kommt (vgl. Jak 1,17). 3. Die Worte, die der Herr Kardinalerzbischof von Medellin in euer aller Namen an mich gerichtet hat, haben eine der realen Gegebenheiten hervorgehoben, die einen wichtigen Platz in eurem Hirtenamt einnehmen: das Thema des Friedens und der Gerechtigkeit in eurem Land. Denn das ständige Komitee der Kolumbianischen Bischofskonferenz nannte in einem kürzlich veröffentlichten Dokument als Grund tiefer Besorgnis „die Verschärfung der Gewalt, die alarmierende wachsende Unsicherheit, die Vermehrung von Guerillaüberfällen, bei denen - im Namen des Volkes - Menschenleben ausgelöscht werden, die demselben Volk angehören, insgesamt das schauderhafte Vorrücken sämtlicher Formen des Terrorismus in Stadt und Land“. Das Dokument fügt zu diesen schwerwiegenden Übeln noch hinzu: „Die Existenz von gefährlichen Organisationen, die es wagen, am Rand des Gesetzes auf eigene Faust Gerechtigkeit walten zu lassen, und die Zunahme der unmenschlichen Praxis der Entführungen“. 1784 AD-LIMINA-BESUCHE 4. Diese mit Recht als alarmierend qualifizierte Situation verwandelt sich in eine pastorale Herausforderung für die Kirche, um vom grundlegenden Kern des Evangeliums her, der die Liebe ist, Frieden aufzubauen. Der Friede ist eure Sehnsucht und sicher eine eurer unumgänglichen Aufgaben. Ich weiß um euer evangelisches Interesse, ihn dadurch aufzubauen, daß ihr im Herzen der Gläubigen den Geist der Liebe verbreitet. Sie erhoffen zweifellos von ihren Bischöfen eine Orientierung, die vom Glauben her die irdische Wirklichkeit und das konkrete sittliche Verhalten der Menschen auf diesem heiklen Gebiet erleuchtet. Daher die Bedeutung des Wortes der Kirche, das die Forderungen des Glaubens und der christlichen Moral klar und unverkürzt darlegen muß. In enger Verbundenheit mit dem Nachfolger des Petrus wird darum eure Unterweisung das Gewissen der Gläubigen vom Evangelium her erleuchten müssen; indem ihr ihnen helft, ihre Zweifel zu überwinden und alles zu vermeiden, was Verwirrung oder Abweichungen verursachen könnte. Bei dieser wichtigen Aufgabe fällt die Beunruhigung der Kirche, so habt ihr mir gesagt, mit dem allgemeinen Bemühen des Landes zusammen, dem ihr den eigentlichen Antrieb gebt, nämlich eine Atmosphäre zu fördern, in der nach langen Jahren herrschender Gewalt, verbunden mit sozialen und politischen, nationalen und sogar internationalen Problemen, das kostbare Geschenk des Friedens wiederhergestellt werden kann. 5. Aber ihr wißt wohl, daß der christliche Friede seine eigene Identität hat. Jesus, der Herr, hat uns gelehrt, daß sein Friede nicht dem Frieden der Welt gleich ist (vgl. Joh 14,27). Der Friede beginnt im Herzen des Menschen, der das göttliche Gesetz annimmt, der Gott als Vater und die anderen Menschen als Brüder anerkennt. Umgekehrt ist die Gewalt, die den Menschen erniedrigt und zerstört, kein moralisch zulässiger Weg, um eine Gerechtigkeit zu begründen, aus der der Friede erwächst. Mein Vorgänger Paul VI. hat bei seinem historischen Besuch in eurem Land bekräftigt, daß die Gewalt weder christlich noch evangelisch ist (vgl. Predigt in Bogota, 23. 8. 1968). Wir erinnern mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil auch daran, daß die Menschheit ihre Aufgabe, eine menschlichere Welt zu bauen, nur erfüllen kann, wenn alle Menschen sich in einer inneren Erneuerung dem wahren Frieden zuwenden (vgl. Gaudium etspes, Nr. 77,78). Doch dasselbe Konzil weist uns mit Recht darauf hin, daß der Friede nicht darin besteht, daß kein Krieg ist, und sich nicht bloß auf das Gleichgewicht der entgegengesetzten Kräfte beschränkt noch einer despotischen Machtüberlegenheit entspringt, sondern daß er mit Fug und Recht ein Werk der Gerechtigkeit ist. 1785 AD-LIMINA-BES UCHE Der bekannten Definition des hl. Augustinus entsprechend, ist der Friede die Ruhe in der Ordnung, aber nicht in irgendeiner Ordnung, sondern in jener, die ihren Ursprung und ihre Grundlage in Jesus Christus hat, dem Friedensfürsten, der die Menschen mit dem Vater, die Menschen untereinander und die Menschheit mit der ganzen Schöpfung versöhnt. Es handelt sich um eine Aufgabe, die Hingabe und immer wieder neue Anstrengungen verlangt. In der Tat hat das Gemeinwohl sein Fundament in den Normen des ewigen Gesetzes, es ist jedoch in seinen konkreten, zeitgemäßen Erfordernissen ständigen Veränderungen unterworfen; daher ist der Friede nie ein ganz und gar gelungenes Unternehmen, sondern ein dauerndes Anliegen; eine Aufgabe, an der sich alle Mitglieder der kolumbianischen Kirche und Gesellschaft beteiligen müssen. Ihr eurerseits müßt, um diese Ziele wirksam zu erreichen, der Jugendseelsorge besondere Aufmerksamkeit schenken, damit sich die jungen Generationen mit neuer Erwartung und christlicher Hoffnung für die Errichtung einer friedvolleren und brüderlicheren Welt verwenden. Und auch um den jungen Menschen die Gefahren zu ersparen, die ihre hochherzigen Gefühle bedrohen, indem ihr sie der nicht seltenen Täuschung entreißt, zur Gewalt Zuflucht zu nehmen, um die Gesellschaft zu verändern. „Frieden und Jugend, zusammen unterwegs“ lautete das Thema, das unsere Gedanken am diesjährigen Weltfriedenstag beschäftigte. Möge diese Hoffnung eure Vorschläge und Weisungen inspirieren, damit sie sich wirklich und wahrhaftig in das Leben und Tun der kolumbianischen Jugendlichen übersetzt, insbesondere im Internationalen Jahr der Jugend. 6. Unter dem Ansporn eures tief pastoralen Empfindens habt ihr die Gewalttaten, die in eurem Land begangen wurden, mutig angeklagt und im Geist des Evangeliums die friedliche Lösung der Konflikte auf dem Weg des Dialogs angeregt, ohne aber zugleich geeignete Hinweise auf die tiefgreifenden Veränderungen zu vergessen, die für eine gerechtere Gesellschaftsordnung erforderlich sind. Ihr müßt weiterhin eure Gläubigen und die Menschen guten Willens dazu ermutigen, in echter Weise für die Gerechtigkeit und die Förderung der Menschen zu wirken, um wirksame Lösungen für die ernsten sozialen Probleme zu finden, die eure Gemeinschaft bedrängen. In diesem Zusammenhang müssen wir einmal mehr aussprechen, daß allein ein geordneter und gerechter Fortschritt der einzelnen und der Gesellschaften das wahre Antlitz des Friedens wird widerspiegeln können. 1786 AD-LIMINA-BESUCHE 7. Verbunden mit dem Thema des Friedens und des sozialen Fortschritts gibt es ein weiteres Problem, von dem ich weiß, daß es euch als Bischöfe Sorgen bereitet und das euer Empfinden als Väter im Glauben stark verletzt: Es ist das Problem der alten und neuen Ursachen der Gewalt in Kolumbien, die in den einzelnen, den Familien und Gruppen so viele, noch offene Wunden hinterlassen hat. Außer dem humanitären Problem, das es aufwirft, stellt es auch die pastorale Forderung, ein neues, für Versöhnung und Vergebung offenes kolumbianisches Herz heranzubilden. Ich hege große Zuversicht, weil ich sicher bin, daß die weite gläubige Gemeinde eures Landes in den Besitz der Früchte des Heiligen Jahres und der Synode über Versöhnung und Buße gelangt ist. Setzt mit neuem Engagement euer Bemühen in dieser Richtung fort. Eure Diözesangemeinden seien Zeichen und Mittel einer wirksamen Versöhnung mit Gott und mit den Brüdern unter der Führung und mit der Kraft des Heiligen Geistes. So werden eure Gläubigen dem Ruf des Herrn zur Gemeinschaft mit dem Vater und mit den anderen Brüdern aus innerstem Herzen folgen. 8. Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich habe euch als der ersten Gruppe von Bischöfen, die aus Kolumbien zu ihrem Ad-limina-Besuch nach Rom kommen, diese Gedanken zu einem dringenden und heiklen Thema eures Amtes mitgeteilt; ein Thema von großer Aktualität und Rückwirkung für die Gläubigen und für eure nationale Gemeinschaft. Bei den folgenden Begegnungen, die ich mit dem kolumbianischen Episkopat haben werde, werden wir uns mit anderen kirchlichen Themen befassen. Die Gedanken, die wir darüber anstellen werden, möchte ich - ebenso wie die heutigen -allen Bischöfen der Nation anbieten mit dem Wunsch, daß sie ihnen bei ihrer Sendung als Führer des Volkes Gottes im Glauben helfen. Die seligste Jungfrau Maria ist die Königin des Friedens. Unserer Lieben Frau von Chiquinquirä, Schutzpatronin eurer Nation, die von allen Kolumbianern hochverehrt wird, vertraue ich diese Vorhaben und Erfordernisse an. Sie erlange für uns bei ihrem göttlichen Sohn, dem Friedensfürsten, die Erfüllung unserer gemeinsamen Hoffnungen. Ehe ich schließe, rufe ich auf euch sowie auf alle Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und alle Gläubigen eurer Diözesen die Ausgießung der Gaben des Heiligen Geistes in reicher Fülle herab und erteile zugleich euch und euren gläubigen Gemeinden von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1787 AD-L1MINA-BESUCHE Die Verkündigung des Evangeliums weiterführen Ansprache an die Missionsbischöfe Kolumbiens beim Ad-limina-Besuch am 9. März Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine große Freude, euch Hirten der Missionsbezirke Kolumbiens heute an diesem Vormittag zu empfangen, da ihr eure Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe mit dem Stuhl Petri durch diesen Bezuch „ad limina Apostolorum“ bezeugt habt. Ich begrüße euch auf das herzlichste und danke dem Bischof von Pasto für seine lieben Worte, die er im Namen aller in seiner Eigenschaft als Präsident der Bischofskommission für die Missionen an mich gerichtet hat. 2. Die Gespräche, die ich während dieser Tage mit jedem von euch einzeln führte, haben es mir erlaubt, mehr über eure Gemeinden zu erfahren und über die unermüdliche apostolische Arbeit, die ihr mit Hingabe und bewunderungswürdigem Eifer unter nicht immer einfachen Umständen verrichtet. Die große Ausdehnung des Gebietes, das eurer Pastoralführung anvertraut ist und mehr als 60 Prozent der Gesamtflächen Kolumbiens umfaßt, die Schwierigkeiten aufgrund des Klimas und der erschwerten Kommunikationsmöglichkeiten, die Verschiedenheit der Kulturen und Sprachen, die sozialen und wirtschaftlichen Probleme, die, obwohl sie bekannt und nicht neu, nicht weniger dringlich sind und daher der Lösungen, die das Evangelium bietet, bedürfen, bezeichnen viele weitere wichtige Abschnitte eures Dienstes sowie die Bemühungen, die die Kolumbianische Kirche vereint mit der Universalkirche für diese vorrangige Aktivität, wie es die Verkündung der Frohbotschaft ist, aufwendet. Ein weiterer Schritt vorwärts bei der Arbeit der Kirche in eurem Land, wurde - was das Apostolat der eingeborenen Bevölkerung anlangt — vor zwei Jahren durch die Schaffung der speziellen Bischofskommission getan, die sich mit diesen Aktivitäten befaßt, deren Resultate ermutigend sind. Dieses gemeinsame Treffen gibt mir die Gelegenheit, euch meine Zufriedenheit und Dankbarkeit für euren aufopfernden Dienst beim Aufbau der Kirche auszudrücken. An dieser Stelle möchte ich euch auch ersuchen, euren Mitarbeitern, den Priestern, Ordensmännern und Frauen sowie den 1788 AD-LIMINA-BESUCHE Laien, die im Apostolat mittätig sind, meine Grüße zu überbringen. Mit den Worten des hl. Paulus muß man hier sagen, daß die unserer ganzen Wertschätzung würdig sind, „die sich mit ganzer Kraft dem Wort und der Lehre widmen“ (1 Tim 5,16). 3. In den eurem Eifer anvertrauten Gebieten verwirklicht ihr eine wichtige Mission, nämlich die Kirche zu vergegenwärtigen, „das universale Sakrament der Erlösung“, indem ihr den innersten Notwendigkeiten ihrer Katholizität gehorcht, wie es das zweite Vatikanische Konzil lehrt (Ad gentes, Nr. 1). Ihr erfüllt somit in enger Verbindung mit dem Apostolischen Stuhl eine erfreuliche Aufgabe, die euch als Nachfolger der Apostel betrifft, nämlich das Werk der Verkündigung des Evangeliums weiterzuführen, „damit das Wort des Herrn sich ausbreitet und verherrlicht wird“ (2 Thess 3,1), und das Reich Gottes auf der ganzen Welt verkündet und errichtet wird. Auf diese Weise bestätigt ihr mit eurem Dienst die Wahrheit, wobei die Evangelisierung aller Menschen die Hauptmission der Kirche darstellt. Tatsächlich hat sie kraft Christi Herrschaft und seiner Sendung die Pflicht, den Glauben und die Erlösung in Christus zu verkünden. Deshalb muß man sich, gemäß dieser Sendung und von der Gnade und der Liebe des Heiligen Geistes beseelt, den Menschen und Völkern vergegenwärtigen, um sie zum Glauben sowie durch ein gutes Lebensbeispiel und Predigten, durch die Sakramente und vor allem durch die Gnade zu Christi Freiheit und Frieden zu führen. 4. Ich habe erfahren, daß einerseits eine hochherzige Mitarbeit vieler Personen und ein gewisses Interesse der Regierung bestehen, daß es andererseits aber wieder auch Schwierigkeiten und Hindernisse in einigen eurer Missionen gibt, die eure Evangelisierungsarbeit hemmen. Manchmal entstehen diese Probleme durch die Propaganda glaubensfeindlicher Ideologien, die den atheistischen Materialismus fördern und die hochherzige und uneigennützige Tätigkeit, die die Kirche von Anfang an jahrhundertelang in den Missionsgebieten vollbracht hat, nicht anerkennen; in anderen Fällen werden diese Probleme durch Personen und Gruppen verursacht, die sich aufgrund falscher Anschauungen anmaßen, dem Evangelium das Recht abzusprechen, in alle Kulturen einzudringen, um sie so weiter zu entwickeln. Sie vergessen, daß „die missionarische Tätigkeit auch zu der menschlichen Natur und ihren Strebungen in enger Verbindung steht. Eben dadurch nämlich, daß sie Christus verkündet, offenbart die Kirche, zugleich den Menschen die ursprüngliche Wahrheit 1789 AD-LIMINA-BESUCHE dessen, was es um ihn ist und worin seine volle Berufung liegt. Christus ist ja Ursprung und Urbild jener erneuerten, von brüderlicher Liebe, Lauterkeit und Friedensgeist durchdrungenen Menschheit, nach der alle verlangen“ (Ad gentes, Nr. 8). Sicherlich darf man Evangelisierung nicht mit „Inkulturation“ verwechseln. Beides sind selbständige und voneinander unabhängige Begriffe; gleichzeitig gibt es jedoch Faktoren, die sie eng miteinander verbinden, besonders da das Evangelium von Personen gelebt wird, die an eine bestimmte Kultur gebunden sind, und deshalb muß die Frohbotschaft in die Kulturen der Menschen, denen die Botschaft der Erlösung verkündet wird, eindringen. Wie ich bereits in dem Apostolischen Aufruf „Familiaris consortio“ hingewiesen habe: „Von den Kulturen der Völker all das anzunehmen, was den ,unergründlichen Reichtum Christi besser zum Ausdruck bringen kann, entspricht der durchgehenden Tradition der Kirche“ (Familiaris consortio, Nr. 10). 5. Mit dem II. Vatikanischen Konzil müssen wir daran erinnern, daß pastoraltheologische Betrachtungen diejenigen, die für die kirchliche Gemeinschaft verantwortlich sind, zu der Entdeckung führen werden, „auf welche Weise die Gepflogenheiten, die Lebensauffassung und die soziale Ordnung mit dem durch die göttliche Offenbarung bezeichneten Ethos in Einklang gebracht werden können. Von da öffnen sich Wege zu einer tieferen Anpassung im Gesamtbereich des christlichen Lebens. Wenn man so vorangeht, wird jeder Anschein von Synkretismus und falschem Partikularismus ausgeschlossen; das christliche Leben wird dem Geist und der Eigenart einer jeden Kultur angepaßt, die besonderen Traditionen, zusammen mit den vom Evangelium erleuchteten Gaben der verschiedenen Völkerfamilien, werden in die katholische Einheit hineingenommen“ (Ad gentes, Nr. 22). Das verlangt viel Mühe und Aufmerksamkeit. Bei der Evangelisierungsarbeit und der Bildungstätigkeit, die die Kirche in euren Gebieten vollführt, gibt es leider auch Personen und Gruppen, die ihre eigenen privaten Interessen vor die Rechte der Gemeinschaft stellen. So entstanden gefährliche Spannungen, den Besitz und die Bodenverteilung betreffend; auch die Anwesenheit von Drogenhändlern in den Gebieten der Eingeborenen stört das Leben in diesen Gemeinschaften, die man in den unmoralischen Handel mit Drogen hineinzuziehen versucht. 6. Angesichts der Mißverständnisse, deren Opfer ihr bei einigen Gelegenheiten wurdet und die mir sehr zu Herzen gehen, möchte ich mit 1790 AD-LIMINA-BESUCHE den Worten der in Puebla de los Angeles während der III. Generalkonferenz des Lateinamerikanischen Episkopats vereinten Bischöfe folgendes wiederholen: „Wir beanspruchen keine Privilegien für die Kirche; wir respektieren die Rechte aller und die Aufrichtigkeit aller Überzeugungen unter voller Berücksichtigung der Autonomie der irdischen Gegebenheiten. Dessen ungeachtet verlangen wir für die Kirche das Recht, von ihrer Sendung Zeugnis ablegen und ihr prophetisches Wort der Verkündigung und der Ankündigung im Sinne des Evangeliums gebrauchen zu können bei der Berichtigung falscher Vorstellungen über die Gesellschaft, die mit dem christlichen Standpunkt unvereinbar sind“ {Puebla, Nr. 1212-1213). Zur Erreichung dieser Ziele stehen viele Geistliche, Ordensbrüder und -Schwestern sowie Laien in den Bildungs- und Sozialzentren in euren Missionsgebieten zur Verfügung, die Zeugnis für das Evangelium in aufopferndem Dienst an den bedürftigsten Brüdern ablegen. Es gibt sogar solche darunter, deren Blut vergossen wurde. Die Kirche leidet, wenn das Blut eines beliebigen menschlichen Wesens vergossen wird; um so mehr leidet sie, wenn das Opfer einer ihrer Söhne oder Dieners ist, der nichts anderes tat, als zu helfen und die Rechte der Schwächsten zu verteidigen. Meinerseits möchte ich sie bei ihre Aufgabe, die Menschen und die Kulturen durch das Evangelium weiterzubilden, unterstützen und anregen; ungeachtet der Schwierigkeiten, der Mißverständnisse und der falschen Auslegung kultureller Werte. Erinnern wir uns an dieser Stelle des Textes des hl. Irenäus: „Die Predigt, die sie empfangen hat, und den Glauben, den wir gezeigt haben, beobachtet die Kirche, obwohl sie über die ganze Welt verstreut ist, gewissenhaft, wie wenn sie auf einem Ort vereint wäre. Weder die in Germanien oder auf der Iberischen Halbinsel oder in Gallien oder im Orient, d. h. in Ägypten oder Libyen, oder am Mittelpunkt der Welt (Jerusalem) gegründet wurden, unterscheiden sich im Glauben oder der Tradition voneinander“ (Adversus haereses: PG 7, pp. 550-554). 7. Ein unschätzbares Geschenk bei eurer Arbeit ist das Internationale Seminar „San Luis Beltran“, das Seminaristen verschiedener Institute und Rechtswissenschaft vereint. Es ist dies ein Beweis für die Reife und die Vitalität eurer Gemeinschaften und eine Frucht eurer Inbrunst und eurer Anstrengungen. Für ein so anspruchsvolles Werk, wie es die Verkündung des Evangeliums ist, muß sich der künftige Missionar mit einer besonderen geistlichen und sittlichen Formung wappnen. Mit welcher Weisheit sagt doch das Konzil, 1791 AD-L1MINA-BESUCHE daß er initiativfreudig, beharrlich in Unternehmung und ausdauernd in Schwierigkeiten sein muß, sowie geduldig und starkmütig Einsamkeit, Ermüdung und Mißerfolge tragen lernen muß (vgl. Ad gentes, Nr. 25). Hier müßt ihr auf die katechetische Ausbildung der künftigen Missionare besonderen Wert legen, damit sie zu guten Ausbildern von Katecheten werden, die ihrerseits wiederum an den Bemühungen der Evangelisierung teilnehmen. Denn „die Katechese darf nicht aus dem Gesamtzusammenhang der seelsorglichen und missionarischen Tätigkeit der Kirche gelöst werden“ (Catechesi tradendae, Nr. 18), solange sie ein wesentliches Element im Gesamtablauf der Evangelisierung darstellt. 8. Schließlich möchte ich mein Wohlgefallen darüber ausdrücken, daß euch eure Missionsarbeit veranlaßt, den ärmsten und demütigsten eurer Brüder in den unterentwickeltsten Gebieten inmitten der geliebten eingeborenen Bevölkerung zu dienen. Liebe Brüder: Eure Aufgabe sowie die eurer Mitarbeiter ist wahrhaftig eine bevorzugte, weil sie die Armen nicht ausschließt, denen ihr das beste eures Lebens und eures Dienstes widmet. Ihr habt das Privileg, in der Nähe derer zu leben, die keine Stimme haben - die Jesus daher bevorzugt -, um ihnen die Erlösung zu verkünden, „dieses große Gottesgeschenk, das in der Befreiung von allem besteht, was den Menschen niederdrückt, vor allem aber in der Befreiung von der Sünde und vom Bösen“ (Evange-Ui nuntiandi, Nr. 9). In diesem Geist mögt ihr eure Bemühungen fortsetzen. Entdeckt jedesmal mehr die Anwesenheit Jesus in den demütigsten eurer Söhne und dienet ihnen mit der Liebe und Freude dessen, der dem Herrn dient. 9. Ich möchte eure apostolische Tätigkeit dem Schutze Mariens anvertrauen, die kein passives Werkzeug war, sondern die „in freiem Glauben und Gehorsam zum Heil der Menschen mitgewirkt hat“ (Lumen gentium, Nr. 56). Sie wird euch immer ermutigen und unterstützen. Möge Gott Vater, Gott Sohn und der Heilige Geist eure pastoralen Anstrengungen erleuchten, damit die Seelen, die euch anvertraut sind, die Fülle eines christlichen Lebens unter der Einwirkung der Gnade erreichen. Euch und euren Gemeinschaften gebe ich im Zeichen der Treue zu Christus meinen Apostolischen Segen. 1792 AD-LIMINA-BESUCHE Christus und die Kirche führen uns zum Vater Ansprache an eine Gruppe kolumbianischer Bischöfe anläßlich ihres Ad-limina-Besuches am 7. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! Meine tiefe Freude aus dem Anlaß, mit jedem von euch einzeln zusammenzukommen, erreicht bei diesem gemeinsamen Treffen ihren Höhpunkt. Ich begrüße euch mit den Worten des Apostels Paulus und wünsche „Gnade, Erbarmen und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn“ (1 Tim 1,2). Ich heiße euch auf das herzlichste willkommen, liebe Hirten der Erzdiözesen von Bucaramanga und Manizales, der Diözesen von Cucuta, La Dorada-Guaduas, Magangue, Ocana, Palmira, Socorro y San Gil, Valle-dupar, Zipaquir und der Prälatur von Tibu. Zugleich sende ich meine herzlichsten Grüße an die, die in der Pastoral tätig sind, sowie an das gläubige Volk, das Gott euch anvertraut hat. Ich danke für die Worte, die Erzbischof Hector Rueda Hernandez von Bucaramanga und Präsident der Bischofskonferenz an mich gerichtet hat. Das Zeugnis der Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe mit dem Nachfolger Petri, das ihr mit diesem Ad-limina-Besuch ablegt, wird noch fruchtbarer durch die Gelegenheit, vor dem Herrn die Situation in euren Diözesen zu betrachten. So drücke ich euch jetzt mein Wohlgefallen darüber aus, da ich - wie ich den Fünfjahresberichten, die ihr mir habt zukommen lassen, sowie den persönlichen Treffen entnehmen konnte -die vielen positiven Resultate eurer aufopfernden pastoralen Tätigkeit schätzen gelernt habe, wie auch eure Pläne und die Hoffnungen, die ihr für die Zukunft hegt, samt Licht und Schatten eurer Mühen als Säer des guten Samens des Evangeliums, inmitten einer Gesellschaft, die der erlösenden Gnade Christi bedarf. 2. „Da die Kirche den Heiligungsdienst in besonderer Weise durch die heilige Liturgie erfüllt“ (can. 834), „wenn er im Namen der Kirche von rechtmäßig dazu beauftragten Personen dargebracht wird“ (ebd.), hat mich eure Einsatzbereitschaft bei der Förderung der Priesterberufungen sowie der Berufungen zum Ordensleben zutiefst erfreut. Das zeigt, daß ihr euch eines der vorrangigen Ziele eurer Verantwortung als Hirten - deren Obsorge ein Teil des Gottesvolkes anvertraut worden ist — wohl bewußt seid. 1793 AD-LIMINA-BESUCHE Mit großer Freude und Hoffnung konnte ich erfahren, daß die Krise bei den Berufungen in euren Ortskirchen überwunden zu sein scheint, und daß die Seminare und Erziehungsinstitute voll mit Jugendlichen sind, bereit, dem Ruf des Herrn zu folgen, ihr Leben dem Dienst an den Brüdern zu widmen. Das ist ein Anlaß, Gott zu danken, der diese auserwählten Seelen mit der Gabe der Berufung segnet. Zweifelsohne ist diese Blüte der Berufungen Frucht des demütigen, vertrauensvollen und beharrlichen Gebets. Deshalb hat Christus, nachdem er die Weite des Feldes und die Größe der Ernte, jedoch die geringe Zahl der Arbeiter festgestellt hatte, uns gesandt: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lk 10,2). So haben auch eure Diözesankirchen die Mahnung von Puebla in die Tat umgesetzt und die Gebetskampagnen im Bewußtsein vermehrt, „damit sich das Volk der bestehenden Erfordernisse bewußt wird“ (Puebla, Nr. 882). 3. Diese Antwort ist gleichzeitig Frucht einer erneuerten, dynamischen Pastoral, die in die Gesamtpastoral inseriert ist, und dazu führt, die gesamte christliche Gemeinschaft von ihren Pflichten auf dem Gebiet der Berufungen zu überzeugen; deshalb „muß die gesamte Gemeinschaft, als Zeichen ihrer Vitalität und Reife, Berufungen fördern“ (Puebla, Discurso inaugural, IV). Wenn die Pastoral der Diözese die erforderliche Richtung bei den Berufungen gefunden hat, hat man bereits ein wichtiges Ziel erreicht und eine Voraussetzung erfüllt, was das Geheimnis der Begegnung zwischen Mensch und Gott betrifft und die Antwort auf seinen Ruf. In der Tat dürfen wir nicht vergessen, daß Christus und die Kirche die christliche Berufung des Menschen darstellen. Christus und die Kirche führen uns zum Vater, dem alle Wesen dienen müssen und für den jeder Mensch eine Antwort der Liebe im Kontext der Erlösung sein soll. Die authentische und starke Berufung muß deshalb in Verbindung mit der Berufung der Kirche, als Sakrament der Erlösung, entstehen und sich verwirklichen. Es ist logisch, daß die Pastoral der Berufung die Realität der heutigen Welt vor Augen haben muß. Im konkreten die Realität der Gesellschaft, in der ihr eure apostolische Tätigkeit verrichtet. Wobei es sich um eine Gesellschaft handelt - sei es im ländlichen oder städtischen Bereich - in der materialistische und hedonistische Tendenzen versuchen, sich über die geistigen Werte zu stellen, die erst eine echte menschliche und transzendente Dimension der Person vermitteln. Deshalb werden die edlen Ideale, die den jungen Menschen, die Christus folgen, dargelegt werden, oft 1794 AD-LIMINA-BESUCHE verdunkelt und gebremst durch viele trügerische Verlockungen, die in Wahrheit niemals die Sehnsucht nach dem tieferen Reichtum befriedigen können, den großmütige Herzen aufweisen. Aber genau deswegen muß man dem jungen Menschen, der in dieser Umgebung lebt und auf solche Hindernisse stößt, den Weg deutlich weisen, ihn begleiten und ihm helfen. 4. Es ist deshalb notwendig, daß die Pastoral der Berufung die Entstehung eines Umfelds der Brüderlichkeit, der menschlichen Reife und des spirituellen Lebens anregt, das~durch beständiges Gebet gekennzeichnet ist, auf dem Wort Gottes beruht, und durch die Sakramente bekräftigt wird sowie durch die apostolische Arbeit an Dynamik gewinnt. Bei dieser Gelegenheit muß bei der apostolischen Arbeit unsere besondere Aufmerksamkeit den Familien und der Jugend in den Schulen und in den Erziehungszentren gelten, von wo Seelen, die nach einem größerem Einsatz beim Dienst an Gott und dem Nächsten streben, kommen könnten. Vor allem muß man dem jungen Mann oder Frau, dem zum Priester- oder Ordensleben Berufenen, die Schönheit und Wichtigkeit eines möglichen Engagements darlegen und ihm klarmachen, daß es sich in der Welt von heute lohnt: das Engagement in einem Leben, das eine echte Herausforderung darstellt. In einer weltlichen Gesellschaft antwortet er dann in der Tat mit einer tiefen Erfahrung des in Christus geoffenbarten Gottes, der so durch die Liebe den Dienst an den Ärmsten erleuchtet. Einer egoistischen und dem Konsum verfallenen Gesellschaft antwortet er mit aufopfernder Liebe und mit freiwilliger Armut, indem er Wege der Einfachheit aufzeigt, mit deren Hilfe so viele gegenwärtige Schwierigkeiten überwunden werden können. Einer manipulierten Gesellschaft hingegen antwortet er mit Gehorsam, als einem souveränen Mittel der Freiheit, und einer hedonistischen Gesellschaft antwortet er mit Keuschheit, die weit davon entfernt, die Macht der Liebe zu verkürzen, ihm eine Sphäre der Universalität verleiht. Einer ideologisierten Gesellschaft antwortet er mit dem Evangelium, das zur Lebensnorm wird und mit der Stimme der Kirche, die seine Bewahrerin ist. Einer verwaisten und von Haß zerfressenen Gesellschaft antwortet er mit der Liebe des Vaters, mit der Gewißheit der Hoffnung und der weiten Perspektive eines Humanismus, der im Glauben verankert ist. Die Welt und vor allem Südamerika brauchen eine Antwort auf diese 1795 AD-LIMINA-BESUCHE Herausforderung. Die Kirche muß sie geben, und zwar mit ihren stärksten Kräften. 5. Die spirituelle, disziplinäre und intellektuelle Formung der Kandidaten für das Priesteramt und das religiöse Leben muß das Ziel einer größeren Aufmerksamkeit des kolumbianischen Episkopats sein. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in dieser Hinsicht auf Kriterien hingewiesen sowie klare Richtlinien gegeben. Hinsichtlich der Ausbildung in den Seminaren möchte ich eure Aufmerksamkeit auf das Dokument der Bildungskongregation lenken, „Über einige der dringendsten Aspekte der spirituellen Formung in den Seminaren“. In Übereinstimmung damit muß die allgemeine Erziehung in diesen Bildungszentren zu einer persönlichen Erfahrung mit Gott führen, um sich in menschlicher, wissenschaftlicher und pastoraler Hinsicht solide zu entwickeln und um zu wahren „Dienern Christi und Verwaltern von Geheimnissen Gottes“ (/ Kor 4,1) zu werden. Deshalb muß der Kandidat bereits vom Seminar an die persönliche Sorge und die Nähe seines Hirten fühlen, so daß eine Beziehung der Freundschaft entsteht, die sich bald in brüderlichen Banden zwischen dem Bischof und seinem Studenten festigt. Es ist tröstlich festzustellen, daß die Öffnung des Dialogs und der rechten Mitverantwortung den Bischof seinen Geistlichen und allen andern Mitarbeitern in der Pastoral immer mehr nähert. Darauf weist auch das II. Vatikanische Konzil im Dekret Christus Dominus (vgl. Nr. 28) hin. 6. Euer Verhalten zu euren Priestern sei freundschaftlich und wirklich innig; hilfreich und ermutigend bei ihrem Pastoralamt und in ihrem privaten Leben. Durch die Nähe des Bischofs fühlt sich der Priester angeregt, seine Berufung dazu, Christus zu folgen, und die Berufung zu bedingungsloser Liebe zur Kirche mit Freude und Hingabe zu leben. In gleicher Weise sollt ihr den Ordensmännern und -frauen gegenüber -die auf solch wichtige Weise zur Verbreitung und Vertiefung der Botschaft des Evangeliums in euren Diözesen beitragen - immer die Bereitschaft zur Mitarbeit und Hilfe zeigen. Mein Vorgänger Paul VI. bekräftigte folgendes Urteil über sie: „Man findet sie oft an der vordersten Missionsfront, und sie nehmen größte Risiken für Gesundheit und Leben auf sich“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 69). Hier behält das von der Kongregation für die Bischöfe, die Ordensleute und Säkularinstitute, die Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten betreffend herausgegebene Dokument seine Gültigkeit. 1796 AD-LIMINA-BESUCHE 7. Ich könnte dieses Treffen ohne einen Hinweis auf die Universalität der Kirche nicht beschließen. Da die 500-Jahr-Feier der Entdeckung und Evangelisierung des neuen Kontinents bereits nahe ist, wünsche ich mir, daß die Kirche in Kolumbien, angeregt durch den Missionsgeist, hochherzig zum Wohl der anderen Kirchen beitrage, indem sie mit ihnen den spitituellen Reichtum, der in fünf Jahrhunderten in der edlen lateinamerikanischen Seele zur Reife gelangt ist, teilt. Ich wünsche euch, daß eure Pastoral der Berufung mit Hilfe der göttlichen Gnade durch die Entsendung von Verkündern des Evangeliums - Priestern, Ordensmännern und -frauen sowie Laien - zu Kirchen, die sie benötigen, eine Krönung erfährt. Das ist die universelle Gesinnung, die die Berufung in Kolumbien, in Amerika und auf der Welt, als Krönung des dynamischen Prozesses der Evangelisierung an den Tag legen soll. Sie wird eure Kirchen nicht arm machen, sondern bereichern. Eure Pastoral der Berufung sowie die eurer Diözesen und die ganz Kolumbiens unterstelle ich dem Schutz von Maria, der bescheidenen Dienerin, die mit hochherziger Bereitschaft auf den Ruf Gottes antwortete. Möge sie eure Meisterin, Beraterin und Mutter eurer Jugend sein, die ich zusammen mit euch und euren Mitarbeitern in der Pastoral liebevoll segne. „ Unternehmt alle Anstrengungen für eine Familienpastoral“ Ansprache an die Bischöfe von Zentralkolumbien beim Ad-limina-Besuch am 11. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange ich euch, Bischöfe Zentralkolumbiens, und mit liebevollen Gedanken richte ich mich an alle Diözesen, die ihr -von Villavicencio über die Hauptstadt Bogota bis Popayan - vertretet. Mit euch grüße ich auch euch, liebe Mitbrüder im priesterlichen Amt, liebe Ordensbrüder und -Schwestern, liebe Brüder und Schwestern, die mit Hingabe und Begeisterung dazu beitragen, das Reich Gottes in eurem geliebten Land zu errichten. 1797 AD-LIMINA-BESUCHE Bis nach Rom, dem Sitz Petri, habt ihr seine Mühen und Anstrengungen, aber vor allem seine Illusionen und Hoffnungen tragen wollen, damit der Glaube aller gestärkt wird (vgl. Lk 22,32), und damit der Eifer, mit dem das Evangelium verkündet wird, durch das Beispiel und die Vermittlung der Apostel Petrus und Paulus, den Eckpfeilern dieses Mittelpunktes der Versammlung der Weltkirche, neue Anstöße empfängt. Die persönlichen Begegnungen mit jedem der Bischöfe, die ihren Höhepunkt in der gegenwärtigen gemeinsamen Versammlung finden, haben dazu beigetragen, die Bande der Einheit und Brüderlichkeit mit dem Bischof der römischen Kirche, die „den Vorsitz in der Liebe hat“, zu vergrößern und sichtbar zu machen. Vor allem schätze ich, auch im Namen aller Anwesenden, die liebenswürdigen Worte, die der Erzbischof von Bogota an mich gerichtet hat. Ich möchte meine volle Achtung für euren Willen und eure Bemühungen ausdrücken, durch die die Einheit in der Kirche und auch in eurer Bischofskonferenz aufrechterhalten und erweitert wird. Ihr kennt die Bedeutung des Zeugnisses, durch das das Volk Gottes erbaut wird, und das die tiefen göttlichen Ursachen aufzeigen muß. Das Gebet des Herrn, „daß alle eins sein sollen“ (Joh 17,21), muß in euren Priestern, Ordensgemeinschaften, Pfarreien und in den Apostolatsgruppen lebendig werden. 2. In den Fünf-Jahres-Berichten und im persönlichen Gespräch mit euch habe ich mit Freude festgestellt, daß ihr - insbesondere dank der Festigkeit der christlichen Familien - Hirten eines Teiles eures Landes seid, das besonders reich an Berufungen ist. Ich weiß, daß es in euren Gegenden eine besondere Ehre und eine allgemeine Tatsache geworden ist, die Ehe, gemäß den Worten des Apostels Paulus, „im Herrn“, d. h. auf der Basis des Sakramentes, zu begründen. Hieraus erwachsen zahlreiche Früchte christlicher Tugend, und aus diesen Familien, die vom Herrn gesegnet und von seiner Gnade genährt werden, können Priester- und Ordensberufe in tröstlicher Fülle hervorgehen. Zugleich bleiben euch jedoch die Gefahren und Risiken nicht verborgen, von denen die Einrichtung „Familie“ bedroht wird. Diese Tatsache geht auf verschiedene komplexe Faktoren zurück, von denen wir eine beschleunigte urbanistische Entwicklung, die Duldung gewisser Gepflogenheiten und sogar einiger gesetzlicher Anordnungen sowie die weltlichen Tendenzen erwähnen können. All dies wird von einigen sozialen Kommunikationsmitteln, die nicht immer die wahren menschlichen und geistige Werte fördern, verbreitet. 1798 AD-LIMINA-BESUCHE 3. Deshalb muß als erste Pflicht eurer apostolischen Bemühungen eine besondere pastorale Aufmerksamkeit auf die Familie weitergeführt werden. Auch in eurem Land gelten weiterhin die Anweisungen, die ich bei der Eröffnung der III. Konferenz in Puebla de los Angeles gegeben habe: „Unternehmt alle Anstrengungen für eine Familienpastoral. . . . Diese Pastoral ist uns wichtiger, je größer die Gefahren sind, die die Familie bedrohen. Denkt an die Kampagnen für Ehescheidung, für Empfängnisverhütung und Abtreibung, die die Gesellschaft zerstören.“ Die oben erwähnten Faktoren haben zweifellos bei vielen Menschen zum Zusammenbruch gewisser Prinzipien geführt und vielen Familien dadurch geschadet, daß sich Probleme auch sozialen Charakters ergeben. Welch schlimme Folgen bringt der Ehebruch für viele Kinder mit sich. Häufig treten seelische Schwierigkeiten auf, die sich negativ auf ihr Verhalten auswirken, und die nicht selten den Weg zu schmerzlichen Erfahrungen wie Drogenabhängigkeit oder sozialer Rebellion bereiten. 4. Man kann nicht umhin, das beunruhigende Problem der Abtreibung zu betrachten, die sowohl das Gebot Gottes, des einzigen Herrn über das Leben, als auch das höchste der Grundrechte des Menschengeschlechts schwerwiegend verletzt. Nicht wenige Menschen - und selbst Katholiken — vertreten unter dem Vorwand, eine bessere gesundheitliche Versorgung zu garantieren und um Übel zu vermeiden, die aus einer ungesetzlichen Abtreibung oder aus dem Problem eines ungewollten Kindes, der sozialen Lage der unehelichen Mutter, der fehlenden Gesundheit oder sogar der schlechten wirtschaftlichen Lage erwachsen können, tolerante Positionen im gesetzlichen Bereich. In diesen Einstellungen ist eine Unkenntnis oder auch ein Fehlen der Überzeugung zu erkennen, daß schon vom Augenblick der Empfängnis an ein von der Mutter getrenntes Wesen existiert, dem unveräußerliche Rechte gebühren. Die menschliche und religiöse Dimension der Liebe muß den Eheleute eine stets größere Wertschätzung des Lebens vermitteln, denn die Brautleute leisten bei der Zeugung eines Kindes innerlich einen Beitrag zu Gottes Schöpfungsplan. Das II. Vatikanische Konzil gibt eine verantwortliche Elternschaft klar und deutlich als Quelle einer gesunden Ehefrömmigkeit, da nur sie die christliche und katholische Einstellung die Übermittlung des Lebens als bewußte und freie Handlung im göttlichen Schöpfungsplan unterstützt. Dennoch hat es an herabsetzenden Auslegungen — die es gebührend zu klären gilt - nicht gefehlt, die aus dem Ausdruck „verantwortliche Eltern- 1799 AD-LIMINA-BESUCHE schaft“ nahezu ein Synonym des Gegenteils, d. h. des Fehlens von Vaterschaft und Mutterschaft machen wollen; in einem Wort: ein Nein zum Leben, und dies sind Probleme, die eurer pastoralen Beachtung bedürfen. 5. Eure Berichte, die reich an Glauben und christlichen Traditionen sind, wollen daran erinnern, daß Ehe und Familie innerlich auf die Vollendung in Christus hingeordnet sind (vgl. Eph 5) und seiner Gnade bedürfen, um von den Wunden der Sünde geheilt (vgl. Gaudium etspes, Nr. 47) und so „auf ihren Anfang“ (Mt 19,4) zurückgeführt zu werden, das heißt zur vollen Kenntnis und Verwirklichung der Pläne Gottes (Familiaris consortio, Nr. 3). In diesem Sinne ist es eine grundsätzliche Aufgabe, die christliche Familie als „wichtigstes Zentrum der Evangelisation“ (Puebla, Nr. 617) zu bewahren oder wiederherzustellen. Denn der Reichtum ihrer Berufung in Christus soll nicht nur vollkommen lebendig sein, sondern sie soll auch in der Lage sein, ihn den anderen zu vermitteln. Für mich ist es ein Trost zu sehen, daß ihr in eurer Pastoralarbeit stets eine vornehmliche Sorge für die Familie getragen habt, und daß es euch gelungen ist, sie als einen kennzeichnenden Reichtum in eurer Kirche zu bewahren. Ihr müßt diese edle Aufgabe fortführen, indem ihr die zum Apostolat Berufenen dazu erweckt, daß sie ihre Bemühungen der Familie widmen, und indem ihr sie auf angemessene Weise auf diese besondere Aufgabe vorbereitet. Die großen Familienriten sind heutzutage nämlich zugleich die großen Riten der Pastoral, die sie vorbereiten muß, indem „sie ein Raum ist, wo das Evangelium ins Leben übersetzt wird und woher dieses Evangelium aufleuchtet“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 71). 6. Euer pastoraler Eifer wird euch ebenso die geeigneten Wege zeigen, um eine Antwort auf das in eurem Lande verhältnismäßig neue Problem der Scheidungen zu geben. Die leichtferige Scheidungsmentalität, die es schafft, der Hochzeitsfeier voranzugehen, und die endgültige Bindung, Einheit und Unauflösbarkeit der christlichen Ehe vermeiden will, führt zu der pastoralen Verpflichtung einer sorgfältigen Vorbereitung auf die Ehe. Sie muß von den Familien selbst und von der katholischen Schule unterstützt werden und in einer ernsthaften, unverzüglichen Vorbereitung gipfeln. Ein solches Vorgehen bürgt für die Aufnahme der kirchlichen Lehre über die Ehe als Gemeinschaft von Glauben und Liebe, als untrennbare Einheit und unauflösliche Vereinigung. Wenn eine pluralistische Welt Beispiele von Ehe und Familie anbietet, die 1800 AD-LIMINA-BESUCHE so weit von dem Ideal des Evangeliums entfernt sind, ist es eure Aufgabe, den unbeständigen Bund der ehelichen Liebe mit Hilfe des Heiligen Geistes zu festigen. Ohne Furcht müssen wir die Vollkommenheit des christlichen Beispiels verkünden, das von der von Christus offenbarten Liebe durchdrungen ist und das der menschlichen Ehegemeinschaft Würde und Fülle verleiht. Möge die eheliche Gemeinschaft aus dem Glauben leben und sich bewußt sein, daß die Gnade des Sakramentes die menschliche Liebe auf die Ebene des auferstandenen Christus, der Quelle und Kraft unserer österlichen Freude, erhebt, seine Gabe an die Kirche erneuert, diese empfängt und sich in Liebesfülle in ihn eingliedert. Sie ist die tiefe Bedeutung dessen, was es heißt, sich an Christus und die Kirche zu schenken, die ihr größtes Geheimnis darstellen. 7. Indem ihr die Ausübung des Gebets der Eheleute, der Familie und der Gemeinschaft fördert, verleiht ihr dem übernatürlichen Pfad des Glaubens in seiner Beziehung zur Ehe Kraft, und ihr führt eure Gläubigen in der Nachfolge Christi dazu, „die Wahrheit zu suchen, welche sich nicht immer mit der Meinung der Mehrheit deckt“ (Familiaris consortio, Nr. 5). Für die christlichen Eheleute, die durch die Gnade des Ehesakramentes unterstützt werden, gilt weiterhin die Forderung nach Selbstbeherrschung im ehelichen Leben und nach Erziehung zur Keuschheit. Diese Tugend besagt — wie es in der apostolischen Schrift „Familiaris consortio“ erwähnt wurde, „keineswegs eine Verdrängung oder Mißachtung der menschlichen Geschlechtlichkeit; sie bedeutet vielmehr eine geistige Kraft, die die Liebe gegen die Gefahren von Egoismus und Aggressivität zu schützen und zu ihrer vollen Entfaltung zu führen versteht“ (Familiaris consortio, Nr. 33). In diesem Bereich ist es eine dringende Pflicht, die Gläubigen gegen die Vernebelung der Grundwerte zu schützen, indem sie im kritischen Bewußtsein der Familienkultur, die sie vertreten, erzogen werden und indem ihnen geholfen wird, aktive Mitglieder beim Aufbau einer wahren Menschlichkeit zu sein. 8. Liebe Brüder! Ich versichere euch, daß ich im Gebet an euch denke, und daß ich aus euren Bemühungen Kraft schöpfe. Die Gesellschaft im Zeichen der Liebe, die die Kirche nunmehr vor den Toren des dritten Jahrtausends im sogenannten Erdteil der Hoffnung gründen will, verstärkt mehr und mehr den Vorrang sittlicher und geistiger Werte in der kolumbianischen Gesellschaft. Gebe Gott, daß diese Werte, die der 1801 AD-LIMINA-BESUCHE kolumbianischen Familie Zusammenhalt und Sinn gegeben haben, sich mehr und mehr festigen. Materialistische und hedonistische Versuchungen, die die Grundmauern des Familienlebens zu untergraben drohen, müssen überwunden werden. Zum Abschluß unseres Treffens spreche ich meine Wünsche für die Vollendung und Lebendigkeit der Familienpastoral in eurem Land aus. Zugleich segne ich die vielen christlichen Familien, die „Hauskirchen“ sind, in denen Gott geliebt, sein Name geachtet und sein Wort befolgt wird, und all die vielen Familien, die Wege zu ihrer Verwirklichung suchen, und die, deren Zukunft in Gefahr ist. Möge die Heilige Jungfrau, die Königin des Hauses Nazaret, die kolumbianischen Häuser beschützen und festigen. Mit herzlichem Apostolischem Segen. Gerechtigkeit in der Arbeitswelt Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Koreas am 18. November Gelobt sei unser Herr und Erlöser Jesus Christus, der uns die Gnade einer neuerlichen Begegnung schenkt! Diesmal im Vatikan, anläßlich eures Ad-limina-Besuches. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“: (1 Kor 1,3). <249> <249> Die Kirche in Korea, deren Bischöfe ihr seid, erlebt eine sehr dynamische Periode in ihrem Wachstum und ihrer Entwicklung. Die Saat des Glaubens, die von den ersten Generationen koreanischer Christen vor zweihundert Jahren ausgesät und genährt worden war, entfaltet sich zu einer Reife, die bereits durch reiche Früchte der Heiligkeit und des Martyriums ausgezeichnet ist. Mit großer Freude und geistlichem Eifer habt ihr das zweihundertjährige Jubiläum der Anwesenheit der Kirche in eurem Land gefeiert; ihren Höhpunkt fanden diese Feierlichkeiten in der Heiligsprechung von Andreas Kim und seinen Märtyrergefährten, einer Zeremonie, die ich durch die liebevolle Güte unseres himmlischen Vaters während meines Koreabesuches im Mai vergangenen Jahres vornehmen konnte. Ich bin mit euch voller Freude über die Gaben des Glaubens und christlichen Lebens, die der Heilige Geist, der Spender des Lebens, euren Gemeinden 1802 AD-LIMINA-BESUCHE bei der Vorbereitung und feierlichen Begehung dieser außergewöhnlichen Ereignisse gewährt hat. Laßt uns demütig diese Zeit der Gnade erkennen und „laßt uns nicht müde werden, das Gute zu tun; denn wenn wir darin nicht nachlassen, werden wir ernten, sobald die Zeit dafür gekommen ist“ {Gal 6,9). Ich habe die vielen pastoralen Aktivitäten, die ihr und eure Mitarbeiter begonnen und durchgeführt haben, genau verfolgt und ermutige euch, auf diesem Weg der Hoffnung, der Phantasie und des Einfallsreichtums weiterzugehen und jenen Teil der Kirche, der euch anvertraut ist, hinzuführen zu jener „Liebe und Einheit des mystischen Leibes, ohne die es kein Heil geben kann“ {Lumen gentium, Nr. 26). Das ist noch immer jene „besondere Stunde in der Geschichte der koreanischen Kirche“, von der ich bei unserer Begegnung im Priesterseminar von Seoul am 3. Mai 1984 sprach. Es ist eine Stunde, „um von neuem das Wesen der Kirche zu verkünden, ihre Prioritäten geltend zu machen, ihre Heiligkeit zu bekunden und beispielhaft zu machen“. Noch einmal möchte ich wiederholen, daß „sämtliche Strukturen der Kirche, sämtliche Dienste, die sie leistet. . ., mit der Heiligkeit des Lebens und mit jenem Glaubenseifer verbunden sind, den nur Heiligkeit ermöglichen und über lange Zeit aufrechterhalten kann“ {Ansprache an die Koreanische Bischofskonferenz, 3. Mai 1984 in Seoul, Nr. 1 und 4, in: O. R. dt., 11.5.84, S. 7). Das Konzil erinnert uns daran, daß es vor allem die Bischöfe sind, die „durch Gebet und Arbeit für das Volk vielfältige und reiche Gaben von der Fülle der Heiligkeit Christi ausspenden“ {Lumen gentium, Nr. 26). Möge der Herr selbst euch in dieser Aufgabe unterstützen, und mögt ihr deren besondere Dringlichkeit spüren, wenn ihr das Wachsen und die Lebendigkeit eurer Ortskirchen betrachtet. 2. Was euch in eurem Hirtenamt tröstet und euch sicherlich auch in bezug auf die künftigen Bedürfnisse der Kirche in eurem Land Vertrauen und Trost schenkt, ist der hochherzige und hingebungsvolle Dienst eurer Priester, sowohl der Koreaner wie der aus anderen Ländern. Durch ihr Lebenszeugnis, durch die Lehre des Gotteswortes und die Verwaltung der Sakramente teilen sie die Aufgaben und Lasten eures Dienstes und helfen euch, die Kirche Christi wahrhaft gegenwärtig zu machen. Sie geben damit Antwort auf die besondere Gleichgestaltung mit Christus selbst, die sie bei der Weihe empfangen haben. Es ist darum von Bedeutung, daß diese besondere Beziehung zum Obersten Hirten einem jeden in seiner prie-sterlichen Ausbildung, in Leben und Tätigkeit klargemacht wird. Priester 1803 AD-LIMINA-BES V CHE haben eine einzigartige Verantwortung, „ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an sie erging“ (Eph 4,1). Aus ihrer „engen Gemeinschaft“ mit Christus (vgl. Optatam totius, Nr. 8) werden sie die Kraft schöpfen, stets in den Fußstapfen dessen zu gehen, der nicht kam, um sich dienen zulassen, sondern um zu dienen (vgl. Mt 20,28), „in armer Lebensweise und im Geist der Selbstverleugnung“ (Optatam totius, Nr. 9). 3. Die Ordensmänner und Ordensfrauen in euren Diözesen sind auch eure einsatzbereiten Mitarbeiter im Weinberg des Herrn. Dadurch, daß sie das besondere Charisma ihres Lebens in den Dienst der Ortskirche stellen, ermöglichen sie es ihr, vielen besonderen Bedürfnissen des Evangelisierungsauftrags zu entsprechen, während sie gleichzeitig die innere Lebendigkeit der kirchlichen Gemeinschaft beweisen, die so vielfältige Formen christlichen Lebens entstehen läßt. Besonders Ordensfrauen schauen auf eure Führung, damit sie bei voller Respektierung des besonderen Zieles jedes Ordensinstituts immer wirksamere Wege finden können, um am Aufbau des Gottesvolkes und besonders an Programmen des pastoralen Lebens teilzunehmen. Ich möchte euch bitten, jedem Ordensinstitut in Korea meine herzlichen Grüße in der Liebe unseres Herrn Jesus Christus zu überbringen. 4. Als Hirten spürt ihr das Bedürfnis eures Volkes nach entsprechender Glaubensformung, damit die durch die Taufe ausgegossene Gnade reiche Frucht tragen kann. Die Kirche in Korea wird unermeßlichen Nutzen ziehen aus einem größtmöglichen Bemühen um Katechese und theologische Bildung auf allen Ebenen. Ich freue mich zu erfahren, daß eure Konferenz verschiedene Programme der ständigen Weiterbildung für Priester durchführt, wozu auch die Errichtung eines eigenen Zentrums für diesen Zweck gehört. Ich weiß auch, daß die Vereinigungen der Ordensobern für ihre Mitglieder dasselbe tun. Zusammen mit einer Intensivierung der theologischen, geistlichen und kulturellen Anfangsausbildung an euren Seminaren und Ordenshäusern wird dieses Vorhaben zweifellos eine verstärkte Wirksamkeit bei der Verkündigung des Wortes und eine ständige Erneuerung und Verbesserung in den Methoden von Evangelisierung und Katechese fördern. Eure Katecheten und die Mitglieder von Vereinigungen des Laienapostolats, von denen viele besondere Anerkennung verdienen, sollten in ihren Bemühungen, sich immer größere Zuständigkeit in der Glaubensvermitt- 1804 AD-LIMINA-BESUCHE lung anzueignen, ermutigt werden. Die Laien Koreas sind heute nicht weniger als in der Vergangenheit dazu aufgerufen, ihre Liebe zur Kirche in einer echten Heiligkeit des Lebens zum Ausdruck zu bringen, entsprechend ihrem Stand und ihrer Sendung, „die Welt selbst Gott zu weihen“ {Lumen gentium, Nr. 34). Es ist ermutigend, daß der Nationale Pastoralrat im vergangenen Jahr zur Feier des Zweihundertjahr-Jubiläums kluge Initiativen einbrachte, von denen ihr einige positiv bewertet habt und sie jetzt durchzuführen trachtet. In dieser Hinsicht kann die Aufmerksamkeit, die ihr darauf verwendet, die Soziallehre der Kirche bekannt und verständlich zu machen, und das Vertrauen vieler Katholiken, die in dem schwierigen, aber fruchtbaren Dialog zwischen Glaube und umgebender Kultur engagiert sind, nur stärken. Von besonderer Bedeutung ist, daß die kirchliche Soziallehre in den neuen Katechismus aufgenommen wird, den die Bischofskonferenz herauszubringen beabsichtigt. Auf diese Weise kann die soziale Dimension der biblischen Botschaft neues Gewicht erhalten und den Gläubigen auf allen Ebenen bekanntgemacht werden. 5. Im Einklang mit eurer Hirtenpflicht zur Förderung und Verteidigung der Menschenwürde und wegen eurer berechtigten Sorge für die Gerechtigkeit in der Arbeitswelt habt ihr vor kurzem einen gemeinsamen Hirtenbrief zu diesem Thema veröffentlicht. Ihr macht keinen Hehl aus der Komplexität der Materie, noch unterschätzt ihr die Unermeßlichkeit der Herausforderung, der sich Gesellschaft und Kirche auf diesem Gebiet gegenübergestellt sehen. Die Kirche muß als Mutter und Lehrerin dem Gewissen der einzelnen und der Gruppen hinsichtlich des wahren Wertes und Zweckes des menschlichen Lebens und Tuns im Plan Gottes Klarheit geben. Ihr habt besonderes pastorales Feingefühl für die Notwendigkeit bewiesen, der sozialen Entwicklung und Evangelisierung der Landarbeiter und der Armen in den Großstädten, besonders der Jugend und der Arbeitslosen, größere Aufmerksamkeit zu schenken. Sowohl private wie öffentliche menschliche Institutionen sollen - wie das Konzil lehrt - „sich darum bemühen, der Würde und dem Ziel des Menschen zu dienen ... Ja, die Institutionen dieser Art müssen allmählich ein entsprechendes Verhältnis finden auch zu den eigentlichen geistigen Werten, die an Rang am höchsten stehen, auch wenn manchmal zur Erreichung des erstrebten Zieles eine ziemliche lange Zeit nötig sein wird“ {Gaudium et spes, Nr. 29). Eure Sorge um die Werte der Würde, Gerechtigkeit und Freiheit des Menschen verdient große Anerkennung 1805 AD-LIMINA-BESU CHE und hat die Unterstützung der ganzen Kirche. Ich bete darum, daß es euch gelingen möge, den sozialen Entwicklungsprozeß anzuführen als Hirten eines pilgernden Volkes auf seinem Weg zu dem „Reich der Wahrheit und des Lebens, der Heiligkeit und der Gnade, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 39). 6. In euren Berichten zur Vorbereitung auf diesen Ad-limina-Besuch habt ihr einige Bereiche erwähnt, in denen sich euer Sendungsauftrag zur Glaubensverkündigung besonderen Herausforderungen gegenübersieht. Manche stammen aus besonderen Verhältnissen in der koreanischen Gesellschaft, andere aus den Schwierigkeiten, die die Verkündigung des Evangeliums in einer von Unruhe geschüttelten Welt beeinträchtigen. Ein bedeutender Teil eurer Pastoraltätigkeit gilt dem Familienleben. Die gesamte Kirche ist zum Schutz und zur Sorge für die Familie verpflichtet. Mit der mutigen Verkündigung des Planes des Schöpfers für Ehe und Familie trägt die Kirche zum Wohl der ganzen Gesellschaft bei, denn die Familie ist die „Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 11). Wie ich in dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio hervorhob, erstreckt sich diese Sorge auf alle Familien. „Ihnen allen schenkt die Kirche ihr Wort der Wahrheit, der Güte, des Verstehens, der Hoffnung, der innigen Verbundenheit“ (Nr. 65). Die von euch gegründete „Bewegung für eine glückliche Familie“ hat eine hervorragende Methode erprobt, um die katholische Lehre über Ehe und Familie bekanntzumachen. Ehepaaren wird geholfen, ihre Verantwortung den sittlichen Forderungen ihrer menschlichen und christlichen Würde entsprechend wahrzunehmen. Möge Gott eure Anstrengungen reich segnen und das Familienleben eures Volkes angesichts der mächtigen Herausforderungen, denen sie gegenüberstehen, stärken. Besonders passend ist, daß ihr als Thema eurer pastoralen Überlegungen im kommenden Jahr „Eucharistie und Familie“ gewählt habt. Ich habe mit großem Interesse die verschiedenen Initiativen verfolgt, denen die Wiederzusammenführung von Familienmitgliedern nach jahrzehntelanger Trennung gelungen ist, und ich bete, daß diese Entwicklung fortschreiten möge zur Freude all derer, die es betrifft, und daß sie vor der Welt das einzigartige Gut echter Familienliebe und -Zuneigung bezeuge. Ein besonderes Ziel eures Dienstes ist auch eure Jugend. Die jungen Leute erwarten von der Kirche Hilfe, um die Welt, in der sie leben, zu verstehen und mit ihr zurechtzukommen. Was sie von der Kirche erwarten, ist die Wahrheit: eine Wahrheit, die die höchsten Ideale der Gerechtigkeit und Liebe bietet und die größten Anforderungen an demütigen 1806 AD-LIMINA-BESUCHE Dienst und ausdauernden Einsatz stellt. Ihr habt die schwierige, aber lohnende Aufgabe, ihre Suche nach ihrem richtigen Platz in Kirche und Gesellschaft mit weiser Leitung und mutiger Führung zu begleiten. 7. Meine lieben Brüder, der Herr selber ist eure Stärke und euer Schild (vgl. Ps 3,4). Er hat euch zum Bischofsamt berufen. Er hat die Kirche in Korea eurer Liebe und eurem Dienst anvertraut. Für die getreue Erfüllung dieser Aufgabe rufe ich auf jeden von euch die heiligenden Gaben des Heiligen Geistes herab. Maria, die Mutter der Kirche, und eure heiligen Märtyrer mögen vor unserem himmlischen Vater für euch Fürsprache einlegen. Der ganzen koreanischen Kirche drücke ich voll Freude meine tiefe Zuneigung aus und erteile ihr meinen Apostolischen Segen. Besonders um Bibelapostolat bemüht Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Pakistan am 16. März In Christus geliebte Brüder! 1. Es ist eine Freude, im Namen „Jesu, des Apostels und Hohenpriesters, dem unser Bekenntnis gilt“ (Hebr 3,1), zusammenzukommen, um die Einheit des Episkopats zu feiern. Als Nachfolger des Petrus, der von Christus berufen wurde, ein besonderes Amt des Dienstes an der Gesamtkirche und allen Bischöfen weiterzuführen, biete ich euch heute in vollem Maße meine brüderliche Ermutigung an. Ihr sollt wissen, daß ich euch in all den mühevollen Anstrengungen nahe bin, die ihr zur Koordinierung der pastoralen Tätigkeiten der Kirche in Pakistan unternehmt. Innerhalb des einen Leibes der Kirche Christi versichere ich euch meiner Unterstützung für euer Bemühen, in den eurer Sorge anvertrauten Diözesen christliches Leben zu schützen und zu entfalten. Das christliche Leben in Pakistan gibt in der Tat ein großartiges Zeugnis von der Liebe Jesu Christi, „der umherzog und Gutes tat“ {Apg 10,38). Das ausgedehnte Netz karitativer und sozialer Einrichtungen, einschließlich Krankenhäusern, Ambulatorien und Waisenhäusern, ist Ausdruck des gesamtchristlichen Beitrags an eurem Land. Am vergangenen Weih- 1807 AD-LIMINA-BESUCHE nachtsfest zollte euer Präsident den Christen eures Landes warmherzige Anerkennung, wobei er „ihren Geist der Hingabe bei der Förderung der Sache Pakistans und ihren Beitrag zum Fortschritt und Gedeihen des Landes“ erwähnte. Ich bin sehr dankbar für diese Anerkennung ebenso wie für die zum Ausdruck gebrachte Verpflichtung Pakistans, die „religiösen Rechte von Minderheiten“ zu schützen {Botschaft des pakistanischen Staatspräsidenten, General Mohammad Zia-ul-Haq). Ich weiß um alle Bemühungen, die ihr auf dem äußerst wichtigen Gebiet der Erziehung unternommen habt, sowie um die vielen Schwierigkeiten, denen ihr dabei begegnet seid. Ich lobe euren starken und ausdauernden Wunsch, die für die ganze Menschheit so erhebende, lebenspendende Botschaft des Evangeliums weiterzugeben. Ich werde diese Sache unmittelbar mit euch verfolgen; und für alles, was durch euren Dienst bereits erreicht worden ist, bringe ich Gott meinen Dank dar: dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Das Evangelium ins Leben übersetzen 2. Zugleich bin ich zutiefst dankbar für die hochherzige Hingabe aller Priester und Ordensleute, die eure Mitarbeiter bei der Glaubensverkündigung sind. Die Namen der Missionare der Vergangenheit sind für immer in die religiöse Geschichte eures Volkes eingegangen. Durch ihre Liebe haben sie zu der großartigen Entwicklung der Kirche beigetragen, die von der Tatsache bestätigt wird, daß nun sämtliche Bischöfe eures Landes Pakistaner sind. Die einheimischen Priester und die heutigen Missionare, die mit euch verbunden sind und Seite an Seite mit euch arbeiten, sind dazu aufgerufen, ihren Dienst weiterzuführen, indem sie sich auf jede nur mögliche Weise für die Arbeit der Evangelisierung verwenden. Mit Ungewißheit hinsichtlich der Ergebnisse ihrer Bemühungen, mit Vertrauen in die Vorsehung Gottes müssen eure Priester und Ordensleute eine besondere Rolle dabei spielen, die Tugend der christlichen Hoffnung zu leben. Ein jeder ist eingeladen, täglich mit dem Psalmisten zu beten: „Ich aber, Herr, ich vertraue dir, ich sage: ,Du bist mein Gott.‘ In deiner Hand liegt mein Geschick“ (Ps 31,15-16). 3. Ich möchte euch meine Bewunderung für den Glauben eures Volkes ausdrücken. Ich weiß, daß er in evangelischer Einfachheit, in Armut und in Treue zur Gemeinschaft der Universalkirche gelebt wird. Eure Leute leben diesen Glauben mit der Sorge für ihre Mitmenschen, einschließlich der Brüder und Schwestern, die von jenseits der Grenzen eurer Nation 1808 AD-LIMINA-BESUCHE gekommen sind. Bei dieser Gelegenheit wiederhole ich die Gedanken, die ich bei meiner Ankunft in Karatschi vor vier Jahren angesichts der Flüchtlinge zum Ausdruck gebracht habe. Ich erneuere meinen Dank für all die vielen Anstrengungen, die unternommen wurden, um diesen Menschen beizustehen, und ich bete dafür, daß diese Anstrengungen so lange weitergehen mögen, wie die Not andauert. 4. Der Glaube eures Volkes wird auch in dem apostolischen Eifer bekundet, der die Leute dazu anspornt, den Glauben weiterzugeben. Dieser apostolische Eifer erklärt die Hingabe eurer Katecheten und aller, die für die Vermittlung und Bekanntmachung des Evangeliums Christi tätig sind. Die Weitergabe des Glaubens ist in ganz besonderer Weise eine Sendung und Aufgabe, die den christlichen Familien obliegt. Mein heutiger Appell lautet, daß alles nur Mögliche getan werde, um sowohl die christlichen Familien in der Erkenntnis der Bedeutung ihres Dienstes der Evangelisierung zu bestärken als auch ihnen bei der Erfülllung dieser Aufgabe beizustehen. Hier sollten wir uns die Worte Pauls VI. in Erinnerung rufen: „Außerdem muß die Familie wie die Kirche ein Raum sein, in dem das Evangelium ins Leben übersetzt wird und in dem daher dieses Evangelium aufleuchtet. Im Schoß einer Familie, die sich dieser Sendung bewußt ist, verkünden alle Familienmitglieder das Evangelium, und es wird ihnen verkündet. Die Eltern vermitteln nicht nur ihren Kindern das Evangelium, sie können dieses gleiche Evangelium auch von ihnen empfangen, und zwar als tief gelebtes Evangelium. Eine solche Familie wirkt auch verkündigend auf zahlreiche weitere Familien und das Milieu, zu dem sie gehört“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 71, in: Wort und Weisung, 1975, LS, 590, vgl. Familiaris consortio, Nr. 52). Die Berufung unserer Familie ist in der Tat eine Berufung zum christlichen Leben, zum christlichen Dienst und christlichen Zeugnis. So wird das Geheimnis der Kirche Christi in die Tat umgesetzt. 5. Angesichts eurer Hirtensorge für die Vorbereitung der Kirche Gottes auf das nächste Jahrtausend setzt ihr mit Recht große Hoffnung in die Jugend. In eurem Land verkörpern die jungen Menschen ganz besonders die Hoffnung der Kirche. Ihnen gebührt auf jeder Ebene jede nur mögliche pastorale Sorge. Die Kirche hat Vertrauen in die jungen Menschen aller Schichten, aber sie strebt eine besondere Zusammenarbeit mit den Universitätstudenten an. Sie fordert diese auf, ihre Rolle als würdige Nachfolger Jesu Christi in den Führungspositionen auszuüben. 1809 A D-LIM INA-BESU CHE Als wesentlichen Kern unseres Dienstes an der Jugend dürfen wir nicht vergessen, das Priester- und Ordensleben zu fördern. Und da das ganze Wirken der Kirche sich auf die Frage der Priesterberufe bezieht - ohne Priester kann die Kirche nicht durch die Eucharistie aufgebaut werden —, ermutige ich euch in euren eifrigen Initiativen. Ich unterstütze euch nicht nur darin, daß ihr Berufe fördert und euch um sie sorgt, sondern auch, daß ihr euch um die Sicherstellung der theologischen und spirituellen Ausbildung all eurer Seminaristen bemüht. Möge Maria, die Mutter Christi, des Hohenpriesters, euch in euren Hoffnungen, Plänen und Bemühungen beistehen. 6. Ein anderer Bereich, der euer Leben und Amt zutiefst betrifft, ist euer Verhältnis zu euren muslimischen Brüdern. Die Kirche hat während des Zweiten Vatikanischen Konzils ausdrücklich ihre Hochachtung für die Muslime ausgesprochen (vgl. Nostra aetate, Nr. 3), und ich habe vor meinem Abflug aus Karatschi darum gebetet, daß „gegenseitiges Verständnis und Achtung zwischen Christen und Muslimen und allgemein zwischen allen Religionen wachsen und sich vertiefen werden und daß wir noch bessere Wege der Verbindung und Zusammenarbeit zum Wohl aller finden werden“ (Gebet am Flughafen von Karatschi am 16. Februar 1981). Als Beispiele gemeinsamer Bemühungen nannte das Konzil „gemeinsames Eintreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter, des Friedens und der Freiheit“ (Nostra aetate, Nr. 3). Diese Kategorien bieten zweifellos zahlreiche Möglichkeiten. Ich weiß, daß ihr seit langem viel in dieser Hinsicht zu tun versucht. 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, jeder von euch ist der Hirt einer Teilkirche, die tatsächlich ein pusillus grex, eine kleine Herde, ist. Jede eurer Teilkirchen steht begrenzten Möglichkeiten und pastoralen Problemen gegenüber. Und dennoch kann durch Gottes Gnade jede Kirchengemeinde ihre Berufung zur Heiligkeit voll leben als einen Lobpreis auf die Heiligkeit Gottes. Trotz eurer begrenzten Mittel vermag die Kirche in Pakistan der Gesamtkirche einen unermeßlichen Beitrag zu leisten. Ihr seid aufgerufen, eure Berufung zur Heiligkeit durch sorgende Nächstenliebe zu erfüllen — eben die Nächstenliebe, die ihr in der Tat so treffend im Namen Christi übt. Es ist gut zu wissen, daß ihr es für richtig angesehen habt, unter euren zahlreichen Aktivitäten dem Bibelapostolat besondere Aufmerksamkeit zu schenken und es mit der lebenswichtigen Verpflichtung und dem Vorrecht des Gebets zu verbinden. Das Wort Gottes ist ja in der Tat die 1810 AD-LIMINA-BESUCHE Kraft eures Volkes, wie es seine höchste sakramentale Verkündigung im eucharistischen Opfer findet. In meiner Predigt in Karatschi war ich bemüht, die Eucharistie als Mittelpunkt eures Lebens und als Quelle eurer Freude und Heiligkeit herauszustellen. 8. Da jede Aufforderung zur Heiligkeit eine Aufforderung zur kirchlichen Einheit ist, ermutige ich eure Priester, Ordensleute und Laien, zusammen mit euch alles ihnen nur Mögliche zu tun, um in Glaube und Liebe eure katholische Einheit untereinander und mit der Gesamtkirche zu verkündigen. Zugleich müssen wir alle für die volle Einheit all derer arbeiten und beten, die Christus folgen: „damit die Welt glaubt“ {Joh 17,21). Und zuletzt laßt mich noch anfügen - denn auch das muß gesagt werden -, daß die Kirche in Pakistan nur in freudiger Hoffnung ihre große Berufung erfüllen wird. „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes“ (Rom 15,13). Während ich euch und eure Ortskirchen der Liebe Mariens, der Mutter Jesu, anvertraue, übersende ich auch meine Grüße brüderlicher Hochachtung und Wertschätzung für die Autoritäten eures Landes und an alle eure Landsleute. Auf das ganze pakistanische Volk rufe ich den Segen des allmächtigen und barmherzigen Gottes herab. Die ganze Wahrheit über den Menschen lehren Anprache beim Ad-limina-Besuch einer Gruppe philippinischer Bischöfe am 12. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich freue mich sehr, euch hier in Begleitung von Kardinal Vidal versammelt zu sehen. Nach den privaten Begegnungen, die ich im Verlauf dieser Tage eures Ad-limina-Besuchs mit jedem einzelnen von euch hatte, haben wir nun die Gelegenheit, im Namen dessen zusammenzukommen, der uns dazu bestimmt und uns ausgesandt hat, daß wir reiche Frucht bringen (vgl. Joh 15,16), im Namen unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus. 1811 AD-LIMINA-BESUCHE Ich begrüße euch mit großer persönlicher Genugtuung und fühle mich durch euch dem philippinischen Volk sehr nahe. Ihr seid die Bischöfe der Regionen Mindanao und. Visayas, und in Kürze werde ich mit den Bischöfen der anderen Regionen der Philippinen Zusammentreffen. Eure Anwesenheit hier ist nicht nur die Erfüllung einer Pflicht, die allen Bischöfen der Welt obliegt; sie ist auch der Ausdruck der tiefempfundenen Bande der Treue und Loyalität, die die philippinischen Katholiken mit dem Apostolischen Stuhl verbinden. Ich möchte euch versichern, daß die Schmerzen und Sorgen, die Freuden und Hoffnungen der ganzen Nation zutiefst Inhalt meiner Sorgen und Gebete sind. 1. Unsere Gespräche und die Berichte, die ihr für diesen Besuch vorbereitet habt, zeigen, wie tief ihr die Verantwortung der eurem bischöflichen Dienstamt anvertrauten Aufgabe empfindet. Manchmal mögt ihr euch niedergedrückt fühlen von der Sendung und den Hindernissen, die sich euren Bemühungen in den Weg stellen. Aber einer Sache dürft ihr sicher sein, und sie weckt euer Vertrauen und eure Zuversicht. Das ist die Antwort Christi auf die Ängste des Apostels Paulus: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit“ (2 Kor 12,9). In dieser Überzeugung werdet ihr den Mut finden, euer ganzes Leben in den Dienst des Geheimnisses der Erlösung zu stellen, das sich inmitten eures Volkes vollzieht. Es ist in diesem Zusammenhang angemessen, daß wir miteinander in freudigem Dankgebet für die Lebenskraft und den Fortschritt der Kirche auf den Philippinen unsere Stimmen zu Gott, unserem himmlischen Vater, erheben, von dem alles Gute kommt. Eure Gemeinden sind von belebenden Kräften erfüllt, einer Dynamik, die an den zahlreichen Institutionen, Aktivitäten und Initiativen offenkundig wird, die seit jeher die ununterbrochene Entwicklung der Kirche kennzeichneten. Es ließe sich immer manches noch besser machen und korrigieren, doch wollen wir nicht das „Große“ vergessen, das der Herr in den Herzen der Filipinos gewirkt hat und weiter wirkt. Wie Maria kann die ganze Kirche auf den Philippinen den Herrn für die Fülle seiner Gnade preisen (vgl. Lk 1,46.49). 2. Eben weil ihr mit dem täglichen Leben der Mitglieder eurer Ortskirchen, mit ihren Leiden und Hoffnungen vertraut seid, wart ihr darum besorgt, eurem Volk bei seiner Suche nach würdigeren menschlichen Lebensbedingungen und größerer Beteiligung an den wichtigen Entschei- 1812 AD-LIMINA-BES UCHE düngen, die das Leben der Nation bestimmen, Leitung und Führung anzubieten. Die Gesamtkirche ist euch dankbar für das Beispiel des Mitempfindens und der Solidarität mit den Notleidenden, das ihr gegeben habt, und für eure ermutigende Teilnahme an der Entwicklung und dem Fortschritt eures Volkes. Zweifellos gestärkt werdet ihr in eurem pastoralen Dienst durch das gegenseitige Verständnis, die Achtung und die Unterstützung, die die Arbeit eurer Bischofskonferenz kennzeichnet, besonders wenn ihr zusammenkommt, um die verschiedenen Probleme zu erörtern, die die Aufmerksamkeit und Zusammenarbeit des ganzen Episkopats erfordern. Bei diesen Anlässen behandelt ihr die Frage, die eure Gemeinden betreffen, als Hirten der Kirche Gottes: als Bischöfe, deren Hauptaufgabe es ist, die ganze Wahrheit des Evangeliums, die ganze Wahrheit über den Menschen zu lehren (vgl. Redemptor hominis, Nr. 12). Die volle Wahrheit über das Leben und die Bestimmung des Menschen findet sich in der Offenbarung des Evangeliums, in der Person des menschgewordenen Gottessohnes und durch das Heilsereignis seines Todes und seiner Auferstehung, das durch das Geheimnis der Kirche in jedem Zeitalter und an jedem Ort gegenwärtig gemacht wird. 3. Die Gemeinschaft derer, die an den Herrn Jesus Christus glauben, wird durch ein tiefes Band des Lebens und der Liebe verbunden. Während man sich bemüht, dieser Verbundenheit zu dienen, kann man die Botschaft des Evangeliums nicht in den Dienst irgendeines anderen Zieles stellen als das der Fülle des Lebens und der Liebe, die vom Ostergeheimnis ausgeht. Die Liebe, von der wir sprechen, ist die ewige barmherzige Liebe Gottes, die „ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Diese Liebe ist unvereinbar mit der Anwendung von Spaltung, Widerstand, Haß oder Gewalt als christlichem Lebensprogramm oder als Fortschritt in der Gerechtigkeit. In dieser Hinsicht ist es aufschlußreich, einige Abschnitte des Apostolischen Schreibens Evangelii nuntiandi Papst Pauls VI. nochmals zu lesen. Er ruft uns dort in Erinnerung, daß jede Verminderung und Einschränkung der gesamten Heilsbotschaft, die von der Kirche verkündet wird, sie ihrer „Originalität“ beraubt und sie der Gefahr aussetzt, „von ideologischen Systemen und politischen Parteien in Beschlag genommen und manipuliert zu werden“ (Nr. 32, in: Wort und Weisung, 1975, S. 559-560). 1813 AD-LIMINA-BESUCHE Angesichts der sozialen, wirtschaftlichen und ideologischen Spannungen, die in einigen eurer Diözesen bestehen, müßt ihr weise und mutig sein, um Christus, dem obersten Hirten der Herde (vgl. 1 Petr 5,4), treu zu bleiben. Ihr müßt immer wieder verkündigen, daß nicht eine bloß irdische und unmittelbar bevorstehende Befreiung das Ziel des Evangelisierungsauftrags der Kirche sein kann. Heißt das, daß die Kirche denjenigen, die sich nach Befreiung von allen Formen der Unterdrückung oder Ungerechtigkeit sehnen, die ihre ihnen von Gott geschenkte Würde herabsetzt, keine Botschaft der Befreiung zu verkünden hat? Oder daß die Kirche auf den Philippinen keinen konkreten Beitrag zu Entwicklung, Frieden und Fortschritt zu leisten hat? Hier sind wieder die Worte aus Evangelii nuntiandi eine maßgebende Erklärung zur tatsächlichen Teilhabe der Kirche an der Sache einer echten Befreiung. Sie geben auch die Mittel an, die angewandt werden sollen, wenn das Endergebnis tatsächlich den Völkern zum Wohl und nicht zum Schaden gereichen soll. In der Tat gibt die Kirche „den Christen, die als ,Befreier tätig werden, eine vom Glauben geprägte Einstellung, eine Motivation zur Bruderliebe und eine Soziallehre, die ein echter Christ nicht außer acht lassen kann, sondern die er als Grundlage für seine Überlegungen und seine Erfahrung nehmen muß, um sie in die Tat umzusetzen im eigenen Handeln, im Zusammenwirken mit anderen und dadurch, daß man dafür eintritt. Das alles muß, ohne daß es weder mit taktischem Verhalten noch mit Unterordnung unter ein politisches System verwechselt werden darf, den Eifer des engagierten Christen kennzeichnen. Die Kirche bemüht sich, den christlichen Einsatz für die Befreiung stets in den umfassenden Heilsplan einzuordnen, den sie selbst verkündet“ (Nr. 38, a.a.O., S. 562). 4. Manchmal wird die Vorstellung einer Kirche „des Volkes“ der Vorstellung von einer „institutioneilen“ Kirche entgegengesetzt, als ob die letztere in ihrer Sendung gescheitert wäre und nun der menschlichen Entwicklung und selbst der evangelischen Botschaft feindlich im Wege stünde, während die „Volkskirche“ zur wahren Quelle der Hoffnung und des Glücks erklärt wird. Der Irrtum einer solchen Darlegung ist offensichtlich. Die Kirche ist nur dann das Sakrament des Heiles, wenn sie weiterhin all das ist, was ihr göttlicher Stifter beabsichtigte. In ganz besonderer Weise obliegt es den Bischöfen - als einzelnen und als Gemeinschaft -, das göttliche und menschliche Geheimnis der Kirche immer umfassender zu ergründen. Bei dieser Aufgabe müssen uns die hervorragenden Lehren des Zweiten 1814 AD-L1M1NA-BESUCHE Vatikanischen Konzils, insbesondere die dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, Anleitung sein. Als Bischöfe sind wir mit der Aufgabe der Verkündigung und Verteidigung der gesamten Lehre der Kirche in ihrer Authentizität betraut. Wir müssen auch darüber wachen, daß andere, die im Namen der Kirche verkündigen und lehren, jene Lehre nicht entstellen dürfen, was die Verwirrung und Beunruhigung der Gewissen der Gläubigen zur Folge hätte. Diese Angelegenheit wird für euch oft eine Quelle des Leidens und der Prüfung sein. Ihr werdet mitunter zu einem Zeichen des Widerspruchs werden. Eure Liebe, manchmal zu engsten Mitarbeitern, wird in diesen Fällen eine Liebe sein, die von Vergebung, Geduld, Nachsicht und Mut gekennzeichnet ist. Eure Liebe sollte nicht zu einem falschen Mitleid werden, das mit der Untergrabung der Wahrheit und der Zerstörung der wahren Harmonie, die zu bewahren es vorgibt, endet. Die Hirtenliebe, die ihr zu euren Gemeinden habt, verlangt mitunter von euch, daß ihr nicht verschweigt, was zu hören „unerträglich ist“ (vgl. Joh 6,60) und den Abstand zwischen der sündigen Menschennatur und den moralischen Forderungen des Lebens im Geiste Christi betrifft. Möge der Herr Jesus euch die stärkenden und tröstenden Gaben des Heiligen Geistes senden, wenn ihr in seinem Namen sprecht und eure Ortskirchen auf dem Weg des Lebens und der Liebe leitet! 5. In vielen eurer Diözesen leben die katholischen Gläubigen Seite an Seite mit Angehörigen des islamischen Glaubens. Da und dort sind im Bereich politischer Bestrebungen gewisse Spannungen entstanden. Doch auf der Grundlage des gemeinsamen Bandes des Glaubens an den Allerhöchsten Gott und aus Achtung vor einer der größten religiösen Überlieferungen der Welt unterhalten eure Ortskirchen gute Beziehungen zur Gemeinschaft der Muslime und bieten bereits eine fruchtbare Zusammenarbeit und Dienste bei erzieherischen und sozialen Tätigkeiten an. Es ist sehr wichtig, weitere Fortschritte auf den Weg gegenseitiger Verständigung und Harmonie zu machen. Ich möchte für die Kirche auf den Philippinen wiederholen, was ich bei meinem kürzlichen Besuch in Marokko vor einer Versammlung der islamischen Jugend gesagt habe: „Der Dialog zwischen Christen und Muslimen ist heute nötiger denn je . . . Ich glaube, daß wir, Christen und Muslime, mit Freude die religiösen Werte, die wir gemeinsam haben, anerkennen und Gott dafür danken sollten . . . Ich glaube, daß Gott uns heute auffordert, unsere alten Gewohnheiten abzulegen. Wir sollten uns 1815 AD-LIMINA-BESUCHE gegenseitig respektieren und zu guten Werken auf dem Weg Gottes anspornen“ (Ansprache in Casablanca am 20. 8. 1985, O.R., dtsch., 4. 10. 85, S. 12-13). 6. Ihr seid euch dessen bewußt, daß der Erfolg eures Amtes weitgehend vom Glauben und dem christlichen Leben eurer Mitarbeiter abhängt, insbesondere eurer Priester, der Ordensmänner und -frauen sowie der Katecheten, die bei der Aufgabe der Evangelisierung eifrig an eurer Seite arbeiten. Im Hinblick darauf dürfen wir die Generationen von Missionaren, Männern und Frauen, nicht vergessen, die der Kirche auf den Philippinen in selbstloser Hingabe gedient haben. Ich möchte dem Missionspersonal, das in euren Ortskirchen tätig ist, versichern, daß ihre pastorale Mitarbeit dringend notwendig und hochgeschätzt ist. Priester und Ordensleute sollten insbesondere ermutigt werden, „ein Leben zu führen, das des Herrn würdig ist und in allem sein Gefallen findet“ (Kol 1,10). Sie werden beten, und man sollte sie auch beten sehen; auf diese Weise geben sie in ihrem pastoralen Wirken der Macht der Gnade Christi und des Heiligen Geistes den Vorrang. In dieser Hinsicht werden sie großen Nutzen aus der bereitwilligen und aufmerksamen Lesung des Breviers ziehen, das das Gebet Jesu selber ist, der die gesamte Menschengemeinschaft in diesem göttlichen Lobgesang um sich schart (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 83). Auch die Bedeutung des Bußsakraments kann in ihrem persönlichen Suchen nach Heiligkeit des Lebens nicht übertrieben werden. In all dem müßt ihr ihnen durch euer Beispiel und eure Führerschaft beistehen. Der Fortschritt, den die Kirche auf den Philippinen dadurch macht, daß sie für die große Anzahl geistlicher Berufe, mit denen ihr gesegnet seid, neue Seminare und für alle, die für die Aufforderung Christi, in seinem Weinberg zu arbeiten, empfänglich sind, neue Ausbildungszentren bereitstellt, erhöht die Notwendigkeit sicherzustellen, daß bei dieser Ausbildung der echten Spiritualität und Treue zu den Lehren der Kirche der Vorrang gegeben wird. Für diese Aufgabe habt ihr in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils und in den entsprechenden Dokumenten des Hl. Stuhls eine Fülle von Leitlinien. Und ihr müßt euren Seminaristen ein Bild vom Priestertum bieten, das ihrer künftigen Rolle in der Kirche auch tatsächlich entspricht, einer Rolle, die aus ihrer Gleichförmigkeit mit Christus folgt. Es gilt, ihnen zu zeigen, daß das Leben, das sie gewählt haben, nicht ein bloßer Beruf oder eine Beschäftigungsform ist. Sie sollten dazu ermutigt und ausgebildet werden, ihre Berufung mit Freude und in der befreienden Hochherzigkeit 1816 AD-LIMINA-BESUCHE der völligen Hingabe an Gott zu leben. Und ein Gerechtigkeitsgefühl ihnen gegenüber sagt uns, daß die Alumnen von ihren ersten Tagen im Priesterseminar an über den Wert der Ehelosigkeit im Dienste Christi und seines himmlischen Reiches unterwiesen werden sollten (vgl. Optatam totius, Nr. 10). Auch euch möchte ich sagen, daß ich voll davon überzeugt bin, ein Bischof wird nur dann als Hirte und Vater der ihm anvertrauten Herde erfolgreich sein, wenn er die größte Aufmerksamkeit und Kraft auf die Ausbildung der Personen, auf freundliche und offene Kontakte mit seinen Priestern, den Ordensleuten und Laien legt, die ihren besonderen und unersetzlichen Beitrag zum Wohl der Ortskirchen leisten. 7. Meine Brüder im Bischofsamt, es gibt noch vieles andere, was unsere Aufmerksamkeit verdient. Auf einiges davon werde ich auf dieselbe brüderliche Weise, in der ich euch meine Gedanken zum Ausdruck zu bringen versuchte, eingehen, wenn ich zu meiner Freude mit den anderen Mitgliedern eurer Bischofskonferenz zusammentreffe. Ich weiß, daß ihr keinen geringen Herausforderungen gegenübersteht. In diesem Zusammenhang möchte ich an den tragischen Tod von Pater Tullio Favali vom Päpstlichen Institut für Auslandsmissionen (P.I.M.E.) und von Pater Alberto Romero erinnern. Und ich kann mit euch nur meine tiefe persönliche Sorge und Beunruhigung wegen des Geschicks des Redemptoristenpaters Rudy Romero teilen, der am 11. Juli dieses Jahres in Cebu entführt worden ist. Ihr aber setzt euer Vertrauen auf Christus. Ihr dürft auch voll auf die Fürbitte Mariens, der Mutter der Kirche, vertrauen, die vom philippinischen Volk so sehr geliebt und verehrt wird. In diesem Jahr feiert ihr ein besonderes Marianisches Jahr, eine Zeit der Gnade und Frömmigkeit, die die wahre Seele eures Volkes offenbar macht und zeigt, wie tief der Glaube der Kirche das Temperament der Nation durchdrungen hat. In meinen Gebeten empfehle ich die ganze Kirche auf den Philippinen der liebenden Sorge Mariens und bitte sie, für euch und euer Volk die Gaben des Friedens und der Versöhnung zu erwirken. Schließlich nütze ich diese Gelegenheit, um Erzbischof Mabutas, dem Vorsitzenden eurer Konferenz, ein Wort der Anerkennung auszusprechen, da er sich dem Ende seiner Amtszeit nähert. Ich schließe mich euch allen in der Anerkennung des Eifers und der Tatkraft an, mit denen er die vielen Lasten seines Amtes getragen hat. Der Gott des Friedens belohne ihn reichlich dafür! Ab kommendem Januar wird Kardinal Vidal euer neuer Vorsitzender 1817 AD-LIMINA-BESUCHE sein, und ich nehme diese Gelegenheit wahr, ihm allen Erfolg in diesem Amt zu wünschen. Ich weiß, daß ihr ihm eure volle Zusammenarbeit und Hilfe gewähren werdet. Gnade sei mit euch und Friede in Fülle (vgl. 1 Petr 1,2). Für den Heilsdienst der Kirche mitverantwortlich Ansprache des Papstes beim Ad-limina-Besuch einer Gruppe philippinischer Bischöfe am 17. Oktober Mein lieber Kardinal Sin und liebe Brüder im Bischofsamt! Ich begrüße euch, Bischöfe der Region Luzon, mit herzlichen Gefühlen brüderlicher Wertschätzung, der ich mit den Worten des hl. Paulus Ausdruck verleihe: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Röm 1,7). Während dieser Tage eurer Ad-limina-Besuche habt ihr vor dem Grab des hl. Petrus, des „Felsen“, auf den unser Herr Jesus seine Kirche als das Sakrament des Heiles für alle Nationen bis zu seiner Wiederkunft gebaut hat, die Wirklichkeit eurer Ortskirchen dargelegt und vertreten. Auf diese Weise wird die organische und feste Einheit der Ortskirchen mit der Universalkirche auf besonders ausdrucksvolle und lebendige Art offenkundig gemacht. Ich bete darum, daß ihr gestärkt durch die Entfaltung der universalen Gemeinschaft, die die Kirche ist, in eure Diözesen zurückkehren und jene universale Sicht mit euren Priestern, den Ordensmännern und Ordensfrauen und den Gläubigen, euren Brüdern und Schwestern in der Jüngerschaft, teilen werdet. Denn obwohl jeder von euch besondere Verantwortung für die seiner täglichen Sorge anvertraute Gruppe des Gottesvolkes hat, bildet ihr alle, zusammen mit euren bischöflichen Brüdern überall auf der Welt, eine einzige brüderliche Gemeinschaft, in der in Verbundenheit der Liebe und Hirtensorge für die Gesamtkirche Gottes die Lasten des einen die Lasten aller sind. Die gesamte Kirche wird in Kürze aus Anlaß des zwanzigsten Jahrestages des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils die außerordentliche Synode abhalten. Ich habe diese Synode in der Absicht einberufen, die echte Bedeutung der geistlichen und pastoralen Leistungen jenes kostba- 1818 AD-LIMINA-BESUCHE ren Augenblicks kirchlichen Lebens wieder wachzurufen. Zu den auf dem Petersplatz versammelten Pilgern sagte ich unlängst: „Zweck dieser Initiative ist, alle Glieder des Gottesvolkes zu einem immer vertiefteren Kennenlernen der Lehren des Konzils und einer immer getreueren Anwendung der Kriterien und Weisungen anzuspornen, die von dieser bedeutenden Versammlung ausgegangen sind“ (Angelus am 29. September 1985, in: O.R., dtsch., 4. 10. 85, S. 1). Es gibt kaum einen Aspekt des Lebens der Kirche, den das Konzil nicht berührt hat und für den es nicht lehrmäßige und pastorale Motivierungen geboten hat, die imstande sind, einen neuen Anstieg von Heiligkeit und Lebenskraft im Leben des ganzen Leibes der Kirche zu erzeugen. Es ist äußerst wichtig, daß wir alle die Überzeugung teilen, das Konzil stelle einen besonderen Augenblick des Wirkens der Gnade Gottes in der Kirche dar und jener Augenblick sei für die Wirklichkeit und Form der Anwesenheit der Kirche in der Welt heute und in Zukunft entscheidend gewesen. Es stimmt, daß nicht alle potentiell vorhandenen Lebenskräfte, die das Konzil förderte, zum eindeutigen Nutzen der Kirche und der Welt in Erfüllung gegangen sind: Aber eben weil das Konzil „ein Meilenstein . . . in der 2000jährigen Geschichte der Kirche und infolgedessen in der religiösen Geschichte der Welt und der Menschheitsentwicklung“ war (ebd.), dürfen wir, „Stellvertreter und Gesandte Christi“ {Lumen gentium, Nr. 27), nicht aufhören, über seinen Inhalt nachzudenken und versäumen, vor Christus, vor der Kirche und der Welt unsere ernste Verantwortung für seine volle und getreue Durchführung wahrzunehmen. Zusammen mit euch danke ich unserem himmlischen Vater für den Gewinn, den die Kirche auf den Philippinen aus den Lehren des Konzils und aus den pastoralen Einsichten und Impulsen gezogen hat, die als Folge der Heilige Geist - der „die kirchlichen Einrichtungen gleichsam als Seele belebt“ {Ad gentes, Nr. 4) - in eurem Volk hervorgebracht hat. 2. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, daß eine der großen Linien kirchlicher Erneuerung, die vom Konzil ausging, die bessere Definition der Rolle der Laien im Leben und in der Sendung der Kirche war. In Verbundenheit mit ihren Bischöfen sind die Laien in ihrem eigenen Recht wahrhaft verantwortlich für den Heilsdienst der Kirche: „jeder mit der Gabe, die er empfangen hat“ {1 Petr 4,10). Die Bischöfe der Philippinen erkennen dankbar an, daß in diesem Bereich große Fortschritte gemacht worden sind. Die Gläubigen sind sich, allgemein gesprochen, ihrer besonderen Rolle in der Glaubensgemeinschaft 1819 AD-LIMINA-BESUCHE bewußter geworden und übernehmen mit Freude und hochherziger Hingabe die verschiedenen ihnen angemessenen Dienste und Ämter. Ihr und eure Priester erkennt auch, daß das nicht eine bloß organisatorische und funktionelle Notwendigkeit ist. Vielmehr haben die Laien als Ergebnis ihrer Gleichgestaltung mit Christus in der Taufe - nach den Worten des Kodex des kanonischen Rechts - „die Pflicht und das Recht, dazu beizutragen, daß die göttliche Heilsbotschaft immer mehr zu allen Menschen aller Zeiten auf der ganzen Welt gelangt“ (CIC, can. 211). Im christlichen Leben vieler eurer Gläubigen gibt es eine Frische und Kraft als Ergebnis einer weiter verbreiteten „Entdeckung“ des Wortes Gottes in der Bibel. Wahrscheinlich finden viel mehr einzelne und Gruppen als früher in der Heiligen Schrift die Nahrung für ihr Gebet und Hilfe für ihre tägliche Bemühung, in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor Gott und vor ihren Nächsten zu leben. Auch das Auftreten „christlicher Basisgemeinden“ in euren Ortskirchen hat in vielen Fällen und trotz gewisser Unzulänglichkeiten ein stärkeres Empfinden für geistliche Gemeinschaft und menschliche Solidarität gestärkt. Als Bischöfe freut ihr euch über diese Elemente der Erneuerung und hofft, daß diese und andere positive Aspekte des Lebens der Kirche auf den Philippinen zur Konsolidierung einer wirklich christlichen Kultur beitragen werden, die imstande ist, das Leben der Nation mit evangelischen Grundsätzen der Führung und öffentlichen Ordnung zu erfüllen. Zugleich seid ihr aufgerufen, alle Bemühungen zu unternehmen, um der Gefahr der Zersplitterung entgegenzutreten, die eine zu persönliche Auslegung des geoffenbarten Wortes oder eine übermäßige Beschäftigung mit spezifisch örtlichen Problemen, die im Licht von Ideologien gesehen werden, die nicht vom Evangelium beseelt sind, in euren Ortskirchen herbeiführen könnte. Als Nachfolger der Apostel im Bischofskollegium haben wir eine grundlegende Verpflichtung, die Einheit der einen Kirche Christi zu verteidigen und zu stärken. Jene Einheit kann auf keiner anderen Ebene erreicht werden als durch die Bande des Glaubensbekenntnisses, der Sakramente und der kirchlichen Leitung und Gemeinschaft (vgl. Lumen gentium, Nr. 14). Christi Gebet, „sie sollen eins sein“ (Joh 17,22), ist in der Tat auf die Gesamtkirche anwendbar. Es ist auch der Wille Christi für die besondere Verwirklichung jener Kirche, die die Diözese ist, und, in der zugehörigen Weise, in der Pfarrei und anderen Gruppierungen im örtlichen und regionalen Bereich, die den Reichtum der Präsenz der Kirche an jedem Ort bilden. 1820 AD-LIMINA-BESUCHE 3. In einigen der Erklärungen und Hirtenbriefe, die ihr als Bischöfe der Philippinen über Aspekte der gegenwärtigen Lage eures Landes veröffentlicht habt, versäumtet ihr nicht, die Aufmerksamkeit auf die ernste Krise der sittlichen Werte zu lenken, die manche Kreise der Bevölkerung beeinträchtigt. Zweifellos überseht ihr nicht die Realität und hohe Qualität, die euer Volk kennzeichnet und die sich ganz klar in seiner Liebe zur Gerechtigkeit, seiner Achtung vor der Würde und den Rechten anderer, seiner Anhänglichkeit an die Wahrheit und seinem Sinn für Brüderlichkeit und Solidarität, insbesondere gegenüber den Armen und Bedürftigen, kundtut. Doch als Bischöfe werdet ihr von einem gewissen Niedergang in der öffentlichen und privaten Sittlichkeit beunruhigt. Das ist zweifellos ein Thema, über das ihr nachdenkt und betet. In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen Bereich der Sache Bezug nehmen. Die Familie als fundamentale Zelle der Gesellschaft und der Kirche ist von den wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Verhältnissen der Gesellschaft besonders betroffen. Eine bedeutende Herausforderung gegenüber der Kirche - und in der Tat gegenüber der Menschheit als ganzer - ist die Verteidigung der Familie gegen jene Kräfte, die ihre Stabilität und Wirksamkeit im Dienst des Lebens und der Liebe immer mehr untergraben. Ihr seid in eurem Land mit der Klärung der lehrmäßigen und pastoralen Richtlinien des Dienstes der Kirche an Ehe und Familienleben beschäftigt. Was das Apostolische Schreiben Familiaris consortio allgemein feststellt, hat unter den auf den Philippinen herrschenden Verhältnissen besondere Bedeutung: „In einem geschichtlichen Augenblick, in dem die Familie Ziel von zahlreichen Kräften ist, die sie zu zerstören oder jedenfalls zu entstellen trachten . . . fühlt die Kirche um so stärker und drängender ihre Sendung, allen den Plan Gottes für Ehe und Familie zu verkünden, um deren volle Lebenskraft und menschlich-christliche Entfaltung zu sichern“ (Nr. 3). Die Gesellschaft als ganze - und somit des Christen, als einzelne und in Gemeinschaft, als verantwortliche Bürger ihres Landes, und um so mehr, wenn sie ein öffentliches Amt innehaben — haben die ernste Pflicht, auf die Lösung der vielen Übel hinzuarbeiten, die die Familie heute bedrängen —, was Lebensverhältnisse, Gesundheitsfürsorge, Erziehungsprogramme, Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen und Hilfe für die Armen und Ärmsten betrifft. Dabei hat die Kirche als Glaubensgemeinschaft ihre eigene und besondere Rolle. Ihre Aufgabe ist es, Ehe und 1821 AD-LIMINA-BESUCHE Familienleben zu „evangelisieren“, Gottes Plan zu verkünden und den Gläubigen zu helfen, am Geheimnis der Liebe Gottes durch die Liebe teilzuhaben, die das Herz des Ehe- und Familienlebens bildet. In bezug auf die Ehe betont der Kodex des kanonischen Rechts für junge Paare die Notwendigkeit einer eigenen Vorbereitung auf den Empfang dieses Sakramentes und die Forderung nach einer fruchtbringenden liturgischen Feier der Eheschließung selbst (vgl. CIC, can. 1063-1064). Eine reiche Literatur und viele Ausbildungsprogramme für Priester und Katecheten zeigen, daß dem unter euch tatsächlich eine pastorale Priorität zukommt. Kräfte, die in der Vergangenheit gegen die Stabilität des Familienlebens gearbeitet haben, setzen sich heute aus Faktoren wie hoher Arbeitslosenrate besonders unter der Jugend und der Tatsache zusammen, daß Tausende Filipinos gezwungen sind, im Ausland Arbeit zu suchen. Eure Landsleute erfahren auch den Einfluß einer Kultur, die von übertriebenem Individualismus und einer Konsumhaltung gekennzeichnet ist, die zum praktischen Materialismus führt, der sich religiösen und sittlichen Werten gegenüber unduldsam verhält. In der Tat, ein Faktum, das während dieser Ad-limina-Besuche häufig erwähnt wurde, war die weitverbreitete und zunehmende religiöse Unwissenheit, die dann wieder zu Gleichgültigkeit und zu einer Schwächung der moralischen Reaktion führt. Durch die Verteidigung der Werte von Ehe und Familienleben stellt ihr die kulturelle Identität des philippinischen Volkes sicher, die in besonderer Weise gekennzeichnet ist durch seine besondere Liebe zu Kindern und Platz und Rolle der Frau im privaten und öffentlichen Leben. Der herkömmlichen Würde der Frauen tun heute leider oft Formen der Ausbeutung Abbruch, die ihre Opfer demütigen und durch ihre durchgängige Erreichbarkeit das wahre Gefüge des sozialen Lebens bedrohen. Als Mater et Magistra, Mutter und Lehrerin der Gläubigen, steht die Kirche auf den Philippinen diesen Problemen mit einem Gefühl der Dringlichkeit und mit der Überzeugung gegenüber, daß euer Volk nach dem Wort Gottes und nach der vereinten Stimme seiner Bischöfe hungert. Eure Leute wiederholen, vielleicht ohne es sich zu vergegenwärtigen, in ihren Herzen die Worte des Petrus an Christus: „Zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Aus diesem Grund habe ich großes Interesse an eurer „Bibel für jede Familie“. In euren Pfarreien und Erziehungsinstitutionen, in Programmen zur Erwachsenenbildung, in Bewegungen des geistlichen und apostolischen Lebens, in den „christlichen Basisgemeinden“, die eine klare kirchliche 1822 AD-LIMINA-BESUCHE Identität aufweisen, habt ihr den Rahmen für eine dynamische und wirksame Darbietung der Botschaft Christi. Unter den Priestern, Ordensleuten und Laien findet ihr hervorragende Mitarbeiter bei der Aufgabe der Evangelisierung und Katechese, in der die christliche Auffassung der Ehe ein wesentliches Element bildet. Ich kann euch nur ermutigen in euren Bemühungen, die Gewissen der Gläubigen und der Führer der Nation aufzuklären über die Gefahren, die gewissen Strömungen innewohnen. In dieser Hinsicht habt ihr in eurem Hirtenbrief 1984 zu diesem Thema eindringlich von der Achtung vor dem Leben gesprochen. Zwei abschließende Überlegungen liegen mir am Herzen. Zunächst der Wunsch, meiner Wertschätzung für den Geist der Offenheit und die großzügige Gastfreundschaft Ausdruck zu geben, mit der ihr in großer Zahl Flüchtlinge aus Südostasien aufgenommen habt. Als die wichtigste katholische Nation in Asien habt ihr es nicht versäumt, ein klares Beispiel menschlicher und evangelischer Liebe gegenüber diesen Brüdern und Schwestern zu geben, die an ihren Leibern das Zeugnis großen Leidens und Schmerzes tragen, die die Opfer einer unsagbaren menschlichen Tragödie sind. Darin habt ihr wiederum euer Gefühl der Brüderlichkeit mit den großen Völkern des asiatischen Kontinents bewiesen. Und nicht vergessen kann ich den großartigen Beitrag, der von „Radio Veritas - Uberseedienst“ für die Evangelisierung Asiens geleistet wird. Durch die Ausstrahlung des christlichen Evangeliums in verschiedenen Sprachen erreicht Radio Veritas Völker und Kulturen, die nach dieser Botschaft dürsten, und wird zu einem Antrieb für echte menschliche Werte und einem Werkzeug der Erlösung in Christus unserem Herrn. Ich verstehe, daß es nicht an Schwierigkeiten aller Art fehlt, und ich bin allen dankbar, die entsprechend der Verantwortung jedes einzelnen den richtigen und wirksamen Gebrauch dieser Evangelisierungsmittel unterstützen. Sie können meiner persönlichen Wertschätzung und der Dankbarkeit aller derer gewiß sein, denen es in der Vertraulichkeit ihrer Wohnungen ermöglicht wird, das Licht des Evangeliums zu empfangen. Das gilt insbesondere überall dort, wo Radio Veritas die einzige Stimme der Kirche ist, die sie hören können. Meine bischöflichen Brüder, ich versichere euch, daß sich alle eure pastoralen Sorgen in meinem Gebet und in den Intentionen des apostolischen Dienstamtes widerspiegeln, das der Herr um seiner eigenen Ziele wegen mir anvertraut hat. Es ist mein großer Wunsch, euch zur Seite zu stehen und euch als lebende Zeugen Jesu Christi zu bestätigen. Das Konzil erinnert uns: „In den Bischöfen ... ist inmitten der Gläubigen der 1823 AD-LIMINA-BESUCHE Herr Jesus Christus, der Hohepriester, anwesend“ (Lumen gentium, Nr. 21). Möge er, der eure Stärke ist, euch in dieser erhabenen, aber schwierigen Sendung unterstützen. Und möge Maria, die Mutter der Kirche, euch beistehen, wenn ihr das Erlösungswerk ihres Sohnes fortführt! Eine Glaubens- und Liebesgemeinschaft Ansprache des Papstes beim Ad-limina-Besuch einer Gruppe philippinischer Bischöfe am 25. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! Heute habe ich die Freude, mit euch, den Bischöfen der Regionen Nord-Luzon und Bikol der Philippinen, zusammenzustreffen. Ich grüße euch mit brüderlicher Wertschätzung und Zuneigung in der Liebe unseres Herrn Jesus Christus. <250> <250> Das Thema, das meinen Gesprächen mit den philippinischen Bischöfen bei ihrem Ad-limina-Besuchs zugrundelag, war - wie zu erwarten — die pastorale Sendung des Bischofs für die seiner Sorge anvertraute Kirche. Vielleicht eine der treffendsten Synthesen dieser Sendung wird mit den folgenden Worten des Konzils formuliert: „Bei der Erfüllung ihrer Vater- und Hirtenaufgabe seien die Bischöfe in der Mitte der Ihrigen wie Diener, gute Hirten, die ihre Schafe kennen, . . . wahre Väter. Die ganze Familie ihrer Herde sollen sie so zusammenführen und heranbilden, daß alle, ihrer Pflichten eingedenk, in der Gemeinschaft der Liebe leben und handeln“ (Christus Dominus, Nr. 16). Auf diese Weise legte das Konzil uns Bischöfen ein Programm des Lebens und der pastoralen Tätigkeit vor, das ganz auf die Person und das Werk unseres Herrn Jesus Christus, des „erhabenen Hirten seiner Schafe“ (Hebr 13,20), konzentriert ist. Jesus selbst ist unser Vorbild und das Maß unserer Verpflichtung und pastoralen Sorge. Aufgrund unserer sakramentalen Stellung zu ihm ist er auf eine vertrauliche und ganz persönliche Weise unser Beispiel. In den vielfältigen Tätigkeiten unseres Dienstes der Belehrung, Heiligung und Führung des Gottesvolkes ist Christus selber gegenwärtig und am Werk. „Wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut“ (Ps 127, 1). In der Tat, durch das 1824 AD-LIMINA-BESUCHE Amt des Bischofs — so stellt das Konzil fest — „lenkt und ordnet der Herr selbst das Volk des Neuen Bundes auf seiner Pilgerschaft zu ewigen Seligkeit“ (Lumen gentium, Nr. 21). Eine solche Überlegung erinnert uns daran, daß der Erfolg des Apostolats nicht in Begriffen bürokratischer Organisation oder statistischer Daten gemessen werden kann. Das letzte Kriterium des Wertes unseres geistlichen Amtes ist vielmehr die Verwirklichulng dessen, worum wir im Vaterunser bitten: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde“ (Mt 6,10). Das Ziel des Bischofs ist es, das Kommen des Gottesreiches zu beschleunigen, indem er sein Volk dahin führt, „in der Gemeinschaft der Liebe zu leben und zu handeln“ (Christus Dominus, Nr. 16). In der Teilhabe an den Gaben Christi für die Kirche und die Welt durch das Glaubensbekenntnis, die sakramentale Ordnung und die Teilnahme am geordneten Leben der Gemeinde unter der Führung der rechtmäßigen Bischöfe entsteht jene tiefe Einheit, die notwendigerweise „die ganze Versammlung der Liebe“ (vgl. hl. Ignatius von Antiochia, Ad Romanos, Praef.) kennzeichnet. In jeder Ortskirche wird die Verwirklichung jener Gemeinschaft christlicher Liebe und Einheit hauptsächlich durch den Heiligen Geist zustande gebracht, „der für uns einzeln und insgesamt der Urgrund der Vereinigung und Einheit in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet ist“ (Lumen gentium, Nr. 13). Deshalb möchte ich euch und eure bischöflichen Brüder auf den Philippinen auffordern, nicht abzulassen vom inständigen Gebet für die Kirche in eurem Land, das mit jedem Tag wirklicher zu einer Gemeinschaft der Liebe und Einheit werde, in der Kraft des Heiligen Geistes und im konkreten Zeugnis der Brüderlichkeit und Solidarität auf jeder Ebene. 2. Eine praktische Folge des Wesens der Kirche als einer Glaubens- und Liebesgemeinschaft ist die Notwendigkeit, die verschiedenen geistlichen Ämter und Charismen, die der Heilige Geist unter dem Gottesvolk verteilt, zu entdecken, zu pflegen und mit pastoraler Wirksamkeit zu koordinieren. Eine grundlegende Hilfe bei dieser Aufgabe zweckdienlicher Koordinierung und Einheit ist der entwickelte Sinn für kollegiale Verantwortung und Teamarbeit, die ihr Bischöfe durch die Begegnungen und Tätigkeiten eurer Bischofskonferenz ausübt. In der Tat, wenn ihr mit einer einzigen Stimme im Gehorsam gegenüber dem Evangelium sprecht und wenn ihr in seinem Licht die „Zeichen der Zeit“ lest und man sieht, daß ihr euch gegenseitig durch wirksame Formen kirchlicher Zusammenarbeit unterstützt, dann wird die Gesellschaft die Botschaft des Friedens 1825 AD-LIMINA-BESUCHE und der Versöhnung empfangen, die die Kirche auf den Philippinen ungeachtet der Schwierigkeiten und entgegenstehender Impulse weiter verkündet. 3. Ein Aspekt unter anderen verdient Beachtung. Ich beziehe mich auf die Aufgabe, zum Wohl der gesamten Kirche auf den Philippinen die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Bischöfen und Ordensleuten sowohl auf diözesaner wie auf nationaler Ebene zu fördern und zu koordinieren. Der Beitrag der Ordensmänner und Ordensfrauen zum Leben der Kirche in eurem Land stellt eine ruhmreiche Geschichte vorurteilsfreien Dienstes und hingebungsvoller Evangelisierung dar. Heute spielen Ordensmänner und Ordensfrauen eine sehr wichtige Rolle im Gesamtleben der Kirche auf den Philippinen. Eines besonderen Verdienstes würdig sind jene, die sich in der gebetserfüllten Einsamkeit und Stille des kontemplativen Lebens Gott allein hingeben. Sie „sind eine Zier der Kirche und verströmen himmlische Gnaden“ (Perfectae caritatis, Nr. 7). Andererseits entspricht das Wirken von Ordensinstituten, die im aktiven Apostolat engagiert sind, einer besonderen Sendung, die eben ihre Sendung in der Kirche ist. Nach den Worten des Konzilsdekrets über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens „ist ihnen die apostolische und die karitative Tätigkeit als ihr heiliger Dienst und ihr Liebeswerk von der Kirche anvertraut und in deren Namen auszuüben“ (Perfectae caritatis, Nr. 8). Folglich erkennen Ordensleute und ähnlich Mitglieder von Gemeinschaften apostolischen Lebens ihrerseits, daß sich ihre pastoralen Tätigkeiten nicht von der Sendung der Kirche, zu evangelisieren und zu heiligen, trennen lassen. Das besondere Charisma jeder Gemeinschaft und der ihr eigene Charakter bereichert das Leben der Ortskirchen dort, wo sie mit einer Dynamik und einer organisatorischen Fähigkeit arbeiten, die der Kirche erlaubt, auf die Herausforderungen und Bedürfnisse jeden Ortes zu antworten. Sich voll der kirchlichen Sicht bewußt, die das Konzil vorschlägt, sollten die Ordensleute ihre Arbeit stets an das Leben und die Sendung der Ortskirche gebunden sehen, in der der Bischof „das sichtbare Prinzip und Fundament der Einheit ist“ (Lumen gentium, Nr. 23). Die Beziehung zwischen den Bischöfen und den Mitgliedern von Ordensinstituten und Gemeinschaften apostolischen Lebens sollte also von herzlichem Verständnis, organischer Einheit und der Bereitschaft gekennzeichnet sein, in geplanter Weise zum Wohl der ganzen Gemeinschaft zusammenzuarbeiten. Derselbe Heilige Geist, der die Kirche auf dem Fundament der 1826 AD-LIMINA-BESUCHE Apostel aufrechthält, bringt im Leib der Kirche das Charisma der Evangelischen Räte hervor und läßt den missionarischen Eifer ein gültiges Zeichen der Heiligkeit, zu der das Volk Gottes berufen ist, und ein prophetisches Zeugnis der Werte des Himmelreiches sein. Infolgedessen kann es keine Trennung oder einen widerspruchsvollen Parallelismus zwischen Ordensleuten und Bischöfen geben. Vielmehr sollte es zu einer gegenseitigen Ergänzung kommen, die nicht eine bloße Anpassung, sondern eine lebendige Veranschaulichung dessen ist, was der hl. Paulus über die Glieder des Leibes, angewandt auf die Kirche, lehrt: „Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich bin nicht auf dich angewiesen. Der Kopf kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht“ (1 Kor 12. 21). Alle müssen Zusammenarbeiten im Gehorsam gegenüber dem einen Herrn. 4. Als Bischöfe werdet ihr wesentliche Leitlinien für die Erfüllung eurer Verantwortlichkeiten gegenüber den in euren Diözesen lebenden Ordensmännern und Ordensfrauen im Dokument Mutuae relationesfinden. Dort werdet ihr lesen, daß die besondere Aufgabe des Bischofs darin besteht, „das geweihte Leben zu verteidigen, die Treue und Glaubwürdigkeit der Ordensleute zu fördern und zu beleben und ihnen zu helfen, je nach der ihnen eigenen Natur an der Gemeinschaft und an der Evangelisierungsarbeit seiner Kirche teilzunehmen“ (Kap. VIII). All das erfordert regelmäßigen Kontakt zwischen Bischöfen und Ordensoberen, um den Geist der Offenheit und Verständigung hinsichtlich pastoraler Zielsetzungen zu wahren. Ordensmänner und Ordensfrauen sollten in entsprechender Weise in den verschiedenen Diözesanräten, besonders den Pastoralräten, vertreten sein. Sie können auch nützlicherweise Vereinigungen oder Verbände von Ordensleuten bilden, die als „Organismen für die Erörterung verschiedenster Probleme zwischen Bischöfen und Oberen sowie die Koordinierung der Tätigkeiten von Ordensfamilien mit dem pastoralen Wirken der Diözese unter der Leitung des Bischofs“ dienen werden (ebd.). Ich weiß, daß ihr bereits diesem Weg folgt, und ich ermuntere euch, mit Zuversicht und Vertrauen voranzugehen. Auch auf nationaler Ebene kann die Kirche auf den Philippinen aus der Konsolidierung des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen Bischöfen und Höheren Ordensoberen nur Nutzen ziehen. In dieser Hinsicht ist es immer wichtig, daß die Mannigfaltigkeit der Institute sowohl von den Bischöfen wie von den offiziellen Vertretern solcher Verbände selbst respektiert wird. Von Bedeutung ist auch, daß regionale und nationale Vereinigungen von Ordensleuten angemessenes Gewicht auf die unveräußerliche Verantwortung des Bischofs legen, die Entwicklung pastoraler 1827 AD-LIMINA -BESUCHE Aktivitäten in seiner Diözese dahingehend zu überwachen, ob sie dem evangelischen Dienstgeist entspricht, den Ordensmänner und Ordensfrauen zu verkörpern und zu veranschaulichen trachten. 5. Ein besonderer Bereich der Zusammenarbeit zwischen Bischöfen und Ordensleuten, der unter den gegenwärtigen Umständen viel geistliche Einsicht verlangt, betrifft die Rolle der Priester und Ordensleute im Prozeß der sozialen Entwicklung. In dieser Hinsicht erwähne ich nur kurz zwei Aspekte des Dienstes der Kirche an eurem Volk, eines Dienstes, der eine bevorzugte, wenn auch nicht ausschließliche oder einschränkende Option für die Geringsten der Brüder und Schwestern Christi einschließt, der Armen, der Schutzlosen, der Schwachen und aller jener, die von den Wohltaten des Fortschritts, insbesondere von Erziehung, Beschäftigung und voller Erlangung ihrer menschlichen und bürgerlichen Rechte, ausgeschlossen sind. Erstens, dieser Dienst ist eine Antwort auf das Wort Gottes. Die Kirche bemüht sich, in den Armen und Leidenden Christus zu dienen (vgl. Lumen gentium, Nr. 8). Sie nähert sich jedem Kind, jedem Mann und jeder Frau mit einem lebendigen Gefühl für die einmalige persönliche Würde jedes einzelnen. Dem Beispiel ihres Gründers folgend, lehnt sie es ab, irgendeine Gruppe von Menschen - und am wenigsten die Armen -als eine bloß sozialpolitische oder wirtschaftliche Kategorie und einen Faktor in einer Theorie gesellschaftlicher Entwicklung zu sehen. Die Kirche dient den Menschen als Personen, unter voller Achtung ihrer Würde und mit Unterstützung des Strebens jedes einzelnen nach seiner vollmenschlichen und ewigen Bestimmung. Das ist die Sendung der Kirche, die nicht zugunsten von anderen wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Zielsetzungen untergeordnet oder hintangestellt werden darf. Ein zweiter Aspekt, auf den ich kurz hinweise, betrifft die Rolle der Führerschaft von Priestern und Ordensleuten bei der Entwicklung. Es liegt auf der Hand, daß diese Rolle nicht im Eintreten für bestimmte politische Programme oder Ideologien besteht. Priester und Ordensleute verkünden natürlich die evangelische Botschaft von der Befreiung und begleiten ihr Volk auf der Suche nach Würde und Gerechtigkeit; aber sie müssen darauf achten, die Botschaft nicht dadurch zu untergraben, daß sie ihr eine einschränkende, verkürzende Interpretation auferlegen oder sie in den Dienst einer besonderen Form politischer Verwirklichung stellen, oder dadurch, daß sie sich an Aktivitäten beteiligen, die allem Anschein nach mit ihrem kirchlichen Status nicht übereinstimmen. 1828 AD-LIMINA -BESUCHE Ich nehme diese Gelegenheit wahr, um den philippinischen Priestern und Ordensleuten sowie dem gesamten Missionspersonal meine geistige Nähe zum Ausdruck zu bringen; sie alle teilen die Lasten ihres Volkes in Armut und Einfachheit, während sie auf gewaltlose Weise nach Gerechtigkeit und Wahrheit suchen und Zeugnis geben von Christus, der „das Werk der Erlösung in Armut und Verfolgung vollbrachte“ (Lumen gentium, Nr. 8). 6. Ich möchte euch, liebe Brüder im Bischofsamt, auch noch in einer anderen Sache Mut machen, nämlich bei den Programmen für Katechese und theologische Ausbildung der Laien, die entsprechend den Richtlinien eures Nationalen Katechetischen Direktoriums vorgenommen werden. Jede Ortskirche wird aus der Verkündigung der Frohbotschaft von der Erlösung in Christus Jesus geboren und wächst und entwickelt sich in dem Maße, in dem diese Botschaft mit Liebe aufgenommen und in gültigen Werken der Heiligkeit, Gerechtigkeit und Nächstenliebe praktiziert wird. Die Kraft jeder Ortskirche hängt eng damit zusammen, in welchem Maße der Glaube von einem entsprechenden Katecheseprogramm genährt und erleuchtet wird; Zweck der Katechese ist es, „Jünger zu gewinnen und den Menschen Hilfen zu bieten für den Glauben, daß Jesus der Sohn Gottes ist, damit sie so durch den Glauben das Leben in seinem Namen haben, ferner sie in diesem Leben zu unterweisen und zu formen und so den Leib Christi aufzubauen“ (Catechesi tradendae, Nr. 1). Ich möchte nur an die Bedeutung dieser Aufgabe für das christliche Leben eures Volkes erinnern. Während ihr der ungeheuren Herausforderung gegenübersteht, auf das Bedürfnis und den Durst eures Volkes nach dem Wort Gottes und der Lehre der Kirche zu reagieren, bete ich darum, daß ihr weiterhin mit erneuter Kraft und Mut der Katechese den Vorrang geben werdet. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, daß die gesamte Zukunft der Kirche in eurem Land von eurem Erfolg in der katechetischen Unterweisung der Gläubigen abhängen wird. Möge der Geist der Wahrheit euch und eure Mitarbeiter mit immer größerer Begeisterung für diese Arbeit ausstatten! 7. Schließlich erwähne ich im Zusammenhang mit dem Thema Katechese den ungeheuren Wert des Apostolats der katholischen Erziehung für die Kirche und für die philippinische Nation. Das hohe Ziel katholischer Erziehung auf allen Ebenen soll es den Gläubigen ermöglichen, „menschliche Angelegenheiten und Tätigkeiten mit religiösen Werten in einer einzigen Lebenssynthese zu verbinden“ (Sapientia christiana, Nr. 1). Ich habe daher ein großes Bedürfnis, vor euch und der ganzen Kirche die 1829 AD-LIMINA-BESUCHE Aufmerksamkeit auf die besonderen Verdienste der Bischöfe und Priester, der Lehrer und in ganz besonderer Weise der Ordensmänner und Ordensfrauen zu lenken, die für die katholische Erziehung auf den Philippinen in zahlreichen Schulen jeder Stufe, einschließlich einer großen Zahl katholischer Universitäten, verantwortlich waren und weiter sind. Keiner soll die Bedeutung dieses Werkes bezweifeln. Im Gegenteil, es sollte gefördert und weiter ausgedehnt werden. Die damit verbundenen finanziellen und personalen Probleme sind natürlich sehr ernst, besonders wenn wir die Notwendigkeit berücksichtigen, katholische Schulen in Gebieten zu errichten, wo dies bis jetzt noch nicht möglich gewesen ist. Aber mit Gottes Hilfe und Sinn für Verantwortung und Zusammenarbeit auf seiten der betreffenden kirchlichen und weltlichen Autoritäten wird das Recht der Eltern - wie es im Kodex des kanonischen Rechts festgelegt ist -, nämlich „jene von der weltlichen Gesellschaft zu leistenden Hilfen zu nutzen, die sie für die katholische Erziehung ihrer Kinder benötigen“ (CIC, can. 793,2), sichergestellt werden. 8. Im Laufe der Ad-limina-Besuche der philippinischen Bischöfe haben wir viele Themen berührt, die für das Leben eurer Kirchen von Bedeutung sind. Auf diese Weise wird der Umfang eurer pastoralen Verpflichtungen klar und offenkundig gemacht. Da wir nun diese Besuchsreihe abschließen, möchte ich euch noch einmal versichern, daß ihr und euer Volk meinem Herzen wirklich nahe und in meinem Gebet ganz gegenwärtig sind. Eure Freuden und Sorgen und die Hoffnungen und Ängste des philippinischen Volkes sind meine eigenen. Ich empfehle euch alle der mütterlichen Sorge Mariens, der Mutter der Kirche, und der Fürsprache der heiligen Männer und Frauen, die eurer Heimat zur Ehre gereichen, besonders des seligen Lorenzo Ruiz, den ich während meines Besuches in Manila im Jahr 1981 seliggesprochen habe. „Der Herr des Friedens aber schenke euch den Frieden zu jeder Zeit und auf jede Weise“ (2 Thess 3,16). 1830 AD-LIMINA-BESUCHE Mögen die verschiedenen Hindernisse zur Einheit weggeräumt werden Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Taiwan am 8. November Liebe Brüder in Christus! In der Gnade und im Frieden Gottes unseres Vaters und unseres Herrn Jesus Christus heiße ich euch heute hier willkommen. Die Begegnungen mit meinen Brüdern im Bischofsamt, die nach Rom kommen, um die Gräber der Apostel Petrus und Paulus zu besuchen und mit mir über die Ängste und Erwartungen ihres Hirtenamtes zu sprechen, zählen zu den wichtigsten und beglückendsten Augenblicken meines Dienstes als Nachfolger des Apostels Petrus. Mein Wunsch ist es, an euren Freuden und Sorgen, euren Schwierigkeiten und aufrichtigen Hoffnungen teilzunehmen, damit ich euch helfen und euch im Glauben stärken kann. 1. Diese Begegnung findet - und mit Freuden erinnere ich an diese Tatsache - nach dem bedeutungsvollen 125. Jahrestag der Evangelisierung von Taiwan und inmitten der intensiven Vorbereitungen auf das Nationalsymposion über die Evangelisierung statt, das ihr weise für 1987 geplant habt. Es ist dies ein außergewöhnliches Ereignis, das auf allen Ebenen — in den Diözesen, Pfarreien, Instituten und Familien — eine höhere Wertschätzung für das Wort Gottes und die Lehren des Konzils für eine wirksamere Evangelisierung eurer Landsleute zur Folge haben wird. 2. Ja, ihr wißt sehr wohl, daß ich die große chinesische Familie im Sinn habe, die dank ihrer menschlichen und kulturellen Werte und ihrer stolzen ethischen Traditionen so herausragend ist. Ihr gehört dieser an und nehmt an ihrem tiefsten Sehnen nach echtem Fortschritt und Wohl Anteil. Ihr seid berufen, Überbringer der Lebensbotschaft zu sein, und ihr tut das eben als Chinesen und als Männer, die die Erfahrung machen konnten, daß die Annahme des Glaubens keineswegs den Verzicht auf eure eigene Kultur und vor allem keine Verminderung der Loyalität und des Einsatzes im Dienst eures Landes mit sich bringt. Ganz im Gegenteil, der Glaube 1831 AD-LIMINA-BES UCHE fordert alle, die ihn teilen, auf, dabei einen menschlicheren und qualifizierteren Beitrag zu leisten. Eure Gemeinden - und man kann hier nicht die zahlreichen und aktiven Diasporagemeinden vergesssen — tragen die Verantwortung, vor der Welt... ein noch umfassenderes gemeinsames Zeugnis für Christus ab(zu)legen“, wie mein Vorgänger Paul VI. sagte (Evangelii nuntiandi, Nr. 77). Und ich füge hinzu: Gerade ihr als Chinesen seid die natürlichen Träger der Evangelisierung der chinesischen Familie. 3. Die Verkündigung der Frohbotschaft von Jesus Christus, dem Erlöser der Menschheit, kann die menschliche Wirklichkeit von innen her erhellen, denn durch die „Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe“ erschließt Christus „den Menschen sich selbst vollständig“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Diese Verkündigung wird sich nicht in einem zaghaften Dialog oder in schroffen und anmaßenden Behauptungen vollziehen, sondern vielmehr auf diese Weise, die das Konzil so klug aufzeigt: Wie Christus selbst, „so sollen auch seine Jünger, ganz von Christi Geist erfüllt, die Menschen, unter denen sie leben und mit denen sie umgehen, kennen; in aufrichtigem und geduldigem Zwiegespräch sollen sie lernen, was für Reichtümer der freigebige Gott unter den Völkern verteilt hat; zugleich aber sollen sie sich bemühen, diese Reichtümer durch das Licht des Evangeliums zu erhellen, zu befreien und unter die Herrschaft Gottes, des Erlösers, zu bringen“ (Ad gentes, Nr. 11). Im Rahmen der wichtigen Verpflichtung zur Evangelisierung, die die katholische Gemeinschaft in Taiwan beschlossen hat, zum Wohl all ihrer Brüder auf der Insel auf sich zu nehmen, muß der erste Platz dem zentralen Punkt der Verkündigung eingeräumt werden, der mit der Rettung des Menschen im Zusammenhang steht und gleichzeitig die echte menschliche Förderung aller jener Aspekte erfordert, die das menschliche Leben als solches ausmachen. Es ist mir bekannt, daß euch hier gewisse Situationen Sorgen bereiten, die mit Zweideutigkeiten bei dem von euren Landsleuten erzielten wirtschaftlichen Fortschritt in Verbindung stehen. Dieser Fortschritt wird nämlich von offensichtlichen Formen von Konsumismus und praktischem Materialismus begleitet, die zu einer ausgesprochenen Schwächung der moralischen Werte und in vielen Fällen auch der traditionellen und kulturellen Werte geführt haben, die die wahre Seele eures Volkes ausmachen. 4. Liebe Mitbrüder, die Kirche prüft die Situationen sehr aufmerksam, die ihre Berufung zum Dienst fördern und eine Antwort verlangen, die die 1832 AD-LIMINA-BESUCHE Tiefe des menschlichen Herzens mit all seinen echten Notwendigkeiten wirklich berühren. Während sie die stolzen kulturellen Traditionen der chinesischen Familie hochschätzt und mit mutiger Unterscheidungsgabe die Zeichen der Zeit wahrnimmt, muß die Kirche mit großem Vertrauen auf Christus, den Herrn, unablässig um die Förderung der Würde jeder einzelnen Person und um die Sicherung der Achtung vor dem menschlichen Leben und seiner Verteidigung bemüht sein. Ihr wißt sehr wohl, daß im gegenwärtigen sozialen und kulturellen Kontext das Werk der Evangelisierung nicht nur mit Methoden der Vergangenheit vollzogen werden kann, mögen diese auch gut gewesen sein. Die Kirche muß auch mutig neue Methoden ersinnen und dabei gleichzeitig stets gewillt sein, in nicht wenigen Fällen auf die der ersten apostolischen Verkündigung eigenen Aktivitäten zurückzugreifen. Diese neue Verpflichtung, für die ihr euch in so angemessener Weise gemeinsam mit euren engsten Mitarbeitern entschieden habt - diese Mitarbeiter können sowohl Priester oder Ordensleute als auch Laien sein —, ist so dringend geworden, daß sie einen echten missionarischen Stil erfordert. Einerseits ist die Treue zum lebendigen Wort nötig, wie es von der Kirche bewahrt und überliefert wurde. „Die heilige Überlieferung . . . gibt das Wort Gottes, das von Christus dem Herrn und vom Heiligen Geist den Aposteln anvertraut worden ist, deren Nachfolgern unversehrt weiter, damit sie es im Licht des Geistes der Wahrheit in ihrer Verkündigung treu bewahren, erklären und verbreiten“ (Dei verbum, Nr. 9). Andererseits muß sie mit einem kraftvoll erneuerten Apostolat Vorgehen, und das bedeutet, kreativ und mutig zu sein. 5. In diesem Zusammenhang wäre es gut, allen Erziehungs- und Bildungszentren neuen Impuls zu geben. Dort sollte die Tatsache besonders hervorgehoben werden, daß partielle und unvollständige Definitionen des Menschen nur dann vermieden werden können, wenn man seiner spirituellen und religiösen Dimension Rechnung trägt. Solche unvollständigen Definitionen führen zu Entwicklungsplänen, die die Seele des Menschen und seine echtesten Bestrebungen zerstören. Ich weiß um die verdienstvollen kulturellen Aktivitäten der Fu-Jen-Universität, die zuerst auf den unermüdlichen Eifer des Kardinals Yü Pin zurückzuführen waren und jetzt der Aufmerksamkeit und dem Fleiß des gegenwärtigen Rektors, des geliebten Erzbischofs Stanislaus Lokuang, anvertraut sind. Die Kirche blickt mit großem Interesse auf dieses wichtige Instrument für die Bildung des heutigen Menschen: für die Bildung 1833 AD-LIMINA-BESUCHE der menschlichen Gewissen zum Guten, im Geist des Dienstes, in Disziplin und ethischer Rechtschaffenheit in allen Arbeitsbereichen. Das alles sind Aspekte delikater moralischer Sensibilität, wie sie bereits vom traditionellen chinesischen Humanismus als Werte anerkannt wurden. Dieses Zentrum höherer Studien wird insbesondere einer Begegnung auf hoher Ebene zwischen der Heilsbotschaft in ihren zahlreichen Ausdrucksformen und der stolzen chinesischen Kultur dienen und aus der Mitarbeit von Gelehrten und Experten Nutzen ziehen. Das erfordern die erhabene Natur der Botschaft des Evangeliums ebenso wie die Würde und der Adel der Traditionen und menschlichen Werte, die der chinesischen Kultur eigen sind. 6. Eine besondere Rolle kommt im Rahmen dieser wichtigen Evangelisierungsmission den christlichen Laien zu, die aufgrund ihrer Taufe und Firmung an der Mission der Kirche voll Anteil haben. Wir dürfen nie darauf verzichten, uns und sie daran zu erinnern, was Christus der Herr zu seinen Jüngern sagte: „Ihr seid das Licht der Welt... So leuchte euer Licht vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater preisen, der im Himmel ist“ {Mt 5,16). Es wird also angebracht sein, die erleuchtenden Worte des Konzils aufzugreifen, die von diesem Text des Evangeliums durchdrungen sind, wenn man die Frage des Laienapostolats und der Mission der Laien behandelt, da diese Teilhaber am Leben der Kirche und am Dienst an der Gesellschaft sind (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 6). Sollte eine spezifische Festlegung der Gebiete des Apostolats vonnöten sein, so hat sie mein Vorgänger Paul VI. in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi folgendermaßen gegeben: „Das eigentliche Feld evangelisierender Tätigkeit (der Laien) ist die weite und schwierige Welt der Politik, des Sozialen und der Wirtschaft, aber auch der Kultur, der Wissenschaften und Künste, des internationalen Lebens und der Massenmedien, ebenso gewisse Wirklichkeiten, die der Evangelisierung offenstehen, wie Liebe, Familie, Kinder- und Jugenderziehung, Berufsarbeit, Leiden usw. Je mehr vom Evangelium geprägte Laien da sind“, schloß er, „die sich für diese Wirklichkeiten verantwortlich wisssen und mit Überzeugung in ihnen sich betätigen, sie mit Fachkenntnis voranbringen und sich bewußt bleiben, daß sie ihre gesamte christliche Substanz, die oft verschüttet und erstickt erscheint, einsetzen müssen, um so mehr werden diese Wirklichkeiten ... in den Dienst der Erbauung des Reiches Christi treten und damit in den Dienst des Heiles in Jesus Christus“ (Nr. 70). 1834 AD-LIMINA-BESUCHE 7. Liebe Brüder, diese Begegnung mit euch, den Bischöfen der Regionalen Chinesischen Bischofskonferenz, muß uns an so viele Mitbrüder erinnern, die, im gleichen Glauben vereint, berufen sind, auf dem großen chinesischen Festland Zeugnis für das Wort abzulegen. Ständig gedenke ich dieser mir so teuren Kirche, und täglich flehe ich den Heiligen Geist an, es möge bald der Tag kommen, an dem die verschiedenen Hindernisse weggeräumt werden und der ersehnte Augenblick der voll gelebten, freudig zum Ausdruck gebrachten Einheit naht. Inzwischen ist uns die fruchtbare Mission des Gebetes für diese Gemeinden auferlegt, damit ihr Glaube an den Erlöser der Menschheit lebendig sei und in der Gemeinschaft mit der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche erfahren werde, die in Petrus und seinen Nachfolgern „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Bischöfe wie der Gläubigen insgesamt“ (Lumen gentium, Nr. 23) hat. Ja, ihr wißt, das ist die Frage des Bandes, das jede Ortskirche mit dem Papst und den katholischen Gemeinden aller anderen Länder vereint und das für den Glauben der Katholiken wesentlich ist. Damit wird die Wirklichkeit jeder Ortskirche nicht herabgesetzt, sondern besonders ins Licht gerückt und erhält zusätzliche Bedeutung, während gleichzeitig die Verantwortung der Bischöfe, Priester und Laien der einzelnen Länder gefördert und in ihrer vielschichtigen und reifen Form gestärkt wird, so daß die Ortskirchen die Gelegenheit und die Freude haben, für das Leben der Weltkirche mitverantwortlich zu sein. Gleichzeitig flehe ich den Geber aller vollkommenen Gaben an, die Fähigkeit unserer Brüder und Schwestern, die anderen zu lieben - eine Fähigkeit, die durch Prozesse und Leiden noch geläutert wurde -, möge auch die Erfordernisse des Wohls und des Forschritts ihrer Länder einschließen, so daß sie dazu mit ihrer Kompetenz, ihrem Einsatz, ihrer Vaterlandsliebe und ihrer Rechtschaffenheit den entsprechenden, hochherzigen Beitrag leisten. Auch für die chinesischen Mitbrüder, die in verschiedenen Teilen der Welt leben, erfleht ihr sicher vom Herrn alles Gute und hofft, sie mögen immer weitgehender für die Evangelisierung jener Zusammenarbeiten, mit denen sie die Herkunft und das kulturelle Erbe teilen. 8. Am Ende unserer Begegnung im letzten Jahr habe ich euch, den Hirten der Kirche in Taiwan, die Mission übertragen, lebendige Zeugen für die Mitbrüder auf dem chinesischen Festland zu sein. Ich weiß, daß diese Einladung in den Herzen von euch, den Bischöfen, und in denen der 1835 AD-LIMINA-BESUCHE Gemeinden, die eurer Hirtensorge anvertraut sind, ein Echo gefunden hat. Laßt uns dem Herrn Jesus dafür danken und uns noch mehr seiner Leitung anvertrauen bei der Entdeckung und der darauffolgenden Ausführung seiner unerforschlichen Pläne. Ihr seid dazu berufen, beim Aufbau einer Kirche Zeugnis abzulegen, die, indem sie wahrhaft chinesisch ist, sich ganz in den Dienst des Menschen stellt, jedes einzelnen Menschen, im Licht des Wortes und in Gemeinschaft mit der Weltkirche, „cum Petro et sub Petro“ (mit und unter Petrus). Möge Maria, die Mutter und Königin Chinas, diese Wünsche und eure Entschlüsse entgegennehmen und deren Ausführung vom Vater erlangen. Eine Kultur, die den Grundsätzen des Evangeliums entspricht Ansprache an die Bischöfe von Uruguay beim Ad-limina-Besuch am 14. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt! I. Durch die Fünf-Jahres-Berichte und die Gespräche, die ich mit jedem einzelnen von euch geführt habe, habe ich mich mit der kirchlichen und menschlichen Realität vertraut machen können, in der ihr eurer pastora-len Sendung nachgeht. Es hat mich gefreut festzustellen, daß ihr trotz des Mangels an Personal und an ausreichenden materiellen Mitteln eine verstärkte Evangelisation erzielt habt, die mit den Zielsetzungen des II. Vatikanischen Konzils und den Konferenzen von Medellin und Puebla übereinstimmen. Mit tiefer Freude empfange ich heute gemeinsam die Nachfolger von Msgr. Jacinto Vera, dem ersten Bischof von Montevideo, dessen kirchlicher Geist in euch weiterlebt, die ihr vom Heiligen Geist dazu bestimmt seid, die Kirche Gottes in Uruguay zu führen. In diesem Moment möchte ich euch versichern, daß mir nicht nur eure pastorale Sendung gegenwärtig ist. Im Mittelpunkt meiner Gedanken steht auch ihr selbst und eure Wünsche, die Schwierigkeiten und die sooft unerkannten Opfer, die Augenblicke der Einsamkeit und das Gefühl der Ohnmacht, die in Anbetracht eurer schwierigen Aufgabe vielleicht euren Geist ergreifen. 1836 AD-LIMINA-BESUCHE Und vor allem sollt ihr wissen, daß ich mit euch verbunden bin, daß ich euch mit brüderlicher Liebe begleite, die sich in häufiger Erinnerung im Gebet ausdrückt, in dem ich dem Herrn auch die Bedürfnisse all der Mitglieder eurer Diözese eröffne. Im Geist dieser Liebe möchte ich mit euch einige Überlegungen anstellen, die Punkte betreffen, die ich für das Wohl der Kirche in Uruguay angebracht halte, die auf dem Weg zum Vater ist. 2. Um das große Ziel einer wahren Erneuerung eurer Gläubigen zu erreichen, das sie endgültig dazu führt, die Gesellschaft im Zeichen der Liebe in eurem Land zu errichten, ist es notwendig, das Evangelium in der Tiefe der Kultur eures Volkes zu verkünden. Denn die Kultur trägt eine größere Macht in sich als alle anderen Kräfte. Die Verbreitung einer weltlichen Auffassung von Gesellschaft, Erziehung und Kultur in eurem Land, die im Bereich sittlicher und ideologischer Einstellungen vorherrschende Säkularisierung, die unrichtige Betrachtungsweise vom Wert des Lebens und von der Festigkeit der Familie, fordern dringlich, daß Kräfte gesammelt werden müssen, um eine Kultur zu schaffen, die den Grundsätzen des Evangeliums mehr entspricht. „Das Wesentliche der Kultur besteht in der Haltung, mit der ein Volk eine religiöse Bindung zu Gott bejaht oder verneint, es besteht aus den religiösen Werten oder Fehlwerten. Diese stehen in Bezug zum letzten Sinn der Existenz und wurzeln in jener tiefsten Zone, wo der Mensch Antworten auf die grundsätzlichen und definitiven Fragen findet, die ihn bedrängen, sei es, daß er sie mit einer positiven religiösen Ausrichtung oder im Gegenteil mit einer atheistischen Ausrichtung erhält. Daraus folgt, daß die Religion oder die Religionslosigkeit alle übrigen Ebenen der Kultur inspiriert - die familiäre, wirtschaftliche, politische, künstlerische Ebene usw. -, insoweit sie diese in Richtung auf das Transzendente befreit bzw. auf ihr eigenes immanentes Verständnis eingrenzt“ (Puebla, Nr. 389). Wir können nicht davon ablassen, mit allen Mitteln die Botschaft Jesu zu verkünden, indem wir alle Menschen berücksichtigen und, ausgehend von ihrer göttlichen Berufung, in Gott und der allumfassenden Brüderlichkeit mit den anderen Menschen, versuchen, sie in ihrer Ganzheit zu verstehen. Deshalb gilt es, „und zwar nicht nur dekorativ wie durch einen oberflächlichen Anstrich, sondern mit vitaler Kraft in der Tiefe bis zu den Wurzeln, die Kultur und die Kulturen des Menschen im vollen und umfassenden Sinn mit dem Evangelium zu durchdringen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 20). 1837 AD-LIMINA-BESUCHE Nur durch eine solche Evangelisierung wird es gelingen können, daß die christliche Betrachtungsweise der Wirklichkeit von den ersten Augenblik-ken an bedacht wird, in denen der Mensch beginnt, sich den Sinn des Lebens und der Menschheitsgeschichte vor Augen zu führen, und man wird erreichen können, daß das Evangelium das Bewußtsein eines jeden Menschen und der Menschheit verändert, indem es ihren Werken, ihren Plänen, ja, ihrem ganzen Leben und dem sozialen Umfeld, in dem sie leben, eine Richtung weist (vgl. Gaudium et spes, Nr. 58; Evangelii nuntiandi, Nr. 18). Es ist eine große Aufgabe, eine solche, vom Glauben gezeugte Kultur zu verwirklichen. Wir können diese Kultur eine christliche Kultur nennen, denn der Glaube an Christus ist nicht nur ein einfacher Wert unter den Werten, die von verschiedenen Kulturen umschrieben werden; das Christliche ist vielmehr das letzte Urteil, das über alle anderen urteilt und gleichzeitig deren besonderen Gehalt vollständig berücksichtigt. 3. In dieser die Kultur betreffenden Tätigkeit kam und kommt den katholischen Universitäten weiterhin eine besondere Bedeutung zu. Daher habe ich unlängst mit Freude auf die Gründung der Katholischen Universität Dämaso Antonio Larränaga geblickt. Es ist mein inniger Wunsch, daß das christliche Denken mit Hilfe dieser Universität öffentlich, fest und tief in die Bemühungen um Förderung der höheren Bildung aufgenommen wird. Die Kirche, die sich ihrer Heilsmission in der Welt bewußt ist, hofft nämlich auf die Errichtung von Bildungszentren - einschließlich der Zentren für höhere Bildung - und wünscht sich, daß sie blühend und wirksam sind, damit durch sie die Frohbotschaft Christi im wichtigen Bereich der menschlichen Bildung nicht fehlt. Ich verlasse mich daher darauf, daß ihr der katholischen Universität — sowie der katholischen Schule im allgemeinen, die eine so wichtige Aufgabe zu erfüllen hat - die gebührende Unterstützung und Eingebung zukommen laßt, damit sie ihrer Funktion im Dienste des christlichen Denkens und der gesamten Förderung des uruguayanischen Volkes nachgeht. 