Der Apostolische Stuhl 1990 Ansprachen, Predigten und Botschaften des Papstes Erklärungen der Kongregationen Vollständige Dokumentation Libreria Editrice Vaticana • Verlag J.P. Bachem CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ecclesia Catholica / Curia Romana: Der Apostolische StuhlAnsprachen, Predigten u. Botschaften des Papstes, Erkl. d. Kongregationen; vollst. Dokumentation / Hrsg.: Sekretariat d. Dt. Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit d. Red. d. dt.-sprachigen L’Osservatore Romano. -[Cittä del Vaticano]: Libreria Editrice Vaticana; Köln: Bachem Erscheint jährl. Forts, von: Wort und Weisung 1982(1990)- NE: Ecclesia Catholica / Papa; HST ISBN 3-7616-1244-3 Printed in Germany Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Redaktion des deutschsprachigen L’Osservatore Romano Verlag: J. B. Bachem, Köln, und Liberia Editrice Vaticana Druck: Druckerei J.B. Bachem GmbH & Co KG Köln Vorwort Der Dokumentationsband „Der Apostolische Stuhl 1990” ist der neunte Band in der 1982 begonnenen Reihe. Die Zusammenstellung der Ansprachen, Predigten, Botschaften und Enzykliken des Papstes erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Ausgabe. Es geht vielmehr darum, die Dokumente mit Hilfe eines ausführlichen Registers zugänglich zu machen. Die Übersetzungen sind weitgehend der deutschen Ausgabe des „L’Osservatore Romano” entnommen. Sofern Texte dort nicht erschienen sind, wurden sie eigens für diesen Band übersetzt. Zur Vervollständigung der Reihe „Der Apostolische Stuhl” können die Bände der Jahre 1982 bis 1989 noch beim Verlag bezogen werden. V Inhaltsverzeichnis I. Ansprachen bei den Generalaudienzen und beim Angelus Januar Wir wollen Friedensstifter sein Angelus am 1. Januar 3 Der Geist Gottes setzt in Bewegung Generalaudienz am 3. Januar 4 Allen Gottes Liebe verkünden Angelus am 6. Januar 8 Die Taufe gut vorbereiten Angelus am 7. Januar 9 Die schöpferische Kraft des Geistes Gottes Generalaudienz am 10. Januar 10 Priester für das dritte Jahrtausend Angelus am 14. Januar 14 Gott ist mit dir Generalaudienz am 17. Januar 15 Gemeinsam Zeugnis ablegen Angelus am 21. Januar 18 Nicht auf halbem Weg stehenbleiben Generalaudienz am 24. Januar 19 Februar Gott beruft die Priester Angelus am 4. Februar 22 Deutsche Katholiken brachten zuerst Hilfe Generalaudienz am 7. Februar 24 Maria zu sich nehmen Angelus am 11. Februar 28 IX Der prophetische Geist im Dienst des Wortes Generalaudienz am 14. Februar 29 Der Priester ist Zeuge der Liebe Christi Angelus am 18. Februar 33 Die heiligende Kraft des Geistes Generalaudienz am 21. Februar 34 Brüderlichkeit in Liebe Angelus am 25. Februar 38 Nimm deinen Geist nicht von mir Generalaudienz am 28. Februar 39 März Treue Priester vor Gott Angelus am 4. März 43 Der Priester: Mann des Gebets Angelus am 11. März 45 Gott ein Freund der Menschen Generalaudienz am 14. März 46 Gottes Weisheit Raum geben Angelus am 18. März 50 Meinen Geist habe ich auf ihn gelegt Generalaudienz am 21. März 51 Wir sind Gottes Mitarbeiter Angelus am 25. März 56 Der Geist - Lehrer der Wahrheit und des Lebens Generalaudienz am 28. März 58 April Laßt euch mit Gott versöhnen Angelus am 1. April 61 Wirken des Geistes in der Menschwerdung Generalaudienz am 4. April 62 Sieg des Kreuzes ist die Auferstehung Generalaudienz am 11. April 67 Gottes Geist verbindet Schöpfer und Geschöpf Generalaudienz am 18. April 70 X 75 Eucharistie ist Danksagung Generalaudienz am 25. April Mai Gott liebt den Menschen ewig Generalaudienz am 2. Mai 79 Ruf der Völker zur Heiligkeit Generalaudienz am 16. Mai 82 Dienst für die Kirche Christi Regina caeli am 20. Mai 86 Das Geheimnis der Menschwerdung Generalaudienz am 23. Mai 87 Die naturgegebene Mission weiterführen Generalaudienz am 30. Mai 91 Juni Priesterausbildung muß missionarisch sein Regina caeli am 3. Juni 95 Menschwerdung Christi: Quelle der Heiligkeit Generalaudienz am 6. Juni 96 Diener des Geistes Angelus am 10. Juni 100 Der Heilige Geist wirkte in Maria Generalaudienz am 13. Juni 101 Gottes Liebe verläßt uns nie Angelus in Orvieto am 17. Juni 105 Gottes Geist führt und bewegt uns Generalaudienz am 20. Juni 106 Der Priester: Zeuge der Freude Angelus am 24. Juni 110 Wachsen in der Gnade und Weisheit Generalaudienz am 27. Juni 111 Die Gemeinschaft mit Petrus festigen Angelus am Fest Peter und Paul, 29. Juni 115 XI Juli Priester: Dienst am Heiligen Angelus am 1. Juli 116 Gottes Wort aufnehmen und bewahren Generalaudienz am 4. Juli 117 Priester zur Armut ermutigen Angelus am 8. Juli 120 Die Herabkunft des Geistes bei der Taufe Jesu Generalaudienz am 11. Juli 121 Stella alpium - Stern der Alpen Angelus in Barmasc am 15. Juli 126 Die Wüste - ein Ort der Versuchung Generalaudienz am 21. Juli 127 Gehorsam im Dienst für Gott Angelus in Castel Gandolfo am 22. Juli 132 Die Sünde gegen den Heiligen Geist wird nicht vergeben Generalaudienz am 25. Juli 133 In der Ausbilung offen sein für die Gnade Angelus in Castel Gandolfo am 29. Juli 138 August Vom Kreuz kommt die heilende Kraft Generalaudienz am 1. August 139 Maria erzieht zur Dienstbereitschaft Angelus in Castel Gandolfo am 5. August 144 Der lebenspendende Geist Generalaudienz am 8. August 145 Der Priesterdienst an den Kranken Angelus in Castel Gandolfo am 12. August 149 Mit ihr wird der Weg leichter Angelus in Castel Gandolfo am 15. August 150 Ganz für den Herrn dasein Angelus in Castel Gandolfo am 19. August 151 Der Heilige Geist ist Person Generalaudienz am 22. August 153 Hoffnung für die ganze Kirche Angelus in Castel Gandolfo am 26. August 156 xn 159 Der Heilige Geist - göttliche Person Generalaudienz am 29. August September Eucharistie: Ausdruck der Gemeinschaft Generalaudienz am 12. September 162 Der Priester - Mann des Opfers Angelus in Castel Gandolfo am 16. September 167 Handeln des Geistes in Christus Generalaudienz am 19. September 168 Der Geist gibt den Glauben weiter Generalaudienz am 26. September 172 Das Priesteramt in der Kirche Angelus am 30. September 177 Oktober Der Geist ist Geber aller Gaben Generalaudienz am 3. Oktober 178 Den Herrn der Ernte bitten Angelus am 7. Oktober 182 Gottes Geist wohnt im Menschen Generalaudienz am 10. Oktober 183 Der Heilige Geist als Wind und Feuer Generalaudienz am 17. Oktober 188 Dank an Missionare in aller Welt Angelus am 21. Oktober 192 Wasser ist lebenspendende Kraft Generalaudienz am 24. Oktober 194 Werkzeuge der Großtaten Gottes Angelus am 28. Oktober 199 Spender der göttlichen Gaben Generalaudienz am 31. Oktober 200 November Bergpredigt: ein Lebensprogramm Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November 205 xm Berufen zur Heiligkeit Angelus am 4. November 206 Der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht Generalaudienz am 7. November 207 Der Heilige Geist - Band der Einheit zwischen Vater und Sohn Generalaudienz am 14. November 213 Frieden für den Mittleren Osten schenken Angelus am 18. November 218 Der Heilige Geist - die gute Gabe Generalaudienz am 21. November 219 Christus muß herrschen Angelus am Christkönigsfest, 25. November 223 Der Heilige Geist - Seele der Kirche Generalaudienz am 28. November 224 Dezember Rückkehr zum christlichen Leben Angelus am 1. Adventssonntag, 2. Dezember 230 Der Geist - Quelle der Einheit Generalaudienz am 5. Dezember 231 Maria Mutter der Menschheit Angelus am 8. Dezember 236 Niemand ist vom Heil ausgeschlossen Angelus am 2. Adventssonntag, 9. Dezember 237 Kirche ist Versammlung der Gläubigen Generalaudienz am 12. Dezember 238 Verantwortungsvoll für die Gegenwart und die Zukunft sorgen Angelus am 3. Adventssonntag, 16. Dezember 243 Weihnachten das Fest der Liebe Gottes Generalaudienz am 19. Dezember 244 Gottes Erbarmen lebt weiter Angelus am 4. Adventssonntag, 23. Dezember 248 Klare Zeugen des Evangeliums Angelus am 26. Dezember 249 Die Familie: Mittelpunkt des Heilsplans Angelus am 30. Dezember 250 XIV II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen 1. Sechste Pastoraireise nach Afrika (25. Januar bis 1. Februar) Donnerstag, 25. Januar Ansprache während der Begrüßungszeremonie auf den Kapverdischen Inseln 255 Ansprache bei der Begegnung mit den Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und in der Pastoral engagierten Laien auf der Insel Santiago (Kapverdische Inseln) 259 Freitag, 26. Januar Predigt beim Wortgottesdienst in Mindelo (Kapverdische Inseln) 263 Predigt bei der Messe auf der Insel Santiago (Kapverdische Inseln) , 268 Ansprache an die Jugend auf den Kapverdischen Inseln 273 Samstag, 27. Januar Ansprache bei der Verabschiedung von den Kapverdischen Inseln 276 Ansprache bei der Begegnung mit Priestern, Ordensleuten, Katechisten und Seminaristen in Bissau (Guinea-Bissau) 279 Ansprache als Antwort auf die Grußworte des Präsidenten der Republik Guinea-Bissau in Anwesenheit der Vertreter des Staates und des Diplomatischen Korps 283 Predigt bei der Messe im Nationalstadion von Guinea-Bissau 286 Ansprache bei der Segnung und Eröffnung des Kleinen örtlichen Seminars in Guinea-Bissau 291 Sonntag, 28. Januar Begrüßungsworte an die Aussätzigen in Cumurä (Guinea-Bissau) 294 Ansprache beim Abschied von Guinea-Bissau 295 Ansprache bei der Begegnung mit den Pastoralmitarbeitem in der Kathedrale von Bamako (Mali) 297 Angelus in Bamako (Mali) 300 XV Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen in Bamako (Mali) 301 Predigt bei der Messe in Bamako (Mali) 303 Ansprache bei dem Treffen mit den Jugendlichen in Bamako (Mali) 307 Montag, 29. Januar Predigt bei der Messe in Ouagadougou (Burkina-Faso) 310 Ansprache bei der Begegnung mit Priestern und Pastoralhelfem in der Kathedrale von Ouagadougou (Burkina-Faso) 314 Ansprache am Sitz der Westafrikanischen Wirtschaftskommission (CEAO) in Ouagadougou (Bukina-Faso) 316 Ansprache an die Bischöfe von Burkina-Faso und Niger in Ouagadougou (Burkina-Faso) 320 Dienstag, 30. Januar Predigt bei der Messe in Bobo Dioulasso (Burkina-Faso) 323 Begrüßungsansprache auf dem Flughafen von N’Djamena (Tschad) 326 Ansprache bei der Marienfeier in N’Djamena (Tschad) 328 Mittwoch, 31. Januar Ansprache bei der Begegnung mit Priestern, Ordensleuten und Seminaristen in N’Djamena (Tschad) 331 Predigt bei der Messe in Moundou (Tschad) 334 Predigt beim Wortgottesdienst in Sarh (Tschad) 338 Ansprache während der Begegnung mit den Bischöfen in N’Djamena (Tschad) 341 Donnerstag, 1. Februar Predigt bei der Messe für die christlichen Familien in N’Djamena (Tschad) 343 Begegnung mit dem Diplomatischen Korps in N’Djamena (Tschad) 346 Amsprache an die Bevölkerung von N’Djamena (Tschad) 350 XVI 2. Pastoralbesuch in Ivrea (18./19. März) Sonntag, 18. März Predigt bei der Messe in Ivrea 352 Ansprache an die Priester, Ordensleute und Laien in der Kathedrale von Ivrea 354 Montag, 19. März Ansprache an die Landwirte der Diözese Ivrea 358 Ansprache an die Jugendlichen in der Diözese Ivrea 359 Ansprache an die Führungskräfte und Arbeiter des Lancia-Autowerkes 362 Predigt in der Abteikirche San Benigno Canavese am Fest des hl. Josef 366 Ansprache beim Besuch des Olivetti-Werks in Scarmagno 369 Ansprache an die Leitung und Belegschaft von Olivetti 371 3. Pastoralbesuch in der Tschechoslowakei (21./22. April) Samstag 21. April Ansprache nach der Ankunft auf dem Flughafen von Prag 375 Ansprache in Prag bei der Begegnung mit Persönlichkeiten aus dem Kulturleben 378 Ansprache an die Priester, Ordensleute und engagierten Laien im Dom von Prag 384 Ansprache an die Tschechoslowakische Bischofskonferenz in Prag 391 Predigt bei der Messe für die Gläubigen der Kirchenprovinz Prag 395 Sonntag, 22. April Predigt während der Eucharistiefeier in Velehrad 398 Regina Caeli in Velehrad 402 Predigt bei der Hl. Messe auf dem Flughafen von Preßburg 403 Ansprache am Schluß der Messe in Preßburg 407 Ansprache beim Abschied auf dem Flughafen von Preßburg 410 xvn 4. Zweite Pastoraireise nach Mexiko und Curagao (Union der Niederländischen Antillen) (6. bis 14. Mai) Sonntag, 6. Mai Ansprache bei der Ankunft in Mexiko 412 Predigt bei der Messe zur Seligsprechung in Mexiko-Stadt 414 Montag, 7. Mai Predigt bei der Messe im Chalco-Tal, Diözese Netzahualcoyotl (Mexiko) 420 Predigt beim Wortgottesdienst am Malecön von Veracruz (Mexiko) 425 Dienstag, 8. Mai Grußwort an die Bevölkerung und die Lehrer Mexikos in Aguascalientes 430 Regina Caeli in San Juan de los Lagos (Mexiko) 432 Predigt bei der Messe für die Jugendlichen in San Juan de los Lagos (Mexiko) 434 Ansprache an das Diplomatische Korps in Mexiko-Stadt 438 Mittwoch, 9. Mai Ansprache an die Inhaftierten in Durango (Mexiko) 441 Ansprache an die Unternehmer in Durango (Mexiko) 443 Begrüßung der Gläubigen beim Besuch in der Kathedrale in Durango (Mexiko) 448 Predigt bei der Priesterweihe in Durango (Mexiko) 450 Donnerstag, 10. Mai Ansprache bei der Begegnung mit den Familien in Chihuahua (Mexiko) 455 Predigt in der Messe für Arbeiter und Unternehmer in Monterrey (Mexiko) 459 xvin Freitag, 11. Mai Predigt beim Wortgottesdienst in Tuxtla Gutierrez 464 Ansprache bei der Segnung der Kathedrale und Gruß an die Kranken in Villahermosa (Mexiko) 469 Predigt bei der Eucharistiefeier in Villahermosa (Mexiko) 471 Samstag, 12. Mai Predigt bei der Eucharistiefeier mit den Land- und Grubenarbeitern sowie den Emigranten in Zacatecas (Mexiko) 475 Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen Mexikos 479 Ansprache bei der Begegnung mit den Priestern, den Ordensmännem, Ordensffauen, den Seminaristen und den engagierten Laien in Mexiko-Stadt 486 Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern des kulturellen Lebens in Mexiko-Stadt 491 Sonntag, 13. Mai Ansprache beim Abschied in Mexiko-Stadt 497 Ansprache bei der Begegnung mit der Premierministerin der Niederländischen Antillen, Frau Maria Liberia Peters, in Willemstad 499 Botschaft an die Jugend der Niederländischen Antillen 501 Predigt bei der Eucharistiefeier in Willemstad (Niederländische Antillen) 506 Weihegebet an die Gottesmutter 510 Ansprache bei der Abschiedszeremonie in Curagao 511 5. Pastoraireise nach Malta (25. bis 27. Mai) Freitag, 25. Mai Ansprache beim Treffen mit dem Präsidenten, Mitgliedern der Regierung von Malta und des Diplomatischen Korps 512 Ansprache bei der Begegnung mit Priestern und Ordensleuten in La Valletta (Malta) 515 XIX Samstag, 26. Mai Ansprache beim Besuch des Marienheiligtums in Mellieha (Malta) 519 Ansprache bei der Begegnung mit den Arbeitern auf dem St.-Margarethen-Platz in Cottonera (Malta) 521 Predigt bei der Messe vor dem Marienheiligtum in Ta’Pinu (Gozo/Malta) 525 Grußwort beim Besuch der Kathedrale in Victoria auf der Insel Gozo (Malta) 529 Sonntag, 27. Mai Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend im Nationalstadion von Ta’Qali (Malta) 531 Ansprache bei der Begegnung mit den Kranken vor dem Regina Caeli in Rabat (Malta) 535 Ansprache bei der Begegnung mit Intellektuellen in Sliema (Malta) 537 Ansprache bei der Ökumenischen Begegnung in Mdina (Malta) 540 Predigt bei der Messe in Floriana (Malta) 543 Ansprache bei der Abschiedszeremonie in Luqa (Malta) 546 6. Pastoralbesuch in Benevent (2. Juli) Montag, 2. Juli Ansprache bei der Einweihung des Seminars 548 Marianische Betrachtung beim Heiligtum der Mutter der göttlichen Gnade 550 Predigt bei der Eucharistiefeier 552 Ansprache bei der Begegnung mit Kranken und Ärzten 555 Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend 556 Ansprache an die Priester, Ordensleute und engagierten Laien 559 7. Siebte Pastoralieise nach Afrika (1. bis 10. September) Samstag, 1. September Ansprache bei der Ankunft in Dar es Salaam (Tansania) 563 Ansprache bei der Begegnung mit dem Diplomatischen Korps in Dar es Salaam (Tansania) 565 XX Sonntag, 2. September Ansprache beim Besuch der Kathedrale von Dar es Salaam (Tansania) 568 Ansprache bei der Begegnung mit Priestern und Ordensleuten in Dar es Salaam (Tansania) 570 Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen in Dar es Salaam (Tansania) 574 Ansprache bei der Begegnung mit religiösen Führungspersönlichkeiten in Dar es Salaam (Tansania) 578 Predigt bei der Priesterweihe in Dar es Salaam (Tansania) 581 Gebet in Dar es Salaam (Tansania) 584 Montag, 3. September Predigt bei der Eucharistiefeier in Songea (Tansania) 585 Ansprache bei der Segnung der Kranken in Mwanza (Tansania) 588 Dienstag, 4. September Predigt bei der Eucharistiefeier in Mwanza (Tansania) 591 Ansprache beim Wortgottesdienst in Tabora (Tansania) 594 Ansprache in der Kathedrale von Moshi (Tansania) 598 Mittwoch, 5. September Predigt bei der Eucharistiefeier im Kilimandscharo-Stadion von Moshi (Tansania) 600 Abschiedsansprache auf dem Kilimandscharo-Flughafen in Moshi (Tansania) 603 Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen von Bujumbura (Burundi) 605 Ansprache bei der Begegnung mit den katholischen Intellektuellen und leitenden Persönlichkeiten in Universität, Verwaltung und öffentlichem Leben in Bujumbura (Burundi) 607 Ansprache bei der Begegnung mit dem Diplomatischen Korps in Bujumbura (Burundi) 610 Ansprache bei der Begegnung mit der Bischofskonferenz von Burundi in Bujumbura 613 XXI Donnerstag, 6. September Ansprache bei der Begegnung mit den nichtkatholischen Gemeinschaften und den Vertretern anderer Religionen in Bujumbura (Burundi) 617 Predigt bei der Eucharistiefeier in Gitega (Burundi) 619 Ansprache beim Treffen mit den Laien in der Kathedrale von Gitega (Burundi) 623 Ansprache beim Treffen mit den Priestern und Ordensleuten in der Kathedrale von Bujumbura (Burundi) 626 Freitag, 7. September Botschaft an die Kranken und das Pflegepersonal beim Besuch im Prinzregent-Charles-Krankenhaus in Bujumbura (Burundi) 631 Ansprache beim Besuch im Prinzregent-Charles-Krankenhaus in Bujumbura (Burundi) 633 Predigt bei der Messe zur Priesterweihe in Bujumbura (Burundi) 634 Abschiedsworte am Flughafen von Bujumbura (Burundi) 638 Begrüßungsansprache am Flughafen von Kigali (Rwanda) 639 Ansprache beim Besuch der Kathedrale von Kigali (Rwanda) 641 Ansprache bei der Begegnung mit dem Diplomatischen Korps in Kigali (Rwanda) 642 Samstag, 8. September Radiobotschaft an die Landbevölkerung von Rwanda 644 Predigt bei der Priesterweihe in Kabgayi (Rwanda) 646 Ansprache in der Kathedrale von Kabgayi (Rwanda) 650 Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend im Stadion Amahoro in Kigali (Rwanda) 651 Ansprache bei der Begegnung mit Staatsbeamten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Kigali (Rwanda) 655 Sonntag, 9. September Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen in Kigali (Rwanda) 660 Predigt bei der Meßfeier für die Familie in Kigali (Rwanda) 664 xxn Angelus in Kigali (Rwanda) 668 Ansprache bei der Begegnung mit den Verantwortlichen der nichtkatholischen Gemeinschaften und den Vertretern anderer Religionen in Kigali (Rwanda) 669 Ansprache beim Abschied auf dem Flughafen in Kigali (Rwanda) 671 Montag, 10. September Predigt bei der Messe zur Weihe der Basilika Unserer Lieben Frau vom Frieden in Yamoussoukro (Elfenbeinküste) 672 Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der afrikanischen Sonderversammlung der Bischofssynode in Yamoussoukro (Elfenbeinküste) 677 Ansprache beim Abschied auf dem Flughafen von Yamoussoukro (Elfenbeinküste) 681 8. Pastoralbesuch in der Erzdiözese Ferrara-Comacchio (22./23. September) Samstag, 22. September Ansprache an die Bevölkerung von Ferrara 684 Sonntag, 23. September Predigt bei der Messe in Ferrara 686 Angelus in Ferrara 689 Ansprache an die Bevölkerung von Argenta sowie Kirchenvertreter aus der ganzen Region Emilia-Romagna 690 9. Pastoralbesuch in Genua (14. Oktober) Sonntag, 14. Oktober Predigt bei der Messe auf der Piazza della Vittoria 694 Akt der Weihe an Maria nach der Messe auf der Piazza della Vittoria 697 Angelus in Genua 698 xxm 10. Pastoralbesuch in Neapel und den Diözesen Kampaniens (9. bis 13. November) Freitag, 9. November Ansprache an die Vertreter der Hochschulen in Neapel 701 Ansprache an die Bevölkerung von Neapel 704 Samstag, 10. November Predigt bei der Eucharistiefeier im Priesterseminar Neapel 706 Ansprache an die Arbeiter in Neapel 707 Ansprache an die Verwaltungskräfte in Neapel 710 Ansprache an die Priester und Ordensleute in Neapel 713 Ansprache an die Jugend von Neapel 716 Ansprache an die Bewohner des Stadtviertels Scampia in Neapel 720 Sonntag, 11. November Predigt bei der Eucharistiefeier in Neapel 722 Angelus in Neapel 726 Ansprache im Krankenhaus Cardarelli in Neapel 727 Ansprache an die Unternehmer in Neapel 730 Ansprache bei der Begegnung mit den Gefangenen in Poggioreale (Region Kampanien) 733 Montag, 12. November Predigt beim Wortgottesdienst in Pagani (Region Kampanien) 736 Ansprache an die Bevölkerung von Nocera Inferiore (Region Kampanien) 738 Predigt bei der Eucharistiefeier in Pozzuoli (Region Kampanien) 740 Ansprache an die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen in Pagani (Region Kampanien) 743 Dienstag, 13. November Ansprache an die Priester und verantwortlichen Laien in Aversa 747 Ansprache im Marienheiligtum von Casapesenna 750 XXIV Ansprache an die Landbevölkerung 753 Predigt in Aversa 756 Ansprache beim Besuch des Missionsseminars des Päpstlichen Instituts für die Auslandmission (PIME) in Trentola-Decenta 758 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben Januar Friede mit Gott, dem Schöpfer - Friede mit der ganzen Schöpfung Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 763 Der Friede verlangt ein besonderes Verantwortungsbewußtsein Predigt am Hochfest der Gottesmutter Maria und Weltfriedenstag, 1. Januar 770 Zeichen der Katholizität der Kirche Predigt bei der Bischofsweihe am 6. Januar 772 Die Taufe führt zur Fülle des Lebens Predigt am Fest der Taufe des Herrn, 7. Januar 774 Die Ideologien zeigten ihren Mißerfolg Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur am 12. Januar 776 Einheit der menschlichen Familie festigen und vervollständigen Ansprache an das Diplomatische Korps am 13. Januar 779 Pastoral und Recht in der Kirche Ansprache an den Gerichtshof der Rota Romana zur Eröffnung des Gerichtsjahres am 18. Januar 788 Den Glauben ohne bittere Polemik verteidigen Ansprache an die Mitarbeiter von „La Civiltä Cattolica” am 19. Januar 792 Tatkräftige und beständige Zusammenarbeit Neujahrsansprache an die römische Stadtverwaltung am 20. Januar 795 Die christliche Botschaft im heutigen Zeitalter der Informatik Botschaft zum 24. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 27. Mai, veröffentlicht am 24. Januar 798 Sorge um die Leidenden: Aufgabe der Kirche Botschaft zum Welt-Lepratag am 28. Januar 800 XXV Februar Das Licht Christi hilft uns Predigt am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 803 Bruderkrieg sofort beenden Botschaft an den maronitischen Patriarchen von Antiochien, Nasrallah Pierre Sfeir, vom 5. Februar 806 Das Ordensleben ist eine Initiative Gottes Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses über die „Theologie des gottgeweihten Lebens“ am 9. Februar 806 Die Liebe zum Leben fördern Ansprache an die Vollversammlung des Rates für die Pastoral im Krankendienst am 9. Februar 809 Im Kranken Begegnung mit dem leidenden Christus Predigt bei der Messe mit den Kranken am 11. Februar 814 Beharrlich Zeugnis geben Grußwort an die Teilnehmer der „Graduate School” des Ökumenischen Instituts von Bossey am 12. Februar 817 Priesterausbildung kostet Einsatz und Anstrengung Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode am 15. Februar 818 Christen und Muslime können Zusammenarbeiten Grußwort an die Delegation der World Islamic Call Society vom 15. Februar 820 Flüchtlinge sind die Nächsten der Nächsten Botschaft für die Fastenzeit 1990 vom 8. September 1989, veröffentlicht 21. Februar 821 Entscheidung für das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit Predigt beim Besuch der Pfarrei Vitinia am 25. Februar 824 Förderung des Menschen ist Auftrag für Kirche und Staat Ansprache an die Vertreter des Rats der Provinz Rom am 26. Februar 827 Umwandlung des inneren Menschen Predigt bei der Liturgiefeier in Santa Sabina am Aschermittwoch, 28. Februar 830 XXVI März Kirche ist in jeder Pfarrei Ansprache an die Pfarrer der Diözese Rom am 1. März 831 Grundwerte der Familie bedroht Ansprache an den Italienischen Verband Christlicher Familienberatungsstellen am 2. März 835 Der Kultur galt besondere Aufmerksamkeit Amsprache an die kirchliche Bewegung für kulturelles Schaffen am 3. März 838 Analphabetentum: eine große Armut Schreiben an den Generalsekretär der Vereinten Nationen Javier Perez de Cuellar vom 3. März 840 Gottes Segen für Namibia Glückwunschtelegramm anläßlich der Proklamierung der Unabhängigkeit der südwestafrikanischen Republik Namibia an den neugewählten namibischen Staatspräsidenten Sam Nunoma vom 11. März 842 Leiden und Hoffnungen mit den Armen teilen Schreiben an den Generalobem des „Kleinen Werkes der Göttlichen Vorsehung” des sei. Don Orione vom 12. März 842 Den Durst nach religiöser Wahrheit stillen Gruß wort an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel vom 15. März 845 Adle Formen des Rassismus bekämpfen Grußadresse an die Vertreter des Amerikanischen Jüdischen Komitees vom 16. März 847 Jugenderziehung: Erfüllung des Auftrages Christi Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels der Christlichen Brüder am 29. März 848 Die Vatikanischen Archive: ein unschätzbares Erbe für die Kirche und die internationale Gemeinschaft Gruß wort an den Vorstand des Internationalen Rates der Archive vom 30. März 850 Beichte: Vergebung dem einzelnen Ansprache an die Apostolische Pönitentiarie am 31. März 851 Michelangelo läßt uns staunen Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Studientreffens über „Michelangelo und die Sixtinische Kapelle” am 31. März 853 xxvn Die Kirche: ein Zeichen der Einheit Ansprache an die Jugendlichen der Fokolare-Bewegung am 31. März 855 April Dialog: ein Akt des Gehorsams Grußwort an die Mitglieder des Katholischen Komitees für kulturelle Zusammenarbeit beim Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen vom 4. April 857 Zeugen des Reiches Gottes Predigt bei der Bischofsweihe am 5. April 858 Militärdienst festigt den Charakter Gruß an die Soldaten der Garnison Rom am 6. April 860 Höre auf Christus den Herrn Botschaft an die am Vorabend von Palmsonntag in Notre-Dame in Paris versammelte Jugend vom 7. April 863 Kirche und Sendung in ihr neu entdecken Botschaft an die Jugendlichen der Welt zum Weltjugendtag 1990 am 8. April, veröffentlicht am 26. November 1989 864 Mit Christus in Jerusalem einziehen Predigt am Palmsonntag, 8. April 867 Wallfahrt ins 3. Jahrtausend Aufruf zum 6. Weltjugendtag 1991 in Tschenstochau am Palmsonntag, 8. April 869 Das Priestertum ist ein Dienst Schreiben an alle Priester der Kirche zum Gründonnerstag 1990, vom 12. April 869 Priester Christi, des treuen Zeugen Predigt in der Chrisammesse am Gründonnerstag, 12. April 873 Das Heute der Erlösung Predigt bei der Abendmahlsfeier in der Lateranbasilika am 12. April 874 Mittler eines neuen Bundes Ansprache nach dem Kreuzweg beim Kollosseum am Karfreitag, 13. April 876 Alleluia! - Inbegriff der Osterfreude Predigt bei der Feier der Ostemacht am 14. April 877 xxvm Christus befreit uns von jeder Knechtschaft Osterbotschaft vor dem Segen Uibi et Orbi am Ostersonntag, 15. April 878 Ängste und Unsicherheit verschwinden Ansprache an UNIV 90 am 15. April 880 Auf den Spuren des hl. Willibrord Ansprache an die Teilnehmer der Jugendwallfahrt aus dem Großherzogtum Luxemburg am 19. April 883 Die Menschen sind beweglicher denn je Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog am 26. April 884 Ein Wegweiser in die Zukunft Ansprache an die Teilnehmer des Akademischen Symposiums anläßlich des 100. Todesjahres von Kardinal John Henry Newman am 27. April 886 Die Kinder annehmen, die der Herr schenken möchte Ansprache an die Teilnehmer des italienischen Nationalkongresses für Familien-pastoral am 28. April 890 Religio adäquaten Raum geben Ansprache an die österreichische CV-Verbindung Bajuvaria am 28. April 893 Glieder des mystischen Leibes Predigt bei der Seligsprechung von zwölf spanischen Märtyrern und dem dritten Nachfolger des hl. Don Bosco am 29. April 894 Eine wachsende Zahl Menschen wartet auf die Organspende Grußwort an eine internationale Gruppe von Urologen vom 30. April 897 Mai Die Sendung ist weitreichend, die Aufgabe ist schwierig Ansprache an das Generalkapitel der Salesianer Don Boscos am 1. Mai 898 Massenmedien heute mehr denn je einsetzen Ansprache an die Mitglieder des Aufsichtsrates der Päpstlichen Missionswerke am 4. Mai 900 Zeuge einer neuen Geschichte Beileidstelegramm an den Metropoliten der russischen orthodoxen Kirche Filaret zum Tod von Patriarch Pinien vom 5. Mai 902 Öffnet Euer Herz für Christus Botschaft zum 27. Weltgebetstag der geistlichen Berufe am 6. Mai 1990 vom 4. Oktober 1989 903 XXLX Eine historische Stunde Europas Ansprache an die Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz am 17. Mai 906 Familienpastoral und Priesterausbildung Ansprache an den Päpstlichen Rat für die Familie am 17. Mai 909 Viele brachten persönliche Opfer Ansprache bei der Audienz an über hundert Priester aus der DDR am 18. Mai 911 Der Mensch und seine Umwelt Ansprache an die Teilnehmer einer Studienwoche der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 18. Mai 912 Kirchlich-sozialer Wohnungsbau dient der Familie Ansprache an die Vertreter der Siedlungswerke der Bistümer Bamberg, Berlin und Regensburg am 19. Mai 915 Zeuge und Verteidiger der Hoffnung Predigt bei der Seligsprechung von Pier Giorgio Frassati am 20. Mai 916 Mitverantwortung für die Kirche Ansprache an Mitglieder des Schweizerischen Studentenvereins am 21. Mai 919 Europa muß wieder ein Europa des Geistes werden Botschaft zum 90. Deutschen Katholikentag in Berlin vom 23. Mai 920 Schluß mit Krieg und Gewalt! Botschaft an die Christenführer, die sich beim Sitz des maronitischen Patriarchen Nasrallah Sfeir in Beirut versammelt haben, vom 27. Mai 922 Sich im fairen und korrekten Wettkampf begegnen Ansprache bei der Einweihung des Olympia-Stadions in Rom am 31. Mai 924 Juni Vollkommener Ablaß zur Vierhundertjahrfeier der Geburt des heiligen Ignatius Botschaft an P. Petrus Johannes Kolvenbach, Generaloberer der Gesellschaft Jesu, vom 1. Juni 927 Eins in der Gemeinschaft - offen für die Sendung Predigt in der Messe am Pfingstfest, 3. Juni 928 Das Christentum gehört zur Geschichte Europas Ansprache an die Mitglieder der Tagung zur Vorbereitung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa am 5. Juni 931 Priester: Diener und Ausspender der Liebe Predigt bei der Priesterweihe am Dreifaltigkeitssonntag, 10. Juni 939 XXX Christus selbst ist das Leben Predigt bei der Eucharistiefeier am Fronleichnamsfest vor der Lateranbasilika, 14. Juni 940 Lebensschutz ist nicht nur eine Frage der Kirche Ansprache an die Mitglieder des Oberlandesgerichts Graz am 15. Juni 942 Zeugnis für die Kirche abgelegt Ansprache an Pilger aus Wittichenau/Görlitz am 16. Juni 943 Christus will unsere Nahrung sein Predigt beim Fronleichnamsgottesdienst in Orvieto am 17. Juni 944 Das Gewissen besitzt seine Rechte, weil es seine Pflichten hat Botschaft an den Erzbischof von Birmingham zum 100. Todestag von John Henry Kardinal Newman vom 18. Juni 947 Die Pfarrei ist die Familie Gottes Ansprache an die Pilger der Pfarrei Stinatz/Diözese Eisenstatt am 21. Juni 950 Die Leiden des Libanon lindem Ansprache an die Mitglieder der Vereinigung der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen (ROACO) am 21. Juni 951 Ein Hauptproblem für die Nachfolge: Säkularisierung und Materialismus Botschaft an die Delegierten der fünften Vollversammlung der Vereinigung der Asiatischen Bischofskonferenzen vom 23. Juni 953 Der Mensch ist nicht Maß aller Dinge Ansprache beim Besuch im Priesterkolleg Santa Maria delT Anima am 24. Juni 957 Versöhnung: eine der Hauptaufgaben der Kirche Ansprache an die Bischöfe der ukrainisch-katholischen Kirche am 25. Juni 960 Der Tod ist zur Befreiung geworden Predigt am Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus, 29. Juni 962 Dialog überwindet Hindernisse Ansprache an die Delegation des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel am 29. Juni 965 Brief an alle Bischöfe, Priester und Gläubigen der Kirche zur 1400-Jahrfeier der Wahl des hl. Gregor des Großen zum Papst vom 29. Juni 966 Erneuerung nur durch das Evangelium Apostolisches Schreiben an die Ordensleute Lateinamerikas zum 5. Jahrhundert der Evangelisierung der Neuen Welt vom 29. Juni 969 XXXI Juli Ein Dienst an Gott und den Menschen Schreiben an die Franziskusschwestem von Vierzehnheiligen vom 1. Juli 990 Das Kreuz - besonderes Zeichen Litauens Predigt im Litauischen Kolleg am 2. Juli 991 Die Ursachen des Flüchtlingsaufbruchs erkennen Ansprache an die Teilnehmer der Generalversammlung der Katholischen Internationalen Kommission für die Migration am 5. Juli 993 Objektiv über die Kirche informieren Ansprache an die Delegation der Vereinigung katholischer Journalisten Belgiens am 6. Juli 996 Die Harmonie zwischen Mensch und Universum bewahren Grußwort an die Teilnehmer am dritten Sommerkurs für Astronomie, veranstaltet von der Vatikanischen Sternwarte, vom 7. Juli 997 Die Wahrheit macht frei Predigt beim Heiligtum von Barmasc (Aostatal) am 15. Juli 998 Der Mensch: Pilger zum Absoluten Ansprache an die Jugendlichen des Aostatals am 15. Juli 1001 Gott und dem Nächsten dienen Predigt beim Gottesdienst mit Bediensteten in Castel Gandolfo am 22. Juli 1003 Migrantenseelsorge - eine erstrangige Pflicht Botschaft zum Welttag der Migranten vom 25. Juli 1005 Vorbehaltlos für das Reich Gottes einsetzen Worte an die Schweizer Garde in Castel Gandolfo am 29. Juli 1009 Fundament der Gesellschaft Jesu ist die Treue zur Kirche Botschaft zum Ignatianischen Jahr, das am 27. September begonnen hat und auf 500 Jahre seit der Geburt des heiligen Ignatius sowie 450 Jahre seit der päpstlichen Bestätigung der Gesellschaft Jesu zurückschaut, vom 31. Juli 1010 August Paul VI. und die Priesterberufung Einleitende Worte zur Messe für Papst Paul VI. in Castel Gandolfo am 6. August 1014 Das große Zeichen des Sieges Predigt am Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel in Castel Gandolfo, 15. August 1015 xxxn Ex Corde Ecclesiae Apostolische Konstitution über die Katholischen Universitäten vom 15. August, veröffentlicht am 25. September 1017 Zum 50. Jahrestag der Gründung von Taize Botschaft an den Prior der Mönchsgemeinschaft von Taize, Bruder Roger, vom 17. August 1040 Klares und sicheres Urteilsvermögen Schreiben zum 900. Jahrestag der Geburt des hl. Bernhard von Clairvaux vom 20. August 1041 An die Liebe geglaubt Predigt in der Eucharistiefeier für den verstorbenen Kardinal Dadaglio am 24. August 1046 Das Recht des Menschen auf Leben Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Kongresses der Vereinigung „Omnia Homini” am 25. August 1048 Das Christentum: der zur Wirklichkeit gewordene Bund Predigt zum Fest Unserer Lieben Frau von Jasna Gora in Castel Gandolfo am 26. August 1051 Dank für beredtes Lebenszeugnis Glückwünsche an Mutter Teresa vom 26. August 1054 Eine neue Generation der Jünger Christi Ansprache an die Meßdiener Europas am 30. August 1054 September Wahrer Friede ist ein Geschenk Ansprache bei der Audienz für österreichische Offiziersanwärter am 13. Setpember 1057 Gesalbt und gesandt Ansprache zum Abschluß der internationalen Priesterexerzitien im Vatikan am 18. September 1058 Kirche - Kriminalität und Gefängnis Ansprache an die Gefangenenseelsorger am 18. September 1061 Pfadfindertum ein ausgezeichnetes Erziehungserlebnis Ansprache an die Leiter der Internationalen Pfadfinderbewegung am 20. September 1062 Ein Meer des Friedens zwischen Orient und Okzident Botschaft an das vierte internationale Gebetstreffen in Bari vom 21. September 1064 xxxm Die Kinder der Welt schreien nach Liebe Botschaft an den UN-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar anläßlich des Welt-Gipfeltreffens zum Schutz der Kinder vom 22. September 1066 Zeuge für die Hoffnung auf Einheit Grußadresse an den griechisch-orthodoxen Patriarchen von Alexandrien, Parthenios III., vom 24. September 1068 Größere Aufmerksamkeit für Kinder Appell vor UN-Weltgipfel vom 26. September 1070 Die neue Gesellschaft kann ohne gesunde Familie nicht aufgebaut werden Ansprache an die Teilnehmer der „II. Europäischen Konferenz der Familie” am 28. September 1070 Auf die Fragen und Bedürfnisse der Welt eingehen Ansprache an die Mitglieder des internationalen Rates für Katechese am 28. September 1072 Lehrmeister und Zeugen des Friedens Predigt während der Messe zum Gedächtnis an seine verstorbenen Vorgänger am 28. September 1074 Thomas - ein Erbe der Väterüberlieferung Ansprache an die Teilnehmer am IX. internationalen Thomistenkongreß am 29. September 1075 Der Priester wird im Dienen Christus ähnlich Predigt zur Eröffnung der achten Weltbischofssynode am 30. September 1079 Oktober Würdigung der Einheit Deutschlands Telegramm an Bundespräsident Dr. Richard von Weizsäcker vom 3. Oktober 1082 Durchdrungen vom Wort des Evangeliums Predigt bei der Seligsprechung von Giuseppe Allamano und Annibale Maria di Francia am 7. Oktober 1082 Verkünder der befreienden Botschaft Ansprache an die Neupriester des Collegiums „Germanicum et Hungaricum” und deren Angehörige am 12. Oktober 1085 Der Jugend Vorbilder der Heiligkeit vor Augen stellen Schreiben an den Generalobem der Kongregation vom Leiden Jesu Christi, P. Orbegozo Jaugerui Jose Augustin, vom 16. Oktober 1086 xxxrv Anstrengungen für bessere internationale Zusammenarbeit begrüßt Glückwunschtelegramm an Michail Sergejewitsch Gorbatschow zur Verleihung des Friedens-Nobelpreises vom 16. Oktober 1089 Frieden und Versöhnung für den Libanon Botschaft an den maronitischen Patriarchen von Antiochien vom 19. Oktober 1089 Jeder Priester ist ein Missionar Botschaft zum Weltmissionssonntag am 21. Oktober 1990 vom 3. Juni 1090 Aufbau geistiger Mauern in Europa verhindern Ansprache bei der Audienz für die Schönstätter Marienschwestem am 23. Oktober ... 1093 Ein Zeichen der Verbundenheit mit dem Papst Ansprache bei der Eröffnung der Ausstellung über den hl. Ignatius in der Vatikanischen Bibliothek am 23. Oktober 1094 Der Codex ein nützliches Ordnungsinstrument Ansprache bei der Vorstellung des Codex für die mit Rom verbundenen orientalischen Kirchen während der 28. Generalversammlung der Bischofssynode am 25. Oktober 1096 Die Ausbildung ist schöpferische Teilhabe Predigt in der Eröffnungsmesse des akademischen Jahres am 26. Oktober 1101 Fragen der Berufung in ihrer Ganzheit anpacken Ansprache zum Abschluß der Bischofssynode am Ende der 30. Generalversammlung am 27. Oktober 1103 Die Liebe - Zentrum der Priesterausbildung Predigt zum Abschluß der Achten Weltbischofssynode am 28. Oktober 1108 Die Wissenschaft steht im Kontext der menschlichen Kultur Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften am 29. Oktober 1110 November Das Sterben ist ein Teil des Aufstiegs Predigt auf dem römischen Friedhof Campo Verano am Allerheiligenfest, 1. November 1114 Der Apotheker - Mittler zwischen dem Arzt und dem Kranken Ansprache an die Internationale Vereinigung katholischer Apotheker zu deren 40. Gründungsjubiläum am 3. November 1116 Zeichen der Heiligen: Die Liebe zu Gott aus ganzem Herzen Predigt bei der Seligsprechung von Marthe Aimee le Bouteiller, Louise Therese de Montaignac de Chauvance, Maria Schininä und Elisabetta Vendramini am 4. November 1118 XXXV Die Deutschen beweisen: Ein neues Deutschland ist erstanden Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des neuen Botschafters der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl am 8. November .. 1121 Einzig ist die Macht des Gekreuzigten und Auferstandenen Predigt zum Abschluß des Jubiläumsjahres des hl. Willibrord am 8. November 1124 Das Geheimnis des Leidens macht oft ratlos Ansprache an französische Ärzte der Lourdes-Pilgerfahrten am 9. November 1126 Friede ist nur dort, wo Gott ihn schafft Ansprache beim Empfang für 70 Priester und Mitarbeiter in Pfarreien aus den neuentstandenen Bundesländern im Osten am 9. November 1127 Alles wahrhaft Menschliche steht auf dem Spiel Ansprache an das Generalkapitel der „Töchter von Maria, Hilfe der Christen” am 9. November 1128 Dienst für friedliches Zusammenleben Ansprache an die Akademie der Luftwaffe von Pozzuoli am 12. November 1130 Ausbildung ist schöpferische Teilnahme Ansprache an der Päpstlichen Lateran-Universität am 15. November 1132 Dialog und Verständnis fördern Grußwort an die Verantwortlichen des „Britischen Rates für Christen und Juden” am 16. November 1134 Sucher der Wahrheit Gottes Ansprache an Vertreter des Rates von Kastilien und Leon zum 400. Gedenktag des Todes des hl. Johannes vom Kreuz am 16. November 1135 Vom Schmerz geht eine Botschaft für das Leben aus Ansprache an die Repräsentanten des Verbandes freiwilliger Krankenhauskräfte (FEDERAVO) sowie an die Mitglieder der Vereinigung katholischer Sanitätskräfte (ACOS) am 17. November 1138 Freizeit - Zeit zum Leben gestalten Ansprache an die Teilnehmer des IV. Weltkongresses für die Pastoral des Tourismus am 17. November 1139 Das Leiden ist ein Geheimnis Ansprache an die Teilnehmer der 5. Internationalen Konferenz des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst am 17. November 1142 Liebe, nicht Haß muß den Ton angeben Botschaft an die Bischöfe von Angola vom 18. November 1146 Nicht mutlos angesichts des Hungers und Elends werden Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ am 19. November 1147 XXXVI Die kirchlichen Bewegungen sind ein kostbares Gut Ansprache an die XIII. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Laien am 23. November 1150 Barmherzigkeit und Verzeihen überwinden blinde Gewalt Botschaft an die Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe der katholischen Kirche des Libanon vom 24. November 1152 Berufung zum Ordensleben ist ein Charisma Schreiben an die Teilnehmer der Generalversammlung des Ordens der Minimiten vom 24. November 1153 Erzieher sein erfordert sehr viel Ansprache an die Missionarinnen der Schule am 24. November 1155 Kemtruppen von Glaubenden schaffen Ansprache an die dritte Nationalversammlung der Cursillos für christliches Leben am 24. November 1157 Dezember Wichtiger und schwieriger Auftrag Schreiben der Ernennung zum Pro-Staatssekretär an Erzbischof Angelo Sodano vom 1. Dezember 1159 Kardinal Casaroli: eine Quelle der Anregung Ansprache beim Amtswechsel im Staatssekretariat am 1. Dezember 1160 Militärdienst ist keine verlorene Zeit Ansprache an die Soldaten der italienischen Marine am 4. Dezember 1162 Die Rechte der Völker im Heiligen Land respektieren Ansprache an eine katholisch-jüdische Gruppe anläßlich des 25. Jahrestages der Konzilserklärang Nostra aetate am 6. Dezember 1163 REDEMPTORIS MISSIO Enzyklika über die fortdauernde Gültigkeit des missionarischen Auftrages vom 7. Dezember 1165 Die Gnade ist stärker als die Sünde Predigt bei der Messe in Santa Maria Maggiore am Fest der Unbefleckten Empfängnis Marias, 8. Dezember 1228 Gib uns einen neuen Hunger nach Gott Gebet vor der Mariensäule am Spanischen Platz am 8. Dezember 1230 Alle sind in Wahrheit Brüder und Schwestern Predigt bei der Heiligsprechung von Marguerite d’ Youville am 9. Dezember 1231 xxxvn Menschenbild aus christlicher Sicht in Glaube und Wissenschaft Predigt bei der Eucharistiefeier für Professoren, Studenten und Personal der römischen Universitäten am 13. Dezember 1233 Die Eheleute sind Mitwirkende an Gottes Plan Ansprache bei einem Treffen im Studien- und Forschungszentrum für natürliche Empfängnisregelung an der Katholischen Herz-Jesu-Univerität Rom am 14. Dezember 1237 Das kirchliche Lehramt steht im Dienst der Glaubensweitergabe Ansprache zum 25. Jahrestag der Veröffentlichung der dogmatischen Konstitution Dei Verbum am 14. Dezember 1240 Johannes vom Kreuz - ein Glaubenslehrer Apostolisches Schreiben zum 400. Todestag des hl. Johannes vom Kreuz an den Hochw. P. Felipe Sainz de Baranda, Generaloberer des Ordens der Unbeschuhten Brüder der Allerseligsten Jungfrau Maria vom Berg Karmel, vom 14. Dezember 1243 Die UniversaMrche wird durch die Schätze der Teilkirchen bereichert Weihnachtsansprache an die Römische Kurie am 20. Dezember 1256 Christus ist uns geboren Predigt bei der Mittemachtsmesse Weihnachten 1990, 24./25. Dezember 1262 Christi Licht ist bei den Menschen Weihnachtsbotschaft vor dem Segen Urbi et Orbi am 25. Dezember 1264 Ein Leben aus dem Geist des Evangeliums Ansprache während der Audienz für die Schwestern der Dillinger Franziskanerinnen am 31. Dezember 1266 Aufmerksamkeit gegenüber dem Schwächeren Predigt bei der Eucharistiefeier zum Jahresende in der Kirche „II Gesü” am 31. Dezember 1267 Geistliche Mutterschaft im Dienst des Nächsten Ansprache an das Generalkapitel der „Töchter der hl. Anna” am 31. Dezember 1270 xxxvm IV. Ad-limina-Besuche Antillen 5. Mai 1275 Bolivien 8. November 1279 Brasilien 10. Februar 1284 17. Februar 1289 24. Februar 1293 20. März 1298 24. März 1304 21. Mai 1309 31. Mai 1312 9. Juni 1316 5. Juni 1319 29. September 1322 Indien 21. August 1326 Japan 3. März 1329 Korea 16. Oktober 1333 Malaysia, Singapur und Brunei 16. Juni 1338 Philippinen 24. April 1341 18. September 1345 19. November 1348 30. November 1351 Taiwan 15. Dezember 1354 Vietnam 25. November 1359 Ad-limina Besuch der Bischöfe des syro-malabarischen und des syro-malankarischen Ritus 25. August 1363 V. Erklärungen der Kongregationen Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gemeinschaften des apostolischen Lebens vom 2. Februar 1371 Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen Kongregation für die Glaubenslehre vom 24. Mai 1427 XXXIX VI. Anhang Tourismus muß zu Annäherung beitragen Schreiben von Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli an Kardinal Carlo Maria Martini, Vorsitzender des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen, zum Europäischen Jahr des Tourismus, veröffentlicht am 12. März 1447 Vom Handelsausstausch zur menschlichen Solidarität Intervention des Hl. Stuhls bei der Konferenz für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa vom 20. März 1449 Kirche tritt Konvention zum Recht des Kindes bei Erklärung des ständigen Beobachters des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen, Erzbischof Renato R. Martino, bei einer Pressekonferenz in New York am 20. April 1452 Jeden Egoismus durchbrechen Botschaft von Kardinal Francis Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, an die Muslime in aller Welt zum Ende des Fastenmonats Ramadan, veröffentlicht am 26. April 1455 Die Organe der römischen Kurie Stand Juni 1990 1456 Die Interpretation eines Dogmas Dokument der internationalen Theologenkommission, veröffentlicht am 27. Juli 1462 Zusammenarbeit mit allen im Volke Gottes Botschaft der Achten Weltbischofssynode an das Volk Gottes vom 28. Oktober 1484 Wortregister 1491 Personenregister 1555 Länder-und Ortsregister 1571 Zitierte Bibelstellen 1583 XL /. Generalaudienzen und Angelus AUDIENZEN UND ANGELUS Wir wollen Friedensstifter sein Angelus am 1. Januar 1. „Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil“ (Num 6,26). Mit diesem Wunsch der Liturgie grüße ich heute, am ersten Tag des Jahres, euch alle, liebe Brüder und Schwestern, die ihr hier zum Angelusgebet versammelt seid. Der Jahresbeginn fällt bekanntlich mit der Feier des Hochfestes der Gottesmutter Maria und mit dem Weltfriedenstag zusammen. Kehren wir also in Gedanken zum Weihnachtsmysterium zurück, zu dem Augenblick, als „die heilige Mutter den König geboren hat, der in Ewigkeit herrscht über Himmel und Erde“ (vgl. Eiöffnungsvers). Wir bekräftigen unseren Glauben an dieses Geheimnis der höchsten Gemeinschaft zwischen Gott und der Menschheit, ein Geheimnis, dank dessen alle Menschen gerade im eingeborenen Sohn dazu bestimmt wurden, Kinder Gottes zu werden und in Gerechtigkeit und Liebe zu leben. Hören wir so noch einmal den Widerhall der Ankündigung durch die Engel in der heiligen Nacht: „Friede ist auf der Erde“, und nehmen wir sie noch einmal an von Maria, die „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte“ (vgl. Lk 2,19), um es uns zur Verpflichtung zu machen im Lauf des Jahres, das heute beginnt. 2. Wir wollen Friedensstifter sein, denn wir erkennen in der Schöpfung die Zeichen der Weisheit Gottes und wollen in Frieden leben, indem wir das Geschenk der Schöpfung als „gut“ (Gen 1,12) annehmen, als Zeichen und Sakrament der immerwährenden Liebe Gottes zu allen, die auf diesen Planeten wohnen. Legen wir unsere Hoffnungen Maria, der Mutter des Erlösers, ins Herz und vertrauen wir auf ihre Fürsorge. Ihr, der Mutter Gottes und unserer Mutter, empfehlen wir die Friedenshoffnungen der heutigen Welt, die Erwartungen unserer Tage so voll von bedeutsamen Ereignissen, so reich an tiefgreifenden Wandlungen. Ihr vertrauen wir den inständigen Wunsch an, daß Gerechtigkeit und Liebe vorherrschen über alle Versuchungen zu Gewalt, Rache und Korruption. Sie bitten wir, daß das Wort des Evangeliums, die Stimme Christi, des Erlösers, durch die Sendung der Kirche in das Herz aller Menschen dringe. 3. Dem Herzen Marias vertrauen wir die Tage dieses neuen Jahres an mit banger Seele und in dem Bewußtsein, daß dieser erste Tag des Jahres 1990 uns in das letzte Jahrzehnt des zweiten christlichen Jahrtausends führt. In dieser Lebensphase der Menschheit, in der wir mit wachsender Augenscheinlichkeit spüren, wie wichtig die Pflichten und Werte der Solidarität unter den Nationen und das bewußte Fortschreiten auf eine echte Weltgemeinschaft hin sind und wieviel sie kosten, bitten wir Gott, daß er uns helfe, dem Geschenk der Versöhnung zu entsprechen und die ersehnte Gesellschaft im Zeichen der Liebe zu bauen. Wir vertrauen unser Gebet der Mutter des in Betlehem geborenen Erlösers an, damit Gott uns sein Angesicht zuwende und uns den Frieden schenke. Nach dem Angelusgebet sagt der Papst: Jetzt möchte ich euch Teilnehmern an diesem Mariengebet meine herzlichen Wünsche für ein gutes neues Jahr in der Freude und Gnade Gottes aussprechen. Ich wende mich besonders an 3 AUDIENZEN UND ANGELUS die Brüder und Schwestern der Stadt und Diözese Rom, mit der mich als Bischof ein besonderes Band der Liebe verknüpft. Aber mein Wunsch erstreckt sich auch auf die ganze Welt, auf alle Regierenden der einzelnen Nationen der Welt und die Verantwortlichen der internationalen Organisationen, damit sie im Zeichen der Hoffnung des neuen Jahres wirklich das Gemeinwohl fördern und sich mit der Sache des friedlichen Zusammenlebens, der Respektierung der bürgerlichen Rechte und der Grundrechte des Menschen widmen. Insbesondere wende ich mich an jene, die das Drama der Geiselnahme erleben, und ich wünsche, das neue Jahr möge auch ihnen konkrete Zeichen der Hoffnung bringen. Ich appelliere von neuem an das Gewissen der Entführer, damit sie das Bild Gottes, das in ihnen ist, nicht auslöschen, sondern, getroffen vom Gefühl der Menschlichkeit, das Herz öffnen für den ununterdrückbaren Ruf der Gerechtigkeit und des Mitleids. Die Einsicht vom Guten und der menschlichen Solidarität möge die Oberhand gewinnen! Und Maria, die Königin des Friedens, schenke den so sehr geprüften Familien die Freude, daß ihnen endlich ihre Lieben zurückgegeben werden. Meine Gedanken gehen schließlich zu den Kranken, den Inhaftierten, den Ausgeschlossenen, den Flüchtlingen und all jenen, die vergessen sind und keine guten Wünsche erhalten. Allen öffne ich mein Herz in dem Wunsch, daß das neue Jahr für sie reich an jedem Trost sei. Der Geist Gottes setzt in Bewegung Ansprache bei der Generalaudienz am 3. Januar 1. In den Katechesen, die dem Heiligen Geist - seiner Person und Sendung - gewidmet sind, wollten wir vor allem die Ankündigung und Verheißung von seiten Jesu, insbesondere beim letzten Abendmahl, hören, den Bericht über sein Kommen in der Apostelgeschichte wieder lesen und die Texte des Neuen Testamentes prüfen, die die Predigt über ihn und den Glauben an ihn in der Urkirche dokumentieren. Aber bei unserer Textanalyse sind wir mehrmals auf das Alte Testament gestoßen. Es sind die Apostel selbst, die bei der ersten Predigt nach Pfingsten das Kommen des Heiligen Geistes ausdrücklich als die Erfüllung der Verheißungen und der alten Ankündigungen darstellen, weil sie den Alten Bund und die Geschichte Israels als Vorbereitungszeit auf das Empfangen der Fülle der Wahrheit und Gnade sehen, die vom Messias gebracht werden sollte. Gewiß, Pfingsten war ein auf die Zukunft ausgerichtetes Ereignis, denn es setzte den Anfang für die Zeit des Heiligen Geistes, den Jesus selbst als Protagonisten - zusammen mit dem Vater und dem Sohn - des Heilswerkes genannt hat, das sich vom Kreuz aus über die ganze Welt hin ausbreiten sollte. Um jedoch zu einer vollständigeren Erkenntnis der Offenbarung des Heiligen Geistes zu gelangen, ist es notwendig, auf die Vergangenheit, das heißt das Alte Testament zurückzukommen, um die Zeichen der langen Vorbereitung auf das Geheimnis von Ostern und Pfingsten aufzuspüren. 2. Wir müssen also wieder über die biblischen Angaben hinsichtlich des Heiligen Geistes und über die Entwicklung der Offenbarung nachdenken, die fortschreitend aus dem Hintergrund 4 AUDIENZEN UND ANGELUS des Alten Testamentes bis zu den klaren Bekräftigungen des Neuen Testamentes hervortritt und sich zuerst innerhalb der Schöpfung und dann im Erlösungswerk ausdrückt, zuerst in der Geschichte und in der Prophetie Israels und dann im Leben und in der Sendung Jesu, des Messias, vom Augenblick der Menschwerdung bis zu der Auferstehung. Unter den zu prüfenden Angaben ist vor allem der Name, mit dem der Heilige Geist im Alten Testament angedeutet wird, ebenso die verschiedenen Bedeutungen, die dieser Name zum Ausdruck bringt. Wir wissen, daß nach der jüdischen Mentalität der Name eine große Bedeutung hat, um die Person darzustellen. Zu erinnern ist dabei an die Wichtigkeit, die beim Exodus und in der ganzen Tradition Israels der Weise zugeschrieben wird, Gott zu benennen. Mose hatte Gott den Herrn gefragt, wie sein Name sei. Die Offenbarung des Namens wurde als Offenbarung der Person selbst betrachtet: der heilige Name setzte das Volk in Beziehung mit dem übernatürlichen, aber gegenwärtigen Sein Gottes selbst (vgl. Ex 3,13-14). Der Name mit dem im Alten Testament der Heilige Geist bezeichnet wird, hilft uns, dessen Eigenschaften zu verstehen, auch wenn seine Wirklichkeit als göttliche Person, eines Wesens mit dem Vater und dem Sohn, uns erst in der Offenbarung des Neuen Testaments bekannt gemacht wird. Wir können meinen, daß der Terminus von den Verfassern der heiligen Schriften gezielt gewählt wurde, ja, daß der Heilige Geist selbst, der sie inspirierte, den begrifflichen und schriftlichen Entwicklungsprozeß geleitet hat, der bereits im Alten Testament einen angemessenen Ausdruck finden ließ, um seine Person anzudeuten. 3. In der Bibel lautet das jüdische Wort, das den Geist bezeichnet, ruah. Die ursprüngliche Bedeutung dieses Wortes wie auch seiner lateinischen Übersetzung „Spiritus“ ist „Atem“. Der Hauch ist die höchste immaterielle Wirklichkeit, die wir erfassen; man sieht sie nicht, sie ist äußerst fein; man kann sie nicht mit den Händen greifen; sie scheint ein Nichts zu sein und ist doch von lebenswichtiger Bedeutung: Wer nicht atmet, kann nicht leben. Zwischen einem lebenden Menschen und einem Toten besteht dieser Unterschied, daß ersterer den Atem hat, während der andere ihn nicht mehr hat. Das Leben kommt von Gott; der Atem kommt deshalb von Gott, der ihn auch wieder nehmen kann (vgl. Ps 104,29-30). Ausgehend von diesen Überlegungen über den Atem, sind wir dahin gelangt, zu verstehen, daß das Leben von einem geistigen Prinzip abhängig ist, das mit demselben jüdischen Wort ruah bezeichnet wurde. Der Atem des Menschen steht in Beziehung zu einem viel gewaltigeren äußeren Wehen, dem Wehen des Windes. Das jüdisches ruah und das lateinische „Spiritus“ bezeichnen auch das Wehen des Windes. Niemand sieht den Wind, aber seine Wirkungen sind beeindruckend. Der Wind bewegt die Wolken, schüttelt die Bäume. Wenn er heftig ist, türmt er die Meereswogen hoch und reißt die Schiffe in die Tiefe (vgl. Ps 107,25-27). Den Menschen der Antike erschien der Wind wie eine geheimnisvolle Macht, über die Gott verfügte (vgl. Ps 104,3-4). Man nannte ihn das „Wehen Gottes“. Im Buch Exodus heißt es in einer Prosaerzählung: „Der Herr trieb die ganze Nacht das Meer durch einen starken Ostwind fort. Er ließ das Meer austrocknen, und das Wasser spaltete sich. Die Israeliten zogen auf trockenem Boden ins Meer hinein ...“ (Ex 14,21-22). Im nachfolgenden Kapitel werden dieselben Geschehnisse in poetischer Form beschrieben, und der 5 AUDIENZEN UND ANGELUS Ostwind wird „Schnauben“ Gottes genannt. Indem er sich an Gott wendet, sagt der Dichter „Du schnaubtest vor Zorn, da türmte sich Wasser ... Da schnaubtest du Sturm. Das Meer deckte sie zu“ (Ex 15,8.10). So wird in sehr eindrucksvoller Weise die Überzeugung ausgedrückt, daß der Wind unter diesen Umständen das Werkzeug Gottes war. Von den Betrachtungen über den unsichtbaren und gewaltigen Wind gelangfman dahin, die Existenz des „Geistes Gottes“ zu erfassen. In den Texten des Alten Testamentes wechselt man leicht von einer Bezeichnung zur anderen und auch im Neuen Testament sehen wir, daß die beiden Bedeutungen vorhanden sind. Um Nikodemus die Wirkweise des Heiligen Geistes verständlich zu machen, verwendet Jesus den Vergleich des Windes, und er verwendet dasselbe Wort zur Bezeichnung des einen wie des andern: „Der Wind weht, wo er will... so ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist“ (Joh 3,8) 4. Der Grundgedanke, der im biblischen Namen des Geistes Ausdruck findet, ist also nicht der einer intellektuellen Macht, sondern der einer dynamischen Kraft, vergleichbar mit dem Antrieb des Windes. In der Bibel ist die erste Funktion des Geistes nicht die, etwas verständlich zu machen, sondern etwas in Bewegung zu setzen; nicht die, zu erleuchten, sondern eine Dynamik mitzuteilen. Dies ist jedoch nicht der einzige Aspekt. Andere Aspekte kommen zum Ausdruck, die die nachfolgende Offenbarung vorbereiten. Vor allem der Aspekt der Innerlichkeit. Der Hauch dringt in der Tat ins Innere des Menschen. In der Sprache der Bibel kann man diese Feststellung so ausdrücken, daß man sagt, Gott legt einen neuen Geist in die Herzen (vgl! Ez 36,26; Röm 5,5). Die äußerst feine Luft dringt nicht nur in unseren Organismus, sondern in alle Räume und Spalten. Das hilft verstehen, daß „der Geist den Erdkreis erfüllt“ (Weish 1,7) und daß er insbesondere alle „Geister durchdringt“ (ebd., 7,23) wie das Buch der Weisheit sagt. Mit dem Aspekt der Innerlichkeit verbindet sich der Aspekt der Erkenntnis. „Wer von den Menschen - fragt der heilige Paulus - kennt den Menschen, wenn nicht der Geist des Menschen, der in ihm ist?“ (1 Kor 2,11). Nur unser Geist kennt unsere innersten Reaktionen, unsere Gedanken, die wir den anderen noch nicht mitgeteilt haben. In ähnlicher Weise und in größerem Maß kennt der Geist des Herrn, der im Innern aller Lebewesen des Universums gegenwärtig ist, „jeden Laut“ (Weish 1,7). Ja, „der Geist ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes ... So erkennt auch keiner Gott - nur der Geist Gottes“ (1 Kor 2,10-11). 5. Wenn es sich um das Erkennen und Mitteilen unter den Menschen handelt, hat der Atem eine natürliche Verbindung mit dem Wort. Wenn wir nämlich sprechen, gebrauchen wir unsern Atem. Die Stimmbänder lassen unsem Atem vibrieren, der so den Klang der Worte vermittelt. Indem sie sich an dieser Tatsache inspiriert, setzt die Bibel gern Wort und Hauch (vgl. Jes 11,4) oder Wort und Geist nebeneinander. Dank dem Hauch verbreitet sich das Wort; vom Atem bekommt es Kraft und Dynamik. Psalm 33 wendet diese Parallele auf das Urgeschehen der Schöpfung an und sagt: „Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes“ (V. 6). In solchen Texten können wir eine entfernte Vorbereitung auf die christliche Offenbarung des Geheimnisses der Heiligsten Dreifaltigkeit erkennen: Gott Vater ist das Prinzip der Schöpfung; er hat es durch sein Wort verwirklicht, das heißt durch seinen Sohn, und durch seinen Atem, den Heiligen Geist. 6 AUDIENZEN UND ANGELUS 6. Die vielfältigen Bedeutungen des jüdischen Wortes ruah, das in der Bibel verwendet wird, um den Geist zu bezeichnen, scheint Anlaß zu einiger Verwirrung zu geben. Tatsächlich ist es einem bestimmten Text oft nicht möglich, den genauen Sinn des Wortes zu bestimmen; man kann schwanken zwischen Wind und Atem, zwischen Hauch und Geist, zwischen Schöpfergeist und göttlichem Geist. Diese Vielfältigkeit ist jedoch vor allem ein Reichtum, denn sie setzt so viele Wirklichkeiten in fruchtbare Verbindung zueinander. Hier ist es angebracht, teilweise auf den rationalen Anspruch zu verzichten, der um Präzision bemüht ist, und sich breiteren Perspektiven zu öffnen. Wenn wir an den Heiligen Geist denken, ist es nützlich für uns, gegenwärtig zu halten, daß sein biblischer Name „Atem“ bedeutet und in Beziehung steht zu dem mächtigen Wehen des Windes und dem inneren Hauch unseres Atems. Anstatt an einem zu sehr intellektuellen und trockenen Begriff festzuhalten, wird es für uns von Nutzen sein, wenn wir diesen Reichtum von Bildern und Tatsachen aufnehmen. Die Übersetzungen sind leider nicht imstande, ihn uns vollständig zu vermitteln, denn oft sind sie gezwungen, andere Ausdrücke zu wählen. Für das jüdische Wort ruah verwendet die griechische Übersetzung der Septuaginta 24 verschiedene Worte und erlaubt uns deshalb nicht, alle Zusammenhänge wahrzunehmen, die sich unter den Texten der jüdischen Bibel befinden. 7. Zum Abschluß dieser sprachlichen Analyse der Texte des Alten Testamentes über das Wort ruah können wir sagen, daß von ihnen aus der Atem Gottes als die Kraft erscheint, die die Geschöpfe lebendig macht. Er erscheint als eine tiefe Wirklichkeit Gottes, die im Innern des Menschen wirkt. Er erscheint als eine Offenbarung der Dynamik Gottes, die sich den Geschöpfen mitteilt. Obwohl noch nicht als selbständige Person im Bereich des göttlichen Seins begriffen, unterscheidet sich der „Atem“ oder „Geist“ Gottes in gewisser Weise von Gott, der ihn sendet, um in den Geschöpfen zu wirken. So wird auch unter dem literarischen Aspekt der menschliche Geist darauf vorbereitet, die Offenbarung der Person des Heiligen Geistes zu empfangen, der als Ausdruck des inneren Lebens Gottes und seiner Allmacht erscheinen wird. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Unsere bisherigen katechetischen Darlegungen über den Heiligen Geist verweilten vor allem beim Geschehen am Pfingstfest in Jerusalem und bei den diesbezüglichen Schrifttexten des Neuen Testamentes. Diese aber erklären das Kommen des Heiligen Geistes als die Erfüllung von früheren Verheißungen, die uns auch schon das Alte Testament als Zeit der Vorbereitung auf die Fülle der Wahrheit und Gnade erkennen lassen. Darum besinnen wir uns in der heutigen Katechese auf die vorbereitende Offenbarung des Heiligen Geistes im Alten Bund. In der Bibel heißt das hebräische Wort für Geist ruah. Wir können es mit „Hauch“ und „Lebensatem“ übersetzen. Dieses Wort bezeichnet eine unmaterielle Wirklichkeit, die ein Nichts zu sein scheint und doch von größter vitaler Bedeutung ist. Wer nicht atmet, kann nicht leben. Wie das Leben selbst, so kommt auch der Lebensatem von Gott. Eine weitere Bedeutung von ruah ist das Wehen des Windes. Der Wind galt den Menschen als eine geheimnisvolle Macht deren Gott sich in der Natur bedient. Schließlich 7 AUDIENZEN UND ANGELUS gelangte man aus den Beobachtungen dieser Wirklichkeiten zur Erkenntnis der Existenz des „Geistes Gottes“. Geist bedeutet in der Sprache der Bibel nicht so sehr eine geistige Macht, sondern eine dynamische Kraft, die etwas in Bewegung zu setzen und Energien mitzuteilen vermag. Er ist vor allem auf das Innere im Menschen und in der Schöpfung bezogen. Gott sendet den Geist in die Herzen der Menschen und zugleich „erfüllt der Geist des Herrn den Erdkreis“ (Weish 1,7). Ebenso „ergründet der Geist alles, auch die Tiefen Gottes“ (1 Kor 2,10). Wenn es um Erkenntnis und Mitteilungen zwischen Personen geht, so ist Geist sehr eng mit dem Wort verbunden, wie es auch der Psalmist andeutet: „Durch das Wort des Herrn wurden die Himmel geschaffen, ihr ganzes Heer durch den Hauch seines Mundes“ (Ps 33,6). In diesen Aussagen des Alten Testamentes bahnt sich, wenn auch noch unvollkommen, schon die schrittweise Offenbarung des Heiligen Geistes und der Allerheiligsten Dreifaltigkeit an, die dann im Neuen Testament ihre volle Entfaltung findet. Herzlich grüße ich bei der heutigen Audienz im neuen Jahr alle anwesenden Pilger deutscher Sprache. Von Herzen wünsche ich euch und allen, zu denen meine Worte gelangen, den Beistand des göttlichen Geistes, sein Licht und seine Führung für ein gottwohlgefälliges Leben und Wirken in diesem neuen Jahr des Herrn. Hierbei begleite ich euch in der Liebe Christi mit meinem besonderem Apostolischen Segen. Allen Gottes Liebe verkünden Angelus am 6. Januar 1. Liebe Brüder und Schwestern, wir sind hier versammelt zum Angelusgebet an diesem Hochfest der Erscheinung des Herrn, das von großer geistlicher und liturgischer Bedeutung ist. Denn wie ihr wißt, denkt die Kirche heute nach über die universale Heilsdimension und damit über den ihr anvertrauten Auftrag, das Evangelium allen Menschen zu verkünden. Sie tut es, indem sie die Ankunft der Sterndeuter in Bethlehem betrachtet, die aus dem Osten gekommen waren, um den menschgewordenen Sohn Gottes zu erkennen. Sie waren gerufen worden, um ihn anzubeten, das heißt, um im Glauben an dem Geschenk der Gnade und des Heils teilzuhaben. Jerusalem sah auf diese Weise eine erste Verwirklichung der Prophetie, nach der alle Völker im Licht des Gottes Israels wandeln und seine Herrlichkeit verkünden sollten. 2. Heute bitten wir Gott für die ganze Kirche, das Volk Gottes auf dem Weg, um ein neues Bewußtsein der missionarischen Sendung, denn sie „ist von Christus gesandt, die Liebe Gottes allen Menschen und Völkern zu verkünden“ (Ad gentes, Nr. 10), ohne Ausnahme des Ortes oder der Person, ohne Unterschied von Rasse oder Kultur, durch ein universales „Amt der Gnade Gottes“ (vgl. Eph 3,2). Eine Bestätigung der Universalität der Sendung, die der Kirche von Christus anvertraut wurde, wird uns durch die heutige Erhebung von zwölf neuen Bischöfen in den Bischofsrang gegeben, von Seelenhirten, die in die verschiedenen Diözesen der Welt gesandt werden, oder von Mitarbeitern des Nachfolgers Petri in seinem Dienst am gesamten Volk Gottes. AUDIENZEN UND ANGELUS Wir erbitten den Schutz der seligsten Jungfrau für sie wie auch für alle Missionare und Mis-sionarinnen, Priester und Laien, die ihr Leben der weltweiten Ausbreitung des Evangeliums geweiht haben. Wir bitten zugleich, daß die Herzen sich ihrer Verkündigung öffnen, damit alle Menschen dahin gelangen, „an derselben Verheißung in Christus Jesus teilzuhaben durch das Evangelium“ {Eph 3,6). Die Taufe gut vorbereiten Angelus am 7. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Liturgie erinnert heute an die Taufe Jesu im Jordan. Es war eine einmalige, außerordentliche Taufe; durch sie wollte der Erlöser sich als einer von uns erweisen, die wir der Umkehr bedürfen, und so die universale Vergebung der Sünden ankündigen, die er zu vollbringen gekommen war. Nach den Berichten des Evangeliums öffnete sich der Himmel damals für die Herabkunft des Heiligen Geistes auf Jesus im Blick auf die Erfüllung seiner Sendung. Das Ereignis erhält seine ganze Bedeutung in der Verkündigung der göttlichen Sohnschaft von seiten des Vaters. „Du bis mein geliebter Sohn, an dir habe Gefallen gefunden“ (Mk 1,11; Lk 3,22). 2. Obwohl es sich unterscheidet von dem später durch den Sohn Gottes eingesetzten Sakrament, ist dieses Ereignis eine Vorwegnahme des Taufritus, kraft dessen der Mensch zum christlichen Leben wiedergeboren wird. Es lädt uns deshalb ein, an unsere Taufe zu denken und den ganzen Wert dieses Ritus zu erfassen, der, indem er uns die Gnade des Erlösers vermittelt, uns in die Kirche eingliedert. Im Augenblick der Taufe wurden wir durch ein „Merkmal“, ein „Siegel“ gekennzeichnet, das unsere Zugehörigkeit zu Christus endgültig festgelegt hat. Es schenkte uns eine persönliche Weihe und setzt den Anfang für die Entfaltung des göttlichen Lebens in uns. Diese Weihe begründet das allgemeine Priestertum aller Christen, das heißt das universale Priestertum der Gläubigen, das in den verschiedenen Gesten der Liturgie, des Gebetes und des Handelns Ausdruck findet. Wenn wir an die Taufe denken, die wir empfangen haben, können wir nicht umhin, Christus zu danken, der unser Sein in Besitz nehmen und unser ganzes Leben heiligen wollte. Wir müssen auch dem Heiligen Geist danken für die zahlreichen Gaben, mit denen er vom Augenblick unserer Taufe an unser christliches Leben bereichert hat. 3. Die Taufe läßt uns auch den Wert des Priesteramtes hochschätzen: der Priester ist der ordentliche Verwalter der Taufe. Denn Christus hat den Aposteln die Sendung zu taufen anvertraut: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Wir alle, auch wenn wir vielleicht den nie gekannt haben, der uns getauft hat, sollten nicht vergessen, daß ein Priester im Namen Christi für uns diese wesentliche Geste vollzogen hat. 9 AUDIENZEN UND ANGELUS Unser Augenmerk wird so auf das Thema der nächsten Synode über die Priesterausbildung hingelenkt. Diese Ausbildung soll dahin zielen, den Priester zu einem guten Spender der Sakramente zu machen, angefangen von der Taufe. Es ist wichtig, daß die Taufe seelsorgerisch gut vorbereitet wird. Wenn es sich um die Taufe eines Erwachsenen handelt, verpflichtet der entsprechende Weg des Katechumenats den Kandidaten zu einer Lehrzeit im Glauben. Bei der Taufe eines Kindes wird die ganze Familie aufgerufen, sich bei der Vorbereitung des Ereignisses einzusetzen durch eine Vertiefung des eigenen Glaubens und einer bewußteren Annahme der eigenen Verpflichtungen. Bitten wir die Jungfrau Maria, die Synode möge mit ihren Richtlinien zur Ausbildung der Priester beitragen, daß sie mit Hirtensinn und starkem Glaubensgeist die Sendung zu taufen auszuführen wissen. Die schöpferische Kraft des Geistes Gottes Ansprache bei der Generalaudienz am 10. Januar 1. In der Sprache der Bibel scheint die Betonung, die auf das Wort ruah als „Hauch Gottes“ gelegt wird, darauf hinzuweisen, daß die Analogie zwischen den unsichtbaren, geistigen, durchdringenden, allmächtigen, göttlichen Wirkweise und dem Wind in der Psychologie und Tradition verwurzelt war, aus der die kirchlichen Schriftsteller schöpften und gleichzeitig neue Nahrung boten. Trotz der Unterschiedlichkeit der abgeleiteten Bedeutungen diente der Terminus immer dazu, eine „lebendige Kraft“ auszudrücken, die im Äußeren und Inneren des Menschen und der Welt am Werk war. Auch wenn es nicht direkt die göttliche Person bezeichnete, prägte das auf Gott bezogene Wort - „Geist [oder Hauch] Gottes“ - der Seele Israels in wachsendem Maß den Gedanken an einen geistigen Gott ein, der in die Geschichte und das Leben des Menschen eingreift, und bereitete den Boden für die künftige Offenbarung des Heiligen Geistes vor. So können wir sagen, daß bereits im Schöpfungsbericht, im Buch Genesis, die Anwesenheit des „Geistes [oder Wehens] Gottes“, der über dem Wasser schwebte, während die Erde wüst und wirr war und Finsternis über der Urflut lag (vgl. Gen 1,2), eine bemerkenswert eindringliche Bezugnahme auf „jene lebendige Kraft“ ist. Sie legt nahe, daß der „Hauch“ oder „Geist“ Gottes bei der Schöpfung eine Rolle spielte, gleichsam eine Antriebskraft war, zusammen mit dem „Wort“, das den Dingen Sein und Ordnung schenkt. 2. Die Verbindung zwischen dem Geist Gottes und dem Wasser, die wir zu Beginn des Schöpfungsberichtes beobachteten, findet sich in anderer Form in verschiedenen Stellen der Bibel wieder und verstärkt sich dort noch, denn der Geist selbst wird als fruchtbringendes Wasser und Quelle neuen Lebens dargestellt. Im Buch des Trostes spricht der Zweite Jesaja die Verheißung Gottes aus: „Denn ich gieße Wasser auf den dürstenden Boden, rieselnde Bäche auf das trockene Land. Ich gieße meinen Geist über deine Nachkommen aus und meinen Segen über deine Kinder. Dann sprossen sie auf wie das Schilfgras, wie Weidenbäume an Wassergräben“ (Jes 44,3-4). Das Wasser, das Gott zu fließen verheißt, ist sein 10 AUDIENZEN UND ANGELUS Geist, den er auf die Kinder seines Volkes „ausgießen“ wird. Nicht anders verkündet der Prophet Ezechiel, daß Gott seinen Geist über das Haus Israel ausgießen wird (Ez 39,29), und der Prophet Joel greift dasselbe Wort auf, das den Geist mit ausgegossenem Wasser vergleicht: ich [werde] meinen Geist ausgießen über alles Fleisch“ (Joel 3,1). Die Symbolik des Wasser in bezug auf den Geist wird im Neuen Testament aufgegriffen und mit neuen Nuancen angereichert. Wir werden Gelegenheit haben, darauf zurückzukommen. 3. Im Schöpfungsbericht, nach der anfänglichen Erwähnung des Geistes oder Hauches Gottes, der über dem Wasser schwebte (Gen 1,2), finden wir das Wort ruah, den jüdischen Namen des Geistes, nicht mehr. Die Weise, in der aber die Erschaffung des Menschen beschrieben wird, legt eine Beziehung mit dem Geist oder Hauch Gottes nahe. Denn wir lesen, daß Gott, der Herr, nachdem er den Menschen aus Erde vom Ackerboden geformt hatte, „in seine Nase den Lebensatem blies. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen“ (Gen 2,7). Das Wort „Lebensatem“ (in jüdisch „neshama“) ist ein Synonym für „Hauch“ oder „Geist“ (ruah), wie man im Vergleich mit den anderen Texten sieht: anstelle von „Lebensatem“ lesen wir in Gen 6,17 „Lebensgeist“. Anderseits wird die Gott im Schöpfungsbericht zugeschriebene Handlung des Hauchens dem Geist in der prophetischen Vision der Auferweckung beigemessen (Ez 37,9). Die Heilige Schrift gibt uns also zu verstehen, daß Gott durch seinen Hauch oder Geist eingegriffen hat, um den Menschen zu einem Lebewesen zu machen. Im Menschen ist ein „Lebensatem“, der vom „Hauch“ Gottes selbst kommt. Im Menschen ist ein Hauch oder Geist, der dem Hauch oder Geist Gottes ähnelt. Wenn das Buch Genesis im 2. Kapitel von der Erschaffung der Tiere spricht (Vers 19), weist es nicht auf eine so enge Beziehung mit dem Hauch Gottes hin. Aus dem vorhergehenden Kapitel wissen wir, daß der Mensch „als Abbild Gottes“ (ebd., 1,26-27) geschaffen wurde. 4. Doch andere Texte geben zu, daß auch die Tiere einen Lebensatem oder -hauch besitzen und ihn von Gott empfangen haben. Unter diesem Aspekt erscheint der aus den Händen Gottes hervorgegangene Mensch solidarisch mit allen Lebewesen. So macht Psalm 104 keinen Unterschied zwischen den Menschen und den Tieren, wenn er sich an Gott, den Schöpfer, wendet und sagt: „Sie alle warten auf dich, daß du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit. Gibst du ihnen, dann sammeln sie ein“ (V. 27-28). Der Psalmist fügt hinzu: „Nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub der Erde. Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde“ (V. 29-30). Das Leben der Geschöpfe hängt deshalb vom Wirken des Wehens des Geistes Gottes ab, der nicht nur erschafft, sondern auch ununterbrochen das Antlitz der Erde erhält und erneuert. 5. Die erste Schöpfung wurde leider durch die Sünde zerstört. Aber Gott ließ sie nicht der Zerstörung anheimfallen, sondern bereitete die Rettung vor, die ein „neue Schöpfung“ sein sollte (vgl. Jes 65,17; Gal 6,15; Offb 21,5). Das Wirken des Geistes Gottes für diese neue Schöpfung wird von der bekannten Verheißung Ezechiels über die Auferweckung nahegelegt. In einer eindrucksvollen Vision schaut der Prophet eine weitere Ebene, „voll von Gebeinen“, und er erhält den Befehl, über diese Gebeine zu sprechen und zu verkünden: „Ihr ausgetrockneten Gebeine, hört das Wort des Herrn! So spricht Gott, der Herr, zu diesen 11 AUDIENZEN UND ANGELUS Gebeinen: Ich selbst bringe Geist in euch, dann werdet ihr lebendig“ (Ez 37,1-5). Der Prophet führt den göttlichen Befehl aus und „hört auf einmal ein Geräusch: Die Gebeine rückten zusammen, Bein an Bein“ (37,7). „Dann waren plötzlich Sehnen auf ihnen, und Fleisch umgab sie, und Haut überzog sie.“ Schließlich, auf die Stimme des Propheten hin, „kam Geist in sie. Sie wurden lebendig und standen auf1 (37,8-10). Der erste Sinn dieser Vision war die Wiederherstellung des Volkes Israels nach der Vernichtung und dem Exil: „Diese Gebeine sind das ganze Haus Israel“, sagt der Herr. Die Israeliten glaubten sich hoffnungslos verloren. Gott verspricht ihnen: „Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig“ (37,14). Aber im Licht des Ostergeheimnisses Jesu erhalten die Worte des Propheten eine verstärkte Bedeutung, und zwar die, eine wahre Auferweckung unserer sterblichen Leiber dank der Wirkung des Geistes Gottes anzukündigen. Der Apostel Paulus bringt diese Glaubensgewißheit zum Ausdruck und sagt: „Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt“ (Röm 8,11). Die neue Schöpfung nahm tatsächlich ihren Anfang dank des Wirkens des Heiligen Geistes im Tod und in der Auferstehung Christi. Mit seinem Leiden hat Jesus in seinem Menschsein das Wirken des Heiligen Geistes voll angenommen (vgl. Hehr 9,14), der ihn durch den Tod zu einem neuen Leben geführt hat (vgl. Röm 6,10), das er nunmehr allen Glaubenden mittei-len kann, indem er ihnen denselben Geist vermittelt, zunächst am Anfang in der Taufe, dann vollendet in der endgültigen Auferstehung. Am Abend von Ostern wiederholt der auferstandene Jesus, während er den Jüngern im Abendmahlsaal erscheint, an ihnen dasselbe Wirken, das der Schöpfergott an Adam vollbracht hatte. Gott hatte dem Leib des Menschen „Lebensatem eingeblasen“. Jesus „haucht“ die Jünger an und sagt zu ihnen: „Empfangt den Heiligen Geist“ (loh 20,22). Der menschliche Hauch Jesu dient so zu Verwirklichung eines noch herrlicheren göttlichen Werkes als des anfänglichen. Es handelt sich nicht darum, einen lebendigen Menschen zu erschaffen wie bei der ersten Schöpfung, sondern die Menschen in das göttliche Leben einzuführen. 6. Mit gutem Recht stellt der heilige Paulus deshalb eine Parallele und eine Antithese zwischen Adam und Christus her, zwischen der ersten und der zweiten Schöpfung, wenn er schreib: „Wenn es einen irdischen Leib gibt (in griechisch psychikon, von Psyche, daß heißt Seele), gibt es auch einen überirdischen (pneumatikon, das heißt vollkommen geformt und umgewandelt vom Geist Gottes). So steht es auch in der Schrift: „Adam, der Erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der Letzte Adam wurde lebendigmachender Geist“ (1 Kot 15,45). Der auferstandene Christus, der neue Adam, ist in seiner Menschheit vom Heiligen Geist so geformt, daß er selbst „Geist“ genannt werden kann. Denn diese seine Menschheit besitzt nicht nur die Fülle des Heiligen Geistes für sich selbst, sondern auch die Fähigkeit, das Leben des Geistes allen Menschen mitzuteilen. „Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung“ (2 Kor 5,17). Im Geheimnis des toten und auferstandenen Christus zeigt sich voll die schöpferische und erneuernde Kraft des Geistes Gottes, den die Kirche anruft, wenn sie sagt: „Veni Creator Spiritus“ - „Komm, Schöpfer Geist!“ 12 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In der Katechese der vergangenen Woche konnten wir die vorbereitende Offenbarung des Heiligen Geistes im Alten Bund feststellen. Aus der heutigen Lesung können wir ersehen, daß die Gegenwart des Geistes Gottes bereits in der Schöpfungsgeschichte: ein bemerkenswerter Hinweis auf jene vitale Kraft ist. Der „Hauch“ oder „Geist“ Gottes hatte bei der Schöpfung eine bedeutende Funktion. Die Verbindung zwischen dem Geist Gottes und dem Wasser findet sich in anderer Form an verschiedenen Stellen der Bibel wieder und wird sogar noch enger, weil der Geist selbst als lebenspendendes Wasser, als Quelle neuen Lebens dargestellt wird. Im Schöpfungsbericht wird der Geist oder Hauch Gottes, der über dem Wasser schwebte, gleich zu Beginn erwähnt; danach jedoch treffen wir das hebräische Wort ruah nicht mehr an. Die Art und Weise aber, in der die Erschaffung des Menschen beschrieben wird, läßt eine Verbindung mit dem Geist oder Hauch Gottes vermuten. In der Tat lesen wir, daß Gott, der Herr, nachdem er den Menschen aus Erde vom Ackerboden geformt hatte, „in seine Nase den Lebensatem blies. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen“ (Gen 2,7), Die erste Schöpfung wurde jedoch von der Sünde zerstört. Gott aber gab sie nicht der Vernichtung preis, sondern bereitete die Rettung vor, die eine „neue Schöpfung“ bringen sollte (vgl. Jes 65,17; Gal 6,15). Als der auferstandene Jesus den Jüngern im Abendmahlssaal erschien, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: „Empfangt den Heiligen Geist“ (Joh 20,22). Der menschliche Hauch Jesu dient dazu, die Menschen in das göttliche Leben einzuführen. Im Geheimnis des toten und auferstandenen Christus hat sich so die schöpferische und erneuernde Kraft des Geistes Gottes dargestellt, den die Küche anruft, wenn sie sagt: „Komm’, Schöpfer Geist“. Mit dieser Betrachtung grüße ich sehr herzlich alle anwesenden Pilger deutscher Sprache, besonders eine Gruppe von Ordensfrauen aus verschiedenen Kongregationen und Ländern, die zu einem Gebets- und Emeuerungskurs in La Storta versammelt sind. Möge euch der Heilige Geist in eurem Leben und Wüken ein ständiger Begleiter sein. Dazu erteile ich euch und allen Pilgern meinen besonderen Apostolischen Segen. 13 AUDIENZEN UND ANGELUS Priester für das dritte Jahrtausend Angelus am 14. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das soeben begonnene Jahr hat das letzte Jahrzehnt des Jahrhunderts und des Jahrtausends eingeleitet. Alles lädt dazu ein, daran zu denken, wie das Leben der Menschheit im Jahr 2000 sein wird. Der Glaubende stellt die Frage nach der Zukunft der Kirche und damit auch nach dem Priesteramt in der kommenden Epoche. Tatsächlich ist es notwendig, die zum Priestertum berufenen Jugendlichen vorzubereiten, damit sie mit der nötigen geistlichen Ausrüstung in den neuen geschichtlichen Zeitabschnitt eintreten können. Sie werden die Aufgabe haben, ihren Zeitgenosseh das Licht und das Leben Christi zu bringen. Die Synode, die im kommenden Oktober stattfindet, wird deshalb den Blick auf das dritte Jahrtausend richten müssen, das den künftigen Priestern ihr Apostolatsfeld bieten wird. 2. Wahr ist, daß wir die Zukunft nicht kennen und niemand sagen kann, wie die Menschheitsgeschichte sich entwickeln wird noch auf welche Verhältnisse hin das Leben der Völker sich entfalten wird. Doch wir wissen, daß die Zukunft in der Hand des Allmächtigen liegt, der auf die Wechselfälle des menschlichen Lebens unter ganz anderen Gesichtspunkten als den unseren einwirkt. Und doch gibt es einen wesentlichen Zug des Priesters, der sich nicht verändert: Der Priester von morgen muß nicht weniger als der von heute Christus gleich sein. Als er auf Erden lebte, bot Jesus durch sich selbst das endgültige Antlitz des Priesters dar, indem er ein Priesteramt verwirklichte, mit dem die Apostel als erste betraut wurden. Es ist dazu bestimmt, fortzu-dauem und sich in allen Geschichtsperioden unaufhörlich fortzupflanzen. Der Priester des dritten Jahrtausends wird in diesem Sinn die Reihe der Priester fortsetzen, die in den vorhergegangenen Jahrtausenden das Leben der Kirche beseelt haben. Auch im Jahr 2000 wird der Priesterberuf weiterhin der Ruf sein, das einzige und ewige Priestertum Christi zu leben. 3. Aber das Priestertum muß sich auch jeder Epoche und jedem Lebensumfeld anpassen, um Frucht bringen zu können. Bei dieser Anpassung ist es Pflicht, vor allem auf das Wirken des Heiligen Geistes zu zählen, der die Zukunft und Leitung der ganzen Kirche entscheidet und zu neuen Entwicklungen führt. Wir unserseits müssen deshalb versuchen, uns so weit wie möglich der höheren Eingebung des Heiligen Geistes zu öffnen, um die Ausrichtungen der heutigen Gesellschaft zu entdecken, die tiefsten geistlichen Bedürfnisse zu erkennen, die wichtigsten konkreten Aufgaben zu bestimmen, die Pastoralmethoden anzuwenden und so in angemessener Weise den menschlichen Erwartungen zu entsprechen. Es wird Sache der Synode sein, nach dieser Erkenntnis zu suchen und die zweckmäßigen Hinweise über die Priesterausbildung zu geben, damit die Kirche auch im dritten Jahrtausend der Welt ihre Botschaft durch eifrige und zeitgemäße Priester anbieten kann. Bitten wir die Jungfrau Maria, damit die Priester des Jahres 2000 die Welt mit dem Geist des Evangeliums beseelen können. 14 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott ist mit dir Ansprache bei der Generalaudienz am 17. Januar 1. Das Alte Testament bietet uns wertvolle Zeugnisse über die Rolle, die dem „Geist“ Gottes - als „Hauch“, „Atem“, „Lebenskraft“ oder in Gestalt des Windes - nicht nur in den Büchern zuerkannt wurde, die das religiöse und literarische Werk der heiligen Schriftsteller, Spiegel der Psychologie und der Ausdrucksweise Israels, umfassen, sondern auch im Leben der Persönlichkeiten, die das Volk auf seinem geschichtlichen Weg in die messianische Zukunft führen. Es ist der Geist Gottes, der gemäß den heiligen Schriftstellern auf die Führer einwirkt in der Weise, daß sie nicht nur im Namen Gottes wirken, sondern daß sie durch ihr Tun wirklich der Erfüllung des göttlichen Plans dienen und deshalb nicht so sehr danach trachten, ihre persönliche und dynastische Macht zu errichten und auszubauen gemäß dem Ausblick einer monarchischen oder aristokratischen Auffassung, sondern den anderen und besonders dem Volk einen nützlichen Dienst zu erweisen. Man kann sagen, daß der Geist Gottes durch diese Vermittlung der Führer die Geschichte Israels durchdringt und leitet. 2. Bereits in der Geschichte der Patriarchen ist zu beobachten, daß eine höhere Hand sie auf ihrem Weg, auf ihrer Wanderung und in ihren Schicksalsfällen leitet; eine Hand, die einen Plan verwirklicht, der ihre „Herkunft“ betrifft. Unter ihnen ist Josef, in dem der Geist Gottes als Geist der Weisheit wohnt, wie der Pharao feststellt, der seine Hofleute fragt: „Finden wir einen Mann wie diesen hier, einen, in dem der Geist Gottes wohnt?“ (Gen 41,38). Der Geist Gottes befähigt Josef, das Land zu verwalten und seine außerordentliche Funktion nicht nur zugunsten seiner Familie und ihrer verwandtschaftlichen Verzweigungen, sondern in bezug auf die ganze zukünftige Geschichte Israels auszuüben. Auch auf Mose, den Vermittler zwischen Jahwe und dem Volk, wirkt der Geist Gottes ein; er stützt und leitet ihn während des Exodus, der Israel dahin führt, ein Vaterland zu haben und ein unabhängiges Volk zu werden, fähig, seinen messianischen Auftrag zu erfüllen. In einem Augenblick der Spannung unter den in der Wüste lagernden Familien, als Mose Gott gegenüber klagt, weil er sich nicht gewachsen fühlt, „dieses ganze Volk allein zu tragen“ (Num 11,14), befiehlt Gott ihm, siebzig Männer auszuwählen und mit ihnen eine erste Führungsmacht für die wandernden Volksstämme zu organisieren, und er verkündet: „Ich nehme etwas von dem Geist, der auf dir ruht, und lege ihn auf sie. So können sie mit dir zusammen an der Last des Volkes tragen, und . du mußt sie nicht mehr allein tragen“ (Num 11,17). Und tatsächlich, als die siebzig Ältesten um das Offenbarungszelt versammelt waren, nahm der Herr „etwas von dem Geist, der auf ihm ruhte, und legte ihn auf die siebzig Ältesten“ (Num 11,25). Als Mose an seinem Lebensende dafür sorgen muß, der Gemeinschaft einen Führer zu hinterlassen - denn „die Gemeinde des Herrn soll nicht sein wie Schafe, die keinen Hirten haben“ -, weist der Herr ihn auf Josua hin, „einen Mann, der mit Geist begabt ist“ (Num 27,17-18). Und Mose „legte ihm seine Hände auf', so daß auch er „vom Geist der, Weisheit erfüllt“ war (Dtn 34,9). 15 AUDIENZEN UND ANGELUS Dies sind typische Fälle der Gegenwart und des Wirkens des Heiligen Geistes in den „Hirten“ des Volkes. 3. Manchmal ist die Gahe des Geistes auch dem gegeben, der, obwohl kein Führer, von Gott berufen ist, in besonderen Augenblicken und Situationen einen wichtigen Dienst zu tun. Zum Beispiel, .als es sich darum handelt, das „Offenbarungszelt“ und die „Bundeslade“ herzustellen, sagt Gott zu Mose: „Siehe, ich habe Bezalel... beim Namen gerufen und ihn mit dem Geist Gottes erfüllt, mit Weisheit, mit Verstand und mit Kenntnis für jegliche Arbeit“ (Ex 31,3; vgl. 35,31). Und Gott fügt sogar in bezug auf die Mitarbeiter dieses Handwerkers noch hinzu: „Ich habe ... allen Kunstverständigen Weisheit verliehen, damit sie alles ausführen, was ich dir aufgetragen habe: das Offenbarungszelt, die Lade für die Bundesurkunde“ (Ex 31,6-7). Im Buch der Richter werden Männer gewürdigt, die anfänglich „Befreier“ sind, aber dann auch Statthalter und Gebietsverwalter in der Zeit der Regelung vom Stammesregime zur Monarchie. Nach dem Sprachgebrauch des Verbums „shafat“, „richten“, werden sie in den mit dem Hebräischen verwandten semitischen Sprachen nicht nur als Verwalter der Gerechtigkeit betrachtet, sondern als Führer ihres Volkes. Sie werden von Gott erweckt, der ihnen seinen Geist („Hauch“ - ruah) mitteilt als Antwort auf die Bitten, die in schwierigen Situationen an ihn gerichtet werden. Mehrmals wird ihr Erscheinen und ihr siegreiches Handeln einer Gabe des Geistes zugeschrieben. So wird im Fall des Otniel, des ersten der großen Richter, von dem die Geschichte berichtet, gesagt: „Als die Israeliten zum Herrn schrien, gab der Herr den Israeliten einen Retter, der sie befreite: Otniel... Der Geist des Herrn kam über ihn, und er wurde Richter in Israel“ (Ri 3,9-10). Bei Gideon liegt die Betonung auf der Macht des göttlichen Wirkens: „Da kam der Geist des Herrn über Gideon“ (Ri 6,34). Auch von liftach wird gesagt: „Dakam der Geist des Herrn über liftach“ (Ri 11,29). Und von Simson heißt es, daß „der Geist des Herrn ihn umherzutreiben“ begann (Ri 13,25). Der Geist Gottes ist in diesen Fällen der Spender einer außerordentlichen Kraft, des Mutes zu Entscheidungen, manchmal eines strategischen Geschicks, weshalb der Mensch befähigt wird, die ihm aufgetragene Sendung der Befreiung und Führung des Volkes auszuüben. 4. Als die geschichtliche Wende von den Richtern zu den Königen eintritt entsprechend der Bitte der Israeliten, „jetzt einen König bei uns einzusetzen, der uns regieren soll, wie es bei allen Völkern der Fall ist“ (1 Sam 8,5), handelt der betagte Richter und Retter Samuel so, daß Israel das Gefühl der Zugehörigkeit zu Gott als auserwähltes Volk nicht verliert und das wesentliche Element der Theokratie sichergestellt wird, das heißt die Anerkennung der Rechte Gottes über das Volk. Die Salbung der Könige als institutioneller Ritus ist das Zeichen der göttlichen Einsetzung, die eine politische Macht in den Dienst einer religiösen und messianischen Zielsetzung stellt. Samuel, nachdem er Saul gesalbt hatte und ihm die Begegnung in Gabaa mit einer Schar von Propheten in Verzückung angekündigt hatte, sagt deshalb zu ihm: „Dann wird der Geist des Herrn über dich kommen, und du wirst wie sie in Verzückung geraten und in einen anderen Menschen verwandelt werden“ (1 Sam 10,6). „Als sich Saul nun umwandte, um von Samuel wegzugehen, verwandelte Gott sein Herz ... Der 16 AUDIENZEN UND ANGELUS Geist Gottes kam über Saul, und Saul geriet mitten unter ihnen in prophetische Verzückung“ (1 Sam 11,6). In ihm verwirklichte sich Samuels Verheißung des göttlichen Schutzes und Bundes: „Gott ist mit dir“ (1 Sam 10,7). Als der Geist des Herrn von Saul wich, der von einem bösen Geist gequält wurde (vgl. 1 Sam 16,14), tritt bereits David auf, vom betagten Samuel gesalbt, „und der Geist des Herrn war über David von diesem Tag an“ (1 Sam 16,13). 5. In David, viel mehr als in Saul, nimmt das Bild des vom Heim gesalbten Königs, des zukünftigen Messias-Königs, feste Gestalt an, der der wahre Retter und Erlöser seines Volkes sein wird. Wenn auch die Nachfolger Davids bei der Verwirklichung des messianischen Königtums seine Größe nicht erreichen, ja nicht wenige dem Bund Jahwes mit Israel zuwiderhandeln, geht das Bild des Messias-Königs nicht unter und ist immer mehr auf die Zukunft ausgerichtet in Form einer Erwartung, die von den prophetischen Ankündigungen genährt wird. Vor allem Jesaja betont das Verhältnis zwischen dem Geist Gottes und dem Messias: „Der Geist des Herrn läßt sich nieder auf ihm“ (Jes 11,2). Es ist wieder der Geist der Stärke, aber vor allem der Geist der Weisheit: „der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht“ wird es sein, der den Messias drängt, Gerechtigkeit zu üben zugunsten der Hilflosen, der Armen und der Unterdrückten (vgl. Jes 11,2-4). Der heilige Geist des Herrn (Jes 42,1; vgl. 61,lf.; 63,10-13; Ps 51,13; Weish 1,5; 9,17), sein „Hauch“ (ruah), der die ganze biblische Geschichte durchzieht, wird also dem Messias in Fülle gegeben. Derselbe Geist, der vor der Schöpfung über dem Chaos schwebte (vgl. Gen 1,2), der allem Leben gibt (vgl. Ps 104,29-30; 33,6; Gen 2,7; Ez 37,5-6,9-10), der die Richter erweckt (vgl. Ri 3,10; 6,34; 11,29) und die Könige (vgl. 1 Sam 11,6), der die Handwerker zur Arbeit am Heiligtum befähigt (vgl. Ex 31,3; 35,31), der Josef Weisheit schenkt (vgl. Gen 41,38), Mose und die Propheten inspiriert (vgl. Num 11,17.25-26; 24,2; 1 Sam 10,6-10; 19,20), ebenso David (vgl. 1 Sam 16,13; 2 Sam 23,2); er wird auf den Messias mit der Fülle seiner Gaben herabkommen (vgl. Jes 11,2) und ihn in die Lage versetzen, seine Sendung der Gerechtigkeit und des Friedens zu erfüllen. Der, auf den Gott „seinen Geist gelegt hat, er bringt den Völkern das Recht“ (Jes 42,1); „er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet hat“ (Jes 42,4). 6. Auf welche Weise wird er „das Recht begründen“ und die Unterdrückten befreien? Wird es vielleicht mit Waffengewalt geschehen, wie es die Richter unter dem Antrieb des Geistes und die Makkabäer viele Jahrhunderte später taten? Das Alte Testament bot keine klare Antwort auf diese Frage. Einige Stellen kündigten gewaltsame Ereignisse an, wie zum Beispiel der Text des Jesaja, der sagt: „Ich zertrat die Völker in meinem Zorn, ich zerschmetterte sie in meinem Grimm, und ihr Blut ließ ich zur Erde rinnen“ (Jes 63,6). Andere hingegen bestanden auf der Absage an jeden Kampf: „Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg“ (Jes 2,4). Die Antwort sollte in der Weise offenbar werden, in der der Heilige Geist Jesus in seiner Sendung führte. Aus dem Evangelium wissen wir, daß der Geist Jesus drängte, die Anwendung der Waffen und jeden menschlichen Ehrgeiz zurückzuweisen und den Sieg Gottes mit Hilfe einer grenzenlosen Hochherzigkeit herbeizuführen, indem er sein eigenes Blut vergoß, um uns von 17 AUDIENZEN UND ANGELUS unseren Sünden zu erlösen. So offenbarte sich in entscheidender Weise das leitende Wirken des Heiligen Geistes. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die Offenbarung über den Heiligen Geist beginnt schon im Alten Testament. Seine Gegenwart und sein Wirken werden besonders in den Führern und Königen des auserwählten Volkes bezeugt. Durch ihn werden sie befähigt, ihre Sendung und ihre Aufgaben zum Wohl des Volkes zu erfüllen. Ich nenne stellvertretend für alle Moses und die Könige Saul und David. Die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes finden ihren höchsten Ausdruck im Messias, von dem der Prophet Jesaja sagt: „Der Geist des Herrn läßt sich nieder auf ihm“ (Ps 11,2). Mit einem herzlichen Willkommensgruß erbitte ich euch allen anwesenden Pilgern die reichen Gaben des Heiligen Geistes und erteile ihnen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Gemeinsam Zeugnis ablegen Angelus am 21. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es findet zur Zeit die Weltgebets woche für die Einheit der Christen statt. Heute möchte ich eure Aufmerksamkeit auf diese besonders wichtige Initiative für die christliche Gemeinschaft lenken, die bemüht ist, ihren Glauben mitten in der Welt zu bezeugen. Unser Herr Jesus hat die Verbreitung des Evangeliums unter den Völkern an die Einheit seiner Jünger gebunden. Am Vorabend seines Leidens und Sterbens zur Rettung der Menschen betete er für seine Jünger und für alle, die an ihn glauben würden. Als er sich an den himmlischen Vater wandte, bat er ausdrücklich: „Alle sollen eins sein ..., damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Deshalb wurde zweckmäßigerweise für diese Gebetswoche gerade dieses Hauptthema gewählt mit der Einladung an alle Christen - Katholiken, Orthodoxe, Anglikaner und Protestanten sich demselben Gebet Christi anzuschließen. Im Namen Christi bitten wir also den Vater um das Geschenk der Einheit, „damit die Welt glaubt“, damit die gesamte Menschheit das Wort Gottes annehmen und eine einträchtige und friedliche, in der Wahrheit geheiligte Gemeinschaft bilden kann. 2. Die christliche Gemeinschaft insgesamt bemüht sich auf diesem Weg, und wirkliche Fortschritte werden gemacht. Heute möchte ich eurem Gebet ein besonderes Anliegen empfehlen. Ich habe in diesen Tagen eine Delegation nach Moskau gesandt, die dort mit den Vertretern des Orthodoxen Patriarchats zusammengetroffen ist zu dem Zweck, gemeinsam nach 18 AUDIENZEN UND ANGELUS Möglichkeiten zu suchen, um die Probleme, die sich in der Westukraine stellen, in Brüderlichkeit zu lösen. Ich hege den festen Wunsch, daß alles vermieden werde, was die derzeitige Anstrengung zu Versöhnung und neuer und tieferer Brüderlichkeit behindern oder ihr entgegenstehen könnte. In diesem Jahr werde ich einen Termin nicht enthalten können, der mir sehr am Herzen liegt. Aufgrund meiner kommenden Reise nach Afrika werde ich in der Basilika St. Paul vor den Mauern nicht anwesend sein können, um - wie ich es alljährlich getan habe - dem feierlichen Abschluß der Gebetswoche am 25. Januar vorzustehen. Ich lade aber die Gläubigen zur Teilnahme an der Feier ein, die von Kardinal Johannes Willebrands geleitet wird. Ich werde in Gedanken und im Gebet anwesend sein, damit diese sichtbare Kundgebung unseres Willens, für die Einheit der Christen zu beten, sich denen anfiigt, die die Christen in aller Welt einträchtig vereint sehen in dem Bemühen vor Gott, für die Wiederherstellung der Einheit zu wirken und zu beten. 3. Wh vertrauen in diesem Augenblick unser Gebet der seligsten Jungfrau an und bitten sie, durch ihre himmlische Fürsprache bei ihrem Sohn zu vermitteln. Vor ihr, der Mutter Christi und unserer Mutter, fühlen wird uns als wahre Brüder und Schwestern innerhalb des messia-nischen Volkes auf dem Weg zum gemeinsamen himmlischen Vaterhaus. Maria möge den Augenblick herbeiführen, in dem alle Glaubenden in der vollen Gemeinschaft ihren Glauben an den einen Heim, den Sohn Gottes, empfangen durch den Heiligen Geist, bezeugen können. Nicht auf halbem Weg stehenbleiben Ansprache bei der Generalaudienz am 24. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Morgen wird die Gebetswoche für die Einheit der Christen beendet. Ich möchte eure Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, das die Meditation und das Gebet der Katholiken, Orthodoxen, Anglikaner und Protestanten während dieser ganzen Woche inspiriert hat: „Alle sollen eins sein ..., damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Am Vorabend des Leidens, das ihn zum Kreuzestod führen sollte, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52), betete Jesus für seine Jünger und für all jene, die zu allen Zeiten und an allen Orten an ihn glaubten. Er betete damals auch für die Christen unserer Zeit. Er bat den Vater, daß sie „eins seien“, untereinander vereint in einer Weise, die alles Begreifen übersteigt: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein“ (Joh 17,21). Die Einheit, die der Herr für seine Jünger erfleht, ist vor allem Gemeinschaft mit Gott. Eine Gemeinschaft des Lebens und nicht nur des Gefühls: „Wie du in mir bist und ich in dir bin.“ Eine Gemeinschaft, die Einwohnung Gottes im Menschen und Angleichung des Menschen an Gott ist. 19 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Der zweite Petrusbrief erinnert daran, daß Gottes Macht „alles, was für unser Leben und unsere Frömmigkeit gut ist..., uns geschenkt hat; sie hat uns den erkennen lassen, der uns durch seine Herrlichkeit und Kraft berufen hat. Durch sie wurden uns die kostbaren und überaus großen Verheißungen geschenkt, damit ihr ... an der göttlichen Natur Anteil erhaltet“ (2 Petr 1,3-4). Von dieser geheimnisvollen Lebensgemeinschaft mit Gott, dank derer wir an seinem Wesen selbst teilhaftig wurden, geht die Gemeinschaft unter den Christen aus. Das Zweite Vatikanische Konzil hat einen solchen Ausblick klar gesehen und ausdrücklich auf ihn hingewiesen. Das Ökumenismus-Dekret erinnert alle Gläubigen daran, „daß sie die Einheit der Christen um so besser fördern, ja sogar einüben, je mehr sie nach einem reinen Leben gemäß dem Evangelium streben. Je inniger die Gemeinschaft ist, die sie mit dem Vater, dem Wort und Geist vereint, um so inniger und leichter werden sie imstande sein, die gegenseitige Brüderlichkeit zu vertiefen“ (Unitatis redintegratio, Nr. 7). Auch aus dieser Perspektive versteht man die enge Beziehung, die Jesus zwischen der Einheit der Christen und dem Fortschreiten des Glaubens in der Welt schafft: „Alle sollen eins sein ..., damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Die Einheit bringt in Wirklichkeit die Qualität und Folgerichtigkeit unseres Glaubens an den einen Herrn zum Ausdruck. So erklärt sich die kurze Bekräftigung des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Es gibt keinen echten Ökumenismus ohne innere Bekehrung“ (Unitatis redintegratio, Nr. 7). Deshalb werden die Heiligkeit des Lebens und das Gebet „die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung“ genannt (ebd., Nr. 8). 3. Die Worte Jesu führen uns zum Kem der ökumenischen Frage und seinen wesentlichen Ansatz zurück. Sie zeigen die Dringlichkeit, die Einheit der christlichen Gemeinschaft in voller und harmonischer Weise wiederherzustellen, damit die Sendung der Kirche erfüllt werden kann, allen Völkern den Erlöser Jesus Christus zu verkünden. Aus dem Text des Evangeliums ist auch die Bedeutung des Gebets für die Wiederherstellung der Einheit abzuleiten. Unser Herr Jesus selbst wandte sich an den Vater, um ihn zu bitten, die Jünger in seinem Namen „zu bewahren“ (V. 17,11), „damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ (V. 17,19), und in sie dieselbe Liebe einzugießen, die der Vater zum Sohn hat. Das Gebet für die Einheit ist ein Bemühen, das jedem Christen möglich ist. Wenn auch nicht alle an bestimmten Aspekten der Suche nach der Einheit (Studien, Dialog, praktische Zusammenarbeit) teilhaben können, so können doch alle sich der beständigen und einträchtigen Bitte um das Geschenk der Einheit anschließen. Dies können die Pfarrgemeinden, die Ordensgemeinschaften - besonders die des kontemplativen Lebens- und die Einzelpersonen tun. Alle Christen ohne Ausnahme wirken an dieser Suche nach universaler Gemeinschaft mit, die der gemeinsamen Taufe entspringt. 4. Der ökumenische Horizont andererseits erfordert und ermutigt diese Teilnahme. Wenn wir auf die 25 Jahre, die seit Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils vergangen sind, und auf das Dekret Unitatis redintegratio zurückblicken, mit dem die Konzilsväter der ökumenischen Bewegung einen starken Impuls einprägten, sehen wir, daß die Lage sich geändert und wesentlich gebessert hat. Der Geist der Brüderlichkeit und christlichen Solidarität hat sich 20 AUDIENZEN UND ANGELUS gefestigt. Die Überlegungen über die gemeinsame Taufe hat das Bewußtsein von den zwischen den Christen bestehenden Banden der Gemeinschaft bestärkt, ebenso die Pflicht, die noch verbliebenen Meinungsverschiedenheiten zu überwinden mit dem Ziel, zur vollen Einheit im Glauben zu gelangen. Die katholische Kirche ihrerseits steht mit allen anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften des Ostens und des Westens in direktem Dialog. Kontakte, neue Beziehungen, mehrseitige Dialoge und zweiseitige Dialoge sowie verschiedene Formen der Zusammenarbeit haben sich entwickelt. Es entstand das gemeinsame Gebet. 5. Die gesamte Bewegung hat ein erstes Ergebnis von besonderer Bedeutung gezeitigt: Sie ließ ein vertieftes gegenseitiges Bewußtsein entstehen, das nach und nach die aus der Vergangenheit passiv ererbten Vorurteile und irrtümlichen Ansichten auslöscht. Außerdem hat der theologische Dialog die wirklichen Meinungsverschiedenheiten mit größerer Klarheit herausgestellt, hat aber auch bedeutsame Übereinstimmungen über Themen ins Licht gerückt, die in der Vergangenheit Grund zu starkem Widerspruch und Konflikten (Weiheamt, Eucharistie, Autorität in der Kirche) waren. Diese Entwicklung kann nicht auf halbem Weg stehenbleiben. Sie muß ihren Weg ganz gehen, um zu einer vollen Übereinstimmung über das Fundament der Heiligen Schrift und der großen Tradition der Kirche zu gelangen. Unbedingt notwendig ist deshalb die Teilnahme aller entsprechend der Rolle, die jeder im Leben der Kirche hat. 6. Jesus bezeugt in seinem Gebet, daß er seinen Jüngern das Wort verliehen hat, sie den Namen Gottes erkennen ließ, und sie glaubten an ihn, den Gesandten Gottes. Er bittet deshalb den Vater, daß die Jünger in der Wahrheit geheiligt werden und an seiner Herrlichkeit selbst teilhaben: „denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind ... So sollen sie vollendet sein in der Einheit“ (Joh 17,22 f.). Die Einheit, zu der die Christen berufen sind, ist die vollkommene Einheit. Man kann sich nicht mit der jetzigen Situation wahrer, aber teilweise vollzogener Gemeinschaft zufrieden geben. Vor den Christen steht das Bild der vollen Einheit im Glauben, im sakramentalen Leben und in der organischen Gliederung des kirchlichen Gefüges. Eine ausgewogene Betrachtung unserer jüngsten Vergangenheit zeigt uns, daß die Christen auf diesem Weg fortschreiten, der vom Heiligen Geist in unserer Zeit gewiesen wurde. 7. Persönlich danke ich dem Herrn für die vielen Gelegenheiten, die er mir bietet, um das neue Gefühl der Brüderlichkeit zu spüren, das sich unter den Christen herausgebildet hat. Die Rombesuche von Verantwortlichen anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften sowie meine Reisen in die verschiedenen Teile der Welt geben mir die günstige Gelegenheit zu Begegnungen, die reich sind an innerer Bewegung, Liebe, aufrichtigen Gesprächen und gegenseitiger brüderlicher Ermutigung. Wie es bei solchen Begegnungen geschieht, bitten wir auch heute mit dem Gebet, das uns Jesus Christus gelehrt hat. Und während wir unseren Vater anrufen, schließen wir alle Getauften ein, die über die Welt hin verstreut sind. 21 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Morgen endet die diesjährige Gebetswoche für die Einheit der Christen. Katholiken, Orthodoxe,' Anglikaner und Protestanten sind sich in diesen Tagen ihrer Verantwortung für die kirchliche Einheit in besonderer Weise bewußt. Der Auftrag des Herrn zu dieser Einheit ist Gegenstand ihrer Meditation und das gemeinsame Gebet Ausdruck ihrer Verbundenheit im Glauben. Ja, wir Christen können tatsächlich nicht anders als auf Jesus zu schauen und uns seiner Bitte selbst an den Vater für die Einheit anzuschließen: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Die Taufe ist das gemeinsame Fundament aller Christen. Deshalb ist jeder Christ ausnahmslos auch aufgerufen, seine Verantwortung hierfür wahrzunehmen und an der Verwirklichung der Einheit der universalen Gemeinschaft der Kirche mitzuarbeiten. Gebet, theologischer Dialog, praktische Zusammenarbeit auf den verschiedenen Ebenen sind hierbei notwendige und wichtige Elemente auf dem uns von Christus gewiesenen Weg zur vollkommenen Einheit im Glauben, im sakramentalen Leben und im organischen Aufbau der Kirche. Ich danke dem Herrn für jede persönliche Begegnung mit Vertretern und Gruppen anderer Kirchen, sei es hier in Rom oder anläßlich meiner Pastoraireisen in die verschiedenen Erdteile. Sie sind mir willkommene Gelegenheit zum aufrichtigen Austausch, der zu einem tieferen Verstehen des anderen beiträgt, gegenseitige Nähe schafft und brüderliche Liebe zueinander wachsen läßt. Liebe Schwestern und Brüder, bleiben wir uns der Verpflichtung zur Einheit stets bewußt und tragen wir im Geist des Evangeliums durch Tat und Gebet das Unsere dazu bei. Mit diesen kurzen Ausführungen grüße ich alle anwesenden Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern. Ich wünsche Euch einen frohen Aufenthalt in Rom und erteile Euch und Euren Familien sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem von Herzen den Apostolischen Segen. Gott beruft die Priester Angelus am 4. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Meim erstes Wort heute ist ein Wort des Dankes an den Herrn für den glücklichen Ausgang der Pästoralreise in einige Länder Westafrikas. Im Herzen trage ich die lebendige Erinnerung an die herzlichen Begegnungen mit der Bevölkerung, die arm ist an materiellen Mitteln, aber besonders reich an menschlichen und christlichen Werten. Ich behalte mir vor, demnächst auf die Eindrücke zurückzukommen, die in mir durch diese intensive Erfahrung kirchlichen 22 AUDIENZEN UND ANGELUS Lebens geweckt wurden. Inzwischen lobpreise ich Gott und vertraue der Fürsprache der seligsten Jungfrau Maria das Samenkorn an, das in diesem fruchtbaren Erdreich ausgestreut wurde. 2. Seit einiger Zeit versuchen wir beim Angelusgebet über das Thema der Priesterausbildung nachzudenken, das Gegenstand der nächsten Bischofssynode sein wird. Heute möchte ich eure Aufmerksamkeit auf das lenken, was dieser Ausbildung vorausgeht, das heißt auf die Bedingungen des Heranreifens und der Entwicklung der Priesterberufe. In welchem Maß und mit welchen Mitteln ist es möglich, die Erweckung und das Wachstum dieser Berufe zu fördern? Es ist ein Problem, das sich besonders den christlichen Eltern und Erziehern stellt und das sorgfältig zu untersuchen ist. 3. Angesichts diese Problems ist es vor allem wichtig zu bedenken, daß die Berufung einer höchsten Initiative Gottes entspringt. Es ist notwendig, die göttliche Entscheidung zu achten, die man nicht erzwingen und durch eine menschliche Entscheidung ersetzen kann. Zum Priestertum geeignet sind nur diejenigen, die Christus ruft! So erklärt sich, weshalb das Gebet eines der vorrangigen Mittel ist, die Berufe zu fördern. Indem wir bitten, können wir erlangen, daß die Berufe zunehmen: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,38). Einem solchen von Christus angeordneten Gebet kann es nicht an Wirksamkeit fehlen. Über das Gebet hinaus können sich andere menschliche Initiativen für die Entfaltung einer Berufung als nützlich erweisen. Eine Begebenheit aus dem Evangelium bietet uns ein eindrucksvolles Beispiel: Andreas, einer der ersten beiden Jünger, die Jesus nachfolgten, erzählte seinem Bruder Simon das, was mit ihm geschehen war, und „führte ihn zu Jesus“ {Joh 1,42). Gewiß, Jesus war es, der Simon zu sich rief und ihm den Namen Petrus gab, aber es war die Initiative von Andreas, die die Begegnung herbeiführte, bei der Jesus dann seinen Ruf an das künftige Oberhaupt der Kirche richtete. 4. Die Schlußfolgerung ist, daß jeder von uns Werkzeug der Gnade der Berufung werden kann. Manchmal können ein Wort oder eine Frage, die an einen jungen Menschen gerichtet werden, in ihm den Gedanken der Berufung wecken. Insbesondere die Erzieher haben die Möglichkeit, den Wert des Priesterlebens verständlich zu machen, wenn sie auch Priester sind, können sie vor allem durch ihr Lebenszeugnis in den jungen Menschen ihrer Umgebung die Begeisterung für den Priesterberuf auslösen. Das muß jedoch immer unter Achtung der persönlichen Freiheit des Jugendlichen und in einem Kontext der Behutsamkeit geschehen, der all das vermeidet, was den Anschein eines moralischen Drucks annehmen könnte. Wenn wir um Priesterberufe beten, bitten wir auch darum, daß die Synode alle Christen ermutige, sie ihren Mitteln und Möglichkeiten entsprechend zu fördern. Die seligste Jungfrau Maria, voll Sorge um die Entwicklung der Kirche, bekräftige durch ihre Fürsprache das Gewicht unseres Gebetes. 23 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Einen besonders herzlichen Gruß richte ich jetzt an alle, die an dem langen Marsch durch die Straßen Roms anläßlich des „Tages für das Leben“ teilgenommen haben, den die Italienische Bischofskonferenz seit einigen Jahren in entsprechender Weise fördert. Das für diesen Tag gewählte Thema „Lebe, um dem Leben zu dienen“, ist ein dringender Hinweis auf die Verantwortung eines jeden von uns angesichts dieses Grundwertes, insbesondere wenn das Leben des andern bedroht oder - wie die italienischen Bischöfe sagten -„verflacht und verschleudert“ wird. Dies ist eine der Folgen der hedonistischen Mentalität, die, weil sie Gott nicht als Anfang und Ende der Schöpfung erkennt, dahin gelangt, praktisch auch den Menschen zu verneinen, ich meine sein Würde und seine Unantastbarkeit. Ich wende mich besonders an die jungen Menschen und an alle, die sich in ihrer Berufstätigkeit dem Schutz und dem Dienst des Lebens widmen. Bemüht euch weiter um den Aufbau einer Gesellschaft, die solidarisch mit dem Leben ist. Bezeugt seine Heiligkeit und Schönheit, indem ihr hochherzige Entscheidungen trefft, die nur die wahre Liebe vorgeben kann. Verteidigt das Leben in seinem gesamten Ablauf, das heißt vom Augenblick der Empfängnis an bis zu seinem natürlichen Ende. Vorbild und Hilfe in diesem Bemühen, das unsere Gesellschaft so nötig hat, sei für euch die seligste Jungfrau, die Mutter Jesu, des „Urhebers des Lebens“ (Apg 3,15). Deutsche Katholiken brachten zuerst Hilfe Ansprache bei der Generalaudienz am 7. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Vor zehn JaJuren, im Monat Mai 1980, konnte ich zum ersten Mal einige Länder des afrikanischen Kontinents besuchen. Im Verlauf der Reise hielt ich mich kurz in Ouagadougou auf, der Hauptstadt von Burkina Faso. Von dort aus richtete ich erstmals an die ganze internationale Gemeinschaft einen Appell in bezug auf die Gefahr, der die Länder der Wüstenregion der Sahara ausgesetzt sind. Der Ruf um Hilfe für diese Länder, die allgemein mit dem Namen Sahel bezeichnet werden, fand damals eine Antwort. Die ersten, die Hilfe brachten, waren die deutschen Katholiken; ihnen schlossen sich dann auch die anderen an. Dank dieser Spenden konnte eine entsprechende Stiftung zugunsten der Sahelzone gegründet werden. Wie bekannt, hat diese Stiftung den Zweck, die Ausbildung von Personen zu unterstützen, die sich ohne Diskriminierung in den Dienst ihrer Länder und ihrer Brüder und Schwestern stellen im Geist der ganzheitlichen und solidarischen Förderung des Menschen, um die Ausbreitung der Wüste und ihre Ursachen zu bekämpfen und den Opfern der Dürre in den Sahel-Län-dem zu helfen (vgl. Statut, Art. 3,1). In diesem Jahr wird der 10. Jahrestag dieses Besuches in Ouagadougou begangen. Aus eben diesem Grund führte mich der Weg der jüngsten Pilgerreise in Afrika durch einige Länder, die in einer ähnlichen Lage sind. Sie kämpfen gegen 24 AUDIENZEN UND ANGELUS dieselbe Gefahr, die von der Wüste Sahara kommt, die sich fortschreitend in Ländern ausbreitet, wo bis jetzt Leben und wenigstens ein bescheidener Ackerbau möglich war. 2. Ich möchte all jenen danken, die mich einluden, Kapverden, Guinea-Bissau, Mali, Burkina Faso und den Tschad zu besuchen. Den Oberhäuptern dieser Länder und dem Episkopat spreche ich meinen herzlichen Dank aus. Ich danke aufrichtig allen für das, was sie getan haben, damit der Besuch seinem pastoralen Charakter entsprechend verlaufen konnte. Ich danke den Einzelpersonen, den Institutionen und Behörden, die an der Organisation des Besuches verwaltungsgemäß beteiligt waren. Zugleich danke ich allen Brüdern im Bischofsamt, den Priestern, den männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften und vielen Lai-envertretem, die den Besuch in pastoraler Hinsicht vorbereitet haben. Zum Schluß wende ich mich an alle, die dem Besuch - manchmal unter großen Opfern - beigewohnt haben: es handelt sich nicht nur um die Söhne und Töchter der katholischen Kirche, sondern auch um Anhänger des Islams und der traditionellen afrikanischen Religionen, die in den meisten dieser Länder sehr zahlreich sind. 3. Tatsächlich ist unter ihnen nur Kapverden ein mehrheitlich katholisches Land, denn seine Bevölkerung besteht zu 90 Prozent aus Katholiken. Die Kirche hat in diesem Archipel inmitten des Atlantischen Ozeans seit Beginn der Besiedlung durch die Portugiesen Fuß gefaßt. In allen anderen Ländern des afrikanischen Kontinents sind die Katholiken hingegen eine manchmal sehr bescheidene Minderheit. Der Großteil der Einwohner gehört in religiöser Hinsicht den traditionellen afrikanischen Religionen (animistischer Natur) oder der muslimischen Religion an (in Mali zum Beispiel sind die Muslime etwa 80 Prozent). Dennoch scheint es, daß man in diesen Ländern auch im Licht ihrer Traditionen eine Haltung der Achtung gegenüber den religiösen Überzeugung aller Bürger erkennen kann. Im allgemeinen sind die Bedingungen der Religionsfreiheit oder wenigstens der Toleranz geschaffen, die die führenden Personen oder Gruppen scheinbar nicht angreifen oder ändern wollen. In der Tat sprachen die politischen Führer, die ich während dieser Reise treffen konnte und die persönlich beispielsweise Muslime waren, ihre überzeugte Anerkennung aus für die Tätigkeit der katholischen Missionare und der Einrichtungen, die von der Kirche gefördert und unterhalten werden. All das erleichtert die Missionsarbeit, die für Afrika immer sehr notwendig ist. 4. Höhepunkt des Besuchsprogramms war in jedem dieser Länder die Eucharistiefeier. Und gerade diese Liturgie ließ uns erkennen, welch langen Weg die Kirche dank der Missionsarbeit gegangen ist. Wir konnten feststellen, wie die Gemeinden sich durch die Arbeit der aus allen Teilen der Welt stammenden Missionare zu echten afrikanischen Kirchen entwickelt haben mit eigener Hierarchie und einer beträchtlichen Anzahl eigener Priester, Ordensmänner und -frauen, Seminaristen, Novizinnen und Novizen. Die Teilnahme an der Eucharistiefeier selbst ist von einheimischen Merkmalen geprägt und wird zum Ausdruck der afrikanischen Kultur der Urbevölkerung. Die Zeichen dieser Kultur, in kirchliche Formen gekleidet, sprechen deshalb von sich aus und bekräftigen sich. Wir stehen vor demselben Prozeß, der zuvor das Leben und die Geschichte 25 AUDIENZEN UND ANGELUS zahlreicher Nationen in anderen Erdteilen gekennzeichnet hat. Die afrikanische Liturgie zeichnet sich durch eine große Schönheit und eine echte Teilnahme der ganzen Gemeinde aus. Deutlich ist hinter dieser Erfahrung eine vielfältige Tätigkeit in der Katechese, Erziehung und Nächstenliebe zu erkennen, die zum großen Teil von den Laien ausgeübt wird. 5. Auf diesem Weg nähern wir uns auch der Bischofssynode des afrikanischen Kontinents, die mit der besonderen Vorbereitungskommission am 6. Januar des vergangenen Jahres ihre Tätigkeit aufgenommen hat. Während meines jüngsten Besuches war die Synode einer der gewohnten Bezugspunkte. Von internationaler Reichweite war ein anderer, der Welttag für die Leprakranken, der am 28. Januar begangen wurde. An jenem Tag begegnete ich den an der Hansenschen Krankheit Leidenden in der Leprastation von Cumura in Guinea-Bissau. Die Hauptaufmerksamkeit konzentrierte sich jedoch - und das mit Recht - auf die Probleme des Sahel. Während ich den Appell von 1980 erneuerte, wandte ich mich an die gesamte internationale Gemeinschaft. „Von neuem“ - sagte ich - „muß ich einen feierlichen Appell an die Menschheit richten, im Namen der Menschheit selbst. In Afrika sind Millionen von Männern, Frauen und Kindern davon bedroht, sich nie in ihrem Leben einer guten Gesundheit zu erfreuen; nie von den Früchten ihrer Arbeit würdig leben zu können; nie eine Ausbildung zu erhalten, die ihren Geist öffnet; zu sehen, daß ihre Umwelt feindlich und unfruchtbar wird; den Reichtum ihres althergebrachten Erbes zu verlieren, weil ihnen der positive Beitrag der Wissenschaft und Technik fehlt. Im Namen der Gerechtigkeit bittet der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, seine Brüder und Schwestern in der Menschheit, die Hungernden dieses Erdteils nicht zu vergessen und ihnen nicht ihr universales Recht auf Menschenwürde und Lebenssicherheit zu verweigern.“ Und ich fügte hinzu: „Wie würde die Geschichte eine Generation beurteilen, die die Mittel zur Ernährung der Weltbevölkerung hatte, dies aber mit brudermörderischer Gleichgültigkeit abgelehnt hat? Welchen Frieden könnten die Völker erhoffen, die die Pflicht der Solidarität nicht in die Tat umsetzen? Was für eine Wüste wäre eine Welt, in der die Not nicht der Liebe begegnet, die uns das Leben gibt?“ Die Wandlungen, die in Europa, insbesondere in Mittel- und Osteuropa eingetreten und noch im Gang sind, sollten die jeweiligen Gesellschaften, ja alle Nationen der Welt von den verschwenderischen Konfrontationen des Rüstungswettlaufs abbringen und sie zu einem Wettlauf der Anstrengungen zugunsten der ärmsten Völker veranlassen, insbesondere zugunsten der am stärksten bedrohten Gebiete der sogenannten Dritten und Vierten Welt. 6. Aber der Bischof von Rom, zusammen mit seinen Brüdern im Hirtenamt, kann sich nicht auf diesen Appell beschränken, so wichtig er auch sein mag: ja, er hat eine Schlüsselbedeutung für die internationale Gerechtigkeit in den Dimensionen des ganzen Planeten. Der Bischof von Rom muß zugleich mit ganzer Kraft die Worte Jesu, des Erlösers des Menschengeschlechtes, wiederholen in bezug auf die Ernte, die groß ist, während die Arbeiter nur wenige sind (vgl. Mt 9,37). Diese Wirklichkeit erscheint besonders deutlich in Afrika, wo ein ungeheurer und vielfältiger Mangel an Missionaren herrscht. So viele Gemeinschaften und 26 AUDIENZEN UND ANGELUS Gruppen bitten ihre Bischöfe um Missionare. Wenn diese Bitten rechtzeitig erfüllt werden können, wird der Fortschritt der Evangelisierung um so rascher und einschneidender sein. Deshalb ist es notwendig, daß überall die Aufforderung Christi gehört wird: „Bittet deshalb den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seinen Weinberg sendet“ (Mi 9,38). Ja, Herr Jesus, darum bitten wir und werden weiter bitten mit der ganzen Glut unseres Herzens! In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Meine kürzliche Pastoralreise in fünf afrikanische Länder erfolgte zehn Jahre nach meinem ersten Afrikabesuch. Schon im Mai 1980 richtete ich von Ouagadougou in Burkina Faso einen Hilferuf an die Weltöffentlichkeit für die armen Länder der Sahelzone. Die deutschen Katholiken waren die ersten, die durch eine großzügige Spende darauf geantwortet haben. Es folgten andere und ermöglichten so die Gründung eines Hilfsfonds, der nun schon seit Jahren mit einigem Erfolg für diese armen Völker arbeitet. Die Länder, die ich dieses Mal besuchte, finden sich alle in einer ähnlichen Lage. In den meisten von ihnen bilden die Katholiken eine bescheidene Minderheit; nur Kapverde ist mehrheitlich katholisch: Sonst herrschen die traditionellen afrikanischen Religionen und der Islam vor. Alle diese Länder aber zeichnen sich aus durch die Achtung vor den religiösen Überzeugungen anderer, durch Religionsfreiheit oder wenigstens religiöse Toleranz. Dieser Umstand bietet somit gute Voraussetzungen für die Missionsarbeit der katholischen Kirche. Den Mittelpunkt meines Besuches in den verschiedenen Ländern bildete immer die Eucharistiefeier. Die aus der Missionierung entstandenen christlichen Gemeinden sind inzwischen zu wirklichen afrikanischen Kirchen geworden. Ihre Liturgie hat ein authentisch afrikanisches Gepräge und ist gekennzeichnet durch eine große Schönheit und eine lebendige Teilnahme der ganzen Gemeinde. Neben der Vorbereitung der bevorstehenden Bischofssynode des afrikanischen Kontinents galt eine besondere Aufmerksamkeit dem Besuch einer Leprastation in Guinea Bissau. Diesen leidgeprüften Mitmenschen gebührt weiterhin unser aller Solidarität und brüderliche Hilfe. Besonders am Herzen aber lag mir wiederum der eindringliche Aufruf für die große Not in den Ländern der Sahelzone. Die ganze internationale Gemeinschaft ist aufgefordert, den durch Armut und.Hunger bedrohten dortigen Menschen und Völkern solidarisch zu Hilfe zu eilen, um auch diesen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Ebenso gelten auch besonders für Afrika die Worte Jesu, daß'die Ernte groß ist, aber die Arbeiter nur wenige sind. Laßt uns darum, liebe Brüder und Schwestern, den Herrn der Ernte bitten, „Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,38). Indem ich dieses wichtige Missionsanliegen eurem treuen Gebet anempfehle, erteile ich euch allen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 27 AUDIENZEN UNDANGELUS Maria zu sich nehmen Angelus am 11. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der Jahrestag der Erscheinungen der seligsten Jungfrau Maria in Massabielle bei Lourdes lädt uns ein, unsere Augen auf die himmlische Mutter zu richten. Im Ausblick auf die kommende Bischofssynode, die das Problem der Priesterausbildung behandeln wird, wollen wir heute über den Sinn der Gegenwart Marias im Leben des Priesters nachdenken. Diese Gegenwart wurde von Christus gewollt, als er auf Golgota zu seiner Mutter sagte: „Frau, siehe, dein Sohn!“ (Joh 19,26). Indem er Maria den Lieblingsjünger als Sohn gab, setzte Jesus eine universale Mutterschaft fest, durch die Maria alle Christen als Kinder haben sollte, ja alle, die in Christus berufen sind, das Heil zu erlangen, das heißt alle Menschen. Das war das höchste Geschenk, das der Erlöser vor seinem Tod der Menschheit machte: Er gab allen die eigene Mutter. Jeder von uns empfing damals diese erste Frucht des Erlösungsopfers: eine Mutter, die ihn auf dem Weg der Gnade führen sollte, und das war die Mutter Gottes! 2. Unsere Aufmerksamkeit richtet sich jedoch auf die Wahl dessen, der damals berufen wurde, Sohn Marias zu werden. Johannes war ein Priester! Kurz vor dem dramatischen Geschehen auf Golgota hatte er die Vollmacht erhalten, im Namen Christi die Eucharistie zu feiern. Ihm war wie den anderen Aposteln der Auftrag gegeben worden: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk22,19; 1 Kor 11,24-25). Weil Jesus sie zur Mutter eines Priesters erklärt hatte und vor allem weil sie Mutter Jesu, des Hohenpriesters, war, ist Maria in ganz besonderer Weise Mutter der Priester geworden. Sie ist beauftragt, über die Entwicklung des priesterlichen Lebens in der Kirche zu wachen, eine Entwicklung, die eng mit der des Christenlebens verknüpft ist. Jesus beschränkte sich nicht darauf, Maria diese Sendung in bezug auf die Priester anzuvertrauen. Er wandte sich auch an Johannes, um ihn in eine Beziehung als Sohn mit Maria einzuführen: „Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,27). Er wollte, daß der Jünger Maria als eigene Mutter anerkannte und ihr eine tiefe Liebe erwies. Diesem Wunsch des gekreuzigten Meisters entsprach der Jünger sofort, indem er Maria zu sich nahm. Der Überlieferung nach lebte er in den ersten Jahren seines apostolischen Dienstes in Gemeinschaft mit ihr, die ihm zur Mutter gegeben worden war, und fand in ihr eine unvergleichliche Hilfe. 3. „Maria zu sich nehmen“: Das ist die Pflicht und der Vorrang jedes Priesters. Dadurch, daß er die Vollmacht empfängt, im Namen Christi zu sprechen und zu handeln, muß er Maria lieben, wie Jesus sie geliebt hat. Im Namen dieses Bandes der Sohnesliebe kann er ihr seinen ganzen priesterlichen Dienst anvertrauen, seine Pläne und die Schwierigkeiten, denen er auf seinem Weg begegnet. Bitten wir heute die Jungfrau, daß die Priesterausbildung die jungen Menschen dahin führt, „Maria zu sich zu nehmen“. Und beten wir, daß die Kirche reich an Priestern wird, die immer eifriger ihre Liebe zu derjenigen bezeugen, die ihnen als Mutter gegeben wurde. 28 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: In diesen Tagen kamen besorgniserregende Nachrichten aus dem Süd-Sudan, zerrüttet durch einen langanhaltenden Konflikt. Am vergangenen Donnerstag sandte ich ein Telegramm an den Erzbischof von Juba, weil die Lage in dieser Stadt sich von Tag zu Tag verschlechtert. Jetzt möchte ich einen dringenden Appell an die Verantwortlichen der streitenden Parteien richten, daß sie mit humaner Gesinnung die Hilfssendungen für diese Völker sofort weiterleiten. Ein anderer Appell ergeht dann an alle Verantwortlichen des öffentlichen Lebens in der lieben sudanesischen Nation, daß sie den Dialog untereinander wieder aufnehmen und sich auf den Weg zur nationalen Versöhnung begeben, unter Achtung der Grundrechte aller Glieder der sudanesischen Gesellschaft und insbesondere unter Achtung der Minderheiten, ohne jede Diskriminierung von Rasse oder Religion. Die seligste Jungfrau Maria, die Königin Afrikas, segne den Sudan! Der prophetische Geist im Dienst des Wortes Ansprache bei der Generalaudienz am 14. Februar 1. Anknüpfend an die vorausgegangene Katechese, können wir unter den bereits genannten biblischen Anhaltspunkten den prophetischen Aspekt des Handelns des Geistes Gottes an den Führern des Volkes, den Königen und den Messias wahmehmen. Dieser Aspekt erfordert eine tiefe Besinnung, denn das Prophetentum ist die Lebensader, die die Geschichte Israels durchzieht, geprägt von der herausragenden Gestalt des Mose des erhabensten „Propheten“ den „der Herr Auge in Auge berufen“ hat (Dtn 34,10). Im Laufe der Jahrhunderte werden die Israeliten immer vertrauter mit dem Wortpaar Das Gesetz und die Propheten als ausdrucksvolle Zusammenfassung des geistlichen Erhes, das Gott seinem Volk anvertraut hat. Durch seinen Geist spricht und handelt Gott in den Vätern und bereitet von Generation zu Generation die neue Zeit. 2. Zweifellos ist das prophetische Phänomen, geschichtlich betrachtet, an das Wort gebunden. Der Prophet ist ein Mann, der im Namen Gottes spricht und denen, die ihn hören oder lesen, das vermittelt, was Gott über die Gegenwart und die Zukunft bekannt machen will. Der Geist Gottes verleiht dem Wort Seele und Lebenskraft. Er gibt dem Propheten und seinem Wort ein gewisses göttliches Pathos, so daß es kraftvoll, manchmal leidenschaftlich und schmerzlich, aber immer dynamisch wird. Nicht selten beschreibt die Bibel bezeichnende Begebenheiten, bei denen man beobachtet, daß der Geist Gottes sich auf jemanden niederläßt, der sogleich ein prophetisches Orakel verkündet. So geschieht es mit Bileam. „Da kam der Geist Gottes über ihn“ (Mim 24,2). „Er begann mit seinem Orakelspruch und sagte:... Spmch dessen, der Gottesworte hört, der eine Vision des Allmächtigen sieht, der daliegt mit entschleierten Augen“ (Mim 24,3-4). Es ist die bekannte „Prophezeiung“, die, obwohl sie sich unmittelbar auf Saul (vgl. 1 Sam 15,8) und David (vgl. 1 Sam 30,lf.) im Krieg gegen die Amalekiter bezieht, zugleich auf den kommenden Messias hinweist: „Ich sehe ihn, aber nicht jetzt, ich erblicke ihn, aber nicht in der Nähe: Ein Stern geht in Jakob auf, ein Zepter erhebt sich in Israel“ (Mim 24,17). 29 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Ein anderer Aspekt des prophetischen Geistes im Dienst des Wortes ist, daß er sich;.nach den Bedürfnissen des Volkes mitteilen und gleichsam „unterteilen“ kann, wie im Fall von Mose, der besorgt war über die Zahl der Israeliten, die er leiten und führen sollte und die „sechshunderttausend Mann zu Fuß“ zählten (Num 11,21). Der Herr gebot ihm: „Versammle siebzig von den Ältesten Israels vor mir, Männer, die du als Älteste des Volkes und Listenführer kennst“ (Num 11,16). Als das geschehen war, nahm der Herr „etwas von dem Geist, der auf ihm ruhte, und legte ihn auf die siebzig Ältesten. Sobald der Geist auf ihnen ruhte, gerieten sie in prophetische Verzückung“ (Num 11,25). Bei der Nachfolge von Elischa zu Elija will ersterer sogar „zwei Drittel des Geistes“ des großen Propheten erhalten, eine Art doppelten Erbteils, das dem Erstgeborenen bestimmt.war (vgl. Dtn 21,17), um so als sein geistlicher Haupterbe anerkannt zu werden unter den Propheten und „Prophetenjüngem“, die sich in Gruppen zusammengeschlossen hatten (2 Kön 2,3). Aber der Geist teilt sich nicht von Propheten zu Propheten mit wie ein irdisches Erbteil: Gott verleiht ihn. Tatsächlich geschieht es so, und die „Prophetenjünger“ stellen fest: „Der Geist des Elija ruht auf Elischa“ (2 Kön 2,15; vgl. 6,17). 4. Bei den Kontakten Israels mit den Nachbarvölkern fehlt es nicht an Erscheinungen des falschen Prophetentums, die zur Bildung exaltierter Gruppen führten, die durch Musik und Gestik den von Gott kommenden Geist ersetzten und sogar dem Baalskult anhingen. Elija bekämpfte entschlossen diese Propheten (vgl. 1 Kön 18,25-29), indem er in seiner Erhabenheit allein blieb. Elischa seinerseits hatte mehr Beziehungen zu einigen Gruppen, die, wie es schien, wieder vernünftig geworden waren (vgl. 2 Kön 2,3). In der echten biblischen Tradition wird die wahre Vorstellung eines Propheten als die eines Mannes des Wortes Gottes verteidigt und beansprucht, der von Gott eingesetzt wird gleich dem Mose und in seiner Nachfolge (vgl. Dtn 18.15f.). Denn Gott verspricht Mose: „Einen Propheten wie dich will ich ihnen mitten unter ihren Brüdern erstehenilassen. Ich will ihm meine Worte in den Mund legen, und er wird ihnen alles sagen, was ich ihm auftrage“ (Dtn 18,18). Diese Verheißung wird begleitet von einer Mahnung gegen den Mißbrauch des Prophetentums: „Doch ein Prophet, der sich anmaßt, in meinem Namen ein Wort zu verkünden, dessen Verkündigung ich ihm nicht aufgetragen habe, oder der im Namen anderer Götter spricht, ein solcher Prophet soll sterben. Und wenn du denkst: Woran können wir ein Wort erkennen, das der Herr nicht gesprochen hat?, dann sollst du wissen: Wenn ein Prophet im Namen des Herrn spricht und sein Wort sich nicht erfüllt und nicht eintrifft, dann ist es ein Wort, das nicht der Herr gesprochen hat“ (Dtn 18,20-22). Ein weiterer Aspekt dieses Urteilskriteriums ist die Treue zur Lehre, wie sie von Gott an Israel übergeben worden ist, und der Widerstand gegen die Verführungen zum Götzendienst (vgl. Dtn .13,2f.). So erklärt sich die Feindschaft gegen die falschen Propheten (vgl. 1 Kön 22,6f.; 2 Kön 3,13; 7er 2,26; 5*13; 23,9-40; Mi 3,11; Sach 13,2). Aufgabe des Propheten als Mann des Wortes Gottes ist, den „Geist der Lüge“, der den falschen Propheten in den Mund gelegt ist (vgl. 1 Kön 22,23), zu bekämpfen, um das Volk vor ihrem Einfluß zu schützen. Es ist eine von Gott empfangene Sendung, wie Ezechiel verkündet: „Das Wort des Herrn erging an mich: Menschensohn, sprich als Prophet gegen die Propheten Israels, und sag zu denen, die aus ihrem eigenen Herzen heraus prophetisch reden: 30 AUDIENZEN UND ANGELUS So spricht der Gott, , der Herr: Weh den törichten Propheten, die nur ihrem eigenen Geist folgen und nichts geschaut haben“ (Ez 13,2-3). 5. Der Prophet, ein Mann des Wortes, muß aber auch ein „Geistesmann“ sein, wie ihn bereits Hosea nennt (9,7): Er muß den Geist Gottes und nicht nur den eigenen Geist haben, wenn er im Namen Gottes sprechen soll. Dieser Begriff wird vor allem von Ezechiel entwickelt, der erkennen läßt, daß die tiefe Wirklichkeit des Prophetentums nunmehr ins Bewußtsein gedrungen ist. Im Namen Gottes sprechen erfordert vom Propheten die Gegenwart des Geistes Gottes. Diese Gegenwart offenbart sich in einem Kontakt, den Ezechiel „Vision“ nennt. Wer sie empfängt, dem garantiert das Wirken des Geistes Gottes die Wahrheit des verkündeten Wortes. Wir finden hier einen neuen Hinweis auf die Verbindung zwischen Wort und Geist, die sprachlich und begrifflich die Verbindung vorbereitet, die auf einer höheren Ebene im Neuen Testament zwischen dem Wort und dem Heiligen Geist hergestellt wird. Ezechiel ist sich dessen bewußt, daß er persönlich vom Geist beseelt ist. Er schreibt: „... der Geist [kam] in mich und stellte mich auf die Füße. Und ich hörte den, der mit mir redete“ (Ez 2,2). Der Geist kommt in das Innerste der Person des Propheten. Er stellt ihn auf die Füße: Er macht ihn also zu einem Zeugen des göttlichen Wortes. Er hebt ihn empor und trägt ihn fort: „Da hob mich der Geist empor und ... trug mich fort“ (Ez 3,12-14). So offenbart sich die Dynamik des Geistes (vgl. Ez 8,3; 11,1.5.24; 43,5). Ezechiel erklärt außerdem, daß er vom „Geist des Herrn“ spricht (ebd., 11,5). 6. Der dynamische Aspekt des prophetischen Wirkens des göttlichen Geistes tritt klar hervor in den Prophetien von Haggai und Sacharja, die nach der Rückkehr aus der Verbannung die heimgekehrten Juden dazu antrieben, sich an die Arbeit zu machen und den Tempel vor Jerusalem wieder aufzubauen. Das Ergebnis der ersten Prophetie von Haggai war: „... Der Herr weckte den Geist des Statthalters von Juda, Serubbabel, ... und den Geist des Hohenpriester Jeschua, ... so daß sie kamen und die Arbeit am Tempel ihres Gottes, des Herrn der Heere, aufnahmen“ (Hag 1,14). In einem zweite Orakelspruch griff der Prophet Haggai wieder ein und versprach die mächtige Hilfe des Geistes des Herrn: „Aber nun fasse Mut, Serubbabel ... fasse Mut, Hoherpriester Jeschua ... faßt alle Mut, ihr Bürger des Landes -Spruch des Herrn -, ... und macht euch an die Arbeit ... mein Geist bleibt in eurer Mitte. Fürchtet euch nicht !“ (Hag 2,4-5). Und in ähnlicher Weise verkündet der Prophet Sacharja: „So lautet das Wort des Herrn an Serubbabel: Nicht durch Macht, nicht durch Kraft, allein durch meinen Geist! - spricht der Herr der Heere“ (Sach 4,6). In der Zeit unmittelbar vor der Geburt Jesu gab es in Israel keine Propheten mehr, und man wußte nicht, wie lange diese Situation dauern würde (vgl. Ps 73,9; 1 Makk 9,27). Einer der letzten Propheten, Joel, hatte jedoch eine universale Ausgießung des Geistes Gottes an-gekündigt, die sich ereignen sollte, „ehe der Tag des Herrn kommt, der große und schreckliche Tag“ (Joel 3,4), und dies sollte sich durch eine außerordentliche Ausbreitung der Prophetengabe kundtun. Durch ihn hatte der Herr verkündet: „Danach aber wird es geschehen, daß ich meinen Geist ausgieße über alles Fleisch. Eure Söhne und Töchter werden Propheten sein, eure Alten werden Träume haben, und eure jungen Männer haben Visionen“ (ebd., 3,1). So sollte sich endlich der vor vielen Jahrhunderten von Mose ausgesprochene Wunsch erfül- 31 AUDIENZEN UND ANGELUS len: „Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde, wenn nur der Herr seinen Geist auf sie alle legte!“ (Num 11,29). Die prophetische Eingebung sollte „auch über Knechte und Mägde“ kommen (Joel 3,2) und alle Unterschiede auf kultureller Ebene oder gesellschaftlicher Lage überwinden. Dann sollte das Heil allen angeboten werden: „Wer den Namen des Herrn anruft, wird gerettet (Joel 3,5). Wie wir in einer der vorhergehenden Katechesen gesehen haben, erfüllte sich die Prophezeiung Joels am Pfingsttag, als der Apostel Petrus an die staunende Menge gewandt, verkünden konnte: „... jetzt geschieht, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist.“ Und Petrus zitiert das Wort des Propheten (Apg 2,16-21) und erklärt, daß Jesus, „nachdem er durch die rechte Hand Gottes erhöht worden war und vom Vater den verheißenen Heiligen Geist empfangen hatte“, ihn in reichem Maß ausgegossen hat (vgl. Apg 2,33). Von jenem Tag an hat sich das prophetische Wirken des Heiligen Geistes ununterbrochen in der Kirche offenbart, um ihr Licht und Trost zu spenden. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In der letzten Katechese habe ich bereits auf das prophetische Handeln des Geistes Gottes an den Führern des Volkes Israel, an den Königen und am Messias hingewiesen. Dieser Aspekt erfordert eine tiefere Besinnung, da das Prophetentum die Lebensader ist, die die Geschichte Israels durchzieht, geprägt von der herausragenden Gestalt des Moses, dem erhabensten „Propheten“ (vgl. Dtn 34,10). Das Prophetentum ist geschichtlich betrachtet an das Wort gebunden. Der Prophet ist ein Mann, der im Namen Gottes spricht, der an die Menschen weitervermittelt, was Gott ihnen über die Gegenwart und die Zukunft mitteilen will. Nicht selten beschreibt die Bibel bezeichnende Begebenheiten, bei denen der Geist Gottes sich auf jemanden niederläßt, und dieser sofort ein prophetisches Orakel verkündet. Ein weiterer Aspekt des prophetischen Geistes im Dienst des Wortes ist, daß er sich nach den Bedürfnissen des Volkes mitteilen und gleichsam „unterteilen“ kann. Allerdings fehlte es bei den Kontakten Israels mit den benachbarten Völkern auch nicht an falschen Propheten, was zu Übertreibungen und Entartungen führte, wobei man den von Gott kommenden Geist mit Musik und Gestik ersetzte und sich dem Baalskult anschloß. Die wahre biblische Vorstellung vom Propheten hingegen ist die eines Mannes, der Gottes Wort vertritt und die Treue zur Lehre bekennt, wie sie von Gott an Israel übergeben worden ist. Der Prophet muß vor allem den Geist Gottes besitzen und nicht nur den eigenen Geist, wenn er im Namen Gottes zu sprechen hat. Diese Gegenwart des Geistes Gottes äußert sich in einem besonderen Kontakt, den Ezechiel „Vision“ nennt. Einer der letzten Propheten, Joel, hat schließlich eine universale Ausgießung des Geistes Gottes angekündigt, die sich ereignen sollte, „ehe der Tag des Herrn kommt, der große und schreckliche Tag“ (Joel 3,4). Diese Vorhersage hat sich am Pfingsttag erfüllt. Von jenem Tag an hat sich das prophetische Handeln des Heiligen Geistes beständig in der Kirche fortgesetzt. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich sehr herzlich alle anwesenden Pilger deutscher Sprache, besonders eine Gruppe von Firmkandidaten aus der Prämonstratenser-Pfarrei Pemegg in 32 AUDIENZEN UND ANGELUS Niederösterreich, die mit ihren Eltern, Freunden und ihrem Pfarrer nach Rom gekommen sind. Euch allen sowie den Hörerinnen und Hörem von Radio Vatikan erteile ich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Der Priester ist Zeuge der Liebe Christi Angelus am 18. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Im Hinblick auf die Synode, die die Priesterausbildung behandeln wird, wollen wir weiter darüber nachdenken, wer der Priester ist und welches Vorbild in der Kirche und Gesellschaft darzustellen er berufen ist. Wir hatten schon Gelegenheit, ihn als einen Mann des Glaubens und der Hoffnung zu charakterisieren. Heute sehen wir in ihm den Mann der Nächstenliebe. Näher betrachtet, ist dies ein höherer Titel gegenüber den vorausgehenden, denn nach den Worten des heiligen Paulus ist die Liebe größer als der Glaube und die Hoffnung (vgl. 1 Kor 13,13). Wenn ein junger Mann sich zum Priesterdienst berufen fühlt, wird er in Wirklichkeit von einem Antrieb der Nächstenliebe beseelt, das heißt von dem Wunsch, Christus ohne Vorbehalt zu lieben und seine Brüder und Schwestern mit seiner ganzen Selbsthingabe zu lieben. Und das zu Recht, denn er ist berufen, zu dienen, wie das Wort „Dienst“ es anzeigt. Um aber in der Weise und im Namen Christi zu dienen, ist es notwendig, zu lieben. 2. Mit der Priesterweihe wird dem jungen Mann eine besondere Gnade der Liebe verliehen, denn das Leben des Priesters hat nur Sinn durch die Anwendung dieser Tugend. Die Christen erwarten vom Priester, daß er ein Mann Gottes und ein Mann der Nächstenliebe ist. Weil Gott die Liebe ist, kann der Priester den Dienst für Gott nie von der Liebe zu den Brüdern trennen. Indem er sich zum Dienst im Reich Gottes verpflichtet, verpflichtet der Priester sich zum Weg der Nächstenliebe. Im übrigen ist er beauftragt, eine Lehre zu verbreiten, in der das zweifache Liebesgebot das ganze Gesetz zusammenfaßt: Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten. Der Priester kann diese Lehre nicht einprägen und verbreiten, wenn er selbst nicht ein wahrer Zeuge der Liebe ist. Als Hirt der Herde Christi darf er nicht vergessen, daß sein Meister gekommen ist, das eigene Leben aus Liebe hinzugeben. Im Licht eines solchen Vorbildes weiß der Priester, daß er nicht sein eigener Herr ist, sondern allen alles sein muß, indem er jedes mit Liebe verbundene Opfer auf sich nimmt. Das setzt ein großmütiges Herz voraus, das bereit ist zu Verständnis und Zuwendung für alle. 3. Deshalb versteht man, warum die Vorbereitung auf den Priesterberuf eine ernsthafte Erziehung zur Liebe einschließt. Die jungen Männer, die sich auf den Priesterberuf vorbereiten, müssen vor allem in ihrem Innern überzeugt sein von der grundlegenden Bedeutung der Liebe. Das Seminar, in dem sie ausgebildet werden, muß ein echtes Umfeld brüderlicher Lie- 33 AUDIENZEN UND ANGELUS be sein, in dem sie diese Tugend in der täglichen Erfahrung der Kontakte mit den anderen üben können. Diese „Lehrzeit der Liebe“ hat viele Aspekte, wie die Erziehung zur Suche nach Eintracht trotz der Charakterunterschiede, zum Wohlwollen und zur Achtung durch die Hochschätzung der Fähigkeiten des andern, zum unmittelbaren Verzeihen der Beleidigungen und zur eifrigen Hingabe. Bitten wir die Jungfrau Maria, das vollkommene Vorbild der gelebten Liebe, der Synode zu helfen, daß sie zur Ausbildung von Priestern beiträgt, die tief von der Liebe Christi beseelt sind. Die heiligende Kraft des Geistes Ansprache bei der Generalaudienz am 21. Februar 1. Der göttliche Geist ist nach der Bibel nicht nur Licht, das erleuchtet, indem es die Erkenntnis schenkt und die Prophetie hervorruft, sondern auch heiligende Kraft. Denn der Geist Gottes teilt die Heiligkeit mit, weil er selbst der „Geist der Heiligkeit“, der „Heilige Geist“ ist. Mit diesem Namen wird der göttliche Geist in Kapitel 63 des Buches von Jesaja bezeichnet, wo der heilige Schriftsteller in dem langen Gebet oder Psalm zum Lobpreis der Wohltaten Jahwes und zur Klage über die Verirrungen des Volkes in der Geschichte Israels sagt: „Sie aber lehnten sich gegen ihn auf und betrübten seinen heiligen Geist“ (Jes 63,11). Er fügt aber hinzu, nach der göttlichen Strafe „dachten sie an die Tage der Vorzeit, die Zeit seines Knechtes Mose“, und fragten: „Wo ist der, der seinen heiligen Geist in ihn gelegt hat...?“ (Jes 63,11). Diesen Namen vernimmt man auch in Psalm 51, wo der Schreiber, während er den Herrn um Vergebung und Erbarmen bittet („Misere mei Deus, secundum misericordiam tuam“), ihn anfleht: „Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir!“ (Ps 51,13). Es handelt sich um das innere Prinzip des Guten, das im Herzen wirkt, um zur Heiligkeit zu führen (= „Geist der Heiligkeit“). 2. Das Buch der Weisheit bestätigt die Unvereinbarkeit zwischen dem heiligen Geist und dem Mangel an Aufrichtigkeit oder Gerechtigkeit: „Denn der heilige Geist, der Lehrmeister, flieht vor der Falschheit, er entfernt sich von unverständigen Gedanken und wird verscheucht, wenn Unrecht naht“ (Weish 1,5). Eine enge Verbindung zwischen der Weisheit und dem Geist kommt dann zum Ausdruck. In der Weisheit, sagt der erleuchtete Autor, „ist ein Geist, gedankenvoll, heilig,... unbefleckt, das Gute liebend“ (7,22). Dieser Geist ist der Geist Gottes selbst, denn er ist „alles vermögend, alles überwachend“ (7,23). Ohne diesen „heiligen Geist“ (vgl. 9,17), den Gott „aus der Höhe sendet“, kann der Mensch den heiligen Willen Gottes nicht erkennen (vgl. 9, 13-17) und offensichtlich noch weniger ihn treu erfüllen. 3. Die Forderung der Heiligkeit ist im Alten Testament eng mit der kultischen und priesterli-chen Dimension des Lebens Israels verbunden. Der Gottesdienst muß an einem „heiligen“ Ort stattfinden, einem Ort der Wohnstätte des dreimal heiligen Gottes (vgl. Jes 6,1-4). Die Wolke ist das Zeichen der Gegenwart des Herrn (vgl. Ex 40,34-35; 1 Kön 8,10-11). Alles, vom Zelt, Tempel, Altar, von den Priestern, vom ersten geweihten Priester Aaron an 34 AUDIENZEN UND ANGELUS (vgl. Ex 29,1 f.), muß den Anforderungen des „Heiligen“ entsprechen, das gleichsam eine Atmosphäre der Achtung und Verehrung ist, die um Personen, Riten und Orte herum geschaffen wurde, die sich durch eine besondere Beziehung zu Gott auszeichnen. Einige Bibeltexte bekräftigen die Gegenwart Gottes im Zelt in der Wüste und im Tempel von Jerusalem (Ex 25,8; 40,34-35; 1 Kön 8, 10-13; Ez 43,4-5). Jedoch im Bericht selbst über die Weihe des Tempels Salomos wird ein Gebet wiedergegeben, in dem der König diese Aussage in Zweifel zieht und sagt: „Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde? Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel fassen dich nicht, wieviel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe“ (1 Kön 8,27). In der Apostelgeschichte spricht der heilige Stephanus dieselbe Überzeugung in bezug auf den Tempel aus: „Doch der Höchste wohnt nicht in dem, was von Menschenhand gemacht ist“ (Apg 7,48). Der Grund dafür wird von Jesus selbst im Gespräch mit der Samariterin erklärt: „Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (loh 4,24). Ein aus reiner Materie bestehendes Haus kann das heiligmachende Wirken des Heiligen Geistes nicht voll empfangen und deshalb nicht in Wahrheit „Wohnstätte Gottes“ sein. Das wahre Haus Gottes muß - wie der Apostel Petrus sagt - ein „geistiges Haus“ sein, aufgebaut aus „lebendigen Steinen“, das heißt aus Männern und Frauen, die innerlich vom Geist Gottes geheiligt sind (vgl. 1 Petr 2,4-10; Eph 2,21-22). 4. Deshalb versprach Gott das Geschenk des Geistes für die Herzen in der berühmten Verheißung Ezechiels, wo er sagt: „Meinen großen, bei den Völkern entweihten Namen, den ihr mitten unter ihnen entweiht habt, werde ich wieder heiligen ... Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen. Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch ... Ich lege meinen Geist in euch“ (Ez 36,23-27). Das Ergebnis dieses wunderbaren Geschenkes ist die wirkliche Heiligkeit, gelebt durch die aufrichtige Zustimmung zum heiligen Willen Gottes. Dank der tiefen Gegenwart des Heiligen Geistes werden die Herzen sich endlich Gott fügen, und das Leben der Gläubigen wird dem Gesetz des Herrn entsprechen. Gott sagt: „Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, daß ihr meinen Gesetzen folgt und meine Gebote achtet und sie erfüllt“ (Ez 36,27). So heiligt der Geist das ganze Dasein des Menschen. <1> <1> Gegen den Geist Gottes kämpft der „Geist der Lüge“ (vgl. 1 Kön 22,21-23), der umeine Geist“, der Menschen und Völker beherrscht und sie zum Götzendienst zwingt. In dem Orakelspruch über die Befreiung von Jerusalem in messianischer Darstellung, der im Buch Sach-arja zu lesen ist, verspricht der Herr, selbst die Umkehr des Volkes zu wirken, indem er den umeinen Geist auslöschen wird: „An jenem Tag wird für das Haus David und für die Einwohner Jerusalems eine Quelle fließen zur Reinigung von Sünde und Umeinheit. An jenem Tag ... werde ich die Namen der Götzenbilder im Land ausrotten ... Auch die Propheten und den Geist der Umeinheit werde ich aus dem Land vertreiben“ (Sach 13,1-2; vgl. Jer 23,9 f.; Ez 13,2 f.). Der „Geist der Umeinheit“ wird von Jesus bekämpft (vgl. Lk 9,42; 11,24), der diesbezüglich vom Eingreifen des Geistes Gottes spricht und sagt: „Wenn ich aber die Dämonen durch den Geist Gottes austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen“ (Mt 12,28). Seinen Jüngern verspricht Jesus den Beistand des „Tröstergeistes“, der „die Welt überführen 35 AUDIENZEN UND ANGELUS (und aufdecken) wird, was ... Gericht ist; ... daß der Herrscher dieser Welt gerichtet ist“ (.Joh 16,8-11). Paulus seinerseits spricht vom Geist, der durch den Glauben und die Liebe rechtfertigt (vgl. Gal 5,5-6), und stellt den „Werken des Fleisches“ die „Furcht des Geistes“ gegenüber (vgl. Gal 5,19 f.); er lehrt das neue Leben „aus dem Geist“, dem neuen Geist, von dem die Propheten sprachen. 6. Die Menschen und Völker, die dem Geist folgen, der im Kampf mit Gott ist, „betrüben“ den göttlichen Geist. Es ist ein Wort von Jesaja, das wir bereits zitiert haben und das zweckmäßigerweise auch im ganzen Zusammenhang zu wiederholen ist. Es findet sich in der Betrachtung des sogenannten Tritojesaja über die Geschichte Israels: „Nicht ein Bote oder ein Engel, sondern sein Angesicht hat sie gerettet. In seiner Liebe und seinem Mitleid hat er [Gott] selbst sie erlöst. Er hat sie emporgehoben und sie getragen in all den Tagen der Vorzeit. Sie aber lehnten sich gegen ihn auf und betrübten seinen heiligen Geist“ (Jes 63,9-10). Der Prophet stellt die Hochherzigkeit der heilbringenden Liebe Gottes zu seinem Volk und dessen Undankbarkeit einander gegenüber. In ihrer anthropomorphen Beschreibung entspricht es der menschlichen Psychologie, die durch die Auflehnung des Volkes hervorgerufene Traurigkeit dem Geist Gottes zuzuschreiben. Aber in der Sprache des Propheten kann man sagen, daß die Sünde des Volkes den Geist Gottes besonders deshalb betrübt, weil dieser Geist heilig ist: Die Sünde beleidigt die göttliche Heiligkeit. Die Beleidigung ist um so schwerer, weil der heilige Geist Gottes von Gott nicht nur in seinen Knecht Mose gelegt (vgl. Jes 63,11), sondern seinem Volk während des Auszugs aus Ägypten als Führer, als Zeichen und Unterpfand des kommenden Heils gegeben worden war (vgl. Jes 63,14): „Sie aber lehnten sich gegen ihn auf (Jes 63,10). Auch Paulus, Erbe dieser Auffassung und dieser Sprache, mahnt die Christen von Ephesus: „Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes, dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung“ (Eph 4,30; vgl. 1,13-14). 7. Der Ausdruck „den Heiligen Geist betrüben“ zeigt deutlich, wie das Volk des Alten Testamentes fortschreitend vom Begriff einer sakralen, mehr äußeren Heiligkeit zum Verlangen nach einer unter dem Einfluß des Geistes Gottes verinnerlichten Heiligkeit übergegangen ist. Die immer häufigere Verwendung der Benennung „Heiliger Geist“ ist ein Zeichen dieser Entwicklung. Dieser Name, in den älteren Büchern der Bibel nicht vorhanden, setzt sich nach und nach durch, eben weil er das Wirken des Geistes für die Heilung andeutete. Die Hymnen von Qumran danken wiederholt Gott für die innere Reinigung, die er durch seinen heiligen Geist gewirkt hat (z. B. Hymne der 1. Grotte von Qumran, 16,12; 17,26). Der innige Wunsch der Gläubigen war nicht nur, wie zur Zeit der Richter von den Unterdrückern befreit zu werden, sondern vor allem dem Herrn dienen zu können „in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinem Angesicht all unsre Tage“ (Lk 1,75). Dazu war die heiligmachende Wirkung des Heiligen Geistes notwendig. Diesem Erwarten entspricht die Botschaft des Evangeliums. Bedeutsam ist, daß in allen vier Evangelien das Wort „heilig“ zum ersten Mal in bezug auf den Geist erscheint, als von der Geburt Johannes des Täufers und der Geburt Jesu die Rede ist (vgl. Mt 1,18-20; Lk 1,15.35), ebenso bei der Ankündigung der Taufe im Heiligen Geist (vgl. Mk 1,8; Joh 1,33). In dem Verkündigungsbericht hört die Jungfrau Maria die Worte des Engels Gabriel: „Der Heilige Geist wird über dich kommen... Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt 36 AUDIENZEN UND ANGELUS werden“ (Lk 1,35). So beginnt das entscheidende heilbringende Wirken des Geistes Gottes, dazu bestimmt, sich unter den Menschen auszubreiten. In deutscher Sprache sagte der Papst Liebe Schwestern und Brüder! Der biblischen Überheferung gemäß ist der Geist Gottes auch Kraft, die heilig macht, weil er selbst heilig ist. Die Bezeichnung des göttlichen Geistes als „heilig“ geschieht im Buch des Propheten Jesaja (Kap 63). Sie wiederholt sich in Psalm 51, wo der Beter Gott zuruft: „Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir“ (V. 13). Im Buch der Weisheit gibt es eine Verbindung zwischen der Weisheit und dem Geist, der „heilig ... durchdringend, klar,... das Gute hebend ist“ (vgl. 7,22). Im Alten Testament ist die Heiligkeit stark an die kultische und priesterliche Dimension gebunden, der Kult selbst mußte an „heiliger“ Stätte stattfinden (vgl. Jes 6,1-4). Doch - wie Salomo bei der Einweihung des von ihm erbauten Tempels ausspricht - kann selbst der Himmel, geschweige denn ein von Menschenhand erbautes Haus Gott nicht fassen (vgl. 1 Kön 8,27). Das wahre Gotteshaus muß ein „geistiger Bau“ sein, von lebendigen Steinen aufgebaut, wie der Apostel Petrus sagen wird, nämlich von Frauen und Männern, die vom Geist Gottes geheiligt sind (vgl. 1 Petr 2,4-10). Bereits beim Propheten Ezechiel spricht Gott: „Ich lege meinen Geist in euch und bewirke, daß ihr meinen Gesetzen folgt und auf meine Gebote achtet und sie erfüllt“ (36,27). Der Geist heiligt also die ganze Existenz des Menschen. Das Zuwiderhandeln gegen die Führung des Geistes beleidigt den Geist Gottes gerade deshalb, weil er heilig ist und die Sünde die göttliche Heiligkeit verletzt. Deshalb auch die Mahnung des Apostels Paulus: „Beleidigt nicht den Heiligen Geist Gottes, dessen Siegel ihr tragt für den Tag der Erlösung“ (Eph 4,30). Dieser Ausdruck „den Heiligen Geist beleidigen“ zeigt, wie das alttestamentliche Heilsvolk fortschreitend vom Begriff einer sakralen, eher äußeren Heiligkeit unter dem Einfluß des Geistes Gottes zum Verlangen nach einer verinnerlichten Heiligkeit geführt worden ist. Die immer häufigere Verwendung der Bezeichnung „Heiliger Geist“ ist auch ein Zeichen dieser Entwicklung; zugleich unterstreicht sie die Bedeutung des Geistes Gottes für die Heiligung der Gläubigen. Mit dieser kurzen katechetischen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Ich wünsche Euch einen frohen Aufenthalt in Rom und erteile Euch und Euren Familien für Gottes treuen Schutz und Beistand von Herzen den Apostolischen Segen. 37 AUDIENZEN UND ANGELUS Eine Revolution ohne Gewalt Geistlicher Besuch in Jasna Göra Während ich im Geist nach Jasna Göra zurückkehre, möchte ich vor allem Gefühle der Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Danken ist unerläßlich an dieser Stelle, die gleichsam ein wichtiger „Ort der Sühne“ und auch ein großes Heiligtum der Menschen und Völker ist. Deshalb ist es notwendig, daß wir für die empfangenen Gaben danken. Daß wir für das Geschenk des geschichtlichen Wandels oder vielmehr für die großen Veränderungen danken. Alle, die im vergangenen Jahr Zeugen der Ereignisse waren, die in Polen und in Mittel- und Osteuropa stattgefunden haben, müssen bestätigen, daß diese Veränderungen geschehen sind. Vom menschlichen Standpunkt aus konnte man. an ihrem Ausgang zweifeln. Trotzdem haben sie sich vollzogen. Und noch mehr, sie geschahen in unblutiger Weise mit nur einer schmerzlichen Ausnahme. Eine wahre „friedliche Revolution“ - oder eine Evolution, die vom Bewußtsein der Wahrheit und der rechten Freiheit geleitet war. Ohne Gewaltanwendung. So war es in den Jahren von Solidamösc, 1980-81. So im Jahr 1989. Während der zweiten Pilgerreise in Polen haben wir für den Sieg von Wien gedankt. Damals waren genau 300 Jahre seit dem Jahr 1683 vergangen. Von Wien aus hatte König Johann HL dem Papst den entscheidenden Sieg mit drei Worten mitgeteilt: „Veni - vidi - Deus vicit“. „Gott hat gesiegt.“ „Jasna Göra“ muß ein weiteres Mal diese Worte in unsere Geschichte einschreiben. So war es im Jahr 1656, wo war es nach dem Sieg von Wien 1683. So war es im Jahr 1920. So ist es auch heute. Brüderlichkeit in Liebe Angelus am 25. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Als Christus das Priestertum stiftete, gab er ihm eine Gemeinschaftsform: Er übertrug der Gruppe der Zwölf das Hirtenamt in der Kirche und berief sie dazu, es unter der Leitung des Simon Petrus auszuüben. Das Priestertum ist ein Gemeinschaftswerk, an dem alle Priester beteiligt sind. Diejenigen, die die Weihe empfangen, sind dazu bestimmt, zusammenzuarbeiten und müssen deshalb zum Gemeinschaftsgeist erzogen werden. Das ist eine der Erfordernisse der Priesterausbildung, die die Synode erwägen wird. Die Priester bezeugen die Liebe, die sie beseelt, indem sie sich gemeinsam und einträchtig in dem großen Werk des Aufbaus und der Entwicklung der christlichen Gemeinschaft einsetzen. Wir haben bereits betont, daß sie als Zeugen der Liebe Christi handeln müssen, und das findet besonderen Ausdruck in den guten Beziehungen, die sie untereinander schaffen. 38 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Der Geist gegenseitiger Hilfe und Zusammenarbeit muß den Priester bei der Erfüllung all seiner Dienstaufgaben beseelen. Denn der Priester erfüllt diese Aufgaben nicht zu seinem persönlichen Vorteil oder aus Ehrgeiz, sondern um der Aufforderung Christi zu entsprechen. Wenn er wirklich das Werk Christi vollbringen will, kann er nur in vollem Einvernehmen mit seinen Brüdern im Priesteramt handeln. Er muß ihnen deshalb jede mögliche Hilfe geben und sein Handeln mit dem der Mitbrüder koordinieren und unter der Ausrichtung, die der Bischof der Pastoralarbeit gibt. So wird der Priester angeleitet, alle Opfer anzunehmen, die eine echte Zusammenarbeit erfordert. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Bereitschaft zur brüderlichen Liebe unterstrichen, die die Zusammenarbeit inspirieren muß: „Die Priester, die durch die Weihe in den Priesterstand eingegliedert wurden, sind in inniger sakramentaler Bruderschaft miteinander verbunden“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 8). Dies ist nicht nur eine Brüderlichkeit im Handeln, sondern auch eine Brüderlichkeit in der Liebe. 3. In diesem Bereich spielt die Ausbildung der zukünftigen Priester eine wichtige Rolle. Denn sie wird Gewicht legen auf die Entfaltung der brüderlichen Liebe unter denen, die sich auf den Priesterberuf vorbereiten. Gewiß, diese brüderliche Liebe geht weiter und öffnet sich auf die ganze Welt hin. Aber konkret und unmittelbar wird sie in dem Lebensbereich geübt, der das Priesterseminar und Noviziat darstellt. Dort lernen die jungen Menschen einander zu lieben und brüderliche Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft anzuknüpfen, die sie bilden. Bitten wir die Jungfrau Maria, damit die jungen Seminaristen durch den Beitrag der kommenden Synode zu priesterlicher Brüderlichkeit erzogen werden, die die Liebe Christi immer lebendiger offenbart. Nimm, deinen Geist nicht von mir Ansprache bei der Generalaudienz am 28. Februar 1. In der vorausgehenden Katechese haben wir einen Vers des Psalms 51 zitiert, in dem der Psalmist, der seine schwere Sünde bereut, um das göttliche Erbarmen fleht und den Herrn bittet: „Nimm deinen heiligen Geist nicht von mir“ (V.13). Es ist der sehr bekannte Psalm Miserere, der oft in der Liturgie, aber auch in der Frömmigkeit und Bußübung des christlichen Volkes wiederholt wird, weil er die Gefühle der Reue, des Vertrauens und der Demut zum Ausdruck bringt, die leicht in „einem zerbrochenen und zerschlagenen Herzen“ (vgl. Ps 51,19) nach der Sünde aufsteigen. Der Psalm verdient, auf den Spuren der Väter und der Schriftsteller christlicher Spiritualität weiter untersucht und betrachtet zu werden. Er bietet uns neue Aspekte über das Verständnis des „göttlichen Geistes“ im Alten Testament und hilft uns, die Lehre in die geistliche und asketische Praxis umzusetzen. 39 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Für den, der in den vorhergehenden Katechesen die Hinweise auf die Propheten verfolgt hat, ist es leicht, die tiefe Verbindung mit dem Miserere jener Texte, besonders mit denen von Jesaja und Ezechiel, zu entdecken. Das Bewußtsein vor Gott vom gegenwärtigen eigenen Sündenzustand, das sich in dem Bußvers von Jesaja findet (59,12; vgl. Ez 6,9), und das von Ezechiel (18,1-32) eingeschärfte persönliche Verantwortungsbewußtsein sind schon in diesem Psalm gegenwärtig; er bittet Gott - im Zusammenhang mit der Sündenerfahrung und einem tiefempfundenen Bedürfnis nach Umkehr - um Reinigung des Herzens und einen neuen Geist. Das Wirken des göttlichen Geistes nimmt so die Aspekte stärkerer Konkretheit und genauerer Verpflichtung in bezug auf den Lebenszustand der Person an. 3. „Gott, sei mir gnädig“! Der Psalmist bittet Gott um Erbarmen und um Reinigung von der Sünde: „Wasch meine Schuld von mir ab, und mach mich rein von meiner Sünde!“ (Ps 51,3-4). „Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; wasche mich, dann werde ich weißer als Schnee“ (51,9). Aber er weiß, daß Gottes Vergebung sich nicht auf eine rein äußere Nichtanklage beschränken kann, ohne daß eine innere Erneuerung geschieht, und dazu ist der Mensch allein nicht fähig. Deshalb bittet er: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir! Mach mich wieder froh mit deinem Heil; mit einem willigen Geist rüste mich aus!“ (51,12-14). 4. Die Sprache des Psalmisten ist mehr denn je ausdrucksvoll: er bittet um eine Neuerschaffung, das heißt um die Ausübung der göttlichen Allmacht im Blick auf ein neues Sein. Nur Gott kann erschaffen (barä), das heißt, etwas Neues ins Dasein rufen (vgl. Gen 1,1; Ex 34,10; Jes 48,7; 65,17; Jer 31,21-22). Nur Gott kann ein reines Herz schenken, ein Herz, das vollkommen durchlässig ist für einen Willen, der ganz mit dem göttlichen Willen übereinstimmt. Nur Gott kann den Menschen im Tiefsten erneuern, ihn von innen heraus ändern und die grundlegende Ausrichtung seines bewußten religiösen und moralischen Lebens richtigstellen. Nur Gott kann den Sünder rechtfertigen, gemäß der Sprache der Theologie und des gleichen Dogmas (vgl. DS 1521-1522; 1560), das so das Wort des Propheten: „ein reines Herz schenken“ (vgl. Ez 36,26), und das des Psalmisten: „ein reines Herz erschaffen“ (vgl. Ps 51,12) auslegt. <2> <2> Man bittet dann um einen „beständigen Geist“ (Ps 51,12), das heißt um das Einfließen der Kraft Gottes in den Geist des Menschen, der von der moralischen Schwäche befreit wurde, die er in der Sünde erfahren und bekundet hat. Diese Kraft, diese Beständigkeit, kann nur aus der wirksamen Gegenwart des Geistes Gottes kommen, und deshalb bittet der Psalmist: „Nimm deinen heiligen Geist nicht von mir“. Es ist das einzige Mal, daß in den Psalmen der Ausdruck „der heilige Geist Gottes“ zu finden ist. In der jüdischen Bibel wird er nur im Text des Jesaja verwendet, der bei der Betrachtung der Geschichte Israels die Auflehnung gegen Gott beklagt, weil „sie seinen heiligen Geist betrübten“ (vgl. Jes 63,10), und an Mose erinnert, in den Gott „seinen heiligen Geist gelegt hatte“ (vgl. Jes 63,11). Der Psalmist ist sich schon der inneren Gegenwart des Geistes Gottes als ständige Quelle der Heiligkeit bewußt und bittet deshalb: „Nimm ihn nicht von mir“! Die Anfügung dieser Bitte an die andere: 40 AUDIENZEN UND ANGELUS „Verwirf mich nicht von deinem Angesicht“ deutet auf die Überzeugung des Psalmisten hin, daß das Besitzen des Heiligen Geistes Gottes an die göttliche Gegenwart in seinem innersten Wesen gebunden ist. Das wahre Unglück wäre, seiner Gegenwart beraubt zu werden. Wenn der heilige Geist in ihm bleibt, steht der Mensch mit Gott nicht nur in einer Beziehung „von Angesicht zu Angesicht“ wie vor einem Antlitz, das zu betrachten ist; nein, er besitzt in sich eine göttliche Kraft, die sein Verhalten anregt. 6. Nachdem er gebeten hatte, nicht des heiligen Geistes beraubt zu werden, bittet der Psalmist um die Rückgabe der Freude. Schon zuvor, als er Gott anflehte, ihn rein zu machen in der Hoffnung, „weißer als Schnee“ zu werden, hatte er dieselbe Bitte ausgesprochen: „Sättige mich mit Entzücken und Freude! Jubeln sollen die Glieder, die du zerschlagen hast“ (Fs 51,10). Aber in dem psychologischen Prozeß des Nachdenkens, aus dem das Gebet hervorquillt, spürt der Psalmist, daß es zum Vollgenuß der Freude nicht genügt, daß alle Schuld getilgt wird; notwendig ist die Erschaffung eines neuen Herzens mit einem beständigen Geist, der an die Gegenwart des heiligen Geistes Gottes gebunden ist. Nur dann kann er bitten: „Mach mich wieder froh mit deinem Heil!“. Die Freude gehört zur Erneuerung, die in der „Erschaffung eines reinen Herzens“ besteht. Sie ist das Ergebnis einer Geburt zu einem neuen Leben, wie Jesus in dem Gleichnis vom verlorenen Sohn erklärt, wo der Vater, der verzeiht, sich als erster freut und allen die Freude seines Herzens mitteilen will (vgl. Lk 15,20-32). 7. Mit der Freude erbittet der Psalmist „einen willigen Geist“, das heißt einen mutigen, einsatzbereiten Geist. Er erfleht ihn von dem, der nach dem Buch Jesaja den Schwachen das Heil verheißen hatte: „Als Heiliger wohne ich in der Höhe, aber ich bin auch bei den Zerschlagenen und Bedrückten, um den Geist der Bedrückten wieder aufleben zu lassen und das Herz der Zerschlagenen neu zu beleben“ (Jes 57,15). Zu beachten ist, daß der Psalmist nach dieser Bitte sofort seine Verpflichtung gegenüber Gott zugunsten der Sünder und ihrer Bekehrung ausspricht: „Dann lehre ich Abtrünnige deine Wege, und die Sünder kehren um zu dir“ (Ps 51,15). Dies ist ein weiterer bezeichnender Schritt in dem inneren Prozeß eines aufrichtigen Herzens, das die Vergebung der eigenen Sünden erlangt hat: es will dasselbe Geschenk für die anderen haben, dadurch daß es ihre Umkehr hervorruft, und zu diesem Zweck will und verspricht es zu wirken. Dieser „Untemehmensgeist“ in ihm kommt aus der Gegenwart des „heiligen Geistes Gottes“ und ist dessen Zeichen. Im Enthusiasmus der Umkehr und im Eifer des Einsatzes spricht der Psalmist Gott gegenüber die Überzeugung von der Wirksamkeit des eigenen Handelns aus. Für ihn ist gewiß: „... die Sünder kehren um zu dir“. Aber auch hier spielt das Bewußtsein von der wirksamen Gegenwart einer inneren Kraft mit, der des „heilige Geistes“. Von universaler Bedeutung ist die Schlußfolgerung, die der Psalmist zieht: „Ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott, nicht verschmähen“ (Ps 51,19). Er sieht prophetisch voraus, daß der Tag kommen wird, an dem in einem wiederaufgebauten Jerusalem auf dem Altar des Tempels gemäß den Vorschriften des Gesetzes wohlgefällige Opfer dargebracht werden (vgl. Ps 51,20-21). Der Wiederaufbau der Mauern Jerusalems wird das Zei- 41 AUDIENZEN UND ANGELUS chen der göttlichen Vergebung sein, wie auch die Propheten Jesaja (60,1 f.; 62,1 f.), Jeremias (30,15-18) und Ezechiel (36,33) sagen. Aber fest steht, daß das, was wirklich zählt, das „Opfer des Geistes“ des Menschen ist, der demütig um Vergebung bittet unter dem Antrieb des göttlichen Geistes, der dank der Reue und des Gebets nicht von ihm genommen wurde (vgl. Ps 51,13). 8. Wie aus dieser knappen Darstellung seiner Hauptthemen hervorgeht, ist der Psalm Miserere für uns nicht nur ein schönes Gebet und ein Hinweis auf die Askese der Reue, sondern auch ein Zeugnis für die Entwicklungsstufe, die im Alten Testament im Verständnis des „göttlichen Geistes“ erreicht worden war unter fortschreitender Annäherung an das, was die Offenbarung des Heiligen Geistes im Neuen Testament ist. Der Psalm ist deshalb eine großartige Seite in der Geschichte der Spiritualität des Alten Testamentes auf dem Weg - wenn auch im Dunkeln - zum neuen Jerusalem, das der Sitz des Heiligen Geistes ist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Der Psalm Miserere ist uns allen gut bekannt als ein Gebet der Buße und des demütigen Vertrauens auf Gottes Barmherzigkeit. Er vermittelt uns mit seinem reichen Inhalt zugleich auch wertvolle Aspekte über das Verständnis des „göttlichen Geistes“ im Alten Testament. Der Psalmist bittet Gott um die Reinigung von seiner Sünde und Schuld: „Wasch meine Schuld von mir ab, und mach mich rein von meiner Sünde“ (Ps 50,4). Bei der Sündenvergebung handelt es sich jedoch nicht nur um eine rein äußere Nicht-Anrechnung. Der Psalmist bittet vielmehr um das Geschenk einer inneren Erneuerung, um einen neuen Geist und ein neues Herz: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen beständigen Geist“! (Ps 50,12). Nur Gott hat die Macht, neu zu schaffen und auf diese Weise den Sünder zu rechtfertigen. Diese Neuschöpfung erfolgt durch die erneuernde Gegenwart des göttlichen Geistes im Menschen. Darum dann auch die Bitte des Psalmisten: „Nimm deinen heiligen Geist nicht von mir“ (Ps 50,13). Schon der Psalm Miserere erblickt in der inneren Gegenwart des göttlichen Geistes im Menschen die Quelle der Heiligkeit. Wenn der Heilige Geist in ihm bleibt, so besitzt der Mensch eine göttliche Kraft, die sein Verhalten und Tun von innen prägt und beseelt. Aus dieser geistigen Erneuerung empfängt der Mensch zugleich Freude und Großmut, die ihn befähigen, sich auch für die Bekehrung der Mitmenschen einzusetzen: „Dann lehre ich Abtrünnige deine Wege, und die Sünder kehren um zu dir“ (Ps 50,15). Nehmen wir, liebe Brüder und Schwestern, dieses Psalmgebet mit uns in die heute beginnende liturgische Bußzeit. Indem ich euch alle bei dieser Audienz herzlich willkommen heiße, erbitte ich euch gnadenreiche Wochen geistiger Erneuerung und Vorbereitung auf das Osterfest. Dies wünsche ich besonders den beiden Schwestemgruppen, die am Päpstlichen Institut „Regina Mundi“ und bei den Franziskanerinnen in La Storta ihr religiöses Leben durch Studium und Betrachtung vertiefen. Zugleich grüße ich brüderlich die Gruppe der Pastoren vom Predigerseminar der Evangelischen Kirche von Westfalen. Von Herzen erteile ich allen anwesenden Pilgern deutscher Sprache meinen besonderen Apostolischen Segen. 42 AUDIENZEN UND ANGELUS Glaubt an das Evangelium Geistlicher Besuch in Jasna Göra Heute ist Aschermittwoch. Die Kirche legt unserem Haupt Asche auf als Zeichen der Fastenzeit, die wir heute beginnen. Dieses Zeichen erinnert jeden Menschen an die Wahrheit, die in den Worten des Buches Genesis zum Ausdruck kommt: „Staub bist du, zum Staub mußt du zurück“ (vgl. Gen 3,19). Aber die Kirche wiederholt zugleich die Worte, die Jesus von Nazaret zu Beginn seiner mes-sianischen Sendung gesprochen hat: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium“! (Mk 1,15). Diese Worte erklingen überall. Sie ertönen auch in Jasna Göra. Sie ertönen in dem Augenblick, in dem in unserem Land und auch in dem unserer Nachbarn das Bewußtsein für die notwendigen Veränderungen (Perestroika) im Bereich des gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Lebens gereift ist. Man wurde sich dessen bewußt, daß die Änderung die notwendige Voraussetzung für die Zukunft, die Entwicklung und den Fortschritt ist. Die Kirche greift heute dieses Bewußtsein auf und entfaltet es bis zum Äußersten. Ja, es bedarf der Veränderungen in der Ordnung des gesellschaftlichen Lebens. Aber an der Wurzel der wahren und wirksamen Veränderungen muß die Umkehr des Menschen stehen. Das ist notwendig. Der Ruf Christi zur Umkehr ist das aktuellste Wort aller Emeuerungsprogramme. Und gerade vom Heiligtum von Jasna Göra aus wiederholt die Stimme der Mutter mit neuer Kraft: „Glaubt an das Evangelium“! Glaubt an das Evangelium! Das sagt sie zu uns Polen, zu unseren Nachbarn, zu allen, die mit uns übereinstimmen, zu ganz Europa. Glaubt an das Evangelium! Treue Priester vor Gott Angelus am 4. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir sind in die Fastenzeit eingetreten, die Zeit der Buße, das heißt der inneren Umkehr. Vierzig Tag lang werden wir uns auf die Feier des Geheimnisses der Auferstehung vorbereiten; die ganze Fastenzeit ist auf Ostern ausgerichtet. Der Weg, der heute beginnt, muß für uns alle verpflichtend sein. Das Ziel, zu dem er führt, ist letzten Endes, das Herz von all dem zu reinigen, was es von Gott entfernt und verhindert, das erste Gebot besser zu verwirklichen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft“ (Mk 12,30). Jeder von uns wird deshalb aufgefordert, sich zu fragen, wie es ihm möglich ist, eine Liebe zu leben, die alles Gott darbringt. Die Ersten, die zu dieser Umkehr des Herzens gerufen sind, sind die Priester. Sie haben den Auftrag, die Menschen zur inneren Umkehr zu ermutigen, und sie können diese Sendung nur erfüllen, wenn sie selbst im Innern bekehrt sind, das heißt mit ihrem Herzen und all ihrer Kraft auf Gott zustreben. 43 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Wir berühren hier ein Grundelement der Priesterausbildung, von der die Synode handeln wird. Der Priester ist der Mann Gottes, der Gott gehört und an Gott erinnert. Wenn der Hebräerbrief von Christus spricht, stellt er ihn vor als „einen barmherzigen und treuen Hohenpriester vor Gott“ (2,17). Dieser Bezug auf Gott findet sich in der Beschreibung jedes Priesters (vgl. Hebr 5,1). Der Priester ist beauftragt mit den Beziehungen der Menschheit mit Gott. Deshalb ist er seiner Sendung nach Gott zugewandt, um die Gaben der Menschen Gott darzubringen und das ganze Volk der Gläubigen dazu anzuleiten, Gott die Ehre zu geben. Die Christen hoffen, im Priester nicht nur einen Menschen zu finden, der sie aufnimmt, sie gern anhört und ihnen aufrichtige Sympathie erweist, sondern auch und vor allem einen Menschen, der ihnen hilft, auf Gott zu schauen und auf ihn zuzugehen. 3. Deshalb ist es notwendig, daß der Priester zu einer tiefen Verbundenheit mit Gott erzogen wird. Diejenigen, die sich auf den Priesterberuf vorbereiten, müssen verstehen, daß der ganze Wert ihres Priesterlebens davon abhängt, inwieweit sie sich selbst Christus und durch Christus dem Vater schenken. Darum müssen sie sich die Gewohnheit aneignen, in der Haltung zu leben, die von der Eucharistiefeier vorgegeben wird im ständigen Blick aller auf Gott. Die Welt läuft Gefahr, sich zu verschließen und nur die eigene Befriedigung zu suchen. Es muß Menschen geben, die fähig sind, die Welt über ihren eingegrenzten Horizont hinauszuführen und ihre Augen und ihr Herz zu Gott zu erheben. Wir bitten die seligste Jungfrau, die in so enger Verbundenheit mit Gott gelebt hat, der kommenden Synode zu helfen, jene Entscheidungen zu treffen, die dazu beitragen, der Kirche Priester zuzuführen, die immer mehr aut-henische Männer Gottes sind. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Am kommenden Freitag, 9. März, gedenken wir des 550. Todestages der heiligen Francesca Romana, der Mitpatronin von Rom. Als junge Ehefrau, Mutter von drei Kindern und später als Gründerin einer Ordensgemeinschaft lebte sie in einer für Rom und für die Kirche schwierigen Zeit in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Durch Gebet und Buße widmete sie sich der Versöhnung der Römer im Schoß der Kirche und untereinander, indem sie der gesamten Welt das Beispiel der Ganzhingabe an den Herrn und der barmherzigen Liebe zu den Armen und Verlassenen gab. Rufen wir sie an und bitten wir sie um ihren besonderen Schutz für unsere Familien. Heute abend beginnen im Vatikan die geistlichen Exerzitien, an denen mit mir meine Mitarbeiter an der Römischen Kurie teilnehmen. Liebe Brüder und Schwestern, ich rufe euch auf, uns mit eurem Gebet zu begleiten, damit die Gnade, mit der der Herr uns erfüllen wird, auch zum Wohl der ganzen Kirche und der gesamten Welt gereiche. 44 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Priester: Mann des Gebets Angelus am 11. März Meine Lieben! 1. Die Fastenzeit ist eine Zeit des Gebets. Es ist wahr, daß das Gebet in unserem Leben immer seinen Platz haben muß, zu allen Zeiten des Jahres, aber die vierzig Tage, die dem Ostergeheimnis vorausgehen, rufen uns zu intensiverem und häufigerem Gebet auf. Als Jesus vierzig Tage in der Wüste verbrachte, widmete er sich dem Gebet. In der Einsamkeit sammelte er sich ganz in der Anwesenheit des Vaters; er betrachtete ihn und redete mit ihm; er vertraute ihm seine Sendung an. Die vierzig Tage des Gebets, die seiner Verkündigungstätigkeit vorausgingen, sind eine Lehre für alle, insbesondere aber für den Priester. Er ist nicht nur der Mensch des Handelns, der sich dem Wohl derer widmet, die ihm anvertraut sind; er ist vor allem der Mensch des Gebets. Bei einer früheren Begegnung haben wir ihn bereits als Mann Gottes bezeichnet. Mann Gottes sein heißt Mann des Gebets sein. 2. Wenn die kommende Synode über die Anforderungen der Priesterausbildung nachdenkt, kann sie diesen wesentlichen Aspekt des Priesteramtes nicht außer acht lassen. Diejenigen, die sich darauf vorbereiten, müssen zu einem Leben im Gebet erzogen werden. Für den Priester ist das Gebet eine Anforderang, die ebensosehr aus seinem persönlichen Leben wie aus dem apostolischen Dienst erwächst. Der Priester braucht das Gebet, damit sein Leben, wie es sein soll, wesentlich ein Geschenk an Christus sein kann. Es ist nicht möglich, Christus mit dem ganzen eigenen Dasein anzugehören, ohne mit ihm tiefe persönliche Beziehungen zu pflegen, die im Gebetsdialog Ausdruck finden, und ohne ständig den Blick auf ihn zu richten, um in Gemeinschaft mit ihm zu leben. Der apostolische Dienst fordert seinerseits beharrliches Gebet, denn alles Handeln des Priesters muß von Christus inspiriert sein und nur von seiner Gnade Fracht erwarten. Der Priester ist berufen, für die zu beten, zu denen er gesandt ist. Ihnen schuldet er den Gebetsdienst, durch den er für sie zahllose Gnaden erlangen kann. Der Brief an die Hebräer beschreibt Christus, den Priester, als denjenigen, der unaufhörlich für uns eintritt: „Darum kann er auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten“ (7,25). Nach dem Bild Christi muß der Priester eine ständige Mission der Fürbitte ausüben. 3. Deshalb ist es sehr wichtig, daß die Priesteramtskandidaten zum Gebet erzogen werden. Sie müssen vor allem zur Überzeugung gelangen, daß das Gebet notwendig ist für ihr prie-sterliches Leben und für ihren Dienst. Dann müssen sie lernen zu beten, gut zu beten, und die Zeiten des Gebets entsprechend der ihnen angemessenen Weise auf das beste zu nützen. Schließlich müssen sie den Geschmack am Gebet entwickeln, den Wunsch und zugleich den Willen zu beten. Bitten wir Maria, die Jungfrau im Gebet, über die Gebetserziehung der Priester zu wachen und die Synode in ihren Überlegungen und Entscheidungen auf diesen Aspekt des Priestertums hinzulenken, der für das Leben der Kirche so grundlegend ist. 45 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott ein Freund der Menschen Ansprache bei der Generalaudienz am 14. März 1. Die Erfahrung der Propheten des Alten Testamentes hebt besonders die Verbindung zwischen Wort und Geist hervor. Der Prophet spricht im Namen Gottes und durch den Geist. Die Schrift selbst ist Wort, das vom Geist kommt, seine Aufzeichnung auf ewig. Sie ist „heilig“ aufgrund des Geistes, der durch das gesprochene oder geschriebene Wort seine Wirksamkeit ausübt. Auch in einigen Nichtpropheten ruft das Wirken des Geistes das Wort hervor. So im Buch der Chronik, wo an die „Dreißig“ erinnert wird, die sich David anschlossen und sein Königtum anerkannten. Dort ist zu lesen: „Da ergriff ein Geist Amasai, das Haupt der Dreißig, so daß er ausrief: Dir, David, gehören wir ... Heil, Heil sei dir, Heil deinem Helfer; denn dir hilft dein Gott. Da nahm sie David auf und reihte sie ein unter die Anführer seiner Schar“ (1 Chi 12,19). Dramatischer ist ein anderer Fall, der im 2. Buch der Chronik erzählt und von Jesus in Erinnerung gerufen wird (vgl. Mt 23,35; Lk 11,51). Er ereignete sich zu einer Zeit des Niedergangs des Kultes im Tempel und der Nachgiebigkeit gegenüber den Versuchungen zum Götzendienst in Israel. Weil die Propheten, die Gott zu den Israeliten gesandt hatte, um sie zur Umkehr zu ihm zu bewegen, nicht gehört wurden, „kam der Geist Gottes über Sechar-ja, den Sohn des Priesters Jojada. Er trat vor das Volk und hielt ihm vor: So spricht Gott: Warum übertretet ihr die Gebote des Herrn? So könnt ihr kein Glück mehr haben. Weil ihr den Herrn verlassen habt, wird er euch verlassen. Sie aber taten sich gegen ihn zusammen und steinigten ihn auf Befehl des Königs im Hof des Hauses des Herrn“ (2 Chi 24,20-21). Es sind bedeutsame Zeugnisse für die Verbindung zwischen Geist und Wort, die in der Mentalität und Sprache Israels lebendig ist. <3> <4> <3> Ein ähnliches Band besteht zwischen Geist und Weisheit. Es zeigt sich im Buch Daniel in den Worten des Königs Nebukadnezzar, der, als er von seinem Traum und der von Daniel erhaltenen Deutung erzählt, von diesem sagt, daß in ihm „der Geist der heiligen Götter ist“ (Dan 4,5; vgl. 4,6.15; 5,11.14), das heißt die göttliche Eingebung, die auch der Pharao damals in Josef aufgrund seiner weisen Ratschläge erkannte (vgl. Gen 41,38-39). In seiner heidnischen Ausdrucksweise spricht der König von Babylon wiederholt vom „Geist der heiligen Götter“, während er am Schluß seiner Erzählung vom „König des Himmels“ in der Einzahl redet (Dan 4,34). Jedenfalls erkennt er, daß sich in Daniel ein göttlicher Geist kundtut, wie auch König Belschazzar später sagt: „In dir, so habe ich gehört, ist der Geist der Götter, und bei dir fand man Erleuchtung und Einsicht und außergewöhnliche Weisheit“ (Dan 5,14). Und der Verfasser des Buches unterstreicht: „Daniel zeichnete sich vor den anderen obersten Beamten und den Satrapen aus, denn in ihm war ein außergewöhnlicher Geist. Der König erwog sogar, ihn zum höchsten Beamten des ganzen Reiches zu machen“ (Dan 6,3). Wie man sieht, werden Daniel mit Recht „außergewöhnliche Weisheit“ und ein „außergewöhnlicher Geist“ zuerkannt und die Verbindung dieser Eigenschaften im Judentum des 2. Jahrhunderts v. Chr. bezeugt, als das Buch geschrieben wird, um den Glauben und die Hoffnung der von Antiochus Epiphanes verfolgten Juden zu stärken. 46 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Im Buch der Weisheit - einem Text, der an der Schwelle des Neuen Testamentes, das heißt nach jüngeren Autoren in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. im hellenistischen Bereich verfaßt wurde - wird die Verbindung zwischen Weisheit und Geist so sehr unterstrichen, daß damit beinahe eine Identifizierung erreicht wird. Dort liest man schon am Anfang: „Die Weisheit ist ein menschenfreundlicher Geist“ (Weish 1,6). Er manifestiert sich und teilt sich mit durch eine grundlegende Liebe zur Menschheit. Aber dieser menschenfreundliche Geist ist nicht blind und duldet das Böse in den Menschen nicht, auch wenn es verborgen ist. „In einer Seele, die auf Böses sinnt, kehrt die Weisheit nicht ein, noch wohnt sie in einem Leib, der sich der Sünde hingibt. Denn der heilige Geist, der Lehrmeister, flieht vor der Falschheit, er entfernt sich von unverständigen Gedanken ... [er] läßt die Reden des Lästerers nicht straflos; denn Gott ist Zeuge seiner heimlichen Gedanken, untrüglich durchschaut er sein Herz und hört seine Worte“ (Weish 1,4-6). Der Geist des Herrn ist also ein heiliger Geist, der seine Heiligkeit mitteilen will und eine erzieherische Funktion ausübt: „der heilige Geist, der Lehrmeister“ (Weish 1,5). Er widersetzt sich der Ungerechtigkeit. Er setzt seiner Liebe keine Grenzen, sondern ist eine Herausforderung dieser Liebe. Im Kampf gegen das Böse widersetzt er sich aller Bosheit, ohne sich je betrügen zu lassen, denn ihm entgeht nichts, auch kein „heimliches Reden“ (Weish 1,11). Tatsächlich erfüllt der Geist den Erdkreis, er ist allgegenwärtig. „Er, der alles zusammen hält, kennt jeden Laut“ (Weish 1,7). Die Folge seiner Allgegenwärtigkeit ist, daß er alle Dinge, auch die verborgenen, kennt. Weil er ein „menschenfreundlicher Geist“ ist, will er die Menschen nicht nur überwachen, sondern sie mit seinem Leben und seiner Heiligkeit erfüllen. „Denn Gott hat den Tod nicht gemacht und hat keine Freude am Untergang der Lebenden. Zum Dasein hat er alles geschaffen“ (Weish 1,13-14). Die Bekräftigung dieses positiven Charakters der Schöpfung, in dem sich der biblische Begriff von Gott als dem „Ich-bin-da“ (Ex 3,14) und als dem Schöpfer des ganzen Universums (vgl. Gen l,lf.) widerspiegelt, gibt der philosophischen Vorstellung und der Ethik der Beziehungen zu den Dingen ein religiöses Fundament; sie setzt vor allem eine Diskussion über die letzte Bestimmung des Menschen in Gang, die keine Philosophie ohne Hilfe der göttlichen Offenbarung hätte aufrechterhalten können. Der heilige Paulus sagt, wenn der Tod durch die Sünde des Menschen in die Welt gekommen ist, so ist Christus als der neue Adam gekommen, um den Menschen von der Sünde zu erlösen und ihn vom Tod zu befreien (vgl. Röm 5,12-21). Der Apostel fügt hinzu, daß Christus ein neues Leben im Heiligen Geist (vgl. Röm 8,lf.) gebracht hat, indem er den Namen, ja sogar die Mission der göttlichen Person offenbarte, die in den Seiten des Buches der Weisheit vom Geheimnis umhüllt ist. <5> <6> <7> <5> König Salomon, der mit literarischer Hilfe als Verfasser dieses Buches vorgestellt wird, wen- det sich dann an seine Kollegen: „Hört also, ihr Könige ..." (Weish 6,1), um sie aufzurufen, die Weisheit, Geheimnis und Maßstab der Königsherrschaft, anzunehmen, und um zu erklären, „was Weisheit ist“ (Weish 6,22). Er singt ihr Loblied in einer langen Aufzählung der Eigenschaften des göttlichen Geistes, die er der Weisheit zuschreibt, indem er sie beinahe zur Person macht: „In ihr ist ein Geist, gedankenvoll, heilig, einzigartig, mannigfaltig ...“ (Weish 7,22-23). Es sind 21 (3x7) kennzeichnende Eigenschaften, ausgedrückt in Worten, die zum Teil aus der griechischen Philosophie und zum Teil aus der Bibel stammen. Hier die wichtigsten: 47 AUDIENZEN UND ANGELUS Er ist ein „gedankenvoller“ Geist, daß heißt kein blinder Impuls, sondern eine von der Erkenntnis der Wahrheit geleitete Dynamik; er ist ein „heiliger“ Geist, denn er will die Menschen nicht nur erleuchten, sondern heiligen; er ist „einzigartig und mannigfaltig“, damit er überall eindringen kann; er ist „zart“ und erfüllt alle Geister, deshalb ist seine Wirkung in der Hauptsache innerlich, wie seine Gegenwart; er ist „alles vermögend und alles überwachend“, stellt aber keine tyrannische oder zerstörende Macht dar, denn er ist „wohltuend und menschenfreundlich“; er will ihr Wohl und „schafft Freunde Gottes“. Die Liebe stützt und lenkt seine ausgeübte Kraft. Die Weisheit besitzt also die Eigenschaften und erfüllt die Funktionen, die traditionsgemäß dem göttlichen Geist zugeschrieben werden: dem „Geist der Weisheit und der Einsicht“ (/es 11,2 f.), denn durch ihn identifiziert sie sich in der geheimnisvollen Tiefe der göttlichen Wirklichkeit. 5. Unter den Wirkweisen des Geistes der Weisheit ist die, den göttlichen Willen erkennen zu lassen: „Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben und deinen heiligen Geistaus der Höhe gesandt hast?“ {Weish 9,17). Von allein ist der Mensch nicht fähig, den göttlichen Willen zu erkennen: „Welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen?“ (Weish 9,13). Durch seinen heiligen Geist gibt Gott seinen Plan über das menschliche Leben viel tiefer und gewisser zu erkennen als durch die Verkündigung eines Gesetzes allein in den Formeln der menschlichen Sprache. Indem er von innen her durch die Gabe des Heiligen Geistes wirkt, erlaubt Gott, daß „die Pfade der Erdenbewohner gerade gemacht wurden, und die Menschen lernten, was dir gefällt; durch die Weisheit wurden sie gerettet“ (Weish 19,22). 6. In diesem historischen Rückblick auf die Weisheit taucht ein Abschnitt auf, wo der Autor, indem er zum Herrn spricht, an seinen allgegenwärtigen Geist erinnert, der das Leben des Menschen liebt und schützt. Das gilt auch für die Feinde des Volkes Gottes und allgemein für die Ungläubigen, die Sünder. Auch in ihnen ist der göttliche Geist der Liebe und des Lebens: „Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens; denn in allem ist dein unvergänglicher Geist“ (Weish 11,22; 12,1). „Du schonst...“ Die Feinde Israels hätten in viel schrecklicherer Weise bestraft werden können, als es geschehen ist. Sie hätten fortgeweht werden können „vom Sturm deiner Macht. Du aber hast alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet“ (Weish 11,20). Das Buch der Weisheit rühmt die „Mäßigung“ Gottes und gibt deren Grund an: Der Geist Gottes wirkt nicht nur als machtvoller Sturm, fähig, die Schuldigen zu bestrafen, sondern als Geist der Weisheit, der das Leben will und damit seine Liebe offenbart. „Du hast mit allem Erbarmen, weil du alles vermagst, und siehst über die Sünden der Menschen hinweg, damit sie sich bekehren. Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehaßt, so hättest du es nicht geschaffen. Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben, oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre?“ (Weish 11,23-25). <8> <8> Wir stehen auf dem Höhepunkt der Religionsphilosophie nicht nur Israels, sondern aller antiken Völker. Die biblische Tradition, bereits in der Genesis ausgedrückt, bietet hier eine Antwort auf die großen Fragen, die nicht einmal von der hellenistischen Kultur gelöst wor- 48 AUDIENZEN UND ANGELUS den waren. Hier verbindet sich das Erbarmen Gottes mit der Wahrheit über seine Erschaffung aller Dinge. Die Universalität der Schöpfung bringt die Universalität des Erbarmens mit sich. Und alles durch die ewige Liebe, mit der Gott alle seine Geschöpfe liebt, die Liebe, in der wir jetzt die Person des Heiligen Geistes erkennen. Das Buch der Weisheit läßt uns bereits diesen Geist der Liebe ahnen, der wie die Weisheit die Züge einer Person annimmt mit den folgenden Eigenschaften: der Geist, der alles kennt und die Menschen die Pläne Gottes erkennen läßt; der Geist, der das Böse nicht akzeptieren kann; der Geist, der mit Hilfe der Weisheit alle zum Heil führen will; der Geist der Liebe, der das Leben will; der Geist, der das Universum mit seiner wohltuenden Gegenwart erfüllt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die Erfahrung der Propheten des Alten Testaments stellt die Verbindung zwischen Wort und Geist in besonderer Weise unter Beweis. Eine weitere analoge Verbindung besteht zwischen Geist und Weisheit. Im Buch der Weisheit, das gleichsam an der Schwelle zum Neuen Testament verfaßt wurde, wird diese Verbindung zwischen der Weisheit und dem Geist derart unterstrichen, daß man sie gleichsam identifizieren könnte. Gleich zu Beginn kann man lesen, daß „die Weisheit ein menschenfreundlicher Geist ist“ (Weish 1,6). Er teilt sich mit Kraft einer fundamentalen Liebe zur Menschheit. Der Geist des Herrn ist ein heiliger Geist, der seine Heiligkeit mitteilen will und eine erzieherische Funktion wahmimmt: „Der heilige Geist, der Lehrmeister“ (Weish 1,5). Er widersetzt sich dem Umecht. Der Geist des Herrn ist ferner ein „gedankenvoller“ Geist, dessen Dynamismus von der Erkenntnis der Wahrheit geleitet ist. Zu den Aufgaben des Geistes der Weisheit gehört auch, den Willen Gottes erkenntlich zu machen: „Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben und deinen heiligen Geist aus der Höhe gesandt hast?“ (Weish 9,17). Der Mensch allein ist nicht in der Lage, den göttlichen Willen zu erkennen. Durch seinen heiligen Geist macht Gott seinen eigenen Willen erkenntlich. Das Buch der Weisheit läßt uns schon jenen Geist der Liebe erahnen, der die Züge einer Person annimmt mit den folgenden Kennzeichen: der Geist, der alles durchschaut und den Menschen die göttlichen Zeichen erkennen läßt; der Geist, der das Böse nicht akzeptieren kann; der Geist, der mit Hilfe der Weisheit alle zum Heil führen will; der Geist der Liebe, der das Leben will; der Geist, der das Universum mit seiner wohltätigen Gegenwart erfüllt. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle anwesenden Pilger deutscher Sprache sehr herzlich. Einen besonderen Gruß richte ich an die Seminaristen der Collegium Albertinum in Bonn. Eure Vorbereitung auf den priesterlichen Dienst möge von dem Geist der Liebe geprägt sein, der im Buch der Weisheit auf so beeindruckende Weise beschrieben wird. Euch allen sowie den Hörerinnen und Hörem, die mit uns über Radio Vatikan verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 49 AUDIENZEN UND ANGELUS Hört die Worte Christi Geistlicher Besuch in Jasna Gora „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). An diese Worte, die den Weg der Fastenzeit unterstreichen, habe wir am Aschermittwoch vor dir, Mutter von Jasna Gora, erinnert, um immer wieder auf sie zurückzukommen. Glaubt an das Evangelium. Wann haben unsere Vorfahren zum ersten Mal an das Evangelium geglaubt? Mir kommt Gnesen im Jahr der Tausendjahrfeier in den Sinn - und dann Gnesen im Lauf der ersten Pilgerreise des Papstes in seine Heimat. Ebendort kehrten wir zurück zu den Anfängen des Glaubens, des Evangeliums und der Kirche - nicht nur zum Anbruch unserer Geschichte der Piasten, sondern auch zu dem unserer Nachbarbrüder. Dort wurde der Christianisierung der Slawen gedacht, in erster Linie der südlichen Slawen noch vor der Mission der heiligen Brüder von Saloniki und nach ihrer Mission im Großmährischen Reich und in dessen Einflußbereich. Und auch der Slawen im Westen unseres Landes der Piasten, auch östlich davon. Die Slawen und ihre Nachbarbrüder vernahmen später die Stimme des Evangeliums. Sie gelangten zum Glauben und zur Kirche etwas später als die Völker Westeuropas und besonders jener südlichen im Mittelmeerraum. Wenn wir heute diese Ansprache von Gnesen über die Anfänge der Evangelisierung vor Augen haben, dann zu dem Zweck, sie den Anforderungen unserer Zeit entsprechend zu interpretieren. Am Ausgang des 20. Jahrhunderts hören wir durch die vergangenen und die heutigen Erfahrungen hindurch mit der gleichen Kraft die Worte Christi: Glaubt an das Evangelium! Glaubt an das Evangelium! Gottes Weisheit Raum gehen Angelus am 18. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. In der Fastenzeit sind wir auf gerufen, nachzudenken und innere Einkehr zu halten, um den Sinn unserer Bestimmung besser zu erfassen. Es geht darum, an Dinge zu denken, die für unser Dasein wirklich wesentlich sind. Denn unsere Augen und mit ihnen unsere Gedanken werden oft von den sichtbaren Dingen in unserer Umgebung angezogen, so daß wir Gefahr laufen, uns nur auf unsere unmittelbaren Bedürfnisse zu konzentrieren und es versäumen, nach dem endgültigen Zweck unseres Lebens zu fragen. Aber dieser Zweck ist wichtig, denn von seiner Erfüllung hängt der Ausgang unseres irdischen Schicksals ab. 50 AUDIENZEN UND ANGELUS Um klar und sicher dieses Ziel zu entdecken, müssen wir unsere oberflächlichen Gedanken aufgeben und in uns Raum schaffen für die göttliche Weisheit. Schon das Alte Testament empfahl die Suche nach der Weisheit, die ein göttliches Geschenk ist, aber „wer sie sucht, findet sie“ (Weish 6,12). 2. Diese Weisheit muß das Denken des Priesters beseelen und sein Lehren und Handeln leiten. Vom Priester erwartet man nicht nur, daß er die Wahrheiten des Glaubens kennt, sondern daß er auch ausgewogen zu urteilen und bewerten weiß aufgrund einer persönlichen Erfahrung des Geheimnisses Gottes. Wer sich an ihn wendet, kann auf diese Weisheit zählen, die ihm von oben gegeben ist für die Ausübung seines Dienstes. Der Priester hat insbesondere die Aufgabe, seine Brüder an den letzten Sinn des Lebens zu erinnern, um sie auf den wahren Ausblick ihres Daseins hinzulenken. Er muß von der Vernunft, genauer von der übernatürlichen Vernunft beseelt sein, um im Licht der Gnade die zu engen Ansichten des rein menschlichen Denkens überwinden zu können. Indem er den Blick auf Gott hinlenkt, hilft der Priester denen, die ihm begegnen, die volle Entfaltung ihrer Person als Mensch und Christ zu verwirklichen. 3. Diesen Aspekt der Priesterausbildung zu untersuchen wird sicher Aufgabe der kommenden Synode sein, die dafür sorgen muß, Wege zu weisen für die Vorbereitung von Männern, die eine tiefe Weisheit besitzen. In der Welt, in der wir leben und die von einer großen Meinungsvielfalt gekennzeichnet ist, ist es wichtig, Priesteramtskandidaten auszubilden, die fähig sind, sich mit Ausgewogenheit in den komplexen Wechselfällen des Lebens zurechtzufinden. Die Aneignung dieser Urteilsreife hat einen unschätzbaren Wert für den, der im Dienstamt Meinungen äußern und Entscheidungen treffen muß, deren Folgen schwerwiegend sein können. Morgen ist das Fest des heiligen Josef. Er war ein mit echter Weisheit begabter Mann, ein Mann der Vernunft und immer gehorsam gegenüber den göttlichen Eingebungen. Bitten wir die Jungfrau Maria, den Sitz der Weisheit, und den heiligen Josef, ihren Bräutigam, damit sie durch ihre Fürsprache für die Kirche Priester erwecken, die durch ihre Weisheit ihren Brüdern das Licht mitteilen können, dessen sie bedürfen. Meinen Geist habe ich auf ihn gelegt Ansprache bei der Generalaudienz am 21. März 1. Die Analyse über die Hinweise auf den Heiligen Geist, die in den verschiedenen Büchern des Alten Testamentes wenn auch in noch unklaren Worten über seine göttliche Person zu finden sind, wäre nicht vollständig, würden wir nicht einem Text von Jesaja (Deutero-Jesaja) einige Überlegungen widmen, in dem die Beziehung zwischen dem göttlichen Geist und dem „Knecht Jahwes“ bekräftigt wird. In der Gestalt dieses Knechtes sind die verschiedenen Handlungsformen, nämlich die prophetische, die messianische und die heiligende, zusammengefaßt, die wir in den vorhergehenden Katechesen erläutert haben. 51 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Beziehung wird in dem Vers bekräftigt, mit dem das erste der vier sogenannten „Lieder vom Gottesknecht“ beginnt, die voll der Lyrik und Verheißung sind. Es lautet: „Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt“ (/es 42,1). Von Anfang an wird also bestätigt, daß die Sendung des Knechtes Werk des Geistes Gottes ist, der auf ihn gelegt wurde. Wie zur alten Zeit bei den charismatischen Führern des Volkes, den Richtern (vgl. Rieh 3,10), und bei den ersten Königen Saul und David (vgl. 1 Sam 9,17; 10,9-10; 16,12-13; Jes 11,1-2) wird die Erwählung des Gottesknechtes von einer Ausgießung des Geistes begleitet, so daß man eine Beziehung fest-steilen kann zwischen dem, was vom Gottesknecht gesagt wird, und dem, was Jesaja vom „Reis“ verheißen hatte, das „aus dem Baumstumpf Isais“, das heißt aus dem Stamm Davids hervorwachsen sollte: „Der Geist des Herrn läßt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht“ (Jes 11,2). In dem genannten Lied gibt es eine Neuheit, die darin besteht, daß der angekündigten Persönlichkeit die Eigenschaft des Knechtes zugeschrieben wird. Sie löscht die dem Messias traditionsmäßig zuerkannte Eigenschaft des Königs nicht aus, enthüllt aber zweifellos eine neue Ausrichtung der messianischen Hoffnung, die sich unter dem Einwirken des Geistes vollzieht. 2. Gleich nachdem er von dem Knecht gesagt hatte: „Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt“, erklärt Gott: „Er bringt den Völkern das Recht“ („das Gericht“) (Jes 42,1). Es ist ein Text von tiefer Bedeutung. Vorgestellt wird der Knecht als Prophet, von Gott erwählt und bestimmt (vgl. V. 6; Jer 1,5), von seinem Geist beseelt, beauftragt mit der Sendung, das Recht mit Festigkeit zu vertreten (Jes 42,3), ohne den Mut zu verlieren trotz der Widerstände (V. 4). Diese Festigkeit bedeutet jedoch nicht Härte. Im Gegenteil, unter dem Antrieb und der Führung des Geistes wird der Knecht-Prophet eine sanftmütige Haltung entnahmen („Er schreit nicht und lärmt nicht“: V. 2) und milde Nachsicht walten lassen: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus“ (V. 3). Der Prophet Jere-mia hatte die Sendung erhalten, „auszureißen und niederzureißen, zu vernichten und einzu-reißen“ (Jer 1,10). Nichts davon in der Sendung des milden und von Herzen demütigen Gottesknechtes. Zur Milde kommt eine Haltung universaler Offenheit. Der Gottesknecht wird allen Völkern das Recht verkünden und seine Lehre bis zu den „Inseln“, das heißt bis in die fernsten Länder verbreiten (Jes 42,1.4). Tatsächlich ruft der Knecht im zweiten Lied alle Völker auf und sagt: „Hört auf mich, ihr Inseln, merkt auf, ihr Völker in der Feme!“ (Jes 49,1), und Gott bekräftigt die universale Dimension der ihm anvertrauten Sendung: „Es ist zu wenig, daß du mein Knecht bist, nur um die Stämme Jakobs wieder aufzurichten und die Verschonten Israels heimzuführen. Ich mache dich zum Licht für die Völker, damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht“ (49,6). Diese Universalität geht weit über die Botschaft der anderen Propheten hinaus. Um so mehr als in der Gestalt des Knechtes etwas Transzendentes ist, das erlaubt, ihn mit seiner Sendung zu identifizieren. Er wird in seiner Person als „Bund für mein Volk“ und „Licht für die Völker“ verkündet. Gott sagt zu ihm: „Ich, der Herr, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für 52 AUDIENZEN UND ANGELUS mein Volk und das Licht für die Völker zu sein“ (42,6). Ein einfacher Prophet hätte sich nie soviel anmaßen können. 3. Die Gestalt des Knechtes, gezeichnet in dem Lied von Jesaja, ist nicht nur prophetisch, sondern auch messianisch. Wenn seine Mission ist, „auf der Erde das Recht zu begründen“ (vgl. Jes 42,4), so ist dies die Aufgabe eines Königs. Der Prophet verkündet die Gerechtigkeit; der König muß diese Gerechtigkeit schaffen. Gemäß Psalm 72, in dem die jüdische und christliche Tradition den von den Propheten verheißenen messianischen König vorgezeichnet sah (vgl. Jes 9,5; 11-5; Sach 9,9 f.), ist dies die wesentliche Funktion des Königs, der von Gott erbeten wird: „Verleih dein Richteramt, o Gott, dem König, dem Königssohn gib dein gerechtes Walten! Er regiere dein Volk in Gerechtigkeit und deine Armen durch rechtes Urteil“ (Ps 72,1-2). Und Jesaja sagt in seinem Orakelspruch über den davidischen König, auf den „der Geist des Herrn sich niederläßt“, von ihm: „er richtet die Hilflosen gerecht und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist“ (Jes 11,4). Der Knecht, auf den „Gott seinen Geist gelegt hat“, gemäß dem Lied, hat die Sendung, die dem messianischen König gebührt: das Volk zu befreien. Er selbst wurde eingesetzt „als Bund für sein Volk und Licht für die Völker“, um „blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien“ (vgl. Jes 42,6-7; 49,8-9; Lk 1,79). Diese Sendung, die einem Fürsten und König eigen ist, wird im Fall des Messias mit der Kraft des Herrn erfüllt, wie der Knecht in seinem zweiten Lied verkündet: „Mein Gott war meine Stärke“ (49,5) und im dritten Lied: „Doch Gott, der Herr, wird mir helfen; darum werde ich nicht in Schande enden“ (50,7). Diese Wirkkraft in der königlichen Sendung des Knechtes ist der göttliche Geist, den Jesaja in einem messianischen Orakel in enge Beziehung selbst zur „Gerechtigkeit“, die er an den Hilflosen und Armen übt: „Der Geist des Herrn läßt sich nieder auf ihm ... er richtet die Hilflosen gerecht und entscheidet für die Armen des Landes, wie es recht ist“ (Jes 11,2.3-4). 4. Im ersten und zweiten Lied vom Knecht spricht Gott von der „Erlösung“ und „Gerechtigkeit“. Im dritten und vierten Lied wird der Begriff der „Erlösung“ durch neue Aspekte vervollständigt, die besonders bedeutsam sind in bezug auf das zukünftige Leiden Christi (vgl. Jes 50,4.11; 52,13-53,12). Vor allem bemerkt man, daß die Milde, die die Sendung des Knechtes kennzeichnet, in seinem Gehorsam gegenüber Gott und in seiner Geduld gegenüber den Verfolgern zum Ausdruck kommt: „Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet. Ich aber wehrte mich nicht und wich nicht zurück. Ich hielt meinen Rücken denen hin, die mich schlugen“ (Jes 50,5-6). „Er wurde mißhandelt und niedergedrückt, aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt...“ (Jes 53,7). Diese beiden Texte genügen, um uns die volle Bereitschaft zur Selbsthingabe zu zeigen, zu der der göttliche Geist den Messias-Knecht auf dem Weg der Milde führen sollte (vgl. Jes 42,2). Als Johannes der Täufer der Menge Jesus vorstellt als „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29), bezog er sich vielleicht auf das vierte Lied des Knechtes Jahwes. <9> <9> Aber dieses Lied enthält noch viel mehr. Die Sendung des Knechtes erscheint dort in einem neuen Licht: „Er trug die Sünden von vielen und trat für die Schuldigen ein“ (Jes 53,12). Der von Jesaja vorgezeichnete Ausblick, „die Hilflosen gerecht zu richten und für die Armen 53 AUDIENZEN UND ANGELUS des Landes zu entscheiden, wie es recht ist“ (vgl. Jes 11,4), wird hier in ein Werk der „Rechtfertigung“ oder Heiligung durch das Opfer verwandelt: „Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich“ (Jes 53,11). So weit wird der Knecht von dem in ihm gegenwärtigen Gott getragen, der, wie wir gesehen haben, Geist der „Heiligkeit“ ist. Und weiter: Der endgültige Sieg des Knechtes wird zu Beginn des vierten Liedes angekündigt: „Seht, mein Knecht hat Erfolg, er wird groß sein und hoch erhaben“ (Jes 53,13), und dann zum Schluß: „Deshalb gebe ich ihm seinen Anteil unter den Großen ...“ (Jes 52,13). Aber dieser Sieg, der in der Prophetie und in der Geschichte die Erfüllung der messianischen Hoffnung zusichert, sollte sich für den, der eine triumphale Ankunft des messianischen Königs erträumte, auf einem überraschenden Weg verwirklichen: auf dem Weg des Schmerzes und, wie wir wissen, des Kreuzes. 6. Aus dem ganzen vierten Lied sehen wir tatsächlich die Gestalt eines Knechtes aufsteigen, der „ein Mann der Schmerzen“ ist (Jes 53,3), eingetaucht in ein Meer physischen und seelischen Leidens, nach einem geheimnisvollen Plan Gottes, der auf die Verherrlichung desselben Knechtes abzielt (52,13). Der Gottesknecht „wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt“ (53,5). Das ist der Weg, den zu gehen der Erwählte berufen wurde, auf den der Geist des Herrn lag (42,1). Wir stehen hier vor dem Paradox des Kreuzes, das so sehr im Gegensatz erscheint zu den Erwartungen eines triumphalistischen Messianismus wie auch zu den Ansprüchen eines menschlichen Verstandes, der nach vernünftigen Beweisen verlangt. Der heilige Paulus zögert nicht, es „für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ zu nennen. Aber weil es Werk Gottes ist, ist der Geist Gottes notwendig, um seinen Wert zu erfassen. Deshalb verkündet der Apostel: „So erkennt auch keiner Gott - nur der Geist Gottes. Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist“ (1 Kor 2,11-12). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die Analyse der Bezugnahme auf den Heiligen Geist in den Büchern des Alten Testaments wäre nicht vollständig, wenn wir nicht unser Augenmerk auf einen Text im Deutero-Jesaja richten würden, in dem von der Beziehung zwischen dem göttlichen Geist und dem Gottes-knecht die Rede ist. In der Gestalt dieses Knechtes werden die verschiedenen Handlungsformen zusammengefaßt, die ich in den vergangenen Katechesen erläutert habe, nämlich die prophetische, die messianische und die heiligende. Von Anfang an wird behauptet, daß die Sendung des Knechtes Werk des Geistes Gottes ist, der auf ihn gelegt ist. Die Bezeichnung Knecht beseitigt nicht die Qualität des Königs, die dem Messias herkömmlicherweise zugeteilt wurde, aber sie enthüllt ohne Zweifel eine neue Orientierung messianischer Hoffnung, die sich unter dem Einfluß des Geistes ereignet. Der Knecht wird uns als Prophet vorgestellt, von Gott erwählt und bestimmt, von seinem Geist beseelt, beauftragt mit der Sendung, das Recht mit Festigkeit zu vertreten. Diese 54 AUDIENZEN UND ANGELUS Festigkeit bedeutet jedoch nicht Härte. Im Gegenteil, unter der Leitung des Geistes zeigt der Knecht-Prophet Milde und barmherzige Nachsicht. Zur Milde kommt die Haltung einer universalen Offenheit. Der Gottesknecht wird allen Nationen das Recht verkünden und seine Lehre bis zu den entferntesten Ländern verbreiten (vgl. Jes 42,1.4). Diese Universalität geht über die Botschaft der anderen Propheten weit hinaus. Aus dem vierten Lied des Gottesknechtes sehen wir die Gestalt eines Knechtes aufsteigen, der „ein Mann der Schmerzen“ (Jes 53,3) ist, eingetaucht in eine Meer physischen und seelischen Leidens. Dies ist der Weg, den der Erwählte zu gehen berufen war, auf den sich der Geist des Herrn gelegt hatte. Hier stehen wir am Paradox des Kreuzes, das so im Kontrast steht zu den Erwartungen eines triumphalistischen Messianismus. Mit diesen kurzen Ausführungen grüße ich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache. Mein besonderer Gruß gilt einer Gruppe von Mitgliedern des Komitees für Siebenbürgen. Möge unter dem Schutz der Gottesmutter für das leidgeprüfte Volk in Rumänien das Licht der Hoffnung und Zuversicht aufleuchten. Euch allen, Euren Lieben in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Der Mensch lebt nicht nur von Brot Geistlicher Besuch in Jasna Göra „Befiehl, daß aus diesen Steinen Brot wird ... Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (Mt 4,3-4). Wir bringen in dein Heiligtum, Mutter von Jasna Göra, das Thema vom Brot. Dein Sohn hat uns befohlen, den Vater zu bitten: „Gib uns heute das Brot, das wir brauchen“ (Mt 6,11). Das Geschenk des Brotes und der mit ihm verbundenen sozialen Ordnung. Es ist schwer, nicht an die Millionen Menschen zu denken, die an vielen Orten des Erdballs Hungers sterben. Es ist schwer, nicht an den Abgrund zu denken, der die Reichen von den Armen trennt. Die Gesellschaften, die die Güter der Erde ausnutzen, und die Gesellschaften, denen es nicht gelingt, aus dem Elend herauszukommen. In diese ganze Geographie der sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheit suchen wir unsere heutige Lage einzuschreiben. Die Krise, hinterlassen von dem System, das sich selbst getäuscht hat. Die Wirtschaftskrise, aus der wir versuchen herauszukommen um den Preis wiederkehrender Schwierigkeiten, des Mangels und Verzichts. Wir schauen auf dein mütterliches Antlitz. Die Bitte um das tägliche Brot, die uns dein Sohn gelehrt hat, hat ihre Bedeutsamkeit für uns Polen im Heute und im Morgen, auf das wir zugehen. Das Recht auf Brot: menschliches und göttliches Recht! Mutter, hilf uns, es zu verwirklichen. Und schütze uns zugleich vor dieser Versuchung, daß „der Mensch vom Brot allein lebt“. Es ist eine Versuchung der materialistischen Illusion der heutigen Gesellschaften. Hilf uns, unser Morgen und auch unser schwieriges Heute nach den Worten Christi zu gestalten: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.“ 55 AUDIENZEN UND ANGELUS Gottes Segen für Namibia Appell zum UNO-Welttag gegen die Rassendiskriminierung Heute begeht die internationale Gemeinschaft den Tag gegen die Rassendiskriminierung, der von den Vereinten Nationen ausgerufen wurde. Diese Initiative fordert uns zum Nachdenken auf über das Prinzip, daß die Rassendiskriminierung unannehmbar ist, an allen Orten. Es ist beängstigend zu beobachten, wie sich in verschiedenen Ländern der Welt eine Verschärfung von schmerzlichen wenn auch vereinzelten Episoden auf rassenideologischem Hintergrund ereignen. Solche Erscheinungen sind entschieden abzulehnen in dem tiefen Bewußtsein der gemeinsamen Gotteskindschaft jedes Menschen und jeder Rasse und damit unserer tiefgreifenden Gemeinschaft in Christus. In diesem Jahr verdient dieser Tag besonders hervorgehoben zu werden, weil vor kurzem aus Südafrika tröstliche Nachrichten eingetroffen sind, die auf die Überwindung der Ungerechtigkeiten und der rassischen Spannungen hoffen lassen, die schon seit langem Ursache schmerzhafter Konflikte und schwerer Leiden in diesem Land sind. Möge der Weg des Dialogs zwischen allen legitimen Vertretern der einzelnen betroffenen Parteien ohne Gewalt zu Ende gegangen werden, um eine Zukunft zu gewährleisten, in der jeder Bürger mit gleicher Würde zur Verwirklichung des Gemeinwohls beitragen kann. Die Feier des Tages gegen die Rassendiskriminierung fällt glücklicherweise mit dem Tag der Unabhängigkeit von Namibia zusammen, einem Land, das seit langem die volle eigene Autonomie zu erlangen hoffte. Diesem Volk und seinen neuen Führern gelten mein Gruß und mein Wunsch für materielles und geistliches Wohlergehen. Auf alle Einwohner von Namibia rufe ich den reichen Segen des Herrn herab. Wir sind Gottes Mitarbeiter Angelus am 25. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute sind wir eingeladen uns zu freuen wie Maria im Augenblick der Verkündigung. Der Engel richtete an sie als erste die Einladung: Käire, „Freue dich“ (Lk 1,28), und Maria konnte die ganze Freude verspüren, die ihr geschenkt wurde, weil sie mit Gott voll mitzuwirken wußte, indem sie die ihre anvertraute Sendung bis zuletzt erfüllte. Wenn wir Maria dafür danken, daß sie eine so vollkommene Mitarbeiterin Gottes war, bitten wir sie, auch uns zu helfen, diesen Weg zu gehen. Und weil der Zeitpunkt der Synode über die Priesterausbildung näher rückt, bitten wir sie, daß auch dank dieses kirchlichen Ereignisses diejenigen, die zum Priestertum berufen sind, zu der anspruchsvollen Aufgabe von Mitarbeitern Gottes herangebildet werden. Denn der Priester ist berufen, in besonders intensiver Weise diese Mitarbeit zu leben. 56 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Der heilige Paulus war sich dessen bewußt, als er schrieb: „Wir sind Gottes Mitarbeiter“ (1 Kor 3,9). Er unterstrich die Pflicht der Treue, die daraus erwuchs. Er betrachtete sich als Verwalter des göttlichen Werkes, ein Verwalter, der dieses Werk gemäß den Absichten Gottes mit vollkommener Fügsamkeit leiten sollte, sich aber auch persönlich einsetzte, indem er sein Handeln mit dem göttlichen Wirken vereinte. Bei der Mitarbeit nutzte er alle Quellen und Fähigkeiten, über die er verfügte. Christus wollte in seiner Kirche Mitarbeiter mit der Verantwortung von Hirten, Mitarbeiter, die sich mit allen Kräften im Dienst für das Reich einsetzen, das er auf Erden gegründet hat. Er wollte diese Hirten nicht zu einfachen Werkzeugen seiner Herrschaft machen; er wünschte, daß sie ihm eine echte Mitarbeit anbieten durch den Einsatz ihrer Fähigkeiten des Verstandes und des Willens, ihrer Begabung, all ihrer Arbeitsmittel, ihrer Kreativität. Durch die Gnade der Weihe wird der Priester auf die Ebene der Zusammenarbeit mit Gott erhoben. 3. Deshalb ist es notwendig, daß der Priester in den für diese Mitarbeit erforderlichen inneren Anlagen geformt wird. Er muß sich an eine Fügsamkeit und Treue gewöhnen ohne Vorbehalt gegen die göttlichen Eingebungen; er muß in sich das Verlangen pflegen, sein ganzes Sein in den Dienst Christi zu stellen. Insbesondere muß er dazu geformt werden, die Opfer und den Verzicht anzunehmen, die die hochherzige Mitarbeit an den göttlichen Plänen mit sich bringt. Die Haltung Marias im Augenblick der Verkündigung erinnert uns an die Wichtigkeit der Mitarbeit mit Gott, denn von ihrer verantworteten Zustimmung hing das Kommen des Erlösers auf die Erde ab. Auch die Zukunft der Kirche in der Welt ist zum Großteil an die Hochherzigkeit der priesterlichen Mitarbeit gebunden. Möge unser Gebet zu Maria für die Kirche viele Mitarbeiter Gottes erlangen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: In den Grotten der Petersbasilika befindet sich die Litauische Kapelle, ein Zeichen der jahrhundertealten Verbindung der Kirche und der litauischen Nation mit dem Apostolischen Stuhl. Im Jahr 1987 dankten wir der Heiligsten Dreifaltigkeit für die Taufe Litauens vor 600 Jahren, und drei Jahre zuvor hatten wir dieses Land dem Schutz des heiligen Kasimir, des Patrons von Litauen, anläßlich seines 500. Todesjahres (1484) anempfohlen. Zu beiden Jahrhundertfeiern versammelten sich am Altar der Petersbasilika die Vertreter der Episkopate von ganz Europa. Mir war es damals nicht gegeben, an den Feierlichkeiten in Litauen teilzunehmen. Heute steht Litauen im Mittelpunkt des Interesses von Europa und der Welt. Im Namen dieser jahrhundertealten Verbindung bitten wir die Göttliche Vorsehung, daß die litauische Frage eine gerechte und friedliche Lösung durch einen wahren Dialog und im Rahmen der internationalen Ordnung finden möge. Gott schenke Licht und Kraft all jenen, von denen diese Lösung abhängt. 57 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Geist - Lehrer der Wahrheit und des Lebens Ansprache bei der Generalaudienz am 28. März 1. In den vorausgegangenen Katechesen konnten wir feststellen, daß aus der ganzen alttesta-mentlichen Überlieferung Zusammenhänge, Hinweise und Anspielungen auf die Wirklichkeit des göttlichen Geistes zu Tage treten, die fast wie ein Vorspiel der Offenbarung des Heiligen Geistes als Person scheinen, die man dann im Neuen Testament findet. In Wirklichkeit wissen wir, daß Gott die heiligen Schriftsteller von Israel inspirierte und leitete und die endgültige Offenbarung vorbereitete, die von Christus vollendet und den Aposteln übergeben wurde, damit sie sie in der ganzen Welt verkünden und verbreiten. Im Alten Testament gibt es also eine anfängliche und fortschreitende Offenbarung in bezug nicht nur auf den Heiligen Geist, sondern auch auf den Messias-Gottessohn, sein Heils wirken und sein Reich. Diese Offenbarung läßt einen Unterschied erkennen zwischen Gott, dem Vater, der von ihm ausgehenden ewigen Weisheit und dem mächtigen und gütigen Geist, mit dem Gott vom Beginn der Schöpfung an wirkt und die Geschichte nach seinem Heilsplan lenkt. 2. Zweifellos handelt es sich noch nicht um eine klare Offenbarung des göttlichen Geheimnisses. Aber es war doch immer eine Art Einführung in die zukünftige Offenbarung, die Gott selbst entfaltete in der Zeit des Alten Bundes durch „das Gesetz und die Propheten“ (vgl. Mt 22,40; Joh 1,45) und in der Geschichte Israels, denn „omnia in figura contingebant illis“: alles in dieser Geschichte hatte zeichenhafte und vorbereitende Bedeutung für die Zukunft (vgl. 1 Kor 10,11; 1 Petr3,21; Hebr 9,24). Tatsächlich finden wir an der Schwelle des Neuen Testamentes einige Gestalten wie Josef, Zacharias, Elisabeth, Anna, Simeon und vor allem Maria, die dank der inneren Erleuchtung durch den Geist den wahren Sinn der Ankunft Christi in der Welt verstehen. Der Bezug, den die Evangelisten Lukas und Matthäus durch diese frommen Vertreter des Alten Bundes auf den Heiligen Geist nehmen (vgl. Mt 1,18.20; Lk 1,15.35.41.67; 2,26-27), dokumentiert eine Verbindung und, wir können sagen, einen Übergang vom Alten zum Neuen Testament, der später im Licht der Offenbarung Christi und nach der Erfahrung von Pfingsten voll anerkannt wird. Bedeutsam ist die Tatsache, daß die Apostel und die Evangelisten den Ausdruck „Heiliger Geist“ verwenden, wenn sie vom Eingreifen Gottes bei der Menschwerdung des Wortes und bei der Geburt der Kirche an Pfingsten sprechen. Erwähnenswert ist, daß in beiden Augenblicken im Mittelpunkt des von Lukas beschriebenen Bildes Maria steht, die Jungfrau und Mutter, die Jesus durch das Wirken des Heiligen Geistes empfängt (vgl. Lk 1,35; Mt 1,18) und mit den Aposteln und den anderen ersten Gliedern der Kirche im Gebet verharrt in Erwartung des gleichen Geistes (vgl. Apg 1,14). <10> <11> <12> <10> Jesus selbst beschreibt die Rolle des Geistes, wenn er den Jüngern erklärt, daß es ihnen nur mit seiner Hilfe möglich sein wird, in die Tiefe des Geheimnisses seiner Person und seiner Sendung einzudringen: „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen ... Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, 58 AUDIENZEN UND ANGELUS nehmen und es euch verkünden“ (Joh 16,13-14). Es ist also der Heilige Geist, der die Größe Christi erfassen läßt und so den Erlöser „verherrlicht“. Und derselbe Geist läßt auch die Rolle im Leben und in der Sendung Jesu entdecken. Dies ist ein interessanter Punkt, auf den ich eure Aufmerksamkeit in dieser neuen Katechesenreihe lenken möchte. Wenn wir im voraus die Wunder des Heiligen Geistes dargelegt haben, die Jesus ankündigte und die sich am Pfingsttag und beim Eintritt der Kirche in die Geschichte ereigneten, ist jetzt der Augenblick gekommen zu unterstreichen, daß das erste und höchste vom Heiligen Geist vollbrachte Wunder Christus selbst ist. Auf dieses Wunder wollen wir jetzt unseren Blick richten. 4. In Wirklichkeit haben wir bereits über die Person, das Leben und die Sendung Christi in den christologischen Katechesen nachgedacht. Aber jetzt können wir kurz diese Erläuterungen unter pneumatologischem Aspekt wiederholen, das heißt im Licht des Werkes, das der Heilige Geist im menschgewordenen Sohn Gottes vollbracht hat. Da es sich um den „Sohn Gottes“ handelt, spricht man in der katechetischen Lehre von ihm, nachdem „Gott Vater“ betrachtet worden ist und bevor man vom Heiligen Geist spricht, der „vom Vater und vom Sohn ausgeht“. Deshalb geht die Christologie der Pneumatologie voraus. Und das ist recht so, denn auch unter chronologischem Aspekt ist die Offenbarung Christi in unsere Welt vor der Ausgießung des Heiligen Geistes gekommen, der die Kirche am Pfingsttag geformt hat. Ja, diese Ausgießung war die Frucht des Erlösungsopfers Christi und die Offenbarung der Macht, die der Sohn, nunmehr zur Rechten des Vaters sitzend, erlangt hat. 5. Trotzdem scheint eine pneumatologische Integrierung der Christologie notwendig - wie die orientalischen Kirchen zurecht einwenden - aus dem Grund, weil der Heilige Geist am Ursprung Christi selbst steht, der als menschgewordenes Wort in die Welt kam „durch den Heiligen Geist“, wie das Glaubensbekenntnis sagt. Seine Gegenwart bei der Erfüllung des Geheimnisses der Menschwerdung war in einem solchen Maß entscheidend, daß, wenn wir dieses Geheimnis vollständiger erfassen und darlegen wollen, es nicht genügt zu sagen, das Wort ist Fleisch geworden. Man muß auch wie im Credo die Rolle des Geistes bei der Formung der Menschheit des Sohnes Gottes im jungfräulichen Schoß Marias unterstreichen und dann versuchen, dem Wirken des Heiligen Geistes im Leben und in der Sendung Christi zu folgen: in seiner Kindheit, bei der Einführung in das öffentliche Leben durch die Taufe, beim Aufenthalt in der Wüste, im Gebet, in der Verkündigung, im Opfertod und schließlich in der Auferstehung. <13> <13> Aus der Prüfung der Texte des Evangeliums geht eine wesentliche Wahrheit hervor: Man kann das, was Christus war und was er für uns ist, nicht unabhängig vom Heiligen Geist verstehen. Das heißt, daß nicht nur das Licht des Heiligen Geistes notwendig ist, um in das Geheimnis Christi einzudringen, sondern man muß den Einfluß des Heiligen Geistes auf die Menschwerdung des Wortes und auf das ganze Leben Christi berücksichtigen, um den Jesus des Evangeliums zu erklären. Der Heilige Geist hat den Abdruck seiner eigenen göttlichen Person auf dem Antlitz Christi hinterlassen. 59 AUDIENZEN UND ANGELUS Darum erfordert jede Vertiefung der Erkenntnis Christi auch eine Vertiefung der Erkenntnis des Heiligen Geistes. „Wissen, wer Christus ist“ und „wissen, wer der Heilige Geist ist“ sind zwei unlösbar miteinander verbundene Erfordernisse, die sich gegenseitig bedingen. Wir können hinzufügen, daß auch die Beziehung des Christen zu Christus mit seiner Beziehung zum Heiligen Geist einhergeht. Der Epheserbrief verdeutlicht das, wenn er den Gläubigen wünscht, sie mögen in ihrem Innern durch Gottes Geist an Kraft und Stärke zunehmen und die Liebe Christi verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt (vgl. Eph 3,16-19). Das heißt, um in der Erkenntnis und Liebe zu Christus zu gelangen - wie es in der wahren christlichen Weisheit geschieht -, bedürfen wir der Inspiration und Führung des Heiligen Geistes, des inneren Lehrers der Wahrheit und des Lebens. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In den vorausgegangenen Katechesen über den Heiligen Geist haben wir festgestellt, daß die alttestamentliche Überlieferung gleichsam ein Vorspiel der Offenbarung des Heiligen Geistes als Person ist, als die er sich im Neuen Testament tatsächlich offenbart. Jesus selbst beschreibt die Rolle des Geistes, wenn er den Jungem sagt, daß sie nur mit seiner Hilfe das Innere seiner Person und seiner Sendung verstehen können: „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen ... Er wird mich verherrlichen ..." (Joh 16,13-14). Ja, nur durch den Heiligen Geist können wir wirklich die Größe Christi erkennen, der so zugleich den Erlöser verherrlicht. Wenn wir die Texte des Evangeliums prüfen, begegnen wir einer wesentlichen Wahrheit: ohne den Heiligen Geist können wir nicht verstehen, wer Christus ist und was er für uns ist. Wir bedürfen tatsächlich des Lichtes des Heiligen Geistes, um in das Geheimnis Christi ein-zudringen. Zugleich müssen wir das Wirken des Heiligen Geistes bei der Menschwerdung des göttlichen Wortes und im Leben Christi berücksichtigen, um den Jesus des Evangeliums zu begreifen. Wir können deshalb sagen, daß jede Vertiefung der Erkenntnis Christi auch eine Vertiefung der Erkenntnis des Heiligen Geistes verlangt. „Wissen, wer Christus ist“ und „wissen, wer der Geist ist“, sind zwei unauflöslich miteinander verbundene Forderungen, die sich gegenseitig bedingen. Wir können dem hinzufügen, daß auch die Beziehung des Christen mit Christus seiner Beziehung mit dem Heiligen Geist einhergeht. Der Epheserbrief verdeutlicht das, wenn er den Gläubigen wünscht, daß sie in ihrem Innern durch Gottes Geist an Kraft und Stärke zunehmen und die Liebe Christi verstehen mögen, die alle Erkenntnis übersteigt (vgl. Eph 3,16-19). Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich herzlich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, unter ihnen besonders die Teilnehmer an der Rom-Wallfahrt des Schweizerischen Sakristan-verbandes sowie eine Pilgergruppe von Ordensrittern vom Heiligen Grab zu Jerusalem aus Osnabrück. Ich wünsche Euch allen geistlich reiche Tage in der „Ewigen Stadt“ und erteile Euch und Euren Familien sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem für Gottes treuen Schutz und Beistand von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gelobt sei Jesus Christus! 60 AUDIENZEN UND ANGELUS Gib Kraft deinem Volk Geistlicher Besuch in Jasna Göra „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (Mt 4,4). Das Wort, das aus dem Mund Gottes kommt, ist das Wort der Wahrheit. Der Mensch lebt von der Wahrheit. Er kann nicht im Gegensatz zur Wahrheit leben. Er kann nicht ohne die Wahrheit leben. Wir wissen aus unserer Erfahrung, daß das, was man „gegen die Wahrheit“ aufbaut, immer nur Gewalt und nicht eine wahre Kraft des Menschen ist. Maria, in der Zeit einer solchen besonderen, auf der Nicht-Wahrheit gründenden Gewalt stand dein Diener, der Primas des Millenniums, auf den Mauern von Jasna Göra, um das Wort zu verkünden, das aus dem Mund Gottes kommt. Seine ganze Kraft war Christus, der dazu geboren und dazu in die Welt gekommen ist, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen (vgl. Joh 18,37). Er wollte keine andere Macht und er wollte kein anderes Reich. Christus vor Pilatus, Christus vor so vielen, die Pilatus in der Menschheitsgeschichte gleichen. Heute wollen wir dir, Mutter Christi, dafür danken, daß die Brüchigkeit der Lüge zu Tage getreten ist; dafür, daß die Wahrheit, die Kraft des Menschen, durchbricht. Und wir wollen dir danken für alle Menschen, die in Polen, in den Nachbarländern, in Europa und überall leben - für all jene, die sich der Gewalt gegenüber der Wahrheit widersetzt haben. Für all jene, für die die Wahrheit zur Kraft geworden ist. Für alle und für jeden einzelnen. „Der Herr gab Kraft seinem Volk“ (vgl. Ps 29,11). O Mutter des fleischgewordenen Wortes, wir bitten durch deine Fürsprache, daß der Herr seinem Volk weiterhin diese Kraft gibt, die aus der Wahrheit kommt! Laßt euch mit Gott versöhnen Angelus am 1. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Anläßlich des Osterfestes sind die Christen gewohnt, das Bußsakrament zu empfangen, um vom Priester die Vergebung ihrer Sünden zu erhalten. Denn durch Christi Willen ist der Priester Diener der Versöhnung. Wie wir wissen, verlieh der auferstandene Erlöser seinen Jünger durch das Geschenk des Heiligen Geistes ausdrücklich die Vollmacht, Sünden zu vergeben, als er sagte: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22-23). Diese göttliche Vollmacht wurde Menschen anvertraut, damit die, die ihre Sünden bekennen, durch ein sichtbares Zeichen die 61 AUDIENZEN UND ANGELUS Gewißheit der Vergebung erhalten können. Dieses Sakrament erscheint wie eine wunderbare Erfindung der göttlichen Güte; es ist Quelle des Friedens und der Freude. 2. Im Bewußtsein von Gottes Liebesplan betrachtete der heilige Paulus sich als beauftragt mit dem „Dienst der Versöhnung“ und forderte die Christen von Korinth auf: „Laßt euch mit Gott versöhnen!“ Denn er wußte, daß er der Sendbote Christi war, genauer: der Botschafter des göttlichen Wunsches zu verzeihen, der sich im Kreuzesopfer voll offenbarte, als Gott uns durch Christus mit sich versöhnt hat (vgl. 2 Kor 5,18-20). Der Priester hat von den Aposteln die edle Aufgabe übernommen, die Menschen im Namen Christi mit Gott zu versöhnen. Wie der heilige Paulus fordert auch er als Botschafter Christi die Christen dazu auf, sich mit Gott zu versöhnen durch das Sakrament, das dazu dient, die Vergebung zu gewähren. Ich vertraue darauf, daß vor allem in dieser Zeit die Christen in der ganzen Kirche dieses Sakrament zu nutzen wissen, um zusammen mit der Vergebung neuen Antrieb zur Heiligkeit zu erhalten. 3. Die kommende Synode wird in ihren Überlegungen über die Priesterausbildung es nicht versäumen, die Vorbereitung der zukünftigen Verwalter dieses für das Leben der Kirche so wichtigen Sakramentes zu berücksichtigen. In diesem Fall sich vorbereiten bedeutet, vor allem in sich selbst den Sinn für die Sünde zu entwickeln, das heißt das Bewußtsein der Beleidigung, die der Mensch Gott gegenüber begeht, wenn er seinem Gesetz nicht gehorcht. In der Welt von heute scheint das Sündenbewußtsein häufig getrübt. Der zukünftige Priester muß in sich selbst das Bewußtsein von dem schweren Übel vertiefen, das die Sünde nach sich zieht. Außerdem wird der Priesteramtskandidat immer mehr die Gefühle Christi zu assimilieren suchen, der eine Haltung tiefen Wohlwollens gegenüber denen einnahm, die Böses taten, und zwar soweit, daß er Freund der Sünder genannt wurde (vgl. Mt 11,19). Auch er wird lernen müssen, eine tiefe „Sympathie“ für diejenigen zu pflegen, die unrecht handeln, in dem ständigen Wunsch, ihnen das Heil zu vermitteln. Wir wollen heute die ganz reine und barmherzige Jungfrau bitten, die Synode möge mit Hilfe der Priesterausbildung die Ausübung des Dienstes der Versöhnung fördern. Wirken des Geistes in der Menschwerdung Ansprache bei der Generalaudienz am 4. April 1. Das ganze Christus-„Ereignis“ erklärt sich durch das Wirken des Heiligen Geistes, wie in der vorangegangenen Katechese gesagt wurde. Damm ist ein rechtes und vertieftes Lesen des Christus-„Ereignisses“ und seiner einzelnen Etappen für uns der beste Weg, zur vollen Erkenntnis des Heiligen Geistes zu gelangen. Die Wahrheit über die dritte Person der Heiligsten Dreifaltigkeit lesen wir vor allem im Leben des Messias, im Leben dessen, der „mit dem Hei- 62 AUDIENZEN UND ANGELUS ligen Geist gesalbt“ wurde (vgl. Apg 10,38). Es ist eine besonders klare Wahrheit in einigen Augenblicken des Lebens Christi, über die wir auch in den folgenden Katechesen nachden-ken werden. Der erste dieser Augenblicke ist die Menschwerdung selbst - das heißt das Kommen des Wortes Gottes in die Welt, das durch das Wirken des Heiligen Geistes in der Empfängnis die menschliche Natur annimmt und von Maria geboren wird: „Conceptus de Spiritu Sancto, natus ex Maria Virgine“, sprechen wir im Glaubensbekenntnis. 2. Es ist das Geheimnis, enthalten in dem Geschehen, von dem das Evangelium in den beiden Aufzeichnungen von Matthäus und von Lukas berichtet, auf die wir als wesentlich identische, aber auch komplementäre Quellen zurückgreifen. In der chronologischen Reihe der geschilderten Ereignisse sollte man bei Lukas anfangen; aber für unsere Katechese ist es günstig, als Ausgangspunkt den Matthäustext zu nehmen, in dem die formelle Erklärung der Empfängnis und der Geburt Jesu gegeben wird (vielleicht mit Bezug auf die ersten in jüdischen Kreisen verbreiteten ablehnenden Gerüchte). Der Evangelist schreibt: „Mit der Geburt Jesu Christi war es so: Maria, seine Mutter, war mit Josef verlobt; noch bevor sie zusammengekommen waren, zeigte sich, daß sie ein Kind erwartete - durch das Wirken des Heiligen Geistes“ (Mt 1,18). Der Evangelist fügt hinzu, daß Josef von einem göttlichen Boten über diese Tatsache unterrichtet wurde: „... (ihm) erschien ein Engel des Herrn im Traum und sagte: Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“ (Mt 1,20). Die Absicht des Matthäus ist deshalb, in unwiderruflicher Weise den göttlichen Ursprung dieses Geschehens zu beteuern, das er dem Eingreifen des Heiligen Geistes zuschreibt. Und diese Erklärung diente als Grundlage für die Christengemeinden der ersten Jahrhunderte, von denen die Evangelien, die Glaubensbekenntnisse und die Konzilserklärungen wie auch die Überlieferung der Väter herkommen. Der Lukastext seinerseits bietet uns eine Klarstellung über den Zeitpunkt und die Weise, in der die jungfräuliche Mutterschaft Marias durch den Heiligen Geist ihren Anfang nahm (vgl. Lk 1,26-38). Hier die Worte des Boten, die Lukas anführt: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). 3. Wir erkennen damit, wie die Einfachheit, Deutlichkeit und Knappheit, mit der Matthäus und Lukas die konkreten Umstände der Menschwerdung des Wortes wiedergeben - von der der Prolog des vierten Evangeliums dann eine theologische Vertiefung bietet —, uns entdecken lassen, wie weit unser Glaube an Christus von dem mythologischen Bereich entfernt ist, auf den der Begriff eines menschgewordenen Gottes in gewissen religiösen Auslegungen auch heute verkürzt wird. Die evangelischen Texte in ihrer Wesentlichkeit strahlen geschichtliche Wahrheit aus durch ihre direkte oder indirekte Abhängigkeit von Augenzeugen und vor allem von Maria als der Hauptquelle der Erzählung. Aber zugleich lassen sie die Überzeugung der Evangelisten und der ersten Christengemeinden durchscheinen, daß es ein Geheimnis, das heißt eine offenbarte Wahrheit in dem Ereignis gibt, das „durch das Wirken des Heiligen Geistes“ geschehen ist. Das Geheimnis eines göttlichen Eingreifens in die Menschwerdung als ein wirkliches, buchstäblich wahres Ereignis, wenn auch von der menschlichen Erfahrung nicht anders nachweisbar als im „Zeichen“ (vgl. Lk 2,12) der 63 AUDIENZEN UND ANGELUS Menschheit, des „Fleisches“, wie Johannes sagt (1,14), einem Zeichen, das den einfachen und für die Anziehungskraft Gottes offenen Menschen angeboten wird. Als geschichtliches Ereignis und nicht als Mythos oder symbolhafte Erzählung wird uns die Menschwerdung von den Evangelisten, den apostolischen und nachapostolischen Schriften und von der christlichen Überlieferung dargestellt. Ein konkretes Ereignis, das „in der Fülle der Zeit“ (vgl. Gal 4,4) das verwirklichte, was auch in einigen Mythen der Antike vielleicht vorausgeahnt worden war als ein Traum oder als Echo auf eine Sehnsucht oder auch eine Weissagung über eine vollkommene Gemeinschaft zwischen dem Menschen und Gott. Sagen wir ohne Umschweif: die Menschwerdung des Wortes und das Eingreifen des Heiligen Geistes, die uns die Autoren der Evangelien als eine geschichtliche Tatsache ihrer Zeit darstellen, sind demzufolge Geheimnis, offenbarte Wahrheit und Gegenstand des Glaubens. 4. Man beachte die Neuheit und Besonderheit des Ereignisses auch in bezug auf die Schriften des Alten Testamentes, die nur von der Herabkunft des (Heiligen) Geistes auf den kommenden Messias sprechen: „Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. Der Geist des Herrn läßt sich nieder auf ihm“ (/es 11,1-2); oder: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt“ (/es 61,1). Das Lukasevangelium hingegen spricht von der Herabkunft des Heiligen Geistes auf Maria, als sie die Mutter des Messias wurde. Zu dieser Neuheit gehört auch die Tatsache, daß die Herabkunft des Heiligen Geistes diesmal eine Frau betrifft, deren besondere Teilhabe am messianischen Heilswerk hervorgehoben wird. So tritt zugleich die Rolle der Frau bei der Menschwerdung und das Band zwischen der Frau und dem Heiligen Geist bei der Ankunft Christi hervor. Es beleuchtet auch das Geheimnis der Frau, das in der Geschichte im Hinblick auf Maria, aber auch auf seine Auswirkungen auf die Situation und die Sendung aller Frauen noch näher untersucht und dargestellt werden muß. <14> <15> <14> Eine weitere Neuheit der evangelischen Erzählung nimmt man wahr beim Vergleich mit den Berichten über die wunderbaren Geburten, die vom Alten Testament überliefert sind (vgl. zum Beispiel 1 Sam 1,4-20; Rieh 13,2-24). Diese Geburten ereigneten sich auf dem gewohnten Weg der menschlichen Fortpflanzung, wenn auch in ungewöhnlicher Weise, und bei ihrer Ankündigung wurde nicht vom Heiligen Geist gesprochen. Aber bei der Verkündigung an Maria von Nazaret wird zum ersten Mal gesagt, daß die Empfängnis und die Geburt des Sohnes Gottes als ihr Kind durch das Wirken des Heiligen Geistes geschehen wird. Es handelt sich um eine jungfräuliche Empfängnis und Geburt, wie bereits der Lukastext mit der Frage Marias an den Engel andeutet: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ (Lk 1,34). Mit diesen Worten bekräftigt Maria die eigene Jungfräulichkeit, und zwar nicht nur als Tatsache, sondern stillschweigend auch als Vorsatz. Man versteht diese Absicht einer jungfräulichen Ganzhingabe an Gott, wenn man darin eine Frucht des Wirkens des Heiligen Geistes in Maria sieht. Das kann man aus dem Gmß selbst entnehmen, den der Engel an sie richtet: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ (Lk 1,28). Auch vom betagten Simeon sagt der Evangelist: „Er war gerecht und fromm und wartete auf die Rettung Israels, und der Heilige Geist ruhte auf ihm“ (Lk 2,25). Aber die an Maria gerichteten Worte sagen noch viel mehr: sie bekräftigen, daß sie „von der Gnade um- 64 AUDIENZEN UND ANGELUS gewandelt, in der Gnade festgehalten“ wurde. Dieses einzigartige Überfließen der Gnade kann nichts anderes sein als die Frucht eines ersten Handelns des Heiligen Geistes in Vorbereitung auf das Geheimnis der Menschwerdung. Der Heilige Geist bewirkt, daß Maria vollkommen bereit ist, die Mutter des Sohnes Gottes zu werden und daß sie im Hinblick auf diese Gottesmutterschaft Jungfrau ist und bleibt. Dies ist ein weiterer Baustein des Geheimnisses der Menschwerdung, das durch die von den Evangelien berichtete Tatsache aufscheint. 6. Was die Entscheidung Marias zugunsten der Jungfräulichkeit betrifft, erkennen wir besser, daß sie auf dem Wirken des Heiligen Geistes beruht, wenn wir bedenken, daß in der Tradition des Alten Bundes, in der sie lebte und erzogen wurde, das Bestreben der „Töchter Israels“, auch in bezug auf den Kult und das Gesetz Gottes, vor allem im Sinn der Mutterschaft bestand, weil die Jungfräulichkeit kein Ideal war, dem man folgte, ja das nicht einmal hochgeschätzt wurde. Israel war ganz durchdrungen von dem Gefühl der Erwartung des Messias, so daß die Frau psychologisch auf die Mutterschaft ausgerichtet war, auch aufgrund der messianischen Ankunft. Die persönliche und ethnische Ausrichtung stand damit auf der Ebene der Verheißung, die die Geschichte Israels durchdrang, eines Volkes, in dem die messianische Erwartung und die Fortpflanzungsfunktion der Frau eng miteinander verbunden waren. Die Ehe erschien somit für die „Töchter Israels“ in einer religiösen Perspektive. Aber die Wege des Herrn sahen anders aus. Der Heilige Geist führte Maria gerade auf den Weg der Jungfräulichkeit, auf dem sie am Anfang des neuen Ideals der Ganzhingabe — mit Seele und Leib, Gefühl und Willen, Verstand und Herz - inmitten des Volkes Gottes im Neuen Bund steht, gemäß der Aufforderung Jesu, „um des Himmelreiches willen“ (Mt 19,12). Über dieses neue evangelische Ideal habe ich in der Enzyklika Mulieris dignitatem (Nr.20) gesprochen. <16> <16> Maria, die Mutter Jesu Christi, des menschgewordenen Sohnes Gottes, bleibt als Jungfrau der unersetzliche Bezugspunkt für das Heilswirken Gottes. Auch unsere Zeit, die in eine andere Richtung zu gehen scheint, kann das Licht der Jungfräulichkeit (der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen) nicht verdunkeln, die vom Heiligen Geist in so klarer Weise in das Geheimnis der Menschwerdung des Wortes eingeschrieben wurde. „Empfangen vom Heiligen Geist, geboren aus der Jungfrau Maria“, verdankt er seine Geburt und menschliche Existenz der jungfräulichen Mutterschaft, die Maria zum lebendigen Zeichen der Würde der Frau gemacht hat, zur Synthese der beiden menschlich unvereinbaren Werte - eben die Mutterschaft und die Jungfräulichkeit - und sozusagen zum Beweis der Wahrheit der Menschwerdung. Maria ist die wahre Mutter Jesu, aber nur Gott ist durch das Wirken des Heiligen Geistes sein Vater. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In der vorangegangenen Katechese wurde festgestellt, daß das ganze Christus-, ,Ereignis“ mit dem Handeln des Heiligen Geistes erklärt werden kann. Die Wahrheit über die dritte Person der Heiligsten Dreifaltigkeit lesen wir vor allem im Leben des Messias: dessen, der „mit dem 65 AUDIENZEN UND ANGELUS Heiligen Geist gesalbt“ wurde (vgl. Apg 10,38). Ein wichtiges Element dieser Wahrheit begegnet uns in der Menschwerdung des Wortes Gottes als dem Werk des Heiligen Geistes, von der uns die Evangelisten Matthäus und Lukas berichten. Während Matthäus mehr den göttlichen Ursprung jenes Ereignisses betont, unterstreicht Lukas den Augenblick und die Art und Weise, in der die jungfräuliche Mutterschaft Mariens durch den Heiligen Geist ihren Anfang nähme (vgl. Lk 1,26-38). Beide Evangelien wie auch die theologische Vertiefung im Johannes-Evangelium lassen uns entdecken, wie weit unser Glaube an Christus entfernt sein muß von jenem mythologischen Umfeld, auf das in gewissen, bisweilen auch gegenwärtigen religiösen Interpretationen das Konzept eines Gottes, der Mensch wurde, reduziert wird. Die Menschwerdung des Wortes und das Wirken des Heiligen Geistes, das uns die Evangelisten als historische Tatsache darstellen, ist vielmehr Geheimnis, geoffenbarte Wahrheit und Gegenstand des Glaubens. Gegen alle Erwartungen Israels führte der Heilige Geist Maria auf dem Weg der Jungfräulichkeit. Für diesen Weg steht sie am Anfang des neuen Ideals der Ganzhingabe im Rahmen des Gottesvolkes des Neuen Bundes gemäß der Einladung Jesu „um des Himmelreiches willen“ (Mt 19,12). Von diesem neuen Ideal habe ich auch in meiner Enzyklika Mulieris digni-tatem gesprochen (Nr. 20). Maria, die Mutter des menschgewordenen Gottessohnes Jesus Christus, bleibt als Jungfrau der unersetzliche Bezugspunkt für das Heilshandeln Gottes. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt einer Gruppe evangelischer Vikare aus der Landeskirche Pfalz. Mögen die kommenden Tage des Kirchenjahres, an denen wir des Todes und der Auferstehung unseres Herr gedenken, unseren Glauben und seine Wirkung auf unser Leben stärken. Dazu erteile ich Euch allen und Euren Angehörigen in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem meinen Apostolischen Segen. Verantwortlich für Polens Erbe Geistlicher Besuch in Jasna Göra Mit dem Palmsonntag ist in der ganzen Kirche der Weltjugendtag verbunden. In diesem Zusammenhang möchte ich an all unsere Begegnungen mit der polnischen Jugend und besonders an die Begegnung von Jasna Göra erinnern. Sie fand am 18. Juni 1983 während meiner zweiten Heimatwallfahrt statt, die sehr schmerzlich und schwierig war. Wir haben damals über den Appell des Millenniums nachgedacht, jene knappen Worte, die zusammen mit der Vorbereitung auf die Jahrtausendfeier der Taufe in das Leben der Kirche in Polen eingegangen sind: „Maria, Königin Polens, ich bin bei dir, ich denke an dich, ich wache.“ „Was bedeutet das: ich wache? Es bedeutet, daß ich mich bemühe, ein Mensch mit Gewissen zu sein. Daß ich dieses Gewissen nicht betäube, nicht umforme. Daß ich das Gute und das Böse beim Namen nenne, nicht aber verwische.“ Das sagte ich damals. 66 AUDIENZEN UND ANGELUS Und weiter sagte ich zu den jungen Menschen: „Meine lieben Freunde! Eure Sache ist es, einen entschiedenen Damm zu bauen gegen die moralische Auflösung - einen Damm gegen diese sozialen Schwächen ... Ihr müßt das von euch selbst fordern, auch wenn die anderen es von euch nicht fordern ... Ich wache - das bedeutet auch: ich fühle mich verantwortlich für das große gemeinsame Erbe, das den Namen Polen trägt... Dieser Name verpflichtet uns alle. Dieser Name fordert einen hohen Preis von uns allen.“ Würden wir heute in Jasna Göra Zusammentreffen, würde ich wie damals diese Worte des Appells des Millenniums wiederholen. Ich würde sie nicht nur vor der polnischen Jugend, sondern vor der ganzen jungen Generation unserer Nachbarländer und der mit uns verbundenen Länder und auch von ganz Europa wiederholen. Ist dieser Appell nicht auch europäisch? Ist er nicht auch universal? Tatsächlich hat Christus selbst in Getsemani zu seinen Jüngern gesagt: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ (Mt 26,41). Sieg des Kreuzes ist die Auferstehung Ansprache bei der Generalaudienz am 11. April 1. In diesen heiligen Tagen betrachten wir die Ereignisse, die Jesus zum Opfertod am Kreuz geführt haben. Nach dem Bericht des Evangeliums hatte der Herr schon seit langem seinen Opfertod angekündigt, um die Jünger auf diese schwere Prüfung vorzubereiten. Nach dem Glaubensbekenntnis des Simon Petrus bei Cäsarea Philippi hatte er den geheimnisvollen Plan des Vaters enthüllt: „Der Menschensohn müsse vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er werde getötet, aber nach drei Tagen werde er auferstehen“ (Mk 8,31). Die Ankündigung kam so unerwartet, daß Petrus sich weigerte, sie anzunehmen. Er konnte das Geheimnis des leidenden Messias nicht verstehen; als er seinen Glauben an Jesus bekannte, glaubte er an einen zu Sieg und Herrlichkeit bestimmten Messias. Den Protest des Petrus: „Das darf nicht mit dir geschehen!“ (Mt 16,22), wiederholt auch heute derjenige, der möchte, daß das Leiden nicht zum menschlichen Schicksal gehöre. Jesus gab seinem Apostel eindeutig zu verstehen, daß das nicht ein Denken war „im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (Mt 16,23). Der Plan des Vaters stand Jesus klar vor Augen: der Weg des Leidens und des Todes war notwendig. Und das Leiden sollte nicht nur physisch, sondern auch moralisch sein durch die Ablehnung der Religionsführer, den Haß des Volkes, die Flucht der Jünger. Jesus erklärte eines Tages ohne Umschweife den Grund seines Kommens auf die Erde: „Der Menschensohn ist ... gekommen, um ... sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ 67 AUDIENZEN UND ANGELUS {Mk 10,45; Mt 20,28). Deshalb war das Kreuz nicht ein Zwischenfall auf dem Weg, den Jesus ging, sondern eine bewußt gewollte Wirklichkeit zur Rettung der Menschen. 2. Warum dieses leidvolle Schicksal? Um die Welt von der Sünde zu befreien. Der Vater wollte, daß der Sohn die Folgenlast der Sünde auf sich nehme. Dieser Entschluß läßt uns den ungeheuren Emst der Sünde verstehen, die nicht verharmlost werden kann, denn ihre Folgen sind unheilvoll. Die Sünde, eine Beleidigung Gottes, konnte nicht anders als von einem Gottmenschen wiedergutgemacht werden. So bot der Sohn, der als Erlöser gekommen ist, dem Vater das vollkommene Geschenk der Wiedergutmachung und der Liehe an und erlangte für die Menschen die Vergebung der Sünden und die Vermittlung des göttlichen Lebens. Dieses Opfer ist ein für allemal in der Menschheitsgeschichte geschehen und besitzt Heils wert für die Menschen aller Zeiten und Orte. Es ist das Opfer, das bei jeder Eucharistiefeier erneuert wird; aber vor allem morgen setzen wir es wieder gegenwärtig, indem wir das tun, was Christus beim letzten Abendmahl tat. Im gekreuzigten Erlöser betrachten wir den, der sich für unser Heil geopfert hat. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Dieses Selbstopfer ist für uns alle erleuchtend: Es zeigt uns, daß die Liebe ihren Höhepunkt durch das Leiden erreicht. Weil Christus uns mit seiner Heilssendung vereinigen wollte, sind auch wir gerufen, an seinem Kreuz teilzuhaben. Die Leiden, an denen es in unserem Leben nicht fehlt, sind dazu bestimmt, mit dem einen Opfer Christi vereint zu werden. 3. Aus der Liebe geboren, hat dieses Opfer eine unerschöpfliche Fruchtbarkeit. Das Leiden könnte den Anschein eines Hindernisses oder einer zerstörerischen Wirklichkeit haben. Der Opfertod am Kreuz, der dem Leben Jesu ein Ende gesetzt hat, konnte den Eindruck erwecken, seine Sendung sei gescheitert. Dagegen hat der Erlöser diese Sendung seinen eigenen Worten entsprechend erfüllt: „Wenn das Weizenkom nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). Dieser Opfertod hat reiche Lebensfrüchte für die Menschheit gebracht. Eine Begebenheit auf Golgota, vom heiligen Johannes berichtet, erlaubt uns, es besser zu verstehen: „Einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floß Blut und Wasser heraus“ {Joh 19,34). Die offene Seite des gekreuzigten Jesus hat den nachdenklichen Blick vieler auf sich gezogen, wie bereits der Prophet Sacharja vorhergesagt hatte: „Sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben“ {Sach 12,10; Joh 29,37). Am kommenden Karfreitag werden wir unseren Blick auf das durchbohrte Herz Christi richten, Zeichen einer Liebe, die sich endgültig der Menschheit geschenkt hat. Diese Liebe ist zur Quelle jener Gnade geworden, die vom Blut und Wasser der Seitenwunde sinnbildlich dargestellt wird. Mit vielen Schriftkommentatoren können wir im Blut und Wasser den Beginn der „Ströme von lebendigem Wasser“ erkennen, die vom Erlöser verheißen wurden {Joh 7,37-38). Die fruchtbringende Liebe, die sich in dem Opfer offenbart, zeigt, daß das Kreuz für Christus keine Niederlage war, sondern ein Sieg. Es ist der endgültige Sieg über die Macht des Bösen, der Sieg der demütigen Liebe über den Haß und die Gewalt. Es ist der Sieg der vollen Selbsthingabe über alle Forderungen von Egoismus und Stolz. Es ist der Sieg, der zum Glauben und zur Hoffnung aufruft. „Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ {Joh 12,32). 68 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Der Sieg offenbart sich in der Auferstehung. Als Jesus sein Leiden und seinen Tod vorhersagt, unterläßt er es nicht, sie im Ausblick auf die Auferstehung zu betrachten. Er beschränkt sich nicht auf die Ankündigung, daß der Menschensohn viel leiden und sterben muß; er fügt hinzu, daß es notwendig ist, daß der Menschensohn am dritten Tag aufersteht. Die Auferstehung ist nicht zu trennen vom Tod und gibt ihm seinen wahren Sinn. Der Weg des Kreuzes findet sein Ziel in dem glorreichen Sieg. Jesus kündigt seinen Jüngern an, daß sie an seinem Leiden, aber auch an seinem Sieg teilhaben werden: „Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber ... euer Kummer wird sich in Freude verwandeln“ (Joh 16,20). Wenn wir in dieser Heiligen Woche am Leiden Christi teilnehmen, erinnern wir uns, daß es mit der Auferstehung endet. Das glorreiche Ostergeschehen übersteigt alle Trauer und läßt uns den geheimnisvollen göttlichen Plan mehr schätzen, der, indem er uns eng mit Christus dem Erlöser vereint, für uns aus dem Leiden eine volle und vollkommene Freude entspringen läßt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die heiligen Tage dieser Woche rufen in uns die Ereignisse um den Kreuzestod Jesu wach. Es enthüllt sich vor uns der geheimnisvolle Plan des Vaters: „Der Menschensohn müsse vieles erleiden, und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er werde getötet, aber nach drei Tagen werde er auferstehen“ (Mk 8,31). Das Kreuz im Leben Jesu war nicht Zufall, sondern vom Vater gewollt für die Erlösung der Menschen. In seiner Hingabe am Kreuz hat der Sohn, der als Erlöser in unsere Welt gekommen ist, dem Vater das vollkommene Geschenk der Wiedergutmachung und der Liebe gegeben, mit welchem er dem Menschen die Vergebung der Sünden erwirkt und ihm den Zugang zum göttlichen Leben erschlossen hat. Wenn immer wir auf den Gekreuzigten schauen, betrachten wir den, der sich für unser Heil geopfert hat: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Das Kreuzesopfer ist somit aus der Liebe geboren, es ist einmalig und für immer dargebracht. Es bringt uns Menschen immer neue Frucht: „Wenn das Weizenkom nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reicht Frucht“ (Joh 12,24). Diese fruchtbringende Liebe, die sich in Jesu Opfer offenbart, zeigt auch, daß das Kreuz für Christus keine Niederlage war, sondern ein Sieg: Das Kreuz ist der endgültige Sieg über die Macht des Bösen, der Sieg der demütigen Liebe über den Haß und die Gewalt. Der Sieg des Gekreuzigten offenbart sich schließlich in seiner Auferstehung, die untrennbar von seinem Tod ist und die ihm seine wahre Bedeutung gibt. Angesichts seiner Passion tröstet Jesus seine Jünger mit den Worten: „... Euer Kummer wird sich m Freude verwandeln“ (Joh 16,20). Ja, die Osterfreude, an der auch wir im Glauben teilhaben, überwindet unseren eigenen menschlichen Schmerz und läßt uns das Geheimnis Jesu tiefer verstehen und verbindet unser eigenes Leben mit dem des göttlichen Erlösers. 69 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Kreuz steht fest Geistlicher Besuch in Jasna Göra „Stat Crux, dum volvitur orbis.“ Die Heilige Woche. In diesen Tagen wird unsere Aufmerksamkeit auf das Kreuz Christi gelenkt. Wir schauen auf dieses Kreuz im Ausblick auf die Ereignisse, Veränderungen und Wandlungen, die sich in unserem Teil Europas und in der Welt vollziehen. Wahrhaftig: „volvitur orbis“. Die Welt verändert sich. Das Kreuz steht fest. Heißt das vielleicht nicht, daß ihm eine Kraft innewohnt, die alle menschlichen Kräfte übersteigt? Die Absichten, die Pläne, die menschlichen Revolutionen? Das Kreuz steht fest. Das Kreuz gibt Zeugnis. Lesen wir dieses Zeugnis, wie der heilige Paulus es gelesen hat? Während für die einen das Kreuz Christi auf Golgota Torheit und für die anderen Ärgernis ist, ist das Kreuz für ihn „Gottes Kraft und Gottes Weisheit“ (1 Kor 1,23-24). Ist auch für uns das Kreuz Christi „Kraft Gottes und Weisheit Gottes“, ohne die man die volle Dimension aller menschlichen Wechselfälle nicht erfassen kann? Und ohne die es auch nicht möglich ist, unsere Menschenwelt zu verbessern? Die Schwarze Muttergottes mit dem Sohn im Arm in Jasna Göra. Eines Tages nehmen sie diesen Sohn vom Kreuz und legen ihn ihr wieder in die Arme. Von dem Tag an wird sie Mutter der Menschen und Mutter der Völker. Sie schaut in unsere Seelen und in unsere Geschichte. Sie ist Zeugin von Generationen und von Jahrhunderten. Sie ist Zeugin unserer Zeit: der schwierigen Zeit der Erneuerung und des Aufbaus. „Tut, was euch mein Sohn sagen wird“ (vgl. Joh 2,5). Die Zeiten ändern sich. Das Kreuz steht fest. Gottes Geist verbindet Schöpfer und Geschöpf Ansprache bei der Generalaudienz am 18. April 1. Wir sahen bereits, daß sich aus der richtigen und gründlichen Lektüre des Ereignisses der Menschwerdung zugleich mit der Wahrheit über Christus, den Gottmenschen, auch die Wahrheit über den Heiligen Geist ergibt. Die Wahrheit über Christus und die Wahrheit über den Heiligen Geist finden sich in dem einen Geheimnis der Menschwerdung, wie es uns im Neuen Testament und insbesondere - als geschichtliche und biographische, doch auch geheimniserfüllte Tatsache - im Bericht des Matthäus und des Lukas über die Empfängnis und die Geburt Jesu offenbart wird. Wir bekennen dies, wenn wir im Glaubensbekenntnis den Glauben an Christus, den ewigen Sohn Gottes, aussprechen und zugleich sagen, daß er Mensch geworden ist in der Empfängnis und Geburt aus Maria „durch den Heiligen Geist“. Der Evangelist Lukas läßt dieses Geheimnis durchblicken in seinem Bericht über die Verkündigung an Maria als ein Geschehen, das sich in einer tiefgründigen und erhabenen persönlichen Beziehung zwischen Gott und Maria vollzieht. Die Darstellung wirft auch Licht auf die persönliche Beziehung, die Gott zu jedem Menschen herstellen möchte. 70 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Gott, der in allen Wesen, der Natur eines jeden entsprechend, als tragender Urgrund der Existenz anwesend ist, wird in einer neuen Weise in jedem Menschen gegenwärtig, der sich ihm öffnet und mit ihm verbunden bleibt, indem er das Geschenk der Gnade annimmt. So kann der Mensch Gott auf übernatürliche Weise erkennen und lieben als Gast der Seele, die zu seinem heiligen Tempel geworden ist (vgl. Hl. Thomas v. A. Summa Theol., I, q.8, a.3, ad 4; q.38, a.l; q.43, a.3.). Doch eine noch höhere und vollkommenere, ja einzigartige Gegenwart verwirklicht Gott in der Menschheit Christi, die er in der Person des Sohnes, des ewigen Wortes, mit sich vereint (ebd. I, q.8, a.3, ad 4; III, q.2, a.2). Man kann sagen, daß er bei der Menschwerdung des Wortes, der Empfängnis und der Geburt Jesu Christi, dessen Vater er allein ist, in Maria eine besondere und bevorzugte Verbindung und Gegenwart bewirkt. Ein Geheimnis, das durchschimmert, wenn man die Menschwerdung in ihrer Fülle betrachtet. 3. Kehren wir zurück zur Betrachtung dieser Seite des Evangeliums bei Lukas. Sie beschreibt und dokumentiert eine ganz persönliche Beziehung zwischen Gott und der Jungfrau, der sein Bote die Berufung mitteilt, Mutter des Messias, des Sohnes Gottes, zu werden durch den Heiligen Geist. In gewissem Maß teilt sich Gott Maria in der Dreiheit der Personen mit, die Christus eines Tages noch klarer in ihrer Einheit und Unterschiedenheit erkennen lassen wird. Der Engel Gabriel nämlich verkündigt ihr, daß sie durch den Willen und die Gnade Gottes jenen empfangen und gebären wird, der als Sohn Gottes anerkannt werden wird. Und das wird geschehen durch den Heiligen Geist, das heißt, in seiner Kraft. Er wird auf sie herabsteigen und bewirken, daß sie die menschliche Mutter dieses Sohnes wird. Die Bezeichnung „Heiliger Geist“ klingt in der Seele Marias wie der Eigenname einer Person: das ist etwas Neues in bezug auf die Tradition Israels und die Schriften des Alten Testamentes und eine vorausgenommene Offenbarung für Maria, der eine zumindest dunkle Wahrnehmung des Geheimnisses der Dreifaltigkeit gewährt wird. <17> <18> <19> <17> Insbesondere erscheint der Heilige Geist, wie es die Worte des Lukas als Wiedergabe der Erkenntnis Marias deutlich machen, als derjenige, der in gewissem Sinn die Distanz zwischen Gott und dem Menschen überwindet. Er ist die Person, in der Gott dem Menschen in seinem Menschsein nahekommt, um sich ihm in seinem eigenen Gottsein zu schenken, und um im Menschen - in jedem Menschen - eine neue Weise der Verbundenheit und der Gegenwart zu bewirken (vgl. Hl. Thomas, Summa Theol., I, q.43, a.3.). Aufgrund der göttlichen Gegenwart und ihrer Verbundenheit mit Gott in der Mutterschaft hat Maria den Vorzug, dies zu entdecken. Im Hinblick auf diese erhabene Berufung wird ihr die besondere Gnade gewährt, die ihr der Engel in seinem Gruß zuerkennt (vgl. Lk 1,28). Und alles ist Werk des Heiligen Geistes, des Ursprungs der Gnade in jedem Menschen. Chronologisch gesprochen steigt der Heilige Geist schon vor der Menschwerdung Christi, nämlich vom Augenblick ihrer unbefleckten Empfängnis an, auf Maria herab und wirkt in ihr. Doch das geschieht im Hinblick auf Christus, ihren Sohn, im überzeitlichen Bereich des Geheimnisses der Menschwerdung. Die unbefleckte Empfängnis bildet für Maria im voraus den Anteil an den Gütern der Menschwerdung und der Erlösung, als Gipfel und Fülle des Geschenkes seiner selbst, das Gott dem Menschen macht. Und das geschieht durch den Heiligen Geist. Der Engel sagt ja zu Maria: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die 71 AUDIENZEN UND ANGELUS Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). 5. Im Bericht des Lukas steht unter anderen wunderbaren Wahrheiten auch die Tatsache, daß Gott von der Jungfrau von Nazaret einen Akt der Zustimmung erwartet. In den Büchern des Alten Testamentes, die von Geburten berichten, welche unter außerordentlichen Umständen geschahen, handelt es sich um Eltern, die ihres Alters wegen nicht mehr die erwünschte Nachkommenschaft zeugen konnten. So im Fall des Isaak, der dem Abraham und der Sara in vorgerücktem Alter geboren wurde, bis hin zu Johannes, dem Täufer, an der Schwelle des Neuen Testamentes, Sohn von Zacharias und Elisabeth, die auch schon betagt waren. Bei der Verkündigung an Maria geschieht etwas völlig anderes. Maria hat sich in der Jungfräulichkeit ganz Gott geschenkt. Um die Mutter des Gottessohnes zu werden, braucht sie nichts anderes zu tun als das, worum sie ersucht wird: ihre Zustimmung zu dem zu geben, was der Heilige Geist mit seiner göttlichen Macht in ihr wirken wird. Daher schließt die Menschwerdung, das Werk des Heiligen Geistes, von menschlicher Seite, von Maria, einen Akt des freien Willens ein. Ein Mensch, nämlich Maria, antwortet bewußt und frei auf das Wirken Gottes: er nimmt das machtvolle Wirken des Heiligen Geistes an. 6. Indem er Marias bewußte und freie Antwort erbittet, achtet Gott in ihr die Würde des Kausalitätsprinzips, die er allen Wesen und besonders dem Menschen verleiht, und bringt diese Würde in ihr am stärksten zum Ausdruck. Andererseits ist die schöne Antwort Marias: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ als solche bereits eine Frucht, die der Heilige Geist in ihr, in ihrem Willen und ihrem Herzen bewirkt. Es ist eine Antwort, die von und in der geistgeschenkten Gnade gegeben wird. Nichtsdestoweniger bleibt sie echter Ausdruck der Freiheit Marias als menschliches Geschöpf, ein bewußter Akt freien Willens. Das innere Wirken des Heiligen Geistes zielt daraufhin, daß die Antwort Marias - und die eines jeden Menschen, der von Gott berufen wird - zu dem wird, was sie sein soll, daß sie auf möglichst vollkommene Weise die persönliche Reife eines erleuchteten und gottesfürchtigen Gewissens zum Ausdruck bringe, das sich rückhaltlos hinzugeben weiß. Das ist die Reife der Liebe. Der Heilige Geist schenkt sich dem menschlichen Willen als uner-schaffene Liebe und bewirkt im Geschöpf das Aufbrechen und die Entfaltung der geschaffenen Liebe, die als Ausdruck des menschlichen Willens die Person gleichzeitig zur vollen geistlichen Vollendung bringt. Maria gibt diese Antwort der Liebe auf vollkommene Weise und wird so für jeden Menschen zum leuchtenden Ideal seiner persönlichen Gottesbeziehung. <20> <20> Das Geschehen von Nazaret, wie Lukas es im Evangelium der Verkündigung beschrieben hat, ist also ein vollkommenes Bild - wir können sagen: das Modell - der Beziehung zwischen Gott und Mensch. Gott will, daß dieses Verhältnis sich in jedem Menschen auf die Gabe des Heiligen Geistes, aber auch auf die persönliche Reife gründe. An der Schwelle des Neuen Bundes macht der Heilige Geist Maria ein Geschenk unermeßlicher geistlicher Größe, und sie antwortet in einem Akt der Zustimmung und des liebenden Gehorsams, der nun, da „das Wort Heisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ (vgl. Joh 1,14), beispielhaft ist für alle, die zum Glauben und zur Nachfolge Christi berufen sind. Nach Abschluß der irdischen Sendung Jesu und nach Pfingsten wird künftig in der Kirche an jeden Menschen, wie 72 AUDIENZEN UND ANGELUS im Ereignis von Nazaret, der Ruf ergehen; es wird sich das Geschenk seiner selbst von seiten Gottes, das Wirken des Heiligen Geistes wiederholen; das Geheimnis der Menschwerdung wird weiter ausgedehnt. Und immer wird der Mensch seine Antwort auf die Berufung und auf das Geschenk Gottes mit jener persönlichen Reife geben müssen, die sich an dem „mir geschehe“ entzündet, das die Jungfrau von Nazaret bei der Verkündigung sprach. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Im Geschehen der Menschwerdung enthüllt sich zusammen mit der Wahrheit über Christus, den Gott-Menschen, auch die Wahrheit über den Heiligen Geist. Das Lukas-Evangelium erhellt nicht nur die tiefe personale Beziehung zwischen Gott und der Jungfrau Maria, sondern auch die personale Beziehung, die Gott mit jedem Menschen herstellen will. Der Begriff „Heiliger Geist“ klingt in Maria wie der Name einer Person, in der sich Gott dem Menschen nähert, um sich ihm in seiner eigenen Göttlichkeit zu schenken und in ihm zu wirken. Gott erwartet einen Akt der Zustimmung von seiten der Jungfrau aus Nazaret. Im Gegensatz zum Alten Testament, in dem es sich um Eltern handelt, die aufgrund ihres Alters nicht mehr in der Lage sind, die ersehnte Nachkommenschaft zu zeugen, handelt es sich bei der Verkündigung Mariens um etwas grundlegend Verschiedenes. Maria hat sich in ihrer Jungfräulichkeit völlig Gott geschenkt. Um die Mutter des Gottessohnes zu werden, hat sie nichts anderes als das zu tun, was von ihr verlangt wird: nämlich ihre Zustimmung zu geben. Die Zustimmung Mariens beinhaltet einen Akt der Freiwilligkeit, wenn sie sagt: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Dieser Akt setzt eine personale Reife voraus, die sich ohne Einschränkungen verschenken kann. Es ist die höchste Stufe vollendeter Liebe. Maria gibt diese Antwort der Liebe in vollständiger Weise und wird so das leuchtende Beispiel für die personale Beziehung zwischen Gott und dem Menschen. Das ist auch mein Osterwunsch an alle Besucher und Pilger deutscher Sprache. Das Geschenk des Christseins möge von Euch allen in einem bewußten personalen Glauben gelebt werden. Ihr könnt dabei der Fürsprache Mariens, der Mutter unseres auferstandenen Herrn, sicher sein. Ein herzlicher Willkommensgruß gilt den Teilnehmern an der Ministrantenwallfahrt aus den Erzdiözesen Köln, München und Freising und der Diözese Essen sowie den Jugend- und Ministrantengruppen aus der Erzdiözese Paderborn. Verseht Euren wichtigen Dienst am Altar immer mit der nötigen Ehrfurcht und Bereitwilligkeit. Der häufige Empfang des heiligsten Altarssakramentes möge Euch in Eurem Glauben bestärken. Besonders grüße ich auch die Teilnehmer an der Jugendwallfahrt der Diözese Regensburg. Ihr alle wollt Euer Leben auf einem festen Fundament aufbauen. Maria gibt Euch ein Beispiel des Glaubens und der Liebe zu Gott. Das bedeutet für Euch, das zu tun, was uns Jesus in der Heiligen Schrift und in der Lehre der Kirche sagt. Es erfordert oft viel Mut, sich gegen den Zeitgeist und gängige Meinungen in der Gesellschaft zu stellen. Aber es ist der einzige Weg zu einem wahrhaft glücklichen Leben. Schließlich gilt mein Gruß den Teilnehmern an der Jubiläumsfahrt des katholischen Sportverbandes „Deutsche Jugendkraft“. Zu euren bisher erreichten Zielen und Erfolgen spreche 73 AUDIENZEN UND ANGELUS ich Euch meinen aufrichtigen Glückwunsch aus. Zugleich ermutige ich Euch, auch weiterhin neben Euren Bemühungen um den Breiten- und Leistungssport der religiösen Bedeutung menschlicher Existenz Ausdruck zu verleihen. Ihr seid wirkliche Athleten, wenn Ihr Euch nicht nur auf körperliches Training beschränkt, sondern auch die spirituellen Werte der Person für eine harmonische Entwicklung aller menschlichen Talente fördert. Herzlich begrüße ich ferner eine Gruppe von Seminaristen aus Innsbruck, die sich in diesen Tagen unter Leitung ihres Regens in der Ewigen Stadt aufhalten. Euch allen und Euren Angehörigen in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich meinen Apostolischen Segen. Auch wir müssen auferstehen! Geistlicher Besuch in Jasna Göra „Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden ..." {Mt 28,6). Der Stein ist weggewälzt - und aus dem Grab ertönt diese Stimme. Das Wort, das der Mensch nicht auszusprechen wagt. Das Wort, das über die ganze erfahrbare Wirklichkeit hinausgeht: „Er ist auferstanden.“ „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat“ (Ps 117/118,24). An jenem Tag hat dieses Wort zum ersten Mal seinen Weg durch die Straßen Jerusalems genommen. Es drang in den Abendmahlssaal, in dem die Jünger versammelt waren. Es gelangte auch auf den Weg nach Emmaus. Dieses Wort wurde von Maria aus Magdala gesprochen und von anderen Frauen, von Simon Petrus und den Aposteln. „Er ist auferstanden“: Christos voskres! Heute läuft dieses Wort, der Ruf der Ostererfahrung der Kirche, durch die ganze Welt, von Ost nach West, vom Norden zum Süden. Die ungezählten Sprachen und Dialekte der Völker und Nationen sprechen es aus. In der Osterbotschaft von der Loggia der Petersbasilika aus hören wir nur ein kleines Bruchstück davon. Auf polnischer Erde lautet das Osterlied, das seit alten Zeiten im Gedächtnis behalten wird: „Christus ist auferstanden - für uns ein Beweis, daß auch wir auferstehen müssen.“ Das Lied bringt den Glauben an die Auferstehung zum Ausdruck. Zugleich verkündet es die Auferstehung als Imperativ und Inspiration für die Menschen. Vor allem in schwierigen Zeiten, wie denen der Trennungen und des Zweiten Weltkriegs mit seinen Folgen. Und heute wiederholt dieses alte Osterlied in einem neuen Zusammenhang den gleich Imperativ: „Daß auch wir auferstehen müssen.“ Freue dich, Königin der Engel! Freue dich, Herrin von Jasna Göra! Dir bringen wir unsere Osterbotschaft. Mache sie uns nochmals zur großen Inspiration, wie sie es schon für die vielen Generationen des Landes unserer Väter gewesen ist! 74 AUDIENZEN UND ANGELUS Eucharistie ist Danksagung Ansprache bei der Generalaudienz am 25. April 1. „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat, wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ (Ps 117/118,24). Die Kirche bringt während der ganzen Osteroktav ihre österliche Freude über die Auferstehung Christi zum Ausdruck. Die Freude über die Auferstehung des Herrn war auch der Leitfaden meines Besuchs in Prag, Velehrad und Preßburg am Samstag und am Weißen Sonntag zum Abschluß der Oktav von Ostern, dem „Tag, den der Herr gemacht hat“. Die Freude über diesen Papstbesuch läßt sich mit der Freude der Frauen vergleichen, die bei Sonnenaufgang zum Grab gingen, den Stein weggewälzt sahen und die Stimme hörten: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden“ (Lk 24,5-6). 2. Als ich 1979 zum ersten Mal als Bischof von Rom die Wiege des Christentums in meinem Vaterland, Gnesen, besuchen durfte, habe ich an das nahe Land der Tschechen gedacht, aus dem im Jahre 966 das Christentum kam. Die benachbarten Brüder im Süden - die Tschechen und die Slowaken - haben bei verschiedenen Gelegenheiten dieses Ereignis wieder in Erinnerung gerufen und den Papst eingeladen, ihr Land zu besuchen. Doch in diesen elf Jahren ist der Besuch nicht möglich gewesen. Der Grabstein verschloß hermetisch den Eingang zur Kirche in Böhmen und Mähren und in der Slowakei. Insbesondere war das System des politischen Atheismus und der planmäßigen Unterdrückung der Kirche in der Tschechoslowakei undurchdringlich. Die zahlreichen Bemühungen des Hl. Stuhls, wenigstens das Minimum an religiöser Freiheit sicherzustellen, wurden ständig zurückgewiesen. Während dieser vierzig Jahre kam es bis zu dem Punkt, daß nur mehr ganz wenige Bischofssitze ihren Oberhirten hatten. Man hat versucht, das ganze Leben der Kirche dem Programm des marxistischen Staates gefügig zu machen. Doch auch unter äußerst schwierigen Bedingungen hat die Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen ihre Lebenskraft behalten, und unter mancherlei Aspekten ist sie geistlich sogar zu neuem Leben erweckt. Dieses neue Erstehen lief parallel mit den Bemühungen aus sozialen Kreisen, vor allem von Vertretern der Kultur, die um den Preis großer Opfer nicht müde wurden, Anträge an die totalitäre Macht zu richten. In den letzten Jahren trafen diese Forderungen zusammen mit der Stimme des alten Kardinals Frantisek Tomäsek, der die guten Rechte der Kirche und der Gesellschaft verteidigte. <21> <22> <21> Die Heiligsprechung der hl. Agnes von Böhmen am 12. November des vergangenen Jah- res war gewissermaßen die Vorankündigung der Ereignisse, die diese Forderungen zur Erfüllung brachten. In den letzten Wochen des Jahres 1989 haben sich grundlegende Veränderungen im sozialen Leben der Tschechoslowakei vollzogen, und die neue Regierung hat Stellung bezogen im Hinblick auf die Respektierung der Rechte der Person und der Gesellschaft in dem souveränen Staat, gebildet durch die Föderation der tschechischen und der slowakischen Nation. 75 AUDIENZEN UND ANGELUS Als Präsident Vaclav Havel unmittelbar nach diesen Veränderungen die Einladung zu einem Besuch in der Tschechoslowakei an mich richtete, vernahm ich aus dieser Einladung die Stimme, die wir seit vielen Jahren gemeinsam erwarteten. Die Einladung der Kirche, die Kardinal Tomäsek schon viele Male zum Ausdruck gebracht hatte, und die nun unter den neuen Verhältnissen wiederholt wurde. 1985 habe ich bei der elften Jahrhundertfeier der Apostolischen Sendung der hl. Kyrill und Method das Grab des hl. Kyrill in Rom besuchen können, aber es war mir nicht möglich, mich nach Velehrad zu begeben, wo der hl. Method seine Ruhestätte gefunden hat. Die nunmehrige Einladung hat nach vielen Jahren den Weg freigemacht zum Besuch dieses Ortes, der eine Schlüsselstellung in der Geschichte des europäischen Christentums einnimmt. Hier nahm der Einzug der Slawen in die Kirche seinen Anfang und gleichzeitig auch jener Teil der europäischen Kultur, den die slawischen Nationen darstellen. 4. Der 21. und der 22. April, der Abschluß der Osteroktav in Prag, Velehrad und Preßburg, waren in besonders ausdrucksvoller Weise gekennzeichnet durch die religiöse Atmosphäre des Ostersamstags und des Weißen Sonntags. Ich möchte allen danken, die sowohl von staatlicher Seite wie offenkundig auch von seiten der Kirche dazu beigetragen haben, daß wir diesen Tag, „den der Herr gemacht hat“, auf der Erde Böhmens, Mährens und der Slowakei erleben konnten. Jeder Abschnitt dieses Weges hatte seinen eigenen charakteristischen Ausdruck, wie ja auch die Geschichte der Völker und der Kirche in dieser Nation seit Jahrhunderten ihre eigene Prägung haben. Im Mittelpunkt stand die Eucharistie, die an den drei Hauptorten gefeiert wurde. Die Eucharistie ist Danksagung, und der Charakter dieses kurzen Besuches war im wesentlichen die Danksagung. Die Eucharistie wurde mit den Bischöfen und Priestern gefeiert. Ein großer Teil dieser Bischöfe, die erst kürzlich seit langem verwaiste Sitze beziehen konnten, geht seiner apostolischen Tätigkeit unter zuweilen schwierigen Verhältnissen entgegen. Solch mühsamer Einsatz aber wird belohnt werden durch den Sieg, den nach den Worten des hl. Apostels Johannes unser Glaube darstellt (1 Joh 5,4). Das Programm einer zehnjährigen Vorbereitung auf die Jahrtausendfeier des Martyriums des hl. Adalbert wird sicherlich einen Bezugspunkt für diese Arbeit darstellen, nicht nur für die Kirche, sondern auch für die Gesellschaft. Auch die Gesellschaft bedarf ja einer geistigen Erneuerung zur Bestätigung des Primats der menschlichen Werte. Es geht um ein Leben in der Wahrheit, die als einzige befreien kann. Es geht um ein gerechtes soziales und bürgerliches System, um eine echte Demokratie. Von Bedeutung für diese Erneuerung ist die ökumenische Dimension. Darauf konnte ich bei meiner Begegnung mit den Vertretern aus der Welt der Kultur und auch mit allen christlichen Konfessionen im Königsschloß in Prag die Aufmerksamkeit lenken. An diesem Treffen nahmen auch die Vertreter der Universitätsjugend teil, die bei den jüngsten Ereignissen eine bedeutende Rolle gespiel t hat. <23> <23> In Velehrad gibt es nur wenige Erinnerungen aus den Zeiten Kyrills und Methods. Es war das Zeitalter des Staates Großmähren, der kurz darauf zusammenbrach, und auf dessen Trümmern die Dynastie der Przemysliden das Königreich Böhmen und die Markgrafschaft Mähren aufzubauen begann. 76 AUDIENZEN UND ANGELUS Trotzdem bleibt Velehrad für die Geschichte der Kirche und der slawischen Völker der Ort eines großen Anfangs. Und zugleich ist dieser Ort für die Geschichte des christlichen Europas von Bedeutung. Diese Stätte schien der geeignetste Ort für die Ankündigung der Einberufung einer Synode der Bischöfe Europas zu sein. Die Aufgabe dieser Synode wird darin bestehen, die wirklich sprechenden Zeichen der Zeit einer Prüfung zu unterziehen und Wege abzustecken, die die Kirche unseres Kontinents einschlagen muß im Hinblick auf die Aufgaben, die sich ihr im nun schon nahen dritten Jahrtausend nach der Geburt Christi stellen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! „Dies der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen.“ Die Freude der Auferstehung des Herrn, die die Kirche während der ganzen Osteroktav bekundet, wurde auch zum Leitfaden meiner Besuche in Prag, Velehrad und Bratislava am Samstag und am Weißen Sonntag. Während meines ersten Besuches als Bischof von Rom in Gnesen, der Wiege des Christentums in meiner Heimat, im Jahre 1979, mußte ich an die benachbarte Tschechei denken, von wo aus das Christentum nach Polen kam. Die Tschechen und die Slowaken haben mich verschiedentlich eingeladen, ihr Land zu besuchen. Leider war dies bisher nicht möglich. Das System des politischen Atheismus und die programmierte Unterdrückung der Kirche in der Tschechoslowakei waren wie der Stein vor dem Grab, der nicht wegzuwälzen war. Die vielfachen Anstrengungen des Heiligen Stuhles, ein Minimum an Religionsfreiheit zu sichern, wurden ständig zurückgewiesen. Über vierzig Zahre hinweg waren nur sehr, sehr wenige Bischofsstühle besetzt. Man wollte das ganze kirchliche Leben dem Programm des marxistischen Staates unterwerfen. Aber unter diesen äußerst schwierigen Bedingungen hat die Kirche ihre Vitalität bewahrt und sich unter vielen Aspekten sogar geistlich erneuert. Diese Erneuerung ging einher mit den Anstrengungen verschiedener gesellschaftlicher Kreise, besonders der Vertreter des kulturellen Lebens, die auch um den Preis großer Opfer nicht müde wurde, an das totalitäre System ihre Forderungen zu stellen. Diese Forderungen wurden in den letzten Jahren entscheiend vom greisen Kardinal Frantisek Tomäsek vorgetragen, der die Rechte von Kirche und Gesellschaft verteidigte. Die Heiligsprechung der seligen Agnes von Böhmen am 12. November vergangenen Jahres war gleichsam die Ankündigung des Ereignisses, die zur Erfüllung jener Forderungen geführt haben. Die neue Regierung hat die Position des Respekts der Rechte der Person und der Gesellschaft bezogen. Als sich Präsident Vaclav Havel an micht wandte, die Tschechische und Slowakische Föderative Republik zu besuchen, habe ich in dieser Einladung die Stimme verspürt, die wir seit vielen Jahren gemeinsam erwartet hatten. Die Einladung von seiten der Kirche hatte Kardinal Tomäsek schon wiederholt ausgesprochen und in dieser Situation erneuert. So wurde nach vielen Jahren der Weg zum Besuch von Velehrad geebnet, der Grabstätte des hl. Medhodius. Dieser Ort nimmt eine Schlüsselstellung ein in der Geschichte des Christentums auf dem europäischen Kontinent, da er den Beginn des Eintritts der Slawen in die Kirche markiert. 77 AUDIENZEN UND ANGELUS Es ist mir ein Anliegen, allen staatlichen und kirchlichen Behörden aufrichtig zu danken, die dazu beigetragen haben, mich diesen Tag, den der Herr gemacht hat, in Böhmen, Mähren und der Slowakei erleben zu lassen. Im Zentrum des Besuches der drei Orte stand die Feier der Eucharistie, der Danksagung. Die Gesellschaft braucht die geistliche Erneuerung, die den Primat menschlicher Werte bestätigt. Es geht um ein Leben in der Wahrheit, die allein wirklich befreien kann. Es geht um ein gerechtes soziales System, um eine wirkliche Demokratie. Von Bedeutung ist auch die ökumenische Dimension dieser Erneuerung. Während der Begegnung mit den Vertretern des Kulturlebens und aller christlichen Konfessionen hatte ich’Gelegenheit, darauf hinzuweisen. An dieser Begegnung nahmen auch Vertreter der Studenten teil, die an den Ereignissen des letzten Jahres einen wesentlichen Anteil hatten. Velehrad war der geeignete Ort, an dem der Papst die Einberufung der Synode der Bischöfe Europas ankündigen konnte. Die Synode wird zur Aufgabe haben, die Wege festzulegen, die die Kirche unseres Kontinents beschreiten muß im Hinblick auf das nahe dritte Jahrtausend nach Christi Geburt. Mit dieser Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, besonders eine Gruppe katholischer Standortpfarrer aus Koblenz. Euch allen und euren Angehörigen in der Heimat erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Auf den Spuren des hl. Adalbert Geistlicher Besuch in Jasna Gora Ich erinnere mich an den Tag bei meinem ersten Besuch in der Heimat, den Pfingstsonntag in Gnesen, beim Lechhügel. Ich war gekommen, um noch einmal für die tausend Jahre seit der Taufe zu danken, die mit dem geschichtlichen Datum der Entstehung der Nation und des Staates verbunden sind. Ich erinnere mich auch, daß plötzlich vor meinen Augen das Spruchband auftauchte, auf dem geschrieben stand: „Denk’ an die Tschechen, deine Brüder!“ Seitdem habe ich in dieser verwandten, der gleichen Sprachfamilie zugehörigen Sprache oftmals die Worte gehört: „Komm zu uns! Wann wirst du zu uns kommen?“ Ich schwieg. Die Grenze, dem Herzen so nah, blieb hermetisch verschlossen. Und sieh, nun ist die Zeit gekommen! Gerade in diesen Tagen konnte ich diesen Einladungen Folge leisten. Am zweiten Ostersonntag war es mir gewährt, in Velehrad zu sein, wo wir alle das Andenken an die ersten Slawenapostel in Ehren halten. Es war mir auch gewährt, die zwei Hauptstädte zu besuchen: das goldene Prag, den Stolz der tschechischen Nation, und Preßburg, den Stolz der Slowaken. Dir, Herrin von Jasna Göra, danke ich heute für dieses Geschenk. Für diesen so ersehnten Besuch. Die Spur des hl. Adalbert führt von Prag nach Rom und von Prag und von Rom wiederum zu den anderen Nachbarvölkern. Schließlich dann nach Gnesen im Baltikum, um an die Krone des Martyriums zu erinnern. Auf dieser Spur hat sich vor tausend Jahren die Anwesenheit der Slawen in die Gemeinschaft unseres Kontinents eingezeichnet und gefestigt. Das Erbe der Slawen unter allen Völkern und 78 AUDIENZEN UND ANGELUS Staaten Europas. Heute vertraut dir, Mutter von Jasna Göra, der erste Papst polnischer Herkunft diese Anwesenheit und dieses Erbe an. Gott liebt den Menschen ewig Ansprache bei der Generalaudienz am 2. Mai 1. Die Offenbarung des Heiligen Geistes beim Ereignis der Verkündigung ist an das Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes und der Gottesmutterschaft Marias gebunden. Lukas bezeugt, daß der Engel zu Maria sagte: „Der Heilige Geist wird über dich kommen“ (.Lk 1,35). Das Wirken des Heiligen Geistes ruft in ihr auch die Antwort hervor, in der ein bewußter Akt der menschlichen Freiheit zum Ausdruck kommt: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Im Ereignis der Verkündigung findet sich deshalb das vollkommene „Modell“ der personalen Beziehung zwischen Gott und dem Menschen. Bereits im Alten Testament weist diese Beziehung einen besonderen Zug auf. Sie erwächst aus dem Grund des Bundes Gottes mit dem auserwählten Volk (Israel). Und dieser Bund drückt sich in den Schriften der Propheten durch eine bräutliche Symbolik aus: das heißt, er wird als eine bräutliche Beziehung zwischen Gott und der Menschheit dargestellt. Es ist notwendig, an diese Tatsache zu erinnern, um die Wirklichkeit der Menschwerdung des Sohnes in ihrer Tiefe und Schönheit als eine besondere Fülle des Wirkens des Heiligen Geistes zu verstehen. 2. Nach dem Propheten Jeremia sagt Gott zu seinem Volk: „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dir so lange die Treue bewahrt. Ich baue dich wieder auf, du sollst neu gebaut werden, Jungfrau Israel“ (/er 31,3-4). Historisch ist dieser Text auf die Niederlage Israels und die Verschleppung nach Assyrien zu beziehen, die das auserwählte Volk, das sich von Gott verlassen glaubt, niederdrückt. Aber Gott ermutigt es und zögert nicht, zu ihm zu sprechen wie ein Vater oder Bräutigam zum geliebten Mädchen. Die bräutliche Analogie wird noch klarer und deutlicher in den Worten des Zweiten Jesaja, die in der Zeit der babylonischen Gefangenschaft an Jerusalem wie an eine Braut gerichtet wurden, die doch die Treue zum Gott des Bundes nicht hielt: „Denn dein Schöpfer ist dein Gemahl, ,Herr der Heere’ ist sein Name... Ja, der Herr hat dich gerufen als verlassene, bekümmerte Frau. Kann man denn die Frau verstoßen, die man in der Jugend geliebt hat?, spricht dein Gott. Nur für eine kleine Weile habe ich dich verlassen, doch mit großem Erbarmen hole ich dich heim. Einen Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht in aufwallendem Zorn; aber mit ewiger Huld habe ich Erbarmen mit dir, spricht dein Erlöser, der Herr“ (Jes 54,5-8). <24> <25> <26> <24> In den zitierten Texten wird betont, daß die bräutliche Liebe des Bundesgottes „ewig“ ist. Wenn Gott auch angesichts der Sünde der Braut, angesichts der Untreue des auserwählten Volkes erlaubt, daß es schmerzliche Prüfungen erfährt, versichert er ihm durch die Prophe- 79 AUDIENZEN UND ANGELUS ten, daß seine Liebe nicht nachläßt. Er überwindet das Böse der Sünde, um von neuem zu schenken. Der Prophet Hosea erklärt in einer noch deutlicheren Ausdrucksweise: „Ich traue dich mir an auf ewig; ich traue dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen, ich traue dich mir an um den Brautpreis meiner Treue: Dann wirst du den Herrn erkennen“ (Hos 2,21-22). 4. Diese außerordentlichen Texte der Propheten des Alten Testamentes finden ihre wahre Erfüllung im Geheimnis der Menschwerdung. Die bräutliche Liebe Gottes zu Israel, aber auch zu jedem Menschen verwirklicht sich in der Menschwerdung in einer Weise, die alle menschlichen Erwartungen übersteigt. Wir entdecken das in den Zeilen der Verkündigung, wo der Neue Bund als ein bräutlicher Bund Gottes mit dem Menschen, der Gottheit mit der Menschheit, bekannt gemacht wird. In jenem Bild des bräutlichen Bundes ist Maria, die Jungfrau von Nazaret, die „Jungfrau Israel“ der Prophezeiung Jeremias schlechthin. Auf sie konzentriert sich voll und endgültig die von den Propheten angekündigte bräutliche Liebe Gottes. Sie ist auch jene Jungfrau und Braut, der zugebilligt wird, den Sohn Gottes zu empfangen und zur Welt zu bringen: die besondere Frucht der bräutlichen Liebe Gottes zur Menschheit, verkörpert und gleichsam zusammengefaßt in Maria. 5. Der Heilige Geist, der bei der Verkündigung auf Maria herabkommt, bringt in seiner Person die bräutliche Liebe Gottes, die „ewige“ Liebe, zum Ausdruck. In jenem Augenblick ist er in besonderer Weise Gott der Bräutigam. Im Geheimnis der Menschwerdung, in der menschlichen Empfängnis des Sohnes Gottes, bewahrt der Heilige Geist die göttliche Transzendenz. Der Lukastext drückt das in klarer Weise aus. Die Bräutlichkeit der Liebe Gottes hat rein spirituellen und übernatürlichen Charakter. Was Johannes in bezug auf die an Christus Glaubenden sagt, gilt um so mehr für den Sohn Gottes, der im Schoß der Jungfrau „nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott“ (Joh 1,13) empfangen wurde. Es bringt vor allem die höchste Verbindung der Liebe zum Ausdruck, verwirklicht zwischen Gott und einem Menschen durch den Heiligen Geist. <27> <28> <27> Bei dieser göttlichen Vermählung mit der Menschheit antwortet Maria auf die Verkündigung des Engels mit der Liebe einer Braut, die fähig ist, der göttlichen Erwählung in vollkommener Weise zu entsprechen und sich ihr anzupassen. Deshalb nennt die Kirche sie besonders seit den Zeiten des heiligen Franz von Assisi „Braut des Heiligen Geistes“. Nur diese vollkommene bräutliche Liebe, tief verwurzelt in ihrer jungfräulichen Ganzhingabe an Gott, konnte bewirken, daß Maria in bewußter und würdiger Weise „Mutter Gottes“ wurde im Geheimnis der Menschwerdung. In der Enzyklika Redemptoris Mater schrieb ich: „Der Heilige Geist ist bereits auf sie herabgekommen, die bei der Verkündigung seine treue Braut geworden ist, indem sie das ewige Wort des wahren Gottes aufnahm und sich dem offenbarenden Gott mit Verstand und Willen voll unterwarf und seiner Offenbarung willig zustimmte, ja, sich im ,Gehorsam des Glaubens’ ganz und gar Gott überließ und darum dem Engel antwortete: ,Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast’“ (Nr. 26). <28> Mit diesem Akt und dieser Geste Marias, die ganz offensichtlich dem Verhalten Evas widersprechen, tritt in der geistlichen Geschichte der Menschheit die neue Braut, die neue Eva, 80 AUDIENZEN UND ANGELUS die Mutter der Lebenden, hervor, wie die Kirchenlehrer und -väter oft sagen. Sie wird zum Urbild und Modell des Neuen Bundes als bräutliche Verbindung des Heiligen Geistes mit den einzelnen und mit der menschlichen Gemeinschaft weit über die Grenzen des alten Israels hinaus: die Gesamtheit der Einzelpersonen und der Völker wird berufen, das Geschenk zu erhalten und an der neuen Gemeinschaft der Glaubenden teilzuhaben, die die „Macht“ empfangen haben, „Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12) und in der Taufe „aus dem Geist geboren“ sind (Joh 3,6); damit gehören sie zur Familie Gottes. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die Offenbarung des Heiligen Geistes bei der Verkündigung ist an das Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes und der göttlichen Mutterschaft Marias gebunden. Lukas bezeugt dies im Wort des Engels: „Der Heilige Geist wird über dich kommen“ (1,35). Das Wirken des Heiligen Geistes läßt auch Maria, ohne ihre menschliche Freiheit zu begrenzen, antworten: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (ebd. 1,39). Im Ereignis der Verkündigung haben wir so das vollkommene „Modell“ der personalen Gott-Mensch-Beziehung vor uns. Bereits die Schriften des Alten Testaments, besonders der Propheten, sprechen von der bräutlichen, der „ewigen“ Liebe Jahwes zu seinem Volk. Diese bräutliche Liebe Gottes Israel wie jedem Menschen gegenüber verwirklicht sich in der Menschwerdung in einer Weise, die jede menschliche Erwartung und Vorstellung übersteigt. Auf Maria konzentriert sich vollkommen und endgültig die bräutliche Liebe Gottes, um seinen Sohn zu empfangen und zu gebären: Frucht der göttlichen Liebe zur Menschheit, die Maria vertritt. Der Heilige Geist, der in seiner Person im Geheimnis der Dreifaltigkeit die bräutliche, ewige Liebe Gottes ausdrückt, verkörpert bei der Menschwerdung die göttliche Transzendenz. Maria antwortet ihrerseits als „Braut des Heiligen Geistes“, wie sie seit der Zeit des heiligen Franziskus angerufen wird, mit ihrer vollkommenen, jungfräulichen Ganzhingabe an Gott und wird so in bewußter und gnadenvoller Weise „Mutter Gottes“. Mit dem Akt ihrer Hingabe an Gott wird Maria in der Geistesgeschichte der Menschheit die neue Braut, die neue Eva, das Urbild des Neuen Bundes, der universal ist und all jene umfaßt, die „aus dem Geist“ (Joh 3,6) wiedergeboren sind. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich herzlich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, besonders die Mitglieder der Marianischen Bürgersodalität aus Trier sowie die Angehörigen der neuen Rekruten der Schweizergarde, die anläßlich der Vereidigungszeremonie nach Rom gekommen sind. Willkommen heiße ich auch eine Gruppe von Ordensschwestern, die zu einem Emeuerungskurs in La Storta weilen. Ich wünsche Euch allen bereichernde Tage in Rom und erteile Euch und Euren Lieben in der Heimat von Herzen gern meinen Apostolischen Segen. Gelobt sei Jesus Christus! 81 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Volk von Lasten befreien Geistlicher Besuch in Jasna Gora „Große Mutter des Gottmenschen, heiligste Jungfrau! Ich, Johann Kasimir, König aus Barmherzigkeit deines Sohnes, des Königs der Könige ... erwähle dich heute zu meiner Schutzherrin und Königin meiner Staaten.“ Vor dem Jahresfest des 3. Mai ist es notwendig, an diese historischen Worte zu erinnern, die am 1. April 1656 vor dem Gnadenbild der gütigen Mutter in der Kathedrale von Lemberg (Lwow) gesprochen wurden. Die Worte Johann Kasimirs waren in die Zukunft gerichtet - die schwierige Zukunft des Reiches, das er der Gottesmutter anvertraute, indem er ihr als Königin von Polen jene schwere Zukunft überließ. König Johann Kasimir sagte in seinem Gelöbnis die abschließenden Worte: „Ich verspreche und gelobe, daß ich nach der Rückkehr des Friedens [wir wissen, daß dies die Zeit des Krieges gegen die Schweden war, die Zeit der,Sintflut’] zusammen mit allen Ständen alle Mittel einsetzen werde, um in meinem Reich das Volk von den ungerechten Lasten und der Unterdrückung zu befreien.“ Alljährlich feiern wir dieses Fest am 3. Mai als kirchlichen und nationalen Feiertag. Welche Bedeutung muß es morgen im Jahr des Herrn 1990 haben? Es ist nicht schwer, in dem Gelöbnis Johann Kasimirs den Weg zu finden, der von den „ungerechten Lasten“ des adeligen Polens zur Verfassung des 3. Mai führte, das heißt zu jenem gerechten System, in dem das Vaterland das Gemeinwohl aller ist. Im nächsten Jahr ist die 200. Wiederkehr der Verkündigung der Verfassung fällig. Wir bereiten uns auf dieses Jubiläum vor. Welche Bedeutung besitzt heute dieses Zusammentreffen des 3. Mai? Die Königin Polens und die Verfassung? Die eine wie die andere gehören nicht nur der Vergangenheit an. Die eine wie die andere sind uns von neuem zur Aufgabe gegeben. Greifen wir dieses Erbe wieder auf und halten es hoch! Ruf der Völker zur Heiligkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 16. Mai Liebe Schwestern und Brüder! 1. Ein weiteres Mal hat mir der Herr erlaubt, eine Pastoraireise nach Lateinamerika, in den sogenannten „Kontinent der Hoffnung“, durchzuführen. Ich konnte von neuem die Lebenskraft dieser kirchlichen Gemeinschaften feststellen, die trotz der nicht leichten Probleme, die sie zu bewältigen haben, ein Zeugnis davon geben, daß sie die christlichen Werte angenommen und sogar zum wesentlichen Teil ihrer nationalen Identität gemacht haben. Der päpstliche Dienst in Mexiko stellt zweifellos eine besondere Erfahrung dar. Ich konnte ihn bereits ein erstes Mal zu Beginn meines Pontifikats ausüben, im Januar 1979 anläßlich 82 AUDIENZEN UND ANGELUS der Vollversammlung des lateinamerikanischen Episkopats in Puebla. Jetzt konnte ich dieses Land wieder besuchen dank der Einladung, die die mexikanischen Bischöfe und selbst der Präsident der Republik an mich gerichtet hatten. Der Besuch dauerte vom 6. bis 13. Mai und hatte wie vorgesehen pastoralen Charakter. Darum möchte ich nicht nur der Kirche in Mexiko, sondern auch der ganzen Nation und den staatlichen wie auch örtlichen Obrigkeiten danken. Im Laufe der letzten Jahre zeigten sich positive Entwicklungen in bezug auf die Beziehungen zwischen Kirche und Staat; Beweis dafür ist der Austausch von Gesandten seitens des mexikanischen Staatspräsidenten und des Hl. Stuhls. Der Präsident der Republik hob dieses Ereignis besonders hervor in seiner Grußadresse auf dem Flughafen am Tag meiner Ankunft und indirekt auch am Tag des Abschieds von diesem so außerordentlich gastfreundlichen Landes. Es ist mir ein echtes Herzensbedürfnis, diesen vielen begeisterten Menschen zu danken, die in der Hauptstadt und während des ganzen Reiseverlaufs ihren Glauben und ihre Liebe zu Christus und zur Kirche bezeugt haben. 2. Diese Liebe scheint ein besonderes Charisma der mexikanischen Seele zu sein. Gewiß ist sie auch Frucht so vieler Leiden und Entsagungen, die die Kirche in Mexiko in den vergangenen Jahrzehnten durchlebt hat. Dieses Charisma wurzelt in der Tradition der Verehrung Unserer Lieben Frau von Guadalupe. Um zu den Anfängen des Glaubens in diesem geliebten Land zurückzukehren, muß man dorthin gehen, wo zum ersten Mal vor dem Missionskreuz das Meßopfer Christi gefeiert wurde, und dann das Heiligtum der Muttergottes von Guadalupe besuchen. Grund zu großer Freude für die Kirche in Mexiko war die Tatsache, daß mit dem Papstbesuch die Anerkennung der Verehrung des Indios Juan Diego kam, der mit den Ursprüngen der Verehrung der Gottesmutter in diesem Heiligtum eng verbunden ist. Dazu gesellte sich die Freude über die Seligsprechung der drei jungen Märtyrer von Tlaxcala: Cristobal, Antonio und Juan, ebenfalls Eingeborene, und des Priesters Jose Maria de Yermo y Parres, des Gründers der Kongregation der Dienerinnen vom Heiligsten Herzen Jesu für die Armen. Alle diese Seligen haben auf ihre Weise den Weg der Heiligkeit gewiesen, die die Kirche in Mexiko während der Jahrhunderte der Erstevangelisierung hinterlassen hat. 3. Die Geschichte dieser Evangelisierung ist in die Geographie jenes weiten Landes Mexiko eingeprägt. Die mexikanischen Bischöfe haben das berücksichtigt, als sie das Besuchsprogramm vorbereiteten. Ich erinnere hier nur an die Namen der Orte, wo liturgische Feiern vorgesehen waren; Mexiko-Stadt, Veracruz, Aguascalientes, San Juan de los Largos, Durango, Chihuahua, Monterrey, Tuxtla Gutierrez, Villahermosa und Zacatecas. An jedem dieser Orte hat sich die mexikanische Kirche der jeweiligen Regionen zum Gebet und zum Hören des Wortes Gottes versammelt. Leider war es nicht möglich, alle Orte zu besuchen, von denen bereits seit langen dringliche Einladungen eingegangen waren. Wer weiß, ob der Herr nicht erlaubt, eines Tages auch diese Bitten zu erfüllen. In jedem Fall hat der Besuch eine klare Linie der Geographie der Kirche in Mexiko gezeichnet und vor allem eine tiefe Erfahrung der Teilnahme von seiten wirklich zahlloser Menschenscharen vermittelt. 83 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. In die Geographie des Besuchs war auch das Programm der Themen eingefügt, die bei den verschiedenen Begegnungen zu behandeln waren. Die unterschiedlichen Themen spiegeln die Aufgaben wieder, die sich der Kirche in Mexiko unter der Leitung ihrer rechtmäßigen Hirten stellen. Diese Thematik erlaubte gleichzeitig, die Richtung für die Verwirklichung des Zweiten Vatikanischen Konzils erneut bewußt zu machen. Tatsächlich hat das Konzil durch seine Lehre auch die pastorale Ausrichtung für die Kirche in allen Teilen der Welt vorgezeichnet. Die Liturgiefeiem mit den Gläubigen der verschiedenen Seelsorgebezirke des Landes hatten grundlegende Leitgedanken für das Leben der Kirche zum Mittelpunkt. Zu meiner großen Freude konnte ich bei der Eucharistiefeier in Durango hundert Neupriester weihen. Die Problematik des Priester- und Ordenslebens im Hinblick auf die neue mexikanische Wirklichkeit war Gegenstand des Nachdenkens bei einer Begegnung in Mexiko-Stadt mit den Priestern und Ordensleuten. Die Pflicht einer Neuevangelisierung, zu der ich die ganze Kirche in Lateinamerika im Hinblick auf die 500Jahrfeier des Beginns des Glaubens in Amerika aufrief, stand im Mittelpunkt des Gottesdienstes in Veracruz. Sie ist eine vorrangige pastorale Verpflichtung, die sich mit neuer Kraft auf das ganze kirchliche und soziale Leben erstrecken muß, wie ich bei den Begegnungen mit dem mexikanischen Episkopat, den Familien in Chihuahua, der Jugend in San Juan de los Largos sowie der Welt der Arbeit und der Kultur bei verschiedenen Gelegenheiten betonte. Das Licht Christi, des Erlösers, muß wieder mit neuer Kraft in den Herzen der Menschen und in den verschiedenen Gesellschaftsbereichen erstrahlen, wie ich bei den Begegnungen mit den Landarbeitern, den Bergleuten, den Unternehmern, den Lehrern und mit den verschiedenen Eingeborenengruppen des Landes hervorhob. Die Laienchristen sind aufgerafen, ihre apostolische Dynamik bei der christlichen Beseelung der weltlichen Gegebenheiten zu verstärken. Wie bei früheren Gelegenheiten bin ich mit den Kranken, den Inhaftierten, den Vertretern der anderen christlichen Bekenntnisse und der jüdischen Gemeinden sowie mit den Mitgliedern des Diplomatischen Corps zusammengetroffen. Von besonderer Bedeutung war die brüderliche Begegnung mit den Bischöfen, und bei dieser Gelegenheit konnte ich den neuen Sitz der Bischofskonferenz am Rand von Mexiko-Stadt einweihen. 5. Auf dem Rückweg von Mexiko nach Rom am 13. Mai konnte ich noch die Kirche auf den Inseln von Curafao, genauer gesagt die Diözese Willemstad besuchen und der Einladung des Diözesanbischofs sowie der Obrigkeiten des Ortes entsprechen. Ich danke für die Einladung und die herzliche Aufnahme, die mir von seiten der Bevölkerung und des Klerus erwiesen wurden. Von der Bevölkerung sind 80 Prozent katholisch. Höhepunkt war die heilige Messe: In der Eucharistiefeier kam die lebendige Teilnahme der Gläubigen nicht nur durch Gebet und Gesang, sondern auch durch liturgische Tanzbewegungen zum Ausdruck. Die Botschaft an die Jugend wurde in Briefform übermittelt. 6. Während ich in Gedanken nach Mexiko zurückkehre, will ich daran erinnern, daß die letzte Messe in der Diözese Zacatecas im Heiligtum des hl. Johannes des Täufers gefeiert wurde; in der Region, wo der Priester Miguel A. Pro geboren wurde, der ein Zeuge Christi war 84 AUDIENZEN UND ANGELUS in einer der schwierigsten Geschichtsperioden der Kirche in Mexiko. Er starb als Märtyrer und wurde im Herbst 1988 zur Ehre der Altäre erhoben. Angefangen von Juan Diego und den jungen Märtyrern von Tlaxcala und weiter über den seligen Jose Maria de Yermo y Parres bis zum seligen Miguel Pro schreibt die Kirche in Mexiko die Geschichte vom Ruf dieser Völker zur Heiligkeit. Das ist der wesentlichste Teil ihrer Geschichte. Zu Füßen der Muttergottes von Guadalupe bat ich demütig darum, daß der Dienst des Papstes den Gläubigen dieser Kirche helfe, die vor beinahe 500 Jahren begonnene Sendung zu verwirklichen. Es ist eine Bitte, die ich auch in diesem Moment wiederhole. Unsere Liebe Frau von Guadalupe, segne Mexiko und den gesamten lateinamerikanischen Kontinent, den ich dir mit Kindesliebe anvertraue! In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Zu Beginn meines Pontifikats hatte ich im Januar 1979 zum ersten Mal die Gelegenheit, Mexiko einen Besuch abzustatten. Anlaß war die Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla. Nun konnte ich zu meinem vorgesehenen Pastoralbesuch zurückkehren dank der freundlichen Einladung der mexikanischen Bischöfe und des Präsidenten der Republik. Dafür möchte ich nicht nur der Kirche in Mexiko aufrichtig danken, sondern auch der ganzen Gesellschaft und den verschiedenen zentralen und örtlichen Autoritäten. Im Verlauf der letzten Jahre sind wir Zeugen der positiven Veränderungen geworden, was die Beziehungen zwischen Kirche und Staat angeht. Der Präsident der Republik hat mich am Ankunftstag am Flughafen persönlich begrüßt. Die herzliche Aufnahme von seiten aller Menschen hat mich zutiefst berührt. Man muß fürwahr mit dem Herzen auf so viel Herzlichkeit von Menschen antworten, die ihren Glauben und ihre Liebe zu Christus und zur Kirche während der ganzen Reise deutlich unter Beweis gestellt haben. Diese Liebe scheint auf ein besonderes Charisma des mexikanischen Wesens zurückzuführen zu sein und ist sicher auch Frucht vieler Leiden und Opfer, die die Kirche in Mexiko in der vergangenen Zeit auf sich nehmen mußte. Dieses Charisma ist ferner in der großen Tradition der Verehrung Unserer Lieben Frau von Guadalupe begründet. Ebenso stehen die Heiligen und Seligen in dieser großen Tradition, die der mexikanischen Kirche seit der ersten Evangelisierung Anerkennung über das ganze Land hinweg verschafft haben. Die Bischöfe haben diesem globalen Aspekt bei der Vorbereitung meiner Reise auch Rechnung getragen. Auf meiner Reise durfte ich schließlich auf Curagao in der Diözese Willemstad eine ebenso lebendige Gemeinschaft von Kirche erfahren. Zu Füßen der Gottesmutter von Guadalupe wage ich die Bitte auszusprechen, daß mein Dienst an dieser Kirche dazu beitrage, die Sendung zu verwirklichen, die vor nahezu 500 Jahren begonnen hat. Mit dieser kurzen Rückbesinnung auf die vergangenen Tage grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, besonders eine Gruppe des Verbandes der Arbeitsinvaliden und Versehrten aus Meran. Euch alle und Eure Angehörigen in der Heimat sowie die mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörer stelle ich in diesem Maimonat unter den besonderen Schutz Mariens und erteile Euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. 85 AUDIENZEN UND ANGELUS Auf den Spuren des hl. Stanislaus Geistlicher Besuch in Jasna Göra Im Jahr 1979, dem 900. Todesjahr des heiligen Bischofs Stanislaus, der dem Schwert des Königs zum Opfer fiel, fand die Feier zu Füßen des Wawel anläßlich der ersten Pilgerfahrt in die Heimat statt. Erlaubt mir, die damals gesprochenen Worte in Erinnerung zu rufen: „Wie der Bischof während der Firmung wiederhole auch ich heute jene apostolische Geste der Handauflegung. In ihr drückt sich nämlich die Annahme und die Weitergabe des Heiligen Geistes aus, den die Apostel von Christus selbst empfangen haben, als er nach der Auferstehung zu ihnen kam, ,während die Türen verschlossen waren’ (Joh 20,19), und sagte: ,Empfangt den Heiligen Geist’ (Joh 20,22). Diesen Geist: den Geist des Heiles, der Erlösung, der Umkehr und der Heiligkeit, den Geist der Wahrheit, der Liebe und der Stärke, als lebendige Kraft von den Aposteln ererbt, übertrugen die Bischofshände viele Male ganzen Generationen in Polen. Diesen Geist, den der aus Szczepanow gebürtige Bischof an seine Zeitgenossen übertragen hat, möchte heute auch ich euch mitteilen, indem ich mit dem Herzen in tiefer Demut jene große .Firmung der Geschichte’ umfange, die ihr durchlebt“ (Predigt in Krakau, 10. Juni 1979, in: O.R. dt., Nr. 25/1979, S. 1) Der hl. Stanislaus von Szczepanow ist in unserer Geschichte ein Symbol dessen, was im Sakrament der Firmung Wirklichkeit wird. Der Märtyrer, das heißt der Zeuge. Die Firmung ist das Sakrament der christlichen Reife, das Sakrament der gereiften Freiheit. Zu Füßen der Mutter von Jasna Göra höre ich nicht auf, nach dieser Reife und Freiheit der Nation zu rufen, deren Geschichte von den Spuren des hl. Stanislaus weiter durchzogen wird. Dienst für die Kirche Christi Regina caeli am 20. Mai Jetzt ist der Augenblick zum Gebet des Regina caeli gekommen, am Schluß dieses feierlichen Gottesdienstes, bei dem wir die Freude hatten, Pier Giorgio Frassati zur Ehre der Altäre zu erheben. Ich grüße erneut die hier so zahlreich versammelten Jugendlichen, besonders die der Katholischen Aktion, der der neue Selige angehörte, wie auch die jungen Universitätsstudenten sowie die Mitglieder der Verbände der Jugend und der katholischen Schulen. Liebe Jugendliche, ich lade euch ein, dem Beispiel des neuen Seligen zu folgen. Sammelt euch oft zu Gebet und Betrachtung neben der Mutter des Erlösers, um euren Glauben zu stärken und euren Dienst für Christus und die Kirche am Lebensmodell Marias zu inspirieren. So lernt ihr, euch mit Freude und Eifer der Neuevangelisierung zu widmen und Lösungen zu 86 AUDIENZEN UND ANGELUS finden, die den Anforderungen des geistlichen und bürgerlichen Lebens unserer Zeit entsprechen. Wir bitten die Königin des Himmels, die herrliche Zeugin der Freude der Auferstehung, daß die jungen Generationen von heute das wahre Glück und den Sinn des Lebens im Licht des auferstandenen Christus und im Einsatz eines immer rechten, hochherzigen und reinen Lebens suchen und finden mögen. Heute gedenken wir auch der Vollendung der Kuppel der Petersbasilika vor 400 Jahren am 21. Mai 1590 unter dem Pontifikat Sixtus V. Zu Ehren des hl. Petrus wurde dieser gewaltige Bau errichtet, der das vatikanischen Gotteshaus krönt und Rom und der gesamten Welt den Ort des Martyriums und des Grabes des Fischers von Galiläa anzeigt, der von Christus gerufen wurde, Hirt seiner Herde zu sein. Dieses herrliche Werk, das das Stadtbild Roms so wunderbar erscheinen läßt, erinnert daran, daß hier der Sitz ist, wo der Nachfolger des Petrus vor der Welt weiter verkündet: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Noch einmal allen meinen Segen. Das Geheimnis der Menschwerdung Ansprache bei der Generalaudienz am 23. Mai 1. Im Glaubensbekenntnis bekennen wir, daß der Sohn, eines Wesens mit dem Vater, Fleisch angenommen hat durch den Heiligen Geist. In der Enzyklika Dominum et vivificantem schrieb ich: „Empfängnis und Geburt Jesu Christi sind das größte vom Heiligen Geist in der Schöpfungs- und Heilsgeschichte vollbrachte Werk: die höchste Gnade - die ,Gnade der Einigung’ als Quelle jeder anderen Gnade, wie der heilige Thomas erklärt... Der ,Fülle der Zeit’ entspricht in der Tat eine besondere Fülle der Selbstmitteilung des dreieinigen Gottes im Heiligen Geist.,Durch das Wirken des Heiligen Geistes’ vollzieht sich das Geheimnis der ,hypostatischen Union’, das heißt der Vereinigung der göttlichen mit der menschlichen Natur, der Gottheit mit der Menschheit in der einzigen Person des Ewigen Wortes und Sohnes“ (Nr. 50). <29> <29> Es handelt sich um das Geheimnis der Menschwerdung, mit deren Offenbarung zu Beginn des Neuen Bundes sich die des Heiligen Geistes verbunden hat. Wir haben das in den vorangegangenen Katechesen gesehen, die uns erlaubten, diese Wahrheit unter ihren verschiedenen Aspekten darzustellen, angefangen von der Empfängnis Jesu Christi durch die Jungfrau, wie wir im Lukastext über die Verkündigung lesen (vgl. Lk 1,26-38). Die Herkunft dieses Textes ist schwer zu erklären, wenn man nicht an eine Erzählung Marias denkt, die allein das, was in ihr im Augenblick der Empfängnis Jesu geschah, mitteilen konnte. Die vorgelegten Übereinstimmungen zwischen diesem Text und anderen Berichten des Altertums und besonders der alttestamentlichen Schriften betreffen nie den wichtigsten und entscheidensten 87 AUDIENZEN UND ANGELUS Punkt, das heißt die jungfräuliche Empfängnis durch das Wirken des Heiligen Geistes. Sie ist wahrhaftig eine absolute Neuheit. Es ist wahr, daß wir auf der entsprechenden Seite bei Matthäus lesen: „Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, einen Sohn wird sie gebären, und man wird ihm den Namen Immanuel geben“ (Mt 1,22-23). Aber die Erfüllung übersteigt immer die Erwartungen. Denn das Ereignis umfaßt neue Elemente, die in der Prophezeiung nicht ausgesprochen waren. So blieb in dem Fall, der uns beschäftigt, der Orakelspruch des Jesaja über die Jungfrau, die empfangen wird (vgl. Jes 7,14), unvollständig und folglich unterschiedlichen Interpretationen ausgesetzt. Er wird durch das Geschehen der Menschwerdung mit einer Genauigkeit „erfüllt“, die nicht vorauszusehen war: eine wirklich jungfräuliche Empfängnis wird durch den Heiligen Geist bewirkt, und der geborene Sohn ist deshalb wahrhaftig der „Gott mit uns“. Es handelt sich nicht mehr nur um einen Bund mit Gott, sondern um die wirkliche Gegenwart Gottes unter den Menschen kraft der Menschwerdung des ewigen Sohnes Gottes: eine absolute Neuheit. 3. Die jungfräuliche Empfängnis ist deshalb wesentlicher Teil des Geheimnisses der Menschwerdung. Der Leib Jesu, von Maria auf jungfräuliche Weise empfangen, gehört zur Person des ewigen Wortes Gottes. Das wirkt der Heilige Geist, indem er auf die Jungfrau von Nazaret herabkommt. Er bewirkt, daß der von ihr empfangene Mensch (der Menschensohn) wirklich der wahre Sohn Gottes ist - aus dem Vater geboren vor aller Zeit, eines Wesens mit dem Vater -, dessen einziger Vater der ewige Vater ist. Wenn auch als Mensch aus der Jungfrau Maria geboren, bleibt er weiterhin der Sohn desselben Vaters, aus dem er vor aller Zeit geboren ist. So stellt die Jungfräulichkeit Marias in besonderer Weise die Tatsache heraus, daß der von ihr durch den Heiligen Geist empfangene Sohn der Sohn Gottes ist. Nur Gott ist sein Vater. Das traditionelle Bild, das Maria mit dem Jesuskind im Arm und Josef nicht neben ihr darstellt, ist eine wortlose, aber beständige Bekräftigung ihrer jungfräulichen Mutterschaft und deshalb auch der Gottheit des Sohnes. Dieses Bild könnte deshalb das Bild der Gottheit Christi genannt werden. Wir finden es bereits am Ende des 2. Jahrhunderts in einem Fresko der römischen Katakomben und danach in unzähligen Wiedergaben. Besonders ausdrucksvoll wird es mit künstlerischer und gläubiger Hand auf den byzantinischen und russischen Ikonen dargestellt, die an die reinsten Quellen des Glaubens anknüpfen: die Evangelien und die Tradition der Urkirche. 4. Lukas gibt die Worte des Engels wieder, der die Geburt Jesu durch das Werk des Heiligen Geistes ankündigt: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ (Lk 1,35). Der Geist, von dem der Evangelist spricht, ist der Geist, „der lebendig macht“. Es handelt sich nicht nur um den „Lebensatem“, der allen Lebewesen eigen ist, sondern um das Leben Gottes selbst: das göttliche Leben. Der Heilige Geist, der in Gott als Atem der Liebe ist - absolutes (nicht geschaffenes) Geschenk der göttlichen Personen -, wirkt in der Menschwerdung des Wortes als Atem dieser Liebe zum Menschen: zu Jesus selbst, zur menschlichen Natur und zur gesamten Menschheit. In diesem Atem drückt sich die Liebe des Vaters aus, der die Welt so sehr geliebt hat, daß er 88 AUDIENZEN UND ANGELUS seinen einzigen Sohn hingab (vgl. Joh 3,16). Im Sohn ist die Fülle des Geschenks des göttlichen Lebens für die Menschheit. In der Menschwerdung des Sohnes, des Wortes, offenbart sich also in besonderer Weise der Heilige Geist als der, der „lebendig macht“. 5. In der Enzyklika Dominum et vivificantem nannte ich es „eine besondere Fülle der Selbstmitteilung des dreieinigen Gottes im Heiligen Geist“ (Nr. 50). Es ist die tiefste Bedeutung der „hypostatischen Union“, einer Formel, die das Denken der Konzilien und der Väter über das Geheimnis der Menschwerdung widerspiegelt, das heißt über Vorstellungen von Natur und Person, wie sie entwickelt und angewandt wurden aufgrund der Erfahrung der Unterscheidung zwischen Natur und Subjekt, die jeder Mensch in sich Wahmimmt. Die Vorstellung von der Personhaftigkeit wurde nie so eindeutig festgehalten und definiert, wie es durch die Konzilien geschah, nachdem die Apostel und die Evangelisten das Geschehen und Geheimnis der Menschwerdung des Wortes „durch den Heiligen Geist“ verkündet hatten. 6. Wir können deshalb sagen, daß der Heilige Geist in der Menschwerdung auch den Grund zu einer neuen Anthropologie legt, die sich an der Größe der menschlichen Natur inspiriert, wie sie in Christus aufleuchtet. Tatsächlich erreicht sie in ihm den Gipfel der Einheit mit Gott, „nachdem er durch den Heiligen Geist empfangen worden war in der Weise, daß ein und dasselbe Subjekt Gottes- und Menschensohn wurde“ (Thomas von Aquin, Summa Theol., III, q. 2, a. 12, ad 3). Für den Menschen war es weder möglich, diesen Gipfel zu übersteigen, noch liegt es im Bereich des menschlichen Denkens, eine engere Einheit mit der Gottheit zu erfassen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Im Glaubensbekenntnis beten wir, daß der Sohn, eines Wesens mit dem Vater, Fleisch angenommen hat durch den Heiligen Geist. Mit dem Geheimnis der Menschwerdung hat sich zu Beginn des Neuen Bundes die Offenbarung des Heiligen Geistes verbunden. Wh haben dies in den vorangegangenen Katechesen gesehen, in denen uns diese Wahrheit in ihren verschiedenen Aspekten illustriert wurde, beginnend von der jungfräulichen Empfängnis Jesu Christi, wie wir bei Lukas in der Verkündigungsgeschichte lesen (vgl. Lk 1,26-38). In der Menschwerdung des Wortes und Sohnes stellt sich der Heilige Geist in besonderer Weise dar als der, „der das Leben gibt“. In der Enzyklika Dominum et vivificantem habe ich dies die „besondere Fülle der Selbstmitteilung des dreieinigen Gottes im Heiligen Geist“ (Nr. 50) genannt. Es ist die tiefste Bedeutung der „hypostatischen Union“, der Formel, die das Denken der Konzilien und der Väter über das Geheimnis der Menschwerdung widerspiegelt, das heißt über Vorstellungen von Natur und Person, wie sie ausgearbeitet und angewandt wurden aufgrund der Erfahrung der Unterscheidung zwischen Natur und Subjekt, die jeder Mensch in sich wahmimmt. Die Vorstellung von der Personhaftigkeit wurde nie so eindeutig festgestellt und definiert wie durch die Konzilien. Wh können also sagen, daß der Heilige Geist in der Menschwerdung auch die Grundlagen für eine neue Anthropologie legt, die sich an der Größe der menschlichen Natur erhellt, die wiederum in Christus aufleuchtet. In ihm erreicht sie in der Tat den Gipfel der Einheit mit 89 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott. Für den Menschen war es weder möglich, diesen Gipfel zu übersteigen, noch liegt es im Bereich des menschlichen Denkens, eine engere Einheit mit der Gottheit zu erfassen. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Teilnehmern am zweiten Romseminar des Bistums Hildesheim für Dechanten und Mitarbeiter, einer Gruppe evangelischer Vikare der Landeskirche Württemberg, den Teilnehmern an der von der Kirchenzeitung des Erzbistums Köln organisierten Romreise sowie der Besuchergruppe der Stadtbau-Gesellschaft Amberg. Euch allen wünsche ich einen bereichernden Romaufenthalt. In diesen Tagen vor dem Pfingstfest erbitte ich Euch die Gaben des Heiligen Geistes und erteile Euch und Euren Angehörigen in der Heimat von Herzen meinen Apostolischen Segen. Im Dienst der Mutter Geistlicher Besuch in Jasna Göra „Für die Freiheit der Kirche heute in der Welt und in Polen.“ Diese Worte wurden in Jasna Göra am Fest des 3. Mai im Jahr des Millenniums gesprochen. Sie kamen aus der Tiefe eines ungeheuren Schmerzes, aus der Mitte so vieler Leiden und Entbehrungen. Wir können diese Worte nicht vergessen. Wir können sie jetzt nicht vergessen, während wir Zeugen der Wandlungen in Polen und auch in unseren Bruder- und Nachbarländern sind. Es sind Wandlungen zum Besseren. Die Wandlungen und Veränderungen, die in diesen Ländern vor sich gehen, werden nur von denen recht verstanden, die die Qualen, die Diskriminierungen, die Verfolgungen, den Kerker und den Gulag erlebt haben. Gerade in jener Zeit wurden die Worte von dem Primas des Millenniums gesprochen, die lauteten: „Wir stellen uns als Knechte voll und ganz in deinen Dienst, Mutter, für die Freiheit der Kirche heute in der Welt und in Polen.“ Diese Worte kann man nicht vergessen. Nicht auszulöschen ist auch das Paradox: die „Knechtschaft unter der Mutter“ als Preis der menschlichen Gewissensfreiheit, als Preis der Religionsfreiheit, der Freiheit für die Kirche, die Person und die Gesellschaft. Der Primas des Millenniums, der damals diese Worte sprach, hat ihren tiefsten Inhalt und ihre Bedeutung mit ins Grab genommen. Indem wir nach Jasna Göra pilgern, um für all das zu danken, was sich zum Besseren wendet - das heißt, daß man verstanden hat, daß der Geist und das Gewissen der Menschen nicht versklavt werden können fahren wir zugleich fort, für all jene zu bitten, denen die Religionsfreiheit noch verweigert wird und die um ihrer religiösen Überzeugungen willen leiden. 90 AUDIENZEN UND ANGELUS Die naturgegebene Mission weiterführen Ansprache bei der Generalaudienz am 30. Mai 1. In den vergangenen Tagen weilte ich - wie ihr wißt - zum Pastoralbesuch auf der Insel Malta, die mitten im Mittelmeer liegt. Die Religions- und Geistesgeschichte der Insel ist eng verbunden mit der Gestalt des Völkerapostels Paulus. Das Geschehnis, das den großen Apostel zu der Inselküste führte, ist bekannt. Wegen Unruhestiftung unter seinen Mitbürgern in Cäsarea verhaftet, legte er Berufung beim Kaiser ein, indem er das Recht geltend machte, das ihm als römischem Bürger zustand. Er wurde deshalb unter Bewachung in die Hauptstadt des Kaiserreiches geschickt. Die Apostelgeschichte beschreibt ausführlich die abenteuerliche Reise des Gefangenen des Kaisers. Besonders lebendig berichtet sie von den dramatischen Phasen des Sturms, der das Schiff, auf dem Paulus reiste, überraschte und an den Ufern der Insel Malta stranden ließ, wo die Seeleute und Reisenden Schutz finden konnten. 2. Hören wir den Bericht über die erste Begegnung mit der Inselbevölkerung nach den Worten Lukas’, des Autors der Apostelgeschichte: „Als wir gerettet waren, erfuhren wir, daß die Insel Malta heißt. Die Einheimischen waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich; sie zündeten ein Feuer an und holten uns alle zu sich, weil es zu regnen begann und kalt war. Als Paulus einen Haufen Reisig zusammenraffte und auf das Feuer legte, fuhr infolge der Hitze eine Viper heraus und biß sich an seiner Hand fest. Als die Einheimischen das Tier an seiner Hand hängen sahen, sagten sie zueinander: Dieser Mensch ist gewiß ein Mörder; die Ra-chegöttin läßt ihn nicht leben, obwohl er dem Meer entkommen ist. Er aber schleuderte das Tier ins Feuer und erlitt keinen Schaden. Da erwarteten sie, er werde anschwellen oder plötzlich tot Umfallen. Als sie aber eine Zeitlang gewartet hatten und sahen, daß ihm nichts Schlimmes geschah, änderten sie ihre Meinung und sagten, er sei ein Gott. In jener Gegend lagen Landgüter, die dem Publius, dem Ersten der Insel, gehörten; er nahm uns auf und bewirtete uns drei Tage lang freundlich als seine Gäste. Der Vater des Publius lag gerade mit Fieber und Ruhr im Bett. Paulus ging zu ihm hinein und betete; dann legte er ihm die Hände auf und heilte ihn. Daraufhin kamen auch die anderen Kranken der Insel herbei und wurden geheilt. Sie erwiesen uns viele Ehren, und bei der Abfahrt gaben sie uns alles mit, was wir brauchten“ (Apg 28,1-10). <30> <31> <30> So ist Malta in die Apostelgeschichte eingegangen und hat seine Geschichte mit dem Namen des Paulus verknüpft. Auch wenn der Apostel als Gefangener auf die Insel gelangt war, konnte er unter den Bewohnern das Saatkorn des Evangeliums ausstreuen und die Kirche unter ihnen begründen. Publius, der „Erste der Insel“, wird als erster Bischof der Kirche in Malta verehrt. Ein außergewöhnlicher Anfang der Evangelisierung, deren reiche Früchte ich selbst während meiner jüngsten Reise feststellen konnte. Höhepunkte des Besuchs waren die Eucharistiefeier in Gozo im Marienheiligtum Ta’Pinu am Samstagvormittag, wo ich zu den zahlreichen Teilnehmern über das Thema „Familie“ sprach; dann die Messe vom Fest Christi Himmelfahrt, 91 AUDIENZEN UND ANGELUS die ich mit einer riesigen Schar in Floriana in Malta am Sonntagnachmittag feierte und bei der ich den Gläubigen das Thema „Einheit, ein menschlicher und christlicher Grundwert“ erläuterte. Andere wichtige Augenblicke waren die Begegnung mit den Priestern und Ordensleuten in der Konkathedrale von La Valletta und das Treffen im Heiligtum von Mellieha mit den Angehörigen von Hunderten von maltesischen Missionaren und Missionarinnen, verstreut in aller Welt. Ich betete mit Kranken bei der Grotte des hl. Paulus in Rabat und hatte ein ökumenisches Treffen in der antiken Kathedrale von Mdina, an dem auch Vertreter der muslimischen, jüdischen und hinduistischen Gemeinden teilnahmen. Bedeutsam war auch die Begegnung mit den Arbeitern in Cottonera. Mit ihnen erläuterte ich die Notwendigkeit einer neuen Solidarität für die Zukunft der Welt. Es fehlte auch nicht die Begegnung mit der Welt der Kultur, wo ich Gelegenheit hatte, die Intellektuellen an ihre Verantwortung zu erinnern. Herzlich und voll Begeisterung war das Treffen mit den Jugendlichen, die mit viel Natürlichkeit ihre Fragen vorlegten. Ich habe ihnen die immer gültigen Antworten gegeben, die man dem Wort Christi entnehmen kann. 4. Durch den unmittelbaren Kontakt mit der maltesischen Bevölkerung konnte ich mich von der Hochherzigkeit und dem Edelmut dieser Menschen überzeugen, die in ihrer jahrhundertelangen Geschichte die Werte von verschiedenen Kulturen annahmen: der phönizischen, romanischen, byzantinischen und arabischen Kultur. Im Jahr 1530 nahm der Johanniter-Orden Malta in Besitz. Die Ordensritter bauten die Insel aus und befestigten sie, indem sie sie zu einem Bollwerk gegen Stürme und Angriffe von außen machten. Wie man weiß, blieb dieser Ritterorden bis Ende des 18. Jahrhunderts auf der Insel, die dann mehrfach unter Fremdherrschaft geriet. 1964 erlangte Malta seine Unabhängigkeit. Als Zeugen so vieler Geschehnisse bleiben die mächtigen Bauten und herrlichen Gotteshäuser, die dem malerischen Panorama eine prachtvolle Note verleihen. Die Bevölkerung zählt heute rund 350000 Einwohner, die in der überwiegenden Mehrheit katholisch sind. Die beschränkten Möglichkeiten in ihrem Mutterland zwangen viele Malteser zur Emigration, so daß die Bürger im Ausland gegenüber denjenigen, die in der Heimat wohnen, überwiegen. In allen aber ist die gemeinsame ethnische, kulturelle und religiöse Identität lebendig geblieben, die auch die geschichtlichen Wirrnisse nicht auslöschen konnten. <32> <32> In bleibender Erinnerung behalte ich die herzliche Aufnahme, die mir zuteil wurde, und bei dieser Gelegenheit wiederhole ich dem Erzbischof von Malta, dem Bischof von Gozo und den kirchlichen Obrigkeiten, dem Präsidenten und allen führenden Persönlichkeiten der Republik meinen Dank für die Einladung und für den großen Einsatz bei der angemessenen Vorbereitung des Besuches. Trotz der geringen Ausdehnung ist Malta ein Land von großer internationaler Bedeutung. Seine Lage machte es zu einem Treffpunkt verschiedener Kulturen und Sprachen. Auch heute bewahrt Malta diese seine Berufung, unter den Völkern des gesamten Mittelmeerraums zu vermitteln. Es ist zu wünschen, daß es diese - ich möchte sagen - naturgegebene Mission weiterführt, ohne je auf das kostbare Erbe der Werte zu verzichten, die von den vergangenen Generationen gesammelt wurden. 92 AUDIENZEN UND ANGELUS 6. Auf dem Rückweg nach Rom empfand ich noch tief die Eindrücke, die der Besuch hinterlassen hat. An den Ufern dieser Insel war der heilige Paulus gelandet; dort war ein wichtiges Kapitel der Geschichte der Kirche geschrieben worden, die sich der Welt am Pfingsttag als Volk Gottes geoffenbart hatte, geboren aus dem Kreuz und der Auferstehung Christi und nun auf dem Weg durch die Welt in der Kraft des Geistes. Auch heute, nach zweitausend Jahren, können wir die Worte hören, die Paulus als Gefangener um des Evangeliums willen vernahm: „Hab Mut! Denn so wie du in Jerusalem meine Sache bezeugt hast, sollst du auch in Rom Zeugnis ablegen“ (Apg 23,11). Diese Ermutigung müssen wir alle aufnehmen, angefangen von dem, der die Verantwortung für die Kirche von Rom trägt. Ja, liebe Schwestern und Brüder, sie gilt für mich, aber sie gilt auch für jeden von euch in der Weitergabe des Glaubens, für den der Apostel Paulus hier in Rom sein Blut vergossen hat. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Wir ihr sicher wißt, bin ich in den vergangenen Tagen zum Pastoralbesuch auf Malta gewesen, im Zentrum des Mittelmeerraumes. Die Religion und Geistesgeschichte der Insel ist eng verbunden mit der Figur des Völkerapostels Paulus. Die Apostelgeschichte beschreibt die abenteuerliche Reise des Gefangenen des Kaisers. Sie berichtet von den dramatischen Phasen des Sturms, der das Schiff überraschte, auf dem Paulus reiste, und es an den Ufern der Insel stranden ließ, wo Fischer und Reisende Schutz finden konnten. So ist Malta in die Apostelgeschichte eingegangen und hat seine eigene Geschichte mit dem Namen des Paulus verknüpft. Auch wenn der Apostel als Gefangener auf die Insel gelangte, konnte er unter den Bewohnern das Saatkorn des Evangeliums ausstreuen und so die Kirche unter ihnen begründen. Es war der Anfang der Evangelisierung, deren andauernde Lebendigkeit ich während meiner jüngsten Reise noch feststellen konnte. Durch den unmittelbaren Kontakt mit der maltesischen Bevölkerung konnte ich mich überzeugen, welch edle Menschen dort leben. In der Geschichte über viele Jahrhunderte hinweg konnten die Menschen die Werte verschiedener Kulturen annehmen und integrieren. Die heutige Bevölkerung ist in ihrer überwiegenden Mehrheit katholisch. Die beschränkten Möglichkeiten in ihrem Vaterland haben viele Malteser zur Emigration veranlaßt mit dem Ergebnis, daß die Bürger außerhalb Maltas diejenigen in der Heimat zahlenmäßig überwiegen. In allen aber ist die gemeinsame ethnische, kulturelle und religiöse Identität lebendig. In bleibender Erinnerung behalte ich den herzlichen Empfang, der mir bereitet wurde. Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch nochmals den Ausdruck meiner Dankbarkeit bekunden, und zwar dem Erzbischof von Malta, dem Bischof von Gozo und den kirchlichen Behörden; ferner dem Präsidenten und allen Autoritäten der Republik. Trotz der kleinen Ausdehnung ist Malta ein Land von bemerkenswerter internationaler Bedeutung. Noch heute können wir die Worte an Paulus vernehmen: „Hab Mut! Denn so wie du in Jerusalem meine Sache bezeugt hast, sollst du auch in Rom Zeugnis ablegen“ {Apg 23,11). Diese Einladung des Herrn zum Mut müssen wir alle befolgen. Dies gilt für mich, liebe 93 AUDIENZEN UND ANGELUS Schwestern und Brüder; dies gilt aber auch für einen jeden von euch in der Beständigkeit jenes Glaubens, für den der Apostel Paulus sein Blut hingegeben hat. Mit dieser kurzen Rückbesinnung auf die vergangenen Tage grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher, besonders eine Gruppe der evangelisch-reformierten Landeskirche Spiez. Mein herzlicher Gruß gilt auch einer Pilgergruppe des „Südtiroler Kriegsopfer- und Frontkämpfer-Verbandes“ aus Bozen, einer Gruppe von Teilnehmern am Internationalen Kongreß der „Dry-Cleaners“ in Augsburg sowie einer Vertretung der bürgerlichen Trabantengarde aus Sankt Veit in Kärnten und dem Gesangverein „Liederkranz“ aus Malsch. Euch allen und euren Angehörigen sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörern erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Religionsfreiheit sicherstellen Geistlicher Besuch in Jasna Gora In der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils, Dignitatis humanae über die Religionsfreiheit, lesen wir: „Alle Menschen sind ihrerseits verpflichtet, die Wahrheit, besonders in dem, was Gott und seine Kirche angeht, zu suchen und die erkannte Wahrheit aufzunehmen und zu bewahren. ... Diese Pflichten (berühren und binden) die Menschen in ihrem Gewissen, und anders erhebt die Wahrheit nicht Anspruch als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt. Das Recht auf religiöse Freiheit [ist] in Wahrheit auf die Würde der menschlichen Person gegründet ... Die Verwirklichung und Ausübung der Religion besteht ihrem Wesen nach vor allem in inneren, willentlichen und freien Akten, durch die sich der Mensch unmittelbar auf Gott hinordnet; Akte dieser Art können von einer rein menschlichen Gewalt weder befohlen noch verhindert werden. Die Sozialnatur des Menschen erfordert aber, daß der Mensch innere Akte der Religion nach außen zum Ausdruck bringt, mit anderen in religiösen Dingen in Gemeinschaft steht und seine Religion gemeinschaftliche bekennt“ (Dignitatis humanae, Nm. 1, 2, 3). Es ist schwer zu vergessen, in welch schrecklicher Weise diese grundlegenden Wahrheiten und Prinzipien im Lauf unseres Jahrhunderts, besonders zu manchen Zeiten und in einigen Ländern, verletzt wurden. Aus dieser Tatsache ergibt sich die außerordentliche Bedeutung des Weiheaktes von Jasna Gora zugunsten der Freiheit der Kirche in der Welt und in Polen und zugleich die ständige Achtsamkeit, daß die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils nirgendwo verkürzt oder verformt werde. Mit dieser Sorge stehen wir heute vor dir, Unsere Liebe Frau von Jasna Gora. 94 AUDIENZEN UND ANGELUS Priesterausbildung muß missionarisch sein Regina caeli am 3. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Im Pfingstereignis sehen wir die Apostel, wie sie vor Menschen aus aller Welt Zeugnis geben von den wunderbaren Taten Gottes. Vom Augenblick ihrer Geburt an ist die Kirche missionarisch. Die ersten Priester, die Apostel, wurden vom Heiligen Geist sofort auf den unbegrenzten Horizont der Welt hin ausgerichtet. Sollte man das nicht als einen sehr klaren Hinweis auf den missionarischen Charakter jedes priesterlichen Dienstes erkennen? Oft beschränkt man die Bezeichnung „Missionar“ allzu eng nur auf jene, die sich in entlegenen Gebieten der Evangelisierung widmen. Wenn dieser hochherzigen Form der persönlichen Hingabe auch höchste Ehre gebührt - zeigt sie doch, wie weit die ganz und gar Christus geweihte Liebe gehen kann -, so muß doch betont werden, daß aufgrund des universalen und ungeteilten Heilsplanes Gottes die gesamte christliche Gemeinschaft missionarisch ist. Darum müssen alle Christen, besonders alle Priester, einen drängenden missionarischen Eifer verspüren, alle müssen Anteil nehmen. 2. In der Kirche ist das Priestertum wesentlich missionarisch, dessen muß sich jeder Priester wohl bewußt sein. Die kommende Synode wird nicht umhin können, sich auch mit diesem Aspekt der Priesterausbildung zu befassen. Dem Priester bieten sich ja zahlreiche Gelegenheiten, seinen Dienst in missionarischer Sicht auszuüben und nicht einer ungebührlichen Einengung auf den Bereich der eigenen Gemeinde zu verfallen. Wenn er sich über die Lage der Kirchen in den Missionsgebieten informiert und die Gläubigen darüber in Kenntnis setzt, wenn er sie auffordert, für die Missionen zu beten und ihnen konkrete Hilfe zu leisten, nimmt er am missionarischen Bemühen der Kirche teil, an ihrem Dienst für die Ausbreitung des Gottesreiches in der Welt. Die Priesterausbildung muß daher eine Ausbildung zu missionarischem Geist sein. Die Erzieher in den Seminaren werden die jungen Leute für das Missionsapostolat der Kirche zu interessieren wissen, damit die Priesteramtskandidaten nicht nur die Diözese, zu der sie gehören, sondern den weiteren Horizont der Universalkirche vor Augen haben. Die kommende Synode wird in dieser Hinsicht nach geeigneten Mitteln für eine Priesterausbildung suchen, die für die Bedürfnisse auf weltweiter Ebene offen ist. <33> <33> Schauen wir nun auf zu Maria, der zusammen mit der Urgemeinde das bestürzende Ereignis des Pfingstfestes widerfuhr und die Zeugin von deren erster Öffnung zur Welt hin war. Wir wollen sie bitten, der Synode zu helfen, daß für die Kirche Priester geschult werden, die von glühendem missionarischen Geist erfüllt sind. Ihr, der Königin der Missionen, empfehlen wir dieses heilige Anliegen der Kirche Gottes. 95 AUDIENZEN UND ANGELUS Menschwerdung Christi: Quelle der Heiligkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 6. Juni 1. „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Wie wir wissen, beziehen sich diese Worte, die der Engel bei der Verkündigung in Nazaret an Maria richtete, auf das Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes, des göttlichen Wortes, durch das Wirken des Heiligen Geistes, also auf eine Kernwahrheit unseres Glaubens. In den vorausgegangenen Katechesen haben wir bereits davon gesprochen. Durch den Heiligen Geist, so sagten wir, vollzieht sich die hypostatische Union. Der dem Vater wesensgleiche Gottessohn nimmt von der Jungfrau Maria die menschliche Natur an, durch die er wahrer Mensch wird, ohne aufzuhören, wahrer Gott zu sein. Die Verbindung von Gottheit und Menschheit in der einen Person des Ewigen Wortes, das heißt: die hypostatische Union (hypostasis = Person), ist das größte Werk des Heiligen Geistes in der Geschichte der Schöpfung und in der Heilsgeschichte. Wenn auch die ganze heiligste Dreifaltigkeit ihr Urheber ist, so wird sie vom Evangelium und den Kirchenvätern doch dem Heiligen Geist zugeschrieben, weil sie das erhabenste Werk der göttlichen Liebe ist, ein ganz und gar unge-schuldetes Werk der Gnade, um der Menschheit die Fülle der Heiligung in Christus mitzuteilen. Alle diese Wirkungen werden dem Heiligen Geist zugeschrieben (vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theol., III, q.32, a.l). 2. Die Worte an Maria bei der Verkündigung weisen darauf hin, daß der Heilige Geist die Quelle der Heiligkeit des Sohnes ist, der von ihr geboren werden soll. In dem Augenblick, in welchem das Ewige Wort Mensch wird, verwirklicht sich in der angenommenen Natur eine einzigartige Fülle an menschlicher Heiligkeit, die die jedes anderes Heiligen des Alten und des Neuen Bundes übersteigt. Diese Heiligkeit des Gottessohnes als Mensch, als Sohn Marias - eine ursprüngliche Heiligkeit, die in der hypostatischen Union wurzelt - ist das Werk des Heiligen Geistes, der fortfährt in Christus zu wirken, bis er im Ostergeheimnis sein Meisterwerk krönt. <34> <35> <36> <37> <34> Diese Heiligkeit ist die Frucht einer einzigartigen Heiligung, auf die Christus selbst ausdrücklich Bezug nimmt in der Diskussion mit seinen Zuhörern: „Dürft ihr von dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat, sagen: Du lästerst Gott - weil ich gesagt habe: Ich bin Gottes Sohn?“ (Joh 10,36). Diese Heiligung ist verbunden mit dem Kommen des Gottessohnes in die Welt. Wie der Vater seinen Sohn durch den Heiligen Geist in die Welt sendet (der Bote Gottes sagt zu Josef: „Das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist“: [Mt 1,20]), so heiligt er diesen Sohn in seinem Menschsein durch den Heiligen Geist. Der Geist, der der Urheber der Heiligung aller Menschen ist, ist vor allem der Urheber der Heiligung jenes Menschen, der von Maria empfangen und geboren wurde, wie auch Urheber der Heiligung seiner reinsten Mutter. Vom ersten Augenblick seiner Empfängnis an empfängt dieser Mensch, der Gottes Sohn ist, vom Heiligen Geist eine außerordentliche Fülle an Heiligkeit, in einem Maß, wie es der Würde seiner göttlichen Person entspricht (vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theol., III, q.7, aa.1,9-11). 96 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Diese Heiligung betrifft das ganze Menschsein des Gottessohnes, seine Seele und seinen Leib. Das hat der Evangelist Johannes deutlich gemacht, der den leiblichen Aspekt der Menschwerdung unterstreichen zu wollen scheint: „Das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Durch den Heiligen wird in der Menschwerdung des Ewigen Wortes jene Begierde überwunden, von der der Apostel Paulus im Brief an die Römer spricht (vgl. Röm 7,7-25) und die den inneren Menschen zerreißt. Gerade von ihr befreit das „Gesetz des Geistes“ (Röm 8,2), so daß, wer aus dem Geist lebt, auch den Weg des Geistes geht (vgl. Gal 5,25). Die Frucht des Geistwirkens ist die Heiligkeit des ganzen Menschseins Christi. Der menschliche Leib des Sohnes Marias hat vollen Anteil an dieser Heiligkeit und nimmt darin zu in einer Dynamik, die im österlichen Geheimnis ihren Gipfelpunkt erreicht. Durch das Ostergeheimnis gewinnt der Leib Jesu, den der Apostel bezeichnet als „Gestalt des Fleisches, das unter der Macht der Sünde steht“ (Röm 8,3), die vollkommene Heiligkeit des Leibes des Auferstandenen (vgl. Röm 1,4). So eröffnet sich für den menschlichen Leib und für „jeden Leib“ in der von Gott erschaffenen Welt eine neue Bestimmung: auch in ihrer Stofflichkeit ist sie berufen, an den Gütern der Erlösung Anteil zu haben (vgl. Hl. Thomas von Aquin, Summa Theol., III, q.8, a.2). 5. An diesem Punkt ist noch hinzuzufügen, daß der Leib, der durch das Wirken des Heiligen Geistes vom Augenblick der Empfängnis an der Menschheit des Gottessohnes zugehörig war, in der Eucharistie zur geistigen Speise der Menschen werden sollte. Als Jesus Christus die Einsetzung dieses wunderbaren Sakramentes ankündigt, unterstreicht er, daß in ihm sein Fleisch unter der Gestalt des Brotes zur Speise für die Menschen wird dank dem Wirken des Heiligen Geistes, der das Leben gibt. In dieser Hinsicht sind die Worte, die er in der Nähe von Kaphamaum sprach, sehr bedeutungsvoll: „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch [ohne den Geist] nützt nichts“ (Joh 6,63). Wenn Christus den Menschen sein Fleisch als geistige Speise hinterlassen wollte, so wollte er uns zugleich über jene Heiligung belehren, die, durch das Wirken des Heiligen Geistes, im Geheimnis der Eucharistie ein Vorrecht auch seines Leibes ist. 6. Der Evangelist Lukas sagt uns - vielleicht gibt er damit vertrauliche Mitteilungen Marias wieder -, der Menschensohn „Jesus wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,52). In entsprechender Weise kann man auch von der Zunahme an Heiligkeit sprechen in dem Sinn, daß sich jene ursprüngliche Fülle der Heiligkeit, in der Jesus zur Welt kam, immer vollkommener zeigte und in die Tat umsetzte. Der Augenblick, in dem in besonderer Weise erkennbar wird, wie der Heilige Geist den Gottessohn auf seine Sendung hin „heiligt“, ist jener, in welchem Jesus von Nazaret seine mes-sianische Tätigkeit beginnt: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt“ (Lk4,18). In dieser Tätigkeit wird jene Heiligkeit offenbar, die Simon Petrus eines Tages zu dem Bekenntnis drängen wird: „Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder“ (Lk 5,8). Und bei einer anderen Gelegenheit: „Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ (Joh 6,69). <38> <38> Die geheimnisvolle Wirklichkeit der Menschwerdung ist also das Zeichen dafür, daß eine neue Heiligkeit in die Welt gekommen ist. Es ist die Heiligkeit der göttlichen Person des 97 AUDIENZEN UND ANGELUS Ewigen Wortes, das in der hypostatischen Union mit der Menschheit den Sohn Marias in seiner Wirklichkeit vollkommen durchdringt und heiligt, seine Seele und seinen Leib. Durch das Wirken des Heiligen Geistes ist die Heiligkeit des Menschensohnes das Prinzip und die fortwährende Quelle der Heiligkeit in der Geschichte des Menschen und der Welt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35). Die Botschaft des Engels an Maria sagt aus, daß der Heilige Geist die Quelle der Heiligkeit des Sohnes ist, den sie gebären soll. So verwirklicht sich bei der Menschwerdung des Ewigen Wortes in der angenommenen menschlichen Natur eine einzigartige Fülle der Heiligkeit, die die jedes anderen Heiligen übersteigt. Diese Heiligkeit des Gottessohnes als Mensch, als Sohn Marias - eine ursprüngliche Heiligkeit, die in der hypostatischen Union wurzelt - ist Werk des Heiligen Geistes, der fortfährt, in Jesus zu wirken bis hin zum österlichen Geheimnis des Leidens und Sterbens und der Auferstehung. Wie der Vater seinen Sohn durch den Heiligen Geist in die Welt gesandt hat, so „heiligt“ er auch diesen Sohn in seinem Menschsein durch das Wirken des Heiligen Geistes. Der Heilige Geist, der Urheber der Heiligung aller Menschen ist, ist besonders der Urheber der Heiligung des von Maria empfangenen und geborenen Menschen, wie auch der seiner reinsten Mutter. Die Heiligung des Gottessohnes bezieht sich auf sein ganzes Menschsein, auf seine Seele und auf seinen Leib. In klarer und deutlicher Weise hat dies der Evangelist Johannes ausgedrückt, der gleichsam den leiblichen Aspekt der Inkarnation unterstreichen zu wollen scheint: „Das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Durch das Wirken des Heiligen Geistes wird bei der Inkarnation des Ewigen Wortes jene Konkubiszenz überwunden, von der der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer schreibt und die den inneren Menschen zerreißt. Von ihr befreit das „Gesetz des Geistes“ (Röm 8,2), so daß jener, der aus dem Geist lebt, auch den Weg des Geistes geht. Die Frucht des Wirkens des Heiligen Geistes ist die Heiligkeit des ganzen Menschseins Christi. Zu erwähnen ist hier auch, daß der Leib, der durch das Geistwirken vom Anfang der Empfängnis zum Menschsein des Gottessohnes gehört, in der Eucharistie geistige Speise werden sollte. Als er die Einrichtung dieses wunderbaren Sakramentes ankündet, unterstreicht Jesus, daß im Zeichen des Brotes unter dem Wirken des Heiligen Geistes sein Fleisch zur Speise der Menschen werden wird, die Leben gibt. Das Mysterium der Inkarnation bezeichnet schließlich den Eintritt einer neuen Heiligkeit in die Welt: Durch das Wirken des Heiligen Geistes konstituiert die Heiligkeit des Menschensohnes das Prinzip und die fortdauernde Quelle der Heiligkeit in der Geschichte des Menschen und der Welt. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Teilnehmern an der Romwallfahrt der Erzdiözese München-Freising anläßlich der Altarweihe in Santo Stefano Rotonda, der Titelkirche unseres geschätzten Herrn Kardinal Friedrich Wetter. Unter den Teilnehmern sind eine große Gruppe aus der Pfarrei Jetzendorf sowie Pilger aus Passau und Jugendliche ungarischer Ab- 98 AUDIENZEN UND ANGELUS stammung, die in Deutschland leben. Ihr habt Euren Kardinal nach Rom begleitet und damit auch Eure Verbundenheit mit dem Nachfolger des hl. Petrus bekundet. Ferner begrüße ich die Gruppe von Lesern der Wochenzeitung „Konradsblatt“ aus der Erzdiözese Freiburg sowie das Volkstheater Sankt Konrad aus Weiden und eine Gruppe des Katholischen BildungsWerkes Wunsiedel aus Marktredwitz. Euch allen und Euren Angehören in der Heimat erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Erneuere das Gesicht der Erde Geistlicher Besuch in Jasna Göra „Dein Geist komme herab und erneuere das Gesicht der Erde!“ Am Pfingstsonntag sind die Apostel aus dem Abendmahlssaal herausgetreten und haben begonnen, der Stadt Jerusalem und den Pilgern, die zum Fest gekommen waren, Zeugnis für Christus zu geben. Der Pfingstsonntag kehrt jedes Jahr wieder. Die Kirche tritt aus dem Abendmahlssaal heraus, geht auf der Erde hierhin und dorthin und stellt sich der Welt vor. Sie stellt sich den Menschen vor, die die Welt von heute aufbauen. In diesem Jahr findet die Kirche am Pfingstfest in unserem Land und auch bei unseren Nachbarn und den uns verwandten Brüdern und Schwestern die gleichen Menschen; aber die Welt, an der sie bauen, hat zahlreiche Veränderungen erfahren. Wie muß nun die Kirche angesichts dieser Welt Zeugnis für Christus geben? Das „Vatikanische Konzil richtet an alle die Mahnung,... daß sie danach streben, Menschen zu bilden, die der sittlichen Ordnung gemäß der gesetzlichen Autorität gehorchen und zugleich Liebhaber der echten Freiheit sind; Menschen, die die Dinge nach eigener Entscheidung im Licht der Wahrheit beurteilen, ihr Handeln verantwortungsbewußt ausrichten und bemüht sind, was immer wahr und gerecht ist, zu erstreben, wobei sie zu gemeinsamem Handeln sich gern mit anderen zusammenschließen“ (Dignitatis humanae, Nr. 8). Die Kirche unserer Zeit hat treu die Menschenrechte verteidigt. Nun muß der Mensch unter den veränderten Verhältnissen aufs neue zum „Weg der Kirche“ werden. Die Gottesmutter, die im Abendmahlssaal von Jerusalem mit den Aposteln betete, betet mit uns im Abendmahlssaal in Jasna Göra. Es ist das Gebet um das Neuwerden des Gesichts der Erde unter dem Wirken des Heiligen Geistes, des Beistands: des Geistes der Wahrheit. 99 AUDIENZEN UND ANGELUS Diener des Geistes Angelus am 10. Juni Liebe Schwestern und Brüder! 1. Heute morgen hatte ich die Freude, 47 jungen Männern die Priesterweihe zu erteilen. Indem ich sie beglückwünsche zu dem von Gott empfangenen, einzigartigen Geschenk, rufe ich sie auf, alles daranzusetzen, daß die Gnade, die ihnen durch die Auflegung der Hände zuteil geworden ist (vgl. 2 Tim 1,6), für den Leib Christi, die Kirche, Frucht trägt (vgl. Kol 1,24). Sie werden dies erreichen, wenn sie versuchen, sich den Eingebungen des Geistes, der in ihnen wirkt, zu fügen. Das Priesteramt wird ja im Namen Christi ausgeübt, aber es ist Werk des Heiligen Geistes, denn durch den Geist teilt der Erlöser seine Heiligkeit und sein Leben der Menschheit mit. Bei der Priesterweihe ist es das Geschenk des Heiligen Geistes, das den Priester dazu befähigt, seine Sendung zu erfüllen. 2. Die Priesterausbildung, über die die nächste Synode nachdenken wird, ist deshalb Heranbildung zum Dienst des Geistes (vgl. 2 Kor 3,6.8). Die Priesteramtskandidaten müssen sich daran gewöhnen, in inniger Verbundenheit mit dem Heiligen Geist zu leben und zu handeln. Die Ausbildung zielt dahin, Männer „voll Geist und Weisheit“ zur Weihe zu führen, wie es der heilige Petrus bei der ersten Priesterweihe für den Dienst der Kirche gefordert hat (Apg 6,3). Der Priester braucht den Antrieb und das Licht des Heiligen Geistes zur Ausübung seiner verschiedenen Funktionen. Um das Wort zu verkündigen, muß er das Licht des Geistes erflehen, damit er den Sinn der Lehre, die er erteilen soll, gut versteht und sie in treuer und seinen Zuhörern angemessener Weise darlegt. Wenn der Priester die Eucharistie feiert, ruft er in der Epiklese den Heiligen Geist an für die Wandlung des Brotes und Weines in den Leib und das Blut Christi und für die Wirksamkeit des Mahles, der Kommunion. Wenn er die Sakramente spendet, handelt er unter dem Einwirken des Heiligen Geistes, des Urhebers aller Heiligung. In der Rolle des Hirten, in der er die Gemeinde leitet, kann er seine Aufgabe nicht erfüllen, wenn er sich nicht der Führung des Heiligen Geistes überläßt. <39> <39> Der erleuchtete Priester wird deshalb sein Vertrauen nicht auf die eigenen Fähigkeiten, sondern auf die geheime Kraft des Heiligen Geistes setzen, der in ihm wirkt, um das Leben Christi in den Herzen der Menschen zu verbreiten. Pläne, Programme und persönliche Anstrengungen werden nur durch das unsichtbare, oft unerwartete, aber immer mächtige Einwirken des Heiligen Geistes Frucht bringen. Indem er sich daran gewöhnt, bei der Ausübung seiner Sendung auf den Heiligen Geist zu zählen, neigt der Priester auch dazu, das Wirken des Geistes in seinen Mitarbeitern und in allen Gliedern der christlichen Gemeinschaft zu erkennen und zu achten. Bitten wir Maria, die ihr Herz ganz dem Wirken des Heiligen Geistes geöffnet hat, sie möge für die Kirche Priester gewinnen, die wahre Diener des Geistes sind. 100 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Einen herzlichen Gruß richte ich an alle Pilger, die aus Rom, Italien und dem Ausland sich hier zum Mariengebet versammelt haben. Ich grüße besonders die Anwärter der Fokolar-Bewegung, die in Castel Gandolfo zu einem geistlichen Emeuerungskurs zusammengekommen sind, sowie die Pilger der Mailänder Pfarreien Sant’Apollinare, San Donato und Ss. Apostoli Pietro e Paolo in Mezzate. Ich wünsche euch, daß eure Treffen in Rom, verbunden mit Gebet, euch wahrhaft wirksame Formen und Weisen eures Apostolats finden lassen und euch lehren, wie ihr euren Eifer und eure Liebe zu Gott und dem Nächsten angemessen zum Ausdruck bringt. Frieden für Liberia Aufruf zur Beendigung des Bürgerkriegs in Liberia Brüder und Schwestern im Herrn, ich möchte die Gelegenheit dieser sonntäglichen Begegnung ergreifen und euch auffordem, noch in einer besonderen Meinung zu beten. Es geht darum, den Herrn um Frieden für Liberia zu bitten, das seit vergangenem Dezember unter einem blutigen Bürgerkrieg leidet. In diesen Tagen wurden die Kämpfe noch verstärkt und forderten eine hohe Anzahl von Todesopfern und Verwundeten. Bitten wir gemeinsam den Herrn, er möge die streitenden Parteien veranlassen, den Bruderkrieg zu beenden, die Waffen niederzulegen und ein Klima der Eintracht und Ausgewogenheit für die uns so liebe, nahestehende afrikanische Nation zu schaffen. Maria, Königin des Friedens, erbitte uns dieses Geschenk! Der Heilige Geist wirkte in Maria Ansprache bei der Generalaudienz am 13. Juni 1. Die Wahrheit über den Heiligen Geist erscheint klar im Text der Evangelien, die einige Momente des Lebens und der Sendung Christi beschreiben. Die jungfräuliche Empfängnis und die Geburt Jesu aus Maria durch das Wirken des Heiligen Geistes haben wir bereits überdacht, frn „Kindheitsevangelium“ sind weitere Stellen, auf die wir unser Augenmerk richten müssen, denn in ihnen wird besonders das Handeln des Heiligen Geistes hervorgehoben. Eine dieser Stellen ist gewiß der Bericht des Evangelisten Lukas über den Besuch Marias im Hause Elisabets. Wir lesen: „Nach einigen Tagen machte sich Maria auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa“ (Lk 1,39). Allgemein glaubt man, daß es sich um den Ort Ain-Karim handelt, sechs Kilometer westlich von Jerusalem gelegen. Maria begibt sich dorthin, um ihrer Verwandten Elisabet, die älter ist als sie, beizustehen. Maria geht dorthin nach der Verkündigung, die durch diesen Besuch gleichsam ergänzt wird. Denn der Engel 101 AUDIENZEN UND ANGELUS hatte zu Maria gesagt: „Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat. Denn für Gott ist nichts unmöglich“ (Lk 1,36-37). Maria „eilt“ zu Elisabet, gewiß aus einem Herzensbedürfnis heraus, um ihr in den letzten Monaten der Schwangerschaft wie eine leibliche Schwester einen Liebesdienst zu erweisen.. Aus ihrem empfänglichen und gütigem Herzen erwächst das Gefühl der Solidarität unter Frauen, die bezeichnend ist für diesen Umstand. Aber zu diesem psychologischen Hintergrund gehört wahrscheinlich auch die Erfahrung einer besonderen Gemeinschaft, entstanden zwischen ihr und Elisabet bei der Verkündigung durch den Engel: der von Elisabet erwartete Sohn wird in der Tat der Vorläufer Jesu und sein Täufer im Jordan sein. 2. Aus dieser Gemeinschaft des Geistes erklärt sich, warum der Evangelist Lukas bemüht ist, das Wirken des Heiligen Geistes bei der Begegnung der beiden werdenden Mütter ins Licht zu setzen: Maria „ging in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabet. Als Elisabet den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leib. Da wurde Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt“ (Lk 1,40-41). Dieses Wirken des Heiligen Geistes, das Elisabet besonders tief erfuhr, als sie Maria begegnete, steht im Bezug zu der geheimnisvollen Bestimmung des Sohnes, den sie in ihrem Schoß trägt. Bereits der Vater des Kindes, Zacharias, hatte während seines Priesterdienstes im Tempel bei der Ankündigung der Geburt des Sohnes gehört: „Schon im Mutterleib wird er vom Heiligen Geist erfüllt sein“ (Lk 1,15).. Als Maria bei dem Besuch die Türschwelle des Hauses von Elisabet überschreitet - und mit ihr überschreitet sie auch er, der schon die „Frucht ihres Leibes“ ist -, macht sich die Gegenwart des Heiligen Geistes in Elisabet bemerkbar. Sie selbst bezeugt es in dem Gruß, den sie an die junge Mutter richtet, die gekommen ist, sie zu besuchen. 3. Gemäß dem Lukasevangelium rief Elisabet „mit lauter Stimme: Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes.. Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? In dem Augenblick, als ich deinen Gruß hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leib. Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1,42-45). In wenigen Zeilen berichtet der Evangelist uns vom Aufschrecken Elisabets, vom frohen Hüpfen des Kindes in ihrem Schoß, von der zumindest verworrenen Wahrnehmung der mes-sianischen Identität des Kindes, das Maria in ihrem Schoß trägt, und von der Erkenntnis, daß Maria an die ihr vom Herrn gemachte Offenbarung geglaubt hatte. Lukas verwendet von dieser Stelle an den göttlichen Beinamen „Herr“, nicht nur um von Gott, der offenbart und verheißt („was der Herr ihr sagen ließ“), zu sprechen, sondern auch von Jesus, dem Sohn Marias, der im Neuen Testament vor allem als Auferstandener so genannt wird (vgl. Apg 2,36; Phil 2,11). Hier muß er noch geboren werden. Aber Elisabet spürt nicht weniger als Maria seine messianische Bedeutung. <40> <40> Das heißt, daß Elisabet, „vom Heiligen Geist erfüllt“, in die Tiefe des Geheimnisses der Ankunft des Messias eingeführt wird. Der Heilige Geist wirkt in ihr diese besondere Erleuchtung, die ihren Ausdruck findet in dem Gruß, den sie an Maria richtet. Elisabet spricht 102 AUDIENZEN UND ANGELUS so, als ob sie Augenzeugin und Teilnehmerin der Verkündigung in Nazaret gewesen sei. Sie faßt in ihren Worten das Geheimnis zusammen, das in jenem Augenblick in Maria gewirkt wurde; indem sie sagt, daß „die Mutter meines Herrn zu mir kommt“, nennt sie das Kind, das Maria (seit kurzem) in ihrem Schoß trägt, „meinen Herrn“. Und dann preist sie Maria „mehr gesegnet als alle anderen Frauen“, und fügt hinzu: „Selig ist die, die geglaubt hat“, als wolle sie auf die Haltung und das Verhalten der Magd des Herrn anspielen, die dem Engel mit ihrem „fiat“ geantwortet hatte: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). 5. Der Bericht des Lukas bekundet seine Überzeugung, daß sowohl in Maria als auch in Elisabet der Heilige Geist handelt, der sie erleuchtet und inspiriert. Wie der Heilige Geist Maria das Geheimnis der in Jungfräulichkeit verwirklichten Messiasmutterschaft erkennen ließ, so verleiht er Elisabet die Fähigkeit, den zu entdecken, den Maria in ihrem Schoß trägt, und das, wozu Maria im Heilsplan berufen ist: „Mutter des Herrn“ zu sein. Und das gibt ihr den inneren Antrieb, der sie drängt, diese Entdeckung „mit lauter Stimme“ zu verkünden (Lk 1,42), mit dem Entzücken und der Freude, die auch Frucht des Heiligen Geistes sind. Die Mutter des zukünftigen Predigers und Täufers vom Jordan schreibt diese Freude dem Kind zu, das sie seit sechs Monaten in ihrem Schoß trägt: „Das Kind hüpfte vor Freude in meinem Leib.“ Sohn und Mutter finden sich in einer Art geistlicher Symbiose vereint, weshalb die Begeisterung des Kindes beinahe ansteckend wirkt auf die, die ihn empfangen hatte. So ruft Elisabet mit lauter Stimme und drückt die Freude aus, die sie mit ihrem Sohn im Innersten verbindet, wie Lukas uns bezeugt. 6. Und weiter erzählt Lukas, daß aus Marias Seele ein Lobgesang dringt, das Magnifikat, in dem auch sie ihre Freude ausdrückt: „Mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,47). Maria war im Dienst des Wortes Gottes erzogen, das sie durch Lesen und Meditieren der Heiligen Schrift kennengelemt hatte; in jenem Augenblick fühlte sie aus der Tiefe ihrer Seele die Verse des Dankliedes von Hanna, der Mutter Samuels, (vgl. 1 Sam 2,1-10) und anderer Stellen aus dem Alten Testament aufsteigen, um ihren Gefühlen als „Tochter Sions“ freien Lauf zu lassen, die in ihr die höchste Verwirklichung fand. Das hatte der Evangelist Lukas gut verstanden aufgrund der vertraulichen Mitteilungen, die er direkt oder indirekt von Maria erhalten hatte. Unter diesen Mitteilungen mußte auch jene sein über die Freude, die die beiden Mütter bei jener Begegnung verband als Frucht der Liebe, die in ihrem Herzen schlug. Es war der dreifältige Geist der Liebe, der sich an der Schwelle der „Fülle der Zeit“ (vgl. Gal 4,4) offenbarte, die mit dem Geheimnis der Menschwerdung des Wortes begonnen hatte. Bereits in jenem seligen Augenblick verwirklichte sich das, was Paulus sagte: „Die Fmcht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede“ (Gal 5,22). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die Wahrheit über den Heiligen Geist erscheint klar im Text der Evangelien, die einige Monate des Lebens und der Sendung Christi beschreiben. Die jungfräuliche Empfängnis und die Geburt Jesu aus Maria durch das Werk des Heiligen Geistes haben wir bereits überdacht. Im „Kindheitsevangelium“ sind weitere Stellen, denen wir unsere Aufmerksamkeit zuwenden müssen; denn darin wird in besonderer Weise das Handeln des Heiligen Geistes hervorgehoben. 103 AUDIENZEN UND ANGELUS Eine dieser Stellen ist mit Sicherheit der Bericht des Lukas über den Besuch Mariens im Hause Elisabets. Sie begibt sich zu ihr nach der Verkündigung, zu der der Besuch bei Elisabet gleichsam zur Ergänzung wird. Maria begibt sich „in Eile“ zu ihrer Verwandten; es ist ihr ein Herzensbedürfnis, ihr in diesen Monaten der Schwangerschaft einen Dienst zu erweisen. Auf die Ankündigung des Engels hin entsteht zwischen Maria und Elisabet eine besondere Gemeinschaft: der von Elisabet erwartete Sohn wird in der Tat der Vorläufer Jesu und sein Täufer im Jordan sein. Im Augenblick der Heimsuchung, als Maria über die Schwelle zum Haus Elisabets tritt, macht sich jene Anwesenheit des Heiligen Geistes bei Elisabet bemerkbar. Sie selbst bezeugt ihn im Gruß, den sie an die junge Mutter richtet, die gekommen ist, sie zu besuchen. Elisabet, „voll des Heiligen Geistes“, wird so in die Tiefen des Geheimnisses der Ankunft des Messias eingeführt. Der Heilige Geist bewirkt in ihr diese besondere Erleuchtung, die ihren Ausdruck im an Maria gerichteten Gruß findet. Elisabet spricht so, als ob sie Augenzeugin der Verkündigung in Nazaret gewesen sei. Der Lukastext bekräftigt die Überzeugung, daß sowohl in Maria als auch in Elisabet der Heilige Geist handelt, der sie erleuchtet und inspiriert. Aus der Seele Mariens drängt ein Freudengesang, das Magnifikat: „Mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,47). Mit dieser Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Euch allen und Euren Angehörigen in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich gerne meinen Apostolischen Segen. Dank für das Geschenk der Taufe Geistlicher Besuch in Jasna Gora „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Im Jahr 1966 dankte die Kirche in Polen zusammen mit der ganzen Nation der Heiligsten Dreifaltigkeit für das Geschenk der Taufe vor tausend Jahren. Im Jahr 1988 dankten die Christen für das Geschenk der Taufe in all jenen Nationen, die den Ursprung ihres christlichen Glaubens und ihrer Geschichte in Kiew haben: Rußland, die Ukraine, Weißrußland. Vor tausend Jahren tat Großfürst Wladimir von Kiew dasselbe, was kurz zuvor der polnische Großfürst Mieszko getan hatte. Die Gottesmutter auf ihrem Bild in Jasna Göra wendet sich zugleich nach Westen und nach Osten. Seit dem Pfingsttag im Abendmahlssaal von Jerusalem ist sie die Mutter der Kirche auf der ganzen Erde, unter allen Völkern. Welch große Glaubensprüfung ist der Tausendjahrfeier der Taufe der Rus’ vorangegangen! Wie viele Menschenleben hat diese Prüfung verschlungen, wie viele Leiden hat sie auferlegt! Und wie viele heroische Zeugnisse hat sie gleichzeitig hervorgebracht, ähnlich jenen der christlichen Märtyrer in den ersten Jahrhunderten und danach. Eine gewaltige, der Welt noch unbekannte Märtyrergeschichte - und zugleich ein Lebensbuch, das nur Gott allein kennt: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. 104 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Jahr 1989 hat gezeigt, daß es nicht gelungen ist, den Namen des lebendigen Gottes von der Erde der Lebenden zu tilgen. Zusammen mit unseren Brüdern und Schwestern sagen wir Dank an vielen Orten der Erde für die Tausendjahrfeier der Taufe der Rus’. Wir sagen Dank auch in Jasna Göra. Gottes Liebe verläßt uns nie Angelus in Orvieto am 17. Juni Liebe Schwestern und Brüder! 1. Mit dem Angelusgebet richtet sich unser Denken verehrungsvoll auf die Gottesmutter Maria. Ihr, die verehrt wird als die mit Leib und Seele in den Himmel Aufgenommene, ist diese berühmte Kathedrale gewidmet; ihr mit dem Beinamen „Annunziata“ ist die Konkathedrale von Todi geweiht, die reich ist an eindrucksvollen geschichtlichen Denkmälern. Dieses Land ältester christlicher Glaubenstradition bewahrt ein beispielhaftes Vertrauen und die Verehrung zur Gottesmutter. Die Zeit der Arbeit und der Ruhe läuft im Rhythmus der Anrufung Marias, deren mütterlicher Schutz unseren Geist ermutigt und ihm neue Kraft inmitten der Lebenschwierigkeiten einflößt. 2. Diese innige Liebe zur Mutter des Erlösers findet Ausdruck in den Kirchen, den Kapellen, den Wallfahrtsorten, die im Bereich der Diözese verstreut sind. Diese Gotteshäuser, im Laufe der Jahrhunderte als Stätten religiöser Lebenskraft und geistliche Bezugspunkte für die Gläubigen entstanden, sind beredte Zeugnisse der Kunst, der Geschichte und der Zivilisation. Neben der Kathedrale und der Konkathedrale, die als die hauptsächlichen Marienheiligtümer der Diözese zu betrachten sind, möchte ich an die der Madonna del Campione von Todi, der Madonna della Luce in Collelungo di San Vincenzo und der Madonna della Maestä in Ficul-le erinnern. 3. In eurer Diözese gibt es jedoch nicht nur Marienheiligtümer. Zu denken ist auch beispielsweise an das berühmte eucharistische Heiligtum von Bolsena und das der Erbarmenden Liebe in Collevalenza. Ich hatte die Freude, letzteres im Jahr 1981 zu besuchen; dort habe ich beim Angelusgebet der göttlichen Vorsehung gedankt und das Erbarmen des himmlischen Vaters angerufen im Hinblick auf das bekannte Geschehnis, das meine Person betraf. Die erbarmende Liebe Gottes verläßt uns nie. Sie ist auch durch die wachsame Fürsprache Marias vor allem in den Augenblicken der Not und der Prüfung am Werk. Liebe Schwestern und Brüder, vergessen wir es nie! Und denken wir auch daran, daß das göttliche Erbarmen - wie es das heutige Hochfest des Leibes und Blutes des Herrn betont - durch die heüige Menschheit Christi wirkt, die uns von seiner Mutter geschenkt wurde. 105 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: In besonderer Weise grüße ich euch, liebe Kranken und Insassen des Krankenhauses S. Maria della Stella. Jedem gilt mein liebevoller Trost mit herzlichen Wünschen für euch und eure Familien, für das Sanitätspersonal und für alle, die euch beistehen. Durch eure Anwesenheit erinnert ihr uns alle daran, daß das Leiden eine günstige Gelegenheit für das geistliche Wachstum ist, wenn es in Gemeinschaft mit Jesus angenommen und dargebracht wird. Die heilige Jungfrau, Heil der Kranken, helfe jedem, mit Liebe den Willen Gottes anzunehmen und in ihm einen von der Vorsehung gewollten Plan des Erbarmens zu erkennen. Weiter möchte ich euch Organisatoren und Darsteller des historischen Umzugs beglückwünschen; ihr habt, einem nunmehr jahrzehntelangem lobenswertem Brauch folgend, an der eucharistischen Prozession heute teilgenommen. Durch eure schönen Kostüme und eure würdevolle Haltung habt ihr diesen Gottesdienst noch festlicher gestaltet. Ich danke euch herzlich für eure Anwesenheit und ermutige euch, an diesen Traditionen, die ein ausdrucksvoller Teil des Erbes des Volksglaubens sind, festzuhalten. Gottes Geist führt und bewegt uns Ansprache bei der Generalaudienz am 20. Juni 1. Nach dem von Lukas verfaßten „Kindheitsevangelium Jesu“ offenbarte sich der Heilige Geist nicht nur bei der Verkündigung und beim Besuch Marias bei Elisabet, sondern — wie wir in den vorhergehenden Katechesen gesehen haben - auch bei der Darstellung des Jesuskindes im Tempel am 40. Tag nach der Geburt (vgl. Lk 2,22-38). Es ist das erste einer ganzen Reihe von Geschehnissen im Leben Christi, in denen sich die Wahrheit des Geheimnisses der Menschwerdung entfaltet zusammen mit dem der wirkenden Gegenwart des Heiligen Geistes. <41> <41> Der Evangelist schreibt: „Dann kam für sie der Tag der vom Gesetz des Mose vorgeschriebenen Reinigung. Sie brachten das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn zu weihen“ (Lk 2,22). Die Weihe des Erstgeborenen im Tempel und das damit verbundene dargebrachte Opfer (vgl. Lk 2,24) als Zeichen der Reinigung des kleinen Israeliten, der so in das Leben seiner Familie und seines Volkes zurückkehrte, war vom Gesetz des Mose, das im Alten Bund gültig war, vorgeschrieben oder zumindest empfohlen (vgl. Ex 13,2.12-13.15; Lev 12,6-8; Num 18,15). Die frommen Juden hielten sich an diesen Gottesdienst. Nach Lukas war der Ritus, den die Eltern Jesu nach dem Gesetz vollzogen, Anlaß für ein neues Eingreifen des Heiligen Geistes, der diesem Geschehen eine messianische Bedeutung gab und es in das Geheimnis Christi, des Erlösers, einfügte. Auserwähltes Werkzeug dieser neuen Offenbarung war ein frommer betagter Mann, von dem Lukas schreibt: „In Jerusalem lebte damals ein Mann namens Simeon. Er war gerecht und fromm und wartete auf die Rettung Israels, und der Heilige Geist ruhte auf ihm“ (Lk 2,25). Es geschah also in der heiligen Stadt, 106 AUDIENZEN UND ANGELUS in dem Tempel, um den die ganze Geschichte Israels kreiste und wo die Hoffnungen zusammenströmten, die auf den alten Verheißungen und Prophetien gründeten. 