4. Zweifellos müßt ihr die Dimension der kollegialen Zusammenarbeit als Bischofskonferenz verstärken, um diese dringenden und heiklen Aufgaben mit größerer Wirksamkeit und Realitätsgebundenheit auszuüben. Es stimmt zwar, daß diese nicht den Platz einnehmen kann, der für jeden einzelnen Bischof als unmittelbarem und selbstwirkendem Hirten der 1838 AD-LIMINA -BESUCHE Diözese im Namen Christi zutrifft (vgl. Lumen gentium, Nr. 20,23). Dennoch ist es offensichtlich, daß die Zusammenarbeit der Brüder innerhalb der Konferenz ein wirksames Mittel ist, um ein größeres Wohl der Gläubigen im nationalen Bereich zu erzielen (vgl. can. 447). Denn für diese auf nationaler Ebene häufig dargelegte Problematik liegt Bedarf an Untersuchungen und Richtlinien vor, die sich durch die ernsthafte Mitarbeit aller und zugleich durchsichtige und einheitliche Ansätze auszeichnen. Nur so werden die Gläubigen auf angemessene Weise erreicht, und Zersplitterungen und Unklarheiten werden vermieden. Dies wird euch dazu anregen, in Barmherzigkeit, Offenheit und Demut vereint, die schwereren Probleme zu untersuchen, so daß in ehrlicher Zusammenarbeit aller eine wesentlich einheitliche Linie erreicht wird, die einem jeden die Ausübung seiner eigenen Hirtenaufgabe erleichtert. Natürlich müßt ihr euch in euren Dokumentationen vor allem mit den Themen beschäftigen, die das religiöse Leben eures Volkes im Hinblick auf seine konkrete, existentielle Wirklichkeit angehen, damit es das Licht des Evangeliums nicht nur in technischen, sondern auch in seinen pasto-ralen Forderungen und Dimensionen empfängt. Möge in dieser Aufgabe, sowohl unter den Bischöfen als auch mit dem Nachfolger Petri und der ganzen Kirche die Einheit tief lebendig sein. Diese Einheit unter euch wird sich in eine mächtigere Ursache für die Einheit unter euren Geistlichen, den pastoralen Mittlern und allen Mitgliedern eurer einzelnen Kirchen verwandeln. 5. Nun möchte ich euch gern drei Wege zur Verstärkung der wirksamen und dynamischen Einheit in eurem Hirtenamt aufzeigen. Als Bischöfe seid ihr die Stimme Christi in eurem Land. Ihr seid die Lehrer der Wahrheit. In einer Kirche, die die Dienerin der Wahrheit ist, seid ihr die obersten Verkünder des Evangeliums, und keine andere Pflicht kann euch von dieser heiligen Mission entbinden. Sorgt daher dafür, daß eure Gemeinden das Wort Gottes kontinuierlich in ihr Bewußtsein und in die Praxis umsetzen, indem sie diejenigen ermutigen und führen, die in der Kirche lehren. Damit die Mitarbeit der Theologen, die ihre besondere Sendung in der Kirche ausüben, gefördert wird, dürft ihr nicht davon ablassen, in gebührender Treue zum Lehramt der Kirche euren Dienst in die Erkenntnis der Wahrheit zu stellen. Und hierbei sollten gegebenenfalls parallellaufende Lehrämter von Gruppen oder Einzelpersonen vermieden werden (vgl. Puebla, Nr. 678). Als Bischöfe und Heilige des Gottesvolkes tragt ihr in der Liturgie eine klar umschriebene Verantwortung. Ihr müßt daher für eine Förderung der 1839 AD-LIMINA-BESUCHE Liturgie und eine fruchtbare Eucharistiefeier sorgen (vgl. Lumen gentium, Nr. 22). Hierbei sollt ihr auf die Befolgung der kirchlichen Normen vor allem in der Eucharistiefeier achten, damit sie niemals durch Sonderinitiativen von Gruppen oder Personen, die die von der Kirche gegebenen Richtlinien nicht kennen, vernachlässigt wird. In diesem Zusammenhang müßt ihr darüber nachdenken, ob nicht der Moment gegeben ist, in Übereinstimmung mit dem Heiligen Stuhl, endgültige und einheitliche Normen bezüglich der Auswahl liturgischer Texte und Bücher festzulegen. Als Bischöfe seid ihr Diener der Einheit. Mit der heiligen Macht, die euch in der Bischofsweihe anvertraut worden ist, müßt ihr das Vertrauen und die Beteiligung aller wecken, indem ihr in der Diözese eine Atmosphäre organischer kirchlicher Einheit schafft, ohne darauf zu verzichten, in den Angelegenheiten, die eine Verbesserung im Verhalten oder in der kirchlichen Disziplin von Personen oder Gemeinschaften benötigen, von eurer Führungsrolle, die eure Verantwortlichkeit ist, Gebrauch zu machen. Besonders schwierig kann der Dienst der kirchlichen Führung in Augenblicken politischer Erregung sein, weil ein jeder an der Errichtung des irdischen Reiches teilhat, dabei jedoch nicht vergessen darf, daß „sich die Hirten, da ihre Sorge der Einheit gelten muß, jeglicher parteipolitischer Ideologie enthalten, die ihre Kriterien und Haltungen beeinflussen könnte. So werden sie die Freiheit haben, die Politik wie Christus zu evangelisieren, von einem Evangelium aus, das keine Parteien noch Ideologisierungen kennt. Das Evangelium Christi hätte nicht eine so große Wirkung in der Geschichte gehabt, wenn er es nicht als eine religiöse Botschaft proklamiert hätte“ (Puebla, Nr. 526). Nur so werden die Hirten Förderer des sozialen Friedens, der Versöhnung und des demokratischen Zusammenlebens sein können, um die katholische Gemeinschaft mit gebührendem Interesse auf sittliche Weise zu Zielen größerer sozialer Gerechtigkeit, Verteidigung und Förderung der Rechte eines jeden — und vor allem der ärmeren Menschen - zu führen. 6. In den letzten Jahren habt ihr einen bedeutenden Anstieg der Berufungen ins höhere Priesterseminar bemerken können. Ich freue mich darüber und ermutige euch, eure Bemühungen in diesem Bereich zu verdoppeln, indem ihr damit beginnt, Berufungen auf der Ebene des Kleinen Priesterseminars zu wecken. Mit dem besonderen Nachdruck, den dieser wichtige Bereich verdient, sporne ich euch zugleich dazu an, die Ausbildung der Anwärter auf das Priesteramt besonders zu betreuen. 1840 AD-LIM[NA - BESUCHE Die Bemühungen, die hier aufgebracht werden, leuchten durch die ganze Kirche. Und damit diese Berufungen auf eine natürliche Atmosphäre treffen, in der sie keimen und sich entwickeln können, mögt ihr große Sorgfalt auf die sehr bedeutende Familienpastoral legen. Weist euren Geistlichen beharrlich den Weg, damit sie dieser apostolischen Aufgabe unbedingt den Vorrang geben. Hierdurch wird sich die Wirksamkeit ihres Apostolats vervielfachen, aus jeder Familie wird eine wahre Hauskirche hervorgehen und sie wird verkündigend auf andere Familien wirken (Familiaris consortio, Nr. 52-55). Möge euch die Zergliederung der Familie und das Fehlen klarer sittlicher Kriterien in diesem Bereich so oft wie möglich beschäftigen! Entwerft daher angemessene Arbeitspläne, die auf diözesaner und auf nationaler Ebene koordiniert sind, eröffnet den Brüdern und Schwestern die menschliche und christliche Größe ihrer Sendung, erinnert sie daran, daß sie dem Lehramt der Kirche im Bereich der verantwortlichen Vaterschaft und der Fortpflanzung treu sein müssen, indem sie den in der Humanae vitae aufgeführten Normen folgen. Weckt hierbei das Interesse eurer Geistlichen, damit sie gebührend an diesen Aufgaben teilhaben. Mit großem pastoralem Gefühl mögt ihr den christlichen Brautleuten bei ihren Schwierigkeiten und Problemen helfen, damit sie sich immer zur barmherzigen Liebe Jesu (vgl. Humanae vitae, Nr. 25) und der Integrität des christlichen Lebens hingezogen fühlen. So werden sie Ausgangszentren der vollen Lebendigkeit des christlichen Ideals und des gefestigten Beitrags zum Wohl der Gesellschaft sein. In Uruguay besteht ein so großer Bedarf an einheitlichen, sittlich gesunden Familien, die sich für andere öffnen, die Moral auf allen Ebenen schaffen, die Erzieher im Glauben sind, die, indem sie damit beginnen, das Leben eines Lebewesens vom Augenblick der Empfängnis an zu respektieren, die Rechte eines jeden achten. Laßt in diesem Sinne nicht davon ab, die beständige Lehre der Kirche über die Heiligkeit des menschlichen Lebens in allen Phasen seines Daseins einzuprägen. 7. Liebe Brüder! Zum Abschluß unseres Treffens biete ich euch als euer Bruder und Nachfolger Petri diese Überlegungen an, die eine Darlegung der tiefen Dankbarkeit sind - für das, was ihr seid und das, was ihr mit der Hilfe des Herrn sein werdet; ein Zeichen der Hoffnung in Jesus Christus, das im Zeichen des Kreuzes stark und fruchtbar ist, um vor dem Volk Zeichen des auferstandenen Christus zu sein. Denn er ist es, der heute jedem Menschen durch unser Amt die Gnade des Heils mitteilt. 1841 AD-LIMINA-BESUCHE Möge die Jungfrau der Dreiunddreißig, der Schutzpatronin von Uruguay, die ihr mit so großer Hingabe verehrt, uns mit der österlichen Kraft ihres Sohnes beistehen. Und möge der Geist Christi euch in der Treue zu eurem opferbereiten und hingebungsvollen Amt heiligen. Ich bete für euch und für eure Gemeinden, die christlichen Glaubens sind, und mit Liebe erteile ich euch allen den Apostolischen Segen. 1842 Kongregationen KONGREGA TIONEN „Ein Dienst an der Wahrheit“ Kommunique der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse zu Mutmaßungen über das Leben der hl. Maria Goretti Seit einiger Zeit scheint das Leben von Heiligen, Seligen und Dienern Gottes in besonderer Weise Historiker und Anthropologen zu interessieren, die meist erklärte Agnostiker in Sachen Glauben sind, deren Werke aber als grundlegend für die Kenntinis eben dieser Heiligen, Seligen und Diener Gottes vorgestellt werden. Dieses Dikasterium kann solche Vorgänge nicht unberücksichtigt lassen, auch in Anbetracht der Tatsache, daß die Arbeit der Postulationen, der Tribunale und des Dikasteriums selbst herangezogen und kritisiert wird. Gerade dieser Tage erschien im Buchhandel ein Band mit dem Titel „Arme Heilige, armer Mörder - die wahre Geschichte der Maria Goretti“: ein Buch, das bereits auf dem Umschlag Enthüllungen über „die Fälschungen eines Heiligsprechungsprozesses und die wahren Motive“ ankündigt, „die die Kirche dazu bewogen haben, eine Heiligkeit zu erfinden“. Dieses Buch - Verfasser ist Giordano Bruno Guerri - wurde von der Tagespresse und von Zeitschriften mit teils kritischen, öfter aber lobenden Beurteilungen zu einem Gegenstand übertriebener Beachtung hochgespielt. Zudem wird im Teatro Pierlombardo in Mailand eine öffentliche Debatte darüber abgehalten. Bereits beim ersten Durchblättern muß man sich fragen, mit welcher Berechtigung die Veröffentlichung als „historisch“ bezeichnet wird - bei völligem Fehlen eines kritischen Apparats und angesichts der Tatsache, daß gerade der Teil, der original zu sein vorgibt und der von einer gewissen Presse am meisten herausgestrichen wurde (nämlich die Rekonstruktion des Lebens, das sich am Ende des vorigen Jahrhunderts in den Pontinischen Sümpfen abspielte), vom Verfasser weithin den Quellen entnommen wurde, die bereits bei der Behandlung des Heiligsprechungsprozesses und von der Hagiographie über die kleine Märtyrerin entsprechend berücksichtigt worden sind. Darüber hinaus läßt das Buch die nicht gerade tiefe Kenntnis des Verfahrens der Heiligsprechungsprozesse erkennen, mit deren Behandlung der Verfasser große Verwirrung anrichtet. Betroffen macht aber vor allem die tragische und hoffnungslose Sicht, die der Autor von der menschlichen Wirklichkeit hat, wenn er die mutmaßlichen Komplexe und Ängste 1845 KONGREGA TIONEN beschreibt, die bei den Personen festzustellen seien, deren intimste Gedanken, tiefste Motivationen, ja deren Seele selbst er zu rekonstruieren bemüht ist. Um eine objektive Antwort zu geben, hat es dieses Dikasterium für angebracht gehalten, eine eigens dazu bestimmte Kommission zu ernennen, der es freistehen wird, sich der Mitarbeit jedes anderen Experten zu bedienen, die sich als notwendig und nützlich erweisen sollte. Die Ergebnisse der Arbeit der Kommission sollen veröffentlicht und bei dieser Gelegenheit (da es notwendig scheint) die theologischen Grundlagen der Heiligkeit im allgemeinen und der kanonisch erklärten Heiligkeit im besonderen ausdrücklich betont sowie die Prinzipien der von dieser Kongregation angewandten historischen und juristischen Methoden aufgezeigt und erläutert werden. Das alles geschieht in der Absicht, den Gläubigen, die durch Unterstellung und vereinfachende und tendenziöse Behauptungen verwirrt sind, wieder Sicherheit zu geben. Es wird zugleich ein Dienst an der Wahrheit sein. Die Kommission steht unter dem Vorsitz von Msgr. Nicola Ferraro, Auditor der Sacra Romana Rota, und setzt sich aus folgenden Mitgliedern zusammen: Msgr. Antonio Petti, Generalpromotor des Glaubens, Msgr. Giovanni Papa, Generalreferent der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen, P. Paolo Molinari SJ, Präsident des Kollegiums der Postulatoren, P. Innocenzo Cavagliä CP, Konsultor der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungen; sowie dem Historiker Prof. Eugenio Massa, emeritierter Professor an der Universität Pisa; dem Gerichtsarzt Prof. Carlo Romano von der Universität Neapel; dem Strafrechtler Prof. Leonardo Mazza von der Universität Verona; dem Rechtsanwalt Enrico Venanzi, der als Sekretär fungiert. 1846 KONGREGA TIONEN Notifikation der Kongregation für die Glaubenslehre zu dem Buch ,,Kirche: Charisma und Macht. Versuch einer militanten Ekklesiologie“ von Pater Leonardo Boff OFM 11. März 1985 Einführung Am 12. Februar 1982 übersandte Leonardo Boff OFM an die Kongregation für die Glaubenslehre die Antwort, die er der Kommission des Erzbistums Rio de Janeiro für die Glaubenslehre auf die Kritik an seinem Buch „Kirche: Charisma und Macht“ gegeben hatte (Originaltitel: „Igreja: Carisma e Poder“, ed. Vozes, Petropolis 1981. Die Zitate dieser Notifikation beziehen sich auf die italienische Übersetzung: „Chiesa: Carisma e Potere“, ed. Borla, Roma 1983). Er erklärte, daß diese Kritik schwerwiegende Irrtümer enthalte, was Verständnis und Auslegung seines Buches angehe. Nachdem die Kongregation die Schrift in ihren lehrmäßigen und pastora-len Aspekten eingehend geprüft hatte, unterbreitete sie dem Verfasser in einem Brief vom 15. Mai 1984 eine Reihe von Vorbehalten. Sie lud ihn zu deren Annahme ein und bot ihm gleichzeitig die Möglichkeit zu einem klärenden Gespräch an. Angesichts des Einflusses, den das Buch auf die Gläubigen ausübte, unterrichtete die Kongregation jedoch L. Boff davon, daß der Brief in jedem Fall veröffentlicht würde; dabei könne freilich gegebenenfalls die Stellungnahme berücksichtigt werden, die er bei diesem Gespräch vorlegen werde. Am 7. September 1984 wurde L. Boff vom Kardinalpräfekten der Kongregation im Beisein von Msgr. Jorge Mejia als Protokollführer empfangen. Inhalt des Gesprächs waren einige ekklesiologische Probleme, die sich bei der Lektüre des Buches „Kirche: Charisma und Macht“ ergeben hatten und auf die in dem Schreiben vom 15. Mai 1984 hingewiesen worden war. Das Gespräch, das in brüderlicher Atmosphäre stattfand, bot dem Verfasser Gelegenheit, seine von ihm auch schriftlich übergebenen Erklärungen darzulegen. Das alles wurde in einem im Einvernehmen mit Boff ausgegebenen und verfaßten Schlußkommunique präzisiert. Am Ende der Aussprache wurden an anderer Stelle vom Kardinalpräfekten die hochwürdigsten Kardinäle Aloisio Lorscheider und Paulo Evaristo Arns empfangen, die sich aus gegebenem Anlaß in Rom aufhielten. 1847 KONGREGA TIONEN Die Kongregation hat ihrem Vorgehen entsprechend die von L. Boff mündlich und schriftlich gegebenen Klarstellungen geprüft. Sie hat die von ihm zum Ausdruck gebrachten guten Absichten und seine wiederholten Treuebezeugungen gegenüber der Kirche und dem Lehramt zur Kenntnis genommen, mußte aber dennoch betonen, daß die gegenüber dem Buch erhobenen und in dem Brief auf gezeigten Vorbehalte in der Substanz nicht als überwunden betrachtet werden konnten. Sie hält es daher für notwendig, den Lehrgehalt des obengenannten Briefes in seinen wesentlichen Teilen jetzt, wie es vorgesehen war, zu veröffentlichen. Theologische Vorbemerkung Die Ekklesiologie des Buches „Kirche: Charisma und Macht“ möchte mit einer Sammlung von Studien und Ausblicken den Problemen Lateinamerikas und insbesondere Brasiliens entgegenkommen (vgl. S. 5). Diese Absicht erfordert einerseits eine ernsthafte und gründliche Betrachtung der konkreten Situationen, auf die das Buch Bezug nimmt. Andererseits erfordert sie, damit dieser Zielsetzung tatsächlich entsprochen werde, sich in das Mühen der Gesamtkirche einzureihen, das darauf zielt, unter der Führung des Heiligen Geistes das gemeinsame Erbe des einen Evangeliums auszulegen, zu entfalten und anzuwenden, das vom Herrn ein für allemal unserer Treue anvertraut worden ist. So schafft und errichtet der eine und einzige Glaube des Evangeliums die Jahrhunderte hindurch die katholische Kirche, die im Wandel der Zeiten und in der Unterschieden-heit der je eigenen Situationen der vielen Teilkirchen dennoch eine bleibt. Die Universalkirche verwirklicht sich und lebt in den Teilkirchen; diese wiederum sind Kirche, eben weil sie Ausdruck und Verwirklichung der Gesamtkirche in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Orte sind. Im Wachsen und Fortschreiten der Teilkirchen wächst so die Gesamtkirche; umgekehrt würden im Abnehmen der Einheit auch die Teilkirchen abnehmen und verfallen. Darum darf der rechte theologische Diskurs sich niemals damit zufriedengeben, nur die Realität einer Teilkirche zu interpretieren und zu animieren; er muß vielmehr versuchen, die Inhalte des der Kirche anvertrauten und vom Lehramt authentisch ausgelegten heiligen Erbes des Gotteswortes tiefer zu erfassen. Die Praxis und die Erfahrungen, die immer aus einer bestimmten und begrenzten geschichtlichen Situation herrühren, helfen dem Theologen und verpflichten ihn, das Evangelium seiner Zeit zugänglich zu machen. Die Praxis ersetzt 1848 KONGREGA TIONEN jedoch weder die Wahrheit noch bringt sie sie hervor, sondern sie steht im Dienst der uns vom Herrn anvertrauten Wahrheit. Darum ist der Theologe aufgerufen, die Sprache der verschiedenen Situationen - die Zeichen der Zeit - zu entziffern und diese Sprache dem verstehenden Glauben zu erschließen (vgl. Redemptor hominis, Nr. 19). Nach eingehender Prüfung im Licht der - hier nur kurz angedeuteten -Kriterien einer authentischen theologischen Methode erweisen sich einige Optionen des Buches von L. Boff als unhaltbar. Ohne den Anspruch zu erheben, sie alle zu analysieren, werden hier die ekklesiologischen Optionen, die entscheidend scheinen, hervorgehoben: die Struktur der Kirche, das Verständnis des Dogmas, die Ausübung von Macht in der Kirche, der Prophetismus. Die Struktur der Kirche L. Boff steht nach seinen eigenen Worten in einer Richtung, die behauptet, „daß die Kirche als Institution nicht im Denken des historischen Jesus vorhanden war, sondern als Entwicklung nach der Auferstehung, besonders im Zug der abnehmenden Endzeiterwartung, entstanden ist“ (S. 129). Infolgedessen ist für ihn die Hierarchie „ein Ergebnis“ der „harten Notwendigkeit, sich institutionalisieren zu müssen“, „eine Verweltlichung“ im „römischen und feudalen Stil“ (S. 70). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer „ständigen Veränderung der Kirche“ (S. 112): Heute muß demnach eine „neue Kirche“ entstehen (S. 110 ff.), die „eine neue Inkarnation der kirchlichen Strukturen in der Gesellschaft sein wird, deren Macht in einer schlichten Dienstfunktion bestehen wird“ (S. 111). Aus der Logik dieser Behauptungen erklärt sich auch Boffs Interpretation der Beziehungen zwischen Katholizismus und Protestantismus: „Uns scheint, daß das römische Christentum (der Katholizismus) sich durch die mutige Behauptung der sakramentalen Identität unterscheidet und das protestantische Christentum durch eine unerschrockene Behauptung der Nicht-Identität“ (S. 130; vgl. S. 132ff„ 149). In dieser Sicht wären beide Konfessionen unvollkommene Vermittlungen, die einem dialektischen Prozeß der Bejahung und Verneinung zugehören. In dieser Dialektik „zeigt sich, was das Christentum ist. Was es sein soll, wissen wir nicht. Wir wissen nur, als was es sich im historischen Prozeß erweist“ (S. 138). Um diese relativierende Auffassung von der Kirche - die der radikalen 1849 KON GREGA TIONEN Kritik an der hierarchischen Struktur der katholischen Kirche zugrunde liegt - zu rechtfertigen, beruft sich L. Boff auf die Konstitution Lumen gentium (Nr. 8) des Zweiten Vatikanischen Konzils. Aus der berühmten Aussage des Konzils: Die einzige Kirche Christi „ist (substantiell) verwirklicht (,subsistiert‘) in der katholischen Kirche“, leitet er eine These ab, die der authentischen Bedeutung des Konzilstextes genau widerspricht, wenn er behauptet: „In der Tat kann sie (nämlich die einzige Kirche Christi) auch in anderen christlichen Kirchen ,subsistieren“‘ (S. 131). <251> Das Konzil hingegen hatte das Wort „subsistit“ gerade deshalb gewählt, um klarzustellen, daß nur eine einzige „Subsistenz“ der wahren Kirche besteht, während es außerhalb ihres sichtbaren Gefüges lediglich „Elemente des Kircheseins“ gibt, die - da sie Elemente derselben Kirche sind - zur katholischen Kirche tendieren und hinführen (Lumen gentium, Nr. 8). Das Dekret über den Ökumenismus bringt dieselbe Lehre zum Ausdruck (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 3-4), die in der Erklärung Mysterium Ecclesiae, Nr. 1, noch einmal präzisiert wurde (AAS LXV, 1973, S. 396-398). <251> Für das lateinische Wort „subsitist“ fehlt ein Äquivalent im Deutschen. Es ist eine Verstärkungsform von „existieren“ und bezeichnet selbständige, ganzheitliche Existenz. Das Konzil wollte damit ausdrücken, daß die wahre Kirche nicht unsichtbare Idee oder bloße endzeitliche Erwartung ist, sondern in der institutionellen Gestalt der katholischen Kirche als solche da ist. Den andersartigen Charakter der Teilhabe der nichtkatholischen Kirchen und Gemeinschaften am Sein der Kirche hat es demgegenüber mit dem Begriff „Elemente des Kircheseins“ umschrieben. Es wollte damit einerseits die Gegenwart des Ekklesialen auch außerhalb der katholischen Kirche erklären, ohne andererseits ihre Einheit und Sichtbarkeit preiszugeben. Zugleich wurden „Subsistenz“ und „Elemente“ in eine dynamische Beziehung des Zueinanderdrängens gebracht. Die Notifikation weist darauf hin, daß durch das Mißverständnis des „subsistit“ bei L. Boff diese dynamische Synthese aufgelöst ist zugunsten einer ekklesiologischen Dialektik, die den Relativismus in Sachen der Wahrheit des Glaubens notwendig nach sich zieht. Die Umkehrung der Bedeutung des Konzilstextes über die Verwirklichung der Kirche liegt dem oben umrissenen ekklesiologischen Relativismus von L. Boff zugrunde, bei dem ein tiefes Mißverständnis des katholischen Glaubens über die Kirche Gottes in der Welt entwickelt und deutlich wird. Dogma und Offenbarung Dieselbe relativierende Logik ist auch in der von Boff formulierten Auffassung von Lehre und Dogma anzutreffen. Der Verfasser übt äußerst 1850 KONGREGA TIONEN scharfe Kritik am „doktrinären Verständnis der Offenbarung“ (S. 73). Es trifft zwar zu, daß L. Boff zwischen Dogmatismus und Dogma unterscheidet (vgl. S. 74), wobei er das zweite billigt und den ersten verwirft. Doch nach ihm hat das Dogma in seiner Formulierung nur „für eine bestimmte Zeit und für bestimmte Umstände“ Gültigkeit (S. 134). „In einem zweiten Moment dieses dialektischen Prozesses muß der Text überwunden werden können, um einem anderen heutigen Glaubenstext Platz zu machen“ (S. 135). Der sich aus diesen Aussagen ergebende Relativismus wird deutlich greifbar, wenn L. Boff von einander widersprechenden Lehrpositionen spricht, die im Neuen Testament enthalten seien (vgl. S. 135). Demzufolge wäre „die wahrhaft katholische Haltung, grundsätzlich nach allen Richtungen hin offen zu bleiben“ (S. 135). In der Sicht von L. Boff fällt die authentische katholische Auffassung vom Dogma unter das Urteil des „Dogmatismus“: „Solange diese Form des dogmatischen und doktrinären Verständnisses der Offenbarung und der Heilstat Jesu Christi besteht, wird man immer unheilbar mit der Unterdrückung der Freiheit des abweichenden Denkens in der Kirche rechnen müssen“ (S. 74). In diesem Zusammenhang muß betont werden, daß das Gegenteil des Relativismus nicht Verbalismus oder Immobilismus ist. Der letzte Inhalt der Offenbarung ist Gott selbst, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, der uns zur Gemeinschaft mit sich einlädt; alle Worte beziehen sich auf das Wort oder, wie der heilige Johannes vom Kreuz sagt: ,,. . . auf seinen Sohn ... In diesem einen Wort hat er zusammengefaßt in einem Zuge uns das Ganze - sich selbst - gesagt, so daß nichts weiter darüber hinaus zu sagen bleibt“ (Subida del Monte Carmelo, II22, 3). Aber in den immer analogen und begrenzten Worten der Schrift und des authentischen, auf der Schrift gründenden Glaubens der Kirche ist in glaubwürdiger Weise die Wahrheit über Gott und den Menschen ausgesagt. Die Notwendigkeit fortwährender Auslegung der Sprache der Vergangenheit bedeutet keineswegs die Preisgabe der darin ausgedrückten Wahrheit; ihr Ziel ist vielmehr, sie zugänglich zu machen und den Reichtum der authentischen Texte zu entfalten. Wenn die lehrende und glaubende Kirche unter der Führung des Herrn, der der Weg und die Wahrheit ist (Joh 14,6), ihren Weg geht, so ist sie sicher, daß die in den Worten des Glaubens zum Ausdruck gebrachte Wahrheit den Menschen nicht nur nicht unterdrückt, sondern ihn befreit (Joh 8,32) und das einzige Mittel wahrer Gemeinschaft zwischen Menschen verschiedener Klassen und Meinungen ist, während eine dialektische und relativistische Auffassung ihn einer willkürlichen Entscheidungsfindung aussetzt. 1851 KONGREGA TIONEN Bereits in der Vergangenheit mußte diese Kongregation klarstellen, daß der Sinn der dogmatischen Formulierungen immer wahr und folgerichtig, bestimmt und unreformierbar bleibt, auch wenn er weiter geklärt und besser begriffen werden kann (vgl. Mysterium Ecclesiae, Nr. 5: AAS LXV, 1973, S. 403-404). Um seine Aufgabe weiter zu erfüllen, das Salz der Erde zu sein, das niemals seinen Geschmack verliert, muß das Glaubensgut treu in seiner Reinheit bewahrt werden, ohne im Sinn eines dialektischen Prozesses der Geschichte und in Richtung des Primats der Praxis ins Gleiten zu kommen. Ausübung der geistlichen Macht Eine „ernste Krankheit“, von der sich - nach L. Boff - die römische Kirche befreien müßte, ist die hegemoniale Ausübung der geistlichen Macht, die aus der Kirche eine asymmetrische Gesellschaft gemacht habe und die überdies auch in sich selbst deformiert worden sei. Während Boff als gegeben voraussetzt, daß die organisatorische Achse einer Gesellschaft sich mit der ihr eigenen besonderen Produktionsform deckt, und dieses Prinzip auf die Kirche anwendet, behauptet er, daß es hier einen geschichtlichen Prozeß der Enteignung der religiösen Produktionsmittel seitens des Klerus zum Schaden des christlichen Volkes gegeben habe, das sich dadurch seiner Fähigkeit zu entscheiden, zu unterweisen usw., beraubt gesehen habe (vgl. S. 75, 222 ff., 259-260). Außerdem sei nach dieser Enteignung die geistliche Macht dadurch auch schwer entstellt worden und in die charakteristischen Fehler der weltlichen Macht verfallen, d. h. in Beherrschung, Zentralismus, Triumphalismus (vgl. S. 100, 85, 92 ff.). Zur Behebung dieser Schwierigkeiten wird ein neues Kirchenmodell vorgeschlagen, in dem die Macht ohne theologische Privilegien als reiner, nach den Bedürfnissen der Gemeinschaft gegliederter Dienst aufgefaßt wird (vgl. S. 224, 111). Man kann nicht die Wirklichkeit der Sakramente und des Wortes Gottes dadurch der Verarmung preisgeben, daß man sie auf das Schema von „Produktion und Konsum“ reduziert und damit die Gemeinschaft des Glaubens auf ein bloßes soziologisches Phänomen beschränkt. Die Sakramente sind nicht „symbolisches Material“, ihre Verwaltung ist nicht Produktion, ihr Empfang ist nicht Konsum. Die Sakramente sind Gaben Gottes, niemand „produziert“ sie, wir alle empfangen in ihnen die Gnade 1852 KONGREGA TIONEN Gottes, die Zeichen der ewigen Liebe. Das alles steht jenseits jeder Produktion, jenseits allen menschlichen Tuns und Herstellens. Die einzige Maßnahme, die der Größe des Geschenks entspricht, ist die größte Treue gegenüber dem Willen des Herrn, nach der wir alle - Priester und Laien -beurteilt werden, da wir alle „unnütze Sklaven“ sind (Lk 17,10). Gewiß besteht immer die Gefahr von Mißbräuchen; das Problem, wie der Zugang aller Gläubigen zur vollen Teilhabe am Leben der Kirche und zu ihrer Quelle, also zum Leben des Herrn, gewährleistet werden kann, stellt sich immer. Aber die Wirklichkeit der Sakramente, der Hierarchie, des Wortes und des ganzen Lebens der Kirche in den Begriffen von Produktion und Konsum, von Monopol, Enteignung, Konflikt mit dem herrschenden Machtblock, Bruch und Anlaß zu einer asymmetrischen Produktionsform zu interpretieren, bedeutet eine Verkehrung der religiösen Wirklichkeit. Weit davon entfernt, zur Lösung der wahren Probleme beizutragen, führt dies vielmehr zur Zerstörung' des authentischen Sinnes der Sakramente und des Wortes des Glaubens. Der Prophetismus in der Kirche Das Buch „Kirche: Charisma und Macht“ klagt die Hierarchie und die Institutionen der Kirche an (vgl. S. 63-64, 89, 259-260). Als Erklärung und Rechtfertigung für diese Haltung macht es die Rolle der Charismen und insbesondere des Prophetismus geltend (vgl. S. 258-261, 268). Die Hierarchie hätte lediglich die Aufgabe zu „koordinieren“, „die Einheit und Harmonie zwischen den verschiedenen Diensten zu fördern“, „die Zirkulation aufrechtzuerhalten sowie jede Spaltung und jeden Anspruch auf Vorrang zu verhindern“, wobei mithin „die unmittelbare Unterordnung aller unter die Hierarchen“ aus der so definierten Funktion ausscheidet (vgl. S. 270). Es besteht kein Zweifel, daß das ganze Volk Gottes am prophetischen Amt Christi teilhat (vgl. Lumen gentium, Nr. 12); Christus erfüllt sein prophetisches Amt nicht nur durch die Hierarchie, sondern auch durch die Laien (vgl. ebd., Nr. 35). Aber ebenso klar ist, daß die prophetische Aussage in der Kirche, wenn sie legitim sein soll, immer im Dienst des Aufbaues der Kirche selbst stehen muß. Sie muß die Hierarchie und die Institutionen nicht nur annehmen, sondern muß auch positiv zur Festigung ihrer inneren Gemeinschaft beitragen; darüber hinaus liegt das oberste Kriterium für das Urteil über ihre Echtheit und ihren ordentlichen Gebrauch bei der Hierarchie (vgl. Lumen gentium, Nr. 12). 1853 KO NGREGA TIONEN Schluß Bei Veröffentlichung des Obigen fühlt sich die Kongregation außerdem verpflichtet zu erklären, daß die hier analysierten Optionen von L. Boff derart sind, daß sie die gesunde Glaubenslehre gefährden, die zu fördern und zu schützen eben die Aufgabe dieser Kongregation ist. Papst Johannes Paul II. hat in der dem Unterzeichneten Präfekten gewährten Audienz die vorliegende Mitteilung, die in der ordentlichen Versammlung dieser Kongregation beschlossen worden war, gebilligt und ihre Veröffentlichung angeordnet. Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, 11. März 1985 Kardinal Joseph Ratzinger Präfekt Erzbischof Alberto Bovone Sekretär Handkommunion Erklärung der Kongregation für den Gottesdienst vom 3. April Der Apostolische Stuhl hält zwar die traditionelle Art der Kommunionspendung aufrecht, hat aber seit 1969 denjenigen Bischofskonferenzen, die darum gebeten hatten, die Erlaubnis erteilt, die Kommunion in der Weise zu spenden, daß den Gläubigen die Hostie in die Hand gelegt wird. Diese Erlaubnis wird bestimmt durch die Instructio Memoriale Domini vom 29. 5. 1969 (AAS 61, 1969, 541-545) und die Instructio Immensae caritatis vom 29. 1. 1973 (AAS 65, 1973, 264-271) sowie durch das Rituale De sacra Communione, Nr. 21 vom 21. 6. 1973. Dennoch scheint es angebracht zu sein, sein Augenmerk auf folgende Punkte zu richten: <252> <252> Genauso wie bei der Mundkommunion sollte man bei der Handkommunion der Realpräsenz Christi in der Eucharistie gebührende Ehrfurcht erweisen. Daher sollte, so wie es die Kirchenväter getan haben, auf die Würde der Geste des Kommunikanten großen Wert gelegt werden. 1854 KONGREGA TIONEN Demgemäß wurden Ende des 4. Jahrhunderts die neu Getauften angewiesen, beide Hände auszustrecken und „mit der linken Hand einen Thron für die rechte Hand zu bilden, welche den König empfängt“ (Cyrill v. Jerusalem, 5. Mystagogische Katechese, Nr. 21: PG 33, 1125, oder SC 126, 171; Johannes Chrysostomus, Homilie 47: PG 63, 898 ff.). <253>) <253> In der Praxis muß man die Gläubigen das Gegenteil lehren: Die linke Hand soll auf die rechte Hand gelegt werden, so daß die Hl. Hostie mit der rechten Hand zum Mund geführt werden kann. 2. Wiederum nach den Lehren der Väter muß eindringlich auf die Bedeutung des Amen hingewiesen werden, mit dem man dem Priester auf die Formel „Der Leib Christi“ antwortet; dieses Amen ist eine Bekräftigung des Glaubens: „Cum ergo petieris, dicit tibi sacerdos ,Corpus Christi <254> et tu dicis ,Amen‘, hoc est ,verum <255>; quod confitetur lingua, teneat affectus“ (Ambrosius, De Sacramentis, 4,25: SC 25 bis 116). <254> Genauso wie bei der Mundkommunion sollte man bei der Handkommunion der Realpräsenz Christi in der Eucharistie gebührende Ehrfurcht erweisen. Daher sollte, so wie es die Kirchenväter getan haben, auf die Würde der Geste des Kommunikanten großen Wert gelegt werden. <255> Genauso wie bei der Mundkommunion sollte man bei der Handkommunion der Realpräsenz Christi in der Eucharistie gebührende Ehrfurcht erweisen. Daher sollte, so wie es die Kirchenväter getan haben, auf die Würde der Geste des Kommunikanten großen Wert gelegt werden. 3. Wenn der Kommunikant die Eucharistie in die Hand empfangen hat, soll er sie vor der Rückkehr an seinen Platz verzehren, indem er beiseite tritt, jedoch mit dem Gesicht zum Altar gewandt, um dem ihm Nachfolgenden die Möglichkeit zu geben, sich dem Priester zu nähern. 4. Von der Kirche erhalten die Gläubigen die Hl. Eucharistie, die Teilhabe am Leib des Herrn und an der Kirche; aus diesem Grunde sollte der Kommunikant die Hostie nicht von der Patene oder aus dem Gefäß nehmen, so wie man es mit gewöhnlichem Brot machen würde, sondern die Hände müssen ausgestreckt sein, um sie von dem die Kommunion austeilenden Priester zu empfangen. 5. Aus Ehrfurcht vor der Eucharistie wird Reinlichkeit der Hände erwartet; Kinder müssen daran erinnert werden. 6. Es ist unerläßlich, daß die Gläubigen eine gute fundierte Katechese diesbezüglich erhalten und daß mit Nachdruck auf die Empfindung der Verehrung und der Ehrfurcht hingewiesen wird, die dieses Allerheiligste Sakrament verlangt (vgl. Dominicae cenae, Nr. 11). Es muß darauf geachtet werden, daß kein Teilchen der konsekrierten Hostie verlorengeht (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre vom 2. 5. 1972, Prot. Nr. 89/71: Notitiae, 1972, 227). 1855 KONGREGA TIONEN 7. Die Gläubigen sollen nicht gezwungen werden, die Handkommunion zu praktizieren; jeder kann frei entscheiden, auf welche Art er kommunizieren möchte. Diese Richtlinien und jene, die in den oben genannten Dokumenten angegeben sind, sollen an die Pflicht der Ehrfurcht vor der Eucharistie und deren Anwendung erinnern, unabhängig von der Art des Kommunionempfangs. Diejenigen, die in der Seelsorge tätig sind, sollten nicht nur auf die notwendigen Vorkehrungen für einen fruchtbaren Kommunionempfang dringen, der in gewissen Fällen ein Zurückgreifen auf das Sakrament der Versöhnung verlangt, sondern auch auf eine äußere Haltung, die im allgemeinen ein Empfingen von Ehrfurcht ausdrückt und im einzelnen den Glauben der Gläubigen an die Eucharistie. Von der Kongregation für den Gottesdienst, 3. April 1985 Augustin Mayer OSB Titularerzbischof von Satriano Pro-Präfekt Virgilio Noe Titularerzbischof von Voncaria Sekretär (Protokoll-Nr. 720/85) 1856 VI. Anhang ANHANG Botschaft an alle Christen in der Welt vom 7. Dezember Wir Bischöfe von den fünf Kontinenten sind nach Rom gekommen, uns um den Papst zur Synode zu versammeln, und wir durchlebten eine erhebende Zeit innerer Einheit in Gebet, Dialog und gemeinsamen Studien. Brüder und Schwestern, ihr wißt, daß der Papst uns in diesen Tagen einlud, mit ihm das Gedächtnis des Zweiten Vatikanischen Konzils zu begehen, zu prüfen, wie es in die Tat umgesetzt wurde, es sodann in einer Weise zu fördern, daß es wahrhaft unser aller Leben durchwirkt. Einmütig teilten wir Bischöfe aus dem ostkirchlichen wie aus dem lateinischen Ritus voll Dankbarkeit die Auffassung, daß das Zweite Vatikanische Konzil ein Geschenk Gottes an die Kirche und die Welt bedeutet. In Treue zum Konzil sehen wir in ihm einen vom Heiligen Geist eröffneten Lebensquell für die Gegenwart wie für die Zukunft. Laßt uns nicht bei den Irrtümern, Fehldeutungen und Mängeln stehenbleiben, die aufgrund menschlicher Sünde und Schwäche im Volke Gottes zu Leiden geführt haben. Voll Zuversicht glauben wir nämlich und sehen wir, daß die Kirche heute im Konzil das Licht und die Kraft findet, welche Christus den Seinen für alle Zeiten der Geschichte verheißen hat. <256> <256> Die Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils legt uns die „unaus-schöpfliehen Schätze des Geheimnisses Christi“ für unsere heutige Zeit vor. Durch die Kirche, die ja sein Leib ist, ist Christus den Menschen immer gegenwärtig. Alle sind wir dazu berufen, durch den Glauben und die Sakramente in lebendiger Fülle Gemeinschaft mit Gott zu haben. In dieser Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott, dem Vater, dem Sohn und, Heiligen Geist, ist die Kirche in Christus das „Mysterium“ der Liebe Gottes, wie sie in der menschlichen Geschichte anwest. Das Konzil hat dies mit Macht ins Gedächtnis gerufen, und wir stehen im Glauben dazu. An dieser Wirklichkeit nehmen die Getauften lebendig teil. Sie sind Glieder des einen Leibes Christi, worin der Heilige Geist einwohnt und handelt. Die Strukturen und Verhältnisse in der Kirche müssen diese Einheit widerspiegeln und darstellen. Aus gutem Grund trägt das erste Kapitel der Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“ den Titel „Über das Geheimnis der Kirche“. Es han- 1859 ANHANG delt sich dabei um eine Wirklichkeit, deren wir immer mehr inne und gewiß werden müssen. Wir sind uns darüber klar, daß die Kirche nicht erneuert werden kann, wenn dieses geistliche Merkmal des Geheimnisses nicht stärker im Bewußtsein der Gläubigen Wurzeln schlägt. Dieses Merkmal hat als erste Kennzeichnung die universale Berufung zur Heiligkeit, die sich an alle Gläubigen richtet, wie sie ja auch an jene ergeht, die aufgrund ihrer Lebenssituation die evangelischen Räte befolgen. Es ist notwendig, in dieser Weise die tiefere Wirklichkeit der Kirche zu begreifen und von daher soziologisches oder politisches Fehlverständnis der Natur der Kirche zu vermeiden. So führen wir ohne Unterbrechung in Glaube und Hoffnung unsere Arbeit für die Einheit der Christen fort. Jesus Christus, der Herr, welcher derselbe ist gestern, heute und morgen, schützt das Leben und die Einheit der Kirche über den Lauf der Jahrhunderte. Durch eben diese Kirche bietet Gott eine Vorausnahme und Verheißung der Gemeinschaft an, zu der Er selbst die ganze Menschheit ruft. III. Im Geiste dieser beglückenden Hoffnung für die Kirche und die Welt laden wir euch ein, das Zweite Vatikanische Konzil besser und vollständiger kennenzulernen, es eingehender und tiefer zu studieren, die Einheit aller Konstitutionen, Dekrete und Erklärungen weiter zu durchdringen und ihre Schätze zu heben. Es geht auch darum, sie gründlicher in die Tat umzusetzen: in der Gemeinschaft mit Christus, der in der Kirche gegenwärtig ist (Lumen gentium), im Hören des Wortes Gottes (Dei verbum), in der heiligen Liturgie (Sacrosanctum conciüum), im Dienst an den Menschen, besonders den Armen (Gaudium et spes); in diesem Sinne kann die Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils - wie jene aller anderen Konzilien, welche die Geschichte der Kirche kennzeichnen - nur in beharrlichem und beständigem Bemühen in der Zeit ihre Früchte tragen. Darüber hinaus muß diese Botschaft mit offenem und bereitem Herzen vernommen werden. Wir rufen euch auf, euch unserem Bemühen anzuschließen. Wir versprechen, alle uns zu Gebote stehenden Mittel einzusetzen, euch zu helfen, allen Einladungen zu folgen, welche das Konzil an die Kirche richtet. Mit besonderer Liebe bitten wir die Priester, daß sie sich mit uns dazu einsetzen, da doch der Herr sie rief, mit uns dem Volke Gottes zu dienen. Ein jeder unter uns Getauften erhielt die Sendung, je nach seinem Stand in der Welt und in der Kirche, die Botschaft des Heils für den Menschen in 1860 ANHANG Jesus Christus zu verkünden. Jeder ist daher aufgerufen, seiner Verantwortung Genüge zu leisten. Gleicherweise ist jede Gemeinschaft ihrerseits aufgefordert, die konkreten Notwendigkeiten des Geheimnisses der Kirche und ihrer inneren Gemeinschaft tiefer zu durchdringen. Und in Wahrheit ist es so, daß die Kirche die Liebe und Einheit für sich selbst empfangen muß, die sie kraft ihrer Sendung der Welt verkünden soll. Mut und Unterscheidung, welche die Evangelisierung der Welt von heute fordert, können im Zweiten Vatikanischen Konzil ihren Schwung und ihr Licht finden. Mehr denn je erleuchtet heute das Evangelium die Zukunft und den Sinn des menschlichen Daseins. In der heutigen Zeit, in welcher besonders unter der Jugend ein brennender Durst nach Gott herrscht, könnte eine erneuerte Aufnahme des Konzils die Kirche noch tiefer in ihrer Sendung einen, der Welt die Botschaft des Heiles zu verkünden. IV. Brüder und Schwestern, wir erleben in der Kirche mit euch zusammen eindringlich die gegenwärtige Krise der Menschheit und ihr Drama, worüber wir lange nachgedacht haben. Warum? Weil es schon das Zweite Vatikanische Konzil tat. Das Konzil wurde ja gerade deshalb einberufen, eine Erneuerung der Kirche besonders im Hinblick auf die Verkündigung in einer veränderten Welt zu ermöglichen. Heute fühlen wir uns gedrängt, den wahren Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils tiefer zu erforschen, um den neuen Forderungen der Welt und dem dauernden Anruf Christi an die Welt zu genügen: soziale, politische oder wirtschaftliche Herausforderungen, wie etwa der Mangel an Ehrfurcht vor dem menschlichen Leben, Unterdrückung der bürgerlichen und religiösen Freiheiten, die Mißachtung der Rechte der Familie, Rassendiskriminierung, wirtschaftliches Ungleichgewicht, unüberwindliche Verschuldung, Probleme der internationalen Sicherheit, des Wettrüstens mit immer zerstörerischeren und furchtbareren Waffen. Die Übel dieser Welt kommen auch aus dem Unvermögen des Menschen, seinen Fortschritt zu bewältigen, wenn er sich auf sich selbst beschränkt. Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil empfing die Kirche voll Gewißheit ein neues Licht: Freude und Hoffnung, die von Gott herkommen, können alle Menschen befähigen, in der Erhebung des Blickes von der Erde auf das Himmelreich alle Trauer und Angst zu überwinden. Wir hoffen, euch von dieser Synode das mitzuteilen, was wir selbst empfangen haben. In diesen Tagen unserer Versammlung und unseres gegenseitigen Austausches tragen wir intensiver die Last menschlichen Leidens mit. Jeder von 1861 ANHANG uns Bischöfen fühlt sich unmittelbar einer jeden Nation und einem jeden von euch solidarisch. Weil die Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils in ihrem Herzen die Liebe Christi trägt, der gestorben und auferstanden ist, bietet sie für unsere Zeit in neuer Kraft die Hoffnung des Evangeliums. Dies möchten wir euch erneut zusprechen; und durch euch rufen wir in Demut, doch in aller Gewißheit, allen Männern und Frauen unserer Zeit zu: „Wir sind nicht auf Tod hin geschaffen, sondern zum Leben. Wir sind nicht zu Spaltungen und Krieg verurteilt, sondern auf gerufen zu Brüderlichkeit und Frieden. Der Mensch ist von Gott nicht zum Haß und Streit geschaffen, sondern für die Gottesliebe. Der Mensch ist auf Gott hin geschaffen. Der Mensch antwortet auf diese Berufung in der Erneuerung seines Herzens. Es gibt für die Menschheit einen Weg - und wir sehen schon erste Zeichen -, der zu einer Zivilisation der Teilhabe, der Solidarität und der Liebe führt, einer Zivilisation, die alleine des Menschen würdig ist. Mit euch allen wollen wir daran arbeiten, daß diese Zivilisation der Liebe, der Plan Gottes für die Menschheit, in der Erwartung der Ankunft des Herrn verwirklicht werde.“ V. Indem wir euch anspornen, diesen Weg zu gehen, blicken wir schon auf die Synode des Jahres 1987 „Über die Berufung und Sendung der Laien in der Kirche und in der Welt zwanzig Jahre nach dem Konzil“. Diese Synode geht die ganze Kirche an: Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute und Laien. Sie soll auch ein entscheidender Schritt dazu sein, daß alle Katholiken die Gnade des Zweiten Vatikanums annehmen. Wir rufen euch auf, euch in jeder einzelnen Teilkirche darauf vorzubereiten. So werden wir dem Dynamismus des Konzils gemäß unsere christliche Berufung und gemeinsame Sendung im Leben erfüllen. Am Ende dieser Versammlung dankt die Synode aus ganzem Herzen Gott dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist für die große Gnade dieses Jahrhunderts, die das Zweite Vatikanische Konzil ist. Doch sie sagt auch Dank für die geistliche Erfahrung der Feier des 20. Jubiläums. Wie damals die Apostel zusammen mit Maria im Abendmahlssaal, so lehrte uns der Heilige Geist, was er der Kirche auf ihrem Pilgerweg ins 3. Jahrtausend sagen will. Der Heilige Geist möge auf die Fürsprache Mariens helfen, daß in diesem Jahrhundert „die Kirche unter dem Wort Gottes die Geheimnisse Christi zum Heil der Welt feiere“. 1862 ANHANG Kirche unter dem Wort Gottes feiert Christi Geheimnisse zum Heil der Welt Schlußdokument der 2. außerordentlichen Bischofssynode vom 10. Dezember I. Zentralthemen dieser Synode: Feier — Prüfung — Förderung des Zweiten Vatikanischen Konzils 1. Die geistliche Erfahrung dieser Synode Am Ende dieser zweiten Außerordentlichen Synode schulden wir besonderen Dank dem Wohlwollen Gottes, das den Papst leitete, diese Synode zusammenzurufen. Wir sind Papst Johannes Paul II. dankbar, weil er uns zur Feier des 20. Jahrestages des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils eingeladen hat. Die Synode selbst war eine Gelegenheit, bei der wir immer wieder die Gemeinschaft in dem einen Geist, dem einen Glauben, der einen Hoffnung, der einen katholischen Kirche und schließlich im gemeinsamen Willen, das Konzil in gelebte Praxis der Kirche umzusetzen, erfahren haben. Wir hatten miteinander an Freude und Hoffnung, aber auch an Trauer und Ängsten teil, die die Kirche in der Welt sehr oft erleidet. 2. Die Zielsetzung der Synode Die Zielsetzung für die Einberufung dieser Synode war Feier, Prüfung und Förderung des Zweiten Vatikanischen Konzils. Dankbar nehmen wir wahr, daß wir mit Gottes Hilfe diese Früchte wirklich erreicht haben. Einmütig haben wir das Zweite Vatikanische Konzil als Gnade Gottes und Geschenk des Heiligen Geistes gefeiert, aus dem sehr viele geistliche Früchte in Universalkirche, Teilkirchen und an unsere Zeitgenossen flössen. Einmütig und freudig haben wir das Zweite Vatikanische Konzil als rechtmäßigen und gültigen Ausdruck und Interpretation des Glaubensschatzes (depositum fidei) auch geprüft und bestätigt, der in der 1863 ANHANG Heiligen Schrift und in der lebendigen Tradition der Kirche enthalten ist. Deshalb haben wir beschlossen, den uns vom Konzil gewiesenen Weg fortzusetzen. Volle Übereinstimmung herrscht unter uns über die Notwendigkeit, Kenntnis und Umsetzung des Konzils weiter fortzuführen. Dies gilt für Buchstabe wie für Geist des Konzils. So werden wir in der Rezeption des Konzils weiter fortschreiten, das heißt in seiner geistlichen Verinnerlichung und praktischen Anwendung. 3. Licht und Schatten bei der Rezeption des Konzils Die breite Mehrheit der Gläubigen hat das Zweite Vatikanische Konzil mit Eifer angenommen, wenn auch wenige hier und da Widerstand leisteten. So wurde das Konzil zweifellos mit großer Zustimmung aufgenommen, denn der Heilige Geist hat seine Kirche ja dazu angeregt. Schließlich schenkten auch viele außerhalb der katholischen Kirche dem Zweiten Vatikanischen Konzil große Beachtung. Obwohl das Konzil sehr große Früchte zeitigte, haben wir bei der Rezeption des Konzils gleichzeitig Schwächen und Schwierigkeiten festgestellt. In nachkonziliarer Zeit gab es sicher auch Schatten, die teilweise aus .mangelhaftem Verständnis und Anwendung des Konzils, teilweise aus anderen Gründen herrühren. Dennoch kann man keinesfalls behaupten, daß alles, was sich nach dem Konzil ereignete, auch wegen des Konzils geschah. Besonders in der sogenannten ersten Welt muß man sich fragen, warum nach der so breit und tief ausgefalteten Lehre über die Kirche so häufig eine Abneigung gegenüber der Kirche sichtbar wurde, obwohl auch dort die Früchte des Konzils überreich sind. Wo jedoch die Kirche etwa von einer totalitären Ideologie unterdrückt wird oder sie ihre Stimme gegen soziale Ungerechtigkeit erhebt, scheint sie besser anerkannt zu werden. Aber man kann auch dort nicht leugnen, daß sich nicht alle Gläubigen voll und ganz mit der Kirche und ihrer vordringlichen Sendung identifizieren. 4. Äußere und innere Gründe für die Schwierigkeiten In ziemlich vielen Teilen der Welt fehlen der Kirche materielle und personale Mittel, um ihre Sendung zu erfüllen. Außerdem wird sie nicht selten gewaltsam daran gehindert, ihre eigene Freiheit zu gebrauchen. In den reichen Ländern wächst durch eine wegen ihrer technischen Möglichkeiten gerühmte Ideologie immer mehr ein Immanentismus, der zum 1864 ANHANG Götzendienst des materiellen Nutzens, des sogenannten Konsumismus führt. Daraus kann eine gewisse Blindheit gegenüber geistigen Wirklichkeiten und Werten folgen. Ja, wir können Kräfte nicht leugnen, die in der Gesellschaft mit großem Einfluß wirken und dabei gegenüber der Kirche feindselig handeln. All das zeigt, daß der „Fürst dieser Welt“ und das „Geheimnis der Ungerechtigkeit“ auch heute am Werk sind. Unter den inneren Gründen für die Schwierigkeiten sind das unvollständige und selektive Lesen des Konzils und eine oberflächliche Interpretation seiner Lehre in verschiedener Hinsicht anzuführen. Einerseits sind Irrtümer daraus entstanden, weil wir zu schüchtern waren, die wahre Konzilslehre umzusetzen. Andererseits entstand aus einem verkürzten Lesen des Konzils eine einseitige Darstellung der Kirche als eine nur institutionelle Größe und ist daher ihres Geheimnisses beraubt. Wahrscheinlich sind wir nicht ganz unschuldig daran, daß besonders die Jugendlichen die Kirche als reine Institution kritisch einschätzen. Haben wir ihnen nicht sogar die Gelegenheit dazu gegeben, wenn wir zu wenig über Gott und Christus gesprochen haben? Denn es fehlte auch die Unterscheidung der Geister, die nicht richtig zwischen der rechten Öffnung des Konzils zur Welt hin und der Übernahme von Geisteshaltung und Wertordnung einer säkularisierten Welt trennen konnte. 5. Eine vertiefte Rezeption des Konzils Diese und andere Mängel zeigen, daß eine tiefere Rezeption des Konzils nottut. Folgende vier Schritte sind gefordert: tiefere und eingehendere Kenntnis — innere Aneignung — eine von Liebe getragene Bekräftigung -Verlebendigung des Konzils. Nur innere Aneignung und Übersetzung ins Leben können bewirken, daß die Konzilsdokumente daraus lebendig und verlebendigend hervorgehen. Die theologische Auslegung der Konzilslehre muß alle Dokumente für sich genommen und in ihrer Verbindung zueinander vor Augen haben, damit man so den Gesamtsinn der oft untereinander verflochtenen Konzilsaussagen genau darstellen kann. Man möge besonders die vier großen Konzils-Konstitutionen beachten, die der Verständnisschlüssel für die anderen Dekrete und Erklärungen sind. Man darf den pastoralen Charakter genausowenig von der lehrmäßigen Kraft der Dokumente trennen, wie man Geist und Buchstabe des Konzils nicht gegeneinander ausspielen darf. Schließlich muß man das Konzil in Kontinuität mit der langen Tradition der Kirche verstehen. Gleichzeitig müssen wir aus der Konzils- 1865 ANHANG lehre das Licht für die heutige Kirche und die Menschen unserer Zeit annehmen. Die Kirche ist auf allen Konzilen ein und dieselbe. 6. Empfehlungen In den Teilkirchen soll für die nächste Zukunft ein Pastoralplan erstellt werden, der einer neuen, erweiterten und tieferen Kenntnis und Annahme des Konzils dient. Das wird besonders durch eine erneuerte Verbreitung seiner Dokumente und edierte Studienausgaben geschehen, die die Dokumente erläutern und dem Verständnis der Gläubigen zugänglicher machen. Bei der Priesterausbildung und Formung der Priesteramtskandidaten und Ordensleute sowie in der Erwachsenenbildung soll die Konzilslehre ständig und angemessen durch Vorträge und Kurse angeboten werden. Die Diözesansynode und andere kirchliche Versammlungen können für die Anwendung des Konzils sehr nützlich sein. Die Einbeziehung der sozialen Kommunikationsmittel in geeigneter Weise wird empfohlen. Zum rechten Verständnis und Anwendung der Konzilslehre wird sehr nützlich sein und in die Praxis umzusetzen, was in den verschiedenen Apostolischen Exhor-tationen steht. Denn diese sind gleichsam die Frucht der ordentlichen Bischofssynoden, die seit 1969 stattgefunden haben. 1866 ANHANG II. Besondere Themen der Synode A. Das Geheimnis der Kirche 1. Säkularismus und Anzeichen für eine Rückbesinnung auf das Heilige Der kurze Zeitraum von 20 Jahren, der uns vom Abschluß des Konzils trennt, hat in der Geschichte beschleunigte Veränderungen mit sich gebracht. Deshalb fallen die Zeichen unserer Zeit in manchen Punkten ganz und gar nicht mit denen zusammen, die die Umstände des Konzils ausmachten. Dabei muß man besonders das Phänomen des Säkularismus beachten. Zweifellos hat das Konzil die berechtigte Autonomie der zeitlichen Dinge (vgl. GS 36 und alibi) bekräftigt. Deshalb muß man eine in gutem Sinne verstandene Säkularisierung annehmen. Aber etwas ganz anderes ist der Säkularismus, der in einer autonomistischen Sicht von Mensch und Welt besteht, die von der Dimension des Geheimnisses absieht, sie vernachlässigt oder gar leugnet. Dieser Immanentismus ist eine Verkürzung der ganzheitlichen Sicht vom Menschen, die nicht zu seiner wahren Befreiung, sondern zu einem neuen Götzendienst führt bzw. zur Versklavung an Ideologien, zu einem Leben in Gestalt von Angst und oftmals auch der Unterdrückung, wie sie dieses Jahrhundert kennzeichnet. Trotz des Säkularismus gibt es auch Zeichen für eine Rückbesinnung auf das Heilige. Denn es gibt heute Anzeichen für einen neuen Hunger und Durst nach dem, was transzendent und göttlich ist. Um dieser Rückkehr zum Heiligen Vorschub zu leisten und den Säkularismus zu überwinden, müssen wir die Tür zur Dimension des „Göttlichen“ oder Geheimnisses öffnen und die „Praeambula Fidei“ (Glaubensvoraussetzungen) den Menschen heutiger Zeit anbieten. Denn der Mensch ist sich nach Worten des Konzils selbst eine Frage, auf die allein Gott die volle und letzte Antwort gibt (vgl. GS 21). Stellt uns die Ausbreitung der Sekten nicht vor die Frage, ob wir jeweils die Bedeutung des Heiligen genügend hervorheben? 1867 ANHANG 2. Das Geheimnis Gottes durch Jesus Christus im Heiligen Geist Die vordringlichste Sendung der Kirche, angetrieben vom göttlichen Geist, ist Verkündigung und Bezeugung der Frohbotschaft von der Erwählung, Barmherzigkeit und Liebe Gottes, die sich in der Heilsgeschichte zeigt, in der Fülle der Zeiten durch Jesus Christus gipfelt, und die die Kirche als Heil in der Kraft des Heiligen Geistes den Menschen anbieten und verkündigen soll. Das Licht der Völker ist Christus! Wenn die Kirche das Evangelium verkündet, muß sie dafür sorgen, daß dieses Licht auf ihrem Antlitz klar widerscheint (vgl. LG 1). Die Kirche wird glaubwürdiger, wenn sie weniger von sich selbst spricht, immer mehr Christus als den Gekreuzigten predigt (vgl. 1 Kor 2,2) und ihn als ihr Leben bezeugt. So ist die Kirche gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug der Gemeinschaft mit Gott und auch der Gemeinschaft und Versöhnung der Menschen untereinander. Die Botschaft von der Kirche, wie sie vom Zweiten Vatikanischen Konzil beschrieben wird, ist trinitarisch und christozentrisch. Weil Jesus Christus der Sohn Gottes und der neue Adam ist, hat er gleichzeitig das Geheimnis Gottes und das des Menschen und seiner höchsten Berufung enthüllt (vgl. GS 22). Der Sohn Gottes wurde Mensch, um die Menschen zu Söhnen Gottes zu machen. Durch diesen persönlichen Umgang mit Gott wird der Mensch zu seiner höchsten Würde geführt. Deshalb kündigt die Kirche, wenn sie Christus predigt, den Menschen das Heil an. 3. Das Geheimnis der Kirche Jedes Moment der Kirche wird aus ihrer Verbindung mit Christus hergeleitet. Das Konzil beschrieb Kirche auf verschiedene Weise als Volk Gottes, Leib Christi, Braut Christi, Tempel des Heiligen Geistes und Familie Gottes. Diese Beschreibungen von Kirche ergänzen einander und müssen im Licht des Geheimnisses Christi oder der Kirche in Christus verstanden werden. Wir können die falsche, einseitig nur hierarchische Sicht der Kirche nicht durch eine neue, ebenfalls einseitige soziologische Konzeption ersetzen. Jesus Christus ist immer bei seiner Kirche und lebt als Auferstandener in ihr. Aus der Verbindung der Kirche mit Christus geht der eschatologische Charakter dieser Kirche deutlich hervor (vgl. LG Kap. VII). So ist die auf Erden pilgernde Kirche das messianische Volk (vgl. LG 9), das die neue Schöpfung bereits in sich vorwegnimmt. Gleich- 1868 ANHANG wohl bleibt die Kirche heilig, auch wenn sie stets, da sie Sünder in ihrem Schoß trägt, der Reinigung bedarf: zugleich geht sie unter Verfolgungen von seiten der Welt und Tröstungen Gottes dem kommenden Reich entgegen (vgl. LG 8). So sind in der Kirche immer das Geheimnis des Kreuzes und das der Auferstehung zugleich gegenwärtig. 4. Allgemeine Berufung zur Heiligkeit Da die Kirche in Christus Geheimnis ist, muß man sie als Zeichen und Werkzeug der Heiligkeit betrachten. Deshalb lehrte das Konzil die Berufung aller Gläubigen zur Heiligkeit (vgl. LG, Kap. V). Die Berufung zur Heiligkeit ist die Einladung zur inneren Umkehr des Herzens und zur Teilhabe am Leben des dreieinigen Gottes, was die Erfüllung aller Wünsche des Menschen bedeutet und sie übersteigt. Gerade heute, wo sehr viele Menschen eine innere Leere und geistliche Krise spüren, muß die Kirche den Sinn für Buße, Gebet, Anbetung, Opfer, Selbsthingabe, Liebe und Gerechtigkeit nach Kräften erhalten und fördern. In für die ganze Kirchengeschichte überaus schwierigen Situationen waren heilige Männer und Frauen stets Quelle und Ursprung für eine Erneuerung. Heute brauchen wir dringend Heilige, um die wir Gott bitten müssen. Die Ordensgemeinschaften sind sich aufgrund des Versprechens der evangelischen Räte ihrer besonderen Sendung bewußt, und wir müssen sie zu dieser Sendung ermutigen. Apostolisch gesinnte Bewegungen und neue „geistliche Aufbrüche“ stimmen sehr hoffnungsvoll, wenn sie rechtmäßig in der kirchlichen Gemeinschaft bleiben. Alle Laien sollen ihr Amt in der Kirche und im täglichen Leben, so in Familie, Arbeitsplatz, weltlicher Tätigkeit und Freizeit erfüllen, damit sie so die Welt vom Licht und Leben Christi durchdringen und umgestalten. Eine recht verstandene und gut in die Praxis umgesetzte Volksfrömmigkeit ist sehr nützlich, um die Heiligkeit des Volkes zu nähren. Deshalb verdient sie größere Aufmerksamkeit von seiten der Seelsorger. Für alle Christen ist die selige Jungfrau Maria, die uns als Mutter in der Gnadenordnung Vorstand (vgl. LG 61), das Beispiel der Heiligkeit und der vollkommenen Antwort auf den Ruf Gottes (vgl. LG, Kap. VIII). 5. Empfehlungen Heute ist es sehr notwendig, daß sich die Hirten der Kirche durch ihr Zeugnis der Heiligkeit auszeichnen. Schon in den Seminaren und Ordens- 1869 ANHANG häusern soll man die Ausbildung so gestalten, daß die Kandidaten nicht nur intellektuell, sondern auch geistlich erzogen werden; sie müssen ernsthaft ins tägliche geistliche Leben eingeführt werden (Gebet, Meditation, Stundengebet, Bußsakrament und Eucharistie). Nach dem Dekret „Presbyterorum ordinis“ soll man sie so auf den priesterlichen Dienst vorbereiten, daß sie in ihrer seelsorglichen Liebe selbst Nahrung für ihr geistiges Leben finden (vgl. PO 16). So werden sie auch fähig Sein, in ihrem Dienst den Gläubigen rechte Ratschläge für das geistliche Leben zu geben. Man muß eine wahre Erneuerung der Ordensgemeinschaften im ganzen unterstützen. Aber auch die Spiritualität der Laien, die in der Taufe gründet, ist zu fördern. Besonders förderungswürdig ist eine Spiritualität der Eheleute, die sich auf das Ehesakrament stützt und deren Hauptakzent in der Weitergabe des Glaubens an die kommende Generation liegt. B. Quellen, aus denen die Kirche lebt a) Wort Gottes 1. Schrift — Tradition — Lehramt Die Kirche hat die Sendung, nach gläubigem Vernehmen des Wortes Gottes dieses in Treue zu verkünden (DV 1). Daher ragt unter den besonderen Aufgaben der Kirche und vor allem der Bischöfe die Evangelisierung hervor und ist heute von größter Bedeutung (vgl. LG 25). In diesem Zusammenhang zeigt sich die Bedeutung der apostolischen Konstitution „Dei verbum“, welche allzusehr vernachlässigt wurde, jedoch seinerzeit von Paul VI. in der apostolischen Exhortation „Evangelii Nuntiandi“ (1974) in vertiefter Weise und erneuter Aktualität wiederaufgegriffen wurde. Auch für diese Konstitution gilt, daß eine unvollständige Lektüre zu vermeiden ist. Eine genaue Exegese des ursprünglichen Sinnes der Heiligen Schrift, welche vom Konzil ausdrücklich empfohlen wird (vgl. DV 12), kann nicht von der lebendigen Tradition der Kirche getrennt werden (DV 9) noch von der authentischen Interpretation durch das kirchliche Lehramt (vgl. DV 10). 1870 ANHANG Die falsche Gegenüberstellung von Lehr- und Seelsorgsauftrag muß vermieden werden, bzw. ist zu überwinden. In der Tat besteht ja das wahre Anliegen der Pastoral in der Aktualisierung und Konkretisierung der Heilswahrheit, welche in sich für alle Zeiten Gültigkeit hat. Als wahre Hirten müssen die Bischöfe ihrer Herde den rechten Weg zeigen, ihr den Glauben stärken, Gefahren von ihr abwehren. 2. Evangelisation Das Geheimnis des göttlichen Lebens, an dem die Kirche teilhat, ist allen Völkern zu verkünden. Die Kirche an sich ist ihrer Natur nach missionarisch (vgl. LG 2). Die Bischöfe sind deshalb nicht nur die-'Lehrer der Gläubigen, sondern auch Verkünder des Glaubens, die Christus neue Jünger zuführen (vgl. LG 25). Die Evangelisierung ist nicht nur für die Bischöfe die- erste Aufgabe, sondern auch für die Priester und Diakone, ja für alle Gläubigen. Auf der ganzen Erde ist heute die Weitergabe des Glaubens und der aus dem Evangelium fließenden moralischen Werte an die kommende Generation (Jugendliche) in Gefahr. Die Kenntnis des Glaubens und die Anerkennung der moralischen Ordnung sind oft auf ein Minimum reduziert: Ein neuer Anstoß zur Evangelisierung und zu integraler und systematischer Katechese ist ein Gebot der Stunde. Evangelisierung meint nicht nur Mission in einfachem Sinne, d. h. im Sinne von Heidenmission. Denn die Evangelisierung der Nichtgläubigen setzt die Selbstevangelisierung der Getauften voraus, ja sogar in einem gewissen Sinne die der Diakone, Priester und Bischöfe selbst. Evangelisierung geschieht durch Zeugen; ein Zeuge gibt sein Zeugnis allerdings nicht allein durch Worte, sondern durch sein Leben. Wir dürfen auch nicht vergessen, daß das Wort Zeugnis auf Griechisch „Martyrium“ heißt. In dieser Hinsicht können die alten Kirchen viel von den jungen Kirchen lernen, von ihrer Dynamik, ihrem Leben und Zeugnis bis hin zum Martyrium, der Blutzeugenschaft. 3. Beziehung zwischen dem Lehramt der Bischöfe und den Theologen Nach der bekannten Definition des heiligen Anselm ist Theologie „fides quaerens intellectum“ (Glaube, der verstehen will). Da alle Gläubigen die ihnen innewohnende Hoffnung begründen müssen (Apologie) (vgl. 1 Petr 1871 ANHANG 3,15), ist die Theologie im Leben der Kirche und besonders in heutiger Zeit vonnöten. Voll Freude erkennen wir an, was von den Theologen für die Erarbeitung der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils und für deren sachgerechte Interpretation wie auch fruchtbare Anwendung nach dem Konzil geleistet worden ist. Auf der anderen Seite jedoch berührt es uns schmerzhaft, daß mitunter in unseren Tagen theologische Diskussionen Ursprung für Verwirrung unter den Gläubigen waren. Aus diesem Grunde wird ein besserer gegenseitiger Austausch und Dialog zwischen den Bischöfen und Theologen gefordert zum Aufbau und zur tieferen Durchdringung unseres Glaubens. 4. Vorschläge Sehr einmütig wird ein Katechismus bzw. ein Kompendium der ganzen katholischen Glaubens- und Sittenlehre gewünscht, sozusagen als Bezugspunkt für die Katechismen bzw. Kompendien, die in den verschiedenen Regionen zu erstellen sind. Die Darlegung muß biblisch und liturgisch ausgelegt sein, die rechte Lehre bieten und zugleich dem modernen Lebenshorizont der Gläubigen angepaßt sein. Größte Sorgfalt verdient die Bildung der Priesteramtskandidaten. Hier ist der philosophischen Ausbildung und der Art der theologischen Unterweisung Aufmerksamkeit zu schenken, wie im Dekret „Optatam totius“ Nr. 16 vorgesehen. Es wird empfohlen, daß die Lehrbücher nicht nur eine gesunde Theologie in wissenschaftlicher und pädagogischer Weise bieten, sondern darüber hinaus auch um den Sinn für die Kirche wissen. b) Die heilige Liturgie 1. Innere Erneuerung der Liturgie Die liturgische Erneuerung ist die sichtbarste Frucht der ganzen Arbeit des Konzils. Wiewohl einige Schwierigkeiten auftauchten, wurde sie doch von den Gläubigen im allgemeinen froh und fruchtbringend angenommen. Liturgische Erneuerung kann nicht auf die Zeremonien, Riten, Texte usw. beschränkt werden; und auch die aktive Teilnahme der Gläubigen, die nach dem Konzil so glücklich anwuchs, besteht nicht nur in äußerlicher Aktivität, sondern vor allem in innerer und geistlicher Teil- 1872 ANHANG nähme, in einer lebendigen und fruchtbringenden Teilhabe am österlichen Geheimnis Jesu Christi (vgl. SC 11). Die Liturgie muß sehr klar den Sinn für das Heilige fördern und ihn aufleuchten lassen. Sie muß vom Geiste der Ehrfurcht vor Gott, der Anbetung und seiner Verherrlichung durchtränkt sein. 2. Vorschläge Die Bischöfe mögen nicht nur Mißbräuche abstellen, sondern sollten ihrem Volk sowohl das theologische Fundament der Sakramentendisziplin wie auch der Liturgie deutlich erklären. Die Katechesen müßten heute wiederum - wie schon am Anfang der Kirchengeschichte - zu einem Weg werden, der in das liturgische Leben einführt (mystagogische Katechesen). Die zukünftigen Priester mögen das liturgische Leben aus Erfahrung lernen und sollten die Theologie der Liturgie gut kennen. C. Die Kirche als „Communio“ <257> <257> Die Bedeutung von „ Communio“ Die „Communio“-Ekklesiologie ist die zentrale und grundlegende Idee der Konzilsdokumente. Die Koinonia/Communio, die in der Heiligen Schrift gründet, genoß in der Alten Kirche und in den Ostkirchen bis heute hohes Ansehen. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil geschah viel, damit die Kirche als „Communio“ klarer verstanden und konkreter ins Leben umgesetzt wurde. Was bedeutet der komplexe Begriff „Communio“? Grundsätzlich ist damit die Gemeinschaft mit Gott durch Jesus Christus im Heiligen Geist gemeint. Diese Gemeinschaft geschieht im Worte Gottes und in den Sakramenten. Die Taufe ist Zugang und Grund der kirchlichen Gemeinschaft, die Eucharistie Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens (vgl. LG 11). Die Gemeinschaft des eucharistischen Leibes Christi bedeutet und bewirkt bzw. baut die innige Gemeinschaft aller Gläubigen im Leib Christi, der Kirche, auf (vgl. 1 Kor 10,16). 1873 ANHANG Deshalb kann man die „Communio“-Ekklesiologie nicht auf rein organisatorische Fragen oder Probleme reduzieren, die lediglich die Gewalten in der Kirche betreffen. Aber dennoch ist die „Communio“-Ekklesiologie die Grundlage für die Ordnung in der Kirche und besonders für die rechte in ihr bestehende Beziehung zwischen Einheit und Vielfalt. 2. Einheit und Vielfalt in der Kirche Wie wir an den einen Gott, den einen und einzigen Mittler Jesus Christus und an den einen Geist glauben, haben wir auch eine Taufe und eine Eucharistie, durch welche die Einheit und Einzigartigkeit der Kirche bezeichnet und zugleich auferbaut werden. Das ist gerade heute sehr bedeutend, da ja die Kirche als eine und einzige gleichsam ein Sakrament ist, das heißt Zeichen und Werkzeug der Einheit, Versöhnung und des Friedens zwischen Menschen, Nationen, Klassen und Völkern. Durch die Einheit im Glauben und in den Sakramenten sowie durch die Einheit der Hierarchie, besonders mit dem Zentrum der Einheit, welches uns im Petrusamt von Christus gegeben ist, stellt die Kirche jenes messianische Volk dar, von dem Lumen Gentium Nr. 9 spricht. So ist die Kirche, die Gemeinschaft mit Petrus und seinem Nachfolger, nicht Hindernis, sondern Vorwegnahme und prophetisches Zeichen der volleren Einheit. Andererseits wirkt ein und derselbe Geist in vielen und verschiedenen geistlichen Gaben und Charismen (vgl. 1 Kor 12,4 ff.). Ein und dieselbe Eucharistie wird an verschiedenen Orten gefeiert. Daher ist die eine und allumfassende Kirche in allen Teilkirchen wirklich anwesend (vgl. CD 11); diese sind der Universalkirche so nachgebildet, daß die eine und einzige katholische Kirche in und aus den Teilkirchen hervortritt (vgl. LG 23). Hier haben wir das wahre theologische Prinzip für Vielfalt und Mannigfaltigkeit in der Einheit; diese Vielfalt ist von einem bloßen Pluralismus zu unterscheiden. Insofern die Vielfalt wirklich Reichtum ausmacht und Fülle mit sich bringt, ist sie wahre Katholizität; der Pluralismus grundlegend verschiedener Meinungen führt jedoch zur Auflösung, Zerstörung und zum Verlust der Identität. 3. Die Ostkirchen Ausgehend von der Communio, hat die katholische Kirche heute eine hohe Wertschätzung für die Einrichtungen, liturgischen Riten, kirchlichen 1874 ANHANG Traditionen und die Ordnung christlichen Lebens in den Ostkirchen. Denn sie sind berühmt aufgrund ihres ehrwürdigen Alters und deshalb, weil sie die von den Aposteln über die Väter überkommene Tradition enthalten (vgl. OE 1). Schon seit uralten Zeiten lebt in ihnen die Einrichtung des Patriarchats, das von den ersten ökumenischen Konzilien anerkannt wurde (vgl. OE 7). Außerdem haben die Ostkirchen durch Leiden und Tod ihrer Märtyrer für Christus und seine Kirche Zeugnis abgelegt. 4. Kollegialität Die Communio-Ekklesiologie bietet die sakramentale Grundlage der Kollegialität. Deswegen ist die Theologie der Kollegialität wesentlich umfassender als ihre rein juridische Betrachtung. Der Affekt für Kollegialität umfaßt mehr als die effektive Kollegialität, die nur juridisch verstanden ist. Der Sinn für Kollegialität ist die Seele der Zusammenarbeit zwischen Bischöfen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Kollegiales Handeln im engen Sinn schließt die Aktivität des ganzen Kollegiums, eins mit seinem Haupt, über die gesamte Kirche ein; seinen höchsten Ausdruck findet es im Ökumenischen Konzil. In der gesamten theologischen Fragestellung um die Beziehung zwischen Primat und Bischofskollegium kann man nicht zwischen Papst und der Gesamtheit der Bischöfe unterscheiden, sondern muß zwischen dem Papst für sich genommen und dem Papst zusammen mit den Bischöfen differenzieren (vgl. LG, Nota Expl. 3). Denn das Kollegium eins mit seinem Haupt ist Träger der höchsten und vollen Gewalt in der Gesamtkirche (vgl. LG 22). Von dieser ersten Form der Kollegialität im strengen Sinne unterscheiden sich verschiedene Teilverwirklichungen, die authentische Zeichen und Werkzeuge des Sinnes für Kollegialität sind: Bischofssynode, Bischofskonferenzen, Römische Kurie, Ad-limina-Besuche . . . Alle diese Verwirklichungen kann man nicht aus dem theologischen Prinzip der Kollegialität ableiten, sie sind hingegen durch kirchliches Recht geregelt. Dennoch sind diese und andere Formen, wie etwa die Pastoraireisen des Papstes, ein bedeutender Dienst für das gesamte Bischofskollegium mit dem Papst und für die einzelnen Bischöfe, die der Heilige Geist zur Leitung der Kirche Gottes eingesetzt hat (vgl. Apg 20,18). 1875 ANHANG 5. Die Bischofskonferenzen In den Bischofskonferenzen wird der kollegiale Sinn konkret verwirklicht (vgl. LG 13). Keiner zweifelt an ihrer pastoralen Nützlichkeit, ja sie sind in der heutigen Situation sogar notwendig. In den Bischofskonferenzen üben die Bischöfe eines Landes oder Gebietes ihren Seelsorgeauftrag gemeinschaftlich aus (CD 38; CIC Can. 447). In ihrer Vorgehensweise müssen die Bischofskonferenzen auf das Wohl der Kirche bzw. den Dienst an der Einheit und die unveräußerliche Verantwortlichkeit eines jeden Bischofs gegenüber der Weltkirche und seiner Teilkirche achten. 6. Teilhabe und Mitverantwortung in der Kirche Da die Kirche eine Gemeinschaft ist, muß es auf allen ihren Ebenen Teilhabe und Mitverantwortung geben. Dieses allgemeine Prinzip muß man in verschiedenen Umfeldern unterschiedlich verstehen. Zwischen dem Bischof und seinem Presbyterium besteht eine Beziehung, die im Weihesakrament gründet, so daß die Priester in den einzelnen Ortsgemeinden den Bischof sozusagen gegenwärtig machen, seine Ämter und Sorgen tragen und in der täglichen Seelsorge ausüben (vgl. LG 28). Deshalb sollen zwischen dem Bischof und seinem Presbyterium freundschaftliche Beziehungen und volles Vertrauen herrschen. Die Bischöfe fühlen sich ihren Priestern dankbar verbunden, die in der nachkonziliaren Zeit stark an der Umsetzung des Konzils mitbeteiligt waren (vgl. OT 1). Dabei wollen sie, je nach ihren Kräften, den Priestern nahe sein und sie bei ihrer nicht immer leichten Arbeit besonders in den Pfarreien unterstützen und helfen. Schließlich soll man den Geist der Zusammenarbeit mit den Diakonen sowie zwischen Bischof und Ordensleuten der jeweiligen Teilkirche fördern. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gibt es einen neuen guten Stil der Zusammenarbeit zwischen Klerus und Laien in der Kirche. Der Geist der Verfügbarkeit, mit dem sich viele Laien in den Dienst der Kirche gestellt haben, gehört zu den besten Früchten des Konzils. Hier erfährt man neu, daß wir alle Kirche sind. In den letzten Jahren wurde oft über Berufung und Sendung der Frauen in der Kirche diskutiert. Die Kirche möge Sorge tragen, daß die Frauen in der Kirche einen solchen Platz einnehmen, daß sie die ihnen eigenen Gaben zum Dienst der Kirche angemessen nutzen können und eine 1876 ANHANG größere Rolle auf den verschiedenen Ebenen des kirchlichen Apostolates haben (AA 9). Die Seelsorger sollen die Mitarbeit der Frauen in der Aktivität der Kirche dankbar annehmen und fördern. Das Konzil appelliert an die Jugend, die Hoffnung der Kirche (vgl. GE 2). Diese Synode richtet sich mit besonderer Liebe und großem Vertrauen an die jungen Menschen und erwartet Großes von ihrer hochherzigen Hingabe. Die Synode ruft die jungen Menschen auf, das Erbe des Konzils mit innerem Schwung aufzunehmen und voranzutreiben und so ihre Aufgabe bei der Sendung der Kirche zu erfüllen. Da die Kirche Gemeinschaft ist, sind die neuen sogenannten Basisgemeinschaften unter der Bedingung, daß sie wirklich in der Einheit der Kirche leben, wahrhaft Ausdruck der schon bestehenden Gemeinschaft und Werkzeug für eine noch tiefer zu bauende Gemeinschaft. Deshalb bilden sie eine große Hoffnung für das Leben der Kirche (vgl. EN 58). 7. ökumenische Gemeinschaft Da sich die katholische Kirche auf die Communio-Ekklesiologie stützte, hat sie zur Konzilszeit ihre ökumenische Verantwortung voll wahrgenommen. Nach diesen 20 Jahren können wir behaupten, daß der Ökumenis-mus im Bewußtsein der Kirche tief und unauslöschlich eingeschrieben ist. Wir Bischöfe wünschen sehnlichst, daß die noch unvollkommene schon bestehende Gemeinschaft mit den nichtkatholischen Kirchen und Gemeinschaften durch Gottes Hilfe zu einer vollen Gemeinschaft werde. Der ökumenische Dialog muß auf den verschiedenen Ebenen der Kirche unterschiedlich betrieben werden, sei es von Universal- oder Teilkirche oder auch in konkreten Gemeinden. Der Dialog muß sowohl geistlich als auch theologisch sein; man fördert die ökumenische Bewegung besonders durch das Gebet füreinander. Der Dialog ist authentisch und fruchtbar, wenn er mit Liebe und in Treue gegenüber der Kirche die Wahrheit darstellt. So erscheint die Kirche noch klarer als Sakrament der Einheit. Außerdem ruft die Gemeinschaft zwischen Katholiken und anderen Christen trotz ihrer Unvollkommenheit alle dazu auf, auf den verschiedenen Ebenen zusammenzuarbeiten. So ermöglicht sie in gewisser Weise das gemeinsame Zeugnis von der heilbringenden Liebe Gottes gegenüber der Welt, die nach dem Heil ruft. 1877 ANHANG 8. Empfehlungen a) Da der neue, so glücklich in Kraft getretene Kodex des Kirchenrechts sehr nützlich ist, um das Konzil für die Lateinische Kirche fruchtbar anzuwenden, wünscht man, die Kodifizierung des Ostkirchenrechtes ebenfalls möglichst rasch zu Ende zu führen. b) Da die Bischofskonferenzen so nützlich, ja notwendig für die Seelsorgetätigkeit der Kirche von heute sind, soll man ihren theologischen Ort untersuchen und besonders die Frage nach ihrer Lehrautorität klarer und tiefer entfalten. Dabei soll man das Dekret Christus Dominus, Nr. 38 und CIC Can. 447 und 752 vor Augen haben. c) Es wird eine Studie zur Klärung der Frage empfohlen, ob das für den Bereich der menschlichen Gesellschaft gültige Subsidiaritätsprinzip auch im Bereich der Kirche angewandt werden kann und - wenn ja - bis zu welchem Grade und in welchem Sinne seine Anwendung möglich bzw. nötig sei (vgl. Pius XII. AAS 38, 1946, S. 144). D. Sendung der Kirche in der Welt <258> <258> Die Bedeutung der Konstitution „Gaudium et spes“ Die Kirche als Gemeinschaft (Communio) ist Sakrament für das Heil der Welt. Die Vollmachten in der Kirche sind also von Christus auf das Heil der Welt hin verliehen. In diesem Zusammenhang bestätigen wir die große Bedeutung und Aktualität der Pastoral-Konstitution „Gaudium et Spes“. Gleichzeitig sehen wir jedoch, daß die Zeichen unserer Zeit von denen während des Konzils teilweise verschieden sind; Ängste und Bedrängnisse haben zugenommen. Auf der ganzen Welt wachsen heute Hunger, Unterdrückung, Ungerechtigkeit und Krieg, Folter und Terrorismus und andere Arten von Gewalt. Dies verpflichtet zu neuer und tieferer theologischer Reflexion, worin im Lichte des Evangeliums solche Zeichen zu deuten sind. 1878 2. Theologie des Kreuzes ANHANG Uns scheint, daß Gott uns durch die heutigen Schwierigkeiten tiefer den Wert, die Bedeutung und die zentrale Steile des Kreuzes Jesu Christi lehren will. Deshalb ist die Beziehung zwischen Menschheits- und Heilsgeschichte im Licht des Ostergeheimnisses zu erklären. Eine Theologie des Kreuzes schließt keinesfalls eine Theologie der Schöpfung und der Inkarnation aus, sondern setzt sie offensichtlich voraus. Wenn wir Christen vom Kreuz reden, verdienen wir nicht des Pessimismus geziehen zu werden; vielmehr gründen wir auf dem Realismus christlicher Hoffnung. 3. „Aggiornamento“ In dieser österlichen Perspektive, welche die Einheit von Kreuz und Auferstehung bekräftigt, läßt sich der wahre vom falschen Sinne des sogenannten Aggiornamento unterscheiden. Ausgeschlossen ist eine leichtfertige Angleichung, die zur Säkularisierung der Kirche führen könnte. Ebenso bleibt ausgeschlossen eine starre Verkapselung der Gemeinschaft der Gläubigen in sich selbst. Bejaht jedoch wird die missionarische Öffnung zum Heil der Welt in seiner Fülle. Hierzu werden nicht nur alle wahrhaft menschlichen Werte angenommen, sondern auch schärf-stens verteidigt: die Würde der menschlichen Person, die fundamentalen Menschenrechte, der Friede, die Freiheit von Unterdrückung, Armut und Ungerechtigkeit. Die Fülle des Heils wird nur erlangt, wenn diese menschlichen Belange- gereinigt werden und durch die Gnade erhoben werden zur Höhe der Familienzugehörigkeit mit Gott durch Jesus Christus im Heiligen Geist. 4. Inkulturation Hier setzt auch das theologische Prinzip für das Problem der Inkulturation an. Da die Kirche eine Gemeinschaft ist, die Verschiedenheit und Einheit verbindet, auf der ganzen Welt gegenwärtig ist, nimmt sie das Positive, das sie in allen Kulturen findet, auf. Die Inkulturation ist jedoch von einer rein äußerlichen Adaptierung zu unterscheiden, weil sie eine innerliche Umformung der authentischen Kulturwerte durch Einbindung in das Christentum und zugleich die Einwurzelung des Christentums in die verschiedenen menschlichen Kulturen bedeutet. 1879 ANHANG Der Konflikt zwischen Evangelium und Kultur wurde von Papst Paul VI. beschrieben als „Drama auch unserer Zeit, wie es in anderen Epochen war. Daher ist es nötig, alle Kräfte darauf zu verwenden, die menschliche Kultur, oder besser die Kulturen, zu evangelisieren. Sie müssen durch die Begegnung mit der Frohen Botschaft wiedergeboren werden. Diese Begegnung findet allerdings nur statt, wenn die Frohe Botschaft auch verkündet wird“ (EN 20). 5. Der Dialog mit den nichtchristlichen Religionen und den Nichtglaubenden Das Zweite Vatikanische Konzil bekräftigte, daß die katholische Kirche nichts von dem, was in den nichtchristlichen Religionen wahr und heilig ist, verwirft. Im Gegenteil werden die Katholiken ermahnt, in Klugheit und Liebe durch Dialog und Zusammenarbeit mit den Gläubigen anderer Religionen in Bezeugung des christlichen Glaubens und Lebens jene geistlichen und moralischen Werte wie auch sozio-kulturellen Güter, welche bei ihnen zu finden sind, anzuerkennen, ihnen zu dienen und sie zu fördern (NAE 2). Das Konzil bekräftigte auch, daß Gott keinem Menschen guten Willens die Heilsmöglichkeit verweigert (vgl. LG 16). Die konkreten Möglichkeiten des Dialogs in den verschiedenen Religionen hängen von den verschiedenen Sachumständen ab. Das gleiche gilt auch für den Dialog mit den Nichtglaubenden. Der Dialog ist der Mission nicht gegenüberzustellen. Ein authentischer Dialog führt dazu, daß die menschliche Person ihr Innerstes dem Gesprächspartner öffnet und mitteilt. Darüber hinaus haben alle Christen von Christus die Sendung erhalten, alle Völker zu seinen Jüngern zu machen (vgl. Mt 28,18). In diesem Sinn vermag Gott den Dialog zwischen Christen und Nichtchristen wie auch Nichtglaubenden gleichsam als Weg zu nutzen, die Fülle der Gnade mitzuteilen. 6. Die Option für die Armen und menschliche Entwicklung Im Anschluß an das Zweite Vatikanische Konzil wurde sich die Kirche ihrer Sendung im Dienst der Armen, Unterdrückten und an den Rand Gedrückten stärker bewußt. In dieser Option, die allerdings nicht als ausschließlich zu verstehen ist, leuchtet wahrer Geist des Evangeliums. Jesus hat die Armen selig gepriesen (vgl. Mt 5,3; Lk 6,20) und er selbst wollte für uns arm sein (2 Kor 8,9). 1880 ANHANG Neben der Armut im rein materiellen Bereich gibt es auch die Armut im Sinne des Mangels an Freiheit und geistigen Gütern; sie ist besonders schwerwiegend, wenn die religiöse Freiheit mit Gewalt unterdrückt wird. Die Kirche muß in prophetischer Weise jede Form der Armut und der Unterdrückung anklagen und die grundlegenden wie unveräußerlichen Rechte der menschlichen Person überall verteidigen und fördern. Dies gilt besonders für das menschliche Leben, was vom Anfang an zu schützen ist, in allen Umständen gegen Angreifer zu verteidigen und in jeder Hinsicht wahrhaft zu fördern ist. Die Synode drückt ihre Solidarität mit den Brüdern und Schwestern aus, die wegen ihres Glaubens und wegen ihres Einsatzes für die Gerechtigkeit Verfolgung leiden und schließt sie in ihre Gebete vor Gott ein. Wir müssen die Heilssendung der Kirche in bezug auf die Welt ganzheitlich sehen. Obgleich die Sendung der Kirche geistlicher Art ist, schließt sie doch auch die menschliche Entwicklung im säkularen Bereich ein. Aus diesem Grunde kann man die kirchliche Sendung nicht auf einen Monismus, wie immer man ihn auch verstehen will, reduzieren. In dieser Sendung gibt es eine gesunde Unterscheidung, jedoch keineswegs Trennung, zwischen den natürlichen Aspekten und jenen der Gnade. Diese Zweiheit ist jedoch kein Dualismus. Falsche und unnütze Gegensätze wie z. B. zwischen geistlicher Sendung und Dienst an der Welt sind abzulegen bzw. zu überwinden. 7. Vorschläge Da die Welt in ständiger Entwicklung ist, müssen die Zeichen der Zeit immer wieder neu analysiert werden, damit die Botschaft des Evangeliums klarer verstanden wird und das Wirken der Kirche am Heil der Welt intensiver und lebendiger wird. In diesem Zusammenhang sollte erneut erwogen werden, was die folgenden Punkte bedeuten und wie sie in die Praxis überführt werden können: a) Die Theologie des Kreuzes und des Ostergeheimnisses in Predigt, Sakramenten und kirchlichem Leben unserer Zeit; b) Theologie und Praxis der Inkulturation sowie Dialog mit den nichtchristlichen Religionen und den Nichtglaubenden; c) Bedeutung der Option für die Armen; d) Die Soziallehre der Kirche in ihrem Verständnis zur menschlichen Entwicklung unter immer neuen Umständen. Zum Schluß dieser Zusammenkunft sagt die Synode aus innerstem Her- 1881 ANHANG zen Gott dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist Dank für die größte Gnade unseres Jahrhunderts, das Zweite Vatikanische Konzil. Sie dankt aber auch für die geistliche Erfahrung dieser Feier des 20jährigen Gedenkens, welche unsere Herzen mit Freude und Hoffnung erfüllte, wenn auch unter den Bedrängnissen und Ängsten unserer Zeit. Wie seinerzeit die mit Maria im Abendmahlssaal versammelten Apostel lehrte uns der Heilige Geist, was er der Kirche auf ihrem Weg ins dritte Jahrtausend sagen wollte. Wir Bischöfe alle, zusammen mit und unter Petrus, versprechen, das Zweite Vatikanische Konzil tiefer zu begreifen und in die Praxis der Kirche zu überführen, wie es auf dieser Synode unser Anliegen war. Wir haben das Konzil gefeiert und geprüft und wollen es voranbringen. Die Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils, die schon von der ganzen Kirche mit großer Zustimmung aufgenommen worden ist, ist und bleibt eine Magna Charta für künftige Zeiten. Es möge schließlich für unsere Zeit jenes „neue Pfingstfest“ geschehen, von dem schon Papst Johannes XXIII. sprach und welches wir mit allen Gläubigen vom Heiligen Geiste erwarten. Auf die Fürsprache Mariens, der Mutter der Kirche, bewirke der Heilige Geist, daß am Ende dieses Jahrhunderts „die Kirche unter dem Wort Gottes das Geheimnis Christi für das Heil der Welt feiert“. „Die Droge — zum Übel paßt kein Nachgeben“ Intervention des Beobachters des Hl. Stuhls, Msgr. Giovanni Ceirano, bei der 31. Sitzungsperiode der UNO-Kommission für Narkotika am 13. Februar Herr Vorsitzender! Ich möchte das Wort ergreifen, um die Überlegungen und die Sorge des Hl. Stuhls hinsichtlich des sehr ernsten Problems zum Ausdruck zu bringen, das von dieser 31. Sitzung der Kommission über Narkotika behandelt wird. Das Phänomen des steigenden Gebrauchs und Mißbrauchs von Narkotika und Psychopharmaka hat Dimensionen angenommen, die jeder verantwortungsbewußte Mensch als tragisch bezeichnen muß. Besonders ernst 1882 ANHANG zu nehmen ist die Tatsache, daß das Problem vor allem Tausende von Jugendlichen betrifft und daher schwerste Auswirkungen und Folgen für die Zukunft der Gesellschaft nach sich zieht. Ich habe nicht die Absicht, die zahlreichen, sich gegenseitig ergänzenden Aspekte dieser Frage zu behandeln, die offensichtlich sehr weitreichend und verwickelt ist. Es sei mir nur gestattet, an die Tatsache zu erinnern, daß Papst Johannes Paul II. wie auch verschiedene Bischofskonferenzen der katholischen Welt wiederholt über diesen Gegenstand gesprochen haben. Meine Absicht ist nur, einige Überlegungen und praktische Vorschläge vorzulegen. Leugnung eines göttlichen Gesetzes Nach Ansicht vieler Experten besteht kein Zweifel, daß das Drogenphänomen mit einer allgemeinen Gesellschaftskrise und einem großen Mißbehagen im Zusammenhang steht. Warum nehmen so viele junge Menschen Drogen? Eine der hauptsächlichen Antworten - und eine, die die Pflichten der Erzieher und der Verantwortlichen in der Gesellschaft betrifft - ist, daß dieses Verhalten die Ablehnung eines Gesellschaftsmodells ausdrückt, das nicht in der Lage ist, dem Leben einen gültigen Sinn anzubieten oder starke Beweggründe, Verpflichtungen einzugehen. Der Drogenkonsum stellt eine Auffassung vom Menschen und von der Kultur in Frage, die zu wenig Ideale aufweist; er stellt paradoxerweise den permissiven Lebensstil, die materialistische Mentalität und die Konsumgesellschaft in Frage, Einstellungen also, die wesentliche Elemente und echte Bestrebungen der menschlichen Person verkennen oder nicht beachten. Es heißt also keineswegs, dem Problem ausweichen, wenn man vom Drogenphänomen als einer Krise der Moral und des Geistes spricht. Es heißt vielmehr, den Finger auf eine Wunde zu legen, die unser aller Aufmerksamkeit fordert. Der Drogenkonsum ist wirklich ein Alarmsignal für unsere ganze Gesellschaft und für die menschliche Zivilisation. Und in diese Krise, in dieses Vakuum, diesen Zustand mangelnder Vorbereitung seitens der Gesellschaft gegenüber diesem Problem hat sich, um die eigenen niedrigen Ziele zu verfolgen, „eine gigantische Verschwörung der hohen Finanz mitleidslos und grausam“ eingeschlichen (vgl. Intervention von P. Pedro Arrupe SJ bei der Bischofssynode 1980). Jeder weiß, daß der Drogenhandel heute eines der größten illegalen und kriminellen Geschäfte der Welt ist. Aber er blüht weiter. Es wurde auch noch eine andere Frage aufgeworfen, die das tragische Phänomen des Drogenkonsums erschwert. Ist es möglich, daß in einer internationalen 1883 ANHANG Gesellschaft, die von politischen und militärischen Spannungen gekennzeichnet ist, gewisse Leute versucht sein könnten, die Waffe der Drogen als Mittel zu gebrauchen, um die Gesellschaft zu verunsichern und zu zerstören? Die öffentliche Meinung würde gern über diesen Punkt Gewißheit haben. Eine erste vordringliche Maßnahme muß darin bestehen, die Gründe -und wenn möglich, alle Gründe - für das Phänomen des Drogenkonsums ausfindig zu machen und sie realistisch zu prüfen. Dann wird es nötig sein, mit Entschiedenheit die notwendigen Heilmittel anzuwenden. Papst Johannes Paul II. hat die zu unternehmenden Schritte in folgenden Begriffen zusammengefaßt: Vorbeugung, Bekämpfung des Übels, Rehabilitierung (vgl. Ansprache an den 8. Weltkongreß der therapeutischen Gemeinschaften, 7. September 1984). Vorbeugung, Bekämpfung, Rehabilitierung Alle politischen und sozialen Führer, alle, die sich auf nationaler oder internationaler Ebene mit Erziehung befassen, sind aufgerufen, unverzüglich mit Klarheit und Mut zu handeln. In der erwähnten Ansprache sagte der Papst: „Auf dem Gebiet der Vereinbarungen zwischen den Nationen und den übernationalen Organismen wie in der Gesetzgebung und den getroffenen Maßnahmen auf nationaler Ebene sind strenge Verordnungen unbedingt notwendig, die dem ruchlosen Drogenhandel schon am Anfang den Mut nehmen und gleichzeitig andere Verfügungen, die für die Wiederherstellung derer bestimmt sind, die sich in diese schmerzliche Versklavung verstrickt haben.“ Dankbar stellen wir fest, daß einige Regierungen und Institutionen beispielhafte Maßnahmen getroffen haben. Mit Bewunderung erkennen wir die kompetente Arbeit und opfervolle Hingabe derer an, die sich der Wiedereingliederung der Drogenabhängigen widmen, und besonders auch die Hilfeleistung der in diesem Bereich tätigen Gemeinschaften und der verschiedenen freiwilligen Gruppen. Wir müssen aber auch denen Gehör schenken, die noch beklagen, daß auf dem Gebiet der Vorbeugung, Bekämpfung und Rehabilitierung noch zuviel Trägheit, Oberflächlichkeit und Furcht herrscht, so daß das Problem nicht an den Wurzeln zu fassen ist und keine dem Ernst der Situation entsprechenden Maßnahmen getroffen werden können. Wie Papst Johannes Paul II. gesagt hat, ist „die Droge ein Übel, und zum Übel paßt kein Nachgeben: Nicht nur, daß die wenn auch nur teilweisen Legalisierungen zumindest fragwürdig sind in bezug auf die Natur des 1884 ANHANG Gesetzes, sie ereichen auch nicht die Wirkungen, die man sich zum Ziel gesetzt hatte“ (a. a. O.). Es bleibt noch viel zu tun. Der Hl. Stuhl möchte den kompetenten und wirksamen Einsatz aller Regierungen und internationalen Körperschaften erbitten und zur Arbeit auf diesem heiklen Gebiet anspornen, das zum Schutz und zur Förderung des Menschen, vor allem des jungen, gereicht und dem Aufbau einer wahrhaft menschlichen Gesellschaft dient. Wenn auf das gehört wird, was so viele junge Menschen in ihren tragischen und angstvollen Appellen zu sagen versuchen, dann mag dieses tödliche Phänomen des Drogenmißbrauchs schließlich sogar eine positive Bedeutung für unsere Zeit gehabt haben: Paradoxerweise wird es ein Zeichen der Hoffnung werden, ein lebenweckender Ansporn zum Wandel, der alle Männer und Frauen guten Willens einbeziehen muß. Herr Vorsitzender, ich danke Ihnen. Hinweise für eine richtige Darstellung von Juden und Judentum in der Predigt und in der Katechese der katholischen Kirche Vatikanische Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum im Sekretariat für die Einheit der Christen vom 24. Juni Vorüberlegungen Papst Johannes Paul II. hat am 6. März 1982 den Delegierten der Bischofskonferenzen und den anderen Experten, die sich in Rom versammelt hatten, um die Beziehungen zwischen Kirche und Judentum zu studieren, gesagt: „Sie haben sich bei Ihrer Tagung Gedanken gemacht über den katholischen Unterricht und die Katechese im Hinblick auf die Juden und das Judentum . . . Man muß dahin gelangen, daß dieser Unterricht auf den verschiedenen Ebenen der religiösen Bildung, in der Katechese für Kinder und Jugendliche die Juden und das Judentum nicht nur aufrichtig und objektiv, ohne jedes Vorurteil und ohne jemanden zu beleidigen vorstellt, sondern darüber hinaus mit einem lebendigen Bewußtsein für das (Juden und Christen) gemeinsame Erbe.“ 1885 ANHANG In diesem inhaltlich so dichten Text hat sich der Papst offensichtlich von der Konzilserklärung Nostra Aetate, Nr. 4, leiten lassen, wo es heißt: „Darum sollen alle dafür Sorge tragen, daß niemand in der Katechese oder bei der Predigt des Gotteswortes etwas lehre, das mit der evangelischen Wahrheit und dem Geiste Christi nicht in Einklang steht.“ Ebenso von den Worten: „Da also das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, will die Heilige Synode die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern . . .“ Das dritte Kapitel der „Richtlinien und Hinweise für die Durchführung der Konzilserklärung Nostra Aetate, Nr. 4“, worin unter dem Titel „Lehre und Erziehung“ eine Reihe konkreter Maßnahmen aufgezählt wird, schließt dementsprechend mit folgender Empfehlung: „Die notwendige Information über diese Fragen betrifft alle Ebenen der christlichen Lehre und Bildung. Unter den Mitteln dieser Information sind die folgenden von besonderer Bedeutung: - Handbücher der Katechese; - Geschichtswerke; - Medien der Massenkommunikatin (Presse, Radio, Film, Fernsehen). Die wirksame Verwendung dieser Mittel setzt eine vertiefte Ausbildung der Lehrer und Erzieher in den Schulen, Seminaren und Universitäten voraus“ (AAS 77, 1975, 78). Diesem Zweck wollen die folgenden Abschnitte dienen. I. Religionsunterricht und Judentum 1. In der Erklärung Nostra Aetate, Nr. 4, spricht das Konzil von dem „Band“, das (Juden und Christen) geistlich verbindet, und von dem beiden „gemeinsamen reichen geistlichen Erbe“. Ferner betont das Konzil, daß die Kirche anerkennt, daß entsprechend der Absicht Gottes, „die Anfänge ihres Glaubens und ihre Erwählung sich schon bei den Patriarchen, bei Moses und den Propheten finden“. 2. Es existieren einzigartige Beziehungen zwischen dem Christentum und dem Judentum: Beide sind „auf der Ebene ihrer eigenen Identität verbunden“ (Johannes Paul II. am 6. März 1982), und diese Beziehungen „gründen sich auf den Plan des Bundesgottes“ (ebd.). Deshalb sollten Juden und Judentum in Katechese und Predigt nicht einen gelegentlichen Platz am Rande bekommen; vielmehr muß ihre unverzichtbare Gegenwart in die Unterweisung eingearbeitet werden. 1886 ANHANG 3. Dieses Interesse für das Judentum in der katholischen Unterweisung hat nicht bloß eine historische oder archäologische Grundlage. In seiner oben zitierten Rede hat der Papst aufs neue das „beachtliche gemeinsame Erbe“ von Kirche und Judentum erwähnt und dazu gesagt: „Eine Bestandsaufnahme dieses Erbes bei uns selbst, aber auch die Berücksichtigung des Glaubens und religiösen Lebens des jüdischen Volkes, wie sie noch jetzt bekannt und gelebt werden, können dazu beitragen, bestimmte Aspekte der Kirche besser zu verstehen“ (Hervorhebung hinzugefügt). Es geht also darum, sich eine stets lebendige Wirklichkeit, die zur Kirche in enger Beziehung steht, seelsorglich angelegen sein zu lassen. Der Papst hat diese bleibende Wirklichkeit des jüdischen Volkes in seiner Ansprache an die Vertreter der jüdischen Gemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland am 17. November 1980 in Mainz mit einer bemerkenswerten theologischen Formulierung dargestellt: „... das Gottesvolk des von Gott nie gekündigten Alten Bundes . ..“ 4. Schon an dieser Stelle muß an den Text erinnert werden, mit dem die „Richtlinien und Hinweise“ die Grundbedingungen des Dialogs umschreiben wollten. In der Einleitung wird von der „Verpflichtung zu einem besseren gegenseitigen Verstehen und einer neuen gegenseitigen Hochschätzung“ gesprochen, ebenso von der Kenntnis der „grundlegenden Komponenten der religiösen Traditionen des Judentums“ und von dem Lernen der „Grundzüge der Wirklichkeit der Juden nach ihrem eigenen Verständnis“. 5. Die Besonderheit und die Schwierigkeit des christlichen Unterrichts über Juden und Judentum bestehen vor allem darin, daß dieser Unterricht die Bestandteile mehrerer Begriffspaare gleichzeitig handhaben muß, in denen sich die Beziehung zwischen den beiden Heilsordnungen des Alten und des Neuen Testaments ausdrückt: Verheißung und Erfüllung, Fortdauer und Neuheit, Besonderheit und Allgemeinheit, Einzigartigkeit und Vorbildlichkeit. Es ist wichtig, daß der Theologe oder Katechet, der diese Dinge behandelt, sich darum bemüht, schon in seiner Unterrichtspraxis zeigt, daß - die Verheißung und die Erfüllung einander gegenseitig erhellen; - die Neuheit in einem Gestaltwandel dessen besteht, was vorher war; - die Besonderheit des Volkes des Alten Testamentes nicht exclusiv, sondern - in der Sicht Gottes - auf eine universale Ausdehnung hin offen ist; 1887 ANHANG - die Einzigartigkeit eben dieses jüdischen Volkes im Hinblick auf eine Vorbildhaftigkeit besteht. 6. Schließlich „würden die Ungenauigkeit und die Mittelmäßigkeit auf diesem Gebiet“ dem jüdisch-christlichen Gespräch „außerordentlich schaden“ (Johannes Paul II„ Rede vom 6. März 1982). Da es aber um Erziehung und Unterricht geht, würden sie vor allem der „eigenen Identität“ der Christen schaden (ebd.). 7. „Kraft ihrer göttlichen Sendung (muß) die Kirche“, die das „allgemeine Hilfsmittel des Heils“ ist, und in der allein sich „die ganze Fülle der Heilsmittel“ findet (Unitatis Redintegratio, 3), „ihrem Wesen nach Jesus Christus der Welt verkünden“ (Richtlinien und Hinweise, I). In der Tat glauben wir, daß wir gerade durch Ihn zum Vater gelangen (vgl. Joh 14,6), und daß „das ewige Leben darin besteht, daß sie dich kennen, dich, den einzigen wahren Gott, und seinen Gesandten, Jesus Christus“ (Joh 17,3). Jesus bekräftigt (Joh 10,16), daß „es nur eine Herde, nur einen Hirten geben wird“. Kirche und Judentum können also nicht als zwei parallele Heilswege dargestellt werden, und die Kirche muß Christus als Erlöser vor allen Menschen bezeugen, und dies im „konsequent durchgehaltenen Respekt gegenüber der religiösen Freiheit des anderen, wie sie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt (in der Erklärung Dignitatis Humanae)“ {Richtlinien und Hinweise, I). 8. Daß es dringend und wichtig ist, unsere Gläubigen genau, objektiv und in strengem Streben nach Richtigkeit über das Judentum zu unterrichten, ergibt sich auch aus der Gefahr eines Antisemitismus, der stets daran ist, unter verschiedenen Gesichtern wieder zu erscheinen. Es geht nicht nur darum, in unseren Gläubigen die Reste von Antisemitismus, die man noch hie und da findet, auszurotten, sondern viel eher darum, mit allen erzieherischen Mitteln in ihnen eine richtige Kenntnis des völlig einzigartigen „Bandes“ (vgl. Nostra Aetate, 4) zu erwecken, das uns als Kirche an die Juden und das Judentum bindet. So würde man unsere Gläubigen lehren, sie zu schätzen und zu heben - sie, die von Gott erwählt worden sind, das Kommen Christi vorzubereiten, und die alles bewahrt haben, was im Laufe dieser Vorbereitung fortlaufend offenbart und gegeben worden ist -, obwohl es für sie schwierig ist, in ihm ihren Messias zu erkennen. 1888 ANHANG II. Beziehungen zwischem Altem) und Neuem Testament 1. Es geht darum, die Einheit der bibüschen Offenbarung (Altes Testament und Neues Testament) und die Absicht Gottes darzustellen, bevor man von jedem einzelnen dieser historischen Ereignisse spricht, um zu unterstreichen, daß jedes davon seinen Sinn nur bekommt, wenn es innerhalb der gesamten Geschichte, von der Schöpfung bis zur Vollendung, betrachtet wird. Diese Geschichte geht das ganze Menschengeschlecht und besonders die Gläubigen an. Auf diese Weise tritt der endgültige Sinn der Erwählung Israels erst im Lichte der eschatologischen Vollerfüllung zutage (Röm 9-11), und so wird die Erwählung in Jesus Christus im Hinblick auf die Verkündigung und die Verheißung noch besser verstanden (vgl. Hebr 4,1-11). 2. Es handelt sich um einzelne Ereignisse, die eine einzelne Nation betreffen, die aber in der Schau Gottes, der seine Absicht enthüllt, dazu bestimmt sind, eine universale und exemplarische Bedeutung zu erhalten. Es geht außerdem darum, die Ereignisse des Alten Testamentes nicht als Ereignisse darzustellen, die nur die Juden betreffen; sie betreffen vielmehr auch uns persönlich. Abraham ist wirklich der Vater unseres Glaubens (vgl. Röm 4,1 lf.); Römischer Kanon: patriarchae nostri Abrahae). Es heißt auch (2 Kor 10,1): „Unsere Väter sind alle unter der Wolke gewesen, sie alle sind durchs Meer gezogen.“ Die Erzväter, die Propheten und anderen Persönlichkeiten des Alten Testaments wurden und werden immerdar in der liturgischen Tradition der Ostkirche wie auch der lateinischen Kirche als Heilige verehrt. 3. Aus der Einheit des göttlichen Planes ergibt sich das Problem der Beziehungen zwischen dem Alten und dem Neuen Testament. Schon zur Zeit der Apostel (vgl. 1 Kor 10,11; Hebr 10,1) und dann beständig in der Tradition hat die Kirche dieses Problem vor allem mit Hilfe der Typologie gelöst; damit wird die grundlegende Bedeutung unterstrichen, welche das Alte Testament in christlicher Sicht haben muß. Allerding erweckt die Typologie bei vielen Unbehagen; das ist vielleicht ein Zeichen dafür, daß das Problem nicht gelöst ist. ') Im Text wird der Ausdruck „Altes Testament“ weiterhin verwendet, weil er traditionell ist (vgl. schon 2 Kor 3,14), aber auch, weil „alt“ weder „verjährt“ noch „überholt“ bedeutet. Auf jeden Fall ist es der bleibende Wert des Alten Testamentes als Quelle der christlichen Offenbarung, der hier unterstrichen werden soll (vgl. Del Verbum, 3). 1889 ANHANG 4. Man wird also bei der Anwendung der Typologie, deren Lehre und Handhabung wir von der Liturgie und den Kirchenvätern übernommen haben, wachsam darauf achten, jeden Übergang vom Alten zum Neuen Testament zu vermeiden, der nur als Bruch angesehen werden kann. In der Spontaneität des Geistes, der sie beseelt, hat die Kirche die Einstellung Markions <259>) energisch verurteilt und sich seinem Dualismus stets entgegengestellt. <259>) Ein Gnostiker des 2. Jahrhunderts, der das Alte Testament und einen Teil des Neuen als Werk eines bösen Gottes (eines Demiurgen) verwarf. Die Kirche hat auf diese Häresie kräftig reagiert (vgl. Irenäus). 5. Es ist auch wichtig zu unterstreichen, daß die typologische Interpretation darin besteht, das Alte Testament als Vorbereitung und in gewisser Hinsicht als Skizze und Voranzeige des Neuen zu lesen (vgl. z.B. Hebr 5,5-10 usw.). Christus ist nunmehr der Bezugspunkt und Schlüssel der Schriften: „Der Fels war Christus“ (I Kor 10,4). 6. Es ist also wahr und muß auch unterstrichen werden, daß die Kirche und die Christen das Alte Testament im Lichte des Ereignisses von Tod und Auferstehung Christi lesen, und daß es in dieser Hinsicht eine christliche Art, das Alte Temstament zu lesen, gibt, die nicht notwendigerweise mit der jüdischen zusammenfällt. Christliche Identität und jüdische Identität müssen deshalb in ihrer je eigenen Art der Bibellektüre sorgfältig unterschieden werden. Dies verringert jedoch in keiner Weise den Wert des Alten Testaments in der Kirche und hindert die Christen nicht daran, ihrerseits die Traditiöne der jüdischen Lektüre differenziert und mit Gewinn aufzunehmen. 7. Die typologische Lektüre zeigt erst recht die unergründlichen Schätze des Alten Testaments, seinen unerschöpflichen Inhalt und das Geheimnis, dessen es voll ist. Diese Leseweise darf nicht vergessen lassen, daß das Alte Testament seinen Eigenwert als Offenbarung behält, die das Neue Testament oft nur wieder aufnimmt (vgl. Mk 12,29-31). Übrigens will das Neue Testament selber auch im Lichte des Alten gelesen werden. Auf dieses nimmt die ursprüngliche christliche Katechese ständig Bezug (vgl. z.B. 1 Kor 5,6-8; 10-11). 8. Die Typologie bedeutet ferner die Projektion auf die Vollendung des göttlichen Plans, wenn „Gott alles in allem ist“ (I Kor 15,28). Das gilt 1890 ANHANG auch für die Kirche, die zwar in Christus schon verwirklicht ist, aber nichtsdestoweniger ihre endgültige Vervollkommnung als Leib Christi erwartet. Die Tatsache, daß der Leib Christi immer noch seiner vollkommenen Gestalt zustrebt (vgl. Eph 4,12f.), nimmt dem Christsein nichts von seinem Wert. So verlieren auch die Berufung der Erzväter und der Auszug aus Ägypten ihre Bedeutung und ihren Eigenwert im Plan Gottes nicht dadurch, daß sie gleichzeitig auch Zwischenetappen sind (vgl. Nostra Aetate, 4). 9. Der Exodus beispielsweise steht für eine Erfahrung von Heil und Befreiung, die nicht in sich seist beendet ist, sondern außer ihrem Eigenwert die Fähigkeit zu späterer Entfaltung in sich trägt. Heil und Befreiung sind in Christus bereits vollendet und verwirklichen sich schrittweise durch die Sakramente in der Kirche. Auf diese Weise bereitet sich die Erfüllung des göttlichen Planes vor, die ihre endgültige Vollendung mit der Wiederkunft Jesu als Messias, worum wir täglich beten, findet. Das Reich Gottes, um dessen Herankunft wir ebenfalls täglich beten, wird endlich errichtet sein. Dann werden Heil und Befreiung die Erwählten und die gesamte Schöpfung in Christus verwandelt haben (vgl. Röm 8,19-23). 10. Wenn man die eschatologische Dimension des Christentums unterstreicht, wird man sich darüber hinaus dessen noch klarer bewußt, daß -wenn man die Zukunft betrachtet - das Gottesvolk des Alten und des Neuen Bundes analogen Zielen zustrebt: nämlich der Ankunft oder der Wiederkunft des Messias - auch wenn die Blick- und Ausgangspunkte verschieden sind. Man legt sich dann auch klarer Rechenschaft darüber ab, daß die Person des Messias, an der das Volk Gottes sich spaltet, auch der Punkt ist, in dem es zusammentrifft (vgl. Sussidi per l’ecumenismo della Diocesi di Roma, 1982, 140). So kann man sagen, daß Juden und Christen einander in einer vergleichbaren Hoffnung begegnen, die sich auf dieselbe Verheißung an Abraham gründet (vgl. Gen 12,1-3; Hebr 6,13-18). <260> <260> Aufmerksam horchend auf denselben Gott, der gesprochen hat, hangend am selben Wort, haben wir ein gleiches Gedächtnis und eine gemeinsame Hoffnung auf Ihn, der der Herr der Geschichte ist, zu bezeugen. So müßten wir unsere Verantwortung dafür wahmehmen, die Welt auf die Ankunft des Messias vorzubereiten, indem wir miteinander für soziale Gerechtigkeit und für Respektierung der Rechte der menschli- 1891 ANHANG chen Person und der Nationen zur gesellschaftlichen und internationalen Versöhnung wirken. Dazu drängt uns, Juden und Christen, das Gebot der Nächstenliebe, eine gemeinsame Hoffnung auf das Reich Gottes und das große Erbe der Propheten. Wenn sie von der Katechese frühzeitig genug vermittelt wird, könnte eine solche Auffassung die jungen Christen konkret dazu erziehen, mit den Juden zusammenzuarbeiten und so über den bloßen Dialog hinauszugelangen (vgl. Richtlinien, IV). III. Jüdische Wurzeln des Christentums 12. Jesus war Jude und ist es immer geblieben; seinen Dienst hat er freiwillig auf „die verlorenen Schafe des Hauses Israel“ (Mt 15,24) beschränkt. Jesus war voll und ganz ein Mensch seiner Zeit und seines jüdisch-palästinischen Milieus des 1. Jahrhunderts, dessen Ängste und Hoffnungen er teilte. Damit wird die Wirklichkeit der Menschwerdung wie auch der eigentliche Sinn der Heilsgeschichte nur noch unterstrichen, wie er uns in der Bibel offenbart worden ist (vgl. Rom 1,3 f.; Gal 4,4 f.). 13. Das Verhältnis Jesu zum biblischen Gesetz und seinen mehr oder weniger traditionellen Interpretationen ist zweifelsohne komplex; er hat große Freiheit diesem gegenüber an den Tag gelegt (vgl. die „Antithesen“ der Bergpredigt Mt 5,21-48 - wobei die exegetischen Schwierigkeiten zu berücksichtigen sind -, die Einstellung Jesu zu strenger Beobachtung der Sabbatgesetze Mk 3,1-6 usw.). Es gibt jedoch keinen Zweifel daran, daß er sich dem Gesetz unterwerfen will (vgl. Gal 4,4), daß er beschnitten und im Tempel gezeigt worden ist, wie jeder andere Jude seiner Zeit auch (vgl. Lk 2,21.22-24), und daß er zur Beobachtung des Gesetzes erzogen worden ist. Er predigte den Respekt vor dem Gesetz (vgl. Mt 5,17-20) und forderte dazu auf, demselben zu gehorchen (vgl. Mt 8,4). Der Ablauf seines Lebens war unterteilt durch die Wallfahrten an den Festzeiten, und zwar seit seiner Kindheit (vgl. Lk 2,41-50; Joh 2,13; 7,10 usw.). Man hat oft die Bedeutung des jüdischen Festzyklus im Johannes-Evangelium beachtet (vgl. 2,13; 5,1; 7,2.10.37; 10,22; 12,1; 13,1; 18,28; 19,42 usw.). 14. Es muß auch bemerkt werden, daß Jesus oft in den Synagogen (vgl. Mt 4,23; 9,35; Lk 4,15-18; Joh 18,20 usw.), und im Tempel, den er häufig besuchte (vgl. Joh 18,20 usw.), gelehrt hat. Das taten auch seine Jünger, sogar nach der Auferstehung (vgl. z. B. Apg2,A6-, 3,1; 21,26 usw.). Er hat die Verkündigung seiner Messianität in den Rahmen des Synagogen- 1892 ANHANG Gottesdienstes einordnen wollen (vgl. Lk 4,16-21). Vor allem aber hat er die höchste Tat der Selbsthingabe im Rahmen der häuslichen Pessach-liturgie oder zumindest des Pessachfestes vollbringen wollen (vgl. Mk 14,1-12 par.; Joh 18,28). Dies erlaubt, den Gedächtnischarakter der Eucharistie besser zu verstehen. 15. So ist der Sohn Gottes in einem Volk und einer menschlichen Familie Mensch geworden (vgl. Gal 4,4; Röm 9,5). Das verringert keineswegs die Tatsache, daß er für alle Menschen geboren worden (um seine Wiege stehen die jüdischen Hirten und die heidnischen Magier: Lk 2,8-20; Mt 2,1-12) und für alle gestorben ist (am Fuß des Kreuzes stehen ebenfalls die Juden, unter ihnen Maria und Johannes: Joh 19,25-27, und die Heiden, wie der Hauptmann: Mk 15,39 par.). Er hat so die zwei Völker in seinem Fleisch zu einem gemacht (vgl. Eph 2,14-17). Man kann also die Tatsache erklären, daß es in Palästina und anderwärts mit der „Kirche aus den Völkern“ eine „Kirche aus der Beschneidung“ gegeben hat, von der beispielsweise Eusebius spricht (Historia Ecclesiastica IV, 5). 16. Seine Beziehungen zu den Pharisäern waren nicht völlig und nicht immer polemischer Art. Es gibt zahlreiche Beispiele dafür: - Es sind die Pharisäer, die Jesus vor der ihm drohenden Gefahr warnen (Lk 13,31); - Pharisäer werden gelobt wie der „Schriftgelehrte“ (Mk 12,34); - Jesus ißt mit Pharisäern (Lk 7,36; 14,1). 17. Jesus teilt mit der Mehrheit der damaligen palästinischen Juden pharisäische Glaubenslehren: Die leibliche Auferstehung; die Frömmigkeitsformen wie Wohltätigkeit, Gebet, Fasten (vgl. Mt 6,1-18) und die liturgische Gewohnheit, sich an Gott als Vater zu wenden; den Vorrang des Gebots der Gottes- und der Nächstenhebe (vgl. Mk 12,28-34). Dasselbe trifft auch für Paulus zu (vgl. Apg23,8), der seine Zugehörigkeit zu den Pharisäern immer als Ehrentitel betrachtet hat (vgl. Apg 23,6; 26,5; Phil 3,5). 18. Auch Paulus (wie übrigens Jesus selber) hat Methoden der Schriftlesung, ihrer Interpretationen und Weitergabe an die Schüler verwendet, die den Pharisäern ihrer Zeit gemeinsam waren. Das trifft auch zu für die Verwendung der Gleichnisse im Wirken Jesu, wie auch für Jesu’ und Paulus’ Methode, eine Schlußfolgerung mit einem Schriftzitat zu untermauern. 1893 ANHANG 19. Es muß auch festgehalten werden, daß die Pharisäer in den Passionsberichten nicht erwähnt werden. Gamaliel (vgl. Apg 5,34-39) macht sich in einer Sitzung des Synhedrions zum Anwalt der Apostel. Eine ausschließlich negative Darstellung der Pharisäer läuft Gefahr, unrichtig und ungerecht zu sein (vgl. Richtlinien, Fußnote 1, vgl. AAS, a. a. O., 76). Wenn es in den Evangelien und an anderen Stellen des Neuen Testaments allerhand abschätzige Hinweise auf die Pharisäer gibt, muß man sie vor dem Hintergrund einer komplexen und vielgestaltigen Bewegung sehen. Kritik an verschiedenen Typen von Pharisäern fehlen übrigens in den rabbinischen Quellen nicht (vgl. Babylonischer Talmud, Traktat Sotah 22 b usw.). Das „Pharisäertum“ im negativen Sinn kann in jeder Religion seinen Schaden anrichten. Man kann auch die Tatsache unterstreichen, daß Jesus den Pharisäern gegenüber gerade deshalb streng ist, weil er ihnen nähersteht als den anderen Gruppen im zeitgenössischen Judentum (s.o. Nr. 17). 20. All dies sollte Paulus’ Feststellung (Rom 11,16 ff.) über die „Wurzel“ und die „Zweige“ besser verstehen helfen. Kirche und Christentum, neu wie sie sind, finden ihren Ursprung im jüdischen Milieu des 1. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung und - noch tiefer - im „Geheimnis Gottes“ (Nostra Aetate, 4), das in den Erzvätern, Mose und den Propheten (ebd.) bis zu ihrer Vollendung in Jesus, dem Christus, verwirklicht ist. <261> <261> Die Juden im Neuen Testament 21. In den „Richtlinien“ wurde bereits (Anmerkung 1) gesagt, daß „der Ausdruck ,die Juden1 im Johannesevangelium im Kontext bisweilen die ,Führer der Juden4 oder ,die Feinde Jesu4 bedeutet. Diese Ausdrücke sind eine bessere Übersetzung des Gedankens des Evangelisten, wobei der Anschein vermieden wird, als sei hier das jüdische Volk als solches gemeint.“ Eine objektive Darstellung der Rolle des jüdischen Volkes im Neuen Testament muß folgende verschiedene Gegebenheiten berücksichtigen: A. Die Evangelien sind das Ergebnis eines langen und komplizierten Redaktionsprozesses. Die dogmatische Konstitution „Dei Verbum“ folgt der Instruktion „Sancta Mater Ecclesia“ der päpstlichen Bibelkommission und unterscheidet darin drei Etappen: „Die biblischen Verfasser aber haben die vier Evangelien redigiert, indem sie einiges aus dem vielen auswählten, das mündlich oder auch schon schriftlich überliefert war, indem sie anderes zu Überblicken zusammenzogen oder im Hinblick auf 1894 ANHANG die Lage in den Kirchen verdeutlichten, indem sie schließlich die Form der Verkündigung beibehielten, doch immer so, daß ihre Mitteilungen über Jesus wahr und ehrlich waren“ (Nr. 19). Es ist also nicht ausgeschlossen, daß gewisse feindselige oder wenig schmeichelhafte Erwähnungen der Juden im historischen Zusammenhang der Konflikte zwischen der entstehenden Kirche und der jüdischen Gemeinde stehen. Gewisse Polemiken spiegeln Bedingungen wider, unter denen die Beziehungen zwischen Juden und Christen sehr lange nach Jesus bestanden. Die Feststellung bleibt von grundlegender Bedeutung, wenn man den Sinn gewisser Evangelientexte für die Christen von heute herausarbeiten will. All dies muß man in Betracht ziehen, wenn man die Katechesen und Homilien für die letzten Wochen der Fastenzeit und die heilige Woche vorbereitet (vgl. schon Richtlinien II, und jetzt auch Sussidi per l’ecume-nismo della Diocesi di Roma, 1982, 142 b). B. Auf der anderen Seite ist es klar, daß es vom Anfang seiner Sendung an Konflikte zwischen Jesus und gewissen Gruppen von Juden seiner Zeit, darunter auch den Pharisäern, gegeben hat (vgl. Mk2,1-11.24; 3,6 usw.). C. Es besteht ferner die schmerzliche Tatsache, daß die Mehrheit des jüdischen Volkes und seine Behörden nicht an Jesus geglaubt haben. Diese Tatsache ist nicht nur historisch; sie hat vielmehr eine theologische Bedeutung, deren Sinn herauszuarbeien Paulus bemüht ist {Röm 9-11). D. Diese Tatsache, die sich mit der Entwicklung der christlichen Mission, namentlich unter den Heiden, immer mehr verschärfte, hat zum unvermeidlichen Bruch zwischen dem Judentum und der jungen Kirche geführt, die seither - schon auf der Ebene des Glaubens - in nicht aufzuhebender Trennung auseinanderstreben; die Redaktion der Texte des Neuen Testaments, besonders der Evangelien, spiegelt diese Lage wider. Es kann nicht davon die Rede sein, diesen Bruch zu verringern oder zu verwischen; das könnte der Identität der einen wie der anderen nur schaden. Dennoch hebt dieser Bruch sicher nicht das geistliche „Band“ auf, wovon das Konzil spricht (Nostra Aetate, 4) und wovon wir hier einige Dimensionen ausarbeiten wollen. E. Wenn die Christen sich hierüber Gedanken machen, und zwar im Lichte der Schrift und besonders der zitierten Kapitel des Römerbriefs, dürfen sie nie vergessen, daß der Glaube eine freie Gabe Gottes ist (vgl. Röm 9,12) und das Gewissen eines Mitmenschen sich dem Urteil entzieht. Paulus’ Ermahnung, der „Wurzel“ gegenüber nicht „in Hochmut zu verfallen“ (Röm 11,18), tritt hier sehr anschauüch hervor. 1895 ANHANG F. Man kann die Juden, die Jesus gekannt und nicht an ihn geglaubt oder der Predigt der Apostel Widerstand geleistet haben, nicht mit den späteren und den heutigen Juden gleichsetzen. Während die Verantwortlichkeit jener ein Geheimnis Gottes bleibt (vgl. Rom 11,25), sind diese in einer völlig anderen Lage. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt (Erklärung Dignitatis Humanae über die Religionsfreiheit), daß „alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang . . . , so daß in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, . . . nach seinem Gewissen zu handeln“ (Nr. 2). Dies ist eine der Grundlagen, worauf der vom Konzil geförderte jüdisch-christliche Dialog beruht. 22. Das heikle Problem der Verantwortlichkeit für Christi Tod muß in der Sichtweise von Nostra Aetate, Nr. 4 und der Richtlinien und Hinweise III betrachtet werden. Was während der Passion begangen worden ist, kann man - so Nostra Aetate, Nr. 4 - „weder allen damals lebenden Juden ohne Unterschied noch den heutigen Juden zur Last legen, obgleich die jüdischen Obrigkeiten mit ihren Anhängern auf den Tod Christi gedrungen haben“. Weiterhin: „Christus hat... in Freiheit, um der Sünden aller Menschen willen, sein Leiden und seinen Tod aus unendlicher Liebe auf sich genommen.“ Der Katechismus des Konzils von Trient lehrt im übrigen, daß die sündigen Christen mehr Schuld am Tode Christi haben als die paar Juden, die dabei waren; diese „wußten“ in der Tat „nicht, was sie taten“ (Lk 23,24), während wir unsererseits es nur zu gut wissen (Pars 1, caput V, Quaestio XI). Auf derselben Linie und aus demselben Grund „dürfen die Juden nicht als von Gott verworfen oder verflucht dargestellt werden, als wäre dies aus der Heiligen Schrift zu folgern“ (Nostra Aetate, 4), auch wenn es wahr ist, daß „die Kirche das neue Volk Gottes ist“ (ebd.). <262> <262> Die Liturgie 23. Juden und Christen finden in der Bibel die ganze Substanz ihrer Liturgie: für die Verkündigung des Wortes Gottes, die Antwort auf dieses Wort, das Lobgebet und die Fürbitte für die Lebenden und für die Toten, die Zuflucht zum göttlichen Erbarmen. Der Wortgottesdienst hat in seinem Aufbau seinen Ursprung im Judentum. Das Stundengebet und andere liturgische Texte und Formulare haben ihre Parallelen im Judentum genauso wie die Wendungen unserer verehrungswürdigen Gebete, darunter das Vaterunser. Die eucharistischen Gebete lehnen sich eben- 1896 ANHANG falls an Vorbilder der jüdischen Tradition an. Wie Johannes Paul II. {Ansprache am 6. März 1982) es sagte: „Der Glaube und das religiöse Leben des jüdischen Volkes, wie sie noch jetzt bekannt und gelebt werden, können dazu beitragen, bestimmte Aspekte des Lebens der Kirche besser zu verstehen. Das ist der Fall in der Liturgie . . .“ 24. Dies zeigt sich besonders in den großen Festen des liturgischen Jahres, wie z. B. Ostern. Christen und Juden feiern das Pascha: das Pascha der Geschichte, in der Spannung auf die Zukunft hin, bei den Juden; im Tod und in der Auferstehung Christi vollendetes Pascha bei den Christen, wenn auch immer in der Erwartung der endgültigen Erfüllung (s. o. Nr. 9). Auch das „Gedächtnis“, mit spezifischem, in jedem einzelnen Fall verschiedenem Inhalt, kommt aus der jüdischen Tradition zu uns. Es gibt also auf beiden Seiten eine vergleichbare Dynamik. Für die Christen gibt sie der Eucharistiefeier ihre Sinnrichtung (vgl. die Antiphon O sacrum convivium): Sie ist eine Paschafeier und als solche eine Aktualisierung der Vergangenheit, aber gelebt in der Erwartung, „bis er kommt“ (i Kor 11,26). VI. Judentum und Christentum in der Geschichte 25. Die Geschichte Israels ist mit dem Jahr 70 nicht zu Ende (vgl. Richtlinien, III). Sie wird sich fortsetzen, besonders in einer zahlreichen Diaspora, die es Israel erlaubt, das oft heldenhafte Zeugnis seiner Treue zum einzigen Gott in die ganze Welt zu tragen und „ihn im Angesicht aller Lebenden zu verherrlichen“ ( Tob 13,4) und dabei doch die Erinnerung an das Land der Väter im Herzen seiner Hoffnungen zu bewahren (Pessach seder). Die Christen sind dazu aufgefordert, diese religiöse Bindung zu verstehen, die in der biblischen Tradition tief verwurzelt ist. Sie sollten sich jedoch deswegen nicht eine besondere religiöse Interpretation dieser Beziehung zu eigen machen (vgl. die Erklärung der Katholischen Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten vom 20. November 1975). Was die Existenz und die politischen Entscheidungen des Staates Israel betrifft, so müssen sie in einer Sichtweise betrachtet werden, die nicht in sich selbst religiös ist, sondern sich auf die allgemeinen Grundsätze internationalen Rechts beruft. Der Fortbestand Israels (wo doch so viele Völker des Altertums spurlos verschwunden sind) ist eine historische Tatsache und ein Zeichen im Plan Gottes, das Deutung erheischt. Auf jeden Fall muß man sich von der 1897 ANHANG traditionellen Auffassung freimachen, wonach Israel ein bestraftes Volk ist, aufgespart als lebendes Argument für die christliche Apologetik. Es bleibt das auserwählte Volk, der gute Ölbaum, in den die Heiden als wilde Schößlinge eingepropft sind (Johannes Paul II. am 6. März 1982, unter Anspielung auf Röm 11,17-24). Man wird in Erinnerung rufen, wie negativ die Bilanz der Beziehungen zwischen Juden und Christen während zwei Jahrtausenden gewesen is. Man wird heraussteilen, von wie großer ununterbrochener geistiger Schöpferkraft diese Fortdauer Israels begleitet ist - in der rabbinischen Epoche, im Mittelalter und in der Neuzeit -, ausgehend von einem Erbe, das wir lange Zeit gemeinsam hatten, und zwar so sehr gemeinsam, daß „der Glaube und das religiöse Leben des jüdischen Volkes,, wie sie noch jetzt bekannt und gelebt werden, . . . dazu beitragen (können), bestimmte Aspekte des Lebens der Kirche besser zu verstehen“ {Johannes Paul II. am 6. März 1982). Auf der anderen Seite müßte die Katechese dazu beitragen, die Bedeutung zu verstehen, welche die Ausrottung der Juden während der Jahre 1939-1945 und deren Folgen für dieselben hat. 26. Erziehung und Katechese müssen sich mit dem Problem des Rassismus befassen, der in den verschiedenen Formen des Antisemitismus immer mitwirkt. Das Konzil hat dieses Problem folgendermaßen dargestellt: „Im Bewußtsein des Erbes, das sie mit den Juden gemeinsam hat, beklagt die Kirche, die alle Verfolgungen gegen irgendwelche Menschen verwirft, nicht aus politischen Gründen, sondern auf Antrieb der religiösen Liebe des Evangeliums alle Haßausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgend jemandem gegen die Juden gerichtet haben“ {Nostra Aetate, 4). Die „Richtlinien“ erläutern dies: „Die geistlichen Bande und die historischen Beziehungen, die die Kirche mit dem Judentum verknüpfen, verurteilen jede Form des Antisemitismus und der Diskriminierung als dem Geist des Christentums widerstreitend, wie sie ja auch bereits aufgrund der Würde der menschlichen Person an und für sich verurteilt sind“ {Einleitung). <263> <263> Schluß 27. Die religiöse Unterweisung, die Katechese und die Predigt müssen nicht nur zu Objektivität, Gerechtigkeit und Toleranz erziehen, sondern zum Verständnis und zum Dialog. Unsere beiden Traditionen sind miteinander so verwandt, daß sie voneinander Kenntnis nehmen müssen. Man 1898 ANHANG muß gegenseitige Kenntnis auf allen Ebenen fördern. Insbesondere ist eine peinliche Unkenntnis der Geschichte und der Traditionen des Judentums festzustellen, deren negative und oft verzerrte Aspekte allein zum allgemeinen Rüstzeug vieler Christen zu gehören scheinen. Dem wollen diese Hinweise abhelfen. So wird es leichter sein, den Text des Konzils und die „Richtlinien und Hinweise“ getreulich in die Praxis umzusetzen. JOHANNES Kardinal WILLEBRANDS, Präsident Pierre DUPREY, Vizepräsident Jorge MEJIA, Sekretär Die Übersetzung des französischen Wortlautes nach: L’Osservatore Romano. Wochenausgabe in deutscher Sprache. Vatikanstadt, Nr. 30-31 vom 26. Juli 1985, 12/., wurde überarbeitet. Religionsfreiheit — konkrete Forderungen Interpellation des Hl. Stuhls auf der KSZE-Konferenz in Ottawa zur Frage der Menschenrechte am 17. Juni Bei der letzten Sitzung am 17. Juni lieferte der Leiter der Delegation des Hl. Stuhls, Msgr. Palmas, folgenden Beitrag: Herr Präsident! 1. Die Art und Weise, in der unsere Expertentagung ohne Schlußdokument zu Ende geht, veranlaßt mich, lebhaftes Bedauern wegen der Nichterreichung eines wesentlichen Einvernehmens zu bekunden, das, in „Schlußfolgerungen und Empfehlungen“ übersetzt, zur besseren Gewährleistung der Beachtung und wirksamen Ausübung der Menschenrechte und Grundfreiheiten in den Teilnehmerländern und zur Zusammenarbeit zwischen ihnen zu diesem Zweck gedient hätte. 1899 ANHANG 2. Dieses Bedauern wird jedoch etwas gemindert von der Tatsache, daß trotz allem die Begegnung von Ottawa, wie alle zugeben, nützlich gewesen ist: Denn indem sie sich zum Echo der tiefen Überzeugung der Völker und Menschen der jeweiligen Länder machten, haben die Delegationen die Bedeutung hervorgehoben, die der Achtung dieser Rechte und Freiheiten beigemessen wird, wobei in diesem Zusammenhang dem Recht auf Religionsfreiheit und der Notwendigkeit, ihre tatsächliche Ausübung besonders in bestimmten Teilnehmerländern besser zu gewährleisten, breiter Raum eingeräumt wurde. 3. Abgesehen von diesem gewiß positiven Aspekt der Tagung ist das Fehlen eines Schlußdokuments ein Zeichen für die Schwierigkeiten, denen wir uns infolge gründlicher Analysen über die Realität der - zivilen und politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen - Menschenrechte in den Teilnehmerländern und aufgrund zahlreicher Vorschläge für „Schlußfolgerungen“ und „Empfehlungen“ verschiedener Bedeutung, die diesbezüglich konkrete Verpflichtungen im Auge hatten, gegenübersahen. Bestimmender Grund für die schwierige Zusammenstellung der verschiedenen Vorschläge war die Tatsache einer unterschiedlichen Auffassung vom Menschen und der Gesellschaft somit einer divergierenden Bewertung der einzelnen Rechte und Freiheiten des Menschen, auch im Verhältnis zu den Rechten der Gesellschaft. Daher die Debatte über den Vorrang der bürgerlichen und politischen oder der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, die sich seit Jahren hinzieht, und das nicht nur im Verlauf der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. 4. Die Delegation des Hl. Stuhls meint jedoch, daß unsere Tagung zugleich einige nützliche Hinweise geboten hat, um die Überwindung der erwähnten Schwierigkeiten zu versuchen. 5. An erster Stelle steht die Fortsetzung des Dialogs über die Menschenrechte. Denn praktisch haben alle Delegationen unterstrichen, daß die „der menschlichen Person innewohnende Würde und ihre gleichen und unveräußerlichen Rechte“ Bezugspunkt der Maßnahmen sind, die unternommen werden müssen, um Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden zu gewährleisten. Statt die Diskussion über den Vorrang der einen oder anderen Art von Menschenrechten fortzusetzen, wäre es in diesem Zusammenhang vielleicht nützlicher, den Dialog auf den Menschen selbst zu konzentrieren und dabei nicht von abstrakten Ideologien, sondern von der Überzeugung auszugehen, daß auf jeden Fall für jeden Menschen auf 1900 ANHANG bestmögliche Weise die tatsächliche Verwirklichung der konkreten Forderungen sichergestellt werden muß, die in jedem Augenblick der Geschichte der erwähnten, jedem Menschen „innewohnenden Würde“ zusteht. Und das, indem den konkreten Umständen der verschiedenen Länder Rechnung getragen wird, deren Behörden dann die entsprechenden Maßnahmen hinsichtlich der einen oder anderen Art dieser Menschenrechte ergreifen müßten: Maßnahmen, die sich nach den Umständen unterscheiden, aber nicht aufgrund der verschiedenen ideologischen Auffassung vom Menschen und von der Gesellschaft, wohl aber im Hinblick auf die realen Notwendigkeiten, auf eine bessere „geschichtliche Verwirklichung“ der Forderungen der allen „innewohnenden Würde“ und in dem Wunsch, wahrhaftig der Sache des Menschen zu dienen, der ja immer in einer Gesellschaft lebt. 6. So gesehen, nimmt dann der Dialog über die Respektierung der Religionsfreiheit eine ganz besondere Bedeutung an. In der Tat entgeht niemandem die vorrangige Bedeutung für die konkrete Verwirklichung der angeborenen Würde, jeder menschlichen Person die Möglichkeit sicherzustellen, freien Gebrauch von ihren vielfältigen Fähigkeiten zu machen, je nach der Weltanschauung, für die sie sich frei, entsprechend den Geboten ihres Gewissens und in Verbundenheit mit allen, die dieselbe Weltanschauung teilen, entschieden hat, und ohne sich gezwungenermaßen nach irgendeiner Interpretation der Gesellschaft, in der sie lebt, richten zu müssen. 7. Seit Beginn des Verlaufs der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat der Hl. Stuhl versucht, die Achtung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten, und konkreter der Religionsfreiheit, zu fördern. Darum hatte unsere Delegation, nachdem sie nicht wenige und nicht leichte Mängel in der Beachtung der letzteren in manchen Ländern aufgedeckt hatte, gehofft, man könne zu einem Schlußdokument der Konferenz von Ottawa gelangen, mit ausdrücklichen Empfehlungen für die bessere Anwendung der in Helsinki und Madrid übernommenen V erpf lichtungen. Konkret, sie hatte eine Empfehlung gewünscht, die die Autoritäten verpflichtet, insbesondere den Glaubensgemeinschaften — darunter einigen katholischen Gemeinschaften des orientalischen Ritus -, die in manchen Ländern noch nicht gesetzlich anerkannt sind, dies zu gewähren. Und außerdem hätte sie eine weitere Empfehlung gewünscht, die den 1901 ANHANG Dialog zwischen den zivilen Autoritäten und den Verantwortlichen der Religionsgemeinschaften für ein besseres Verständnis der konkreten Forderungen der Religionsfreiheit und ihre befriedigendere Verwirklichung in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der internationalen Dokumente, dem gemeinsamen Erbe aller, fördern würde. Unserer Delegation erschien wie auch manchen anderen zudem, daß unter den genannten Forderungen dem Recht der Eltern eine vorrangige Bedeutung zukomme, ihre eigenen religiösen Überzeugungen den Kindern nicht nur in der Familie mitzuteilen, sondern auch durch eine von den religiösen Gemeinschaften, denen sie angehören, erteilte Unterweisung. 8. Nichts von alledem war möglich. Es bleibt jedoch die Notwendigkeit von Verbesserungen auch in bezug auf andere konkrete Forderungen bestehen, die von zahlreichen Delegationen vorgebracht wurden. Auf diese Forderungen war auch in dem Dokument hingewiesen worden, das Papst Johannes Paul II. unmittelbar vor der Konferenz von Madrid im September 1980 an die Staatsoberhäupter aller Teilnehmerländer gerichtet hatte. Es sei unserer Delegation gestattet, dem Wunsch Ausdruck zu geben, daß es der Konferenz von Wien im kommenden Jahr möglich sein wird, merkliche Besserungen festzustellen, die in der Zwischenzeit als Folge ständiger Schritte eingetreten sind, die jetzt in den einzelnen Ländern unternommen werden, um die tatsächliche Ausübung der Religionsfreiheit sowie alle Grundrechte und Grundfreiheiten besser zu gewährleisten. Das würde - dessen sind wir gewiß - dazu beitragen, den Menschen und Völkern sämtlicher Teilnehmerländer neuen Anlaß zu geben, um an den von der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa eingeleiteten Prozeß zu glauben, und wäre eine Möglichkeit, den zehnten Jahrestag der Unterzeichnung der Schlußakte von Helsinki zu feiern. Ich danke Ihnen, Herr Präsident. 