3. Er ist der Mann, der auf die „Rettung Israels“ wartete, das heißt, er ist vorbereitet worden auf die Begegnung mit „dem, der kommen sollte“. Denn wir lesen: „der Heilige Geist ruhte auf ihm“, er handelte in ihm und hatte ihm offenbart, „er werde den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe“ (Lk 2,26). Nach dem Lukasbericht ist die Erwartung des Messias voll Sehnsucht, Hoffnung und innerer Gewißheit, daß er ihn mit eigenen Augen sehen werde, das Zeichen für das Wirken des Heiligen Geistes, der inspiriert, erleuchtet und führt. Denn am Tag, an dem Maria und Josef Jesus in den Tempel brachten, begab sich auch Simeon dorthin, „vom Geist geführt“, wie Lukas sagt (Lk 2,27). Die Eingebung des Heiligen Geistes kündigte ihm nicht nur die Begegnung mit dem Messias an, riet ihm nicht nur, in den Tempel zu gehen, sondern bewog und führte ihn gleichsam; und im Tempel angekommen, erlaubte sie ihm, in dem Kind Jesus, dem Sohn Marias, den zu erkennen, auf den er gewartet hatte. 4. Lukas schreibt: „Als die Eltern Jesus hereinbrachten, um zu erfüllen, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott“ (Lk 2,27-28). Jetzt legt der Evangelist dem Simeon den allbekannten Lobgesang „Nunc dimittis“ in den Mund, den die Liturgie uns jeden Tag zur Stunde der Komplet wiederholen läßt, wenn der Sinn der Zeit, die vorübergeht, besonders spürbar wird. Die tiefgehenden Worte des Simeon, der dem Zeitpunkt nahe ist, „in Frieden zu scheiden“, öffnen den Weg für die immer neue Hoffnung auf Rettung, die in Christus ihre Erfüllung findet: „Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2,30-32). Es ist eine Ankündigung der universalen Evangelisierung, eine Botschaft des Heils, das von Jerusalem, von Israel ausgeht, aber durch den Erlöser-Messias kommt, auf den sein Volk und alle Völker warten. 5. Der Heilige Geist, der in Simeon wirkt, ist gegenwärtig und handelt auch in all denen, die zu allen Zeiten wie der fromme betagte Mann sich zu Gott wandten und an seine Verheißungen glaubten. Lukas bietet uns ein anderes Beispiel für diese Wirklichkeit, dieses Geheimnis: es ist die „Prophetin“ Hanna, die schon als junge Frau, nachdem sie Witwe geworden war, „sich ständig im Tempel aufhielt und Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten diente“ (vgl. Lk 2,37). Sie war also eine Gott geweihte Frau und besonders fähig, im Licht seines Geistes seine Pläne zu erfassen und seine Weisungen zu verstehen: In diesem Sinn war sie „Prophetin“ (vgl. Ex 15,20; Ri 4,4; 2 Kön 22,14). Lukas spricht nicht ausdrücklich von einem besonderen Wirken des Heiligen Geistes in ihr. Und trotzdem stellt er sie neben Simeon sowohl beim Lob Gottes als auch beim Sprechen von Jesus: „In diesem Augenblick nun trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten“ (Lk 2,38). Zweifellos war auch sie wie Simeon vom Heiligen Geist bewogen worden, Jesus zu begegnen. 6. Die prophetischen Worte von Simeon (und Hanna) künden nicht nur das Kommen des Erlösers in die Welt, seine Gegenwart unter dem Volk Israel an, sondern auch sein Erlösungsopfer. Dieser zweite Teil der Prophetie ist direkt an Maria gerichtet: „Dieser ist dazu bestimmt, daß in 107 AUDIENZEN UND ANGELUS Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,34-35). Man kann nicht umhin, an den Heiligen Geist zu denken als den Antrieb zu dieser Vorhersage des Leidens Christi, das der Weg ist, auf dem er die Erlösung wirken sollte. Bedeutsam ist vor allem die Tatsache, daß Simeon von dem zukünftigen Leiden Christi spricht und an das Herz der Mutter denkt, die mit ihrem Sohn verbunden ist und das Widersprechen Israels und der gesamten Welt erträgt. Simeon nennt das Kreuzesopfer nicht beim Namen, sondern überträgt die Prophetie auf das Herz Marias, „durch das ein Schwert dringen“ wird, denn sie hat teil am Leiden des Sohnes. 7. Die von Simeon inspirierten Worte erhalten noch größere Bedeutung, wenn sie im Gesamtkontext des „Kindheitsevangeliums Jesu“, das Lukas schrieb, betrachtet werden, weil sie diesen ganzen Lebensabschnitt unter das besondere Wirken des Heiligen Geistes stellen. So versteht man besser diese Bemerkung des Evangelisten über das Staunen Marias und Josefs angesichts dieser Geschehnisse und dieser Worte: „Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden“ (Lk 2,33). Über diese Ereignisse und diese Worte berichtet derselbe Lukas, der als Verfasser der Apostelgeschichte das Pfingstgeschehen beschreibt: die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel und Jünger - gemäß der Verheißung Jesu -, die sich nach der Himmelfahrt des Herrn im Abendmahlssaal um Maria versammelt hatten. Das Lesen der „Kindheitsgeschichte Jesu“ beweist schon, daß der Evangelist besonders empfänglich war für die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes in allem, was das Geheimnis der Menschwerdung vom ersten bis zum letzten Augenblick des Lebens Christi betraf. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In Fortsetzung unserer Glaubensbetrachtung über Gottes Geist in der „Kindheitsgeschichte Jesu“ bei Lukas tut sich uns auf, daß das Wirken des Heiligen Geistes sich nicht nur bei der Verkündigung und beim Besuch Marias bei Elisabet offenbart, sondern auch bei der Darstellung Jesu im Tempel (vgl. Lk 2,22-38). Gemäß Lukas wirkt anläßlich der Darstellung Jesu im Tempel der Heilige Geist im greisen und gottesfürchtigen Simeon, der auf die Ankunft des Messias wartete und den er nach einer Offenbarung vor seinem Tod noch schauen werde (vgl. Lk 2,25 ff.). Wie Lukas weiter beschreibt, nimmt Simeon das Kind, als seine Eltern es in den Tempel brachten, in seine Arme, lobte und pries Gott und rief aus: „Meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2,30-32). In diesen Worten des greisen Simeon kündet sich bereits das Evangelium vom universalen Heil an, das von Jerusalem, von Israel durch den Erlöser-Messias ausgeht und das allen Menschen gilt. Die prophetischen Worte Simeons weisen aber nicht nur auf die Ankunft des Messias und seine Gegenwart in Israel hin, sondern auch auf sein Erlösungsopfer. An Maria gewandt, sagt Simeon: „Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele 108 AUDIENZEN UND ANGELUS aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler offenbar werden. Dir selber aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,34-35). Für Lukas ist niemand anderer als der Heilige Geist Inspirator dieser Prophetie der Passion Christi. Ja, für den Evangelisten und Verfasser der Apostelgeschichte, in der er uns das Pfing-stereignis beschreibt, ist der Heilige Geist überhaupt im Gesamten der Kindheitsgeschichte stets gegenwärtig und wirkt in und durch die verschiedenen beteiligten Personen. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich herzlich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Ich wünsche Euch frohe und geistig reiche Tage in der „Ewigen Stadt“ und erteile Euch für eine gute Rückkehr sowie allen Euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gelobt sei Jesus Christus! Dank für die Treue der Ukraine Geistlicher Besuch in Jasna Gora Heute möchte ich dir, Liebe Frau von Jasna Göra, in besonderer Weise für die unierte Kirche der Ukraine danken, die nach langen Jahren die eigenen Rechte wiedererlangt. Ich danke auch für die Tage des 10. und 11. September 1988. Damals versammelte sich in deinem Heiligtum, Gottesmutter, das Volk Gottes der unierten Kirche mit den Oberhirten, um die Heiligste Dreifaltigkeit zu preisen für das Geschenk der Taufe in Kiew vor tausend Jahren. Die Taufe und die Kirche gelangten zu uns von Rom, zu ihnen, zur Rus’, von Byzanz aus. Dies geschah jedoch zur Zeit, als Rom und Byzanz - West und Ost - sich in der einen ungeteilten Kirche befanden. Und als hundert Jahre später die unglückliche Spaltung begann, dauerte gerade in Kiew der Glaube in der ungeteilten Einheit der Kirche noch lange Zeit fort. Während der Jahrhunderte wurden Anstrengungen gemacht, um die Einheit zwischen West und Ost wiederzuerlangen, und der Sitz von Kiew war an diesen Bemühungen beteiligt. Durch die Tausendjahrfeier der Taufe kamen am 10. und 11. September nach Jasna Gora zu dir, Mutter Gottes, die Erben der Union von Brest, die während vier Jahrhunderten an der wiederhergestellten Einheit mit dem Nachfolger des Petrus festgehalten und ihren Glauben und ihre Treue bezeugt, ja sogar mit ihrem Blut besiegelt haben. Heute danken wir für diesen Glauben und diese Treue der Kirche in der Ukraine und auch für die der Kirche jenseits der Karpaten, in Rumänien. Zusammen mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil hoffen wir, daß diese Kirche den Weg der Einheit zwischen Ost und West bereiten wird, den Weg jener Einheit, für die Christus im Abendmahlssaal gebetet hat: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin“ (Joh 17,21). 109 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Priester: Zeuge der Freude Angelus am 24. Juni Liebe Schwestern und Brüder! 1. Am heutigen Hochfest des heiligen Johannes des Täufers stellt die Kirche uns die Gestalt eines außerordentlichen Zeugen Christi vor Augen. Die Pflicht Zeugnis zu geben betrifft in Wirklichkeit das Leben jedes Christen, fordert aber besonders den Einsatz des Priesters. Johannes der Täufer war Zeuge des Kommens des Messias in die Welt und des Beginns seines Heilswerkes inmitten des Volkes Israel. Der Priester ist berufen, Zeuge des auferstandenen Christus zu sein, der unsichtbar, aber wahrhaft gegenwärtig in seiner Kirche ist, die sich darum bemüht, das Evangelium allen Völkern zu verkünden. Um sein Zeugnis wirksam zu machen, muß der Priester ohne zu wanken glauben, daß Christus den Tod besiegt hat und die Mitte einer neuen Menschheit geworden ist. 2. Meine Lieben, manchmal wird die christliche Religion als eine Religion des reinen Verzichts und passiven Annehmens dargestellt, die den Menschen einschränke, oder auch als eine ausschließlich auf das Leiden konzentrierte Religion, die den Horizont des Denkens und des menschlichen Lebens verdunkle. Im Gegenteil, die Religion des auferstandenen Christus ist Verkündigung des Lebens: Sie entfaltet durch das neue Leben in Christus alle Energien des Menschen und bezeugt, daß das Leiden Durchgang zu einer höheren Freude ist. Es ist das Geschehen der Auferstehung, das der christlichen Religion ihre authentischen Züge verleiht. Gewiß, es hebt für den Christen nicht die Notwendigkeit auf, das Kreuz Christi zu erleben und auch einen vorläufigen Triumph der Mächte des Bösen zu erdulden. Das Leben Johannes’ des Täufers - Opfer mutiger Verkündigung des Gesetzes Gottes vor den Mächtigen der Welt - ist in dieser Hinsicht erleuchtend: Getötet durch Herodes im finsteren Gefängnis von Macheronte, wird er jetzt in allen Teilen der Welt verehrt. Die Demütigung seiner scheinbaren Niederlage wurde abgelöst durch die Herrlichkeit des Sieges. Wie Jesus von ihm sagte: Johannes der Täufer war und ist wahrhaftig immer noch „die Lampe, die brennt und leuchtet“ (Joh 5,35). <42> <42> Auch der Priester muß in dieser Gewißheit leben und bei der Ausübung seines Dienstes das Vertrauen auf den Sieg des Erlösers über die Macht des Bösen bekräftigen. Er soll deshalb optimistisch auf die Welt blicken, indem er auf das verborgene Wirken der Erlösungsgnade zählt und alle Enttäuschungen und schlechten Erfahrungen durch die Kraft seiner Hoffnung überwindet. Der Priester muß sich jeden Tag der Freude öffnen, die der auferstandene Christus endgültig als Bestimmung des Menschen gewollt hat; er muß alle Traurigkeit und Prüfungen froh überwinden. Dieses Zeugnis der Freude ist das einzige, das mit der frohen Botschaft übereinstimmt, die nur als Botschaft der Glückseligkeit verkündet werden kann. Bitten wir die Jungfrau Maria, daß die Priesteramtskandidaten nach dem Beispiel des Vorläufers ihres Sohnes Jesus authentische Zeugen des auferstandenen Christus werden, der das Leben schenkt. 110 AUDIENZEN UND ANGELUS Hilfe für den Iran Aufruf zur Hilfe für die Erdbebenopfer im Iran Meine Gedanken wenden sich jetzt all denen zu, die leiden, insbesondere den teuren Völkern des Iran, die durch ein schweres Erdbeben hart geprüft wurden, das Tausende Todesopfer gefordert hat mit ungeheuren Verwüstungen und Zerstörungen. Ich erachte es deshalb als meine Pflicht, alle Anwesenden einzuladen, sich meinem Gebet anzuschließen: der allmächtige und barmherzige Herr schenke den Familien der Verstorbenen seine tröstliche Gegenwart und bewirke in der internationalen Gemeinschaft eine wahre und hochherzige Solidarität zugunsten dieser unserer Brüder und Schwestern. Beten wir darum, daß ihre Leiden gelindert werden. Wachsen in der Gnade und Weisheit Ansprache bei der Generalaudienz am 27. Juni 1. Die „Kindheitsgeschichte“ wird von Lukas mit zwei Texten abgeschlossen, die den ganzen Kreis der Kindheit und Jugend Jesu umfassen. In einem der beiden Texten wird die Begebenheit erzählt, wie Jesus während der Pilgerreise der Heiligen Familie verlorenging und im Tempel wiedergefunden wurde. In keinem dieser Abschnitte wird ausdrücklich der Heilige Geist genannt. Wer aber dem Evangelisten in der Erzählung der Kindheitsereignisse folgt und dann im anschließenden Kapitel weiterliest über die Predigt Johannes des Täufers und die Taufe Jesu im Jordan, wo der unsichtbare Protagonist der Heilige Geist ist (vgl. Lk 3,16.22), versteht die Kontinuität des Gedankengangs und der Erzählung des Lukas; sie stellt auch die Jugendjahre Jesu, im verborgenen Geheimnis von Nazaret gelebt, unter das Wirken des Heiligen Geistes. Die Theologie der Gnade und der Gaben des Heiligen Geistes hilft uns, in die Tiefe dieses Geheimnisses einzudringen, das dann immer die innerste Dimension der Menschlichkeit Jesu ist. <43> <43> In den beiden abschließenden Texten der „Kindheitsgeschichte“ berichtet der Evangelist, daß die Eltern nach der Darstellung im Tempel „nach Galiläa in ihre Stadt Nazaret zurückkehrten“, und er fügt hinzu: „Das Kind wuchs heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit, und seine Gnade ruhte auf ihm“ (Lk 2,40). Und wieder schreibt er am Schluß der Erzählung über die Pilgerreise zum Tempel und die Rückkehr nach Nazaret: „Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,52). Aus diesen Texten geht hervor, daß es eine wahrhaft menschliche Entwicklung Jesu des ewigen Wortes Gottes, gab, das durch die Empfängnis und Geburt aus Maria die menschliche Natur angenommen hat. Die Kindheit, das Heranwachsen, die Jugend sind Abschnitte seines physischen Wachstums („er wuchs heran“), wie es bei allen „aus einer Frau“ 111 AUDIENZEN UND ANGELUS Geborenen geschieht, zu denen auch er mit vollem Recht gehört, wie der heilige Paulus andeutet (vgl. Ga/4,4). Nach dem Lukasbericht gab es in Jesus auch ein geistliches Wachstum. Als Arzt, der ein Augenmerk auf den ganzen Menschen richtete, war Lukas bemüht, die gesamte Wirklichkeit der menschlichen Ereignisse festzuhalten, auch die der Entwicklung des Kindes - bei Jesus wie auch bei Johannes dem Täufer, von dem er ebenfalls schreibt: „Das Kind wuchs heran, und sein Geist wurde stark“ (Lk 1,80). Von Jesus sagt er noch ausführlicher: „Das Kind wuchs heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit, und seine Gnade ruhte auf ihm... er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk2,40.52). In der Sprache des Evangelisten wird das „auf einem Menschen Ruhen“, den Gott zu einer Sendung erwählt hat, dem Heiligen Geist zugeschrieben wie bei Maria (Lk 1,35) und Simeon (Lk 2,26). Das bedeutet Transzendenz, Herrschaft und inneres Handeln dessen, den wir als den „Herrn und Lebensspender“ verkünden. Die Gnade, die - nach Lukas - „auf Jesus ruhte“ und in der er „heranwuchs“, scheint die geheimnisvolle Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes anzudeuten, mit dem Jesus taufen sollte, gemäß der in den vier Evangelien aufgezeichneten Ankündigung des Täufers (vgl. Mt 3,11; Mk 1,8; Lk 3,16; Joh 1,33). 3. Die patristische und theologische Tradition hilft uns, den Lukastext über die „Zunahme an Gnade und Weisheit“ in bezug auf den Heiligen Geist zu interpretieren und zu erklären. Der heilige Thomas nennt, wenn er über die Gnade spricht, sie wiederholt „Gnade des Heiligen Geistes“ (vgl. Summa Theo/,I-II, q.106, a.l), freies Geschenk, in dem sich der göttliche Beistand für das von Ewigkeit her vom Vater geliebte Geschöpf ausdrückt und verwirklicht (vgl. ebd., I, q.37, a.2; q.110, a.l). Und wenn er von der Ursache der Gnade spricht, sagt er ausdrücklich, daß „der Haupturheber der Heilige Geist ist“ (vgl. ebd., I-II, q.l 12, a.l, ad 1,2). Es handelt sich um die Gnade zur Rechtfertigung und Heiligung, die den Menschen in die Freundschaft mit Gott, in das Himmelreich eintreten läßt (vgl. ebd., I-II, q.l 11, a.l). „Gemäß dieser Gnade ist die Sendung des Heiligen Geistes und sein Wohnen im Menschen zu verstehen“ (vgl. ebd., I, q.43, a.3). Und in Christus, durch das persönliche Verbundensein der menschlichen Natur mit dem Wort Gottes, durch die Auserlesenheit seiner Seele und durch seine heiligmachende und rettende Sendung für das ganze Menschengeschlecht gießt der Heilige Geist die Fülle der Gnade ein. Der heilige Thomas bekräftigt dies aufgrund des mes-sianischen Textes von Jesaja: „Der Geist des Herrn läßt sich nieder auf ihm“ (Tes 11,2): „der Geist, der im Menschen ist durch die habituelle (oder heiligmachende) Gnade“ (vgl. Summa Theol., III, q.7, a.l, sed contra); und aufgrund des anderen Textes von Johannes: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14) (vgl. ebd., aa.9-10). Jedoch die Fülle der Gnade stand im Bezug zum Alter: Fülle gab es immer, aber eine mit zunehmendem Alter wachsende Fülle. 4. Dasselbe kann man von der Weisheit sagen, die Christus von Anfang an in der dem Kindesalter angemessenen Fülle besaß. Mit zunehmendem Alter wuchs in ihm diese Fülle in entsprechender Weise. Es handelte sich nicht nur um menschliches Wissen und Weisheit in bezug auf die göttlichen Dinge, die Christus von Gott eingegeben waren durch Mitteilen des in seiner Menschlichkeit subsistierenden Wortes, sondern auch und vor allem um die Weis- 112 AUDIENZEN UND ANGELUS heit als Geschenk des Heiligen Geistes: die höchste der Gaben, die „Vervollkommnung der Fähigkeiten der Seele sind, um sie auf die Führung des Heiligen Geistes vorzubereiten. Nun, wir wissen durch das Evangelium, daß die Seele Christi in vollkommenster Weise vom Heiligen Geist geführt wurde. Denn Lukas berichtet uns: ,Erfüllt vom Heiligen Geist, verließ Jesus die Jordangegend. Darauf führte ihn der Geist... in der Wüste umher’ (Lk4,l). In Christus waren also die Gaben in der höchsten Form vorhanden“ (vgl. ebd., HI, q.7, a.5). Die Weisheit stand an der Spitze dieser Gaben. 5. Man möchte in der Darstellung der wunderbaren Seiten des heiligen Thomas und anderer Theologen fortfahren, die die auserlesene geistliche Größe der Seele Jesu untersucht haben, wo der Heilige Geist bereits in der Kindheit und im Entwicklungsalter vollkommen wohnte und wirkte. Wir können hier nur auf das herrliche Vorbild der Heiligkeit hinweisen, das Jesus in seinem Leben allen konkret bietet, auch den Kindern und Jugendlichen: Sie sind berufen, „an Gnade zuzunehmen und bei Gott und den Menschen Gefallen zu finden“, wie Lukas über das Kind von Nazaret schreibt und wie derselbe Evangelist in der Apostelgeschichte hinsichtlich der Urkirche sagt: „Sie wurde gefestigt und lebte in der Furcht vor dem Herrn. Und sie wuchs durch die Hilfe des Heiligen Geistes“ (Apg 9,31). Es ist ein interessanter Vergleich und sogar eine nicht nur sprachliche, sondern begriffliche Wiederholung des Geheimnisses der Gnade, die Lukas sowohl in Christus als auch in der Kirche gegenwärtig sah als Weiterführung des Lebens und der Sendung des menschgewordenen Wortes in der Geschichte. Teilhaber und bevorzugte Akteure in diesem Wachsen der Kirche unter dem Wehen des Heiligen Geistes sind die vielen Kinder, die die Geschichte und die Hagiographien uns als besonders erleuchtet und von den heiligen Gaben geführt vor Augen halten. Auch in unserer Zeit freut sich die Kirche, sie zu grüßen und sie als besonders klare Abbilder des jungen Jesus, voll des Heiligen Geistes, vorzustellen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die Kindheitsgeschichte Jesu wird von Lukas mit zwei Texten abgeschlossen, die den ganzen Kreis der Jugend Jesu umfassen. Zwischen den beiden Texten lesen wir, wie Jesus während der Pilgerreise der Heiligen Familie nach Jerusalem verlorenging und im Tempel wiedergefunden wurde. In keiner dieser Passagen wird ausdrücklich der Heilige Geist genannt. Aber wenn wir die Kindheitsgeschichte Jesu und das daran anschließende Kapitel über die Predigt Johannes des Täufers und die Taufe Jesu im Jordan genau verfolgen, werden wir feststellen, daß Lukas sehr deutlich auch die Kindheits- und Jugendjahre Jesu unter dem Wirken des Heiligen Geistes sieht. Die wahrhaft menschliche Entwicklung Jesu, des ewigen göttlichen Wortes, das durch die Empfängnis und die Geburt durch Maria die Menschennatur angenommen hat, geht einher mit dem geistlichen Wachsen des Gottessohnes. Lukas war es ein Anliegen, die gesamte Wirklichkeit des menschlichen Seins darzustellen. Die Gnade, mit der Jesus nach Lukas ausgestattet war und in der er zunahm, scheint auf die geheimnisvolle Gegenwart und das Handeln des Heiligen Geistes hinzudeuten, mit dem, gemäß der Ankündigung des Täufers, Jesu taufen würde (vgl. Mt 3,11; Mk 1,8; Lk3,16; Joh 1,33). 113 AUDIENZEN UND ANGELUS In der patristischen und theologischen Tradition war es vor allem Thomas von Aquin, der sich über die Lukasstelle der „Zunahme an Gnade und Weisheit“ äußerte. Die Hauptursache für die Gnade ist nach ihm der Heilige Geist (vgl. Summa Theol., I-II, q.112, a.1-1,2). Die Fülle der Gnade in Jesus bezog sich auf das Alter: die Fülle war zwar immer vorhanden, aber sie wuchs mit der Zunahme des Alters. Das gleiche gilt für die Weisheit: auch sie ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Das Geheimnis der Gnade sah Lukas sowohl in Christus als auch in der Kirche gegeben, die die Fortsetzung des Lebens und der Sendung des menschgewordenen Wortes in der Geschichte darstellt. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sein-herzlich. Mein besonderer Gruß gilt einer Gruppe von Theologiestudenten der Erzdiözese Bamberg. Möge der Heilige Geist reichlich über euch seine Gaben ausbreiten. Euch allen sowie euren Angehörigen in der Heimat erteile ich hierzu von Herzen gern meinen Apostolischen Segen. Einheit zwischen Ost und West Geistlicher Besuch in Jasna Göra Die heiligen Slawenapostel Kyrill und Method stammen aus Thessalonike (die „Brüder aus Thessalonike“). Als wir an ihrem liturgischen Fest in Rom den derzeitigen „Zyklus von Jasna Göra“ begannen, hatten wir das Werk der Evangelisierung und zugleich der Kultur vor Augen, das sie begonnen haben. Durch sie wurde die Einheit mit dem Völkerapostel und auch mit dem gesamten Erbe der griechischen Antike und des Christentums wiederangeknüpft. Wir danken für das Erbe der Brüder von Thessalonike, das unter den slawischen Nationen fortdauert. Für alle Nationen, die auf der Balkanhalbinsel beheimatet sind. Ihre Geschichte führte durch diese Länder; dort stehen die Denkmäler ihres Ruhmes, aber auch das Andenken ihrer Leiden. Im Heiligtum von Jasna Göra wartet die Mutter der Menschen und Mutter der Kirche jeden Tag auf unser Gebet voll Liebe zu den Nationen, mit denen die Geschichte uns in der Vergangenheit in engere Verbindung gebracht hat. Mit ihnen vereint sind wir auch durch die Anstrengung des gegenwärtigen Augenblicks. Wir müssen zusammen das Antlitz unseres Vaterlandes nach den Erfahrungen des letzten halben Jahrhunderts wiederherstellen. Wir müssen die Spuren dessen tilgen, was mit Gewalt auferlegt wurde. Wir müssen das wählen, was wahr und wesentlich ist. Wir müssen die Souveränität der Personen und der Gesellschaften wiederherstellen. Dir, Mutter von Jasna Göra, vertraue ich diese uns nahestehenden und benachbarten Brüder und Schwestern an. Mögen die Slawenapostel Wächter des großen und vielfältigen Erbes jedes einzelnen dieser Länder bleiben. Mögen sie auch die Wege zu der christlichen Einheit zwischen Ost und West weisen, der sie unermüdlich gedient haben. 114 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Gemeinschaft mit Petrus festigen Angelus am Fest Peter und Paul, 29. Juni Liebe Schwestern und Brüder! 1. Heute ist das Hochfest der heiligen Apostel Petrus und Paulus, der Hauptpatrone der Stadt Rom. Es führt uns in Gedanken zurück zu den Ursprüngen der römischen Kirche, die sich bei ihrer Entstehung des einzigartigen, mit dem Blut besiegelten Glaubenszeugnisses des Petrus rühmen kann, der Christus am Kreuz bekannte, und des Paulus, der nicht vor dem Märtyrertod durch das Schwert zurückschreckte. Die Worte des Petrus an den göttlichen Meister: „Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ (Joh 6,69) und die des Paulus, uns zum Vermächtnis hinterlassen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten“ (2 Tim 4,7), begleiten und erleuchten uns an diesem Tag, der dem Andenken dieser großen Meister gewidmet ist, auf denen unser Glaube ruht. 2. Bei der Eucharistiefeier, die vor kurzem in der Petersbasilika stattfand, hatte ich die Freude, einigen Metropolitan-Erzbischöfen aus verschiedenen Teilen der Welt das Pallium zu verleihen. Möge auch dieses Zeichen dazu dienen, die Bande der tiefen Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri und mit seinem Nachfolger zu verstärken und zu festigen; möge es ein Antrieb für einen noch hochherzigeren Dienst an den Seelen sein, die ihrem Hirteneifer anvertraut sind. Bei derselben Liturgie hatte ich auch die Freude, die Mitglieder der orthodoxen Delegation zu begrüßen, die mit Metropolit Bartolomeo von Chalkedon im Namen des Ökumenischen Patriarchen, des geliebten Bruders Dimitrios I., nach Rom gekommen sind, um am Fest Peter und Paul teilzunehmen. <44> <44> Ich lade euch ein, für alle diese Anliegen zu beten und insbesondere für die Stadt Rom, für ihr geistliches und materielles Wohlergehen. Die Gnade Gottes helfe dem ganzen mir so lieben römischen Volk, damit es den christlichen Glauben in Fülle lebe, den Glauben, der von den Heiligen Petrus und Paulus mit unerschrockenem Eifer verkündet und bezeugt wurde. Auch die seligste Jungfrau Maria, Königin der Apostel, helfe uns. 115 AUDIENZEN UND ANGELUS Priester: Dienst am Heiligen Angelus am 1. Juli Liebe Schwestern und Brüder! 1. Wenn wir beim „Engel des Herrn“ beten: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“, denken wir an das zentrale Geheimnis der Menschwerdung, das in ganz besonderer - sakramentaler - Weise in der Eucharistie fortdauert. Bei jeder Eucharistiefeier wird das Wort, das Heisch geworden ist, unter uns gegenwärtig. Die wesentliche Bedeutung der Eucharistie für das Leben der Kirche läßt uns die unersetzliche Rolle des Priesterdienstes verstehen. Ohne Priester kann es kein eucharistisches Opfer geben. Deshalb bekräftigt das Zweite Vatikanische Konzil, daß die Priester in der Feier des eucharistischen Geheimnisses ihre Hauptaufgabe ausüben. Sie tun dies vor allem beim Meßopfer, im Dienst am Heiligen (vgl. Presbyteromm ordinis, Nr. 13). Die Eucharistie ist der Höhepunkt des sakramentalen Lebens der Kirche. Sie ist auch das Sakrament, das auf das Alltagsleben des Christen den größten Einfluß ausübt. 2. Diejenigen, die sich auf das Priesteramt vorbereiten, müssen in besonderer Weise für den eucharistischen Dienst geformt werden. Im Blick auf die Synode, die die Priesterausbildung unter allen Aspekten behandeln wird, muß dies unterstrichen werden. Die Priesteramtskandidaten sollen vor allem in einem lebendigen Glauben an die Eucharistie erzogen werden. Bei der ersten Ankündigung dieses Sakramentes forderte Jesus von seinen Aposteln - das heißt von denen, die als erste das Priesteramt ausübten - einen Akt des Glaubens an die Eucharistie. Es war Petrus, der im Namen der Zwölf das Glaubensbekenntnis ablegte. Daraus geht hervor, daß der Priester als Verantwortlicher für die Eucharistiefeier in der Kirche von einem starken Glauben an das sakramentale Opfer Christi beseelt sein muß, einen Glauben an das Geschenk, das er mit seinem Leib und seinem Blut in der Kommunion macht, und an seine ständige eucharistische Gegenwart, zu deren Anbetung die Christen eingeladen sind. <45> <45> Deshalb ist es notwendig, daß die Seminaristen jeden Tag an der Eucharistiefeier teilnehmen, damit sie später diese tägliche Feier in ihrem Priesterleben zur Regel machen. Sie sollen außerdem dazu erzogen werden, die Eucharistiefeier als den wichtigsten Augenblick des Tages zu betrachten, an dem sie aktiv teilnehmen, sich aber nie mit einem nur gewohnheitsmäßigen Dienst zu begnügen. Zuletzt sollen die Priesteramtskandidaten zur inneren Haltung erzogen werden, die die Eucharistie fördert: zum Dank für die von oben empfangenen Wohltaten, denn Eucharistie bedeutet Danksagung; zur Hingabe, die sie drängt, das eigene persönliche Opfer mit dem eucharistischen Opfer Christi zu vereinen; zur Liebe, die von einem Sakrament genährt wird, das Zeichen der Einheit und der Mitbeteiligung ist; zu dem Wunsch nach Betrachtung und Anbetung des unter den eucharistischen Zeichen wirklich gegenwärtigen Christus. Bitten wir die Jungfrau Maria um ihre Fürsprache bei ihrem Sohn mit dem Ziel, viele und eifrige Diener der Eucharistie zu erhalten. 116 AUDIENZEN UND ANGELUS Gottes Wort aufnehmen und bewahren Ansprache bei der Generalaudienz am 4. Juli 1. Ein Zeugnis von der Gnade und Weisheit des jungen Jesus haben wir in der Episode des Gesprächs Jesu mit den Lehrern im Tempel, die Lukas unter die beiden Texte über das Heranwachsen Jesu „vor Gott und den Menschen“ einfügt. Auch an dieser Stelle wird der Heilige Geist nicht erwähnt, aber das, was bei jener Gelegenheit geschieht, läßt sein Handeln durchblicken. Denn der Evangelist berichtet, daß „alle, die ihn hörten, erstaunt waren über sein Verständnis und über seine Antworten“ (Lk2,47). Es ist das Staunen über die Weisheit, die - wie man fühlt - von oben kommt (vgl. Jak 3,15; Joh 3,34), das heißt vom Heiligen Geist. 2. Bedeutsam ist auch die Frage der Eltern, die ihn nach dreitägiger Suche im Tempel unter den Schriftgelehrten fanden: „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht.“ Jesus antwortet gelassen mit einer anderen Frage: „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ (.Lk 2,48-49). In dem „Wußtet ihr nicht?“ kann man vielleicht einen Hinweis auf das sehen, was Simeon zu Maria bei der Darstellung des Jesuskindes im Tempel gesagt hatte und was die Erklärung war für jenen Vorgeschmack der kommenden Trennung, des ersten „Schwertschlages“ für ein Mutterherz. Man kann sagen, daß die vom Heiligen Geist eingegebenen Worte des greisen Simeon in jenem Augenblick über der Gruppe im Tempel widerhallten, wo sie vor zwölf Jahren gesprochen worden waren. Aber in der Antwort Jesu offenbarte sich auch das Bewußtsein, der „Sohn Gottes“ zu sein (vgl. Lk 1,35) und deshalb „im Haus seines Vaters“, im Tempel, sein zu müssen, um „sich um das zu sorgen, was seinem Vater gehört“ (nach einer anderen möglichen Übersetzung der Worte des Evangeliums). So erklärte Jesus vielleicht zum ersten Mal öffentlich seine Mes-sianität und seine göttliche Identität. Dies geschah durch die Einsicht und Weisheit, die sich unter dem Einfluß des Heiligen Geistes in seine mit dem Wort Gottes vereinten Seele ergossen hatte. In jenem Augenblick sprach er, weil er „vom Heiligen Geist erfüllt war“. <46> <46> Lukas weist darauf hin, daß Maria und Josef „nicht verstanden, was er [Jesus] damit sagen wollte“ (Lk 2,50). Das Staunen über das, was sie gesehen und gehört hatten, war ein Teil jenes Zustandes der Ungewißheit, in dem die Eltern blieben. Aber noch mehr ist zu berücksichtigen, daß sie - auch Maria - vor dem Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung standen, das, obwohl es sie mit einbezog, für sie deshalb nicht leichter zu verstehen war. Auch sie befanden sich im Helldunkel des Glaubens. Maria war die erste auf dem Pilgerweg des Glaubens (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 12-19), die erleuchtetste, aber auch diejenige, die der härtesten Prüfung in der Annahme des Geheimnisses unterzogen wurde. Ihr oblag es, dem göttlichen Plan zuzustimmen, den sie in der Stille ihres Herzens bewunderte und erwog. In der Tat fügt Lukas hinzu: „Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen“ (Lk 2,51). So bekräftigt er das, was er bereits in bezug auf die Worte der Hirten nach der Geburt Jesu geschrieben hatte: „Und alle ... staunten über die Worte der Hirten. Maria aber 117 AUDIENZEN UND ANGELUS bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (Lk 2,18-19). Hier hört man das Echo der vertraulichen Mitteilungen Marias, ja wir können sagen: ihrer „Offenbarung“ an Lukas und die Urkirche, von der uns die „Kindheitsgeschichte“ überliefert wurde, die Maria in ihrem Gedächtnis bewahrt hatte und die sie zu verstehen suchte, die sie aber vor allem in ihrem Herzen geglaubt und erwogen hatte. Die Teilhabe am Geheimnis bestand für Maria nicht nur in einem passiven Annehmen und Bewahren. Es kostete sie persönliche Anstrengung: „sie dachte darüber nach“, ein Ausdruck, der im griechischen Original (symbällein) buchstäblich „zusammenfügen, gegenüberstellen“ heißt. Maria versuchte, die Zusammenhänge der Ereignisse und der Worte zu begreifen, um so weit wie möglich deren Sinn zu erfassen. 4. Diese Betrachtung und innere Vertiefung geschah unter dem Einfluß des Heiligen Geistes. Maria war die erste, die unter dem Licht stand, das Jesus eines Tages den Jüngern verheißen sollte: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). Der Heilige Geist, der den Glaubenden und der Kirche den Sinn und Wert der Worte Christi verstehen läßt, wirkte schon in Maria, die als Mutter des fleischgewordenen Wortes der „Sitz der Weisheit“, die Braut des Heiligen Geistes, die Trägerin und erste Vermittlerin des Evangeliums über die Herkunft Jesu war. 5. Auch in den folgenden Jahren in Nazaret dachte Maria über all das nach, was die Person und das Schicksal ihres Sohnes betraf; sie erwog es in der Stille ihres Herzens. Vielleicht konnte sie mit niemandem darüber sprechen; vielleicht war es ihr möglich, nur in wenigen Augenblicken den Sinn bestimmter Worte, gewisser Blicke ihres Sohnes zu erfassen. Aber der Heilige Geist hörte nicht auf, sie in der Tiefe ihrer Seele „an das, was sie gesehen und gehört hatte, zu erinnern“. Die Erinnerung Marias war von dem Licht erhellt, das von oben kam. Dieses Licht steht am Ursprung der Erzählung des Lukas, wie er uns scheinbar zu verstehen geben will, wenn er auf der Tatsache besteht, daß Maria alles erwog und bewahrte: Sie konnte unter dem Wirken des Heiligen Geistes den höheren Sinn der Worte und Ereignisse durch ein Nachdenken begreifen, das sich bemühte, „alles zusammenzufügen“. 6. Deshalb erscheint Maria vor uns als das Modell derer, die sich vom Heiligen Geist leiten lassen und in ihrem Herzen die Worte der Offenbarung als Samen auf gutem Boden (vgl. Mt 13,23) aufnehmen und bewahren, indem sie sich bemühen, sie so weit wie möglich zu verstehen, um noch tiefer in das Geheimnis Christi einzudringen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In der Geschichte des Gesprächs Jesu mit den Lehrern im Tempel, die Lukas zwischen zwei Texten über das Heranwachsen Jesu „vor Gott und den Menschen“ einfügt, erkennen wir die Gnade und die Weisheit Jesu. Der Heilige Geist wird an dieser Stelle nicht erwähnt, aber sein Handeln scheint durch bei dem, was bei jener Gelegenheit geschieht. 118 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Evangelist berichtet nämlich, das „alle, die ihn hörten, erstaunt waren über sein Verständnis und über seine Antworten“ (Lk 2,Al). Es ist das Staunen vor der Weisheit, die von oben kommt (vgl. 7air3,15; Joh 3,34), das heißt vom Heiligen Geist. Man kann sagen, daß die prophetischen Worte des greisen Simeon über die göttliche Sendung Jesu, die vom Heiligen Geist eingegeben waren, in jenem Augenblick bei der im Tempel versammelten Gruppe ihren Widerhall finden, wo sie zwölf Jahre vorher ausgesprochen worden waren. In der Antwort Jesu an seine Eltern „Warum habt ihr mich gesucht? Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2,49), drückt sich auch das Bewußtsein aus, „der Sohn Gottes“ zu sein (Lk 1,35). Damit erklärte er vielleicht zum ersten Mal seine Messianität und seine göttliche Identität. Maria bewahrte alles, was geschehen war, im Gedächtnis: sie suchte zu verstehen, vor allem aber hat sie geglaubt und in ihrem Herzen erwogen. Sie versuchte, die Zusammenhänge der Ereignisse und der Worte herzustellen, um ihre Bedeutung zu begreifen. Dies geschah unter dem Einfluß des Heiligen Geistes. Deswegen ist Maria für uns das Modell derer, die sich vom Heiligen Geist leiten lassen, die die Worte der Offenbarung aufnehmen und in ihrem Herzen bewahren, um noch tiefer in das Geheimnis Christi einzudringen. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den zahlreichen Schüler- und Ministrantengruppen aus der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich. Ich wünsche euch auch eine innere Bereicherung aus eurer Romreise und jetzt bereits erholsame und angenehme Ferien. Euch und euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Litauen: Zeichen der Hoffnung Geistlicher Besuch in Jasna Göra Heute wollen wir der Taufe Litauens gedenken, deren öOOjähriges Jubiläum wir im Jahr 1987 in der Petersbasilika gefeiert haben. Auch in Litauen wurde es gefeiert. Dem Nachfolger des Petras war damals zu jenem Anlaß nicht die Gelegenheit gegeben, in Litauen gerade an dem Tag zu weilen, an dem das 1387 geknüpfte Band in Erinnerung gerufen wurde. Das Band mit der römischen Kirche. Das Band mit der lateinischen Tradition und Kultur. Der Anlaß der genannten Feier fiel in die Zeit der gesperrten Grenzen, die Zeit der Teilung dessen, was vereint war. Dasselbe geschah 1984, fünfhundert Jahre nach dem Tod des hl. Kasimir. Dieser im Wawel geborene Heilige aus dem Geschlecht der Jagiellonen wurde nach seinem frühzeitigen Tod nach Wilna überführt, von wo sein litauischer Vorfahre Jagiello (Jogaila) ausgezogen war, um zum Wawel zu gelangen. Der heilige Kasimir ruht nun in Wilna - und dort ist er mitten unter seinem Volk als Schutzherr Litauens. Auch bei jenem Anlaß waren die Grenzen gesperrt. Aber an der Confessio in der Petersbasilika feierten die Bischöfe der europäischen Länder zusammen mit dem Papst die Eucharistie. 119 AUDIENZEN UND ANGELUS So zeigte der Stuhl Petri, daß jenes Land - obwohl getrennt aufgrund der gesperrten Grenzen - weiterhin in der Gemeinschaft der Kirche stand, mit der es seit dem Tag seiner Taufe verbunden worden ist. Lietuva... Litauen, Vaterland. Jahrhunderte später erhalten die Worte des Dichters einen neuen Sinn: „Jungfrau Maria, du verteidigst den Heiligen Berg von Tschenstochau und herrscht in Wilna über das ,Tor der Morgenröte’.“ Bevor es mir möglich ist, vor der Jungfrau von Ostra Brama in Wilna für all die Jahrhunderte zu danken, möchte ich es vor der Jungfrau von Jasna Göra tun. Ich danke für Litauen - für die Nation und das Land, gezeichnet durch das Kreuz harter Prüfungen und durch das Zeichen einer unerschütterlichen Hoffnung. Priester zur Armut ermutigen Angelus am 8. Juli 1. „Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen“ (.Lk 1,53). Mit diesen Worten des Magnifikat erinnert die heilige Jungfrau uns alle an die Vorliebe Gottes für die Armen. Gott, unserm Vater, gefällt es, jene Menschen mit Gnaden zu erfüllen, die frei von materiellen Reichtümem ihr Glück nicht in den Gütern dieser Welt suchen. Die zum Priesteramt Berufenen sind in besonderer Weise zu einer tiefen Loslösung vom Geld und von den irdischen Gütern eingeladen. Gewiß brauchen die Priester die Mittel für ihren Lebensunterhalt und zur Erfüllung ihrer Sendung, wie das Konzilsdekret Presbyteioium ordinis feststellt und deshalb empfiehlt: „So seien sie also dankbar für alles, was ihnen der himmlische Vater für eine rechte Lebensführung in die Hand gibt. Doch sollen sie alles, was ihnen begegnet, im Licht des Glaubens prüfen, damit sie es richtig gebrauchen lernen, wie es dem Willen Gottes entspricht, und ablehnen, was ihrer Sendung im Weg steht“ (Nr. 17). <47> <47> Die kommende Synode hat die Aufgabe, diese Linien klar herauszustellen und vor allem die Aspekte der Priesterausbildung in bezug auf dieses Problem festzulegen. Die Seminaristen müssen mit einer Geisteshaltung selbstloser Hingabe und tiefer Uneigennützigkeit auf ihr Dienstamt vorbereitet werden. Sie werden - betont das Zweite Vatikanische Konzil - „zur freiwilligen Armut ermuntert, in der sie Christus sichtbarer ähnlich und zum heiligen Dienst verfügbarer werden. Denn Christus ist für uns arm geworden, obwohl er reich war, damit wir durch seine Armut reich würden. Und die Apostel haben durch ihr Beispiel bezeugt, daß die unverdienten Gaben Gottes unentgeltlich weitergegeben werden müssen; sie wußten genausogut Überfluß zu haben wie Not zu ertragen“ (ebd.) 120 AUDIENZEN UND ANGELUS Die im Seminar erhaltene Formung befähigt die jungen Männer zum Ausblick auf jene Armut, die Christus geübt und die er für jene gewollt hat, denen er die erste Hirtenaufgabe in seiner Kirche anvertraut hat. Sie gibt ihnen den Geschmack der Einfachheit der Lebensweise und schützt sie vor jeder Versuchung zum Luxus oder übermäßigem Komfort. 3. Dies ist ein wichtiges Zeugnis in einer Welt, die oft von Interessenkämpfen und Konflikten finanzieller Ordnung beherrscht wird. Der Priester hat die Sendung, zu zeigen, daß die menschliche Bestimmung nicht darin besteht, irdische Güter anzuhäufen, denn es gibt andere, viel höhere Werte, die es verdienen, daß man ihnen mit Beharrlichkeit nachfolgt, das heißt jene, die den Menschen erheben und zur Lebensgemeinschaft mit Gott führen. Die Priesterausbildung zielt auch dahin, in den Seminaristen den Wunsch zu fördern, den Armen zu helfen und ihnen die Frohbotschaft zu verkünden, nach dem Vorbild und der Lehre Christi. Sie spornt sie zu einer Haltung der Zuneigung und Vorliebe für die Ärmsten an. Bitten wir die Jungfrau Maria, daß sie der Synode die Wege zeige für eine wirksame Formung der Priester zur evangelischen Armut. Nach dem Angelus sagte der Papst: Wir wollen uns geistig mit den vielen slowakischen Gläubigen vereinen, die heute wie jedes Jahr an einem Sonntag im Juli zum Heiligtum der Schmerzhaften Muttergottes nach Levoca gepilgert sind. Bitten wir darum, daß die Gottesmutter, die dort so sehr verehrt wird und die dieses liebe Volk in allen Prüfungen begleitet und gestützt hat, seinen Glauben und seine geistige Identität auch weiterhin stärke. Ich segne alle in lebendiger Erinnerung an meinen jüngsten Besuch. Die Herabkunft des Geistes bei der Taufe Jesu Ansprache bei der Generalaudienz am 11. Juli 1. Im Leben Jesu, des Messias, das heißt dessen, der mit dem Heiligen Geist gesalbt wurde (vgl. Lk 4,18), gibt es Höhepunkte, in denen offenbar wird, daß die Person des Heiligen Geistes aufs engste mit dem Menschsein und der Sendung Christi verbunden ist. Wir haben gesehen, daß der erste dieser Augenblicke die Menschwerdung ist, die durch die Empfängnis und Geburt Jesu aus Maria, der Jungfrau, durch den Heiligen Geist geschieht: „empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria“, verkünden wir im Glaubensbekenntnis. Ein weiterer Augenblick, in dem die Gegenwart und das Wirken des Heiligen Geistes besonders hervortreten, ist die Taufe Jesu im Jordan. Wir werden es in der heutigen Katechese sehen. 2. Alle Evangelisten haben uns das Geschehnis überliefert (Mt 3,13-17; Mk 1,9-11; Joh 1,29-34). Lesen wir den Markustext: „In jenen Tagen kam Jesus aus Nazaret in Galiläa und ließ sich von Johannes im Jordan taufen. Und als er aus dem Wasser stieg, sah er, daß der Himmel sich 121 AUDIENZEN UND ANGELUS öffnete und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam“ (Mk 1,9-10). Jesus war vom Jordan nach Nazaret gekommen, wo er seine bisherigen Lebensjahre „im verborgenen,, verbracht hatte. (Wir werden noch auf dieses Thema in der nächsten Katechese zurückkommen.) Vor seiner Ankunft war er von Johannes angekündigt worden, der am Jordan zur „Bußtaufe“ aufrief. „Er verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren. Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen“ (Mk 1,7-8). Man stand jetzt an der Schwelle des messianischen Zeitalters. Mit der Predigt des Johannes endete die lange Vorbereitung, die sich während der Zeit des Alten Bundes entfaltet hatte und von den Heiligen Schriften erzählt worden war. Johannes fühlte die Bedeutung dieses entscheidenden Augenblicks, den er als Beginn einer neuen Schöpfung verstand, in der er die Gegenwart des Geistes entdeckte, der bei der ersten Schöpfung über den Wassern schwebte (vgl. Joh 1,32; Gen 1,2). Er wußte und bekannte, daß er ein einfacher Verkünder, Vorläufer und Diener dessen war, der kommen würde, um „mit dem Heiligen Geist zu taufen“. 3. Jesus seinerseits bereitete sich im Gebet auf den Augenblick vor, der von gewaltiger Tragweite in der Heilsgeschichte war und in dem sich wenn auch nur unter stellvertretenden Zeichen der Heiligen Geist offenbaren sollte, der vom Vater und vom Sohn im Geheimnis der Dreifaltigkeit ausgeht und in seiner Menschheit als Prinzip des göttlichen Lebens gegenwärtig ist. Wir lesen bei Lukas: „Während er [Jesus] betete, öffnete sich der Himmel, und der Heilige Geist kam... auf ihn herab“ (Lk 3,21-22). Derselbe Evangelist erzählt dann, Jesus habe eines Tages, als er die ihm auf den Wegen Palästinas folgenden Menschen beten lehrte, gesagt, daß „der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben wird, die ihn bitten“ (Lk 11,13). Er selbst bat als erster um dieses Geschenk, das höchste in der Ordnung der Erfüllung der eigenen messianischen Sendung: und während der Taufe im Jordan hatte er davon eine besonderes sichtbares Zeichen erhalten. Es war für Johannes und seine Hörer das Kennzeichen der messianischen „Investitur“ des Jesus von Nazaret. Der Täufer „legte vor den Augen Israels Zeugnis ab für ihn als den Messias, den vom Heiligen Geist,Gesalbten’“ (vgl. Dominum et vivificantem, Nr. 19). Das Gebet Jesu, der in seinem göttlichen Ich der ewige Sohn Gottes war, aber in seiner menschlichen Natur handelte und betete, wurde vom Vater erhört. Er selbst sagte einmal zum Vater: „Ich wußte, daß du mich immer erhörst“ (Joh 11,42). Dieses Bewußtsein war in ihm besonders lebendig im Augenblick der Taufe, die den Anfang setzte zu seiner Heilsmission, wie Johannes erkannte und verkündete. In der Tat stellt er ihn, der kam, um „mit dem Heiligen Geist“ zu taufen (Mt 3,11), vor als „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (Joh 1,29). 4. Lukas sagt uns, während der Taufe Jesu im Jordan „öffnete sich der Himmel“ (Lk 3,21). Der Prophet Jesaja hatte einmal Gott angerufen: „Reiß doch den Himmel auf, und komm herab!“ (Jes 63,19). Jetzt, im Augenblick der Taufe, schien Gott auf diesen Ruf zu antworten, dieses Gebet zu erhören. Dieses „Sich-Öffnen“ des Himmels ist mit der Herabkunft des Heiligen Geistes in Gestalt einer Taube auf Christus verbunden. Es ist ein sichtbares Zeichen dafür, daß das Gebet des Propheten erhört worden war und seine Verheißung sich erfüllte; dieses Zeichen wurde von einer Stimme aus dem Himmel begleitet: „Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“ 122 AUDIENZEN UND ANGELUS (Mk 1,11; Lk 3,22). Das Zeichen ist also sichtbar (durch die Taube) und hörbar (durch die Stimme) für die bevorzugten Zeugen jener außerordentlichen, übernatürlichen Erfahrung. Vor allem in der menschlichen Seele Christi, aber auch in den Anwesenden beim Jordan nimmt die Offenbarung des ewigen „Wohlgefallens“ des Vaters am Sohn Form an. So ereignet sich in der Taufe am Jordan eine Theophanie, deren trinitarischer Charakter noch stärker als im Bericht der Verkündigung herausgestellt wird. Das „Sich-Öffnen des Himmels“ bedeutet in jenem Augenblick eine besondere Initiative der Kommunikation des Vaters und des Heiligen. Geistes mit der Erde für die religiöse und fast „rituelle“ Eröffnung der messiani-schen Sendung des menschgewordenen Wortes. 5. Im Johannestext wird das bei der Taufe Jesu Geschehene vom Täufer selbst beschrieben: „Ich sah, daß der Geist vom Himmel herabkam wie eine Taube und auf ihm blieb. Auch ich kannte ihn nicht; aber er, der mich gesandt hat, mit Wasser zu taufen, er hat mir gesagt: Auf wen du den Geist herabkommen siehst und auf wem er bleibt, der ist es, der mit dem Heiligen Geist tauft. Das habe ich gesehen, und ich bezeuge: Er ist der Sohn Gottes“ (Joh 1,32-34). Das heißt, daß nach Meinung des Evangelisten der Täufer an dieser Erfahrung der dreifältigen Theophanie teilhatte und sich - zumindest dunkel durch den messianischen Glauben - der Bedeutung dieser Worte bewußt war, die der Vater gesprochen hatte: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“ Bedeutsam ist übrigens auch bei den anderen Evangelisten, daß das Wort „Sohn“ anstelle von „Knecht“ verwandt wird, das sich im Ersten Lied vom Gottesknecht findet: „Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt...“ (Jes 42,1). In ihrem von Gott eingegebenen Glauben und im Glauben der christlichen Urgemeinde war der „Knecht“ identisch mit dem Sohn Gottes (vgl. Mt 12,18; 16,16), und der ihm geschenkte „Geist“ wurde in seiner göttlichen Persönlichkeit als Heiliger Geist erkannt. Am Abend vor seinem Leiden sagte Jesus zu den Aposteln, daß derselbe Geist, der in der Taufe auf ihn herabgekommen war, mit ihm bei der Verwirklichung der Erlösung mitwirken würde: „Er [der Geist der Wahrheit] wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden“ (Joh 16,14). 6. Interessant ist dazu ein Text des hl. Irenäus von Lyon (gest. 203), der im Kommentar über die Taufe im Jordan bekräftigt: „Der Heilige Geist hatte durch die Propheten verheißen, daß er sich in den letzten Tagen auf seine Knechte und Mägde ausgießen würde, damit sie Propheten seien. Deshalb kam er auf den Sohn Gottes herab, der Menschensohn wurde, und gewöhnte sich mit ihm daran, unter dem Menschengeschlecht zu weilen, inmitten der Menschen zu ,ruhen’ und unter denen zu wohnen, die von Gott geschaffen wurden, indem er in ihnen den Willen des Vaters ausübte und sie so erneuerte, daß sie vom ,alten Menschen’ zur ,Neuheit’ Christi umgewandelt wurden“ (Adv. haer., III, 17,1). Der Text bestätigt, daß die Kirche von den ersten Jahrhunderten an sich der Verbindung zwischen Christus und dem Heiligen Geist bei der Verwirklichung der „neuen Schöpfung“ bewußt war. <48> <48> Zum Schluß ein Hinweis auf das Symbol der Taube, die bei der Taufe im Jordan als Zeichen des Heiligen Geistes erscheint. Sie ist in der Taufsymbolik mit dem Wasser verbunden und erinnert, wie einige Kirchenväter meinen, an das, was am Ende der Sintflut geschah, die 123 AUDIENZEN UND ANGELUS auch als Zeichen der christlichen Taufe verstanden wird. Im Buch Genesis lesen wir, daß „Noach eine Taube aus der Arche ließ. Die Taube kam zu ihm zurück und hatte in ihrem Schnabel einen frischen Olivenzweig. Jetzt wußte Noach, daß nur noch wenig Wasser auf der Erde stand“ (vgl. Gen 8,10-11). Das Zeichen der Taube bedeutet die Vergebung der Sünden, die Versöhnung mit Gott und die Erneuerung des Bundes. Und dies findet im messianischen Zeitalter volle Verwirklichung durch Christus, den Erlöser, und den Heiligen Geist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Im Leben Jesu, des Messias, gibt es besondere Punkte, an denen sich erweist, wie die Person des Heiligen Geistes aufs engste mit dem Menschsein und der Sendung Christi verbunden ist. Wir wenden uns heute der Taufe Jesu im Jordan als einem wichtigen dieser Punkte zu.„Als Jesus aus dem Wasser stieg, sah er, daß der Himmel sich öffnet und der Geist wie eine Taube auf ihn herabkam“ (Mk 1,9-10). Es wird - so sagt es Johannes der Täufer voraus - eben dieser Heilige Geist sein, mit dem Jesus schließlich selbst taufen wird (vgl. Mk 1,7-8). So steht derselbe Geist, der einst bei der ersten Schöpfung über den Wassern schwebte (vgl. Gen 1,2), nun auch am Beginn der Neuschöpfung der Menschheit. Der Evangelist Lukas legt besonderen Wert auf die Tatsache, daß Jesus betete, als der Heilige Geist auf ihn herabkam (vgl. Lk 3,21-22). So versteht es sich von selbst, daß Jesus auch seine Jünger später lehren wird, daß der himmlische Vater allen den Heiligen Geist gibt, die ihn im Gebet darum bitten (vgl. Lk 11,13). Die Gewißheit der Erhörung, die allen Gläubigen verheißen ist, ist in Jesus im Moment seiner Taufe besonders stark, da er mit ihr sein Wirken als Erlöser der Menschheit beginnt. Die Taufe Jesu wird begleitet von zwei außergewöhnlichen übernatürlichen Zeichen, einem sichtbaren und einem hörbaren: Zu sehen ist die Taube, die die Herabkunft des Heiligen Geistes auf Jesus zum Ausdruck bringt; zu hören aber ist die Stimme des Vaters vom Himmel, die sagt: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“ (Mk 1,11; Lk 3,22). Indem der Heilige Geist sich auf Jesus niederläßt, beginnt er zusammen mit Jesus bei den Menschen zu weilen und sie zu einer „neuen Schöpfung“ zu verwandeln. Symbol dieser neuen Schöpfung ist die Taube, die - wie sie einst dem Noach das Ende der großen Flut zu erkennen gab - nun die Versöhnung mit Gott im Heiligen Geist ankündigt. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Allen, die gegenwärtig Ferien machen, wünsche ich gute Erholung. Euch und Euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie den über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 124 AUDIENZEN UND ANGELUS Volle Anerkennung für ukrainische Kirche Geistlicher Besuch in Jasna Gora In Rom und in Lettland haben wir 1986 das Gedächtnis des hl. Meinhard, des ersten Bischofs von Riga, begangen: die 800-Jahr-Feier seiner Bischofsweihe und dieser Kirche im Baltikum. In unserer Zeit ist die Kirche in Riga und ihr betagter Kardinal-Bischof Bezugs- und Stützpunkt für die Katholiken geworden, die in den weiten Gebieten Rußlands, Weißrußlands, der Ukraine, in Mittelasien, in Karaganda (Kasachstan) und ganz Sibirien verstreut sind. Das Priesterseminar in Riga fing die Priesteramtskandidaten aus all diesen Gebieten auf. Aus dem Seminar gingen die Priester hervor für den Dienst in den Diasporagemeinden. Sie waren zahlreich, und sie gelangten zum Priestertum trotz vieler Schwierigkeiten und waren immer gegenwärtig. Du, Mutter der Kirche in Jasna Gora, kanntest die Situation. Wir danken auch dir für deine mütterliche Gegenwart in jener Diasporakirche; wir danken für die Priester, für die vielen heroischen Hirten, für die Ordensfrauen im verborgenen, für alle Schwestern und Brüder, unerschütterlich im Glauben, standhaft und mutig unter Verfolgungen und Ungerechtigkeiten, in den Kerkern und Lagern - bis zum äußersten Lebensopfer. Heute steht die Kirche am Anfang, als steige sie aus dem Erdinneren empor. Sie beginnt von sich selbst zu sprechen. Sie beginnt Zeugnis zu geben. Sie wartet auf die volle Anerkennung ihrer Rechte. Wir danken dir, Mutter der Kirche, für dieses wertvolle Zeugnis. Wir danken dir für die Tatsache, daß in Weißrußland wieder der katholische Bischof ist und daß wir auf neue Hirten für diese Länder hoffen können. Du, Mutter, hast immer ihren Schrei gehört; du gibst uns die Möglichkeit, ihnen zu helfen, so wie für uns ihr unüberwindliches Glaubenszeugnis von großer Hilfe ist. Während wir jetzt das Vaterunser singen, bereiten wir uns gemeinsam betend auf den Schlußsegen vor. Und wir wollen darum bitten, daß die Entwicklung des Geschehens in unserem Vaterland in rechter Weise ausgerichtet sei. Gewiß stellt die neue Situation, die vor einem Jahr, im Juni des vergangenen Jahres, entstanden ist, uns alle vor neue Herausforderungen -auch vor neue Möglichkeiten, aber zugleich vor neue Anforderungen. Wir alle müssen lernen - ich spreche, als wäre ich in Polen, denn ich empfinde diese Probleme auch von fern-, wieder Bürger einer Gesellschaft zu sein, die bereits ihre Subjektivität hat; Bürger eines Staates, der seine normale Souveränität besitzt, eines Systems, in dem die soziale Gerechtigkeit nach dem Grundsatz des Gemeinwohls verwirklicht wird, und Gemeinwohl bedeutet auch Verantwortung und Beteiligung jedes einzelnen. Ich bete immer für all diese Dinge, für das Polen von heute, Woche um Woche, Tag für Tag. Auch jetzt widmen wir unser Gebet den Problemen, über die ich in der Betrachtung von Jasna Gora sprach, aber auch für die derzeitigen Fragen, die uns als Söhne und Töchter des gleichen Landes tief verbinden. 125 AUDIENZEN UND ANGELUS Gemeinsam Europa bauen Appell am Fest des hl. Benedikt Das Fest des hl. Benedikt, des Patrons Europas, das wir heute feiern, gibt mir den Anstoß zu einem Grußwort an die Jugendlichen, die Kranken und die Neuvermählten, die bei dieser Audienz anwesend sind. Ihr Jugendlichen, seid Bauleute einer neuen Mentalität der Zusammengehörigkeit auf diesem Kontinent, der - obwohl unterschiedlich in Sprache und Kultur - auf einem gemeinsamen christlichen Erbe gründet, das der hl. Benedikt und seine Mönche stark bereichert haben. Euch Kranke bitte ich, darum zu beten, daß Europa wirklich das gemeinsame Haus der verschiedenen nationalen Gemeinschaften werde und in Frieden, in gegenseitiger Achtung und geistiger und materieller Solidarität lebe. Ihr Eheleute, pflegt in eurer Familie und in der Gesellschaft eine Sicht- und Denkweise, die von wahrer christlicher Liebe, gegenseitiger Hochschätzung und Zuwendung durchdrungen ist. Allen meinen Apostolischen Segen. Stella alpium - Stern der Alpen Angelus in Barmasc am 15. Juli „Preist den Herrn, ihr Berge und Hügel“ (Dan 3,75). 1. Mit diesen Worten des Lobgesangs der drei jungen Männer aus dem Buch des Propheten Daniel, die dem herrlichen Landschaftsbild um uns entsprechen, wollen wir den „Engel des Herrn“ zur seligsten Jungfrau beten, die in diesem Heiligtum von Barmasc unter dem Namen „Mutter von der Guten Hilfe“ so sehr verehrt wird. Die Liebe zu diesem alten Gnadenbild zieht seit Jahrhunderten und auch jetzt noch zahllose Pilger an, die hierherkommen, um die Gottesmutter zu preisen und um Hilfe und Schutz zu bitten. Bekannt in der Geschichte ist die Wallfahrt von 1872, die von Chätillon, einem Städtchen inmitten des Tales, ausging und das Heiligtum über den steilen „Col Portola“ erreichte; der Rückweg führte dann über den unwegsamen Pfad von „Col Joux“ mit dem Ausblick auf Saint-Vincent. Dies ist ein Zeichen, daß eure marianische Frömmigkeit auch nicht vor Hindernissen haltmacht, wenn es gilt, die Gottesmutter zu ehren, die dargestellt ist, wie sie das Jesuskind stillt. <49> <49> Während auch wir hier im Gebet verweilen, denken wir im Geist an all die Marienheiligtümer, die das Aostatal, die malerischen Orte in den Alpen und die gesamte italienische Halbinsel schmücken. Ich muß auch die zwar weiter von hier entfernte riesige Statue der Gottesmutter erwähnen, die von den Heimkehrern des Ersten Weltkrieges auf dem Gipfel des Zerbion-Berges errichtet wurde und unter dem Namen „Stella Alpium“ angerufen wird. 126 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich denke mir, daß diese Marienheiligtümer auf den Bergen entstanden sind als Widerhall auf den schönen Abschnitt im Lukasevangelium, der besonders an die Jungfrau von Nazaret erinnert, die sich nach der Verkündigung „auf den Weg machte und in eine Stadt im Bergland von Judäa eilte“ (vgl. Lk 1,39). Diese Vorliebe für das Gebirge, das von Natur aus zum Himmel strebt, ist auch für unsere Zeit bedeutsam: Sie ist eine Einladung, den Blick nach oben zu richten, von wo - wie der Psalmist sagt - die göttliche Hilfe kommt: „Ich habe laut zum Herrn gerufen; da erhörte er mich von seinem heiligen Berg“ (Ps 3,5). 3. Auch ich genieße hier diese geistliche Atmosphäre. Ich danke euch für die mir gebotene Gelegenheit, eine so angenehme und erholsame Ruhepause zu verbringen vor der Arbeit, die mich erwartet. Auch euch wünsche ich eine gute Erholung, und ich grüße alle Einheimischen und Touristen. Ich empfehle euch der Fürsprache der Gottesmutter von der Guten Hilfe; bietet ihr eure Herzen dar; ruft sie an, damit sie eure Kinder, eure Jugendlichen, die Alten, Kranken und Benachteiligten schütze, die oft einsam und verlassen sind. Die Mutter von der Guten Hilfe, der „Alpenstem“, schütze von ihren bekannten Heiligtümern aus euch alle und die Menschen überall. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Noch ein Wort des Dankes an alle, die hier an diesem herrlichen Ort versammelt sind, der uns zu Gott führt. Zu Gott, unserm Schöpfer, der über der ganzen Schöpfung steht und zugleich im Innern eines jeden von uns ist. Er ist unser Erlöser, unser Retter, unser Freund, unsere Eucharistie. Danke für eure Teilnahme. Die Jungfrau von der Guten Hilfe sei immer mit euch. Die Wüste - ein Ort der Versuchung Ansprache bei der Generalaudienz am 21. Juli 1. Am „Anfang“ der messianischen Sendung Jesu steht auch eine für uns sehr interessante und eindrucksvolle Tatsache, erzählt von den Evangelisten, die sie dem Wirken des Heiligen Geistes zuschreiben: es handelt sich um die „Erfahrung der Wüste“. Wir lesen im Markusevangelium: „Danach [nach der Taufe] trieb der Geist Jesus in die Wüste“ (Mk 1,12). Matthäus (4,1) und Lukas (4,1) sagen, daß „Jesus vom Geist in die Wüste geführt“ wurde. Diese Worte bieten uns verschiedene Anhaltspunkte, die uns veranlassen, über das Geheimnis der tiefen Verbindung Jesu, des Messias, mit dem Heiligen Geist weiterzuforschen, die vom Anfang des Erlösungswerkes an bestand. Zuvor eine Bemerkung sprachlicher Ordnung: die von den Evangelisten verwandten Verben („geführt“ bei Matthäus und Lukas, „getrieben“ bei Markus) drücken eine besonders energische Initiative seitens des Heiligen Geistes aus. Sie fügt sich voll in die Logik des geistlichen Lebens und die Psychologie Jesu ein. Er hat von Johannes die „Bußtaufe“ empfangen und 127 AUDIENZEN UND ANGELUS empfindet dann das Bedürfnis nach einer Zeit des Nachdenkens und strengen Lebens als Vorbereitung auf seinen messianischen Dienst, auch wenn er persönlich nicht der Buße bedarf, weil er vom Augenblick seiner Empfängnis an „heilig“ und „voll Gnade“ ist (vgl. Lk 1,35; Joh 1,14). Seine Mission erfordert auch, daß er mitten unter den Menschen, den Sündern, lebt, denn er ist gesandt, ihnen das Evangelium zu verkünden und sie durch den Kampf mit der Macht des Bösen zu retten (vgl. Thomas von Aquin, Summa Theol., III, q.40, a.l). Daher war dieser Aufenthalt in der Wüste angemessen, „um vom Teufel versucht zu werden“. Jesus gibt deshalb dem inneren Antrieb nach und geht, wohin der Heilige Geist ihn treibt. 2. Die Wüste ist nicht nur ein Ort der Begegnung mit Gott, sondern auch ein Ort der Versuchung und des geistlichen Kampfes. Während der vierzigjährigen Wanderung in der Wüste hatte das Volk Israel viele Versuchungen erlebt und ihnen auch nachgegeben (vgl. Ex 32,1-6; Num 14,1-4; 21,4-5; 25,1-3; Ps 78,17; 1 Kor 10,7-10). Jesus geht in die Wüste und knüpft damit sozusagen an die geschichtliche Erfahrung seines Volkes an. Aber im Gegensatz zum Verhalten Israels fügt er sich im Augenblick des Beginns seiner messianischen Tätigkeit vor allem dem Wirken des Heiligen Geistes, der von ihm in seinem Innern jene endgültige Vorbereitung auf die Erfüllung seiner Sendung fordert. Es ist eine Zeit der Einsamkeit und der geistlichen Prüfung, die er mit der Hilfe des Wortes Gottes und des Gebetes überwindet. Im Geist der biblischen Tradition und auf der Linie der israelitischen Psychologie konnte diese Zahl von „vierzig Tagen“ leicht mit anderen früheren Ereignissen verbunden werden, die für die Heilsgeschichte bedeutsam sind: die vierzig Tage der Sintflut (vgl. Gen 7,4.17); der vierzigtägige Aufenthalt des Mose auf dem Berg (vgl. Ex 24,18); der vierzig Tage dauernde Weg des Elias, der gestärkt wurde durch das wunderbare Brot, das ihm neue Kraft gab (vgl. 1 Kön 19,8). Gemäß den Evangelisten hält sich Jesus unter dem Antrieb des Heiligen Geistes während seines Aufenthaltes in der Wüste an diese traditionelle und beinahe heilige Zahl (vgl. Mt 4,1; Lk 4,1). Dasselbe tut er auch in der Zeit zwischen seiner Auferstehung und Himmelfahrt, während er den Aposteln erscheint (vgl. Apg 1,3). 3. Jesus wird also in die Wüste geführt, um den Versuchungen des Teufels zu begegnen und um freier und inniger mit dem Vater in Kontakt treten zu können. Hier ist auch zu berücksichtigen, daß in den Evangelien die Wüste mehrmals als der Ort dargestellt wird, wo der Böse wohnt: es genügt, an die Stelle bei Lukas über den „unreinen Geist“ zu erinnern, der, wenn er „einen Menschen verlassen hat, durch die Wüste wandert und einen Ort sucht, wo er bleiben kann“ {Lk 11,24); und den anderen Abschnitt über den Besessenen von Gerasa, der „von dem Dämon in menschenleere Gegenden getrieben“ wurde {Lk 8,29). Bei den Versuchungen Jesu kommt der Antrieb, in die Wüste zu gehen, vom Heiligen Geist und bedeutet vor allem den Beginn einer Kundmachung - man kann auch sagen: eines neuen Bewußtwerdens - des Kampfes, den er gegen Satan, den Urheber der Sünde, bis zum Ende führen muß. Indem er seine Versuchungen überwindet, offenbart er die eigene Heilsmacht über die Sünde und die Ankunft des Reiches Gottes, wie er einmal sagt: „Wenn ich aber die Dämonen durch den Geist Gottes austreibe, dann ist das Reich Gottes schon zu euch gekommen“ (Mt 12,28). 128 AUDIENZEN UND ANGELUS Auch in dieser Macht Christi über das Böse und über Satan, auch in dieser „Ankunft des Reiches Gottes“ durch das Werk Christi tut sich der Heilige Geist kund. 4. Beim näheren Hinschauen bemerkt man in den Versuchungen, die während seiner „Erfahrung der Wüste“ an Jesus herantraten und die er überwand, den direkt oder indirekt in den Berichten der Evangelisten ausgesprochenen Widerstand Satans gegen die Ankunft des Reiches Gottes in der Welt des Menschen. Die Antworten, die Jesus dem Versucher gibt, decken die eigentlichen Absichten des „Vaters der Lüge“ (Lk 8,44) auf, der in umgekehrter Weise sich der Schriftworte bedient, um sein Ziel zu erreichen. Aber Jesus widerlegt ihn aufgrund desselben richtig angewandten Wortes Gottes. Die Erzählung der Evangelisten schließt vielleicht Erinnerungen mit ein und stellt eine Parallele dar zu ähnlichen Versuchungen des Volkes Israel während der vierzigjährigen Wanderung in der Wüste und zu verschiedenen Augenblicken im Leben des Mose (die Nahrungssuche: vgl. Dt 8,3; Ex 16; den Anspruch auf die göttliche Hilfe für die eigenen Bedürfnisse: vgl. Dt 6,16; Ex 17,1-7; der Götzendienst: vgl. Dt 6,13; Ex 32,1-6). Aber die Begebenheit fügt sich genau in die Geschichte Jesu ein, man kann sagen, aufgrund ihrer biographischen und theologischen Logik. Jesus konnte - obwohl ohne Sünde - die äußeren Versuchungen des Bösen kennenlemen (vgl. Mt 16,23); und es war gut, daß er versucht wurde, damit er der Neue Adam, unser Haupt, unser barmherziger Erlöser wurde (vgl. Mt 26,36-46; Hebr 2,10.17-18; 4,15; 5,2. 7-9). Die Grundlage aller Versuchungen war die Aussicht auf einen ruhmvollen politischen Messianismus, der sich verbreitet hatte und in die Seele des Volkes Israel eingedrungen war. Der Teufel will Jesus dazu verleiten, diesen falschen Ausblick anzunehmen, denn er steht im Gegensatz zum Plan Gottes, seinem Gesetz, seiner Heilsökonomie und damit auch zu Christus, wie aus dem Evangelium und anderen Schriften des Neuen Testamentes hervorgeht (vgl. Mt 13,39; Joh 8,44; 13,2; Apg 10,38; Eph 6,11; 1 Joh 3,8 usw.). Würde auch Christus fallen, hätte das Reich des Satan, der sich rühmt, Herrscher der Welt zu sein (vgl. Lk 4,5-6), in der Geschichte endgültig gesiegt. Dieser Augenblick des Kampfes in der Wüste ist deshalb entscheidend. <50> <50> Jesus weiß, daß er vom Vater gesandt ist, um das Reich Gottes in der Welt der Menschen zu errichten. Zu diesem Zweck akzeptiert er es einerseits, versucht zu werden, um seinen Platz unter den Sündern einzunehmen, wie er es bereits am Jordan getan hatte als Vorbild für alle (vgl. Augustinus, De Trinitate, 4,13). Aber anderseits erreicht er kraft der „Salbung“ durch den Heiligen Geist die Wurzeln der Sünde selbst und besiegt den, der „der Vater der Lüge“ ist (Joh 8,44). Deshalb geht er vom Anfang seines Dienstes an freiwillig der Versuchung entgegen und unterstützt den Antrieb des Heiligen Geistes (vgl. Augustinus, De Tiini-tate, 13,13). Eines Tages, während er sein Werk vollbringt, ruft er aus: „Jetzt wird Gericht gehalten über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden“ (Joh 12,31). Und am Vorabend seines Leidens wiederholt er noch einmal: „es kommt der Herrscher der Welt. Über mich hat er keine Macht“ (Joh 14,30); ja, „der Herrscher dieser Welt (ist schon) gerichtet“ (Joh 16,11; „... habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16,33). Der in der Wüste 129 AUDIENZEN UND ANGELUS begonnene Kampf gegen den „Vater der Lüge“, den „Herrscher der Welt“, erreicht seinen Höhepunkt auf Kalvaria: Der Sieg kommt durch den Kreuzestod des Erlösers. 6. Wir werden also hingewiesen auf die ursprüngliche Bedeutung der Wüste als Ort einer besonderer Gotteserfahrung, wie es bei Mose war (vgl. Ex 24,18) und bei Elias (vgl. 1 Kön 19,8) und vor allem bei Jesus, der, vom Heiligen Geist „geführt“, es annimm t, dieselbe Er-fahrung zu machen: die Begegnung mit Gott dem Vater (vgl. Hos 2,16) im Gegensatz zu den Mächten, die Gott widerstehen. Seine Erfahrung ist beispielhaft und kann uns auch als Lehre über die Notwendigkeit der Buße dienen - nicht für Jesus, der ohne Sünde war, sondern für uns alle. Jesus selbst spricht zu seinen Jüngern einmal davon, daß Beten und Fasten notwendig sind, um die „unreinen Geister“ auszutreiben (vgl. Mk 9,29 Vulg.); und in der Spannung des einsamen Gebetes in Getsemani fordert er die anwesenden Apostel auf: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“ (Mk 14,38). Indem wir dem siegreichen Christus in der Erfahrung der Wüste gleich werden, wissen wir, daß auch wir einen göttlichen Tröster haben: den Heiligen Geist, den Beistand, denn Jesus hat verheißen, daß er „von dem, was mein ist, nehmen“ und es uns geben wird (vgl. Joh 16,14). Er wird vom Sieg Christi über die Sünde und über Satan, deren Urheber, nehmen, um jeden, der versucht wird, an dem Sieg teilhaben zu lassen; er, der den Messias nicht nur deshalb in die Wüste geführt hat, damit dieser „versucht“ werde, sondern auch damit er den ersten Beweis seiner siegreichen Macht über den Teufel und sein Reich gebe. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Zum Beginn des messianischen Wirkens Jesu gehört die Tatsache, daß Jesus sich in die Wüste zurückzieht, und zwar „getrieben“ vom Heiligen Geist, wie die Evangelisten berichten (Mk 1,12; Mt 4,1; Lk4,1). Es zeigt sich hier erneut die innige Verbundenheit zwischen Jesus und dem Heiligen Geist, die sich durch das ganze Erlösungswerk zieht. Wie die Heilsgeschichte zeigt, gilt die Wüste als besonderer Ort der Gottesbegegnung, zugleich aber auch als Ort der Versuchung und des geistigen Kampfes. Jesus wird in die Wüste geführt, wo er den Versuchungen des Satans ausgesetzt wird, aber auch wo er in eine freiere und innigere Begegnung mit Gott, dem Vater eintritt. Den Versuchungen des Satans widerstehend, offenbart Jesus seine heilschaffende Macht über die Sünde und zugleich die Ankunft des Gottesreiches. Hier, in der Überwindung des Bösen durch die Ankunft des Gottesreiches mit Christus offenbart sich auf das Wirken des Heiligen Geistes. Jesus weiß sich vom Vater gesandt, das Reich Gottes in die Welt der Menschen zu bringen. Um dieses Zieles willen nimmt er die Versuchung auf sich, um mitten unter den Menschen zu sein, ähnlich wie bei der Taufe im Jordan. In der Kraft des Heiligen Geistes zersetzt er die Wurzeln der Sünde und besiegt so den „Vater der Sünde“ (Joh 8,44). Wir sollten uns stets die Bedeutung des Wertes der Wüste vor Augen halten: Sie ist der Ort der besonderen Gottesbegegnung. Mose und Elia haben das erfahren, und auch Jesus, den der Heilige Geist dorthin geführt hat, wo er dem Vater begegnet und dem Bösen widersteht. Seine Erfahrung ist beispielhaft und kann uns dabei helfen, die Buße als Weg zu Gott zu erkennen. 130 AUDIENZEN UND ANGELUS Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Ich wünsche Euch frohe und geistig bereichernde Tage in Rom und allen, die gegenwärtig Ferien machen, gute Erholung. Euch und Euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie den über Radio Vatikan verbundenen Hörem und Hörerinnen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Europas Zukunft mitbauen Geistlicher Besuch in Jasna Göra Magna Domina Hungarorum — Große Herrin der Ungarn! Heute schauen wir von Jasna Göra aus auf die altehrwürdige Krone des hl. Stephan. Wir danken für all die geschichtlichen Bande der Vergangenheit. Bezeugt werden sie auch durch die gemeinsamen Namen der Seligen und Heiligen: Kinga (Kunigunde), Salomea, Jolenta ... Schließlich Hedwig (Jadwiga). Zur Zeit des Übergangs vom Haus Anjou und zugleich der Familie der Piasten hat sie am Ende der Ahnenreihe der Piasten eine neue, große Dynastie eröffnet. Die junge Königin, Gemahlin Wladyslaw II. Jagiello, wird - obwohl in ihrer Mutterschaft schmerzlich geprüft - als Mutter der Völker betrachtet. Sie hat auch den Anfang gesetzt für die Zeit, die in der Geschichte das „goldene Jahrhundert“ genannt wird. Auf dem Wawel, zu Füßen des Schwarzen Kreuzes, wird die selige Hedwig seit Jahrhunderten verehrt. Neben ihr blicken die Ungarn und Polen gemeinsam auf ihre Vergangenheit. Und zum jetzigen Zeitpunkt gedenken sie gemeinsam des Jahres 1956. Ein schwieriger Weg, „Handelnde“ im Leben der Gesellschaft zu werden, ausgerichtet auf die souveräne Existenz der Nation, deren Umrisse sich im Laufe der europäischen Geschichte oftmals abzeichneten. Eine solche Nation hat auch das Recht, die Zukunft des alten Kontinents „mitzubauen“. Magna Domina Hungarorum, Unsere Liebe Frau von Jasna Göra, erwecke in unseren Völkern die Bereitschaft des geduldigen Kampfes, den Frieden und die Freiheit zu bewahren ... Segne unser Bemühen ... Daß der Heilige Geist das Angesicht unserer Heimatländer erneuere und die Nationen stärke. 131 AUDIENZEN UND ANGELUS Gehorsam im Dienst für Gott Angelus in Castel Gandolfo am 22. Juli Der Angelus läßt uns die Worte sprechen, mit denen die Jungfrau Maria ihre volle Verfügbarkeit für den göttlichen Plan über ihr Leben zum Ausdruck gebracht hat. Indem sie sich Gott ganz zur Verfügung stellte, kündigte sie den Gehorsam dessen an, der dann als der vom Vater Gesandte auf die Erde kam und sich ständig seinem Willen unterwarf. Der Brief an die Hebräer unterstreicht die Bedeutung dieses Gehorsams des Sohnes Gottes beim Eintritt in diese Welt und beim Anbieten seines Opfers: Durch Leiden hat Christus, der Hohepriester, den Gehorsam gelernt (vgl. Hehr 5,8), und durch seinen Gehorsam als Sohn ist er zum Urheber des ewigen Heils für die Menschheit geworden. So wird verständlich, wie wichtig der Gehorsam im Leben des Priesters ist. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt: „Zu den Tugenden, die für den Dienst der Priester besonders erfordert sind, muß man als ständige Seelenhaltung die innere Bereitschaft zählen, nicht den eigenen Willen zu suchen, sondern den Willen dessen, der sie gesandt hat“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 15). Diejenigen, die sich auf das Priesteramt vorbereiten, müssen deshalb entsprechend dieser grundlegenden Übereinstimmung mit dem Willen des Vaters geformt werden. Die kommende Synode wird es nicht versäumen, daran zu erinnern. Das Konzil hat besonders die kirchliche Dimension des Gehorsams der Priester betont: „Weil jedoch der priesterliche Dienst ein Dienst der Kirche ist, kann er nur in der hierarchischen Gemeinschaft des ganzen Leibes ausgeübt werden. Die Hirtenliebe drängt also die Priester dazu, in dieser Gemeinschaft zu handeln und darum den eigenen Willen gehorsam in den Dienst für Gott und die Brüder zu stellen, indem sie gläubigen Geistes annehmen und ausführen, was der Papst und der eigene Bischof sowie andere Vorgesetzte vorschreiben oder nahelegen; gern geben sie alles hin und sich selbst dazu, in jeglichem Dienst, der ihnen anvertraut wird, sei er auch gering und ärmlich“ (ebd.). Das Konzil fügt hinzu, daß die Priester durch diesen Gehorsam ihre Einheit sichern - nicht nur mit dem sichtbaren Oberhaupt der Kirche, sondern mit all ihren Brüdern im Priesteramt; es weist daraufhin, daß ein solcher Gehorsam in keinster Weise den Unternehmungsgeist und die Suche nach neuen Wegen in der Pastoralarbeit hemmt, vorausgesetzt daß diese Vorhaben in Unterordnung gegenüber der Obrigkeit ausgeführt werden. Das II. Vatikanum hat die auf diesem heiklen Gebiet bestehenden wechselseitigen Pflichten der Bischöfe und Priester ins Licht gerückt: Es empfahl den ersteren, daß sie wegen ihrer Gemeinschaft im gleichen Priestertum und Dienst „die Priester als ihre Brüder und Freunde betrachten. Sie seien nach Kräften auf ihr leibliches Wohl bedacht, und vor allem ihr geistliches Wohl sei ihnen ein Herzensanliegen“ (ebd., Nr. 7). Die Priester wies das Konzil darauf hin, sie „sollen die Fülle des Weihesakramentes der Bischöfe vor Augen haben und in ihnen die Autorität des obersten Hirten Christus hochachten. Sie schulden ihrem Bischof aufrichtige Liebe und Gehorsam“ (ebd.). In diesem weiten theologischen und asketischen Gesichtskreis müssen die Seminaristen deshalb eine Ausbildung erhalten, die sie an diese Gehorsamsgesinnung gegenüber der Autorität 132 AUDIENZEN UND ANGELUS gewöhnt. Es handelt sich um einen vom Glauben beseelten Gehorsam, der in den Entscheidungen der Obrigkeit den göttlichen Willen erkennt: einen Gehorsam, der nicht ohne bestimmte Opfer zu verwirklichen ist, die aber zur Fruchtbarkeit des Priesteramtes beitragen und die vor allem den Priester mit dem Gehorsam, der das Kreuzesopfer gekennzeichnet hat, und mit den Früchten dieses Opfers verbinden. Wir bitten die seligste Jungfrau Maria, Vorbild der Fügsamkeit gegenüber dem göttlichen Willen vom „fiat“ der Verkündigung bis zur schmerzhaften Mutterschaft auf Kalvaria, sie möge den Priesteramtskandidaten helfen, bewußt und froh in das Geheimnis des Gehorsams einzutreten. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Mit lebhafter Sorge haben wir die dramatischen Nachrichten aus den Philippinen über das heftige Erbeben vernommen, das am vergangenen Montag die Insel Luzon getroffen hat. Ich bin mit dem Herzen und mit dem Gebet all denen nahe, die von diesem tragischen Ereignis in Mitleidenschaft gezogen sind. Ich lade alle ein zum Gebet um die Seelenruhe der vielen Toten und rufe zur Hilfe für die Verletzten und Obdachlosen auf. Ich ermutige alle, die solidarischen Bemühungen zu verstärken, die diesen guten Völkern Hilfe, Trost und Beistand im jetzigen Augenblick so großen Leidens bringen wollen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich begrüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Ich wünsche euch frohe Urlaubstage! Möge zu diesen Urlaubstagen aber auch die Begegnung mit Gott im Gebet an einer der ehrwürdigen Glaubensstätten Italiens oder an einem anderen Ort der Stille gehören, damit auch eure Seele Atem holen kann. Hierfür segne ich euch und alle eure Lieben in der Heimat. Die Sünde gegen den Heiligen Geist wird nicht vergeben Ansprache bei der Generalaudienz am 25. Juli 1. Nach der „Erfahrung der Wüste“ beginnt Jesus seine messianische Tätigkeit unter den Menschen. Lukas schreibt, „daß die Menschen von überall herbeiströmten. Sie alle wollten ihn [Jesus] hören und von ihren Krankheiten geheilt werden“ (Lk 5,15). Es handelte sich darum, das Reich Gottes zu verkünden und zu lehren, die Apostel auszuwählen und heranzubilden, die Kranken zu heilen und in den Synagogen zu predigen, während er von Stadt zu Stadt zog (vgl. Lk 4,43-44): eine anspruchsvolle Tätigkeit, begleitet von „Wundem und Zeichen“ (vgl. Apg 2,22) und ganz der „Salbung“ durch den Heiligen Geist entsprungen, von der der Evangelist bereits zu Beginn des öffentlichen Wirkens spricht. Die Anwesenheit des Heiligen Geistes - als Fülle des Geschenkes - ist konstant, obwohl die Evangelien sie nur an einigen Stellen erwähnen. 133 AUDIENZEN UND ANGELUS Um die Menschen, die er evangelisieren sollte, bereit zu machen für die Erlösung, war Jesus gesandt worden, unter ihnen zu leben und nicht in einer Wüste oder an anderen einsamen Orten. Sein Platz war inmitten der Leute, wie Remigius von Auxerre (gest. 908) sagte, den der hl. Thomas zitiert hat. Der „Doctor angelicus“ stellt fest: „Daß Christus nach dem Fasten in der Wüste zum normalen Leben zurückkehrte, geschah nicht ohne Grund. Dies entspricht dem Leben desjenigen, der sich verpflichtet, den anderen die Früchte seiner Kontemplation mitzuteilen, eine Verpflichtung, die Christus auf sich genommen hatte: das heißt, sich zuerst dem Gebet zu widmen und dann an die Öffentlichkeit zu treten und zu wirken, indem er inmitten der anderen lebt“ (Summa Theo]., III, q.40, a.2, ad 2). 2. Obwohl er von vielen Menschen umgeben ist, bleibt Jesus dem Gebet eng verbunden. Lukas berichtet uns, „er [Jesus] zog sich an einen einsamen Ort zurück, um zu beten“ (Lk 5,15). Es war die Umsetzung des ständigen Dialogs mit dem Vater, in dem er lebte, in höchste Ausdrucksformen der Frömmigkeit. Seine „Gebetszeiten“ dauerten manchmal die ganze Nacht hindurch (vgl. Lk 6,12). Einige dieser Augenblicke werden von den Evangelisten besonders hervorgehoben: so das Gebet, das der Verklärung auf dem Berg Tabor vorausging (vgl. Lk 9,29), und das Gebet während der Todesangst in Getsemani, wo die Annäherung und Einheit des Sohnes mit dem Vater im Heiligen Geist erhabenen Ausdruck findet in den Worten: „Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht, was ich will, sondern was du willst“ (Mk 14,36). 3. Es gibt einen Fall, in dem der Evangelist das Gebet Jesu ausdrücklich dem Heiligen Geist zuschreibt, nicht ohne den gewohnten Zustand der Kontemplation anzudeuten, aus dem es erwuchs. Es war auf dem Weg nach Jerusalem, als er mit den Jüngern verweilte und zweiundsiebzig unter ihnen auswählte, um sie nach entsprechender Unterweisung zur Evangelisierung in die Orte zu senden, in die er selbst gehen wollte (vgl. Lk 10,1). Bei der Rückkehr von dieser Mission erzählen die zweiundsiebzig das, was sie vollbracht hatten, einschließlich der „Unterwerfung“ der Dämonen in seinem Namen (vgl. Lk 10,17). Und nachdem er ihnen gesagt hatte, er habe „den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“ sehen (Lk 10,18), „rief Jesus, vom Heiligen Geist erfüllt, voll Freude aus: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen“ (Lk 10,21). In der Enzyklika Dominum et vivificantem schrieb ich: „Jesus jubelt aus Freude über die göttliche Vaterschaft; er jubelt, weil es ihm geschenkt ist, diese Vaterschaft zu offenbaren; er jubelt schließlich, weil sich diese göttliche Vaterschaft in besonderer Weise auf die .Unmündigen’ erstreckt. Und der Evangelist nennt all dies Jubel im Heiligen Geist’ ... Was bei der Gotteserscheinung am Jordan sozusagen ,von außen’, ,von oben’ kam, kommt hier ,aus dem Innern’, aus der Tiefe dessen, was Jesus ist. Es ist dies eine weitere Offenbarung des Vaters und des Sohnes, die geeint sind im Heiligen Geist. Jesus spricht nur von der Vaterschaft Gottes und der eigenen Sohnschaft; er spricht nicht direkt vom Geist, der Liebe ist und darum Vater und Sohn verbindet. Was er jedoch vom Vater und von sich selbst, dem Sohn, sagt, entspringt nichtsdestoweniger aus jener Fülle des Geistes, die in ihm ist, die sich in sein Herz ergießt, sein ,Ich’ selbst durchdringt und sein Wirken von innen her anregt und belebt. Von daher jener Jubel im Heiligen Geist’“ (Nr. 20-21). 134 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Dieser Lukastext neben dem des Johannes, der die Abschiedsrede im Abendmahlssaal wiedergibt (vgl. Joh 13,31; 14,31), ist besonders bedeutsam und vielsagend in bezug auf die Offenbarung des Heiligen Geistes in der messianischen Sendung Christi. In der Synagoge von Nazaret hatte Jesus die Weissagung des Jesaja auf sich angewandt; sie beginnt mit den Worten: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt“ (LJc4,18). Dieses „auf ihm Ruhen des Geistes“ erstreckte sich auf all das, was er „getan und gelehrt hat“ (Apg 1,1). Denn - so schreibt Lukas - „Jesus kehrte, erfüllt von der Kraft des Geistes, nach Galiläa zurück. Und die Kunde von ihm verbreitete sich in der ganzen Gegend. Er lehrte in den Synagogen und wurde von allen gepriesen“ (Lk 4,14-15). Diese Lehre rief Interesse und Staunen hervor: „Seine Rede fand bei allen Beifall; sie staunten darüber, wie begnadet er redete“ (Lk 4,22). Dasselbe wird von Wundem gesagt und von der einzigartigen Anziehungskraft seiner Persönlichkeit: Alle, die herbeiströmten, ihn hören und von ihren Krankheiten geheilt werden wollten, „versuchten, ihn zu berühren; denn es ging eine Kraft von ihm aus, die alle heilte“ (Lk 6,17-19). Wie kann man nicht auch darin eine Offenbarung der Kraft des Heiligen Geistes erkennen, die ihm als Mensch in Fülle geschenkt war, um seine Worte und Gesten zu beseelen? Und Jesus lehrt, den Vater um das Geschenk des Geistes zu bitten mit dem Vertrauen, es erhalten zu können: „Wenn nun schon ihr... euren Kindern gebt, was gut ist, wieviel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten“ (Lk 11,13). Und wenn er seinen Jüngern ankündigt, daß sie Verfolgung, Inhaftierung und Verhöre zu erwarten haben, fügt er hinzu: „Macht euch nicht im voraus Sorgen, was ihr sagen sollt; sondern was euch in jener Stunde eingegeben wird, das sagt! Denn nicht ihr werdet dann reden, sondern der Heilige Geist“ (Mk 13,11). „Denn der Heilige Geist wird euch in der gleichen Stunde eingeben, was ihr sagen müßt“ (Lk 12,12). <51> <51> Die synoptischen Evangelien geben eine weitere Bekräftigung Jesu in seinen Weisungen an die Jünger wieder, die stark beeindruckt: Sie betrifft „die Lästerung gegen den Heiligen Geist“. Jesus sagt: „Jedem, der etwas gegen den Menschensohn sagt, wird vergeben werden; wer aber den Heiligen Geist lästert, dem wird nicht vergeben“ (Lk 12,10; vgl. Mt 12,32; Mk 3,29). Diese Worte schaffen ein weit größeres theologisches und ethisches Problem, als man denken kann, wenn man den Text nur oberflächlich liest. Die „Lästerung“, um die es sich handelt, besteht „nicht eigentlich in verletzenden Worten gegen den Heiligen Geist, sondern in der Weigerung, das Heil anzunehmen, welches Gott dem Menschen durch den Heiligen Geist anbietet, der in der Kraft des Kreuzesopfers wirkt... Wenn die Lästerung gegen den Heiligen Geist weder in diesem noch im zukünftigen Leben vergeben wird, dann liegt der Grund darin, daß diese ,Nicht-Vergebung’ ursächlich mit der Unbußfertigkeit verbunden ist, das heißt mit der radikalen Weigerung, sich zu bekehren ... Nun ist aber die Lästerung gegen den Heiligen Geist die Sünde jenes Menschen, der sich auf sein vermeintliches ,Recht’ zum Verharren im Bösen - in jeglicher Sünde - beruft und dadurch die Erlösung verwirft... die Lästerung gegen den Heiligen Geist erlaubt es dem Menschen nicht, sich aus seiner selbstverhängten Gefangenschaft zu befreien und sich den göttlichen Quellen der Reinigung der Gewissen und der Verzeihung der Sünden zu öffnen“ (Dominum et vivificantem, Nr.46). Es ist die genaue Umkehrung des Zustandes der Fügsamkeit und Gemeinschaft mit dem Vater, 135 AUDIENZEN UND ANGELUS in dem Jesus betet und wirkt und den er den Menschen als innere Haltung und Handlungsprinzip lehrt und empfiehlt. 6. In dem Predigen und in dem Handeln Jesu Christi, das seiner Verbindung mit dem Heiligen Geist, der Liebe, entspringt, ist ein riesiger Herzensreichtum enthalten („Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig - sagt er so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele“: Mt 11,29); zugleich ist aber auch die ganze Festigkeit der Wahrheit über das Reich Gottes gegenwärtig und damit die beständige Aufforderung, das Herz unter dem Wirken des Heiligen Geistes zu öffnen, um aufgenommen und nicht ausgeschlossen zu werden. In all dem offenbart sich die „Macht des Heiligen Geistes“, ja der Heilige Geist selbst tritt durch seine Gegenwart und sein Wirken als Beistand zutage, als Tröster des Menschen, als Bekräftiger der göttlichen Wahrheit, als Besieger des „Herrschers dieser Welt“. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Nachdem Jesus die Erfahrung der Wüste gemacht hat, beginnt er sein messianisches Wirken unter den Menschen. Dies Wirken ist geprägt vom Heiligen Geist, der auf ihm ruht und ihn veranlaßt, zu lehren, die Apostel auszuwählen, zu heilen und mit seiner Predigt von Stadt zu Stadt zu ziehen. Jesus ist also nicht gesandt, in der Wüste und fern von den Menschen zu bleiben, sondern mitten unter ihnen zu wohnen und ihnen von dem mitzuteilen, was er in der Wüste erfahren hat. Jesus bleibt allerdings auch während seines öffentlichen Wirkens tief dem Gebet hingegeben. Lukas berichtet, daß er sich immer wieder an einsame Orte zurückzog, um zu beten, manchmal die ganze Nacht hindurch (vgl. Lk 6,12). Die Evangelisten stellen besonders sein Gebet vor die Verklärung und bei seinem inneren Kampf im Garten Getsemani heraus. Das Beten Jesu wird an einer Stelle einmal ausdrücklich mit dem Heiligen Geist in Zusammenhang gebracht: Die von Jesus ausgesandten zweiundsiebzig Jünger sind von ihrer Mission zurückgekehrt und erzählen ihm, daß sie dabei auch Dämonen ausgetrieben haben. Da antwortet Jesus, daß er den Satan wie einen Blitz hat vom Himmel fallen sehen (vgl. Lk 10,18), und jubelt dann, wie der Evangelist ausdrücklich sagt, „vom Heiligen Geist erfüllt“: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, aber den Unmündigen offenbart hast. Ja Vater, so hat es dir gefallen“ (Lk 10,21). Jesus jubelt, weil er die Vaterschaft Gottes offenbaren darf und weil besonders die „Kleinen“ Gottes Vatersein erfahren. Aus diesem Jubel spricht der Heilige Geist, der Jesus in seinem Innern durchdringt und sein Handeln belebt. Um diesen Geist müssen auch wir beten, besonders in den Stunden der Entscheidung. Jesus lehrt seine Jünger, gegen den Heiligen Geist nicht zu sündigen (vgl. Lk 12,10; Mt 12,32; Mk 3,29). Diese Sünde begeht der, der ein vermeintliches Recht beansprucht, im Bösen zu verharren. Damit weist er die Erlösung zurück und wird unfähig, aus seiner Begrenztheit in sich selbst herauszufinden. Wer aber wie Jesus lebt, empfängt die Kraft des Geistes, der den Menschen tröstet, ihn in der Wahrheit bestärkt und das Böse in der Welt besiegt. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Ich wünsche euch frohe, bereichernde und erholsame Tage in Rom. Euch und euren lieben Angehörigen in der Heimat erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 136 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Erbe ruft nach Erneuerung Geistlicher Besuch in Jasna Göra Unsere Liebe Frau von Jasna Göra, seit Jahrhunderten wohnst du in deinem Heiligtum, als wärest du in der Mitte, im Herzen Europas selbst. Du blickst auf Polen, unser Vaterland. Und zugleich begegnen sich vor dir die Pilger auf dem Glaubensweg aus verschiedenen Ländern. Als Mutter der Kirche gehst du allen, woher sie auch kommen mögen, voran in dieser Pilgerschaft mit Christus. Der Westen und Osten Europas, seit Kriegsende geteilt und gegeneinander abgesperrt, suchen durch dich nach den gemeinsamen Wurzeln. Sie sind ein großes Erbe der Erstevangelisierung, die Europa, seine einzelnen Völker, ihre Geschichte und ihre Kultur in ihrer vielfältigen Reichhaltigkeit geformt hat. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil forderte das Erbe des Evangeliums erneut Leitbilder. Diese Leitgestalten wurden die Patrone von Europa: im Westen der hl. Benedikt, im Osten die heiligen Slawenapostel Kyrill und Method. Heute sind wir alle uns dessen bewußt, daß dieses Erbe nach einer Erneuerung ruft. Du bist unter uns gegenwärtig, Mutter von Jasna Göra, wie du im Abendmahlssaal inmitten der Apostel warst. Und es kam der Geist - der Beistand, der Geist der Wahrheit, der das Antlitz der Erde und der Kontinente erneuert. Schenke uns sein Kommen durch die Neuevangelisierung. Damit er uns wie die Apostel zu Zeugen dessen mache, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Dessen, der der Erste und der Letzte ist. Der unsere Hoffnung ist! Den Leiden ein Ende setzen Aufruf zum Gebet für Liberia Morgen, am 26. Juli, ist der Nationalfeiertag von Liberia. Leider können zu diesem Anlaß gewiß keine Feierlichkeiten stattfinden. Wie ihr wißt, ist Ende Dezember des vergangenen Jahres ein harter Bürgerkrieg ausgebrochen, der Trauer und Zerstörung über das Land brachte. Die Hauptstadt Monrovia, die seit Anfang dieses Monats belagert wurde, ist jetzt Schauplatz blutiger Zusammenstöße; wir können uns vorstellen, wie sehr die Bevölkerung unter dem Schrecken der Kämpfe leidet und daß sie die notwendigsten Mittel zum Überleben braucht. Ich fordere euch auf, euch meinem Gebet anzuschließen und den Herrn zu bitten, daß in dieser mir teuren afrikanischen Nation der Frieden wieder einkehre und die Leiden ihrer Bürger ein Ende finden. Bitten wir Gott, die Herzen und Sinne jener zu erleuchten, die die Geschicke des Landes lenken, damit sie — besorgt um das wahre Wohl ihrer Mitbürger - der Kraft des Dialogs den Vorrang geben vor der Gewalt der Waffen. Der Herr unterstütze die wertvollen Anstrengungen dieser Ortskirche, der Internationalen Organisationen und all jener, die sich bemühen mitzuhelfen bei der Beilegung des Konflikts und 137 AUDIENZEN UND ANGELUS der Unterstützung dieser so leidgeprüften Bevölkerung. Die seligste Jungfrau Maria bekräftige unser Gebet durch ihre Fürsprache. In der Ausbildung offen sein für die Gnade Angelus in Castel Gandolfo am 29. Juli Das zentrale Ereignis der Geschichte, die Menschwerdung des Sohnes Gottes, deren wir gedenken, wenn wir den „Engel des Herrn“ beten, stellt Maria, die Gottesmutter, in ihrer unvergleichlichen Bedeutung heraus. Sie wurde ja gerade im Hinblick auf ihre einzigartige Mitwirkung zu Leben, Wachstum und Sendung Jesu mit Gnade erfüllt. Dieses Beispiel ist unvergleichbar. Aber es hilft uns verstehen, von welcher Bedeutung auch die Qualität der Erzieher bei der Ausbildung zum Priestertum ist. Wer zu der Aufgabe berufen ist, die jungen Menschen auf das Leben und den Dienst des Priesters vorzubereiten, ist damit in eine hohe Verantwortung gestellt. Die kommende Synode wird es nicht versäumen, dieser Anforderung Rechnung zu tragen, wenn sie den Bischöfen nahelegt, mit aufmerksamer Sorgfalt die Priester auszuwählen, die zur Leitung und zum Unterricht an den Seminaren bestimmt werden. „Seminarobere und Professoren sollen aus den besten Kräften ausgewählt werden“, sagt das Zweite Vatikanische Konzil. „Sie müssen durch gediegene Studien, entsprechende pastorale Erfahrung und eine besondere geistliche und pädagogische Ausbildung sorgfältig vorbereitet sein“ (Optatam totius, Nr. 5). Es kann zwar nur die göttliche Gnade einen Menschen fähig machen, die Erziehungsaufgabe an einem Seminar oder, wenn es sich um Ordensleute handelt, in einem Ausbildungshaus gut zu erfüllen. An dieser Gnade aber wird es nicht fehlen, da ja Christus, der sich in seinem Erdenleben so intensiv, ja ich möchte sagen, ausschließlich der Heranbildung der Apostel gewidmet hat, auch weiterhin um die Ausbildung der Priester besorgt ist und alle dazu notwendige Gnade verfügbar macht. Die Ausbildungskräfte ihrerseits müssen für die Gnade offen sein und auf sie zählen. Sie müssen also ein intensives geistliches Leben führen und einen echten Glauben bezeugen, von dem ihr ganzes Verhalten durchdrungen ist. Dieses Zeugnis muß in der ganzen Art ihres Denkens und Handelns zum Ausdruck kommen. „Die Oberen und Professoren - so fährt das Konzil fort - sollen immer daran denken, wie sehr der Bildungserfolg bei den Alumnen von der Art und Weise ihres Denkens und Handelns abhängt“ (ebd.). Wenn sie ihr Priestertum ganz und echt leben, können sie die Schönheit eines ganz Christus geweihten Lebens begreiflich machen und die ihnen anvertrauten jungen Menschen in der Gnade der Berufung bestärken. Sie werden ihnen helfen, die Schwierigkeiten auf dem Weg zur Priesterweihe zu überwinden und werden sie ermutigen, die Anstrengungen aufzubrin-gen, die zur Vorbereitung notwendig sind, und die Freuden und die Opfer, die das Priesterleben mit sich bringt, anzunehmen. 138 AUDIENZEN UND ANGELUS Vor allem ist zu wünschen, daß Obere und Erzieher mit den Seminaristen im Gebet, im Studium und im Handeln eine echte Gemeinschaft bilden, die darauf abzielt, die Berufung in den Jugendlichen zu entfalten. Deshalb sind persönlicher Einsatz bei der intellektuellen und geistlichen Ausbildung sowie ein brüderliches Verhältnis zu den Seminaristen von großer Bedeutung. Vor allem sollen sie auf eine Atmosphäre der Hochherzigkeit und der Freude bedacht sein und in den jungen Menschen den lebhaften Wunsch fördern, sich eines Tages der apostolischen und seelsorglichen Sendung widmen zu dürfen. Wir wollen Maria bitten, ihre Fürsprache möge uns zahlreiche Erzieher schenken, die sich durch hervorragende Qualitäten für die Ausbildung der Priesterkandidaten auszeichnen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Mein Willkommensgruß gilt auch allen deutschsprachigen Teilnehmern an diesem Mariengebet. Besonders begrüßen möchte ich eine Pilgergruppe aus den Diözesen Würzburg und Regensburg. Möge Maria, die Mutter unseres Herrn und Erlösers, mit ihrer Fürsprache euch auf eurem Weg begleiten und euch stets Vorbild im gläubigen Vertrauen auf Gott, unseren Vater sein. Hierzu segne ich euch und eure Lieben in der Heimat von ganzem Herzen. Vom Kreuz kommt die heilende Kraft Ansprache bei der Generalaudienz am 1. August 1. In der Enzyklika Dominum et viviücmtem habe ich geschrieben: „Der Gottessohn Jesus Christus hat als Mensch im inständigen Gebet seines Leidens dem Heiligen Geist, der sein Menschsein schon voll und ganz durchdrungen hatte, gewährt, ihn durch sein Sterben zu einem vollkommenen Opfer zu machen, zu einem Opfer der Liebe am Kreuz. Allein hat er diese Gabe dargeboten. Als einziger Priester ,hat er sich selbst als makelloses Opfer Gott dargebracht’ (Hebr 9,14).“ Das Kreuzesopfer ist der Höhepunkt eines Lebens, in dem wir, den Texten des Evangeliums folgend, vom Augenblick der Menschwerdung an, die Wahrheit über den Heiligen Geist gelesen haben. Sie war das Thema der vorausgehenden Katechesen, die sich auf jene Augenblicke des Lebens und der Sendung Christi konzentrieren, die in besonderer Weise die Offenbarung des Heiligen Geistes durchblicken lassen. Das Thema der heutigen Katechese ist der Augenblick des Kreuzes. <52> <52> Wir wollen unsere Aufmerksamkeit auf die letzten Worte richten, die Jesus in seinem Todeskampf auf Golgota sprach. Im Text des Lukas lauten sie so: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (LJr23,46). Wenn diese Worte auch, bis auf die Anrufung „Vater“, dem Psalm 30/31 entnommen sind, so gewinnen sie doch im Zusammenhang des Evangeliums eine andere Bedeutung. Der Psalmist bat Gott, ihn vom Tod zu erretten; Jesus am Kreuz hingegen nimmt gerade mit den Worten des Psalmisten den Tod an und übergibt dem Vater seinen Geist, das heißt: sein Leben. Der Psalmist wendet sich an Gott als den Befreier; Jesus 139 AUDIENZEN UND ANGELUS gibt seinen Geist an den Vater hin im Blick auf die Auferstehung. Er vertraut dem Vater voll und ganz seine Menschheit an, in der das göttliche Ich des Sohnes, durch den Heiligen Geist mit dem Vater verbunden, anwesend ist. Die Gegenwart des Heiligen Geistes wird jedoch im Text des Lukas nicht so ausdrücklich genannt wie im Brief an die Hebräer (9,14). 3. Ehe wir zu diesem anderen Text übergehen, müssen wir die Worte des sterbenden Christus im Johannesevangelium in Erwägung ziehen, die ein wenig anders formuliert sind. Wir lesen dort: „Als Jesus von dem Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht! Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf“ (Joh 19,30). Der Evangelist hebt nicht das Hingeben oder Anvertrauen des Geistes an den Vater hervor. Der weit ausholende Kontext des Johannes und vor allem jener der Seiten, die dem Tod Jesu am Kreuz gewidmet sind, scheint vielmehr daraufhinzuweisen, daß dieser Tod den Anfang setzt zur Sendung des Heiligen Geistes als Gabe, die beim Weggang Christi übergeben wird. Doch auch hier handelt es sich nicht um eine ausdrückliche Bestätigung. Wir können aber nicht über die überraschende Verbindung hinwegsehen, die zwischen dem Text des Johannes und der Deutung des Todes Christi im Hebräerbrief zu bestehen scheint. Der Verfasser dieses Briefes spricht von der rituellen Funktion der blutigen Opfer des Alten Bundes, die zur Reinigung des Volkes von den Verschuldungen gegen das Gesetz dienten, und er vergleicht sie mit dem Kreuzesopfer, um dann auszurufen: „Wieviel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat, unser Gewissen von toten Werken reinigen, damit wir dem lebendigen Gott dienen“ (Hebr 9,14). In der Enzyklika Dominum et vivißcantem habe ich geschrieben: „In seiner Menschheit war er - Christus - würdig, ein solches Opfer zu werden, weil er allein .makellos’ war. Aber er brachte sich dar ,kraft ewigen Geistes’: das bedeutet, daß der Heilige Geist in besonderer Weise bei dieser vollkommenen Selbsthingabe des Menschensohnes mitgewirkt hat, um das Leiden in erlösende Liebe zu verwandeln“ (Nr. 40). Das Geheimnis der Verbundenheit zwischen dem Messias und dem Heiligen Geist im messianischen Werk, wie es die Seite des Lukasevangeliums über die Ankündigung an Maria aufweist, erscheint nun in diesem Abschnitt aus dem Brief an die Hebräer. Hier wird die Tiefe dieses messianischen Werkes aufgezeigt, das bis in das Gewissen der Menschen hineinreicht, um sie durch die göttliche Gnade zu reinigen und zu erneuern, weit über die rituellen Vorbilder hinaus, die an der Oberfläche bleiben. 4. Im Alten Testament wird mehrmals vom „Feuer“ gesprochen, das „vom Himmel“ kam und die von den Menschen dargebotenen Opfergaben verbrannte (vgl. Lev 9,24; 1 Chr 21,26; 2 Chr 7,11). So im Buch Levitikus: „Das Feuer soll auf dem Altar brennen bleiben, es darf nicht erlöschen, und der Priester soll jeden Morgen Holz nachlegen. Er lege darauf das Brandopfer“ (6,5). Nun wissen wir, daß das Brandopfer des Alten Bundes ein Sinnbild des Kreuzesopfer, des vollkommenen Ganzopfers war. „In analoger Weise kann man sagen, daß der Heilige Geist,Feuer vom Himmel’ ist, das in der Tiefe des Rreuzesgeheimnisses wirkt. Vom Vater ausgehend, lenkt er das Opfer des Sohnes zum Vater hin, indem er es in die göttliche Wirklichkeit der trinitarischen Gemeinschaft einbringt“ (Dominum et vivißcantem, Nr. 41). Aus diesem Grund können wir hinzufügen, daß im Widerschein des trinitarischen Geheimnisses die volle Erfüllung der Ankündigung Johannes’ des Täufers am Jordan sichtbar wird: 140 AUDIENZEN UND ANGELUS „Er [Christus] wird mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (Mt 3,11). Wenn schon im Alten Testament, von dem der Täufer sprach, das Feuer ein Symbol dafür war, daß Gott in seiner Vollmacht eingriff, um die Gewissen durch seinen Geist zu reinigen (vgl. Jes 1,25; Zach 13,9; Mal 3,2.3; Sir 2,5), so werden jetzt die Sinnbilder von der Wirklichkeit übertroffen im Opfer des Kreuzes, das die vollkommene „Taufe“ ist, mit der Christus selbst getauft werden mußte (vgl. Mk 10,38). Nach ihr sehnte er sich während seines Lebens und seiner Sendung auf Erden aus all seinen Kräften, wie er selbst sagte: „Ich bin gekommen, Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen! Ich muß mit einer Taufe getauft werden, und ich bin sehr bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist“ (Lk 12,49-50). Der Heilige Geist ist das heilbringende „Feuer“, in dem dieses Opfer Wirklichkeit wird. 5. Im Brief an die Hebräer lesen wir ferner, daß Christus „obwohl er der Sohn war, durch sein Leiden den Gehorsam gelernt hat“ (vgl. Hebr 5,8). Als er in die Welt kam, hatte er zum Vater gesagt: „Ja, ich komme, um deinen Willen zu tun“ (Hebr 10,9). Im Kreuzesopfer verwirklicht sich bis in seine Tiefe hinein gerade dieser Gehorsam: „Wenn die Sünde das Leiden hervorgebracht hat, so hat der Schmerz Gottes nun im gekreuzigten Christus durch den Heiligen Geist seinen vollen menschlichen Ausdruck gewonnen... Zugleich aber holt der Geist aus der Tiefe dieses Leidens... ein neues Maß für das Gnadengeschenk, das dem Menschen und der Schöpfung von Anfang an gemacht worden ist. In der Tiefe des Geheimnisses des Kreuzes ist die Liebe am Werk, die den Menschen erneut zur Teilnahme am Leben bringt, das in Gott selbst ist“ (Dominum et vivificantem, Nr. 41). Darum hat die Menschheit in ihren Beziehungen zu Gott „nicht einen Hohenpriester, der nicht mitfühlen könnte mit unserer Schwäche, sondern einen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat“ (Hebr 4,15): In diesem neuen Geheimnis der priesterlichen Vermittlung Christi beim Vater zeigt sich das Entscheidende Eingreifen des „ewigen Geistes“, der das Feuer der unendlichen Liebe ist. <53> <53> „Der Heilige Geist als Liebe und Gnadengeschenk versenkt sich gewissermaßen in die Herzmitte jenes Opfers, das am Kreuz dargeboten wird. Mit Bezug auf die biblische Tradition können wir sagen: Er verzehrt dieses Opfer mit dem Feuer der Liebe, die den Sohn mit dem Vater in der trinitarischen Gemeinschaft vereint. Und weil das Kreuzesopfer ein eigener Akt Christi ist,,empfängt’ auch er den Heiligen Geist. Er empfängt ihn auf solche Weise, daß er ihn dann - und nur er allein mit dem Vater - den Aposteln, der Kirche, der Menschheit ,geben’ kann“ (Dominum et vivificantem, Nr. 41). Es ist also richtig, im Kreuzesopfer den abschließenden Augenblick der Offenbarung des Heiligen Geistes im Leben Christi zu sehen. Es ist der Kernpunkt, in dem das Pfingstereignis seine Wurzel hat und von dem aus sich alle Ausstrahlung in die Welt vollzieht. Derselbe „ewige Geist“, der im Geheimnis des Kreuzes am Werk ist, wird Pfingsten im Abendmahlssaal in Gestalt von „Zungen, wie von Feuer“ auf den Häuptern der Apostel erscheinen, um anzudeuten, daß er nach und nach durch den apostolischen Dienst der Kirche in die Adern der menschlichen Geschichte eindringen werde. Auch wir sind berufen, in die Ausstrahlungen dieses geheimnisvollen Kraftfeldes zu treten, das vom Kreuz und vom Abendmahlssaal ausgeht, damit wir in ihm und durch es in die Gemeinschaft der Heiligsten Dreifaltigkeit hineingezogen werden. 141 AUnrF.N7.EN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! „In deine Hände lege ich meinen Geist“ (LA'23,46). Mit diesen Worten des Psalmisten wandte sich Jesus in seiner Todesstunde am Kreuz an seinen himmlischen Vater. Er bittet nicht, wie der alttestamentliche Beter, um Befreiung und Abwendung von Gefahr, nein, der Gekreuzigte gibt sich ganz in den Willen des Vaters hinein, er ist bereit, den ihm vom Vater zugewiesenen Weg bis in den Kreuzestod zu gehen. Er gibt seinen Geist, sein irdisches Leben hin, im Vertrauen auf die Auferstehung. In meiner Enzyklika über den Heiligen Geist habe ich dazu geschrieben: „In seiner Menschheit war Christus würdig, ein solches Opfer zu werden, weil er allein .makellos’ war. Aber er brachte sich dar ,kraft ewigem Geistes’: Das bedeutet, daß der Heilige Geist in besonderer Weise bei dieser vollkommenen Selbsthingabe des Menschensohnes mitgewirkt hat, um das Leiden in erlösende Liebe zu verwandeln“ (Nr. 40). Eben dieser im Geheimnis des Kreuzes wirkende „ewige Geist“ wird dann am Pfingsttag auf die im Gebet versammelten Apostel wie „Feuerzungen“ herabkommen, um so durch den apostolischen Dienst der Kirche nach und nach in der Geschichte der Menschheit seine Wirksamkeit zu entfalten. Auch wir, liebe Schwestern und Brüder, sind gerufen, in den Wirkungskreis dieser heilenden Kraft einzutreten, die vom Kreuz ausgeht, um in immer tiefere Gemeinschaft mit dem dreifältigen Gott geführt zu werden. Mit diesen kurzen Worten der Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Allen die in diesen Wochen Ferien machen, wünsche ich erholsame Tage. Euch und euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie den über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Nimm die ganze Nation unter deinen Schutz Geistlicher Besuch in Jasna Gora „Maria, du bist seit Jahrhunderten die Königin Polens, sprich ein Wort zu unserer Hilfe!“ Mutter, dieses dein Wort zu unserer Hilfe gewinnt besondere Bedeutung an dem Tag, an dem wir des Aufstandes von Warschau gedenken. Jedes Jahr müssen wir wieder daran denken. Warschau und Polen erinnern sich an diesen Aufstand. Doch denken auch Europa und die Welt daran? Wir können nicht anders: müssen an diesen heroischen Kampf erinnern. Mag es vielen absurd, anderen unnötig erscheinen, wir können nicht umhin, uns vor den Menschen zu verneigen, die bereit waren, ihr junges Leben auf dem brennenden Altar der Hauptstadt hinzugeben. Und viele von ihnen blieben unter den Trümmern dieser Stadt, die der Primas der Jahrtausendfeier „unbesiegbar“ genannt hat. Sind sie denn wirklich nicht besiegt worden? Was war die Logik dieser Tat? Sie bleibt schwer verständlich ohne den September 1939 und die heroische Anstrengung des „heimlichen Polen“ in Betracht zu ziehen: der Nation und der Armee. 142 AUDIENZEN UND ANGELUS Dieses Verlangen, die Heimat in ihrer Existenz unabhängig zu machen, koste es auch die größten Opfer. Bis zum Ausbruch - im August 1944 - mußten die Augen jener Generation auf die Zukunft gerichtet sein. Denn was würden die Verträge ergeben, die von jenen geschlossen wurden, bei denen die Entscheidung lag - leider über jene hinweg, die im Kampf um „eure und unsere“ Freiheit so viel bezahlt haben? Welche Unabhängigkeit sollte Polen zuerkannt werden? Hat der Aufstand von Warschau etwas ändern können? Für den Augenblick änderte er nichts. Aber er hat eine erschütternde Herausforderung für die Zukunft hinterlassen. Für einen anderen August! Mutter von Jasna Göra, Patronin der August-Monate Polens! „Nimm die ganze Nation unter deinen Schutz! ... Nimm unter deinen Schutz!“ Den Bruderkrieg beenden Appell an die kämpfenden Parteien in Liberia Die dramatischen Nachrichten, die aus Liberia kommen, zwingen mich leider, von neuem meine Stimme zu erheben und Gott innig für dieses Volk zu bitten, das so grausamen Prüfungen ausgesetzt ist. Fürchterliche Gewalttaten und Massaker fordern auch unter den schutzlosen Bürgern Todesopfer und schonen nicht einmal die Krankenhäuser und Kirchen, die als Zufluchtsorte dienen. So ein Los ist diesen unseren Menschenbrüdem beschieden. Ich bitte inständig die Konfliktparteien und insbesondere diejenigen, die sie im Bruderkrieg anführen, diesem einem ganzen Volk auferlegten Leiden ein Ende zu setzen. Ich bitte dringend darum, daß der hochherzige Einsatz der Hilfsorganisationen nicht behindert werde; das Hilfspersonal riskiert oft sein Leben, bemüht sich, Heilung und Trost zu bringen und die unschuldigen Leben zu schützen. Von neuem appelliere ich an die weltweite Solidarität: die Nachbarländer und jene, die mit Liberia traditionsgemäß verbunden sind, dürfen nicht erlauben, daß unter der Gleichgültigkeit der öffentlichen Meinung das vollzogen wird, was man wirklich einen Bruderkrieg nennen kann. Ich lade euch ein, euch meinem Gebet anzuschließen, damit Gott auf die mütterliche Fürsprache der Jungfrau Maria allen Liberiem helfe, die Werte des menschlichen Lebens, der Brüderlichkeit und des Friedens zu entdecken, ohne die die Zukunft dieses geliebten Volkes nicht gebaut werden kann. 143 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria erzieht zur Dienstbereitschaft Angelus in Castel Gandolfo am 5. August Dieser Tag, an dem unser Blick sich besonders auf Maria, die Beschützerin des römischen Volkes richtet, ist dazu angetan, auf die ihr bestimmte Rolle in der Ausbildung der Priester zurückzukommen. Schon bei anderer Gelegenheit habe ich an die Bedeutung der Gegenwart Marias im Leben des Priesters erinnert. Heute möchte ich den Gedanken an diese ihre Rolle in der priesterli-chen Formation, auf die sich die Aufmerksamkeit der kommenden Synode konzentrieren wird, noch vertiefen. Diese besondere Rolle hat ihren Ursprung in der Erziehungsaufgabe, die Maria für den her-anwachsenden Jesus anvertraut war. Durch die Bezeichnung „Mutter Gottes“ haben die Christen die Größe der Mutterschaft Marias anerkannt, die berufen war, ein Kind zur Welt zu bringen, das Gott war. Doch der Adel dieser mütterlichen Funktion beschränkte sich nicht auf die Geburt des Kindes; er zeigte sich auch in seiner Erziehung. Maria hat alle Gnaden empfangen, die für die Erziehung Jesu, für die Vorbereitung auf seine priesterliche Sendung notwendig waren. So war sie die vollkommene Erzieherin des einzigen und ewigen Hohenpriesters. Insbesondere hatte der Heilige Geist sie zu einer Haltung angeregt, die zum Dienen verfügbar war, wie sie in den Worten zum Ausdruck kommt, die wir beim Angelus-Gebet sprechen: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn“ (Lk 1,38). Dieser Dienst für den Herrn hat sich sogleich ausgeweitet zum Dienst für den Nächsten. Das zeigt die Reise, die sie unternahm, um Elisabet nahe zu sein. Indem Maria sich unaufhörlich als die zeigte, die sich selbst vergaß, um sich ganz den anderen zu widmen, hat sie dazu beigetragen, in Jesus den Geist der Dienstbereitschaft zur Entfaltung zu bringen. In den Lebensverhältnissen von Nazaret hat Jesus stets die Verfügbarkeit und den unermüdlichen Geist des Dienens in seiner Mutter bewundern können. In seinem öffentlichen Leben hat Jesus dann gerade diesen Geist des Dienens als Kennzeichen seiner eigenen Sendung herausgestellt: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45; Mt 20,28). Damit wollte er seinen Jüngern, die ihren persönlichen Ehrgeiz irgendwie zu befriedigen suchten, eine Lehre erteilen. Das Priesteramt, zu dem sie berufen sind, läßt sich also nicht ausüben, „damit man sich bedienen läßt, sondern damit man dient“. „Dienen“: genau das bedeutet der Ausdruck „Dienstamt“. Das Amtspriestertum besteht darin, den anderen zu dienen. Daher ist der Einfluß begreiflich, den Maria auf die Priesterausbildung haben kann, um zum Geist des Dienens zu erziehen. Jene, die die Erzieherin des einzigen Priesters war, bleibt die einzigartige Erzieherin der jungen Menschen, die zum Priestertum berufen sind. Damit sie diese Aufgabe erfüllen könne, muß sie in der gemeinsamen Verehrung und im Gebet als die anerkannt werden, die den Seminaristen hilft, sich jene Grundhaltung des Dienens zu eigen zu machen, die ihnen gestatten wird, ihr priesterliches Dienstamt zu erfüllen. 144 AUDIENZEN UND ANGELUS Beten wir, daß die kommende Synode den Platz deutlich macht, der Maria in der Ausbildung der zukünftigen Priester, das heißt der Diener des Volkes Gottes gebührt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich auch an die deutschsprachigen Besucher, die an unserem gemeinsamen Gebet des „Engel des Herrn“ teilnehmen. Maria ist die Mutter unseres Erlösers und darum auch unsere Mutter und Fürsprecherin. Möge sie euch, gerade jetzt in der Ferienzeit, mit ihrem besonderen Schutz und Beistand begleiten. Dazu segne ich euch und alle, die euch verbunden sind, von ganzem Herzen. Der lebenspendende Geist Ansprache bei der Generalaudienz am 8. August 1. Der Apostel Petrus versichert in seinem ersten Brief: „Christus ist der Sünden wegen ein einziges Mal gestorben, er, der Gerechte, für die Ungerechten, um euch zu Gott hinzuführen; dem Heisch nach wurde er getötet, dem Geist nach lebendig gemacht“ (1 Petr 3,18). Auch der Apostel Paulus bestätigt diese Wahrheit in der Einleitung des Briefes an die Römer, in der er sich als Verkündiger des Evangeliums Gottes vorstellt. Er schreibt: „... das Evangelium von seinem Sohn, der dem Heisch nach geboren ist als Nachkomme Davids, der dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt ist als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten, das Evangelium von Jesus Christus, unserem Herrn“ (Rom 1,3-4). Diesbezüglich habe ich in der Enzyklika Dominum et vivificantem geschrieben: „So kann man sagen, daß die .Erhöhung’ Christi als Messias im Heiligen Geist ihren Höhepunkt in der Auferstehung erreicht, in der er sich als Sohn Gottes offenbart, .voll der Kraft’“ (Nr. 24). Die Gelehrten sind der Meinung, dieser Abschnitt des Briefes an die Römer, wie auch jener aus dem Petrusbrief (1 Petr 3,18-4,6) enthalte ein Glaubensbekenntnis, das die beiden Apostel der lebendigen Quelle der Urkirche entnommen haben. Unter den Elementen dieses Glaubensbekenntnisses befindet sich die Aussage, daß der Heilige Geist, der in der Auferstehung am Werk ist, der „Geist der Heiligung“ ist. Wir können also sagen, daß Christus, der vom ersten Augenblick seiner Empfängnis durch den Heiligen Geist im Schoß Marias an der Sohn Gottes war, in der Auferstehung durch eben diesen Heiligen Geist „eingesetzt“ wird als Quelle des Lebens und der Heiligkeit - „voll der Kraft der Heiligung“. So offenbart sich die Geste Jesu am Abend des Auferstehungstages, des „ersten Tages der Woche“, in ihrer ganzen Bedeutung, als Jesus den Aposteln erscheint, ihnen die Hände und die Seite zeigt, sie anhaucht und sagt: „Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,22). <54> <54> In diesem Zusammenhang verdient der erste Brief des Paulus an die Korinther besondere Aufmerksamkeit. Wir sahen seinerzeit bei den christologischen Katechesen, daß sich in diesem Brief die erste geschichtliche Anmerkung hinsichtlich der Zeugnisse über die Auferstehung Christi befindet, die für den Apostel nun zur Tradition der Kirche gehören. 145 AUDIENZEN UND ANGELUS „Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf“ (1 Kor 15,3-5). An diesem Punkt zählt der Apostel verschiedene Erscheinungen Christi auf, die nach der Auferstehung erfolgten, und erinnert am Schluß an jene, die ihm selbst widerfuhr (vgl. ebd., 15,4-11). Es handelt sich um einen sehr wichtigen Text, der nicht nur die Überzeugung der ersten Christen hinsichtlich der Auferstehung Jesu dokumentiert, sondern auch die Predigt der Apostel, die sich bildende Überlieferung und den pneumatologischen und eschatologischen Inhalt des Glaubens der Urkirche. In seinem Brief verbindet der Apostel die Auferstehung Christi mit dem Glauben an die allgemeine „Auferstehung des Leibes“ und stellt mit folgenden Worten die Beziehung zwischen Christus und Adam her: „Adam, der Erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der Letzte Adam wurde lebendigmachender Geist“ (I Kor 15,45). Wenn er von Adam schreibt, daß er „ein irdisches Lebewesen“ wurde, dann zitiert er den Text der Genesis, in welchem es heißt, daß Adam „zu einem lebendigen Wesen“ wurde kraft des „Lebensatems“, den Gott „in seine Nase blies“ (Gen 2,7). Sodann hält Paulus fest, daß Jesus Christus als auferstandener Mensch Adam übertrifft: er besitzt ja die Fülle des Heiligen Geistes, der in einer neuen Weise dem Menschen Leben geben soll, so daß er zu einem geistigen Wesen wird. Wenn der neue Adam zu „lebendigmachendem Geist“ wurde, dann bedeutet das nicht, er sei als Person gleichbedeutend geworden mit dem Heiligen Geist, der „lebendig macht“ (mit göttlichem Leben), sondern daß er als Mensch, der die Fülle dieses Geistes besitzt, ihn den Aposteln, der Kirche, der Menschheit gibt. Er ist „Geist, der Leben gibt“, durch seinen Tod und seine Auferstehung, das heißt durch sein Kreuzesopfer. <55> <56> <57> <55> Die Worte des Apostels gehören zu der Unterweisung, die Paulus über die Bestimmung des menschlichen Leibes gibt, dessen Lebensprinzip die Seele ist (griechisch: psyche, hebräisch: nefesh, vgl. Gen 2,7). Sie ist ein natürliches Prinzip, das den Körper im Augenblick des Todes zu verlassen scheint, in einem Ereignis, angesichts dessen sich als existentielles Problem - noch vor der philosophischen Reflexion - die Frage nach der Unsterblichkeit stellt. Nach der Auffassung des Apostels antwortet die Auferstehung Christi mit einer Gewißheit des Glaubens auf diese Frage. Der Leib Christi, in der Auferstehung mit Heiligem Geist erfüllt, ist die Quelle des neuen Lebens im Leib der Aufgeweckten: „Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib“ (f Kor 15,44). Der irdische Leib (von der psyche beseelt) ist dazu bestimmt, zu verschwinden, um dem „überirdischen“, vom pneuma beseelten, Platz zu machen. Dieser ist von dem Geist beseelt, der schon während dieses irdischen, sterblichen Lebens das Ihinzip neuen Lebens ist (vgl. Röm 1,9; 5,5) und nach dem Tod zur vollen Auswirkung kommt. Dann wird er der Urheber der Auferstehung des „irdischen Leibes“ sein in der integralen Wirklichkeit des „überirdischen Leibes“ durch die Verbindung mit Christus, dem Auferstandenen (vgl. Röm 1,4; 8,11), dem himmlischen Menschen und „lebendigmachenden Geist“ (1 Kor 15,45-49). Die zukünftige Auferstehung ist also an die Vergeistigung des Leibes gebunden, ähnlich dem Leib Christi, lebendig gemacht durch die Kraft des Heiligen Geistes. Das ist die Antwort des 146 AUDIENZEN UND ANGELUS Apostels auf die Frage, die er sich selbst stellt: „Wie werden die Toten auferweckt, was für einen Leib werden sie haben?“ (1 Kor 15,35). „Was für eine törichte Frage!“ — ruft Paulus aus —. „Auch das, was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt. Und was du säst, hat noch nicht die Gestalt, die entstehen wird; es ist nur ein nacktes Samenkorn, zum Beispiel ein Weizenkorn oder ein anderes. Gott gibt ihm die Gestalt, die er vorgesehen hat... So ist es auch mit der Auferstehung der Toten ... Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib“ {1 Kor 15,36-38.42.44). 4. Nach dem Apostel also ist das Leben in Christus zugleich das Leben im Heiligen Geist: „Ihr aber seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt, da ja der Geist Gottes in euch wohnt. Wer den Geist Christi nicht hat, der gehört nicht zu ihm“ (Röm 8,9). Die wahre Freiheit findet sich in Christus und in seinem Geist, „denn das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus hat dich frei gemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes“ (Röm 8,2). Die Heiligung in Christus ist zugleich die Heiligung im Heiligen Geist (vgl. z. B. 1 Kor 1,2; Röm 15,16). Wenn Christus „für uns eintritt“ (Röm 8,34), dann „tritt auch der Geist selbst für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können ... Er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein“ (Röm 26-21). Wie sich aus diesen paulinischen Texten ersehen läßt, gießt der Heilige Geist, der in der Auferstehung Christi am Werk war, auch schon dem Christen im eschatologischen Ausblick auf die zukünftige Auferstehung das neue Leben ein. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Auferstehung Christi, dem neuen Leben des von der Sünde befreiten und des Ostergeheimnisses teilhaftig gewordenen Christen und der zukünftigen Wiederherstellung der Einheit von Leib und Seele in der Auferstehung vom Tod: der Urheber der ganzen Entfaltung des neuen Lebens in Christus ist der Heilige Geist. 5. Man kann sagen, daß die Sendung Christi im Ostergeheimnis wirklich ihren Höhepunkt erreicht. Dort eröffnet sich vor dem Blick des Gläubigen und der Forschung des Theologen die enge Beziehung zwischen der Christologie und der Pneumatologie vor dem eschatologischen Horizont. Aber dieser Blick schließt auch die ekklesiologische Ebene ein: „Die Kirche verkündet denjenigen, der dieses Leben schenkt: den Geist, den Lebensspender; sie verkündet ihn und wirkt mit ihm zusammen in der Vermittlung des Lebens. Denn wenn ,der Leib tot ist aufgrund der Sünde, ist der Geist Leben aufgrund der Gerechtigkeit’ (Röm 8,10), die von dem gekreuzigten und auferstandenen Christus gewirkt worden ist. Im Namen der Auferstehung Christi dient die Kirche dem Leben, das aus Gott selbst hervorgeht, in enger Einheit und demütigem Dienst mit dem Geist“ (Dominum et vivificantem, Nr. 58). <58> <58> Im Mittelpunkt dieses Dienstes steht die Eucharistie. Dieses Sakrament, in dem sich unaufhörlich das Erlösungsgeschenk Christi fortsetzt, enthält gleichzeitig die lebenspendende Kraft des Heiligen Geistes. Die Eucharistie ist also das Sakrament, in welchem der Geist sein Wirken fortsetzt und sich als Lebensprinzip des Menschen in der Zeit und in der Ewigkeit offenbart. Er ist Quelle des Lichtes für den Verstand und Quelle der Kraft für die Lebensführung, nach dem Wort Jesu in Kafamaum: „Der Geist ist es, der lebendig macht... Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe [über „das Brot, das vom Himmel herabkommt“] sind Geist und sind Leben“ (Joh 6,63). 147 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Sendung und Auftrag Jesu finden ihren letzten und eigentlichen Höhepunkt in der Auferstehung. Der Sohn des lebendigen Gottes, dessen ganzes Dasein begründet und begleitet ist vom Wirken des heiligen Geistes, erweist sich im Geschehen der Auferstehung aus der Kraft des Geistes als Quelle des Lebens und der Heiligkeit. Christus, „der dem Fleische nach geboren ist als Nachkomme Davids“, ist „dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten“ (Röm 1,4). Den lebenspendenden Geist spricht der Herr am Abend des Tages der Auferstehung den „bei verschlossenen Türen“ versammelten Jüngern zu, denen er seine Hände und seine Seite zeigt: „Empfangt den heiligen Geist“ (Joh 20,22). Der individuelle Lebensweg Jesu und das Schicksal der Menschheit sind im Auferstandenen engstens miteinander verknüpft. „Adam, der Erste Mensch, wurde ein irdisches Lebewesen. Der Letzte Adam wurde lebendigmachender Geist“ (1 Kor 15,45). Der „neue Adam“ besitzt also die Fülle des heiligen Geistes und gibt ihn an die Apostel, an die Kirche und an die Menschheit weiter. Er ist durch das Opfer am Kreuz, durch seinen Tod und seine Auferstehung zum lebenspendenden Geist geworden. Hier nun setzt das Zeugnis und die Verkündigung der Kirche an, die „im Namen der Auferstehung Christi... dem Leben dient, das aus Gott selbst hervorgeht, in enger Einheit und demütigem Dienst mit dem Geist“ (Dominum et vivificmtem, Nr. 58). Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt der Pilgergruppe aus Kallmünz und den zahlreichen Jugendgruppen. Eure Reise nach Rom möge auch der inneren Bereicherung und der Stärkung der Einheit mit dem Nachfolger des Apostels Petrus dienen. Zugleich wünsche ich euch noch einen angenehmen Urlaub. Euch allen und euren Lieben in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Du ließest nicht zu, daß wir die Hoffnung verloren Geistlicher Besuch in Jasna Gora Zu deinen Füßen, Herrin von Jasna Göra, habe ich vor einer Woche an den Aufstand von Warschau erinnert, einen letzten, erschütternden Aufschrei des Untergrundpolen, um das Recht zum Leben in einer unabhängigen Nation, einem unabhängigen Staat geltend zu machen. Heute möchte ich auf die Worte zurückkommen, die zu sagen mir 1982 bei einer Begegnung mit meinen Landsleuten in London gegeben war: „Mit dem Gedanken an euch darf man nicht den Begriff Auswanderung’ verbinden; muß man von dem Begriff ,Heimat’ ausgehen ... Diejenigen, die im Rahmen der kriegerischen Ereignisse hierherkamen, waren keine Auswanderer. Sie waren das aus den eigenen Grenzen, von den eigenen Schlachtfeldern weggerissene Polen. 148 AUDIENZEN UND ANGELUS Sie bildeten das Mark des um seine Unabhängigkeit kämpfenden Polens. Noch einmal nach der Parole: Für unsere und eure Freiheit. Dieses Polen bildeten die Flieger, die die britischen Inseln verteidigten, die Divisionen und die Brigaden, die von den Sowjetrepubliken Osteuropas und Asiens kamen und durch Persien, den Mittleren Osten, Ägypten und Libyen die Aperminische Halbinsel und Monte Cassino erreichten und dazu beitrugen, der italienischen Erde ihre Freiheit zurückzugeben“ (30. Mai). Das war Mitte Mai 1944. Anfang August brach in Warschau der Aufstand aus. Ein Geflecht von Aktionen, verbunden durch eine gemeinsame Logik. Waren das nur Unternehmungen von Verurteilten? Die Soldaten, die in Monte Cassino gekämpft haben, sind nicht in eine unabhängige Heimat zurückgekehrt. Die von der Untergrundarmee wurden wie Verbrecher behandelt. Mutter, die du uns kennst! Mutter, die du uns kennst! Du hast nicht zugelassen, daß wir die Hoffnung verloren! Der Priesterdienst an den Kranken Angelus in Castel Gandolfo am 12. August Zu den Aufgaben des priesterlichen Dienstes gehört der Krankenbesuch. Er gibt den Kranken moralisch Unterstützung, schenkt ihnen geistlichen Trost und hilft ihnen, die Prüfung der Krankheit zu tragen und zu überstehen. Im Blick auf die kommende Synode wollen wir kurz auch über die Vorbereitung der Priester zu diesem Dienst nachdenken. Im Evangelium stellen wir fest, daß Jesus beständig seine Aufmerksamkeit den Kranken zuwendet. Das ist ein charakteristischer Zug seiner Tätigkeit: „Jesus - sagt der hl. Matthäus -zog durch alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen, verkündete das Evangelium vom Reich und heilte alle Krankheiten und Leiden“ (Mt 9,35). Von überall strömten die Menschen herbei, sagt der hl. Lukas. „Sie alle wollten ihn hören und von ihren Krankheiten geheilt werden“ (Lk 5,16). Durch das Mitleid, das er den Kranken und Leidenden zuwendete, gab Jesus die göttliche Liebe zu erkennen, die sich mit unendlichem Erbarmen über alles menschliche Elend neigt. Zugleich bewies er ein wirksames Mitleid: er zeigte nicht nur seine Anteilnahme, sondern verschaffte Heilung. Durch viele Wunder, die er an den Kranken wirkte, machte er deutlich, daß die göttliche Allmacht sich in den Dienst der Menschen stellt. Der Priester ist berufen, dem Beispiel Christi zu folgen und den Kranken alles Wohlwollen des Erlösers entgegenzubringen. Anders als Christus, hat er nicht die Macht, die Kranken und Leidenden zu heilen, aber er kann ihnen moralisch und geistlich Trost spenden und sie so in der Prüfung stärken, und er wird damit auch die Heilung begünstigen und beschleunigen können. Auch im Gebet wird der Priester für die ihm anvertrauten Kranken die Besserung ihres Gesundheitszustandes erbitten und erlangen können. 149 AUDIENZEN UND ANGELUS Sein Hirtendienst wird ihn veranlassen, gerade den Elendesten Liebe zu erweisen, wie es das Evangelium besonders empfiehlt. Jedesmal, wenn der Priester einen Kranken besucht, ist er aufgefordert, in ihm die geheimnisvolle Gegenwart Christi zu entdecken: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“ (Mt 25,36). In den Leiden des Kranken wird er mit Ehrfurcht und Liebe das Geheimnis des gekreuzigten Christus erkennen, das sich im Leben der Menschen fortsetzt. Der Priester ist berufen, in diesem Blick auf das Heilswerk die Kranken zu besuchen. Jesus hat viele wunderbare Heilungen vollbracht als Zeichen für die Heilungen, die er der Menschheit bringen wollte. Die Heilung des Leibes hat er nicht zum absoluten Zweck gemacht: er wollte vielmehr die Menschen vom Bösen retten. Daher sehen wir, wie er dem Gelähmten seine Sünden verzeiht, ehe er ihn heilt; er wirkte das Wunder, um zu zeigen, daß diese Verzeihung Wirklichkeit war. Der Priester wird immer das Ziel seiner Sendung vor Augen haben: das vollständige Heil des Menschen, das vor allem anderen geistlicher Art ist. Er wird sich bewußt sein, daß die Krankheit eine Zeit der Prüfung, aber auch der Gnade ist, und er wird die Kranken ermuntern, aus dieser Zeit Nutzen zu ziehen, um Christus näherzukommen, seine geheimnisvolle Gegenwart zu entdecken, den Willen des Vaters anzunehmen und ihm noch hochherziger ihre Schmerzen aufzuopfem. Bitten wir Maria, die ein so mitleidsvolles Herz hat, daß sie die Priester bei ihren Krankenbesuchen mütterlich führe, und daß sie sie unaufhörlich zu diesem so wichtigen Dienst an-spome. Mit ihr wird der Weg leichter Angelus in Castel Gandolfo am 15. August 1. Die heutige Liturgie lädt uns ein, Maria, die demütige Magd des Herrn, im glorreichen Geheimnis ihrer Aufnahme in den Himmel zu betrachten. An sie richtet sich unser gemeinsames Gebet an diesem Hochfest, und ich wünsche allen, daß sie diesen Tag mit frohem Herzen zubringen können. „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen!“ Ja, Maria ist gesegnet, denn in ihr hat sich die Verheißung erfüllt; in ihrem jungfräulichen Schoß ist Jesus, der Sohn Gottes, Mensch geworden. Mit ihrem restlosen „Ja“ zum Willen des Vaters hat sie die Tore des Heils für das ganze Menschengeschlecht geöffnet. Und darum verkündet die Kirche heute ihre unermeßliche Größe, besingt sie ihre fortwährende Treue und ruft sie ihre mächtige Fürsprache an. <59> <59> In Maria, die am ewigen Leben Christi teilhat, erblickt die Menschheit ihre strahlende, ganz erfüllte und selige Zukunft, die allen am Ende der irdischen Pilgerschaft angeboten ist. In Marias Aufnahme in den Himmel zeigt sich klar und deutlich die endgültige Bestimmung des Menschen, der nach dem Abbild Gottes erschaffen, durch Christus, den Gekreuzigten, erlöst und zur Herrlichkeit berufen ist. 150 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria ist die Erste unter den Erlösten, die Erste unter den „zur Herrlichkeit Berufenen“. Darum begreifen wir in ihr besser die Wirklichkeit dieses unseres Daseins. Mit ihr wird der Weg leichter und der Aufstieg zum ewigen Ziel weniger schwierig. 3. Wenn Sorgen und Schwierigkeiten uns bedrängen, wenn wir das Gewicht der täglichen Mühen spüren, wenn tausend Versuchungen dieser Welt uns verlocken, dann lädt sie uns ein, ihrem Beispiel zu folgen und unsere Hoffnung an ihrem Licht zu entzünden, denn durch Gottes Auserwählung hat sie bereits die Vollendung und die Seligkeit erreicht, nach der wir uns noch sehnen. Vom Geheimnis der Reinheit und Unversehrtheit ihrer Seele und ihres Leibes und der unvergleichlichen Einheit zwischen ihrer Existenz und der des Erlösers fällt heute wiederum Licht auf einen jeden von uns, macht unser tägliches Dasein hell und hilft uns, mutig alle Anforderungen unseres Christseins anzunehmen. Wir wollen sie bitten, uns ihr Antlitz zuzuwenden und für uns einzutreten! In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich heiße ich die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern willkommen, die mit uns zum Gebet des „Engel des Herrn“ versammelt sind. Ein besonderer Gruß gilt einer Pilgergruppe aus Nürnberg, der Gruppe der Krankenpflegeschule Tilbeck sowie dem Kinder- und Jugendchor aus Buch im Bregrenzerwald. Das heutige Fest der Aufnahme der Gottesmutter mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels erinnert uns daran, daß das Ziel auch unseres Lebensweges die Vollendung im Reich des himmlischen Vaters ist. Möge der Herr uns auf die Fürsprache Mariens mit seinem Segen stets Schutz und Wegbegleitung sein. Ganz für den Herrn dasein Angelus in Castel Gandolfo am 19. August 1. Das Angelus-Gebet, liebe Brüder und Schwestern, erinnert uns daran, daß unser Erlöser von einer Jungfrau geboren wurde. Die Jungfräulichkeit Marias, erfordert vom Geheimnis der Menschwerdung, kündigt die jungfräuliche Existenz Christi an. Es geschah nicht ohne göttliches Planen, daß eine Jungfrau bestimmt war, Jesus auf seine priesterliche Sendung vorzubereiten, eine Sendung, die sich in Ehelosigkeit vollziehen sollte. Hier findet sich der Ursprung jener Lebensentscheidung, zu der, nach der Ordnung der lateinischen Kirche, die Priester berufen sind. Die kommende Synode, die sich mit dem Thema ihrer Ausbildung beschäftigt, wird diesen Aspekt ihres Lebens gemäß dem vom Konzil im Dekret Optatzm totius ausgesprochenen Grundsatz bedenken: „Die Alumnen, die gemäß den heiligen und festen Gesetzen ihres eigenen Ritus die verehrungswürdige Tradition des prie-sterlichen Zölibats auf sich nehmen, sollen mit großer Sorgfalt auf diesen Stand hin erzogen werden: sie verzichten darin um des Himmelreiches willen (vgl. Mt 19,12) auf die eheliche Gemeinschaft, hangen dem Herrn mit ungeteilter Liebe an, wie sie dem Neuen Bund in be- 151 AUDIENZEN UND ANGELUS sonderer Weise entspricht; sie geben Zeugnis für die Auferstehung in der künftigen Welt (vgl. Lk 20,36) und gewinnen besonders wirksame Hilfe zur ständigen Übung jener vollkommenen Liebe, die sie in ihrer priesterlichen Arbeit allen alles werden läßt“ (Nr. 10). 2. Wie wir im Evangelium sehen, hat Christus nicht gezögert, von denen, die er zu Aposteln erwählte, zu verlangen, daß sie alles verließen, um ihm zu folgen. Alles verlassen bedeutet auch, darauf verzichten, eine eigene Familie zu gründen. Mehr als jeder andere wußte Jesus, daß ein solcher Verzicht viel Hochherzigkeit erfordert, denn er setzt die völlige Hingabe seiner selbst voraus. Als absoluter Herr des menschlichen Lebens hat er seine Apostel dazu eingeladen, sich zu einer solchen vollen Hingabe zu verpflichten, da er deren ganze Fruchtbarkeit erkannte. Es ist wahr: der gottgeweihte Zölibat erfordert eine besondere Gnade, denn er ist ein Ideal, das die Kräfte der menschlichen Natur übersteigt und einige von deren Neigungen opfert. Aber der Herr, der seine Kirche in der Entscheidung für diesen Weg geführt hat, wird es nicht daran fehlen lassen, diese Gnade denen zu geben, die er zum Priestertum ruft. Kraft einer solchen Gabe des Höchsten werden sie fähig sein, eine derartige Verpflichtung auf sich zu nehmen und ihr lebenslang treu zu bleiben. 3. Es ist aber notwendig, daß die jungen Menschen, die ins Seminar eintreten, so vorbereitet werden, daß sie die Motive zu einer solchen Entscheidung und deren Erfordernisse klarer begreifen lernen und im Gebet die ihnen angebotene Gnade annehmen. Man wird sie auch auf die Gefahren aufmerksam machen müssen, denen sie ausgesetzt sein können, und auf die Klugheit und Einfachheit hinweisen, die ihr Benehmen kennzeichnen müssen. Vor allem müssen sie in der Überzeugung bestärkt werden, daß der Zölibat wesentlich eine größere Liebe zu Christus und zum Nächsten bedeutet, und daß er dazu bestimmt ist, die Heiligkeit und die Treue der christlichen Eheleute zu unterstützen. Wir wollen um die Fürsprache der Jungfrau der Jungfrauen bitten, damit die Synode den jungen Menschen, die sich auf das Priestertum vorbereiten, eine angemessene Ausbildung im Hinblick auf die Anforderungen dieser größeren Liebe gewährleistet. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich heiße ich die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern willkommen, die hier mit uns den „Engel des Herrn“ gebetet haben. Immer wieder halten wir im Laufe des Tages kurz inne, um uns unter den Schutz der Gottesmutter zu stellen und sie um ihre Fürsprache zu bitten. Euch und all euren Lieben erteile ich für diese neue Woche von Herzen meinen Apostolischen Segen. 152 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Heilige Geist ist Person Ansprache bei der Generalaudienz am 22. August 1. Wir haben bisher eine Reihe von Katechesen dem Wirken des Heiligen Geistes gewidmet und haben dieses zunächst im Licht des Alten Testamentes und dann in den verschiedenen Augenblicken des Lebens Christi betrachtet. Nun gehen wir weiter und erwägen das Geheimnis der Person des Heiligen Geistes selbst, der in Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn in der Einheit der göttlichen Dreifaltigkeit lebt. Wir befinden uns in der höchsten Phase dessen, was wir mehrmals die Selbstoffenbarung Gottes genannt haben, das heißt, die Kundgabe des eigenen innersten Wesens und Planens seitens des Gottes, den Jesus uns als Vater kennen und anrufen gelehrt hat. Dieser unendlich wahre und gute Gott hat sich stets an eine Art transzendenter Pädagogik gehalten, um uns zu unterweisen und uns an sich zu ziehen. So auch in der Offenbarung des Heiligen Geistes. 2. Daran erinnert uns der hl. Gregor von Nazians in einem schönen Text, der das fortschreitende Handeln Gottes in der Heilsgeschichte erläutert in bezug auf das Geheimnis der Dreifaltigkeit der drei göttlichen Personen in der Einheit des göttlichen Wesens. „In der Tat - sagt dieser große Kirchenvater -: das Alte Testament predigte offen den Vater und weniger deutlich den Sohn; das Neue Testament hat den Sohn klar gezeigt und auf die Göttlichkeit des Heiligen Geistes hingedeutet. Und jetzt wohnt der Heilige Geist in uns und offenbart sich deutlicher. Es wäre tatsächlich nicht klug gewesen, offen den Sohn zu verkündigen, solange man noch nicht die Gottheit des Vaters bekannte, und, ehe die Gottheit des Sohnes anerkannt würde, uns noch dazu - ich spreche allzu kühn - den Heiligen Geist aufzudrängen“ (Orat. XXXI, Theo1. V, 26: PG 36,161). Nach dem hl. Gregor von Nazians war es also für den Menschen schwierig, die Offenbarung Gottes als einer in der Natur und drei in den Personen anzunehmen, denn es geht weit über die Begriffe des menschlichen Verstandes in ihrer gewöhnlichen Bedeutung hinaus. Und im übrigen ist es für sehr viele, auch wirklich religiöse Menschen, schwierig geblieben, wie die Geschichte des Judentums und des Islam bezeugen. <60> <61> <62> <60> Dieses pädagogische Fortschreiten der göttlichen Offenbarung ist aus den vorausgegangenen Katechesen klar geworden, in denen wir gesehen haben, daß das Alte Testament in vielen Punkten und auf viele Weisen vom Geist Gottes spricht, schon vom Beginn des Buches Genesis an (vgl. Gen 1,2). Aber wir haben immer feststellen können, daß es sich um Andeutungen und Ankündigungen handelte, die sich eher auf das Wirken des Heiligen Geistes im Menschen und in der Geschichte bezogen und noch nicht auf seine Person, wenigstens nicht direkt und ausdrücklich. Im weiten Bereich des Alten Testamentes kann man vom Entdecken, dem ersten Verspüren und dem fortschreitenden Begreifen des Geistwirkens sprechen, wobei aber die Unterscheidung der drei Personen in der Einheit Gottes noch im Schatten bleibt. Die älteren Texte weisen auch auf bestimmte Erscheinungen in der physischen Welt und im psychologischen und geistigen Bereich hin und schreiben sie dem Wirken des Geistes Gottes zu: so etwa den „Atem Gottes“, der das Universum vom Augenblick der Erschaffung an belebt, oder übermenschliche Kräfte, die Menschen verliehen werden, weil sie bestimmte Aufgaben 153 AUDIENZEN UND ANGELUS zur Führung und Verteidigung des Volkes Gottes übernehmen sollen, wie die körperliche Kraft des Simson (vgl. Ri 14,6), die Einsetzung Gideons (vgl. Ri 6,34) und Jiftachs Sieg im Kampf mit den Ammonitem (vgl. Ri 11,29). In anderen Fällen sehen wir, daß der Geist Gottes den Menschen nicht nur einsetzt, sondern ihn geradezu „fortreißt“ (Elias, vgl. 1 Kön 18,12), Propheten an einen anderen Ort bringt und sie in Ekstase versetzt, die Gabe der Traumdeutung verleiht (Josef in Ägypten, vgl. Gen 41,38). In all diesen Fällen handelt es sich um ein Wirken spontaner und vorübergehender Art - wir könnten es charismatisch nennen - zum Wohl des Volkes Gottes. 4. Andererseits stellt uns das Alte Testament auch viele Fälle vor, in denen der Geist Gottes bleibend wirksam ist; er läßt sich, biblisch gesprochen, auf den Menschen nieder, wird auf ihn gelegt, wie bei Mose, Josua, David, Elija und Elischa. Vor allem die Propheten sind Träger des Geistes Gottes. Der Zusammenhang zwischen dem prophetischen Wort und dem Geist Gottes wird schon in der Geschichte Balaams bestätigt (Num 24,2-3), und eine Episode im ersten Buch der Könige deutet ihn an (1 Kön 22,24). Nach dem Exil zeigt Ezechiel, daß er sich des Ursprungs seiner Inspiration voll bewußt ist: „Da überfiel mich der Geist des Herrn, und er sagte zu mir: Sag ..." (Ez 11,5). Und Sacharja erinnert daran, daß Gott „Worte ... in der Kraft seines Geistes durch die früheren Propheten gesandt hat“ (Sach 7,12). Auch in diesem Zeitabschnitt werden dem Geist Gottes und seinem Handeln vor allem Wirkungen moralischer Natur zugeschrieben (so z. B. in den Psalmen 50 und 142 und im Buch der Weisheit). Seinerzeit haben wir über diese Stellen gesprochen und sie analysiert. 5. Aber die bedeutungsvollsten und wichtigsten Texte sind jene, die die Propheten dem Geist des Herrn gewidmet haben, der auf dem Messias ruhen würde, auf der messianischen Gemeinde und ihren Mitgliedern. Ganz besonders sind das die Texte der messianischen Prophezeiungen des Jesaja: hier wird offenbar, daß der Geist des Herrn zuerst auf dem „Reis Isais“ (des 11,1-2) ruhen wird, dem Nachkommen und Nachfolger Davids, dann auf dem „Knecht des Herrn“ (/es 42,1), der „der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker“ sein wird, und schließlich auf dem Verkünder der Frohen Botschaft an die Armen (/es 61,1; vgl. Lk 4,18). Nach den alten Prophezeiungen wird der Geist des Herrn auch das geistige Antlitz des „Restes Israels“, d. h. der messianischen Gemeinde, die der göttlichen Berufung treu geblieben ist, erneuern. Das sagen uns die Bibelstellen nicht nur bei Jesaja (44,3; 59,21), sondern auch bei Ezechiel (36,27; 37,14), Joel (3,1-2) und Sacharja (12,10). <63> <63> Auf diese Weise bereitet das Alte Testament mit einer Fülle von Hinweisen auf das Wirken des Gottesgeistes darauf vor, zu verstehen, was in der Offenbarung des Neuen Testamentes über das Wirken des Heiligen Geistes als Person in seiner Einheit mit dem Vater und dem Sohn gesagt wird. Das alles entfaltet sich in der Linie der göttlichen Pädagogik, die die Menschen zum Erkennen und Anerkennen der höchsten Geheimnisse erzieht: der Dreifaltigkeit, der Menschwerdung des Wortes und der Herabkunft des Heiligen Geistes. Im Alten Bund war alles auf die Wahrheit des Monotheismus konzentriert, die Israel anvertraut war. Sie mußte angesichts der von verschiedenen Seiten andrängenden Versuchungen zum Polytheismus beständig verteidigt und gefestigt werden. 154 AUDIENZEN UNDANGELUS 7. Im Neuen Bund erreichen wir eine neue Stufe: das stärkere Bewußtsein vom Wert der Person des Menschen hat einen Kontext geschaffen, in dem auch die Offenbarung des Heiligen Geistes als Person einen vorbereiteten Boden findet. Der Heilige Geist ist jener, der im Menschen Wohnung nimmt und der vor allem ihn heiligt durch die Kraft der Liebe, die er selbst ist. So zeigt die Offenbarung des Heiligen Geistes als Person auch die innere Tiefe des Menschen. Und aufgrund dieser tieferen Auffassung vom menschlichen Geist wird man sich besser bewußt, daß der Heilige Geist zur Quelle der Gemeinschaft des Menschen mit Gott und auch der interpersonalen Gemeinschaft zwischen den Menschen wird. Das ist, zusammengefaßt, die neue Offenbarung der Person des Heiligen Geistes, über die wir in den kommenden Katechesen nachdenken wollen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In den vorausgegangenen Katechesen, die dem Wirken des Heiligen Geistes gewidmet waren, konnten wir feststellen, daß das Alte Testament in vielen Punkten und auf vielerlei Weise vom Geist Gottes spricht. Aber es handelt sich dabei um Vorankündigungen und Vorahnungen vom Handeln des Heiligen Geistes im Menschen und in der Geschichte, und nicht schon um seine Person. Im übrigen stellt uns das Alte Testament viele Fälle eines beständigen Handelns dar, das vom Geist Gottes geleitet wird. Auf diese Weise bereitet das Alte Testament das Verständnis dessen vor, was in der Offenbarung des Neuen Testaments über den Heiligen Geist als Person in seiner Einheit mit dem Vater und dem Sohn gesagt wird. Außerdem muß auch festgehalten werden, daß im Alten Testament alles auf den dem Volk Israel anvertrauten Monotheismus konzentriert war, der angesichts polytheistischer Tendenzen aus allen Richtungen ständig verteidigt werden mußte. Der Neue Bund kennt ein stärkeres Bewußtsein für die Personalität des Menschen. Von daher findet auch die Offenbarung des Heiligen Geistes als Person ein vorbereitetes Terrain. Der Heilige Geist nimmt Wohnung im Menschen und heiligt ihn vor allem kraft der Liebe, die Er selbst ist. Er wird Quelle der Gemeinschaft des Menschen mit Gott und der Gemeinschaft der Menschen untereinander. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt der Pilgergruppe aus Deutschkreuz im Burgenland mit ihrem weit bekannten Musikverein. Euch allen und euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Durch dich, Mutter, bitten wir Christus Geistlicher Besuch in Jasna Göra Am Fest der Muttergottes von lasna Göra läßt die Liturgie uns das Evangelium von der Hochzeit zu Kana lesen. In der Lesung erinnert uns der Apostel Paulus daran: „Du bist nicht mehr Sklave, sondern Sohn“ (Gal4,7). 155 AUDIENZEN UND ANGELUS „Unsere Gottessohnschaft trägt das Erbe der Freiheit in sich ... Christus, der mit seiner Mutter zusammen im Kana Polens anwesend ist, stellt von Generation zu Generation die große Sache der Freiheit vor uns hin. Die Freiheit wird dem Menschen von Gott als Maßstab seiner Würde gegeben. Sie wird ihm aber zugleich auch als Auftrag übertragen ... Diese Evangelisierungsarbeit von Jasna Göra, in einer der Kinder Gottes würdigen Freiheit zu leben, hat eine lange Geschichte von sechs Jahrhunderten ... Was könnte in dieser Hinsicht die Kapelle mit dem Bild von Jasna Göra alles erzählen! ... Ein beispielloses Kapitel über die Geschichte der Seelen! Das ist vielleicht die tiefste Dimension der Sechshundertjahrfeier von Jasna Göra.“ Diese Sätze aus der Predigt bei der Sechshundertjahrfeier 1983 wiederhole ich heute. Und dann: „Die Evangelisierung der Freiheit in Jasna Göra hat noch eine andere Dimension: die Dimension der Freiheit der Nation, der freien Heimat... Der Staat ist wirklich souverän, wenn er die Gesellschaft regiert und zugleich dem Wohl der Gesellschaft dient und wenn er der Nation gestattet, sich in ihrer eigenen Objektivität, ihrer eigenen Identität zu verwirklichen“ (Predigt in Jasna Göra, 19. 6. 1983). Da das Fest Unserer Lieben Frau von Jasna Göra nahe ist, erinnere ich in diesem Jahr wieder an diese Predigt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns gelehrt, daß die Muttergottes im Leben Christi und der Kirche und durch die Kirche im Leben der Völker und der Nationen beständig anwesend ist, in ihrer Geschichte, in Leiden und Kämpfen, in ihrem inneren und sozialen Reifen. Mutter Gottes und der Menschen! An deinem Fest in diesem Jahr 1990 laden wir dich zur Teilnahme am neuen Kapitel unserer Pilgerfahrt ein. Und durch dich laden wir Christus ein: so, wie in Kana in Galiläa! Hoffnung für die ganze Kirche Angelus in Castel Gandolfo am 26. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am nächsten Samstag werde ich meine siebte Afrikareise beginnen. Ich werde Tansania, Burundi und Ruanda besuchen. In Yamoussoukro, Elfenbeinküste, werde ich sodann Gelegenheit haben, an einer Versammlung des Rates des Generalsekretariats der Sondersynode für Afrika der Bischofskonferenz teilzunehmen. Der Nachfolger des Petrus ist glücklich, daß er an diesem Treffen von Brüdern im Bischofsamt, Nachfolgern der Apostel auf afrikanischer Erde, teilnehmen kann. Seit der ersten Ankündigung der Sondersynode am 6. Januar 1989 habe ich persönlich mit lebhaftem Interesse und in tiefer Zuneigung zum afrikanischen Kontinent die Entwicklung der Vorbereitungsarbeiten verfolgt. Aufgrund zahlreicher Begegnungen, die ich inzwischen mit afrikanischen Bischöfen hatte, kann ich mir ein Bild davon machen, mit welcher Freude und Begeisterung man sich auf diesem Kontinent auf das bedeutende kirchliche Ereignis vorbereitet. 156 AUDIENZEN UND ANGELUS Bekanntlich ist das Thema der Synode, das im Umfeld der afrikanischen Bischöfe selbst gereift ist, folgendes: „Die Kirche in Afrika und ihr Evangelisierungsauftrag auf das Jahr 2000 hin. ,Ihr werdet meine Zeugen sein’(Apg 1,8)“. Um die Arbeit der Synode zu erleichtern, wurde ein eigenes Vorbereitungsdokument, das „Instrumentum laboris“, verfaßt und bei einer Bischofsversammlung in Lome in Afrika am vergangenen 24. Juli offiziell verteilt. Es hat sich zum Ziel gesetzt, alle Ortskirchen in Afrika zum Nachdenken anzuregen: die Bischöfe, Priester, Ordensleute, Katechisten, die engagierten Laien in den Pastoralräten und Bewegungen und die örtlichen Gemeinden. Sie werden die Ergebnisse ihrer Meditation und ihrer Überlegungen durch die einzelnen Bischöfe den Bischofskonferenzen und dann dem Generalsekretariat übergeben. 2. Dieses Arbeitsinstrument nimmt fünf große Themen in Angriff: 1. Die Verkündigung der Frohen Botschaft des Heils; 2. Die Inkulturation; 3. Der Dialog in all seinen Dimensionen: allgemein, ökumenisch, zwischen den Religionen und mit Nichtglaubenden; 4. Gerechtigkeit und Frieden: die Rolle der Christen bei der Förderung des Menschen; 5. Die sozialen Kommunikationsmittel. Am Vorabend des dritten Jahrtausends der Erlösung erweckt dieses Zugehen auf die Synode große Hoffnungen nicht nur für Afrika, sondern für die ganze Kirche und die gesamte Welt. Wir dürfen uns eine neue und überzeugtere Wiederaufnahme der Evangelisierung erwarten, eine Wiedererweckung des Missionsgeistes. In der Kirche dieses Kontinents zeichnet sich die Art und Weise des Christseins, wie es diesem kulturellen Kontext entspricht, immer deutlicher und klarer ab: die Kirche ist dabei, jenes „afrikanische Gesicht“ anzunehmen, das für Afrika der Widerschein des Antlitzes Christi selbst ist. Wir dürfen ferner erwarten, daß neue geistliche Reichtümer, neue Anstöße zur Heiligkeit und zur kirchlichen Erneuerung ans Licht kommen als kostbarer und echter Beitrag nicht nur zum Wohl Afrikas, sondern der ganzen Kirche. <64> <64> Ich bitte um euer Gebet, liebe Brüder und Schwestern, um das gute Gelingen dieser bedeutsamen Synode, der ersten ihrer Art für Afrika, die die zunehmende Lebenskraft des Christentums in diesem Kontinent bezeugt. Mögen alle, die mit verschiedenen Aufgaben und auf verschiedene Art an den Arbeiten der Synode beteiligt sind, Ohren haben, „zu hören, was der Geist den Gemeinden sagt, nach dem Wort der Offenbarung des Johannes (2,7). Mögen sie immer tiefer erkennen, welchen Plan der Herr mit den Teilkirchen Afrikas hat, welches ihre Sendung und ihre Verantwortung im großen Zusammenklang der Kirchen der ganzen Welt ist. Maria, die heilige Jungfrau, deren Verehrung sich in Afrika kräftig entwickelt und Frucht versprechende Ansätze auf dem Feld der Gerechtigkeit, der Heiligkeit und des Friedens zeigt, den Bischöfen Afrikas reiche Gaben an geistlicher Unterscheidung und Herzensgröße erlangen, damit sie der afrikanischen Kirche neuen, großmütigen Aufschwung auf den Wegen des Herrn geben können. In deutscher Sprache sagte der Papst: Mein herzlicher Willkommensgruß gilt allen deutschsprachigen Pilgern und Besuchern, unter ihnen besonders der Ministrantengruppe aus der Pfarrei St. Johann Baptist in Neu-Ulm. 157 AUDIENZEN UND ANGELUS Mit diesem marianischen Gebet haben wir uns erneut unter den Schutz der Königin des Himmels gestellt, der wir uns gläubig in all den Sorgen und Nöten unseres Lebens anvertrauen dürfen. Möge der Herrn euch und eure Lieben daheim auf die Fürsprache Mariens stets mit seinem Segen begleiten. Eine Stunde höchster Besorgnis Aufruf zum Gebet für die Golfregion An diesem Tag des Herrn fühle ich mich verpflichtet, euch zum Gebet für den Frieden am Persischen Golf aufzufordern, wo es zu einer wirklich besorgniserregenden Lage gekommen ist. Wir sind in der Tat Zeugen ernster Verletzungen des Internationalen Rechtes und der Charta der Vereinten Nationen, sowie der ethischen Prinzipien geworden, die das Zusammenleben der Völker regeln müssen. Das gegenseitige Mißtrauen nimmt in dramatischer Weise zu, und die internationale Ordnung, die um den Preis so großer Anstrengungen und des Opfers so vieler Menschenleben aufgebaut wurde, ist ernstlich bedroht; nicht zu vergessen die negativen Rückwirkungen sozialer und wirtschaftlicher Art, die die ärmeren Nationen zu tragen haben. In dieser Stunde höchster Besorgnis lade ich euch daher ein, euer inständiges Gebet zum gütigen und erbarmenden Gott zu erheben und ihn zu bitten, daß er die erleuchte, die das Geschick der Völker in den Händen haben, damit sie gerechte Lösungen für die anstehenden Probleme finden mögen, und daß er den Stern des Friedens über der gequälten Bevölkerung am Persischen Golf und über allen Völkern des Mittleren Ostens aufgehen lasse, vor allem über den so sehr geprüften des Libanon und Palästinas. Und da der Friede ein Geschenk Gottes ist, das den Menschen anvertraut wurde, fühle ich die Pflicht, einen tief bekümmerten Appell an alle Menschen guten Willens zu richten, daß sie in einem konstruktiven Dialog nach einer gerechten Lösung für die heutigen Schwierigkeiten suchen. Maria, die Königin des Friedens, möge für uns bitten und vor allem für die, die zu leiden haben, weil sie in ungerechtfertigter Weise von ihrer Heimat femgehalten werden. Herr, gib uns den Frieden, Domine, dona nobis pacem! 158 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Heilige Geist - göttliche Person Ansprache bei der Generalaudienz am 29. August 1. Nach seiner Auferstehung erschien Jesus den elf Aposteln und sagte zu ihnen: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Der Apostel und Evangelist Matthäus ist es, der diesen Auftrag berichtet, mit dem Jesus Christus die Apostel in alle Welt sendet, damit sie seine Zeugen seien und sein Heilswerk fortsetzen. Diesen Worten entspricht unsere älteste christliche Tradition, nach der die Taufe im Namen der heiligsten Dreifaltigkeit gespendet wird. Aber im Text des Matthäus ist ebenso enthalten, was wir als letztes Wort der Offenbarung der Wahrheit über die heiligste Dreifaltigkeit betrachten können. Sie schließt die Offenbarung des Heiligen Geistes ein als einer Person, die dem Vater und dem Sohn gleich ist, eines Wesens mit ihnen in der Einheit der Gottheit. Diese Offenbarung gehört dem Neuen Testament an. Im Alten Testament war der Heilige Geist in den verschiedenen Weisen seines Wirkens, wie sie in den vorausgegangenen Katechesen aufgezeigt wurden, Kundgabe der Macht, der Weisheit und der Heiligkeit Gottes. Im Neuen Testament finden wir den deutlichen Übergang zur Offenbarung des Heiligen Geistes als Person. 2. Der Text des Matthäusevangeliums 28,19 läßt in der Tat den Heiligen Geist deutlich als Person erkennen, denn er nennt ihn in ein und derselben Weise wie die anderen beiden Personen ohne diesbezüglich auf irgendeinen Unterschied hinzudeuten: den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Aus dem Evangelium des Matthäus ergibt sich sehr klar, daß der Vater und der Sohn zwei unterschiedene Personen sind. „Der Vater“ ist der, den Jesus „meinen himmlischen Vater“ nennt (Mt 15,13; 16,17; 18,35). „Der Sohn“ ist Jesus selbst, wie ihn im Augenblick seiner Taufe (Mt 3,17) und seiner Verklärung (Mt 17,5) eine Stimme vom Himmel genannt hat, und wie er von Simon Petrus als „der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ erkannt wurde (Mt 16,16). Mit diesen beiden göttlichen Personen wird nun in derselben Weise „der Heilige Geist“ verbunden. Diese Verbundenheit wird noch enger durch die Tatsache, daß der Satz vom „Namen“ dieser drei spricht durch den Auftrag, alle Menschen „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ zu taufen. In der Bibel wird der Ausdruck „auf den Namen von“ normalerweise nur dann gebraucht, wenn es sich um Personen handelt. Es ist übrigens bemerkenswert, daß der Satz des Evangeliums den Ausdruck „Namen“ in der Einzahl verwendet, obgleich er mehrere Personen nennt. Aus all dem ergibt sich in unzweideutiger Weise, daß der Heilige Geist eine dritte göttliche Person ist, eng mit dem Vater und dem Sohn verbunden in der Einheit eines einzigen göttlichen „Namens“. Die christliche Taufe bringt uns in eine persönliche Beziehung mit den drei göttlichen Personen und stellt uns so in die innigste Verbundenheit mit Gott. Und jedesmal, wenn wir das Kreuzzeichen machen, wiederholen wir die Worte des Evangeliums, um unser Verhältnis zum Vater und zum Sohn und zum Heiligen Geist neu zu beleben. Den Heiligen Geist als Person anerkennen, ist eine wesentliche Bedingung für das christliche Leben des Glaubens und der Liebe. 159 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Das Wort des auferstandenen Christus über die Taufe (Mt 28,19) steht nicht ohne Vorbereitung im Matthäusevangelium. Es steht nämlich in Beziehung zum Bericht über die Taufe Jesu selbst, bei der eine Theophanie der Dreifaltigkeit dargestellt wird. Matthäus sagt, als Jesus aus dem Wasser gestiegen war, „da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. Und eine Stimme aus dem Himmel sprach: ,Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe’“ (Mt 3,16-17). Diese Szene wird in gleicher Weise von den beiden anderen Synoptikern beschrieben (Mk 1,9-11; Lk 3,21-22). Wir finden in ihr eine Offenbarung der drei göttlichen Personen: der Person Jesu wird die Bezeichnung Sohn gegeben; die Person des Vaters ist erkennbar durch die Stimme, die sagt: „Dieser ist mein Sohn“; und die Person des Geistes Gottes tut sich kund als unterschieden vom Vater und vom Sohn, sowie in Beziehung zum einen und zum andern: zum himmlischen Vater, weil der Geist aus der Höhe herabkommt, und zum Sohn, weil er auf ihn niedersteigt. Wenn beim ersten Lesen diese Deutung nicht mit voller Klarheit hervortritt, so wird doch die Gegenüberstellung mit dem letzten Satz des Evangeliums (Mt 28,19) sie als stichhaltig erweisen. 4. Das Licht, das uns im letzten Satz des Matthäus gegeben wird, läßt uns auch noch in anderen Texten das Personsein des Heiligen Geistes erkennen. Die Offenbarung des Geistes in seiner Beziehung zum Vater und zum Sohn läßt sich ebenfalls aus dem Bericht über die Verkündigung entnehmen (Lk 1,26-38). Wie Lukas erzählt, verkündete der Engel Gabriel, von Gott zu einer Jungfrau mit dem Namen Maria gesandt, ihr den Willen des ewigen Vaters mit folgenden Worten: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden“ (Lk 1,31-32). Und als Maria fragte, wie das geschehen könne, da sie doch Jungfrau sei, antwortete ihr der Engel: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,34-35). Dieser Text als solcher sagt nicht, daß der Heilige Geist eine Person ist; er zeigt nur, daß er ein vom Höchsten, das heißt, von Gott-Vater, und vom Sohn des Höchsten unterschiedenes Wesen ist. Wenn wir ihn aber, wie wir es spontan tun, im Licht des Glaubens „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19) lesen, offenbart er uns die Einheit der drei göttlichen Personen in der Verwirklichung des Geheimnisses, das „Menschwerdung des Wortes“ genannt wird. Die Person des Heiligen Geistes trag bei zu dieser Verwirklichung nach dem Plan des Vaters, der den Sohn voll annahm. Durch den Heiligen Geist wurde der Sohn Gottes, wesensgleich mit dem ewigen Vater, als Mensch empfangen und von der Jungfrau Maria geboren. In den vorausgegangenen Katechesen haben wir bereits über dieses Geheimnis gesprochen, das christologisch und pneumatologisch zugleich ist. An dieser Stelle begnügen wir uns damit, hervorzuheben, wie sich im Ereignis der Verkündigung das trinitarische Geheimnis offenbart und insbesondere die Person des Heiligen Geistes. <65> <65> An diesem Punkt können wir auch auf einen Widerschein dieses Geheimnisses in der christlichen Anthropologie hinweisen. Es besteht in der Tat eine Verbindung zwischen der 160 AUDIENZEN UND ANGELUS Geburt des ewigen Gottessohnes in der menschlichen Natur und der „Wiedergeburt“ der Kinder des Menschengeschlechts durch die Adoption, die Gott durch die Gnade vollzieht. Diese Verbindung gehört zur Heilsökonomie. Was dies betrifft, wurde in der sakramentalen Ordnung die Taufe eingesetzt. Die Offenbarung des Heiligen Geistes als Person in der Einheit der Dreifaltigkeit kommt also besonders zum Ausdruck im Geheimnis der Menschwerdung des ewigen Sohnes Gottes und im Geheimnis der göttlichen „Adoption“ der Menschenkinder. In diesem Geheimnis findet die Prophezeiung des Johannes am Jordan über Christus ihre dauernde Erfüllung: „Er wird euch mit dem Heiligen Geist taufen“ (Mt 3,11). Denn die übernatürliche Annahme an Kindes Statt wird in der sakramentalen Ordnung in der Tat durch die Taufe „aus Wasser und Geist“ vollzogen (Joh 3,5). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Während nach dem Alten Testament - wie wir in den vorhergehenden Katechesen gehört haben — der Geist Gottes Ausdruck der göttlichen Macht und Weisheit ist, erscheint der Heilige Geist im Neuen Testament deutlich als eine der drei göttlichen Personen. „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 29,19). Mit diesen Worten Jesu am Schluß des Matthäusevangeliums sendet der Herr seine Jünger aus, damit sie für ihn Zeugnis ablegen und sein Heilswerk weiterführen. Der Geist also steht neben dem Vater und dem Sohn als dritte göttliche Person. Doch trotz der Verschiedenheit in den Personen rufen wir den einen göttlichen Namen an. Mit ihm, dem dreifältigen Gott, treten wir zu Beginn unseres Lebens als Christen in der Taufe in unlösbare, personale Verbindung. Immer, wenn wir „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ das Kreuzzeichen machen, dürfen wir uns daran dankbar erinnern. In vielfältiger Weise berichtet uns die Heilige Schrift vom Wirken des Geistes. Schon bei der Verkündigung der Geburt des Herrn aus der Jungfrau Maria spricht der Engel vom Handeln des Geistes: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ (Lk 1,34). Ja, so wird deutlich: wie der Geist am Anfang des irdischen Lebens Jesu steht und Vater, Sohn und Heiliger Geist die Einheit der drei Personen im einen göttlichen Wesen bilden, so steht am Beginn unseres christlichen Lebens in der Wiedergeburt aus dem Wasser und dem Heiligen Geist (vgl. Joh 3,5) bei der Taufe diese dritte göttliche Person, wodurch wir als Kinder Gottes in unlösbare personale Gemeinschaft mit unserem himmlischen Vater hineingenommen werden. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher der heutigen Audienz sehr herzlich. Ich wünsche euch, daß euer Besuch in Rom bei den Gräbern der Apostel euch ein bleibendes geistliches Erlebnis und Stärkung in eurem Glauben sei. Dazu erteile ich euch und euren Lieben in der Heimat sowie den uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem von Herzen meinen Apostolischen Segen. 161 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Kraft der Gewaltlosigkeit Geistlicher Besuch in Jasna Göra Mutter der „Auguste Polens“, noch einmal möchte ich dir in diesem Monat für den August 1980 danken. Du hast uns im Lauf der Jahrhunderte an deine Gegenwart in Jasna Göra gewöhnt, wohin die Söhne und Töchter unseres Landes, wie auch Pilger aus verschiedenen Teilen der Welt, zur Wallfahrt kommen. Du hast uns auch an die Tatsache gewöhnt, daß du selbst als Pilgerin zu uns kommst: in die Kathedralen, die Wohnstätten, die Pfarreien, die verschiedenen Gemeinschaften. Im August 1980 bist du zu den Werften von Danzig und Stettin gekommen. Du warst mitten unter den streikenden Arbeitern anwesend. Ich gebe die Worte von Lech Walesa wieder, die er - zehn Jahre später - vor dem Kongreß der Vereinigten Staaten sprach: „Die soziale Bewegung, die die polnische Nation unter dem schönen Namen Solidarität’ ans Licht gebracht hat, ist eine wirksame Bewegung. Ihr Kampf hat Früchte getragen ... Sie hat die Richtung gewiesen und die Handlungsweise angezeigt, und das übt nun Einfluß auf Millionen von Menschen aus, die verschiedene Sprachen sprechen ... Dieser Kampf wurde in vollkommenem Verzicht auf Gewalt geführt. Man hat uns ins Gefängnis gesteckt, von der Arbeit entlassen, verprügelt, manche wurden getötet. Und wir haben keinen einzigen Menschen geschlagen. Wir haben nichts zerstört, haben nicht eine Scheibe zerschlagen. Aber wir waren zäh, sehr zäh, bereit zur Hingabe, fähig zum Opfer. Wir wußten, was wir wollten. Und unsere Stärke hat sich als siegreich erwiesen.“ Herrin von Jasna Göra, bei unserem heutigen Treffen danken wir dir für die Kraft, die „der Herr seinem Volk gegeben hat“ (vgl. Ps 28/29,11), Wie es sich erwiesen hat, war sie größer als die Gewalt. Sie ist schöpferisch geworden. Sie hat viel gekostet. Sie hat viel umgewandelt. Mutter der „Auguste Polens“, gib, daß die Quellen dieser Kraft sich nicht erschöpfen! Gib, daß sie Polen aufs neue aufbauen! Eucharistie: Ausdruck der Gemeinschaft Ansprache bei der Generalaudienz am 12. September 1. Die Anfänge der Evangelisierung in Afrika gehen auf die Zeit der Apostel zurück. In den ersten Jahrhunderten hatte die afrikanische Kirche eine große Bedeutung, besonders entlang der Mittelmeerküste. Man braucht nur an den hl. Cyprian, den Märtyrerbischof von Karthago, und etwas weniger als zwei Jahrhunderte später an den hl. Augustinus von Hippo, zu denken. Wenn wir die Pilgerreise im heutigen Afrika in Erinnerung rufen, dürfen wir diese Anfänge nicht vergessen. Das Christentum, das wir heute in den Weiten des Schwarzen Kontinents 162 AUDIENZEN UND ANGELUS antreffen, ist jung. Es hat sich dank der angestrengten Arbeit der Missionare im Lauf der letzten hundert Jahre unter den verschiedenen afrikanischen Stämmen und Völkern ausgebreitet. In der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts haben die einzelnen Länder ihre politische Selbständigkeit erlangt und sind unabhängige Staaten geworden. In gleichlaufender Entwicklung haben auch die Ortskirchen einen raschen Prozeß der Afrikanisierung erfahren. Die meisten Diözesen werden heute von einheimischen Bischöfen geleitet. Auch die Zahl der einheimischen Priester und Ordensmänner und vor allem der Ordensfrauen nimmt zu. Trotzdem ist die Anwesenheit von Missionaren und Missionarinnen, seien es Priester und Ordensleute oder Laien, immer noch erwünscht, ja oft noch unbedingt notwendig. 2. Ich bin früher schon verschiedene Male nach Afrika gereist, um den christlichen Gemeinschaften an Ort und Stelle zu begegnen. Diesmal war es mir vergönnt, in den ersten zehn Tagen im September Tansania, Burundi und Ruanda zu besuchen. Ich möchte der göttlichen Vorsehung und denen, deren Einladung, Aufnahme und Gastfreundschaft ich mich erfreuen durfte, herzlich danken. Vor allem wende ich mich damit an die betreffenden Bischöfe. Zugleich richte ich meinen Dank an die verschiedenen Staatsoberhäupter, an die Vertreter der örtlichen Autoritäten und an alle Personen und Institutionen, deren Hilfe für die Durchführung des Programms überaus kostbar war. 3. Geographisch betrachtet - zunächst im missionarischen und kirchlichen Sinn - erstreckte sich dieser Pastoralbesuch auf das räumlich weit ausgedehnte Tansania, in welchem die Katholiken etwa 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen (alle Christen zusammen stellen 30 Prozent dar), sodann auf zwei an Bodenfläche etwas kleinere, aber dicht bevölkerte Länder. Burundi und vor allem Ruanda sind zwei afrikanische Länder mit hoher Bevölkerungsziffer. Das bringt Verpflichtungen moralischer Natur mit sich, nicht nur im Hinblick auf die Länder selbst, sondern auch auf ganz Afrika, das großenteils spärlich bevölkert ist. Burundi und Ruanda, Länder der „tausend Hügel“, haben im übrigen die höchste Prozentzahl an Getauften aufzuweisen. Die Tatsache, daß die Mehrzahl der Einwohner Katholiken sind, bezeugt die Intensität, mit der sich die Missionsarbeit der Kirche im Lauf dieser hundert Jahre vollzogen hat. <66> <67> <68> <66> Die christliche Gemeinschaft findet den vollen Ausdruck ihres Geheimnisses in der Eu- charistie, dem Opfer und Sakrament des Altares. Wenn ich also über meine apostolische Pilgerreise in Tansania, Burundi und Ruanda Bericht erstatten soll, muß ich vor allem sagen, an welchen Orten das eucharistische Opfer gefeiert wurde. In Tansania vor allem in Dar es Sa-laam (heilige Messe mit Priesterweihe), in Songea im Süden des Landes (mit dem Sakrament der Firmung); in Mwanza im Norden, am Ufer des Viktoriasees, (heilige Messe für die Familien mit Erstkommunionfeier); in Tabora im Zentrum des Landes (Wortgottesdienst) und schließlich in Moshi am Fuß des Kilimandscharo. Die Eucharistiefeier faßt auf ganz besondere Weise das Leben einer Kirche zusammen: die Reichtümer der Kultur, der Sprache, des Gesangs und - sehr eindrucksvoll - auch des Tanzes begleiten die verschiedenen Momente der liturgischen Handlung. Sie bietet auch eine einmalige Synthese von der Art der Beteiligung: Beim Altar versammeln sich die eigentlichen 163 AUDIENZEN UND ANGELUS „Teilnehmer“ einer bestimmten Region, während das Volk, dicht gedrängt längs des Einzugsweges wartend, indirekt in oft sehr bezeichnender Weise beteiligt ist. 5. Was ich von Tansania sagte, gilt auch für Burundi und Ruanda. Dort wurde die Eucharistie an folgenden Orten gefeiert: in Burundi am Erzbischofssitz Gitega und in Bujumbura, der Landeshauptstadt; in Ruanda in Kabgayi, der Wiege der Evangelisierung, wo sich die Kirche befindet, in der die Überreste der ersten Missionsbischöfe ruhen, und in der Landeshauptstadt Kigali. Priesterweihen fanden in Bujumbura und in Kabgayi statt. Die Priesterweihen in jedem der drei Länder zeigen das Wachstum der Ortskirchen, das mit der Entwicklung des Laienapostolats Hand in Hand geht. Die Rolle der Laienkatechisten seit den ersten Anfängen der Evangelisierung ist ja bekannt. Sie arbeiten heute mit den einheimischen Priestern und Ordensschwestern zusammen, wie sie es früher mit den Missionaren getan haben. Die Arbeitsfelder für das Laienapostolat werden immer noch zahlreicher, wie es klar aus den Begegnungen mit den Vertretern aus dem kulturellen Bereich zu entnehmen war. Sodann widmet man überall der Jugendpastoral viel Aufmerksamkeit (die Jugendlichen haben während des Besuches eine besondere Rolle gespielt); auch das karitative Apostolat, die Sorge für die Kranken, wird sehr beachtet. Schließlich ist noch der sehr solide Einsatz hinsichtlich des Familienapostolats zu erwähnen, mit besonderer Aufmerksamkeit für die Erziehung zur verantwortlichen Vaterschaft und Mutterschaft. 6. In keinem der besuchten Länder fehlten die ökumenischen Begegnungen. Den nichtkatholischen christlichen Brüdern haben sich auch Vertreter der nichtchristlichen Religionen, vor allem Muslime angeschlossen. Im übrigen hatte ich Gelegenheit, das Diplomatische Korps und die Vertreter der internationalen Organisationen zu treffen. Mit ihnen konnte ich von der diesen Nationen gegenüber geübten Solidarität sprechen und vor allem über die Notwendigkeit, angesichts der besorgniserregenden Schwierigkeiten, auf die diese Länder in ihrer Entwicklung stoßen, die Solidarität noch umfassender zu gestalten. <69> <70> <71> <72> <69> Seit dem 6. Januar 1989 sind die Vorarbeiten für die Afrikanische Bischofssynode im Gang. Es ist wichtig, daß die Entwicklungsstufen, die sie durchlaufen, der weitgestreuten Bevölkerung des afrikanischen Kontinents an verschiedenen Orten zugänglich werden. Das wurde nun erstmals in Yamoussoukro, der neuen Hauptstadt der Elfenbeinküste, am letzten Tag meiner Reise getan. Bei dieser Gelegenheit wurde mit der Versammlung des Rates des Generalsekretariats der Bischofssynode, die sich über einige Tage hinzog, die Weihe der monumentalen Basilika „Notre Dame de la Paix“, Unserer Lieben Frau vom Frieden, am <72> September verbunden. Der Präsident der Republik, Herr Felix Houphouet-Boigny, hat im übrigen ein großes Grundstück rings um die Basilika zum Dienst für die Kirche in Afrika gestiftet. Unter den Initiativen dieser Stiftung ist der Bau eines Krankenhauses, eines Uni-versitätszentrums und einer Einrichtung für soziale Kommunikationsmittel vorgesehen. Ich danke dem Stifter: Gott möge es ihm vergelten! Ich wünsche und hoffe, daß unter dem Schutz der Mutter Afrikas, der Königin des Friedens, das im Bau befindliche Zentrum dem Fortschritt der Evangelisierung und dem Aufbau der Kirche im afrikanischen Kontinent zum Nutzen sei. 164 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die Anfänge der Evangelisierung in Afrika reichen zurück bis in die Zeit der Apostel. Die ersten Jahrhunderte bezeugen eine große Bedeutung der afrikanischen Kirche, besonders entlang der Mittelmeerküste. Man braucht nur an den Märtyrerbischof Cyprian von Karthago und später an den heiligen Augustinus von Hippo zu denken. Jene Anfänge darf man nicht übersehen; und dennoch ist das Christentum, dem wir heute auf dem Schwarzen Kontinent begegnen, noch jung. Es ist inmitten der afrikanischen Völker und Stämme im Lauf der letzten hundert Jahre entstanden. In der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts hat Afrika seine politische Unabhängigkeit erhalten. Parallel dazu haben die Teilkirchen auf dem Kontinent einen raschen Prozeß der Afrikanisierung erlebt. In der Vergangenheit habe ich bereits wiederholt verschiedene Länder in Afrika besuchen können. Dieses Mal war es mir vergönnt, Tansania, Burundi und Ruanda einen Pastoralbe-such abzustatten. Es ist mir ein Anliegen, allen für die Einladung und die Gastfreundschaft zu danken, besonders dem Episkopat der jeweiligen Länder, den Staatsoberhäuptern, den Vertretern der örtlichen Behörden sowie allen Personen und Institutionen, deren Unterstützung in der Verwirklichung des Programms außerordentlich wertvoll war. Die verschiedenen Begegnungen, vor allem bei der Feier der heiligen Eucharistie, ließen den Reichtum der Kultur, der Sprache und die Lebendigkeit des Glaubens in großartiger Weise aufleuchten. Seit dem 6. Januar 1989 laufen auch die Vorbereitungsarbeiten für die Afrikanische Bischofssynode. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, daß die einzelnen Phasen dieser Vorbereitung einem großen Personenkreis an den verschiedenen Orten des Kontinents zugänglich gemacht werden. Dies war zum ersten Mal der Fall am letzten Tag meiner Reise in Yamoussoukro, der neuen Hauptstadt der Elfenbeinküste. Die vorbereitende Versammlung der Synode schloß am 10. September ab mit der feierlichen Einweihung der Basilika „Unserer Lieben Frau des Friedens“. Präsident Felix Houphouet-Boigny hat gleichzeitig ein großes Gebiet im Umkreis der Basilika für eine Stiftung zur Verfügung gestellt, die der Arbeit der Kirche in Afrika dienen soll. Vorgesehen sind ein Krankenhaus, eine Universität und ein Zentmm für die Massenkommunikationsmittel. Mein Dank gilt dem Wohltäter. Gott möge es ihm vergelten. Es bleibt zu hoffen, daß das im Bau befindliche Zentrum unter dem Schutz der Königin des Friedens dem Fortschritt der Evangelisierung und dem Aufbau der Kirche auf dem Schwarzen Kontinent dient. Mit dieser kurzen Rückbesinnung grüße ich die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern und heiße euch in Rom herzlich willkommen. Mein besonderer Gruß gilt den Ordensschwestern deutscher Sprache aus verschiedenen Ländern und Missionen, die an einem geistlichen Kurs in La Storta teilnehmen; sodann den Freunden und Mitarbeitern der Süddeutschen Provinz der Pallottiner, einer Gruppe von Seminaristen des Priesterseminars in Eichstätt, den Pfarrbriefredakteuren aus dem Erzbistum Köln, der Pilgergruppe des Blindenapostolats der Erzdiözese Wien sowie den zahlreichen Schüler- und Jugendgruppen, unter ihnen Schülerinnen und Lehrer des Gymnasiums der Ursulinen von Calvarienberg-Ahrweiler. Euch allen wünsche ich während eures Aufenthaltes in Rom Tage der Erholung und geistlicher Besinnung. Dazu erteile ich euch und euren Lieben sowie den uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem von Herzen meinen Apostolischen Segen. 165 AUDIENZEN UND ANGELUS Dank für Niederlage und Zusammenbruch Geistlicher Besuch in Jasna Göra Herrin von Jasna Göra! Wir danken dir für den September. Ja. Wir danken dir für den September des Jahres 1939. Kann man für die Niederlage danken? Für den Zusammenbruch? Für die Auflösung der Divisionen? Für die bombardierten Städte und Dörfer? Für das zerstörte Warschau? Für den erschütternden „Sonntag von Bydgoszcz“? Kann man dafür danken? Hat sich doch damals noch einmal wiederholt, was schon vorher, am Ende des 18. Jahrhunderts, geschehen war, als sie Polen aufgeteilt hatten. Man hatte die Republik der drei Nationen von den geographischen Karten Europas gelöscht. Die gekrönten Häupter hatten entschieden: „Nie wieder wird es sich erheben.“ Und doch hat es sich erhoben. Das Jahr 1918 hat den polnischen Staat aufs neue in die Karten Europas eingetragen. Im September 1939 geschah das gleiche noch einmal. Diejenigen, die, aus dem Westen und aus dem Osten, einander als Feinde gegenüberstanden, haben sich in diesem Fall verbündet und beschlossen: Es soll nicht mehr bestehen. Wir werden es aufteilen, werden die Bevölkerung zerstreuen. Wenn sie auch überleben, so nur in Knechtschaft und Erniedrigung! Es wird aus sein mit ihrer Freiheit. Wir danken dir, Herrin von Jasna Göra, für den September 1939. Wir danken dir für diese Niederlage. Vor den Altären des lebendigen Gottes bringen wir alle Gefallenen dar, alle Gefangenen und Deportierten, alle Unerschrockenen und Unerschütterlichen, alle, die den höchsten Preis bezahlt haben. „Als schon alle Lichter für Polen erloschen waren, blieb Jasna Göra und die Schwarze Madonna“ (diese Worte wurden von einem der Unterdrücker gesprochen). Ja, du bist geblieben, o Herrin von Jasna Göra! Während der Besatzungsjahre und danach. Du bist geblieben als Zeugin unserer Geschichte. Du bist geblieben als Zeichen und Anzeichen dafür, daß wir da sind, daß wir uns von neuem in den Organismus Europas und der Welt ein-schreiben müssen. Du Mutter des polnischen September! 166 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Priester — Mann des Opfers Angelus in Castel Gandolfo am 16. September Liebe Schwestern und Brüder! 1. Beim Angelusgebet wiederholen wir das Bekenntnis unseres Glaubens an das Wort, „das Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“. Es kam, uns zu erlösen; es kam, für uns zu leiden und zu sterben. Mit dem Geheimnis der Menschwerdung beginnt der Prozeß der Entäußerung, der seinen Höhepunkt findet, als Christus sich selbst erniedrigte und „gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). Angesichts des Gekreuzigten kann jeder von uns mit dem Apostel Paulus wiederholen: „Ich ... lebe im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2,20). Menschwerdung, Leiden und Tod Christi führen uns zur Betrachtung eines uner-forschlichen Geheimnisses der Liebe. Dieses Geheimnis erlaubt uns, den Sinn unserer Prüfungen voll zu verstehen: Sie vereinen uns mit dem Kreuz Christi und seinem Erlösungswerk. Der heilige Paulus erklärt die Leiden seines Lebens, wenn er sagt: „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden“ (Gal 2,19). Er litt viel im apostolischen Dienst, aber er erfaßte den höheren Sinn dieser Leiden. 2. So wird ein wesentlicher Aspekt des priesterlichen Lebens deutlich: Der Priester ist der Mann des Opfers. Kraft des Weihesakramentes hat er die Sendung, das Opfer Christi darzubringen, indem er es auf geheimnisvolle Weise in der Realität seines Leibes und seines Blutes gegenwärtig macht. Folglich ist er durch seine priesterliche Existenz selbst mit dem Erlösungsopfer Christi verbunden. Die Priesterweihe verpflichtet ihn, den Weg dieses Opfers zu gehen. Den Aposteln, die in ihrer Beteiligung am Aufbau des Reiches nur eine Ehre sehen wollten, stellte Jesus eines Tages die Frage: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke?“ (Mk 10,38). Dann erklärte er ihnen den Grund dieser wesentlichen Frage: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45). Wenn der Meister den Kreuzweg gegangen ist, wie könnten diejenigen, die er zur Teilhabe an seiner Sendung ruft, sich einbilden, einen anderen Weg zu gehen? <73> <73> Der Priester weiß sich besonders zum Opfer berufen. Aber er wird die Kraft finden, seine oft schweren Prüfungen hochherzig zu ertragen, wenn er sie im Licht des Leidens Christi zu sehen weiß. Sagt nicht der heilige Paulus: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1,24)? Während sie die Priesterausbildung behandelt, wird die nächste Synode es nicht versäumen, diese Wahrheit herauszustellen. Diejenigen, die sich auf das Priestertum vorbereiten, müssen in sich eine hochherzige Haltung entwickeln, die sie befähigt, aus Liebe zu Christus die notwendigen Entsagungen anzunehmen und deren apostolische Fruchtbarkeit zu erkennen. Die Jungfrau Maria, die aufrecht zu Füßen des Kreuzes steht, läßt uns begreifen, daß man nicht mit Christus vereint sein kann, ohne seinen Opfertod zu teilen. Rufen wir sie an, damit 167 AUDIENZEN UND ANGELUS sie die Priester in ihren Prüfungen unterstützt und sie auch kraft einer angemessenen Ausbildung dahin führt, mutig die für ihren Dienst erforderlichen Opfer anzunehmen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Mit meinen besten Wünschen für einen angenehmen Aufenthalt in Rom verbinde ich die Bitte, in diesen Tagen auch der persönlichen Begegnung mit Gott Raum zu verschaffen. Gerade der Urlaub und die Freizeit mögen neben der physischen Erholung ebenso der geistlichen Bereicherung dienen. Hierfür erteile ich euch und all euren Lieben in der Heimat meinen Apostolischen Segen. Handeln des Geistes in Christus Ansprache bei der Generalaudienz am 19. September 1. Im Neuen Testament gibt sich der Heilige Geist als Person, in der Einheit der Dreifaltigkeit mit dem Vater und dem Sohn, durch das Handeln zu erkennen, das ihm von den inspirierten Autoren zugeschrieben wird. Nicht immer wird man vom Handeln auf eine Eigentümlichkeit der Person im streng theologischen Sinn schließen können; aber für unsere Katechese genügt es, das zu entdecken, was der Heilige Geist in der göttlichen Wirklichkeit ist durch die Ereignisse, bei denen er nach dem Neuen Testament die Hauptrolle spielt. Und das ist im übrigen der von den Kirchenvätern und -lehrem verfolgte Weg (vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologica, I, q.30, aa.7-8). <74> <74> In der heutigen Katechese beschränken wir uns darauf, einige Texte der Synoptiker anzuführen. Später werden wir auch auf die anderen Bücher des Neuen Testamentes zurückgreifen. Wir haben gesehen, daß in dem Verkündigungsbericht der Heilige Geist sich kundtut als der, der handelt: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ (Lk 1,35), sagt der Engel zu Maria. Wh können deshalb erkennen, daß der Heilige Geist die entscheidende handelnde Kraft ist, besonders bei der Menschwerdung. Gerade weil er die ewige Liebe (Eigentümlichkeit der dritten Person) ist, wird ihm die Handlungsgewalt zugeschrieben: eine Kraft der Liebe. Die ersten Kapitel des Lukasevangeliums sprechen mehrmals vom Wirken des Heiligen Geistes in den mit dem Geheimnis der Menschwerdung eng verbundenen Personen. So bei Elisabeth, die beim Besuch Marias vom Heiligen Geist erfüllt wird und ihre gesegnete Verwandte unter dem göttlichen Einfluß begrüßt (vgl. Lk 1,41-45). Und noch mehr beim greisen Simeon, dem sich der Heilige Geist in persönlicher Weise offenbarte und ihm ankündigte, er werde den Tod nicht schauen, ehe er den „Messias des Herrn“ gesehen habe (Lk 2,26). Unter der Eingebung und Anregung des Heiligen Geistes nimmt er das Kind in seine Arme und spricht jene prophetischen Worte, die in einer so dichten und bewegenden Zusammenfassung die ganze Heilssendung des Sohnes Marias enthalten (vgl. Lk 2,27 f.). Mehr als jeder andere stand die Jungfrau Maria unter dem 168 AUDIENZEN UND ANGELUS Einfluß des Heiligen Geistes (vgl. Lk 1,35), der ihr gewiß die innere Erkenntnis des Geheimnisses und den Antrieb im Herzen gab, ihre Sendung anzunehmen und den Lobpreis bei der Betrachtung des Heilsplanes der göttlichen Vorsehung anzustimmen (vgl. Lk 1,26 f.). 3. In diesen heiligen Personen zeichnet sich beispielhaft das Wirken des Heiligen Geistes ab, der allmächtigen Liebe, die Licht, Kraft, Trost und Schwung zum Handeln schenkt. Aber das Beispiel wird noch deutlicher im Leben Jesu selbst, das sich ganz unter dem Antrieb und der Leitung des Geistes entfaltet, indem es die Weissagung des Jesaja über die Sendung des Messias verwirklicht: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze“ (Lk 4,18; vgl. Jes 61,1). Wie wir wissen, hat Jesus diese prophetischen Worte in der Synagoge von Nazaret laut gelesen und von jenem Augenblick an bekräftigt, daß sie sich in ihm erfüllten (vgl. LL4,21). In Wirklichkeit waren die Taten und Worte Jesu die Ausführung der Heilssendung, in der der Geist des Herrn am Werk war, gemäß der Ankündigung des Propheten. Das Wirken des Heiligen Geistes war verborgen im ganzen Ablauf dieser Sendung, die Jesus sichtbar, öffentlich und geschichtlich vollbrachte; diese gab aber Zeugnis und offenbarte auch das Werk und die Person des Heiligen Geistes gemäß den Worten Jesu, auf die sich die Evangelisten und anderen kirchlichen Verfasser beziehen. 4. Manchmal unterstreichen die Evangelisten besonders die handelnde Gegenwart des Heiligen Geistes in Christus. So wenn sie vom Fasten und von der Versuchung Christi sprechen: „Dann wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden“ (Mt 4,1; vgl. Mk 1,12). Die vom Evangelisten verwandten Worte stellenden Geist als eine Person dar, der eine andere führt. Diese Betonung des Handelns des Heiligen Geistes in Christus von seiten der Evangelisten heißt, daß seine messianische Sendung — ausgerichtet auf die Überwindung des Bösen - von Anfang an den Kampf gegen den mit sich bringt, der „ein Lügner und der Vater der Lüge“ ist (Joh 8,44): der Geist der Ablehnung des Reiches Gottes. Der Sieg Christi über den Satan zu Beginn der messianischen Tätigkeit ist das Vorspiel und die Ankündigung seines endgültigen Sieges im Kreuz und in der Auferstehung. Jesus selbst schreibt dem Heiligen Geist diesen Sieg zu in jedem Abschnitt seiner messiani-schen Sendung: „Ich aber [treibe] die Dämonen durch den Geist Gottes aus“, bekräftigt er (vgl. Mt 12,28). In diesem Kampf und diesem Sieg Christi wird also die Kraft des Geistes offenbar, die dabei der innere Urheber und unermüdliche Antrieb ist. Deshalb warnt Jesus seine Zuhörer so heftig vor der Sünde, die er „Lästerung gegen den Geist“ nennt (Mt 12,31-32; vgl. Mk 3,29; Lk 12,10). Auch hier stellen die vom Evangelisten verwandten Worte den Geist als Person dar. Tatsächlich wird ein Vergleich angestellt zwischen dem, der etwas gegen die Person des Menschensohnes sagt und dem, der etwas gegen die Person des Heiligen Geistes sagt (Mt 12,32; Lk 12,10), und die Beleidigung des Geistes wird als schwerer bezeichnet. „Lästerung gegen den Heiligen Geist“ heißt, sich auf die Seite des Geistes der Finsternis stellen, so daß der Mensch sich innerlich dem Heilswirken des Geistes Gottes verschließt. Das ist der Grund, weshalb Jesus erklärt, daß diese Sünde nicht vergeben werden 169 AUDIENZEN UND ANGELUS kann, „weder in dieser noch in der zukünftigen Welt“ (Mt 12,32). Die innere Ablehnung des Heiligen Geistes ist die Verweigerung der Quelle des Lebens und der Heiligkeit selbst. Der Mensch schließt sich von allein und freiwillig aus dem Bereich des Heilswirkens Gottes aus. Die Warnung Jesu vor der Sünde gegen den Heiligen Geist beinhaltet, wenn auch stillschweigend, eine weitere Offenbarung der Person und des Heilswirkens dieser Person der Dreifaltigkeit, die Hauptfigur im Kampf gegen den Geist des Bösen und im Sieg des Guten ist. 5. Den Synoptikern entsprechend ist das Wirken des Heiligen Geistes die Quelle tiefster, innerer Freude. Jesus selbst erfährt diese besondere „Freude im Heiligen Geist“, als er die Worte ausruft: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater so hat es dir gefallen“ (Lk 10,21; vgl. Mt 11,25-26). Im Text des Lukas und Matthäus folgen die Worte Jesu über die Kenntnis des Vaters seitens des Sohnes und des Sohnes seitens des Vaters: die Erkenntnis, die der Sohn gerade den „Unmündigen“ mitteilt. Es ist also der Heilige Geist, der auch den Jüngern Jesu nicht nur die Kraft zum Sieg über das Böse, über die „Dämonen“ (Lk 10,17) gibt, sondern auch die übernatürliche Freude der Erfahrung Gottes und des Lebens in ihm durch seinen Sohn. 6. Die Offenbarung des Heiligen Geistes durch die Kraft des Handelns, die die ganze Sendung Christi erfüllt, begleitet auch die Apostel und Jünger beim dem Werk, das sie im göttlichen Auftrag vollbringen. Jesus selbst kündigt ihnen an: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein ... bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Auch wenn sie im Verlauf dieses Zeugnisses Verfolgungen, Kerkerhaft, Gerichtsverhören begegnen sollten, versichert Jesus: „Es wird euch in jener Stunde eingegeben, was ihr sagen sollt. Nicht ihr werdet dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden“ (Mt 10,19-20; vgl. Mk 13,11). Sprechen werden die Personen; eine nichtpersönliche Kraft kann bewegen, antreiben, zerstören, aber sie kann nicht sprechen. Der Geist hingegen spricht. Er ist Licht und Beistand in den schwierigen Stunden der Apostel und der Kirche: eine weitere Eigenschaft seines Wirkens, eine weitere Erhellung des Geheimnisses seiner Person. <75> <75> Wir können also bestätigen, daß bei den Synoptikern der Heilige Geist als Person offenbar wird, die in der ganzen Sendung Christi am Werk ist, im Leben und in der Geschichte der Jünger Christi vom Bösen befreit, die Kraft zum Kampf gegen den Geist der Finsternis schenkt und auch in der Not die übernatürliche Freude der Erkenntnis Gottes und des Zeugnisses für ihn spendet. Eine Person, die mit göttlicher Macht am Werk ist, vor allem in der messianischen Sendung Jesu und dann dadurch, daß sie die Menschen zu Christus hinzieht und zu denen, die berufen sind, an seiner Heilssendung teilzuhaben. 170 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In den Schriften des Neuen Testamentes begegnet und der Heilige Geist in der Einheit der Dreifaltigkeit als dritte göttliche Person, die nach dem Zeugnis der biblischen Autoren im Handeln nach außen hin in vielfältiger Weise ihre Wirksamkeit entfaltet. So erweist sich der Geist im Bericht von der Verkündigung an die Jungfrau Maria als der eigentlich Handelnde: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ (Lk 1,35), sagt der Engel zu Maria. Wir erkennen, daß der Heilige Geist von allem Anfang an im Geheimnis der Menschwerdung die entscheidende handelnde Kraft ist. Aber nicht nur im Leben Mariens und vieler anderer biblischer Gestalten erweist sich der Geist als personaler Urgrund des göttlichen Handelns, als allmächtige Liebe des Vaters, als heilende und tröstende Kraft. In einzigartiger Weise tritt die dritte göttliche Person in Jesus selbst hervor, dessen gesamtes irdisches Leben unter der Führung des Geistes steht: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht, damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setzte“ (Lk4,18; vgl. Jes 61,1), so erklärt Jesus mit den Worten des Propheten Jesaja seine messianische Sendung. Das Handeln des Heiligen Geistes erweist sich also öffentlich sichtbar und historisch konkret im irdischen Leben Jesu. Die innere Ablehnung und Zurückweisung des Heiligen Geistes bedeutet demnach Zurückweisung des göttlichen Lebens und der Heiligkeit selbst. Doch für Jesus und für die, die ihm nachzufolgen bereit sind, ist der Heilige Geist Quelle tiefster Freude und Zuversicht. Auch wenn der Weg des Glaubens durch Verdächtigung, Ablehnung oder gar Verfolgung erschwert sein mag, so ist den Jüngern Jesu eine tröstende Zusage geschenkt: „Macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt; denn es wird euch in jener Stunde eingegeben, was ihr sagen sollt. Nicht ihr werdet dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden“ (Mt 10,19 f.). Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Mein besonderer Gmß gilt den Teilnehmern an der von der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln organisierten Pilgerfahrt, der Besuchergruppe des Tum- und Sportvereins Pressath sowie den zahlreichen Schülergruppen, darunter Schülerinnen des Clara-Fey-Gym-nasiums aus Bad Godesberg und der Realschule der Armen Schulschwestem aus Regensburg. Euch allen und euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. In Christus die Zukunft lesen Geistlicher Besuch in Jasna Göra „Wenn alle Lichter in unseren Land schon ausgegangen sind, bleibt Jasna Göra und die Schwarze Muttergottes.“ Mit diesem Zyklus von Jasna Göra kehren wir nach fünfzig Jahren zu jenem September zurück. Wir erinnern uns an die Tage: 1. September, 17. September ... Und dann häufen und verbreiten sich die Daten: viele, so viele Daten, so viele schmerzvolle 171 AUDIENZEN UND ANGELUS Jahrestage, die in den Schicksalen der Töchter und Söhne unseres Landes eingeschrieben sind; in der Geschichte der Familien und der Gemeinschaften; in der Geschichte der Dörfer und Städte; in der Geschichte der gesamten Nation. Diese Daten häufen und verbreiten sich mit dem Krieg von Polen nach Osten, von Norden (Narwick) nach Süden, von Westen bis Monte Cassino. Zeit der Prüfung! Die Zeit der schrecklichen Prüfung! Die Schrift spricht vom Gold, das im Feuer geprüft wird (vgl. 1 Petr 1,7). Wh gedenken voll Ehrfurcht jener, die diese Prüfung siegreich überwunden haben. Wh empfehlen dem Erbarmen Gottes jene, die sie nicht bestanden haben. Und zum Schluß denken wh an jene, die schuldig geworden sind durch diese schreckliche Prüfung. An all jene, die Entscheidungen getroffen, gefoltert, getreten, zum Tod in den Hungerbunkem verurteilt und mit einem Genickschuß getötet haben. Auschwitz, Dachau, Ravensbrück, Treblinka, die sibhische Taiga, Katyn! Wie viele Orte, wie viele Gräber, wie viele Opfer ohne Grab und ohne Kreuz! Fünfzig Jahre sind vergangen seit jenem September. Ist es erlaubt, ständig in die Vergangenheit zu schauen? Der Mensch ist auf die Zukunft ausgerichtet, so auch die Völker und Europa. Unsere Liebe Frau von Jasna Gora, du bist die Mutter Christi, die Mutter Gottes; die Mutter dessen, der dem Bund treu blieb bis zum Tod auf Golgota. Zu wem sollen wh gehen? Er allein versteht die Kreuze unserer Vergangenheit. Hilf uns, in Ihm unsere Zukunft neu zu lesen. Der Geist gibt den Glauben weiter Ansprache bei der Generalaudienz am 26. September 1. Der Apostel Johannes betont in seinem Evangelium - noch stärker als die Synoptiker - die personale Beziehung des Sohnes zum Vater, wie dies bereits im Prolog deutlich whd, wo der Evangelist sich auf die ewige Wirklichkeit des Vaters und des Sohnes, des Wortes, konzentriert. Er beginnt mit den Worten: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott“ (Joh 1,1-2). Dann sagt er am Schluß: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18). Es ist eine ganze neue Aussage in der Geschichte des menschlichen Nachdenkens über Gott und in der Offenbarung selbst. Nie whd man die Tiefe und Deutung des Inhaltsreichtums ausschöpfen können, den sie der Theologie bietet. Auch die Katechese whd immer darauf Bezug nehmen, nicht nur auf christologischer, sondern auch auf pneumatologischer Ebene. Denn gerade die Einheit des Sohnes mit dem Vater, hervorgehoben auch an anderen Stellen des Johannesevangeliums, scheint den Aposteln den Weg der Offenbarung des Heiligen Geistes als Person zu öffnen. 172 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Bezeichnenderweise finden sich die Worte Christi, die dieses Thema direkt behandeln, in der sogenannten Abschiedsrede im Abendmahlssaal und damit im Ausblick auf das bevorstehende Fortgehen des Sohnes, der zum Vater aufsteigt durch den Kreuzestod und die Himmelfahrt. Damals sagte Jesus: „Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt“ (Joh 14,16-17). Tröster - Beistand: Dieser Name, den Jesus dem Heiligen Geist gab, zeigt, daß er eine Person ist, verschieden vom Vater und vom Sohn. Das griechische Wort „Paräklätos“ wird immer auf eine Person angewandt, denn es bedeutet „Anwalt“, „Verteidiger“ oder auch „Tröster“. Nur eine Person kann diese Aufgaben wahmehmen. Andererseits, indem er sagt: „einen anderen Beistand“, gibt Jesus zu verstehen, daß während seines Erdenlebens er selbst der erste „Beistand“ der Jünger war. Er bestätigt es dann klarer in seinem hohepriesterlichen Gebet, wo er zum Vater sagt: „Solange ich bei ihnen war, bewahrte ich sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast. Und ich habe sie behütet“ (Joh 17,12). Nach dem Weggang Jesu tritt der Heiüge Geist an seine Stelle bei den Jüngern in der Welt, um sie zu verteidigen in den Auseinandersetzungen, denen sie begegnen, und um ihnen Mut zu machen in den Bedrängnissen. 3. In der Abschiedsrede wird der Paraklet mehrmals Geist der Wahrheit genannt (vgl. Joh 14,17). Mit dieser Bezeichnung ist die Sendung verbunden, die ihm in bezug auf die Apostel und die Kirche anvertraut ist: „Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). „Lehren“, „erinnern“: Diese Tätigkeiten zeigen, daß der Geist eine Person ist; nur eine Person kann sie ausführen. Die von Christus den Aposteln und der Kirche übertragene Aufgabe, die Wahrheit zu verkünden, ist und wird immer an die personale Tätigkeit des Geistes der Wahrheit gebunden sein. Dieselbe Feststellung gilt für das „Zeugnis“, das für Christus vor der Welt gegeben werden muß. „Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde ... wird er Zeugnis für mich ablegen“ (Joh 15,26). Nur eine Person kann Zeugnis für eine andere ablegen. Die Apostel müssen Zeugnis für Christus geben. Ihr Zeugnis als menschliche Personen wird durch das Zeugnis einer göttlichen Person, des Heiligen Geistes, unterstützt und bekräftigt. 4. Deshalb ist der Heilige Geist auch der unsichtbare Meister, der von Generation zu Generation dieselbe Lehre Christi, sein Evangelium, weitergibt. „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird“ (Joh 16,13). Daraus geht hervor, daß der Heilige Geist in der Kirche nicht nur über die Zuverlässigkeit und die Echtheit der Wahrheit Christi wachen, sondern auch den Weg der Weitergabe dieser Wahrheit an die jeweils neuen Generationen weisen wird, die in den verschiedenen Epochen aufeinanderfolgen, an die Völker und Gesellschaften allerorts, je nach ihren Bedürfnissen und ihrer Einsicht, und er wird jedem die Kraft geben, diese Wahrheit im Innern aufzunehmen und sein eigenes Leben nach ihr zu formen. <76> <77> <76> Ein besonderer Aspekt dieser Tätigkeit, in der Enzyklika Dominum et vivificantem (vgl. Nr. 27-28) bereits hervorgehoben, ist der, den Jesus selbst mit folgenden Worten ankündigt: 173 AUDIENZEN UND ANGELUS „Wenn er kommt, wird er die Welt überführen und aufdecken, was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist“ (Joh 16,8). Diese besondere Macht, die Welt, das heißt jene, die in der Welt sind, der Sünde zu überführen, ist ein wesentlicher Umstand in der Sendung des Geistes der Wahrheit. Aufdecken, was Gericht ist, heißt nach den Worten Jesu, „daß der Herrscher dieser Welt gerichtet ist“ (Joh 16,11). Und der, der als Tröster und Anwalt kommen soll, der Heilige Geist, soll die Menschheit zum Sieg über das Böse und den Urheber des Bösen in der Welt führen. Es besteht eine enge Beziehung zwischen dem Erlösungstod Christi am Kreuz und dem, was er den Apostel gleich nach seiner Auferstehung hinterläßt: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben“ (Joh 20,22-23). Gerade hier geht der Weg, der zum Sieg über das Böse führt, von dem der Geist der Wahrheit die Welt ständig überzeugen muß. 6. Alle diese Stellen aus der Rede Jesu im Abendmahlssaal offenbaren den Heiligen Geist als Person in der Einheit der Dreifaltigkeit mit dem Vater und dem Sohn. Sie zeigen die Sendung, in der er durch die von Christus gewirkte Erlösung eng verbunden ist: „Wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen“ (Joh 16,7). Aber auch andere Stellen sind im gleichen Sinn sehr bedeutsam. 7. Jesus kündigt an, daß der Heilige Geist kommen wird, um bei uns „zu bleiben“: „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll“ (Joh 14,16); der selbst bleiben soll, nicht nur seine Kraft, seine Weisheit, sein Wirken, sondern er selbst als Person. Und weiter: Er selbst wird nicht nur „bei euch“, sondern „in euch“ bleiben. „Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird“ (Joh 14,17), sagt Jesus. Diese Worte drücken die Einwohnung des Heiligen Geistes als Gast im Herzensinnem des Menschen aus, jedes Menschen, der ihn aufnimmt, aller Herzen, die Christus anhängen. Auch der Vater und der Sohn kommen, um in diesen Herzen „zu wohnen“ (Joh 14,23); also ist in ihnen die ganze Dreifaltigkeit gegenwärtig, aber weil es sich um eine geistliche Gegenwart handelt, wird diese Anwesenheit enger auf die Person des Heiligen Geistes bezogen. <78> <78> Aufgrund dieser im Herzen wirkenden Gegenwart kann der Mensch Gott, der Geist ist, „in der Wahrheit anbeten“ (Joh 4,24), wie Jesus bei der Begegnung mit der samaritischen Frau am Jakobsbrunnen sagt (vgl. Joh 4,23). Die Stunde derer, die „den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten“, ist mit Christus gekommen und wird in jeder Menschenseele Wirklichkeit, die den Heiligen Geist aufnimmt und nach seiner Eingebung und unter seiner personalen Führung lebt. Es ist das Größte und Heiligste in der religiösen Spiritualität des Christentums. ln deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Der Apostel Johannes betont in seinem Evangelium - noch stärker als die Synoptiker — die personale Beziehung des Sohnes zum Vater, wie dies bereits im Prolog deutlich wird. In der Tat, gerade die Einheit des Sohnes mit dem Vater scheint den Aposteln den Weg zu öffnen zur Offenbarung des Heiliges Geistes als Person. 174 AUDIENZEN UND ANGELUS Bezeichnenderweise finden sich die Worte Christi zu diesem Thema in der sogenannten Abschiedsrede im Abendmahlssaal: „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand gehen, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt“ {loh 14,16-17). Tröster - Beistand: Dieser Name, der dem Heiligen Geist von Jesus gegeben wird, zeigt, daß Er eine Person ist, verschieden vom Vater und vom Sohn. Das griechische Wort „Paräklätos“ wird immer auf eine Person angewandt, denn es bedeutet „Anwalt“, „Verteidiger“ oder auch „Tröster“. Nur eine Person kann solche Aufgaben wahmehmen. Nach dem Abschied Jesu wird der Heilige Geist seine Stelle bei den Jüngern einnehmen, um sie zu verteidigen in den Auseinandersetzungen, denen sie begegnen, und um ihnen Mut zu machen. In der Abschiedsrede wird der „Paräklätos“ wiederholt der Geist der Wahrheit genannt. Er wird sie alles lehren und sie an alles erinnern, was Jesus ihnen gesagt hat (vgl. Job 14,26). Diese Aufgaben beweisen, daß der Geist eine Person ist. Die von Christus den Aposteln und der Kirche übertragene Aufgabe, die Wahrheit zu verkünden, ist und wird immer an der Tätigkeit des Geistes der Wahrheit gebunden bleiben. Der Heilige Geist ist auch der unsichtbare Meister, der fortfährt, von Generation zu Generation die Lehre Christi, nämlich sein Evangelium, zu vermitteln. Ein besonderer Aspekt dieses Handelns, den ich schon in der Enzyklika Dominum et vivificantem hervorgehoben habe (vgl. Nr. 27-28), ist jener, den Jesus selbst mit folgenden Worten ankündigt: „Wenn er kommt, wird er die Welt überführen und aufdecken, was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist“ (Joh 16,8). Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den Mitgliedern des Landwirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages, die sich zu Gesprächen mit der FAO in Rom aufhalten,-sowie den Teilnehmern an der Diözesanwallfahrt des Bistums Hildesheim unter der Leitung des Herrn Weihbischofs Heinrich Pachowiak, unter ihnen eine Gruppe von blinden und taubstummen Mitchristen. Gebe Gott, daß eure Wallfahrt zum Grab des Apostels Petrus euren Glauben und die Einheit mit seinem Nachfolger festige. Euch allen und euren Angehörigen in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Geschichtlicher Neubeginn Geistlicher Besuch in Jasna Göra Wir haben unseren Jasna-Göra-Zyklus am Tag der Heiligen Kyrill und Method begonnen. Jede Woche kommen wir zu dir, o Mutter, auf dem weiten Weg, der durch die Geschichte der Völker und Nationen, insbesondere unserer Nachbar- und Brudervölker, führt. Jetzt beginnt für uns eine neue Zeit inmitten von Europa. An diesem geschichtlichen Neubeginn sind auch wir beteiligt und haben unseren Platz. Es gibt so enge Verbindungen mit der fernen Vergangenheit und so junge Erfahrungen in der Geschichte dieses Jahrhunderts. In diesem Jahrhundert... In diesem dramatischen 20. Jahrhundert, das das zweite Jahrtausend nach Christus abschließt. AUDIENZEN UND ANGELUS Es gibt noch eine Nation, ein besonderes Volk: das Volk der Patriarchen, des Mose und der Propheten, das Erbe des Glaubens Abrahams. Die Kirche hat „stets die Worte des Apostels Paulus vor Augen, der von seinen Stammverwandten sagt, daß ,ihnen die Annahme an Sohnes Statt und die Herrlichkeit, der Bund und das Gesetz, der Gottesdienst und die Verheißungen gehören wie auch die Väter und daß aus ihnen Christus dem Fleische nach stammt’CRöm 9,4-5)“ (Nostra aetate, Nr. 4). Christus und die Apostel. Und du selbst, jungfräuliche Mutter, Tochter Sions. Dieses Volk hat Jahrhunderte hindurch unter uns in demselben Land gelebt, das gleichsam eine neue Heimat während seiner Zerstreuung wurde. Dieses Volk wurde durch den schrecklichen Tod von Millionen seiner Töchter und Söhne getroffen. Zuerst wurden sie mit einem besonderen Brandmal gekennzeichnet, dann in Ghettos gedrängt und interniert. Dann wurden sie in Gaskammern gebracht und getötet - nur weil sie Angehörige dieses Volkes waren. Die Mörder taten dies alles in unserem Land, vielleicht um es mit Schande zu bedecken. Aber man kann ein Land nicht durch den Tod unschuldiger Opfer mit Schande bedecken. Durch diesen Tod wird es eine heilige Reliquie. Das Volk, das viele Generationen hindurch mit uns zusammengelebt hat, ist nach diesem schrecklichen Tod von Millionen seiner Töchter und Söhne bei uns geblieben. Gemeinsam erwarten wir den Tag des Gerichts und der Auferstehung. Kirche braucht gut ausgebildete Priester Gebetsaufruf für die Bischofssynode Jetzt begrüße ich herzlich die Jugend, die Kranken und die Neuvermählten und danke ihnen für ihre Anwesenheit bei der Generalaudienz. Weil in wenigen Tagen die Bischofssynode über das Thema „Priesterausbildung heute“ beginnt, bitte ich um euer Gebet für einen guten Erfolg der Synodenarbeit. Die Kirche und die heutige Gesellschaft brauchen geistlich und in der Lehre gut ausgebildete Priester, die Mut haben und sich ganz dem Heil der Seelen widmen durch die Sendung und die Vollmacht Christi, des Erlösers. Das ist eine außerordentlich kostbare göttliche Gnade, die besonders durch das Gebet von euch jungen Menschen erlangt wird, die ihr sichere Führer auf dem Lebensweg braucht; durch das Gebet von euch Kranken, die ihr von den Verwaltern Gottes getröstet und gestützt werdet; durch das Gebet von euch Neuvermählten, aus deren Liebe die künftigen Berufe zum Dienst des Herrn entspringen sollen. Betet deshalb eifrig im kommenden Monat, damit die Synode vom Licht des Heiligen Geistes erleuchtet werde und reiche Früchte zum Wohl der Kirche und der gesamten Menschheit trage. Von ganzem Herzen erteile ich allen meinen Segen. 176 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Priesteramt in der Kirche Angelus am 30. September Liebe Schwestern und Brüder! 1. Mit der Eucharistiefeier haben wir heute morgen in der Petersbasilika offiziell die Arbeiten der Synode eröffnet, die einberufen wurde, um die Probleme der Priesterausbildung zu untersuchen. Beim sonntäglichen Angelusgebet in den vergangenen Monaten widmete ich meine Betrachtungen dem Priesteramt in der Kirche: was es ist und womit es verbunden ist gemäß dem Willen Christi, der es eingesetzt und der es in unnachahmlicher und vollkommener Weise verwirklicht hat. So habe ich den Reichtum des Geheimnisses dargestellt, der im Priester Ausdruck findet, und die Haupteigenschaften hervorgehoben, die dieser besitzen soll, um seine Sendung gut zu erfüllen. In dieser Perspektive tauchten insbesondere hinsichtlich der Priesterausbildung einige Grundzüge auf, die keineswegs vollständig sein wollen, aber nützliche Anhaltspunkte zum Nachdenken liefern. 2. Liebe Schwestern und Brüder, jetzt, wo die Synode begonnen hat, ist es notwendig, daß alle sich mit neuem Schwung und lebendigem Vertrauen auf das erleuchtende Wirken des Heiligen Geistes im Gebet einsetzen. Der Heilige Geist kennt unendlich besser als wir alle die Ansprüche der Priesterausbildung. Er weiß, worin das Geheimnis des Priesters besteht und wie dieses Geheimnis konkret gelebt werden soll. War es denn nicht der Geist, der im Augenblick der Menschwerdung die menschliche Natur des ersten Priesters entscheidend geformt und gewirkt hat? Hat Jesus ihm nicht einen besonderen Einfluß auf seinen ganzen irdischen Dienst zugeschrieben, als er in der Synagoge von Nazaret auf sich die Weissagung des Jesaja bezog: „Der Geist des Herrn ruht auf mir“ (Li 4,18)? Diese entscheidende Rolle des Geistes in der Formung des Hohenpriesters zeigt uns, daß wir gerade ihm all unsere Anstrengungen anvertrauen sollen für die Ausbildung derer, die heute in sich selbst das Vorbild Christi wiedergeben sollen, indem sie ihn, sein Leben und seine Sendung, nachahmen. <79> <79> Die ganze Kirche zählt deshalb auf den Heiligen Geist: Er wird die Arbeiten der Synode in geheimnisvoller und erhabener Weise leiten, unter Achtung der Personen und ihrer Möglichkeiten der Mitarbeit. In diesem Vertrauen bestärkt uns die unvergeßliche Erfahrung des Zweiten Vatikanischen Konzils, das ein Vorgang war, der vom Heiligen Geist in überraschender und meisterhafter Weise vorgezeichnet wurde: Er gab die Inspiration zur Einberufung des Konzils, er leitete dessen Beschlüsse, indem er sie in Richtungen lenkte, die oft niemand vorhergesehen hatte und die danach immer mehr geschätzt wurden. In der Synode, die ihren Anfang nimmt, wird der Heilige Geist es nicht an seiner Anwesenheit und Wirksamkeit fehlen lassen. Im Vertrauen auf seinen Beistand bin ich sicher, daß diese Synode wesentliche Früchte hervorbringen und zum Fortschritt der Priesterausbildung beitragen wird. Bitten wir diejenige, die die vollkommene Mitarbeiterin des Heiligen Geistes war: die heilige Jungfrau Maria helfe allen Mitgliedern der Synode, sich seinem Wirken voll zu öffnen. 177 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Mein herzlicher Gruß gilt auch den deutschsprachigen Pilgern und Besuchern, die mit uns den „Engel des Herrn“ gebetet haben. Möge der Herr euch auf die Fürsprache Mariens, der dieser Rosenkranzmonat Oktober besonders geweiht ist, mit seinem Segen schützen und begleiten. Der Geist ist Geber aller Gaben Ansprache bei der Generalaudienz am 3. Oktober 1. Bekannt sind die Worte, mit denen der heilige Paulus den zweiten Brief an die Korinther schließt: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes [des Vaters] und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen“ (2 Kor 13,13). Diesen Gruß legt die Liturgie dem Priester zu Beginn der Meßfeier in den Mund. Mit diesem Zitat von offensichtlicher trinitarischer Bedeutung beginnen wir die Untersuchung über das, was die Briefe des Apostels Paulus uns vom Heiligen Geist als Person in der Einheit der Dreifaltigkeit mit dem Vater und dem Sohn sagen. Der Text des Korintherbriefes scheint der Ausdmcksweise der christlichen Urgemeinden und vielleicht ihren Liturgiefeiem zu entspringen. Der Apostel drückt mit diesen Worten die Einheit der Dreifaltigkeit aus, ausgehend von Christus, der als Urheber der Heilsgnade der Menschheit die Liebe Gottes des Vaters offenbart und sie den Gläubigen in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes mitteilt. Daraus geht hervor, daß gemäß dem hl. Paulus der Heilige Geist die göttliche Person ist, die die Gemeinschaft des Menschen - und der Kirche - mit Gott bewirkt. Die paulinische Formulierung spricht klar von dem einen und dreifältigen Gott, wenn auch mit anderen Worten als denen, die Matthäus für die Taufformel angibt: „Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Sie läßt uns den Heiligen Geist so erkennen, wie er in der Lehre der Apostel dargestellt und im Leben der Christengemeinden aufgefaßt wurde. <80> <81> <82> <80> Ein anderer Text des hl. Paulus hat als Grundlage der Lehre über den Heiligen Geist den Reichtum der Charismen, die mit Vielfalt und gemäß der Ordnung der Einheit in den Ge- meinschaften verteilt sind: „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen“ (1 Kor 12,4-6). Der Apostel schreibt dem Heiligen Geist die Gnadengaben (Charismen) zu; dem Sohn - als dem Haupt der Kirche - die Dienste (ministeria); Gott dem Vater, der alles in allen bewirkt, die „Werke“. Die in diesem Abschnitt ausgedrückte Parallele zwischen dem Geist, Jesus dem Herrn und Gott dem Vater ist sehr bedeutsam. Sie beweist, daß auch der Geist als göttliche Person erkannt wird. Es wäre nicht folgerichtig, die zwei göttlichen Personen, die des Vaters und des Sohnes, durch eine nichtpersonale Kraft in Beziehung zu setzen. Ebenso bedeutsam ist es, 178 AUDIENZEN UND ANGELUS daß dem Heiligen Geist in besonderer Weise das Geschenk der Charismen und jeder göttlichen Ausspendung an den Menschen und die Kirche zugeschrieben wird. 3. Das wird noch stärker im unmittelbaren Zusammenhang des ersten Korintherbriefes betont: „Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will“ (1 Kor 12,11). Der Heilige Geist offenbart sich als ein freier und „spontaner“ Geber des Guten in der Ordnung der Charismen und der Gnade - wie eine göttliche Person, die die Empfänger der verschiedenen Gaben auswählt und sie ihnen schenkt: „Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern durch den gleichen Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, dem dritten im gleichen Geist Glaubenskraft“ (1 Kor 12,8-9). Und weiter: „die Gabe, Krankheiten zu heilen ... prophetisches Reden ... die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden ... verschiedene Arten von Zungenrede ... schließlich die Gabe, sie zu deuten“ (ebd., 9-10). Wir sehen hier: „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (1 Kor 12,7). Vom Heiligen Geist kommt also die Vielfalt der Gaben wie auch ihre Einheit, ihr Zusammenhalt. All das zeigt den Heiligen Geist als Person, die in der göttlichen Einheit, in der Gemeinschaft des Sohnes mit dem Vater, lebt und wirkt. 4. Auch andere Abschnitte der paulinischen Briefe bringen dieselbe Wahrheit des Heiligen Geistes als Person in der Einheit der Dreifaltigkeit zum Ausdruck, ausgehend von der Heilsökonomie. „Wir müssen Gott zu jeder Zeit euretwegen danken ..., weil Gott euch als Erst-lingsgabe dazu auserwählt hat, aufgrund der Heiligung durch den Geist und aufgrund eures Glaubens an die Wahrheit gerettet zu werden ... ihr sollt nämlich die Herrlichkeit Jesu Christi, unseres Herrn, erlangen“, schreibt der Apostel im zweiten Brief an die Thessalonicher (2 Thess 2,13-14), um sie auf das Ziel des von ihm verkündeten Evangeliums hinzuweisen. Und an die Korinther: „Ihr seid reingewaschen, seid geheiligt, seid gerecht geworden im Namen Jesu Christi, des Herrn, und im Geist unseres Gottes“ (1 Kor 6,11). Gott, der Vater, ist nach dem Apostel der Ursprung der Heiligung, die vom Heiligen Geist demjenigen mitgeteilt wird, der „an den Namen“ Christi glaubt. Die Heiligung im Innern des Menschen kommt also vom Heiligen Geist, der göttlichen Person, die in der Einheit mit dem Vater und dem Sohn lebt und wirkt. In einem andern Abschnitt spricht der Apostel denselben Gedankengang in sehr eindrucksvoller Weise aus: „Gott aber, der uns und euch in der Treue zu Christus festigt und der uns alle gesalbt hat, er ist es auch, der uns sein Siegel aufgedrückt und als ersten Anteil (am verheißenen Heil) den Geist in unser Herz gegeben hat“ (2 Kor 1,21-22). Die Worte „in unser Herz“ zeigen die Intimität des heiligenden Wirkens des Heiligen Geistes. Dieselbe Wahrheit, noch stärker ausgeprägt, findet sich im Brief an die Epheser: „Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus ... hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel“ (Eph 1,3). Und kurz danach sagt der Autor zu den Gläubigen: „Ihr habt das Siegel des verheißenen Heiligen Geistes empfangen ... Der Geist ist der erste Anteil des Erbes, das wirerhalten sollen“ (Eph 1,13-14). <83> <83> Ein weiterer großartiger Ausdruck des Denkens und Wollens des hl. Paulus ist der Brief an die Römer, wo er den Zweck seines Dienstes am Evangelium beschreibt: „die Heiden sollen 179 AUDIENZEN UND ANGELUS eine Opfergabe werden, die Gott gefällt, geheiligt im Heiligen Geist“ {Röm 15,16). Für diesen Dienst bittet er die Empfänger des Briefes, zu Gott zu beten, und der tut es im Namen Jesu Christi und „bei der Liebe des Geistes“ (Röm 15,30). Die „Liebe“ ist eine besondere Eigenschaft des Heiligen Geistes (vgl. Röm 5,5), ebenso die „Gemeinschaft“ (vgl. 2 Kor 13,13). Von dieser Liebe kommt die Heiligkeit, die das Geschenk wohlgefällig macht. Auch das ist ein Werk des Heiligen Geistes. 6. Nach dem Galaterbrief teilt der Heilige Geist den Menschen das Geschenk der Annahme an Kindes Statt mit, indem er sie zum eigenen Gebet des Sohnes antreibt. „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater“ {Gal 4,6). Der Geist „ruft“ und offenbart sich so als eine Person, die sich sehr intensiv ausdrückt. Er läßt in den Herzen der Christen das Gebet widerhallen, das Jesus selbst mit Sohnesliebe an den Vater richtete (vgl. Mk 14,36). Der Heilige Geist ist derjenige, der die Annahme an Kindes Statt bewirkt und die Fähigkeit zum kindlichen Gebet schenkt. 7. Die Lehre des hl. Paulus über diesen Punkt ist so reichhaltig, daß sie in der nächsten Katechese weitergeführt werden muß. Für heute können wir abschließend sagen, daß der Heiligen Geist auch in den paulinischen Briefen als eine göttliche Person erscheint, die in der Einheit der Dreifaltigkeit mit dem Vater und mit dem Sohn lebt. Der Apostel schreibt ihm in besonderer Weise das Werk der Heiligung zu. Er ist der unmittelbare Urheber der Heiligkeit der Seelen. Er ist die Quelle der Liebe und des Gebets, worin sich das göttliche Geschenk der „Annahme an Kindes Statt“ des Menschen ausdrückt. Seine Gegenwart in den Herzen ist Unterpfand und Beginn des ewigen Lebens. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In den Briefen des Apostels Paulus begegnet uns an zahlreichen Stellen der Heilige Geist als die dritte göttliche Person in der Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn. So schließt etwa der zweite Korintherbrief mit den Worten, die wir auch aus der Liturgie kennen und mit denen der Priester in die Feier der Eucharistie einführt: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes [des Vaters] und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen“ (2 Kor 13,13). Hiermit bringt der Apostel die Einheit der göttlichen Dreifaltigkeit zum Ausdruck, die von Christus ausgeht, der gleichsam als Urheber der heiligenden Gnade der Menschheit die Liebe Gottes des Vaters enthüllt und sie den Gläubigen in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes mitteilt. Die paulinische Formulierung spricht also klar von dem einen und dreifältigen Gott, wobei Paulus dem Heiligen Geist vor allem das Werk der Heiligung zuweist. Er ist der unmittelbare Urheber der Heiligkeit. Er ist die Quelle der Liebe und des Gebetes, worin sich das göttliche Geschenk der „Annahme an Kindes Statt“ des Menschen ausdrückt. Seine Gegenwart in den Herzen ist Unterpfand und Ursprung des ewigen Lebens. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Ein besonderer Willkommensgruß gilt den Teilnehmern der 11. Pilgerfahrt „Rom im Rollstuhl“ aus der Schweiz sowie der Chorgemeinschaft St. Nikomedes aus Borghorst. AUDIENZEN UND ANGELUS Die Begegnung mit Euch, liebe Schwestern und Brüder aus Deutschland, gerade am heutigen Tag ist für mich willkommener Anlaß, gemeinsam mit euch dem Herrn der Zeiten dafür zu danken, daß nach so langen Jahren der gewaltsamen und schmerzlichen Trennung die staatliche Einheit eures Vaterlandes wirksam werden konnte. Die grundlegenden Veränderungen der gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in den Ländern Mittel- und Osteuropas durch die Überwindung totalitärer Ideologien, die den Menschen unterjochten und die Freiheit des Geistes unterdrückten, haben auch die Vollendung der Einheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung ermöglicht. An diesem für die Geschichte eures Landes so bedeutsamen Tag hoffe und wünsche ich, daß alle Länder Europas auf dem begonnenen Weg der Verständigung und des vertrauensvollen Miteinanders weiter voranschreiten und euer in seinem christlichen Erbe und seiner geistigen Tradition so reiches Land der ihm zukommenden großen Verantwortung für eine gesicherte und friedliche Zukunft Europas und der ganzen Völkergemeinschaft auch weiterhin gerecht wird. Euch allen, den deutschsprachigen Pilgern und Besuchern, sowie euren Lieben in der Heimat erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Appell für den Libanon Ich fühle mich verpflichtet, euch von neuem zum Gebet für den Libanon aufzurufen. In den letzten Tagen sind leider wieder Nachrichten zu uns gelangt von Kämpfen, von wahllosen Morden an wehrlosen Menschen und einer Bevölkerung, die als Geisel der Gewalt und des Hasses festgehalten wird. Das ist eine beklagenswerte Tatsache und fordert die nachdrücklichste Verurteilung. Im Namen der Liebe, die ich für dieses so sehr geprüfte Volk hege, bitte ich inständig alle Verantwortlichen, vor Gott über ihre Pläne und Ziele nachzudenken, die nichts anderes als das Wohl ihres Landes und ihrer Mitbürger sein können! Unsere Liebe Frau von Harissa erfülle jeden einzelnen mit Gefühlen des Verständnisses, mit der Bereitschaft zum Einvernehmen und dem Wunsch nach Frieden! Offen sein für Gottes Führung Geistlicher Besuch in Jasna Gora Ich möchte an die Worte des polnischen Primas erinnern, die am 12. Januar dieses Jahres an alle Bischöfe gerichtet wurden: „Unser Volk fand sich gleichsam am andern Ufer des Roten Meeres wieder. Die Befreiung wurde bei uns mit der Hilfe Gottes und auf die Fürsprache Mariens, der Königin Polens, vollzogen. Der lebendige Glaube lehrt uns, die Gegenwart Gottes in allen Ereignissen zu sehen und unter den Geschehnissen und Zeichen die Wohltaten wie auch die Mahnungen und die Erfahrungen zu unterscheiden. Wenn wir am andern Ufer des Roten Meeres stehen, müssen wir Gott danken ... Das Danksagen wird uns seine Gegenwart in den Ereignissen noch mehr bewußt machen - um so mehr 181 AUDIENZEN UND ANGELUS als man die Wüste durchqueren muß und diese Wanderung ein ständiges Vertrauen auf die göttliche Vorsehung voraussetzt.“ Diese Worte des Primas inspirierten mich zu dem „Jasna-Göra-Zyklus“, den ich seit einigen Monaten bei den Mittwochsbegegnungen mit den Pilgern halte, die aus Polen kommen. Der Zyklus soll in besonderer Weise eine Danksagung sein. Wir sagen Dank für die Geschehnisse und für die Taten. Wenn wir auch „in der Entwicklung unserer Lage die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Abhängigkeiten“ erkennen, die einer sachkundigen Prüfung unterzogen werden, meinen wir trotzdem, daß die endgültige Führung und Ausgewogenheit auf diesem Gebiet Geschenk des göttlichen Handelns ist. In diesem Geist gedenken wir auch der Menschen, die Gott uns auf diesem schweren Weg der vergangenen fünfzig Jahre geschickt hat, vom September 1939 an und durch die Jahre 1956 - 1970 - 1976 - 1980 bis 1989. Während wir für das Geschenk danken, öffnen wir uns der ständigen Führung der göttlichen Vorsehung. Wie notwendig ist für uns diese göttliche Führung, und wie notwendig ist die Gegenwart der Gottesmutter in diesem neuen Entwicklungsprozeß! „Du, die Königin Polens seit Jahrhunderten, sei allzeit bei uns.“ Den Herrn der Ernte bitten Angelus am 7. Oktober Liebe Schwestern und Brüder! 1. Zum Abschluß einer so feierlichen Liturgie möchte ich euch einladen, den Blick auf Maria, die Mutter der Kirche und Königin der Apostel, zu richten. Auf sie blickt vertrauensvoll die Gemeinschaft der Gläubigen besonders in diesen Tagen, während die 8. Vollversammlung der Bischofssynode stattfindet, die bekanntlich dem heiklen Thema der Priesterausbildung heute gewidmet ist. Die Synode ist ein kirchliches Ereignis von außerordentlicher Bedeutung, das durch die kennzeichnende Anwesenheit der Vertreter aller Kontinente die universale und missionarische Dimension der Verkündigung des Evangeliums hervorhebt. Ich fordere alle dazu auf, die Arbeiten der Synode mit ihrem Gebet zu begleiten. Vor allem wende ich mich an die Kranken und an alle, die besonders geprüft sind, damit sie das eigene Leiden zu diesem Zweck dem Herrn aufopfem. Es ist notwendig, daß auch heute wie in den Anfängen die Kirche „einmütig im Gebet verharrt, zusammen mit... Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (vgl. Apg 1,14). 2. Für uns sprechen und mit uns vereinen sich in der inständigen Bitte um einen guten Ausgang der Synodenversammlung gewiß auch die neuen Seligen Giuseppe Allamano und Annibale Maria di Francia, beide Priestererzieher und beide Apostel in der Förderung von Berufen. 182 AUDIENZEN UND ANGELUS Deshalb gewinnt ihre Seligsprechung während der Synodenversammlung eine besondere Bedeutung. Denn sie sind ein lebendiges Zeugnis der Wunder, die der Heilige Geist in denen wirkt, die auf seinen göttlichen Ruf hochherzig antworten. Durch ihr Beispiel erinnern sie alle an die dringende Pflicht, „den Herrn der Ernte zu bitten, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (vgl. Mt 9,38), und die Priester, die Seminaristen und ihre Erzieher, die Apostel der Neuevangelisierung, zu ermutigen, daß sie ohne zu zögern und mit Freude den Weg der Heiligkeit gehen, der vertrauensvolle Hingabe an den Willen Gottes und bedingungsloser Dienst an den Brüdern ist. 3. Gemeinsam mit ihnen wenden wir uns jetzt an die Mutter des Herrn, die der selige Alla-mano unter dem Titel „Consolata“ und der selige Annibale Maria di Francia als „Maria Bam-bina“ verehrten. Rufen wir sie um Hilfe an für die Synodenarbeiten, für die Priester und für die ganze Gemeinschaft der Gläubigen, die heute zu einem neuen missionarischen Einsatz aufgefordert ist; bitten wir sie um ihre Fürsprache für den Frieden in der Welt. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: In dieser Stunde des Gebets denken wir an die Brüder und Schwestern, die in allen Teilen der Welt unter Krieg und Gewalt leiden. Ich fordere euch besonders auf, mit mir dem Herrn das Volk von Ruanda zu empfehlen. Beten wir darum, daß die Auseinandersetzungen dieser Tage beendet werden und diese geliebte Nation, die ich kürzlich zu meiner Freude besuchen konnte, bald den Frieden in Gerechtigkeit finde. Empfehlen dieses Anliegen der Fürsprache unserer Lieben Frau vom Rosenkranz, der Königin des Friedens. Gottes Geist wohnt im Menschen Ansprache bei der Generalaudienz am 10. Oktober 1. Wir haben in den vorhergehenden Katechesen gesehen, daß in den paulinischen Schriften die Offenbarung des Heiligen Geistes als Person in der Einheit der Dreifaltigkeit mit dem Vater und dem Sohn sehr schön und eindrucksvoll beschrieben wird. Aus den Briefen des heiligen Paulus schöpfen wir heute weitere Betrachtungen über dieses einzigartige Grundthema. Es kehrt oft in den Schriften der Apostel wieder, die von einem lebendigen und lebenspendenden Glauben an das Wirken des Heiligen Geistes und an die Eigenschaften seiner Person durchdrungen sind, die durch sein Wirken offenbar werden. <84> <85> <84> Einer der stärksten und ergebensten Ausdrücke dieses Glaubens, der durch die Feder des Paulus zur Mitteilung einer offenbarten Wahrheit an die Kirche wird, ist der vom „Wohnen“ des Heiligen Geistes in den Gläubigen, die sein Tempel sind. „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes 183 AUDIENZEN UND ANGELUS Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kot3,16), schreibt er an die Korinther. Vom „Wohnen“ spricht man normalerweise bei Personen. Hier handelt es sich um das Wohnen einer göttlichen Person im Menschen. Es ist ein geistiges Geschehen, ein Geheimnis der Gnade und der ewigen Liebe, die gerade deshalb dem Heiligen Geist zugeschrieben wird. Dieses Wohnen im Innern beeinflußt den ganzen Menschen, wie er in der Konkretheit und Gesamtheit seines Seins ist, was der Apostel mehrmals „Leib“ nennt. In der Tat stellt er auch in diesem Brief kurz nach der obengenannten Stelle den Briefempfängern dieselbe Frage: „Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt?“ (1 Kor 6,19). In diesem Text ist die Bezugnahme auf den „Leib“ nach der paulinischen Auffassung vom Wirken des Heiligen Geistes im ganzen Menschen noch bedeutsamer! So wird die andere Stelle des Römerbriefes über das „Leben nach dem Geist“ klarer und verständlicher. Wir lesen hier: „Ihr aber seid nicht vom Fleisch, sondern vom Geist bestimmt, da ja der Geist Gottes in euch wohnt“ (Röm 8,9). „Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt“ (Röm 8,11). Die Ausstrahlung des göttlichen Wohnens im Menschen erstreckt sich auf sein ganzes Sein, sein ganzes Leben, das in allen seinen Bestandteilen, allen seinen Entfaltungen und Tätigkeiten unter der Einwirkung des Heiligen Geistes steht. Dieser in der Dreifaltigkeit lebende Geist ist kraft der von Christus gewirkten Erlösung gegenwärtig im ganzen Menschen, der ihn bei sich „wohnen“ läßt, in der gesamten Menschheit, die ihn erkennt und aufnimmt. 3. Eine andere Eigenschaft, die der heilige Paulus der Person des Heiligen Geistes zuschreibt, ist „alles ergründen“, wie er an die Korinther schreibt: „Der Geist ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes“ (1 Kor 2,10). „Wer von den Menschen kennt den Menschen, wenn nicht der Geist des Menschen, der in ihm ist? So erkennt auch keiner Gott - nur der Geist Gottes“ (1 Kor 2,11). Dieses „Ergründen“ bedeutet die Schärfe und Tiefe des Erkennens, die der Gottheit eigen ist, in der der Heilige Geist mit dem Sohn (dem Wort) in dreifältiger Einheit lebt. Deshalb ist er ein Geist des Lichtes, der den Menschen die Wahrheit lehrt, wie Jesus Christus verheißen hat (vgl. Joh 14,26). <86> <87> <88> <86> Sein „Lehren“ betrifft vor allem die göttliche Wirklichkeit, das Geheimnis Gottes an sich, aber auch seine Worte und seine Gaben für den Menschen. Wie der heilige Paulus schreibt: „Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist“ (J Kor 2,12). Der Heilige Geist gibt den Gläubigen eine göttliche Vision von der Welt, dem Leben, der Geschichte, eine „Einsicht des Glaubens“, die den inneren Blick weit über die menschliche und kosmische Dimension der Wirklichkeit hinaus lenkt, um in allem das Bild des göttlichen Wirkens, die Verwirklichung des Plans der Vorsehung und den Widerschein der Herrlichkeit der Dreifaltigkeit zu entdecken. 184 AUDIENZEN UND ANGELUS Deshalb läßt uns die Liturgie in der alten Sequenz der Messe vom Pfingstfest rufen: „Veni, Sancte Spiritus, et emitte coelitus lucis tuae radium. Komm herab, o Heiliger Geist, der die finstre Nacht zerreißt, strahle Licht in diese Welt. Komm, der alle Armen liebt, komm, der gute Gaben gibt, komm, der jedes Herz erhellt 5. Dieser Geist des Lichtes gibt den Menschen - besonders den Aposteln und der Kirche - die Fähigkeit, die Dinge Gottes zu lehren gleichsam als eine Ausbreitung seines eigenen Lichtes. „Davon reden wir auch, nicht mit Worten, wie menschliche Weisheit sie lehrt, sondern wie der Geist sie lehrt“ (1 Kor 2,13). Es ist die Sprache des Apostels, die Sprache der Urkirche und der Kirche aller Zeiten, die Sprache der wahren Theologen und Katecheten, die von einer Weisheit sprechen, die nicht von dieser Welt ist, vom „Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes, die Gott vor allen Zeiten vorausbestimmt hat zu unserer Verherrlichung“ (.1 Kor 2,6-1). Eine solche Weisheit ist ein Geschenk des Heiligen Geistes, den man für die Lehrer und Prediger aller Zeiten anrufen muß: das Geschenk, von dem der heilige Paulus im gleichen Brief an die Korinther spricht: „Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern durch den gleichen Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln“ (1 Kor 12,8). Erkenntnis, Weisheit, Kraft des Wortes, das in die Geister und Gewissen eindringt, inneres Licht, das durch die Verkündigung der göttlichen Wahrheit im fügsamen und aufmerksamen Menschen die Herrlichkeit der Dreifaltigkeit ausstrahlt: alles ist Geschenk des Heiligen Geistes. 6. Der Geist, der „die Tiefen Gottes ergründet“ und die göttliche Weisheit „lehrt“, ist auch derjenige, der „leitet“. Wir lesen im Brief an die Römer: „Denn alle, die sich vom Geist Gottes leiten lassen, sind Söhne Gottes“ (Röm 8,14). Hier handelt es sich um die innere „Leitung“, die zu den Wurzeln der „neuen Schöpfung“ führt: Der Heilige Geist bewirkt, daß die Menschen als Kinder Gottes leben. Um so zu leben, braucht der menschliche Geist das Bewußtsein der Gotteskindschaft. Deshalb „bezeugt der Geist selber unserem Geist, daß wir Kinder Gottes sind“ (Röm 8,16). Das persönliche Zeugnis des Heiligen Geistes ist unerläßlich, damit der Mensch in seinem Leben das Geheimnis verkörpern kann, das ihm von Gott selbst eingepflanzt wurde. <89> <89> Auf diese Weise „kommt“ der Heilige Geist unserer Schwachheit „zu Hilfe“. Nach dem Apostel geschieht das besonders im Gebet. Denn er schreibt: „So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ (Röm 8,26). Für Paulus ist also der Geist der innere Urheber des echten Betens. Er durchdringt mit seinem göttlichen Einfluß von innen her das Beten des Menschen und führt es in die Tiefe Gottes hinein. Ein letztes Wort des Paulus enthält und faßt alles zusammen, was wir bis jetzt von ihm über dieses Thema vernommen haben. Hier ist es: „Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Der Heilige Geist ist also derjenige, der die Liebe Gottes in die Herzen der Menschen überreichlich „ausgießt“ und bewirkt, daß wir an dieser Liebe teilhaben können. 185 AUDIENZEN UND ANGELUS Aus diesen so häufig verwandten und nach der Sprache des Völkerapostels folgerichtigen Worten konnten wir das Wirken des Heiligen Geistes und die Person desjenigen besser erkennen, der im Menschen in göttlicher Weise am Werk ist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Wie wir schon in den Katechesen der vergangenen Wochen gehört haben, begegnet uns an zahlreichen Stellen in den Schriften des Apostels Paulus der Heilige Geist als die dritte Person in der göttlichen Dreifaltigkeit.Eine der schönsten und erhabensten Beschreibungen für Wesen und Wirken des Heiligen Geistes ist der Ausdruck vom „Wohnen“ des Geistes im Menschen: „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor 3,16). Vom „Wohnen“ spricht man bei Menschen. Hier handelt es sich um das Wohnen einer göttlichen Person im Menschen. Dies ist ein geistliches Geschehen, ein Geheimnis der Gnade und der ewigen Liebe. Das innerliche Wohnen beeinflußt den ganzen Menschen in der Konkretheit und Gesamtheit seines Wesens, so daß der Apostel auch vom „Leib“ spricht, der Tempel des Geistes ist (vgl. 1 Kor 6,19). Gerade die Rede vom Leib als Wohnung des Geistes macht deutlich, daß nach dem paulinischen Verständnis das Wirken des Heiligen Geistes den Menschen ganz und gar durchdringt. So kann der Geist unserer menschlichen Schwachheit mit seiner Gegenwart zu Hilfe kommen. Nach Paulus geschieht das vor allem im Gebet (vgl. Röm 8,26). Er sieht im Heiligen Geist den eigentlichen Urheber echten Betens. In seiner göttlichen Kraft durchwirkt er von innen her das Beten des Menschen und führt es in die Tiefe Gottes hinein. Mit dieser Betrachtung richte ich einen herzlichen Willkommensgruß an die Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern, unter ihnen zahlreiche Pilger aus den Diözesen Münster, Paderborn und Essen sowie die Chorgemeinschaft Düsseldorf. Ein besonderer Gruß gilt der großen Pilgergruppe unter Leitung der Apostolischen und Kanonischen Visitatoren in der Bundesrepublik Deutschland. Der Zweite Weltkrieg hat über Europa sehr viel Unheil und Leid gebracht, mit vielen traurigen Einzelschicksalen. Doch gerade aus der Kraft eures tiefen und unerschütterlichen Glaubens und Vertrauens auf Gottes Führung und Beistand wollt ihr tatkräftig dabei mitwirken, unter den neuen und hoffnungsvollen Bedingungen in den Ländern Mittel- und Osteuropas Brücken zur Verständigung zu bauen und Frieden und Versöhnung zwischen den Völkern zu stiften. Herzlich ermuntere ich euch, an eurem Glauben in Treue zur Kirche und zum Nachfolger des heiligen Petrus festzuhalten und in eurem Einsatz für Versöhnung, vor allem mit euren östlichen Nachbarn, nicht nachzulassen. Euch allen, den deutschsprachigen Pilgern, sowie euren Lieben in der Heimat erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 186 AUDIENZEN UND ANGELUS Polens Beitrag zu Europa Geistlicher Besuch in Jasna Göra „Die Polen sind die Nation, die sich der eigenen Zugehörigkeit zu Europa, des eigenen Euro-patums bewußt ist... Europa war immer der Bezugspunkt für die Antwort hinsichtlich unserer Identität. Europa, als dessen Verteidiger die Polen sich immer gefühlt und das sie immer geliebt haben. Dreihundert Jahre lang war in Polen die Idee des „Schutzwalls der Christenheit“, des Schutzwalls Europas lebendig, hm polnischen Bewußtsein ist Europa deshalb heute ein Wert, für den es sich zu leben lohnt, für den man aber manchmal auch sterben muß. Gegenüber diesem Europa hat man auch Groll gehegt und Ansprüche gestellt. Diese Haltung ist in unserem kollektiven Bewußtsein bis heute vorhanden. Wir betrachten Europa immer als Wert, als das Geburtsland der Freiheit und des Rechts - und wir identifizieren uns immer stark mit Europa. Wir haben noch Forderungen gegenüber Europa - in bezug auf das Jalta-Abkommen, die Teilung Europas, unsere auf dieser Seite des Eisernen Vorhangs verbrachten Jahre. Aber heute, wo die Rückkehr zu Europa, die Wiedergeburt von ganz Europa immer mehr Wirklichkeit wird, stellen wir uns öfter die Frage: Was müssen wir Europa geben? Was ist unser geschichtlicher Beitrag zum europäischen Erbe? Nun, ich glaube, daß wir Europa nicht wenig zu bieten haben. Unser Beitrag zu Europa ist gleichzeitig unsere Kraft, aber auch unsere Schwäche.“ Ich habe einen langen Auszug aus der Rede des Regierungsvorsitzenden der Polnischen Republik wiedergegeben, die er vor dem „Forum“ des Europarats in Straßburg am 30. Januar dieses Jahres gehalten hatte. Diese Worte müssen in den Jasna-Göra-Zyklus eingehen. Sie müssen auch der Inhalt unseres Gebets vor der Gottesmutter werden, die mit uns den Weg durch die Geschichte geht. Sie als Mutter weiß besonders, was „unsere Stärke“ und „unsere Schwäche“ ist. Jerusalem muß Quelle der wahren Versöhnung werden Gebetsappell für das Heilige Land Schwestern und Brüder, ich empfinde die dringende Pflicht, euch aufzurufen, besonders an das Heilige Land, die dort lebenden Christengemeinden und Völker zu denken und für sie zu beten. Die Nachrichten über die traurigen Geschehnisse von vorgestern sind Grund zu lebhaftem Schmerz, der noch verstärkt wird durch die Tatsache, daß sie sich an den für die großen Religionen Heiligen Stätten und in der für die Juden, Christen und Muslime Heiligen Stadt Jerusalem ereigneten. Es ist unmöglich, gleichgültig zu bleiben und nicht die Gewaltakte zu verdammen, die so viele Tote und Verletzte verursacht haben; gleiches gilt für eine Situation der Ungerechtigkeit, die zu lange andauert und die zwei Völker, das palästinensische und das israelische, ein- 187 AUDIENZEN UND ANGELUS ander gegenübergestellt sieht; beide sind gerufen, in gerechtem und dauerhaftem Frieden zu leben, jedes im eigenen Vaterland und in dem Land, das ihnen und den Gläubigen in aller Welt so lieb ist. Ich nehme besonders teil am Schmerz all derer, die um die Opfer dieser Gewalt trauern; insbesondere möchte ich erneut meine lebhafteste Solidarität mit den Hirten jener christlichen Kirchen bekunden, die - wie ich kürzlich Gelegenheit hatte zu sagen, als ich mit den lateinischen Bischöfen der arabischen Region zusammentraf - die heikle Aufgabe haben, ihre Gläubigen in Situationen und unter Umständen zu leiten und zu stützen, die jetzt mehr denn je schwierig sind. Bitten wir gemeinsam den Herrn, er möge die Herzen derer bewegen, die für die Geschicke der Völker verantwortlich sind, und der ganzen Region des Mittleren Orients den ersehnten Frieden in Gerechtigkeit und Sicherheit gewähren; er möge die Heilige Stadt Jerusalem zu einem Kreuzungspunkt und zur Quelle einer wahren Versöhnung machen.“ Der Heilige Geist als Wind und Feuer Ansprache bei der Generalaudienz am 17. Oktober 1. Im Neuen Testament ist die Offenbarung über den Heiligen Geist als Person enthalten, die mit dem Vater und dem Sohn die göttliche Dreifaltigkeit bildet. Aber es ist keine Offenbarung mit ausgeprägten, genauen Merkmalen wie jene über die ersten beiden göttlichen Personen. Die Bekräftigung des Jesaja, nach der unser Gott „ein verborgener Gott“ ist (Jes 45,15), kann ganz besonders auf den Heiligen Geist bezogen werden. Denn der Sohn ist durch seine Menschwerdung in die Sphäre der erfahrbaren Sicht jener Menschen eingetreten, die „das Wort des Lebens mit ihren Augen gesehen und mit ihren Händen angefaßt haben“, wie der heilige Johannes sagt (vgl. 1 Job 1,1); und ihr Zeugnis bietet einen konkreten Bezugspunkt auch für die nachfolgenden christlichen Generationen. Der Vater seinerseits, obwohl unsichtbar und erhaben in seiner Transzendenz, hat sich im Sohn offenbart. Jesus sagte; „Wer mich sieht, sieht den Vater“ (Joh 14,9). Im übrigen wird die „Vaterschaft“ — auch auf göttlicher Ebene - deutlich durch die Analogie mit der menschlichen Vaterschaft, die ein wenn auch unvollkommener Widerschein der ewigen und nicht geschaffenen ist, wie der heilige Paulus sagt (vgl. Eph 3,15). <90> <91> <90> Die Person des Heiligen Geistes hingegen steht viel weiter jenseits all unserer Möglich- keiten der Erfahrbarkeit und Erkenntnis. Für uns ist die dritte göttliche Person der verborgene 188 AUDIENZEN UND ANGELUS und unsichtbare Gott, bei dessen Erkenntnis menschliche Analogien nur unvollkommen helfen können. Der Ursprung und Atem der Liebe selbst, der in der Menschenseele ein Widerschein der nichtgeschaffenen Liebe ist, besitzt nicht die Transparenz des Aktes des Erken-nens, der in gewisser Weise eigenbewußt ist. Daher das Geheimnis der Liebe auf psychologischer und theologischer Ebene, wie der heilige Thomas von Aquin betont (vgl. Summa Theo!., q.I, q.27, a.4; q.36, a.l; q.37, a.l). So ist zu erklären, daß der Heilige Geist -wie die menschliche Liebe selbst - besonders in Symbolen Ausdruck findet. Sie weisen auf sein dynamisches Handeln hin, aber auch auf seine Person, die gegenwärtig und am Werk ist. 3. So das Symbol des Windes, der am Pfingsttag, dem grundlegenden Ereignis in der Offenbarung des Heiligen Geistes, die Hauptrolle spielt: „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren“ (die Jünger mit Maria) (Apg 2,2). Der Wind wird in den Bibeltexten und anderswo oft als eine Person dargestellt, die kommt und geht. So verwendet auch Jesus in dem Gespräch mit Nikodemus den Wind als Beispiel, um von der Person des Heiligen Geistes zu sprechen: „Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist“ (Joh 3,8). Das Handeln des Heiligen Geistes, durch das man „aus dem Geist geboren wird“ (wie es bei der durch die göttliche Gnade gewirkten Gotteskindschaft geschieht), wird mit dem Wind verglichen. Dieser von Jesus angestellte Vergleich hebt die ganze Spontaneität und Freiheit dieses Handelns hervor, das die Menschen am Leben Gottes teilhaben läßt. Das Symbol des Windes scheint in besonderer Weise jene übernatürliche Dynamik wiederzugeben, durch die Gott selbst sich den Menschen nähert, um sie innerlich umzuwandeln, zu heiligen und - in gewisser Weise, wie die Kirchenväter es nennen - zu vergöttlichen. 4. Hinzuzufügen ist, daß vom etymologischen und sprachlichen Gesichtspunkt aus das Symbol des Windes das mit dem Heiligen Geist am engsten verbundene ist. Wir sprachen bereits darüber in den vergangenen Katechesen. Hier genügt es, nur an die Bedeutung des Wortes „ruah“ (schon in Gen 1,2), das heißt „der Hauch“, zu erinnern. Wir wissen, daß Jesus nach der Auferstehung, als er den Apostel erscheint, sie „anhaucht“ und sagt: „Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,22-23). Hervorzuheben ist auch, daß das Symbol des Windes mit deutlichem Bezug auf den Heiligen Geist und sein Handeln zur Sprache und Lehre des Neuen Testamentes gehört. Im Alten Testament ist der Wind als „Sturm“ Ausdruck des Zornes Gottes (vgl. Ez 13,13), während das „sanfte, leise Säuseln“ von seinem vertraulichen Gespräch mit den Propheten spricht (vgl. 1 Kön 19,12). Der gleiche Ausdruck wird verwandt, um auf den für die Kraft Gottes kennzeichnenden Lebenshauch hinzuweisen, der den menschlichen Gebeinen in der Prophezeiung des Ezechiels das Leben wiedergibt: „Geist, komm herbei von den vier Winden! Hauch diese Erschlagenen an, damit sie lebendig werden“ (Ez 37,9). Mit dem Neuen Testament wird der Wind ausdrücklich Symbol des Wirkens und der Gegenwart des Heiligen Geistes. <92> <92> Ein anderes Symbol ist die Taube, die sich, wie es bei den Synoptikern und im Johannesevangelium heißt, bei der Taufe Jesu im Jordan zeigt. Dieses Symbol ist geeigneter als das des 189 AUDIENZEN UND ANGELUS Windes, um die Person des Heiligen Geistes deutlich zu machen, denn die Taube ist ein Lebewesen, während der Wind nur ein Naturphänomen ist. Die Evangelisten berichten darüber beinahe mit den gleichen Worten. Matthäus (3,16) schreibt: „... da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen“. Ähnlich Markus (vgl. 1,10), Lukas (vgl. 3,21-22), Johannes (vgl. 1,32). Aufgrund der Bedeutung dieses Augenblicks im Leben Jesu, der in sichtbarer Weise die „messianische Investitur“ erhält, hat sich das Symbol der Taube auf den künstlerischen Bildern und in der Vorstellungskraft über das Geheimnis des Heiligen Geistes, seines Wirkens und seiner Person durchgesetzt. Im Alten Testament war die Taube Botin der Versöhnung Gottes mit der Menschheit zur Zeit Noachs. In der Tat hatte sie diesem das Ende der Sintflut auf der Erde angekündigt (vgl. Gen 8,9-11). Im Neuen Testament geschieht diese Versöhnung durch die Taufe, von der Petrus in seinem ersten Brief spricht, während er sie auf die Menschen bezieht, die in der Arche Noachs „durch das Wasser gerettet“ wurden (1 Petr 3,20-21). Man kann deshalb an eine Vorwegnahme des pneumatologischen Symbols denken, denn der Heilige Geist, der Liebe ist - „die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen“, sagt der heilige Paulus (Röm 5,5) -, ist auch der Spender des Friedens, der Geschenk Gottes ist. 6. Und weiter: Das Wirken und die Person des Heiligen Geistes werden auch durch das Symbol des Feuers ausgedrückt. Wir wissen, daß Johannes der Täufer am Jordan verkündete: „Er [Jesus] wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen“ (Mt 3,11). Das Feuer ist Wärme- und Lichtquelle, aber auch eine Kraft, die zerstört. Deshalb spricht man in den Evangelien davon, den Baum „ins Feuer zu werfen“, der keine gute Frucht bringt (Mt 3,10; vgl. Joh 15,6); man spricht auch davon, „die Spreu ... in nie erlöschendem Feuer zu verbrennen“ (Mt 3,12). Die Taufe „mit dem Heiligen Geist und mit Feuer“ weist auf die reinigende Kraft des Feuers hin: eines geheimnisvollen Feuers, das den Anspruch der Heiligkeit und Reinheit zum Ausdruck bringt, deren Spender der Geist Gottes ist. Jesus selbst sagte: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (Lk 12,49). In diesem Fall handelt es sich um das Feuer der Liebe Gottes, der Liebe, „ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ (Röm 5,5). Als am Pfingsttag den Aposteln „Zungen wie von Feuer“ erschienen und sich auf sie verteilten, bedeutete das, daß der Geist das Geschenk der Teilhabe an der heilbringenden Liebe Gottes brachte. Thomas von Aquin sagte dann einmal, daß die Liebe - das von Jesus Christus auf die Erde gebrachte Feuer — „eine gewisse Teilhabe des Heiligen Geistes“ ist (partecipatio qua-edam Spiritus Sancti: Summa TheoL, II-II, q.23, a.3, as 3). In diesem Sinn ist das Feuer ein Symbol des Heiligen Geistes, dessen Person in der göttlichen Dreifaltigkeit Liebe ist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die Schriften des Neuen Testamentes sprechen wiederholt vom Heiligen Geist als der dritten göttlichen Person, die mit dem Vater und dem Sohn die göttliche Dreifaltigkeit bildet. Schon nach alttestamentlichem Zeugnis ist unser Gott „ein verborgener Gott“ (Jes 45,15), wie der Prophet Jesaja sagt. Doch durch die Menschwerdung Jesu Christi ist Gott Vater den Men- 190 AUDIENZEN UND ANGELUS sehen unmittelbarer erfahrbar geworden, so daß Jesus zu seinen Jüngern sagen kann: „Wer mich sieht, sieht den Vater“ (Joh 14,9). Die Person des Heiligen Geistes dagegen übersteigt die Möglichkeiten der menschlichen Er-fahrbarkeit und Erkenntnis in besonderer Weise. Für uns ist die dritte göttliche Person der verborgene und unsichtbare Gott, bei dessen Erkenntnis menschliche Analogien nur unvollkommen helfen können. So erschließt sich uns der Heilige Geist vor allem mit Hilfe von Symbolen. Diese weisen auf die Kraft seines Handelns hin und lassen ebenso seine Person erkennen. An erster Stelle ist das Symbol des Windes zu erwähnen, der im Erscheinen des Geistes am Pfingsttag die zentrale Rolle spielt: „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und er erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren“ (Apg 2,2). Das Symbol des Windes vermag in besonderer Weise zu verdeutlichen, worin sich Gott selbst dem Menschen nähert. Auch das Symbol des Feuers drückt die Kraft und Dynamik des göttlichen Wirkens aus: Feuer spendet Licht und reinigt, es vernichtet aber auch. Doch das Feuer des Geistes, das in der Heiligen Schrift einen besonderen Stellenwert hat, ist das Feuer der göttlichen Liebe, „die ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern sehr herzlich. Besonders willkommen heiße ich die Pilgergruppe der Pfarrei St. Marien in Wädenswil (Schweiz), den „Kreismusikverband Rhein-Hunsrück“, der sich auf Vermittlung der L’Associazione Culturale „Terrazza Europa“ zu einem Kulturaustausch zwischen Rheinland-Pfalz und der Region Lazio in Italien aufhält, sowie die Pilgergruppe des Katholischen Altenwerkes der Diözese Fulda und die Teilnehmer der großen Ministran-tenwallfahrt aus Fulda, die unter Leitung ihres hochwürdigen Herrn Erzbischofs an dieser Audienz teilnehmen. Euch allen wünsche ich erlebnisreiche und geistlich fruchtbare Tage in Rom. Dazu erteile ich euch und euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen Apostolischen Segen. Festigung des Gemeinwohls Geistlicher Besuch in Jasna Gora Alljährlich kommen die polnischen Bauern nach Jasna Gora. Diese Zusammenkunft findet gewöhnlich nach der Ernte, Anfang September statt. Nach der Ernte feiert man das „Korn-fest“ (dozynki). Die polnischen Bauern pilgern mit ihren geistlichen Hirten nach Jasna Gora zu der von allen geliebten Patronin unseres „Komfestes“. Während meiner letzten Pilgerfahrt ins Vaterland konnte ich die selige Carolina Kozka, eine Tochter des polnischen Volkes, zur Ehre der Altäre erheben. Zu dieser Feier versammelten sich in Tarnow die Bauern aus ganz Polen. Die Landarbeiter, die nähren, die in der Nation ein Element der Stabilität und Dauer sind. Denken wir an die Worte des Wincenty Witos, des großen polnischen Volksführers und Staatsmannes: „Wer muß die Staatskraft und einen unfehlbaren Schutz bilden? ... die polnischen Bauern, selbstbewußt, unabhängig, zufrieden, denn sie sind bereit, Gesundheit und Le- 191 AUDIENZEN UND ANGELUS ben für jede Scholle der Heimaterde zu geben; und was ist zur Verteidigung der Unversehrtheit des Vaterlandes mehr zu sagen?“ Dies sagte der polnische Bauer, der an der Spitze der Regierung der Republik während der Krise des Jahres 1920 stand. Nach Jasna Göra kommen im September auch die Vertreter der Arbeitswelt. Sie bringen all ihre Mühe mit, die Mühe so vieler Arbeitsplätze - vor allem die der Industrie. Sie bringen auch die Erfahrung jener historischen Streiks des Jahres 1980 mit, die den Anfang zu Soli-damösc setzten. Unsere Liebe Frau von Jasna Göra! Du hast so viele Jahrhunderte und Generationen betrachtet, schließe diese beiden Pilgergruppen in dein mütterliches Herz. Vereine sie mit all den anderen, mit denen die Söhne und Töchter des polnischen Landes kommen, um „mit dir zu wachen“. In ihnen findet der große geschichtliche Prozeß Ausdruck. Die Industrie- und Landarbeiter sind zu einer Kraft geworden, die fähig ist, ebenso über die Gesellschaft als auch ihre subjektive Souveränität zu entscheiden. Sie haben es bereits im 20. Jahrhundert bewiesen. Durch den Anfang der Solidarität (Solidamosci) zeigten sie der ganzen Gesellschaft den Weg, der einen dauerhaften Ruf zum vielfältigen Fortschritt in sich birgt. Wenn auf diesem Weg - nach Überwindung der totalitären Beschränkungen - es notwendig ist, neue, wichtige Entscheidungen zu treffen, wache du, Mutter von Jasna Göra! Damit in diesen Entscheidungen und Beschlüssen die Frucht des schwierigen Reifens der gesamten Gesellschaft, besonders dieses Jahrhunderts zum Ausdruck kommt. Mögen die nächsten Monate unserm Vaterland die volle Festigung des Gemeinwohls bringen, in dem jeder einzelne seine Pflicht und seine kreative Beteiligung findet. Dank an Missionare in aller Welt Angelus am 21. Oktober Liebe Schwestern und Brüder! 1. Die Kirche feiert heute den Weltmissionssonntag. Alle christlichen Gemeinschaften, angeregt von ihren Hirten, widmen diesen Sonntag dem Nachdenken, dem Gebet und ihrem eigenen Beitrag für die Mission und die Missionare in aller Welt. Die Missionstätigkeit will die Frohbotschaft des Heils bis an die Grenzen der Erde gelangen lassen; die Kirche hat am Pfingsttag begonnen sie zu verbreiten, als der Heilige Geist auf Maria und die Apostel herabkam, die im Abendmahlssaal versammelt waren. Indem sie die Völker evangelisiert, verwirklicht die Kirche die eigene Berufung, denn „sie ist da, um zu evangelisieren“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 14). Frucht des missionarischen Bemühens ist die Geburt und Formung einer neuen Menschheit, gegründet auf der Zivilisation der Liebe, denn das Evangelium ist ein Ferment der Brüderlichkeit, der Einheit und des Friedens. <93> <93> Alle Gläubigen, durch Taufe, Firmung und Eucharistie Christus eingegliedert und gleichgestaltet, haben die Pflicht, mitzuarbeiten (vgl. Ad gentes, Nr. 37). Deshalb ist der Weltmissionssonntag ein besonderer Anlaß für das Bewußtsein und die Nächstenliebe der Weltkirche. 192 AUDIENZEN UND ANGELUS Dringende und äußerste Bedürfnisse appellieren an das Gewissen und Herz derer, die das Geschenk des Glaubens an Christus empfangen haben und seine glaubwürdigen Zeugen und Boten sein müssen - vor allem durch ihre Nächstenliebe. Als Hirt der katholischen Kirche fühle ich mich verpflichtet, alle Gläubigen und alle Menschen guten Willens daran zu erinnern, daß ihre hochherzige Hilfe zugunsten der Armen in der Welt und der Missionare nicht nachlassen darf, die für ihre menschliche Förderang und in der Verkündigung des Geheimnisses Christi, des Erlösers aller Menschen, tätig sind. 3. Heute sind wir den Missionaren in Liebe und im Gebet besonders nahe. Sie, die dem Ruf des Geistes folgten, der sie für die Verkündigung des Evangeliums an die Menschen in der Ferne erwählt und geweiht hat, leisten ihren mutigen und unermüdlichen Dienst an den Vorposten der Mission. Ich spreche ihnen den Dank und die liebevolle Verbundenheit der ganzen Kirche aus. Ich tue dies am heutigen Weltmissionssonntag in besonderer Einheit mit den Bischöfen, die in Rom weilen zur Synode über die Priesterausbildung. Ich bin gewiß, daß der Heilige Geist, der Geist der Mission, auch von dieser Synode aus neuen missionarischen Schwung und die Fähigkeit wecken wird, die Ausbildung und Seelsorgetätigkeit der Priester in der gesamten Welt zu erneuern. 4. Liebe Missionarinnen und Missionare! Ihr seid nicht allein mit eurer wichtigen und schwierigen Aufgabe, das Licht und die Gnade des Evangeliums denen zu verkünden und zu schenken, die es noch nicht empfangen haben. Mit euch ist der Geist des auferstandenen Herrn, denn er ist der Urheber der Evangelisierung. Mit euch sind alle christlichen Gemeinschaften, die euch durch ihr Gebet, ihr Opfer und ihre Nächstenliebe unterstützen. Auf euch schauen die Jugendlichen mit Bewunderung, und durch euer Beispiel werden sie ermutigt, auch selbst auf den Ruf des Herrn zu antworten, dadurch daß sie ihr Leben dem Dienst an Christus und den Brüdern weihen. Und mit euch ist Maria, die Mutter des Herrn und Mutter aller Völker; sie begleitet und schützt euch in eurem Dienst. An sie wenden wir uns jetzt mit dem Angelusgebet, und innig bitten wir sie, immer unsere Trösterin zu sein. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich heiße ich die deutschsprachigen Pilger und Besucher willkommen, die mit uns den Engel des Herrn gebetet haben. Ein besonderer Gruß gilt der Gruppe des Bundes der Kriegsblinden Deutschlands, Landesverband Westfalen. Möge der Herr euch, liebe Schwestern und Brüder, auf die Fürsprache Mariens mit seinem reichen Segen stets geleiten und schützen. 193 AUDIENZEN UND ANGELUS Wasser ist lebenspendende Kraft Ansprache bei der Generalaudienz am 24. Oktober 1. In seiner Rede in der Synagoge von Nazaret zu Beginn seines öffentlichen Wirkens bezieht Jesus einen Text des Jesaja auf sich, der lautet: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt“ (/es 61,1; vgl. Lk4,18). Es ist ein weiteres Symbol, das aus dem Alten Testament in das Neue Testament übergeht mit einer klareren und neuen Bedeutung, wie es mit den Symbolen des Windes, der Taube und des Feuers geschah, deren Bezug auf das Handeln und die Person des Heiligen Geistes wir in den letzten Katechesen gesehen haben. Auch die Salbung mit Öl gehört zur Tradition des Alten Testaments. Gesalbt wurden vor allem die Könige, aber auch die Priester und manchmal die Propheten. Das Symbol der Salbung mit Öl sollte die zur Ausübung der Autorität erforderliche Kraft darstellen. Der genannte Jesaja-Text über die „Weihe durch die Salbung“ betrifft die geistliche Kraft, die zur Erfüllung der Mission notwendig ist, die Gott einem von ihm erwählten und gesandten Menschen aufgetragen hat. Jesus sagt uns, daß dieser von Gott Erwählte er selbst ist, der Messias. Und als Messias (= der Gesalbte des Herrn, der Christus) besitzt er die Fülle der ihm verliehenen Kraft. 2. In der Apostelgeschichte deutet Petrus in ähnlicher Weise die von Jesus empfangene Salbung an, als er daran erinnert, „wie Gott Jesus von Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren“ {Apg 10,38). Wie Öl das Holz oder andere Stoffe durchdringt, so erfüllt der Heilige Geist das ganze Sein Jesu, des Messias, indem er ihm die Heilsvollmacht gibt, Leib und Seele zu heilen. Durch diese Salbung mit dem Heiligen Geist hat der Vater die messia-nische Weihe des Sohnes bewirkt. 3. Die Teilhabe an der Salbung der Menschheit Christi im Heiligen Geist wird all jenen gegeben, die ihn im Glauben und in der Liebe aufnehmen. Sie vollzieht sich auf sakramentaler Ebene bei den Salbungen mit Öl, deren Ritus zur Kirchenliturgie gehört, besonders bei der Taufe und Firmung. Wie der Evangelist Johannes in seinem ersten Brief schreibt, haben sie „die Salbung von dem, der heilig ist“, und sie „bleibt“ in ihnen (1 Joh 2,20.27). Diese Salbung ist Quelle der Erkenntnis: „Ihr habt die Salbung von dem, der heilig ist, und ihr alle wißt es“ (1 Joh 2,20), „und ihr braucht euch von niemand belehren zu lassen ... Alles, was seine Salbung euch lehrt, ist wahr“ (1 Joh 2,27). So erfüllt sich die Verheißung Jesu an die Apostel: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8). Im Geist ist also der Ursprung des Erkennens und Wissens, in ihm die Quelle der notwendigen Kraft, um die göttliche Wahrheit zu bezeugen. Im Geist liegt auch der Grund jenes übernatürlichen „Glaubenssinns“, der nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (Lumen Gentium, Nr. 12) das Erbe des Volkes Gottes ist, wie der Evangelist Johannes sagt: „Ihr alle wißt es“ (1 Joh 2,20). 4. Auch das Symbol des Wassers erscheint schon oft im Alten Testament. Im allgemeinen ist das Wasser Sinnbild für das von Gott der Natur und den Menschen gespendete Leben. Wir 194 AUDIENZEN UND ANGELUS lesen bei Jesaja: „Auf den kahlen Hügeln lasse ich Ströme hervorbrechen und Quellen inmitten der Täler. Ich mache die Wüste zum Teich und das ausgetrocknete Land zur Oase“ (/es 41,18): ein Hinweis auf das belebende Einwirken des Wassers. Der Prophet wendet dieses Symbol auf den Geist an und vergleicht das Wasser mit dem Geist Gottes, als er weissagt: „Denn ich gieße Wasser auf den dürstenden Boden, rieselnde Bäche auf das trockene Land. Ich gieße meinen Geist über deine Nachkommen aus ... Dann sprossen sie auf wie das Schilf-gras“ (/es 44,3-4). So wird im Sinnbild der lebenspendenden Kraft des Wassers die lebenspendende Kraft des Geistes dargestellt. Außerdem bewahrt das Wasser die Erde vor der Trockenheit (vgl. 1 Kön 18,41-45). Das Wasser dient auch dazu, den Durst des Menschen und der Tiere zu löschen (vgl. Jes 43,20). Der Durst nach Wasser wird als Gleichnis für den Durst nach Gott genommen, wie es in den Psalmen heißt: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann darf ich kommen und Gottes Antlitz schauen?“ (Ps 42,2-3; ein weiterer nicht weniger klarer Text in Ps 63,2). Das Wasser ist schließlich Symbol der Reinigung, wie wir bei Ezechiel lesen: „Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Umeinheit und von all euren Götzen“ (Ez 36,25). Der gleiche Prophet verkündet die lebenspendende Kraft des Wassers in einer eindrucksvollen Vision: „Dann führte er mich zum Eingang des Tempels zurück, und ich sah, wie unter der Tempelschwelle Wasser hervorströmte und nach Osten floß ... Er sagte zu mir: Dieses Wasser fließt in den östlichen Bezirk, es strömt in die Araba hinab und läuft in das Meer, in das Meer mit dem salzigen Wasser. So wird das salzige Wasser gesund. Wohin der Fluß gelangt, da werden alle Lebewesen, alles, was sich regt, leben können“ (Ez 47,1.8-9). 5. Im Neuen Testament dient die reinigende und lebenspendende Kraft des Wassers schon für den Taufritus des Johannes, der am Jordan die Bußtaufe spendete (vgl. Joh 1,33). Aber es war Jesus Vorbehalten, das Wasser als Symbol des Heiligen Geistes vorzustellen, als er an einem Festtag vor der Menge ausrief: „Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen.“ Und der Evangelist kommentiert: „Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben; denn der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war“ (Joh 7,37-39). Diese Worte erklären auch alles, was Jesus zur samaritischen Frau sagt über das lebendige Wasser, das er selbst gibt. Dieses Wasser wird im Menschen „zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (Joh 4,10.14). <94> <94> Sie alle sind Ausdrücke der von Jesus offenbarten Wahrheit über den Heiligen Geist, dessen Symbol das „lebendige Wasser“ ist; sie wird im Sakrament der Taufe in die Wirklichkeit der Wiedergeburt im Heiligen Geist umgesetzt. Hier treffen auch viele weitere Stellen des Alten Testamentes zusammen, wie die über das Wasser, das Mose auf Gottes Befehl hin aus dem Felsen schlägt (vgl. Ex 17,5-7; Ps 78,16), und die andere über die Quelle, die für das Haus David fließen soll zur Reinigung von Sünde und Unreinheit (vgl. Sach 13,1; 14,8); der Höhepunkt all dieser Texte findet sich in den Worten der Offenbarung über „das Wasser des 195 AUDIENZEN UND ANGELUS Lebens, klar wie Kristall... Zwischen der Straße der Stadt und dem Strom, hüben und drüben, stehen Bäume des Lebens ... die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker“ (Offb 22,1-2). Das Wasser des Lebens stellt nach den Exegeten den Geist dar, wie Johannes selbst mehrmals in seinem Evangelium wiederholt (vgl. Joh 4,10-14; 7,37-38). In dieser Vision der Offenbarung ahnt man die Dreifaltigkeit selbst. Bedeutsam ist auch der Bezug auf die „Heilung der Völker“ durch die Blätter der Bäume, die vom lebendigen und heilsamen Wasser des Geistes genährt werden. Wenn das Volk Gottes diesen geistlichen Trank trinkt, ist es wie das Volk Israel in der Wüste, das „aus dem lebenspendenden Felsen“ trank, „und dieser Fels war Christus“, sagt der heilige Paulus (1 Kor 10,1-4). Aus seiner durchbohrten Seite am Kreuz „floß Blut und Wasser heraus“ (Joh 19,34) zum Zeichen der rettenden Zielsetzung des Todes, erlitten für das Heil der Welt. Frucht dieses heilbringenden Todes ist das Geschenk des Heiligen Geistes, den Christus seiner Kirche in Fülle zukommen läßt. Wahrhaftig, „Ströme von lebendigem Wasser sind aus dem Innern“ des Ostergeheimnisses Christi geflossen und als Geschenk des Heiligen Geistes in den Menschenseelen „zur sprudelnden Quelle“ geworden, „deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (Joh 4,14). Dieses Geschenk kommt von einem Geber, der in den Worten Christi und seiner Apostel deutlich erkennbar ist: der dritten göttlichen Person der Dreifaltigkeit. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Zu Beginn seines öffentlichen Auftretens wandte Jesus einen Text aus Jesaja auf sich an: „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt“ (Jes 61,1; vgl. Lk 4,18). Auch die Salbung mit Öl gehört - wie die anderen Symbole, über die wir in den vergangenen Katechesen gesprochen haben - zur Tradition des Alten Testamentes. Dadurch sollte die Kraft ausgedrückt werden, die zur Ausübung der Autorität notwendig war. Die Teilnahme an der Salbung Christi im Heiligen Geist geht auf alle über, die ihn im Glauben und in der Liebe annehmen. Auch das Symbol des Wassers erscheint oft im Alten Testament. Das Wasser ist Sinnbild für das von Gott der Natur und den Menschen gespendete Leben. Außerdem befreit das Wasser die Erde von der Trockenheit und dient Mensch und Tier, um den Durst zu löschen. Das Wasser ist schließlich Symbol der Reinigung, wie wir bei Ezechiel lesen: „Ich gieße reines Wasser über Euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit und von all euren Götzen“ (Ez 36,25). Im Neuen Testament dient die reinigende und Leben schenkende Kraft des Wassers schon finden Taufritus des Johannes, der im Jordan die Bußtaufe spendete (vgl. Joh 1,33). Aber es war Jesus Vorbehalten, das Wasser als das Symbol des Heiligen Geistes darzustellen, wie wir im Evangelientext des Johannes gehört haben. Dies Geschenk, das „zur sprudelnden Quelle wird“ (Joh 4,14) und das ewiges Leben vermittelt, kommt von der dritten Person der heiligsten Dreifaltigkeit. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt einer Gruppe der Bundesgendarmerie aus Salzburg und Wien, die sich zusammen mit ihren Gemahlinnen zu ihrer Jubiläumswallfahrt in Rom auf- 196 AUDIENZEN UND ANGELUS halten. Ich danke euch für die Verbundenheit mit dem Nachfolger des hl. Petrus. Außerdem begrüße ich die Teilnehmer an der Wallfahrt des souveränen Malteserordens aus der Republik Österreich mit einer zahlreichen Gruppe von behinderten und kranken Mitchristen. Der Malteserorden gibt dadurch ein beredtes Zeugnis seines Dienstes an den kranken und leidenden Mitmenschen, die unserer besonderen Achtung und Zuneigung bedürfen. Unser aller Gebet möge euch helfen, in euren körperlichen und seelischen Leiden das Gefühl der Nutzlosigkeit zu überwinden, das euch bisweilen erfassen mag. Ferner begrüße ich sehr herzlich eine Gruppe von österreichischen Schwestern des Säkularinstituts „Dienerinnen Christi des Königs“, die von Herrn Altbischof Bruno Wechner aus Feldkirch begleitet werden, sowie eine Gruppe von Angestellten des österreichischen Parlaments. Ein weiterer Gruß gilt den Pilgern aus der Stadtpfarrei Sankt Blasius in Fulda, die gekommen sind, um mit unserem lieben Msgr. Lucian Lamza von der Kongregation für die Orientalischen Kirchen ein silbernes Priestersjubiläum zu feiern. Euch allen, den deutschsprachigen Pilgern und Besuchern, euren lieben Angehörigen in der Heimat sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Kultur Umfeld für die Zukunft der Nation Geistlicher Besuch in Jasna Göra 1. Liebe Landsleute, heute pilgere ich zusammen mit euch zum Grab des heiligen Johannes Cantius (Johannes von Kety). Es befindet sich in der Kollegiatkirche St. Anna in Krakau, die seit Jahrhunderten mit der Jagiellonen-Universität verbunden ist - mit meiner „Alma mater“. Ein schöner Sarkophag birgt die Reliquien eines einfachen Mannes. In diesem Jahr war das 600jährige Jubiläum seiner Geburt. 1973 feierten wir seinen 500. Todestag. Es war gleichzeitig das Jahr des Nikolaus Kopemikus. Auch er hatte an der Krakauer Akademie studiert und das Erbe eines bedeutenden Namens hinterlassen, eines der größten in der Geschichte der Wissenschaften der gesamten Welt. Johannes von Kety hat keinen solchen Namen hinterlassen. Er hat sich hingegen mit seinem ganzen Leben in das Heiligenbuch der Kirche eingeschrieben. Man kann sagen, daß zusammen mit ihm in die Heiligengeschichte all das eingeschrieben wurde, was die Universität war und ist: eine besondere Gemeinschaft von Lehrern und Schülern, beinahe eine Familiengemeinschaft, die „Alma mater“, verbunden durch die Liebe zur Wahrheit. Verbunden durch die Liebe des Menschen in der Wahrheit. Der heilige Johannes von Kety bleibt durch die Jahrhunderte hindurch Ausdruck dieser besonderen Verbundenheit. Unsere Liebe Frau von Jasna Göra! Am Grab des heiligen Johannes Cantius bete ich heute für alle polnischen Universitäten, Institute und Schulen. <95> <95> „Die Nation ist in der Tat die große Gemeinschaft der Menschen, die geeint sind durch verschiedene Bande, aber vor allem durch die Kultur ... Ich bin Sohn einer Nation, die im Laufe der Geschichte die meisten Erfahrungen damit machte, daß ihre Nachbarn sie zum Tode ver- 197 AUDIENZEN UND ANGELUS urteilt haben, zu wiederholten Malen, die aber überlebt hat, sie selbst geblieben ist. Sie hat ihre Identität bewahrt, und sie hat trotz der Teilungen und fremden Besatzungen die nationale Souveränität bewahrt, indem sie sich nicht auf die Mittel physischer Gewalt gestützt hat, sondern einzig und allein auf ihre Kultur. Diese Kultur hat sich als eine Macht erwiesen, die größer ist als alle anderen Mächte.“ Dies sagte ich vor zehn Jahren bei der UNESCO in Paris vor den Vertretern vieler Nationen der Welt. Dieselben Worte wiederholte ich in Warschau während meiner letzten Pilgerfahrt in die Heimat bei der Begegnung mit polnischen Kulturschaffenden in der Heilig-Kreuz-Kir-che neben dem Herzen von Friedrich Chopin. 3. Unsere Liebe Frau von Jasna Gora! Heute kehre ich zum Sarkophag des heiligen Johannes Cantius zurück, und zusammen mit den in Rom weilenden polnischen Pilgern bete ich für die Universitäten, die Institute und Schulen in unserem Vaterland. Ich bete für die Zukunft unserer Kultur. Wir fragen uns nach dem Beitrag dieser Kultur zum gemeinsamen europäischen Erbe. Kamen nicht vor Jahrhunderten zum Konzil nach Konstanz gerade die Gelehrten von der Jagiellonen-Akademie zusammen mit dem unvergeßlichen Rektor Pawel Wlodkowic, um Zeugnis zu geben von den Menschenrechten auf Gewissens- und Religionsfreiheit? Die Religion, weil sie die Wahrheit ist, kann nicht mit dem Schwert, das heißt mit Gewalt auferlegt werden. Nach mehr als hundert Jahren verkündeten die Gelehrten der spanischen Schule von Salamanca dasselbe angesichts der Bedrohungen gegenüber den Einheimischen auf dem soeben entdeckten Kontinent. Ich danke dir, ehrwürdige Alma mater der Jagiellonen, für diesen Pionierbeitrag in der Geschichte des Rechts und der Moral auf unserem Kontinent. Unsere Liebe Frau von Jasna Göra! Auf den Knien inmitten unserer Geschichte bete ich für die Zukunft der polnischen Kultur: für alle Universitäten, Institute und Schulen, für die moralische Kultur der Landsleute. Es gibt kein wichtigeres Problem für die Zukunft der Menschen und der Gesellschaften. Es gibt euch kein wichtigeres Umfeld für die Zukunft der Nation. Mutter und Erzieherin! Mach, daß in den polnischen Schulen und Instimten für die Zukunft gearbeitet wird. Daß der Glaube an die Zukunft in ihnen stärker ist als die Versuchungen zur Verzweiflung. Mutter und Erzieherin ... Alma mater! 198 AUDIENZEN UND ANGELUS Werkzeuge der Großtaten Gottes Angelus am 28. Oktober Liebe Schwestern und Brüder! 1. Wir haben soeben im Petersdom die Dankmesse zum Abschluß der Bischofssynode gefeiert. Bekanntlich wurde das für das Leben der ganzen Kirche wesentliche Thema „Priesterausbildung heute“ behandelt. Wie ich zu Beginn dieser Versammlung alle aufgefordert habe, sich mit neuem Schwung im Gebet einzusetzen, unterstützt vom lebendigen Vertrauen auf das erleuchtende Wirken des Heiligen Geistes, so möchte ich jetzt euch hier Anwesende und alle Zuhörer dazu einladen, in einer Haltung tiefer Gemeinschaft mit der gesamten Kirche im Gebet zu verharren, damit die bei den Begegnungen der Bischöfe gereiften Vorsätze und Programme bald verwirklicht werden. Möge die synodale Lehre vom ganzen Volk Gottes bereitwillig aufgenommen werden und all jene ermutigen, die dem Ruf Christi folgend das Priesteramt anstreben. 2. Wir wenden uns heute besonders mit großem Vertrauen an die seligste Jungfrau, damit sie durch ihre Fürsprache und ihr Beispiel immer gegenwärtig sei auf dem Weg, den die Kirche gehen will, um die Priester unserer Zeit angemessen vorzubereiten. Ihre Formung ist die erste Pflicht jeder Teilkirche, denn von ihnen hängt das geistliche Leben der Gemeinschaft und der einzelnen Gläubigen ab. Das Volk Gottes wünscht sich Priester, die in der Heiligkeit des Lebens, in der Erkenntnis des Glaubens und im pastoralen Eifer entsprechend vorbereitet sind - Priester, bereit für die Neuevangelisierung, die die Zeit erfordert. Wh rufen die seligste Jungfrau, die Mutter Christi und Mutter aller Priester an, in dem Bewußtsein, daß sie, „voll der Gnade“, das wahre Vorbild jedes zum Dienst am Gottesreich geweihten Priesters ist. Maria war ewig gegenwärtig in dem Plan, den Gott für das Heil der Welt gefaßt hatte. Durch den Glauben hatte sie während ihres ganzen irdischen Lebens an ihm teil, so daß sie nunmehr zum Vorbild all derer geworden ist, die berufen sind, Jesus, dem Lehrer und Seelenhirten, enger nachzufolgen. <96> <96> Die Fürsprache Mariens möge für die Priesteramtskandidaten erreichen, daß sie sich fügsam dem Wort Gottes zu öffnen verstehen, seine Forderungen vorbehaltlos annehmen und ihren Geist bereit machen, die Gefühle Christi zu teilen, damit sie wirksame Verkünder seines Mysteriums seien. Die Priester müssen es verstehen, sich wie Maria zu demütigen „Dienern des Herrn“ zu machen, um wie sie wirksame Werkzeuge der „Großtaten“ zu werden, die Gott in der Welt wirken will. Die heilige Jungfrau begleite alle Berufenen auf ihrem Ausbildungsweg. Sie sei für sie Trost und Stütze in den Prüfungen und Vorbild der Hingabe jeder Zuneigung und jeden Interesses für das Heil des Menschen. Als fürsorgliche Mutter sei sie zugegen, um die Vorsätze der jungen Menschen zu erleuchten und zu bestärken, an die der Herr die Aufforderung gerichtet hat, ihm nachzufolgen. 199 AUDIENZEN UND ANGELUS Spender der göttlichen Gaben Ansprache bei der Generalaudienz am 31. Oktober 1. „Ich glaube an den Heiligen Geist, den Herrn und Lebensspender, der vom Vater und vom Sohn ausgeht. Er wird mit dem Vater und dem Sohn zugleich angebetet und verherrlicht. Er hat gesprochen durch die Propheten.“ Mit diesen Worten legt das nizäno-konstantinopolita-nische Glaubensbekenntnis den Glauben der Kirche an den Heiligen Geist fest, anerkannt als wahrer Gott, mit dem Vater und dem Sohn in der göttlichen Dreieinigkeit. Es handelt sich um einen Glaubensartikel, vom I. Konzil von Konstantinopel (381) vielleicht aufgrund eines bereits vorhandenen Textes formuliert zur Vervollständigung des nizänischen Glaubensbekenntnisses (325) (vgl. DS, Enchiridion Symbolorum, 150). Dieser Glaube der Kirche wird in der Liturgie ständig wiederholt, die auf ihre Weise nicht nur ein Bekenntnis, sondern ein Zeugnis des Glaubens ist. So geschieht es zum Beispiel in der tri-nitarischen Doxologie, die in der Regel die liturgischen Gebete abschließt: „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.“ So in den Fürbitten, gerichtet an den Vater „durch Christus, unsem Herrn, der mit dir [dem Vater] lebt und herrscht in der Einheit des Heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Auch das „Ehre sei Gott in der Höhe“ ist trinitarisch aufgebaut: Es läßt uns Gott und den Sohn zusammen mit dem Heiligen Geist verehren: „... du allein der Höchste: Jesus Christus, mit dem Heiligen Geist, zur Ehre Gottes des Vaters.“ 2. Dieser Glaube der Kirche wurzelt und gründet in der göttlichen Offenbarung. Gott hat sich endgültig als Vater in Jesus Christus, dem wesensgleichen Sohn, offenbart, der Fleisch angenommen hat durch den Heiligen Geist aus Maria, der Jungfrau, und Mensch geworden ist. Durch den Sohn wurde der Heilige Geist offenbar. Der einige Gott hat sich als Dreifaltigkeit offenbart: als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Das letzte Wort des vom Vater in die Welt gesandten Sohnes ist die Weisung an die Apostel: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jünger; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 8,19). Wir haben in den vorhergehenden Katechesen die Augenblicke der Offenbarung des Heiligen Geistes und der Dreifaltigkeit in der Lehre Jesu Christi gesehen. <97> <97> Wir haben auch gesehen, daß Jesus Christus den Heiligen Geist offenbarte, während er seine messianische Sendung vollbrachte, in der er erklärte, „durch den Geist Gottes“ zu handeln (zum Beispiel bei der Dämonenaustreibung: vgl. Mt 12,28). Aber man könnte sagen, daß sich am Ende seiner Sendung diese Offenbarung konzentriert und verdichtet, verbunden mit der Ankündigung der Rückkehr zum Vater. Der Heilige Geist wird - nach seinem Fortgehen -„ein neuer Beistand“ sein. Er, „der Geist der Wahrheit“, wird es sein, der die Apostel und die Kirche im Laufe der Geschichte leiten wird: „Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt“ (Joh 14,16-17). Er, der vom Vater im Namen Christi kommt, „wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe“ (Joh 14,26). Und weiter: „Wenn er kommt, 200 AUDIENZEN UND ANGELUS wird er die Welt überführen [und aufdecken], was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist“ (Joh 16,8). Das ist die Verheißung, das ist sozusagen das Testament, das Jesus zusammen mit dem über die Liebe und die Eucharistie den Seinen beim letzten Abendmahl hinterläßt. 4. Nach dem Tod, der Auferstehung und Himmelfahrt Christi war Pfingsten die Vollendung seiner Verkündigung, was die Apostel betrifft, und der Beginn seines Wirkens im Laufe der Generationen, die in den Jahrhunderten aufeinander folgten, denn der Heilige Geist sollte in der Kirche „für immer“ bleiben (Joh 14,16). Darüber haben wir in den vorhergehenden Katechesen ausführlich gesprochen. Diese grundlegende Geschichte der Urkirche, der Apostelgeschichte, sagt uns, daß die Apostel „mit dem Heiligen Geist erfüllt“ wurden und „freimütig das Wort Gottes“ verkündeten (Apg 2,4; 4,31). Sie sagt uns auch, daß bereits zur Zeit der Apostel „die Welt“ sich dem Werk nicht nur der Apostel, sondern des unsichtbaren, in ihnen wirkenden Protagonisten widersetzte, wie sie ihren Verfolgern vorhielten: „Ihr, die ihr euch ... immerzu dem Heiligen Geist widersetzt“ {Apg 7,51). Das sollte auch in den nachfolgenden Epochen der Geschichte geschehen. Der Widerstand kann das Maß einer besonderen Sünde erreichen, die Jesus „Lästerung gegen den Heiligen Geist“ nannte und von der er selbst sagte, daß diese Sünde nicht vergeben würde (vgl. Mt 12,31; Lk 12,10). Wie Jesus vorhergesagt und versprochen hat, war der Heilige Geist in der Urkirche und ist in der Küche aller Zeiten der Spender der göttlichen Gaben („Dator munerum“, wie ihn die Pfingstsequenz nennt): sowohl der Gaben, die direkt für die persönliche Heiligung bestimmt sind, als auch diejenigen, die den einen zum Wohl der anderen geschenkt werden (wie bestimmte Charismen). „Das alles bewirkt ein und derselbe Geist, einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will“ (1 Kor 12,11). Auch die sogenannten „hierarchischen Gaben“ (Lumen Gentium, Nr. 4), die für die Leitung der Kirche unersetzlich sind, kommen von ihm (vgl. Apg 20,28). 5. Aufgrund der von Jesus gemachten und den Aposteln überlieferten Offenbarung bekennt das Glaubensbekenntnis den Glauben an den Heiligen Geist, von dem es sagt, daß er „Herr“ ist, wie das Wort Herr ist, das Fleisch angenommen hat: „Tu solus Dominus ... cum Sancto Spiritu.“ Es fügt auch hinzu, daß der Geist das Leben gibt. Nur Gott kann dem Menschen das Leben geben. Der Heilige Geist ist Gott. Und weil er Gott ist, ist der Geist der Urheber des Lebens des Menschen: des „neuen“ und „ewigen“, von Jesus gebrachten Lebens, aber auch des Lebens in all seinen Formen: des Menschen und aller Dinge (Creator Spiritus). Diese Glaubenswahrheit wurde im nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis formuliert, weil sie als die von Gott durch Jesus Christus offenbarte Wahrheit betrachtet und angenommen wurde, die zum „Schatz der Offenbarung“ gehört, den die Apostel den ersten Gemeinden überlieferten und der von diesen in die ständige Lehre der Kirchenväter überging. Geschichtlich kann man sagen, daß der Glaubensartikel dem Glaubensbekenntnis von Nizäa durch das I. Konzil von Konstantinopel hinzugefugt wurde, das einigen Leugnern der Gottheit des Heiligen Geistes entgegentreten mußte wie auch anderen - und vor allem den Arianern die die Gottheit Christi, des Sohnes, des Wortes, bekämpften. In beiden Fällen handelte es sich um Geister, die sich angesichts des Geheimnisses der Dreifaltigkeit in ihre rationellen Ansprüche verirrt hatten! Die Gegner der Gottheit des Heiligen Geistes wurden 201 AUDIENZEN UND ANGELUS „Pneumatomachen“ (= Kämpfer gegen den Geist) genannt oder „Makedonianer“ (nach ihrem Anführer Makedonios). Diesen irrigen Meinungen widersetzten sich die Kirchenväter mit ihrer Autorität, unter ihnen Athanasius (gest. 375), der besonders in seinem Brief an Serapion (1,28-30) die Gleichheit des Heiligen Geistes mit den anderen beiden göttlichen Personen in der Einheit der Dreifaltigkeit bekräftigte. Und er tat es aufgrund der „alten Überlieferung, der Lehre und des Glaubens der katholischen Kirche, die zu verstehen ist als die uns vom Herrn aufgetragene, die die Apostel verkündet und die Väter bewahrt haben“ (vgl. PG 26, 594-595). Jene Väter, die die in der Heiligen Schrift enthaltene Offenbarung in ihrer ganzen Ausdehnung und ihrer ganzen Bedeutung werteten, verteidigten nicht nur die ursprüngliche und volle Kenntnis der Dreifaltigkeit, sondern hoben auch hervor, daß durch die Leugnung der Gottheit des Heiligen Geistes die Erhebung des Menschen zur Teilhabe am Leben Gottes ausgelöscht würde, das heißt seine „Vergöttlichung“ durch die Gnade, die nach dem Evangelium Werk des Heiligen Geistes ist. Nur der, der selbst Gott ist, kann die Teilhabe am göttlichen Leben wirken. Es ist gerade der Heilige Geist, der „das Leben gibt“, wie Jesus selbst gesagt hat (vgl. Joh 6,63). 6. Hinzuzufügen ist, daß der im nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis bekannte Glaube an den Heiligen Geist als göttliche Person mehrmals vom Lehramt der Kirche feierlich bekräftigt wurde. Dies beweisen zum Beispiel die von Papst Damasus I. veröffentlichen Kanones der Römischen Synode von 382, wo wir lesen, daß der Heilige Geist „göttlichen Wesens und wahrhaft Gott ist“ und daß „der Heilige Geist wie der Sohn und der Vater alles kann und alles erkennt und allgegenwärtig ist“ (vgl. DS, 168-169). Die zusammenfassende Formel des Glaubensbekenntnisses von 381, die vom Heiligen Geist als Gott sagt, daß er „Herr“ ist wie der Vater und der Sohn, folgt der Logik und fügt hinzu, daß „er gleich dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird“. Wenn der Heilige Geist derjenige ist, der „das Leben gibt“, das heißt, der mit dem Vater und mit dem Sohn die Schöpfungskraft besitzt und insbesondere die heiligmachende und lebendigmachende Kraft in der übernatürlichen Ordnung der Gnade - der Kraft, die vor allem seiner Person zugeschrieben wird -, ist es berechtigt, daß er wie die ersten beiden Personen der Dreifaltigkeit angebetet und verherrlicht wird, von denen er als Ziel ihrer ewigen Liebe in voller Gleichheit und Wesenseinheit ausgeht. <98> <98> Das Glaubensbekenntnis schreibt auch der dritten Person der Dreifaltigkeit insbesondere zu, der göttliche Autor der Prophetie zu sein: Er ist es, der „durch die Propheten gesprochen hat“. So wird der Ursprung der Inspiration der Propheten des Alten Testamentes erkannt, angefangen von Mose (vgl. Dtn 34,10) bis zu Maleachi, die uns die göttlichen Weisungen schriftlich hinterlassen haben. Sie wurden vom Heiligen Geist inspiriert. Dies sagte David von sich selbst (2 Sam 22,2), der auch „ein Prophet war“ (Apg 2,30); dies sagte Ezechiel (.Ez 11,5). In seiner ersten Rede brachte Petrus diesen Glauben zum Ausdruck und bekräftigte, daß „der Heilige Geist durch den Mund Davids ... gesprochen hat“ (Apg 1,16); ähnlich drückt sich der Autor des Briefes an die Hebräer aus (Hebr 3,7; 10,15). Mit tiefer Dankbarkeit empfängt die Kirche die prophetischen Schriften als ein kostbares Geschenk des Heiligen Geistes, der sich gegenwärtig und handelnd von den Anfängen der Heilsgeschichte an offenbart hat. 202 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Wie Jesus versprochen hatte, war der Heilige Geist in der Urkirche der Spender aller göttlichen Gaben und ist dies über alle Epochen der Kirche geblieben. „Das alles bewirkt ein Und derselbe Geist, einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will“ (1 Kor 12,11). Auch die „hierarchischen Gaben“, wie wir sie mit dem n. Vatikanischen Konzil (Lumen Gentium, Nr. 4) nennen können und die für die Leitung der Kirche unersetzlich sind, kommen von ihm (vgl. Apg20,28). Aufgrund der von Jesus gemachten und von den Aposteln überlieferten Offenbarung bekennt das Glaubensbekenntnis den Glauben an den Heiligen Geist, von dem es sagt, daß er „Herr“ ist, wie das Wort Herr ist, das Fleisch angenommen hat: „Du allein bist der Herr ... mit dem Heiligen Geist“. Und es fügt an, daß der Geist das Leben gibt. Nur Gott kann dem Menschen das Leben geben. Der Heilige Geist ist Gott. Diese Glaubenswahrheit wurde im nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis formuliert, da sie als von Gott durch Jesus Christus geoffenbarte Wahrheit galt, die von den Aposteln und den Kirchenvätern gelehrt worden war. Nach der Lehre der Väter bedeutete eine Leugnung der Gottheit des Heiligen Geistes, daß die Erhebung des Menschen zur Teilhabe am göttlichen Leben ausgeschlossen wird, die nach dem Evangelium Werk des Heiligen Geistes ist. Nur der, der selber Gott ist, kann die Teilhabe am göttlichen Leben wirken. Es bleibt hinzuzufügen, daß der Glaube an den Heiligen Geist als göttliche Person wiederholt vom Lehramt der Kirche feierlich bestätigt wurde. Mit tiefer Dankbarkeit nimmt die Kirche die prophetischen Schriften als ein wertvolles Geschenk des Heiligen Geistes an, der sich von den Anfängen der Heilsgeschichte an als gegenwärtig und tätig erwiesen hat. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher deutscher Sprache sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt den verschiedenen katholischen Militärgemeinden der Bundesrepublik Deutschland. Der Dienst in der Bundeswehr bringt eine große Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft mit sich. Euch ist der Gebrauch von Defensivwaffen und Material von großer Bedeutung für euer Land anvertraut. Es ist eine entscheidende Erfahrung für euer Leben, die ihr in dieser Zeit macht. Eure Persönlichkeit wird bereichert werden durch Grundsätze, die sich an der Wahrheit über den Menschen, über seine Bestimmung und seine Sendung orientieren. Euch allen, den deutschsprachigen Pilgern, sowie den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 203 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Zeugnis des Priesters Jerzey Popieluszko Geistlicher Besuch in Jasna Göra 1. Mutter von Jasna Göra, in diesen ersten Novembertagen laden wir dich in alle polnischen Friedhöfe ein. Dorthin, wohin wir selbst gingen, um an den Gräbern unserer Nächsten zu verweilen. Sei dort mit uns. Sei mit uns, Mutter des gekreuzigten und auferstandenen Christus, des „Erstgeborenen der Toten“ (Kol 1,18). Sei mit uns an den Stätten, wo die Gräber Geschichtsepochen kennzeichnen, wo der Verstorbenen voll Verehrung und Dankbarkeit gedacht wird. Sei mit uns auch an so vielen anderen Orten, wo die Geschichte des Vaterlandes von unbekannten Soldaten, von unbekannten Märtyrern und Zeugen der Wahrheit geschrieben wurde. Sei mit uns auf allen Friedhöfen Polens. Sei überall dort, wo fremde Erde unsere Landsleute und unsere Nachbarn verschluckt hat, ohne daß dem Verstorbenen ein gebührendes Grab zuteil wurde. Viele dieser Orte sind uns noch unbekannt, aber du kennst sie. Von ihnen weiß dein Sohn, der gute Hirt, der jeden wiederfinden und begleiten, jeden mit seinem Kreuzesopfer in der Eucharistie umfangen will. Er, der Sohn Gottes, der durch seinen Tod den menschlichen Tod besiegt hat. 2. Mutter Christi, sei mit uns an den Gräbern unserer Eltern, Brüder und Schwestern, unserer Lehrer und Wohltäter. Sei mit uns am Grab des Priesters Jerzey Popieluszko, der gleichsam zum Schlußstein wurde für alle, die ihr Leben für die Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit hingegeben haben. Wir denken heute vor dir, Mutter von Jasna Gora, an die Worte dieses Priesters: „Um geistig ein freier Mensch zu bleiben, muß man in der Wahrheit leben. Das Leben in der Wahrheit bedeutet, nach außen hin Zeugnis zu geben; es heißt, die Wahrheit zu erkennen und sie in jeder Lage einzufordern. Die Wahrheit ist unveränderlich. Die Wahrheit kann nicht zerstört werden durch die eine oder andere Entscheidung, durch das eine oder andere Gesetz“ (31.10. 1982). „Wir müssen das Leben in der Wahrheit an die erste Stelle setzen, wenn wir nicht wollen, daß unser Gewissen verschimmelt“ (27. 2. 1983). Mögen in den Tagen des Totengedenkens das Zeugnis all derer zu uns sprechen, die gestorben sind, all derer, die ihr Leben hingegeben haben. Möge das Zeugnis dieses Priesters zu uns sprechen, das immer aktuell bleibt, das nicht nur gestern gültig war, sondern es auch heute ist. Heute vielleicht noch mehr. <99> <99> Möge sein Glaube zu uns sprechen. „Das Zeichen der Schmach und der Erniedrigung ist durch den Tod und die Auferstehung Christi Zeichen des Mutes, der Unerschrockenheit, der Hilfe und Brüderlichkeit geworden. Im Zeichen des Kreuzes fassen wir heute all das zusammen, was es im Menschen an Schönstem und Kostbarstem gibt. Durch das Kreuz gelangt man zur Auferstehung. Einen anderen Weg gibt es nicht.“ Unsere Liebe Frau von Jasna Göra! Sei mit uns in diesen Novembertagen. Lehre uns, daß der Gedenktag aller Verstorbenen mit dem Fest Allerheiligen verbunden ist. Das Fortgehen durch 204 AUDIENZEN UND ANGELUS den Tod ist der Eingang zum Geheimnis des Lebens. Es ist das Leben in Gott in der Gemeinschaft der Heiligen. Erinnere uns an die Wahrheit über die Heiligkeit des Lebens. Jeden Menschenlebens. „Selig die Toten, die im Herrn sterben“ (Offb 14,13). „Ihre Hoffnung ist voll Unsterblichkeit“ {Offb 3,4). Bergpredigt: ein Lebensprogramm Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November Liebe Schwestern und Brüder! 1. Die Heiligen, deren „Verdienste und Herrlichkeit“ wir heute „an einem einzigen Fest“ (vgl. Tagesgebet) gedenken, sind diejenigen, die die Verkündigung der Seligpreisungen zum Lebensprogramm gemacht haben. Sie haben an das göttliche Wort und seine Verheißung geglaubt und darauf vertraut, daß sie ihre Hoffnung nicht enttäuschen würde. Sie haben verstanden, daß die Seligpreisungen des Evangeliums die ganze Wirklichkeit der göttlichen Gaben zum Ausdruck bringen, die dem Menschen durch das Geheimnis der Erlösung ange-boten werden. Mit der Bergpredigt hat der Sohn des lebendigen Gottes unsere Versöhnung angekündigt, denn gerade in ihm und nur in ihm konnte die ewige Liebe des Vaters volle Erfüllung finden. 2. Das Wort „selig“ bedeutet auch ein Lebensprogramm und ist ein Zeichen dafür, daß Gott jedem Menschen nahe ist, der in der Welt leidet und in der eigenen Geschichte das Geheimnis des Kreuzes Christi lebt. Die Heiligen verstanden es, in der Armut und Bedrängnis, in der Milde und Barmherzigkeit, im äußersten Bedürfnis nach Gerechtigkeit und in der Reinheit des Herzens eine besondere Gegenwart Christi zu sehen. Von diesen Umständen, die in gewisser Weise ebenso viele Kapitel des Lebens Jesu bedeuten, haben die Heiligen sich belehren lassen in der Überzeugung, daß die Seligpreisungen all jene betreffen, die Jünger des Herrn sein wollen. <100> <100> Zu denselben Überlegungen führt uns das Gedächtnis der Verstorbenen. Wir gedenken unserer Toten in der Liebe, die wir ihnen durch die Bande des Blutes, der Freundschaft oder Dankbarkeit schulden. Ihr Übergang zum ewigen Leben zerstört die hier auf Erden geknüpften Bande nicht, sondern erhebt sie in die Gemeinschaft mit Gott. Wir denken an ihre Tugenden und ihr Beispiel und beten für sie. Wir gedenken insbesondere all jener, die in diesen Tagen durch Krankheit, Krieg und Unglücksfälle auf der Straße und am Arbeitsplatz gestorben sind. Mit euch allen, besonders mit den römischen Gläubigen will ich heute Abend am „Verano“-Friedhof zur Eucharistiefeier Zusammentreffen. 205 AUDIENZEN UND ANGELUS Jetzt lade ich euch ein, den „Engel des Herrn“ zu beten, die tägliche Verkündigung der Seligpreisung, die uns der Mutter der Heiligen näherbringt, ihr, die im Evangelium „selig“ genannt wird, weil sie geglaubt hat. Berufen zur Heiligkeit Angelus am 4. November Liebe Schwestern und Brüder! Wir haben vor kurzem in der Petersbasilika die Seligsprechung von vier Ordensfrauen - zwei Französinnen und zwei Italienerinnen - beendet; ihre Namen sind: Marthe Aimee Le Bouteiller, Louise Therese de Montaignac de Chauvance, Elisabetta Vendramini und Maria Schininä. Sie wurden zur Ehre der Altäre erhoben, damit sie Vorbild für die ganze Kirche seien. Ihre Gestalten, die wir an der Fassade der Basilika abgebildet sehen, und ihre geistliche Botschaft sind in der Tat für alle Christen ein Ansporn, sich noch mehr auf dem Weg der evangelischen Vollkommenheit und der Heiligung anzustrengen. Dieser Anspruch ruft einen erhellenden Text des Zweiten Vatikanischen Konzils in Erinnerung, wo bekräftigt wird, „daß alle Christgläubigen jeglichen Standes oder Ranges zur Fülle des christlichen Lebens und zur vollkommenen Liebe berufen sind“ (Lumen Gentium, Nr. 40). Durch die Proklamierung von neuen Seligen will die Kirche das Bewußtsein stärken, daß alle Glieder des Volkes Gottes bemfen sind, nach der Heiligkeit zu streben, sowohl die Ordensleute als auch die Laien. Die neuen Seligen haben sich deshalb auf der Suche nach der eigenen Heiligung nicht dem Nächsten entfremdet, sondern es verstanden, Tag für Tag die Gegenwart Gottes in allen Menschen, die ihnen begegneten, und in jedem kleinen oder großen Ereignis zu entdecken. Für sie bedeutete die Selbsthingabe an Gott in ihrer religiösen Gemeinschaft nicht eine Flucht aus der Welt, sondern eine Quelle geistlicher Kraft, die sie empfänglicher für die Bedürfnisse der Brüder und Schwestern machte, besonders wenn diese arm, krank, verlassen, ausgestoßen oder an den Rand der Gesellschaft gedrängt waren. Ihr glühender apostolischer Eifer, der ihr Leben und Werk so tief gekennzeichnet hat, findet jetzt deutliche Fortsetzung in der verdienstvollen Tätigkeit der Ordensfrauen, die sich an dem Charisma inspirieren, das ihre heute seliggesprochenen Gründerinnen hinterlassen haben. Diesen auf dem Petersplatz so zahlreich versammelten Ordensfrauen gelten meine Glückwünsche und meine lebhafte Hochschätzung für das Werk, das sie vollbringen. Richten wir jetzt unser Gebet an die Jungfrau, damit sie durch ihre Fürsprache in unseren Herzen den starken Wunsch entzünde, die Heiligkeit zu erlangen zur Ehre der Heiligsten Dreifaltigkeit und zum Wohl der Menschen. 206 AUDIENZEN UND ANGELUS Der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht Ansprache bei der Generalaudienz am 7. November 1. Wenn wir unseren Glauben „an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht“, bekennen, setzen wir hinzu: „der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht.“ Bekanntlich wurden diese Worte dem nizänischen Glaubensbekenntnis hinzugefügt, wo es nur hieß „Wir glauben an den Heiligen Geist“ (vgl. DS, 125). Bereits beim Konzil von Konstantinopel (381) wurde die Erklärung beigefügt, daß der Heilige Geist „aus dem Vater hervorgeht“ (vgl. DS, 150), so daß wir vom nizäno-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis sprechen. Die konziliare Formel von 381 lautete: „Ich glaube an den Heiligen Geist, der vom Vater ausgeht.“ Die vervollständigte Formel „der vom Vater und vom Sohn ausgeht“ (qui a pa-tre Filioque procedit), bereits in alten Texten vorhanden und von der Aachener Synode im Jahr 809 wieder vorgeschlagen, wurde schließlich auch in Rom anläßlich der Krönung Kaiser Heinrichs II. eingeführt. Sie verbreitete sich von da an im ganzen Westen und wurde von den Griechen und den Lateinern bei den ökumenischen Konzilien von Lyon (II, 1274) und Florenz (1439) angenommen (vgl. DS, 150, Nota introductoriä). Es war eine Klarstellung, die nichts an der althergebrachten Glaubenssubstanz änderte, die aber die römischen Päpste selbst nicht zulassen wollten aus Ehrfurcht gegenüber der alten Formel, die bereits überall verbreitet und auch in der Petersbasilika verwendet wurde. Die Einführung des Zusatzes, der ohne große Schwierigkeiten im Westen aufgenommen wurde, stieß auf Zurückhaltung und Widerspruch unter unseren Brüdern des Ostens, die denen des Westens eine wesentliche Änderung bezüglich des Glaubens vorhielten. Heute können wir dem Herrn dafür danken, daß auch in diesem Punkt im Osten und im Westen die wahre Bedeutung der Formel und die Relativität der Frage selbst geklärt wird. Hier müssen wir uns aber jetzt mit dem Ursprung des Heiligen Geistes befassen, indem wir auch die Frage des „Filioque“ berücksichtigen. <101> <102> <103> <101> In der Heiligen Schrift wird vor allem auf das Hervorgehen des Heiligen Geistes aus dem Vater hingewiesen. Im Evangelium nach Matthäus zum Beispiel bestärkt Jesus, als er die Zwölf zum ersten Mal aussendet, sie mit folgenden Worten: „Macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt... Nicht ihr werdet dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden“ (Mt 10,19-20). Im Evangelium nach Johannes bekräftigt Jesus dann: „Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis für mich ablegen“ (Joh 15,26). Diese Worte Jesu beziehen sich - nach vielen Exegeten - direkt auf die zeitliche Sendung des Geistes von seiten des Vaters. Es ist jedoch berechtigt, in ihnen den Widerschein des ewigen Hervorgehens und damit die Herkunft des Heiligen Geistes aus dem Vater zu sehen. Weil es sich um Gott handelt, muß das Wort „Herkunft“ offensichtlich von jedem Bezug geschaffener und zeitlicher Ordnung befreit werden: das heißt, auszuschließen ist im aktiven Sinn die Mitteilung der Existenz an jemanden und damit die Priorität und die Superiorität über ihn und im passiven Sinn der Übergang vom Nichtsein zum Sein durch einen anderen und damit das Nachherkommen und die Abhängigkeit von ihm. In Gott ist alles ewig, außer- 207 AUDIENZEN UND ANGELUS halb der Zeit: Der Ursprung des Heiligen Geistes - wie der des Sohnes - im Geheimnis der Dreifaltigkeit, in dem die drei göttlichen Personen eines Wesens sind, ist deshalb ewig. Es ist ein „Hervorgehen“ geistlichen Ursprungs, wie es bei dem wenn auch unvollkommen vergleichbaren „Hervorkommen“ des Denkens und Liebens geschieht, die im Herzen mit dem Geist verbunden bleiben, aus dem sie erwachsen. „Und in diesem Sinn erlaubt der katholische Glaube das Hervorgehen in Gott“, schreibt der hl. Thomas (Summa Theologiae, I, q.27, a.l; aa.3-4). 3. Was das Hervorgehen und den Ursprung des Heiligen Geistes aus dem Sohn betrifft, so sprechen die Texte des Neuen Testamentes zwar nicht offen davon, heben jedoch die engen Beziehungen zwischen dem Geist und dem Sohn hervor. Die Sendung des Heiligen Geistes zu den Gläubigen ist nicht nur Werk des Vaters, sondern auch des Sohnes. In der Tat, nachdem Jesus im Abendmahlssaal gesagt hatte: „Der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird“ (Joh 14,26), fügt er hinzu: „Gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden“ (16,7). Andere Stellen des Evangeliums bringen die Beziehung zwischen dem Geist und der vom Sohn ausgeführten Offenbarung zum Ausdruck, wie dort, wo Jesus sagt: „Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden. Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden“ (Joh 16,14-15). Nach der Auferstehung findet diese Ankündigung ihre Verwirklichung, als Jesus „bei verschlossenen Türen“ in den Raum eintritt, in dem sich die Apostel aus Furcht vor den Juden versteckt hatten, sie „anhaucht“ und zu ihnen spricht: „Empfangt den Heiligen Geist“ (Joh 20,22). 4. Neben diesen Stellen des Evangeliums, die die wichtigsten für unsere Frage sind, gibt es andere im Neuen Testament, die zeigen, daß der Heilige Geist nicht nur der Geist des Vaters, sondern auch der Geist des Sohnes, der Geist Christi ist. So lesen wir in dem Brief an die Galater, daß „Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz sandte, den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (4,6). In anderen Texten spricht der Apostel vom „Geist Jesu Christi“ (Phil 1,19), vom „Geist Christi“ (Rom 8,9) und bekräftigt, daß das, was Christus durch ihn (den Apostel) wirkt, „in der Kraft des Geistes“ (Röm 15,19) geschieht. Es fehlt nicht an weiteren ähnlichen Texten wie diesen (vgl. Röm 8,2; 2 Kor3,17f; 1 Petr 1,11). <104> <105> <106> <104> Tatsächlich war die Frage des „Ursprungs“ des Heiligen Geistes im dreifältigen Leben des einigen Gottes Gegenstand einer langen und vielfältigen theologischen Reflexion, gegründet auf die Heilige Schrift. Im Westen lieferten der heilige Ambrosius in seinem De Spiritu Sanc-to und der heilige Augustinus in dem Werk De Trinitate einen wichtigen Beitrag zur Klärung dieses Problems. Der Versuch, tiefer in das Geheimnis des inneren Lebens des dreifältigen Gottes einzudringen, vollbracht von diesen und anderen griechischen und lateinischen Kirchenvätern und -lehrem (angefangen von Hilarius, Basilius, Dionysius, Johannes von Damaskus), hat gewiß den Boden vorbereitet für die Einführung jener Formel über den Heiligen Geist, „der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht“. Die Brüder des Ostens jedoch hielten sich an die reine und einfache Formel des Konzils von Konstantinopel (381), um so 208 AUDIENZEN UND ANGELUS mehr als das Konzil von Chalkedon (451) ihren „ökumenischen“ Charakter bekräftigt hatte (obwohl in der Tat beinahe ausschließlich Bischöfe des Ostens daran teilgenommen hatten). So wurde das westliche und lateinische „Filioque“ in den folgenden Jahrhunderten Anlaß zum Schisma, durch Photios im Jahr 882 bewirkt, jedoch vollzogen und ausgedehnt fast auf den ganzen christlichen Orient im Jahr 1054. Die von Rom getrennten orientalischen Kirchen bekennen heute noch den Glauben „an den Heiligen Geist, der aus dem Vater hervorgeht“, ohne das „Filioque“ zu erwähnen, während wir im Westen ausdrücklich sagen, daß der Heilige Geist „aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht“. 6. Dieser Lehre mangelt es nicht an genauen Hinweisen bei den großen Kirchenvätern und -lehrern des Ostens (Ephräm, Athanasius, Basilius, Epiphanius, Kyrill von Alexandrien, Maximus, Johannes von Damaskus) und des Westens (Tertullian, Hilarius, Ambrosius, Augustinus). Den Vätern folgend, gab der heilige Thomas eine genaue Erklärung der Formel aufgrund des Prinzips der Einheit und Gleichheit der göttlichen Personen in den trinitarischen Beziehungen (vgl. Summa TheologiaeJ, q.36, aa.2-4). 7. Nach dem Schisma versuchten verschiedene Konzilien im 2. Jahrtausend die Einheit zwischen Rom und Konstantinopel wiederherzustellen. Die Frage des Hervorgehens des Heiligen Geistes aus dem Vater und dem Sohn war Gegenstand von Klärungen besonders bei den Konzilien Lateran IV (1215), Lyon II (1274) und schließlich beim Konzil von Florenz (1439). Bei diesem letztgenannten Konzil finden wir eine Klarstellung, die den Wert einer geschichtlichen Bestandsaufnahme und gleichzeitig einer Lehraussage hat: „Die Lateiner bekräftigen, daß sie, wenn sie sagen, daß der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, nicht ausschließen wollen, daß der Vater die Quelle und der Anfang der ganzen Gottheit, das heißt des Sohnes und des Heiligen Geistes ist; ebensowenig wollen sie verneinen, daß der Sohn vom Vater (den Umstand) hat, daß der Heilige Geist aus dem Sohn hervorgeht; sie meinen auch nicht, daß es zwei Anfänge oder ein zweifaches Hauchen gibt, sondern sie bekräftigen, daß es einen einzigen Anfang und ein einziges Hauchen des Heiligen Geistes gibt, wie sie bisher versichert haben“ (vgl. Concilioium Oecumenicorum Decreta, Bologna 1973, S. 526). Es war das Echo der lateinischen Tradition, das der heilige Thomas theologisch gut festgelegt hat (vgl. Summa Theologiae, I, q.36, a.3), indem er sich auf einen Text des heiligen Augustinus bezog, nach dem „Pater et Filius sunt unum principium Spiritus Sancti“ (De Tiinitate, V, 14: PL 42, 921). <107> <107> Die Schwierigkeiten in der Terminologie scheinen so überwunden und die Begriffe geklärt, so daß beide Seiten - Griechen und Lateiner - in der VI. Sitzung am 6. Juli 1439 die gemeinsame Definition unterschreiben konnten: „Im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, und mit der Approbation dieser heiligen und universalen Kirchenversammlung von Florenz legen wir fest, daß diese Glaubenswahrheit von allen Christen geglaubt und angenommen wird und deshalb alle bekennen, daß der Heilige Geist ewig vom Vater und vom Sohn ist, daß er sein Wesen und sein subsistierendes Sein zugleich vom Vater und vom Sohn hat und daß er ewig aus dem einen und dem andern hervorgeht wie aus einem einzigen Anfang und aus einem einzigen Hauchen“ (DS, 1300.) 209 AUDIENZEN UND ANGELUS Und hier eine weitere nähere Bestimmung, der bereits der heilige Thomas einen Artikel der Summa gewidmet hatte („Utrum Spiritus Sanctus procedat a Patre per Filium“: I, q.36, a.3). Bei dem Konzil ist zu lesen: „Wir erklären, daß das, was die heiligen Lehrer und Väter bekräftigen - das heißt, daß der Heilige Geist aus dem Vater durch den Sohn hervorgeht zu verstehen geben und bedeuten will, daß auch der Sohn wie der Vater nach den Griechen Ursache und nach den Lateinern Anfang der Subsistenz des Heiligen Geistes ist. Und deshalb hat der Vater selbst alle Dinge, die vom Vater sind, dem Sohn durch die Zeugung gegeben, ausgenommen das Vatersein: dieses Hervorgehen des Heiligen Geistes selbst aus dem Sohn hat der Sohn selbst vom Vater von Ewigkeit her, von dem er auch von Ewigkeit her gezeugt worden ist“ (DS, 1301). 9. Auch heute bleibt dieser Konzilstext eine nützliche Grundlage für den Dialog und die Übereinstimmung zwischen den Brüdern des Ostens und des Westens, um so mehr als die von beiden Seiten unterschriebene Definition mit der folgenden Erklärung endete: „Wir setzen fest..., daß die mit dem Wort „Filioque“ gegebene Erklärung mit Erlaubnis und Vernunft dem Glaubensbekenntnis hinzugefügt wurde, um die Wahrheit klarer herauszustellen und aufgrund der damals dringenden Notwendigkeit“ (DS, 1302). Nach dem Konzil von Florenz bekannte man im Westen weiterhin, daß der Heilige Geist „aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht“, während man im Osten die ursprüngliche Konzilsformel von Konstantinopel beibehielt. Aber seit dem II. Vatikanischen Konzil hat sich ein nutzbringender ökumenischer Dialog entwickelt, der scheinbar zu dem Ergebnis geführt hat, daß die Formel „Filioque“ kein wesentliches Hindernis mehr darstellt für den Dialog selbst und seine Entwicklungen, die wir alle wünschen und vom Heiligen Geist erflehen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Wenn wir unseren Glauben an den „Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht“, bekennen, fügen wir an: „der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht“. Bekanntlich wurden diese Worte erst nachträglich in das nizänische Glaubensbekenntnis eingefügt, wo es heißt: „Wir glauben an den Heiligen Geist“. Diese Ergänzung wurde ohne große Schwierigkeiten in der westlichen Kirche akzeptiert, hat aber Vorbehalte von seiten unserer Brüder im Osten hervorgerufen. Heute können wir dem Herrn danken, daß über diesen Punkt auch in der Ostkirche eine Klärung herbeigeführt worden ist. In der Heiligen Schrift wird vor allem auf das Hervorgehen des Heiligen Geistes vom Vater hingewiesen. Was den Ursprung des Heiligen Geistes vom Sohn betrifft, so erwähnen dies die neutestamentlichen Texte nicht direkt, aber sie betonen die sehr enge Beziehung zwischen dem Geist und dem Sohn. Die Herabsendung des Heiligen Geistes auf die Gläubigen ist nicht nur Werk des Vaters, sondern auch des Sohnes. In der Tat, nachdem Jesus im Abendmahlssaal gesagt hat: „Der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird“ (Joh 14,26), fügt er an: „Wenn ich fortgegangen bin, werde ich ihn zu euch senden“ (16,7). Bedauerlicherweise führte das im westlichen und lateinischen Ritus gebräuchliche „Filioque“ mit der endgültigen Abtrennung des christlichen Ostens von Rom zum Schisma des Jahres 1054. 210 AUDIENZEN UND ANGELUS Erst seit dem II. Vatikanischen Konzil entwickelte sich ein nutzbringender ökumenischer Dialog, der zu dem Ergebnis geführt zu haben scheint, daß das „Filioque“ kein wesentliches Hindernis mehr darstellt für den Dialog selbst und die daraus resultierenden Entwicklungen, die wir alle wünschen und vom Heiligen Geist erflehen. Mit dieser Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Mein besonderer Gruß gilt einer großen Pilgergruppe der Ferien- und Freizeitorganisation Frankfurt sowie den Teilnehmern an der Romwallfahrt der Katholischen Seelsorge für Pflegeberufe. Euer Dienst an den Mitmenschen, den ihr mit großer Hingabe verrichtet, ist gekennzeichnet durch ein Menschenbild, das zutiefst ethische und transzendentale Aspekte des Lebens beinhaltet. Aus eurem persönlichen Glauben heraus werdet ihr die Kraft finden, den Menschen, die eurer Hilfe bedürfen, noch umfassender beizustehen. Außerdem grüße ich die Mitglieder des Belgischen Bauernbundes. In diesem Jahr feiert ihr euer hundertjähriges Bestehen. Eure Bewegung erfüllt ihre wichtige Aufgabe zum Wohl der ländlichen Bevölkerung in Treue zur Kirche. Zu diesem großen Jubiläum gratuliere ich dem Belgischen Bauernverband aufrichtig und bitte Gott, daß er seine Zukunft segne. Euch allen, den deutschsprachigen Pilgern, sowie euren lieben Angehörigen in der Heimat und den mit uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Wahrheit wird befreien Geistlicher Besuch in Jasna Göra 1. „Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,32). Unsere Liebe Frau von Jasna Göra! Heute möchte ich mit meiner ganzen Nation diese Worte Jesu Christi in Erinnerung rufen. Ich möchte mit allen Töchtern und Söhnen unseres Vaterlandes über sie nachdenken, während der 11. November näherrückt, der Jahrestag der Wiedererlangung der Unabhängigkeit von 1918. Gerade dieser entscheidende Tag erhält die Fülle seiner Bedeutung im Licht der Worte Christi über die Freiheit: „Die Wahrheit wird euch befreien.“ Wie kam es zu dem Zusammenbrach des Vaterlandes im 18. Jahrhundert? Gewiß gab es viele Ursachen, die von außen Druck ausübten, aber der Eroberungsdurst der Nachbarn hat sich gleichzeitig die moralische Schwäche unserer Vorfahren zu Nutzen gemacht. Die Freiheitsliebe entartete und wurde mißbraucht. Jene, die uns der Freiheit berauben wollten, wollten dies ihren Worten nach tun, um den Schatz zu verteidigen, der die „goldene Freiheit“ der Adeligen (und ihr Juwel, das „liberum veto“) ist. Der große erneuernde Aufbruch der Verfassung vom 3. Mai wurde durch die Konföderation von Targowica erstickt. Die „goldene Freiheit“ wurde zum Grab der Freiheit - zum Beginn der Knechtschaft. <108> <108> Am 11. November betrachten wir vor dir, Mutter von Jasna Göra, die Wahrheit über die Freiheit. Sie wurde dem Menschen vom Schöpfer geschenkt und zugleich aufgetragen. Sie wurde als Zeichen der Würde der Person und aller menschlichen Gemeinschaften gegeben. Sie wurde als Mühe gegeben. 211 AUDIENZEN UND ANGELUS Alle Generationen haben diese Mühe der Freiheit erfahren, dieser Freiheit, die vorhergegangene Generationen mißbraucht haben. Der 11. November wurde der Höhepunkt des großen geschichtlichen Prozesses. Dieser Tag hat so viele Opfer gekostet, die wir heute nicht vergessen können. Er wurde eine reife Frucht geistlicher Vervollkommnung und heroischer Opfer. Sie alle trugen in sich einen bestimmten Widerschein der Wahrheit Christi über die Freiheit. Man kann die Freiheit nicht nur besitzen und gebrauchen. Sie muß ständig durch die Wahrheit errungen werden. Die Freiheit birgt in sich die reife Verantwortung der menschlichen Gewissen, die das Ergebnis dieser Wahrheit ist. Sie kann recht oder schlecht, zugunsten des wahren Wohls oder des falschen und scheinbaren Wohls benutzt werden. Unter dem Schein der „goldenen Freiheit“ sind Kräfte am Werk, die versklaven, die Kräfte, die im Menschen selbst sind und jene, die von außen kommen. 3. Mutter unserer verworrenen Geschichte, wir möchten am Unabhängigkeitstag voll Verehrung und Dankbarkeit all derer gedenken, die ihr Leben für die Freiheit Polens hingegeben haben. Wir besuchen die Gräber der Helden, die Gräber der unbekannten Soldaten. Wir stehen still in der Königsgruft im Wawel. Wir vergessen keinen dieser Großen, die dem Gemeinwohl des Vaterlandes gedient haben. „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien.“ Unsere Liebe Frau von Jasna Göra! Steht nicht dieser Tag heute vor uns wie der Anfang einer neuen Verpflichtung? Der Herr der Geschichte der Nationen gibt uns von neuem unsere Freiheit, das heißt einen Auftrag - nicht um ihn abzunutzen, zu verschwenden, sondern um daraus die Wahrheit des Gemeinwohls zu machen. Mutter, hilf uns, daß wir imstande sind, es zu tun! Unsere Welt heute ist von einer verzerrten Auffassung von Freiheit durchdrungen - und es fehlen nicht jene, die eben diese Freiheit proklamieren. Auch wir sind bedroht... Am Jahrestag der Wiedererlangung der Freiheit bitte ich dich, Mutter, daß meine Nation sie gut zu nutzen weiß. Daß sie sie in der Wahrheit der Vernunft gebraucht, die das Gute Gutes und das Böse Böses nennt. Mutter unserer Geschichte, hilf uns, daß wir imstande sind, all das zu verwirklichen! 212 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Heilige Geist - Band der Einheit zwischen Vater und Sohn Generalaudienz am 14. November 1. Heute wollen wir die Katechese beginnen, indem wir eine bereits zuvor gemachte Feststellung über den einen Gott wiederholen, den uns der christliche Glaube als göttliche Dreifaltigkeit zu erkennen und anzubeten lehrt. „Die gegenseitige Liebe des Vaters und des Sohnes geht in ihnen und aus ihnen als Person hervor: Vater und Sohn 'atmen’ den ihnen wesensgleichen Geist der Liebe.“ Von Anfang an herrscht in der Kirche die Überzeugung, daß der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn als Liebe hervorgeht. Die Wurzeln der Tradition bei den Kirchenvätern und -lehrem finden sich im Neuen Testament, vor allem in den Worten des ersten Johannesbriefes: „Gott ist die Liebe“ (J Joh 4,8). 2. Diese Worte betreffen das Wesen Gottes selbst, in dem die drei Personen eine einzige Substanz bilden, und alle drei sind gleichermaßen Liebe, das heißt Wille zum Guten, innere Zuneigung zum Gegenstand der Liebe, innerhalb und außerhalb des trinitarischen Lebens. Aber der Augenblick ist gekommen, mit Thomas von Aquin festzustellen, daß unsere Sprache arm ist an Worten, die den Willensakt ausdriicken, den der Liebende dem Geliebten ent-gegenbringt. Das hängt von der Innerlichkeit der Liebe ab, die, ausgehend vom Willen oder vom Herzen, nicht so klar und bewußt ist, wie es der Prozeß der Idee des Verstandes ist. Daher kommt, daß es im Bereich des Willens und des Herzens nicht so geschieht wie im Bereich des Verstandes, wo wir über verschiedene Worte verfügen, um einerseits das Verhältnis zwischen dem Erkennenden und dem erkannten Gegenstand (verstehen, erfassen) und anderseits die Emanation der Idee aus dem Verstand im Akt des Erkennens (das Wort oder Verb sagen, als Wort aus dem Verstand hervorgehen) auszudrücken. Sicher ist, daß „dadurch, daß einer etwas liebt, in ihm, in seiner Zuneigung ein sogenannter Eindruck vom geliebten Gegenstand zurückbleibt, durch den der Geliebte im Liebenden ist, wie das Erkannte in dem ist, der es kennt. Wenn darum einer sich selbst kennt und liebt, ist er in sich selbst nicht nur, weil er sich selbst gleich ist, sondern auch weil er Gegenstand der eigenen Erkenntnis und der eigenen Liebe ist.“ Aber in der menschlichen Sprache „wurden keine anderen Worte geprägt, das Verhältnis zwischen der Zuneigung oder dem vom geliebten Gegenstand hervorgerufenen Eindruck und dem (inneren) Ursprung, von dem er ausgeht, oder umgekehrt, auszudrücken. Deshalb werden aufgrund der Wortarmut (propter vocabulorum inopiam) solche Beziehungen auch als Liebe, Zuneigung bezeichnet; Es ist, als ob man dem Wort die Bezeichnungen verstandesmäßiges Erkennen oder erzeugte Weisheit gäbe“. Daher die Schlußfolgerung des Doctor Angelicus: „Wenn man mit den Worten Liebe und Lieben [diligere] nur auf die Beziehung zwischen dem Liebenden und dem geliebten Gegenstand hinweisen will, beziehen sie sich [in der Dreifaltigkeit] auf das göttliche Sein so wie die anderen Worte: verstandesmäßiges Erkennen und Verstehen. Wenn wir hingegen die gleichen Worte verwenden, um die Beziehungen zwischen dem, was als Akt und Gegenstand der Liebe hervorkommt oder hervorgeht, und dem korrelativen Ursprung zu bezeichnen, so daß die Liebe gleichbedeutend mit der Liebe ist, die hervorgeht, und Lieben (diligere) gleichbe- 213 AUDIENZEN UND ANGELUS deuten mit dem Hauchen der hervorgehenden Liebe, dann ist Liebe der Name einer Person“, und das ist gerade der Heilige Geist (Summa Theologiae, I, q.37, a.l). 3. Die vom hl. Thomas durchgeführte Wortanalyse ist sehr nützlich, um ein ziemlich klares Wissen über den Heiligen Geist als Liebe und Person im Herzen der Dreifaltigkeit, die „die Liebe ist“, zu erlangen. Aber es muß gesagt werden, daß dem Heiligen Geist die Liebe als sein Eigenname in der Lehre der Kirchenväter zugeschrieben wird, aus denen der Doctor Angelicus selbst schöpft. Die Väter ihrerseits sind die Erben der Offenbarung Jesu und der Verkündigung der Apostel, die wir auch aus den anderen Texten des Neuen Testamentes kennen. So wendet sich Jesus im hohepriesterlichen Gebet an den Vater: „Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin“ (Joh 17,26). Es handelt sich um die Liebe, mit der der Vater den Sohn „vor der Erschaffung der Welt“ geliebt hat (Joh 17,24). Nach einigen jüngeren Exegeten weisen die Worte Jesu hier wenigstens indirekt auf den Heiligen Geist hin, auf die Liebe, mit der der Vater den Sohn ewig liebt und von ihm ewig geliebt wird. Aber schon der heilige Thomas hatte einen Text des heiligen Augustinus über die gegenseitige Liebe des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist genau untersucht (vgl. De Trinitate, VI,5; XIV: PL 43,928,1065), einen Text, der von anderen Scholastikern aufgrund des Ablativs diskutiert wurde, mit dem er in die mittelalterliche Theologie übergegangen war: „Utram Pater et Filius diligant se Spiritu Sancto“, und er hatte seine Schrift- und Lehranalyse mit der folgenden schönen Erklärung abgeschlossen: „In derselben Weise, in der wir sagen, daß der Baum durch die Blüten blüht, sagen wir, daß der Vater sich selbst und die Schöpfung im Wort oder Sohn sagt, und daß der Vater und der Sohn sich und uns im Heiligen Geist, das heißt in der hervorgehenden Liebe lieben“ (Summa Theologiae, I, q.37, a.2). In der gleichen Abschiedsrede kündigt Jesus an, daß der Vater den Aposteln (und der Kirche) den „Beistand, den Geist der Wahrheit“ (vgl. Joh 14,16-17) senden wird und daß auch er, der Sohn, ihn senden wird (vgl. Joh 16,17), damit er immer „bei euch bleibt und in euch sein wird“ (Joh 14,16-17). Die Apostel empfangen deshalb den Heiligen Geist als die Liebe, die den Vater und den Sohn verbindet. Durch diese Liebe werden der Vater und der Sohn „zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,23). 4. In derselben Perspektive ist ein anderer Abschnitt des hohepriesterlichen Gebets zu erwägen, als Jesus den Vater um Einheit für seine Jünger bittet: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Wenn die Jünger „auch in uns sein“ sollen, das heißt im Vater und im Sohn, so kann das nur durch den Heiligen Geist geschehen, dessen Kommen und Bleiben in den Jüngern gleichzeitig von Christus angekündigt wird: Er „bleibt bei euch und wird in euch sein“ (vgl. Joh 14,17). <109> <110> <111> <109> Diese Ankündigung wurde in der Urkirche vernommen und verstanden, wie außer dem Johannesevangelium der Hinweis des heiligen Paulus über die Liebe Gottes beweist, die „ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Und das beweisen auch die Worte des heiligen Johannes in seinem ersten Brief: „Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollendet. Daran erkennen wir, 214 AUDIENZEN UND ANGELUS daß wir in ihm bleiben und er in uns bleibt: Er hat uns von seinem Geist gegeben“ (1 Joh 4,12-13). 6. Aus diesen Wurzeln hat sich die Tradition vom Heiligen Geist als Person und Liebe entwickelt. Die trinitarische Ökonomie der rettenden Heiligung hat den Kirchenvätern und -lehrer erlaubt, „einen Blick zu werfen“ auf das innerste Geheimnis des dreieinigen Gottes. So tat es der heilige Augustinus vor allem in dem Werk De Trinitate und trug entscheidend dazu bei, diese Lehre im Westen zu bekräftigen und zu verbreiten. Aus seinen Überlegungen entstand die Auffassung des Heiligen Geistes als wechselseitige Liebe und Band der Einheit zwischen dem Vater und dem Sohn in der Gemeinschaft der Dreifaltigkeit. Er schrieb: „Wie angemessen ist es, daß wir das einzige Wort Gottes Weisheit nennen, obwohl im allgemeinen der Heilige Geist und der Vater selbst Weisheit sind, erhält der Geist eigens den Namen Liebe, wenn auch der Vater und der Sohn im allgemeinen Sinn Liebe sind“ (De Trinitate, XV, 17,31: CC 50, 505). “Der Heilige Geist ist etwas dem Vater und Sohn Gemeinsames ... dieselbe wesensgleiche Gemeinschaft von Ewigkeit her ... Sie sind nicht mehr als drei: einer, der den liebt, der von ihm ist; einer, der den liebt, von dem er seinen Ursprung empfangt; und die Liebe selbst“ (De Trinitate, VI,5,7: CC 50, 295.236). 7. Dieselbe Lehre findet sich im Orient, wo die Väter vom Heiligen Geist als dem sprechen, der die Einheit des Vaters und des Sohnes und das Band der Dreifaltigkeit ist. So Kyrill von Alexandrien (gest. 444) und Epiphanios von Salamis (gest. 430) (vgl. Ancora-tus, 7: PC? 43, 28 B). Auf dieser Linie verharrten die orientalischen Theologen der nachfolgenden Epochen. Unter ihnen der Mönch Gregorius Palamas, Erzbischof von Thessaloniki (14. Jh.), der schreibt: „Der Geist des höchsten Wortes ist wie eine sichere Liebe des Vaters zum geheimnisvoll gezeugten Wort; und es ist dieselbe Liebe, die das geliebte Wort, der Sohn des Vaters, zu dem hegt, der ihn gezeugt hat“ (Capita Physica, 36: PG 150, 1144 D - 1145 A). Unter den jüngeren Autoren möchte ich gern Bulgakov zitieren: „Wenn Gott, der in der Heiligsten Dreifaltigkeit ist, Liebe ist, so ist der Heilige Geist die Liebe der Liebe“ (17 Paraclito, ital. Ausg. Bologna 1972, S. 121). <112> <112> Die Lehre des Ostens und des Westens sammelte Papst Leo XIH. aus der Tradition und faßte sie in seiner Enzyklika über den Heiligen Geist zusammen, wo man liest, daß der Heilige Geist „die göttliche Güte und die gegenseitige Liebe des Vaters und des Sohnes ist“ (vgl. DS 3326). Aber kehren wir zum Schluß noch einmal zu Augustinus zurück: Die Liebe ist von Gott, und sie ist Gott: sie ist dementsprechend der Heilige Geist, durch den sich die Liebe Gottes in unseren Herzen ausbreitet, indem er in uns die Dreifaltikgeit wohnen läßt ... Der Heilige Geist wird angemessenerweise Geschenk aus Liebe genannt“ (De Trinititate, XV,18,32: PL 42, 1082-1083). Weil er Liebe ist, ist der Heilige Geist Geschenk. Dies wird das Thema der nächsten Katechese sein. 215 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Die heutige Katechese möchten wir mit einer schon früher einmal gemachten Feststellung beginnen, als wir über den einen Gott sprachen, den uns der christliche Glaube als göttliche Dreifaltigkeit zu erkennen und anzubeten lehrt. „Die gegenseitige Liebe des Vaters und des Sohnes geht in ihnen und aus ihnen als Person hervor: Vater und Sohn ,atmen’ den ihnen wesensgleichen Geist der Liebe“. Von allem Anfang an herrscht in der Kirche die Überzeugung, daß der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn als Liebe hervorgeht. Die Wurzeln dieser Tradition bei den Kirchenvätern finden sich im Neuen Testament, vor allem im ersten Johannesbrief, wo es heißt: „Gott ist die Liebe“ (1 Job 4,8). Diese Worte betreffen das Wesen Gottes selbst, in dem die drei Personen eine Stubstanz bilden, alle drei sind gleichermaßen Liebe, Wille zum Guten, innere Zuneigung zum Gegenstand der Liebe, innerhalb wie außerhalb des trinitarischen Lebens. So wendet sich Jesus im Hohepriesterlichen Gebet an den Vater mit der Bitte um Einheit unter den Jüngern: „Alle sollen eins sein: wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ {Job 17,21). Wenn aber die Jünger „in uns eins sein“ sollen, also im Vater und im Sohn, so kann das nur geschehen durch das Wirken des Heiligen Geistes, dessen Kommen und Bleiben bei den Jüngern gleichzeitig von Jesus angekündigt ist: „Er bleibt bei euch und wird in euch sein“ {Joh 14,17). Mit dieser Betrachtung grüße ich alle Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern sehr herzlich. Ein besonderer Gruß gilt den Schülern der Klasse zehn der Staatlichen Wirtschaftsschule Weiden in der Oberpfalz, der Pilgergruppe aus der Pfarrgemeinde Oberammergau unter Teilnahme von Mitwirkenden der diesjährigen Passionsspiele sowie der Pilgergruppe aus der Internationalen Bildungszentrum Landschlacht. Außerdem grüße ich die Studiengruppe der Katholischen Akademie Hamburg. Das Bemühen der Akademie ist es, ein Forum zu bieten für den Dialog mit verschiedenen Gruppen in der heutigen Gesellschaft. So möge euer Studienaufenthalt in Rom euch anregende Gespräche schenken und euch Stärkung für euren Glauben sein. Schließlich gilt mein Gruß den Mitgliedern des Belgischen Bauernbundes, der in diesem Jahr sein hundertjähriges Bestehen feiern kann: Ich gratuliere euch zu diesem bedeutenden Jubiläum und wünsche, daß eure Bewegung auch weiterhin in treuer Verbundenheit zur Kirche ihre wichtige Aufgabe zum Besten der Landbevölkerung und im Dienst an der ganzen Gesellschaft erfüllt. Euch allen, den deutschsprachigen Pilgern wie euren lieben Angehörigen daheim erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 216 AUDIENZEN UND ANGELUS Zeugen der Veränderung in Osteuropa Geistlicher Besuch in Jasna Göra 1. Vor einem Jahr, am 12. November, fand in Rom eine besondere Heiligsprechung statt. Die Kirche schrieb Agnes von Prag, Tochter des tschechischen Volkes, und Bruder Albert (Adam) Chmielowski, unseren Landsmann, in das Verzeichnis der Heiligen ein. Die Petersbasilika war an jenem Tag so gefüllt wie selten von der Sprache und dem Gesang in unseren verwandten slawischen Sprachen. Dieser Tag und der ganze Monat November und dann auch der Dezember sind Jahrestage der geschichtlichen Wende, die sich zuerst in Polen vollzog. In jenen Tagen wurde sie Wirklichkeit in unseren Nachbarländern: nach Ungarn kamen Ostdeutschland, dann die Tschechoslowakei, später noch Rumänien und Bulgarien an die Reihe. In anderer Weise wurden auch die verschiedenen Nationen in Jugoslawien davon berührt. Aber wir sind vor allem Zeugen der Umwälzungen in Osteuropa, in den Nationen, die innerhalb der Grenzen der Sowjetunion liegen: die Baltenländer, Litauen, Lettland und Estland. Betroffen sind auch unsere slawischen Nachbarn: Weißrußland, die Ukraine und schließlich das große russische Volk selbst bis zu den südeuropäischen Grenzen, zum Kaukasus und Schwarzen Meer. 2. Herrin von Jasna Göra! Wenn die Menschen nach den Ursachen dieses Wandels fragen, kommen die Worte Christi im Gleichnis mit dem Sauerteig in den Sinn - dem Sauerteig, der das Mehl durchsäuert, damit es Brot werden kann: Speise für den Menschen. Dieser aus dem häuslichen Bereich genommene Vergleich besitzt viele Analogien zur menschlichen Dimension. Wir erinnern uns deshalb an die letzten Monate des vergangenen Jahres als den Beginn der großen Umwälzungen. Das Leben der Gesellschaft, die politischen Strukturen ändern sich. Die Nationen befreien sich von den totalitären Ketten, um neue Formen des Gemeinschaftslebens nach dem Recht der Personen und der menschlichen Gesellschaften zu schaffen. Überall sind wir zugleich Zeugen vielfältiger Schwierigkeiten, und wir erfahren es auch unter uns in Polen. Wie schwierig ist es, die Wahrheit der Solidarität in die Alltagsarbeit einzubrigen! Wie schwer ist es, unter den neuen Bedingungen die Dimension des wahren Gemeinwohls aufzubauen! <113> <113> Am Tag der Heiligsprechung habe ich zu unserem Bruder Albert gebetet, er möge der Schutzherr unserer Wende, unserer schwierigen Erneuerung sein. Heute wiederhole ich dieses Gebet vor dir, Mutter von Jasna Göra. Daß dieser Sauerteig des Evangeliums, dieses Ferment, die ganze große „Materie“ des Lebens der Gesellschaften um-wandle in das Brot der neuen menschlichen, christlichen, europäischen Reife. Und daß wir nicht den Mut verlieren in den Schwierigkeiten, daß wir nicht verzagen! Christus hat gesagt: „ Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen“ (Lk21,19). Möge uns selbst und auch all unseren Nachbarn und Brüdern dieses evangelische Maß der Geduld und zugleich Furchtlosigkeit und Hochherzigkeit gegeben werden, die „sammeln und nicht zerstreuen“ helfen (vgl. Lk 11,23). 217 AUDIENZEN UND ANGELUS Frieden für den Mittleren Osten schenken Angelus am 18. November Liebe Brüder und Schwestern! Heute möchte ich euch einladen, mit mir zum Herrn zu beten, daß er allen Völkern des Mittleren Ostens das Geschenk des Friedens gewähre. Einige von ihnen haben seit Jahren die schwere Last von Leiden und Ungerechtigkeiten zu ertragen, denen gegenüber niemand gleichgültig bleiben kann. In dieser Region kennen viele junge Generationen noch gar nicht das fundamentale Gut des Friedens; sie haben bisher nur die Gewalt mit ihren schlimmen Folgen; Schmerz, Unsicherheit und Angst, zu spüren bekommen. Ich denke in erster Linie an das Heilige Land, das dem Herzen jedes Christen so teuer ist. Bitten wir miteinander den Herrn, daß er den Verantwortlichen den wirklichen Willen zum Frieden eingebe, damit das palästinensische und das israelische Volk mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft den Frieden und die Sicherheit erlangen mögen, nach denen sie sich sehnen. Unsere Solidarität richtet sich sodann auf die Bevölkerung des Libanon, die vor kurzem noch vom Krieg heimgesucht war und nun danach verlangt, in einem endlich befriedeten, freien und unabhängigen Land leben zu können. Möge Gott diese Wünsche erhören und die Verantwortlichen der Nationen erleuchten, daß sie zu einer internationalen Ordnung verhelfen, in der jedes Volk sich respektiert fühlt und zum Fortschritt der einen Menschheitsfamilie beitragen kann! Auch die Lage am Persischen Golf ist weiterhin ein Grund zu ernster und beängstigender Besorgnis. Möge der barmherzige Gott denen Licht und Kraft schenken, die berufen sind, die ethischen Werte, welche die Grundlage für die Beziehungen zwischen den Staaten sein müssen, zu respektieren, und möge er die Menschheit vor den Schrecken eines neuen Konfliktes bewahren! Allen gebe der Herr die Überzeugung ein, daß es notwendig ist, sich aufrichtig um einen ehrlichen und offenen Dialog zu bemühen! Der Friede ist ein Gut aller, und jeder Mensch guten Willens muß sich verpflichtet fühlen, ihn dort, wo er bedroht ist, zu erhalten. Schließlich möchte ich noch an das menschliche Empfinden derer appellieren, die imstande sind, schnellstens den Leiden jener ein Ende zu setzen, die von der Krise und den darauf erfolgten Maßnahmen betroffen wurden. Es ist ein Aufruf zugunsten der Zivilbevölkerung, vor allem der Kinder und der Kranken, wie auch jener, die unfreiwillig in die schmerzlichen Ereignisse verwickelt wurden und zu Unrecht festgehalten werden. Wir wollen mit Vertrauen diese unsere Anliegen der Heiligsten Jungfrau, der Mutter des Erbarmens und Königin des Friedens, anvertrauen. 218 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Heilige Geist - die gute Gabe Ansprache bei der Generalaudienz am 21. November 1. Wir alle kennen die behutsamen und einladenden Worte Jesu an die samaritische Frau, die zum Jakobsbrunnen kam, um dort Wasser zu schöpfen: „Wenn du wüßtest, worin die Gabe Gottes besteht“ (Joh 4,10). Diese Worte führen uns in eine weitere wesentliche Dimension der über den Heiligen Geist offenbarten Wahrheit ein. Jesus spricht bei dieser Begegnung vom Geschenk des „lebendigen Wassers“ und fügt hinzu: wer davon trinkt, „wird niemals mehr Durst haben“ (Joh 4,14). Bei einer anderen Gelegenheit, in Jerusalem, spricht Jesus von „Strömen von lebendigem Wasser“ (Joh 7,38), und der Evangelist, der diese Worte überliefert, fügt hinzu, Jesus meinte „den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben“ (Joh 7,39). Danach erklärt der Evangelist, dieser Geist werde erst dann geschenkt, wenn Jesus „verherrlicht“ sei (Joh 7,39). Aus den Überlegungen zu diesen und anderen ähnlichen Texten entstand die Überzeugung, daß zur Offenbarung Jesu die Vorstellung vom Heiligen Geist als vom Vater geschenkte Gabe gehört. Im übrigen, wenn man sich an das Lukasevangelium hält, betont Jesus in seiner beinahe katechetischen Unterweisung über das Gebet gegenüber den Jüngern: wenn schon die Menschen ihren Kindern geben, was gut ist, „wieviel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten“ (Li 11,13); der Heilige Geist ist das „Gute“, mehr als alles andere (vgl. Mf 7,11), die „gute Gabe“ schlechthin. 2. In der Abschiedsrede an die Apostel versichert Jesus ihnen, daß er selbst den Vater vor allem um dieses Geschenk für seine Jünger bitten wird: „Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll“ (Joh 14,16). Er spricht so am Vorabend seines Leidens, und nach der Auferstehung kündigt er die nahe Erfüllung seines Gebetes an: „Und ich werde die Gabe, die mein Vater verheißen hat, zu euch herabsenden ... bis ihr mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werdet“ (Lk 24,49). „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein ... bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Jesus bittet den Vater um den Heiligen Geist als Gabe für die Apostel und die Kirche bis zum Ende der Welt. Aber gleichzeitig ist er derjenige, der diese Gabe in sich trägt, ja, er besitzt auch in seiner Menschheit die Fülle des Heiligen Geistes, denn „der Vater liebt den Sohn und hat alles in seine Hand gegeben“ (Joh 3,35): Er ist der, „den Gott gesandt hat“, er „verkündet die Worte Gottes; denn er gibt den Geist unbegrenzt“ (Joh 3,34). <114> <115> <116> <117> <114> Auch durch seine Menschheit sendet der Sohn Gottes den Geist: Wenn der Heilige Geist ganz das Geschenk des Vaters ist, offenbart Christus als Mensch, indem er durch sein heil- bringendes Leiden die Sendung erfüllt, die er aus Gehorsam zum Vater, aus Gehorsam „bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8), auf sich genommen und ausgeführt hat, den Heiligen Geist als Geschenk und gibt ihn seinen Jüngern. Das, was Jesus im Abendmahlssaal sein „Weggehen“ nennt, wird im Heilsplan der vorherbestimmte Augenblick, mit dem das „Kommen“ des Heiligen Geistes verknüpft ist (vgl. Joh 16,7). 219 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Aber durch diesen Höhepunkt der Selbstoffenbarung des trinitarischen Geheimnisses wird uns erlaubt, noch tiefer in das innere Leben Gottes einzudringen. Der Heilige Geist wird uns nicht nur als Gabe an die Menschen bekannt gemacht, sondern auch als Gabe, die im inneren Leben Gottes selbst vorhanden ist. „Gott ist die Liebe“, hat uns der heilige Johannes gesagt (1 Joh 4,8): die allen drei göttlichen Personen gemeinsame wesentliche Liebe, wie die Theologen sagen. Aber das schließt nicht aus, daß der Heilige Geist wie der Geist des Vaters und des Sohnes personale Liebe ist, wie wir in den vorhergehenden Katechesen dargelegt haben. Deshalb „ergründet“ er „die Tiefen Gottes“ (f Kor 2,10) mit der Kraft der Geistesschärfe, die der Liebe eigen ist. Deshalb ist er auch die ungeschaffene und ewige Gabe, die die göttlichen Personen im inneren Leben des einen und dreieinigen Gottes miteinander austauschen. Er ist die Liebe, das heißt, er ist Geschenk. Man könnte sogar sagen, „daß Gott durch den Heiligen Geist als Geschenk existiert. Der Heilige Geist ist der personale Ausdruck dieses gegenseitigen Sich-Schenkens, dieses Seins als Liebe. Er ist die Liebe als Person. Er ist Geschenk als Person“ (Dominum et viviücantem, Nr. 10). 5. Der heilige Augustinus schreibt: „Wie das Geborensein für den Sohn das Aus-dem-Vater-Sein ist, so ist das Geschenksein für den Heiligen Geist das Hervorgehen aus dem Vater und dem Sohn“ (De Trinitate, IV,20: PL 42,908). Im Heiligen Geist ist Liebe-Sein und Geschenk-Sein gleichbedeutend. Der heilige Thomas erläutert: „Die Liebe ist die Ursache eines freien Geschenks, das man einer Person macht, die man liebt. Das erste Geschenk ist deshalb die Liebe (amor habet rationem primi doni)... Wenn darum der Heilige Geist als Liebe hervorgeht, geht er auch als erstes Geschenk hervor“ (Summa Theologiae, I, q.38, a.2). „All die anderen Gaben werden unter den Gliedern des Leibes Christi durch das Geschenk verteilt, das der Heilige Geist ist“, sagt Thomas abschließend zusammen mit Augustinus (De Trinitate, XV, 19: PL 42, 1084). 6. Weil Ursprung aller anderen den Geschöpfen gespendeten Gaben, ist der Heilige Geist personale Liebe, ungeschaffenes Geschenk, die Quelle (fons vivus), aus der alles ins Dasein tritt; er ist gleichsam das Feuer der Liebe (ignis caritas), das Funken der Wirklichkeit und des Guten über allem ausstreut (dona creata). Es handelt sich um die Ausstreuung des Seins durch den Schöpfungsakt und der Gnade an die Engel und Menschen im Heilsplan. Deshalb schreibt der Apostel Paulus: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). <118> <118> Auch dieser paulinische Text ist eine Zusammenfassung dessen, was die Apostel gleich nach Pfingsten lehren. „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“, betonte Petrus (Apg 2,38). Kurz danach, als er zum Hauptmann Kornelius gesandt wurde, um ihn zu taufen, konnte der gleiche Apostel aufgrund einer göttlichen Offenbarung verstehen, „daß auch auf die Heiden die Gabe des Heiligen Geistes ausgegossen wurde“ (vgl. Apg 10,45). Die Apostelgeschichte berichtet auch von der Episode des Simon, der den Heiligen Geist „für Geld kaufen“ wollte. Simon Petrus wies ihn deshalb scharf zurecht und betonte, daß der Heilige Geist ein Geschenk ist, das man frei, eben als Gabe Gottes erhält (vgl. Apg 8,19-23). 220 AUDIENZEN UND ANGELUS 8. Das wiederholen die Kirchenväter. Wir lesen zum Beispiel bei Kyrill von Alexandrien: „Unsere Heimkehr zu Gott wird durch Christus, den Erlöser, vollzogen; sie geschieht nur durch die Teilnahme und Heiligung des Heiligen Geistes. Derjenige, der uns zusammenfügt und sozusagen mit Gott vereint, ist der Geist; indem wir ihn empfangen, haben wir an der göttlichen Natur teil; wir empfangen ihn durch den Sohn, und im Sohn empfangen wir den Vater“ (Kommentar zum Johannesevangelium, 9,10: PG74.544 D). Es ist die „Rückkehr zu Gott“, die sich in den einzelnen Menschen und in den Menschengenerationen ständig verwirklicht während der Zeit, die zwischen dem heilbringenden „Fortgehen“ Christi - des Sohnes zum Vater - und dem immer neuen, heiligenden „Kommen“ des Heiligen Geistes liegt und ihre Vollendung in der glorreichen Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten findet. Alles, was in der sakramentalen, charismatischen und kirchlich-hierarchischen Ordnung zu dieser „Rückkehr der Menschheit zum Vater durch den Sohn dient, ist eine vielfältige und mannigfaltige „Verbreitung“ des einzigen ewigen Geschenkes, das der Heilige Geist ist in seiner Dimension als geschaffenes Geschenk, das heißt als Teilhabe der unendlichen Liebe in den Menschen. „Es ist der Heilige Geist, der sich selbst schenkt“, sagt der heilige Thomas (Summa Theologiae, I, q.38, a.l, ad 1). Es besteht eine gewisse Kontinuität zwischen dem ungeschaffenen Geschenk und den geschaffenen Gaben, weshalb der heilige Augustinus schrieb: „Der Heilige Geist ist ewig Geschenk, aber in der Zeit ist er das, was geschenkt wird“ (De Trinitate, V, 16,17: CC50, 224). 9. Von dieser ehrwürdigen Tradition der Kirchenväter und -lehrer, Verbindungsglieder mit Jesus Christus und den Aposteln, kommt das, was in der Enzyklika Dominum et vivificantem zu lesen ist: „Die Liebe Gottes, des Vaters, göttliche Gabe, unbegrenzte Gnade, Ursprung des Lebens, ist in Christus offenbar geworden und ist nun in seiner Menschheit .Teil’ des Alls, des Menschengeschlechtes und der Geschichte. Dieses .Erscheinen’ der Gnade durch Jesus Christus in der Geschichte des Menschen vollzog sich durch das Wirken des Heiligen Geistes, welcher der Ursprung jeglichen Heilshandelns Gottes in der Welt ist; er, der .verborgene Gott’, der als Liebe und Gabe ,den Erdkreis erfüllt’“ (Nr.54). Im Mittelpunkt dieser von den Gaben des Heiligen Geistes gebildeten universalen Ordnung steht der Mensch, „vernunftbegabtes Geschöpf, das im Unterschied zu den anderen irdischen Geschöpfen in den Genuß der göttlichen Person gelangen und ihre Gaben nützen kann. Dahin kann das vernunftbegabte Geschöpf kommen, wenn es am göttlichen Wort und an der Liebe teilhat, die aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, so daß es durch seine freie innerliche Öffnung Gott wirklich erkennen und recht lieben kann ... In diesem Sinn steht es dem Heiligen Geist zu, gegeben zu werden und Gabe zu sein“ (Summa Theologiae, I, q.38, a.l). Wh werden noch Gelegenheit haben, die Bedeutung dieser Lehre für das geistliche Leben zu zeigen. Für heute schließen wir mit dem schönen Text des Doctor Angelicus über die Person des Heiligen Geistes - Liebe und Gabe unendlichen Erbarmens. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! Uns allen sind die einfühlsamen und einladenden Worte Jesu an die samaritische Frau wohl bekannt, die zum Jakobsbrunnen kam, um dort Wasser zu schöpfen: „Wenn du wüßtest, worin die Gabe Gottes besteht“ (Joh 4,10). Diese Worte führen uns zu einem weiteren, wesent- 221 AUDIENZEN UND ANGELUS liehen Gesichtspunkt von der offenbarten Wahrheit über den Heiligen Geist. In dieser Begegnung spricht Jesus vom Geschenk des „lebendigen Wassers“ und fügt hinzu: wer davon trinkt, „wird niemals mehr Durst haben“ (Joh 4,14). Bei anderer Gelegenheit spricht Jesus von „Strömen von lebendigem Wasser“ (Joh 7,38). Der Evangelist Johannes, der diese Worte überliefert, fügt hinzu, Jesus habe sich dabei bezogen „auf den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben“ (Joh 7,39). Die Überlegungen zu diesen und anderen Texten der Heiligen Schrift lassen deutlich die Überzeugung erkennen, daß zur Offenbarung Jesu die Vorstellung vom Heiligen Geist als Gabe des Vaters gehört. Der Geist, Ursprung aller anderen der Schöpfung gespendeten Gaben, ist also personale Liebe, unmittelbar vom Vater ausgehende und selbst nicht geschaffene Gabe, er ist die Quelle, aus der alles ins Dasein tritt; er ist gleichsam das Feuer der Liebe, das seine Funken der Güte über allem ausstreut. So kann der Apostel Paulus im Römerbrief schreiben: „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher recht herzlich. Ein besonderer Gruß gilt den Mitgliedern des „Vereins der Österreicher in Berlin“. Euch allen, liebe Brüder und Schwestern, Euren lieben Angehörigen daheim sowie den uns über Radio Vatikan verbundenen Hörerinnen und Hörem erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Last gemeinsam tragen Geistlicher Besuch in Jasna Göra 1. „Einer trage des anderen Last.“ Dieser bündige Satz des Apostels ist eine Inspiration für die zwischenmenschliche und gesellschaftliche Solidarität - das bedeutet: der eine und der andere; und wenn Last zu tragen ist, dann gemeinsam, in der Gemeinschaft. Also nie: einer gegen den andern. Nie: die einen gegen die anderen. Und nie eine Last, die vom Menschen einsam zu tragen ist. Ohne die Hilfe anderer. Kein Kampf kann wirksamer sein als die Solidarität. Es kann kein Programm des Kampfes geben, das über das Programm der Solidarität hinausgeht. Sonst wachsen zu schwere Lasten heran. Und die Verteilung dieser Lasten wächst in unproportionaler Weise“ (Predigt bei der Messe für die Werktätigen in Danzig, 12. Juni 1987). Im heutigen Gebet des Jasna-Göra-Zyklus möchte ich mich auf diese Worte beziehen. Sie wurden während der letzten Pilgerfahrt in die Heimat, in Danzig im „Zaspa“-Stadtteil, gesprochen. Heute wiederhole ich sie und bedenke sie vor dir, Mutter von Jasna Göra, nachdem das Leben der Gesellschaft ein anderes Gesicht bekommen und geschichtliche Veränderungen erfahren hat. Heute, wo die Vorsehung uns vor die mühevolle Aufgabe stellt, die Grandlagen einer souveränen Gesellschaft zu bauen, die autonom ist und demokratisch über sich selbst entscheidet. <119> <119> Heute ist es für uns notwendig, einander auch in edler Weise „unterscheiden“ zu können. „Sich unterscheiden“ heißt auch, die Bedeutung der Solidarität wiederzuentdecken. 222 AUDIENZEN UND ANGELUS „Wer sich entgegenstellt, weigert sich nicht, an einer Gemeinschaft teilzuhaben, und auch seine Bereitschaft, für das Gemeinwohl zu handeln, läßt nicht nach ... Inhalt der Opposition ist vor allem die Weise, das Gemeinwohl zu erfassen und - mehr noch - die Weise, es zu verwirklichen“ (vgl. Karol Wojtyla, Persona e atto, Libreria Editrice Vaticana, 1982, S. 322). Die Geschichte unseres Jahrhunderts bestätigt dies. „Sich unterscheiden“ heißt auch „sich gegenseitig vervollkommnen“. Deshalb vor allem nicht „einander bekämpfen“, sondern in verstärktem Maß die Gemeinschaft in ihren vielfältigen Strömungen des gemeinschaftlichen Tuns zum Ausdruck bringen. Das Gemeinwohl gilt für alle und durch alle. Nicht nur wenn man es wie gestern, in der Vergangenheit, gemeinsam verteidigen muß, sondern mehr noch, wenn man es gemeinsam schaffen muß. Wie heute und morgen! 3. Mehr als drei Jahre sind vergangen, seit ich diese Worte im Stadtteil „Zaspa“ von Danzig gesprochen habe. Mutter unserer Nation, heute ist es notwendig, daß wir um diese Fähigkeit bitten, „sich zu unterscheiden“, die zum Aufbau des Gemeinwohls dient, des wahren Gemeinwohls. „Kein Kampf kann wirksamer sein als die Solidarität. Es kann kein Programm des Kampfes geben, das über das Programm der Solidarität hinausgeht“. Es gelten weiterhin die Worte des Paulus: „Einer trage des anderen Last“ (Gal 6,2). Und deshalb: Nie einer gegen den andern. Nie die einen gegen die anderen und nie einsam „eine Last“ tragen ... „wenn Last zu tragen ist, dann gemeinsam, in der Gemeinschaft.“ Unsere Liebe Frau von Jasna Göra! Bleibe bei uns in diesen für die Zukunft Polens so wichtigen Augenblicken, o weise Jungfrau! Zuflucht der Sünder! Mächtige Jungfrau! Sitz der Weisheit! Königin Polens! Christus muß herrschen Angelus am Christkönigssonntag, 25. November Liebe Schwestern und Brüder! 1. Das Christkönigsfest beendet heute den Jahreszyklus der Liturgiefeiern, mit denen die Kirche die Geheimnisse des Lebens unseres Herrn in Erinnerung ruft und neu lebt: Die Menschwerdung des Wortes Gottes im Schoß Mariens, seine Geburt, sein Tod und seine Auferstehung, das Geschenk des Heiligen Geistes. Die Kirche hat Sonntag für Sonntag in der Verkündigung der Schriften die Worte unseres Meisters mit großer Aufmerksamkeit und lebendigem Glauben gehört. Jetzt, am Ende dieses geistlichen Weges, denkt sie an die Wiederkunft Christi, die volle Erfüllung des von ihm verkündeten Reiches, und sie will ihren Glauben an Jesus, den König des Universums, erneuern. Er ist der König der Güte, der Spender der Gnade, der sein Volk nährt und es um sich sammeln will wie ein Hirt, der seine Herde überprüft; er ruft seine Schafe herbei von all den 223 AUDIENZEN UND ANGELUS Orten, wohin sie sich am dunklen, düsteren Tag zerstreut haben (vgl. £z34,12); er will ihnen Licht und Ruhe schenken. Jesus Christus ist König der Barmherzigkeit, Zeuge und Zeichen der Güte Gottes, des Vaters. 2. Das heutige Hochfest faßt auch die gesamte Verkündigung der Kirche über das Geheimnis Christi zusammen, der für uns der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, Anfang und Urbild einer neuen Menschheit, die aus seinem Leiden und seinem Blut geboren ist: einer Menschheit, die nach seinem Willen geprägt sein soll von brüderlicher Liebe, Aufrichtigkeit und Friedensgeist. Im Christkönig erkennt die Kirche außerdem, daß jenseits von all dem, was sich ändert, unveränderliche und ewige Dinge sind (vgl. Gaudium etspes, Nr. 10), ein Reich, bereitet für diejenigen, die glauben und lieben. Mit der ganzen Kirche verkünden auch wir heute: Christus muß herrschen (vgl. 1 Kor 15,25). Denn wir sind überzeugt, daß das die von allen wenn auch unbewußt erwartete Ankündigung ist. Die Verkündigung wird deshalb Gebet: Wir bitten Christus, in den leidvollen Schicksalen unserer Geschichte sein Reich der Liebe aufzubauen. 3. Wir bitten ihn im Licht der Worte des Angelus: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“ Wir bitten ihn durch die Fürsprache der Jungfrau Maria, die als erste an das Wort Gottes glaubte; es als erste in ihr Leben aufnahm und dadurch an seinem Reich teilhatte; Maria, die uns jetzt auf dem Weg zur vollen Gemeinschaft mit dem Geheimnis Christi vorangeht. Im Glauben Marias suchen wir eine Stütze für unseren Glauben (Redemptoris Mater, Nr. 10) und für unseren Pilgerweg zur Vollendung des Reiches Gottes. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich die anwesenden Pilger und Besucher aus den deutschsprachigen Ländern, die mit uns den Engel-des-Herm gebetet haben. Ein besonderer Willkommensgruß gilt den Schülern aus Kleinmachnow, die zum bevorstehenden Abschluß ihrer Schulzeit mit ihren Lehrern eine Pilgerreise nach Rom unternommen haben. Euch allen und euren Angehörigen daheim erbitte ich auf die Fürsprache Mariens Gottes Schutz und Segen. Der Heilige Geist - Seele der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 28. November 1. Wir beginnen heute eine neue Reihe von Katechesen des pneumatologischen Zyklus, in dem ich versuchte, die Aufmerksamkeit der nahen und fernen Zuhörer auf die christliche Grundwahrheit über den Heiligen Geist zu lenken. Wir sahen, daß das Neue Testament, vom Alten Testament eingeleitet, ihn uns als Person der Heiligsten Dreifaltigkeit erkennen läßt. Es ist eine anziehende Wahrheit, sowohl wegen ihrer tiefen Bedeutung als auch wegen ihrer Auswirkung auf unser Leben. Ja, wir können sagen, daß es sich um eine Wahrheit zugunsten des Lebens handelt, wie es im übrigen für die ganze im Credo zusammengefaßte Offen- 224 AUDIENZEN UND ANGELUS barung gilt. Der Heilige Geist ist uns in besonderer Weise offenbart und gegeben worden, damit er Licht und Führer des Lebens sei für uns, für die ganze Kirche und alle Menschen, die berufen sind, ihn zu erkennen. 2. Wir sprechen vor allem vom Heiligen Geist als dem lebenspendenden Prinzip der Kirche. Im Laufe der christologischen Katechesen haben wir seinerzeit gesehen, daß Jesus vom Beginn seiner messianischen Sendung an die Jünger um sich sammelte, von ihnen die Zwölf, Apostel genannt, auswählte und unter diesen Petrus den Vorrang des Zeugnisses und der Stellvertretung zuwies (vgl. Mt 16,18). Als er am Vorabend seines Opfertodes am Kreuz die Eucharistie einsetzte, gab er denselben Aposteln den Auftrag und die Vollmacht, sie zu seinem Gedächtnis zu feiern (vgl. LJc22,19; 1 Kor 11,24-25). Nach der Auferstehung verlieh er ihnen die Vollmacht, Sünden zu vergeben (vgl. Joh 20,22-23) und gab ihnen den Auftrag der weltweiten Evangelisierung (vgl. Mk 16,15). Wir können sagen, daß uns all das mit der Ankündigung und Verheißung des Kommens des Geistes verbindet, das sich am Pfingsttag verwirklicht, wie die Apostelgeschichte berichtet (2,1-4). 3. Das Zweite Vatikanische Konzil bietet uns einige kennzeichnende Aussagen über die entscheidende Bedeutung des Pfingsttages, der oft als Tag der Geburt der Kirche vor der Welt dargestellt wird. So lesen wir in der Konstitution Dei Verbum, daß Christus „durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung erfüllt und abschließt und durch göttliches Zeugnis bekräftigt, daß Gott mit uns ist, um uns aus der Finsternis von Sünde und Tod zu befreien und zu ewigem Leben zu erwecken“ (Dei Verbum, Nr. 4). Es besteht also zwischen Jesus Christus und dem Heiligen Geist eine enge Verbindung im Heilswerk. Die Konstitution Lumen Gentium über die Kirche ihrerseits sagt vom Heiligen Geist: „Er ist der Geist des Lebens, die Quelle des Wassers, das zu ewigem Leben aufsprudelt (vgl. Joh 4,14; 7,38-39); durch ihn macht der Vater die in der Sünde erstorbenen Menschen lebendig, um endlich ihre sterblichen Leiber in Christus aufzuerwecken (vgl. Röm 8,10-11)“ (Lumen Gentium, Nr. 4). Durch die Kraft und Wirkung des Geistes, durch den Christus auferweckt wurde, werden all jene auferweckt, die Christus angegliedert sind. Diese Lehre des heiligen Paulus wurde vom Konzil aufgegriffen (vgl. Röm 8,10-11). Dasselbe Konzil fügt hinzu, daß der Heilige Geist, indem er auf die Apostel herabkam, den Anfang der Kirche setzte (vgl. Lumen Gentium, Nr. 19), die im Neuen Testament und besonders vom heiligen Paulus als der Leib Christi beschrieben wird: „Gottes Sohn hat... indem er nämlich seinen Geist mitteilte ... seine Brüder, die er aus allen Völkern zusammenrief, in geheimnisvoller Weise gleichsam zu seinem Leib gemacht“ (ebd., Nr. 7: „tamquam corpus suum mystice constituit“). Die christliche Überlieferung, die dieses paulinische Thema „Ecclesia Corpus Christi“ aufgreift, dessen lebenspendendes Prinzip - wie der Apostel sagt - der Heilige Geist ist, geht so weit, mit herrlichem Ausdruck zu sagen, daß der Heilige Geist die „Seele“ der Kirche ist. Hier genügt es, den heiligen Augustinus zu zitieren, der in einer seiner Reden bekräftigt: „Was unser Geist, das heißt unsere Seele in bezug auf unsere Glieder ist, das ist der Heilige Geist für die Glieder Christi, das heißt für den Leib Christi, die Kirche“ (Sermo 269,2: PL 38,1232). Eindrucksvoll ist auch ein Text der Summa Theologiae, in dem Thomas von 225 AUDIENZEN UND ANGELUS Aquin, während er von Christus als dem Haupt des Leibes der Kirche spricht, den Heiligen Geist mit dem Herzen vergleicht, weil er „die Kirche in unsichtbarer Weise lebendig macht und eint“, so wie das Herz „einen inneren Einfluß auf den menschlichen Leib ausübt“ (III,q.8, a.l, ad 3). Der Heilige Geist „Seele der Kirche“, „Herz der Kirche“: Das ist ein schöner Anhaltspunkt der Überlieferung, der näher zu untersuchen ist. 4. Es ist klar, daß, wie die Theologen erklären, der Ausdruck „der Heilige Geist Seele der Kirche“ als Vergleich zu verstehen ist. Denn er ist nicht „wesentliche Form“ der Kirche, wie es die Seele für den menschlichen Leib ist, mit dem sie den einen Menschen bildet. Der Heilige Geist ist das innere, aber transzendente, lebenspendende Prinzip der Kirche. Er gibt der Kirche Leben und Einheit auf der Ebene der Wirkursache, das heißt als Urheber und Antrieb des göttlichen Lebens des Leibes Christi. Darauf weist das Konzil hin: „Damit wir aber in ihm (Christus) unablässig erneuert werden (vgl. Eph 4,23), gab er uns von seinem Geist, der als der eine und gleiche im Haupt und in den Gliedern wohnt und den ganzen Leib so lebendig macht, eint und bewegt, daß die heiligen Väter sein Wirken vergleichen konnten mit der Aufgabe, die das Lebensprinzip - die Seele - im menschlichen Leib erfüllt“ (Lumen Gentium, Nr. 7). Dieser Darstellung folgend, könnte man sogar den ganzen Entwicklungsprozeß der Kirche schon im Bereich des messianischen Handelns Christi auf Erden vergleichen mit der Erschaffung des Menschen gemäß dem Buch Genesis und besonders mit dem „Einhauchen“ des „Lebensatems“, durch den „der Mensch zu einem lebendigen Wesen“ wurde (Gen 2,7). Im jüdischen Text wird das Wort „nefesh“ (= von einem Lebenshauch beseeltes Wesen) verwandt; aber an einer anderen Stelle des Buches Genesis wird der Lebenshauch der Lebewesen „ruah“, das heißt „Geist“ genannt (Gen 6,17). Diesem Vergleich entsprechend kann man den Heiligen Geist als Lebenshauch der „neuen Schöpfung“ betrachten, die in der Kirche Wirklichkeit wird. 5. Das Konzil sagt weiter, daß „am Pfingsttag der Heilige Geist gesandt [wurde], auf daß er die Kirche immerfort heilige und die Gläubigen so durch Christus in einem Geist Zugang hätten zum Vater (vgl. Eph 2,18)“ (Lumen Gentium, Nr. 4). Das ist die erste und grundlegende Lebensform, die der Heilige Geist - ähnlich wie „die Seele, die das Leben gibt“ - in die Kirche einpflanzt: die Heiligkeit nach dem Vorbild Christi, „den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat“ (Joh 10,36). Die Heiligkeit ist die tiefe Identität der Kirche als lebendiger Leib Christi, der an seinem Geist teilhat. Die Heiligkeit gibt dem Leib die geistliche Gesundheit. Die Heiligkeit entscheidet auch über seine geistliche Schönheit, jene Schönheit, die alle Schönheit der Natur und Kunst übersteigt; eine übernatürliche Schönheit, in der sich die Schönheit Gottes selbst wesentlicherer und unmittelbarer widerspiegelt als in jeder anderen Schönheit der Schöpfung, eben weil es sich um den Leib Christi handelt. Auf das Thema der Heiligkeit der Kirche kommen wir in einer der nächsten Katechesen zurück. <120> <121> <120> Der Heilige Geist wird „Seele der Kirche“ genannt auch in dem Sinn, daß er dem ganzen Denken der Kirche sein göttliches Licht bringt, das „in die ganze Wahrheit führt“ nach der Ankündigung Christi im Abendmahlssaal: „Wenn ... der Geist der Wahrheit [kommt], wird 226 AUDIENZEN UND ANGELUS er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört... er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden“ (Joh 16,13.15). Unter dem Licht des Heiligen Geistes vollzieht sich in der Kirche die Verkündigung der offenbarten Wahrheit und wird die Vertiefung des Glaubens auf allen Ebenen des Leibes Christi bewirkt: auf der Ebene der Apostel, der ihrer Nachfolger im Lehramt und der des „Glaubenssinnes“ aller Gläubigen, darunter der Katecheten, Theologen und der anderen christlichen Denker. Alles ist und muß vom Geist beseelt sein. 7. Der Heilige Geist ist auch die Quelle der ganzen Dynamik der Kirche, mag es sich um das Zeugnis handeln, das sie für Christus vor der Welt ablegen muß, oder um die Verbreitung der Botschaft des Evangeliums, im Lukasevangelium besteht der auferstandene Christus, als er den Aposteln die Sendung des Heiligen Geistes ankündigt, besonders auf diesem Aspekt, wenn er sagt: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein ..." (Apg 1,8). Sowohl im Evangelium als auch in der Apostelgeschichte lautet das griechische Wort für „Kraft“ oder „Macht“ dynamis: „Dynamik“. Es handelt sich um eine übernatürliche Kraft, die vom Menschen vor allem das Gebet fordert. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt weiter: „Der Geist wohnt in der Kirche und in den Herzen der Gläubigen ... in ihnen betet er und bezeugt ihre Annahme an Sohnes Statt“ (Lumen Gentium, Nr. 4). Auch in diesem Text bezieht sich das Konzil auf den heiligen Paulus (vgl. Gal 4,6; Röm 8,15-16.26), an dessen Brief an die Römer wir hier erinnern wollen, wo er sagt: „So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ (Röm 8,26). <122> <122> Abschließend zum bisher Gesagten lesen wir einen anderen kurzen Konzilstext über den Heiligen Geist: „Durch die Kraft des Evangeliums läßt er die Kirche allezeit sich verjüngen, erneuert sie immerfort und geleitet sie zur vollkommenen Vereinigung mit ihrem Bräutigam. Denn der Geist und die Braut sagen zum Herrn Jesus: „Komm“ (vgl. Offb 22,7)“ (Lumen Gentium, Nr. 4). In diesem Text erklingt ein Widerhall des heiligen Irenaus (Adv. Haeresis, m, 14,1:: PG,1, 966 B), der uns die Glaubensgewißheit der ältesten Väter überliefert. In ihm ist die gleiche vom heiligen Paulus verkündete Gewißheit, der sagte, daß die Gläubigen vom Gesetz des Buchstabens befreit wurden, um „in der neuen Wirklichkeit des Geistes“ zu dienen (Röm 7,6). Die gesamte Kirche lebt in dieser Wirklichkeit und findet im Heiligen Geist die Quelle ihrer ständigen Erneuerung und Einheit. Denn stärker als alle menschlichen Schwächen und Sünden ist die Kraft des Geistes, der lebenspendende, einende Liebe ist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In unserer heutigen Katechese wenden wir uns dem Heiligen Geist zu und wollen ihn besonders als das lebenspendende Prinzip für die Kirche betrachten. Von Anfang an hat Jesus in seiner messianischen Sendung Jünger um sich gesammelt, aus denen er die Zwölf oder, wie sie auch genannt werden, die Apostel, auswählte; unter diesen hat er Petrus die Vorrangstellung zugewiesen. Als Jesus am Abend seines Leidens und Opfers 227 AUDIENZEN UND ANGELUS am Kreuz die heilige Eucharistie gestiftet hat, gab er den Aposteln den Auftrag und die Vollmacht, sie zu seinem Gedächtnis zu feiern. Nach der Auferstehung hat er sie bevollmächtigt, Sünden zu vergeben, und sie ausgesandt, allen Völkern das Evangelium zu verkünden. All dieses steht in enger Verbindung mit der Ankündigung der Sendung des Heiligen Geistes, die sich am Pfingstfest ereignete, wie uns die Apostelgeschichte berichtet. Der Pfingsttag ist also von entscheidender Bedeutung, ja, man hat ihn auch als Tag der Geburt für die Kirche bezeichnet. So lesen wir in einem Text des letzten Konzils, daß Christus „durch die Sendung des Geistes der Wahrheit die Offenbarung erfüllt und abschließt und durch göttliches Zeugnis bekräftigt, daß Gott mit uns ist, um uns aus der Finsternis von Sünde und Tod zu befreien und zu ewigem Leben zu erwecken“ (Dei Verbum, Nr. 4). Der Geist, der auf die Apostel herabkommt, steht am Anfang der Kirche, er ist gleichsam ihre Seele und ihr Herz, Quelle all ihrer Lebendigkeit. Aus der Kraft des Evangeliums läßt der Geist die Kirche sich allzeit verjüngen, er erneuert sie immerfort und geleitet sie zu ihrer Vollendung (vgl. Lumen Gentium, Nr. 4). Mit dieser Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Ich wünsche euch in den Tagen eures Aufenthaltes in Rom auch geistlich fruchtbare Stunden und die Erfahrung der lebendigen Kraft des Heiligen Geistes. Dazu erteile ich euch und euren lieben Angehörigen daheim von Herzen meinen Apostolischen Segen. Botschaft der Versöhnung Geistlicher Besuch in Jasna Göra 1. „Wir bitten euch, katholische Hirten des deutschen Volkes, zusammen mit uns und eurem Brauch entsprechend unser christliches Jahrtausendjubiläum in Form von Gebeten oder eines dazu bestimmten Tages zu feiern. Wir wären euch für eine solche Geste überaus dankbar. Wir bitten euch, unsere Grüße wie auch den Ausdruck unserer Hochachtung an die deutschen evangelischen Brüder zu übermitteln, die mit uns und mit euch nach einer Lösung für unsere Schwierigkeiten suchen. Beseelt vom christlichen und humanitären Geist, breiten wir unsere Arme aus nach euch, die ihr auf den Bänken des Konzils sitzt, das zu Ende geht; wir gewähren euch unsere Vergebung, und wir bitten euch, auch uns zu vergeben. Nur dann, wenn ihr, Bischöfe Deutschlands und Konzilsväter, uns eure brüderlichen Hände reichen wollt, können wir ruhigen Gewissens unsere Jahrtausendfeier in tief christlicher Weise begehen. Wir laden euch herzlich ein, zu uns nach Polen zu kommen, um an den obengenannten Feierlichkeiten teilzunehmen.