1902 ANHANG Die Frauen - Gleichheit der Rechte, der Verantwortung und der Möglichkeiten Rede des Delegationsleiters des Hl. Stuhls, Bischof Paul Josef Cordes, auf der Weltkonferenz über die Frau in Nairobi am 19. Juli Ich nehme gern diese Gelegenheit wahr, um Ihnen, Frau Präsidentin, sowie den Delegationen der auf dieser Versammlung vertretenen Länder die herzlichen Grüße Papst Johannes Pauls II. zu übermitteln. Wie Sie wissen, hat der Heilige Vater wiederholt seine hohe Wertschätzung für die Arbeit bekundet, die von den Vereinten Nationen sowohl in ihrer Gesamtheit als in ihren Sonderkommissionen geleistet wird. Erlauben Sie mir, Ihnen nur die Worte in Erinnerung zu rufen, die er am 13. Mai d. J. an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gerichtet hat: „Der Hl. Stuhl mißt seiner Zusammenarbeit mit der Organisation der Vereinten Nationen und den verschiedenen Körperschaften große Bedeutung bei“ (Nr. 1 in: O.R. dt., 17. 5. 85, S. 11). Und um seine Wertschätzung gegenüber Ihrer Organisation zu unterstreichen, hat der Papst alle Gelegenheiten aufgezählt, bei denen er die eine oder andere dieser Institutionen besuchte, nämlich: - die Vollversammlung der Vereinten Nationen im Oktober 1980; - die FAO in Rom 1979; - die UNESCO in Paris 1980; - das Internationale Arbeitsamt in Genf 1982; - den Sitz der Internationalen Organisationen der Vereinten Nationen in Wien 1983. In seiner Rede fortfahrend fügte der Papst hinzu: „Ich habe mit großer Freude und starker innerer Anteilnahme die Einladung des Vorsitzenden des Internationalen Gerichtshofes angenommen . . . Ich hoffe, daß dieser Besuch klar und deutlich den Umfang sichtbar machen wird, in dem die katholische Kirche die Anstrengungen dieser internationalen Körperschaften unterstützen möchte“ (ebd.). Die Teilnahme einer Delegation des Hl. Stuhles an dieser Konferenz ist — wie es seine Teilnahme an den Konferenzen der Vereinten Nationen in Mexico City und in Kopenhagen gewesen ist — der Ausdruck des lebhaften Interesses, das die Kirche dem von den Vereinten Nationen proklamierten Jahrzehnt der Frau entgegenbringt, und seines solidarischen Engagements in dieser Hinsicht. 1903 ANHANG 1. Kurze Bemerkungen über die erzielten Ergebnisse Die im Laufe dieser zehn Jahre geleistete Arbeit war enorm und wird zweifellos zahlreiche Früchte tragen. So hat man z. B. im Hinblick auf die Neuformulierung des Zivilrechts in vielen Ländern die Anerkennung der Gleichheit von Mann und Frau erreicht. Frauen, die immer mehr Kompetenz zeigen und eine gute Berufsausbildung besitzen, haben — bei Erfüllung ihrer Sendung in der Familie — in allen Bereichen des sozialen Lebens ihre Rolle und ihre Verantwortlichkeit wahrgenommen. Die soziale und wirtschaftliche Stellung der Frauen wurde rechtlich in entscheidender Weise verbessert. Bildungsmöglichkeiten auf allen Ebenen, die als eine Forderung unserer Zeit angesehen werden, sind ihnen mehr und mehr zugänglich. Endlich will man durch geeignete Maßnahmen in Kultur und Politik weiter die Bedingungen schaffen, die es der Frau erlauben, aus dem jetzigen beengten Rahmen herauszutreten und verantwortlich über ihr Leben zu entscheiden. Andererseits muß man sich Rechenschaft geben über alles, was noch zu tun bleibt. Die Tätigkeit der Vereinten Nationen hat zwar wertvolle Arbeitsinstrumente für die Erarbeitung von Gesetzen in bezug auf das Problem der Frau in den verschiedenen Ländern geliefert, aber in vielen Fällen hat man von diesen Instrumenten noch nicht Gebrauch zu machen gewußt. Was in den Dokumenten geschrieben steht, hat nicht immer Konsequenzen auf der Ebene der realen Tatsachen. Das ist vor allem dem Umstand zuzuschreiben, daß in vielen Situationen die Problematik nicht durch Gesetze gelöst werden kann, weil sie ihre Wurzeln in einer abweichenden Einstellung gegenüber der Frau hat. Das ist der Grund, warum die Gesellschaft nicht dazu gebracht werden kann, den Wert und die Würde der Frau gründlicher anzuerkennen, wenn sie nicht die Beziehung Mann-Frau berücksichtigt. In dieser Beziehung aber liegt der neuralgische Punkt des Problems der Frau. Es stimmt leider, daß es immer noch die Frauen sind, die in dramatischen Situationen oder Geschehnissen am meisten zu leiden haben, sei es durch die Geißel des Krieges, in Wirtschaftskrisen, bei Hunger oder Vertreibung, durch das tragische Los der Flüchtlinge, das Elend der organisierten Prostitution usw. Man kann darum den Abschluß des Jahrzehnts der Frau nicht als das Ende der Vorstellung im Drama der Frau ansehen, so, als ob nun der Vorhang fiele und nichts mehr zu tun bliebe als den Schauspielern Applaus zu spenden. 1904 ANHANG Das Drama geht weiter, und wäre es nur deshalb, weil es scheint, daß die bisher gegebenen Orientierungen tatsächlich nur einen Teil der die Frau betreffenden Problematik berücksichtigt haben. II. Der unerläßliche soziale und wirtschaftliche Fortschritt Das wesentliche Kriterium für die Arbeiten des Jahrzehnts der Frau und sein ständiger Bezugspunkt waren der soziale und wirtschaftliche Fortschritt der Frau. Es handelt sich dabei zweifellos um eine Frage, die im Gesamtverlauf dieses Dramas in die Augen springen muß und die niemand ignorieren kann. Wer würde zu leugnen wagen, daß wirtschaftliche Hilfsmittel ihre Bedeutung haben, um eine Existenz sicherzustellen, die die Würde der menschlichen Person achtet! Deshalb hat das Christentum im Lauf seiner Geschichte nie aufgehört, Armut und Elend zu bekämpfen. Das Evangelium verpflichtet jeden Christen zu einer solchen Haltung. Es verkündet uns, daß am Ende der Zeiten über alle unsere Taten das Urteil gesprochen werden wird. Der Richter, wird Christus selber sein, der in seiner Verkündigung des Reiches Gottes während seines Erdenlebens keinen Zweifel an dem entscheidenden Kriterium für seinen Richterspruch gelassen hat: Alles wird nach dem Guten bemessen, das wir konkret den Männern und Frauen, unseren Brüdern und Schwestern, getan haben (vgl. Mt 25,31 ff.). So weist die Geschichte des Christentums eine Fülle von Männern und Frauen auf, die versucht haben, sich der sozialen und wirtschaftlichen Situation ihrer Zeitgenossen zu stellen, um sie zu verbessern. Gestatten Sie mir, daß ich Ihnen einige Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit nenne: Jacques Desire Laval (gest. 1864), Franziska Schervier (gest. 1876), Francesca Saveria Cabrini (gest. 1917), Madeleine Delbrel (gest. 1964), Dorothy Day (gest. 1980), Barbara Ward (gest. 1981), Mutter Teresa von Kalkutta. Wir können hier nicht die Namen aller anführen, die sich in unseren Tagen in den sogenannten Ländern der Dritten Welt im Dienst an der persönlichen Würde eines jeden Menschen einsetzen. Dieser Dienst schließt immer auch die Sorge um die Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen ein. Aber ich möchte wenigstens ihre Zahl angeben: die Statistiken sprechen von 212 584 Ordensfrauen im Dienst für die Menschen in den Ländern der Dritten Welt, nicht mitgezählt die Ordensmänner und die freiwilligen Laienhelfer. Sie alle sind sich bewußt, von der Kirche in dieser Aufgabe entsandt und von ihr darin unterstützt zu werden. 1905 ANHANG Ich glaube, auch die Finanzhilfen müssen erwähnt werden, mit denen die Kirche zum Dienst am Menschen beiträgt: Kollekten für materielle Hilfe; Initiativen, die die Entwicklungshilfe zum Ziel haben; Unterstützung für alle Arten von Bildungs- und Erziehungsprogrammen. Da ich aus Deutschland stamme, erlaube ich mir, Ihnen einige Zahlen aus meinem Land zu nennen, die mir besser bekannt und für mich auch leichter überprüfbar sind. Im Jahre 1984 haben die verschiedenen Organisationen der katholischen Kirche (Misereor, Adveniat, Missio und Caritas) einen Beitrag von nahezu 250 Millionen Dollar für die Arbeit in der Dritten Welt bereitgestellt. Bei einer Bevölkerung von 27 Millionen Katholiken heißt dies, daß im Durchschnitt von jedem Gläubigen mehr als 10 Dollar beigetragen werden. Selbst wenn man oft Zweifel an der Entwicklungshilfe anmeldet, weil sie die Lage der Menschen nicht entscheidend verändern kann; selbst wenn materielle Hilfen für bestimmte Länder manchmal kategorisch verweigert werden, weil sie ein korruptes System unterstützen würden -so bestätigen die angeführten Fakten doch zumindest, daß die katholische Kirche die materiellen Bedürfnisse der Menschheit, nämlich die wirtschaftliche Dimension der Existenz von Männern und Frauen, ernst nimmt. Immerhin muß man sich die Frage stellen: Kann es einen wirklichen Fortschritt im Vollsinn des Wortes geben ohne Bezugnahme auf eine Gesamtschau der menschlichen Person, ihres Seins und ihres Werdens? Gibt es echten Fortschritt, wenn man den unendlichen Wert eines jeden Menschen mit allen Konsequenzen - die Achtung der Würde, die grundlegende Gleichheit aller, die Gewissensfreiheit, den sakralen Charakter des Lebens - unberücksichtigt läßt? <264> <264> Einige Beobachtungen im Hinblick auf eine menschlichere Sicht Darum möchte der Hl. Stuhl im Rahmen dieses Jahrzehnts der Frau einige Elemente zum Nachdenken bezüglich der menschlichen Würde der Frau beitragen. a) Zweifellos ist die menschliche Person in einer bestimmten Hinsicht ein materielles Wesen, eines der Lebewesen der Erde, einer unendlichen Vielfalt von Instinkten und Bedingtheiten unterworfen, die seinen verschiedenen natürlichen wie sozialen Eigenschaften anhaften: Rasse, Sprache, Geschlecht, Stellung in der gesellschaftlichen Hierarchie usw. Aber zugleich ist die menschliche Person aufgrund ihres Verstandes und ihrer Freiheit fähig, diese Bedingtheiten zu transzendieren, um zu bejahen und 1906 ANHANG zu verwirklichen, was objektiv gerecht, wahr und gut ist und ihrer besonderen menschlichen Bestimmung entspricht. Gerade in dieser Fähigkeit zur Transzendenz gegenüber den Bedingtheiten, denen es unterworfen ist, liegt die Würde des Menschen. Nach Art einiger der größten religiösen Überlieferungen der Menschheit sieht die katholische Kirche in diesem dauernden Prozeß der Transzendenz sämtlicher Bedingtheiten, die die menschliche Freiheit einschränken, einen Dialog, der zwischen der menschlichen Person und einer göttlichen Gegenwart, die sie zur Wahrheit führt, eröffnet wurde. Aus dieser Fähigkeit zur Transzendenz, die für die menschliche Person kennzeichnend ist, entsteht eine Verpflichtung: nämlich die Bekämpfung und Beseitigung aller Situationen, in denen die Person gedemütigt und beleidigt, in ihrem sakralen Charakter verletzt und auf eine einzige Dimension ihres Seins verkürzt ist, kurz alle Situationen, in denen der Mensch nicht als Person behandelt wird und erleben muß, daß ihm wegen seiner Rasse, seines Geschlechts oder anderer natürlicher oder sozialer Faktoren die Anerkennung seiner vollen menschlichen Würde verweigert wird. Ist es nicht eine schwere Unterdrückung der Frau, sie lediglich als Produktionsmittel oder als unerläßliches Element einer auf Konsum ausgerichteten Wirtschaft zu betrachten? Der Kampf für die Garantie eines Minimums an materieller Unterstützung muß daher von der Überzeugung des unersetzlichen Wertes der menschlichen Person beseelt sein und sich auf diese Grundlage stützen. Sonst wird man die alten Feinde der Würde der Frau wieder auftauchen sehen: die sexuelle Diskriminierung, die Reduzierung der Frau auf ein Objekt oder ein Instrument, die jedes transzendenten Zieles entbehren und den mit dem Geschlecht verknüpften Determiniertheiten den Vorrang zubilligen. b) Wenn man sich bei der Förderung der Frau auf die soziale und wirtschaftliche Perspektive beschränkt, läuft man gleichfalls Gefahr, große menschliche Werte zu zerstören, die für den Beitrag der Frauen in der Gesellschaft kennzeichnend sind. In vielen Situationen vermochte die Frau menschlich wesentliche Werte zu erhalten, sie an die jungen Generationen weiterzugeben und für die universale Kultur der Menschheit zu bewahren. In einer vom Konkurrenzdenken beherrschten Gesellschaft, in der die zwischenmenschlichen Beziehungen fast ausschließlich durch den Austausch gleichwertiger Güter oder durch kämpferische Auseinandersetzungen geregelt wurden, häufig mehr oder weniger an den Rand gedrängt, hat die Frau viel tiefer eine Ethik des Gebens, der nicht auf Gegenleistung bedachten, uneigen- 1907 ANHANG nützigen Aufopferung bewahrt, schlecht motiviert von ergriffenem Staunen vor dem Wunder der Person, das sich im anderen offenbart, von dem reinen Wunsch, gut gegen ihn zu sein. Hier finden sich übrigens die Grundhaltungen, die in der Beziehung von Mutter und Kind vorherrschen. Diese Haltungen, das muß auch gesagt werden, sollten nicht als ausschließlich weiblich betrachtet werden. Aber es stellt sich heraus, daß es mehr die Frau ist, die die grundlegenden Werte der Menschlichkeit bewahrt hat, die aus der männlichen Welt nach und nach verschwunden sind. Es ist wichtig, daß die Förderung der Würde der Frau nicht durch eine Anerkennung der Frau nach dem Muster des männlichen Bürgers erfolgt, allein auf ihn zentriert und das Gesetz der je persönlichen Existenz vergessen wird. Sollte es so sein, würde nicht nur die wesenhafte und geheimnisvolle Dimension des Frauseins verschwinden, sondern auch der Mensch im allgemeinen, der ganzheitliche Mensch, würde der Lebenskraft beraubt. Es ist vielmehr notwendig, daß diese Gesamtheit von Werten dank einer gerechten Aufwertung der Besonderheit der Frau zu einem Gut der gesamten menschlichen Gemeinschaft wird, damit es nicht entwertet und als geringer angesehen wird und nicht als Alibi dient, um die Frau weiterhin in einer Situation der Abhängigkeit zu halten. Freilich bleibt es wahr, daß die Frau und Mutter einen besonderen, privilegierten Zugang zu dieser Welt der nicht dem Leistungsstreben unterworfenen Werte der Gemeinschaft hat, einer Welt, in der Teilhabe und Teilen deutlicher als ein wesentliches Gesetz des Lebens erscheint. Es handelt sich hier um die Erfahrung des Gebärens, des Zur-Welt-Bringens eines Kindes, der Mutterschaft. In diesem Fall wird das Empfangen eines anderen Menschen im eigenen Selbst und das Austragen dieses Menschen zu einer persönlichen Erfahrung von ganz besonderer Intensität, die Körper und Geist der Frau völlig in Anspruch nimmt. Die älteste kulturelle und religiöse Überlieferung sowie die modernen Humanwissenschaften bestätigen uns, daß darin eine entscheidende Erfahrung für die Bildung der Identität der Frau sowie des Kindes liegt. Im Laufe dieser Erfahrung hat die Frau jedoch Hilfe und Unterstützung von seiten ihrer gesamten kulturellen und sozialen Umwelt nötig. Jede Frau hat das Recht, ihr Kind in einer festgefügten Familie zu erwarten, in einer von Liebe bestimmten Beziehung zum Gatten und Vater, ein Recht, das vom Gesetz verteidigt und garantiert werden muß. Jede Frau hat das Recht, gegen die Einmischungen der Gesellschaft oder des Staates geschützt und verteidigt zu werden, die die Mutterschaft ihres ursprüngli- 1908 ANHANG chen sakralen Charakters berauben, die weibliche Sexualität entwürdigen oder die empfangene Leibesfrucht durch Abtreibung vernichten wollen. Jede Frau hat ebenso das Recht, sich eine vollständige Kenntnis ihres eigenen Körpers und seiner biologischen Funktion zu erwerben, die ihr sowohl ein besseres Verständnis ihrer Lebenserfahrung bei der Empfängnis und der Geburt ihres Kindes, als auch eine vernünftige Kontrolle ihrer Fruchtbarkeit in einer Weise erlaubt, daß die von Gott der menschlichen Sexualität als materieller Ausdruck der gegenseitigen Hingabe von Personen verliehene Würde nicht herabgesetzt, sondern im Gegenteil erhöht wird. c) Die Arbeit der Frau muß wie die des Mannes von ihrer menschlichen Würde her gesehen werden. Sicher ist die Arbeit ein Mittel, um sich sein Brot zu verdienen, aber ebenso wahr ist, daß sie nicht vom Rahmen des Familienlebens getrennt oder gar in Gegensatz dazu gestellt werden sollte. Es ist daher notwendig, Arbeitsweisen zu erforschen, die hinsichtlich der Arbeitszeit, des Arbeitsrhythmus und der Organisation der Wahrnehmung der elterlichen Funktion keine Hindernisse bereiten, und bei denen die Mutterschaft für die Frau nicht eine automatische und ungerechte Ausschließung von der Arbeit mit sich bringt. Ebenso notwendig ist es, Formen zum Schutz des Familieneinkommens zu entwickeln, die es in Anerkennung des von den Eltern für die ganze Gesellschaft geleisteten Dienstes der Mutter erlauben, sich ganz dem Leben der Familie zu widmen, wenn die Bedürfnisse der Familie selbst ihr das auferlegen. Um zu einer echten menschlichen Emanzipation zu gelangen, darf die Frau nicht gezwungen sein, auf ihr eigentliches Frausein und auf die Erfahrung der Mutterschaft in der Ehe zu verzichten, bei der sie ihre Erfüllung und ihre höchste Aufwertung findet. Vielmehr müssen sich unsere Gesellschaften Werten öffnen, die nicht dem Leistungswettbewerb unterworfen sind, Werten wie Frieden, Teilnahme am Leid, spontane Hingabe seiner selbst, die nicht auf Gegenleistung wartet; Werten, die sich unter den Frauen erhalten haben und von ihnen von Generation zu Generation weitergegeben wurden durch eine weibliche Kultur, die, wenn sie auch nie offiziell anerkannt wurde, doch unsere Zivilisation tief geprägt hat. Für die Christen (und auch für die Muslime) findet sich der erhabenste Ausdruck dieses weiblichen Prinzips der Kultur in der Person Mariens, der Mutter Jesu. Indem wir ihr das Geschick der Welt anvertrauen, bekräftigen wir unsere Überzeugung, daß allein eine kulturelle Veränderung, die zum Ziele hat, diese weibliche Dimension unserer Kultur bis in 1909 ANHANG ihre Wurzeln wiederzuerlangen, die Menschheit vor den Bedrohungen und Gefahren retten kann, die heute auf ihr lasten. IV. Schluß Der Philosoph Karol Wojtyla hat sich viele Male zum inneren Wachstum des Menschen geäußert und zur Entwicklung der menschlichen Person hin zu ihrer Fülle. Er zeigt, daß diese sich im Handeln und durch die Tat verwirklicht. Einerseits liegt auf der Hand, daß der Mensch durch die Tat mit der Außenwelt in Beziehung tritt. Durch sein Tun übt er einen Einfluß auf seine unmittelbare Umgebung und auf seine Umwelt aus. Andererseits ändert und entwickelt er auch sich selbst durch sein Handeln. Ist nicht jeder von uns das Bild dessen, was er getan und erlebt hat? Aus dieser Sicht ist der folgende Abschnitt der Enzyklika Papst Johannes Pauls II. über die Arbeit zu verstehen: „Die Arbeit ist ein Gut für den Menschen - für sein Menschsein -, weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern auch sich selbst als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen ,mehr Mensch wird <265> “ (Laborem exercens, Nr. 9). <265> Das Gipfeltreffen von Helsinki fand 30 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs statt. Nun sind wiederum zehn Jahre vergangen, und die Generation, die die Schrecken des großen Konflikts nicht kennengelernt hat, ist inzwischen in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft an verantwortungsvolle Stellen aufgerückt. Sie hat ihre eigenen kreativen Vorschläge und leidet nicht unter den Trugbildern der Vergangenheit. Vierzig Jahre lang ist Europa, von dem aus die ungeheure Katastrophe sich über die Welt ausgebreitet hatte, vor Kriegen bewahrt geblieben, eine beinahe beispiellose Tatsache in der hundertjährigen Geschichte ständigen Völkerringens. Vierzig Jahre, die sicher den Wiederaufbau und die materielle Entwicklung begünstigt haben und die - wenn auch durch Das Studium des Themas, um das es uns hier geht, kann nur dann gültige Früchte erbringen, wenn sich die Frauen selbst immer mehr handelnd einsetzen. Niemand - weder auf Regierungsebene noch im Bereich der Sozialstrukturen - kann an ihrer Stelle diese Dinge durchdenken und entscheiden. Man kann den Frauen nicht von außen her Formen auferlegen, die zu ihrer Entwicklung und Entfaltung beitragen sollen. Im Gegenteil, man muß ihnen den Freiheitsraum lassen, in dem sie selbst ihren Weg suchen können. Die im Paragraph 10 des Dokuments der Konferenz über die Perspektiven des Handelns zur Förderung der Frau enthaltene Forderung (A/CONF 116/12) darf daher nicht als ein feministischer Anspruch angesehen werden. Sie ist vielmehr das Ergebnis einer anthropologischen Analyse, das man nur unterstreichen kann: „Die Weltkonferenz von Kopenhagen hat die Gleichheit nicht nur im Sinne von Gleichheit vor dem Gesetz, von Beseitigung einer ,De jure‘-Diskriminierung ausgelegt, sondern auch als Gleichheit der Rechte, der Verantwortung und der gebotenen Möglichkeiten für die Frauen, an der Entwicklung zugleich als Empfängerin und als aktiv Tätige teilzunehmen.“ 1910 ANHANG „Die Hoffnung ist nicht auf gegeben“ Erklärung des Vertreters des Hl. Stuhls, Erzbischof Achille Silvestrini, bei der Konferenz anläßlich des 10. Jahrestages der KSZE-Schlußakte von Helsinki am 31. Juli Ende Juli wurde in Helsinki des zehnten Jahrestags der Unterzeichnung der Schlußakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) am 1. August 1975 gedacht. An der Gedenkfeier nahmen die Außenminister der 35 Unterzeichnerstaaaten der Schlußakte teil; es sind dies alle europäischen Staaten (außer Albanien), die Vereinigten Staaten von Nordamerika, Kanada und der Hl. Stuhl. Die Delegation des Hl. Stuhls war angeführt von Erzbischof Achille Silvestrini, Sekretär des Rates für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche; ferner gehörten ihr an: der Apostolische Pro-Nuntius in Finnland, Erzbischoff Luigi Bellotti, mit dem Nuntiaturrat Msgr. Alberto Tricarico sowie Msgr. Daustino Sainz Munoz und Msgr. Jean-Louis Tauren vom Rat für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche. Am 31. Juli trug Erzbischof Silvestrini folgende Intervention vor: Herr Präsident! Zunächst möchte ich einen herzlichen und dankbaren Gruß an die Regierung und das Volk Finnlands richten, die uns erneut, wie schon vor zehn Jahren, mit großer Herzlichkeit aufgenommen haben und mit großem Vertrauen auf den Gedanken der Sicherheit und der Zusammenarbeit als Mittel zum Aufbau und zur Festigung des Friedens unter den Völkern Europas und der Welt. <266> <266> Das Gipfeltreffen von Helsinki fand 30 Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs statt. Nun sind wiederum zehn Jahre vergangen, und die Generation, die die Schrecken des großen Konflikts nicht kennengelernt hat, ist inzwischen in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft an verantwortungsvolle Stellen aufgerückt. Sie hat ihre eigenen kreativen Vorschläge und leidet nicht unter den Trugbildern der Vergangenheit. Vierzig Jahre lang ist Europa, von dem aus die ungeheure Katastrophe sich über die Welt ausgebreitet hatte, vor Kriegen bewahrt geblieben, eine beinahe beispiellose Tatsache in der hundertjährigen Geschichte ständigen Völkerringens. Vierzig Jahre, die sicher den Wiederaufbau und die materielle Entwicklung begünstigt haben und die - wenn auch durch 1911 ANHANG Krisen und Widersprüche hindurch - den Zugang zu einem Wohlstand ermöglichten, den manche Völker bis dahin nicht kannten. Und doch, der Friede, auf den man sich auf der Erde berief, sobald der Waffenlärm verstummt war und die Vereinten Nationen sich zum ersten Mal versammelten, ist noch nicht wirklich zustande gekommen, er ist vielmehr wie eine Hoffnung, der man nachjagt und die sich immer wieder dem Zugriff entzieht. In der Tat sind weiterhin neue Kriege größeren oder kleineren Ausmaßes in verschiedenen Gegenden der Welt entbrannt, einige sind chronisch geworden wie Wunden, die nicht heilen. Auch in Europa hat es infolge des zunehmenden Rüstungswettlaufs, der sich stets neu auftürmenden Hindernisse bei Verhandlungsversuchen, der ideologischen Gegensätze des kalten Krieges und ebenso wegen der wieder aufkommenden und sich verschärfenden Angst und des gegenseitigen Mißtrauens noch keinen wirklichen Frieden gegeben. Es ist eine unleugbare Tatsache, daß durch die Länder Europas, wenn sie auch vom Krieg verschont blieben, eine tiefe Trennung geht, und daß als Folge des Krieges auf ihnen ein Erbe von ungelösten Problemen lastet, von denen einige im Bewußtsein der betreffenden Völker als schmerzliche Frustration empfunden werden. 2. Die Konferenz von Helsinki ging am Anfang der 70er Jahre aus dem Empfinden hervor, daß starre, unbewegliche Opposition im Grunde zu nichts führte und daß — wenn es auch nicht möglich war, die Situation, aus denen sich viele Spannungen ergaben, zu ändern - sich doch etwas zu einem menschlich mildernden Ausgleich unternehmen ließe, was zum Abbau der Vorbehalte und Schwierigkeiten beitrüge, die die Völker schon mit allzu vielem Leid bezahlten. Mehr als einmal wird auch heute noch der Name Helsinki so mit dem Begriff Entspannung verbunden, als ob beides gleichbedeutend und als ob die Entspannung hauptsächlich auf die Schlußakte hin erfolgt sei. In Wirklichkeit aber wäre es zutreffender zu sagen, daß der Helsinki-Prozeß gewissermaßen ein Meßinstrument für die Entspannung und nur teilweise deren Ursache ist. Denn die schwersten Probleme (wie z. B. die Verhandlungen über nukleare Waffensysteme — seien es solche strategischer Art oder solche mittlerer Reichweite — oder über die gleichmäßige Verminderung der Streitkräfte) standen nie auf der Tagesordnung dieser Konferenz und hängen sozusagen noch über unseren Köpfen. Daß soll aber nicht heißen, daß die zehn Prinzipien, die in der Schlußakte feierlich bestätigt wurden, um die Beziehungen zwischen den Staaten zu regeln, lediglich als schöne Redensarten zu betrachten seien und daß sie 1912 ANHANG nicht wirksam dazu beigetragen hätten, die Sicherheit und die Möglichkeit zum Dialog zu bestärken; oder daß die vertrauenbildenden Maßnahmen auf militärischer Ebene, die zu erweitern und zu vervollkommnen die Konferenz von Stockholm mit so verdienstvollen Anstrengungen bemüht ist, eine Art Einübung von Regeln zu gutem Benehmen unter den Streitkräften darstellten. Angesichts der Hoffnungen oder der Enttäuschungen, die die Aktionen der KSZE auf der Börse des internationalen Lebens in ihrem Kurswert abwechselnd ansteigen oder absinken lassen, ist es aber ehrlich, auch der Grenzen des Helsinki-Prozesses Rechnung zu tragen. Ein Novum 3. In der Tat, das Neue, das die öffentliche Meinung nach und nach in der hier in diesem Saal am 1. August 1975 Unterzeichneten Schlußakte entdeckt hat, besteht darin, daß das feierliche Dokument sich in seinen dynamischsten Bestimmungen an die Völker wendet, obschon die vertragschließenden Parteien die Staaten sind. Wahrhaftig eine glückliche Intuition, denn die Urheber von Neuerung und Umschwung sind in jeder Epoche der Völker mit ihrem geschichtlichen Erinnerungsvermögen, das sich auch unter den widrigsten Umständen nicht trübt, mit der tiefwurzelnden Anhänglichkeit an die eigenen Werte und mit der Vitalität, die sich von einer Generation auf die andere überträgt, so daß die Jugend immer wieder voranstrebt auf der Suche nach etwas Neuerem und Wahrerem. In einer kleinen und näher zusammengerückten Welt macht sich, während in anderen Kontinenten Nationen, überschäumend von Vitalität, hochkommen, bei den Völkern Europas der Wunsch nach gegenseitiger Begegnung lebhafter bemerkbar, bestimmte Werte werden wieder entdeckt und ererbte gemeinsame Ideale kommen deutlicher zum Bewußtsein, ohne daß deshalb die reiche und vielfältige Verschiedenheit der einzelnen übersehen würde. Nur in der Beziehung zu diesem Ferment von Wünschen und Bestrebungen läßt sich die Bedeutung des Helsinki-Prozesses ermessen. Wenn Enttäuschungen da sind, so deshalb, weil die Völker sich mehr erwartet hatten; wenn Hoffnungen bestehen, so darum, weil das, was die 35 Vertragspartner unterzeichnet haben, trotz allem noch für möglich gehalten wird. Schon der Vergleich zwischen den in der Schlußakte vom 1. August 1975 niedergelegten Bestimmungen und denen des Schlußdokuments von 1913 ANHANG Madrid vom 9. September 1983 bietet Anhaltspunkte, die einen gewissen Fortschritt erkennen lassen. Aber um uns keinen Illusionen hinzugeben, müssen wir beständig auf die Lage der Völker Bezug nehmen. Vor allem sollen die einzelnen und die sozialen Gruppen in Ruhe leben können. Wie wichtig es ist, daß die Staaten Zusammenarbeiten, um dem Verbrechen, der Gewalt, dem Terrorismus vorzubeugen, so ist es nicht weniger bedeutsam, daß sie gemeinsam dahin wirken, die Schwierigkeiten in den engsten zwischenmenschlichen Beziehungen zu beseitigen, bei der Zusammenführung der Familien, bei Eheschließungen zwischen Partnern verschiedener Staatsangehörigkeit, bei Begegnungen zwischen den Menschen. Im Vergleich zu den bestehenden Bedürfnissen und Anträgen: In wie vielen Fällen wurden diese Probleme gelöst? Auf welche Weise? In wie langer Zeit? In gleicher Weise könnte man hinsichtlich der Information argumentieren: Welches Ausmaß haben die Verbreitung der Presse, der Kontakt zu Journalisten, der Nachrichtenaustausch erreicht, nicht nur hinsichtlich der vorgegebenen statistischen Daten, sondern vor allem im Hinblick auf die wirklichen Bedürfnisse freien Ideen- und Informationsaustausches? Es gibt einen Wissensdurst, den die Völker mit Hilfe aller Kommunikationsmittel, seien sie öffentlicher oder privater Natur, gestillt haben wollen und der einer höheren Lebensqualität entspricht, die in der Beziehung des Menschen zur Wahrheit liegt. Die Menschenrechte 4. Einen herausragenden Punkt der Schlußakte, die sich an die Völker wendet, bilden die Menschenrechte. Nicht als abstrakte Lehre, sondern als Lebensauffassung des europäischen Menschen, wie auch - entsprechend den Erklärungen der UNO und den anderen international gültigen Dokumenten - der Menschen und der Völker der Welt. Jede Verletzung der Rechte des Menschen und der Nationen stört den inneren und äußeren Frieden. Im Gegensatz dazu würde ihre allgemeine Beachtung all das zum Erliegen bringen, was zum Wettrüsten und daher zum Krieg anstachelt: Mißtrauen, Angst und Feindseligkeit. Utopie? In der Konferenz der Experten, die kürzlich in Ottawa stattfand, haben alle Teilnehmer, ungeachtet ideologisch abweichender Positionen, das lebensnotwendige Band anerkannt, das zwischen dem Frieden und den Menschenrechten besteht, und daher die kollektive Verantwortung der Staaten, gegen Verletzungen der Menschenrechte anzukämpfen und deren Achtung zu fördern. 1914 ANHANG Wer die Debatten aus der Nähe verfolgt hat, gewann daraus den Eindruck, es würde ein Einsatz aller genügen, um einen gewissen elementaren und ausreichenden Grad von Grundrechten - bürgerliche und politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle — zu gewährleisten, um Folterungen, Zwangsarbeitslager, Exil (innerhalb oder außerhalb des Heimatlandes) wegen ideologischer Meinungsverschiedenheiten zum Verschwinden zu bringen und die Lebens-, Arbeits-, Erziehungs- und Gesundheitsbedingungen zu heben. Auch die Gegensätze zwischen verschiedenartigen Systemen, die in diesen 40 Jahren die Spannungen genährt haben, würden viel von ihrer Schärfe verlieren, wenn man sich zu einer aufrichtigen Zusammenarbeit einigen könnte, die darauf abzielt, „einen beständigen und greifbaren Fortschritt“ in der wirksamen Ausübung der Menschenrechte und der grundlegenden Freiheiten zu garantieren, „die sich alle aus der der Person des Menschen innewohnenden Würde ableiten und für eine freie und volle Entfaltung wesentlich sind“ (Schlußdokument von Madrid). Ottawa hat bestätigt, daß der Mensch in der Einzigartigkeit seines Wesens wirklich das Maß darstellt und - wie Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Redemptor hominis gesagt hat - „das wesentliche Kriterium“, mit dem es möglich ist, die Programme, die Systeme, die Regierungen und die Politik der Staaten zu beurteilen. Einsatz für die Religionsfreiheit 5. Diese Ausführungen hat der Hl. Stuhl im Namen der katholischen Kirche insbesondere der Religionsfreiheit gewidmet. Nicht um sie ausschließlich geltend zu machen, da ja die religiöse Freiheit ihrem Wesen nach mit den anderen Freiheiten verknüpft ist, sondern aufgrund der Sendung und der Erfahrung, die der Hl. Stuhl auf diesem Gebiet hat. Im übrigen ist er überzeugt, daß die wirksame Achtung der Gewissensfreiheit und daher des religiösen Glaubens den Menschen einen moralischen Raum der Verantwortung und der Tätigkeit sichert, der für die Ausübung aller anderen Rechte und Pflichten von Vorteil ist. Der Mensch lebt aufgrund seines Gewissens auf einem höheren Niveau, und die Freiheit, die dem Gewissen zuerkannt wird, ist eine Garantie für die einzelnen Menschen in ihren gegenseitigen Beziehungen und daher ein Faktor der Freiheit für die Völker. Die Bemühungen des Hl. Stuhls richten sich, unterstützt durch die Zustimmung vieler Bevollmächtigter, seit dem Beginn der vorbereitenden Verhandlungen für die Schlußakte auf zwei Zielpunkte: 1.) eine exakte 1915 ANHANG Definition der Freiheit des Denkens, des Gewissens, der Religion oder des Glaubens (eingefügt in das 7. Prinzip) und 2.) die Verpflichtungen, die in Helsinki, in Madrid und bei den Vereinten Nationen unterschrieben wurden, mit der wirklichen und konkreten Lage zu konfrontieren, in der sich die Gläubigen, einzeln oder in Gemeinschaft, in den verschiedenen Ländern befinden. Besonders bezeichnend für dieses zweifache Ziel war der Beitrag, den Papst Johannes Paul II. mit seinem an die Staatschefs und Regierungsoberhäupter der Unterzeichnerstaaten der Schlußakte gerichteten persönlichen Brief vom 1. September 1980 geben wollte. In Parallele dazu war der Weg nicht weniger bedeutsam, den die Delegationen vieler Teilnehmerstaaten in der Vertiefung der Begriffsbestimmung der Religionsfreiheit zurückgelegt haben, wie es die Konferenz von Ottawa gezeigt hat. Wenn diese Versammlung auch nicht dazu kam, ein gemeinsames Dokument zu formulieren - und dies ist ein Mangel, den auch unsere Delegation beklagt hat -, so hat sie doch Vorschläge festgehalten, die besonders auf die Erfordernisse des heutigen Lebens zugeschnitten sind, wie den über das Recht, einzeln oder in Gruppen oder durch Berufsorganisationen religiöse Unterweisung zu erteilen und zu empfangen, angefangen mit dem Recht der Eltern, ihren Glauben an ihre Kinder weiterzugeben; oder über das Recht der Gläubigen und ihrer Gemeinschaften auf Kontakte und Versammlungen mit anderen Gläubigen ihrer Religionsgemeinschaft auch in anderen Ländern; oder auch über das Recht auf Empfang und Benutzung von Veröffentlichungen und Material religiösen Charakters und des Zugangs zu religiösen Informationsquellen. Die Delegation des Hl. Stuhls machte ihrerseits auf einige der ernstesten Situationen aufmerksam: Diözesen, die auf ihren Bischof warten, und Gemeinden von Gläubigen, denen es nicht erlaubt ist, einen Seelsorger zu haben; Schwierigkeiten, die Anwärtern für das Priesteramt oder das Ordensleben bereitet werden, Diskriminierung der Gläubigen hinsichtlich Studien, staatlicher Anstellung und beruflicher Laufbahn. Gleichzeitig finden wir in dem Dokument von Madrid einiges bezeichnend Neues: - die Zusicherung seitens staatlicher Autoritäten, die Religionsgemeinschaften, religiösen Institutionen und Organisationen — wenn nötig — zu Rate zu ziehen, um „die notwendigen Maßnahmen zur Gewährleistung der religiösen Freiheit zu ergreifen“; - die Zusicherung, Anträge von religiösen Gemeinschaften oder Gläubigen, die in der Ausübung ihres Kultes im Bereich der Verfassung der 1916 ANHANG betreffenden Staaten noch nicht den Rechtsstand erlangt haben, den die Gesetzgebung dieses Landes anderen Kultgemeinschaften, religiösen Institutionen und Organisationen gewährt, wohlwollend zu erwägen; - die Verpflichtung, „in vollkommenster Form die entsprechenden Bestimmungen der Schlußakte“ anzuwenden, „so daß die Kultgemeinschaften, die religiösen Institutionen und Organisationen und ihre Vertreter in ihrem eigenen Tätigkeitsbereich gegenseitig Kontakte und Begegnungen durchführen und Informationen austauschen können“. Noch einmal: Man muß diese Bestimmungen mit der wirklichen Lage konfrontieren. In aller Redlichkeit ist anzuerkennen, daß einige der schwierigsten Situationen teilweise verbessert wurden; daß - vor allem in der ersten Periode nach 1975 - Erleichterungen festzustellen waren für Besuche, Begegnungen, Teilnahme an Kongressen und Versammlungen, Austausch von Personen und Informationen zu religiösen Zwecken, besonders für die Übersendung von liturgischen oder religiösen Publikationen. Aber dürfen wir verschweigen, daß es Gebiete gibt, in denen die katholischen Gemeinschaften seit 1945 bis heute nicht die Möglichkeit hatten, mit dem Hl. Stuhl in Kontakt zu treten, um elementaren Erfordernissen zu genügen wie dem, einen Bischof zu haben und die eigenen Vertreter nach Rom zu senden, so wie sie es normalerweise in den Jahren vor dem Krieg taten? Und daß dem Hl. Stuhl nicht die Möglichkeit gegeben ist, mit diesen Gläubigen Kontakt zu haben, weder wenn sie irgendwo versammelt sind, noch wenn sie sich verstreut in weitausgedehnten Gebieten befinden? Ich selbst hatte schon die Ehre, an „die schwere, offene Wunde“ zu erinnern, eine Wunde, entstanden dadurch, daß die katholischen Gemeinden des orientalischen Ritus, nachdem sie ein blühendes religiöses Leben von jahrhundertealter Tradition aufzuweisen hatten, das bürgerliche Existenzrecht verloren haben. Ist es möglich, daß die Verpflichtung, die nun in das Dokument von Madrid eingefügt ist, ein Hoffnungsstrahl durchschimmern läßt, für die Hunderttausende von Gläubigen, denen es, zusammen mit ihren Bischöfen und Priestern, von der Zivilgesetzgebung verwehrt ist, der Kirche anzugehören, der sie sich in tiefster Gewissensüberzeugung verbunden fühlen? Schmerzvoll, unbekannt ist der Kreuzweg dieser unserer Brüder! Eine unglaubliche Tatsache in einer Zeit wie der unseren, in der man bestrebt ist, jeder ethnischen oder kulturellen Gruppe die Anerkennung ihrer Rechte leichter zu machen. Vergessen wir auch nicht, daß die vielversprechende Entwicklung der interkonfessionellen und ökumeni- 1917 ANHANG sehen Beziehungen es ohne Schwierigkeit zulassen würde, auch die letzten Befürchtungen von Rivalität oder Intoleranz zwischen den Kultgemeinschaften zu zerstreuen, die manchmal für das ungerechte Verbot zum Vorwand genommen werden. Herr Präsident! Als vor zehn Jahren die Schlußakte unterzeichnet wurde und Papst Paul VI. eine Botschaft an die hohen Persönlichkeiten der teilnehmenden Länder richtete, grüßte er die Völker Europas als „lebendige Wirklichkeit der Staaten, Grund ihrer Existenz und Motiv zu ihrem Handeln“. Völker verschiedener Sprachen und Traditionen, sagte der Papst, die mit ängstlicher Spannung auf die feierlichen Beteuerungen blickten, welche in Helsinki unterschrieben wurden. Diese gespannte Erwartung, Herr Präsident, hat nicht nachgelassen, diese Hoffnung ist nicht aufgegeben. Es ist Sache einer jeden Regierung, die durch die Verpflichtung von Helsinki gebunden ist, sie zu bestärken und in wirksamem und anhaltendem Voranschreiten ihnen eine immer breitere Grundlage und immer fruchtbarere Auswirkung zu geben. Helsinki, den 31. Juli 1985 Die Organe der römischen Kurie Stand: September 1985 Johannes Paul II., Bischof von Rom, Statthalter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Oberhaupt der Allgemeinen Kirche, Patriarch des Abendlandes, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Kirchenprovinz Rom, Souverän des Staates der Vatikanstadt, Diener der Diener Gottes, Karol Wojtyla Heiliges Kollegium der Kardinäle - Dekan: Kardinal Carlo Confalonieri - Sekretär: Erzbischof Lucas Moreira Neves OP - Substitut: Msgr. Felice Costantini - Schatzmeister: Comm. Luigi Righi Schwammer 1918 ANHANG - Staatssekretär: - Substitut: - Assessor: Staatssekretariat Kardinal Agostino Casaroli Erzbischof Eduardo Martinez Somalo Msgr. Giovanni Battista Re Die Tätigkeit umfaßt u. a. folgende Aufgaben: Chiffre, Briefe und Apostolische Breven, Beziehungen zu den Dikaste-rien, Beziehungen zu den beim Hl. Stuhl akkredidierten Vertretungen der Länder und zu den Vertretungen des Hl. Stuhls im Ausland. Korrespondenz, internationale Einrichtungen, Informationen und Dokumentation, Auszeichnungen und Zeremoniell, Personalfragen, Verwaltung, allgemeine Dienste. Angegliedert ist das Zentralamt für kirchliche Statistik. Rat für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche - Präfekt: Kardinal Agostino Casaroli - Sekretär: Erzbischof Achille Silvestrini - Untersekretär: Msgr. Audrys Juozas Backis Die Tätigkeit gilt u. a. den Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Kongregationen Kongregation für die Glaubenslehre - Präfekt: Kardinal Joseph Ratzinger - Sekretär: Erzbischof Alberto Bovone - Untersekretär: Msgr. Jozef ZIatnansky Der Glaubenskongregation angeschlossen sind: - die Internationale Theologische Kommission - die Bibelkommission Kongregation für die Bischöfe - Präfekt: Kardinal Bernardin Gantin - Sekretär: Erzbischof Lucas Moreira Neves OP - Untersekretär: Msgr. Marcello Costalunga 1919 ANHANG Der Kongregation für die Bischöfe angeschlossen sind: - die Päpstliche Kommission für Lateinamerika - die Päpstliche Kommission für die Seelsorge am Menschen unterwegs Kongregation für die Orientalischen Kirchen - Präfekt: Kardinal Wladyslaw Rubin - Sekretär: Erzbischof Miroslav Stefan Marusyn - Untersekretär: Msgr. Mario Rizzi Kongregation für die Sakramente - Präfekt: Erzbischof Augustin Mayer OSB - Sekretär: Erzbischof Lajos Kada - Untersekretär: Msgr. Benedetto Marchetta Kongregation für den Gottesdienst Pro-Präfekt: - Sekretär: - Untersekretär: Erzbischof Augustin Mayer OSB Erzbischof Virgilio Noe Msgr. Piero Marini Kongregation für den Klerus - Präfekt: - Sekretär: - Untersekretär: Kardinal Silvio Oddi Erzbischof Maximino Romero de Lema Msgr. Guglielmo Zannoni Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute Erzbischof J. Jerome Hamer OP Erzbischof Vincenzo Fagiolo P. Jesus Torres Llorente CMF Rev. Mario Albertini - Präfekt: - Sekretär: - Beigeordneter Untersekretär für die Ordensleute: - Untersekretär für die Säkularinstitute: Kongregation für die Glaubensverbreitung - Präfekt: Kardinal Jozef Tomko - Sekretär: Kardinal Simon D. Lourdusamy - Untersekretär: Msgr. Tiziano Scalzotto 1920 ANHANG Innerhalb dieser Kongregation bestehen verschiedene Kommissionen und Räte für Spezialfragen. Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse - Präfekt: Kardinal Pietro Palazzini - Sekretär: - Untersekretär: Erzbischof Traian Crisan Msgr. Fabijan Veraja Kongregation für das katholische Bildungswesen - Präfekt: - Sekretär: - Untersekretär: Kardinal William Wakefield Baum Erzbischof Antonio M. Javierre Ortas SDB Msgr. Francesco Marchisano Gerichtshöfe Apostolische Pönitentiarie - Großpönitentiar: - Regens: Erzbischof Luigi Dadaglio Msgr. Luigi de Magistris Oberstes Tribunal der Apostolischen Signatur - Präfekt: Kardinal Aurelio Sabattani - Sekretär: Bischof Zenon Grocholewski Sacra Romana Rota - Dekan: Sekretariate Msgr. Ernesto Fiore Sekretariat für die Einheit der Christen - Präsident: Kardinal Johannes Willebrands - Sekretär: - Untersekretär: P. Pierre Duprey PB Msgr. Basil Meeking Sekretariat für die Nichtchristen - Präsident: Kardinal Francis Arinze - Sekretär: - Untersekretär: P. Marcello Zago OMI Rev. John B. Shirieda Masayuki SDB 1921 ANHANG Sekretariat für die Nichtglaubenden - Präsident: Kardinal Paul Poupard - Sekretär: P. Jordan Gallego Salvadores OP - Untersekretär: P. Franc Rode CM Räte, Kommissionen und Komitees Päpstlicher Rat für die Laien - Präsident: Kardinal Eduardo Pironio - Vizepräsident: Bischof Paul Josef Cordes - Untersekretär: Msgr. Peter Coughlan Päpstliche Kommission „Justitia et Pax“ - Präsident: Kardinal Roger Etchegaray - Vizepräsident: Bischof Jan Schotte CICM - Untersekretär: Msgr. William F. Murphy ANHANG Päpstliche Kommission für die authentische Interpretation des Kirchenrechts - Präsident: Erzbischof Rosalio Jose Castillo Lara SDB - Sekretär: Msgr. Julian Herranz - Untersekretär: Msgr. Mariano de Nicolö Päpstliche Kommission für die Revision des Orientalischen Kirchenrechts - Präsident: Kardinal Joseph Parecattil - Vizepräsident: Bischof Emilio Eid - Sekretär: P. Ivan Zuzek SJ Päpstliche Kommission für die Instrumente der sozialen Kommunikation - Präsident: Erzbischof John P. Foley - Sekretär: Msgr. Pierfranco Pastore - Untersekretär: P. Karlheinz Hoffmann SJ 1922 ANHANG Päpstliche Kommission für Lateinamerika - Präsident: Kardinal Bernardin Gantin - Sekretär: Msgr. Michele Büro Päpstliche Kommission für die Seelsorge am Menschen unterwegs - Präsident: Kardinal Bernardin Gantin - Pro-Präsident: Erzbischof Emanuele Clarizio - Sekretär: P. Giulivo Tessarolo CS - Untersekretär: Msgr. Pietro Fantö Päpstliche Kommission für das Krankenapostolat - Präsident: Kardinal Eduardo Pironio - Pro-Präsident: Erzbischof Fiorenzo Angelini Päpstlicher Rat „Cor Unum“ Kardinal Roger Etchegaray Bischof Alois Wagner P. Roger Du Noyer MEP P. Henry Forest SJ - Präsident: - Vizepräsident: - Sekretär: - Untersekretär: Päpstlicher Rat für die Familie - Präsident: - Vizepräsident: - Präsidentenkomitee: - Sekretär: — Untersekretär: Pressesaal des Hl. Stuhls - Direktor: - Vizedirektor: Dr. Joaquin Navarro-Valls Msgr. Giulio Nicolini Kardinal Edouard Gagnon PSS Bischof Jean-Frangois Arrighi Kardinal Simon D. Lourdusamy Erzbischof Raymond-Marie Tchidimbo CSSp Bischof Kazimierz Majdanski Bischof J. Thomas Welsh Bischof Francisco Jose Cox Huneeus Bischof Paul J. Cordes Bischof Francisco Jose Cox Huneeus Rev. Francisco Gil Hellin 1923 ANHANG Päpstlicher Rat für die Kultur - Präsidentenkomitee: Kardinal Gabriel-Marie Garrone (Präsident) Kardinal Eugenio de Araujo Sales Erzbischof Paul Poupard - Exekutivkomitee: Erzbischof Paul Poupard (Präsident) Erzbischof Achille Silvestrini (Berater) Antonio M. Javierre Ortas SDB (Berater) Rev. P. Herve Carrier SJ (Sekretär) Es gibt noch weitere Päpstliche Kommissionen wie z. B. die Vulgata-Kommission, die Kommission für sakrale Archäologie, für Geschichtswissenschaften, für die Kirchenarchive in Italien, für die Sakralkunst in Italien, für die Heiligtümer von Pompei, Loreto und Bari, für Rußland, für den Staat der Vatikanstadt. Ämter Apostolische Kammer - Camerlengo der Hl. Römischen Kirche: Kardinal Sebastiano Baggio - Vize-Camerlengo: Erzbischof Ettore Cunial Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Hl. Stuhls - Präsident: Kardinal Giuseppe Caprio - Sekretär: Msgr. Giovanni Angelo Abbo Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls - Präsident: Kardinal Agnelo Rossi - Sekretär: Erzbischof Lorenzo Antonetti Präfektur des Päpstlichen Hauses - Präfekt: Bischof Jacques Martin - Regens: Msgr. Dino Monduzzi 1924 ANHANG Amt für Päpstliche Zeremonien - Päpstlicher Zeremoniar: Msgr. John Magee Capella Sistina - Leiter: Msgr. Domenico Bartolucci Zentralamt für kirchliche Statistik (angeschlossen an Staatssekretariat) - Beauftragter: Msgr. Pietro Silvi Dombauhütte von St. Peter - Präsident: Kardinal Aurelio Sabattani - Delegat: Erzbischof Lino Zanini Vatikanische Apostolische Bibliothek - Bibliothekar: Kardinal Alfons Stickler SDB - Präfekt: P. Leonard E. Boyle OP Vatikanisches Geheimarchiv - Archivar: Kardinal Alfons Stickler SDB - Präfekt: P. Joseph Metzler OMI - Vizepräfekt: Msgr. Terzo Natalini Unter den Ämtern werden u. a. weiter aufgeführt: die Schweizergarde, das Unterstützungswerk des Papstes und das Archiv des Zweiten Vatikanums. 1925 ANHANG „Eine Situation kollektiver Ungerechtigkeit“ Referat des Leiters der vatikanischen Delegation, P. Herve Carrier SJ, auf dem „Kulturforum“ in Budapest am 16. Oktober Herr Präsident! Im Namen der Delegation des Hl. Stuhles habe ich die Ehre, der Regierung und dem Volk von Ungarn unseren herzlichen Dank zum Ausdruck zu bringen für die freundliche Aufnahme, die sie uns in Budapest zuteil werden lassen, dieser großartigen Hauptstadt, die seit Jahrhunderten ein Zentrum der Zivilisation und des Kulturaustausches im Herzen Europas ist. 1. Die Kultur verlangt geistige Freiheit und sittliche Verantwortung Der Heilige Stuhl freut sich, an dieser kulturellen Begegnung teilnehmen zu können, die eine Ergänzung zu dem liefert, was man den „Helsinkiprozeß“ nennt. Nach zehn Jahren gemeinsamer Tagungen und Überlegungen werden sich die Unterzeichnerstaaten der Schlußakte von Helsinki klarer dessen bewußt, daß die Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa die Achtung der menschlichen Person, ihrer Würde, ihres Wachstums, ihrer Kultur - verstanden im höchsten Sinn des Wortes - voraussetzen. Denn der Friede, die gegenseitige Verständigung werden nur im Geist der Menschen und im sittlichen Bewußtsein der Völker solide Wurzeln finden. Das ist das erste kulturelle Faktum, das nun unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. So ist es ein großes Glück, daß das Kulturforum seine Arbeiten den dynamischen Verbindungen widmet, die zwischen dem Schaffen, der Verbreitung und der Zusammenarbeit auf kulturellem Gebiet einerseits und der Stärkung von Kontakten und der Verständigung in Europa andererseits zustande kommen. Unsere Diskussion sollte, das ist zu wünschen, diese Überzeugung vertiefen, daß die freie Förderung des Kulturschaffens und des kulturellen Austausches ein wirksames und unentbehrliches Mittel darstellt, um das gegenseitige Vertrauen zwischen allen hier vertretenen Ländern zu entwickeln, und daß für die Verwirklichung dieses gemeinsamen Zieles jeder Staat seine Kulturpolitik in einem weiten Rahmen gegenseitiger Verständigung wird überprüfen müssen. Für den Erfolg dieser Begegnung ist es nicht unwesentlich, von einem breiten Kulturbegriff auszugehen, der die Elemente des intellektuellen, 1926 ANHANG ästhetischen und moralischen Humanismus ebenso einschließt wie die charakteristischen Züge jeder Menschengruppe, die sich ihres eigenen Schicksals bewußt ist, was man lebendige Kultur nennt. Der Hl. Stuhl macht sich diese humanistische und soziologische Kulturauffassung zu eigen, die in der „Erklärung von Mexiko“ auf der 1982 in Mexico-City abgehaltenen Internationalen UNESCO-Konferenz über Kulturpolitik berücksichtigt wurde. Die „Erklärung von Mexiko“, die von allen Mitgliedsländern der UNESCO einstimmig angenommen wurde, hat die geistigen Dimensionen der Kultur gut herausgestellt, wenn sie die Kultur definiert als „Gesamtheit verschiedener geistiger und materieller, intellektueller und emotionaler Züge, die eine Gesellschaft oder eine gesellschaftliche Gruppe kennzeichnen. Sie umfaßt außer Künsten und Wissenschaften die Lebensweisen, die Grundrechte des menschlichen Daseins, die Wertsysteme, die Traditionen und Glaubensüberzeugungen“ (CLT/MD/1). Das ist ein ähnliches Kulturverständnis wie das von der katholischen Kirche in ihren offiziellen Texten gebrauchte, namentlich im Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Beziehungen der Kirche zur Welt von heute (Gaudium et spes, Nr. 53). Aus diesen Bemerkungen ergibt sich, daß es ohne schöpferische Freiheit des menschlichen Geistes keine Kultur gibt. Die Kultur ist deshalb nicht zu trennen vom geistigen Wachstum, von der Erziehung zur Freiheit, von der Erziehung zur Verantwortung. Das sind die grundlegenden Werte für die Würde der Menschen und für die gerechte Entwicklung der Gesellschaften. Kultiviert sein heißt für den Menschen, frei denken und eine schöpferische Rolle in der Gesellschaft einnehmen zu können. Man sieht also den gesellschaftlichen Nutzen, den die Erziehung von Bürgern bringt, die sich im Namen ihrer geistigen Überzeugungen engagiert für den Aufbau gerechter und brüderlicher Gemeinschaften einsetzen. Es wird in der Gesellschaft keine wahre Kultur geben ohne echte Freiheit des Gewissens, was für die Gläubigen die Freiheit und die tatsächliche Möglichkeit einschließt, sich intellektuell und spirituell weiterzubilden und innerhalb und außerhalb ihres Landes frei mit den Gruppen und Personen in Verbindung zu stehen, die ihre Überzeugungen und ihren Glauben teilen. In dieser weiten, allen materiellen und spirituellen, persönlichen und gesellschaftlichen Werten offenen Sicht der Kultur schätzt sich der Heilige Stuhl glücklich, beim Austausch und den Untersuchungen dieses Forums seinen Beitrag liefern zu können. 1927 ANHANG 2. Die christliche Prägung der europäischen Kultur bleibt ein immer gegenwärtiges Erbe Es hat seinen besonderen Grund, daß es der Heilige Stuhl zu schätzen weiß, seinen Beitrag zum Thema Kultur in Europa - mit gleichzeitiger Berücksichtigung der Vereinigten Staaten und Kanadas - vortragen zu können. Eine zweitausendjährige Geschichte hat die Entwicklung des Christentums aufs engste mit den Ursprüngen und dem Aufstieg der Zivilisation auf diesem Kontinent verbunden. Die ganze Kulturgeschichte der hier vertretenen Länder gibt davon Zeugnis. Die Bewahrung und Bereicherung des griechisch-römischen Erbes, die Aufnahme der arabischen Wissenschaft, des germanischen Erbes sowie die Entfaltung der slawischen Kultur wären unmöglich gewesen ohne den Eifer der ersten christlichen Denker und der gelehrten, im Geiste des hl. Benedikt geformten Mönche, ohne den Beitrag genialer Missionare, wie der hll. Kyrill und Method, ohne die zunächst bescheidene Unterrichtstätigkeit an den Domkirchen, aus der dann im weiteren Verlauf die Schule und später die Universität entstehen sollte, diese so typisch europäischen Schöpfungen. Die Karte der angesehensten Universäten der meisten eurer Länder ist aufschlußreich für diesen „Ehebund“ des Christentums mit der Hochkultur Europas. Wir nennen nur einige Namen: Bologna, Paris, Oxford, Salamanca, Wien, Erfurt, Köln, Basel, Löwen, Budapest, Krakau, Prag, Wilna, Uppsala, Kopenhagen bleiben die lebendigen Symbole einer Erinnerung, die man nicht unterdrücken könnte, ohne der historischen Kultur ganz Europas und, so fügen wir hinzu, der ganzen Welt schweren Schaden zuzufügen; das bestätigt wieder, daß die Kultur jedes Menschen und jedes Volkes eine Bereicherung für die ganze Menschheitsfamilie darstellt und, umgekehrt, jede Beeinträchtigung der Kultur uns alle ärmer macht. Abgesehen von den Mißverständnissen oder dem Unverständnis, das mitunter die Beziehungen des Christentums zur Intelligenz in einem bestimmten Umfeld und zu bestimmten, oft den Werten der Religion abträglichen Zeiten kennzeichnen konnte, erkennt sich die Kirche eine wirkliche Wesensverwandtschaft mit der Welt der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft, der Literatur, der Musik zu: alles Äußerungen der Schöpferkraft des menschlichen Geistes. Viele große Meisterwerke der europäischen Literatur, berühmte Maler, Baumeister der großen Dome, herausragende Musiker haben aus dem christlichen Erbe die lebendige Quelle ihrer Inspiration und ihrer Kreativität geschöpft. Man braucht nur berühmte Museen, wie den Louvre in Paris, den Prado in Madrid, die 1928 ANHANG National Gallery und das Britische Museum in London, die Uffizien in Florenz, die Vatikanischen Museen, das Berliner Museum, die Tretjakov-Galerie in Moskau oder die Leningrader Eremitage, das Budapester Nationalmuseum, das Rijksmuseum in Amsterdam, das Nationalmuseum in Washington zu besuchen, um zu entdecken, daß die schönsten Werke der Malerei, der graphischen Künste, der Bildhauerei eine kraftvolle christliche Kultur glanzvoll widerspiegeln, die für ganz Europa zum geistigen Mutterboden wurde. 3. In der heutigen pluralistischen Gesellschaft die kulturellen Rechte der Gläubigen garantieren Diese glänzende Vergangenheit ist Ihnen, meine Damen und Herren, die Sie herausragende Vertreter der Kultur Ihrer Länder sind, bekannt. Sie wissen, wie die Seele Ihrer Völker geformt wurde und welch entscheidende Rolle dabei die christlichen Werte, zweifellos neben Beiträgen Andersgläubiger und anderer geistlicher Familien, gespielt haben. Die jüdisch-christliche Überlieferung hat die Kultur Europas in unauslöschlicher Weise geprägt, indem sie ihr eine charakteristische Weise vermittelte, den Menschen und sein transzendentes Geschick, sein Verhältnis zur Natur und zur Gesellschaft, sein Verhalten gegenüber der Arbeit und gegenüber der Familie, sein Rechtsempfinden, seinen Sinn für die Freiheit und die soziale Verantwortung zu verstehen. Der Heilige Stuhl erkennt ohne Zögern den pluralistischen Charakter ihrer Kulturen an, aber er erlaubt sich, zusammen mit mehreren bedeutenden Vertretern auf diesem Forum daran zu erinnern, daß es der heutigen, vor allem der jungen Generation gegenüber zutiefst ungerecht wäre, wenn die religiöse Prägung eurer historischen Erfahrung mehr oder weniger systematisch verborgen würde. Durch einen solchen kulturellen Gedächtnisschwund würde ihre ursprüngliche Lebenskraft in ihren reichsten Quellen versiegen. Die junge Generation hat ein grundlegendes Recht auf dieses Kulturerbe, es ist ihr Eigentum, ihr geistiges Erbe, das es ihnen ermöglichen soll, sich wirklich mit der Kultur ihrer Herkunftsgemeinschaft zu identifizieren. Sie dieses kulturellen Reichtums zu berauben, heißt, die geschichtliche Dynamik einer Kultur schwer und vielleicht in nicht wiedergutzumachender Weise zu verletzen. Diese Forderung gilt für die Jugend insgesamt, aber sie wird noch vordringlicher, wenn die christlichen Familien inständig ersuchen, daß ihre Kinder eine Erziehung erhalten, die sie ernsthaft in die geistliche Geschichte ihrer Kultur einführt. Es gibt da eine Form der religiösen 1929 ANHANG Freiheit, deren Verletzung vielleicht nicht hinlänglich bemerkt wird, deren Auswirkungen aber auf lange Sicht für eine Kultur tödlich sein können. In gewissen Staaten, wo die Verfassung zwar die Religionsfreiheit garantiert, sehen die christlichen, jüdischen oder islamischen Familien, daß ihre Kinder im Atheismus erzogen werden. Es gibt da einen Widerspruch zwischen der Verkündigung der religiösen Freiheit einerseits und der Förderung eines antireligiösen Erziehungssystems andererseits. Die Annahme dieser Forderungen der Gewissensfreiheit verweigern heißt, daß praktisch ganze Gruppen der Bevölkerung die Gleichheit des Zuganges zur Kultur verweigert wird, die sich mit Recht als Objekt einer im Gegensatz zu den Menschenrechten stehenden kulturellen und religiösen Diskriminierung betrachten. Das bedeutet auch, die Gesellschaft in gewisser Weise des Beitrags der Bürger zu berauben, die durch ihre Talente bei gleichen Sachkenntnissen in ihren Ländern ihren Platz und ihre gesellschaftliche Verantwortung einnehmen könnten. Wir wollen auf dieser Versammlung die Anträge bekräftigen, die auf der im Juli 1985 in Helsinki abgehaltenen Tagung aus Anlaß der Helsinki-Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit vor zehn Jahren vom Heiligen Stuhl vorgetragen wurden. Wir nennen vor allem: „Das Recht, einzeln oder in Gruppen oder durch Vermittlung konfessioneller Organisationen Religionsunterricht zu erteilen und zu erhalten, angefangen beim Recht der Eltern, ihren Glauben an ihre Kinder weiterzugeben; oder die Freiheit der Gläubigen und ihrer Gemeinden, Kontakte und gemeinsame Zusammenkünfte mit ihren Glaubensbrüdern, auch aus anderen Ländern, zu haben; oder schließlich die Freiheit, Publikationen und Material religiöser Art zu erhalten und zu gebrauchen und Zugang zu den religiösen Informationsquellen zu erhalten.“ Diese Forderungen stimmen übrigens überein mit den ausdrücklichen Bestimmungen der Schlußakte von Helsinki über die Bewegungs- und Austauschfreiheit, die die religiösen Institutionen haben müssen, was 1983 vom Schlußdokument der Madrider Nachfolgekonferenz bestätigt wurde: „(Die Teilnehmerstaaten) werden weiterhin die Anwendung der betreffenden Verfügungen der Schlußakte fördern, so daß die Kultausübung sowie die religiösen Einrichtungen und Organisationen und ihre Vertreter in ihrem Tätigkeitsbereich untereinander Kontakte und Begegnungen entwickeln und Informationen austauschen können.“ Meine Damen und Herren, die Vergangenheit unserer Kulturen lebt in unserer Gegenwart weiter als eine verborgene Triebkraft. Es genügt im 1930 ANHANG übrigen zu beobachten, was in den Ländern geschieht, wo die kulturelle Kreativität die Vorbedingungen für ihre freie Entfaltung antrifft. Nein, die Kulturgeschichte dieses Kontinents liegt nicht im Sterben, wie manche behaupten. Sehen wir doch, daß noch immer die religiösen Werte Maler, Architekten, Bildhauer, Musiker, Schriftsteller, Filmregisseure inspirieren, die man zu den größten zählt. Aber die Voraussetzungen der freien künstlerischen Kreativität, der Verbreitung und des kulturellen Austausches haben sich sehr geändert. 4. Überprüfung der Kulturpolitik, die die religiösen Freiheiten beschränkt Manche ethnischen Gemeinschaften leiden bedauerlicherweise unter einem ständigen kulturellen Widerspruch. Auf der einen Seite bleibt ihre lebendige Kultur den religiösen Werten verbunden, aber es ist für einen gläubigen Künstler oder Schriftsteller äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich geworden, sein religiöses Denken oder seine geistige Inspiration frei zum Ausdruck zu bringen. Systematische Zwangsmaßnahmen, administrative Behinderungen stellen in der Tat dem freien Schaffen unüberwindliche Schranken in den Weg. In der Praxis muß man, um literarische und künstlerische Werke zu schaffen, Verlagshäuser, Vertriebszentren, Zugang zu einer qualifizierten Presse, zu den Kulturzeitschriften, zu den Medien, zu den Produktionsstudios finden. Diese konkreten Möglichkeiten fehlen dem von religiösem Glauben inspirierten Künstler allzuoft, ohne vom Mangel an konkreter Unterstützung zu reden, die die modernen Regierungen und die Kulturstiftungen den Künstlern und schöpferisch tätigen Menschen im allgemeinen gewähren. In gewissen Staaten werden die für die kulturelle Kreativität unerläßlichen Voraussetzungen den Personen und Gruppen, die bestrebt sind, ihren Glauben in literarischen und künstlerischen Werken zum Ausdruck zu bringen, häufig verweigert. Die Situation verschärft sich noch für die Minderheiten, für die Migranten, deren Glaube von Zwangsassimilierung oder einfach vom Erlöschen mangels freier Äußerungsmöglichkeit bedroht ist. Ein schweres Unrecht wird den Glaubensgemeinschaften zugefügt, die weder Bücher noch Zeitschriften noch religiöse Zeitungen noch Lehrbücher für Kinder veröffentlichen dürfen und die praktisch keinen Zugang zu den sozialen Kommunikationsmitteln haben. Nicht einmal die Bibel, das heilige Buch schlechthin der jüdisch-christlichen Kultur, darf gedruckt, ja nicht einmal in ausreichender Zahl frei eingeführt werden. 1931 ANHANG Schwere Beschränkungen werden desgleichen den Gläubigen auferlegt, die vergeblich bestimmte Freiheiten fordern: die Freiheit, über religiöse Fragen zu informieren und informiert werden zu können; die Möglichkeit, miteinander kulturelle, wissenschaftliche, erzieherische und künstlerische Treffen zu veranstalten; die Freiheit, an internationalen Kongressen teilzunehmen, die ihre Brüder im Glauben zusammenführt. Wie sollte man sich da nicht über die häufige Abwesenheit von Gläubigen aus bestimmten Ländern auf internationalen Tagungen zutiefst wundern und die Schwierigkeit eines ungehinderten Informationsaustausches mit ihnen bedauern? Die Öffentlichkeit kann darin nur eine Verletzung der kulturellen Grundrechte jeder menschlichen Person sehen. Es scheint eine Situation kollektiver Ungerechtigkeit geschaffen worden zu sein, die sicher nicht dem Geist von Helsinki entspricht. Es sind nicht nur einige Einzelpersonen, die in ihrem Denken behindert werden, es ist oft ein ganzes Volk, dessen lebendige Kultur erstickt wrid, denn sie findet nicht mehr Ausdruck in den Formen der Volkskunst, in ihren traditionellen Festen, in der Schaffung von Denkmälern, die ihres religiösen Glaubens würdig sind, in ihrem Wachsen durch den freien Unterricht, die Forschung, die Kommunikation, die Publikationen. Ohne gegen die internen Vorrechte der Staaten verstoßen zu wollen, scheint es doch angebracht, im Rahmen dieses Forums zu einer Überprüfung der Kulturpolitik aufzufordern, damit die Kulturen besser miteinander in Verbindung stehen können. In diesem Dialog innerhalb der Menschheitsfamilie will der Hl. Stuhl der Stimme so vieler Gläubiger Gehör verschaffen, die sich in ihren Erwartungen und ihrem Recht auf die Freiheit des Geistes enttäuscht fühlen. Sie setzen große Hoffnung in den Solidaritätsprozeß, der vor zehn Jahren von den Helsinki-Vereinbarungen eingeleitet wurde. 5. Zusammenarbeit und kulturelles Wachstum durch die neuen Verbreitungstechniken Wir weiten unsere Überlegungen noch aus, indem wir den außerordentlichen Möglichkeiten Rechnung tragen, die die neuen Verbreitungstechniken der modernen Zivilisation an die Hand geben. Der technische Fortschritt, vor allem die Nachrichtensatelliten, sprengen sämtliche Grenzen und zwingen uns, die kulturellen Bedingungen für ihre Anwendung zu überlegen. Einerseits muß man sich freuen über die Wunder, die der Rundfunk, das Fernsehen, das Kino, die Videokassetten, die auflagenstarken Publikatio- 1932 ANHANG nen für die Volkserziehung, für die Demokratisierung auf kulturellem Gebiet, für die Einführung in die Hauptwerke aller Nationen und für den Zugang zum künstlerischen Erbe der Menschheit vollbringen können. Es handelt sich um einen kulturellen Fortschritt und um eine neue Form internationalen Austausches, die diejenigen, die sich der Verständigung zwischen den Völkern annehmen, nicht gleichgültig lassen können. Der „Helsinkiprozeß“ wird sich ausweiten und die ursprünglichen Dimensionen der Kommunikation innerhalb der großen europäischen Gemeinschaft einbeziehen müssen. Andererseits ist eine gemeinsame Wachsamkeit geboten, damit nicht die Verwendung neuer Kommunikationstechniken die ethischen und kulturellen Kriterien für ihren Einsatz beiseite läßt. Im Namen der Achtung vor der Kultur und den Kulturen jedes der betroffenen Länder ist es wichtig, erneut zu bekräftigen, daß die privaten und öffentlichen Verbreitungszentren nicht als bloßes Mittel des ideologischen Kampfes mittels Druckes auf die Kulturen eingesetzt werden dürften. Ebensowenig sollten sich die Medien allein vom Gesetz des wirtschaftlichen Gewinns und des Marktes leiten lassen. Diese ethischen Grundsätze vergessen heißt, früher oder später die Kulturgüter dem autonomen Gesetz der ideologischen oder wirtschaftlichen Berechnung zu unterwerfen. Ist nicht der Augenblick gekommen, auf beiden Seiten die modernen Medien als privilegierte Instrumente des Dialogs und der Verständigung zwischen den Kulturen zu betrachten? Ist nicht in der heutigen Zeit, wo die sozialen Kommunikationsmittel dank der neuen Technologien über unendlich große Gebiete ausstrahlen können, Europa, den Vereinigten Staaten und Kanada eine Chance gegeben, im Bereich des Kulturaustausches, künstlerische Koproduktionen, bildender Rundfunk- und Fernsehsendungen eine neue Form bilateraler oder multilateraler Zusammenarbeit zu entwickeln? In der Stunde der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen allen Ländern wird es unerläßlich, den breiten Bereich des Kulturaustausches unter Berücksichtigung aller vorhandenen Interessen zu überprüfen: die schöpferischen Menschen, die Künstler, die Produzenten, die Kulturindustrie, die Regierungen, die betreffenden nichtstaatlichen Organisationen, die ethnischen Gemeinschaften selbst. Bei diesem Bemühen um Verständigung muß den religiösen Gruppen eine aktive Rolle eingeräumt und bei der Programmierung von Sendungen muß den religiösen Themen, den Informationen, die die Gläubigen, ihre Glaubensgemeinschaften, ihre Tätigkeiten, ihre Beziehungen zu den Brüdern und Schwestern im Glau- 1933 ANHANG ben betreffen, in verschiedenen Ländern ein angemessener Raum Vorbehalten werden. Der Hl. Stuhl spricht den Wunsch aus, daß diese erste kulturelle Begegnung sich fortsetze und den Kulturdialog vertiefe in der Hoffnung, die Brüderlichkeit und den Frieden zwischen allen Staaten auf soliden Boden stellen zu können. In dem Maß, in dem sich der „Helsinkiprozeß“ den Dimensionen der Kultur öffnet, wird er wirksam zur Schaffung des Vertrauens und der Verständigung, der Vorbedingungen für Sicherheit und Zusammenarbeit zwischen den Ländern Europas, den Vereinigten Staaten und Kanda, beitragen. Wenn wir uns verpflichten, ehrlich und frei miteinander über die Kultur zu diskutieren, werden wir den Völkern dieser Länder eine neue Hoffnung bringen. Wir dürfen diese weltweite Hoffnung nicht enttäuschen. Damit, daß wir uns um die Kultur der Völker und Menschen kümmern, wollen wir einfach den Menschen verteidigen und fördern, Frieden und gegenseitiges Vertrauen gibt es nur um diesen Preis. Apostolische Pönitentiarie Dekret Von verschiedenen Seiten wurde an den Hl. Stuhl der Wunsch herangetragen, daß, wie Rundfunk und Fernsehen jetzt öfter und besser zur Verbreitung der Heilsbotschaft eingesetzt werden - wunderbares Geschenk Gottes, der alles zum Heil lenkt -, diese auch, soweit ihre Natur das zuläßt, zur Verbreitung geistlicher Gaben dienen sollten. Deshalb machten einige Bischöfe den konkreten Vorschlag, daß der vollkommene Ablaß, der mit dem päpstlichen Segen verbunden ist, den nach den Normen des Ablaßverzeichnisses 11, § 2 die Bischöfe dreimal jährlich ihren Diözesanen erteilen können, von den ihrer Sorge anvertrauten Christgläubigen, die aus einem vernünftigen Grund an den Riten, in deren Verlauf der päpstliche Segen erteilt wird, physisch nicht teilnehmen können, empfangen werden kann, wenn diese Riten vom Fernsehen oder Rundfunk übertragen werden, und sie diesen in frommer Absicht folgen; unter den üblichen Bedingungen, daß sie beichten, kommunizieren und in der Meinung des Papstes beten. 1934 ANHANG Die Apostolische Pönitentiarie hat diesen Vorschlag zur Anpassung der geltenden Disziplin sich gern zu eigen gemacht, weil dadurch die Würdigung der Ablässe im christlichen Volk begünstigt wird, das so einen frommen Anreiz zur Erwerbung und Vermehrung der heiligen Gnade durch die Sakramente erfährt, und weil die Verbindung der Gläubigen mit dem Bischof gestärkt wird. Deshalb hat der Papst in der dem Größpönitentiar am 13. Dezember gewährten Audienz gern seine Zustimmung gegeben, daß die Christgläubigen auf die obengenannte Weise einen vollkommenen Ablaß erwerben können, und ihre Veröffentlichung angeordnet. Diese Entscheidung des Papstes macht die Apostolische Pönitentiarie mit diesem Dekret wirksam. Entgegenstehende Bestimmungen irgendwelcher Art entfallen damit. Rom, Apostolische Pönitentiarie, 14. Dezember 1985 Kardinal Luigi Dadaglio Größpönitentiar Luigi de Magistris, Regens 1935 Wortregister „Abba“ 226 Abendmahl — letztes 245 Abhängigkeit — koloniale 33 Ablaß 1935 — vollkommener 1934 Abrüstung 5, 534, 855, 1067, 1577 Abrüstungsgespräche 4 Absolution — persönliche 670 Abtreibung 298, 428, 480, 559, 978, 987, 1553, 1799, 1909 — Freigabe der 1553 — ist Verbrechen 984 Abtreibungspraktiken 1252 Adveniat, Bischöfliche Aktion 1675f., 1906 AER, Asociacion Ecuatoriana de Radiodifu-sion 346 Agnostiker 115, 143f. Agnostizismus 116, 145, 1217 Agrarreform 373 Aktion — und Gebet 1415 Alkohol 326, 467, 480, 890, 1042, 1212, 1404 Alkoholismus 349, 378, 397, 888, 1404f. Alkoholmißbrauch 1404f. Allgegenwart 196f. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 1573 Allgemeinwohl 824, 1208 — des Volkes 839 Allmacht 196f., 206 — Gottes 131, 295, 1719 Allwissenheit 196f. Aloysisiusbruderschaft 1428 Alphabet — kyrillisches 1386 Alphabetisierung 888, 1776-1778 Altar — Dienst am 1245 Altenpflege 449 Alter — Beschwerden des 981 Altersversicherung 373 Altes Testament 51, 55-58, 86, 90, 92-94, 111, 150, 152, 1284, 1517, 1889f. — Evangelist des 1028 — Offenbarung des 112 Altkatholiken 548 AMECEA 935 Amt (Ämter) 547 — bischöfliches 290 — königliches A. Christi 677 — Teilhabe am A. Christi 1269 — und Charismen 1825 Amtspriestertum 803, 1137 Analphabetismus 317, 378, 865, 870, 1776 Anarchie 1317 Anbetung 670 Anglikanische Gemeinschaft 126 Angst 858 Animateure — christliche 431 Anlagentechniken 1002 Anstaltsgeistliche 632 Anthropologie 1216, 1627, 1679 1937 Anthropomorphismus 206 Anthropozentrik 1258 Anti-Lebens-Mentalität 845 Antisemitismus 1108, 1594, 1888, 1898 Apartheid 167, 275, 943 — System der 538, 859 Apologetik — christliche 1898 Apostelamt 301 Apostolat 657, 671, 997, 1263f., 1320f., 1546, 1606, 1709, 1718 — Berufung zum 1647 — der Familie 1708 — der Hierarchie 1170 — der Laien 170,320,700,1170 — Modell des 1607 — schriftstellerisches 765 — Teilhabe am 777 Apostolatsbewegungen 398 Apostolizität — der Kirche 1529 Arbeit 331, 334, 336, 372, 378, 458, 586, 588-592, 599, 717, 867, 1016-1020, 1154-1157, 1159f. 1208-1210, 1212, 1363, 1397, 1467, 1502, 1581 f., 1647f., 1909f., 1929 — Ausbildung und 1210 — Bedeutung der menschlichen 459 — Bußcharakter der 1020 — des Gottessohnes 459 — Evangelium der 335, 460, 463 — ein Menschenrecht 1210 — eine Berufung 332 — Frieden durch 463 — familienbezogene Dimension der 1149 — Grundrecht und Grundpflicht 1152 — gehört zur Heilsökonomie 459 — intellektuelle 332 — ist für Familie da 333 — ist Gut des Menschen 333 — körperliche 332 — künstlerische 332 — Mechanismus der 335 — menschliche 458 — messianische 459 — ökumenische 1291f. — Problem(e) der 331, 370 — Pastorale 1114, 1521 — Recht auf 462, 1008 — Sinn der 704, 709, 1158 — Solidarität der 374 — Spiritualität der 706, 1019 — soziale Zielsetzung der 1019 — Tag der 89 — Teil göttlicher Heilsökonomie 463 — Teil irdischer Wirtschaftsordnung 463 — Träger der 335 — und Familie 1149 — und Kapital 334 — und Kultur 1089 — Verständnis der 372 — Verwirklichung des Menschseins 333 — Vorrang gegenüber Kapital 334 — Welt der 334, 408, 1000, 1260 — Wert(e) der 336, 1018 — Wertschätzung der 372 — Würde der 1156 — wird zur Übung des Glaubens 1019 Arbeiter 700 — Ausbeutung des 370, 1017 — Rechte der 333 — Solidarität mit den 374 — Würde des 324, 462 Arbeiterbewegung(en) 324, 701, 1648 — autonome 704 — christliche 699f. Arbeiterj ugend — Evangelisation der 700 — katholische 699 Arbeiterkapläne 1004 Arbeiterorganisationen 700, 704 — christliche 699 Arbeiterverbände 374 Arbeitnehmer — Rechte von 334 Arbeitsbeschaffung 462 Arbeitslager 1243 1938 Arbeitslose(n) 701, 867, 1156, 1543, 1805 Arbeitslosenrate 1822 Arbeitslosigkeit 370, 399, 460, 462, 466, 558, 579, 589, 702, 717, 733, 859, 882, 962, 964, 993, 1008, 1021, 1025, 1042, 1057, 1068, 1155, 1210f., 1554, 1583 — Armut und 1404 Arbeitsmoral 824 Arbeitsplatz(-plätze) 592, 905, 1397, 1769, 1869 — Mangel an 370, 666 — Reduzierung 1002 — Sicherheit des 1001 Arbeitsplatzsicherung 1302 Arbeitsprobleme 701 Arbeitswelt 1352 — Gerechtigkeit in der 1802, 1805 Arche 22 Architektur 1567 Argwohn — „Kultur des A.“ 1255 Arianismus — Irrlehre des 563 Arme(n) 1768, 1770f. — Evangelisierung der 1772 — Option für die 453f., 465, 1880f. — Verteidigung der 400 Armut 33, 293, 340, 396, 401, 468, 501, 822, 892, 1277, 1326, 1520, 1767, 1881 — Christi 368 — Formen der 415, 1524 — materielle 1416 — Tragödie der 580 — und Arbeitslosigkeit 1404 — und Unterentwicklung 442 — vieler Campesinos 433 Arzt 1587 Askese — christliche 1356 Astronomie 1460 Astrophysik 1458 — relativistische 1417 Asylrecht 1582 Atheismus 58, 115, 117f„ 145, 397, 665, 1064, 1121, 1143, 1146, 1217, 1930 — Grundhaltung der Kirche gegenüber dem 117 — ideologischer 1142 — systematischer 116 — theoretischer und praktischer 1554 Atheisten 115 Atom 139 Atomexplosionen — erste 1242 Atomkatastrophe — Möglichkeit einer schrecklichen 512 Atomkrieg 599, 1041, 1488, 1575 Atomwaffen 539, 1061, 1218, 1487 — Begrenzung der 1061 Attentat 1130, 1724 Auferstehung 585, 675, 1893 — Ostermysterium des Kreuzes und der 208 — von den Toten 67 Aufgabe — bischöfliche 668 Ausbeutung 1277 — des Arbeiters 370, 1017 Ausbildung 1209 — und Arbeit 1210 Ausländer 1581 Ausländerseelsorge 1475 Auslandsschuld 580 Auslandsverschuldung 370, 1300 Aussätzige 883 Außenpolitik 855 1939 Aussöhnung — soziale 444 Auswanderung 1582 Autarkie — wirtschaftliche 856 Autonomie — des Staates 1523 — menschliche 116 Autoritarismus 801 Ave Maria 473, 493 Barmherzigkeit 507, 1635 — des Evangeliums 793 — göttliche 208, 753, 992, 806 — Werke der 1093 Basisgemeinden 1703 — christliche 1820, 1822 Basisgemeinschaften 516f., 1877 Befreiungen) 430,' 434, 453, 461, 465, 875, 1769, 1776f„ 1782, 1792, 1814, 1867 — christliche 407 — des Menschen 875 — Einsatz für 444 — Heil und 1891 — in Gerechtigkeit 1782 — partielle 434 — von Jesus erwirkt 448 — von Unterdrückung 511 Befreiungswege — wahre 464 Behinderte 806 Behinderung 981, 1492 Beichte 977 — persönliche 670, 976, 992 Bekehrung — Programm dieser 411 Bergpredigt 191, 341, 366, 410f., 415, 436, 467, 608, 802, 830, 1008, 1194, 1199, 1637 — Seligkeiten der 1725 Beruf(e) 1212 — geistliche 884 — Krise der geistlichen 1322 Berufsausbildung 1904 Berufsethik 854, 910 Berufspastoral 1323 Berufstheologen 668, 749 Berufung(en) 315, 319, 366-368, 385, 387, 400f., 552, 635, 654, 680f., 712, 819, 957, 1105, 1294, 1305, 1794 — als Christ 30 — als Kinder Gottes 997 — apostolische 1270, 1606 — christliche 386, 677, 679, 688, 744, 976, 1200f., 1203f., 1410, 1493, 1607, 1671 — der Eheleute 899 — der Kirche 1794 — der Laien 323 — des Menschen 552 — des Priesters 799 — durch Gott 509 — eheliche 1205 — Geheimnis der christlichen 350 — Geschenk Gottes 676 — Gott Hirte menschlicher 773 — Krise der 500 — Mangel an 293 — missionarische 1350 — ökumenische 547 — Pastoral der 1794f., 1797 — Pflege der 517 — persönliche 7 — Vielfalt der B. und Gnadengaben 603 — Wesen der 1741 — zum Apostolat 1647 — zum Eheleben 923 — zum Priestertum 771, 1561 — zur Heiligkeit 398, 915 — zur Teilhabe an Sendung der Kirche 604 Berufungspastoral 1759 Beschäftigungskrise 1260 Beten 241, 685 — kontemplatives 366 Bevölkerungswachstum 289, 844f. 1940 Bewegungen) — katholische 622 — neokatechumenale 398 — ökumenische 638, 1378, 1432, 1435f., 1438, 1440, 1476f„ 1518, 1526-1528, 1610, 1681 Bewußtsein — religiöses 724 — Wachstum des ökumenischen 659 Bewußtseinsbildung 1777 Beziehungen — internationale 537 — jüdisch-christliche 1107, 1285 — zwischenmenschliche 1914 Bibel 51, 1931 — interkonfessionelle Übersetzung 1518 Bibelapostolat 881, 1807, 1810 Bibelstudiengruppen 689 Bildung 1325 — christliche 866 — katechetische 1359 — ökumenische 1291 — religiöse 1359, 1762 — und Erziehung 1667 — und Formung der Person 1468 Bildungs— und Glaubensnot 1639 Biowissenschaften — Möglichkeiten der 578 Bipolarismus 1061 Bischof (Bischöfe) 1740-1742 — Aufgabe der 1114 — Hirte und Vater 567 — handelt „in persona Christi“ 916 — ist Friedensstifter 671 — Kollegialität der 29, 1685 — Kollegium der 936 — und Theologe 668 — Wirksamkeit des 1735 — „Zeugen der katholischen Wahrheit“ 290 Bischofsamt 565 — Charisma des 1496 — kollegialer Charakter des 1686 Bischofskonferenz(en) 1433, 1742f„ 1876 — Wesen der 1687 Bischofsstand — kollegiale Natur des 1744 Bischofsweihe 1840 Bittgebet 26 Blinde 1492 Bodenverteilung 1790 Botschaft — Universalität der evangelischen 1240 Brevier 1816 Brot — des Lebens 829 Brotvermehrung — Wunder der 17 Brüderlichkeit 326, 344, 685 Buch (Bücher) 1327 — slawische liturgische 1370 Buddhismus 110, 1199 Bürgerkrieg 1163 Bürokratie 854, 1583 Bund 206, 1169f. — alter 95, 111, 177, 973, 1402, 1455 — ewiger 200, 426, 594, 1453 — Frucht der Wiederversöhnung mit Gott 1455 — Gottes 93, 684 — neuer 94-96, 98, 200 — Pascha des alten 1239, 1453 Bund der reformierten Kirchen 1439 Bußakte 42 Bußbereitschaft 36 Buße 39f., 42, 666, 1749 — besitzt soziale Dimension 53 — innere Umkehr des Herzens 42 — Sakrament der 400, 403, 670, 829, 1170, 1607 — tun 40 Bußpraxis — der Kirche 48 Bußsakrament 356, 435, 916, 924, 931, 976, 1203, 1332, 1816 — Wiederentdeckung des 1251 Buß werke 42 Campesinos 336, 369, 373, 430f., 435-437 — Armut vieler 433 Caritas 609, 904, 1906 — christliche 1635 — Deutsche 23 — Diözesan-Caritas 1728 CELAM (Episcopal Latino-americano), Lateinamerikanische Bischofskonferenz 323, 1163, 1677 Charisma (Charismen) 137, 314, 369, 390f., 398, 639, 656, 710, 819, 918, 937, 1309-1311, 1474, 1489, 1499, 1546, 1709, 1853, 1874 — Ämter und 1825 — der Evangelischen Räte 1827 — der Unfehlbarkeit 1253 — der Wahrheit 80 — des Bischofsamtes 1496 — des Geistes 1490 — des Hirtendienstes 1176 — des Petrus 1447 — des Priesteramtes 1496 — katechetisches 765 — Verwirrung der 1703 — Vielfalt der 1261 Charta der Familienrechte 847, 987 Chauvinismus — sexueller 467 Cholera 1277 Chrisam 653, 812, 1231, 1411 — Salbung durch 836 Chrisammesse (Missa chrismatis) 1231f. Christen) — Dialog zwischen Chr. und Muslimen 960 — Einheit der 16, 23, 127f., 547, 1430, 1478, 1504, 1532, 1552, 1570, 1652, 1680f., 1684, 1860 — Engagement der 626 — Juden und 112, 1283, 1285, 1891f„ 1895-1898 — und Muslime 1317, 1810, 1515 — Versammlung der 813 Christentum — eschatologische Dimension des 1891 — Inkulturation des 884 — Judentum und 1886, 1897 — jüdische Wurzeln des 1892 — Quellen des 58 — soziale Forderungen des 293 — Traditionen des 1570 — Wiederbelebung des 1648 Christianisierung 1258 Christkönigsfest 1668 Christus vgl. Jesus Christus Christusnachfolge 59, 604, 822, 1762 CLAT, Lateinamerikanische Arbeiter-zentrale 323 CNBB, Nationale Brasilianische Bischofskonferenz 1738, 1742 Codex Iuris Canonici 939, 1432 Communio 1652, 1686, 1873f. Communio-Ekkhssiologie 1873-1875, 1877 Computer 1327 Confessio Augustana 1477 Credo 49-51, 57, 86, 123, 125-127, 134, 150, 152, 186, 200, 473, 1720 „Credo des Volkes Gottes“ 50 Datenverarbeitung — elektronische 717 Defätismus 496 1942 Dekalog 507, 1187, 1194, 1196 Demokratisierung 1933 Demut 340, 1423, 1703 Denken — christliche Durchdringung des 881 Deportierte 1475 Diakone 402 Diakonia 1398, 1546 Diakonie 1531 Dialog 24, 850, 851, 855, 1449, 1528 — des Heils 115 — Gebet und 541 — jüdisch-christlicher 1107, 1896 — lutherisch-römisch-katholischer 1477, 1504 — mit der jüdischen Gemeinschaft 1595 — mit Nichtglaubenden 1143 — mit nichtchristlichen Religionen 878, 1506, 1880 — ökumenischer 658, 1056, 1477, 1877 — politischer 1062 — theologische Dimension des ökumenischen 662 — theologischer 1291, 1437f., 1452, 1652, 1683 — über die Menschenrechte 1900 — Wege des 443 — zwischen Christen und Muslimen 960 — zwischen der katholischen und orthodoxen Kirche 1652 Diaspora 1533, 1897 Diasporagemeinden 1832 Dichtkunst 1355 Dienst — bischöflicher 678 — priesterlicher 1561, 1704 Diskriminierung 529 — ethnische und soziale 718 — sexuelle 1907 Dogma 1849 — und Offenbarung 1850 Dogmatik 1756 Dogmatismus — und Dogma 1851 Doxologie 1451 Dreieinigkeit — göttliche 523 Dreifaltigkeit 219 — der Personen 211 — göttliche 113, 1719 — Mysterium der 551,684 Dritte Welt 333, 628, 636, 703f., 857, 1305, 1576, 1718, 1905f. — Gesamtverschuldung der 1576 — Völker der 505 Droge(n) 326, 349, 397, 412, 433, 467, 480, 686, 890, 1042, 1212, 1307, 1326, 1352, 1404, 1439, 1520, 1790, 1882-1884 — Waffe der 1884 Drogenabhängige — Rehabilitierung der 1252 — Wiedereingliederung der 1884 Drogenabhängigkeit 1307, 1799 Drogenhändler 1790 Drogenhandel 1067, 1307, 1883f. Drogenkonsum 323, 1883f. Drogenmißbrauch 1307, 1885 Drogenphänomen 1883 Drogensucht 1397 ,,Dual'‘-Gesellschaft 702 Dürre 946, 1243 — Geißel der 858 Egoismen — nationale 1574 Egoismus 327 Ehe(n) 291, 312, 350, 412, 543, 559, 614, 715, 843f„ 865, 920f., 924, 949, 976, 993, 1205, 1212, 1553, 1678f„ 1706f., 1749, 1798, 1800f„ 1821, 1823, 1909 1943 — bekenntnisverschiedene 661 — christliche 296, 542, 614, 793, 922, 1709 — Einheit der 544 — Gnade der 924 — Heiligkeit der 904, 916 — Hingabe in der 383 — Keuschheit in der 1679 — konfessionsverschiedene 543f. — Mysterium der 921 — Sakrament der 383 , 426, 467 , 920, 925f., 1709 — Spiritualität der 637 — sittliche Ordnung von E. und Familie 978 — spirituelle und ethische Werte der 846 — Unauflöslichkeit der 558, 614, 924, 1800 — unauflösbare Liebe in der 428 — und Familie 599, 692f., 842, 847, 1042, 1658, 1663, 1706, 1800, 1806 — und Familienleben 297 — Wahrheit über E. und Liebe 920 — Wahrheit von 925 — Wesen der 1707 — Würde der 552 — wilde 467 Ehebruch 558, 1799 Ehebund 842, 845, 899, 931, 993 — sakramentaler 829 — Unauflösbarkeit 552, 769 Ehefrömmigkeit 1799 Ehegatten — Sittlichkeit des Intimlebens der 1707 — sakramentale Verbundenheit der 692 Eheleben — Berufung zum 923 Eheleute — Berufung der 899 — christliche 1708, 1801 — Gebet der 1801 — Liebe der 693 — Spiritualität der 1870 — Vereinigung der 1708 Ehelosigkeit 401, 501, 892, 994, 1557, 1817 Ehemißbrauch 978 Ehemoral 917f. — christliche 1206 Ehepaar 734 Ehepartner — Treue der 795 Ehesakrament 426, 475, 693, 792, 795, 843, 891, 1870 — Gnade des 922, 1801 Ehescheidung 428, 480, 553, 1799 Eheschließungen) 1399, 1822, 1914 Eheversprechen 921 Ehevorbereitung 883 Einehe 397 Eingeborene — Achtung und Sorge für 392 — Verteidigung der Rechte der 377 Eingeborenenkultur 379 Einheit 16, 253, 549, 660, 849, 1449, 1551 — christliche 23, 127f„ 543 , 547, 950, 1430, 1478, 1504, 1532, 1552, 1570, 1652, 1680f., 1684, 1860 — der Ehe 544 — der göttlichen Person(en) 157, 256, 262 — der Hierarchie 1874 — der Kinder Gottes 262 — der Kirche(n) 662,1103,1290,1342 — der Liebe 544 — der Natur 157 — des Glaubens 1434, 1653, 1662 — des Glaubensbekenntnisses 1435 — europäische 531 — ewige dreifältige 595 — Gebet für 1082 — Gnade der vollen 849 — Hoffnung auf 1570 — im Glauben 407, 542, 1874 — in Christus 490 — ist Gottesgeschenk 1081 — kirchliche 406, 1253 — kollegiale 1250 — mit Gott 459, 756 — Prinzip der 1431 1944 — politische 1400 — religiös-christliche 1391 — und Wahrheit 1253 — Vielfalt und 1337 — von Mann und Frau 921 — von Orient und Okzident 1571 — Wiederherstellung der 659, 1436, 1681 — zwischen Ost und West 1377 Einigung — europäische 1400 Einkünfte — Verteilung der 703 Einsamkeit 529 Einwanderer 1581 Ekklesiologie 29, 662, 1530, 1646, 1670, 1848 — militante 1847 Eklektizismus 747 Elektronik 1002, 1229, 1325 Elend 399, 460, 466 — und Hunger 1665 Elendsquartiere 395 Elendsviertel 1543 Eltern 1296, 1404f., 1616-1618 — christliche 298 — Mitarbeiter Gottes 864 — Recht(e) der 292, 1902, 1916 Elternliebe 865 Elternschaft 297, 924 — verantwortete 397, 467, 552, 845, 993, 1697, 1799 Eltern Vereinigungen — christliche 1617 Emanzipation 1909 — Geschichte der E. der Katholiken 499 Embryo — menschlicher 1069 Emigranten 1472-1475 — Integration der 1474 Emigration 964, 1582f. Empfängnis 187 — jungfräuliche 107 — und Geburt 1909 Empfängnisverhütung 428, 768, 923, 1799 Endgericht 1632 Energieknappheit 943 Engagement — soziales 630 „Engel des Herrn“ 187 ENI 1016 Entchristianisierungsprozeß 1253 Entchristlichung 563, 1252 Enteignung 1853 — der religiösen Produktionsmittel 1852 Enthaltsamkeit — eheliche 693 Enthumanisierung 332 Entspannung 1912 Entwicklung — der Völker 1666 — Frieden und 1045 — kulturelle 1467, 1520 — urbanistische 1798 — wirtschaftliche 855 Entwicklungshilfe 636, 1906 Entwicklungsländer 845, 944, 1065, 1552, 1599, 1665-1667 Entwicklungsprogramme 947 Enzyklopädisten 664 Epiphanie 8f., 14, 1053 — der Taufe 15 — Gottes 1055 Erbsünde 36, 264f., 836 Erdbebenkatastrophe — von Mexiko 198 1945 Erdölboom 373 Erdölindustrie 306 Erkenntnis — evangelische E. Christi 368 Erlösung — Gnade der E. durch Christus 26 — Sakrament der 522 Erlösungsgeheimnis 1373 Erlösungswerk — Beitrag zum E. Gottes 585 Ernährung 1502 — schlechte 1589 — und Landwirtschaft 1635 — Weltsicherheitsplan für 1633 Ernährungskrisen 1630 Ernteausfall 1243 Ersatzreligionen 1144 Erwachsenenbildung 1616, 1866 Erwachsenenkatechese 1254 Erzieher 863, 865, 1296 Erziehung 300, 302f„ 305f., 345, 364, 385, 403, 716, 821, 861, 863, 890, 899, 911, 1261, 1296, 1467f., 1520, 1616, 1808, 1837, 1884, 1929 — Bildung und 1667 — christliche 323, 338, 495, 670, 772, 824, 862, 1616-1618, 1639, 1749 — der Jugend 868, 918, 1538, 1546, 1616 — der Kinder 429, 467, 930, 1708 — „evangelische“ 303, 305 — evangelisierende 304 — in Familie und Schule 1211 — katholische 863, 868, 1360, 1829f. — liturgische 1578 — moralische 866 — Pflicht der 977 — staatsbürgerliche 854 — und Katechese 1898 — und Kultur 1777 — zur Freiheit 1927 — zur Verantwortung 1927 Erziehungsarbeit 1329 Erziehungsaufgabe Mil Erziehungsgemeinschaft 716 Erziehungsmethoden 494 Erziehungssystem — antireligiöses 1930 Eschatologie 411 Ethik 153, 384, 749, 872f., 913, 1418 — des Gebens 1907 — Grundlagen 578, 731 Ethos 972, 1417 Eucharistie 25, 120, 170f., 399f., 403, 426, 435, 514, 543, 547, 594, 638, 666, 783f., 828, 836, 838, 916, 920, 924-926, 929, 931, 1203, 1234, 1455, 1470f., 1547, 1607, 1634, 1701, 1749, 1855f., 1873f. — Diener der 1395 — des Letzten Abendmahls 1234 — Einsetzung der 650, 1401 — Gedächtnischarakter der 1893 — Mysterium der 927, 933f., 1457 — Papst der 782, 784 — Paschaopfer des Neuen und Ewigen Bundes 781 — Quelle der Einheit 387 — Realpräsenz Christi in der 1854 — regelmäßige Teilnahme an der 599 — Sakrament der 426, 523, 798, 928 — Sakrament des Bundes 1403 — Sakrament des Lebens 932 — und Familie 169, 172, 1806 — Verehrung der 1471 Eucharistiefeier 340, 1290, 1434f., 1453 — sonntägliche 554, 670, 689, 796, 893 Europa 1551 — Einheit 728 — vereintes 574 Europäische Gemeinschaft 574-576, 622, 629, 727, 735, 578, 1400 Europäisches Parlament 581 Europameisterschaften für Blinde 1491 1946 Euthanasie 298, 1587 Evangelien 96, 1476 — Abfassung der 97 — Geschichtlichkeit der 96 Evangelisation 9, 11, 1871 — der Arbeiterjugend 700 Evangelisatoren 321 Evangelische Räte 315, 317, 679, 1034, 1199, 1200, 1319, 1323, 1860, 1869 — Charisma der 1827 — Gelübde der 341, 366, 1650 Evangelisierung 318, 338, 1556-1558, 1560, 1563, 1570, 1746f„ 1755, 1759, 1761, 1764f„ 1769, 1781f., 1790, 1792 — der Armen 1772 — der Kultur(en) 304, 359-361, 364, 455, 1074f„ 1627 — der Kulturwelt 292 — der Welt 1861 — erzieherische 303 — Säkularisierung und 1548 — und Katechese 321 Evangelisierungsmittel 1823 Evangelium 51, 117, 303, 361, 691, 1199, 1203, 1336, 1409, 1477, 1725, 1795, 1808f. — Barmherzigkeit des 793 — Dienst am 1733 — der Arbeit 335, 460, 463 — der Liebe 392 — Freiheit des . 793 — Grundsätze des 557 — Identifizierung mit 1559 — Inkarnation des 794, 1383, 1548f. — Inkulturation des 882, 1506, 1712, 1715f. — ist freie Gabe 790 — Kultur des 744 — kontemplative Betrachtung des 392 — Licht des 18 — Liebesgebot des 846 — lebendige Präsenz des 317 — Neueinpflanzung des 1254 — Radikalismus des 679 — Sittengesetz des 1197 — und Kultur 1258, 1260, 1383, 1491, 1626, 1880 — und Leben 1549, 1559 — Wahrheit des 715, 922, 1602 — Werte des 403, 1086 — Widerschein des E. im Erziehungsprozeß 303 Evolution 1287f. — und Freiheit 1287 Evolutionismus — biologischer 1287 Evolutionslehre 1288 Evolutionstheorie — christlicher Glaube und 1286 — und menschliches Selbstverständnis 1287 Ewigkeit 184 Exegese 88, 1870 Exegeten — Aufgabe der 88 Exil 1915 Existenzangst — des Menschen 1121 Extremismus 1317, 1407 Familie(n) 30, 170, 276, 291, 297, 312, 315, 323, 333, 372, 382, 386f., 403, 455, 462, 493, 501, 514, 518, 544, 552-554, 628, 637, 673, 694f., 709, 715, 734, 749, 768, 824, 841, 845f., 854, 862f., 865, 882f., 890f„ 904, 918, 924, 949, 975, 978, 987, 993, 1003, 1005f„ 1017-1019, 1030, 1033, 1120, 1146, 1168, 1207f., 1210f., 1213, 1260, 1307, 1352, 1397, 1405, 1478, 1506, 1552f„ 1561, 1606, 1647, 1706-1708, 1710, 1749, 1761, 1765, 1767, 1769, 1795, 1798f., 1806, 1821, 1832f„ 1837, 1841, 1861, 1869, 1902, 1908, 1929 — Apostolat der 1708 — Arbeit und 1149 — Aufgabe der christlichen 276 — Bedürfnisse der 373 — christliche 328, 383, 428, 454, 542, 554, 866, 930f., 933, 1617, 1728, 1798, 1800, 1802, 1809, 1929 — der Kinder Gottes 652 — Ehe und 296, 599, 692f„ 847, 1042, 1663, 1706, 1800, 1806 1947 — Einheit der 323,795 — Entfaltung der 952 — erste Schule der sozialen Tugenden 930 — Fundament der Gesellschaft 554 — Gebet in 977 — Glaubenszeugnis in 605 — Grundzelle der Gesellschaft 291 — Heiligkeit der 296, 317, 769, 1150 — Institution der 578 — interpersonale Gemeinschaft 333 — ist „Hauskirche“ 304, 425f., 429 — Krise der 1252 — Pastoral der 1706 — Pfarrei und 1727 — Rechte der 703 — Sicherheit für 1001 — Sinn für Gemeinschaft und 378 — sittliche Ordnung von Ehe und 978 — sittlicher Verfall der 1639 — und Gemeindepastoral 604 — und Lehrkörper 1619 — Wert(e) der 715, 851, 1252, 1405 — Wohl der 976 — Zusammenführung der 1914 Familienapostolat 779 Familieneinkommen 1909 Familienethik 552 Familiengebet 429, 931 Familienkatechese 639 Familienkultur 1801 Familienleben 480 — christliches 384 — Werte des 701 Familienliebe 1806 Familienmoral 1553 Familienpastoral 518, 1553, 1658, 1708, 1710, 1797, 1799, 1802, 1841 Familienplanung — natürliche 924, 1678 Familienpolitik 554, 847 Familienriten 1800 Familienseelsorge 795 Familienspiritualität 384 Familienverband(-bände) 495, 1708 Family-Life-Association 845 FAO, (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) S. 242, 534, 858, 1629f„ 1633, 1635, 1903 Fasten 48 — Heucheleides 1112 Fastenzeit 37f„ 41, 1087, 1111-1113 Fatalismus 890, 1775 Favela 395 Feindesliebe — Gebot der 1609 Fernsehapparat 1327 Fernsehen 343, 1519-1521 — Rundfunk und 1934 Feudalismus 1522 Film 1327 Finanzhilfen 1906 Firmung 45, 635, 653, 655, 823, 836-838, 887, 916, 1171, 1203, 1263, 1646, 1834 — Bedeutung der Taufe und 1410 — Sakrament der 428, 652, 711, 830, 1409f. Flüchtlinge 129, 167, 858f„ 952, 964, 1218, 1472, 1475, 1506, 1582, 1809, 1823, 1904 Folter 1577, 1878 Folterkammern 1243 Folterungen 683, 859, 1218, 1915 Forderungen — soziale 414 Forschung — Freiheit der 939 I — theologische 740, 940 1948 Fortschritte) 363, 1723, 1861, 1906 — der Gesellschaft 1424 — Frieden und 531, 935 — industrieller 289 — kultureller 427, 1658, 1933 — menschlicher 427, 943 — naturwissenschaftlicher 943 — sozialer 317, 333, 427, 743, 1065, 1625, 1787, 1905 — technischer 1932 — Wohltaten des 1828 — wirtschaftlicher 743, 746, 1065, 1832, 1905 — wissenschaftlicher 745 — Zweifelhaftigkeit des 872 Französische Revolution 594 Frau(en) 1903 — Anerkennung der 1908 — Arbeit der 1909 — Beitrag der 639 — Berufung und Sendung der 1876 — Engagement der F. in der Kirche 639 — Förderung der 1907 — Identität der 1908 — in der Liturgie 1580 — Mitarbeit der 1877 — Stellung der F. in der Kirche 558 — soziale und wirtschaftliche Stellung der 1904 — Unterdrückung der 1907 — und Mutter 1908 — Würde der 839, 1648, 1822, 1904, 1907f. Freiheiten) 40, 116, 131, 344, 492, 537, 612, 615, 854, 863, 943, 989, 1128, 1211, 1260, 1330, 1332, 1398, 1440, 1473, 1485, 1522, 1555, 1573, 1622, 1626, 1768, 1776, 1795, 1840, 1864, 1879, 1900, 1915, 1929, 1932 — bürgerliche und religiöse 718, 1861 — Definition der 1916 — der Forschung 939 — der Kinder Gottes 471, 817f. — der Kirche 1523, 1535 — des Evangeliums 793 — des Geistes 748 — des Gewissens 578, 1927 — Erziehung zur 1927 — Evolution und 1287 — Gerechtigkeit und 323, 1805 — Gewährleisten von 645 — geistige 1926 — königliche 1670 — Mangel an 416 — menschliche 646, 608, 708, 731, 741, 943, 1907 — politische 1348, 1523 — religiöse 840, 878, 1261, 1532, 1881, 1915f., 1929, 1931 — schöpferische 1927 — und Gleichheit 731 Freiheitsbeschränkungen 466 Freiwilligendienst 1524f. Freizeit 1327, 1520, 1869 Freizeitbeschäftigung 1325 Freizeitgestaltung 1520 Freundschaften 1215 Friede(n) 3, 22, 60, 249, 325, 339, 344, 363, 380, 414, 417, 432, 440-442, 444, 463, 508, 515, 539, 542, 592, 640, 643, 645-650, 656, 661, 685, 709, 732, 735f., 743, 760, 782, 792, 852, 855, 857f., 860, 877, 889, 912, 926, 928, 941, 947f., 952, 960, 964, 986, 1002, 1008, 1030, 1039, 1047f., 1077, 1172, 1243f., 1260, 1299, 1326, 1440, 1460, 1465, 1471, 1483, 1488, 1503, 1520, 1537, 1539, 1552, 1572-1575, 1620, 1622, 1630, 1632, 1687, 1770, 1784-1787, 1862, 1879, 1900, 1909, 1912, 1926 — Aufbau des 645 — Bewahrung des 1577 — durch Arbeit 463 — Gehorsam und 1315 — Gerechtigkeit und 321, 403, 468, 1040, 1043, 1046, 1134, 1439, 1488, 1527 — Geschenk des 14 — Gottes 647 — gerechter 1061 — Hoffnung auf 1406 — innerer 976 — innerer und äußerer 1914 — messianischer 1464 — Notwendigkeit des 1047 — ohne Grenzen 1623 — Sehnen nach 1057 1949 — Sehnsucht nach 1047 — Seligpreisung des 1317 — Sicherheitsvorrichtung für F. und Hoffnung 1631 — sozialer 364, 1840 — sozialer und internationaler 733 — und Einheit 26 — und Entwicklung 1045 — und Fortschritt 531,935 — und Jugend 3, 1039f„ 1051, 1068, 1713 — und Menschenrechte 1914 — und Völkerverständigung 1725 — Waffen des 438 — Wert des 1044 — Wille zum 833, 1045 — weltweite Förderung des 535 — Zukunft des 1041 Friedensarbeit 580 Friedensbedrohung 1045 Friedensbotschaft 640 Friedensdialog 1062 Friedenssicherung 947 Friedhof — des atomaren Todes 1219 Frömmigkeit 435, 930, 1266 — eucharistische 434 Frömmigkeitsformen 456, 1580 Fruchtbarkeit 768, 891 — der Erde 590 — Erfordernis der verantworteten 383 — Kontrolle der 1909 Fürsorge 1399 Funktionäre — kirchliche 516 Fußwaschung 1233 Gastarbeiter 701f., 1581-1585 Gebet(e) 39, 193, 597, 630, 640, 656, 674, 680, 687f„ 818, 821, 849, 880, 891, 931, 990f„ 1009, 1145, 1202, 1216, 1266, 1269f„ 1320, 1607, 1650, 1681 — Aktion und 1415 — apostolischer Wert des 1266 — Bedeutung des 1415 — der Eltern für ihre Kinder 694 — des Herrn 1220 — eucharistische 1896 — Hohepriesterliches 424, 1238 — liturgisches 1546 — Notwendigkeit des 669 — und Dialog 541 — Wirksamkeit des 1266 Gebetsapostoiat 398, 403, 1266-1268, 1270 Gebetsgruppen 689 Gebetsleben 500 Gebetstradition 549 Gebot — erstes G. Gottes 588 Geburtenregelung — natürliche Methoden der 845, 1678 Geburtenrückgang 1554 — Folgen des 734 Gegensätze — soziale 289 Geheimnis — der göttlichen Mutterschaft 895 Gehorsam 340, 401, 501, 822, 892, 1315 — und Friede 1315 Gehorsamsgelübde 502 Geist (vgl.: Heiliger Geist) — eschatologische Gabe des 1431 — subsistierender 189 Geisteskranke 1426 Gelübde 907 Gemeinschaften) — gehört zum Wesen der Kirche 565 — neokatechumenale 1702, 1704f. — Sinn für G. und Familie 378 Gemeinschaftsleben 367 1950 Gemeinwohl 90, 230, 335, 344, 363, 433, 436, 462, 488, 532, 534f., 538, 619, 628, 630, 638, 648, 667, 713, 717, 733f., 795, 853-855, 867, 889f., 913, 937, 942, 1003, 1027, 1064, 1077, 1160, 1302, 1325, 1382, 1406, 1574, 1576, 1582f., 1622, 1786 — Dienst am 889 — Sünde gegen das 441 — Verwirklichung des 629 GEN 889 Generalkapitel 1414 Generationenproblem 735 Genmanipulationen 1069 Genußsucht 327 Gerechtigkeit 22, 143, 230, 342, 344, 348, 362, 372, 380, 400, 413-415, 417, 432f„ 440-442, 444, 453f., 461, 507-509, 515, 532, 535, 542, 579f., 591f„ 597, 640, 646, 656, 661, 685, 703f„ 708, 714, 718, 730f., 743, 760, 782, 838, 855, 857, 873, 889, 918, 926, 941, 964, 986, 1002, 1008, 1077, 1260, 1326, 1345, 1423, 1460, 1465, 1502f., 1520, 1537, 1539, 1552, 1572-1574, 1577, 1622, 1665f„ 1723, 1749, 1763, 1771, 1784-1786, 1813, 1829, 1900 — Befreiung in 1782 — der Normen 54 — Förderung der 348 — Freiheit und 323 — Frieden und 321, 403 , 468, 1040, 1043, 1046, 1134, 1439, 1488, 1527 — Gottes 207, 1345 — internationale 1633 — Recht und 599, 1632 — Sinn für 815 — soziale 27f„ 33f., 317, 325, 363, 396, 701, 705, 733, 854, 952, 960, 1620, 1840, 1891 — und Freiheit 1805 — und Liebe 142 — und Solidarität 1634 — und Wahrheit 1829 — Waffen der 440f. — Wert der 1045 Gerechtigkeitsgefühl — lebendiges 376 Gericht 1726 — Gottes 1125 — Tag des 111 Gesamtkirche 626, 1848 Gesang — gottesdienstlicher 1515 — gregorianischer 1655 Geschichte 1207 — europäische 730 Geschichtsforschung 1368 Geschichtswerke 1886 Geschlechtlichkeit — menschliche 1801 Geschlech tsbezieh ungen — voreheliche 480 Gesellschaft — christliches Gesicht der 667 — Familie Fundament der 554 — Familie Grundzelle der 291 — Fortschritt der 1424 — Gleichgewicht unserer 717 — pluralistische 665 — Veränderung der 705 — Wohl der 975 Gesellschaftskonzeption — christliche 461 Gesellschaftskrise 1883 Gesundheit 1492, 1502, 1776 — Sinn der 1586 Gesundheitsfürsorge 1095, 1597f., 1600 Gesundheitswesen 716f., 1094-1096, 1100, 1552, 1598-1600, 1762, 1777 — Einrichtungen des 528 Gettodasein 1583 Gewalt 327, 397, 412, 443, 1039f„ 1066, 1213, 1220, 1238, 1244, 1326f., 1352, 1467, 1520, 1575f., 1724, 1784-1787, 1813, 1878, 1914 — Fülle der priesterlichen 915f. — Krieg und 1043 1951 — Spirale der 732 — und Totalitarismus 466 — unmenschlicher Gebrauch von 1724 Gewaltanwendung 533 — terroristische 1130 Gewalttätigkeit 1729 — Spirale der 437 Gewalttaten 1466 Gewerkschafts- und Berufsorganisationen 374 Gewissen 54, 297, 344, 362, 371, 396, 504-507, 538f„ 611, 628, 667, 683, 687, 724, 741, 795, 840, 847, 854, 872, 878, 960f., 964, 986, 1006, 1043, 1063, 1089f„ 1113, 1195f., 1328, 1410, 1706f., 1725f„ 1785, 1815, 1823, 1834, 1915 — Achtung der 1064 — christliches 712, 767, 1259 — der Getauften 793 — der Jugend 890 — der Vöker 1503 — Erneuerung der 507 — Formung des 508 — Freiheit des 578, 1927 — kritisches 558 — Moral und 1194 — moralisches 1194 — Rechte des 1706 — Subjektivismus des 505 — sittliches 1706 — soziales 338 Gewissensbildung — des Christen 455 Gewissenserforschung 1727 Gewissensfreiheit 160, 1577, 1906, 1915, 1930 Gewissensprüfung 1633 Gewissensreife 48 Gewissensurteile 76 Gewissensverantwortung 76 Gläubige — fundamentale Gleichheit aller 603 — kulturelle Rechte der 1929 — Recht der 1916 Glaube(n) 51, 58, 61, 64, 69, 86, 88, 98, 105, 108, 115, 150, 254, 310-312, 360, 497, 721, 767, 887, 1128, 1145, 1207, 1219, 1417, 1419, 1510, 1656, 1762, 1805 — Analogie des 88, 206 — Beginn neuen Lebens 310 — christlicher 744 — christlicher G. und Evolutionstheorie 1286 — Definitionen des 51 — Dialog über den 546 — Dynamik des 811 — der Kirche 205 — der Universalkirche 622 — Einheit 542, 1434, 1653, 1662, 1874 — Entfaltung des 45 — eine Gewissensfrage 76 — Festigung des 121 — Freiwilligkeit des 76 — Freude des 720 — Funktionalisierung des christlichen 1288 — Geheimnis unseres 545 — Gehorsam des 62 — Gewißheit des 198, 1723 — Gnade des 72f., 123, 1276 — Grundwahrheiten des 152 — Inhalt des 45 — Inkulturation des 874, 1030 — islamischer 111 — ist die Seele der Katechese 20 — ist Gehorsam der Vernunft 65 — ist Gewissensfrage 77 — Gnadengeschenk Gottes 123 — ist Gottes Geschenk 120 — ist Tugend 121, 123 — ist Werk der Gnade 120 — Jesus Christus, Mittelpunkt unseres 234 — Kenntnis des 45 — Kraft des 1272 — Kultur(en) und 360, 363f., 737-739, 742, 940, 1625f„ 1733, 1736 — Mangel an 19, 666 — Mysterium des 739 — Offenbarung Voraussetzung für den 55 — Sieg des 557 — Subjekt des 55 — Treue zum unverkürzten G. der Kirche 133 — Tugend des 72 — trinitarischer 256 1952 — übernatürliche Dimension des 310 — und Beruf 877 — und Leben 1628 — und Werke 886 — Verbreitung des 46 — Vermittlung des 45 — Vertiefung des 45 — Wahrheit des 497 — Weitergabe des 542, 1871 — Wesen des 75, 117, 788 — Wissenschaft und 878, 1616, 1619 — Zeugnis des christlichen 110 Glaubens- und Gewissensfreiheit 985 Glaubensanimateure 431 Glaubensausbildung — der Laien 321 Glaubensbekenntnisse) 52, 133, 152, 156, 163, 176, 178, 182f., 188, 194, 197, 202, 208, 211, 242, 247, 252, 636, 877, 1274, 1719 — Apostolisches 49, 52, 150, 1601 — christliche, auch: „Symbola fidei“ 49 — Einheit des 1435 — monotheistisches 201 — nizänokonstantinopolitanisches 49, 150, 214f„ 231, 239, 244, 250, 848, 1056 — „Quicumque“ 245 Glaubenseinheit 672 Glaubenserziehung 293, 304, 669f., 891 Glaubensgeheimnis 178 Glaubensgehorsam 68 Glaubensgewißheit 205, 1718 Glaubensgnade 70f. Glaubensregeln 214 Glaubensschatz — der Kirche 82 Glaubenssinn 1253 — des Gottesvolkes 86 — übernatürlicher 81 Glaubenssolidarität 688 Glaubensspaltung 106 Glaubenssymbole 125 Glaubensverkündigung 1506 Glaubensverständis (intellectus fidei) 122 GIaubenswahrheit(en) 133, 186, 192, 240 — grundlegende 150 Gleichgewicht — soziales 396, 717 Gleichgültigkeit — religiöse 326, 397, 665, 741, 1143 Gleichheit — Freiheit und 731 — soziale 371 — von Mann und Frau 1904 Gleichnis — vom barmherzigen Samariter 53, 1586 — vom Guten Hirten 773 — vom verlorenen Sohn 272 — vom Weinstock und den Reben 91 — vom Weizenkorn 927 — von den Talenten 459, 463, 903, 1207 Gloria 473 Glückseligkeit — ewige 933 Gnade(n) 11, 70f., 420f., 790, 819, 921, 1171, 1693, 1722f. — Christi 398, 400 — Dynamik der sakramentalen 1489 — der Erlösung durch Christus 26 — des Ehesakramentes 922 — des Glaubens 72f., 1276 — erlösende Macht der G. Gottes 60 — Geheimnis der G. Gottes 422 — Geschichte der 1693 — Gott der 200 — göttliche 10, 74, 448, 1125, 1423 — heilbringende 395 — heiligmachende 389 — Macht der 11 — Triumph der 1696 Gnadengaben 817 1953 Gnadenmysterium 315 Gnosis 1144 Götzen 598 Götzendienst 1865, 1867 Gott(es) — Abwesenheit 1284 — Allmacht 131 — absolute Freiheit 195 — als das „Sein“ 165 — Barmherzigkeit 6, 208 — Begegnung G. mit den Menschen 810 — Bild von 132 — der Dreieinige 3 — der Gnade 200 — der Gute Hirt 33 — der Offenbarung 200 — der Schöpfer und Erlöser 668 — des Bundes 199 — Ebenbild 327 — „Eigenschaften“ 183 — Einheit 241, 459 — Einheit und Dreifaltigkeit 258 — „Einsamkeit“ G. beim Schöpfungswerk 196 — Erbarmen 269 — Erkenntnis G. als Schöpfer 155 — Ewigkeit 185 — Existenz 55-57, 59, 63, 117, 138, 140f„ 144, 146f„ 155f„ 176, 989 — einzige geistige Substanz 189 — ewige Zeugung in 240 — Freiheit 200 — Freundschaft 598 — Fülle alles Guten 191 — Gaben 590 — Gegenwart 196 — Geheimnis 185, 240f„ 257 — Gerechtigkeit 207 — Güte 272f. — Güte und Gnade des lebendigen 567 — Heiligkeit („Kabod Jahve“) 166, 268, 271-273 — Heilsinitiative 60 — Herablassung 268 — Herrlichkeit 267 — Herrschaft 679, 1669 — Hirte menschlicher Berufungen 773 — „ineffabiliter excelsus“ 176 — innere Kraft 1635 — „ipsum esse subsistens“ 184 — ist Alpha und Omega 150 — ist der einfachhin Seiende 158 — ist Geist 247 — ist Heil 521 — ist Liebe 205, 208, 212, 521, 1190 — ist Quelle der Freude 961 — ist Urgrund alles Seienden 158 — ist unser Richter 960 — kairos G. 40 — Kundgebung 157 — Leben des dreieinigen 212 — Liebesbund mit 383 — Mysterium 746, 933f. — „omnino Simplex“ 185 — Richter aller Menschen 967 — religiöse Wahrheit über 156 — Seinsphilosophie von 166 — Selbsthingabe 62 — Selbstoffenbarung 120 — Sinn für 670 — Sohn G. gegenwärtig als Inkarnation der unendlichen Macht seiner Liebe 7 — subsistierendes Sein 184, 186, 195 — systematische Entfremdung von 349 — Teilhabe an der Ewigkeit 313 — Teilnahme an seiner göttlichen Natur 180 — Transzendenz 206 — Treue 207 — Unnahbarkeit 267 — Unverstehbarkeit 177 — Urheber von Gerechtigkeit und Frieden 967 — unendlich vollkommener Geist 191 — unendliche Fülle des Guten 195 — Vater unseres Herrn Jesus Christus 151 — Vaterschaft 13, 219-221, 226, 228 — Versöhnung mit 976 — verstandesmäßige Erkenntnis 57 — Vollkommenheit 190, 271 — Wahrheit 746, 810 — Wahrheit über 133, 163 — Wahrheit über Menschen und 873 — Weisheit 190 — Wesen 158, 163-165, 177, 179, 185, 1721 — Wille(n) 62, 589, 1126 — Zeichen der Gegenwart 157 — Zorn 207 1954 Gottebenbildlichkeit 589, 616 Gottes- und Nächstenliebe 972, 1410, 1893 Gottesbeweise(e) 138 — naturwissenschaftlicher 138 Gottesdienst — sonntäglicher 991 Gottesempfinden 317 Gotteserkenntnis 9, 55, 58f., 63 — durch die Offenbarung 63 — Möglichkeit einer sicheren 156 — Möglichkeiten rationaler 58 — mit Hilfe der Vernunft 61 — natürliche G. aus der Schöpfung 63 Gotteserscheinungen 269 — des Alten Testaments 268 Gottesgeheimnis 131 Gotteshaus — Errichtung eines 811 Gotteskind — Würde des 167 Gotteskindschaft 471, 919, 1071, 1409, 1539 Gottesknecht 15 — Hymnus vom 445 Gottesliebe 796, 1862 Gottesmutterschaft 1052 Gottesreich 411 Gottessohn — Arbeit des 459 Gottessohnschaft 231, 233 Gottesverehrung 961 Gottheit — dreieinige 196 — Wesenseigenschaft der 245, 247 ,,Gott-ist-tot-Theologie“ 116 Gott-Jahwe 199f. Gott-mit-uns 990 Gottverlassenheit 585 Gravitationsphysik 1458 Gregorianische Reform 1346 Gregorianischer Choral 105, 1512, 1516 Gregorianischer Gesang 1485 Großfamilie 846, 863, 950, 979 Grundberufung 1182 Grundfreiheiten 1901f. Grundrecht(e) 645, 795, 1902 — auf Leben 1553 — der Person 537, 578, 859, 1575 — fordern 461 — menschliche 645, 912, 1063, 1243, 1261, 1348, 1577, 1761 — Verletzung der kulturellen 1932 Grundwerte — ethische 1359 — moralische 599 Guasmos 395 GueriUakämpfe 857 Güter — ungerechte Verteilung 371 — universale Bestimmung aller 706 Häresie 1133 Hagiographie 1845 Handel 378 Handelsbeziehungen 442 Handelsgleichgewicht 1154 Handkommunion 1856 Haß 397 Hausbesuche 1116 Hauskirche (vgl. Familie) 276f., 298, 1072, 1841 Hedonismus 666, 768, 1547, 1617 1955 Hegemonie — Streben nach 735 Heidenmission 1871 Heil — Dialog des 115 — und Befreiung 1891 Heilige Familie 276f., 296, 383, 385 — Beispiel der 930 Heilige Schrift 50f„ 80-82, 86, 121, 123, 132-134, 156, 158, 183, 199, 546, 607, 821, 849, 1247, 1870 — göttliche Inspiration der 87f. — in altslawischer Sprache 1569 — ökumenische Übersetzungen 122 — wichtigste Glaubensquelle 94 — Zugang zur 122 Heiliger Geist = Parakletos, der Beistand 86, 210, 244, 246f., 251, 253, 1340 — Beistand des 50 — Charisma des 340, 1389 — Eingebung des 90 — Einwirkung des 86 — Gabe Gottes 653 — Gabe(n) des 12, 71, 74, 656, 711, 819, 837 — Geist der Wahrheit 1408 — Geist der Wahrheit und Liebe 923 — Glaube an 245 — Gnade des 309, 770 — Herabkunft des 96, 651 — Hervorgang des 251 — innerer Beistand des 70 — Kraft des 522 — Mitwirken mit dem 657 — Sendung des 246 — Wirken des 17, 21, 142, 515, 595 Heiligkeit 391 — Berufung zur 398, 915, 1202, 1869 — des Menschen 422f. • — Streben nach 406 — substantielle 272 — theologische Grundlagen der 1846 Heiligsprechungsprozesse 1845 Heiligste Dreifaltigkeit 33, 107, 120, 130, 213f., 231, 244, 246f., 256, 426, 481, 837, 842 — Anbetung der 108 — Geheimnis der 257, 294 — Gemeinschaft der 843 — Gnade der 895 — heilbringende Macht der 108 — Initiative der 1455 — Leben der 930 — Mysterium der 1394 Heiligung — der Welt 888 Heilsdialog 128, 1507 Heilsdynamik 1569 Heilsgeheimnis 956 Heilsgeschichte 8, 595, 607, 1382, 1892 — Offenbarungsgeschehen als 66 Heilsgnade 15 Heilsmysterium 938f. Heilsökonomie 246f., 383, 550 — Arbeit Teil göttlicher 463 — göttliche 459, 1698 Heilsplan — göttlicher 62, 315 Helsinki-Prozeß 1912f„ 1926, 1933f. Herz-Jesu-Spiritualität 1267 Herz-Jesu-Verehrung 1267 Hierarchie 1849, 1853 — Apostolat der 1170 — Einheit der 1874 Hilfe — wirtschaftliche 1769 Hilfeleistung — sozialwirtschaftliche 511 Hilfsorganisationen — nichtstaatliche 1635 Hinduismus 110, 1199 Hindus 951, 953 Hirtenamt 1734 1956 Hirtenmesse 1720 Hochkommissariat für die Flüchtlinge 858 Hochmittelalter 1346 Hochschule(n) 940, 1590 — katholische 936 Hoffnung 326, 444, 448, 450, 634, 676f., 725, 1076, 1128, 1186f., 1230, 1272, 1465-1467, 1555, 1714, 1795, 1911f. — auf das ewige Leben 117 — auf Einheit 1570 — der Kirche 1217 — Erdteil der 1801 — eschatologische 117 — Fähigkeit zur 1465 — Tugend der christlichen 1808 Hoffnungslosigkeit 1467 Hohepriesteriiches Gebet (vgl. Gebet) 545, 549, 1377 Holocaust — nuklearer 162 Humanisierung 1018 — der Medizin 1599 Humanismus 243, 363, 404, 744, 860, 1418, 1795, 1834, 1927 — atheistischer 1069 — christlicher 434, 668, 1252, 1550 Humanwissenschaften 454, 872, 1460, 1753, 1908 Hunger 13, 399, 460, 466, 529, 857f„ 873, 888, 1057, 1065, 1088, 1090, 1154, 1218, 1277, 1439, 1466, 1469, 1633, 1636, 1723, 1775, 1878, 1904 — Drama des 54 — Elend und 1665 — in der Welt 1087 — Kampf gegen den 1067 — Kampf gegen H. und Krankheit 1676 — und Unterernährung 1041 Hungersnot 167, 580, 858, 1087 — Trockenheit und 1630 Hungertod 1129, 1243 Hygiene 1776 Identität — christliche 714, 1890 — jüdische 1890 — katholische 879, 882 — priesterliche 340, 606, 1703 Ideologie(n) 218, 290, 312, 321, 326, 364, 373, 397, 402, 439, 440, 443, 454, 466, 537, 645, 649, 701, 705, 714, 725, 731, 735, 747, 768, 846, 850, 872, 966, 978, 1040, 1042, 1044, 1066, 1090, 1193, 1220, 1244, 1254, 1555, 1613, 1749, 1777, 1789, 1820, 1828, 1864, 1867, 1900 — atheistische 1064, 1252 — nationalsozialistische 1610 — parteipolitische 1840 — rassistische 1583 — totalitäre 1864 Ikone 1248 — des lebendigen Gottes 723 Immanentismus 1864, 1867 Immanuel — „Gott mit uns“ 974f., 1454, 1722 Immigranten 1728 Immobilismus 1851 INMARSAT 1161 Indifferenz — religiöse 1727 Indios 31f., 34 Individualismus 1553, 1822 Industrialisierung 701, 943, 946 Industrie 378 Industriearbeit 587 Industriegesellschaft 1413 Industrieländer 944, 1665-1667 — wirtschaftliche Rezession der 1665 Industriewelt — Seelsorge in der 30 1957 Informatik 1002, 1091 Information 1325 — Recht auf 1326 Initiationssakramente — Taufe, Firmung, Eucharistie 710 Inkareich 32, 424, 431, 450 Inkarnation 178 — des Evangeliums 794, 1383, 1548f. — neue 1849 Inkulturation 793f., 844, 876, 904, 939, 1125, 1383, 1387, 1565, 1569, 1580, 1590, 1736, 1790, 1879, 1881 — des Christentums 884 — des Evangeliums 882, 1506, 1712, 1715f. — des Glaubens 874, 1030, 1258 Integration 1472f., 1583f. — der Emigranten 1474 — kirchliche 1472f. Internationaler Gerichtshof 104, 532-536, 538, 540 Intoleranz 956 Investiturstreit 1347 IRI 1161 Islam 113, 173, 814, 840, 954, 1122, 1199, 1593 Isolation 689 JAC 889 Jahwe (vgl. Gott-Jahwe) 36, 199, 1026, 1591, 1691 JFC 875, 889 Jesus Christus 601, 633 — Ähnlichkeit mit 837 — Angleichung an 615 — Brücke zwischen Schöpfung und Schöpfer 242 — bessere Kenntnis des Geheimnisses Christi 9 — dem ewigen Hohenpriester 567 — der Gekreuzigte 390 — der Weg, die Wahrheit, das Leben 111, 292, 1549 — der Weinstock 92 — dreifache Sendung 1202 — Erlöser 36, 218, 282, 836, 1205, 1248, 1701 — Erlöser und Befreier 316 — einziger Priester 829 — endgültige Selbstoffenbarung Gottes in 67, 70 — ewiger Hoherpriester 1246 — ewiger Priester 1395 — ewiger Sohn Gottes 35, 596, 926 — ewiges Wort 565 — Friedensfürst 438, 649, 1047, 1786 — fleischgewordenes Wort 51, 60, 89 — Gegenwart 6 — Gesalbter Gottes 356, 585 — Gespräch mit 1205, 1219 — Gottes Selbstoffenbarung in 98 — Gottes Weisheit 390 — Gottessohnschaft 1050, 1446f. — göttlicher Befreier 488 — Guter Hirte 84, 356f„ 450, 1571, 1770 — guter Samariter 1427 — Haupt seiner Kirche 711 — Heiland 435, 695 — Herr und Frlöser 78 — Herr unseres Heiles 306 — Hoherpriester 799, 1824 — hohenpriesterliches Gebet Chr. 128 — Identifizierung mit 48 — ist die Gewißheit eurer Jugend 329 — ist Fckstein 812 — ist König der Herzen 175 — Knecht Jahwes 1227 — Lehrer — Priester — König 1702 — Licht — Leben — Sieg 1462 — Licht der Menschen 420 — Licht der Völker 419 — Licht der Welt 419 — Liebesbund Chr. mit der Kirche 931 — liebender Bräutigam 842 — Mann der Arbeit 458 — Menschensohn 1669 — Mittelpunkt unseres Glaubens 234 — Mittler des ewigen Bundes 1402 — Mittler des „neuen“ und „ewigen Bundes“ 202 — Mitwirkung an Sendung Chr. 603 1958 — Mysterium Chr. 806, 927f., 934, 936f. — menschgewordener Gott 8, 138, 141, 826 — menschgewordenes Wort 62, 67f., 691 — Neugeburt in 73 — Opfer und Priester des Paschamysteriums 426 — Ostermysterium 1029 — Paschamysterium 1028 — Priester und Opfergabe 1634 — Priestertum Chr. 340 — prophetische Sendung 1591 — Retter 16 — Retter und Erlöser des Menschen und der Welt 319 — Sohn Gottes 6, 96, 234f., 306, 600 — Sonne der Gerechtigkeit 979 — Umkehr zu 441 — „unbeflecktes Lamm“ 448 — unschuldiges Lamm 1425 — unser Befreier 616 — unser Bruder 134 — unser Friede, unser Licht 218 — Weisheit Chr. 180 — Wiederkunft als Messias 1891 — Wurzel des eigenen Lebens 329 — wahrer Mensch 600 — zweiter Adam 1692 Johannesevangelium — Prolog des 1462 Johannes-Pa uI-II. -Stiftung — für die Sahelzone 946 Journalismus 1141 — katholischer 1141 Juden 111, 1109 — Ausrottung der 1898 — und Christen 112, 1283, 1285, I89If., 1895-1898 — und Judentum 1885 — Vernichtung von Millionen 1594 Judentum 1106, 1283, 1592, 1594, 1887f. — Christentum und 1886, 1897 — Kirche und 1888 — Religionsunterricht und 1886 — religiöse Beziehungen zum 1593 Jüngstes Gericht 632, 684 Jugend 30, 292, 303, 315, 318, 325, 328f„ 347-351, 405, 410-414, 495-497, 511, 555, 579, 599, 605, 611, 622, 672f., 681f., 689, 694, 716, 735, 769, 779, 806, 824, 853, 861-863, 865-867, 890, 926, 958, 962f., 1004f., 1007, 1030, 1051, 1167, 1173, 1177, 1182, 1186, 1189, 1260, 1294, 1296, 1322f„ 1326, 1397, 1404, 1465-1468, 1483, 1555, 1618, 1647, 1712-1715, 1718, 1736, 1762, 1765, 1769, 1781, 1795, 1805f., 1809f., 1822, 1861, 1913, 1929 — christliche Ausbildung der 328 — Erziehung der 868, 918, 1538, 1546, 1616 — Formung der 496 — Frieden und 1039L, 1051, 1068 — Gewissen der 890 — Hoffnung der Kirche 249, 1877 — Hoffnung in die 326 — ist einzigartiger Reichtum 1188 — Jahr der 3,1048,1051,1186 — Liebe zur 1180 — muslimische 172 — studierende 1625 — und Tod 1193 — Verantwortung christlicher 1047 — Verwahrlosung der 1639 — Welttag der 1714 Jugendarbeit 605, 609, 1180, 1292 Jugendarbeitslosigkeit 557f. Jugendbewegung — eucharistische 1268 Jugenderziehung 289, 304, 551 Jugendkatechese 1064 Jugendliche — Pastoral der 1183 — sittliches Wohl der 1329 Jugendpastoral 1173 Jugendseelsorge 1178, 1296, 1786 Jungfräulichkeit 898 Kameradschaften 1215 Kampf — und Kontemplation 705 1959 Kapital — Welt des 334 Kapitalismus 1091 Kardinalat — Institution des 1657 — Wesen des 1657 Kardinalswürde — Berufung zur 1342 Kardinaltugend 724 Karwoche 65 Katechese(n) 9f„ 12, 17, 19, 44f„ 49, 51, 55, 132f., 214, 301-303, 305-307, 312, 318, 321, 338, 368, 454f„ 473, 481, 497f„ 514, 566, 604, 636, 654, 656, 669f., 673, 710, 774, 777, 779, 796, 801, 881, 906, 940, 1116, 1274, 1292, 1329, 1357, 1359, 1558, 1594, 1615, 1618f., 1643, 1650, 1714, 1752, 1765, 1778f„ 1804, 1829, 1855, 1871, 1886, 1898 — Anpassung der 18 — Ausgangspunkt der 51 — Beteiligung von Laien in der 103 — der katholischen Kirche 1594 — Erziehung und 1898 — Glaube ist die Seele der 20 — Handbücher der 1886 — Inhalt der 11 — ist Berufung und Sendung 46 — ist Mitteilung der Heilswahrheit 10 — Kinder- und Erwachsenenk. 515 — Methoden der 18 — mystagogische 1873 — systematische 49, 52, 77 — traditionelle Formen der 18 — Werk der Kirche 9 — Zweck der 1829 Katechesengruppen 689 Katechet(en) 11, 20, 44f., 431, 777f„ 823, 1741, 1782, 1792 — Ausbildung der 44, 46 — lehrt Glauben der Kirche 47 — nimmt teil an Sendung der Kirche 47 — Tätigkeit des 47 Katechismus (Katechismen) 807, 1358f., 1687, 1805 Katechismusunterricht 1006 Katechisten 303, 1735 Katechumenat 790, 886 Katholiken 1277, 1452 — Lutheraner und 1476-1479 — Pluralität unter 494 Katholische Aktion 1263 — Jugend der 22 Katholizismus 1252 — und Protestantismus 1849 Katholizität 746, 853, 1338, 1354, 1380, 1387, 1535, 1685f„ 1704, 1789, 1874 — Dimension der 1382 — der Kirche 834, 1382, 1473, 1738 Kaufkraft — sinkende 370 Kerygma 19, 668 Keuschheit 340, 716, 822, 1679, 1801 — in der Ehe 1679 Kind(er) 987 — Erziehung der 429, 930, 1708 — Zeugung und Erziehung der 467 Kinder Gottes — Existenz als 465 Kindererziehung 693, 1728 Kindersterblichkeit 1775 Kirche: Charisma und Macht 1847f., 1853 Kirche(n) 132, 270, 311f-, 677, 1511, 1530, 1558, 1605, 1859, 1860, 1864f„ 1891 — Apostolizität der 259, 1529 — Aufbau der 515 — abendländische 1378 — als K. Sakrament sein 1698 — als Volk Gottes 489 — altorientalische 1438 — Berufung der 1694, 1794 — byzantinische 1379 — Disziplin der 558 I — Dynamik der 293 1960 der Seligpreisungen 1763 „des Volkes“ 1814 Einheit der 1253 Einheit der 259, 398, 1103, 1290, 1342 Einheit und Katholizität der 29, 34 Einheit und Vielfalt in 1874 Erneuerung der 1648, 1861 entstehende 1895 eschatologischer Charakter dieser 1868 Freiheit der 407, 1523, 1535 Fundament der 490, 811 Geburtsstunde der 1340 Geburtstag der 1341 Geheimnis der 237, 1605, 1861, 1867f. Glaubensschatz der 82 Heilsarbeit der 494 Heilssendung der 635,1171 Hoffnung der 1217 hierarchische Sicht der 1868 Institution der 516, 1489, 1814, 1849, 1865, 1853 Katechese der katholischen 1594 Katholizität der 834, 1054, 1380, 1382, 1473, 1738 katholische 1056, 1527, 1572f., 1593 katholischer Sinn der 1379 Laien in der 1688 Lebendigkeit der 44,511 Lehramt der 90, 106, 133, 290, 502, 937, 1250, 1529 Lehrautorität der 936 Lehre der 363, 749 Liebe zur 402 Macht in der 1849 Moral der 408 Morallehre der 1680 Motor der Gerechtigkeit 328 Mutterschaft der 1072 Mysterium der 1437 mystischer Leib Christi 234, 354, 421, 513, 1686 Natur der 1474, 1860 Normen der 290 nichtkatholische 1877 orthodoxe 546, 1056, 1367 Pastoral der 848, 1266 Pluralismus in der 1529 Pastorale Arbeit der 515 Pastorale Sendung der 516, 1622 — pilgernde 596 — römische 1376 — Säkularisierung der 1879 — Sakramentalität der 1203 — Selbstverständnis der 1348, 1380, 1500 — Sendung der 46, 302, 309, 511, 641, 1264, 1447, 1689, 1756, 1764, 1868, 1878, 1881 — Sendung für die 46 — Soziallehre der 293, 339, 408, 442, 699, 701, 704, 1156, 1302, 1805, 1881 — Stellung der Frau in 558 — Struktur der 545, 1849 — slawisch-orientalische 1384 — syrische 1376 — Teilhabe an Sendung der 604 — Tradition der 199, 791 — Universalität der 1332, 1380, 1566, 1797 — ukrainische 1534 — und Judentum 1885, 1888 — und Wirtschaft 1665 — universaler Charakter der 510 — universales Heilssakrament 417 — Wesen der 1686, 1825 — Zukunft der 1352 Kirchen- und Zivilrecht — byzantinisches (Nomokanon) 1371 Kirchenbewußtsein 1251, 1456 Kirchengesang 1516 Kirchengeschichte 1305, 1869 Kirchenmodell — neues 1852 Kirchenmusik 1512, 1516f„ 1653f., 1656 Kirchenrecht 1360 Kirchensprache 1384 Kirchenverständnis 543 Kirchenzentrismus 1689 Kirchweihe 814 Klassenegoismus 335 Klassenhaß 413 1961 Klassenkampf 1044 — Methoden des 434 Klerus — Ausbildung des 1136 — und Laien 1876 Knecht Jahwes 1233, 1236 Koexistenz — verschiedener religiöser Tradition 1407 koinonia 1686 Kokainanbau 433 Kollegialität 34, 562, 568, 671, 1529, 1643, 1658, 1661, 1735, 1742, 1773, 1875 — bischöfliche 238, 1685, 1738, 1751 — bischöfliche und pastorale 1657 Kollektivismus 1091 Kolonialgeschichte 289 Kolonialisierung 1762 Kolonialismus 1574 Kommunikation 1521, 1933 — Musik Sprache der 1485 — neue Medien der sozialen 18 — soziale 304, 343f., 403, 1260, 1325f., 1329, 1519, 1647 — zwischen Orient und Okzident 1550 Kommunikationsmittel 346, 1914 — soziale 20, 1127f., 1270, 1327, 1330, 1798, 1866, 1931 — soziale K. der Kirche 338 Kommunikationsnetze 1162 Kommunikationstechniken 1933 Kommunion 45, 1855 — heilige 756 Kommunionempfang 782 Kommunionspendung 1854 Konfessionen — christliche 660 Konformismus 1466, 1555 Konkordat 1397 Konkordatsbestimmungen 1396, 1399 Konsum 1328, 1795 — Produktion und 1852f. Konsumgesellschaft 666, 682, 688, 703, 1883 Konsumgüter — Überfluß an 1552 Konsumhaltung 1822 Konsumismus 480, 846, 1212, 1467, 1832, 1865 Kontemplation 367, 421, 670, 1308f., 1320, 1355, 1357 — Kampf und 705 Konzentrationslager 683, 1068, 1218, 1242, 1609, 1611 — Dachau 1499, 1608, 1614 Konzilien 1452 — ökumenische 1451 Korruption 854 Kosmologie 156, 1458-1460 Kosmos 139 Kräfte — Gleichgewicht der 4 Kranke(n) 806 — Salbung des 356 Krankenapostolat 1093, 1100, 1598, 1663 Krankenfürsorge 1598 — Kultur und neue Formen pastoraler 1600 Krankenhäuser 1769 — katholische 1597, 1599f. Krankenpastoral 757 Krankenpflege 583, 821 Krankenpflegeorden — Spiritualität des 1426 Krankensalbung 356, 756, 829 1962 Krankenseelsorge 604, 661, 1096 Kranker — Würde des 1588 Krankheiten) 399, 460, 466, 529, 981, 1100, 1598 — Kampf gegen Hunger und 1676 — Sinn der 1586 — unheilbare 584 Kreuz 385, 585, 616, 641, 653, 675, 678, 685, 691, 799, 805, 807f„ 831, 837, 928, 980, 990, 1272, 1495-1497 — Botschaft des 1011 — Christi 445, 447, 676, 754, 756, 1495-1497 — des Herrn 440 — Majestät des 426 — Ostermysterium des K. und der Auferstehung 208 — Sinn des 440 — Theologie des 1881 Kreuzesnachfolge 81 Kreuzreliquien 1495 Kreuzweg 648 Krieg(e) 13, 54, 167, 512, 529, 534, 576, 591, 596, 643, 645f., 649, 732, 857f., 952, 962, 964, 1039, 1045, 1067, 1069, 1077, 1172, 1242-1244, 1261, 1277, 1285, 1326, 1398, 1408, 1466f., 1488, 1520, 1552, 1572f., 1582, 1623, 1674, 1687, 1785, 1862, 1878, 1904, 1912, 1914, 1917 — Abwesenheit des 512 — Drohungen des 647 — kalter 1912 — neue 1912 — totaler 534 — und Gewalt 1043 Kriegsdrohungen 701 Kriegsgefahr 249 Kriegsgewalt 644 Kriegsgräber 646 Kriegsopfer 644f. Kriminalität 1729 KSZE; Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 736, 1061 — Schlußakte der 159f., 1551, 1911, 1913 Künstler — christliche 726 Kult — Verbindung von K. und Kultur 742 Kultur(en) 292, 323, 359-361, 364, 436, 461, 576, 709, 725, 738, 870-872, 877, 881, 964, 1122, 1207, 1308-1311, 1321, 1328, 1468, 1471, 1473, 1484, 1527, 1550, 1553-1555, 1567, 1590, 1599f., 1625, 1647, 1658, 1663, 1752, 1776, 1790, 1805, 1822, 1834, 1836-1838, 1880, 1883, 1904, 1907, 1926-1928, 1930-1932 — Achtung vor 1933 — Annäherung der 1075 — Arbeit und 1089 — Aufgabe der 870 — antike griechische 1383 — Beeinträchtigung der 1928 — Beständigkeit der 871 — byzantinische 1377 — christliche 1491, 1820, 1838 — christliche Prägung der europäischen 1928 — Dynamik der 1929 — der Krise 1551 — des Evangeliums 744 — Erziehung und 1777 — Evangelisierung der 304, 359-361, 364, 455, 1073f., 1627 — Evangelium und 1258, 1260, 1383, 1491, 1626, 1880 — europäische 1383 — Förderung der 873 — Glaube(n) und 360, 363f., 737-739, 742, 940, 1625f., 1733, 1736 — griechische 1550 — jüdisch-christliche 1931 — katholische 1073 — lebendige 1927 — Pluralismus der 871 — pseudotheologische 938 — Sinn der 870 — slawische 1928 — theologische 936f. — und Tradition 1474 1963 — Verbindung von Kult und 742 — Vielfalt der 1667 — Wert der 1309 — weibliche 1909 Kulturauffassung — humanistische und soziologische 1927 Kulturaustausch 1933 Kulturbegriff 1926 Kulturdialog 1934 Kulturerbe 1929 Kulturgeschichte 1928, 1931 Kulturgüter 1933 Kulturkampf 1276 Kulturpolitik 364, 1926f., 1931f. Kulturschaffen — Förderung des 1926 Kulturwelt 1352 Kulturwerte — der Ureinwohner 407 Kunst (Künste) 720, 723f„ 1418f., 1460, 1515, 1567, 1834 — Bestimmung der 724 — „heilige“ 724 — Sprache der 721 — sakrale 1654 — und Glaube 720 — und Hoffnung 724 — und Liebe 722 — Wesen der 721 — Wissenschaft und 1419 Kurie 1662f. — Erneuerung der 1661 — Neuordnung der römischen 1687 — Organe der römischen 1918-1925 — Reform der 1660 Laien 173, 304, 320, 323, 342, 402f., 452, 494, 515f., 605, 635, 637-639, 641f., 672f., 699, 708, 710, 712f., 766, 778f., 800, 823, 878f., 906, 1023, 1033f„ 1291, 1351, 1360, 1558, 1623, 1646f., 1648, 1703, 1727, 1735, 1739, 1747, 1752, 1765, 1782, 1819f., 1834, 1862, 1869 — Apostolat der 31, 170, 320, 700, 1170 — Auftrag der 1710 — apostolische Präsenz der 1116 — Berufung der 323 — Berufung und Sendung der 428, 1361, 1646 — Beteiligung von L. in der Katechese 103 — christliche 718, 777 — Einsatz von 103, 515 — Förderung der 1646 — Heranbildung der 318 — in der Kirche 1688 — Klerus und 1876 — Recht und Pflicht der L. zum Apostolat 1647 — Rolle des L. innerhalb der Kirche 711 — Sendung als 640 — Spiritualität der 1870 — Teilhabe der 319 — theologische Ausbildung der 1829 — Verantwortung der christlichen 1646 — Verbandsstruktur von 322 Laienapostolat 30, 103, 106, 402, 605, 634, 637, 882, 1203, 1263, 1329, 1645, 1647, 1834 — Bewegungen des 327 — verschiedene Formen des 604 Laienberufungen 322 Laienbewegungen 312, 1255 — apostolische 605 Laienbrüder 1649f. Laienevangelisatoren 320 Laienkatecheten 402, 669 Laienrat 1663 Laientum — christliches 1256 Laienverbände 321, 342 Laizismus 311, 665 — pseudokultureller 1716 Lamm Gottes 15, 1234 1964 Lebensverlängerung 1588 Landarbeit 432 Landarbeiter 1025 Landreform 380 Landwirtschaft 373, 378, 1665 — Ernährung und 1635 Lateranverträge 1521, 1525 Leben — Achtung des 578, 815 — christliches 792, 818, 849, 990f. — Entwicklung des 139 — Erzeugung menschlichen 297 — Evangelium und 1549, 1559 — ewiges 67, 70-72, 310f., 347, 357, 435, 470, 506, 595, 598, 790, 838, 895, 932, 1192-1195, 1602f„ 1723 — Glaube und 1628 — Grundrecht auf 1553 — göttliches 420 — Heiligkeit des menschlichen 767 — Hoffnung auf das ewige 117 — im Mutterschoß 649 — Sinn des 10, 411, 447, 528, 539, 725, 904, 951, 988, 994, 1191, 1555, 1586 — Sinn von L. und Tod 1598 — ungeborenes 987, 1708 — Verteidigung des 518 — Weitergabe des 333, 693, 844f. — Würde des menschlichen 987 — wahres 451 Lebensberufung 1201f. Lebensethik 862 Lebenshaltung — sittliche 111 Lebensmitteiproduktion 580, 1629 Lebensmittelüberschüsse 580 Lebensqualität 943, 1397 — Hebung der 374 Lebensrecht 734 — des ungeborenen Menschen 987 Lebenssinn — Suche nach 1048 Lehramtes) 81f., 86, 88, 105, 122, 156, 183, 199, 311, 617, 668f„ 714, 740, 749f„ 821, 877, 1706, 1870f. — Autorität des obersten 211 — der Kirche 81, 90, 106, 133, 290, 502, 545, 937, 1250, 1529, 1707 — der Wahrheit 566 — konziiiares 254 Lehranstalten — katholische 1617 Lehre — der Kirche 749 — ist Heilslehre 668 — katholische 311 Lehrer — Aufgabe des 497 Lehrkörper — Familie und 1619 Lehrunterschiede 1438 Leib Christi 862, 906, 955, 1457, 1891 Leiden(s) 412, 808 — Christi 529 — christlicher Sinn des 412, 529, 585, 980 — Geheimnis des 633, 981, 1093 — Kreuz des 782 — Mysterium des 753f., 756 — menschliches 725 — Sinn des 445, 990 — seelische 807 — Obel des 755 — Würde des menschlichen 981 Leistungswettbewerb 1909 Letztes Abendmahl 523,799,803 Liebe 125, 130, 143, 206, 330, 350, 368, 391f., 412f., 417, 420, 438-440, 444, 446f., 497, 507f„ 524, 553, 559, 591, 597, 613, 683f., 688, 714, 720, 724, 782, 795, 877, 926f., 955-957, 964, 1008, 1030, 1171, 1180-1182, 1196, 1199, 1254, 1357, 1405, 1435, 1471, 1502f., 1552, 1641, 1707, 1813 — als interpersonelle Vereinigung der Eheleute 297 1965 — bräutliche 1205 — Charisma der 43 — Christi 7, 820 — der Eheleute 693 — Einheit der 544 — Einladung zur 929, 931 — Erfahrung der 1204 — eheliche 296f., 559, 637, 688, 694, 768, 803, 842, 865, 883, 891, 898, 922f., 925, 930, 1709, 1801 — eifernde L. Gottes 1112 — elterliche 1709 — ewige 195, 1198 — Fruchtbarkeit der christlichen 712 — familiäre 795 — Gebot der 507, 522, 524, 687, 1172 — Gehalt der 1206 — Gesetz der 379 — Gnade der 756 — Gott ist 1190 — Gottes 16, 53, 552, 684f., 790, 931 — geschlechtliche 993 — göttlicher Plan der 1020 — Hierarchie der 561 — immerwährende L. Christi zur Kirche 921 — Mysterium der 742, 841 — menschliche 749 — Pastorale 290 — personale 1679 — Revolution der 1777 — religiöse Dimension der 1799 — Sakrament der 522 — seelsorgliche 340 — soziale 795, 1208 — und Gerechtigkeit 142 — Wahrheit über Ehe und 920 — Würde der 552 — Zeugnis christlicher 395 — Zivilisation der 592, 1392 — zu Christus 1294 — zu Gott und Nächstem 506 — zum Nächsten 391 — zur Jugend 1180 Liebesgebot 1194, 1196f„ 1234 — des Evangeliums 846 Literatur 1567 Liturgie 515, 710, 835, 1247, 1381, 1486, 1514f., 1578-1580, 1654, 1752, 1756, 1840, 1872f„ 1896f. — Anpassung an verschiedene Kulturen 1579 — byzantinische 1104, 1377, 1384 — der Sakramente 1580 — Einheit der römischen 1580 — Erneuerung der 1872 — Frauen in der 1580 — in altslawischer Sprache 1379 — römische 1104 — slawische 1104, 1370f„ 1376, 1393 — Theologie der 1873 — und Musik 1653, 1655 Liturgiesprache — altslawische 1384 Logos 109, 112 Lohn — gerechter 462, 1156 Lossprechung 977 Lutheraner — und Katholiken 1476-1479 Lutherischer Weltbund 1056, 1479 Macht — geistliche 1852 Märtyrertum 655 Mahl — Teilhabe am eucharistischen 1169 Makrokosmos 141, 156 Mangelernährung 1243 Marathonlauf — europäischer 1494 Maria — Dienerin des Herrn 894 — die Allerseligste 1355 — die Ersterlöste 975 — erste Missionarin 1123 — eure Mutter 64 — Geheimnis der Geburt M. 975 — Geheimnis der Gottesmutterschaft 6 — Geheimnis der Mutterschaft 974 — Gottesmutter — Theotokos 1052 1966 — „Hilfe der Christen“ 584 — Jungfrau und Mutter 108 — Königin aller Heiligen 236, 1544 — Königin der Apostel 255, 833 — Königin der Märtyrer 238 — Königin der Missionen 1306 — Königin des Friedens 249, 988, 1300 — Königin des Urwaldes Amazoniens 476 — „Leitstern der Evangelisierung“ 512 — Magd des Herrn 300 — Miterlöserin 65 — Morgenröte des Heiles 188 — Mutter aller Christen 753 — Mutter Christi 562, 690, 1810 — Mutter Christi und unsere Mutter 299 — Mutter der Hoffnung 444 — Mutter der Kirche 41, 204, 218, 230, 299, 418, 570, 916, 983, 1270, 1297, 1321, 1655, 1737, 1758, 1783, 1807, 1817, 1824, 1830, 1882 — Mutter der Priester 1705 — Mutter des Gottessohnes 808 — Mutter des Guten Rates 249 — Mutter des Herrn 99, 674 — Mutter Gottes 546, 584, 1690 — Mutter Jesu 417, 582, 639 — Mutter Jesu und unsere Mutter 181 — Mutter und Königin Chinas 1836 — Mutter und Königin Vietnams 1675 — Patronin Luxemburgs 575 — reine Jungfrau 1692 — „Sitz der Weisheit“ 181 — „Stern der Evangelisierung“ 1750 — seligste Jungfrau 434 — „Trösterin der Betrübten“ 582f„ 594 — Urbild der Kirche 1694 — unsere Mutter 417f„ 562 Marienfrömmigkeit 359, 1499 Manenverehrung 675, 698 Massaker 1729 Massen- und Konsumgesellschaft 1552 Massenmedien 948, 1325, 1326f„ 1355, 1521, 1552, 1757, 1834 — Gebrauch der 1328f. — Manipulation der 1127 Massenpsychologie 40 Materialismus 182, 312, 327, 362, 406, 449, 480, 846, 872, 1328, 1506, 1553, 1617, 1832 — atheistischer 454, 1789 — Diktatur des 365 — praktischer 701, 741, 1252, 1822 — theoretischer 701 — traditioneller 1287 Materie 1459f. Medien 1324, 1327, 1886, 1931, 1933 — Einfluß der 882 — neue M. der sozialen Kommunikation 18 Meditation 1357 Medizin 1094, 1588 — Fortschritte der 584 — Humanisierung der 1599 — Naturwissenschaft und 1586 MEIC — Italienischer Nationalkongreß der kirchlichen Bewegung für kulturelles Engagement 1088 Mensch(en) 1003 — Abbild Gottes 206, 1043 — Autonomie und Unabhängigkeit des 118 — Befreiung des 875 — Berufung des 552 — Bund Gottes mit den 904 — Dynamismus des 590 — Ebenbild Gottes 312 — Existenzangst des 1121 — Förderung des 453, 511 — Freiheit des 731, 741 — Grundrechte des 578, 912, 1243, 1348, 1577, 1761 — Heiligkeit des 422f. — Königsein des 1670 — königliche Würde des 1182 — Rechte des 1003 — Rechtfertigung des 272, 675 — Rolle des M. im Universum 1418 — übertriebene Verherrlichung des 116 — ungeborenen 187 — Wahrheit über den 1018 — Wahrheit über M. und Gott 873 — Werte des 403 — Würde des 145, 362, 409, 411, 413, 453, 471, 505, 511, 531, 632, 843f„ 851, 889, 961, 1019, 1418 1967 — Zeugung eines 383 Menschenrechte 160, 167, 377, 531, 536, 539f„ 542, 682, 703, 855, 857, 952, 962, 987, 1042, 1058, 1218, 1418, 1530, 1575, 1577, 1622, 1723, 1879, 1899-1901, 1914, 1930 — Achtung der 1472, 1901 — Anerkennung der 537 — Ausübung der 1915 — Frieden und 1914 — Mißachtung der fundamentalen 649 — Rechtsprechung der universalen 1575 — Verietzung(en) der 349, 859, 1068, 1243, 1326, 1520, 1914 Menschenrechtsorganisationen 536 Menschensohn 826, 1236, 1669f. Menschenwürde 360, 645, 649, 682, 734f., 918, 1039 — Verletzung der 1127 — Verteidigung der 1805 — Fortschritt der 1218 — Krise der 1861 Menschheitsfamilie — Gemeinwohl der 735 Menschlichkeit — Reichtum an 853 — Werte der 1908 Menschwerdung — des Wortes 356 — Mysterium der 933f. Messe — heilige 1168f. Messias 17, 1225, 1231, 1891 — Mysterium des 758 Meßopfer 1470 Metaphysik 57, 163 Migranten 1931 Migration 1471-1473, 1475, 1583 Migrationsprozeß 1761 Mikrokosmos 141, 156 Minderheiten 1931 Ministranten 1245, 1247 Ministrantendienst 1246f. Misereor 23, 1676, 1906 Missio 1906 Mission 509, 656, 1122, 1261, 1871, 1880 — Entwicklung der christlichen 1895 Missionsarbeit 657, 831 Missionsauftrag 836, 1394 Missionskirche 169 Missionsstrukturen — Wandel der 510 Mitbestimmung 703f., 717 Mittel — schmerzstillende 1587 Mobilität — Phänomen friedlicher 1363 Modernismus 776 Monismus 1881 Monopol 1853 Monotheismus 202 Moral 105, 461, 668, 872, 1288, 1756 — am Evangelium orientieren 363 — christliche 347, 1199, 1598, 1785 — der Kirche 408 — evangelische M. des christlichen Lebensstils 411 — Hochachtung der 362 — Krise der 1883 — Normen der katholischen 740 — objektive 1197 — Sinn für 714 — und Gewissen 1194 Moralgesetz 1264, 1553, 1707 Moralkodex 687 Morallehre — der Kirche 1680 1968 Moraltheologie 1530 Multiple Sklerose 1270f. Musik 1484-1486, 1512, 1514-1517, 1567, 1654 — Element der Verherrlichung Gottes 1486 — geistliche 1514 — Liturgie und 1653, 1655 — liturgische 1484 — moderne 1516 — Sprache der Kommunikation 1485 — sakrale und religiöse 1487 Musikkultur 1655 Muslime 129, 171, 173, 850f., 853, 951, 953f., 958-960, 965, 1109, 1277, 1689, 1810, 1815, 1909 — Christen und 1317 — Dialog zwischen Christen und 960 Mutter — Beziehung von M. und Kind 1907 — uneheliche 1799 Mutterschaft 1617, 1908f. Muttersprache 1379, 1385, 1474 Mysterium — der Herabkunft des Heiligen Gottes 1340 — der hypostatischen Union 161 — der Kirche 1437 — des Glaubens 107 Mystik — rheinisch-flämische 1508 Mystizismus — synkretistischer 878 Nachrichten- und Informationssendungen 1520 Nachrichtenaustausch 1914 Nachrichtenmedien 1129 Nachrichtensatelliten 1932 Nächstenliebe 53f„ 402, 467, 514, 612, 646, 710, 722, 800, 802, 815, 818, 838, 887, 889, 905, 958, 1010-1012, 1034, 1069, 1129, 1265, 1274, 1399, 1502, 1543, 1558, 1609, 1771, 1810, 1829, 1892 — christliche 793 — Gebot der 551 — kreative 315 — praktische 1129 — Taten der 1080 — Werke der 400, 655 Nächster — Liebe zum 391 Nahrung — Qualität der 1589 Nahrungsmangel 432, 1589 Nahrungsmittel 1634 — Selbstversorgung mit 1630 Narkotika 1882 Nation — Teilhabe am demokratischen Leben der 362 Nationalbewußtsein 1634 Natur 258 — Achtung vor 851 — Begriff der 257 — Erforschung der 1214 — Gesetze der 1419 — göttliche 1394 — Herrschaft über 942 — Studium der 1459 — Vorräte der 1723 Naturgesetz 436 Naturkatastrophen 167, 450, 529, 839, 944, 952, 1630, 1665 Naturschätze — Nutzung der 942 Naturwissenschaften) 143, 1458, 1460 — Dialog zwischen Theologen und 1625 — und Glaube 144, 146 — und Medizin 1586 — Vertrauen in 144 Neuer Bund (vgl. Bund) 35, 177, 426, 594, 798, 921, 923, 1234, 1401, 1457 — Pascha des 1239, 1453 1969 — Priester des 606 — und ewiger 1455, 1457 Neues Testament 51, 55, 57f., 86, 90, 92, 94f„ 97f., 150, 152, 1889f. — in interkonfessioneller Übersetzung 1517 Neuheidentum 1611 Neutralität 1412 — der Geister 747 Nichtglaubende — Dialog mit 1143 Nihilismus 731, 1547, 1555 Nomokanon — byzantinisches Kirchen- und Zivil-recht 1371 Nord-Süd-Beziehungen 5, 580 Nord-Süd-Gefälle 1632 Nord-Süd-Spannung 1045 Normen — der Sittlichkeit 147 — des ewigen Gesetzes 1786 Not — seelische 1596 Notstandshilfen 1630 Nuklearwaffen 948 Ökologie 943 Ökonomie 461 Ökonomismus 701 Ökumene 129, 549, 848, 949 — ökumenische Idee 659 — ökumenische Initiativen 1292 — ökumenische Kommissionen 1434 — ökumenischer Appell 1377 Ökumenische Bewegung 23f., 127f., 1291, 1378, 1432, 1435f., 1438, 1440, 1476f., 1518, 1526-1528, 1610, 1681 Ökumenische Gemeinschaft 1877 Ökumenischer Rat der Kirchen 1439 Ökumenismus 103, 106, 660, 750, 1217, 1290, 1292, 1378, 1433, 1435, 1476, 1479, 1504, 1877 — geistlicher 659, 662 — Verwirklichungen des 661 Offenbarung 44, 46, 52, 58, 62, 66, 110, 132, 134, 138, 150, 1122, 1250, 1851 — Dogma und 1850 — der göttlichen Macht 1240 — Einheit der biblischen 1889 — Erkenntnis Gottes durch die 63 — Gott der 200 — göttliche 57, 61, 79, 109 — Initiative Gottes 51 — Ökonomie der 68 — Reichtümer der 497 — Selbstmitteilung Gottes 62, 64 — Voraussetzung für den Glauben 55 — Wahrheit der 76 Offenbarungsgeschehen — als Heilsgeschichte 66 Offenbarungsinhalte — Verständnis der 71 Okzident 1550, 1571 OMI — Oblaten der Makellosen Jungfrau Mafia 834 Ontologie 163 Ordensberufe 1322 Ordensberufung 1200 Ordensgemeinschaften — Transparenz der 1416 Ordensleben 1319f., 1322, 1415 Ordensleute 1296 Ordnung — gerechte soziale 460 — religiös begründete sittliche 1257 — sittliche 145 — soziale 372 — Unabhängigkeit der politischen 1398 Organisation der Afrikanischen Einheit 856, 913 1970 Organisationen — internationale 537 — karitative 1771 Organverpflanzung 1588 Orient 1550, 1571 Orthodoxe 1277, 1452 Ortskirche(n) 487, 626, 1281 Ostermysterium 1029 Ostkirche 1378, 1438, 1874f. Ostkirchenrecht 1687 Ost-West-Beziehungen 5 Ost-West-Problem 1045 Pädagogik 1709, 1756 Päpstliche Missionswerke 1353f. Pallium 1450 Pantheismus 182 — antiker 1144 Paradies 200 Partikularismus 1790 Pascha 1897 Paschageheimnis — sakramentale Feier des 545 Pascha-Mysterium 65, 499, 836, 1028, 1169, 1240, 1698 — Fundament der Kirche 490 Paschaopfer 523 Pastoral 34, 292, 742, 882, 1180, 1747, 1756, 1794, 1796, 1799, 1871 — der Berufung 1794f., 1797 — der Familien 1706 — der geistlichen Berufe 517, 883f. — der Intelligenz 878 — der Jugendlichen 1183 — der Kirche 848, 1266 — des Heilens und Mitleidens 874 — des Instellekts 742 — soziale 1762 Pastoralarbeit 515, 670, 1114, 1474, 1716, 1745, 1800 — Leitung der 672 Pastoralarbeiter 516 Pastoralgruppen 636 Pastoralmethoden 1718 Pastoralplan 1866 Pastoralprogramme 1735, 1739 Pastoralräte 710, 1727 Pastoralsoziologie 1115 Paternalismus 639 Patriotismus 1044 Pentateuch 92 Permissivismus 1749 Permissivität 1468 Person(en) 258 — Begriff der 257 — Bildung und Formung der 1468 — drei göttliche 261 — Freiheit der 646 — Geheimnis der menschlichen 632 — Grundrechte der 537, 859, 1575 — Identität der 1207 — menschliche 36, 385 — Rechte der 396, 1881 — Wert(e) der 416, 1040, 1587, 1621 — Würde der 75, 77, 396, 407, 704, 749, 846, 978, 993, 1017, 1044, 1069, 1156, 1327, 1420, 1879 Personalität 867 Personalpfarreien 1584 Personenwürde 733 Pessachfest 1893 Pessachliturgie — häusliche 1893 Pessimismus 326 1971 Petrusamt 1429, 1440, 1657f., 1662-1664, 1874 Pfarrei(en) 455, 513, 516f., 630, 694, 710, 758, 866, 881, 1005, 1115, 1117, 1546, 1688, 1704, 1754, 1820, 1876 — Alternative der 517 — Bedeutung der 514 — Leben der 515 — und Familie 1727 Pfarreiseelsorge 821 Pfarrer 1116 Pfarrgemeinde(n) 689, 750, 893, 1006, 1704 Pharisäertum 1894 Philosophie 109, 872f., 1288, 1418, 1460 — christliche 166 Phöniker 1016 P.I.M.F. — Päpstliches Institut für Auslandsmissionen 1303, 1817 Pluralismus 747, 1074, 1086, 1259, 1749, 1874 — der Kulturen 871, 1407 — der Pastoralen Praxis 1764 — ideologischer 1121 — in der Kirche 1529 — unter Katholiken 494 Politik 363, 442, 538, 855, 1418f., 1834, 1840, 1904 Politiker — christliche 985, 1302 Polygamie 923 Polytheismus 201, 232 Pornographie 397 Positivismus 115 Pragmatismus — universitärer 747 Predigt 44, 79, 893, 904 — und Seelsorge 500 Predigttätigkeit — Jesu 829 Presse 343 — katholische 345, 1140 Priester 798, 801, 828f„ 831, 917, 1296, 1752-1756 — Amt des 1748 — Berufung des 799 — Diener der Fucharistie 1395 — Dienstamt des 605 — des Neuen Bundes 606 — handelt „in persona Christi“ 828,1703 — Identität als 672 — ist sakramentaler Amtsträger 799 — Mangel an 345 — Sendung des 427, 1756 — Zeuge des Leidens Christi 798 Priesteramt 687, 906, 1034, 1750, 1755, 1796 — Charisma des 1496 — Christi 819 — sakramentales 546 — Teilhabe am P. Christi 906 Priesterausbildung 1866 Priesterkollegium — Finheit des 916 Priestermangel 431, 1116, 1774 Priestertum 606f., 1176, 1183, 1232, 1396, 1705, 1735, 1748, 1753 — aller Christen 1530, 1646, 1747 — allgemeines 515, 700, 824, 1343 — Berufung zum 673, 771, 1561 — Christi 514, 1176, 1396 — Erfordernisse des 672 — hierarchisches 1176 — sakramentales 426, 1137, 1176 — Wesen des 798 Priestervereinigungen 1490 Priesterweihe 426f., 819-821, 827, 831, 1177, 1394, 1561 — Sakrament der 340, 429, 800, 828, 1232 Primat — des Menschen 1670 — Gottes 1670 1972 Primatialgewalt 1662 Prioritäten — pastorale 1432, 1440 Probleme — ökologische 943 Produktion — und Konsum 1852f. Produktionsmittel 334f., 704, 1907 Produktionstechniken — Einführung neuer 1260 Profeß 823 — ewige 907 Promiskuität 467 Propaganda 840, 1789 — antireligiöse 1064 Prophet 1591 Prophetenamt 824 Prophetie 1550 Prophetismus 1849, 1853 Prostitution 397, 467, 1904 Protestantismus — Katholizismus und 1849 Psychopharmaka 1882 Rache 397 Radikalismus — christlicher 1322f. Radio 1327, 1747 Radio Vatikan 1521 Radio Veritas 1823 Rassendiskriminierung 224, 859, 1039, 1057f„ 1577, 1861 Rassismus 275, 349, 702, 875, 962, 1898 Rauschgifthandel 473 Rauschgiftkonsum 473 Realpräsenz — Christi in der Eucharistie 1854 Rebellion — soziale 1799 Recht(e) 730 — Aufgabe des 576f. — der Person 1881 — des Menschen 1003 — des Stärkeren 1575 — griechisch-römisches 1377 — internationales 536 — religiöse R. einer Minderheit 1063 — und Gerechtigkeit 599, 1632 — Vervollkommnung des 577 Rechtfertigung 1344 — des Menschen 272, 675 Rechtgläubigkeit 1374 Rechtsprechung — Aufgabe jeder 577 — der universalen Menschenrechte 1575 — Schaffung einer selbständigen europäischen 577 Rechtstraditionen 577 Reform(en) — gregorianische 1545 — soziale 1763f. Reformation 102, 126, 128, 547, 594, 664 Regime — totalitäre 1326 Reich — byzantinisches 1368, 1372, 1376 — römisch-germanisches 1373 Reich Gottes 635, 709, 1182, 1669, 1891 — eschatologisches 501 Relationen — subsistierende 262 Relativismus 505, 1195, 1468, 1765, 1851 — ekklesiologischer 1850 — ideologischer und moralischer 1626 1973 Religiöses — Berechtigung des 145 — Verfall des 666 Religionen) 108, 872, 1120, 1288, 1360, 1761, 1837 — Dialog mit nichtchristlichen 878, 1880 — katholische 243 — monotheistische 214, 1689 — nichtchristliche 109-112, 1032, 1217, 1698 — traditionelle 789 — traditionelle afrikanische 850 — traditionelle animistische 169 — verschiedene 108 Religionsausübung — freie 1064 Religionsfreiheit 75-77, 117, 160, 703, 839, 859, 961f., 1063f., 1068, 1439, 1899-1902, 1915f., 1930 — Ausübung der 1902 — Recht auf 76 Religionslehrer 1296, 1360 Religionslosigkeit 1837 Religionsunterricht 498, 605, 716, 881, 992, 1358f., 1594, 1619, 1767, 1930 — katholischer 1399, 1728 — und Judentum 1886 Religiosität 33, 327, 358, 435, 788, 821 — zweifelhafte 312 Renaissance 1397 Repatriierung — freiwillige 1582 Republik 1399 Ressourcen 363, 579 — Gebrauch der natürlichen 942 — nicht erneuerbare natürliche 943 — Teilung der 579 Reue 38 Revolutionen) 591, 1325, 1777 — der Liebe 1777 — industrielle 717, 731 Ritus — konstaninopolitanischer 1384 — lateinischer 1385 — orientalischer 1384 — slawischer 1385 Römer 1017 Rohstoffe 1090 Rohstoffmarkt 442 Romantik 1398 Rosenkranzgebet 211, 681 Rüstung 709, 1045, 1573 — ständig wachsende 558 Rüstungsausgaben 1012 Rüstungsniveau 1067 Rüstungswettlauf 556, 647, 702, 735, 964, 1244, 1912 Rundfunk 343, 1519-1521 — im Dienst des Evangeliums 345 — und Fernsehen 1934 Säkularisation 495 Säkularisierung 598, 654, 665f., 767, 882, 1143, 1527, 1551, 1558, 1754, 1837, 1867 — der Kirche 1879 — Klima der 105 — und Evangelisierung 1548 Säkularisierungsprozeß 500, 1252 Säkularismus 311, 563, 1774, 1867 Säkularreligionen 1144 Sahelzone 946 Sakrales — Gegenwart des 1727 Sakralwissenschaften 1753 Sakramentfe) 398, 455, 545, 554, 678, 756, 841, 893, 916, 931, 1852, 1874, 1891 — als Kirche S. sein 1698 — authentischer Sinn der 1853 — Bedeutung der 670 1974 — der Buße 400, 403, 670, 829, 1170, 1607 — der Ehe 426, 920, 925f., 1709 — der Fucharistie 426, 838, 928 — der Firmung 428, 711, 840, 1409f. — der Kirche 356 — der Krankensalbung 829 — der Liebe 838, 1457, 1469 — der Priesterweihe 429, 1232, 1394 — der Taufe 25f., 428, 604, 1395, 1409 — der Versöhnung 560, 1455, 1470 — des Altares 523 — des Leibes und Blutes 523, 1402 — des Priestertums 426 — häufiger Empfang der 604 — Kraft der 567 — Liturgie der 1580 — Wirklichkeit der 1853 Sakramentalität — der Kirche 1203 Sakramentendisziplin 1873 Sakramententheologie 1530 Sakramen ten Vorbereitung 710 Samariter — barmherziger 539, 722, 757_, 874, 1277 Satan 676, 1337, 1692 — Urheber der Sünde 792, 836 Schallplatte 1327 Schausteller 753 Scheidungen 1800 Scheidungsmentalität — leichtfertige 1800 Scheidungspraxis 978 Schisma 1103, 1684 — orientalisches 126, 128 Schöpfung 206, 1239 — künstlerische 720 Schöpfungsakt 195 Schöpfungsglaube 1288 Schöpfungsmacht 196 Schöpfungsordnung 588 Schöpfungswerk 195 Schrift — glagolitische 1133 Schule(n) 315, 455, 497, 514, 605, 864-866, 888, 890, 1211, 1352, 1767, 1769, 1795 — katholische 304, 318, 493-497, 1616, 1618f., 1800, 1838 Schulkatechese — Aufgabe der 498 Schulseelsorge 866 Schwangerschaftsabbruch 923 Schweizergarde 1312 Seele 1288, 1587 — Armut der 1014 — Heilder 1598 — Hunger der 992 Seelsorge 168, 515, 1255, 1296, 1703, 1706, 1727, 1752f„ 1756, 1765 — am Menschen unterwegs 1581 — in der Industriewelt 30 — Predigt und 500 Seelsorgedienst 884 Seelsorger 1296 — Aufgaben des 516 Seelsorgertätigkeit 1767 Seelsorgesoziologie 1115 Seelsorgsarbeit 940 Seelsorgsmethoden 1309 Sein — Analogie des 177 — Geistigkeit des göttlichen 189 — Kategorien des 177 — subsistierendes 189 Seinsphilosophie — von Gott 166 1975 Sekten 881, 1765, 1774, 1779 — Ausbreitung der 1867 — neue 1752 Selbstbestimmungsrecht — der Völker 645 Selbsterziehung 867, 121 lf. Selbsthingabe — an Gott 687 Selbstmord — demographischer 1554 Selbstverwirklichung 1189, 1212 Selbstzerstörung 1328 — Gefahr der 60 Seligkeiten) — acht 821, 1199 — ewige 1126 Seligpreisungen 312, 315, 410-412, 415-417, 636, 639f„ 751, 753, 755, 1416, 1424, 1602, 1644, 1741, 1766, 1770, 1772 — des Friedens 1317 — Fvangelium der 411 — Geist der 887 — Kirche der 1763 Sendung — der Kirche 302, 309, 641, 1264 — des Priesters 427 Sexualethik 558 Sexualität 686, 924, 1327, 1909 — Gebrauch der 1679 — weibliche 1909 Shalom 1108f. Sicherheit — internationale 1861 — soziale 373, 853 SIDIC — Internationaler Dienst der jüdischchristlichen Dokumentation 1283 Siegelkunde 1109 Simonie (Kauf geistlicher Ämter) 1346 Sinn — christlicher S. des Leidens 529, 585, 980 — der Arbeit 1158 — des Kreuzes 440 — des Lebens 10, 12, 411, 445, 447, 528, 539, 725, 904, 951, 988, 994, 1191, 1555 — Frage nach 145, 147 — von Leben und Tod 1598 — von Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit 1586 Sinnkrise 1466 Sintflut 22,200 Sitten — Hebung der 379 — traditionelle 793 Sittengesetz 1194, 1199 — des Fvangeliums 1197 — Quelle des 272 — Regeln des 492 Sittenverfall 599 Sittlichkeit 112, 342, 1667, 1821 — Normen der 147, 506 — Stärkung der 767 Skeptizismus 741, 1212, 1466, 1468 Sklavenhandel 874 Sklaventum — modernes 1153 Sklaverei 33f., 362, 478, 1014, 1277 Slawenmission 1389 Societas christiana 1346 Sohn Gottes 17 Sohnschaft — Vaterschaft und 226 Soldaten 644 Solidarität 613, 703f., 735, 1572 — der Völker 198 1976 — Gerechtigkeit und 1634 — internationale Dimension der 703 Sonntag 991, 1026 — Bedeutung des 670 — Heiligung des 597, 599 Sonntagsgottesdienste — in Abwesenheit des Priesters 1580 Sonntagsmesse 403, 1157 Sonntagspflicht 648 Souveränität — des Staates 1398 — Prinzip der absoluten S. der einzelnen Staaten 535 Sozialarbeit 515 Soziale Frage 460, 1017, 1260 — internationale Dimension der 700 Sozialhilfe 1261, 1413 Sozialleben 393 Soziallehre 328, 414, 433, 461, 466f., 591, 1004, 1814 — Anwendung der kirchlichen 1623 — christliche 104 — katholische 414 — kirchliche 30, 286, 293, 321, 335, 339, 342, 363, 370-372, 374, 400, 408, 442, 460, 462f., 699, 701, 704, 917f., 1156, 1302, 1620f., 1805, 1881 Sozialleistungen 462 Sozialordnung 1776 — gerechtere 37 lf. Sozialpastoral 1643f. Sozialstrukturen — gerechte 439 Sozialwerke — katholische 1260 Soziologie 1756 Spaltungen 126-128, 848, 1376, 1378, 1386, 1478, 1504, 1681, 1862 — Ärgernis der 24 Speise — eucharistische 1457 Spiritualismus 340 Spiritualität 112, 340, 630, 765, 769, 1266f., 1546, 1816 — christliche 1399 — der Arbeit 706, 1019 — der Ehe 637 — der Eheleute 1870 — der Laien 1870 — des Krankenpflegeordens 1426 — franziskanische 1422 — jüdische und christliche 1284 Spiritualitätsgruppen 696 Sport 1492f. Sprache 1168 — altslawische 1369 — griechische 1376f. — lateinische 1276, 1384 — slawische 1366, 1375, 1377, 1384 Staat(en) — Autonomie des 1523 — Souveränität des 1398 — Willkür von 1573 Staatsgewalt — theologischer Ursprung der 985 Staatsreligion 1064 Stadtkultur 1397 Sterilisation 297, 428 STET 1161 Stufengebet 1183 Stundengebet 1896 Subjektivismus 1553 Subsidiaritätsprinzip 1878 Suchtkranke 1404 Sünde(n) 36-38, 40, 48, 56, 206, 271-273, 348, 412, 439f., 461, 511, 676, 792, 876, 886, 931, 989, 1020, 1071, 1112f., 1170, 1213, 1332, 1513 — Fesseln der 471 1977 — Geheimnis der 1191 — Geschichte der 1693 — gegen das Gemeinwohl 441 — Macht der 990 — Sieg über 264 — Sinn für die 670 — Situation der 37 — soziale 461, 591 — soziale Situation der 37 Sündenbekenntnis 992 Sündenfali 200, 616 Sukzession — apostolische 1389, 1451, 1496 Synkretismus 1765, 1790 Szientismus 115 Tätigkeit — karitative 1475 — ökumenische 1430 Tauf- und Firmgnade 982 Taufe 45, 212-215, 319f„ 356f„ 398, 471, 514, 541-543, 546f., 616, 635, 651, 661, 666f., 790-792, 806, 818, 823, 829, 836f., 840, 885, 887, 916, 921, 932, 950, 991, 1169f., 1203, 1263, 1436, 1451, 1515, 1646, 1702, 1834, 1873f. — Band der Einheit 661 — Bedeutung der T. und Firmung 1410 — der Buße 15 — Gnade der 670 — Sakrament der 25f., 428, 604, 652, 1395, 1409 — Zeichen des Bundes 661 Taufgnade 863, 899, 1647 Taufsakrament 1701 Taufversprechen 1702 Technik 335, 1091, 1192, 1326, 1363, 1417, 1460, 1468, 1575, 1588, 1631 — Vorherrschaft von Wissenschaft und 1554 — Wissenschaft und 1218, 1616, 1741 Technokratie 1091 Technologie^) 332, 851, 1091, 1158, 1252, 1325, 1460 — avantgardistische 1001 — fortschreitende 717 — Gefahren 702 — neue 1000 Technologietransfer 945 Teilhabe 1168, 1171 Teilkirche(n) 1115, 1281, 1848 Telematik 1091 Terror 443 Terroranschläge 1724 Terrorismus 1218, 1220, 1729, 1784, 1878, 1914 — internationaler 1067 — Opfer des 444 Teufel 39 Theologe(n) 937f., 1741, 1849 — Mitarbeit der 1839 Theologie 122, 740, 748, 939, 1034, 1418, 1460, 1871f. — „apophatische“ 183 — der Kollegialität 1875 — der Liturgie 1873 — der Schöpfung und Inkarnation 1879 — des Kreuzes 1879, 1881 — dogmatische 1529 — ,,Gott-ist-tot-Th.“ 116 — griechische 1374 — mystische 1508 — natürliche 57, 59 — von der trinitarischen Gabe 252 Theologie der Befreiung 338, 404, 408, 461 Theophanie(n) 157, 178, 266f. Theozentrik 1258 Tischgebet 977 Tod 1587f. — ewiger 790 — Jugend und 1193 1978 — Sinn des 990, 1586 — Sinn von Leben und 1598 Tod Gottes 1554 Todeseintritt — Zeitpunkt des 1588 Totalitarismus 327, 1060, 1615 — Gewalt und 466 Tourismus 911, 1178 Touristen 1363 Tradition(en) 82, 546, 1387, 1870 — afrikanische 851 — biblische 1897 — christliche 655, 1083 — demokratische 322 — der Kirche 791 — der Universalkirche 136 — des Christentums 1570 — jüdische 1897 — Kultur und 1474 — östliche und westliche 136 — religiöse 177 Transparenz — der Welt 1214 Transzendenz 201, 1128 — Fähigkeit zur 1907 — Gottes 206 Trauung — kirchliche 916 Treue — eheliche 614 — eheliche Liebe und 883 — Gottes 207, 903 Triumphalismus 1852 Trockenheit 167 — und Hungersnot 1630 Tugenden) 153f., 724, 1213, 1466, 1755 — christliche 432, 435, 1186, 1798 — evangelische 567 Tyrannei — ideologischer Systeme 1044 UCIP — Weltunion der Katholischen Presse 1140 Überlieferung 80f., 86 — apostolische 80 — jüdisch-christliche 1929 Überproduktion 1066 Umkehr — und Buße 42 — zu Jesus Christus 441 Umwelt 315, 943f., 992 — natürliche 1214 — Schutz der 944 Umweltfragen 942 Umweltkonferenz 942 Umweltprobleme 944 Umweltprogramme 944 Umweltschutz 171, 1302 Unabhängigkeit 289 — der politischen Ordnung 1398 — nationale 856 UNCTAD — UNO-Konfetenz über Handel und Entwicklung 1501 UNEP — UNO-Umweltprogramm 941 UNESCO 360, 363, 455, 534, 870, 872, 1167, 1465, 1467, 1903, 1927 Unfehlbarkeit — Charisma der 1253 Ungerechtigkeiten) 1466, 1582, 1814, 1878 — soziale 413, 591, 1752, 1864 Unglaube(n) 1142f. Ungleichgewicht — wirtschaftliches 1861 Ungleichheiten — soziale 31, 1762 Unionskongresse — zwischen Katholiken und Orthodoxen 1104 1979 UNITALSI 1098 Universalität 1382 — der Kirche 1332, 1566 Universalkirche 1115, 1281, 1848 — Glaube der 622 Universität(en) 1590 — katholische 364 Universum — Aufbau des 1459 — Erkenntis des 57 — Expansion des 139 — erfordert Existenz einer Ursache 139 — König des 698 — Rolle des Menschen im 1418 — Ursprung des 139 UNO (vgl. Vereinte Nationen) Unsterblichkeit 36, 38, 1192, 1236 Unterbeschäftigung 370, 462, 1155 Unterdrückung 1244, 1577, 1582, 1814, 1878 — Befreiung von 511 — des Geistes 466 — neue Formen der U. und Versklavung 443 Unterentwicklung 1775 — Armut und 442 Unterernährung 378, 888, 1589, 1775 Unterhaltung 1520 Unterhaltungsmedien 1128 Unterricht 821, 824 — christlicher U. über Juden und Judentum 1887 — katholischer 495, 497, 1619 Untreue — eheliche 978 Unwissenheit — religiöse 1822 Ur-Bund 200 Urbanisierung 946, 1506 Ureinwohner — Kulturwerte der 407 Urevangelium 1691, 1694 Urgemeinde 1698 Urkirche 99, 215, 519, 550, 1269 — Beispiel der 608 Ursünde 989, 1069, 1071, 1691, 1700, 1707 Urteilsfähigkeit — moralische 687 — Pastorale 714 Utilitarismus 1195 Vaterland 1168, 1208 Vaterlandsliebe 531, 986 Vaterschaft 1617 — göttliche 233, 1148 — und Sohnschaft 226 Vaterunser 105, 226, 241, 465, 473, 493, 502, 512, 549, 572, 574, 587, 590-593, 597-600, 608, 618, 622, 630, 635, 661, 670, 681, 685, 693, 706f., 1220, 1825, 1896 Verantwortung — Erziehung zur 1927 — sittliche 1926 Verbalismus 1851 Verbannte 1472 Verbannung 1039 Verbrechen 1914 Vereinte Nationen 941f., 945, 1051, 1243, 1572-1577, 1622, 1630f„ 1633, 1665, 1713, 1903f., 1912, 1914, 1916 — Charta der 242, 1572 — Sicherheitsrat der 1061 Verfolgung 529, 1261, 1471 Vergnügungsmarkt 1212 Vergnügungssucht 598 1980 Verhütungsmittel 297 Verkehrsmittel — moderne 1363 Verpflichtung — ökumenische 1083 — priesterliche 399 Verschuldung 1057, 1502, 1665, 1861 Versklavung 1020 Versöhnung 440, 1248f. — mit Gott 976 — Notwendigkeit der 490 Versorgung — medizinische 446 Verstädterung 882 Verstorbene 1003 Vertreibung 1904 Vertriebene 1472 Video-Abhängigkeit 1327 Völker — Solidarität der 198 Völkerbund 534 Völkerfrieden 719 Völkerrechte) 378, 703, 1243 Völkerverständigung — Frieden und 1725 Völkerwanderung 1376 Volkserziehung 1933 Volksfrömmigkeit 338, 409, 434, 456, 916, 1778f., 1869 Volksgesang — religiöser 1656 Volksglauben 354 Volkskirche 1814 Volkskunst 1932 Volksmission(en) 282, 311, 792, 1650 Volksmusik 1485 Vollkommenheit — christliche 38 Vulkanausbruch 1636 Waffen 1044f., 1723, 1861 Waffengewalt 1574 — Gebrauch von 535 Waffenproduktion 592, 1666 Waffenstillstand 1085 Waffensysteme — Abbau von 1045 — nukleare 1912 Waffenverkäufe 858 Wahrheiten) 871, 878, 691, 1128, 1179, 1210f„ 1228, 1510f., 1626, 1726, 1763, 1806, 1813, 1815, 1839 — Charisma der 80 — Christi 1254 — Dienst an der 457 — des Evangeliums 715, 922, 1602 — des Glaubens 497 — durch göttliche Offenbarung mitgeteilt 10 — Einheit und 1253 — eschatologisches Reich der 1351 — Gerechtigkeit und 1829 — göttliche 810, 1590 — logische 1127 — ontologische 1127 — Quelle der 1513 — sittliche 1706 — Treue zur 1254 — trinitarische 263 — über den Menschen 1018 — über Ehe und Liebe 920 — über Mensch und Gott 873 — und Liebe 1616 — Verantwortung für die 1590 — Verkünderin der 1128 — Weg zur 506 Wandlung — eucharistische 828 1981 Warenaustausch 1363 Wasser- und Bodenreserven — Nutzung der 380 Weihe 368, 1414 — Auffassung der 546 — bischöfliche 667 — der Frau 547 Weiheamt 663 Weihepriestertum 1200 Weihesakrament 605, 607, 1876 Weihnachtsliturgie 1723 Weihrauch — Symbol des Gebetes 812 Weißer Sonntag 73 Welt — neue 708 — Transparenz der 1214 Weltanschauungen 1193 Weltbild — evolutionistisches 1287f. Weltbund der Reformierten Kirchen 543 Weltfinanzsystem — Reform des 1502 Weltfrieden 535, 1527, 1573 Weltfriedenstag 13, 964, 1039 Weltgebetstag 1293f., 1296 Weltgesundheitsorganisation 1094 Weltkirche 487, 641, 657 Weltkirchenrat 1289 Weitkrankenapostolat 528 Weltkrieg(e) 731, 913, 988, 1163, 1615 — erster 104, 534, 643-645, 771, 782, 1012, 1535 — zweiter 583f„ 643f., 727, 1242, 1412, 1572, 1574f., 1594, 1614, 1911 Weltkultur 1383 Weltmission 604 Weltmissionssonntag 1349, 1353 Weltrat der Kirchen 1526-1528,1683 Weltraumkommunikation 1158 Weltrechtssystem 537 Weltreligionen 1593 Weltsicherheitsplan — für Ernährung 1633 Weltsolidarität 702 Weltwirtschaft 1665f. Weltwirtschaftskrise 1501 Werte — christliche 715 — der Familie 715 — der Menschlichkeit 1908 — der Person 1587, 1621 — des Evangeliums 403, 1086 — des Menschen 403 — Förderung der christlichen 1399 — moralische 1257 — sittliche 1195, 1419 — transzendente 1264 Wettrüsten 349, 1012, 1623, 1861, 1914 Wiederversöhn ung — nationale 1407 Willkür — von Staaten 1573 Wirklichkeit — physikalische 1459 — Sinn der metaphysischen 872 Wirtschaft 442, 1418, 1667, 1834 — internationale 1502 — Kirche und 1665 — Wachstum der 1762 Wirtschafts- und Sozialleben 709 Wirtschaftsethik 1576 1982 Wirtschaftsgesellschaften — katholische 1004 Wirtschaftsgleichgewicht 1066 Wirtschaftsgüter — gerechte Verteilung der 392 Wirtschaftskrise 371, 639, 661, 673, 696, 1583, 1904 Wirtschaftsleben 733, 1768 Wirtschaftsordn ung — Arbeit Teil irdischer 463 — internationale 370 Wirtschaftspolitik 1211, 1630 Wirtschaftswelt 717 Wissenschaften) 332, 717, 851, 1192, 1417- 1419, 1575, 1834 — Fortschritte der 746 — ohne Gewissen 1143 — totalisierende 1326 — und GIaube(n) 878, 1616, 1619 — und Kunst 1419 — und Technik 1218, 1616, 1741 — Vorherrschaft von W. und Technik 1554 Wohlfahrtsstaat 1552 Wohlstandes) 561, 1301 — Verteilung des 912 Wohlstandsgesellschaft 597 Wohnungsnot 666, 873 Wortgottesdienst 1896 Würde — als Kinder Gottes 700 — der Arbeit 1156 — der Frau 839 — der Person 75, 77, 396, 407, 704, 749, 846, 978, 993, 1017, 1044, 1069, 1156, 1327, 1420, 1879 — des Arbeiters 324, 462 — des Kranken 1588 — menschliche 145, 362, 394, 409, 413, 453, 471, 505, 511, 531f„ 806, 843f., 851, 889, 942, 961, 1019, 1418 — und Freiheit der Kinder Gottes 817f. — unverletzliche W. des Menschen 461 — von Ehe und Familie 844 Zehn Gebote 507, 1285 Zeitung 1327 Zelebration — gemeinsame 340 Zentralismus 1852 Zeuge Christi 1409 Zeugung — eines Menschen 383 Zigeuner 753 Zivilgesetzgebung 1917 Zivilisation — christliche 1253 — der Liebe 592, 1392, 1467, 1484 Zivilrecht 1904 Zölibat 428, 1150, 1200, 1347, 1557 — priesterliches 615 — Verpflichtung zum 607 Zukunft 1466, 1502 — Hoffnung für die 497 Zukunftsfatalismus 747 Zusammenarbeit — bilaterale oder multilaterale 1933 — internationale 1467, 1572 Zusammenleben — außereheliches 978 Zwangsarbeitslager 1915 Zwangsassimilierung 1931 Zweiter Weltkrieg (vgl. Weltkriege) 11. Nationaler Eucharistischer Kongress Brasiliens 1469 30jähriger Krieg 584 1983 Personenregister Organe und Mitglieder der Römischen Kurie, Personenverzeichnis siehe Seite 1918 bis 1925 Abraham Nebenform Abram ( = „erhabener Vater“), nach israelitischer Überlieferung der erste der drei Erz- oder Stammväter (Patriarchen) der Israeliten und verwandter Völker 67, 93,111,113,136,150,152,157f., 199f., 232f., 239, 241, 887, 959,1053,1109,1147, 1150,1152,1372,1383,1403,15921,1889, 1891 Acerbi, Angelo; Erzbischof Nuntius in Bogota 1636 Acosta, Cecilio 319 Acufia, Antonio Gonzales de; Bischof {1670-1682) 288 Adam hebr. Mensch, biblischer Stammvater der Menschheit 676, 836, 895,942,1236, 1314,1692,1868 Adenauer, Konrad 732 Adrienne von Speyr 15081 Agatha 899 Agreda, Pedro de; Bischof {1561-1519) 288, 296 Alfons Maria von Ligouri, hl. Gründer der Redemptoristen 16491 Amandus, hl. 651,663 Ambadiang, Dr.; Reverend 848 Ambrosius von Mailand, hl. (um 339-397) 374 Bischof von Mailand, Kirchenlehrer 214,1656,1692 Amichia, Joseph Doyen des Diplomatischen Korps beim Hl. Stuhl, Botschafter der Elfenbeinküste 1057 Arnos um 760 v. Chr. Prophet, Wirksamkeit im Nordreich vor allem in Bethel unter Jero-boam II (787-746 v. Chr.) 93 Andreas, hl.; Apostel Bruder des hl. Petrus (Simon) aus Bethsaida in Galiläa 260, 301, 1446, 1449,14511, 1651-1653 Angelini, Fiorenzo ; Erzbischof 1101,1597 Pro-Präsident der Päpstlichen Kommission für das Krankenapostolat <1597> Angolini, Fioronco; Msgr. Anselm, hl. (von Canterbury) OSB Kirchenlehrer (um 1033-1109) 1871 Anw ante, Marie-Clementine; Schwester (s. Nengapeta) 155, 895-899, 9011, 9071, 913-915,917,919 Argüello, Kiko 1701 Arinze, Francis A.; Kardinal Pro-Präsident des Sekretariats für die Nichtchristen, Präsident der Bischofskonferenz von Nigeria 1333 Arns, Paulo Evaristo; Kardinal 1847 Ar-Rayes de Himlaya, Rafqa (Rebekka); sei. Ordensfrau des maronitisch-libanesischen Ordens; „Schwester Anissa“ Ordensname bei den Mirjam-Schwestern 248,1637, 1640-1642 1985 Athanasius griechischer Kirchenvater 214,563 Athenagoras Patriarch 1163,1451,1684 Augustinus, hl. (354-430) 395 Bischof von Hippo, Kirchenlehrer 66, 94,214,560,770,1120,1176,1179,1221, 1392,1448,1510,15141,1546,1656,1718, 1786 Augustus, Kaiser(63 v. Chr. -14 n. Chr.) 1721 Ausiliatrice, S. Maria 775 Averkamp, Ludwig, Dr. Weihbischöf in Münster 216 Avue, Jean-Oscar; Reverend 830 Bach, Johann Sebastian Komponist 1848,1512 Baggio, Sebastiano; Kardinal Titularerzbischof von Ephesus (1953) 143, 1469 Bahamonde, Jose; Pater 469 Bakpessi, Christian Matawo; Bischof 798 Balina, Aloysius; erster Bischof von Geita in Tansania 1054 Balthasar, Hans Urs von; Professor 15081 Banosy Sotomayor, Diego de (1682-1714) 288 Baranda, Felipe Sainz de; Pater 1308 Barnabas 1567 Baronio, Cesare; Pater 1315 Barth, Karl{1886-1968) reformierter Theologe 126 Bartolome de las Casas; Bruder 377 Bartolucci, Domenico; Msgr. Direktor der Cappella Sistina 1484 Basilius der Große 214 Bastian, Mary; Pater 14 Bastidas, Rodrigo de erster Bischof Venezuelas (1532-1542) 288,2951 Baudouin I. König von Belgien (seit 1951) 622, 623 Baum, William Wakefield; Kardinal 1653 Bea, Augustin SJ; Kurienkardinal (1881-1968) 1966 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 1960 Leiter des Päpstl. Sekretariates für die Einheit der Christen 1528 Beatrix Königin der Niederlande 569 Beauduin, Dom Lambert 659 Beethoven, Ludwig van Komponist 1515 Bellotti, Luigi; Erzbischof 1911 Benedikt von Nursia, hl. (um 480-547) gründete um 529 Monte Cassino, das Ursprungskloster des Benediktinerordens 72, 136,662,729,1052,1101,1139,1366, 1392,1442,1480,1549f., 1567,1715,1928 Benedikt XV. (Giacomo Deila Chiesa); Papst (1914-1922) 534, 783,1012,1573 Bergson, Henri Philosoph 1146 Bernadette (Soubirous), hl. (1844-1879) B. erschien die Gottesmutter 1858 in Lourdes 1098,1100 1986 Bernanos, Georges (1888-1948) franz. Schriftsteller 725 Bernhard von Clairvaux, hl. (um 1090-1153) brachte den Zisterzienser-Orden zur Blüte; predigte den 2. Kreuzzug 663,1545 Bemon, Jaques de Bischof von Maroua-Mokolo 835 Bertoli, Paolo; Kardinal 1162 Bertrand, Louis (Ludwig), hl. 478, 481 Betancur, Pedro de, sei. 1421 Biffi, Giacomo; Kardinal Erzbischof von Bologna 1334 Biya, Paul Präsident von Kamerun 852 Blandine 899 Bluyssen; Altbischof 489 Boas 430,436 Boelhius 261 Boff, P. Leonardo OFM 1847-1852 Bolivar, Simon 30 Bolla, Gerard 1167 Bonaventura, hl. 1423 Bonifatius, hl. (um 672-754) 102,106,486, 526,1392 Borromeo, Frederico (1564-1631) Kardinal (1587) und (1595) Erzbischof von Mailand, Vetter des hl. Karl 765 Bovone, Alberto Tit.-Erzbischof von Cesarea in Numidien, Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre 1854 Bozyvoj (Borivoj) Fürst Böhmens 1385 Braccelli, Virginia Centurione, sei., Schwester 1009-1011,1014 Brandsma, Titus; Pater 237, 526,1608-1615 Cabrini, Francesca Saveria (gest. 1917) 1905 Cacilia, hl. 899,1654 Calderön, Abdön 348 Calixtus; Papst 1033 CalixtusII. (Kallixt II); Papst (1119-1124) 1545 Galmeis, Norbert Generalabt 1546 Campidelli, Pio (Bruder Pio di San Luigi), sei. Passionistenbruder 248,1637 f., 1642 Candelaria; Mutter Ordensgründerin 314 Canestri, Giovanni; Erzbischof und Metropolit 1032 Canova, Antonio Bildhauer 773 Cappella, Dr. Anna 1678 Carate Aranguren, Francisco, sei. 1530 Cardijn, Joseph; Kardinal 104, 665, 673, 685, 699-701,705 f. Carrier, Herve SJ Sekretär des Päpstl. Rates für die Kultur 1073,1926 Carvajal, Gaspar de; Pater 475 1987 Casaroli, Agostino Kardinalstaatssekretär 135,1333,1441, 1444,1563 Caspicara 341 Cassidy, James; Msgr. Präsident der Confoederatio International« Catholicorum Hospitalium 1597 Castillo, Francisco del; Pater All Castillo, Lucas Guillermo erster Bischof von Coro, Erzbischof von Caracas und Primas von Venezuela (1923-1955) 289 Castillo Lara, Rosalio Jose; Kardinal Pro-Präsident der Päpstlichen Kommission für die authentische Interpretation des Kirchenrechts 1334 Castro, Juan Bautista; Erzbischof {1905-1915) Gründer der Kongregation der Dienerinnen des Allerheiligsten 289,314 Caterina Troiani, sei. Gründerin der Franziskanischen Missions-schwestem vom Unbefleckten Herzen Mariens 1421 Cavaglia, Innocenzo CP 1846 Cazelles, Heinrich; Professor 1281 Ce, Marco; Kardinal Patriarch von Venedig 785 Ceirano, Giovanni; Msgr. 1882 Chagas, Carlos; Professor Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften 1585 Charue; Msgr. 664 Checay Barba,Jose Ignacio 339 Chidiac, Gazi Botschafter des Libanon beim Hl. Stuhl 1406 Chrysostomos, Johannes, hl. 1104 Chrysostomos von Myra; Metropolit 1449 Churchill, Winston 732 Clemens, hl.; Papst (88-97) 1101 f., 1133, 1367,1369 Clemens von Alexandria 1626 Clemens von Rom 1452 Clemens VIII.; Papst{1592-1605) 1533 Cohen, Isaac; Rabbi 1107 Conigli, Abele; Bischof 1453 Cordeiro, Joseph; Kardinal 934 Cordes, Paul Josef; Bischof 1903 Cordoba, Francisco de; Pater 295 Cornelius (Kornelius) röm. Hauptmann in Caesarea 509,522, 835 Cossiga, Francesco ital. Staatspräsident 1521 Coyne, P. 1458 Craxi, Bettino ital. Ministerpräsident 1396 Crespo, Remigio 382 Crumley, James R.; Bischof Vorsitzender der Lutherischen Kirche in Amerika 1476,1504 Cyprian von Karthago (Caecilius Cyprianus), hl. (ca. 200-258) 214 1988 Cyrill s. Kyrill(os) Dadaglio, Luigi; Kardinal Pro-Großpönitentiar 1333,1935 Dalle Pezze, Sr. Teresa Combonianermissionarin in Mozambique 13 Damiaan; Pater 665 Daniel; Prophet 93,95,184,826,1669 Danneels, Godfried; Kardinal 626,137,761, 1683 Dante 1355-1357,1423 Darida, Clelio; Minister 1153 Dauzan, Mutter Anne 1414 David König über Israel (1000-960 v. Chr.) 175, 219,436,1113,1147 Day,Dorothy( gest. 1980) 1905 Dechamps, Victor-Auguste; Kardinal Primas von Belgien 664 Decourtray, Albert; Kardinal Erzbischof von Lyon 260,1334,1652 De Gasperi, Alcide (1881-1954) italienischer Staatsmann 732 Delbrel, Madeleine (gest. 1964). 1905 Delors, Jacques Präsident des Europäischen Parlaments 727 De Magistris, Luigi 1935 De Pinies, Jaime Präsident der 40. Vollversammlung der Vereinten Nationen 1572,1630 Deskur, Andrzej Maria; Kardinal em. Präs, der Päpstl. Kommission für die sozialen Kommunikationsmittel 1334 De Smedt, Emile-Jozef; Bischof 643,664 Devlin, Bemard Patrick Bischof von Gibraltar 1054 Diez Madronero, Diego Antonio (1756-1769) 288 Dimitrios /., Papadopulos; Erzbischof ökumenischer Patriarch von Konstantinopel 1438,1451f., 1651 Dominikus, hl. (um 1170-1221) Stifter des Dominikanerordens 419 Donders, Pierre; Pater 1649 Donkers, Peerke 526 Doria, Andrea 1002 Dosseh-Anyron, Robert Casimir Erzbischof von Lome 789 Duarte, Ines Guadalupe 205 Dubravka Prinzessin; Frau Mieszkos 1385 Dupanloup, Felix-Antoine-Philibert (1802-1878) Bischof von Orleans 1511 Duprey, Pierre Vizepräsident der vatikanischen Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum 1899 Duval, Leon-Etienne; Kardinal Erzbischof von Algier 159 1989 Efraim 220 Egbert 564 Ekkehard; Mystiker 1508 Elija; Prophet 826,1144,1635 Elisabeth hebr. „mein Gott ist Fülle“, Frau des Priesters Zacharias, aus Aarons Geschlecht, eine Verwandte Marias; sie wurde im hohen Alter Mutter Johannes des Täufers 832, 897,1507 Emilia Ordensgründerin 314 Ephraim der Syrer 214 Escaler, Federico SJ; Bischof 41 Estevez, Jorge Medina Weihbischof von Rancagua/Chile 1054 Etchegaray, Roger; Kardinal Erzbischof von Marseille 137 Eusebius 1893 Eva Name, den Adam seiner Frau gibt, kann als Mutter der Lebendigen gedeutet werden 942,1696 Ezechiel; Prophet hebr. Gott ist oder macht stark, wirkte zwischen 594 und 571 v. Ghr. unter den Exulanten in Babylon 93, 95,266,353 f., 357, 791,1410,1431 Fagiolo, Vincenzo; Msgr. Sekretär der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute 1420 Favali, Tullio; Pater 1303,1817 Ferraro, Nicola; Msgr. 1846 Figl, Leopold 1412 Florenszoon, Adriaan (geb. 1459) (Papst Hadrian VI.) 520 Foley, John; Erzbischof 1127 Foucauld, Charles de (1858-1916) 953, 958 FraAngelico OP, sei. (gest. 1455) aus Fiesole; erhielt den Beinamen „Angelico“, Florentiner Maler 721 Francisco von Pamplona; Bruder 296 Franz von Assisi, hl. (um 1181/82-1226) wählte als reicher ital. Kaufmannssohn den Weg der Armut und reiner Christusnachfolge, Gründer des Franziskanerordens 146,611,1249,1278,1399,1420-1424, 1522-1524 Franz von Sales, hl. (1567-1622) Mitbegründer des Salesianer-Ordens 346 Franz Maria da Camporosso, hl. 1003 Franziskus von Brixen, hl. 822 Freire, Antonio-Jose Peteiro Erzbischof von Tanger 954 Fresno Larrain, Juan Francisco; Kardinal Erzbischof von Santiago de Chile 1333 Friedhofen, Peter, sei. Gründer der Barmherzigen Brüder von Mariahilf 125,1425,1427-1429 Fritz, Samuel; Pater 475 Furstenberg, Maximilien de; Kardinal 627 Gabriel; Erzengel hebr. Mann Gottes 60,194,204,493 1990 Gagnon, Edouard; Kardinal Pro-Präsident des Päpstlichen Rates für die Familie 1334 Gallus, hl. 973 Gamaliel 1894 Garate Aranguren, Francisco 1541,1543f. Garces, Juan de; Pater 295 Garrone, Gabriel-Marie; Kardinal Präsident des Präsidialkomitees des Päpstl. Rates für die Kultur 1073,1684 GelasiusII.; Paprf(1118-1119) 1545 Gemayel, Amine Präsident des Libanon 1408 Gerhardinger, Maria Theresia 248 Gijzen, Joannes Baptist Matthijs Bischof von Roermond 550 Giotto 1423 Glazemaker; Erzbischof 548 Goethe, Johann Wolfgang 1423 Gonzales de Acuna, Antonio; Bischof (1670-1682) 288 Gorazd Schüler des Methodius 1371 Gorbatschow, Michail 249 Goretti, Maria, hl. 897, 1845 Gorny, Kazimierz Weihbischof in Krakau 1054 Granadillo, Francisco Antoni (1923-1927) erster Bischof von Valencia 289 Greene, Graham 725 Gregor der Große, hl. Papst (590—604) 1111 Gregor VII., hl. Pa/wf (1073-1085) 100, 1344-1349,1545 GregorXVI.; PapV(1831-1846) 1605f. Gregor von Nazianz 214 Gregor von Nyssa 214 Groote, Geert 102,526,548 Grossmann, Marcel 1417 Guardini, Romano 1289 Guego, Saverio; Pater 265 Guerri, Giordano Bruno 1845 Guevara y Lira, Silvestre; Bischof (1852-1876) 289,314 Gulbinowicz, Henryk Roman; Kardinal Erzbischof von Breslau 1334 Habakuk; Prophet 93, 266 Hadewych 102 HadrianII.; Papst(867-872) 1102,1133f., 1369-1371,1564 Hadrian VI.; Papst (1522-1523) 103,486, 547,570 Händel, Georg Friedrich 1484,1512 Haggai; Prophet 93 Hamer, Jean Jerome; Kardinal Pro-Präfekt der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute 627, 1334 Hassan II. König von Marokko 172 1991 Heinrich, hl. 1056f. Hengen, Jean Bischof von Luxemburg 573, 594, 618f. Hernandez, Hector Rueda Erzbischof von Bucaramanga 1793 Hernandez, Dr. Jose Gregorio 319 Herodes (37-4 v. Chr.) König von Judäa 1053,1448 Heuschen, Joseph Bischof von Hasselt 664 Hieronymus, hl. 123 f., 1247, 1519 Hilarius, hl. 214,1024 Hildebrand, hl. (Papst Gregor VII.) 1346 Honorius II.; Papst (1124—1130) 1545 Honorius III.; Papst (1227-1241) 1422 Hosea hebr. Jahwe hat gerettet, Prophet zw. 750 und ca. 725 v. Chr. 93,268,931 Hrusovsky; Msgr. 1562 Ibarra, Francisco de (1792-1806) erster Bischof von Guayana und erster Erzbischof von Caracas 289 Ignatius von Antiochien, hl. 971,1126,1452 Ignatius von Loyola, hl. (1491-1556) gründete den Jesuitenorden 1141,1540, 1543 f. Ijob 131,754 Innocenti, Antonio; Kardinal Apostolischer Nuntius in Spanien 1333 InnozenzII.; Papst(1130-1143) 1545 Irenäus von Lyon, hl. (gest. um 202) Kirchenvater 80,214,1452,1791 Isaak 151f., 157f., 199f. Isai 436 Isgro, Salvatore; Erzbischof 1027 Isidor Metropolit von Kiew (um 1439) 1534 Jairus 1188 Jakob 151f., 157 f., 199f., 488,841,1032 Jakobus, hl.; Apostel 96, 301, 826, 831, 886, 1028,1745 Jean Großherzog von Luxemburg 572, 618 Jenco, Lawrence; Servitenpater 14 Jeremia; Prophet 93,95,208,220,386 f., 682, 1591 Jesaja hebr. Rettung ist Jahwe, 742 v. Chr. im Tempel von Jerusalem zum Propheten berufen 9,15, 93,95,133,178,190,196, 201,208, 219-221,266,268,445,448,520,582, 646, 651,653,682, 754,758, 841,1027 f., 1031, 1054,1098,1227,1230,1232-1234,1236, 1362,1511 Jesus Christus s. Wortregister Jezernik; Msgr. 1562 Joel; Prophet 93, 1112 Johann Baptist de la Salle, hl. 479 Johannes, Apostel und Evangelist 5, 8, 64,78, 96, 98,161,163,178,191,207,215,225, 227,239,286,301, 348, 350f., 376,420f., 424,450,509, 521,557,584f., 681, 686, 1992 826, 831, 837,920, 939, 955, 980,1028, 1171,1225,1249,1312,1411,1746,1893 Johannes der Täufer 15,267 f., 596,1071, 1233 f„ 1304 Johannes vom Kreuz OCarm, hl. (1542—1591) Kirchenlehrer, spanischer Mystiker 179, 1309,1851 Johannes von Gott, hl. 1426 Johann (es) VIII.; Papst (872-882) 1133, 1138,1366,1370,1374 Johannes XXIII.; Papst (195%-1963i) 128, 210, 229f., 259,351,534, 765f., 940,1077, 1079,1104,1243,1257,1265,1315f., 1380, 1430,1432,1436,1511,1572f., 1659, 1672f„ 1697,1715,1717,1882 Johannes Chrysostomus, hl. (344/54-407) Kirchenvater und Patriarch von Konstantinopel 87 Johannes Paul I; Papst, 33 Tage (gest. am 28. 9.1978) 204, 764-770, 1509f. Johannes Paul II; Papst (seit 1978) 83, 634, 894,1049,1077,1086,1088,1097,1139, 1164,1173,1184,1222,1239,1297,1318, 1321,1331,1355,1392,1443,1446,1468, 1476,1480,1482,1487,1503,1578,1636, 1653,1675,1724 f., 1783,1854,1863, 1883-1885,1897,1902 f., 1910,1915f. Jona; Prophet 93, 302 Jona; Vater des Simon (Petrus) 1446-1449 Josef (Joseph), hl. Bräutigam Mariens 89 f., 232,276,335 f., 383, 385,423,459, 847, 974,1019,1049, 1146-1152,1154,1158-1160,1213,1697, 1720 f„ 1729 Jover, Jean-Marie; Pfarrer 159 Judas (Iskariot) Mann aus Kariot oder Dolchmann, hat Jesus auf Betreiben des Satans verraten 309,550 Juliana von Cornillon, hl. 663 Kasper, Walter; Professor 1683 Katharina, hl. 499 Katharina von Siena, hl. (um 1347-1380) Dominikanerin vom 3. Orden, Mystikerin 165,422,1249,1399 Kautudia, Luzia; Schwester 181 Kentenich, Josef; Pater 1498 Khoraiche, Antoine-Pierre; Kardinal 1084, 1237 Kim Tae-gon, Andreas, hl. (1821—1846) erster koreanischer Priester und Märtyrer, am 6. 5.1984 heiliggesprochen 1802 Klara von Assisi, hl. (1194-1253) Mitbegründerin des Klarissenordens 1278, 1399 Kleinermeilert, Alfred Weihbischof in Trier 192 Klemens von Ochrida, hl. 1386 Kocel; Fürst 1133 f. König, Franz; Kardinal Erzbischof von Wien 1142 Kolbe, Maximilian, hl. (gest. 1941) Märtyrer in Auschwitz 957 Kolumbus, Christoph 33,295,352,1002 Kolvenbach, Peter-Hans; Pater Generaloberer der Gesellschaft Jesu 1266 Konfutius (Kung Fu-tse) (551-479 v. Chr.) 1223 1993 Konstantin; Philosoph (gest. 869) 1133 Konstantin (Cyrill, Kyrill) s. Kyrill(os) Kozel; Slawenfürst 1370 Krätzl, Helmut Weihbischof in Wien 1724 Krol, John; Kardinal Erzbischof von Philadelphia 1683 Kwesse, Pierre 890 Kyrill(os) (Kortstantinos), hl. (826/7-869) Apostel und Lehrer der Slaven, Gründer der altslawischen Kirchensprache 71 f 135-137, 216,218,662,729,794, 940, 1052,1101-1106,1131-1133,1136-1139, 1365-1375,1378-1389,1392 f., 1441-1445, 1452,1461 f„ 1549 f., 1562-1565, 1567-1571,1715f., 1718,1928 Lacalle, Fernando Saenz Weihbischof in Santa Ana/El Salvador 1054 Laso de la Vega, Rafael Bischof von Merida (1815-1828) 289,308 Laszlo, Stefan Bischof von Eisenstadt 173 Laval, Jacques Desire (gest. 1864) 1905 Law, Bernard P.; Kardinal Erzbischof von Boston 1334 Lazarus (der Arme) 508 Leo der Große; hl. Papst (440—461) 214 Leo IX.; hl. Papst (1049-1054) 486,489 Leo XIII.; Papst (1878-1903) 374,533,771, 985,1004,1020,1109,1266,1366 f., 1443, 1715 Leopold (III.), hl. (um 1075-1136) Markgraf von Österreich 1301,1412 f. Lievens; Pater 665 Löw, Reinhard; Professor 1287 Lokuang, Stanislaus; Erzbischof 1833 Longhin, Andrea Giacinto 119 Lopez de Solis, Fray Luis 339 Lora, Fray Juan Ramos de erster Bischof von Merida 308 Lorscheider, Aloisio; Kardinal 1847 Loucheur, Andre; Bischof em. von Bafia 880 Louise de Marillac, hl. 1414 Lourdusamy, Simon D.; Kardinal Sekretär der Kongregation für die Glaubensverbreitung, Präsident der Päpstl. Missionswerke 1119,1303,1333 Lubachiwsky, Myroslaw Iwan; Kardinal Großerzbischof von Lemberg (Ukraine) 1334,1532 Lubbers, Rudolphus F.M. Ministerpräsident 530 Luciani, Albino; Bischof später Papst Johannes Paul I. 765 f. Ludwig Kaiser 1133 Ludwig, Siegfried Landeshauptmann (Niederösterreich) 1412 Lukas, hl. Evangelist 78,96,225,272,1022f., 1213,1225,1249,1537 Luzia (Lucia), hl. Märtyrerin in Syrakus 899 1994 Luzius, hl. 973, 984 Mabutas y Lloren, Antonio Erzbischof von Davao 1817 Marias, Juan, hl. (gest. 1645) Missionar in Amerika 406,423,425 Mahony, Roger M.; Erzbischof 1497 Maleachi; Prophet 93 Mallinckrodt, Pauline von, sei. Gründerin des Instituts der Schwestern von der Christlichen Liebe 74,1273-1280 Malula, Joseph; Kardinal Erzbischof von Kinshasa 896,1683 Manning, Timothy; Kardinal Erzbischof von Los Angeles 1497 Manzella, Giovanni Battista; Pater 1030 Manzoni, Alessandro(llS5-1313) ital. Dichter und Schriftsteller 765, 1398, 1423 Mar Ignatius Zakka Iwas syrischer Patriarch von Antiochien 1438 Marchesi, Fra Pier Luigi 1597 Marconi, Guglielmo (1874-1937) ital. Funktechniker; erbaute Radio Vatikana (1. Sendung 12.2.1931), Mitglied derPäpstl. Akademie der Wissenschaften 1521 Marella, Paolo; Kardinal Präsident des Sekretariats für die Nichtchristen (1964-1973) 1333 Maria siehe Wortregister Maria Frau des Klopas 980 Maria Magdalena (von Magdala) 639,980 Maria de San Jose Ordensgründerin 314 Mariana de Jesus (Paredes), hl. 365,389 f. Maritain, Jacques; Philosoph 1136 Markion 1890 Markus, hl. Evangelist 96,301-303, 347,478, 783,1012,1225,1401,1454 Marti, Mariano; Bischof (1770-1792) 288 Martin V.; PapV(1417-1431) 738,745 Martin von Porres OP, hl. (1569-1639) 32, 34,406,423,425 Martz, Paul; Pater 159 Massa, Eugenio; Professor 1846 Matovelle, Julio Maria; Pater 382 Matthäus; Evangelist 96,225,388,445,459, 550, 974,1198,1225,1349,1598 Mayer, Augustin OSB; Kardinal Titularerzbischof von Madrid, Pro-Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst 1333,1480,1856 Mazombwe; Bischof 935 Mazza, Leonardo; Professor 1846 M’Bow, Amadou Mathar Generaldirektor der UNESCO 1465 Mclntyre, Alister Beigeordneter Generalsekretär der Konferenz der Vereinten Nationen über Handel und Entwicklung 1501 Medi, Enrico ital. Wissenschaftler 146 1995 Mejia, Jorge; Msgr. 1847,1899 Mohammed 111 Melchisedek (Melchisedech) hebr. Melek ist gerecht oder König ist Sedek, König von Salem und Priester des höchsten Gottes 1176 Meliton; Metropolit 1437 Memling Maler 102 Mendez, Ramön Ignaco; Bischof (1827-1839) 289,314 Mendoza, Juan de; Bruder 296 Menni, Benedetto; Pater 125,1425-1427 Mercier; Kardinal 103, 658 f. Method(ios) (Methodius, Michael), hl. (gest. 885) Apostel der Slawen, Kirchenvater 71 f., 135-137, 216,218,662, 729, 794, 940,1052,1101-1106,1131-1139, 1365-1372,1374f., 1378f., 1381-1389, 1392 f., 1441-1445,1452,1461-1463, 1549f., 1562-1565,1567-1571,1712, 17151,1718,1928 Micha; Prophet 93,973 f. Michael; Erzengel 204,450 Michael vgl. Method Michael III. Kaiser 1132,1369,1372 Michon, Hubert Erzbischof von Rabat 954 Mieszko Herrscher Polens 1385 Miguel; Bruder, hl. 338,348, 354, 360 Mistrorigo, Antonio; Bischof 778 1996 Molina (Moliny y Ayala), M. Mercedes de Jesus, sei. Gründerin der Kongregation der Marianiten, des ersten Frauenordens in Ekuador 31,34, 348,354,388-390, 3921 Molinari, Paolo SJ 1846 Moloise, Benjamin südafr. Dichter 224 Mongo, Thomas; Bischof em. von Douala 862, 880 Monnet, Jean 732 Montalcini,Rita Levi; Professorin Präsidentin der ital. Vereinigung für multiple Sklerose 1271 Monteagudo, Ana de los Angeles; Schwester, sei. 405,418-423,425 Montes de Oca, Salvador; Bischof 314 Moreno, Miguel 382 Mose(s) in der atl. Überlieferung Gesetzgeber und Begründer Israels, der das Volk aus Ägypten herausgeführt hat 67,93,111,1241,1571, 163-166,176,1781,199, 2011,219,2321, 2661, 428,507,588,598, 612,615,632, 687,803,826,1051,1053,1194,1230, 1401-1403,1455,1457,1513,1886,1894 Mosquera, Cesar Antonio; Msgr. 339 Murillo 1423 Mutter Teresa von Kalkutta 1905 Nahum; Prophet 93 N’Dayen, Joachim Erzbischof von Bangui 886 Nengapeta, Maria Clementina Anwarite; Schwester 154,170, 173 Neri, Filippo, hl. (1515-1595) katholischer Reformer, Gründer des Oratoriums 1399 Newman, John Henry; Kardinal (1801-1890) 749 Nikodemus gelehrter jüdischer Rabbi, Mitglied des Hohen Rates, Pharisäer 791 Nikolaus I.; Papst(858-867) 1370,1374, 1393 Nikolaus II.; Pa/wf(1059-1061) 1137 Nikolaus II. Zar 533 Nikolaus von Flüe, hl. (1417-1487) 1311 Nikolaus von Tolentino, hl. 422 Noe, Virgilio Sekretär der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst 1856 Noah (Noach) 22,200,661 Norbert, hl. 663,1545—1547 Nsubuga, Emmanuel; Kardinal 230 Ntalou, Antoine Bischof von Yagoua 835 Nteka, Alfonso erster Bischof von Mbanza Kongo/Angola 1054 Obadja; Prophet 93 Obando Bravo, Miguel; Kardinal Erzbischof von Managua 1333 O’Connor, John J.; Kardinal Erzbischof von New York 1334 Origenes 214 Orione, Luigi, sei. 1155 Otto, Rudolph 267 Otunga, Maurice; Kardinal Erzbischof von Nairobi 169,920,932 Overath, Johannes; Msgr. 1653 Pallotti, Vinzenz, hl. 1262-1265,1604-1607 Palmas; Msgr. 1899 Pampite 341 Papa, Giovanni; Msgr. 1846 Paquier, Jean Bischof von Ngaoundere 835 Paredes, Arturo Augusto; Bruder 14 Paredes, Mariana de Jesus, hl. 360 Paschalis II.; Papst (1099-1118) 1545 Pasinya, Monsengwo; Erzbischof 914 Paul III.; Papst {1534-1549) 424 Paul VI.; Papst (1963-1978) 50, 83,104, 110,112,128,162f., 199,211,215,222, 230,243,254, 256,264, 303,332,410, 452f., 463,486f., 507,510,512,534,544, 552, 554, 627, 633,662, 699,729,735,764, 766, 793, 881,942,944 f., 947,954,1074, 1079,1104,1142,1145,1163,1243,1267, 1293,1304,1366,1437,1451,1483 f., 1498, 1500,1509-1512,1529,1556,1572-1574, 1615 f., 1620,1624,1642-1644,1661-1663, 1665,1667,1679,1684f., 1690,1696,1706, 1715,1746,1785,1796,1809,1813,1832, 1834,1870,1880,1918 1997 Paulus, hl. 25,36, 39, 55-58, 87, 96,99f., 111,114,120,126,151f., 161,163,177, 179,184-186,189f., 192, 201f., 211,213, 216,222,227f., 239,246f., 254, 260,269, 272, 298,309,367,379, 384, 391,394,427, 429,458,460,463, 478,481,490,516,525, 528,530,548, 562,583, 585, 588,592,599, 613f„ 618, 627, 652,658,668, 678f„ 692, 719,722, 724,728,775,780,790f., 815f., 835, 838 f., 842,846 f., 850, 880,885, 898, 915,918, 922,933, 937,953,956,971, 974, 979, 981,989,1011,1022f., 1032,1035, 1050,1052,1078-1081,1083,1099,1128, 1136,1138,1150,1167,1170,1194,1197, 1199,1215,1226,1230,1245,1248f., 1264, 1266,1271,1304,1314,1334,1337,1353, 1372-1375,1392,1409f., 1425,1427, 1429f., 1432,1438,1446,1448-1452,1455, 1462,1479,1498,1503 f., 1511f., 1531, 1549,1556,1559,15661,1569,1586,1612, 1653,1674,1700,1705,1726,1733,1763, 1767,1771,17801,1789,1793,1798,1812, 1818,1827,1831,1893-1895 Pavart, Pietro; Kardinal 1334 Peguy, Charles Dichter 725 Peke, Marie 891 Pena, Alonso de la; Bischof 359 Pena, Fray Pedro de la; Bischof 339,377 Pena y Montenegro, Alonso dela 339 Petrus Damiani, hl. 1664 Petrus (Kephas, Simon Petrus), Apostel 22, 27,96,163,211,213,222,228,2331, 2531, 260,271,287,294,308,310-312, 320, 342, 347, 352, 354, 3811, 388,398,4691,477, 485,4901, 509, 511,522,562, 572,582, 594,600,602,606,6091, 6221, 626-628, 641,669,681,683,694,6971,713,745, 759,7701,7751,780,782,785,788, 791, 796,798-801, 811, 814,818,8251, 831, 834, 837,885, 899, 971,1007,1054,1079, 1104,1187,1198,1229,12321,1262,1269, 1304,1312,1330,1334,1337,1342,1349, 1362,1367,1371,1374,1379,1388,1392, 1409-1411,1422,1429-1432,1438,1446, 1446-1452,1503,1509,1511f., 1529, 1531 f., 1537f., 1549,1566,1568, 1604-1606,1651,1653,1661-1663,1674, 1696,1700,1713,1717,1723,1726,1733, 1735,1737,1739,1758,1764,1785,1798, 1807,1818,1822,1831,1835,1784,1882 _ Petti, Antonio; Msgr. 1846 Pf ab, Josef; Pater 1649 Philippus, Apostel 651 Photius Patriarch von Konstantinopel 1137, 1371 Pilatus, Pontius 26-36 n. Chr. Statthalter der Provinz Judäa, entschied den Prozeß Jesu und ordnete die Kreuzigung an 175,505,1143,1226,1228, 1670 f., 1241 Pin, Yü; Kardinal 1833 Piovanelli, Silvano; Kardinal Erzbischof von Florenz 1334 Pironio, Edoardo; Kardinal Präfekt der Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute und Präsident der Päpstlichen Kommission für das Krankenapostolat 1101,1597,1645 PiusIX.; Pa/»r(1846-1878) 1605 PiusX.; hl. Papst{1903-1914) 119f., 170-172,174-176,178-183,1653 Pius XI.; Papst(1922-192,9) 863,1031, 1266,1443,1615 Pius XII.; Papst (1939-1958) 534, 834,1243, 1264,1266,1270,1287,1344,1500,1538, 1573,1575 1998 Plechelmus 526 Plumey, Yves; Erzbischof em. von Garona 834, 880 Poletti, Ugo; Kardinal 1724 Polo, Marco 1110 Polycarp, hl.; Bischof 1126 Pontianus, hl.Papst(230-235) 1017,1033 Potij, Ipozio Bischof von Wolodomyr 1533 Poupard, Paul; Kardinal Pro-Präsident des Sekretariats für die Nichtglaubenden und Präsident des Exekutivkomitees des Pästlichen Rates für die Kultur 1073, 1142,1334 Prates, Don Feliciano Jose Rodrigues 1739 Perez de Guellar, Javier UN-Generalsekretär 1316 Periguere, Albert 958 Proano, Leonida Bischof von Riocomba 388 Prodi, Romano; Professor Präsident der IRI 1161 Prometheus 1090,1756 Quintero, Jose Humberto erster Kardinal von Venezuela (1961-1984) 289 Raab, Julius 1412 Rafael; Erzengel 204 Ramachandron, Dr. Arcot 942 Rampolla; Kardinal 533 Ratislav Fürst von Großmähren 1132,1134,1369, 1372,1569 Ratzinger, Joseph; Kardinal Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre 1281,1286,1529f., 1854 Reagan, Nancy 1307 Reagan, Ronald Präsident der USA 249 Reaviglio, Francesco; Professor 1016 Remaklus, hl. 663 Rembrandt Maler 102 Ricke; Pater 369 Riera, Juan Maria; Bischof 339 Rigali, Justin; Bischof 1494-1497 Roddiger Präsident der Int. Föderation der Vereinigung für die multiple Sklerose 1271 Roge, Mutter Lucie 1414 Romana, Francesco, hl. 43 Romano, Carlo; Professor 1846 Romboud, hl. 102 Römern, Alberto; Pater 1817 Römern, Rudy 1817 Ronchi, Pellegrino Tommaso Bischof der suburbikanischen Diözese Porto und Santa Rufina 1054 1999 Rosa von Lima, hl. (1586-1617) 32,34,406, 417, 423,425 Rozycki 1529 Rubin, Wladyslaw; Kardinal Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 1562 Rubio y Peralta, Jose Maria, sei. 1540-1542, 1544 Ruiz, Lorenzo, sei. 1830 Rut 430f., 436 Ruusbroec, Jan van, sei. Mystiker 102,548, 663 Ryan, DermotJ. Erzbischof von Dublin; Pro-Präfekt der Kongregation für die Glaubensverbreitung 1119,1123-1126 Sacchetti, Dr. Marcello Generalsekretär der Confoederatio Interna-tionalis Catholicorum Hospitalium 1597 Sacharja (Zacharias); Prophet 93 Sainz Muhoz, Daustino, Msgr. 1911 Sales, Eugenio de Araujo; Kardinal Päpstl. Rat für die Kultur 1073 Salomo(n) König von Israel und Juda (etwa 965-926 v. Chr.) 180 Salvatore, Lilli, sei. 1421 Samore, Antonio; Kardinal (1905-19&?