“ Unsere Liebe Frau von Jasna Göra! Vor dir lese ich heute wieder in Anwesenheit meiner Landsleute diese Botschaft, die vor 25 Jahren aus einer großen Anstrengung der Herzen und Gewissen geboren wurde. Die „Botschaft der Bischöfe Polens an die deutschen Brüder im Hirtenamt Christi“ fand damals am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils und nach unserer Jahrtausendfeier vorwiegend negativen Widerhall. Ja, sie bot mehr Anlaß zu schweren Beschuldigungen und sogar Anklagen wegen Verrats gegen die Sache der Nation. Heute, nach 25 Jahren, sieht man bei erneutem Lesen besser den tiefen christlichen Beweggrund, den sie enthält. Christus hat gesagt: „Geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bru- 228 AUDIENZEN UND ANGELUS der, dann komm und opfere deine Gabe“ (Mi 5,24). Vor 25 Jahren stand das polnische Volk vor einem besonderen Altar der Geschichte, auf dem der Heiligsten Dreifaltigkeit das Geschenk der tausendjährigen Geschichte des Vaterlandes dargebracht werden sollte. „Geh und versöhne dich ..." Tu alles, was du kannst, um Versöhnung zu erlangen, wenn Gerechtigkeit, Liebe und Frieden die menschliche Geschichte formen sollen. Gerechtigkeit, Liebe ... und nicht Haß, kein,Jealter Krieg“. Nach 25 Jahren sagen wir dir, Liebe Frau von Jasna Göra, Dank für diese Botschaft, die damals soviel Leiden verursacht hat. Wir danken dafür, daß die Hirten der polnischen Kirche den Mut hatten, sie zu verfassen. Sie vertrauten auf das Evangelium und setzten ihr Vertrauen auf dich. Heute, nach 25 Jahren, angesichts der Entwicklung der Ereignisse in Europa, danken wir für diese Botschaft, die ein prophetisches Wort war. Und zugleich ein bahnbrechender Schritt -einer der ersten. Ein besonderer Beitrag „zum europäischen Erbe“. Wir danken dir, Mutter von Jasna Göra. Aufrufzu Frieden für Liberia und Ruanda Jetzt möchte ich euch einladen, mit mir im Gebet an den afrikanischen Kontinent zu denken, wo vielfache Konfliktsituationen, Elend und Hungersnot herrschen. Alte, ungelöste Probleme und neue Spannungen belasten Millionen und Abermillionen von Schwestern und Brüdern jener Länder, die so hart geprüft und doch so reich an Hoffnung sind. An erster Stelle möchte ich die Lage in Liberia nennen, das seit nunmehr einem Jahr von Bruderkriegen erschüttert wird. Tausende Opfer, Hunderttausende Flüchtlinge und ungeheure Verwüstungen sind die schreckliche Bilanz eines Krieges, dessen Ende trotz vielfacher Versuche noch nicht abzusehen ist. Inzwischen nehmen die Gewaltakte zu, Krankheiten und Hunger breiten sich aus. Eine andere uns teure Nation, die ich im September besucht habe, macht eine Zeit großer Schwierigkeiten durch: Ruanda. Nach den blutigen Zusammenstößen vom vergangenen Monat erreichen uns leider weiterhin Nachrichten von Spannungen und Gewaltakten, die Spaltungen hervorrufen, die Armut vermehren und das bereits schwere Problem der Flüchtlinge verschärfen mit besorgniserregenden Folgen für die gesamte Region. Wir vereinen unser Gebet mit dem der jungen Kirchen Afrikas, um zu erflehen, daß wieder Frieden einkehrt. Wir rufen zum Herrn, daß er die Todesopfer in seine Barmherzigkeit aufnehme, die Leidenden tröste und diejenigen unterstütze, die sich bemühen, die Wunden des Leibes und des Geistes zu heilen. Wir bitten den Herrn des Universums, den Geist der Verantwortlichen zu erleuchten, damit sie wieder Gedanken des Friedens hegen, die Versöhnung fördern und mit vereinten Kräften den Wiederaufbau und einen neuen, ausgewogenen Fortschritt anstreben. Gott gebe, daß die internationale Gemeinschaft gegenüber dem Appell, der aus so großer Not kommt, nicht unempfänglich bleibt und die notwendige Mitarbeit und Hilfe bietet. Maria, die gütige Mutter Christi und unsere Mutter, bitte für uns. 229 AUDIENZEN UND ANGELUS Rückkehr zum christlichen Leben Angelus am 2. Dezember Liebe Schwestern und Brüder! 1. Heute beginnt der Advent, den die Kirche liturgisch als eine Zeit der Erwartung, der Besinnung und der Hoffnung begeht. Auf den Eintritt Christi in die Geschichte durch die Menschwerdung wird seine Wiederkunft in Herrlichkeit am Ende der Zeiten folgen, aber zwischen seinem ersten und seinem endgültigen Kommen hört er nicht auf, geistlich durch das Dasein jedes Gläubigen zu kommen. Er wird dann für jeden in der Todesstunde kommen. Deshalb erklingt im Advent mehr als zu jeder anderen Zeit des Jahres die entsprechende Anrufung der Offenbarung: „Komm, Herr Jesus!“ (Offb 22,20). Man lebt in der Erwartung: in nachdenklicher, manchmal besorgter Erwartung um die Geschicke der Menschheit; einer Erwartung, die nach einer tiefen Erneuerung unserer menschlichen Lage strebt. In der Tat gibt es viele, die sich das Problem der Rückkehr zur Moral in den persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Gewohnheiten sowie in den wirtschaftlichen und poütischen Beziehungen selbst stellen. Wir scheinen an einem Wendepunkt der Geschichte zu stehen, am Übergang vom Vorher zum Nachher, der der Gegenwart eine außerordentliche geistliche Bedeutung verleiht: beinahe eine neue Adventszeit, in der zu allen Menschen das Evangelium der Umkehr und der Hoffnung gelangen muß. 2. Wir befinden uns auch in einem Augenblick außerordentlicher Bedeutung für die Gesellschaft, der an vorhergegangene Perioden erinnert, die von großen Spannungen gezeichnet waren. Am Ende des vorigen Jahrhunderts wandte Leo XHI. sich an die Kirche und an die gesamte Welt mit der Enzyklika Rerum novarum, deren Jahrhundertfeier wir am 15. Mai nächsten Jahres begehen. Auch jene Zeit war eine Zeit des Advents, wie Papst Leo* gut verstand; er hob die wachsende Sehnsucht der Völker nach einem Wandel nicht nur der „politischen“, sondern auch der „sozialen“ Ordnung hervor: „Das brennende Verlangen nach Neuheit (rerum novarum cupidö) - schrieb er —, das seit längerer Zeit die Völker zu bewegen begann, mußte natürlich von der politischen Ordnung in die Ordnung übergehen, die mit der Sozialökonomie verbunden ist.“ Ein Jahrhundert später scheinen viele Dinge in der Welt der Arbeit sich zum Besseren gewendet zu haben, jedoch bestehen weiterhin auch schwere Gründe zu Spannungen und Konflikten. <123> <123> Darüber werden wir bei den mittäglichen Begegnungen der nächsten Sonntage nachden-ken und uns auf das Jubiläum der Enzyklika vorbereiten.. Wir sind überzeugt, daß die Hoffnung auf eine echte soziale Erneuerung auch für das Ende dieses zweiten christlichen Jahrtausends nur im Evangelium Christi gründen kann. Es ist eine „Botschaft des Advents“, die wir mit den Worten Leos XUI. selbst formulieren möchten: „Mögen sich alle von der Notwendigkeit überzeugen, zum christlichen Leben zurückzukehren, ohne das selbst die wirksamsten Einsichten und Bewertungen sich dem Bedürfnis gegenüber als ungenügend erweisen.“ 230 AUDIENZEN UND ANGELUS Die seligste Gottesmutter Maria gebe den Seelen diese heilsame Überzeugung und bewirke, daß die Jahrtausendwende, die wir erleben, einen bedeutsamen Fortschritt zu Gerechtigkeit und Frieden verzeichnen kann. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: In Ravenna sind 13 Arbeiter beim Absturz eines Hubschraubers im Meer umgekommen. Die Schwierigkeit, die Leichen zu bergen, hat die Trauer der Stadt und den Schmerz der Familienangehörigen erschwert, die durch das Warten erschöpft sind. Ich möchte versichern, daß ich ihnen in der Hoffnung und im Gebet nahe bin. Der Geist — Quelle der Einheit Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Dezember 1. Wenn der Heilige Geist die Seele der Kirche ist entsprechend der christlichen, in der Lehre Christi und der Apostel gründenden Überlieferung, wie wir in den vorhergegangenen Katechesen gesehen haben, müssen wir sogleich hinzufügen, daß der heilige Paulus, wenn er die Kirche mit dem menschlichen Leib vergleicht, mit Nachdruck betont: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen ... und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt“ (1 Kor 12,13). Wenn die Kirche wie ein Leib und der Heilige Geist gleichsam dessen Seele ist, das heißt der Ursprung seines göttlichen Lebens, und wenn der Geist anderseits am Pfingsttag den Anfang der Kirche wirkte, indem er auf die Urgemeinde in Jerusalem (vgl. Apg 1,13) herabkam, so ist er von dem Tag an und für die neuen, späteren Generationen, die sich in die Kirche eingliedem, Ursprung und Quelle der Einheit, wie es die Seele im menschlichen Leib ist. <124> <125> <126> <124> Sagen wir gleich, daß es sich gemäß den Texten des Evangeliums und des heiligen Paulus um eine Einheit in der Vielfalt handelt. Der Apostel bringt das im ersten Brief an die Korinther klar zum Ausdruck: „Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus“ (i Kor 12,12). Nach dieser ontologischen Einleitung über die Einheit des Corpus Christi versteht man die Mahnung, die wir im Brief an die Epheser finden: „Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden“ (Eph 4,3). Wie man sieht, handelt es sich nicht um eine mechanische Einheit, ebensowenig um eine rein organische (wie die eines Lebewesens), sondern um eine geistliche Einheit, die eine ethische Verpflichtung mit sich bringt. Tatsächlich ist nach Paulus der Frieden die Frucht der Versöhnung durch das Kreuz Christi: „Durch ihn haben wir beide in dem einen Geist Zugang zum Vater“ (Eph 2,18). Der Ausdruck „beide“ in diesem Text bezieht sich auf die bekehrten Juden und Heiden, deren Versöhnung mit Gott der Apostel hervorhebt und ausführlich beschreibt, denn Gott machte alle zu einem Volk und einem Leib in einem Geist (vgl. Eph 2,11-18). Aber die Worte gelten für alle Völker, Natio- 231 AUDIENZEN UND ANGELUS nen und Kulturen, aus denen die an Christus Glaubenden kommen. Von allen kann man mit dem heiligen Paulus das sagen, was man weiter in diesem Text liest: „Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlußstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut“ (.Eph 2,19-22). 3. „Durch ihn [Christus] wird der ganze Bau zusammengehalten.“ Es gibt also eine Dynamik der Einheit der Kirche, die auf eine immer vollere Teilhabe an der trinitarischen Einheit Gottes selbst abzielt. Die Einheit der kirchlichen Gemeinschaft ähnelt der trinitarischen Gemeinschaft, dem unendlichen Höhepunkt, der zu allen Zeiten anzustreben ist. Zu Beginn der Meßfeier werden die Gläubigen in der nach dem Konzil erneuerten Liturgie mit den Worten des Paulus begrüßt: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen“ (2 Kor 13,13). Sie schließen die Wahrheit der Einheit im Heiligen Geist als Einheit der Kirche ein, die der heilige Augustinus so kommentierte: „Die Gemeinschaft der Einheit der Kirche ... ist beinahe ein eigenes Werk des Heiligen Geistes unter der Mitbeteiligung des Vaters und des Sohnes, denn der Geist selbst ist in gewisser Weise die Gemeinschaft des Vaters und des Sohnes (...). Der Vater und der Sohn besitzen gemeinsam den Heiligen Geist, denn der Geist ist von beiden“ (Sermo 71, 20.33: PL 38, 463-464). 4. Dieser Begriff der trinitarischen Einheit im Heiligen Geist ist eine Grundlage der Ekklesiologie als Quelle der Einheit der Kirche in Form der „Gemeinschaft“, wie das Zweite Vatikanische Konzil wiederholt bekräftigt. Wir zitieren hier die abschließenden Worte von Nr. 4 der Konstitution Lumen Gentium, die dem heiligmachenden Geist der Kirche gewidmet ist, wo ein bekannter Text des heiligen Cyprian von Karthago (De Orat. Dominica, 23: PL 4, 536) wiederholt wird: „So erscheint die ganze Kirche als ,das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk’“ (Lumen Gentium, Nr. 4; cf. 9; Gaudium etspes, Nr. 24; Unitatis redintegratio, Nr. 2. <127> <128> <129> <127> Man muß betonen, daß die kirchliche „Gemeinschaft“ durch das unmittelbare und ständige „Bleiben in der Einheit“ zum Ausdruck kommt, gemäß der Empfehlung von Paulus, die wir gehört haben, unabhängig von der vielfältigen Pluralität und Unterschiedlichkeit zwischen den Menschen, ethnischen Gruppen, Nationen und Kulturen. Der Heilige Geist, Quelle dieser Einheit, lehrt gegenseitiges Verständnis und Verzeihen (oder wenigstens Toleranz), indem er allen den geistlichen Reichtum des einzelnen zeigt; er lehrt die gegenseitige Ausspendung der jeweiligen geistlichen Gaben, deren Ziel es ist, die Menschen zu einen und nicht untereinander zu entzweien. Der Apostel sagt: „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,4-5). Auf geistlicher und ethischer Ebene, aber mit tiefem Widerschein auf die psychologische und gesellschaftliche Ebene ist die einende Kraft vor allem die ungeteilte und nach dem Gebot Christi geübte Liebe: „Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt 232 AUDIENZEN UND ANGELUS auch ihr einander lieben“ (Joh 13,34; 15,12). Nach dem heiligen Paulus ist diese Liebe die höchste Gabe des Heiligen Geistes (vgl. 1 Kor 13,13). 6. Leider wird diese Einheit im und vom Heiligen Geist, die dem Leib Christi eigen ist, durch die Sünde angefochten. So geschah es, daß im Laufe der Jahrhunderte die Christen nicht wenige Spaltungen erfahren haben, davon einige sehr schwere und andauernde. Diese Spaltungen lassen sich erklären, aber nicht rechtfertigen durch die Schwächen und Beschränkungen, die der verletzten menschlichen Natur innewohnen, die bestehen bleibt und sich auch in den Gliedern der Kirche und in ihren Häuptern selbst deutlich zeigt. Es ist die vom Zweiten Vatikanischen Konzil im Dekret Unitads redintegratio über den Ökumenismus ausgesprochene Überzeugung, die erkennt: „Unter dem Wehen der Gnade des Heiligen Geistes gibt es heute in vielen Ländern auf Erden Bestrebungen, durch Gebet, Wort und Werk zu jener Fülle der Einheit zu gelangen, die Jesus Christus will“ (Unitatisredintegratio, Nr. 4). Unum corpus, un-us Spiritus. Das ehrliche Streben nach dieser Einheit im Leib Christi entspringt dem Heiligen Geist und kann nur durch sein Werk zur vollen Verwirklichung des Ideals der Einheit führen. 7. Aber in der Kirche bewirkt der Heilige Geist außer der Einheit der Christen die universale Öffnung auf die gesamte Menschheitsfamilie hin, und er ist Quelle der universalen Gemeinschaft. Dieser auserlesenen und tiefen Quelle entspringt auf religiöser Ebene die Missionstätigkeit der Kirche von der Zeit der Apostel an bis in unsere Zeiten. Die Überlieferung der Väter bestätigt, daß von den ersten Jahrhunderten an die Mission mit Aufmerksamkeit und Verständnis für jene „Samen des Wortes“ (Semina Verbi) ausgeübt wurde, die in den verschiedenen nichtchristlichen Kulturen und Religionen enthalten sind, denen das letzte Konzil ein entsprechendes Dokument gewidmet hat (Nostra aetate: vgl. besonders Nr. 2 in bezug auf die alten Väter, unter ihnen der heilige Justinus, HApologia, 10; vgl. auch Adgen-tes, Nr. 15; Gaudium et spes, Nr. 22). Und dies, weil der Geist, der „weht, wo er will“ (vgl. Joh 3,8), Quelle der Inspiration für alles Wahre, Gute und Schöne ist, entsprechend dem herrlichen Ausspruch eines unbekannten Autors aus der Zeit Papst Damasus (366-384), der bestätigt: „Jede Wahrheit, von wem auch immer gesprochen, kommt vom Heiligen Geist“ (vgl. PL 191, 1651). Der heilige Thomas, der in seinen Werken diesen schönen Text mehrmals zu wiederholen liebt, kommentiert ihn in der Summa Theol.: „Welche Wahrheit auch immer, von wem auch immer gesprochen, kommt vom Heiligen Geist, der das natürliche Licht [des Verstandes] eingibt und dazu anregt, die Wahrheit zu verstehen und auszudrücken.“ Thomas von Aquin fährt fort: Der Geist tritt dann mit der Gnadengabe ein, die der Natur hinzugefügt wird, wenn es sich darum handelt, „gewisse Wahrheiten zu erkennen und auszudrücken, besonders die Glaubenswahrheit, auf die sich der Apostel bezieht, wenn er bekräftigt, daß ,keiner sagen kann: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet’ (1 Kor 12,3)“ (I-H, q.109, a.l, ad 1). Ihren ganzen Reichtum an Wahrheit auszuwählen und aufscheinen zu lassen, ebenso die im Geflecht der Kulturen vorhandenen Werte, ist eine grundlegende Aufgabe der Missionstätigkeit, die in der Kirche genährt wird vom Geist der Wahrheit, der als Liebe zur volleren Erkenntnis in der Nächstenliebe führt. <130> <130> Es ist der Heilige Geist, der sich selbst in die Kirche einfließen läßt als Liebe und heilbringende Kraft, die danach strebt, alle Menschen und die ganze Schöpfung zu erreichen. 233 AUDIENZEN UND ANGELUS Diese Kraft der Liebe endet damit, daß sie die Widerstände überwindet, obwohl sie - wie wir aus der Erfahrung und der Geschichte wissen, unaufhörlich gegen die Sünde ankämpfen muß und gegen alles, was im Menschen der Liebe entgegensteht, das heißt Egoismus, Haß, Mißgunst und Zerstörung. Aber der Apostel versichert uns, daß „die Liebe aufbaut“ (vgl. 1 Kor 8,1). Von der Liebe wird auch das Aufbauen der immer neuen und immer alten Einheit abhängen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Gemäß ältester christlicher Überlieferung, die auf die Verkündigung Jesu selbst und die Lehre der Apostel gründet, ist der Heilige Geist die Kraft, die die Kirche in ihrem Innersten beseelt. Doch müssen wir mit Paulus, wenn er den Leib der Kirche mit einem menschlichen Körper vergleicht, sofort hinzufügen, daß wir alle durch den einen Geist in der Taufe in einen einzigen Leib aufgenommen und alle mit dem einen Geist getränkt wurden (vgl. 1 Kor 12,13). Wenn die Kirche wie ein Körper ist und der Heilige Geist gleichsam dessen Seele, also das Prinzip seines göttlichen Lebens, wenn der Geist am Pfingsttag den Anfang der Kirche gewirkt hat, als er auf die versammelten Apostel herabkam (vgl. Apg 1,13), so ist er seit jenem Tag und von da an für alle Zeiten das Prinzip und die Quelle der Einheit, so wie es die Seele für den Körper ist. Freilich, so wollen wir gleich ergänzen, nach den Texten der Evangelien und des Heiligen Paulus handelt es sich dabei um eine Einheit in Vielfalt. Das bringt der Apostel im ersten , Korintherbrief deutlich zum Ausdruck, wenn er schreibt: „Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus“ (12,12). Der Heilige Geist ist es, der selbst die ganze Kirche mit heilender Kraft in Liebe durchwirkt, der alle Menschen zu erreichen sucht, ja alles Geschaffene. Diese Kraft der Liebe zielt darauf, die Widerstände zu überwinden, auch dann, wie wir aus der geschichtlichen Erfahrung wissen, wenn sie in dauerndem Kampf stehen muß mit der Sünde und all dem, was im Menschen der Liebe entgegensteht: Egoismus, Haß, Mißgunst und Zerstörung. Doch Paulus versichert uns, daß allein die Liebe die Kraft hat, stets neu aufzubauen (vgl. 1 Kor 8,1). Mit dieser Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Ein besonderer Willkommensgruß gilt der Pilgergruppe aus der Pfarrei „Zur Erhöhung des Heiligen Kreuzes“ aus Verdins in der Diözese Bozen-Brixen. Euch, liebe Schwestern und Brüder, euren lieben Angehörigen daheim sowie allen, die uns über Rundfunk und Fernsehen verbunden sind, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 234 AUDIENZEN UND ANGELUS Gesetz Ausdruck des Gemeinwohls Geistlicher Besuch in Jasna Göra 1. „Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, was uneben ist, soll zum ebenen Weg werden. Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt“ (Lk 3,4-6; vgl. Jes 40,3-5). Durch die Jahrhunderte läuft dieser Ruf des Propheten Jesaja. Er kommt aus der Tiefe des Alten Bundes. Er hallt wider am Jordan, wo Johannes eine Taufe und Umkehr predigte. Er kehrt jedes Jahr im Advent wieder, wenn wir uns auf das Kommen Gottes in der Menschwerdung vorbereiten. „Bereitet dem Herrn den Weg.“ 2. Vor dir, Liebe Frau von Jasna Göra, Mutter unseres Advents, denke ich mit meinen Landsleuten über diese prophetischen Worte nach. Sie sind besonders aktuell für die Gesellschaft, die in sich die Spuren von fünfzig schweren Jahren trägt. Jahre, die viele Wege des menschlichen Daseins verzerrt haben. Sie lasteten auf dem Bewußtsein und Verhalten. Sie verformten auch die Gewissen. Was heißt für uns „den Weg bereiten“? Was bedeutet, „was krumm ist“, gerade machen, „was uneben ist, zum ebenen Weg“ machen? Auf wie viele Bereiche unseres Lebens und unseres Zusammenlebens beziehen sich diese Worte? 3. Zu Recht schenkt man der neuen Gesetzgebung große Beachtung. Das Gesetz ist gewiß die Grundbedingung der Gesellschaftsordnung. Entsprechend der Definition von Thomas von Aquin kommt im Gesetz die Sorge um das Gemeinwohl zum Ausdruck. Das Gemeinwohl bedingt das Wohl der jeweiligen Bürger und umfaßt es zugleich im Maß des Wohls aller. Das Gesetz ist ein Ausdruck der Sorge, der aufrichtigen Sorge all jener Instanzen und Personen, denen die Gesellschaft die angemessene Gewalt anvertraut hat. Dieses von den Menschen festgelegte Gesetz macht nur dann „gerade, was krumm ist“, wenn in ihm das moralische Gesetz zum Ausdruck kommt, das höher steht als alle menschlichen Vorschriften. Mehr noch, es entscheidet gerade über den Wert jeden Gesetzes, inwieweit es Gesetz ist. Die dem moralischen Gesetz entgegenstehende menschliche Vorschrift verliert jede eigene Kraft. Sie gereicht sogar zum Schaden, manchmal in unberechenbarem Maß. Anstatt das, „was krumm ist, gerade zu machen“, führt sie abseits vom Weg. Deshalb ist sie verantwortlich für die Verformung der Gewissen, denn die Einzelpersonen werden gedrängt, das für „moralisch“ zu halten, was „gesetzlich“ ist. <131> <131> Zusammen mit den Pilgern aus der Heimat bitte ich dich, Mutter von Jasna Göra, an der Schwelle unseres Advents für die polnischen Gesetzgeber um Klugheit und Unerschrockenheit und für alle Landsleute um die Liebe zum wahren Guten, das die Grundlage der gesellschaftlichen Erneuerung ist. Daß ihnen nicht die Kraft des Geistes dazu fehle, „was krumm ist, gerade zu machen“. 235 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria, Mutter der Menschheit Angelus am 8. Dezember Liebe Schwestern und Brüder! 1. Unsere Gedanken wenden sich jetzt beim Angelusgebet der Immakulata zu, die „voll der Gnade“ ist und von ihrer Empfängnis an vor jeder Sünde bewahrt wurde, weil sie dazu bestimmt war, Mutter Gottes zu sein. In ihr triumphiert die Macht des Erbarmens, die die Gewalt des Satans niederreißt, und in ihrem unbefleckten Schoß wird der Erlöser der Welt Mensch. Ein außerordentliches und unvergleichliches Vorrecht ist deshalb die Unbefleckte Empfängnis. Dank ihr geht die Jungfrau der Kirche voran und stellt ihr unaufhörlich den Heilsplan vor Augen, den die heutige Liturgie mit den Worten des Apostels Paulus an die Epheser in Erinnerung ruft: In Christus hat der Vater „uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott“ (Eph 1,4). 2. Maria erscheint vor uns so als Erste der Erlösten und als ihr Vorbild, weil sie, von der Knechtschaft des Bösen ganz befreit und Gegenstand besonderer göttlicher Erwählung, in ihrem Leben den Weg des von Christus geretteten Volkes vorwegnimmt. Maria beugt sich über uns als fürsorgliche und vorausschauende Mutter; für alle ist sie wie ein „Spiegel“, eine lebende Ikone, in der sich die Großtaten Gottes in tiefster und reinster Weise widerspiegeln (vgl. Redemptoris Mater, Nr. 25). <132> <132> Ich lade euch, liebe Gläubigen Roms, und auch euch, Pilger und Gäste dieser Stadt, ein, voll Freude dieses große Marienfest zu feiern, das sich in die Adventszeit zur Vorbereitung auf Weihnachten gut einfügt. Ich lade euch besonders ein zur gemeinsamen traditionellen Verehrung der Immakulata heute nachmittag auf dem Spanischen Platz und zur Eucharistiefeier in der Patriarchalbasilika Santa Maria Maggiore. Möge von Rom aus, wo die Verehrung der Immakulata fest verwurzelt ist, ein inständiges und gemeinsames Gebet aufsteigen, ein glühendes Flehen um Erbarmen und Frieden für alle Völker der Welt. Du, Fürsprecherin der Menschheit und Mutter der Kirche, erlange Gerechtigkeit für die Schwachen und Unterdrückten, Trost für die Kranken und Leidenden, Ausgewogenheit und Gnade für alle! Bitte für das dir anvertraute Volk, damit das Licht des Advents die Finsternis des Hasses und des Egoismus zerstreue, die die Gewissen verdunkeln, und alle Menschen zur Begegnung mit deinem Sohn Jesus führe. Bitte für alle und jeden einzelnen, o Jungfrau Maria, denn es gibt keine menschliche Schwäche, die dein reinster Blick nicht verstehen und verzeihen kann. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Übermorgen wird der 42. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte begangen, die von der Vollversammlung der Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 angenommen wurde. 236 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich weiß, daß viele Menschen in verschiedenen Teilen der Welt eine wirksamere Anerkennung und eine größere Achtung dieser Grundwerte fordern. Deshalb lade ich euch ein, euch mit mir im Gebet zu vereinen, damit alle von dieser Erklärung gesteckten Ziele bald erreicht und voll verwirklicht werden; jener Erklärung, die ein unersetzlicher Bezugspunkt für die Förderung der Menschenwürde ist. Niemand ist vom Heil ausgeschlossen Angelus am 2. Adventssonntag, 9. Dezember 1. Der heilige Johannes der Täufer, den wir am 2. Adventssonntag betrachten,, stellt dem Volk Jesus als „das Lamm Gottes“ vor, das gekommen ist, um die Sünde der Welt hinwegzunehmen und die Menschen vom Bösen zu befreien (vgl. Joh 1,29). Eine Befreiung, die nicht nur einen inneren Gehalt hatte, sondern sich auf alle sozialen Lebensdimensionen erstreckte. Es ist interessant, in der Predigt Johannes des Täufers einige der Probleme angesprochen zu sehen, zu denen am Ende des 19. Jahrhunderts Leo XIII. mit der Enzyklika Rerum novarum Stellung genommen hat. 2. Johannes lehrte „das Volk, das in Scharen zu ihm hinauszog“ (Lk 3,7), die Rettung vor dem „kommenden Gericht“ nicht im Berufen auf einen ethnisch-religiösen Vorrang zu suchen: „Wir haben ja Abraham zum Vater!“, sondern im Hervorbringen von „Früchten, die eure Umkehr zeigen“ (Lk 3,10). Zu den Volksscharen sagte er: „Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso“ (Lk3,10): eine Vorwegnahme des.Evangeliums vom Teilen der Güter und ihrer Unterordnung unter das Recht auf Leben.. Den Zöllnern, die sich mit der Steuereinziehung befaßten und in gewisser Weise die Verantwortlichen der öffentlichen Verwaltung waren, antwortete er: „Verlangt nicht mehr, als festgesetzt ist“ (Lk3,13): das heißt, verhaltet euch gemäß den Gesetzen, die festgelegt sind, um den Erfordernissen der Gerechtigkeit zu entsprechen; seid korrekt, respektiert die Rechte des Volkes, besonders der Armen. Einigen Soldaten, die ihn fragten: „Was sollen denn wir tun?“, empfahl er, niemanden zu mißhandeln, niemanden zu erpressen und sich mit dem eigenen Sold zu begnügen (vgl. Lk 3,14). Eine deutliche Mahnung, die Macht nicht zu mißbrauchen, die Personen zu achten, ihre Rechte nicht zu verletzen, sondern ihnen zu dienen. <133> <133> In der Lehre des Johannes, die die Lehre Jesu angekündigte, zeigt sich eine grundlegend positive Sicht der Gesellschaft, der Klassen und der Berufe: Keine von ihnen schließt jemanden vom Heil aus, wenn er sich bemüht, Gerechtigkeit und Liebe zu üben. Aber Johannes der Täufer ist streng, ja roh in seiner Verkündigung des Christus, der mit der Schaufel kommen 237 AUDIENZEN UND ANGELUS wird, um die Spreu vom Weizen zu trennen und die Axt an die Wurzel der Bäume zu legen. Es handelt sich um eine klare und eindringliche Botschaft, die die neuen Beziehungen der Gerechtigkeit unter den Menschen vorzeichnet. Aus dieser Botschaft kommt die Soziallehre Leo XIII., der das Werk Johannes des Täufers fortsetzt, von dem Lukas schreibt: „Mit diesen und vielen anderen Worten ermahnte er das Volk in seiner Predigt“ (Lk3,18). Wir bitten Maria, auch die heutige Generation offen für die Anforderungen des Evangeliums zu machen, das die Verkündigung der Liebe ist - nicht eine Schwächung der Gerechtigkeit, sondern ihre vollkommenere Verwirklichung. Kirche ist Versammlung der Gläubigen Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Dezember 1. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die enge Beziehung hervorgehoben, die in der Kirche zwischen der Gabe des Heiligen Geistes und der Berufung und dem Streben der Gläubigen nach Heiligkeit besteht: „Denn Christus, der Sohn Gottes, der mit dem Vater und dem Geist als ,allein Heiliger’ gepriesen wird, hat die Kirche als seine Braut geliebt und sich für sie hingegeben, um sie zu heiligen (vgl. Eph 5,25-26), er hat sie als seinen Leib mit sich verbunden und mit der Gabe des Heiligen Geistes reich beschenkt zur Ehre Gottes. Daher sind in der Kirche alle ... zur Heiligkeit berufen ... Diese Heiligkeit der Kirche tut sich aber in den Gnadenfrüchten, die: der Heilige Geist in den Gläubigen hervorbringt, unaufhörlich kund und muß das tun. Sie drückt sich vielgestaltig in den Einzelnen aus, die in ihrer Lebensgestaltung zur Vollkommenheit der Liebe in der Erbauung anderer streben“ (Lumen Gentium, Nr. 39). Das ist ein weiterer Grundaspekt des Wirkens des Heiligen Geistes in der Kirche: Quelle der Heiligkeit zu sein. 25Die Heiligkeit der Kirche - so geht es aus dem genannten Konzilstext hervor - hat ihren Ursprung in Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der Mensch geworden ist durch das Wirken des Heiligen Geistes und geboren wurde von der Jungfrau Maria. Die Heiligkeit Jesu in seiner Empfängnis und Geburt durch das Wirken des Heiligen Geistes steht in enger Verbindung mit der Heiligkeit derjenigen, die Gott zur Mutter seines Sohnes erwählt hat. Das Konzil sagt weiter, „daß es bei den heiligen Vätern gebräuchlich wurde, die Gottesmutter ganz heilig und von jeder Sündenmakel frei zu nennen, gewissermaßen vom Heiligen Geist gebildet und zu.einer neuen Kreatur gemacht“ (Lumen Gentium, Nr. 56). Es ist die erste und höchste Verwirklichung der Heiligkeit in der Kirche durch den Heiligen Geist, der heilig ist und heilig macht. Die Heiligkeit Mariens ist ganz hingeordnet auf die höchste Heiligkeit der Menschheit Christi, den der Heilige Geist gesalbt und mit Gnade erfüllt hat vom Anfang seines Lebens auf Erden bis zu dessen Ende in Herrlichkeit, als Jesus, „dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten“ (Röm 1,4), sich offenbart. 238 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Diese Heiligkeit der Kirche erstrahlt am Pfingsttag nicht nur in Maria, sondern auch in den Aposteln und Jüngern, die mit ihr „mit dem Heiligen Geist erfüllt“ werden (Apg 2;4). Von da an bis zum Ende der Zeiten wird diese Heiligkeit, deren Fülle immer Christus ist, von dem wir jede Gnade empfangen (vgl. Joh 1,16), all denen geschenkt, die durch die Lehre der Apostel sich dem Wirken des Heiligen Geistes öffnen, wie der Apostel Petrus in seiner Pfingst-rede forderte: „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2,38). An jenem Tag begann die Geschichte der christlichen Heiligkeit, zu der sowohl die Juden wie auch die Heiden berufen sind, die durch Christus „in dem einen Geist Zugang zum Vater“ haben (Eph 2,18). Gemäß dem Text, der bereits in der vorhergehenden Katechese zitiert wurde, sind alle berufen, „Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ zu werden. „Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlußstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut“ (Eph 2,19-22). Diese Auffassung vom Tempel ist dem Apostel lieb, der an einer anderen Stelle fragt: „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1 Kor 3,16). Und weiter: „Euer Leib [ist] ein Tempel des Heiligen Geistes“ (1 Kor 6,19). Es ist klar, daß im Kontext der Briefe an die Korinther und an die Epheser der Tempel nicht nur ein architektonischer Bau ist. Er ist die bildliche Darstellung der Heiligkeit, gewirkt durch den Heiligen Geist in den in Christus lebenden und in der Kirche geeinten Menschen. Und die Kirche ist der „Raum“ dieser Heiligkeit. <134> <135> <136> <134> Auch der Apostel Petrus spricht in seinem ersten Brief in derselben Weise und gibt uns dieselbe Lehre. Während er sich an die „Auserwählten, die als Fremde (unter den Heiden) in der Zerstreuung leben“, wendet, erinnert er sie daran, daß sie „von Gott, dem Vater, von jeher ausersehen und durch den Geist geheiligt [sind], um Jesus Christus gehorsam zu sein und mit seinem Blut besprengt zu werden“ (1 Petr 1,1-2). Kraft dieser Heiligung im Heiligen Geist werden alle „als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufgebaut, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen“ (1 Petr 2,5). Bedeutsam ist diese Verbindung, die der Apostel zwischen der Heiligung und den „geistigen Opfern“ herstellt und die in Wirklichkeit Teilhabe am Opfer Christi selbst und an seinem Priestertum ist. Es ist eines der Grundthemen des Briefes an die Hebräer. Aber auch im Römerbrief spricht der Apostel Paulus davon, daß die Menschen (Heiden) durch das Evangelium eine „Opfergabe“ werden sollen, „die Gott gefällt, geheiligt im Heiligen Geist“ (.Rom 15,16). Und im zweiten Brief an die Thessalonicher ruft er dazu auf, Gott zu danken, „weil Gott euch als Erstlingsgabe dazu auserwählt hat, aufgrund der Heiligung durch den Geist und aufgrund eures Glaubens an die Wahrheit gerettet zu werden“ (2 Thess 2,13): Alles Zeichen für das den ersten Christen gemeinsame Bewußtsein vom Wirken des Heiligen Geistes als Urheber der Heiligkeit in ihnen und in der Kirche und folglich ihrer Eigenschaft als Tempel Gottes und des Geistes, der ihnen gegeben war. 239 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Der heilige Paulus betont ausdrücklich, daß der Heilige Geist die menschliche Heiligung wirkt und die kirchliche Gemeinschaft der Gläubigen formt, die an seiner Heiligkeit selbst teilhaben. In der Tat sind die Menschen „reingewaschen, geheiligt, gerecht geworden im Namen Jesu Christi, des Herrn, und im Geist unseres Gottes“ (1 Kor 6,11). „Wer sich ... an den Herrn bindet, ist ein Geist mit ihm“ (1 Kor 6,17). Und diese Heiligkeit wird das wahre Dienen des lebendigen Gottes: das „im Geist Gottes“ Dienen (vgl. Phil 3,3). Diese Lehre des Paulus wird in Bezug gesetzt zu den Worten Christi, im Johannesevangelium wiedergegeben über die „wahren Beter“, die „den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden“ (Joh 4,23-24). Dieser Dienst „im Geist und in der Wahrheit“ hat in Christus seine Wurzel, aus der sich die ganze Pflanze entwickelt, lebendig gemacht durch den Geist, wie Jesus selbst im Abendmahlssaal sagt: „Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden“ (Joh 16,14). Das ganze „opus laudis“ im Heiligen Geist ist der „wahre Dienst“, der dem Vater vom Sohn, dem menschgewordenen Wort, dargebracht und den Gläubigen vom Heiligen Geist mitgeteilt wird. Es ist also auch die Verherrlichung des Sohnes selbst im Vater. 6. Die Mitteilung des Heiligen Geistes an die Gläubigen und die Kirche geschieht auch unter all den anderen Aspekten der Heiligung: der Reinigung von der Sünde (vgl. 1 Pe£r4,8), der Erleuchtung des Verstandes (vgl. Joh 14,26; 1 Joh 2,27), der Erfüllung der Gebote (vgl. Joh 14,23), der Ausdauer auf dem Weg zum ewigen Leben (vgl. Eph 1,13-14; Röm 8,14-16), dem Hören auf das, „was der Geist den Gemeinden sagt“ (vgl. Offb 2,7). In der Betrachtung dieses Werkes der Heiligung findet der heilige Thomas von Aquin in der Katechese über das Glaubensbekenntnis der Apostel den Abschnitt des Artikels über den Heiligen Geist angemessen an jenen über die „heilige katholische Kirche“, denn er schreibt: „Wie wir sehen, daß in einem Menschen eine Seele und ein Leib und doch verschiedene Glieder sind, so ist die katholische Kirche ein einziger Leib mit verschiedenen Gliedern. Die Seele, die diesen Leib lebendig macht, ist der Heilige Geist. Und deshalb sind wir nach dem Glauben an den Heiligen Geist gehalten, an die heilige katholische Kirche zu glauben, wie wir im Glaubensbekenntnis sprechen. Nun bedeutet Kirche Versammlung, und deshalb ist die Kirche die Versammlung der Gläubigen, und jeder Christ ist gleichsam ein Glied der Kirche, die heilig ist... durch die Reinigung im Blut Christi, durch die Salbung mit der Gnade des Heiligen Geistes, durch die Einwohnung der Dreifaltigkeit, durch die Anrufung des Namens Gottes im Tempel der Seele, den man nicht verderben darf (vgl. 1 Kor 3,17)“ (In Symb. Apost., a.9). Und nachdem er die Merkmale der Kirche dargestellt hat, geht Thomas von Aquin zum Artikel über die Gemeinschaft der Heiligen über: „Wie im natürlichen Leib das Wirken eines jeden Gliedes im Wohl des ganzen Leibes zusammenfließt, so geschieht es im geistlichen Leib, der Kirche. Weil alle Gläubigen ein einziger Leib sind, wird das Wohl jedes einzelnen dem andern mitgeteilt (vgl. Röm 12,5): Nach dem Glauben der Apostel gibt es also in der Kirche die Gemeinschaft der Güter in Christus, der als Haupt sein Wohl allen Christen als den Gliedern seines Leibes mitteilt“ (In Symb. Apost., a.10). <137> <137> Die Logik dieser Ausführungen gründet in der Tatsache, daß die Heiligkeit, deren Quelle der Heilige Geist ist, die Kirche und ihre Glieder begleiten muß auf dem ganzen Pilgerweg 240 AUDIENZEN UND ANGELUS bis zu den ewigen Wohnungen. Deshalb sind im Glaubensbekenntnis die Artikel über den Heiligen Geist, die Kirche und die Gemeinschaft der Heiligen miteinander verbunden: „Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen.“ Die Vervollkommnung dieser Einheit - dieser Gemeinschaft der Heiligen - wird die escha-tologische Frucht der Heiligkeit sein, die auf Erden vom Heiligen Geist der Kirche geschenkt wird in ihren Söhnen und Töchtern, in jedem Menschen, in jeder Generation, durch die ganze Geschichte hindurch. Und wenn auch auf diesem irdischen Pilgerweg die Söhne und Töchter der Kirche wiederholt „den Heiligen Geist beleidigen“ (vgl. Eph 4,30), sagt uns der Glaube, daß sie, die „das Siegel“ dieses Geistes „für den Tag der Erlösung“ (ebd.) tragen, trotz ihrer Schwächen und Sünden auf den Wegen der Heiligkeit fortschreiten können bis zum Ende. Die Wege sind vielfältig, und groß ist auch die Vielfalt der Heiligen in der Kirche. „Auch die Gestirne unterscheiden sich durch ihren Glanz“ (1 Kor 15,41). Aber „es gibt nur einen Geist“, der auf seine eigene göttliche Art und Weise in jedem die Heiligkeit verwirklicht. Deshalb können wir voll Glaube und Hoffnung die Mahnung des Apostels Paulus beherzigen: „Daher, geliebte Brüder, seid standhaft und unerschütterlich, nehmt immer eifriger am Werk des Herrn teil, und denkt daran, daß im Herrn eure Mühe nicht vergeblich ist“ (1 Kor 15,58). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In seiner Kirchenkonstitution hat das II. Vatikanische Konzil hervorgehoben, daß die Kirche unzerstörbar heilig ist, weil Christus, der Sohn Gottes, der mit dem Vater und dem Geist als „allein Heiliger“ gepriesen wird, die Kirche als seine Braut geliebt und sie mit den Gaben des Heiligen Geistes beschenkt hat (vgl. Lumen Gentium, Nr. 39). Hiermit sprechen wir in unseren Katechesen über den Heiligen Geist einen weiteren fundamentalen Aspekt an: der Geist als Quelle der Heiligkeit in der Kirche. Die Heiligkeit der Kirche hat, wie das Konzil betont, ihren Ursprung in Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der Mensch geworden ist durch das Wirken des Heiligen Geistes und geboren wurde von der Jungfrau Maria. Die Heiligkeit Jesu selbst in seiner Empfängnis und Geburt steht in enger Verbindung mit der Heiligkeit derjenigen, die Gott zur Mutter seines Sohnes erwählt hat. „Daher ist es nicht verwunderlich, daß es bei den heiligen Vätern gebräuchlich wurde, die Gottesmutter ganz heilig und von jeder Sündenmakel frei zu nennen, gewissermaßen vom Heiligen Geist gebildet und zu einer neuen Kreatur gemacht“ (Lumen Gentium, Nr. 59). Dies ist die erste und höchste Verwirklichung der Heiligkeit in der Kirche aus der Kraft des Geistes, der heilig ist und Heiligkeit spendet. Die Heiligkeit Mariens ist ganz hingeordnet auf die Heiligkeit Christi selbst, den der Geist gesalbt und mit Gnade erfüllt hat vom Anfang seines irdischen Wirkens bis zur Verherrlichung am Ende seines Lebens, als er „dem Geist der Heiligkeit nach eingesetzt ist als Sohn Gottes in Macht seit der Auferstehung von den Toten“ (Röm 1,4). Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher sehr herzlich. Euch, liebe Brüder und Schwestern, euren lieben Angehörigen daheim sowie den über Rundfunk und Fernsehen mit uns Verbundenen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 241 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Frau Kraft für die anderen Geistlicher Besuch in Jasna Göra 1. „Maria ist diejenige, die als erste ,geglaubt hat’; mit diesem ihrem Glauben als Jungfrau und Mutter will sie auf alle jene einwirken, die sich ihr als Kinder anvertrauen ... Diese ma-rianische Dimension im christlichen Leben erhält einen eigenen Akzent im Blick auf die Frau und ihre Lebenslage. In der Tat enthält das Wesen der Frau ein besonderes Band zur Mutter des Erlösers ... Gott [hat sich] im erhabenen Geschehen der Menschwerdung seines Sohnes dem freien und tätigen Dienst einer Frau anvertraut. Man kann daher sagen, daß die Frau durch den Blick auf Maria dort das Geheimnis entdeckt, wie sie ihr Frausein würdig leben und ihre wahre Entfaltung bewirken kann“ (Redemptoris Mater, Nr. 46). Ich wiederhole diese Worte der Enzyklika Redemptoris Mater, die mit der Vorbereitung auf den Beginn des 3. Jahrtausends nach der Geburt Christi verbunden ist. Ich lese sie wieder in der liturgischen Adventszeit, in der die Immakulata einen besonderen Platz einnimmt. 2. Ich lese sie auch wieder in Erinnerung an die historische Wallfahrt der polnischen Frauen nach Jasna Göra, die am 3. Mai 1982 stattfand und gleichsam eine besondere Antwort auf den am 13. Dezember 1981 begonnenen Kriegszustand war. Die Frauen aus ganz Polen haben dir, Mutter von Jasna Göra, damals eine besondere Votivgabe dargebracht: den Kelch des Lebens und der Wandlung der Nation. Das bringt diese Votivgabe zum Ausdruck! Wie sehr spricht sie von unserer jüngsten und ferneren Vergangenheit! Wie groß ist die Verpflichtung für die Zukunft! <138> <138> „Die moralische Kraft der Frau und ihre geistige Kraft verbinden sich mit dem Bewußtsein, daß Gott ihr in einer besonderen Weise den Menschen anvertraut... Die Frau ist stark im Bewußtsein der ihr anvertrauten Aufgabe ... Dieses Bewußtsein und diese grundlegende Berufung erinnern die Frau an die Würde, die sie von Gott selber empfängt, und das macht sie ,stark’ ... So wird [sie] ... zu einer unersetzlichen Stütze und einer Quelle geistiger Kraft für die anderen ... Diesen süchtigen Frauen’ haben ihre Familien und oft ganze Nationen viel zu verdanken“ (Mulieris dignitatem, Nr. 30). Hat sich diese Tatsache nicht auch in unserer Geschichte erwiesen? Besonders in den für das Vaterland schwierigsten Zeiten! Haben die Invasoren selbst und die Verfolger für die polnische Frau nicht ein solches Zeugnis abgelegt? Unsere Liebe Frau von Jasna Göra! Unbefleckte Mutter, virgo paritura! In unserer Zeit, in der „der einseitige Fortschritt auch zu einem schrittweisen Verlust der Sensibilität für den Menschen“ führen kann, erwartet unser Vaterland und die gesamte Menschheit, „daß jener ,Genius’ der Frau zutage trete, der die Sensibilität für den Menschen, eben weil er Mensch ist, unter allen Umständen sicherstellt und so bezeugt: ,Die Liebe ist am größten’ (vgl. 1 Kor 13,13)“ (ebd.). 242 AUDIENZEN UND ANGELUS Verantwortungsvoll für die Gegenwart und die Zukunft sorgen Angelus am 3. Adventssonntag, 16. Dezember Liebe Schwestern und Brüder! 1. Die heutige Liturgie stellt uns Johannes den Täufer vor, der am Ufer des Jordan auf Jesus, den von den Propheten angekündigten Messias, hinweist und seinem Dienst den Weg öffnet, indem er von der neuen Taufe spricht, die dieser „mit dem Heiligen Geist und mit Feuer“ erteilen wird (Lk 3,16). Christus kam tatsächlich in die Welt als lebendiges Abbild des dreifältigen Geheimnisses -des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes -, ewige Wirklichkeit des Seins, das Wahrheit und Liebe ist; des Geheimnisses, das sich durch die Schöpfung der Welt eröffnet hat und dem Menschen durch die Erlösung mitgeteilt wurde. Christus ist zugleich das lebendige Abbild des Menschen, seiner Erlösung und Erhöhung und damit seiner wahren Größe, trotz des personalen und sozialen Dramas, das in den Tagen des Siindenfalls von Adam und Eva enthüllt, dargelegt und erfahren wurde. In ihm findet jeder Mensch — jung oder alt, gelehrt oder unwissend, reich oder arm, Arbeitgeber oder Arbeitnehmer - die vollen Gründe seiner Würde als Person, die zu einer transzendentalen Bestimmung in Herrlichkeit berufen ist. <139> <139> Gerade diese Würde forderte Papst Leo XIII. für die Arbeiter in der Enzyklika Rerum novarum, indem er ihr Recht unterstrich, in Gegenwart und Zukunft verantwortungsvoll für sich selbst zu sorgen, um so die laufenden Bedürfnisse mit Hilfe der Gesellschaft und des Staates zu befriedigen, jedoch ohne einer einzigen riesigen und bedrückenden Sozialherrschaft zu unterliegen als Menschen, die unwissend und unfähig sind, sich selbst zu versorgen. Deshalb mahnte Papst Leo die „Besitzer und Arbeitgeber“ und erinnerte sie an ihre Pflichten, die damit beginnen, daß man „die persönliche Würde“ der Arbeiter achtet und es vermeidet, diese wie „Hörige“ zu behandeln, denn es wäre „wirklich schändlich, wenn man den Menschen im Erwerbsbetrieb verbraucht und aushöhlt und ihn nicht höher wertet, als seine Nerven und Muskeln hergeben können“. Wir werden noch mehrmals auf das Thema der Würde des Menschen zu sprechen kommen, die in allen Menschen geachtet werden muß gemäß der Anwendung, die Leo XIU. hinsichtlich der sozialen Beziehungen in der heutigen Welt aufzeigte. Hier drängt es mich zu unterstreichen, daß dieses Thema Inspiration und Gehalt empfängt von dem entscheidenden geschichtlichen Ereignis: der Menschwerdung des Wortes, dem Kommen dessen, der durch sein Wort und die Tatsache seines Lebens mitten unter uns selbst lehrte, daß von Mensch zu Mensch keine Beziehungen gegeben sein können, die nicht vom Licht jenes Abbilds des Guten, der Liebe und der Wahrheit erleuchtet sind, das Christus ist, „der Abglanz der Herrlichkeit“ des Vaters und „das Abbild seines Wesens; er trägt das All durch sein machtvolles Wort“, wie wir im Prolog des Hebräerbriefes (1,3) lesen. 243 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Dies ist die christliche Offenbarung vom wahren Antlitz des Menschen: Jeder Mann, jede Frau erhält im Licht Christi eine Bedeutung, einen Wert, der das Prinzip ist für die Lösung des inneren und äußeren Dramas des durch die Erbschuld von Adam und Eva beladenen Lebens sowie der Schlußstein des fortdauernden persönlichen und sozialen Wiederaufbaus. In Maria, liebe Schwestern und Brüder, steht vor uns das Endergebnis dieses Wiederaufbaus. In ihr, der neuen Eva, erstrahlt in voher Schönheit der Plan, den Gott in der Geschichte entwickelt im Blick auf seine Vollendung am jüngsten Tag. Bitten wir die seligste Jungfrau darum, verantwortungsbewußt an diesem einzigartigen Unternehmen mitarbeiten zu können. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: 1. Unser Gebetstreffen will heute vor allem an die Opfer des Erdbebens erinnern, das in diesen Tagen die Ostküste von Sizilien heimgesucht hat. Besonders traurig ist, daß unter den Toten auch einige Kinder sind. Wir empfehlen Gott die Seelen der Verstorbenen dieses Unglücks, die Leiden der Angehörigen und der Verletzten und all derer, die ihre Behausung verloren haben; zugleich bitten wir durch die Fürsprache Mariens darum, daß Trost, Gelassenheit und Glaubenskraft einkehren mögen. Ebenso wünsche ich, daß die hilfreiche Solidarität aller im Werk des Wiederaufbaus Ausdruck finde. 2. Ich begrüße die Gruppen der Neokatechumenalen Gemeinschaften einiger römischer Pfarreien, die heute nach St. Peter gekommen sind, um durch den Gesang des Credo ihr Glaubensbekenntnis zu erneuern. Zugleich lade ich sie ein, in dieser Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten den Glauben an Christus, den einzigen Herrn, den eingeborenen Sohn des Vaters, zu stärken entsprechend der altehrwürdigen Worte des Apostolischen Glaubensbekenntnisses Weihnachten das Fest der Liebe Ansprache bei der Generalaudienz am 19. Dezember „Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,13-14). 1. Liebe Schwestern und Brüder, diese Generalaudienz findet während der Novene zur Vorbereitung auf Weihnachten statt, das heißt zur Vorbereitung auf das liturgische Gedenken der Geburt Jesu, des Messias, der von den Propheten angekündigt und vom Volk Israel erwartet worden war. Jedes Jahr erklingt von neuem in unseren Herzen der frohlockende Chor der Engel, die den Hirten das einzigartige Ereignis verkünden und sie einladen, nach Betlehem zu kommen, um den Retter, Christus, den Herrn, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend (vgl. Lk 2,11), zu sehen. 244 AUDIENZEN UND ANGELUS Auch wir gehen im Geist nach Betlehem, eilen innerlich bewegt zu der einfachen Krippe, in die Maria ihr neugeborenes Kind gelegt hat, „weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk2,7). Weihnachten ist ein weltumspannendes Fest; auch wer nicht glaubt, spürt bei dieser Gelegenheit etwas, das ganz anders und transzendent ist. Aber der Christ weiß, daß das zentrale Ereignis der menschlichen Geschichte gefeiert wird: die Menschwerdung des göttlichen Wortes zur Rettung der Menschheit. Der Autor des Briefes an die Hebräer, der zu einem Zeitpunkt schrieb, der diesem einzigen und außerordentlichen Geschehen noch ziemlich nah war, erläuterte: „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat; er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Abbild seines Wesens; er trägt das All durch sein machtvolles Wort“ (Hebr 1,1-3). Wir wissen, daß dieses kleine und arme Kind, verborgen und hilflos, der für uns Mensch gewordene Gott selbst ist. Er ist das Licht der Menschen, das in der Finsternis leuchtet; das geistliche Leben, das die Seele lebendig macht, und die Wahrheit, die ihren Glanz auf den letzten Sinn des Lebens wirft. Der Apostel Johannes bekräftigt: „Die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus. Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,17-18). 2. Wir müssen eindringlich darüber nachdenken, warum Jesus Mensch wurde. Es ist wichtig, daß das in unserem Geist immer gegenwärtig ist, wenn wir wollen, daß sich Weihnachten nicht auf ein rein sentimentales oder auf Konsum ausgerichtetes Fest reduziert, reich an Geschenken und guten Wünschen, aber arm an echtem christlichem Glauben. In der Tat läßt Weihnachten uns einerseits nachdenken über die Dramatik der menschlichen Geschichte, in der die von der Sünde verletzten Menschen ständig auf der Suche sind nach Wahrheit, Verzeihung, Erbarmen, Rettung; anderseits denken wir an die Güte Gottes, der dem Menschen entgegengekommen ist, um ihm unmittelbar die rettende Wahrheit mitzuteilen und ihn an seiner Freundschaft und seinem Leben teilhaben zu lassen. Weihnachten ist das Fest der göttlichen Liebe: aus Liebe hat er uns geschaffen, aus Liebe hat er uns in Christus erlöst und erwartet uns in seinem Reich. Der heilige Bernhard, der große Kirchenlehrer, dessen 900. Todestag wir in diesem Jahr begangen haben, bekräftigt in seiner Dritten Adventspredigt. „Christus kam nicht nur unter uns, sondern für uns ... Wenn man bedenkt, werden wir erbärmlich niedergedrückt durch drei Gebrechen: wir sind leicht zu verführen, schwach im Handeln, zerbrechlich im Widerstehen. Wenn wir das Gute vom Bösen unterscheiden wollen, täuschen wir uns; wenn wir versuchen, Gutes zu tun, fehlt uns die Kraft; wenn wir uns bemühen, dem Bösen zu widerstehen, sind wir niedergeschlagen und überwältigt. Deshalb ist das Kommen des Retters notwendig und die Gegenwart Christi unter den so bedrückten Menschen notwendig. O möge er kommen und in uns wohnen; möge er mit der Gnade des Glaubens unsere Blindheit erleuchten; möge er bei uns bleiben und unserer Schwachheit zu Hilfe kommen; möge er sich zu unserer Verteidigung erheben, unsere Zerbrechlichkeit schützen und für uns kämpfen.“ Weihnachten muß in uns Glaubenden auch den Wunsch neu erwecken, der ganzen Menschheit das Licht Christi zu bringen. Wenn er 245 AUDIENZEN UND ANGELUS auch erkennt, wieviel Wahres und Gutes in den anderen religiösen Traditionen vorhanden ist, weiß der Christ doch, daß nur Jesus, der in Betlehem geborene göttliche Erlöser, der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Weihnachten wird deshalb zu einem Fest tiefer Verpflichtung: Jeder, der das Jesuskind in der Krippe von Betlehem anbetet, versteht, daß er eine eigene Aufgabe in der Verkündigung der Frohbotschaft wahmehmen muß. Durch seine Geburt in Demut und Armut hat Gott sozusagen seine Allmacht eingeschränkt, um uns zu mächtigen Werkzeugen im Heilsplan der Vorsehung zu machen! 3. Bereiten wir uns deshalb auf Weihnachten vor mit tiefem Emst und Hingabe in dem Bewußtsein, daß das liturgische Gedenken der Geburt des Erlösers das christliche Leben immer glaubwürdiger und überzeugender machen muß. Jesus, arm und fern der Heimat Nazaret geboren, wollte einfache und schlichte Menschen um sich, wie Maria und Josef, die Hirten, die Sterndeuter. Er lehrt uns auf diese Weise, daß für Gott die wahren Werte in der Demut, der Verborgenheit, der gelassenen und frohen Annahme seines Willens und in der Liebe bestehen, die bereit ist, sich über so viele Bedürfnisse und so viele Nöte des Nächsten zu beugen. Weihnachten, das Fest der Liebe Gottes zu den Menschen, wird auf diese Weise auch das Fest unserer Liebe zu unseren Schwestern und Brüdern. Während ich euch allen die herzlichsten Weihnachtswünsche ausspreche, hoffe ich von Herzen, daß ihr Zeugen und Boten dieser Liebe sein könnt. Tragt Freude und Wärme in eure Häuser, in eure Pfarrgemeinden, überallhin, wo sich euer Leben abspielt. Die Gottesmutter Maria, Tabernakel des menschgewordenen Wortes, begleite euch auf dieser Novene, damit ihr in der Freude des Glaubens und im Einsatz der Nächstenliebe heilige Weihnachten feiern könnt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Schwestern und Brüder! In diesen letzten Tagen der Adventszeit richtet sich unser Blick auf das kommende Weihnachtsfest. Wie in jedem Jahr, so erklingt auch heute wieder der Freudengesang der Engel, der die Hirten nach Betlehem ruft, wo sie den neugeborenen Erlöser finden und ihn anbeten, Christus, den Herrn: „Ehre sei Gott in der Höhe, und auf Erden Frieden den Menschen seiner Gnade“ (vgl. Lk 2,14). Auch wir sind eingeladen, uns auf den Weg zur Krippe zu machen, in die hinein Maria das Kind gelegt hatte, „weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2,7). Wir wollen uns in aufrichtiger Besinnung und gläubiger Hingabe für diese Begegnung bereitmachen, denn die liturgische Feier der Geburt des Erlösers soll uns dazu führen, unser Leben als Christen glaubwürdig und überzeugender zu gestalten. Das Fest soll in uns Gläubigen den Wunsch wachrufen, allen Menschen das Licht Christi zu bringen. Denn wenn auch in anderen religiösen Traditionen manches Gute und Wahre entdeckt werden kann, so weiß doch der christliche Glaube, daß allein Jesus, der in Betlehem geborene göttliche Erlöser, der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Mit diesen Gedanken zur Vorbereitung auf das Fest der Geburt unseres Herrn wende ich mich an euch, liebe Schwestern und Brüder aus den deutschsprachigen Ländern. Ich heiße 246 AUDIENZEN UND ANGELUS euch herzlich willkommen und wünsche euch ein gnadenreiches Weihnachtsfest. Möget auch ihr Zeugen und Künder der Botschaft der göttlichen Liebe sein. Tragt sie weiter in eure Häuser, eure Pfarreien und dorthin, wo immer ihr lebt und arbeitet. Auf die Fürsprache Mariens, der Mutter des Erlösers, erteile ich euch, euren Angehörigen daheim und allen, die uns über Radio und Fernsehen verbunden sind, dazu von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Rechte jeder Nation achten Geistlicher Besuch in Jasna Gora 1. „Gott, Retter und Herrscher der Nationen, laß nicht zu, daß wir von deiner Führung und deiner Lehre abweichen.“ Ein solches Gebet für das Vaterland haben wir von unseren Vorfahren geerbt. Heute spreche ich die Worte dieses Gebetes vor dir, Liebe Frau von Jasna Gora. Durch dich bitten wir den König und Herrn der Nationen: „Auf die Fürsprache der seligsten Jungfrau, unserer Königin, segne unser Vaterland, damit es - dir immer getreu - deinem Namen Ehre mache und seine Töchter und Söhne zur Seligkeit führe.“ Bitten wir darum, daß dem Namen Gottes Ehre erwiesen werde, eingedenk der Tatsache, daß „die Ehre Gottes der lebendige Mensch“ (vgl. Irenäus, Adv. haer., IV, 20, 7) und die Nation ist, die ein würdiges Leben in Gerechtigkeit und Wahrheitsliebe führt. Bitten wir auch, daß unser Vaterland als Ort des Pilgerwegs in der Zeit für alle ein Ort der Vorbereitung auf die ewige Bestimmung des Menschen werde. 2. „Gott, Retter und Herrscher der Nationen ... allmächtiger und ewiger Gott, gib uns eine weite und tiefe Liebe zu unseren Schwestern und Brüdern und zu unserem geliebten Land, das unsere Mutter ist, damit wir ihm und seinem Volk aufrichtig dienen können, nachdem wir unseren Nutzen außer acht gelassen haben.“ Ja, wir wissen, daß unser Pilgerweg in der Zeit die Zeit des Advents ist. Und was ihm eine rechte Bedeutung und Richtung gibt, ist die Liebe: die Liebe zu unseren Landsleuten und zu jedem Nächsten ohne Ausnahme, gemäß den Worten Christi, das heißt die Liebe der einen zu den anderen: die Liebe des Gemeinwohls; die Liebe zu unserem Land, das die Vorfahren Mutter nannten. Und durch die Liebe zum eigenen Land entsteht die Achtung der Rechte jeder Nation und jedes Menschen in der großen europäischen Völkerfamilie und in der Menschheitsfamilie. 3. Eine solche Liebe macht uns zu Dienern des Gemeinwohls. Bitten wir vor allem für jene, die die Amtsgewalt ausiihen und zu diesem einzigartigen Dienst berufen wurden: für den Präsidenten der Republik, für die Abgeordnetenkammer und für den Senat, für jene, die die legislative, exekutive und juridische Gewalt haben, die Gewalt auf zentraler und Ortsebene. „Sende deinen Heiligen Geist über deine Diener, die unser Land regieren, damit sie nach deinem Willen das ihnen anvertraute Volk [die Gesellschaft] mit Weisheit und Gerechtigkeit zu leiten wissen.“ 247 AUDIENZEN UND ANGELUS Unsere Liebe Frau von Jasna Göra! Nun ist die Stunde gekommen, in der dieses alte Gebet vor dir im polnischen Advent des Jahres des Herrn 1990 gesprochen werden muß. Gottes Erbarmen lebt weiter Angelus am 4. Adventssonntag, 23. Dezember Liebe Schwestern und Brüder! 1. Die Liturgie des 4. Adventssonntags an der Schwelle vor Weihnachten nimmt vielfach Bezug auf die selige Jungfrau Maria. Sie erscheint uns als diejenige, die mit Christus, ihrem Sohn, bei der Erneuerung des menschlichen Zustands mitgewirkt hat: einer Erneuerung, die nicht nur die Gewissen, sondern auch das Zusammenleben und die sozialen Beziehungen betreffen sollte. Es ist die Botschaft des Magnifikat, in der Maria die göttliche Kraft, die scheinbar festgefügte geistige, ideologische und soziale Positionen umwälzt, als bevorstehend, ja in gewisser Weise in der Welt bereits gegenwärtig und wirksam ankündigt. Das bringen die auf die Vergangenheit angewandten Verben zum Ausdruck: der Herr „hat geschaut... hat getan ... vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten... zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind ... erhöht die Niedrigen ...“ (Lk 1,48 f.). Nur Gottes Erbarmen lebt weiter durch die Generationen hindurch; es verwirklicht einen Heilsplan, der die ganze Geschichte umfaßt in Erfüllung der Verheißung der Erlösung, die dem Volk Israel und der gesamten Menschheit durch die Patriarchen und Propheten gemacht wurde. <140> <140> Maria fühlte, daß die Verwirklichung dieser Verheißung viele Dinge in der Welt ändern würde hinsichtlich der Meinungsordnungen, aber auch mit Auswirkungen auf das gesamte Leben der Gesellschaft. In dieser theologischen und prophetischen Perspektive kann man gut das Lob- und Danklied verstehen, in dem sie von der demütigen Anerkennung des „Großen“, das der Herr an ihr getan hat, übergeht zur Verkündigung des tiefgreifenden Wandels, der an der Menschheit vollzogen wurde. Es war eine Ankündigung, die sich im christlichen Gewissen einprägen sollte sowohl als geistlicher und theologischer Anfang wie auch als Verpflichtung zur sozial engagierten Nächstenliebe. Auf diese Ebene stellte sich auch Papst Leo XIII. in der Enzyklika Rerum novarum, als er in bezug auf die „soziale Frage“ bekräftigte: „Es ist allen völlig klar, daß man der unteren Volksschicht schnell und wirksam helfen muß, da die ihr Angehörenden zum größten Teil in tiefer Verelendung ein menschenunwürdiges Dasein führen ... in schutzloser Vereinzelung“. 248 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Zur Zeit Marias war der laufende Sprachgebrauch anders: man sprach mehr von den „Armen“ (anawim), das heißt von denen, die sich ihrer Notlage und Schwäche bewußt waren und sich gerade deshalb Gott anvertrauten. Indem die selige Jungfrau ihre innere Haltung mit ihnen teilt, preist sie die Hoffnung des einfachen und niedrigen Volkes, dem Gott zu Hilfe eilt auf Kosten der Mächtigen und Reichen dieser Welt. In Christus sind die Armen und Kleinen aller Zeiten zum „neuen Israel“ geworden - auch jene, die sich zur Zeit Leos XIH „Proletarier“ nannten, auch die „neuen Armen“ unseres Jahrhunderts. Angesichts dieser vielfältigen Armut, die auf den Männern und Frauen unserer Zeit lastet, bitten wir die selige Jungfrau um ihre Fürsprache, damit die hoffnungsvollen Worte des Magni-fikat weiterhin Wirklichkeit werden: Gott „denkt an sein Erbarmen“. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Herzlich begrüße ich die Einwanderer aus verschiedenen Ländern, die am Mariengebet auf dem Petersplatz teilnehmen. Meine Lieben, ich habe Verständnis für euren Zustand der Entbehrungen und Leiden und möchte euch versichern, daß ich euren Schmerz teile. Ich wünsche und hoffe, daß bald eine menschenwürdige Lösung für die euch bedrückenden Schwierigkeiten und Probleme gefunden wird. Klare Zeugen des Evangeliums Angelus am 26. Dezember Liebe Schwestern und Brüder! In unserem Herzen ist noch das geistliche Echo des außerordentlichen Ereignisses lebendig, das wir gestern feierlich begangen haben: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Job 1,14). Immer eingedenk des göttlichen Erbarmens, das sich der gesamten Menschheit in Christus offenbart hat, grüße ich alle ganz herzlich und lade euch ein, im Lobpreis Gottes, in der Danksagung und in der Freude zu verharren. Ich fordere euch ebenfalls auf, beim Jesuskind in frommer Anbetung, mit der Achtung und dem Staunen der Hirten zu verweilen. Gehen wir mit Vertrauen zu ihm; nehmen wir mit hochherziger Hingabe seine Pläne der Vorsehung an. Vorbild und Antrieb sei euch der heilige Stephanus, der Erzmärtyrer, dessen Fest heute gefeiert wird. Seid wie er mit derselben Hingabe und der gleichen Gewißheit des Glaubens in jeder Lage klare und furchtlose Zeugen des Evangeliums. Der heilige Stephanus zögerte nicht, sein Leben für den menschgewordenen Sohn Gottes zu opfern. Sein Mut ist Einladung und Hilfe 249 AUDIENZEN UND ANGELUS für all jene, die auch heute berufen sind, an Christus zu glauben und den Weg der Heiligkeit zu gehen. Ich wünsche noch einmal jedem einzelnen von euch ein frohes Weihnachtsfest und hoffe, daß ihr diese Ruhetage in eurem Familienkreis froh verleben könnt. Mit dem Angelusgebet empfehle ich euch alle Maria, der Mutter des Erlösers und Königin der Märtyrer. Die Familie: Mittelpunkt des Heilsplans Angelus am 30. Dezember 1. Das Fest der Heiligen Familie, das wir heute feiern, versetzt uns in Gedanken in das Haus Jesu, seiner Mutter und seines Pflegevaters. Die Liturgie läßt uns nicht nur geographisch, sondern auch geistlich eine Linie verfolgen, die von Bethlehem, dem Ort der Geburt des Kindes aus, nach Jerusalem, der Stätte seiner Darbringung an Gott verläuft, und von Ägypten, dem Zufluchtsort aus der ersten Verfolgung, nach Nazaret in Galiläa, der Heimat Marias. Dort läßt sich die Handwerkerfamilie nieder, bestehend aus Josef, dem Zimmermann, Maria, der Hausfrau, und Jesus, der auch später noch „Sohn des Zimmermanns“ genannt wird (vgl. Mt 13,55 ;Mk 6,3). Diese Familie in armen Verhältnissen steht im Zentrum des Heilsplanes als Hüterin des Geheimnisses der Menschwerdung, aber auch als Beispiel der Armen, der Bedürftigen, deren Erhöhung Maria besungen hatte (vgl. Lk 1,52-53) und die Jesus seligpreisen würde (vgl. Mt 5,3). 2. Die Familie von Nazaret befindet sich jedoch nicht im Zustand der Elenden, der Mittellosen oder auch der sogenannten Proletarier, die mit der industriellen Revolution sich vervielfältigen und schließlich eine ungeheure Masse von Menschen bilden werden, die gezwungen sind, in einem entwürdigenden Zustand der Unsicherheit zu arbeiten und zu leben. Im Mitempfinden von deren Lage trat Leo XIII. für sie ein in der Enzyklika Rerum novarum. Er stellte darin allen das Beispiel der Heiligen Familie vor Augen und vertrat zugleich die menschlichen und bürgerlichen Rechte der Eheleute und ihrer Kinder. Der große Papst bezeichnet die Familie als „häusliche Gesellschaft; eine kleine, aber wirkliche Gesellschaft, die jeder bürgerlichen Gesellschaft vorausgeht und deshalb Rechte und Verpflichtungen hat, die vom Staat unabhängig sind“. <141> <141> Die Familie ist eine Einrichtung, die ihre Grundlage im Naturgesetz hat: daher stammt -wie Leo XIII. nachdrücklich betont - das Recht der Familie, die materiellen Mittel zu erwerben, die notwendig sind für ihre Einfügung in die bürgerliche Gesellschaft und Staat in allem, was die Ehe und die Erziehung der Kinder betrifft. Von daher leitet sich die Aufgabe ab, die der Staat zur Unterstützung der Familie leisten muß. Die Lehre von „Rerum novarum“ ist klar: „Wenn der Mensch, wenn die Familie beim Eintritt in die bürgerliche Gesellschaft im Staat nicht Hilfe sondern Schaden fänden; nicht Schutz, sondern Schmälerung der eigenen Rechte, dann wäre das bürgerliche Zusammenleben eher zu fliehen als zu erwünschen ...“. 250 AUDIENZEN UND ANGELUS Aus dem gleichen Grund forderte Leo XIII., der vor allem an die Arbeitermassen dachte, deren Familien am meisten des Schutzes und der Unterstützung bedürfen, ein gerechtes Einkommen, das es ihnen ermöglicht, angemessen zu leben und auch für eine entsprechende Ersparnis vorzusorgen. Es ist eine gute und gesunde Lehre, und die Kirche kann nicht umhin, sie auch heute zu wiederholen und alle aufzufordern, vor allem das Problem der Sicherstellung von Arbeitsplätzen und Wohnungen zu lösen und jene Sparsamkeit zu pflegen, die eine Frucht der Tugend und Quelle wahren Wohlstands ist. Diese weise Orientierung für die Arbeit und für das Leben wird uns von der Handwerkerfamilie in Nazaret gegeben, von der wir, insbesondere heute, Licht und Segen empfangen. 251 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen REISEN 1. Sechste Pastoraireise nach Afrika (25. Januar bis 1. Februar) Das religiöse Bewußtsein wecken Ansprache während der Begrüßungszeremonie auf den Kapverdischen Inseln am 25. Januar Verehrter Herr Präsident der Republik, Herr Bischof von Santiago de Cabo Verde, Exzellenzen, meine Damen und Herren, liebe Einwohner der Kapverdischen Inseln! 1. Der liebenswürdige Willkommensgruß, den Sie, Herr Präsident, soeben an mich gerichtet haben, verstärkt in mir die Gefühle der Dankbarkeit, die der herzliche Empfang auf der Salzinsel in mir geweckt hat. Sie sowie der Herr Diözesanbischof haben mich seit fast zwei Jahren wiederholt und dringend zum Besuch Ihres Landes eingeladen. So erfülle ich heute mit Freude diese inständigen Bitten. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für Ihre Anwesenheit als Vertreter der Salzinsel. Ich danke den Regierungsmitgliedem und den Behördenvertretem, den Vertretern der Diplomatie und der Ortskirche unter der Führung ihres Hirten. Auch freut mich die Teilnahme anderer Religionsgemeinschaften an diesem Empfang, welcher die wohlbekannte Gastfreundschaft der Einwohner der Kapverdischen Inseln zum Ausdruck bringt: sie alle, welche auf den Inseln „im Windschatten“ („Sotavento“) und „in Windrichtung“ („Barlavento“) wohnen, grüße ich durch die Anwesenden sehr herzlich. <142> <143> <144> <142> Die großen Ehren, mit denen ich empfangen werde, darf ich, über die Person hinaus, der Sendung zuschreiben, die mir aufgetragen ist. Die Pilgerfahrten in alle Welt, auf die ich bedacht bin, stellen für mich einen wichtigen Aspekt dieser meiner Sendung als Nachfolger des hl. Petrus dar. Der religiöse Charakter und die ausschließlich pastoralen Zielsetzungen meiner vom Glauben inspirierten Reise sind vor allem auf die Weckung des religiösen Bewußtseins der einzelnen und der Völker ausgerichtet und möchten gleichzeitig betonen, daß die Kirche in den fundamentalen Problemen des Menschen, in seiner Unsicherheit, seinen Ängsten und Fragen einen Weg bereithält. Niemand ist gezwungen, diesen Weg einzu-schlagen. Aber als Bote des Heils in Jesus Christus, dem Erlöser des Menschen, habe ich die Pflicht, ihn bekanntzumachen. Es leitet mich also der Wunsch, dem Menschen entgegenzugehen, der in einem bestimmten Land und unter konkreten Umständen lebt. Dieser Mensch in der Wirklichkeit seiner Existenz und seines persönlichen, gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Seins, bildete für die Kirche immer den verpflichtenden Weg auf ihrer Pilgerfahrt durch die Geschichte. Ihr ganzes Wirken ist auf den Menschen hingeordnet, auf den in mancher Hinsicht begrenzten 255 REISEN Menschen, dessen Wünsche und Sehnsüchte jedoch keine Grenzen kennen und der zu einem höheren Leben berufen ist; auf den schwachen und sündigen Menschen mit seiner unüberhörbaren Berufung zum ewigen Leben. 3. Als erster Verantwortlicher für das Evangelium Christi - weil aufgrund eines geheimnisvollen Ratschlusses der göttlichen Vorsehung zum Haupt der katholischen Kirche bestellt -bin ich Träger einer Botschaft und möchte, soweit es meiner Sendung entspricht, meinen Beitrag dazu leisten, daß in der Welt das echte Wissen um den Menschen und seine wahre Entfaltung sowie die notwendige Solidarität zum Tragen kommen. Diese Solidarität muß alle Gesellschaftsgruppen erleuchten und die gesamte Menschheit herausfordem, damit sie immer mehr von dem Empfinden durchdrangen wird, eine Familie zu sein. Die Kirche verkündet bewegt von der Liebe Christi, des Erlösers des Menschen, ohne Zaudern: „Der Mensch kann weder sich selbst noch die Aufgabe verleugnen, die ihm aufgrund seiner Situation in der sichtbaren Welt zusteht“; auch kann er sich nicht zum Sklaven der Dinge - des materiellen Reichtums, der ungeordneten Genüsse oder des maßlosen Machthungers - machen; ebenso wenig kann er Systemen oder Ideologien gegenüber nachgeben, die seiner Würde als freier und verantwortungsbewußter Person, als nach Gottes Bild geschaffenem Wesen, abträglich sind. Der Mensch kann seine Berufung zur Transzendenz nicht ersticken und diese seine Dimension nicht abstreifen. Mit einem Wort, der Mensch kann nicht begriffen werden ohne seine Öffnung für Gott, die der religiösen Dimension entspringt, und das Geheimnis, das diese umschließt, kann nur im Licht Christi, des Erlösers, erhellt und offenbart werden. 4. Die Sendung der Kirche beschränkt sich jedoch nicht auf menschliche Pläne des Wohlergehens und des zeitlichen Glückes. Ihre grundlegende und vordringliche Aufgabe ist es, dafür Sorge zu tragen, daß die Menschen Jesus Christus und die von ihm dargebotene Erlösung kennenlemen, und ihnen bei der Befreiung von der Sünde in all ihren Formen, der persönlichen und der gemeinschaftlichen Sünde, behilflich zu sein. Die Kirche möchte für die Menschen ein Zeichen der Versöhnung und der Liebe sein, das sich allen die menschliche Gesellschaft bedrohenden Kundgebungen der Lieblosigkeit und der Spaltung entgegenstellt. Das gesamte Wirken der Kirche möchte tatsächlich im Dienst der „Zivilisation der Liebe“ ohne jede Utopie stehen, d. h. im Dienst jener Zivilisation, die keine Diskriminierung aufgrund angeblicher philosophischer, politischer oder religiöser Vorrechte, verschiedenen materiellen Reichtums, unterschiedlicher Machtfülle, Rasse oder Hautfarbe kennt. Sie läßt sich immer von der festen Überzeugung leiten, daß nur die Liebe aufbaut und jene sicheren und unersetzlichen Bande knüpft, die allein das Wohl der Bevölkerung und die soziale Stabilität eines Landes gewährleisten können. <145> <146> <147> <145> Die Kirche ist selbstverständlich durch ihre Organisationen und vor allem durch ihre Gläu- bigen in der Gesellschaft gegenwärtig. Diese müssen durch Einsatz im gesellschaftlichen Leben ihres Volkes gemäß den Grundsätzen des Glaubens und der christlichen Liebe, zu denen sie sich bekennen, mit ihrem Beispiel und ihrem Handeln für die Verbesserung des Lebensstandards ihrer Brüder eintreten, sowohl innerhalb ihrer Nation als auch außerhalb durch Hilfe und Mitarbeit. 256 REISEN Was euch, die Bewohner der Kapverdischen Inseln betrifft, so seid ihr, katholische Laien, Männer und Frauen, gut ausgebildet und verantwortungsbewußt. Seid Träger dieser Botschaft in euren Milieus durch euer Handeln nach den Grundsätzen des Evangeliums zur Heiligung der Welt von innen heraus, dem „Sauerteig“ ähnlich (vgl. Mt 13,33). Tragt bei zur Bekehrung des Geistes und des Herzens, zur Sache des Menschen, und gleicht die das Handeln bestimmenden Kriterien, die maßgebenden Werte, die Denkweisen und die Vorbilder für die Lebenshaltung den göttlichen Plänen an (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 19). 6. In Treue zu ihrem Gründer Jesus Christus, dem fleischgewordenen Wort Gottes, der am gesellschaftlichen Leben der Menschen teilnehmen, ... die gesellschaftlichen Bande, vor allem die familiären, heiligen wollte, und der sich freiwillig den Gesetzen seines Landes unterwarf und das Leben eines Arbeiters seiner Zeit und seiner Heimat führen wollte (vgl. Gaudium et spes, Nr. 32), muß die Kirche allen Menschen nahe sein. Anderseits erhebt sie keinen Anspruch auf die Gestaltung des Zeitlichen, noch möchte sie das Wirken derer ersetzen, die für die Regierung der einzelnen Völker verantwortlich sind. Sie schlägt auch kein politisches, wirtschaftliches oder soziales Modell vor und ebensowenig einen „dritten Weg“ zwischen einander entgegengesetzten Systemen (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 41). Da sie niemandem fremd ist, tritt sie, wo sie gegenwärtig ist, für die gesamtheitliche Entwicklung des ganzen Menschen und aller Menschen ein und trägt dazu, wie zahlreiche Initiativen beweisen, ihren Möglichkeiten entsprechend bei. Sie tut das, immer dem Prinzip der Subsidiarität entsprechend, auf den Gebieten der Erziehung, der Gesundheits- und der Sozialfürsorge. Dabei strebt sie nicht nach Privilegien, sondern möchte nur, daß ihr jener Freiraum zugestanden werde, der nach unveräußerlichem internationalem Recht und den von ihr Unterstützten gebührt. 7. Die anfänglich für alle Menschen dieser Erde bestimmten Güter werden ohne die unerläßliche Zusammenarbeit der internationalen Gemeinschaft - im Rahmen einer weitgespannten Solidarität, die alle Menschen einschließt und in erster Linie die minder Begüterten begünstigt - niemals ihre allumfassende Bestimmung erreichen. Gerade die an dieser Begünstigung Interessierten dürfen jedoch nicht in eine dienende Rolle verfallen, sondern müssen in der gegenseitigen Abhängigkeit der Völker ihre Würde bewahren. Die Solidarität ist möglich und wird mehr und mehr zu einer Notwendigkeit, ja, zu einer ethischen Forderung, wie ich in der Enzyklika Sollicitudo rei socialis geschrieben habe. Dennoch muß diese Solidarität in gewisser Hinsicht eine verdiente sein, muß mit einer Haltung der Initiative gelebt werden, „ohne alles von den bessergestellten Ländern zu erhoffen, und in Zusammenarbeit mit den anderen, die in derselben Lage sind [genützt werden] ... Die Entwicklung der Völker setzt ein und verwirklicht sich am besten, indem sich jedes einzelne Volk um die eigene Entwicklung in Zusammenarbeit mit den anderen bemüht“ {ebd., Nr. 44). <148> <148> Indem ich diese Punkte in Erinnerung rufe, wünsche ich dem geliebten kapverdischen Volk eine echte Entwicklung dank einer Solidarität, die zur Brüderlichkeit führt und die mit der Würde des Menschen untrennbar verbundenen Rechte und Freiheiten anerkennt. Das Bestehen auf diesen Rechten - ohne ihretwegen die Rechte Gottes zu vernachlässigen oder die ihnen entspringenden Pflichten zu verschweigen - ist für die Kirche eine Frage der 257 REISEN Treue zum Evangelium ihres Herrn und Meisters und auch der Treue zum Menschen. Deshalb spricht sie unablässig von der Hierarchie der Werte, vor allem im Hinblick auf das „Haben“ und das „Sein“, denn sie weiß, daß das „Haben“ einiger auf Kosten des „Seins“ vieler gehen kann. Ich flehe Gott an, daß jedem Bewohner der Kapverdischen Inseln stets die gebührende Achtung zuteil werde, daß jeder die Würde der menschlichen Person in sich selbst und in den anderen achte, und daß er in genügendem Maß über die Mittel verfüge, die für ein glückliches Leben unerläßlich sind. Darm wird er auf seine Heimat stolz sein und sie immer mehr lieben. 9. Dieser Hierarchie der Werte entspringen, wie man weiß, Prioritäten hinsichtlich der Befriedigung echter Notwendigkeiten: Leben und Lebensqualität, Sicherheit, Erziehung und Bildung, Arbeit, Gesundheit, Wohnung, freie Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, private und öffentliche Religionsausübung usw. Es sei mir gestattet, den zu pflegenden und zu verteidigenden Prioritäten auch das Lebensrecht der Ungeborenen und die Rechte der Eltern auf eine Ehe nach den Plänen Gottes, auf Fruchtbarkeit und Erziehung der Kinder hinzuzufügen, sowie die Notwendigkeit, den Eltern eine würdige Familiengründung zu ermöglichen. Es ist allgemein bekannt, wie sehr diese Prioritäten heute in aller Welt infrage gestellt und bedroht werden. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich vertraue darauf, daß es dank der guten Eigenschaften des geliebten kapverdischen Volkes, dank der weit verbreiteten Bemühungen, dank des Verantwortungsbewußtseins und des guten Willens jener, auf denen die Verpflichtung zu Initiativen und zur vernünftigen Leitung der Umwandlungs- und Aufstiegsprozesse der Gesellschaft ruht, möglich sein wird, die Hindernisse zu überwinden, denen dieses Volk auf seinem Weg begegnet, damit eine echte Entwicklung aller Menschen ermöglicht werde, die in diesem Land leben. Eine freie, stärker mit-verantwortliche, geordnete und solidarische Mitwirkung aller soll aus den Kapverdischen Inseln eine glückliche und wohlhabende Nation machen. Das ist mein aufrichtiger Wunsch. Gleichzeitig rufe ich den Segen des allmächtigen Gottes auf das ganze geliebte kapverdische Volk herab. 258 REISEN Der Beitrag der Kirche ist nicht politisch Ansprache bei der Begegnung mit den Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und in der Pastoral engagierten Laien auf der Insel Santiago (Kapverdische Inseln) am 25. Januar Herr Bischof, liebe Brüder und Schwestern! 1. „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen“ (Röm 5,5). Und deshalb „ausgegossen auf alle, die Christus zu jeder Stunde und an jedem Ort folgen.“ Mit diesen Worten des Apostels und mit den programmatischen Worten eurer zweiten Diözesanversammlung grüße ich euch alle von Herzen: die Priester, die männlichen und weiblichen Ordensleute, die Seminaristen und die im Apostolat engagierten Laien. Ihr seid in Kap Verde die „Menschen, die Christus immer und an jedem Ort nachfolgen“. Möge der Heilige Geist, die Seele der Kirche, der Geber aller Gaben und Wegbereiter der Einheit und des Friedens mit euch sein und immer noch mehr seine Liebe überreich in eure Herzen ergießen und eure brüderliche Einheit stärken. Groß ist meine Freude, daß ich hier unter euch weilen darf. Ihr kommt von den verschiedenen Inseln des Archipels, zum Teil unter Opfern, um mit dem Nachfolger des Petrus in der Kathedrale zusammenzutreffen, die das Zentrum der Gemeinschaft und der apostolischen Ausstrahlung eurer Ortskirche ist. Ich weiß gut um eure Gemeinschaft mit der Kirche von Rom, die Kirche, die „in der universalen Gemeinschaft den Vorsitz in der Liebe führt“, um eure Gemeinschaft mit dem Papst, dem Bischof, den der Herr ihr in unserer Zeit gegeben hat. Trotz der großen Entfernungen ist es möglich geworden, daß wir heute greifbar diese Einheit in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche erleben. Gepriesen sei Gott, der in seiner Vorsehung uns diese Gnade gewährt. Hier und heute begegnen sich unsere Blicke brüderlich in der Liebe; und die Freude und Dankbarkeit, die diese erhoffte Begegnung in euch weckt, stehen euch im Gesicht geschrieben. <149> <150> <151> <149> Brüder und Schwestern, ihr seid Schuldner einer besonderen Vorliebe des Geistes der Liebe und Heiligkeit. Er hat einem jeden von euch eine besondere Sendung des Dienstes in der Gemeinschaft der Kirche und unter Leitung eures Diözesanbischofs, Dom Paulino do Livramento Evora, anvertraut, dem ich für seine herzlichen Begrüßungsworte danke. Mit Genugtuung habe ich von der zweiten Diözesanversammlung Kenntnis genommen, die im Januar des letzten Jahres hier stattgefunden hat. Sie hat euch besonderes eindringlich die kirchliche Mitverantwortung auf allen Ebenen spüren lassen. Sie kann darüber hinaus bereits als eine gute Vorbereitung auf die kommende Sondersynode gelten, die den Problemen und Aussichten der Evangelisierung und der Entwicklung der Kirche in Afrika gewidmet ist. Die eine und einzige universale Kirche existiert in den verschiedenen Ortskirchen. Diese aber müssen sich heute mehr denn je verantwortlich dieser Gemeinschaft bewußt sein und sie leben. Jede Ortskirche wird in dem Maße gültig und fruchtbar ihre aktive und konstruktive Aufgabe erfüllen, wie sie die allgemein geltenden Grundsätze der Einheit in der Wahrheit 259 REISEN hochhält, die die universale Kirche erfüllen. In dem Maß, wie diese Grundsätze zu Leben und Zeugnis werden, um so mehr wird die innere Einheit der um ihren Diözesanbischof gescharten Ortskirche, aber auch ihre Einheit mit der vom Nachfolger des Petrus geleiteten universalen Kirche aufleuchten. 3. In der Ortskirche und ihren Mitgliedern müssen statt gleichmachender Einförmigkeit, die der echten Wirklichkeit der Kirche widerspricht, alle Eigenschaften und besonderen Gaben einer kirchlichen Gemeinschaft hervortreten. Wie ihr wißt, hat dieses alles seine Quelle in Christus, dem Haupt. „Durch ihn wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt in jedem einzelnen Gelenk. Jedes trägt mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut“ (Eph 4,16), damit alle „Menschen sind, die Christus immer und überall folgen.“ Da es aber nur ein Geist ist, der die charismatischen und für den Dienst bestimmten Gaben austeilt, kommt eine wunderbare Vielfalt zustande. Diese darf aber nicht zum Vorwand für Spaltungen oder Rivalitäten werden; im Gegenteil bildet sie eine Quelle gegenseitiger Zusammenarbeit und innerer Harmonie des mystischen Leibes Christi. Die Verschiedenheit der Ortskirchen zeigt daher in ihrem Ausgleich durch die Einheit noch deutlicher die Katholizität der ungeteilten Kirche (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23). 4. Ich weiß, liebe Brüder und Schwestern, daß eure kirchliche Wirklichkeit trotz ihrer zahlenmäßig kleinen Dimension dennoch Verschiedenheiten aufweist. Das ist an sich ein Reichtum, bringt aber auch einige Schwierigkeiten mit sich. Diese können freilich überwunden werden, wenn wir uns daran erinnern, daß „die Bande, die die Glieder des Volkes Gottes untereinander - und vor allem mit Christus - verbinden, nicht die des „Fleisches“ und des „Blutes“, sondern die des Geistes, genauer noch, die des Heiligen Geistes [sind], den alle Getauften empfangen (vgl. Joel 3,1)“ (Christifideles laici, Nr. 19). Will man daher, liebe Brüder und Schwestern, auf allen Ebenen kirchliches Zusammenleben, Zusammenarbeiten und kirchliche Gemeinschaft erreichen, so spielen physische, psychologische und kulturelle Verwandtschaftsfaktoren, obwohl sie nützlich sein können, doch keine entscheidende Rolle. Denn das Prinzip der Einheit und der Harmonie im mystischen Leib Christi ist nicht rein natürlicher Art, sondern übernatürlich; es stammt aus dem Glauben. Hören wir hier unseren göttlichen Meister: „Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder ? ... Wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder, Schwester und Mutter“ (Mt 12,48-50), obwohl es unter ihnen Unterschiede der Rasse, des Ursprungs, der Kultur und Mentalität geben mag. Wenn wir gemeinsam den Willen des himmlischen Vaters erfüllen, so ist das die sichere Grundlage dafür, daß alle unsere Unterschiede, statt Hindernisse zu bilden, vielmehr zur Bereicherung unserer Einheit und Gemeinschaft werden; ja, noch mehr, sie bilden in sich selbst ebenso viele Werte, die der Sache des Friedens, der Eintracht und der gegenseitigen Zusammenarbeit dienen können und müssen. <152> <152> Um die kirchliche Einheit aufzubauen, zu wahren und zum Wachstum zu bringen, müssen also alle im Interesse eines jeden den Grundsätzen und echten Zielen der Einheit Priorität 260 REISEN geben. Diese stammen nämlich aus der Offenbarung, gehören der übernatürlichen Ordnung an und nähren sich vom Hören des Wortes Gottes sowie der treuen und verantwortlichen Gemeinschaft mit den Hirten der Kirche. So müssen die persönlichen Meinungen und Privatinteressen auf den zweiten Platz zurücktreten. Sie können nur dann eine legitime und nützliche Funktion ausüben, wenn sie die gemeinsamen Glaubensgrundsätze zugrundelegen und diese aufrichtig und hochherzig annehmen. Daraus folgt erst recht die Notwendigkeit eines Kirchenverständnisses, das wirklich mit der katholischen Lehre übereinstimmt, also rein weltliche oder klassenbestimmte Begriffe zurückweist, die wenig mit den Grundlinien, Strukturen und Grundfunktionen zu tun haben, die der göttliche Stifter der Kirche eingeführt hat. Um diese kirchliche Einheit konkret aufzubauen, genügt es nicht, daß man sich mit einer völlig rechtgläubigen Idee von der Kirche zufrieden gibt, auch nicht, daß man sich humanitär, bewußt und anerkannt betätigt. Das ist zwar sehr gut und sogar notwendig, doch wichtig ist vor allem, daß wir dem Geist der Wahrheit gebührende Aufmerksamkeit schenken. „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen“ (1 Kor 12,13; vgl. Eph 4,3) Er und nur Er ist schließlich der Erbauer der Einheit der Ortskirche in sich selbst und innerhalb der einen katholischen Kirche mit ihrer doppelten Dimension: in dieser Zeit und in der kommenden Welt. 6. Wir wissen alle, daß die Lebenskraft der Kirche kein Ziel in sich selbst, sondern wesentlich dazu bestimmt ist, die Welt mit dem Evangelium zu durchsäuem, zu beleben und umzugestalten - durch das Wort und die Gnade - damit die Welt gerettet, von den Mächten der Finsternis befreit und zum Reich Gottes umgewandelt wird. Die persönliche Heiligkeit der „evangelisierten Kirche“ ist gmndlegende Voraussetzung und unersetzliche Bedingung, wenn eine „evangelisierende Kirche“ erstehen soll. In der Einheit der Rebzweige mit dem einen Weinstock (vgl. Joh 15,5) liegt die konkrete Quelle und das unfehlbare Mittel apostolischer Wirksamkeit sowie des missionarischen Schwungs der Kirche selbst. Nur in dem Maß, wie die Braut Christi Ihn hebt und um seinetwillen zu heben weiß, kann sie im Heiligen Geist zur fruchtbaren Mutter werden (vgl. Christiüdeles laici, Nr. 17). Die Kirche ist in dieser Welt präsent, vor allem, um den Menschen das Evangelium von der Liebe Gottes sowie das Ideal der brüderlichen Liebe zur Kenntnis zu bringen, damit alle solidarisch und in der Menschheitsfamilie zu einer Gemeinschaft werden. Die Christen achten die eingesetzten Regierungen und sind bemüht, in allem nach der göttlichen Lehre zu leben. Sie mißachten nicht ihre Pflichten als ehrenhafte Bürger und bemühen sich, beispielhafte Väter und Mütter, Söhne und Töchter, Berufstätige und Arbeiter zu sein. Mit der inneren Kraft des Glaubens aber vermögen sie ihre Pflichten besser zu erfüllen. Wir besitzen einen Brief aus dem zweiten Jahrhundert der christlichen Zeit, in dem bereits das Verhalten des Christen in der Gesellschaft geschildert wird: „Ihr Leben hat nichts Ungewöhnliches an sich; ihre Lehre entstammt nicht phantastischen Vorstellungen erregter Geister ... Die Christen sind in der Welt das, was die Seele im Leib ist. So erhaben ist der Platz, den Gott ihnen zugewiesen hat, und den sie nicht aufgeben können“ (Brief an Diognet, FUNK, 397-401, nn. 5-6). 261 REISEN 7. Auch hier in Kap Verde wird die Kirche auf der Linie ihrer eigenen Tradition weiter beim Aufbau der kapverdischen Gesellschaft mitarbeiten. Sie wird die Bestrebungen für Gerechtigkeit und Frieden anerkennen und ermuntern, die sie im Volk vorfindet, und dabei ihre jahrhundertealte Weisheit mit ihren heutigen Bemühungen für die Förderung des Menschen verbinden. Auf diese Weise bleibt die Kirche an die Geschichte dieser Nation gebunden. Sie aufzugeben oder zu verkennen, würde eine Verstümmelung des sozio-kulturellen Erbes dieses Archipels bedeuten. Es paßt nicht zur Nation der Kirche, politisches Übergewicht oder die Wahrnehmung irdischer Aufgaben anzustreben. Ihr spezifischer Beitrag besteht im Dienst am Gemeinwohl, vor allem hinsichtlich der Gewissensbildung in konsequenter Übereinstimmung mit den Grundsätzen und Erfordernissen einer menschlichen und christlichen Ethik, die das Moralgesetz mit seinen Imperativen verkündet, wenn nötig die Abweichungen und Irrtümer deutlich nennt, aber immer und vor allem versucht, zu erklären und zu überzeugen. Hier muß besonders darauf hingewirkt werden, auf allen Ebenen und in allen Bereichen ein echt soziales christliches Gewissen zu bilden (vgl. Puebla, Eröffnungsansprache 3.7). Diese Präsenz und dieser Dienst, nämlich: Grundsätze und Wege zur richtigen Formung der Gewissen aufzuzeigen, betrifft natürlich auch die Bereiche des Zusammenlebens, wobei die Einwirkung auf die Bildung der öffentlichen Meinung und als Folge davon die des sozialen Bewußtseins besonders wichtig sind. Diese Sektoren reichen von der Schule bis zur Information, von der Praxis der Liebe und gegenseitigen Hilfe im Zeichen der Subsidiarität bis zur Bekräftigung alles dessen, was das göttliche Gesetz verkündet, dem die menschlichen Gesetze sich in jedem Fall anpassen müßten. Die Kirche setzt sich in all diesen Bereichen ein, weil sie fest an die Würde des Menschen glaubt, der nach dem Bilde Gottes geschaffen ist. Diese Würde tragen jeder Mann und jede Frau in sich, und sie betrifft jedes Kind unabhängig davon, welchen Platz sie in der Gesellschaft bekleiden. <153> <153> Einheit untereinander ist bei euch besonders bei bestimmten Problemen wichtig, die ihr als gemeinsame Probleme ansehen und daher mit vereinten Absichten, Kräften und Strategien aufgreifen müßt. Nehmen wir z. B. das Problem der Berufungen. Ich weiß, daß sich, Gott Dank, Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben bei Männern und Frauen melden. Ich freue mich sehr mit den Instituten und begrüße es, daß sie die Weisheit und Initiativkraft besaßen, in letzter Zeit hier Ausbildungshäuser für Jungen und Mädchen zu eröffnen, die sich über den Ruf Gottes klar werden wollen, um ihm hochherzig zu entsprechen. All diese Jungen und Mädchen, Seminaristen oder Aspiranten ermahne ich, beharrlich zu beten und ihre Entscheidung, die in der Taufweihe gründet, immer mehr zu vertiefen. Dann werden sie dazu beitragen können, daß die Kirche, die sie getauft und genährt hat, mit der Gnade Christi an Kraft wachsen kann. Und zögert nicht, dem Herrn eure „Blankovollmacht“ zu geben! Laßt es ihm gegenüber nicht an Vertrauen und Hochherzigkeit fehlen! Er, der das Werk begann, wird es auch zu einem guten Ende führen. Es erwartet euch eine hohe Sendung. Und groß wird euer Lohn sein, wenn ihr treu bleibt. 262 REISEN Liebe Brüder und Schwestern! Am Ende möchte ich euch ein Wort der Anerkennung für die gute Arbeit aussprechen, die ihr bereits für den Aufbau der Kirche, die Förderung des Menschen und auf vielen anderen Gebieten leistet. Ich fordere euch auf, auf diesem richtigen Weg voll Mut, Hoffnung und Ausdauer weiterzugehen. Bei dieser glücklichen Gelegenheit einer Zusammenkunft mit euch möchte ich euch wünschen, daß der Herr Jesus Christus mit seiner unermeßlichen Güte bei euch bleibt, damit ihr ohne Angst vor Hindernissen immer weitere Fortschritte macht. Er hat die Welt besiegt! Sein Licht und seine Gnade mögen euch begleiten! Ich rufe sie auf euch herab durch die Fürbitte Unserer Lieben Frau von der Gnade, denn unter diesem Titel wird sie ja in dieser Kathedrale der Mutter des Erlösers verehrt und angerufen. Sie, Maria, die Mutter unseres Vertrauens, die von Gott zur vollkommensten Vereinigung mit ihrem Sohn berufen wurde, führt uns zum Vater. Er läßt uns in der brüderlichen Liebe und im Geist der Dienstbereitschaft wachsen, „daß wir die Einheit des Geistes wahren durch den Frieden, der uns zusammenhält“ (Eph 4,3). Die getreue Jungfrau sei für uns alle auf dem Weg des Evangeliums unsere Mutter! Ich segne euch von Herzen. Das Christentum ist die Stärke der Demütigen Predigt beim Wortgottesdienst in Mindelo (Kapverdische Inseln) am 26. Januar Meine lieben Brüder und Schwestern! 1. „Singt dem Herrn, alle Länder der Erde! Singt dem Herrn und preist seinen Namen!“ (Ps 96,1-2). Heute wollen wir die Aufforderung des Psalmisten Wirklichkeit werden lassen und den Namen Gottes, unseres Herrn, auf dieser Insel Säo Vicente der Kapverden preisen. Wir wollen mit euch, die ihr diese Insel mitten im Atlantischen Ozean bewohnt, dem Herrn singen und seinen Ruhm verkünden. Das Land und die Ozeane sprechen zu uns vom Schöpfer, bei dem alles, was existiert, seinen Ursprung hat. Wir Menschen alle, die wir die vom Ozean umgebene Erde bewohnen, möchten uns heute mit Worten der Anbetung und des Dankes an den Gott alles Geschaffenen wenden. Ich grüße euch, Brüder und Schwestern dieser Insel Säo Vicente, mit einem Herzen, das von diesen Gefühlen überquillt. Und ich grüße alle, die von anderen Inseln hierher gekommen sind, um dem Nachfolger des Apostels Petrus zu begegnen und mit ihm zusammen dem Herrn zu danken und den Völkern seinen Ruhm zu verkünden. Ich grüße und umarme euch alle und singe mit euch „ein neues Lied“, denn wir sind hier voller Freude versammelt, weil wir berufen sind, der Welt unsere Zugehörigkeit zu Jesus Christus kundzutun. Deswegen singen und preisen wir den Namen des Herrn. Wenn es auch kulturelle Unterschiede gibt, bilden wir doch einen einzigen Leib und ein einziges Volk. Die Verkündigung des Evangeliums, die 263 REISEN hier schon seit fünf Jahrhunderten im Gange ist, hat auch diese Inseln zum Vaterland der Erlösten zu einem vom Licht des Heiles gesegneten Land gemacht, in dem viele unserer Glaubensbrüder und -Schwestern leben und Zeugnis ablegen. Mit wie vielen geistlichen Früchten ist die Geschichte eurer Ortskirche bis zum heutigen Tag bereichert worden! „Erzählt bei den Völkern von der Herrlichkeit des Herrn!“ Wir wollen dieser Aufforderung Folge leisten und, vom Guten Hirten unserer Seelen hier in diesem Fontinha-Stadion versammelt, mit Dank unsere Hoffnung, die Hoffnung des christlichen Volkes feiern, das im Glauben seinen Weg geht, hin zur Verwirklichung der messianischen Verheißungen. 2. Vor allem möchte ich danken für das Geschenk des Glaubens, das wir von Gott durch die empfingen, die ihn uns vermittelt haben. Wir müssen ihn beständig mit Leben erfüllen, um ein mutiges und konsequentes Zeugnis von ihm zu geben. Die heutige Feier zum liturgischen Gedächtnis der Paulus-Schüler Titus und Timotheus gibt dem in eurer Mitte anwesenden Nachfolger des Petrus die Gelegenheit, euch in eurem Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32). Ich bin wirklich glücklich, heute als Bischof von Rom an diesem Gebetsgottesdienst des Volkes Gottes von Kapverde hier auf der Insel Säo Vicente teilnehmen zu können. An den Ursprüngen des bischöflichen Dienstes des Papstes steht - wie ihr wißt - gerade jener Simon Petrus, der Apostel. Eines Tages in der Nähe von Cäsarea Philippi war er der erste, der bekannte, daß Jesus der Sohn Gottes ist. Als der Messias nach der Meinung der Leute über den Menschensohn fragte, hörte man verschiedene Antworten, doch auf das nachdrückliche Fragen Jesu hin tat sich Petrus hervor: „Du bist Christus, der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (vgl. Mt 16,16). Es war ein Bekenntnis, das seinen Ursprung in Gott hatte: das Glaubensbekenntnis ist die Wahrheit, die allein von Gott kommt; „denn nicht Heisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ {Mt 16,17), sagte Jesus und bestätigte damit die Wahrheit des Bekenntnisses des Petrus. Auf dieses Bekenntnis stützt sich die Kirche wie auf einen Felsen. Und Petrus ist nach den Worten Christi selbst dieser Felsen geworden: „Ich aber sage dir: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,18). <154> <155> <154> Der Bischof von Rom, der heute bei euch ist, meine lieben Brüder und Schwestern, kommt mit demselben Bekenntnis des Glaubens, das der hl. Petrus abgelegt hat. Wenn wir unseren Glauben an Christus, den eingeborenen Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, bekennen, dann verkünden wir den Ruhm Gottes, und gleichzeitig verkünden wir das Heil, das Gott selbst der Menschheit durch Jesus Christus geoffenbart hat. Die Kirche ist Sakrament dieses Heils, denn der Herr sagte zu Petrus: „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ (Mt 16,19). Kraft dessen ist die Kirche das Sakrament des ewigen Heils: die Kirche, Dienerin aller Menschen und aller Völker. Petrus wird zum ersten Verwalter dieses Dienstes, und in Kontinuität mit ihm sind es seine Nachfolger. Petrus wird, wie man zu sagen pflegt, „Diener der Diener Gottes“. 264 REISEN Auch der jetzige Bischof von Rom, Nachfolger des Apostels Petrus, möchte bei seinen Besuchen der Ortskirchen auf der ganzen Welt nichts anderes, als „die Großtaten Gottes“ und die „Wunder seiner Gnade“ verkünden. 4. Ja, „die Wunder der Gnade Gottes verkünden“! Jene Wunder, die der Herr weiterhin in der Geschichte der Menschen und in ihrer persönlichen Existenz wirkt; wie er sie auch in eurer menschlichen Erfahrung und in der Geschichte eures kapverdischen Volkes wirkt. Ihr seid, meine lieben Brüder und Schwestern, ein Volk, das vom Leid schwer geprüft worden ist. Doch das hat ohne Zweifel dazu beigetragen, eure Treue zum Evangelium zu stärken, das eure uralten Traditionen tief durchdrungen hat. Bei vielen Gelegenheiten war es eine Quelle des Trostes, damit ihr den Weg ernsthafter Arbeit weitergehen und eine Quelle der Hoffnung, damit ihr den Kampf fortsetzen konntet. Euer Land ist arm an natürlichen Ressourcen; deshalb bemüht es sich - und nicht ohne Erfolg — andere Wege für einen beständigen Fortschritt zu suchen. Trotzdem muß man zugeben, daß die Lebensbedingungen für viele immer noch sehr hart sind. Ihr seid gezwungen, weiterhin gegen die widrigen klimatischen Bedingungen anzukämpfen: gegen die immer wieder auftretende Dürre und gegen die ozeanischen Unwetter, die die Not eines wenig fruchtbaren Bodens noch verstärken und die wirtschaftliche Entwicklung wirklich nicht fördern. All das ist der Grund, weswegen die landwirtschaftliche Produktion nicht ausreicht für den nationalen Bedarf. Zuweilen müßt ihr sogar gegen Hunger und Unterernährung kämpfen. Weil echte Zukunftsaussichten fehlen, sehen viele eurer Brüder und Schwestern sich zur Auswanderung in andere Länder und Kontinente gezwungen - mit all den Problemen, die damit Zusammenhängen. Auch in Rom, meiner geliebten Diözese, gibt es eine Gemeinschaft von Kapverdianem. Bei meinen Pastoralbesuchen in den Pfarreien hatte ich Gelegenheit, einigen von ihnen zu begegnen. <156> <156> Ich kenne die Schwierigkeiten, die bei der Eingliederung in ein neues Gesellschafts- und Arbeitsmilieu auftreten. Wie oft sind da der Glaube und das christliche Leben der einzige feste Halt und die einzige Quelle des Mutes, um in der Zeit der kulturellen und gesellschaftlichen Verpflanzung nicht die eigene Identität zu verlieren. Wer weiß, wie viele von euch, die ihr hier seid, diese harte Erfahrung, die Heimat verlassen zu müssen, schon gemacht haben! Mögen die Kapverdianer, die sich in anderen Ländern aufhalten und ohne Zweifel den Besuch des Bischofs von Rom auf eurem Archipel mit Interesse und im Glauben verfolgen, wissen, daß der Papst auch an sie denkt und an diesem Ort für sie gebetet hat, weil er sehr gut weiß, welch ein Opfer es bedeutet, fern von dem, was man liebt, sein zu müssen. Und hier erhebe ich einen zweifachen Appell: zugunsten der vielen ausgewanderten Bürger dieser Nation und an sie selbst. Ihr seid von hier weggegangen, liebe Brüder und Schwestern, weil ihr bewußt oder unbewußt vom Ideal der Brüderlichkeit aller Menschen und von großer Hoffnung beseelt ward. Gebe Gott, daß eure Hoffnung Wirklichkeit werde und ihr diese Brüderlichkeit finden könnt; und daß alle mit der Emigration befaßten Institutionen alles tun, was gerecht und wirksam ist, um dem Auswanderer zu helfen, seine Personenwürde zu wahren und seine freie und verant- 265 REISEN wörtliche Mitwirkung am gemeinschaftlichen und gesellschaftlichen Leben, wo immer er sich befindet, zu fördern. Und den vielen ausgewanderten Kapverdianem sage ich: Vergebt niemals über der Sorge für das tägliche Brot und dem Streben nach besseren Lebensbedingungen in fernen Ländern euer Herkunftsland und die Menschen, die dort leben: die Verwandten, die Freunde, die bekannten und unbekannten Menschen. Vergebt nicht die, die im Vaterland geblieben sind! Seid euren eigenen Wurzeln treu: der eigenen Kultur, dem eigenen Glauben und den gesunden Traditionen und Gebräuchen. Und strebt danach, durch eure Lebensweise Zeugnis für die guten Qualitäten des kapverdischen Volkes und die christlichen Werte abzulegen. Auch ihr seid jetzt hier gegenwärtig, während wir miteinander den gemeinsamen Glauben an Jesus Christus bekennen. Allen, den lieben Auswanderern und euch, „Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Retter“ (Tit 1,4). 6. Wir wissen, dab der Glaube die Stütze des Wandernden ist. Man darf also nie vergessen, dab das christliche Leben eine Pilgerschaft und der Glaube unsere Wegzehrung, unser Reiseproviant ist. Weil wir durch die Taufe Christus ähnlich geworden sind, suchen wir in ihm Mut und Begeisterung, um die Hoffnung zu bezeugen, die in unseren Herzen wohnt. Von Gott, dem Vater, kommen „Gnade und Friede“, damit wir nie vor den Schwierigkeiten Halt machen, die wir auf unserem Weg antreffen. Stellt immer Jesus Christus, „unseren Retter“, über alle eure Wünsche und Vorsätze. Er, der Sohn Gottes, sei immer die Mitte von allem, was ihr unternehmt, und der Horizont der Planungen eurer Gesellschaft, die sich in ihrer groben Mehrheit katholisch nennt. Handelt in den Momenten kultureller und moralischer Orientierungslosigkeit, die in vielen Teilen der Welt und vielleicht auch hier, in eurem geliebten Heimatland, Vorkommen, so, dab niemals die Grundprinzipien eures Christseins geschwächt werden. Um Christus treu zu bleiben, seid immer bereit, alles andere zu opfern. Kämpft gegen die religiöse Gleichgültigkeit, diese gefährliche Versuchung der modernen Zeit! Labt euch nicht vom Mythos des wirtschaftlichen Fortschritts gefangennehmen! Widersteht der Versuchung, die religiöse Praxis aufzugeben, wenn euch die materiellen Interessen, der Erfolg oder der Aufstieg im Beruf oder im gesellschaftlichen Ansehen bedrängen oder sie anfangen, euer Interesse übermäbig zu beanspruchen. Übrigens ist das Evangelium nicht gegen den Fortschritt des Menschen. Nur mub es sich dabei um einen echten Fortschritt handeln, jenen Fortschritt, der keinen Aspekt der menschlichen Person auber acht labt und dessen Ziel ihre ganzheitliche, harmonische Entwicklung ist. Möge das Evangelium, durch das hochherzige Zeugnis vieler Missionare, Apostel und Katecheten auf euren Inseln eingepflanzt, weiterhin unverzichtbares Erbe eurer Heimat sein. Kommt im Nachdenken und im Gebet oft auf diese Quelle der Heiligkeit und der Weisheit zurück, damit eure christliche Lebenspraxis reift und erstarkt. Das Christentum ist die Stärke der Demütigen, die einfach sein können; es ist keine Religion für kulturlose oder zurückgebliebene Menschen. Seine ganze revolutionäre Kraft liegt in der unverdienten Liebe, die aus dem Herzen Jesu entspringt und alle zu Aposteln und „Men-schenfischem“ (Mk 1,17) umgestaltet. Nur in der einfachen, von Herzen kommenden 266 REISEN Zustimmung zu diesem Geheimnis, das von uns demütige und mutige Treue verlangt, werden wir die Erleuchtung finden, um nicht auf den eingängigen und verführerischen Köder der Sekten und des Spiritismus hereinzufallen. 7. „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Brüder und Schwestern, laßt uns unsere Existenz fest an dem Eckstein verankern, der Christus ist. Wenn wir heute hier gemeinsam das Glaubensbekenntnis des Petrus erneuern, werde ich mir alle die Hoffnungen eurer Gesellschaft und alle Erwartungen eurer Herzen zu eigen machen. Und wenn wir die Horizonte unserer Überlegungen erweitern, teilen wir die Hoffnung der vielen anderen Völker des riesigen afrikanischen Kontinents, die sich - wie ihr - auf die Feier der bevorstehenden Afrikanischen Synode vorbereiten. Als ich am Fest der Erscheinung des Herrn 1989 entschied, diese Sondersitzung der Bischofssynode für Afrika unter dem Thema „Kirche in Afrika auf dem Weg ins dritte Jahrtausend“ einzuberufen, hatte ich die mehrfach ausgesprochenen Bitten von Bischöfen, Priestern, Theologen und Vertretern der afrikanischen Laien vor Augen. Die jungen Christengemeinden in den afrikanischen Ländern sind aufgerufen, ihre Bemühungen in einer organischen pastora-len Solidarität zu vereinen, um dem Werk der Evangelisierung einen wirksamen Aufschwung zu geben. So fordere ich euch zum Gebet auf, damit diese synodale Initiative „mit der Hilfe Gottes für die Weltkirchen und alle Teilkirchen auf afrikanischem Boden ein bevorzugter Augenblick auf dem Pilgerweg des Glaubens dieser geliebten Völker werden möge, denen ich mich so nahe fühle“. 8. Edles Land Kapverden, Speicher junger Hoffnungen für die Kirche, nimm Christus als den einzigen Herrn an! Weihe ihm deine geistigen Energien ! Blicke voll Hoffnung vorwärts, denn Christus ist deine gottgewollte, leuchtende Zukunft! Euch alle, liebe Brüder und Schwestern, rufe ich auf: Antwortet auf den Ruf des Herrn ohne Zögern und Zweideutigkeit! Gestaltet euer Leben ohne Angst nach dem Vorbild Christi! Vor allem an euch junge Menschen richte ich diesen Aufruf: „Euch kommt es zu, den besten Teil der Ernte des zu Ende gehenden Jahrhunderts einzubringen, das heißt, diese Sehnsucht nach Gerechtigkeit, nach Solidarität, Freiheit und Frieden, von der die heutige Generation erfüllt ist. Euch, ihr jungen Leute, kommt es zu, die Hoffnungen und Erwartungen hinsichtlich der Förderung, des Fortschritts und der Entwicklung des Menschen in die Wirklichkeit umzusetzen, Hoffnungen, die so lebhaft von allen empfunden werden. Euch kommt es zu, nach angemessenen Lösungen für die aufkommenden Probleme zu suchen, Formen verantwortlicher und redlicher Beteiligung am politischen und sozialen Leben in die Tat umzusetzen mit dem festen Entschluß zu dienen ... besonders wo es um die -Schwachen geht“ (Ansprache in Trevignano Romano vom 17. 9. 1989). <157> <157> „Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Retter“ (Tit 1,4). Zum Schluß wiederhole ich die Worte des Apostels Paulus, die wir heute in der ersten Lesung gehört haben: Gnade und Friede! 267 REISEN In diesen zwei Worten ist all das Gute zusammengefaßt, das man jedem Menschen wünschen kann und soll. Die Gnade: sie ist das göttliche Leben in der Seele des Menschen, die Frucht der Versöhnung, das Geschenk Gottes in Jesus Christus, der Beginn des ewigen Lebens, des Heils. Der Friede: vor allem der innere Friede, der Friede eines Gewissens, frei von der Zerrissenheit durch die Sünde und offen für das wahre Gute. Friede mit den Menschen in gegenseitiger Achtung und in Freundschaft, die Wahrheit und Liebe ist. Friede in den Familien und in der Gesellschaft; Friede zwischen den Völkern und Nationen der ganzen Erde! Gnade und Friede sei mit euch allen! Der Gott des Friedens sei mit euch! Preisen wir seinen Namen! Nach dem Beispiel der Vorfahren Predigt bei der Messe auf der Insel Santiago (Kapverdische Inseln) am 26. Januar Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. „Bringt dar dem Herrn, ihr Stämme der Völker bringt dar dem Herrn Lob und Ehre! Bringt dar dem Herrn die Ehre seines Namens“ (Ps 96,7-8). Mit diesen Worten des Psalmisten lädt die Liturgie alle Nationen, die „Familien der Völker“ ein, Gott Ehre zu erweisen. Die Verherrlichung Gottes ist letztes Ziel alles Geschaffenen und zumal des Menschen und der menschlichen Gesellschaft. In der Verherrlichung Gottes verwirklicht sich endgültig die Bestimmung des Menschen. In Gott findet er auch seine ewige Herrlichkeit, wie bereits im zweiten Jahrhundert der hl. Irenäus verkündet hat: „Der lebendige Mensch ist der Ruhm Gottes“ {Adv. haer. IV, 20,7: PG 7,105); gemeint ist der Mensch, der in Gott ewiges Leben gefunden hat. Heute ist die Einladung des Psalmisten besonders an ein Volk unter allen Völkern der Erde gerichtet: an die Nation von Kap Verde, an die Menschen, die auf diesen Inseln im Atlantischen Ozean wohnen, sie richtet sich vor allem an euch, die Bewohner der Insel Santiago, und alle die ihr hier versammelt seid. <158> <159> <160> <158> Ich grüße euch alle. Ich danke besonders dem Herrn Präsidenten der Republik und dem Herrn Bischof, Dom Paulino do Livramento Evora, für den freundlichen Empfang. Ich grüße alle Autoritäten und alle Diözesanen von Santiago in Kap Verde. Viele sind von abgelegenen Inseln gekommen und haben dafür gewiß Opfer gebracht. Möge Gott alle segnen! Religiöses Empfinden hat im Verlauf der Geschichte schon immer euer Leben gekennzeichnet. Doch ihr seid heute aufgrund der Evangelisierung hier, um vereint mit dem Nachfolger des Petrus „dem Herrn die Ehre zu geben“, um Jesus Christus zu preisen. Ich ermahne euch daher, ein dankbares Andenken den Missionaren zu bewahren, die euch die Möglichkeit geschenkt haben, Jünger Christi zu werden und sein Heil anzunehmen. Dieses Andenken gilt auch euren Ahnen, die sich für die Annahme des Evangeliums aufgeschlossen 268 REISEN zeigten. Doch alle zusammen danken wir in der Eucharistie vor allem Gott. Immer ist es ja Er, der unsere Herzen lenkt: die Herzen derer, die beten und die Herzen derer, die auf die Frohbotschaft hören. 3. Jesus Christus, der Sohn Gottes, gleichen Wesens mit dem Vater, ist Mensch geworden, uns in allem gleich, außer der Sünde (vgl. Hehr 4,15); er brachte der Welt das Heil: „Gnade, Erbarmen und Frieden von Gott, dem Vater“ (2 Tim 1,2), wie der hl. Paulus in der ersten Lesung der heutigen Liturgie verkündet hat. Er hat uns das ewige Leben gebracht, das Gott, der Vater, uns in ihm versprochen hat. Er hat uns die Einladung des Psalmisten weitergegeben: gebt Gott die Ehre und lebt zu seiner Verherrlichung. Um diesen göttlichen Plan durchzuführen, zog Jesus, wie wir im Evangelium lesen, durch die Städte und Orte seiner Heimat, „lehrte ..., verkündete das Evangelium vom Reich und heilte alle Krankheiten und Leiden“ (Mt 9,35). In Jesus Christus beginnt das Evangelium vom Reich Gottes; in seinem Erlösungsopfer schloß er den Neuen Bund mit der Menschheit. Die Sendung aber, das Evangelium und den Neuen Bund zu verkünden, übertrug Christus, der Erlöser der Welt, der Kirche, die er auf dem Fundament der Apostel errichtete. Er war es, der die Zwölf berief, und unter ihnen übertrug er dem Petrus den ersten Platz. Nach seiner Auferstehung berief er dann Paulus als letzten der Apostel. Saulus von Tarsus verfolgte die Christen und den Namen Christi aufs heftigste.. Aber auf dem Weg nach Damaskus erschien ihm der auferstandene Herr und wandelte ihn innerlich um. Der Verfolger Saulus bekehrte sich und wurde zum Apostel, der für Christus glühte und, wie Petras, zur Säule der Kirche. 4. Die Liturgie begeht heute das Gedächtnis von zwei Schülern des hl. Paulus: Timotheus und Titus; gestern aber hat sie das liturgische Fest der Bekehrung des hl. Paulus gefeiert. Mit diesem Fest ist aufs innigste die Ankündigung des Zweiten Vatikanischen Konzils verbunden, dessen Abschluß vor 25 Jahren wir dieses Jahr begehen. Dieses Konzil war für die ganze, auf die Apostel gegründete Kirche ein wichtiges Ereignis. Es bezeichnete den Beginn eines neuen Abschnitts in ihrem Leben. Es gab der Kollegialität der Bischöfe neuen Antrieb und weckte einen neuen Geist der Mitverantwortung und größeren Zusammenarbeit unter ihren Mitgliedern: Priestern, Ordensleuten und Laien. Heute denke ich mit euch hier, an den Pforten Afrikas, an diese Ereignisse, um Gott für das große Werk dieses Konzils zu danken und alle einzuladen, nach seinen Weisungen zu leben. Im zweiten Vatikanischen Konzil wurzelt die Initiative zu einer Synode der Bischöfe für Afrika. Auch auf den Kapverdischen Inseln wird dieses Ereignis gewiß mit Hoffnung vorbereitet und mit vertrauensvollem Gebet um gute Früchte, die die Kirche auf diesem Kontinent und in der ganzen Welt daraus ziehen möchte. <161> <161> Auf dem Fundament der Apostel erbaut, hat sich die Kirche bis an die Enden der Erde ausgebreitet. Der christliche, apostolische und katholische Glaube erreichte auch Kap Verde. Damit begann hier das Werk Gottes „der Bau Gottes“ (1 Kor 3,9) mit Hilfe der Gesandten, die das Werk der Apostel weitergeführt haben. Mit Recht vergleicht die Liturgie die Kirche 269 REISEN mit der „heiligen Stadt“ und nennt sie „neues Jerusalem“, zu dessen Struktur alle Getauften als „lebendige Steine“ gehören (vgl. 1 Petr 2,5). Wie das Konzil sagt, ist sie das „Zelt Gottes unter den Menschen“, das Haus Gottes, in dem seine Familie wohnt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 6). Alle Getauften sind in der Tat Söhne Gottes und Brüder Christi. Aus den verschiedensten und voneinander entferntesten Völkern stammend, sind sie zur Gemeinschaft mit Gott berufen, bilden den mystischen Leib Christi und die Familie Gottes. Lebendig, geeint und vom Heiligen Geist geleitet, der der eine und gleiche ist, wirken sie, nach den Worten der hl. Väter, in der Kirche ähnlich wie die Seele im menschlichen Leib: sie bilden einen einzigen Leib mit vielen Gliedern, und jedes einzelne hat seine besonderen Aufgaben. Mit Hilfe dieser Bilder stellte sich die Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil der Welt als Ort des „Heilsdialogs“', dar. Jesus Christus verglich die Kirche mit einem Senfkorn; ein sehr kleines Kom, das aber wächst und zum größten Gewächs des Feldes wird, fast so groß wie ein Baum; und die Vögel des Himmels kommen und ruhen auf seinen Zweigen (vgl. Mt 13,32). Tatsächlich breitet sich die Kirche trotz aller Prüfungen und Schwierigkeiten weiter wie ein lebenskräftiger Baum aus. Sie begann mit der Gruppe der Apostel und Jünger; sie erweiterte sich zu den vielen, die das Glück hatten, beim Abschied des auferstandenen Herrn dabei zu sein; endlich dehnte sie sich auf die Tausende aus, die am Pfingstfest gläubig wurden. 6. Nach dem Pfingstfest in Jerusalem breitete sie weiter, gestärkt durch den Geist, ihre Zweige aus, angefangen bei den Gebieten des Mittelmeerraumes. Doch schon bald erreichte sie Afrika. Seit den ersten Jahrhunderten sahen die Gebiete im Norden dieses großen Erdteils blühende christliche Gemeinden, die von Lebenskraft und Eifer Überflossen und zahlreiche Märtyrer, Jungfrauen, Bekenner und große Kirchenlehrer aufzuweisen hatten. Und die Botschaft blieb nicht auf den Norden beschränkt;, das Evangelium vom Heil drang schrittweise auch zum Süden vor. Zu eurer Insel kam das Evangelium vor mehr als 500 Jahren. Kurz nach Abschluß der eigentlich missionarischen Phase schuf der Apostolische Stuhl in Rom im Jahre 1553 die Diözese Santiago von Kap Verde und gab dieser Ortskirche ihre feste Struktur. Anfangs erstreckte sich die Diözese auch über ein weites Gebiet des afrikanischen Kontinents. Im Laufe der Zeit aber wurde die Diözese Kap Verde, wie ihr wißt, auf die Inseln des Archipels beschränkt. Angesichts der Verwirklichung des Heilsplanes Gottes in Christus durch die Verbreitung der Kirche, Sakrament des Heiles, das den Aposteln und ihren Nachfolgern bis hin zum heutigen Bischof von Kap Verde anvertraut wurde, ist es in Wahrheit würdig und recht, daß die ,Familien der Völker dem Herrn Lob und Ehre erweisen, ihm die Ehre seines Namens darbringen“ (vgl. Ps 96,7-8) - und heute besonders das Volk von Kap Verde. Wir begegnen uns an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends. Wir wünschen alle, es möchte durch ein neues Aufblühen christlichen Lebens gekennzeichnet sein. Wir sind heute hier zum Gebet versammelt. Wir wollen Gott bitten, daß das unschätzbare Geschenk des Glaubens bewußter gelebt und großherziger durch einen jeden von uns weitergegeben 270 REISEN wird; daß jeder Kapverdianer sich persönlich zur Evangelisierung aufgerufen fühlt, indem er betet, ein gutes Beispiel gibt und tatkräftig mitmacht. 7. Im Evangelium dieser Messe lesen wir: „Als [Jesus] die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,36-38). Die Kirche hört nicht auf, diese Worte des Guten Hirten Jesus Christus in Erinnerung zu rufen. Sie erhebt ohne Unterlaß ihre Gebete zu Gott, er möge Arbeiter für seine Ernte aussenden. Es ist ein Gebet, das im Herzen und auf den Lippen von uns allen weitergehen muß: das Gebet um Berufungen. An erster Stelle und vor allem beten wir um Priesterberufe. Dann aber auch um Berufe für die männlichen und weiblichen Orden und andere gottgeweihte Personen, Brüder und Schwestern. Früher identifizierte man diese Berufe mit den Ordensmänner und Ordensfrauen; heute kommen die Mitglieder der Säkularinstitute hinzu. Im Apostolat der Kirche gibt es auch engagierte Laien. Auch sie sind wertvolle Arbeiter für die Ernte Gottes, worauf noch die letzte Bischofssynode und dann das Apostolische Schreiben Christißdeles laici hingewiesen haben. 8. Auch hier in Kap Verde geht der Aufbau der Kirche in den Herzen der Menschen weiter. Alle Getauften, nicht nur die Priester und die gottgeweihten Menschen, sind dafür verantwortlich. Nachfolge Christi ist Berufung zum Apostolat, die alle angeht. Die Laien sind mit ihrer besonderen Berufung und Sendung in der Kirche aufgefordert, hier eine wichtige Rolle zu übernehmen. Das gilt um so mehr, je kleiner die Zahl derer wird, die sich ausschließlich dem Dienst am Reiche widmen. Auch angesichts der Organisation des modernen Lebens ergibt sich die Notwendigkeit einer aktiven Präsenz christlicher Laien im Sinn des Evangeliums, die zugleich dynamisch und umgestaltend wirkt, um die Ursachen der Mißstände, die das Leben und seine Qualität lähmen oder verfälschen und den Aufbau oder das Wachsen der Gemeinschaft der Kirche behindern, aufzuspüren und anzugreifen. Die Laien müssen Zeugen werden; sie müssen sich für Lösungen einsetzen, die Gerechtigkeit und Liebe wahren. Sie müssen fähig sein, auf eine Verbesserung der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen hinzuarbeiten, und es verstehen, durch wahrhaft christliches Denken und Wirken zu Beispielen der Solidarität und der Brüderlichkeit zu werden. Die Prediger des Evangeliums können nichts erreichen, ohne die Laien zu erreichen. Diese sind mehr denn je aufgerufen, die Neuheit und Kraft des Evangeliums in ihrem täglichen Leben, in ihrer familiären und sozialen Umgebung aufleuchten zu lassen. Sie sind ferner aufgerufen, zur Heiligung der Welt beizutragen. Sie müssen sich ebenso begeistert wie beharrlich in echt missionarischem Wirken einsetzen für die, die noch nicht an Gott glauben, und, von apostolischer Liebe geleitet, sich um die kümmern, die den in der Taufe empfangenen Glauben nicht leben (vgl. Christißdeles laici, Nr. 34). Wo es dagegen Gleichgültigkeit gibt und das Heil nicht das Leben erfaßt, muß eine neue, seelsorglich einfallsreiche und wagemutige Evangelisierung einsetzen. 271 REISEN Einem solchen Engagement der Laien entspricht es, daß die Hirten der Gemeinschaften, die in Einheit mit dem Bischof stehen, Lehrer der Wahrheit und Zeugen der Hoffnung sind, Vorbilder der brüderlichen Liebe und Koordinatoren für alle Menschen guten Willens. Es ist Aufgabe der Hirten, ihre Brüder im Laienstand zu unterstützen und ihren kritischen Geist auszubilden, damit ihr christliches Unterscheidungsvermögen wächst und sie sich als echte Aufbauelemente der Gesellschaft innerhalb einer „Kultur der Liebe“ erweisen. 9. Ihr, liebe Brüder und Schwestern, lebt am Kreuzungspunkt verschiedener Kulturen und besitzt eine Überlieferung, in der das Familienleben, die sozialen Verhaltensweisen und die Kultur vom Evangelium geprägt sind. Jeder Kapverdianer kann stolz das Wort wiederholen: „nach dem Beispiel meiner Vorfahren“, wie wir in der ersten Lesung gehört haben. Früher war euer Land als strategische Brücke für den Krieg bekannt und als Ort, der den Handelsweg abkürzte; unglücklicherweise diente es in der Zeit der Sklaverei auch für den verabscheuungswürdigen Handel mit menschlichen Personen. Es ist daher möglich, daß in eurer Kultur noch Wunden geblieben sind. Ich möchte heute gemeinsam mit euch zwei Dinge unterstreichen, weil das kirchliche Lehramt sie ständig betont hat: - Erstens: Nein zu jeder Form von Diskriminierung; niemals mehr soll der Mensch Sklave eines anderen Menschen sein; weg mit allen Formen der Gewaltanwendung, die die Würde der Personen beeinträchtigen; nie wieder sollen die Rechte Gottes über den Menschen verleugnet werden: „Der lebendige Mensch ist Gottes Ruhm.“ - Zweitens: Von meinem Besuch möchte ich den Eindruck mitnehmen, daß die Kapverdianer der Mahnung des Apostels entsprechend das vergessen, was hinter ihnen liegt und sich dem zuwenden, was vor ihnen liegt, nämlich einer immer besseren christlichen Zukunft. <162> <162> Der Apostel Paulus schreibt an Timotheus: „Ich rufe dir ins Gedächtnis: Entfache die Gnade Gottes wieder, die dir durch die Auflegung meiner Hände zuteil geworden ist“ (.2 Tim 1,6). Der hl. Timotheus war Priester und Bischof: „Die Auflegung der Hände“ ist für die Weihe zum Dienst in der Kirche entscheidend; für einen Dienst, zu dem die „Verwalter der Geheimnisse Gottes“ berufen sind (vgl. 1 Kor 4,1). Heute müssen sich daher der Bischof von Kap Verde (gemeinsam mit allen anderen Bischöfen) und auch alle Priester an die „Auflegung der Hände“ erinnern und der mit dieser Geste verbundenen Gabe neue innere Kraft abgewinnen. Doch durchaus nicht nur sie. Das Gleiche gilt für alle gottgeweihten Personen, die Ordensmänner und Ordensfrauen. Brüder und Schwestern müssen heute ihre Weihe an Gott neu lebendig werden lassen. Sie müssen zugleich das von Gott empfangene Charisma lebendig werden lassen und kräftigen, auch das Erbe ihrer jeweiligen Ordensfamilien und Gründer. Das Gleiche gilt von allen Getauften und Gefirmten: von allen Laien, die in Kap Verde Glieder des Volkes Gottes sind. Für alle gilt nämlich, was der Apostel schreibt: „Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2 Tim 1,7). 272 REISEN Wir schämen uns daher nicht des Zeugnisses, das wir für unseren Herrn Jesus Christus geben müssen: „Ihr seid meine Zeugen!“ (Apg 1,8). Und genauer gesagt, müssen wir auch für das Evangelium zu leiden wissen, getragen von der Kraft Gottes (vgl. 2 Tim 1,8). Dies ist die Botschaft, die euch Johannes Paul II., der Bischof von Rom und Nachfolger des hl. Petrus, an diesem Tag hinterlassen möchte, an dem er eure Kirche und Gesellschaft hier in Kap Verde besuchen durfte. Gelobt sei unser Herr Jesus Christus! In Christus könnt ihr frei sein Ansprache an die Jugend auf den Kapverdischen Inseln am 26. Januar Junge Menschen der Kapverden, Jungen und Mädchen, meine lieben Freunde! 