>) Archivar und Bibliothekar der Hl. Römischen Kirche 1298 San Vitores Alonso, Diego Luis de 1542,1544 San Vitores, Diego Luis de, sei. 1511,1540 Sarto, Giovanni Battista (später: Papst Pius X.) 770-776, 778-782,785 Sartori-Ganova; Msgr. 773 Sasso de la Vega y Miranda, Juan Manuel; Pater 1649 Saulus von Tarsus (Paulus) 1081,1448f., 1080 Scarlatti, Giuseppe Domenico 1512 Scherer, Alfredo Vicente; Kardinal 1738 Schervier, Franziska (gest. 1876) 1905 Schiedam, Liduina von 526 Schotte, Jan; Bischof Vizepräsident der Päpstl. Kommission „Justitia et Pax“ 627,1684 Schuman, Robert 732 Seper; Kardinal 1529 Sergius I.; hl. Papst (687-701) 520, 564 Serra, Junipero Apostel Mexikos und Kaliforniens 1421 Servatius, hl. 102,106,486,526,550, 555, 563,565,570 Shahani, Meticia Ramos 1167 Shenouda III. Patriarch der koptischen Kirche 1438 Sikufinde, Leonardo; Priester 181 Silva, Antonio Ramön; Erzbischof (1894—1932) 289,314 Silvestrini, Achille; Erzbischof Sekretär des Rates für die Öffentlichen Angelegenheiten der Kirche 1911 2000 Simeon hebr. Erhöhung, Zeuge der Darstellung Jesu im Tempel 193,418,420,423,980 Simon Petrus siehe Petrus Simonis, Adrianus J.; Kardinal Erzbischof von Utrecht 520,1334 Sin; Kardinal 1818 Siri, Giuseppe; Kardinal 1001,1014 Sixtus V.; Papst (1585-1590) 1657,1664 Slipyj, Josyf; Kardinal {1892-1984) Titularbischof von Serra, Metropolit der Ukrainer von Lwow, Halyc und Kamieniec 1535 Smith, Patrick Apostolischer Vikar 479 Solano, Francisco OFM, hl. (1549-1610) Missionar bei den Indianern, „Wundertäter der Neuen Welt“ 406 Sorgon, Sergio; Pater Karmelitenmissionar 22 Spaak, Paul-Henri 732 Spaemann, Robert; Professor 1287 Spanedda, Francesco; Erzbischof 1024 Spital, Hermann Josef Bischof von Trier 91 Stefan, hl. 897 Stein, Edith 526 Stickler, Alfons OSB; Erzbischof Pro-Bibliothekar und Pro-Archivar der Heiligen Römischen Kirche 1334,1412 Stuart, Mackenzie; Lord 575 Stylianos, Harkianakis orth. Erzbischof von Australien 1652 Suarez; Pater 317 Suarez, Federico Gonzalez; Erzbischof 339 Suenens, Leo Jozef; Kardinal Erzbischof von Mechelen-Brüssel 626, 664 Sviatopluk Fürst von Mähren 1134,1138 Swatopluk Fürst von Großmähren 1370 Symmachus, hl. 1024 Szeptyckyi, Graf Andreas (Andrei) Unierter Metropolit von Lwow (Lemberg) (1900-1944) 1535 Tauren, Jean-Louis; Msgr. 1911 Terletzkyj, Kyrillus Bischof von Luck, Exarch des Patriarchen von Konstantinopel 1533 ter Schure, Johannes Gerardus Weihbischof in Roermond 489 Tertullian 214 Theresia, hl. 367 Theresia von Jesus (Karolina Gerhardinger), Schwester Maria, sei. Gründerin der Armen Schulschwestern Unserer Lieben Frau 1637-1640,1642 Thiandoum, Hyacinthe; Kardinal 814 Thomas, hl. 66,164,312 Stojan, Anton; Bischof (ve.rst.) 1445 Thomas Jünger Jesu 1274 2001 Thomas vonAquin, hl. (um 1225-1274) bedeutendster Theologe und Philosoph des Hochmittelalters 58,163,166,1091,1714, 1741 Thomas von Kempen 102, 526, 548 Timotheus Schüler des Apostels Paulus 692, 839, 1022,1264,1569 Titian, KL 766 Tobias 204 Tobit 864f., 867 Tolba, Mostafa K., Dr. Direktor des UNO-Umweltprogramms 941 Tomasek, Frantisek; Kardinal Erzbischof von Prag 71,135,1131 Tomko, Jozef; Kardinal Pro-Präfekt der Kongregation für die Glaubensverbreitung 1303,1334,1562 Tonye, Simon; Erzbischof 862 Torre, Carlos Maria de la; Kardinal 339 Torrinoni, Biagio V.; Bischof 1147 Trajan Kaiser 1133 Tricarico, Alberto; Msgr. 1911 Trinh-van-Can, Joseph-Marie; Kardinal Vorsitzender der Bischofskonferenz von Vietnam 1672 Troiani, Maria Caterina Gründerin des Instituts der Franziskanerin-nen vom Unbefleckten Herzen Mariens 74, 1273 f., 1277 f. Tschernenko, Konstantin 1130 Tumi, Christian Wiygham Erzbischof von Garoua 835, 879 Turibius von Mogrovejo, hl. 405-407,409, 423,425 Tzadua, Paulus; Kardinal Erzbischof von Addis Abeba 1334 Uylenbroeck, Marcel; Msgr. 664 Vachon, Luigi Albert; Kardinal Erzbischof von Quebec 1334 Vagliani, Pier Luigi 1167 Valente, Dt. Giorgio Ko-Präsident der ital. Vereinigung für multiple Sklerose 1271 Van Eyck Maler 102 Vangheluwe, Roger; Bischof 643 Vaughn, John; Pater Generalminister der Franziskaner 1420 Vazques, Honorato 382 Vega, Rafael Laso de la; Bischof 308 Venanzi, Enrico 1846 Vera, Jacinto erster Bischof von Montevideo 1836 Verbist, Theophile; Pater 665 Verdzekov; Erzbischof 845 Vidal, Ricardo; Kardinal Erzbischof von Cebu 1334,1811,1817 Vieira; Pater 377 Vilela, Brandao; Kardinal 1774 Villeda, Ana Cecilia 205 2002 Vinzenz von Paul, hl. (1581-1660) Organisator der Caritas in Frankreich; stiftete 1625 die Kongregation der Lazaristen 1413-1416 Vitoria; Pater 377 Vonderach, Johannes; Bischof 970 Vrana, Josef; Bischof 1131 Waldemar Fürst 1534 Ward, Barbara (gest. 1981) 1905 Ward, Mary 1536,1538f. Weber, Johann Bischof von Graz-Seckau 95,142 Wenzeslaus, hl. 1385 Wetter, Friedrich; Kardinal Erzbischof von München und Freising 1334 Wilhelmina Königin der Niederlande 533 Willebrands, Johannes; Kardinal Präsident des Sekretariats für die Einheit der Christen 484,1076,1292,1683,1899 Willibrord, hl. 102,106,486,520,550, 563, 565, 594, 610f. Wittmann; Bischof 1639 Wladimir, hl. (um 960-1051) Großfürst von Kiew 1386,1533 Wojtyla, Karol (jetzt: Papst Johannes Paul II.) 1910 Yago, Bernhard; Kardinal 814 Yerovi, Fray Jose Maria 339 Zacchi, Cesare; Erzbischof Präsident der Päpstl. Diplomatenakademie 1313 Zacharias hebr. Jahwe hat sich erinnert; Vater Johannes’ des Täufers 895, 897 Zak, Franz; Bischof 147 Zebedäus 1028 Zefanja; Prophet 93 Zia-ul-Haq, Mohammad; General pakistanischer Staatspräsident 1808 Zoa, Jean Erzbischof von Yaounde 827,879 Zoungrana, Paul; Kardinal Erzbischof von Ouagadougou 814 2003 Länder- und Ortsregister Abancay 419 Abidjan (Elfenbeinküste) 170,173, 810f., 814f. Addis Abeba 1334 Ägypten 201,219,267,702,934,1233,1239, 1277,1341,1791,1891 Äquator 896 Äquatorialguinea 858 Äthiopien 13,651, 934, 941,1108 Afghanistan 1067 Afrika 13,23,149,154,167,169 f., 172 f., 175,487,509,580, 656, 787, 796,804,807, 809, 811f., 828,831,833, 839,843 f., 847, 852, 855-860,875 f„ 879, 884,900 f., 911, 924,926,928 f., 932 f., 943,946, 948, 963, 1014,1058,1065,1129,1305,1501,1640 Agua Santa de Banos 381 Aguarico 284 Albanien 1911 Albano 1494 Alborada 31 Ales 1024 Alexandria 1626 Algerien 159 Alghero 1027 Algier 159 Amazonien 474,476 Ambato Diözese 284 Amerika 159,282 f., 286,314,424,451,509, 656,1476,1479,1504,1640,1797 Amersfoort 104, 555, 562 Ampurias 1027 Amsterdam 569,1929 Angamarca 377 Angola Staat in Westafrika 13,181,218,934 Angostura 324 Antillen mittelamerikanische Inselgruppe 301,479 Antiochia 1084 Antiochien 971,1237,1438,1448,1452 Antwerpen 564, 626, 634,677,695,711,737, 760 Aparecida (Brasilien) 143,1469 Apulien südöstl. Teil der Apenninhalbinsel/Italien 1409 Apurimac 430 Arequipa (Peru) 32,34,285,418-423 Argentinien 1060,1297 Armero 250 2005 Asien 656,1059,1242,1305,1341,1375, 1640,1651,1823 Asolo 773 f. Assisi 1249,1421 f., 1522 Atahualpa 346 Atakpame Diözese 789,797f. Athen 151f., 185,719 Atri 1453 f. Augsburg 106,166 Auschwitz 957,989 Australien 1533,1652 Avezzano 60,1146 f. Ayabaca 456 Ayacucho (Peru) 32, 34,285,419,437,440 f. Ayaviri 419 Azogues Diözese 284 Azoren 1739 Azpeitie (Guipuzcao) 1541 Baba 389 Babel nach dem AT Ort der Sprachenverwirrung 1431 Baßa 827 Bafoussam 862 Bafwabaka 896 Bage Diözese 1739 Bahia 1779 Bamenda (Kamerun) 170, 824, 841, 883 Bandundu 896 Bangalore Erzdiözese in Indien 1333 Bangui (Zentralafrikanische Republik) 170, 885 Banneux 751-753,760 Barcelona 287,1167,1465 Bari Hauptstadt Apuliens/Süditalien 1387,1924 Barinas 288 Barquisimeto 287 Basel 209,1928 Bayern 42 Beauraing (Belgien) 672,674,676,680,760 Beirut Hauptstadt von Libanon 14, 85,174,1130, 1317 Belem 1744 Belem-Marituba 1745 Belgien 69, 95,101,103-106,484,551,576, 587, 611,621-623,625-627,629-632,652, 655-659,663, 665, 670, 674, 676 f., 679, 698,701 f., 715 f., 745,752,759f„ 873,934, 1319 Belgisch-Kongo 665 Belgrad 160,1163,1442 2006 Belluno 766 Benelux-Länder 103,573 Benin (vor 1975 Dahomey) Staat in Westafrika 789,797 Berg ein Dal 222 Berlin Al Bern 1163 Bertoua 827 Bedehem nach dem Evangelium Geburtsstadt Jesu 3,5,8,14, 35,161,274 f., 296,299, 391, 394,418,430 f„ 470, 974,1049,1053 f., 1059,1421,1676,1718,1720-1724,1729 Bierset Flughafen in B elgien 759 Bikol 1824 Bilbao 1541 Birma 1733-1735,1737 Bithynien 1132,1368,1651 Bkerke 1085 Blaubeuren 166 Böhmen 1385 Bogota Hauptstadt von Kolumbien 1636,1797 f. Bologna 746,1334,1928 Bolsena 1334,1495 Bonaria 1032 Bosa 1027 Boston 1334 Botswana 934 Brasilia 1759 Brasilien 143,468, 934,1428,1470,1738 f., 1744,1746 f., 1749f., 1752f., 1757,1759, 1762-1764,1766 f„ 1770,1773 f„ 1848 Breda Diözese in den Niederlanden, Suffragan von Utrecht 487 Brenta 785 Breslau 1334 Brixen 822 Brügge 626, 643, 695 Brüssel 104, 625, 628-631, 634, 659, 690, 698,719,727,760 Brüssel-Mecheln 695 Bucaramanga Erzdiözese 1793 Budapest 1926f. Buea 841 Buenos Aires 223 Bulgarien 1315 f., 1378 Bundesrepublik Deutschland (vgl. Deutschland) 23,1339,1887 Burano 785 Burgos 456,1541 Burkina Faso 934 Burundi Republik in Ostafrika 168,934 2007 Byzanz 729,794,1368!., 1372,1383,1565 Cabimas Diözese 301 Cäsarea Philippi (Cäsarea) Ort an den östlichen Jordanquellen, nach Mk und Mt Ort des Messiasbekenntnisses Petri 228,234, 522,1446-1448 Cagliari {Sardinien!Italien) 1031—1035 Cajamarca 419 Calabozo 287 Calkedon 126 Callao 32,419,445 Canimas 287 Canterbury 1437, 1503 Caracas (Venezuela) 29 f., 282,286-289, 294 f., 297, 313,319, 325 Caraveli 419 Caroni 288 Casablanca (Marokko) 172 f., 953,958 Castelfranco 774 Castel Gandolfo Sommerresidenz des Papstes 162,1483, 1491 Caxias do Sul Diözese 1739 Cayma 423 Ceara 1766 Cebu 1334,1817 Chachapoyas 419 Chan Chan 458 Chapi 32,419,423 Characato 423 Cherson 1369 Chile 424,1060,1297 Chimbote 419 China 665, 934,1111 Chincirä 250 Chiquinquirä Marienwallfahrtsort in Kolumbien 300, 307 Chorrera 377 Chota 419 Chulucanas 419 Chuquibamba 419 Chuquibambilla 419 Chur Diözese 209,970,973 Ciclayo 419 Cisne 381 Ciudad Bolivar 287 Cuidad Cuayana (Venezuela) 30, 282,287, 331 Cocharcas 434 Coro Diözese 287-289,301 Coromoto lateinamerikanischer Marienwallfahrtsort 34,283,294,296,298-300,330 2008 Cuba 299 Doclea 1334 Cucuta Diözese 1793 Cuenca (Ekuador) 30 f., 284, 355,382,387, 390 Cumanä 287 Curitiba (Brasilien) 1750 Cuzco 285,419,430,437 Dachau 237,1499,1608,1614f. Dalias (Almena) 1541 Dalmatien 1443 Damaskus z. Z. Davids mächtige Aramäerstadt, Paulus wird auf dem Weg nach D. bekehrt 1080 f., 1448 f. Dapaong Diözese 789,798 Darmstadt-Eberstadt 52 Deir-el-Qamar 1641 Den Bosch 492 Den Haag 104,484, 525, 530,532 f. Deusto (Bilbao) 1541,1543 Deutschland 77,95,102,106,135,166,182, 186,197,209,215,228,534,551, 611,752, 862,934,988,1409,1437,1478,1533, 1539,1906 Devin 1444 Djakovo (Jugoslawien) 135,1563,1568,1715 Djibuti (Dschibuti) Republik in Nordost-Afrika 934 Dominikanische Republik 285,299 Don Insel im Mekong-Fluß 265 Douala (Kamerun) 170, 822, 861, 866 Doume-Abong-Mbang 827 Dublin 1124 Dux 995 Ech-Cheliff (Algerien) 159 Echternach 102,104, 564, 594, 609 f. Eclano 1333 Edea 833 Edmonton Hauptstadt der kanadischen Provinz Alberta, Erzdiözese 1065 Eindhoven 486 Eisenstadt Diözese in Österreich, Burgenland 173 Ekuador Republik in Südamerika 21,27,29-31,34, 283, 299,337-343, 345 f., 348,352, 354-359,363-365,369, 374 f„ 377, 380-382,387-389,392 f., 395 f., 934 El Guasmo (vgl. „Guasmo“) Elendsviertel von Guayaquil (Ekuador) 393 El Salvador mittelamerikanische Republik 205, 301, 441,1054 Elfenbeinküste 169-171, 810f., 814f., 934, 1058 2009 Ellwangen 135 Elsaß 486,587 Emmaus Ort in Judäa 72,1048 England 534,543,1539 Ephesus antike Weltstadt an der Kaystromündung in Kleinasien, 3. ökumen. Konzil, 431 in E. 126,791,793 Erfurt 1928 Esch-sur-Alzette (Luxemburg) 586 Esmeraldas 284 Europa 72,100,135-137,159 {., 299, 508, 531,554,563,572, 574, 576-581, 592,597, 610 f., 629, 639,662,727-730, 732,735 f., 745 f., 760, 793, 849,876, 970, 986,1052, 1058,1061,1064,1101-1104,1111,1139, 1161,1242 f., 1301,1322,1346,1363,1366, 1375 f., 1383,1386-1388,13911,1400, 1428,14411,1445,1452,1484-1486,1512, 1516,1533,1535,1548-1560,15621,1565, 1567-1570,1640,1715,1718,1900-1902, 1911-1913,1918,1926,19281,19331 Fatima Wallfahrtsort in Portugal, Marienerscheinungen jeweils am 13. der Monate Mai bis Oktober 1917 529 Ferentino 1277 Fiemme-Tal 148 Finnland 934,1056,1409,1911 Fiumicino Flughafen von Rom 277 Flandern 564, 642,644, 654 Florenz 2621,1334,1534,1929 2010 Fortaleza 1469,1738,1766 Frankreich 166, 611, 752, 934,1111, 1163, 1409,1533,1545 Freiburg Erzdiözese 118 Fribourg Diözese in der Schweiz 682,749 Friesland 564,1609 Fulda Diözese 99 Gabun 934 Galäpagos 284 Galatien 1651 Galiläa Landschaft zwischen dem oberen Jordantal und dem Mittelmeer 35,301,309,478, 805,809,832, 839, 920 f., 925,1012,1152, 1222,1250,1362,1461,1537,1598,1721 Gallien 1345,1652,1791 Garoua (Kamerun) 169,171,833-835 Geita (Tansania) 1054 Genf 4,249,534, 659,1501,1503,1526, 1572,1903 Gent (Belgien) 626, 651, 695, 760 Genua 198-1006,1009,1012 Germanien 1372, 1791 Ghana Republik in Westafrika 789, 934 Gibraltar 1054 Giustiniana prima 1334 Goiäs 1759 Gorkum 526 Gran Sasso (Isola di Gran Sasso) 130,1454 Graz 82,142,186 Graz-Seckau 52,95 Greccio 1421 Griechenland 151,1372,1549 Groningen 487,520 Großbritannien 934, 1533 Großmähren 1103,1132f„ 1369f., 1372, 1374,1376,1384,1444,1462,1569 Guadalupe (Mexiko) Hauptwallfahrtsort und Nationalheiligtum 198 Gualaquiza 390 Guam 1542 Guanare 287,298 Guaranda Diözese 284 „Guasmo“ Elendsviertel in Guayaquil (Ekuador) 31, 34,393 f. Guatemala Republik in Mittelamerika 1421 Guayana 289 Guayaquil Erzdiözese 30 f., 283 f., 354 f., 388-390, 393 f. Guayco 381 Guinea Republik Äquatorial-Guinea in Westafrika 934 Guipuzcao 1541 Gurk-Klagenfurt Diözese in Kämten/Österreich, Suffragan von Salzburg 73 Haarlem 487,520 Hamburg 99 Hanoi 1673 Hasselt 626,695 f., 737 Hatting 176 Heiliges Land 487 Helsinki Hauptstadt von Finnland 159 f., 736, 1061f., 1533,1551,1901f., 1911f., 1916, 1918,1926,1930,1932 s’Hertogenbosch 222,487f., 493 Hiroshima - (Nagasaki) über diese Städte wurden die ersten beiden Atombomben abgeworfen 160,162,948, 989,1483,1487 f. Ho-chi-Minh-Stadt (früher Saigon) 1673 Holland 95 Honduras Republik in Mittelamerika 301 Huacho 419 Huamachuco 419 Huamaga 445 2011 Huamantanga 456 Istanbul 260,1503 Huanca 434,456 Italien 154,182,927, 934,1000 f., 1008, 1020,1029,1111,1161,1228,1248-1250, Huancavelica 419 1252-1254,1256,1258 f., 1261, 1357-1359,1369,1372,1397,1400,1409, Huancayo 419 1456,1488,1491,1521-1524,1678,1918, 1924 Huänuco 419 Huaraz 419 Jaen 419,469 Huari 419 Jamaa Takatifu 896,915 Hue 1673 Japan 934 Ibarra Diözese 284 Jericho 1596 Jerusalem Hauptstadt Israels, Mittelpunkt des jüdischen Iberische Halbinsel 1791 Volkes 235,237,385,418,423 f., 480 f., 582,596,651,675 f., 810,813, 897, 928 f., Ica 419 980,1023,1053 f„ 1080,1225,1269,1337, 1339,1343,1348,1402,1448,1494,1676, Iglesias (Sardinien) 1016 1695,1699,1791 Indien 665, 934,1014,1780 Jesolo 785 Indochina 1111 Jezzine (Libanon) 129,137,1317 Indonesien 934 Judäa Wohnsitz der Juden nach der babylonischen Ingapirca 377 Gefangenschaft (um Jerusalem), schließlich das Reich Herodes des Gr. 237,505,596, Innsbruck 176 809,1053,1341,1695 Ipil 41 Jugoslawien 135,1441-1443,1563,1568, 1715 Iquitos (Peru) 32,285,419,469 Irak 54,934,1067 Kärnten 118 Iran 54, 934,1067 Kairo 1211 Irland 564,934,1124,1126 Kalifornien 1421 Island 934 Kambodscha 1067 Israel 214,594,1093 Kamerun 169-171, 816f., 819,821-823, 826 f., 829-835,839,841, 843, 845, 2012 846-848,850, 852 f., 855, 858,861 £., 865 f., 868-870,873,875, 878 f., 883 f., 911,934 Kampanien 1409 Kana (Galiläa) 806,920-922, 925,1222, 1333 Kanada 135,159, 934,1463,1562,1911, 1928,1933 f. Kappadozien antike Landschaftsbezeichnung für das östliche Kleinasien 1341,1651 Kara (Togo) 169,797 Karatschi 1809-1811 Karolineninseln 534 Kasai 896 Kempen 564 Kenia (Kenya) Republik in Ostafrika 149,162,168-171, 612, 911,920,924-927, 933, 935,941,949, 95 lf. Kerala 1780 f. Kerkrade 222 Kiew 217,1386,1533 f., 1550 Kinshasa (Zaire) 154,169 f., 895 f., 900, 902, 908, 914 Kivu 896 Kleinasien 1372 Klosterneuburg (Stift) 1301 Koekelberg (Brüssel) 690,698 Köln Erzdiözese 99, 202,1928 Kolumbien 250,301, 934,1163,1783 f., 1787 f., 1797 Kongo 822 Kongo/Angola 1054 Konstantinopel 50,126,128,132,214, 217, 231,240,244,255,260,1056,1103,1368, 1371,1376-1379,1383,1386,1389,1437f., 1449,1451 f., 1533,1565,1568,1570,1651, 1684,1972 Kopenhagen 1903,1910,1928 Korea 43, 934,1059,1305,1802,1804f„ 1807 Korinth griechische Hafenstadt, Paulus schrieb zwei Briefe an die Gemeinde 202,394,490, 793, 1452,1676 Kortrijk 737 Koylloriti (Koilloriti) 434, 456 Krakau 737,746,1054,1116,1384,1928 Krastowitz (Österreich) 264 Krim 1132 f., 1369 Kroatien (Jugoslawien) 1384 f., 1442 f., 1517 Kumbo Diözese 842 La Dorada-Guaduas Diözese 1793 La Guiara 287 LaPaz 381 Laeken 104,677,699 Laibach 1442 2013 Laos 265 Las Lajas 381 Latacunga (Ekuador) Diözese 31,283 f., 375, 381 Lateinamerika 27,29,223,281,285,294 f., 316,319,322,325,330 f., 337,363,370, 373,377,380, 395,405,407,409,434,460, 469,1014,1058,1090,1305,1640, 1675-1677,1762,1772,1848 Latium Region in Mittelitalien 1409 Lausanne Diözese 1404 Lemberg (Westukraine) 1334,1532 Lero 1333 Lesotho (früher brit. Protektorat Basutoland) Königreich im südlichen Afrika 934 Letzeburg 572 Libanon 54, 85,129 f., 137,174, 248,540, 934,1066,1084-1086,1130,1163-1166, 1237f„ 1316-1318,1406-1408,1640 f., 1687 Liberia 934 Libyen 1341,1791 Lido 785 Liechtenstein 197,969-971,973, 977,979, 982-988, 994-998 Lier 69 Lima (Peru) 32 f., 397, 404, 406 f., 410,419, 423-425,429,464 Lima-Callao 285 Limburg (Belgien) 69 Linz 52 Litauen 934 Löwen 104,664,737f., 742 f., 745-747,751, 760, 873,1928 Loja 284 Lome (Togo) Diözese 170f„ 580,735,788 f., 797f. London 1929 Loreto Marienheiligtum in Italien 714,1029,1248, 1261,1357-1359,1397,1454,1456,1491, 1523,1538,1924 Lorium 1334 Los Angeles 1497 Los Rios 284,355 Los Teques 287 Lothringen 587 Lourdes Marienwallfahrtsort in Südfrankreich, Marienerscheinungen 1858 in der Grotte von Massabielle 807,1098-1100 Louvain-la-Neuve 738, 744f., 750f., 873 Loyola 1541 Luanda 218 Lublin 737 Lubumbashi 170 Luck 1533 Lüttich 104,594,626,637,677, 695,707, 712,760 2014 Luren 456 Mali 934 Luxemburg 95,101 f., 104-106,484,564, 571-575,581-583,585-587,589,593 f., 596f., 600, 602,604,609, 617-619,752, 758,1319 Luzon 1818,1824 Lyon 260,788,797,1334,1652 Maastricht 102,484, 550 Macas 381 Machala 284 Machiques Diözese 288,301 Machreq 965 Madagaskar 22,843 Madre de Dios 469 Madrid (Spanien) 160, 1333,1541-1543, 1901f., 1914,1916,1917,1928 Mähren (Morava) Landesteil der Tschechoslowakei 1052, 1132,1135,1138,1385,1444,1564,1568 Magangue Diözese 1793 Magdeburg 1545 Maghreb 965 Mailand (Milano) Erzdiözese 1845 Mainz Diözese 1887 Malawi 934, 941 Malaysia 1428 Malta Insel und Staat im Mittelmeer 934 Managua Erzdiözese in Nicaragua 1333 Manaus 1744 f., 1750 Mandalay 1734 Manizales Erzdiözese 1793 Manta 377 Mantua 774, 776, 781 Maracaibo (Venezuela) 30,282, 287, 300 f., 303, 305 Maracay 288 Maranhao 1766 Marburg-Lavant Diözese 1442 Margarita 287 Marghera 785 Marokko 172, 953-958,963, 966,1815 Maroua 881 Maroua-Mokolo 835 Massabielle Marienerscheinungsort in der Grotte von M. in Lourdes, Diözese Tarbes 1098 Mato Grosso 1759 Maturin 287 Mauritius 934 2015 Maymyo 1734 Mazedonien 1372 Mbalo 827 Mbanza (Kongo/Angola) 1054 Mecheln 102 f., 658,663, 760 Mecheln-Brüssel 626, 658 Medellin Stadt in Kolumbien 341,415,453,460, 1784,1836 Mendez 284 Merida (Venezuela) 30, 282, 287,289,307f. Mesopotamien 1341 Mestre 785 Metten 148 lf. Mexico City 1903,1927 Mexiko 198,321, 934,1421,1542,1927 Milagros 456 Mindanao 1812 Mittelamerika 223 Mitteleuropa 1369 Mogrovejo 409,423 Molokai 665 Mons 745 Montalban 294 Monteponi bei Iglesias (Sardinien) 1016 Montevideo Hauptstadt von Uruguay 1298,1836 Montreal 682 Moskau 1386,1929 Moyobamba 419,469 Mozambique Volksrepublik in Südost-Afrika 13, 934 München und Freising Erzdiözese 186,203,1287,1334 Münster Diözese 52,68, 216 Mürano 785 Nagasaki 162,948, 989,1483,1487 f. Nairobi (Kenia) 149,154,162,168 f., 171-173,612,796, 804, 827,838,858, 868, 893,920, 924, 927, 929, 933, 935, 941 f., 949, 951,1903 Namibia (Südwest-Afrika) 856 Namur 104,626, 681, 695,745,760 Napo 284 Nazaretin Galiläa nach dem Evangelium Wohnort der Eltern Jesu 3,21, 35,78, 89,107,113,130,142, 160f., 175,189,194,23lf., 234, 264,275 f., 296,299, 301,305,310,318, 335, 350, 383-387,411,420,436,459,460,478,505, 527, 555,581,594, 633, 773, 807, 837, 921, 927, 930, 933, 965, 990,1019,1080,1112, 1147f., 1151f., 1159,1178,1187,1213, 1216,1225 f., 1228,1230 f., 1235,1273, 1349,1430,1446 f., 1541,1670,1691,1713, 1722,1733,1750,1802 Neapel 1846 Nemi 99 Neu-Louvain 760 2016 Nevers 1099 Nube 381 New York 534,1334,1572 Ngaoundere 835 Nicäa (vgl. Nizäa, Nikaia), Konzil von 325 240 Nicaragua Staat in Mittelamerika 301,424 Niederlande 69,101-106, 222,420,483 f., 486 f., 489,493 f., 504, 508,513,524 f., 530-532,540,548,551 f., 555 f., 563, 568-570, 587, 664,752,758, 934, 949, 1319,1437,1608,1611f. Niederösterreich 1301,1412 f. Niederrhein 216 Nigeria 835,934,1409 Nijmegen 1609 Nikaia (vgl. Nicäa, Nizäa), Konzil von 325 50 Ninive 302 Nitra 1370,1444 Nizäa (vgl. Nikaia, Nicäa), Konzil von 325 132, 214,231,244,255 Nkongsamba 862 Nordamerika 1059,1362,1533,1640 Nordbrabant 486 Nordeuropa 696 Nordfrankreich 644 Nordhumbrien 563 Oberzaire 896 Ocaha Diözese 1793 Ochrida 1386 Österreich 77, 90, 95,106,182,186,197, 209,215,228,264,664,988,1301,1339, 1409,1412,1539,1596 Okzident 1571 Olmütz (Mähren/Tschechoslowakei) 1131, 1445 Onda 1604 Ondjiva Diözese in Angola 181 Onitsha 1333 Orellana 475 Orient 1571, 1791 Oristano (Sardinien) Diözese 1022,1024,1026 Ostafrika 940 f. Ostflandern 651 Ostia 1362 Ottawa Erzdiözese 160,1899-1901,1914-1916 Ouagadougou (Wagadugu) Hauptstadt von Obervolta 496 f. Ouidah Stadt in Benin (Westafrika) 797 f. Oxford 1928 2017 Ozeanien 656,1059,1505,1640 Ozieri 1027 421-423,425 f„ 428-432,436 f„ 441,443 f., 448-458,464,466,469 f., 473 f., 476 Pachusala 377 Philippinen 41,934,1303,1542,1812, 1814-1816,1819-1822,1824-1827,1830 Paderborn Erzdiözese 47, 59, 202, 216 Phrygien Landschaft im inneren Kleinasien 1341 Padua 773 Piaui 1766 Paita 457 Pisa 1846 Pakistan 934,1807 f., 1810 f. Piura (Peru) 32,285,419,449,451 Palästina 175,276,1893 Palmira Polen 673,764, 817, 934,1367,1385,1550, 1563 Diözese 1793 Pompei (Pompeji) 1924 Pamphylien antiker Name der südanatolischen Küstenebene 1341 Pontus (Pontos) Küstenlandschaft am Südufer des Schwarzen Meeres 1341,1651 Pannonien 1133,1370,1372,1385,1444, 1564 Popayan 1797 Papua-Neuguinea (Ozeanien) 1059 Port of Spain (Trinidad und Tobago) All, 479 Paraiba 1779 Port-au-Prince Hauptstadt Haitis 1163 Parana 1750 Porto 1054,1333 Paris 534,739,746,1163,1501,1513,1572, 1903,1928 Porto Alegre 1738 f. Passau Diözese 186 Portoviejo Diözese 284 Pasto 1788 Portugal 934 Paucartambo 32,437 Prag 1928 Pelotas 1739 Precausa 1334 Pernambuco 1779 Pucallpa 419,469 Peru 21,27,29, 31f., 34,285, 397f., 401, 404,406,408 f., 411 f., 415,417-419, Pueblo (Mexiko) 303,338, 341, 349,371, 377, 379,405,408,415,453,460,1746, 1760,1763,1772,1794,1836 2018 Puebla de Los Angeles 1791,1799 Riocomba 388 Puerto Ayacucho 288 Puerto Maldonado 419 Puno 419,430 Puyo 284 Quebec Stadt und Provinz in Kanada, Erzdiözese 469,1334 Quinche 381 Quito (Ekuador) 30,283,337,339, 341, 343, 346, 352 f„ 355, 358 f., 365,369 f. Rabat 172,954 Rätien 973 Rancagua (Chile) 1054 Rangun 1734 Rathmelsigi (Mellifont) Kloster in Irland 564 Recife 1774 Regensburg Diözese 186,1385 Reichenau 135 Requena 419 Riano 1526 Riese 770-775,781 Rijswijk 222 Rimedio 1025 Riobamba 390 Rio de Janeiro 1847 Rio de la Plata 424 Rio Grande do Sul 1739 Ripon (Abtei) 563 Riviera von Brenta 785 Rocio 381 Roermond niederländisches Bistum in der Provinz Limburg, Suffragan von Utrecht 222,487, 550, 555 Rolduc 551 Rom 16,27-29,39,43,47,68, 85,135 f., 142 f., 146 f., 173,182,209,217,222,234, 260,283,290,294,298, 308,323, 352,382, 388,399,405,419,424,485-487,489,520, 534,547f., 565, 569, 570,582,592,594, 600, 610,618,622 f., 626 f., 630 f., 633, 659 f., 663 f., 668,673,689,698,721,727, 729,761,766,779 f., 782,793,796, 800, 811, 815, 832 f., 848, 870, 879, 881, 900, 918,932, 938, 958 f., 971,1032,1052,1054, 1056,1072,1079 f., 1097,1102 f., 1105, 1114-1119,1127,1131,1133 f., 1138,1147, 1161,1173,1176,1221f., 1225,1228 f., 1240,1245,1250,1262,1264 f., 1278,1281, 1286,1289,1293 f., 1307,1312,1318 f., 1330,1337f., 1346,1362,1367,1369-1372, 1374,1376-1379,1383,1385 f., 1388 f., 1392,1394,1401,1403-1405,1412,1422, 1429,1432,1434,1437f., 1440,1447-1452, 1461,1466,1479,1481,1503 f., 1512f., 1519,1522,1532-1534,1536-1538, 1545 f., 1549,1563-1566,1568,1570,1572, 1584,1590,1592,1595,1597,1604,1612, 1614,1624,1651,1653 f., 1657f., 1663, 1674,1678,1683,1686,1690,1699-1702, 1711,1713-1715, 1717, 1723-1728,1744, 1758,1787,1798,1831,1847,1854,1859, 1885,1903,1917f., 1935 2019 Romagna 1637f. Sambia 934,941 Rosenheim (Bayern) 42 Samoa 934 Rotterdam 487,520 San Carlos de Venezuela 288 Ruanda 934 San Cristöbal de Venezuela 288 Rumänien 1386 San Erasmo 785 Rußland 1924 San Felipe 287 Saarland 587 San Fernando de Apire 287 Sacsayhuamän 432 San Francisco 1572 Sady 1462 San Francisco de Quito 33 7,353 f. Sahelzone 858,1108 Saigon (jetzt Ho-chi-Minh-Stadt) 1673 San Girolamo Abtei in Urbe 1653 Saint-Denis 701 San Jose del Amazonas 419 Saint-Quentin 862 San Jose des Amazonas 469 Salamanca (Spanien) 746,1928 San Miguel de Piura 450 Sa/emo 100,1344 f., 1348 f. San Miguel de Sucumbios 284 Salomon-Inseln 1059 San Ramön 419,469 Salonoki (antik Thessalonich) 135 f., 217, Sangmelima 827 1132,1366-1368,1377 f., 1383,1385 f., 1389 f., 1444,1462,1464,1563,1567-1569, Sankt Gallen (s. St. Gallen) 209 1712,1715 Santa Ana (El Salvador) 1054 Salvador 1774,1776 Santa Ana de Coro 288 Salzano 774,776,781 Santa Ana de los Rinos de Cuenca 382 Salzburg Erzdiözese 73,119,1385,1481 Santa Catarina 1750 Samarien Santa Cruz Diözese 1739 zentralpalästinensische Landschaft zwischen Judäa und Galiläa, dem Jordan und der Santa Giusta 1024 Saron-Ebene, Hauptstadt des israelitischen Nordreiches 237,596,1695 Santa Maria 1739 2020 Santa Rufina 1054,1333 Sizilien 1409 Santiago de Chile 1333 Santiago de Compostela 736 Santo Domingo Dominikanische Republik, Erzdiözese 320, 451,1058 Säo Pedro 1739 Sardinien 222-224,1015-1017,1020-1022, 1026,1030-1032,1034 f., 1409 Sassari (Sardinien) 1026 f., 1030 f. Scheveningen 1613 Schweiz 77, 95,106,182,186,197,209,215, 228,749, 934,988,1313,1439,1481 Senegal 934 Seoul (Korea) 1803 Seppenrade 216 Serbien 1443 Seychellen 934,941 Shaba 896 Sicuani 419 Sidon (heute Saida) alte Hafenstadt Phönikiens 85 Siena 1249 Sierra Leone 934 Sirmium (Sirmien/Srem) in Kroatien/Jugoslawien 1370,1564 Sitten Diözese 209 Slowakei 1385,1444 Slowenien 1442 f. Socorro y San Gil Diözese 1793 Sokode Diözese 789,797 f. Solothurn 209 Sowjetunion 4,249,1060 Spanien 377,934,963,1111,1333,1426, 1540 Sri Lanka 14,934 St. Pölten 147 Stava Tourismuszentrum im Fiemme-Tal 149 Stockholm (Schweden) 942, 1913 Straßburg 581 Subiaco 1513 Sudan 934,941 Südafrika 167,832,934 Südamerika 33, 324, 362,408,424,487, 1533,1795 Südostasien 1823 Südpolen 1385 Swasiland 934 Sychar (Sichar) samaritanische Stadt in der Nähe der Jakobsbrunnen 188 Syrien 1598 2021 Tacna 419 Tahiti 1059 Taiwan 1831f., 1835 Tanger (Marokko) 172, 954 Tansania 934, 941,1054 Tarma 419 Tarsus türkische Stadt, Geburtsort des Apostels Paulus 151 f., 1080,1448,1450 Telespazio (Piana del Fucino) 1152,1161 Temblores 434,456 Tempio 1027 Tene 1334 Teramo 130 f., 1453 f. Teresina 1766 Terralba 1024 Thailand 503,1059 Tharros 1024 ‘ Thessalonich (Thessalonike, jetzt Saloniki) ; 135,1366,1568 Thyne 650 Tibu 1793 Tirol 1301 f. Tobago 477-481 Togo Republik in Westafrika 169-172, 788-790,794,796-798,805-807, 809 Togoville (Togo) 172, 805 Toledo 255,261 Tolita 377 Tombolo 774,781 Tongeren 663,696 Torcello 785 Toronto 135,1463,1538 Toskana Region in Mittelitalien 1409 Tournai 626, 663, 695 f. Treviso (Italien) 119,775,778, 781 Trient Konzil von T. tagte 1545-47,1551/52 und 1562-64, legte die kath. Lehre in den Hauptpunkten fest und stärkte das Papsttum 132,229,240,1358,1896 Trier Diözese 73, 91,594 Triest 1417 Trinidad 33,477-481 Trinidad- Tobago Republik in Südmerika 21,27,29,33 f. Troas 1372 Trujillo (Peru) 32,285,288,419,458 Tschad 834 f., 858 Tschechoslowakei 71f., 135,1131f., 1135, 1139,1444-1446,1563,1568 Tschenstochau Marienwallfahrtsort in Polen 31,764, 957 2022 Tucupita 288 Türkei 1163 Tulcän Diözese 284 Uganda 168,170,275,897,934, 941 Uherske Hradiste 1462 Ukraine 1534 Umbrien Region in Mittelitalien 1409 Ungarn 1385,1444,1550,1926 Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken 1130 Unionville 1463 Unterzaire 896 Uppsala .1928 Urbe 1653 Uruguay Republik in Südamerika 1836 f., 1841 f. Uruguayana 1739 Usula 1334 Utrecht 102-104,484,486,499,503 f., 508, 513, 520, 541, 547,549,564,1334,1437 Vaduz 984 Valdivia 377 Valencia 288 f. Valledupar Diözese 1793 Vancouver (Kanada) 945 Vatikan 41,269,1077,1086,1139,1164, 1173,1184,1239,1283,1297,1302,1307, 1313,1318,1321,1331,1355,1396,1400, 1412,1429,1443,1446,1458,1476,1480, 1482,1487,1503,1519,1521,1578,1653, 1665,1675,1802 Vatikanstaat 1711,1924 Velehrad (CSSR, vgl. Welehrad) 71,135,1104, 1131,1133,1444-1446,1463,1563 f„ 1568, 1715 Venedig 120,766,774,780 f., 784,1370, 1381 Venetien 763,764 Veneto 764,1409 Venezuela 21,27, 29 f., 34,282,286-289, 291-295,298 f., 300-303,306-309,311, 313-320,322-325,330 f., 334, 336,1106 Vereinigte Staaten 4, 249,487,768, 934, 1059 f., 1124,1307,1409,1437 1476, 1478 f., 1497,1503,1562,1911,1928, 1933 f. Verna 1421 Verona (Italien) 927,1846 Vidigal Favela 1748,1763 Vietnam 1672-1675 Villavicencio 1797 Visayas 1812 Vittorio Veneto Stadt in der italienischen Provinz Treviso, Diözese 764 f. Voerendaal 489 2023 Wals 119 Wamba 896 Wankalai (Sri Lanka) 14 Washington 1929 Welehrad (vgl. Velehrad/Mähren) 1052,1367,1389 Westdeutschland (vgl. Bundesrepublik Deutschland) 210 Westeuropa 659,662,1552 Westflandern 644 Westukraine 1535 Wien Erzdiözese 277,1572,1724,1902 f., 1928 Wilna (Wilno, Vilnius) 1928 Wolodomyr 1533 Woluwe 745 Würzburg Diözese 83,216 Yagoua 835 Yaounde (Kamerun) 169,171, 816 £., 822, 826 f., 831 f., 843, 848, 850, 852, 869 f., 879, 883,1501 Yauyos 419 Ypern 104, 643 f., 760 Yurimaguas 419,469 Zadar 1443 Zaire (vorher Demokratische Republik Kongo) Republik in Zentralafrika 154 f., 169-171, 173, 895 f„ 900-902, 904f., 907f., 913-915, 919, 934,1409 Zamboanga 41 Zamora 284 Zeeland 564 Zentralafrika 887 f., 891 Zentralafrikanische Republik 169-171, 885, 893 Zentralamerika 1412 Zimbabwe 934 Zipaquir Diözese 1793 Zulia 300 f. Zyrene (Cyrene, Kyrene) 1341 2024 Zitierte Bibelstellen Seite Seite Buch Genesis 20,2-3 201 1 1155 20,8-11 1157 1,1 1239 20,12 1207 1,2 245 24,3 1457 1,3 194 24,3.7 1401 1,26 177,199,332,1599 24,7-8 1402 1,26-27 36,843 24,8 93,1455 1,27 333,559,1226 33,11 61 1,27-28 921 33,18-20 178 1,28 331,333,588, 844, 942, 1154 Buch Levitikus 1,31 842,1197 19,2 271,273 2 1155 19,18 272 2,1-3 1157 20,8 271 2,2-3 333 26,12 200 2,7 36 2,9 200 Buch Numeri 2,15-17 200 6,24-26 1051 2,16 272 11,17 428 2,24 1207 11,25 1513 3,5 1227 3,15 67,1691 Buch Deuteronomium 3,18-19 1154 4,12 266 3,19 36,1020,1209 4,24 267 8,8 22 4,39-40 201 9,1-17 200 5,16 1207 12,lf. 1372 6,4 201,1284 12,2 67 6,5 272 15,8 93 30,19 598 17,1-14 200 30,19-20 613 17,5 1147 32,3-4 190 18,14 194 28,17 488 Buch Rut 3,1-14 157 2,4 434 2,8; 14 431 Buch Exodus 3,2 124,157,266,267 2. Buch Samuel 3,4-6 157 7,14 219 3,5 199,267 3,7-8 702 Buch Tobit 3,12-14 157 5,9 865 3,14 158,233,267 12,6-7 422 4,22-23 219 12,8 1010 19-20 267 12,8-9 422 20,1-20 272 13,4 1897 Seite Buch Judit 3 81,1435 Buch Ester 4,17b 194 Buch Ijob 1,21 190 2,9-10 190 11,7-8 178 40,4 131 Die Psalmen 2,7 219 8,2 165f. 8,5-6 843 8,6 844 18,1 253 18/19,2-3 155 18,2-3 273 18,29ff. 274 19,1 158 19,2 309, 1461 19,3 309 19,4-5 310 19,5 1351 19,6-7 310 21,28-29 93 22,2 447 23,1 355, 773 23,1-5 800 23,5 773 23,6 357 24,1 1603 24,3 1602 25,4f. 300, 303 25,5 305 25,6-7 305 25,6.8.9 305 25,7f. 305 25,8-9 306 27,10 220f. 31,15-16 1808 33,4 1449 33,4-6 214 33,9 195, 197 33,20.22 1027 33,22 Seite 1395 34,1-9 393 40,8f. 21 42,2-3 132 43,4 (Vulgata) 1183 51,5-6 1113 66/67,2-3 4 78,7 1494 84,2ff. 132 84,2.5a.6 813 85 158 85,11 1254 85,llff. 270 85/86,10 165 86,10 166 89,4-5 1147 89,2-3 1152 89,27 1146, 1148 90,1-2 588 90,2-4 336 90,12 336 90,14 337 90,16 337 90,17 586 92,2 1669 92,5 720 92,13 540, 1640 95,1-3 93 96,1-2 835 96,1 1725 96,11-12 1726 96,13 1726 97/98,3 520 98,3-4 520 98/97,1.4 653 100,3 789 102,26-28 186 102,27-28 184 103,1 697 103,2 697 103/104,24 155 103,13 220 104,24 158 124,24.30 99 104,27-29 206 104,30 99 110,4 1176 2026 Seite Seite 111,7-9 207 ll,23ff. 209 112,5.6 889 11,23-26 207, 220 116,1 382 12,1 214 116,12.16.13-14 783 12,16.18 207 116,13 781 13,1-9 56, 155f. 116,16 1233 117 387 Buch Sirach 117,1 1377 18,1 184, 186 118/16 1239 18,4 207 118,22 1241 23,1-4 220 118,23 1240 43,27-28 190 118,24 73 48,12 214 126,1 1760 51,13-14 389 127,1 297, 861, 872, 1082, 51,15-17 389 1824 51,18-20 390 127,3 297, 681 51,23-24 390 133,1 1079, 1697, 1750 139,1 196f. Buch Jesaja 145,3 190, 1285 2,1-4 93 145,8 207 2,2-3 841 145,8-9 208 2,3 1032 145,10-11 1022 2,4-5 647 146,6f. 1629 6,1-3 266, 268 146,9 1632 6,3 133, 158 147,5 190 9,1 1720 147,12 4801. 9,5 1051 147,15 214 9,6 207, 438 147,19-20 481 11,2 214 12,2.4 755 Buch der Sprichwörter 12,6 269 3,12 220 16-19 207 4,5f. 1214 29,15 190 8,22-30 214 40,5 1711 20,29 448 42,1 15 42,3 15 Buch Kohelet 43,10-13 201 3,11.14 156 44,24 196 45,9-11 190 Buch der Weisheit 45,15 178 1,1 158 45,18 196 2,18 220 45,22 201 3,1 1608 49,14 221 3,4 1230, 1608 49,14-15 208, 220 3,5 1611 50,6 1227 3,9 112 53,3 446 7,22-30 214 53,4.11 445 11,21 194 53,10 447, 1028 2027 Seite Seite 53,11 448, 1028 53,12 448 54,10 209 54,10 208, 220 55,6 754 55,8-9 754 55,9 190 55,10-11 758 55,11 214 57,17 268 60,1 1053 60,2 9 60,2-3 1054 60,5 1055 61,1 1230,1540f. 61,8-9 1232 61,63 1544 64,7 220 65,1-2 207 66,10 1099 66,13 1098 Buch Jeremia 1,4-5 386 1,5 1591 1,6 1591 1,7-8 387, 1591 1,9 1592 3,17 93 10,6 165 10,12.14 156 31,3 114, 208f. 31,9 220 Buch Baruch 3,38 61 Buch Ezechiel 1,26 266 1,27-28 266 36,24-25 353 36,26-27 357, 1410 36,28 352f„ 357 Buch Daniel 6,27 184 7,14 1669 Buch Hosea 2,21-22 931 11,9 268 Buch Joel 2,13 1111 2,18 1112 Buch Jona 3,4 302 3,5 302 3,10 302 4,2 207 Buch Micha 5,1 973 5,2 973 Buch Habakuk 3,4 266 Evangelium nach Matthäus 1,6 1330 1,18 1148 1,20-21 1148 2,1-12 1893 2,2 1053 2,5-6 1053 2,11 9,1053 3,11 267f. 3,14 15 3,15 15 3,17 232,234 4,4 39, 465, 1143 4,17 634 4,19 1137 4,23 35 4,23-24 1598 5,3 415,1766 5,4 414,751 5,5 411 5,6 414 5,7 413 5,8 1204 5,10 416 5,10.4 753 5,13 1606,1637 2028 Seite Seite 5,13.14 1642 5,13-15 1138 5,14 1638 5,15 1642 5,16 467,603,655,724,1284, 1834 5,17 94 5,23-24 490 5,39f. 558 5,42 54 5,48 191,236,271 6,9 151 6,9-13 226 6,10 1825 6,26 220 6,32 221 6,33 608,1004,1768 7,12 687,1062 7,14 688 8,2 1778 8,17 445 9,5 894 9,35 1541 9,37 16,1200,1295 9,37f. 1182,1201 9,37-38 1558 9,38 1323 10,20 250, 252 10,26 1336 10,27 1329 10,28 1335 10,40 804 11,25 151,180,389 11,25-26 388 11,25.27 225,227,232 11,27 226,234, 256, 389,420 11,27 258 11,28 1602 11,28-30 392 11,29 154,414 11,29-30 422 12,18 1071 12,25 517 13,55 335,459,1148 15,4 1207 15,24 1892 15,32 1630 16,13 1448 16,15 1538 16,16 233-235,1446 16,16-17 226,228 16,17 1446 16,18 511,1447 16,19 1447 18,4 1734 18,7 1514 18,20 602,977,1169 19,3 842 19,4 842,1800 19,5 842 19,6 428,921 19,12 615 19,16 612 19,20 868,1198 19,21 315,1181,1200 19,29 1311 20,28 801, 894,1524 20,38 1227 21,9 1225 22,21 1064 22,37-39 53 23,8 1766 24,44 1123 25,13 1123 25,23 1135 25,31-40 722 25,33-36 874 25,34 1633 25,35 1585 25,40 392,396,1425 26,28 1470 26,63 233,1225 26,63-64 235 26,64 233,1225 26,66 1225 27,25 1225 27,46 447,754 28,5-7 1537 28,18 470,1395,1461 28,18-19 352,469 28,18-20 309 28,19 212,215,475,656,803, 833,1373,1506,1590 28,19-20 46,903, 939,1394 2029 Seite Seite 28,20 98,352,471,473,477, 841 Evangelium nach Markus 1,15 41,301,1235 1,17-18 301 1,20 301 1,33 478 1,37 27,478 1,38 478 l,47f. 318 4,8 1090 4,32 904 6,6 861 6,34 464,1590 6,34;41 464 6,37 464 7,37 453 8,2 1087 9,7 14,41,234, 826, 831, 1483 9,7 u. Par. 232 9,9 831 9,31 1012 9,34 1013 9,35 1009 9,36-37 1010 9,41 54 9,42 1513 10,17 612,1178 10,17-18 191 10,17-19 1187 10,18 271,612,683 10,19 612, 687,1195 10,20 1194 10,20f. 1187 10,21 347,1006,1180,1465 10,22 1187 10,37 1028 10,43.45 1029 10,52 1596 12,26 151 12,29 212 12,30-31 272 12,34 1893 12,38f. 1632 12,40 1632 14,12 1453 14,14 1401 14,22-23 1454 14,22-24 781,1401 14,22.24 1401 14,24 1454 14,25 1402,1457 14,27 1754 14,36 226 14,61 1249 15,13f. 1225 15,34 447,1236 15,39 1893 16,3 485 16,5 1240 16,15 303,476,593f.,596, 602, 1031,1295,1306,1373, 1542,1590 Evangelium nach Lukas 1,2-4 97 1,28 1691 1,31-32 161 1,35 1690,1695 1,37 194 1,38 7,15,21,35,161,264, 527,933,1092,1507, 1694 1,39 983 1,42.45 897 1,45 1507 1,46 988 l,46f. 977 1,46-47 313,934 1,46-47.49 895 1,46-48 492 1,47 990,1099 1,48 896 l,48f. 991 1,49.51-52.49.48 898 1,53 54, 992 2,8-20 1893 2,9 1720 2,10 6,8 2,11 5 2,14 1718 2030 Seite Seite 2,16 296 2,19 298, 941,1052 2,19.51 80 2,29-32 418 2,32 418,423,1571 2,34 1192 2,34-35 423 2,35 193,980 2,48 385 2,49 232,234,276,385,582 2,52 350,1213 3,6 1711 4,18 653f., 803,874,1230, 1541 4,18-19 394, 656 5,05 602 5,11 386 6,20 394 6,36 221 7,36 1893 9,35 662 10,1 638,640f., 1023 10,2 679f., 797, 804,1025, 1794 10,3 640,803 10,4 802 10,5 640,1025 10,9 634,1026 10,21 637 10,21f. 225 10,37 53 11,31 180 11,35 507 12,3 1329 12,24 220 12,30 221 12,31 1004 12,32 904 13,31 1893 14,1 1893 14,26 1048 15,11-32 221,272 17, lf. 1213 17,10 1853 18,16 846 18,18 347 18,19-20 347 18,21 347 18,22 347,351 18,27 485 18,31 1023 20,38 518 21,19 1212 21,28 683 22,10 94 22,15 65 22,19 803,1176,1234,1395 22,20 1454 22,27 801 22,31-32 606 22,32 1432 22,42 549,1236 23,24 440,1896 23,34 1235,1770 23,41 633 23,42 1235 23,43 1235 23,46 614,754,1236 24,5 1537 24,5-6 1242 24,27 94 24,39 78 24,44 93 24,45 1280 24,48 1302 Evangelium nach Johannes 1,1 9,241,1462 1,1-2 239 1,1-3 239 1,3 61,66,1091 1,4 1462 1,5 1192 1,9 376 1,9.12 899 1,12 241,684,1228,1235 1,14 5, 8,21,98,130,241, 634 1,16 1729 1,16-17 196 1,18 133,178,212,226,241 1,29 1233 1,41 903 1,42 1446 2031 Seite 2,1-2 920 2,5 617,806,868,925,983, 1222 2,28-29 312 3,14-15 1495 3,16 53,142,205,209,684, 1191,1193,1234,1470, 1496,1722 3,17 1496 3,19 1192 3,34 67 4,10 1204 4,23 810 4,24 189,191,245, 247 5,2 832 5,17 233,1180 5,18 225,228,233,235 5,19 225,228 5,26 225,228 5,36 67 5,39 93 6,29 545 6,33 951 6,35 1469 6,37 684 6,44 70,72 6,46 178 6,51 929,1403 6,57 226 6,60-69 17 6,68 98,791,1294,1822 6,68-69 308 7,39 246 8,12 1462 8,12-59 232 8,32 615,1127,1210,1331, 1851 8,44 1228 8,58 239,241 9,2-3 1598 10,1-5 457 10,9 453 10,10 451,457,612 10,11 356,915,1570 10,14.16 449 10,16 84,1567,1569,1571, 1888 Seite 10,17 84 10,17.18 457 10,30 212,233,262 10,38 262 11,25 1193 11,251 1193 12,24 927,1428,1675 12,32 98,1680 12,44 225 12,49 225,228 13,1 955 13,8 1232f. 13,9 1233 13,12-14 957 13,15 1233 13,16 1760 13,34 473, 614,1234 13,34-35 929,953 13,35 1470,1742,1755 14,1 68,767 14,2 241 14,2-3 932 14,6 111,113,367,687,1617, 1670,1851 14,9 67,132,180,226,1191 14,10 227 14,10-11 262 14,15 1410 14,16 247, 650,1337,1408 14,16-17 246,650,652,1592 14,16-17,26-27, zit. vulg. 1689 14,17 1411 14,18 928 14,23 71 14,26 18,246,1340 14,27 648, 928 14,30 1754 15,4-5 398 15,5 91,892,1610 15,7.16 893 15,8 402, 885 15,9 400f., 522,551 15,9-10 555 15,10 402,522, 550f„ 796, 1314 15,11 524 2032 Seite Seite 15,12 476,522,1455 18,33.36-37 175 15,12ff. 399 18,37 1226,1228,1670 15,13 402f„ 522,684,789, 898, 19,5 1226 1542 19,25-27 980 15,14 401 19,27 64,585,1235 15,14-15 61,523 19,28 1236 15,14.15 554 19,28-27 1893 15,14-16 894 19,30 1236 15,15 71 20,17 226,228 15,15f. 1177 20,19 1339 15,15-16 1137 20,20 1340,1343 15,16 399-401,427, 509,517, 20,21 695,708,1342 523,551,790,792,796, 20,2 lf. 1346 891,1025 20,22 803,1340f. 15,20 1303 20,22-23 1395 15,26 212,246f„ 250,252,650 20,26 1526 15,26-27 652 20,27 1274 15,27 651 20,29 73 16,7 246,1231,1339 20,31 86 16,13 18,71,98,615,1435 21,5 770 16,14-15 246 21,6 602 16,23 674 21,7 603 16,24 674,681 21,15 774f. 16,27 674,678 21,15.16 770,775 16,28 595,674 21,15-17 1448 16,33 1754 21,15-18 800 17,3 69,71,690,1264,1888 21,16.17 780 17,4 67 21,17 774 17,5 595 21,19 1448 17,6 426 17,11 690,692,695,1238 Apostelgeschichte 17,14.17.18 427 1,1-2 96 17,15 427,690,694 1,5.8 596 17,17 690,1136,1423 1,8 237, 838,1348,1695 17,18 427f. 1,14 609,1266,1333,1349, 17,19 424,426,690 1698 17,20-21 1084,1138 1,15 609 17,20-22 262f. 1,22 694 17,20-26 1081 1,24 694 17,21 127,512,541,1476, 2,2 1341 1504,1518,1571,1798, 2,3 268 1811 2,4 1341,1430 17,21f. 1377 2,7 1430 17,21-22 1290,1672 2,7-8.11 1342 17,22 692,1820 2,9-11 1341 17,22-23 1431 2,11 415 17,23 549 2,32-33 1430 2033 Seite Seite 2,38 252 8,15-16 1395 2,42 703,928f. 8,15.23 251 4,12 1769 8,17 1396 4,32 608,1275 8,18 1126 4,32-34 702 8,19.21 100 9,1-8 1080 8,20-21 100 9,4 1448 8,22 99 10,34-35 509, 835 8,28 979,1136 10,38 1093,1807 8,29 974 12,11 1448 8,37 1705 13,47 1567 8,39 685 16,7 250, 252 9,5 112 16,9 1372 9-11 1889,1895 17,23 722 9,20-21 190 17,23-28 152 10,09.12 1032 17,24.29 722 10,13-15 1035 17,27 152,719 10,14 309 17,28 152f., 185f., 197 10,14-15 1353 20,28 429,1083 10,17 1035 20,31 429 10,18 1035 20,32 121,429 ll,16ff. 1894 22.3-16 1080 11,18 1895 22,10 1081 ll,33f. 192 26,2-18 1080 11,33-34 190 11,36 134 Brief an die Römer 12,2 1559 1,5 51,120 12,15 376 1,7 1167,1451,1818 13,1 985 1,18 56 14,7-8 1125,1586 1,18-21 56 14,17-18 1772 1,19-20 55,61, 66,155f. 15,5-7 1743 1,20 55,59,61 15,6 151f. 1,23 201 15,13 1498,1811 2,6-7 67 16,25-26 94 2,14 1194 16,26 51,120,254 2,15 1194 3,29-30 202 1. Brief an die Korinther 4,12-16 150 1,3 1802 4,16 111,113 1,9 158 4,18 1147,1150 1,10 1479 4,25 130,490 1,13 125, 848 5,5 180,252,522,721,1076, 1,24 180 1199,1480,1813 2,2 1249 5,20 1696 2,6-9 10 6,4 899 2,7 1310 6,9 1192 2,11 177,250,252 6,11 1425 3,7 957 2034 Seite Seite 3,10-11 1763 3,16 114,816 4,1 1796 4,15 1150 6,1 1113 7,31 1126,1193,1199 9,16 478,1032,1138,1556, 1626 9,19 478 9,22 1756 9,22-23 478 9,23 481 10,1 1889 10,4 1890 10,11 93 10,16 933 10,17 1169 11,18-19 126 11,25 94,1234 11,26 1234,1897 12,4-6 818 12,4-7 1531 12,6 195 12,7 515,819 12,12-13 1410 12,13 379,1340,1342 12,17-21 516 12,21 1827 12,28 1531 13,2 391 13,4-7 922 13,12 179,1602 13,13 391 15,9 1449 15,20.22 898 15,22 895 15,28 131,175 15,55-57 1463 15,58 1463 16,13 1535 16,13-14 618 16,14.23 1088 2. Brief an die Korinther 1,3 198,525 1,3-5 525 1,4 525 1,5 1099,1272 1,7 526 1,12 915 2,14 1238 3,14-16 94 3,17 48 4,7 367,1431,1755 4,8-18 1271 5,6-7 257 5,7 257 5,14 1425 5,15 789,1491 5,16 1427 5,20 427 5,21 633,1113 6,2 38f. 6,11 1759 6,llf. 562 6,16 200,202 8,9 394 10,5-6 51,120 11,28 1773 11,29 394 12,9 1812 13,8 1128 13,11 953 13,13 213,216 Brief an die Galater 1,3 1127 1,6-9 126 1,18 610 2,20 130, 838,1011 3,8 201 3,26-28 1373 3,28 546 4,4 98,1049f. 4,5 241,813 4,6 250,252,1050 4,19 1150 5,22 530 6,9 1803 6,14 161 Brief an die Epheser 1,3 295,299 1,3-6 1693 1,4 1691 2035 Seite Seite 1,5 241 Brief an die Philipper 1,9 51,60,62f. 1,2 935 1,12 299 1,3-5 1733 1,16-19 548 1,6 1504,1682 1,17 935 1,7-8 1733 1,17-19 600 2,6-7 1226 2,4 25, 632, 935 2,1t. 1228 2,4-5 208 2,7-8 1496 2,4-7 16 2,8 832 2,13-14.18 658 2,9-11 1230 2,18 51,60 2,9.11 1497 2,19 658 2,11 1518 2,19-20 950 3,10-12 915 2,21 616 4,4 719 3,8 180, 844 4,8 724 3,9 180 4,18 1354 3,14-17 951 3,15 227f. Brief an die Kolosser 3,17 181 1,10 1816 3,18 180 1,15 61,239,616,1571,1722 3,20-21 1293 1,16 180,1091 4,1 604,679 1,17 1091 4,1 1804 1,19-20 1681 4,1-3 25 1,24 447,981,1269 4,3-4 1535 2,3 180 4,3-6 676 3,1 1199 4,4 1748 3,6 82 4,4-6 603,1441 3,12-13 846 4,5 470 3,12-21 384 4,5-6 1478 3,14 7,592, 847,1196 4,6 201,227 3,15 847 4,7 1170,1413 3,16 86 4,7.11-12 603 3,17.23 588 4,7.12 677 4,11 678 1. Brief an die Thessalonicher 4,11-13 937 1,2-3 880,1768 4,12 777, 935 2,4 775 4,13 25,495 2,8 780 4,22-24 791 2,13 121 4,24 616 4,3 1781 4,30 246f. 5,1 614 2. Brief an die Thessalonicher 5,1-2 918 1,2 1503 5,19 1654 3,1 1519,1789 5,25 614, 930 3,6-8 458 5,32 692,842 3,16 463,1830 6,23-24 849 3,18 541 2036 Seite Seite 1. Brief an Timotheus 1,10-12 184 1,2 1793 1,12 152 1,17 61,184 3,1 648,1807 2,1-2 839 4,12 121 2,3 1266 4,14 1028 2,4 269,427,839,1134, 4,15 1028 1264,1756 4,16 1028 2,5 1681 5,1 1752 3,16 1057 5,7 783 5,16 1789 5,8 1314 6,15-16 179 9,11 783 6,16 107,211,241,1394, 9,12 783,1402 1720 9,14 784,1402 6,20 692 9,15 783,1402 9,26 1634 2. Brief an Timotheus 9,27 1193,1195 1,12 1316 9,28 1634 2,1-2 1568 10,7 21,549 2,3 1569,1611 10,24-25 519 2,8 1611 10,35-37 1705 2,9 161 lf. 10,38 69,72 2,10 1612 11,1 51 2,11 1612 12,2 932 2,11-13 1535 12,24 200,202 3,16 86 12,29 267 t. 3,16-17 87 13,8 1191,1618 4,2 290,1440 13,14 1566 4,11 1022 13,20 200,202,1824 4,17 1022 Brief an Titus Brief des Jakobus 1,7 1780 1,27 1769 2,11 1722 2,14 886 2,12 1722 2,18 887 2,13-14 1723 3,17 1769 3,4 1711 3,18 1763 3,7 1723 5,7-8 1745 Brief an die Hebräer 1. Brief des Petrus 1,1 188,206 1,1-2 213 1,1-2 67,151,182,196,231, 1,2 1098 245 1,3 308,1076 1,2 226 1,3-4 310 1,2-3 239 1,4 51 1,3 240, 616 1,5 310 1,4-14 219 1,6-7 311 1,5 226 1,7 310 2037 Seite Seite 1,8 311 4,7-8 521 1,8-9 313,822 4,8 161,420 1,10 93 4,8.16 1191 1,15 271,273 4,9 420, 521 1,23 849 4,10 420,521 2,5 811,1401 4,11 421 2,7 616 4,12-13.16 692 2,9 355,818, 835 4,16 158,205,207f., 213, 2,9-10 354 272f., 330 2,25 101,562,1739 5,4 557,1219 3,15 118,1173,11861., 1321, 5,4-5 1462 1330 5,11 1746 4,10 1652,1819 4,13 1099 Offenbarung des Johannes 5,1 798f. 1,4 270, 588 5,2 800 1,4-5.17.18 1242 5,2-4 801 1,5 311 5,3 1489 1,5-6 1669 5,4 562,1338,1739,1774 1,6 1671 5,6-7 1336 1,8 3,150,184,1550,1669 5,14 287,343,1651,1737 1,17-18 1244 2,2 286 2. Brief des Petrus 2,7 210 1,1-2 902 2,7.11.17.26 1079 1,2 1528 3,5.13 1079 1,4 61,200,1171 3,14 1540 1,11 294 3,20 530,1540f. 1,19-91 86 4,8 266,268 3,13 236,414 4,13 1544 3,15-16 86 5,6 448 7,9 1601 1. Brief des Johannes 7,10 1603 1,1 936 7,14 1603 1,1-3 78 7,17 131,175 2,13 686 11,17 675 2,13f. 1217,1219 11,19 895 2,14 349-351,417,681,689 12,1 895 2,17 349 12,7 204 2,18-19 126 12,10 675f. 3,1 1601 12,11 676 3,2 79,1171,1602 21,3 114,783 3,3 1602 21,4 131 4,3 939 21,5 924 4,4 1754 21,6 1190 4,7 420,939 22,20 708,1675 2038 Quellenverzeichnis der Zitate Papst Johaim[es] VIII. (872-882) Apostolisches Schreiben „Industrie tuae“ aus dem Jahre 880 S. 1138 Papst Gregor VH. (1073-1085) Gregorii VII Registrum: ed. CASPAR IX, 11 IX, 21 Papst Sixtus V. (1585-1590) Konstitution „Postquam“ vom 3.12.1586: Bullarium Romanum, 4, IV S. 1657, 1664 Papst Leo XIII. (1878-1903) Rundschreiben „Grande munus“ zu Kyrill und Methodius vom 30.9.1880: Acta Leonis XIII, II, 5. 125-137 S. 1366 Enzyklika „Rerum novarum“ vom 15.5.1891: ASS 23, 1890-91, S. 641-670, Nr. 14 S. 1020 S. 1345 S. 1345 Discorsi e Radiomessaggi di Sua Santitä Pio XII, Vol. XII, 2.3.1950, S. 9 Rundfunkbotschaft vom 11.7.1954: AAS 46,1954, S. 408 Enzyklika „Haurietis aquas“ über die Verehrung des Herzens Jesu vom 15.5.1956: AAS 48,1956, S. 344f. Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses des Gebetsapostolats vom 27.9.1956: AAS 48,1956, S. 676f. Papst Johannes XXIII. (1958—1963) f; Discorsi di Giovanni XXIII | IV, 584f. / V,89 7 V, 274 S. 1265 S. 1344 S. 1266 S. 1270 S. 229 S. 1265 S. 210 Papst Pius X. (1903-1914) S. Congr. Conc. vom 7.12.1906 [Krankenkommunion] Schreiben „Haerent animo“ an den katholischen Klerus anläßlich seines 50. Priesterjubiläums vom 4.8.1908: ActaPüX, VI, S. 259 Dekret „Quam singulari“ vom 8.8.1910 über die rechtzeitige Kommunion S. 782 Enzyklika über die Ordnung des gesellschaftlichen Lebens der Ge-t genwart im Sinne der christlichen Gebote „Mater et magistra“ vom 15.5.1961: AAS 53,1961, S. 401-464, Nr. 208 S. 779 Apostolische Konstitution „Hu-manae salutis“ zur Einberufung des [II. Vatikanischen] Konzils vom 25.12.1961: S. 782 AAS 54,1962, S. 8f. S. Schreiben „Libenter“ vom 11.6.1911 Papst Pius XII. (1939-1958) Radioansprache. Friedensappell vor Beginn des 2. Weltkrieges, vom 24.8.1939: AAS 31,1939, S. 333-335; hier: S. 334 S. 782 S. 1575 Enzyklika über den Frieden unter allen Völkern in Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit „Pacem in terris“ vom 11.4.1963: AAS 55,1963, S. 257-304 Nr. 163 Geistliches Tagebuch S. 1257 260, 1556 S. 1573f. S. 512 S. 1315f. 2039 Papst Paul VI. (1963-1978) Insegnamenti di Paolo VI. II, 1964, S. 525 S. 264f. III, 1965, S. 731,746 S. 243,1079 IV, 1966, S. 623 S. 230 VI, 1968, S. 302f. S. 163,212,256 Enzyklika „Ecclesiam suam“ ,Die Wege der Kirche“ vom 6.8.1964: AAS 56,1964, S. 609-659; hier: S. 654 S . 112, 114 Apostolisches Schreiben „Pacis nuntius“ vom 24.10.1964 [Hl. Benedikt Patron Europas]: AAS 56, 1964, S. 965-967 S. 729, 1366 Ansprache in der Generalversammlung der UNO am 4.10.1965: AAS 57,1965, S. 877-885; hier: S. 878f. S. 1573 Apostolisches Schreiben „Investi-gabiles divitias Christi“ anläßlich der 200-Jahr-Feier der liturgischen Einführung der Herz-Jesu-Verehrung vom 6.2.1965: AAS 57,1965, S. 298-301; hier: S. 300f. S. 1267 Enzyklika über die Entwicklung der Völker „Populorum progres-sio“ vom 26.3.1967: AAS 59, 1967, S. 257-299 S. 243 Nr. 3 S. 735 Nr. 29 S. 1665 Nr. 42 S. 404 Nr. 44 S. 1643 Nr. 47 S. 508 Nr. 71 S. 512 Nr. 75 S. 512 Nr. 78 S. 534 Nr. 87 S. 947 Breve „Anno ineunte“ vom 25.7.1967: Tomos Agapis, Nr. 176, S. 117f. S. 1451 Credo des Gottesvolkes vom 30.6.1968 S . 199, 215 S. 297 S. 1679 S. 426 Enzyklika über die rechte Ordnung zur Weitergabe menschlichen Lebens „Humanae vitae“ vom 25.7.1968: AAS 60,1968, S. 481-503 Nr. 11 Nr. 21 Nr. 25 Apostolischer Brief „Octogesima adveniens“ anläßlich der 80-Jahr-Feier der Veröffentlichung der Enzyklika „Rerum novarum“ vom 14.5.1971: AAS 63,1971, S. 401-441 Nr. 9 S. 1804 Nr. 23 S. 1108 Apostolisches Schreiben über die Erneuerung des Ordenslebens „Evangelica testificatio“ vom 29.6.1971: AAS 63,1971, S.497-526 Nr. 3 S. 1320 Nr. 11-12 S. 1498 Ansprache an die Hauptverantwortlichen und Mitglieder der Säkularinstitute zum 25. Jahrestag von „Provida Mater“ am 2.2.1972: AAS 64,1972, S. 206-212 S. 1500 Botschaft an die Umwelt-Konferenz in Stockholm vom 1.6.1972 S. 942 Ansprache am 27.10.1972: AAS 64,1972, S. 712 S. 1686 Apostolisches Schreiben über die Evangelisierung in der Welt von heute „Evangelii nuntiandi“ vom 8.12.1975: AAS 68,1976, S. 5-76 u. Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 2 Nr. 9 Nr. 14 Nr. 16 Nr. 18 S. 110 S. 1792 S. 511,1746,1781 S. 1748 S. 793 2040 Nr. 19 S. 510 Nr. 20 S. 1071,1837,1880 Nr. 26 S. 452,1746,1769 Nr. 31 S. 303,453 Nr. 32 S. 1813 Nr. 38 S. 1814 Nr. 40 S. 1781 Nr. 44 S. 1782 Nr. 45 S. 1325 Nr. 53 S. 110 Nr. 58 S. 938 Nr. 61 S. 510 Nr. 69 S. 1796 Nr. 70 S. 1834 Nr. 71 S. 554,1800,1809 Nr. 75 S. 1352 Nr. 77 S. 1832 Nr. 80 S. 1304 Nr. 82 S. 512,1306,1779 S. 257-324; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 6 Nr. 6 Nr. 9 Nr. 11 Nr. 13 Nr. 14 Nr. 15 Generalaudienz am 18.2.1976, in: Wort und Weisung, 1976, S. 22 S. 1616 Botschaft an die „Habitat“-Kon- ferenz vom 24.5.1976 S. 945 Homilie beim Gottesdienst in der Petersbasilika am 29.1.1978, in: Wort und Weisung, 1978, S. 116 S. 410 Papst Johannes Paul I. (1978) Rundfunkbotschaft an die Welt vom 27.8.1978, in: Wort und Weisung, 1978,2. Teil, S. 37f„ 41f. S. 204, 767-769 Predigt bei der Übernahme des obersten Hirtenamtes am 3.9.1978, in: Wort und Weisung, 1978,2. Teil, S. 58 S. 770 Generalaudienz am 18.9.1978, in: Wort und Weisung, 1978,2. Teil, S. 15 S. 765 Generalaudienz am 20.9.1978, in: Wort und Weisung, 1978,2. Teil, S. 20 S. 765 Predigt bei der Besitzergreifung der Lateranbasilika am 23.9.1978, in: Wort und Weisung, 1978, 2. Teil, S. 83 S. 766 Papst Johannes Pani II. (seit 1978) Insegnamenti di Giovanni Paolo II III, 2,1980, S. 697 S. 1514 III, 2,1980, S. 1044 S. 1702 V, 2,1982, S. 1457 S. 1008 V, 2,1982, S. 1573,1582 S. 1268 V, 3,1982, S. 674 S. 1095 VI, 2, S. 767f. S. 976 VI, 2, S. 776 S. 971 Botschaft vom 17.10.1978, in: Wort und Weisung, 1978,3. Teil, S. 53 S. 204 Ansprache in Assisi am 5.11.1978, in: Wort und Weisung, 1978, 3. Teil, S. 105-106 S. 1424 Ansprache an den Klerus der Diözese Rom, 9.11.1978, in: Wort und Weisung, 1978,3. Teil, S. 117f. S. 1137 Ansprache bei der Eröffnung der dritten Generalversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla, 28.1.1979, in: O.R. dt., 2.2.1979, S. 11 Nr. III, 7 S. 371 An die Mitglieder der Katholischen Organisationen, Mexiko-City am 29.1.1979, in: O.R. dt., 16.2.1979, S. 5 S. 321 Enzyklika „Redemptor hominis“ vom 4.3.1979: AAS 71,1979, S. 660 S. 1764 S. 401,1440 S. 471,1257 S. 1586 S. 243 2041 Nr. 1 S. 1829 Nr. 17 S. 18f. Nr. 18 S. 1792 Nr. 20 S. Nr. 21 S. 19 Nr. 30 S. Uf. Nr. 65 S. 402 Nr. 69 S. 304 Ansprache am 5.11.1979, AAS 71,1979, S. 1448f.; in: Wort und Weisung 1979, S. 174f. Nr. 2 S. 1657 Ansprache am 13.12.1979: Inse- gnamenti II/2,1979, S. 1391 Nr. 4 S. 1703 Appell vom 10.5.1980 S. 947 Ansprache an die Jugend im Parc-des-Princes in Paris vom 1.6.1980, in: O.R. dt., 20.6.1980, Nr. 25, S. 5 S. 739 Nr. 2 S. 415 Nr. 4 S. 468 Nr. 5 S. 1748 Ansprache an die Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland, 17.11.1980 in Mainz, in: O.R. dt., 21.11.1980, S. 16 S. 1478 Enzyklika „Dives in misericordia“ vom 30.11.1980: AAS 72,1980, S. 1177-1232; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 26 S. 16 Nr. 1 S. 1258 Nr. 2 S. 413 Nr. 4, Anm. 52 S. 220 Nr. 9 S. 367 Nr. 13 S. 1267 Nr. 14 S. 591 Brief an die Priester zum Gründonnerstag vom 8.4.1979 [= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 7, S. 12] Nr. 4 S. 515 Apostolische Konstitution über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten „Sapientia christiana“ vom 15.4.1979: AAS 71,1979, S. 469-499; Verlautbarungendes Apostolischen Stuhls 9 Nr. 1 S. 1829 Predigt am 26.8.1979: Insegna- menti, II, 2,1979, S. 178 S. 766 Ansprache vor der UNO-Vollversammlung am 2.10.1979, in: O.R. dt., Nr. 40/1979 S. 1631 Apostolisches Schreiben über die Katechese in unserer Zeit „Cate-chesi tradendae“ vom 16.10.1979: AAS 71,1979, S. 1277-1340; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 12 Ansprache an den Exekutivrat der UNESCO in Paris am 2.6.1980, in: Wort und Weisung, 1980, S. 230f. Nr. 12 S. 872 Nr. 14 S. 875 Ansprache zum 450. Jahrestag der „Confessio Augustana“ am 25.6.1980, in: Wort und Weisung, 1980, S. 171 S. 1477 Generalaudienz am 25.6.1980 S. 1291 Ansprache beim Besuch im Elendsviertel Vidigal in Rio de Janeiro am 2.7.1980, in: O.R. dt., 11.7.1980, Nr. 28, S. lu.7 [= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 22, S. 40-43] Apostolisches Schreiben „Egre-giae virtutis“ vom 31.12.1980 [Kyrill und Methodius Con-Patro-ne Europas]: AAS 73,1981, S. 258-262, in: O.R. dt., S. 1366 S. 1103 S. 1105 23.1.1985 Nr. 1 Nr. 4 2042 Apostolisches Schreiben über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute „Familiaris Nr. 18 Nr. 20 Nr. 21 Nr. 23 Nr. 24-27 consortio“ vom 22.1.1981: AAS 74,1982, S. 81-191; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 33 Nr. 3 S. 1800, 1821 Nr. 5 S. 1801 Nr. 10 S. 1790 Nr. 11 S. 383 Nr. 15 S. 384 Nr. 19 S. 923 Nr. 28 S. 921 Nr. 30 S. 845 Nr. 33 S. 1801 Nr. 34 S. 1678 Nr. 35 S. 845 Nr. 43 S. 553 Nr. 52-55 S. 1841 Nr. 58 S. 931 Nr. 86 S. 277 Gebet am Flughafen von Karatschi am 16.2.1981 S. 1810 A Concilio Constantinopolitano I, Nr. 1,1,25.3.1981 [= Schreiben an den Episkopat der katholischen Kirche zur 1600-Jahr-Feier des I. Konzils von Konstantinopel und zur 1550-Jahr-Feier des Konzils von Ephesus vom 25.3.1981, in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 30, S. 3 S. 1056 Enzyklika über die menschliche Arbeit „Laborem exercens“ vom 14.9.1981: AAS 73,1981, S. 577-647; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 32 S. 408 Nr. 4 S. 1155 Nr. 5 S. 335 Nr. 8 S. 700,1017 Nr. 9 S. 372,1158,1211,1910 Nr. 10 S. 372,1149 Nr. 11 S. 334 Nr. 12 S. 334 Nr. 13 S. 701 S. 462,579 S. 335 S. 336, 373 S. 372,1473f., 1581 S. 706 Ansprache am 31.10.1981, in: Wort und Weisung, 1981, S. 586f. S. 1259 Predigt beim Gottesdienst im Slowakischen Institut „Kyrill und Method“ in Rom am 8.11.1981, in: Wort und Weisung, 1981, S. 612 S. 1135 Ansprache an die Delegierten für die Beziehungen zum Judentum am 6.3.1982, in: Der Apostolische Stuhl, 1982, S. 939-941 S. 1886, 1888, 1897f. Schreiben an Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli vom 20.5.1982: AAS 74,1982, S. 685, dt. in: Der Apostolische Stuhl, 1982, S. 1106f. S. 738 Predigt bei der Eucharistiefeier im Knavesmire-Stadion in York am 31.5.1982, in: Der Apostolische Stuhl, 1982, S. 536f. S. S. 543f. Ansprache am 23.11.1982: AAS 75,1983, S. 138f.; in: Der Apostolische Stuhl, 1982, S. 1442 S. 1658 Ansprache bei der Eröffnung der Vollversammlung des Kardinalskollegiums am 23.11.1982: AAS 75,1983, S. 137; in: Der Apostolische Stuhl, 1982, S. 1440 S. 1658 Apostolisches Schreiben zum Jubiläumsjahr der Erlösung „Aperi-te portas redemptori“ vom 6.1.1983: AAS 75,1983, S. 89-106; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 44, Nr. 3 S. 1456 2043 Predigt in San Salvador am 6.3.1983, in: O.R. dt., 18.3.1983, S. 9 Nr. 7 S. 441 Ansprache an CELAM in Port-au-Prince am 9.3.1983, in: O.R. dt., 18.3.1983, S. 17 Nr. III S. 406 Predigt zum Abschluß des XX. Italienischen Eucharistischen Kongresses in Mailand am 22.5.1983, in: O.R. dt., 10.6.1983, Nr. 23, S. 8 S. 1350 Ansprache bei der Audienz für „Cor Unum“ am 23.11.1983 S. 1644 Predigt in der römischen Pfarrei SanMarcöam29.1.1984 S. 416 Ansprache an die Ordensleute am 2.2.1984 [in: Der Apostolische Stuhl, 1984, S. 930-934] S. 500, 1320 Apostolisches Schreiben über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens „Salvifici doloris“ vom 11.2.1984, in: Der Apostolische Stuhl, 1984, S. 957-999 Nr. 16 S. 755, 1093 Nr. 18 S. 755 Nr. 19 S. 445, 755,990 Nr. 24 S. 1269 Nr. 26 S. 412,585 Nr. 27 S. 586 Nr. 29 S. 447 Nr. 31 S. 412,586,982 Ansprache bei der ökumenischen Begegnung in der Basilika San Nicola zu Bari am 26.2.1984: Inse-gnamenti VII, 1,1984, S. 53 lf. Nr. 2 S. 1387 Apostolisches Schreiben an die Ordensleute über das gottgeweihte Leben im Licht des Geheimnisses der Erlösung „Redemptionis donum“ vom 25.3.1984, in: Der Apostolische Stuhl, 1984, S.1077-1105 Nr. 6 S. 366 Nr. 14 S. 368 Ansprache an die Koreanische Bischofskonferenz am 3.5.1984 in Seoul, in: O.R. dt., 11.5.1984, S. 7 Nr. 1 und 4 S. 1803 Ansprache an den Weltkirchenrat in Genf am 12.6.1984, in: O.R. dt., 22.6.1984, Nr. 25, S. 1 S. 659 An die Bischöfe Venezuelas vom 30.8.1984, in: O.R. dt., 23.11.1984, S. IV, Nr. 8 S. 321 Ansprache an den 8. Weltkongreß der therapeutischen Gemeinschaften am 7.9.1984 S. 1884f. Ansprache beim Ad-limina-Be-such der Bischöfe von Peru am 4.10.1984, in: O.R. dt., 9.11.1984, Nr. 45, S. 4 S. 399f., 461 Predigt bei der Messe in Santo Domingo am 11.10.1984, in: O.R. dt., 2.11.1984, S. 9, Nr. 5 S. 396 Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für den Klerus, 20.10.1984, in: O.R. dt., 23.11.1984, S. VII S. 1704 Apostolisches Schreiben im Anschluß an die Bischofssynode über Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche heute „Reconci-liatio et paenitentia“ vom 2.12.1984, in: Der Apostolische Stuhl, 1984, S. 1503-1583 Nr. 4 S. 40, 42 Nr. 9 S. 660 Nr. 16 S. 37,441,461,1749 2044 Nr. 25 Nr. 26 Nr. 29 Nr. 34 29.3.1985, Nr. 13, S. 5-11 [ = Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 63] Nr. 1 Nr. 7 Nr. 8 Nr. 9 Nr. 11 Nr. 14 Nr. 15 Nr. 16 S. 1290 S. 42,48,53 S. 400 S. 1255 Weihnachtsansprache an die Kardinale und die Römische Kurie am 21.12.1984, in: O.R. dt., 4.1.1985, S. 5 Nr. 9 S. 454 Nr. 10 S. 396 Botschaft zum 18. Weltfriedenstag am 1.1.1985, in: O.R. dt., 21.12.1984, S. 1 Nr. 2 S. 649, 1170 Nr. 3 S. 1212 Ankündigung einer außerordentlichen Versammlung der Bischofssynode, 25.1.1985, in: O.R. dt., 1.2.1985, S.l S. 1659 Ansprache in Venezuela, in: O.R., 29.1.1985 S. 1107 Predigt in der Basilika San Cle- mente am Fest der hll. Kyrill und Method am 14.2.1985, in: O.R. dt., 1.3.1985, Nr. 9, S. 4 S. 1716 Ansprache am 30.3.1985, in: O.R. dt., 19.4.1985, Nr. 16, S. 8 S. 1718 Apostolisches Schreiben an die Jugend in der Welt zum internationalen Jahr der Jugend vom 31.3.1985, in: O.R. dt., S. 1005, 1332, 1537, 1713 S. 1007 S. 1304 S. 1007,1411 S. 1005 S. 1715 S. 683,1265,1736 S. 1330 Predigt am Palmsonntag am 31.3.1985, in: O.R. dt., 5.4.1985, Nr. 14-15, S. 16 S. 1714 Schreiben an alle Priester der Kirche zum Gründonnerstag 1985 vom 31.3.1985, in: O.R. dt., 5.4.1985, S. 4 [= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 62] Nr. 4 S. 1507 Osterbotschaft am 7.4.1985, in: O.R. dt., 19.4.1985, Nr. 16, S. 7 S. 645 Ansprache an die Teilnehmer des italienischen Katholikentages in Loreto, am 11.4.1985, in: O.R. dt., 3.5.1985, Nr. 18, S. 4-6 S. 714, 1456, 1523 Nr. 3 S. 1397 Nr. 7 S. 1030,1398 Nr. 8 S. 1397 Ansprache bei der ökumenischen Begegnung in Utrecht am 13.5.1985, in: O.R. dt., 24.5.1985, S. 10 S. 949 Ansprache vor dem Internationalen Gerichtshof im Friedenspalast in Den Haag, 13.5.1985, in: O.R. dt., 17.5.1985, S. 11 Nr. 1 S. 1903 Botschaft zum 19. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 19.5.1985, in: O.R. dt., 3.5.1985, S. 12 Nr. 2 S. 1520 Rundschreiben in Erinnerung an das Werk der Evangelisierung der heiligen Cyrill und Methodius vor 1100 Jahren „Slavorum Apostoli“ vom 2.6.1985, O.R. dt., 12.7.1985, Nr. 28, S. 5-9 [= Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 65] S. 135, 1716 Nr. 2 S. 1442 2045 Nr. 3 S. 1441 Nr. 16 S. 1500 Nr. 21 S. 794 Nr. 23 S. 1444 Nr. 27 S. 136,1445,1473,1535 Nr. 30 S. 1464 Nr. 31 S. 1533 Ansprache an die Römische Kurie am 28.6.1985, in: O.R. dt., 5.7.1985 S. 1527 Predigt beim Gottesdienst für die Römische Kurie am 28.6.1985, in: O.R. dt., 5.7.1985, S. 5 Nr. 7 S. 1504 Rundfunkbotschaft an das japanische Volk am 6.8.1985, O.R. 5./6.8.1985 S. 1488 Ansprache in Casablanca am 20.8.1985, O.R. dt., 4.10.1985, S. 12-13 S. 1815f. Angelus am 29.9.1985, in: O.R. dt., 4.10.1985, S. 1 S. 1819 Vor dem Angelus am 29.9.1985, in: O.R. dt., 4.10.1985, S. 1 S. 1780 Kongregation für die Glaubenslehre Erklärung „Mysterium ecclesiae“ zur katholischen Lehre über die Kirche und ihre Verteidigung gegen einige Irrtümer von heute vom 24.6.1973: AAS 65,1973, S. 396—408, hier: 396-398 Nr. 1 S. 1850 Instruktion über einige Aspekte der „Theologie der Befreiung“ vom 6.8.1984, in: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 57 XI, 7 S. 414 Kongregation für die Ordensiente und für die Bischöfe Leitlinien zu „Die Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche“, „Mutuae relationes“ vom 14.5.1978: AAS 70,1978, S. 473-506; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 8 Kap. VIII S. 1827 Kongregation für die Sakramente Instruktion „Immensae caritatis“ über die Erleichterung des Kommunionempfangs bei bestimmten Anlässen vom 29.1.1973: AAS 65,1973, S. 264-271 S. 1854 Kongregation für den Gottesdienst Instructio De modo Sanctam Communionem ministrandi „Memoriale Domini“ vom 29.5.1969: AAS 61,1969, S. 541-545 S. 1854 Kongregation für die Glaubensverbreitung Statuten der Päpstlichen Missionswerke, in: Statui delle PP.OO.MM. [ = Pontificie Opere Missionarie], Roma, 1980, Cap. I, n. S. 1353 Päpstliche Kommission für die Instrumente der sozialen Kommunikation Pastoralkonstitution „Communio et progressio“ über die Instrumente der sozialen Kommunikation vom 23.5.1971 Nr. 100 S. 1325 Päpstliche Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum Richtlinien und Hinweise für die Konzilserklärung „Nostra aetate“, Art. 4 vom 1.12.1974, in: AAS 67,1975, S. 73-79; hier S. 78 S. 1886 2046 Zweites Konzil von Orange [Synode] [Arausicanum II, 529] S. 70 11. Konzil von Toledo (675) [Synode] DS 528 S. 261 Konzil von Florenz Bulla unionis Coptorum Aethio-pumque „Cantate Domino“ vom 4.2.1442 DS 1330 S. 262 DS 1331 S. 263 Konzil von Trient Pars. 1, cap. V, Quaestio XI [Katechismus des Konzils von Trient] S. 1896 Erstes Vatikanisches Konzil [Vaticanum 1] Dogmatische Konstitution „Dei Filius“ vom 24.4.1870 S. 62, 195, 254 cap. I S. 188 cap. I: DS 1782 [3001] S. 191f., 195 DS 3001 can. 1-4 S. 183 DS 3002 S. 176 cap. II: [Nr. 2] S. 61 DS 3004 [1785] S. 156 DS 3004/3005 S. 70 DS 3010 [II. Konzil v. Orange (Arausicanum)] S. 70 cap. III: DS 1789 [3008] S. 51 cap. IV: De fide cath. [DS 3015] S. 256 [DS 3016] S. 257 Zweites Vatikanisches Konzil S. 274 Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad gentes“ vom 7.12.1965 Nr. 1 S. 1789 Nr. 2 S. 1733 Nr. 2a S. 1353 Nr. 4 S. 1819 Nr. 6 S. 1673 Nr. 8 S. 1789f. Nr. 11 S. 1145,1832 Nr. 13 S. 793 Nr. 15 S. 1735 Nr. 22 S. 1790 Nr. 36 S. 1034,1350 Nr. 38 S. 1353,1686 Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam actuositatem“ vom 18.11.1965 Nr. 3 S. 1263, 1647 Nr. 4 S. 320 Nr. 7 S. 712 Nr. 9 S. 1877 Nr. 11 S. 276,553,1806 Nr. 13 S. 712 Nr. 22-32 S. 1269 Nr. 65 S. 1806 Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe „Christus Dominus“ vom 28.10.1965 Nr. 9 S. 1661, 1764 Nr. 11 S. 238 Nr. 12 S. 254 Nr. 15 S. 670 Nr. 16 S. 1479,1734,1824f. Nr. 26 S. 1735 Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei verbum“ vom 18.11.1965 S. 51, 57, 66, 86f„ 93, 120f. Nr. 1 S. 1870 Nr. 2 S. 51, 61f., 150 Nr. 3 S. 61f., 67 Nr. 4 S. 67f., 238 Nr. 5 S. 51f.,62,70,128,254 Nr. 6 S. 55,58, 63, 70,156,181 Nr. 7 S. 79f., 82 Nr. 8 S. 80-82, 86,1291 Nr. 9 S. 80, 82,1833,1870 Nr. 10 S. 20, 81f. Nr. 11 S. 86f., 90 Nr. 12 S. 87f., 90 Nr. 13 S. 87 Nr. 14 S. 93 Nr. 15 S. 93-95 Nr. 16 S. 94 Nr. 17 S. 98 Nr. 18 S. 96 Nr. 19 S. 96f„ 1894f. Nr. 20 S. 97f. 2047 Nr. 21 S. 66,121 Nr. 72 S. 508 Nr. 22 S. 122 Nr. 73, § 5 S. 889 Nr. 23 S. 122 Nr. 75 S. 986 Nr. 24 S. 122f. Nr. 76 S. 1523 Nr. 25 S. 123 Nr. 86 S. 1666 Nr. 26 S. 123 Nr. 88 S. 1645 Nr. 92 S. 1145,1624 Erklärung über die Religionsfrei- heit „Dignitatis humanae“ vom Erklärung über die christliche Er- 7.12.1965 S. 75-77, 117 ziehung „Gravissimum educatio- Nr. 2 S. 76f., 1063,1896 nis“ vom 28.10.1965 Nr. 3 S. 76 Einleitung S. 1616 Nr. 10 S. 75,77 Nr. 2 S. 249,1221 Nr. 11 S. 75,77 Nr. 3 S. 930 Nr. 13 S. 1523 Nr. 8 S. 496 Nr. 10 S. 1627 Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute Dekret über die sozialen Kommu- „Gaudium et spes“ vom nikationsmittel „Inter mirifica“ 7.12.1965 S. 118, 144 vom 4.12.1963 Nr. 1 S. 242,1620 Nr. 10 S. 254 Nr. 2 S. 1693,1770 Nr. 14 S. 345 Nr. 3 S. 1620,1622 Nr. 11 S. 1742 Konstitution über die Kirche „Lu- Nr. 12 S. 1257 men gentium“ vom 21.11.1964 S. 1380 Nr. 13 S. 922,1513 Nr. 1 S. 1203,1217, 1249,1253,1388, Nr. 16 S. 505 1672, 1763 Nr. 19 S. 115 Nr. 8 S. 1829,1850 Nr. 20 S. 116 Nr. 9 S. 489, 607,817 Nr. 21 S. 115,117,1145 Nr. 10 S. 514,1231 Nr. 22 S. 505,710,1181,1257,1670,1832 Nr. 11 S. 276 Nr. 24 S. 262, 591,1216,1672 Nr. 12 S. 81,515,677 Nr. 26 S. 735 Nr. 13 S. 1751,1825 Nr. 29 S. 733,1805 Nr. 18 S. 491,1662,1738 Nr. 36 S. 144,147 Nr. 21 S. 1781,1823-1825 Nr. 39 S. 710 Nr. 22 S. 1663,1744 Nr. 40 S. 709 Nr. 23 S. 672 1250,1255,1662,1826,1835 Nr. 42 S. 1257 Nr. 25 S. 290, 936 Nr. 43 S. 291, 711f. Nr. 26 S. 1281,1803 Nr. 44 S. 844 Nr. 27 S. 1819 Nr. 47-52 S. 1658 Nr. 28 S. 238,605,1023,1735 Nr. 48 S. 977 Nr. 31 S. 635, 888 Nr. 49 S. 922 Nr. 32 S. 603 Nr. 50 S. 297,923 Nr. 33 S. 1023,1170,1413 Nr. 51 S. 987,1707 Nr. 34 S. 1805 Nr. 53 S. 1927 Nr. 36 S. 634,1782f. Nr. 58 S. 1736 Nr. 38 S. 238 Nr. 63 S. 1762 Nr. 40 S. 236 Nr. 69 S. 1667 Nr. 42 S. 238 2048 S. 248 S. 1319 S. 501 S. 248 S. 236,1605 S. 1792 S. 675,1692 S. 675 S. 1692 S. 1499 S. 493 Nr. 43 Nr. 44 Nr. 46 Nr. 47 Nr. 48 Nr. 56 Nr. 61 Nr. 62 Nr. 63 Nr. 65 Nr. 68 Konstitution über die hl. Liturgie „Sacrosanctum concilium“ vom 4.12.1963 Nr. 5 S. 1029 Nr. 7 S. 1434 Nr. 10 S. 1435,1515,1579 Nr. 21 S. 1579 Nr. 102 S. 259 Nr. 112 S. 1514f. Nr. 116 S. 1513 Nr. 118 S. 1656 Dekret über den ökumenismus Erklärung zum Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra aetate“ vom 28.10.1965 S. 108f., 112, 172 Richtlinien, Einleitung S. 1898 Nr. 1 S. 108f., 112 Nr. 2 S. 109f„ 112,1880 Nr. 3 S. 111,1810 Nr.4 S. Ulf., 1108,1283,1285, 1886, 1894-1896 Nr. 5 Nr. 9 S. 961 S. 1897 Dekret über die Ausbildung der Priester „Optatam totius“ vom 18.10.1965 Nr. 2 S. 1561 Nr. 9 S. 1804 „Unitatis redintegratio“ vom 21.11.1964 S. 23, 26, 127 Richtlinien und Hinweise, I S. S. 1888 Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6-7 Nr. 7 Nr. 12 Nr. 13 Nr. 21 Nr. 22 Nr. 24 S. 126-128,1378,1476£. S. 1760 S. 25,126,1290,1888 S. 1290,1378,1433 S. 24,1434 S. 1681 S. 1435 S. 661 S. 126 S. 1477 S. 25f. S. 17 Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens „Per-fectae caritatis“ vom 28.10.1965 Nr. 7 S. 1826 Nr. 8 S. 1826 Nr. 23 S. 1319 Botschaft an die Jugend bei der Abschlußfeier des Konzils am 8.12.1965 Nr. 6 S. 326, 351 Botschaft an die Künstler S. 726 der Priester „Presbyterorum ordi- S. 1702 S. 340,1023 S. 340 S. 254 S. 1360 S. 1490 S. 1023,1704 S. 400 Codex iuris Canonici (CIC) can.211 S. 1820 can. 331 und 360 S. 1764 can. 515, § 1 S. 514 can. 793,2 S. 1830 can. 834 S. 1793 Dekret über Dienst und Leben nis“ vom 7.12.1965 Nr. 1 Nr. 2 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 Nr. 10 Nr. 16 Atbanasisches Glaubensbekenntnis [Symbolum „Quicumque“ pseudo-Athanasianum] S. 227, 232, 239, 245, 261 2049 Eingangsgebet S. 893 Eucharistisches Gebet S. 894 IV. Eucharistisches Hochgebet S. 199 Präfation von Weihnachten S. 720 Liturgie der hl. Messe [Sanctus] S. 266 Kommuniongebet S. 894 Sequenz von Pfingsten S. 100 Laudes Montag I „per annum“ S. 1580 Erste Vesper des Dreifaltigkeitsfestes 1. Ant. S. 263 Erste Vesper vom Fest Peter und Paul (29.6.) S. 1449 - Hymnus der Ersten Vesper S. 1450 Ritus der Kirchweihe S. 816 Bischofssynode [Rom, außerordentliche Bischofssynode 1985] Botschaft an alle Christen in der Welt, in: O.R. dt., 13.12.1985, S. 16 III S. 270 Schlußdokument II, 2 270,274 II, B, a, 2 S. 1680 Belgische Bischofskonferenz Hirtenbrief „Abrüsten, um Frieden zu bauen“, Juli 1983 Nr. 2 S. 649 Lateinamerikanische Bischofskonferenz „Die Evangelisierung Lateinamerikas in Gegenwart und Zukunft“ Dokument der III. Generalkonfe- renz. Puebla 26.1.-13.2.1978 Discurso inaugural, IV S. 1794 Nr. 28 [1,2,2.2] S. 460 Nr. 31 S. 466 Nr. 205 [II, 1,1.10] S. 1772 Nr. 389 [II, 2,2.1] S. 1837 Nr. 404 [II, 2,2.3] S. 379 Nr. 406 S. 379 Nr. 476 [II, 4, 4.2] S. 408 Nr. 526 [II, 5,5.3] S. 1840 Nr. 532 [II, 5,5.4] S. 443 Nr. 882 [III, 2,4.4] S. 1794 Nr. 1212-1213 [IV, 3,3.2] S. 1791 Nr. 1221 [IV, 3,3.3] S. 414 Nr. 1245 [IV, 3,3.3] S. 336 Nr. 1246 [IV, 3, 3.3] S. 463 Niederländische Bischofskonferenz Glaubensvermittlung: Bischöflicher Brief Nr. 1,6, Seite 12 S. 519 Peru, Bischöfe von Hirtenbrief der Bischöfe des Urwaldes, März 1982 Nr. 15 S. 476 Nr. 32 S. 472 Erklärung vom 6. 9.1984 S. 440 Dokument zur „Theologie der Befreiung“ vom Okt. 1984 S. 461 Venezuela, Bischöfe von Pastoralpredigt „Familie, Bevölkerung und Gerechtigkeit“ Nr. 18 S. 297 Bischofskonferenz von Kamerun Kommission für das Apostolat der Laien S. 882 Fürstentum Liechtenstein Landeshymne S. 998 2050 Vita Constantini: Constantinus et Methodius Thes-salonicenses, Fontes, rec. et ill. Fr. II, 1 S. 1134 II, l:ed.cit.,S.220f. S. 1383 - (Anm. 40) S. 1393 II, 1-3 S. 1134 Malta-Report 1972 § 4 S. 1477 § 14 S. 1477 Schlußdokument von Madrid vom 9.9.1983 S. 1913, 1915 2. Intern. Katechetischer Kongreß, Rom, 20.-25. September 1971, Rom, Studium, 1971, S. 449f. S. 146 Grivec et Fr. Tomsic (Radovi Straroslavenskog Instituta, Knjiga 4) Zagreb 1960 1,1: ed. cit., S. 169 S. 1382 - (Anm. 37) S. 1393 VI, 7: ed. cit., S. 179 S. 1373 - (Anm. 17) S. 1393 XIV, 9: ed. cit., S. 200 S. 1373 - (Anm. 16) S. 1393 XVI, 4-6: ed. cit., S. 205 S. 1381 - (Anm. 31) S. 1393 XVI, 8: ed. cit., S. 205 S. 1381 - (Anm. 29) S. 1393 XVI, 12: ed. cit., S. 206 S. 1381 - (Anm. 33) S. 1393 XVI, 13: ed. cit., S. 206 S. 1381 - (Anm. 34) S. 1393 XVI, 58: ed. cit., S. 208 S. 1381 - (Anm. 32) S. 1393 Vita di Ciriilo [s. auch unter Vita Constantini] XVIII, 8-11 S. 1106 Vita Methodii: Constantinus et Methodius Thes-salonicenses, Fontes, rec. et ill. Fr. Grivec et Fr. Tomsic (Radovi Staroslavenskog Instituta, Knjiga 4) Zagreb 1960 V, 2: ed. cit., S. 223 S. 1372 - (Anm. 15) S. 1393 VI, 2-3: ed. cit., S. 225 S. 1370 - (Anm. 8) S. 1392 VII, 2 S. 1564 VII, 2-3 S. 1102,1133 VIII, 11 S. 1134 VIII, 11-13 S. 1131 XIV, 1 S. 1135 XVII, 1 S. 1135 XVII, 11: ed. cit., S. 237 S. 1389 - (Anm. 47) S. 1393 XVII, 11-12 S. 1102 XVII, 14 S. 1139 Ambrosius De Sacramentis, 4,25: SC 25-116 S. 1855 Expositio evangelii secundum Lucam II, 26 S. 1656 Augustinus Bekenntnisse [Confessiones] I, 1 S. 66 III, IV, 11: PL 32,687 S. 151 III, VI, 11:CSEL33,S.53 S. 1179 De bono viduitatis 21,26 S. 560 Enarrationes in psalmos 67,5: PL36, 814f. S. 1515 Quaestiones in heptateuchum 2,73: PL 34, 623 S. 94 Sermo 34,6 S. 1656 179,1: PL38, 966 S. 123 192,1 S. 1718 295: PL 38,1352 S. 1448 340,1: PL 38,1483 S. 1176 Beda Venerabiiis Homiliae evangelii 21 S. 1541 Benedikt [von Nursia] Regula c. XIX, 7 S. 1487 2051 Bergson, Henri Les deux sources de la morale et de la religion (Bibi, de Philosophie contemporaine), Paris 1932 S. 1146 Bernadette Soubirous, hl. Note intime S. 14 S. 1099 S. 20 S. 1099 Bernoldo, Chronicon ad annum 1085: ed. PERTZ, Monumenta Germaniae Historica, Scriptores V, 444 S. 1345 Boethius De duabus naturis et una persona Christi: PL 64,1343 D S. 261 Boff, Leonardo OFM „Igreja, carisma e poder“, ed. Vo-zes, Petropolis 1981. Die Zitate dieser Notifikation beziehen sich auf die italienische Übersetzung: „Chiesa: Carisma e Potere“, ed. Borla, Roma 1983 S. 1847 S. 70,110-112,129f., 138 S. 1849 S. 73f., 134f. S. 1851 S. 131 S. 1850 Briet an Diognet S. 686 Celano, Thomas v. Vita (des Franz von Assisi) Nr. 35 S. 1423 Chrysostomus, Johannes Homilia in Matthäum 59,7 S. 307 Homilie 47: PG 63, 898ff. S. 1855 Cicero De finibus... 5,23,67 S. 1481 Clemens von Alexandrien Stromata 1,20: PG 8, 816 S. 1626 Cyrill von Jerusalem 5. Mystagogische Katechese, Nr. 21: PG 33,1125, oder SC 126, 171 S. 1855 Dante, Alighieri Divina Comedia l. Hauptteil: Inferno, XXVI, 114f. S. 1357 3. Hauptteil: Paradiso (Paradies) m, 25 S. 1125 XXXIII, 145 S. 1357 Eusebius r. Caesarea Historia Ecclesiastica IV, 5 S. 1893 Eymieu, A. La part des croyants dans les progres de la Science, 6. ed., Perrin 1935, S. 274 S. 144 Franz von Assisi Regola Bollata Kap. 1 S. 1422 Gilson, E. Le thomisme, Paris 51944, ed. Vrin,S. 33,35,41,155-156 S. 164 Giuliano da Spira [Julian von Speyer] Vita (des Franz von Assisi) Nr. 28 S. 1423 Hieronymus Commentarii in Isaiam, Prolog: PL 24,17 S. 123 . Epistula 48, Ad Pamm. S. 1519 Ignatius von Antiochien Ad Romanos, Inscr., Funk 1, S. 253 S. 1643 Brief an Bischof Polycarp I—III S. 1126 Ignatius von Loyola Geistliche Übungen 91 S. 1542 234 S. 1544 2052 Irenaus [ron Lyon] Adversus Haereses: PG 7, 550-554 III, 3,1 IV, 32,1: PG 7,1071 S. 1791 S. 80 S. 121 Johannes vom Kreuz Subida [Salita] del Monte Carmelo 35/36,10 119.3 1122.3 S. 179 S. 179 S. 1851 Justinus II, 13,3 S. 109 Katharina ron Siena Brief Nr. 368 an Stefano di Corra-do Maconi S. 1249 S. Catharinae Legenda major 1,10 S. 165 Leo, hl. Sermo 14, De passione domini S. 782 Manzoni, Aiessandro I Promessi Sposi XXII S. 765 Marchesan, A. Pio X. (Einsiedeln 1905) S. 26 S. 772 Maritain, J. Pour une philosophie de l’historie, Kap. IV, VI, 9 S. 1136 Paüotti, Vinzenz, hi. Lettere 527 S. 1606 OOCC [= Opere complete, ed. Fr. Moccia, Roma] I, 5-7 III, 137/1 III, 143 S. 1606 S. 1607 S. 1607 Raccolta (Roma 1929) I, 35 S. 1607 Werke [= OOCC III, 137-143], III, 137-143 S. 1263 Pascal S. 1144 Polo, Marco II Milione, LXXXI, Mailand 1955, S. 134 RampoUa, Kardinal 11. Januar 1899 Tertullian Theresia von Jesus Moradas quintas 2,4 Thomas von Aquin Summa Theologica I, q. 3ff. I, q. 5 a. 4, ad 2 c. ed ad lm I, q. 12, a. 12 s. I, q. 29, a. 3 I—II, q. 93, La 1 Contra gentiles, I, cc. 14,30 Super Ioannem, XXI, V, 2639 Thomas von Kempen Imitatio Christi (Die Nachfolge Christi) Tommaso da Spaiato Fonti Franc., n. 2252 Verdzekor, Paul, Erzbischof von Bamenda (Kamerun) Brief vom 12.7.1982 Willibrord, hi. Offizium Wojtyfa, Karoi Alle Fonti del Rinnovamento, L.E.V. 1981, S. llf., 187f. Zia-uI-Haq, Mohammad, General Botschaft des pakistanischen Staatspräsidenten S. 1110 S. 533 S. 1774 S. 367 S. 183 i. 191,194 S. 257 164 S. 257 S. 272 S. 164 S. 1714 S. 102 S. 1249 S. 845 S. 610 :. 211, 237 S. 1808