1. Ergriffen von der Atmosphäre festlicher Begeisterung, mit der ihr mich in diesem Sportpalast empfangen habt, erwidere ich eure Grüße, bringe euch meine tiefe Liebe zum Ausdruck und bekunde euch die Freude, mit der mich diese Begegnung erfüllt. Mit ihr geht ein anstrengender Tag zu Ende, der reich war an Augenblicken, in denen sich der gemeinsame Glaube an Christus, den Herrn und Erlöser des Lebens, durch Gemeinsamkeit und Liebe kundtun und festigen konnte. Heute abend wende ich mich an euch, liebe jungen Leute, mit den Worten des Apostels Paulus: „Ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder“, so lebt, indem ihr „einander in Liebe dient“ (vgl. Gal 5,13). Diese Botschaft hat der hl. Paulus vor vielen Jahrhunderten an die Christen von Galatien gerichtet; doch sie enthält eine sehr aktuelle Antwort auf einige Fragen, die auch ihr heute auf dem Herzen habt. <163> <164> <165> <163> Stimmt es vielleicht nicht, daß ihr zutiefst die Faszination der Freiheit spürt? Und ihr fragt: Auf welche Weise bringen wir in unserem Leben am besten diesen Wert zur Geltung, von dem die volle Reifung unserer Persönlichkeit abhängt? Diese eure innere Erkenntnis ist zutiefst vernünftig. Tatsächlich ist in christlicher Sicht das Leben Berufung zur Freiheit, denn jedes menschliche Wesen trägt in sich das Abbild Gottes, der die Freiheit an sich ist, und alle sind zur Teilnahme an der Erlösung durch Christus berufen, der der höchste Befreier des Menschen von den Mächten des Bösen ist. Jeder, der das große Geschenk annimmt, Gott zum Vater und Christus zum Erlöser zu haben, ist niemandes Sklave mehr. Wer Christus annimmt, der zur Rettung der Welt gestorben und auferstanden ist, wird frei von der Angst vor einer unsicheren Zukunft und vor den Abhängigkeiten der menschlichen Natur, die durch die Sünde gebrechlich und hinfällig geworden ist. 273 REISEN 3. Die Botschaft, die ich euch, liebe junge Menschen, meine Zuhörer, heute abend bringe, ist diese: In Christus - und nicht auf der Flucht vor ihm - könnt ihr frei sein. Wenn ihr in eine -ich möchte sagen: brüderliche - Freundschaft zu ihm hineinwachst, wird sein Schicksal zu eurem werden. Und denkt daran, daß seines ein Schicksal der Freiheit ist. Wenn ihr dagegen einen Weg fern von ihm einschlagt, dann wißt, daß ihr in Formen wirklicher moralischer Sklaverei fallen werdet, die umso härter sein werden, je unerwarteter sie über euch kommen. Ihr müßt deshalb darauf vorbereitet sein, dem unterschwelligen Einfluß der gängigen Mode und der herrschenden Meinung zu widerstehen, die die Mittel der sozialen Kommunikation euch präsentieren. Es gibt unsichtbare Ketten, die den Geist genauso binden, wie sichtbare Ketten den Leib fesseln. Deswegen wiederhole ich heute abend hier vor euch die Warnung, die Mose an das Volk Israel richtete: „Nehmt euch in acht! Laßt euer Herz nicht verführen, weicht nicht vom Weg ab, dient nicht anderen Göttern, und werft euch nicht vor ihnen nieder!“ (Dtn 11,16); dies gebührt nur dem einzigen Gott und Herrn. Diese ernste Warnung aus dem Alten Testament findet ein sehr deutliches Echo in dem nicht weniger anspruchsvollen Wort des hl. Apostels Paulus: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und laßt euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen!“ (Gal 5,1). 4. Liebe Jugendliche, nehmt Christus in eurem Leben an! Wenn ihr mit ihm geht, wenn ihr ihn als den Reisegefährten wählt, der euch den Weg zeigen soll, dann werdet ihr nicht nach falschen Werten suchen und nicht den Idolen des persönlichen Erfolgs, der Macht, des Reichtums und des Erotismus nachlaufen; sondern ihr werdet euch auf die echten Werte hin aus-richten, auf denen die wahre Freiheit aufgebaut ist. Diese kommt nicht vom Mehr-Haben, sondern vom Mehr-Sein, nämlich wahre Männer und wahre Frauen zu sein. Ihr wißt schon, daß echte Freiheit Selbstkontrolle voraussetzt, eine Herrschaft über sich selbst, dank der es möglich wird, ein vollkommenes, heiliges und über die erniedrigende Herrschaft der Sünde siegreiches Leben zu führen (vgl. Röm 6,12). <166> <167> <168> <166> Diese meine Worte, meine lieben Jugendlichen, ordnen sich, wie ihr seht, in den Gesamt- zusammenhang des Glaubens ein. Ich kenne die Einwände, die in der Welt von heute gegen den Glauben erhoben werden. Auch ihr hört sie. Es sprechen sie diejenigen aus, die an eurer Seite leben, eure Gefährten beim Studium, bei der Arbeit und in der Freizeit. Laßt euch nicht einschüchtern, gebt eure Überzeugungen nicht auf; verschleudert nicht die Ideale, die euch von denen überliefert worden sind, die in ihrer eigenen Erfahrung die Glaubwürdigkeit des Glaubens erprobt haben. Der Glaube nimmt der Würde des Menschen nichts weg - im Gegenteil: Er verschafft unserem Verstand die Mittel, um auf die uns bedrängenden Anfragen richtig antworten zu können. Der Glaube führt uns zur Kenntnis der letzten Wahrheit über die Dinge, über die Menschen und über Gott. Er führt uns nicht weg von der Welt, von den anderen Brüdern und Schwestern. Er bringt uns im Gegenteil ihren Problemen und ihren Hoffnungen näher. Der wahre Glaube an den Erlöser isoliert uns nicht und entfernt uns nicht von der Welt und vom Menschengeschlecht — im Gegenteil: „Zur Förderung dieser Gemeinschaft der Personen bie- 274 REISEN tet die christliche Offenbarung eine große Hilfe; gleichzeitig führt sie uns zu einem tieferen Verständnis der Gesetze des gesellschaftlichen Lebens, die der Schöpfer in die geistliche und sittliche Natur des Menschen eingeschrieben hat“ (Gaudium et spes, Nr. 23). 6. Wenn der Mensch den Glauben annimmt und sich von Christus, dem Erlöser, lieben läßt, dann flieht er weder vor sich selbst noch vor den anderen. Er findet sich in sich selbst und in den anderen wieder, weil er im Vater des Lebens das fundamentale Element entdeckt, das uns alle zu Brüdern und Schwestern macht; das Abbild Gottes, das ihm vom Anfang her vom Schöpfer aufgeprägt und das nach dem Sündenfall vom Erlöser wiederhergestellt worden ist. Im Licht des Glaubens kann jeder von euch den anderen so betrachten, wie er eine Ikone anschaut; als ein zumindest potentielles Porträt Christi. Verharrt also fest im Glauben! Lebt ihn mit Einfachheit und Aufrichtigkeit! Laßt zu, daß Jesus Christus selbst eure Existenz bestimmt und eure Entscheidungen leitet, so daß die Beziehungen unter euch stets und ohne Ausflüchte dem Beispiel der Liebe des Herzens Christi entsprechen. 7. Was kann ich euch, meine jungen Freunde, noch empfehlen? Aus dem Herzen Christi, in dem Gott alle Dinge in sich versöhnen wollte (vgl. Kol 1,20), kommen diese Worte: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. ... Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele“ (Mt 11,28). In einer von Spaltungen, Konflikten und ideologischen Gegensätzen zerrissenen Welt könnt ihr die Sehnsucht nach Veränderungen spüren, eine „versöhnte Welt“ erträumen. Doch als erstes muß man diese Impulse dem Herzen Christi gegenüberstellen: „Nehmt euch ein Beispiel an mir!“ Man muß ein gütiges und demütiges Herz haben, ein mit Gott, mit sich selbst und mit der Welt versöhntes Herz. Diese Versöhnung kann und muß in der Begegnung mit Christus, dem „Geheimnis des Erbarmens“, im Bußsakrament ihren vollen Ausdruck finden. Das Bußsakrament ist ein vom göttlichen Erbarmen eröffneter Weg zum versöhnten Leben (vgl. Reconciliatio etpaenitentia, Nr. 22). Seid also dem Erlöser des Menschen dankbar für das Leben und die Gaben, mit denen er euch überhäuft hat. Es gibt keine bessere Art, diese Dankbarkeit auszudrücken, als eine eifrige Teilnahme an der Eucharistie. In ihr erneuert Jesus Christus mit uns und für uns seine Selbsthingabe an den Vater im Opfer des Lobes und macht uns zu seinem Leib. Durch das Brot des Lebens leben wir durch ihn in ihm (vgl. Joh 6,57). <169> <169> Welche anderen Worte erwartet ihr vom Papst? Ich ermahne euch, liebe Jugendliche, aufmerksam auf den Ruf Gottes zu achten. Beispiel sei euch dabei die allerseligste Jungfrau Maria. Was antwortete sie dem Engel, dem Boten, der ihr die Erlösung ankündigte? „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Und, wie ihr wißt, ist dank dieser Zustimmung „das Wort Fleisch geworden“ in ihrem Schoß. Maria entzog sich nicht einem Engagement, das das ganze Leben forderte. Mit ihrem großzügigen und ergebenen Ja ist sie nicht dem Leben ausgewichen, vielmehr ist sie voller darin eingedrungen, weil sie alle Konsequenzen einer Sendung auf sich nahm, die sie bei der Verwirklichung des höchsten Mysteriums der Erlösung mit dem Wort Gottes vereinte. 275 REISEN Wie die Jungfrau und Mutter Christi seid auch ihr Familienangehörige Gottes und Bürger dieser Welt. Wie sie „haben wir Frieden mit Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn“ (Röm 5,1); laßt euch führen vom Heiligen Geist, dessen Früchte, „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ sind (Gal 5,22). 9. Und ihr möchte ich euch in diesem Augenblick anvertrauen. Maria, der allerseligsten Mutter des Erlösers. Ich möchte ihr, der Mutter Jesu und Mutter der Kirche, die Zukunft dieser Nation anvertrauen, deren wichtigster Teil ihr, die Jugend, seid. Möge sie euch helfen, fest im Glauben zu bleiben und eure Sendung als Getaufte im Dienst an der Welt zu erfüllen. Sie tröste eure Altersgenossen, die unter Krankheiten, Behinderungen, Ungewißheit über die Zukunft, Mangel an Mitteln und zuweilen sogar Hunger leiden. Mögen alle den Mut behalten und sich nicht unterkriegen lassen. Das Leben, die Bestimmung, die gegenwärtige und die zukünftige Geschichte eines jungen Menschen hängen ab von jener Freiheit der Kinder Gottes, zu der Christus uns befreit hat. Ich bitte Gott, den Allerbarmer, er möge euch erleuchten und euch begreifen lassen, zu welcher Hoffnung ihr berufen seid (vgl. Eph 1,18). Mein apostolischer Segen begleite euch immer; er erfülle euch mit himmlischer Gnade und lasse euch die Freude erleben, Christus nahe zu sein, und den Trost, ihn als Freund zu haben. Evangelisierung Aufgabe aller Getauften Ansprache bei der Verabschiedung von den Kapverdischen Inseln am 27. Januar Herr Präsident der Republik, Herr Bischof von Santiago de Cabo Verde, Exzellenzen, meine Damen und Herren, liebe Bewohner der Kapverdischen Inseln, meine Brüder und Schwestern in Christus! 1. Zu meinem Bedauern ist die Stunde des Abschieds gekommen. In diesem Augenblick möchte ich meine Dankbarkeit für die freundliche Aufnahme zum Ausdruck bringen, die mir in eurem Land zuteil geworden ist, sowohl hier in der Stadt Praia als auch bei meiner Ankunft auf der Salzinsel und hernach in Mindelo und Säo Vicente. Dank sei Gott ist mein Besuch sehr gut verlaufen, trotz aller Hindernisse verschiedener Art, mit denen ihr zu kämpfen hattet und die mit viel Großmut und gutem Willen überwunden wurden. Allen, denen er gebührt, spreche ich meinen aufrichtigen Dank aus! Insbesondere fühle ich mich Seiner Exzellenz dem Herrn Präsidenten der Republik verpflichtet, dem Herrn Diözesanbischof, den Regierungsmitgliedem sowie den Vertretern und den Verantwortlichen für die öffentlichen Dienststellen und für die Verwaltung dieses Landes. Wie es begreiflich ist, kam ich nicht alle Personen, Gruppen und Organisationen, denen ich meinen Dank schulde, mit Namen aufzählen. Niemand möge sich also weniger geschätzt oder ausgenommen fühlen. 276 REISEN 2. Dieser aufrichtige Dank gilt auch all denen, die, weil von den gleichen religiösen und humanitären Gefühlen beseelt, dem Bischof von Rom als dem Haupt der katholischen Kirche begegnen wollten. Schließlich denke ich an alle, die nicht persönlich kommen konnten, mich jedoch dank der Mittel der sozialen Kommunikation begleiteten; vor allem denke ich jedoch an jene, die für den guten Verlauf meines Pastoralbesuches und um dessen geistliche Früchte gebetet haben. In diesem Sinn möchte ich mit einem Wort der Achtung und der Sympathie der zahlreichen kapverdischen Emigranten gedenken. Uns allen sind die schmerzlichen Aspekte der Emigration auf der Suche nach besseren Lebensbedingungen bekannt, die Opfer und die bedauernswerten menschlichen und familiären Situationen und die sogar traumatische Entwurzelung, welche für gewöhnlich die Abreise in die Fremde mit sich bringt. Mögen diese Opfer gut belohnt werden und auch zur Förderang der Lebensqualität der weiterhin auf ihren geliebten Inseln lebenden Bürger beitragen. 3. Da meine Pastoraireisen ausgesprochen religiösen und apostolischen Charakters sind, und der Begegnung mit der katholischen Gemeinde gelten, sei es mir gestattet, ein besonders herzliches Wort des Abschieds - und gleichzeitig der Achtung und Ermutigung - an die Priester, Ordensleute und engagierten Laien zu richten, die unter der Leitung des Herrn Bischofs aktiv und hochherzig an der geistlichen Vorbereitung - und nicht nur an dieser -meines Besuches mitgearbeitet haben. Welcher Einsatz, welcher Eifer, welche Arbeit! Ich konnte mich der einfachen und aufrichtigen Gastfreundschaft eurer Gemeinden erfreuen und mich von ihrer Lebenskraft, ihrem Gebetseifer und ihrer Freude überzeugen, als sie gemeinsam mit Petrus „Kirche sein“ durften, sei es auch nur für wenige Stunden. Es waren dies Augenblicke intensiver Gemeinschaftlichkeit, die mich erneut die Katholizität der Kirche erfahren ließen. Ich werde diese Erfahrung in meinem Herzen bewahren. Vor allem jedoch werde ich weiterhin dafür beten, daß die Anzeichen der geistlichen Erneuerung und der neuen Evangelisierung, die ich wahmehmen konnte, zunehmen und reiche Früchte tragen. 4. Diese meine Worte setzen die zahlreichen Wünsche fort, die ich bereits ausgesprochen habe. Sie fordern euch auf, voll Hoffnung, voll großer Hoffnung weiterzugehen. Da ihr den christlichen Glauben empfangen habt, konntet ihr ein Leben nach diesem Glauben und das Zeugnis für ihn überzeugungstreu vertiefen: „Ihr werdet meine Zeugen sein“, ruft euch nun der Herr heute nochmals durch den Mund des Bischofs von Rom zu. So tragt ihr zur Schaffung einer echt christlichen Zivilisation in eurem Land bei. Sie nährt sich aus den heimischen Quellen, veredelt die guten Elemente, die eure Traditionen in sich schließen, und bereichert den Einsatz der Weltkirche für den Aufbau einer „Zivilisation der Liebe“. Hier ebenso wie anderswo ist es nicht das Evangelium, das sich bei der Inkulturation ändern muß; vielmehr obliegt es der Kultur, die vom Erlöser der Menschheit verbreiteten Keime des Lebens in sich aufzunehmen. Der Apostel des Evangeliums vermenschlicht denjenigen, dem er das Evangelium mitteilt, denn die Evangelisierung bringt gleichzeitig auch die Zivilisation mit sich. Tatsächlich zielt ja die Evangelisierung auf die „Bekehrung“ des persönlichen und gemeinschaftlichen Gewissens der Menschen ab, sowie auf die ihrer Aktivitäten und ihres Lebensraumes. 277 REISEN Diese Evangelisierung, die neue Evangelisierung der Kapverdischen Inseln ist es, die allen Getauften obliegt und im Rahmen der Sendung der Kirche von ihnen die Erfüllung dringender Aufgaben fordert: diese Aufgaben - in der Familie, im Unterrichts- und Erziehungswesen sowie im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben - möchte ich euch, liebe kapverdische Brüder und Schwestern, anvertrauen. Der Papst zählt auf euch! 5. Auf diese Weise, in Treue zu den Richtlinien des kirchlichen Lehramtes und mit dem Licht und der Kraft des Heiligen Geistes, wird es euch, dessen bin ich sicher, möglich sein, eine glückliche Zukunft für diese Nation vorzubereiten. Die Söhne und Töchter der Kirche werden in harmonischer Zusammenarbeit mit allen Bürgern der Nation zu Fortschritt und Wohlstand beitragen, wenn sie die Wahrheit und das Licht ausstrahlen, die der innerste Kern der Botschaft und die erneuernde Kraft der Sendung Jesu Christi sind; diese Sendung hat in der Geschichte der Menschen die Form und den Namen der Liebe und der Barmherzigkeit Gottes angenommen. Wir sind die Generation, die bereits auf das dritte christliche Jahrtausend blickt und der es ermöglicht wurde, in der Herrschaft des Menschen über die Natur und in der Vertiefung der Gesetze des gesellschaftlichen Verhaltens bemerkenswerte Fortschritte zu machen. Tönerne Götzen sind zusammengestürzt; die Hindernisse und Entfernungen, die einst Menschen und Nationen voneinander trennten, sind geringer geworden. Möge Gott geben, daß sich das Wissen des Menschengeschlechtes um seine Einheit festige, die Anerkennung der wechselseitigen Abhängigkeit der Völker durchsetze und die weltumspannende Solidarität zunehme! <170> <170> Ich weiß sehr wohl um die schwierigen Probleme, welche die Kapverdischen Inseln -ebenso wie andere Länder dieser Region Afrikas - dringend lösen müssen. Andererseits weiß ich auch, daß man mit dem starken und erprobten Charakter ihrer Bewohner rechnen kann, die sich keinen Illusionen hingeben und nicht meinen, es sei leicht, gegen die Widerwärtigkeiten des Klimas zu kämpfen und die ungünstige soziale Lage zu überwinden. Wie mir der Herr Präsident geschrieben hat, ist das kapverdische Volk „den Grundsätzen treu, die das Leben aller guten Christen orientieren und war stets bestrebt, in diesen Grundsätzen den Mut und die Kraft zu finden, die zur unermüdlichen Fortsetzung eines schwierigen Kampfes gegen die Unbilden der Natur erforderlich sind“. Deshalb trage ich in der Seele die Hoffnung, die aus den lebhaften Augen eurer Kinder und Jugendlichen spricht und sich im heiteren Realismus der guten Menschen dieser Erde widerspiegelt, dieser Menschen, die zu kämpfen verstehen und für die „Armut keine Schande ist“, wie man in eurer Sprache sagt. Herr Präsident, liebe Bewohner der Kapverdischen Inseln! In manchen Kulturen ist grün („verde“) die Farbe der Hoffnung; es ist der Name eures Landes. Deshalb verabschiede ich mich von euch mit großer Hoffnung und gebe dem Grußwort „Adeus“ seine volle Bedeutung: „an Gott“, den Vater des Erbarmens wende ich mich für euch, denn „wenn nicht der Herr das Haus baut, müht sich jeder umsonst, der daran baut“ (Ps 127,1). Ohne Gott kann man keine Gesellschaft aufbauen: er ist es, der eine menschenwürdige Gesellschaft gewährleistet, und religiös sein heißt vollauf Mensch sein. Von dieser Hoffnung erfüllt, wünsche ich dem geliebten kapverdischen Volk und den Mitgliedern seiner Regierung nochmals aus ganzem Herzen Fortschritt und Wohlstand in einem 278 REISEN Frieden, der das Ergebnis der Zusammenarbeit und der gerechten Teilnahme aller an der internationalen Solidarität ist, damit ihr mit dem Segen des allmächtigen Gottes einer immer glücklicheren Zukunft entgegengeht! Den Durst nach der Wahrheit stillen Ansprache bei der Begegnung mit Priestern, Ordensleuten, Katechisten und Seminaristen in Bissau (Guinea-Bissau) am 27. Januar „Der Herr ist wirklich auferstanden“ (Lk 24,34). 1. Mit dieser großen österlichen Gewißheit grüße ich euch alle herzlich. Ich möchte meine Freude über diese von der Vorsehung geschenkte Gelegenheit kundtun, mich mit euch, Priestern, Ordensmännem und -frauen, Seminaristen und Katechisten, hier zu treffen. Ihr seid in großer Zahl in diese schöne Kathedrale gekommen, das geistliche Zentrum der katholischen Gemeinschaft eures Landes und den bevorzugten Ort der Begegnung mit Jesus in der Eucharistie, mit dem österlichen Christus, dem Gestorbenen und Auferstandenen, den wir mit den Augen des Glaubens betrachten. Die Kathedrale, Ort der sakramentalen Begegnung mit Gott, ist gerade deswegen Antriebszentram für das christliche Zeugnis, für die innere Erneuerung und für die missionarische Aktion. Beim „Brechen des Brotes“, während wir um den eucharistischen Tisch versammelt sind, erleuchtet uns die Gegenwart Christi und unser Herz bereitet sich, die göttlichen Lehren zu hören, die unseren Eifer und unsere Begeisterung für die Sache des Evangeliums und das Heil der Menschen entzünden. Und auch unsere Augen öffnen sich und erkennen: „Der Herr ist wirklich auferstanden“! Dieses eucharistische Fundament der Mission finden wir wunderbar erläutert in der Episode mit den Emmausjüngem, die uns der hl. Lukas erzählt (24,13-35). Sie lehrt uns, daß diejenigen in der Kirche, die Verkündiger der Frohen Botschaft sein wollen, sich zuerst selbst vom Wort Christi durchdringen und bekehren lassen müssen: dann müssen sie seine österliche Liebe in der Eucharistie erfahren, um sich schließlich auf den Weg zum Menschen zu machen, um ihn in seiner konkreten Situation anzutreffen und ihm das neue Leben zu schenken, das der auferstandene Herr begonnen hat. <171> <172> <171> Der zentrale Augenblick in dem packenden Erlebnis der Emmausjünger war der, als sie den auferstandenen Herrn erkannten, nachdem sie jenem Wanderer Gastfreundschaft gewährt hatten, der noch einen Moment zuvor ein unbekannter Pilger war. Doch er hatte sie schon zuvor mit wunderbarer geistlicher Anziehungskraft beeindruckt, als er ihnen die Schriftstellen auslegte, die sich eben auf Christus bezogen. Der Herr Jesus offenbarte sich in dem Bruder, den sie liebevoll an ihrem Tisch willkommen hießen. Und er ließ sich erkennen in einem Augenblick vertrauter Freundschaft, wie es ein Mahl sein kann. Er offenbarte sich in dem Menschen, den sie aufgenommen hatten, obwohl sie ihn nicht kannten, dessen Würde anzuerkennen und dessen Auslegung des Wortes Gottes anzuhören sie dennoch bereit waren. 279 REISEN Diese Geste der Liebe, der Großzügigkeit, der Freundschaft und des Zuhörens wurde belohnt. Und wie groß war dann ihre Begeisterung und ihre Freude, als sie erkannten, daß der unbekannte Pilger der auferstandene Herr selbst war! Diese Entdeckung konnte sie nicht untätig lassen. Die Berührung mit dem Licht bringt uns selbst zum Leuchten. Die Gemeinschaft mit dem Leben schenkt uns neues Leben und macht uns zu Vermittlern des Lebens. Wenn wir uns von der Gegenwart Gottes, der in uns wirkt, beseelen lassen, erfüllt uns das mit einem nicht unterdrückbaren und unerschöpflichen Eifer. Er führt uns zu einer beständigen Haltung des Dienstes an den Brüdern, und er treibt uns an, in der Mission und der Evangelisierung immer neue und immer mutigere Initiativen zu ergreifen: „Noch in derselben Stunde brachen sie auf* (Lk 24,33), berichtet uns der hl. Lukas von den Jüngern, die von der Begegnung mit dem auferstandenen Jesus begeistert waren. 3. Dem missionarischen Engagement geht als Vorbereitung der Augenblick der Kontemplation voraus: Die Jünger drängten den Pilger, den sie noch nicht erkannten, doch aus einer Ahnung des Herzens heraus schon liebten, bei ihnen zu bleiben, „denn es wird bald Abend“ (Vers 29). Es ist das erste und vielleicht das rührendste Gebet der Christengemeinde nach Ostern. Auf der einen Seite weist dieses Gebet auf die Armut und die Einsamkeit des Menschen hin, die man vor allem in den dunklen Momenten der Existenz verspürt, wenn die Nacht der Orientierungslosigkeit, der Angst und des Leidens schwärzer denn je einzufallen scheint. Dann spürt man das Bedürfnis, das Gespräch, das Hoffnung gibt, auszudehnen, das Bedürfnis, daß die überaus wohltuende Gegenwart des Herrn nicht unterbrochen werde. Auf der anderen Seite ist die an den Pilger gerichtete Einladung, zu bleiben, weil es bald Abend werde, auch eine Geste zartfühlender Aufmerksamkeit, denn sie zeigt die Sorge, er könne auf der Reise oder wegen der Unterkunft Schwierigkeiten haben. Wenn es dunkel zu werden beginnt, neigen die Menschen dazu, beisammen zu bleiben und ihre Kräfte zur gemeinsamen Verteidigung und zum gegenseitigen Trost zu vereinen. Gemeinsame Gefahren und Bedrohungen bringen den Menschen ihre wechselseitige Abhängigkeit zu Bewußtsein. Daher der Impuls zu gegenseitiger Solidarität, die vor allem das Bewußtsein der Armen erfüllt, denn sie sind allem, was die Sicherheit und die Gelassenheit des Lebens bedroht, am meisten ausgesetzt. Das Bewußtwerden dieser wechselseitigen Abhängigkeit und der unerläßlichen gegenseitigen Solidarität, die daraus entsteht, stellt einen echten „positiven sittlichen Wert“ dar, wie ich in der Enzyklika SoIIicitudo rei socialis betont habe. Es ist ein Element des Trostes für die Völker der Gegenwart, die „die in fernen, von ihnen vielleicht nie besuchten Ländern begangenen Ungerechtigkeiten und Verletzungen der Menschenrechte als ihre eigenen“ empfinden. Die Jünger von Emmaus sind arm, arm ist auch der geheimnisvolle Pilger, dem sie begegnet sind. Und in der Begegnung mit ihm erscheint der Herr der Macht und der Glorie. „Der Herr ist wirklich auferstanden!“ <173> <174> <173> Der Moment der Kontemplation vertieft sich: das Licht und die geistliche Wärme, die von dem geheimnisvollen Pilger ausströmen, führen schrittweise zur vollen Offenbarung: „Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn“ (Vers 31). Doch die Vision konnte nicht 280 REISEN von Dauer sein, weil sie nicht von dieser Welt war. Auch beim Licht des Tabor war es so. Auch dieses sollte noch nicht endgültig den Durst nach der Wahrheit stillen - denn das wird erst im Himmel möglich sein. Aber es diente dazu, dem Einsatz für den Nächsten, den Werken der Gerechtigkeit, der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit und dem missionarischen und evangelisatorischen Engagement Grundlage, Motivation, Ansporn und Mut zu geben. Es dient dazu, uns neu zu beleben, wenn uns Müdigkeit überkommt, und uns die Schönheit und Erhabenheit des Zieles, das wir uns stecken, in Erinnerung rufen. Die Kontemplation gestattet uns schon in dieser Welt einen Vorgeschmack des Paradieses. Doch niemand darf sich in diesem Leben erlauben, sich in der Kontemplation nur auszuruhen, auch die Kontemplativen nicht. Es ist ohne Zweifel notwendig, die Augen fest auf das transzendente Ziel gerichtet zu halten, um unserer Arbeit die richtige Ausrichtung zu geben, uns nicht vergebens abzumühen, den rechten Weg nicht zu verlieren und schließlich um der geistlichen Unterscheidung willen. Die Erfahrung der Kontemplation gestattet uns - wenn sie echt ist, das heißt, im sakramentalen Leben, dem Wort Gottes und einem ernsten sittlichen Bemühen fundiert ist - wirklich zu erkennen, was der Wille Gottes ist und was wir tun müssen, um das ewige Leben zu erlangen. Dieses aber besteht - wie uns der Apostel Johannes lehrt - gerade darin, den „einzigen wahren Gott“ zu erkennen und denjenigen, den er gesandt hat (vgl. Joh 17,3). 5. Genau in diesem Sinne korrigierte der geheimnisvolle Wanderer, in dem sich Christus verbarg, die Vorstellungen, die sich die Jünger vom Messias gemacht hatten: Vorstellungen, die ausgingen von einem Heil nach rein menschlichen Maßstäben und von einem nur soziopoli-tischen Zukunftsentwurf, der nicht mit den transzendenten Plänen Gottes übereinstimmte. Vergleichen wir diese ihre anfänglichen Wünsche mit der glühenden Bitte, die sie am Ende an den Fremden richteten, so erstaunt uns die inzwischen eingetretene Wandlung. Was war geschehen, daß sie dazu kamen, die Ideen des gewinnenden Unbekannten zu teilen und den Messias nicht aufgrund irgend eines irdischen oder politischen Triumphes zu erkennen, sondern im österlichen Geschenk eines eucharistischen Leibes? Die Erzählung im Evangelium schreibt diese Wandlung der Auslegung der Heiligen Schrift zu: Jesus führt die Jünger in die geheimnisvolle Bedeutung des Alten Testamentes ein. Das neue, endgültige Wort Jesu ließ die alten Worte in ihrer wahren, prophetischen, ganz auf die Gestalt des kommenden Messias hingeordneten Bedeutung ausstrahlen; und all das war nicht durch vage menschliche Erwartungen, sondern durch die großmütige Treue Gottes vorbereitet worden. Der Weg, den das Wort Jesu freigelegt hat, kreuzt sich mit der trostlosen Wanderung der beiden Jünger und macht einen Weg der Hoffnung daraus. Er gibt ihrer Wanderung einen evangelisatorischen Impuls und bringt sie den Plänen Gottes immer näher. Er macht die Wanderung zu einem Pilgerweg auf Ostern zu, auf die Kirche zu und die Mission „bis an die Grenzen der Erde“. „Der Herr ist wirklich auferstanden!“ <175> <175> Liebe Brüder und Schwestern, inmitten des Volkes Gottes in eurem Land seid ihr alle in verschiedenem Maße im Werk der Mission und der Evangelisierung engagiert. 281 REISEN Das Arbeitsfeld, das euch vor Augen liegt, ist immer noch unermeßlich. Ich bete darum, daß euer Liebesdienst mit der Hilfe des Heiligen Geistes und dank aufmerksam ausgearbeiteter Seelsorgepläne immer mehr Menschen anziehen und sie auf die Suche nach der Wahrheit, der Gerechtigkeit und dem Heil führen möge. Es ist außerdem mein Wunsch, daß die Außerordentliche Bischofssynode, die den kirchlichen Problemen und Zukunftsaussichten Afrikas gewidmet sein wird, darüber hinaus allen Christen des Kontinents neue Methoden und geeignete Mittel für eine breitgefächerte und wirkungsvolle Verkündigung des Evangeliums anbieten möge. Das menschliche und spirituelle Potential Afrikas ist unvorstellbar reich, und das Wachstum der Kirche auf diesem unermeßlichen Kontinent sehr vielversprechend. Auch in eurem Land sind heute die Aussichten für ein gutes Evangelisierungswerk sehr günstig, und möglicherweise nimmt es von hier, von eurer Nation, seinen Ausgang. Ich möchte bei dieser Begegnung mit euch die Ermahnung meines Vorgängers Paul VI. wiederholen: „Afrika, sei dein eigener Missionar!“ Die Kraft, mit der das Christentum heute auf diesem Kontinent wächst, ist so groß, daß man mit Sicherheit sagen kann: Er fängt an, die richtigen Voraussetzungen und genug Energien zu haben, um in eigenständiger Weise zu wachsen. 7. Ich möchte euch schließlich beglückwünschen zu der intensiven Arbeit, die ihr im Weinberg des Herrn bereits leistet, und auch zu dem Zeugnis, das ihr auf dem Gebiet der Förderung des Menschen ablegt, insbesondere im Erziehungs- und im Gesundheitswesen. Ich bin sicher, daß die Dringlichkeit dieser Werke und dieser Arbeit - so wichtig sie sein mögen - euch nicht davon abhält, eurer ständigen Weiterbildung und einer entsprechenden kulturellen Anpassung die notwendige Zeit zu widmen. Fehlen solche Augenblicke intellektuellen und spirituellen Kraftschöpfens oder sind sie auch nur ungenügend vorhanden, so nimmt euch das auf die Dauer den idealen Antrieb, der euer Handeln tragen muß; eure Aktion sinkt dann ab auf das Niveau eines sterilen, rastlosen, wenn nicht sogar für euch und für die anderen schädlichen Aktivismus. Ich ermahne euch außerdem, auf bestmögliche Weise und in Übereinstimmung mit den Richtlinien eurer Oberen, eures Bischofs und der Kirche um die volle Verwirklichung eurer Berufung besorgt zu sein. „Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes“ (Röm 15,13). Und die Allerseligste Jungfrau - hier „Unsere Liebe Frau von Lichtmeß“ genannt - die Königin der Apostel, beschütze und führe euch auf eurem Weg in der Kirche und im Bezeugen des Evangeliums! Das erbitte ich für euch, während ich euch, eure Familien und alle, die euch lieb sind, von ganzem Herzen segne. 282 REISEN Diskriminierungen und Unterdrückungen zurückweisen Ansprache als Antwort auf die Grußworte des Präsidenten der Republik Guinea-Bissau in Anwesenheit der Vertreter des Staates und des Diplomatischen Korps am 27. Januar Exzellenz, Herr Präsident der Republik, Herr Bischof von Bissau, Exzellenzen, meine Damen und Herren und liebe Einwohner von Guinea, meine Brüder und Schwestern in Christus! 1. Die Worte, die der Herr Präsident eben an mich gerichtet hat, bekräftigen meine Gefühle der Dankbarkeit. Noch deutlicher tritt nun die menschliche Wärme hervor, mit der mich sein gastfreundliches Volk aufnimmt, das hier würdig vertreten ist in dem Augenblick, da ich den Boden dieses schönen Landes geküßt habe. Ich habe es mit großer Freude getan. Schon seit langem hat der Herr Präsident den Wunsch ausgesprochen, ich möchte diese junge Nation besuchen, und ich gestehe, daß mich bei meinen verschiedenen Pilgerreisen auf den afrikanischen Kontinent immer der innere Wunsch begleitet hat, diese Einladung nicht zu übergehen, mit der Eure Exzellenz zugleich das Empfinden des geliebten Volkes von Guinea auszusprechen versicherte. Auch im Namen der katholischen Gemeinschaft in dieser Nation sind: mir mehr als einmal Einladungen von seiten des Herrn Bischofs der Diözese Bissau zugegangen. Dank der Fügung der göttlichen Vorsehung konnte ich nun endlich kommen. Daher möchte ich hier erneut meinen Dank aussprechen: ich danke allen für die unternommenen Schritte und getroffenen Verfügungen, die diesen pastoralen Besuch erleichtern und fördern sollten. 2. In den Anwesenden grüße ich die gesamte Bevölkerung von Guinea. Ich weiß, daß es aktive, friedliebende und frohe Menschen mit einer sehr spontanen Religiosität sind; ich weiß auch, daß viele Jugendliche zu ihr gehören, begierig zu lernen und alles zu unternehmen, um eine bessere Gesellschaft aufzubauen, und aufgeschlossen für die Möglichkeit des Fortschritts und einer echten Entwicklung, die die Welt ihnen bieten könnte. Es sei mir gestattet, besonders die Gemeinschaft der Katholiken in der Person ihres Bischofs, Dom Settimio Arturo Ferrazzetta und seiner ganzen Begleitung zu begrüßen. Ich tue es mit dem mir vertrauten Ausdruck, der im übrigen uns allen vertraut ist: Gelobt sei unser Herr Jesus Christus! Ich denke in herzlicher Verbundenheit an alle jene, die verhindert sind, den Bischof von Rom zu treffen und mit mir zusammenzusein, der ich als Nachfolger des hl. Petrus herkomme. Ich denke an die Armen und Leidenden, an die Alten und Kinder, an alle, die durch unabweisbare Verpflichtungen verhindert sind zu kommen. Möge Gott sie alle stärken und ihnen helfen! <176> <177> <176> Ich danke dem Herrn, daß ich heute in Guinea-Bissau weilen darf, das vor kaum 15 Jahren seine Unabhängigkeit erreicht hat und gewiß eine wichtige anspruchsvolle Zeit erlebt: die Zeit seines Aufbaus als Nation, die sich als vollberechtigter Teil im Konzert der Nationen 283 REISEN bestätigt sehen möchte. Sie steht auch manchen Problemen gegenüber: einige davon haben besonderen Charakter, andere sind den verschiedenen Gebieten in diesem Teil der Welt gemeinsam. Ich komme nach Guinea-Bissau als Missionar Gottes, des Vaters, der reich an Erbarmen ist. Es sendet mich Jesus Christus, der Erlöser des Menschen, um das unsichtbare Wirken des Heiligen Geistes zu unterstützen. Ich komme, um das Evangelium zu verkünden, den Glauben meiner Brüder zu bekräftigen und zu festigen und kurze Zeit bei ihnen zu verbringen, um die gleichen Empfindungen auszutauschen, mit denen sich die Kirche den Menschen darbietet. Bei diesem pastoralen Besuch betrete ich unter angenehmen und anziehenden Bedingungen heute Wege, die von den Missionaren schon seit Jahrhunderten geebnet worden sind. Ich rufe gerne diese Männer und Frauen in Erinnerung. Sie kamen um die Frohbotschaft vom Heil zu verkünden, die für immer die „Freude allen Volkes“ sein soll, Freude auch für das Volk von Guinea. Sie haben hier die Kirche eingepflanzt. 4. Bei der ihr eigenen Sendung achtet die Kirche, wie man weiß, die Autoritäten und Einrichtungen der irdischen Ordnung. Sie freut sich über alles, was diese unternehmen im Dienst des Menschen als freie und verantwortliche Person, die ihre grundlegenden Rechte und Freiheiten wie auch ihre Würde hat. Mittelpunkt und Gipfel alles dessen, was in der ganzen Schöpfung existiert, besitzt der Mensch in seiner Personwürde das kostbarste Gut; es macht ihn zu einem Wert in sich und für sich selbst und verlangt, daß die anderen ihn immer als Person behandeln, niemals als eine Sache, als Objekt oder Werkzeug. Die Personwürde bildet zugleich das Fundament und den Ausdruck der Gleichheit der Menschen, sie begründet Beteiligung und Solidarität unter ihnen, die auf den Wegen des Dialogs zu brüderlicher Gemeinschaft führen, so daß alle sich an erster Stelle in dem achten, was sie sind, und nicht nur in dem, was sie haben (vgl. Chrisüfideles laici, Nr. 37). Ich betone das, weil die Kirche in Treue zu ihrem Meister und Herrn, der die Bruderliebe als Kennzeichen seiner Jünger hinstellt (vgl. Joh 13,35), im Schatz ihrer Heilssendung auch eine Botschaft über den Menschen, seine Werte und sein soziales Zusammenleben besitzt. Zu dieser Botschaft gehören zwei unerläßliche Optionen: eine für den Menschen im Sinn des Evangeliums; die andere für eine dem Evangelium entsprechende Gestalt der Gesellschaft. Die Kirche betrachtet es daher als ihre Pflicht, zu überlegen, was dazu beiträgt, die Familie der Menschen und ihre Geschichte menschlicher zu machen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 40). <178> <179> <178> Die Kirche betrachtet den Menschen in all seinen Dimensionen, in seine Umwelt einge- fügt, und geht seinen Weg mit ihm. Sie möchte ihm helfen, seine integrale Berufung zu verwirklichen, nämlich seine volle menschliche Gestalt zu gewinnen, wobei die Bedürfnisse seines Geistes befriedigt, aber auch seine Offenheit für die Transzendenz und seine Berufung zum ewigen Leben berücksichtigt werden. Sie verkennt nicht die Probleme, die sich denen stellen, die für die Verwirklichung dieses vollen und echten menschlichen Fortschritts verantwortlich sind. Sie weiß auch um die Schwierigkeiten, die besten politischen Wege zu finden, sie zu beschreiten und so auszurichten, daß sie organisch und dauerhaft das Gemeinwohl fördern. 284 REISEN Laßt mich euch sagen, wie sehr ich das Glück eines jeden Bürgers von Guinea wünsche. Daher möchte ich in Erinnerung rufen, daß die Grundpfeiler für jedes echt menschliche Modell der Gesellschaft immer Wahrheit, Freiheit und Gerechtigkeit, Verantwortung, Solidarität und Frieden bleiben. In dieser Perspektive möchte ich einige Aspekte des vollen Menschseins nennen. Darin liegt der Eckstein einer Nation Guinea, in der sich alle immer noch mehr und tiefer durch ihre Vaterlandsliebe geeint fühlen, auch wenn sie weiter verschiedenen Volksstämmen angehören. 6. In einer Gesellschaft, in der für die harmonische Entwicklung einer jeden Person in ihrer körperlichen und geistigen Dimension der Primat des Menschen anerkannt ist, bleibt es wichtig, daß die Erziehungsprozesse, ausgehend von einem echten Humanismus, auf Humanisierung ausgerichtet werden. Wir wissen, daß Kinder wie bildsamer Ton sind, und von meinen Pilgerreisen durch die Welt her weiß ich, daß sich die Jugendlichen lemwillig zeigen; es fehlt ihnen auch nicht die Hochherzigkeit, die edelsten Ideale aufzugreifen und echte Werte selbst um den Preis von Opfern anzunehmen. Nur möchten sie nicht ohne Sinn und Motive leben. Notwendig wird damit eine Ausbildung, die sich niemals von der umfassenden und integralen Erziehung ablöst, um so mehr als eine bloße Anhäufung von Kenntnissen zu einem verkürzten, rein irdischen und selbstgenügsamen Humanismus führt, der die Lemwilligen, vor allem die Jugendlichen, sich frustriert und als Objekte eines unkontrollierten Produktions-strebens fühlen läßt, und der nur dem nationalen Prestige oder dem privaten Konsum dienen soll. In diesem Fall würde man sich der Gefahr von Fluchtversuchen aussetzen, die in der Gewalttätigkeit mit all ihren Begleiterscheinungen, die niemand wünscht, einen Ausweg suchen. Ich möchte, daß die Erziehungsprozesse hier vollen Erfolg haben, angefangen bei einer echten Alphabetisierung. Wie man weiß, achtet diese die überlieferten Kulturen und die gesicherten Grundsätze der Inkulturation. Doch das enthebt uns nicht der Pflicht zum Dialog mit anderen Kulturen und Zivilisationen, denn es soll ja der ganze Mensch entwickelt werden und jenes Gefühl der Zusammengehörigkeit mit der Menschheitsfamilie gewinnen, in dem die Solidarität, ja die universale Brüderlichkeit aufleuchtet. Es wird den Menschen auch in seiner religiösen Dimension bereichern können, wenn man sein Recht und das Recht der Familie anerkennt, privat und öffentlich den Namen Gottes ungehindert anzurufen. Von einem derart „menschlich“ durchgebildeten Menschen kann man sich den Aufbau der Gesellschaft erhoffen, denn er kennt ja die Wirklichkeit und bleibt zugleich Herr und ist frei in der Gesamtheit seines Menschseins, seines Verhaltens und seiner sozialen Beziehungen. Als einzelner weiß er die Wahrheit, die Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe zu fördern, die das Fundament des Friedens sind. Er weiß „bekehrte“ und von Sünde freie Menschen zu integrieren, die zur Überwindung der „sündhaften Strukturen“ fähig sind, motiviert, fachkundig, durchschaubar und entschlossen, dem Gemeinwohl zu dienen (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 46). Er wird schließlich ein Bürger sein, der verantwortlich mitmacht. <180> <180> Die Kirche ist überzeugt, daß man, um Diskriminierung und Ungerechtigkeit zurückzuweisen und zu überwinden, zu einem Leben der Solidarität erziehen und anleiten muß, das seine Wurzeln im Bewußtsein vom Brudersein aller Mitglieder der Menschheitsfamilie hat. 285 REISEN In unseren Tagen beobachtet man ein wachsendes Bewußtwerden von all dem, was die gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen und der Völker der ganzen Welt erkennen läßt. Der positive moralische Wert dieses Bewußtseins wird stark betont, und er verpflichtet einen jeden von uns zur festen und beharrlichen Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl aller einzusetzen. Wir sind in der Tat alle für alle verantwortlich (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). Will man zu dieser Solidarität gelangen, so muß es - wie der Herr Präsident mir seinerzeit schrieb - „zu einer Zusammenarbeit aller Völker und Institutionen kommen, die sich für eine Welt des Friedens und des Fortschritts einsetzen“, und ich habe häufig auch die Bedingungen für einen solchen Weg genannt. Es geht hier nicht um Optionen, die dem freien Ermessen jedes einzelnen überlassen bleiben, vielmehr um ethische Imperative. Sie gründen in der Erkenntnis, daß die Güter der Erde für alle bestimmt sind und setzen Normen und Prioritäten sowohl für jene, die geben können, als auch für jene, die empfangen werden. Diese unerläßliche Solidarität der Menschen und Völker wird um so mehr Wirklichkeit werden, je mehr sie als ein Dienst sichtbar wird, der zu leisten ist, zu unterscheiden weiß, verfügbar ist und nicht an Lohn denkt. Die Güter, mit denen man die anderen unterstützen kann, müssen so garantiert und angeboten werden, daß man sie als Einzelperson oder als Gruppe und Freiheit annehmen kann (vgl. Gaudium et spes, Nr. 74). Ich bete zu Gott, daß diese Nation von Guinea von einer so verstandenen und konkret verwirklichten Solidarität profitieren kann. Herr Präsident! Ich wiederhole vor Eurer Exzellenz wie vor den übrigen Autoritäten: Sie können sich auf die Loyalität der Kinder der katholischen Kirche diesem ihrem irdischen Vaterland gegenüber verlassen. Sie kennen die Aufgaben, die ihnen gestellt sind. Vereint mit ihren Brüdern und Schwestern anderer Glaubensauffassungen und mit allen Bürgern sind sie aus ganzem Herzen bereit, beim gemeinsamen Werk in dem Maße mitzuwirken, wie man ihnen entsprechenden Raum zu freiem Wirken zugesteht. Da wir aus Erfahrung wissen, daß oftmals die Bemühungen und der gute Wille der Menschen nicht ausreichen, beten wir, daß Gott, der Herr der Geschichte, ihnen bei der anspruchsvollen Aufgabe hilft und beisteht. Es ist eine sehr edle Aufgabe, dem Gemeinwohl aller Menschen in Guinea zu dienen. Ich wünsche ihnen alles erdenklich Gute, und ich rufe auf sie und alle hier Anwesenden den Segen des allmächtigen Gottes herab. Sich für echte Freiheit verantwortlich wissen Predigt bei der Messe im Nationalstadion von Guinea-Bissau am 27. Januar Liebe Brüder und Schwestern in unserem Herrn Jesus Christus! 1. „Seht auf eure Berufung“! (1 Kor 1,25). Diese Worte des hl. Apostels Paulus an die ersten Christen von Korinth richtet die Kirche an alle, die an diesem vierten Sonntag des liturgischen Jahres an der Eucharistiefeier, der hl. Messe, teilnehmen. Vor euch wiederholt sie heute der Bischof von Rom und Nachfolger des 286 REISEN Petrus beim Besuch, den er euch hier in Guinea-Bissau abstattet: „Erkennt, wer ihr seid, ihr von Gott Berufenen.“ Es soll euch mit Vertrauen erfüllen, wenn ihr auf eure Berufung schaut! „Das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen“ (ebd. 1,27). Er hat euch auserwählt, weil ihr wenig bedeutet und arm seid und euch nicht vor den Menschen rühmt, sondern einzig vor dem Herrn Jesus Christus in der Gewißheit, daß Er für euch „Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung“ ist (vgl. ebd. 1,30). Möge Gott euch segnen und glücklich machen, liebe Brüder und Schwestern aus den verschiedenen völkischen Gruppen, die das Volk von Guinea-Bissau ausmachen: die Balantes und Fulas, die Manjacos und Mandingas, die Pepeis und alle anderen! Seid alle bei dieser Eucharistiefeier willkommen: ihr, die ihr zur Gemeinschaft der Katholiken gehört; ihr, die Brüder und Schwestern aus anderen christlichen Bekenntnissen, die ihr mit uns zusammen beten möchtet; ihr auch, die ihr von der Kirche das Licht Christi und die Verkündigung seines Wortes erwartet. Mein Gruß gilt ebenso den muslimischen Freunden wie auch allen, die andere religiöse Glaubensauffassungen vertreten, zumal die in Afrika mehr traditionellen, und die den alleinigen Gott anbeten: den Schöpfer des Himmels und der Erde, den lebendigen, barmherzigen und allmächtigen Gott, der sich den Menschen geoffenbart hat. Besonders begrüße ich die Autoritäten: die Vertreter der Regierung und der öffentlichen Institutionen. Ihnen gilt mein Dank für den Empfang und die Gastfreundschaft, die ich erfahren darf. Ich bitte Gott, daß sie hier weiter wirken und Fortschritte machen in Eintracht und Zusammenarbeit mit allen anderen, die diesem Volk und der kirchlichen Gemeinschaft dienen. 2. Der Apostel fährt fort: Bedenkt die Berufung, die uns in Jesus Christus geschenkt ist! „Dm hat Gott für uns zur Weisheit gemacht, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung. ,Wer sich also rühmen will, der rühme sich des Herrn’, heißt es schon in der Schrift“ (ebd. 1,30-31). Welches ist nun die Berufung, die wir in Jesus Christus besitzen? Der Herr selbst gibt uns eine tiefe Antwort in der Bergpredigt, nämlich in den acht Seligpreisungen. Wir haben sie heute in der Lesung des Evangeliums gehört: Selig, die Armen, die es in ihrem Inneren, im Geiste sind! Selig die Trauernden! Selig die Sanftmütigen und die Demütigen! Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit! Selig die Barmherzigen! Selig, die reinen Herzens sind! Selig die Friedensstifter! Selig, die Verfolgung leiden, weil sie die Gerechtigkeit lieben! Diese Seligpreisungen - die acht Seligpreisungen aus der Bergpredigt - zeigen sehr klar, welches unsere Berufung in Jesus Christus in dieser Welt ist. Die Berufung zum Christsein wurde uns im Sakrament der Taufe geschenkt und in der Firmung bestärkt. In ihrer Fülle aber kommt sie in der Eucharistie zum Ausdruck, in dem Sakrament, an dem wir eben teilnehmen. Diese drei Sakramente heißen auch „die Sakramente der Einführung ins Christentum“. <181> <182> <181> Die Berufung von euch allen, die ihr hier in Guinea-Bissau die Kirche Christi bildet, ist die Berufung zu den Seligpreisungen. 287 REISEN Ihr seid in Christus eingewurzelt und durch ihn lebendig gemacht, um nun Glieder seines Leibes zu sein, Zweige des gleichen Weinstocks, Schößlinge des Ölbaums, auf den einen Stamm aufgepfropft. Eure Berufung verlangt daher von euch, daß ihr Frucht bringt aufgrund der besonderen Weise, wie ihr in Christus seid oder in Gemeinschaft mit ihm steht. Das Fruchtbringen ist eine wesentliche Forderung des christlichen Lebens; Gemeinschaft und Sendung gehen also zusammen und eine fordert die andere. Wer keine Frucht bringt und sich von der Mitarbeit an der Sendung dispensiert, die Christus ihm anvertraut hat, wer nicht der Aufforderung entspricht, das Evangelium zu verkünden, der schließt sich selbst vom Leben und der Gemeinschaft mit dem Meister aus. Dieser ist nämlich zugleich die Quelle und die Frucht der Sendung (vgl. Christifideles laici, Nr. 32). Liebe Brüder und Schwestern von Guinea-Bissau, werdet euch immer mehr eurer Berufung bewußt, die wesentlich missionarisch ist: Christus ruft euch, damit durch euch in eurem Land alle das neue Leben kennenlemen und annehmen, das durch den Sohn Gottes in die Geschichte der Welt eintrat. 4. Habt immer die missionarische Gemeinschaft vor Augen, die euch mit allen Einzelkirchen Afrikas verbindet und von eurer Gemeinschaft das gleiche Zeugnis fordert, das so viele andere Brüder und Schwestern des Kontinents geben. Seid daher wachsam, hochherzig und scharfsichtig beim Unterscheiden der Funktionen und Verantwortlichkeiten, die euch übertragen wurden, damit ihr die wahre Bedeutung des christlichen Lebens innerhalb der kulturellen und religiösen Überlieferungen der Länder Afrikas erkennen könnt, glücklich darüber, daß ihr die Samenkörner des Wortes entdeckt. Achtet auf die tiefreichenden Wandlungen, die in jüngster Zeit erfolgt sind, und seid bereit, Reichtümer und Probleme im Licht des Evangeliums sowie durch einen aufrichtigen und verständnisvollen Dialog zu deuten und zu erhellen. Wie ihr wißt, ist auch dies eins der Ziele bei der Sondersynode der Bischöfe. Sie behandelt die Kirche in Afrika an der Schwelle des dritten Jahrtausends. Wir kommen diesem Ereignis immer näher, das für alle Christen in Afrika eine besondere Stunde der Verantwortungsübernahme auf dem komplexen Weg der Evangelisierung bilden muß. Darauf hoffen so viele geliebte Völkerschaften, denen ich mich heute in besonderer Weise nahe fühle. <183> <184> <183> Die Gemeinschaft der Katholiken in Guinea-Bissau lebt in einer durch ein Klima des Friedens, der Toleranz und der Achtung gekennzeichneten Gesellschaft inmitten von anderen religiösen Gemeinschaften in diesem Volk. Viele hören hier mit Interesse und mit lebhafter Hoffnung auf die katholische Kirche und vertrauen auf ihre Botschaft. Es blicken auf sie mit Sympathie zahlreiche muslimische Brüder. Es fragen sie und hoffen auf sie zumal jene, die Erben der ältesten animistischen Überlieferungen sind, weil sie gerade von der Kirche eine klärende Antwort auf ihre zahlreichen Fragen über das Geheimnis Gottes erwarten. In diesem Land macht die Kirche ferner mit allen Menschen den schwierigen Weg der Befreiung, der Sicherstellung und Förderung der grundlegenden Rechte des Menschen durch - einer jeden Person - und sie teilt das allen gemeinsame Verlangen nach echter Solidarität, sozialer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit als Ergebnis der Überwindung von festgefah- 288 REISEN renen und alles bestimmen wollenden Ideologien. Sie lebt in einer Stunde, in der es um den Aufbau eines friedlichen und gerechten Zusammenlebens, der Beteiligung und der Öffnung auf dem Weg zu echtem menschlichen Fortschritt geht. 6. Dieser Einsatz verpflichtet alle Söhne der Kirche und zumal die Laien. Mögen sie mit echtem Sinn für Verantwortung tätig werden, vom Glauben und von der Soziallehre der Kirche erleuchtet, um in Liebe und Wahrheit der menschlichen Person und der Gesellschaft zu dienen. Die Kirche nimmt ihren Weg gemeinsam mit allen Menschen. Sie lebt mit ihnen und macht sich solidarisch mit ihrer Geschichte. Doch gleichzeitig hält sie das Bewußtsein wach, daß der Dienst am Heil in Christus sowie die Verkündigung seines Reiches ihr erstes Anliegen bilden und die besonders wirksame Quelle für die volle Befreiung und das alles umfassende Heil eines jeden Menschen darstellen. Die Kirche weiß recht gut, wieviel der Christ seiner konkreten Gesellschaft auf dem Weg des Fortschritts und des Wachstums geben kann und muß. Sie weiß, wie sehr das christliche Bild vom Menschen, seiner Würde und seiner Bestimmung, in gewisser Weise in alle Lebensbereiche hinein ausstrahlt. Christus offenbart sich dem Menschen. Die Verkündigung der Offenbarung regt den Menschen an, die seinem Menschentum eigenen Werte herauszufinden. So bessert und erhebt Christus die menschliche Person, und er festigt durch die sozialen Beziehungen die organische und selbstlose Zusammenarbeit für die Strukturen, die dem Gemeinwohl dienen. Es ist daher notwendig, in gebührender Weise die unverletzliche Würde der menschlichen Person herauszustellen, so daß alle sie im Licht des Evangeliums erkennen. Hier müßt ihr, liebe Brüder und Schwestern, euch an erster Stelle und gemeinschaftlich für den Dienst am Gemeinwohl eures geliebten Volkes einsetzen. Sorgt dafür, daß ihr in voller Achtung vor der moralischen Ordnung handelt als Bürger, die den Autoritäten gehorchen; die sich aber zugleich für die echte Freiheit verantwortlich wissen und sich, wie es bereits der Fall ist, für die Rechte aller einsetzen, immer bereit zur Mitarbeit bei dem, was für alle gut und richtig ist. Bleibt wachsam und laßt euch nicht von Versuchungen zur Korruption und zum Mißbrauch von Macht und Reichtum überwältigen. Bekämpft vielmehr stets auf christliche Weise das, was die Rechte und unverzichtbaren Güter sowie die Würde aller eurer Brüder verletzt. Haltet fest an dem Grundsatz, daß „die Personwürde unzerstörbares Eigentum eines jeden Menschen ist. Davon leitet sich ab, daß der einzelne durch alles, was ihn in der Anonymität des Kollektivs, der Institution, der Struktur des Systems zermalmen und vernichten will, nicht nivelliert werden kann“ (Christißdeles laici, Nr. 37). <185> <185> „Bleibt in Christus Jesus eingefügt“ (vgl. 1 Kor 1,30). Seid Zeugen seiner Liebe, auch jener göttlichen Liebe, mit der Christus der Ehe ihre volle Würde und der Familie ihre ganze Festigkeit zurückgeben will. Die christliche Familie ist Zeichen und Botschaft von der tiefen Beziehung, die die Ehe mit dem Geheimnis Christi und der Kirche verbindet. Liebt daher einander „wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat“ (Eph 5,25). Vor allem in der Welt der Missionen bildet die christliche Familie einen bevorzugten Ort, an dem man den Heilswert des Evangeliums kennenlemen kann. 289 REISEN Christus verkündet die Einheit der ehelichen Liebe und ihre absolute Treue in einer Welt, wo sich oftmals andere Formen der Kultur und Moral anbieten; in einer Welt, die die überlieferte Polygamie akzeptiert und die Verachtung der Frau gestattet, die oft mehr als Objekt denn als Person betrachtet wird und den Interessen einer Kultur der Macht dienen soll. „Der Christ ist berufen, eine neue Haltung der Liebe zu entwickeln und seiner Gattin jene zarte und kraftvolle übernatürliche Liebe zu erweisen, die Christus zu seiner Kirche hat“ (Familiaris consortio, Nr. 25). So werdet zu mutigen Verteidigern dieser befreienden Botschaft von der Familie, von allen Familien! Macht euch bereit, energisch alle Formen der mißbräuchlichen Ungleichheit, der schlechten Behandlung, der Verachtung und Ablehnung der Würde der Gattin, der Kinder und Minderjährigen zu überwinden. Bezeugt in klarer und sichtbarer Form die Hochachtung, die ihr vor dem Leben habt, und sorgt für seinen Schutz, und zwar von seinem Anfang an, weist jede Form von Gleichgültigkeit und Mißachtung gegenüber den Kleinsten zurück. Eure Hausgenossen und Familienangehörigen sollen ein Beispiel der Annahme, der Liebe und der Dienstbereitschaft sein, wie es zu einer christlichen Familie gehört. Tut auch alles, was möglich ist, damit die Familie als erstrangiger Kern des sozialen Lebens gilt und daß alle, angefangen bei den öffentlichen Autoritäten, die Gesetze der Gemeinschaft und ihre natürlichen Rechte achten. 8. Die Kirche sieht es als ihre Pflicht an, sich um die Entwicklung der Menschen und der Völker zu kümmern, und sie fügt diese Sorge in ihre seelsorgliche Aufgabe ein. Es treibt sie dabei die Liebe Christi, in deren Licht man zur Erkenntnis der echten Förderung des Menschen gelangt. Man weiß, daß die Meinungen über Entwicklung verkürzt sein können oder man zufrieden ist, wenn die Wege des Fortschritts zu einer reichlicheren Verfügbarkeit materieller Konsumgüter führen oder lediglich die Ausweitung der Technik in Funktion des wirtschaftlichen Wachstums zum Schwerpunkt wird. Und doch ist klar, daß bloßes Verfügen über materielle Güter, wenn es nicht von einem Bewußtwerden der moralischen Dimension begleitet ist, den Menschen leicht zu versklavender Gier nach unmittelbarem Besitz und Vergnügen führen kann. Das führt aber unweigerlich zum Konsumismus und am Ende zur radikalen Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben. Echt menschliche Entwicklung erfordert, daß der Mensch den Plan Gottes wieder entdeckt, der ihm die geschaffene Welt anvertraut hat, damit er sie im Rahmen der Weisheit seines göttlichen Gesetzes hege und beherrsche. Gott will, daß der Mensch die Güter und Naturkräfte pflegt und sich ihrer bedient und sie als ein für seine Verwirk lichung als Person notwendiges Gut betrachtet, denn sonst verdunkeln sich die Werte des Geistes. Will man zu einem harmonischen Verhältnis des Menschen zur geschaffenen Welt gelangen, muß man sich auf den Weg machen, das Denken und die Liebe zu pflegen. In diesen Dimensionen erhebt sich der Mensch zu seiner höchsten Würde als geistiges und freies Wesen. Eine solche Pflege geschieht durch Entfaltung der Kenntnisse und Ausdrucksmöglichkeiten unter Wertschätzung des eigenen kulturellen Erbes, ohne dabei den Dialog, wie ihn die moderne Welt begünstigt, zu vergessen. 290 REISEN Dies ist das Anliegen der Schulen, die die Kirche eröffnet, um auch der Bevölkerung von Guinea diese „cultura animi“ (Cicero), diese Kultur des Geistes sowie eine gute menschliche und berufliche Vorbereitung zu vermitteln, damit es zu einem Fortschritt kommt, der unerläßlich ist, wenn jede Person ihrer Berufung echt entsprechen soll. Die gleiche Grundauffassung soll die Kinder der Kirche leiten, die hier pilgernd unterwegs ist, wenn sie sich zumal auf dem Gebiet der Gesundheit bemühen, durch die Praxis der guten Werke ihrer Berufung gerecht zu werden (vgl. 2 Petr 1,10). Es ist eine Arbeit, die ich lebhaft ermuntere. Sie muß weitergehen, und ich spreche allen dafür hier meine Anerkennung aus. 9. Bedenken wir daher, liebe Brüder und Schwestern, die Berufung, die uns in Jesus Christus geschenkt ist! Um erneut auf die acht Seligpreisungen aus der Bergpredigt zurückzukommen, hören wir den Meister, der uns sagt: selig sind sie ... denn ihrer ist das Himmelreich; denn sie werden getröstet ..., gesättigt werden; sie werden Barmherzigkeit erlangen; sie werden Gott schauen ... Kinder Gottes genannt werden; immer unter der Voraussetzung, daß sie die Seligpreisungen wirklich leben. Unsere Berufung in Jesus Christus ist eine Berufung zum ewigen Leben in Gott: „Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein“ (Mt 5,12). So sagt uns unser Erlöser. So lehrt uns der Heiland der Welt: Er, der Worte des ewigen Lebens hat! Hören wir seine Worte und verlassen wir uns auf sie! Denn Gott bleibt seinem Wort in Ewigkeit treu (vgl. Ps 146,6). Daher sage ich mit dem Propheten allen in Guinea-Bissau: „Sucht den Herrn, ihr Gedemütig-ten im Land ... Sucht Gerechtigkeit, sucht Demut.“ Und vertraut auf den Namen des Herrn (vgl. Zef2,3; 3,13). „Gott hält ewig die Treue“! (Psl46,6). Konsequent die Taufe leben Ansprache bei der Segnung und Eröffnung des Kleinen örtlichen Seminars in Guinea-Bissau am 27. Januar Herr Bischof, hochwürdige Patres, liebe Seminaristen der Diözese und der franziskanischen Familie, liebe Mitglieder der Kommission für die Berufungen! 1. Allen Anwesenden gelten meine herzlichen Grüße, zumal den Oberen und Professoren dieses Seminars, aber auch den Studentinnen des Ausbildungshauses für Frauen, dem Missionspersonal und allen Freunden dieses Institutes. Ich freue mich im Herrn mit der Gemeinschaft der Diözese und ihrem Hirten über das Werk, das ich heute entweihen und segnen darf, denn es entspricht einem Wunsch Gottes, den die Kirche erfüllt hat. Gott beruft in der Tat weiter seine Mitarbeiter und spricht sie im Inneren ihres Gewissens an; er wünscht, daß sie für ihre Sendung vorbereitet werden, wie die Apostel vorbereitet wurden. 291 REISEN Daher sieht die Kirche als Mutter und Lehrerin mit reicher Erfahrung in den Seminaren das beste Mittel zur Vorbereitung jener Alumnen, denen eines Tages durch den sie weihenden Bischof ihre innere Berufung durch die öffentliche Berufung zu den heiligen Weihen bestätigt wird. Ihr aber, liebe Seminaristen, tretet nun in die Phase der Vorbereitung ein. Ihr seid im Augenblick wie der kleine Samuel, denn ihr möchtet den erhabenen Ruf des Herrn erkennen, klären und annehmen, mit den Worten: „Rede, Herr, dein Diener hört“ (1 Sam 3,10). 2. Betritt man dieses Gebäude, so erblickt man im Atrium drei bezeichnende Inschriften. Ihr kennt sie schon gut; und ihr müßt sie auch gut verstehen, weil sie ein ganzes Programm für die Vorbereitung auf den missionarischen Dienst in der Kirche enthalten. „Fürchtet euch nicht, ich werde euch zu Menschenfischem machen“, ferner: „Haltet zusammen“, und schließlich: „Geht in die ganze Welt.“ Der Herr richtet an euch viele weitere Aufforderungen; ihr seid dafür verantwortlich, auf jede zu antworten. Es soll eine konkrete, wirksame und hochherzige Antwort sein; offen für die Bedürfnisse und dringenden Nöte der Menschen eures Landes; offen ferner für die dringenden Rufe so vieler Menschen, die nach der Wahrheit Christi hungern oder nach der Botschaft des Evangeliums fragen. In der Tat bedeutet Priester und Missionar sein, daß ihr wie Petrus den Ruf vernehmt, alles zu verlassen und Christus nachzufolgen, einzig auf seine Zuversicht schenkende Verheißung zu vertrauen: „Fürchtet euch nicht, ich werde euch zu Menschenfischem machen“. 3. Denkt in Gebet und Betrachtung in diesen Jahren der Vorbereitung auf die Zukunft, in der ihr euch der Verbreitung des Reiches Gottes widmen wollt, immer an dieses Gespräch zwischen Petrus und Jesus. Ihr tragt in eurem Inneren ja den Wunsch, mit Christus über die Sendung zu reden, die euch erwartet; mit ihm zu reden über die Entscheidung, die ihr treffen wollt, und auf die ihr euch vorbereitet in einer Haltung des Vertrauens auf die Gnade des Herrn; mit ihm zu reden über die Dinge, die er uns im Vaterunser und im Abendmahlssaal beim letzten Abendmahl anvertraut hat. Habt ein offenes Herz, um euer Leben dieser Sendung zu widmen, und macht demütig weiter in der tiefen Überzeugung, daß der priesterliche Dienst wirklich anspruchsvoll ist, euch auf die anderen verweist und euch vor komplexe und schwierige Situationen stellen kann. Lebt in Vereinigung mit Christus, mit brennendem Glauben und im Gebet, damit ihr immer in Ihm die nötige Kraft findet, um durchzuhalten und, wie er, zu „Menschen für andere“ zu werden. Er spricht zu einem jeden von euch die Worte: „Ich will dich zum Menschenfischer machen.“ <186> <186> „Haltet zusammen“. Das bedeutet, lebt in der Liebe, in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche: mit der Kirche, die in Guinea Bissau für Christus Zeugnis gibt in großer Aufgeschlossenheit für die Bedürfnisse, die das Land anmeldet; in Gemeinschaft auch mit der ganzen Kirche, von der ihr ein lebendiger und aktiver Teil seid. Eure Fähigkeit, das Evangelium zu verkünden, hängt von eurer Treue zum Glauben der Apostel ab sowie von eurer Gemeinschaft mit dem Zeugnis jener, die unserem Meister durch die Lehre der Kirche begegnet sind und ihn lieben gelernt haben. 292 REISEN Sorgt ferner schon heute dafür, daß ihr in brüderlicher Liebe lebt, wie sie das priesterliche Leben und die Zusammenarbeit im pastoralen Dienst verlangen. Diese Liebe muß die Kraftquelle eurer künftigen Sendung sein. Sie findet eine sehr gute Stütze in echter Freundschaft nach dem Beispiel Christi und seinem vertrauten Umgang mit den Aposteln: „Ihr seid meine Freunde.“ Eure priesterliche Liebe muß sich schon jetzt in allen Formen der gegenseitigen Hilfe und Zusammenarbeit zeigen, die möglich und ratsam sind, immer unter Anleitung eurer Erzieher: sie muß von der geistlichen Hilfe bis zum Trost in Schwierigkeiten reichen und bis zur konkreten materiellen Hilfe, wenn es nötig sein sollte. Seid durch eure gegenseitige Liebe ein Abbild der Kirche, die als Gemeinschaft von Christus sich in der Einheit eines einzigen Glaubens aufbaut, sich vom Wort Gottes nährt und aus dem Brot des Lebens in der Eucharistie Kraft schöpft. 5. „Geht in die ganze Welt.“ Da ihr ein Teil der universalen Kirche seid, seid ihr auch zu allen Menschen gesandt, zu den Menschen in ihrer konkreten Universalität, die in eurem Land sich zeigt in einer Pluralität von Männern und Frauen, die unterschiedlichen völkischen Gruppen angehören sowie verschiedenen Lehren und Kulturen anhängen. Ihr seid vor allem als Hirten eurer Brüder und Schwestern im Glauben gesandt, zu denen, die konsequent ihre Taufe leben, und auch zu denen, die immer wieder über das Wort Christi nachdenken und gelegentlich an den Gottesdiensten teilnehmen, die die ganze Gemeinschaft feiert. Dann seid ihr auch zu euren muslimischen Brüdern gesandt, „die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde“ (Nostra aetate, Nr. 3). Auch sie müssen Jesus Christus kennenlemen. Gesandt seid ihr zumal zu denen, die in diesem Land eine Hoffnung der Kirche sind, die den wahren Gott und seinen Sohn Jesus Christus, den Erlöser der Menschen, noch nicht kennen, die sich aber im allgemeinen für die Kirche aufgeschlossen zeigen, ihre Liebestätigkeit und ihre Initiativen zur Förderung des Menschen achten und schätzen und von ihr Licht erwarten: das große Licht der Offenbarung, die sich in Christus erfüllt hat. Ihr lebt in einer missionarischen Umgebung und wißt gut, daß die Liebe und die innerliche Kenntnis Christi, die ihr pflegt, in euch das tiefe Verlangen wecken, Ihn bekannt zu machen und zur Liebe zu Ihm hinzuführen. Bleibt bei diesem Vorsatz und ruft Unsere Liebe Frau, den „Stern der Evangelisierung“ an, sie möge euch auf dem Pilgerweg des Glaubens führen und leiten; und bittet voll Vertrauen den Herrn, daß er gemeinsam mit euch viele weitere Arbeiter in seine Ernte sende, denn das Emtefeld, das euch erwartet, ist unermeßlich groß. Mit diesen Wünschen erteile ich euch allen meinen Apostolischen Segen. 293 REISEN Das Leiden hat immer seinen Wert Begrüßungsworte an die Aussätzigen in Cumurä (Guinea-Bissau) am 28. Januar Meine lieben Brüder und Schwestern in Jesus Christus! Eure Anwesenheit weckt in mir Rührung und Mitleid, Gefühle, die auch Jesus Christus empfand, wenn er Leidende empfing. Er neigte sich über das menschliche Leid, über die Gebrechen des Leibes und über die Herzen der Menschen, in denen er Ruhe, Vertrauen und Mut neu erweckte. Ich möchte gewiß, daß auch dieser Besuch die gleiche geistige Wirkung hat, und ich würde gern mehr Zeit haben, um mit jedem von euch zu sprechen, denn ich liebe euch sehr. Ich leide darunter, wenn ich euch leiden sehe und möchte alle trösten. Warum liebe ich euch? Weil ihr Menschen seid, von Gott geliebt und von seinem Sohn Jesus Christus, der für euch so viel gelitten hat; und weil die katholische Kirche wie Jesus Christus euch liebt und entschlossen ist, alles, was ihr möglich ist, für euch zu tun. Ich muß wieder weiter; aber ich sage dem Herrn Bischof, der euer großer Freund ist und dem ihr dieses Werk von Cumurä verdankt, bitte aber auch die Ärzte, die Krankenpfleger und alle, die euch helfen, euch alles Gute zu erweisen, das der Papst euch erweisen möchte, wenn er hier bei euch bleiben könnte. Und ich hinterlasse euch als Erinnerung die Botschaft, die ich von hier aus an die ganze Kirche als Appell zur Hilfe für euch richte. Laßt euch nicht entmutigen! Das Leiden hat immer seinen Wert. Es kann die Welt lehren, was es um eine Liebe wie die Liebe Jesu Christi ist. Auch euer Leben hier dient anderen als Hilfe, denn ihr empfangt moralische Kraft und gebt sie weiter; und wenn ihr Christen seid, könnt ihr die erneuernde und frohmachende Kraft Christi weitergeben. Er ist auferstanden, um uns allen Zugang zum ewigen Leben zu schenken. Euer Leid kann die Welt besser machen, wenn ihr Freunde Gottes und Freunde der anderen seid; wenn ihr mit Ruhe, Vertrauen und Mut die Fortschritte der Medizin und den guten Willen jener annehmt, die euch voll Liebe zur Seite stehen. Ich werde euch nicht vergessen, und ich rechne auch mit eurem liebevollen Gedenken. Ich bete für euch und verlasse mich auf euer Gebet. Und ich erteile euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. 294 REISEN Um das größere Wohl des Menschen besorgt Ansprache beim Abschied von Guinea-Bissau am 28. Januar Herr Präsident der Republik, Herr Bischof von Bissau, Exzellenzen, meine Damen und Herren, liebe Guineaner! 1. Da ich nun euer Land verlasse, um meinen Pastoralbesuch in anderen Ländern Afrikas fortzusetzen, scheint mir, die mit euch verbrachten Stunden sind allzu rasch vergangen. Aber sie waren sehr reich erfüllt. Gott sei Dank dafür! Durch die Anwesenden danke ich allen für ihre Zusammenarbeit bei diesem kurzen Besuch, insbesondere: Seiner Exzellenz, dem Herrn Präsidenten der Republik, für die so freundliche Aufnahme in diesem Land, das seiner hohen Verantwortung an vertraut ist. Ich konnte mit einer beträchtlichen Zahl seiner Landsleute Zusammentreffen, und zwar in einem entspannten Klima dank der von S. Exzellenz gegebenen Dispositionen und getroffenen Vorkehrungen; allen nationalen und örtlichen Autoritäten, die sich so sehr um den guten Verlauf dieses Besuches bemühten und in manchen Fällen deren einzelne Phasen mit ihrer Präsenz beehrten; allen, die sich so eifrig für die Arbeiten zur Verfügung stellten, welche die Ortsveränderungen, der Sicherheits- und Ordnungsdienst, die Bereitstellung der Räume und die Bekanntgabe der Ereignisse in den sozialen Kommunikationsmitteln mit sich brachten. Auch danke ich mit brüderlichem Empfinden jenen, die, ohne sich zum katholischen'Glauben zu bekennen, mir begegnen wollten. Sicherlich ist es ihnen zum Bewußtsein gekommen, daß wir alle, dem Plan Gottes entsprechend, um das größere Wohl des Menschen besorgt sind. <187> <188> <187> Ich habe diesen Pastoralbesuch in erster Linie im Interesse der Brüder und Schwestern durchgeführt, die meinen Glauben teilen und der katholischen Kirche in Guinea-Bissau angehören. Ich konnte feststellen, daß sie sich sorgfältig vorbereitet haben. In diesem Zusammenhang möchte ich den Herrn Diözesanbischöf und seine direkten Mitarbeiter beglückwünschen, da ihr Einsatz dazu beigetragen hat, unsere Begegnungen zu Momenten intensiver Gemeinschaftlichkeit im Gebet, im geschwisterlichen Beisammensein und in der Freude des Dienstes für die Kirche zu machen. In vielen Menschen konnte ich das Glück wahrnehmen, sich Jesus Christus, dem unsichtbaren Haupt der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche besonders nahe zu fühlen in der Begegnung mit dem Nachfolger des hl. Petrus. Die Umstände zwingen mich dazu, mich bei diesem Abschied kurz zu fassen. Doch, dem Guten Hirten dankbar für euer Empfinden, das ihr zum Ausdruck gebracht habt, kann ich euch auch nicht verbergen, was mich selbst bewegt: die Dankbarkeit für die geleistete missionarische Arbeit und den derzeitigen Einsatz der Kirche, die hier in der Wahrheit und Freude des Glaubens auf der Pilgerfahrt ist. Ich bin wirklich glücklich darüber, daß ich, wenn auch nur für kurze Zeit, in eurer Mitte weilen konnte. Die mir bezeigten Ehren betrachte ich als letztlich dem geltend, der an den Apostel, dessen Nachfolger ich bin, die inhaltsschweren Worte richtete: „Du bist Petrus, und auf diesen Fel- 295 REISEN sen werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18). Mein kurzer Besuch bei euch wollte ein begrenztes, aber echtes Echo wecken und euch zum Nachdenken über Jesus selbst anregen, der unter den Menschen weilte, bestrebt, ihnen „die Gnade Gottes (zu bringen), um alle Menschen zu retten“ (Tit 2,11). Er tat das, ohne jemand auszuschließen oder zu diskriminieren, vielmehr mit besonderer Aufmerksamkeit gegenüber den Armen, Geringsten und Leidenden. 3. Das letzte Bild, das ich in eurem Land in mich aufnehmen wollte, war das des Lepradorfes Cumurä. Es ist ein Sinnbild; es ruft in mir den Gedanken an das Drama vieler Guineaner wach, die gegen bedrückende und lähmende Übel und Nöte kämpfen, für deren Überwindung vielleicht keine Wunder erforderlich wären. Dabei muß ich spontan an unseren Herrn Jesus Christus denken, der in Worten und Werken deutlich betonte, daß die Evangelisierung und die Sorge um die konkreten Notwendigkeiten der Menschen zusammengehören. Während er das Reich Gottes predigte, ließ er es nicht an konkreten Gesten der Liebe zu allen Leid geprüften fehlen: zu den Aussätzigen, den Blinden, den Gelähmten, den Trauernden, usw. Und als er vom Gericht über die Völker sprach, sagte er, daß das Reich Gottes jenen offensteht, die Barmherzigkeit üben, mit den Armen teilen, die Leidenden und Gefangenen besuchen und sich in den Dienst der Geringsten stellen (vgl. Mt 25). Insbesondere muß ich an die Szene mit dem Gelähmten denken, der am Teich beim Schaftor lag. Jesus las im Vorbeigehen in seinen Augen Hoffnung und den Wunsch nach einem besseren Leben und hörte den herausfordernden Satz: „Ich habe keinen Menschen ...“ (Joh 5,7). Keinen Menschen, der mir hilft, der mir Solidarität beweist. Möge doch ein solcher Ausruf nie von den Lippen eines Guineaners kommen! Möge Gott euren Behörden helfen, es gemeinsam mit privaten Initiativen, mit der Kirche und der Solidarität der Menschheitsfamilie so weit zu bringen, daß alle Armen und Leidenden dieser Nation die Möglichkeit haben, die Netze der Armut zu zerreissen und über jene Güter zu verfügen, deren sie bedürfen, um mehr zu „sein“. So sagte ich in der Enzyklika Sollicitudo rei socialis, wie wichtig es ist, im Menschen die Sünde auszumerzen, die ihn daran hindert, den .„anderen’- Person, Volk oder Nation ... als ein uns gleiches’ Wesen, eine ,Hilfe’ ... [zu betrachten], als einen Mitmenschen also, der genauso wie wir am Festmahl des Lebens teilnehmen soll, zu dem alle Menschen von Gott in gleicher Weise eingeladen sind“ (Nr. 39). <189> <189> Den von Armut und Leid Bedrückten möchte ich in dieser Stunde ein Wort des Trostes zurufen: sie sollen fühlen, daß die Kirche und der Papst sie ebenso lieben und achten wie Jesus Christus, der Sohn Gottes. Er hat sein Leben für alle hingegeben, und als er die Fundamente seines Reiches legte, führte er die Armen und Leidenden den Jüngern als Beispiel geschwisterlicher Liebe vor Augen (vgl. Joh 13,34) und legte ihnen einen „Kodex“ dieser Liebe vor: die „Seligpreisungen“. Ich möchte, daß diese meine Worte gleichzeitig Hoffnung wecken und ein Ansporn seien: niemand darf sich durch die Prüfungen dieses Augenbhcks entmutigen lassen! Vertraut stets auf eine bessere Zukunft, dank der Hilfe Gottes und der Solidarität zahlreicher Mitmenschen! Seid entschlossen und eurer Fähigkeiten eingedenk und tut alles in euren Kräften Stehende, um die Schwierigkeiten der unfreiwilligen Armut und ihre bitteren Folgeerscheinungen zu 296 REISEN überwinden! Tut all dies nicht um ungerechten Reichtum zu erwerben, sondern um eure Würde als Menschen und Kinder Gottes zu erhalten. 5. Meinen katholischen Brüdern und Schwestern möchte ich darüber hinaus in Erinnerung rufen, daß die Kirche sich nicht darauf beschränken darf, nur ein Zeichen der Hoffnung für die Welt zu sein. Sie muß auch Gründe für ihre Hoffnung darlegen. Sie muß helfen, nicht nur die Probleme aufzuzeigen, sondern auch, im Licht des göttlichen Planes in den Worten der Offenbarung nach Lösungen für die Probleme zu suchen. Hört sodann auf das Wort, das Christus an euch richtet: „Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8)1 Ihr sollt weiterhin evangelisieren, mit dem Geist Jesus Christi (vgl. Phil 2,1-5), damit es zu einem vollkommenen Verschmelzen des verkündeten Glaubens mit der afrikanischen Seele komme, gefestigt in der Gewißheit, daß das Evangelium dabei keine Änderung erfahren darf. Tretet mutig an die pastoralen Probleme heran: an die alten und an die neuen, z. B. an jene, die vom modernen Leben, von der Verstädterung und dem Zugang vieler Jugendlicher eurer Nation zum Studium hervorgerufen werden. Herr Präsident, liebe Guineaner! Zuletzt möchte ich sagen: Guinea-Bissau und seine Bewohner haben mir gefallen. Ich nehme ein dankbares Andenken mit. Ich rufe alle auf, als gute Bürger in arbeitsamer Eintracht zu leben. Beim Verlassen eures Landes spreche ich nochmals die Hoffnung aus, mein apostolischer Dienst möge einen Beitrag zu einem größeren Wohlergehen der Gesellschaft eurer Nation darstellen und ihr mögt in der Lage sein, hier eine Gemeinschaft aufzubauen, in der Solidarität, Friede, Gerechtigkeit und Liebe herrschen. Ich flehe zu Gott, daß die Guineaner, auf ihre nationale Identität stolz, glücklich den Weg des Fortschritts und des Wohlstandes beschreiten mögen. Vielen Dank euch allen! Möge der allmächtige Gott Guinea-Bissau und das geliebte guinea-nische Volk segnen. Auf Wiedersehen! Träger der Heilsbotschaft Gottes Ansprache bei der Begegnung mit den Pastoralmitarbeitem in der Kathedrale von Bamako (Mali) am 28. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Job 15,12-13). Christus hat in der Tat umgesetzt, was er lehrte. Am Kreuz hat er sein Blut für uns und für die vielen vergossen. Er hat uns „bis zur Vollendung“ (Joh 13,1) geliebt. Die Apostel und die Märtyrer sind ihm in diesem Zeugnis nachgefolgt; wie auch die Heiligen aller Zeiten. Sie haben in täglicher Treue zu den Verpflichtungen ihrer Taufe ihr Leben als Gabe dargebracht. 297 REISEN Durch ein Opfer dieser Art ist die Evangelisierung Malis in gewisser Weise schon vor der Gründung der Mission Kita durch die Spiritaneipatres vorbereitet worden. Zwei Karawanen von Weißen Vätern waren 1876 und 1881 von den Gestaden des Mittelmeeres nach dem, was man damals „den Sudan“ nannte, aufgebrochen. Diese Pioniere des Glaubens wurden bei der Durchquerung der Sahara niedergemetzelt, und ihr Blut ist, um den berühmten Ausdruck zu gebrauchen, „Same der Christen“ geworden. 1988 habt ihr die Jahrhundertfeier der Evangelisierung Malis begangen und Gott Dank dargebracht für das Geschenk des Glaubens, das er eurem Land gemacht hat. Ich bin glücklich, gekommen zu sein, um diese Danksagung mit den Katholiken Malis zu verlängern, und ich empfinde große Freude, meine Begegnungen mit der kirchlichen Gemeinschaft hier mit euch zu beginnen. Ich grüße euch von ganzem Herzen, Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, Priesterseminaristen, Novizen, Katecheten aus allen Diözesen, lebendige Kräfte der Kirche in diesem Land. Vor hundert Jahren ist die kleine Christengemeinschaft der Anfänge wie das Senfkorn des Evangeliums zu einem Baum geworden, der seine Wurzeln tief in den malischen Boden senkt und Frucht bringt. Die Vermehrung der Katholiken heute ist ein Zeichen der Anwesenheit des Reiches Gottes in diesem Land. Mit euch ehre ich auch die Arbeiter der ersten Stunde, die aus anderen Ländern kamen, und danke ihnen, daß sie ihr Leben aus Liebe zu ihren afrikanischen Brüdern eingesetzt haben. 2. Nachdem die Malier die Frohe Botschaft empfangen haben, sind sie jetzt ihrerseits berufen, sie auch zu verkündigen. „Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Der Herr also ist es, der erwählt, im Augenblick der Taufe, da ihr mit dem Siegel des Heiligen Geistes gezeichnet wurdet. Die Priester- und Ordensberufung dehnt für einige den Anruf der Taufe noch aus. Durch die Hingabe eures Lebens antwortet ihr auf die vom Herrn getroffene Wahl. <190> <191> <192> <190> Gott erwählt nicht nur, sondern er hat einen Plan für seine Freunde. „Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15,15). Es geht um die Verkündigung dessen, was der Sohn offenbart hat. Als Jünger Christi seid ihr Träger der Heilsbotschaft. Euer Leben, euer Gebet, eure Dienste, euer Handeln haben zum Ziel, das Licht des Retters in der Welt leuchten zu lassen. Eure Gemeinden, eure gottgeweihten Menschen sind selbst Zeichen. Durch sie können jene, denen ihr jeden Tag begegnet, mit der Gnade Gottes den entdecken, der euch gerufen hat. Ihr vollbringt nicht euer eigenes Werk, ihr verwirklicht den Plan des Vaters, der sich eures Herzens, eures Geistes, eures Mundes, eurer Hände bedient. Verkündigt unablässig das Wort! Liefert euren Landsleuten eine lebendige Darstellung des Evangeliums in einer Katechese, die sich dem Grad des Glaubens eines jeden anpaßt! Den Priestern kommt es insbesondere zu, den Hingabeakt Christi beim Letzten Abendmahl neu zu vollziehen, seine Vergebung den Sündern mitzuteilen und weiterhin, wie er, den Kranken und Leidenden Linderung zu bringen. Ihr arbeitet am Werk des Vaters mit, indem ihr euch bemüht, seinen Willen zu tun. Das gibt euch einen großen Frieden und eine große Sicherheit, denn eure Mitarbeit leistet ihr jeman- 298 REISEN ■ dem, der bereits den Sieg davongetragen hat durch seinen auferstandenen Sohn, auch wenn sein Reich für eure Augen nicht immer sichtbar ist. 4. Um Frucht zu bringen in der Erfüllung der Weisung des Herrn, müßt ihr darauf achten, bei dem zu bleiben, der euch erwählt hat: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe“ (Joh 15,9). Das will heißen, daß man die Mittel ergreifen muß, um in tiefer Einheit mit dem Herrn zu leben: das tägliche Gebet hält die Vertrautheit mit Gott aufrecht; ebenso das achtsame Hören auf das Wort Gottes, das die Kenntnis Christi nährt und die Vitalität der Apostolatsverpflichtungen erneuert. Bei dem zu bleiben, der euch erwählt hat, das will auch heißen: Beharrlichkeit im Zölibat, dem Zeichen totaler Verfügbarkeit für den Herrn und die anderen; Beharrlichkeit in einem gewissen Stand der Armut, um alles in die Werte des Reiches Gottes zu investieren nach dem Beispiel unserer Väter im Glauben; Beharrlichkeit schließlich im Gehorsam, der unseren Willen ausdrückt, Gott mit der brüderlichen Hilfe der Mitglieder der kirchlichen Gemeinschaft zu dienen, vor allem der Obern, die euch leiten. 5. Im Jahr der Jahrhundertfeier habt ihr euch neu zusammengefunden in Gegenwart Christi. Ihr habt euch bemüht, den Glauben und die Bruderliebe zu festigen. „Dies trage ich euch auf: Liebt einander“ (Joh 15,17). Ich spreche den Wunsch aus, daß die kirchlichen Gemeinschaften Malis unter dem Impuls der Pastoralarbeiter immer mehr das Beispiel eines liebevollen und brüderlichen Lebens im Einklang mit den authentischen Bestrebungen des afrikanischen Menschen geben. Dazu gelangt ihr, wenn ihr selbst „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ (Mt 5,13.14) seid. Ihr werdet es sein durch das, was ihr seid, durch euer Wort, durch eure Treue zur Liebe Christi. Ihr werdet es sein, wenn ihr den Vorrang Gottes in eurem Leben bekundet, durch das Gebet und die Meditation wie auch im Dialog mit euren Brüdern und Schwestern, in denen ihr das Ebenbild Gottes zu erkennen wißt. Ohne euren Glauben aufzudrängen, sollt ihr in Respektierung der anderen ganz das eigentlich Christliche leben, damit es im sozialen Leben in Erscheinung tritt. „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (1 Petr 2,9). <193> <193> Der Aufbau der Kirche auf dem afrikanischen Kontinent wird durch die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, die ich letztes Jahr am Fest der Erscheinung des Herrn angekündigt habe, einen neuen Aufschwung nehmen. Es ist nämlich mein Wunsch, daß die Kirche in Afrika eine wahre Epiphanie, eine wirkliche Offenbarung des Herrn sei für die Völker aller Kulturen, die dort leben, damit sie auf das Licht Christi zugehen. Euch, die ihr die lebendigen Kräfte der Kirche Malis bildet, ermutige ich, mit eurem ganzen Herzen in diese große synodale Bewegung einzusteigen, die einen jeden und eine jede von euch angeht. Nehmt dieses wichtige Anliegen vor allem mit in euer Gebet, in eure Meditation des Wortes Gottes in der Schule Unserer Lieben Frau. Eure Überlegungen, eure Erfahrungen, die ihr gesammelt und gegenübergestellt habt, werden an die zu dieser Sonderversammlung 299 REISEN abgeordneten Bischöfe gesandt, damit sie noch besser erkennen können, welche Wege die Kirche gehen muß, um ihre Evangelisierungsaufgabe heute auf eurem Kontinent zu erfüllen. Die Sonderversammlung wird eine von der Vorsehung gewollte Gelegenheit sein, um die Ziele zu klären, denen die Aufmerksamkeit der Kirche auf dem afrikanischen Kontinent gelten wird. Wir werden gemeinsam für ihren Erfolg beten: „Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet“ (Joh 15,16). 7. Das Wort Jesu am Schluß des Evangeliums, das wir gehört haben, erinnert uns an etwas Wesentliches: „Dies trage ich euch auf: Liebt einander“ (loh 15,17). Das ist das Unterscheidungsmerkmal derer, die Christus nachfolgen. Es ist der konkret gefaßte Aufruf zur Heiligkeit. Die Ordensleute antworten darauf durch die Beobachtung der Gelübde, die ihnen helfen, Abstand zu nehmen von dem, was ein Hindernis für eine größere Liebesfähigkeit bilden könnte. Die Priester festigen, hauptsächlich durch die Sakramente der Eucharistie und der Versöhnung, die Liebe und die Einheit unter den Mitgliedern des Volkes Gottes. Alle in der Pastoral Tätigen stehen auf der je eigenen Ebene kirchlichen Einsatzes im Dienst der brüderlichen Gemeinschaft. So bieten sie ein anziehendes und freudiges Bild der Gemeinschaft der Jünger Christi. Ich ermutige euch, die Eintracht unter euch zu entwickeln durch die tägliche Selbstverleugnung, die dazu treibt, den anderen zu lieben und ihm zu Hilfe zu kommen: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Schließlich möge in eurem Leben eine wirkliche Einheit zwischen dem Reden und dem Tun bestehen. So werden eure Ordens- und Pfarrgemeinschaften glaubwürdig sein und ihr werdet die Kirche in Mali auf Felsen aufbauen. Unsere Liebe Frau von Kita möge euch helfen, die Sendung in Zuversicht und Freude fortzusetzen! Gebet für die Leprakranken Angelus in Bamako (Mali) am 28. Januar Zum Abschluß dieser Begegnung beten wir zusammen das Mariengebet, den Angelus. In der Freude, hier zu sein, um die Kirche von Mali und in der gesamten Welt zu bauen, bitten wir den Herrn durch die Fürsprache Unserer Lieben Frau, unseren Dienst an den Gliedern des Volkes Gottes zu segnen. Wir beten auch für unsere Familien und unsere Freunde, für die Kranken, die Leidenden und heute am Weltlepratag insbesondere für die Leprakranken. Zu diesen-Gebetsmeinungen möchte ich jene für die Opfer eines schweren Sturmes in Nordeuropa hinzufügen und auch jene des kolumbianischen Flugzeugunglücks in New York, von dem zahlreiche Kinder betroffen wurden. Der Herr stehe den schwergeprüften Familien bei. 300 REISEN Der Dialog ist ein Teil der Sendung Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen in Bamako (Mali) am 28. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. „Wir danken Gott für euch alle ... unablässig erinnern wir uns vor Gott, unserem Vater, an das Werk des Glaubens, an die Opferbereitschaft eurer Liebe und an die. Standhaftigkeit eurer Hoffnung auf Jesus Christus, unseren Herrn“ (1 Thess 1,2-3). Diese Worte des hl. Apostels Paulus drücken gut das aus, was ich bei diesem Pastoralbesuch in Mali empfinde. Gewiß vertretet ihr die kleinste Gruppe der Gläubigen in diesem Land, wo ihr inmitten einer Gesellschaft lebt, deren Denk- und Handlungsweisen, deren Mentalitätund kollektives Verhalten vor allem von den überlieferten Religionen und vom Islam geprägt sind, doch ihr seid ein Volk des Glaubens, das in der Welt den Samen des Geschmacks an Gott verbreitet. Ihr seid ein Volk der Versöhnung, das geduldig die Wege des brüderlichen Dialogs und des Friedens öffnet. Ihr seid ein Volk der Teilnahme und der Hoffnung, das den Samen der Solidarität und der Hoffnung inmitten der menschlichen Gesellschaften ausstreut. In diesem Licht erscheint.mir also eure Kirche, die ich mit großer Freude besuche, und ich möchte hinzufügen, auch mit Stolz besuche, wenn ich auf die gute Arbeit schaue, die bis heute geleistet wurde: im Verlauf von hundert Jahren habt ihr Wurzeln gefaßt und viele Widerstände überwunden; es ist euch gelungen, auf schwierigem Erdreich zu wachsen. 2. Nach den Feierlichkeiten zum hundertsten Jahr der Evangelisierung führt ihr mit neuem Eifer die von Christus empfangene Sendung weiter: „Verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15). Ihr baut weiter die Kirche auf, indem ihr den Getauften den Plan Gottes mit einem jeden von ihnen bewußt macht: sie sind lebendige Steine in einem geistigen Bauwerk. Ihr entfaltet in ihnen ferner den Sinn für Mitverantwortung. Ich möchte euch ermuntern, den Gläubigen eurer Diözesen eine vertiefte Ausbildung zu geben, entsprechend dem Aufruf der letzten Bischofssynode über Berufung und Sendung der Laien, damit die Kirche in Mali immer mehr ausstrahlt. Mögen die Katholiken Licht, Salz und Sauerteig sein, um die geistigen Reichtümer des Volkes von Mali hervortreten zu lassen! Unter anderem wünsche ich mit euch, daß sich in Zukunft in eurem Land auch das kontemplative Leben verwurzelt, damit Mönche und Nonnen durch ihr Leben des Gebetes, des Schweigens und der gänzlichen Hingabe ihrer selbst das Zeugnis vom Primat, von der Größe und von der Liebe Gottes geben. Durch das Ausstrahlen ihrer Präsenz werden sie viele Herzen für die Botschaft des Evangeliums öffnen. Durch ihre Fürbitte aber werden sie vom Herrn die Sendung zahlreicher Arbeiter für die übergroße Ernte erflehen. <194> <194> In eurem kirchlichen Leben in Mali, wo die Katholiken eine kleine Minderheit bilden, hat der religiöse Dialog vorrangige Bedeutung. Ich weiß, daß hier ein verständnisvolles Klima zwischen den verschiedenen Familien von Glaubenden herrscht,, und ich danke Gott dafür. 301 REISEN Das Thema des Dialogs wird unter anderem auf der Sondersynode der Bischöfe für Afrika, die ich im vergangenen Jahr am Fest der Erscheinung des Herrn einberufen habe, bedacht werden. Ich lade euch ein, liebe Brüder, euch in die große Bewegung der Vorbereitung dieses Ereignisses einzuschalten und eure Diözesanfamilien als Ganzes dafür zu interessieren. Die Kirche von Mali muß ihre Stimme dort durch ihre Delegierten zu Gehör bringen: hat sie etwa nicht gerade beim religiösen Dialog eine Erfahrung anzubieten, die mitteilenswert ist? Der Dialog ist wirklich ein Teil der Sendung zur Evangelisierung und ein notwendiges Mittel zu ihrer Durchführung. Man kann das Evangelium nicht verkünden, ohne in Glaube und Liebe mit denen Dialog zu führen, denen die Frohe Botschaft angeboten werden soll. Irtfübrigen ruft der religiöse Pluralismus, der in Afrika oft das nationale, völkische und familiäre Milieu'prägt, dazu auf, den Geist des Dialogs zu entfalten, um Konflikten und Entzweiungen zuvorzukommen. Außerdem ist die Kirche auf eurem Kontinent zuweilen auch aufgefordert, auf diesem heiklen und schwierigen Gebiet die Initiative zu ergreifen. Der Dialog betrifft an erster Stelle unsere Brüder und Schwestern im christlichen Glauben. Afrika hat von den älteren Kirchen Spaltungen übernommen, und es erfährt auch das Emporschießen neuer Sekten. Ohne sich entmutigen zu lassen, gilt es, nach der Einheit zu streben, „damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Ihr besitzt ein gemeinsames kulturelles Erbe und einen angeborenen religiösen Sinn, die den Dialog erleichtern können. Die Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und den verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften hat bereits an verschiedenen Stellen Afrikas Früchte gebracht, z. B. bei der Übersetzung der Bibel, der Präsenz der Kirche in den Medien und bei der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden. Diese gemeinsam unternommenen Aktionen verstärken das gegenseitige Verständnis, eine Voraussetzung für den offenen und unzweideutigen Austausch über den Gehalt des Glaubens und den Sinn für die Kirche. Hier wie in anderen Teilen der Welt ist der ökumenische Dialog zur Pflicht geworden. Folgt dem vom II. Vatikanischen Konzil vorgezeichneten Weg und bittet den Herrn, seine Kinder in der Einheit zu sammeln. <195> <195> Der Dialog umfaßt auch die Gesamtheit der Muslime, die in Afrika aufgrund der vielfältigen Dimensionen ihres Islam und der tiefen Wurzeln, die er in zahlreichen afrikanischen Völkern geschlagen hat, wichtige Partner sind. Ausgehend vom Monotheismus Abrahams, auf den sich die Muslime gern beziehen, sind sie Träger echter religiöser Werte, die wir anzuerkennen und zu achten wissen müssen. Gewiß ist der Dialog mit ihnen nicht immer einfach, auch nicht von allen gewünscht, man findet manchmal nur schwer eine gemeinsame Sprache und maßgebende Gesprächspartner. Hier muß es die christliche Hochherzigkeit daher verstehen, zugleich realistisch und mutig zu sein. Da man sich darüber hinaus in gewissen Ländern heftigem Widerstand gegenübersieht, gilt es vor allem das Prinzip der Gegenseitigkeit bei der Anerkennung des Rechtes beider Teile auf Gewissens- und Kultfreiheit zu achten. Der Dialog ist ferner ein Aufruf, beim Suchen nach Gerechtigkeit anspruchsvolle Forderungen zu stellen. ln der Überzeugung, daß die Liebe Christi alle Hindernisse zu übersteigen vermag (vgl. Röm 12,21), gilt es ferner eine Atmosphäre zu schaffen, in der alle frei ihrem Glauben mit klaren Entscheidungen anhängen und die Chancen einer fruchtbaren und friedfertigen Zusammenarbeit zum gemeinsamen Wohl wahmehmen können. 302 REISEN 5. Im Dialog mit jenen, die der überlieferten afrikanischen Religion verbunden bleiben, ist eine Haltung, der wohlwollenden Aufmerksamkeit für die von ihnen vertretenen Werte zu ermuntern, um mit Unterscheidungsvermögen das, was integraler Teil des Gemeinwohls bleiben kann, anzuerkennen. Oft ist im Dienst an der Gesellschaft Zusammenarbeit möglich und fruchtbar. Wenn die Christen hier einen kostbaren Teil des überlieferten Erbes beibehalten, können sie klar ihren eigenen Glauben an Jesus Christus in einem von Natur aus brüderlichen Dialog bezeugen. 6. Richtet euren Diözesen eine Ermunterung aus, je nach der Berufung eines jeden am Aufbau des Reiches Gottes in Mali, in Afrika und in der Welt mitzuwirken. Unter eurer pastora-len Obhut mögen sich alle gegenseitig in der Liebe zu Christus ermuntern! Eine gewisse Zahl eurer Gläubigen wäre zweifellos daran interessiert gewesen, den Papst bei dieser einzigartigen Gelegenheit seines Besuches in ihrem Land zu treffen, aber sie vermochten es nicht, weil sie über euer weit ausgedehntes Land verstreut leben. Übermittelt ihnen meinen Segen und versichert sie meines Gebetes. Sprecht vor allem den Kranken, Behinderten, Alten und Gefangenen meine Verbundenheit aus. Möge Gott euch in seiner Freude und in seinem Frieden bewahren! Möge er Mali ein glückliches Wachstum gestatten! Möge er den Regierenden beistehen! Möge er jeden Bürger von Mali im Gewissen einleuchten lassen, daß bei seinem Wirken immer das Gute zählt und daß damit Gerechtigkeit und Brüderlichkeit das soziale Leben des Landes prägen müssen! Ich vertraue Unserer Lieben Frau von Mali die innigen Wünsche an, die ich für euch hege, und ich segne euch aus ganzem Herzen, wie auch eure Mitarbeiter und alle Gläubigen eures lieben Landes. Die Christen können nicht Zuschauer bleiben Predigt bei der Messe in Bamako (Mali) am 28. Januar 1. „Ihr seid das Licht der Welt... Ihr seid das Salz der Erde“ (Mt 5,14.13). Liebe Brüder und Schwestern! Diese Worte hat der Herr Jesus zu seinen Jüngern gesprochen. Er spricht sie weiterhin zu allen, die überall in der Welt heute seine Jünger sind. Heute legt der Herr Jesus diese selben Worte auf die Lippen des Bischofs von Rom. Sie sprechen in besonderer Weise zu euch, liebe Brüder und Schwestern, die ihr die Jünger Christi in diesem afrikanischen Land, Mali, seid; zu euch, die ihr versammelt seid, um die Liturgie der Eucharistie zu feiern, hier in dieser Stadt, Bamako, Hauptstadt von Mali. Brüder und Schwestern, ich grüße euch von ganzem Herzen und sage euch, wie ich mich freue, als Bote Gottes bei euch in eurem Land zu sein. 303 REISEN Herzlich grüße ich den Herrn Erzbischof von Bamako, Luc Sangare, und danke ihm für seine Willkommensworte am Anfang der Messe. Ich grüße ebenfalls die ihn umgebenden Bischöfe sowie die Priester, die Ordensmänner und die Ordensfrauen. Den zivilen Obrigkeiten, die zu dieser liturgischen Feier gekommen sind, entbiete ich meine hochachtungsvollen Grüße und danke ihnen für ihre Anwesenheit. Und noch einmal, Gruß euch, malische Brüder und Schwestern, und auch euch fernen Brüdern und Freunden, die ihr über das nationale Radio und Fernsehen mit dem Herzen bei uns seid. 2. Was wollen diese Worte Christi über das Licht und das Salz sagen? Sie haben einen bildlichen Sinn: das Licht, insofern es erhellt; das Salz, insofern es den Speisen Geschmack gibt. Aus welchen Gründen gleichen wir, die wir Jünger Christi sind, dem Salz und dem Licht? Vor allem, weil wir die Liebe lieben, jene Liebe, von der der Apostel sagt, daß sie „die Erfüllung des Gesetzes“ (Röm 13,10) ist; die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten. Die Gebote des Gesetzes, hat uns der hl. Paulus in der ersten Lesung dieser Messe erinnert, „sind in dem einen Satz zusammengefaßt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Röm 13,9). Das ist es, was die Kirche in Mali ihre ganze, hundertjährige Geschichte hindurch getan hat. Sie hat sich bemüht, Christus nachzufolgen, der gekommen ist, um zu dienen. Sie hat auf die Rufe und Erwartungen der Völker geantwortet. Sie ist den Ängsten und Nöten derer gegenüber nicht gleichgültig geblieben, denen die Härte des Lebens und der Egoismus ihrer Mitmenschen in ihrem Fleisch und in ihrem Herzen Wunden geschlagen haben. Sie hat ihren Einsatz vervielfacht und ausgeweitet: im Bildungswesen, in der Gesundheitsfürsorge, für die Besserstellung der Frauen und der Landbewohner, im Kampf gegen den Hunger und das Analphabetentum, gegen die Dürre und die Verwüstung. Kurz, es war den Jüngern Jesu ein Anliegen, mit Taten die gegenseitige Liebe zu bezeugen, die diejenigen beseelt, die sich in die Schule Christi begeben. <196> <197> <196> Das Salz ist für die Konservierung der Speisen notwendig. Es gibt ihnen Geschmack. Und die Kirche der Jünger Christi soll auf ihre Weise eine „gesunde Speise“ für die Menschen und die Gesellschaft sein. Ja, das soll sie hier in Mali sein. Die Christen, die nach dem Wort Christi sich bemühen, „Salz der Erde“ zu sein, müssen darauf vorbereitet sein, in die Menschenflut getaucht zu werden. Sie können nicht Zuschauer der Alltagswirklichkeit bleiben, sondern müssen in sie eindringen, um dieser Wirklichkeit Geschmack zu geben, einen göttlichen Geschmack. Es ist gut, wenn sie Werke jeder Art ins Leben rufen und sich in Organisationen jeder Art engagieren, wichtig jedoch ist, daß man nicht der Versuchung nachgibt, abseits stehenzubleiben. Es soll ihre stete Sorge sein, der menschlichen Wirklichkeit des Alltags Geschmack zu geben: in der Schule, an den Arbeitsplätzen, in den Institutionen des Landes. Da sie wissen, daß das Salz nützlich ist, weil es Geschmack gibt, ist den Christen daran gelegen, nicht schal zu werden, sie trachten im Gegenteil danach, sich fortlaufend zu bilden, den Glauben ihrer Taufe immer mehr zu vertiefen, in der Fortdauer der großen Erfahrung geistiger Erneuerung, die die Jahrhundertfeier für Mali gewesen ist. „Salz der Erde“, oder anders ausgedrückt Apostel, Missionar, Evangelisierender zu sein, diese Rolle kommt allen Christen zu, denn bei ihrer Taufe sind sie mit dem Zeichen des 304 REISEN Geistes bezeichnet worden, welches sie zu Zeugen und Boten der Frohen Botschaft macht. Um Rechenschaft zu geben von der Hoffnung, die in ihnen ist (vgl. 1 Petr3,15), wird es Männern und Frauen am Herzen liegen, ihre Bildung zu verfolgen, wie es die letzte Bischofssynode über die Sendung der Laien empfohlen hat. Die Männer und Frauen mit starkem Glauben sind es, die auf Entmutigung, Pessimismus oder Passivität reagieren: Gefahren, die den Bewohnern eines Landes wie des euren drohen, das Opfer so vieler Geißeln der Natur und von Schwierigkeiten sozioökonomischer Art ist. 4. Wenn die Jünger Christi wirklich „das Salz der Erde“ sind, wenn die Kirche sich als eine „gesunde Speise“ für die Gesellschaft erweist, dann ist sie auch das Licht, von dem das heutige Evangelium spricht: „man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus“ (Mt 5,15). Bei seiner Taufe hat jeder eine Kerze empfangen, deren Flamme an der Osterkerze entzündet wurde: sie ist das Symbol der Gabe des Lichtes, Licht, das von Christus kommt, Licht, das Christus selbst ist. Eure Aufgabe ist es, getaufte Söhne und Töchter, dieses Licht zu verbreiten, wie es in der Ostemacht geschieht, um der Welt die Hoffnung und das Heil, welches Gott ihr gibt, zu verkünden. Die Kirche von Mali faßt immer mehr Wurzel. Die Jahrhundertfeier hat jedem gestattet, sich das tiefer zum Bewußtsein zu bringen und Gott dafür zu danken. Es geht jetzt darum, die Sendung in der gezeichneten Spur fortzusetzen. Eure Aufgabe ist es, die malischen Wege zu erkunden, den christlichen Glauben noch tiefer zu leben und um euch her von Jesus Zeugnis zu geben. Ein unermeßliches Betätigungsfeld bietet sich euch: Jesus Christus in eurem Land und auf dem ganzen afrikanischen Kontinent zu verkünden und die, welche dort leben, einzuladen, auf das Licht zuzugehen. Letztes Jahr am Fest der Erscheinung des Herrn habe ich eine Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika angekündigt. Ich hoffe nämlich, das die Kirche in Afrika am Vorabend des dritten Jahrtausends die Frohe Botschaft Christi mit erneuerter Dynamik in einer belebenden Begegnung des Evangeliums mit den authentischen afrikanischen Werten verbreiten wird. Liebe Brüder und Schwestern, ich lade euch ein, in diese Generalmobilm-achung der geistigen Kräfte des afrikanischen Katholizismus einzusteigen. Diese Sonderversammlung geht euch alle an. Jeder von euch soll sich durch Gebet, Reflexion, Austausch und gemeinsamen Gottesdienst daran beteiligen, damit eure Hirten in dieser Versammlung über das nachdenken, was der Geist der Kirche auf dem ganzen Kontinent zu leben eingibt. <198> <199> <200> <198> Eure Sendung ist es also, das Licht Christi zu bringen. Es ist daher notwendig, daß die Person des Herrn euch vertraut ist dank dem persönlichen und dem gemeinsamen Gebet; es ist notwendig, daß sie euch gut bekannt ist dank der Vertiefung des Glaubens. Auch sollt ihr die Gemeinschaftsstrukturen weiterentwickeln, die ein brüderliches und von Liebe erfülltes Leben begünstigen. Es ist weiter notwendig, daß ihr eure christliche Identität festigt und keine Angst habt, sie in Worten und Taten zu zeigen, sei es als einzelne, sei es als Kirche. Eure Berufung als Christen umfaßt die Berufung zum Apostolat. Die letzte Ermahnung des Herrn an seine Apostel vor dem Pfingstereignis war diese: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,20). 305 REISEN 6. Die Sendung heute fortzusetzen, verlangt auch, daß die Söhne und Töchter der katholischen Kirche in Mali den Dialog aufnehmen mit denen, deren Glauben verschieden von dem ihren ist. Die Begegnung mit den Glaubenden anderer Traditionen lädt ein, die eigene Überzeugung zu vertiefen, um die Wahrheit über Gott und den Menschen gut zu erkennen. In aller Klarheit kann man dann Zusammenarbeiten, um die großen menschlichen und geistigen Werte zu bewahren: den Frieden, die Gerechtigkeit, die gegenseitige Achtung, die innere Dimension des Menschen, das Endschicksal der Menschheit. Der Dialog ist heute ein nötiger Weg. Er ist sogar ein wesentlicher Aspekt des Evangelisierungsauftrags der Kirche, die unmöglich „allen Geschöpfen das Evangelium verkünden“ (vgl. Mk 16,15) kann außerhalb eines Glaubens- und Liebesdialogs mit denen, für die die Frohe Botschaft bestimmt ist. Authentischer Dialog wird dann zu einem Zeugnis; gegenseitige Achtung und gegenseitiges Zuhören sind wahrhaft evangelische Haltungen. 7. Wenn wir die Worte des Herrn Jesus über das Salz und das Licht - daß heißt über die Berufung des Christen - meditieren, denken wir an die Worte des Buches Genesis, die wir vernommen haben: „Ich bin Gott, der Allmächtige. Geh deinen Weg vor mir, und sei rechtschaffen! Ich will einen Bund stiften zwischen mir und dir... Abraham wirst du heißen; denn zum Stammvater einer Menge von Völkern habe ich dich bestimmt“ (Gen 17,1-2.5). Der Bund Gottes mit Abraham dauert fort, „Generation um Generation“. Es ist ein ewiger Bund. Der Plan Gottes, der ein Heilsplan ist, betrifft die, welche den Schöpfer erkennen, und besonders unsere muslimischen Brüder, die den Glauben Abrahams bekennen und wie wir den einzigen und barmherzigen Gott anbeten. Wie Abraham sich Gott unterworfen hat, suchen sie, sich Gottes Ratschlüssen zu unterwerfen. Es freut mich, daß in Mali ein Klima des Einvernehmens zwischen den muslimischen und den katholischen Gemeinschaften herrscht, die von Tradition her tolerant sind. Der Dialog zwischen Muslimen und Christen ist heute wichtiger denn je. Gott ist die Quelle aller Freude. Daher müssen wir von unserer Verehrung Gottes Zeugnis geben, von unserer Anbetung, von unserem Lobgebet und unserem Flehen. Wir müssen Zeugnis geben von unserer Suche nach seinem Willen. Gott ist es, der uns zum Einsatz für eine gerechtere und brüderlichere Welt drängt. Die Liebe Gottes drängt uns, die Lebensbedingungen unserer Brüder und Schwestern, die im gleichen Land leben, zu unserer Sorge zu machen. Ich wünsche, den Dialog zwischen Muslimen und Katholiken möge weitere Fortschritte machen und eine konstruktive Zusammenarbeit fördern. Die freundschaftliche Bande, die zwischen den beiden Gemeinschaften bestehen, sind eine Garantie für die Achtung der Würde jedes Menschenwesens und die nötige Basis des Zusammenlebens, damit alle gemeinsam die Probleme in Angriff nehmen, die sich der gesamten Nation stellen. <201> <201> Der Bund des allmächtigen Gottes mit Abraham hat seine Fülle in Jesus Christus, dem Erlöser der Welt, erreicht. „Denn er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit Menschenhänden hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen hat er gehandelt, mit einem menschlichen Herzen geliebt“ (Gaudium etspes, Nr. 22). 306 REISEN Euch, die ihr auf das Evangelium Christi hört, euch, die ihr euch in eurem Land als Jünger Christi erklärt, euch im besonderen, die ihr an der Eucharistie dieses großen Tages teilnehmt, wünsche ich, es „soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16). Amen. Ideologien und trügerischem Glück widerstehen Ansprache bei dem Treffen mit den Jugendlichen in Bamako (Mali) am 28. Januar Liebe Jugend! 1. Gott sei gepriesen, der mir die Freude gibt, heute abend unter euch zu sein! Ich bin gerührt über euren warmherzigen Empfang und ich danke eurem Sprecher für seine liebenswürdigen Willkommensworte. Ich grüße euch alle herzlich: junge Katholiken, junge Muslime und Jugendliche anderer religiöser Konfessionen, die ihr zu diesem Treffen gekommen seid. Ihr stellt auf der menschlichen Ebene einen wichtigen Anteil der Bevölkerung eures Landes dar. Dir seid die kräftigen Arme Malis, seine gesicherte Ablösungsmannschaft. Es ist wichtig für die Zukunft der Nation, die eure Zukunft ist, daß ihr von einem hohen Ideal motiviert seid. Wir aDe sind Mitglieder der einen menschlichen Familie. Wir leben alle in derselben Welt. Wir lieben das Leben, vor allem ihr, die Jugend. Das Leben zu lieben, bedeutet bereits zu erahnen, daß wir es von Gott erhalten und daß wir nicht glücklich werden können ohne ihn. Eben dies sagte der hl. Augustinus, der große Bischof von Nordafrika: „Du bist groß, Herr, und unendlich wert des Lobes ... Du hast uns für dich gemacht und unser Herz ist ohne Ruhe, solange es nicht in dir ruht.“ Ich bin gekommen, um euch einzuladen, die Augen für die unergründlichen Reichtümer des Lebens zu öffnen, die Gott uns schenkt. Wenn wir auf sein Wort hören, wenn wir ihm folgen, wenn wir die Größe der Liebe entdecken, mit der er aUe Männer und aUe Frauen jeden Alters liebt, dann werden wir wissen, daß das Leben wert ist, gelebt zu werden, und auch, gegeben zu werden! <202> <203> <202> Wenn die Bibel die Erschaffung der Welt und des Menschen beschreibt, zeigt sie uns, daß der Mensch eine ihm eigene Würde und einen erhabenen Wert besitzt: „Gott sprach: ,Laßt uns Menschen machen als unser Abbild. Uns ähnlich ...’ Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,26.27). Wir müssen also jeden Menschen respektieren, lieben und ihm helfen, da er ein Geschöpf Gottes ist und eine besondere Beziehung zu dem hat, der ihm alles gegeben hat. In welchem Sinn auch immer, als sein treues Abbild oder sein beauftragter Vertreter, er ist immer ein „Zeichen“, das zu Gott führt. Seine Rechte sind der Ausdruck von Gottes Willen und der Ansprach der menschlichen Natur, so wie Gott sie geschaffen hat. Als Geschöpf Gottes ist der Mensch also zutiefst von einer Abhängigkeit geprägt. Diese Abhängigkeit kränkt vieDeicht seinen Stolz, aber wenn er sie anerkennt und freiwillig akzep- 307 REISEN tiert, so verwurzelt sie ihn in eine Existenz voller Sinn, sie stellt ihn vor einen Horizont ohne Grenzen, ohne andere Ängste auf dieser Erde als der, nicht genug zu lieben. Muslime und Christen haben sicher unterschiedliche Motive und Mittel, dieses Ideal zu verwirklichen. Für die einen ist der Mensch dazu berufen, auf der Erde ein vollkommener Vertreter Gottes zu sein, im Dienste aller von der Bedeutung der Drei Schönen Namen zeugend: Erbarmen und Verständnis, Vergebung und Versöhnung. Für die anderen enthüllt der Ausdruck „geschaffen als Gottes Abbild“ ein noch tieferes Geheimnis, da für sie zwischen dem Menschen und Gott eine Beziehung herrscht, die sie als väterliche Beziehung zu bezeichnen wagen. Der Mensch ist somit eingeladen, wirklich Sohn Gottes zu werden in einem Verhältnis der Anteilnahme an Leben und Liebe. Dieses Geheimnis wird uns ganz von Jesus Christus enthüllt, von ihm, der wußte „was im Menschen ist“ (Joh 2,25). Wenn dies die Würde des Menschen ist, liebe Freunde, so ist es notwendig, daß ihr, die Jugend, euch nicht angreifen und täuschen laßt von solchen, die Ideologien und trügerisches Glück verkaufen. Habt den Mut, ihnen zu widerstehen: Ihr verdient das Beste für euer Leben! Öffnet eure Herzen dem Gott der Weisheit und des Erbarmens, der euch die Fülle des Lebens anbietet, im Diesseits jetzt und später im Jenseits. 3. Die Bevölkerung von Mali ist in ihrer großen Mehrheit gläubig. Dies ist ein wichtiger Trumpf, mit dem eine hohe Moral Schritt halten müßte und eine Lebensauffassung, die nicht nur den materiellen Wohlstand sucht. So wichtig die wirtschaftlichen Probleme auch sein mögen, der Mensch lebt nicht vom Brot allein: Er braucht ein geistiges Leben. Dieses gibt der Entwicklung einen Sinn, es orientiert den Menschen zum Guten hin, zum Guten des ganzen Menschen und dem aller Menschen. Ihr seid die Erben einer langen Kulturtradition. Im Kielwasser eurer Vorfahren müßt ihr euch formen, nicht nur um eine Arbeit zu finden und eurem Land zu dienen, sondern auch um die Welt begreifen zu lernen, die Gott uns gegeben hat, um sie zu verstehen, ihren Sinn zu entdecken, die Wahrheit liebend und achtend, und ebenso eure religiösen Traditionen. Findet auch die grundlegenden Werte eurer Gesellschaft wieder: die Redlichkeit, den Sinn des Menschlichen, den Sinn des Rechtmäßigen, die Solidarität, die Respektierung des anderen, die Bedeutung des Ehrgefühls. Bemüht euch, euch täglich davon inspirieren zu lassen. <204> <204> Das 100jährige Jubiläum der Evangelisierung Malis hat den Christen erlaubt, ihren Glauben neu zu beleben, um Christus besser zu folgen. Liebe junge Katholiken, vertieft weiterhin euren Glauben. Ihr verfügt über einen Schatz, eine Perle von großem Wert: Christus, den man mit Hilfe des Evangeliums in der kirchlichen Gemeinschaft entdeckt, Ihn, der zu uns gesagt hat: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) ... Haltet euch an ihn. Laßt euch von seinem Geist führen, der Licht und Kraft schenkt. Nehmt euch die Zeit, an seine Botschaft zu denken und über die Bibel zu meditieren, mit euren Priestern, in den Gemein-degruppen, durch das Gebet und die Feier der Sakramente. Das Evangelium ist eine große geistige Kraft. Es ist wie Hefe, die, wenn sie zum Teig gegeben wird, ihn schließlich ganz aufgehen läßt. Ihr müßt wissen, daß ihr euren Platz in der Kirche habt, an der Seite der älteren Generation. Versucht den Beitrag zu erbringen, den man für den Aufbau lebendiger Gemeinden von euch 308 REISEN erwartet. Ich fordere euch auf, aktiv an den liturgischen Feiern teilzunehmen. Seht zu, daß ihr selbst in eurem Glauben gefestigt seid und dann auch andere Kinder mitreißen und selbst Apostel unter euren Kameraden werden könnt. Auch ihr müßt die Frohe Botschaft euren Brüdern bringen! Jesus läßt seinen Blick auf euch ruhen und liebt euch. Er hat selbst manche von euch aufgefordert, ihm noch näher zu sein, sei es im Priesterleben, sei es im Ordensleben. Es gibt gewiß unter euch solche, die berufen sind, sich den Priestern anzuschließen, von denen es in diesem riesigen Land nicht genug gibt, um der Botschaft des Evangeliums zu folgen. Andere, Jungen und Mädchen, sind berufen, ihre Taufe im Ordensleben zu vertiefen und radikal dem Aufruf Christi zur Heiligkeit zu folgen. 5. Schließlich, liebe Jugendliche, seid ihr alle zur Solidarität in der Arbeit aufgerufen. Brüderliche Zusammenarbeit macht die Arbeit doppelt wirksam. Ein gemeinsam geschaffenes Werk läßt auch ein Klima des Vertrauens wachsen, das jedem erlaubt, sich zu verwirklichen. Laßt euch nicht von der nur zu sehr verbreiteten Tendenz des Egoismus, der es sich leicht macht, und des „Jeder-für-sich“ mitreißen. Dies wäre entgegengesetzt zu der besten Tradition eures Volkes. Gebt eurem Beruf, auf den ihr euch vorbereitet oder den ihr schon begonnen habt, die Dimension eines nützlichen Dienstes an der Gemeinschaft. Man spricht viel davon, die soziale Kommunikation zu verbessern. Ihr werdet positiv daran arbeiten, wenn ihr zunächst bereit seid, einen Dialog zu führen, den anderen zu verstehen, nicht nur passiv die Informationen und Bilder aufzunehmen, die auf euch einströmen. Durch den Austausch unter euch werdet ihr darin wachsen, eine Zivilisation aufzubauen, die auf der Liebe ruht, ohne jede nationale, völkische oder religiöse Grenze. Seid eurer Berufung als Männer und Frauen würdig, um besser dem zu entsprechen, was Gott von euch erwartet. Er, der euch geschaffen hat und euch zu eurer Vollkommenheit führen will! Mit allen euren Kräften bereitet eine Welt vor, in der Gott den ersten Platz einnimmt und in der die Menschen, die er liebt, sich gegenseitig brüderlich helfen. Möge Gott, Ursprung der Gerechtigkeit und des Friedens, euch wahre Freude schenken, wahre Liebe und dauernde Brüderlichkeit! Er erfülle euch für immer mit seinen Gaben! Nach seiner Ansprache wandte sich der Papst vor dem Apostolischen Segen noch einmal an die Jugend, um für ihre Bemühungen und ihre Aufmerksamkeit bei diesem Treffen mit folgenden Worten zu danken: Ich möchte euch noch wissen lassen, wie wertvoll, ja ich möchte sagen: bewundernswert ich das Programm finde, das ihr vorbereitet habt. Aufmerksam habe ich dieses zwar zusammenfassende, aber sehr vielsagende Programm verfolgt. Ich treffe ziemlich oft junge Menschen, fast jeden Sonntag in Rom, und dann auch bei meinen Besuchen in den verschiedenen Ländern. Es ist interessant, daß bei den szenischen Darstellungen der Jugendlichen in aller Welt, durch die sie zum Papst sprechen und ihm ihre Fragen stellen wollen, ein gemeinsames Empfinden zum Ausdruck kommt. Diese Spiele sind einander sehr ähnlich. Nicht in Einzelheiten, sondern in einer Grundhaltung, in einer übereinstimmenden Sensibilität. Es findet sich darin eine große Menschlichkeit, es wird eine große Familie von jungen Menschen über die ganze Welt hin sichtbar. Ich habe das Privileg, ihnen an verschiedenen Orten zu begegnen. Ich 309 REISEN selbst bin allerdings nicht mehr so jung. Als ich hier hereinkam, fragte ich, bis zu welchem Alter man sich noch als jung betrachten könne. Es wurde mir gesagt: bis vierzig. Dann bin ich verloren, sagte ich. Trotz alledem fange ich immer wieder an, ich beginne immer wieder, und bis heute wurde ich von den Jugendlichen nicht zurückgewiesen. Ich danke euch für euer Verständnis, für euren guten Willen und für eure Aufmerksamkeit bei diesem Treffen. Meine Gegengabe ist das Gebet, der Segen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und der Segen der Kirche. Und mit diesem Segen schließe ich unsere Begegnung und wünsche euch alles Gute, das von Gott kommt. Was heißt das eigentlich: ein Segen? Wenn man es erklären oder mit einfachen Worten übersetzen will, bedeutet Segen: ich wünsche dir alles Gute, das von Gott kommt, alles Gute, das von Gott kommen kann. Und das ist es, was ich jedem und jeder von euch wünschen möchte am Ende dieses Treffens. Hören wir also das Segens wort! Das menschliche Leben ist unantastbar Predigt bei der Messe in Ouagadougou (Burkina-Faso) am 29. Januar M Saambiisi (Brüder und Schwestern), mam puusda yamb faa, Burkina ramba! (Ich grüße euch alle, Volk von Burkina!) 1. Ich grüße euch alle, Angehörige des Volkes Gottes in Burkina, wer immer ihr auch seid und wo immer ihr auch wohnt auf dieser Erde der Gastfreundschaft und des Friedens. Danke für euren freudigen Empfang des Papstes, des Nachfolgers Petri, der vom Herrn den Auftrag empfangen hat, den Glauben seiner Brüder zu stärken. Das ist das Ziel meiner neuen Pilgerreise zu euch, zehn Jahre nach meinem ersten kurzen Besuch in Ouagadougou. Von ganzem Herzen grüße ich meinen Mitbruder, Kardinal Paul Zoungrana, und danke ihm für seine Willkommensworte. Ich entbiete ihm meine besten Wünsche zum 25. Jahrestag seiner Kardinalsemennung, den er am 22. Februar feiern kann. Meine herzlichen Grüße gehen an alle eure Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, an die Katechisten und Animatoren der verschiedenen Bewegungen. Habt alle Dank für euren Eifer und eure Freude! Ich richte meinen Gruß auch an die Vertreter der zivilen Behörden und danke ihnen, daß sie unser Zusammenkommen erleichtert haben. <205> <206> <207> <205> Hier sind wir nun versammelt, um die heilige Eucharistie zu feiern, um daran teilzunehmen. Wie die alten Kirchenväter sagten, decken wir zwei Tische: auf dem einen ist das Brot des Wortes Gottes, auf den anderen stellen wir die eucharistische Speise des Leibes und Blu- tes des Herrn. Was sagt uns heute das Wort Gottes? Es sagt uns: „Als ... die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau ..., damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal4,4.5). 310 REISEN Nach der Lehre des Paulus, der diese Worte an die Galater schrieb, kommt die „Erfüllung der Zeit“ mit der irdischen Geburt des Gottessohnes Jesus, der durch das Wirken des Heiligen Geistes von der Jungfrau Maria geboren wird. In dieser neuen Zeit sind die Söhne und Töchter des Menschengeschlechts an Kindes Statt angenommen, zur Würde von Gotteskindern erhoben, Brüder und Schwestern des ewigen Gottessohnes. Das ist das Wesentliche in der heutigen Botschaft des Wortes Gottes. 3. Diese Wahrheit bestätigt Matthäus im Evangelium, das wir eben vernommen haben. Er sagt uns, daß Jesus eines Tages dabei war, zu lehren; er erfüllte seine Sendung als Messias. Da sagte ihm jemand, seine Mutter und seine Brüder, das heißt seine Familienangehörigen, befänden sich unter der Menge und wollten mit ihm sprechen. Jesus unterbrach seine Lehre nicht, sondern nahm die Anwesenheit Marias, seiner Mutter, und seiner Familienangehörigen zum Anlaß, um die wahren Bande zu zeigen, die die Menschen in Gott verbinden, stärkere Bande als jene des Blutes! Jesus fragte: „Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? Und er streckte die Hand über seine Jünger aus und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder“ (Mt 12,48-49). Ja, dank dem menschgewordenen Gottessohn sind neue, geistige Bande begründet. Sie kommen von der Annahme an Kindes Statt, die uns der ewige Vater gewährte, indem er seinen einzigen Sohn, geboren von einer Frau, in die Welt sandte. 4. Diese neuen Bande zwischen dem Menschen und Gott, und zwischen den durch die Annahme an Kindes Statt vereinten Menschen, sind die Früchte des Heiligen Geistes, der in unseren Seelen wirkt. Paulus sagt zu den Galatern: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (Gal 4,6). Der Sohn sagt zum Vater: „Abba, Vater.“ Der Gottessohn hat uns gelehrt, zu seinem Vater im Himmel „Unser Vater“ zu sagen. Das Gebet, das Jesus uns gelehrt hat, das Gebet des Herrn, ist das Gebet der Söhne und Töchter der göttlichen Adoption, das Gebet aller, die in Christus die Annahme an Kindes Statt erhalten haben. Der Apostel fügt hinzu, daß keiner von ihnen mehr Sklave ist, sondern Sohn und Erbe durch den Willen Gottes (vgl. Gal 4,7). Alle, in jedem Alter, groß oder klein, reich oder arm! Alle können die Gabe des Glaubens empfangen. Alle können in Christus getauft werden. <208> <209> <210> <208> Hier, in Burkina, ist euch der Glaube vor nunmehr neunzig Jahren verkündet worden, als die Weißen Väter und die Weißen Schwestern kamen, um den Samen des Wortes in eure Erde zu säen. Sie verdienen eure Dankbarkeit. Ich weiß, mit welchem Eifer sie unter euch überzeugte Christen geformt und glaubensfreudige Gemeinden gegründet haben. In den Familien haben sie kostbare Früchte der Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben zur Reife kommen lassen. Gerne arbeiten sie nun mit den einheimischen Bischöfen und Priestern zusammen. Durch die tapfere Armee der Katechisten, die sie auf ihren anfordemden apostolischen Einsatz vorzubereiten wußten, haben die Missionare bei ihrer ungeheuren Evangelisierungsarbeit Rückenstärkung erhalten. Diese Männer des Glaubens, manchmal Gründer von Gemeinden 311 REISEN und oft allein bei deren Leitung, sind im Hintergrund geblieben. Gott weiß, was ihre Mühe war und welche Not sie hingenommen haben. Sie haben ein Recht auf unsere Anerkennung. Freuen wir uns mit ihnen, denn die Kirche in Burkina ist auch ihre Krone! Ja, hier ist sie, diese Kirche, in all ihrer Schönheit! Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Katechisten, Laien, alle versammelt in dieser Familie Gottes, und mit euren Hirten, meinen Brüdern im Bischofsamt, wollt ihr sie größer werden lassen! „Kirche - Familie Gottes“, das habt ihr euch zum Ziel gesetzt, als ihr die fünfundsiebzig Jahre der Evangelisierung feiertet, eine Ausrichtung, die euren tiefen Wünschen entspricht. Sie wird euch helfen, den Glauben in eurer afrikanischen Erde einwurzeln zu lassen. Fahrt fort, über die Werte der „Familie Kirche“ nachzudenken, und arbeitet weiter an ihrem Aufbau! 6. Ich möchte alle die grüßen, welche diese Familie Gottes bilden, die Gesamtheit der Laien, die getreu ihren Teil des Evangelisierungsauftrags übernehmen, in den Pfarreien, bei der Leitung der Basisgemeinden, in der Katechese. Ich denke an die, welche in euren vielfältigen Bewegungen aktiv sind, in den Gebetsgruppen, in den kirchlichen Diensten. Besonders möchte ich die Ärmsten grüßen. Ich weiß, mit welcher Großherzigkeit sie dem zu helfen wissen, der noch ärmer ist als sie, um das zusammengefallene Haus einer mittellosen Familie wieder aufzubauen, wie man es mir aus eurem Land geschrieben hat. Auch ohne einer Gruppe anzugehören, empfängt jeder einen Auftrag für die Kirche, das heißt, Gott zu dienen, seinen Brüdern und der Gesellschaft zu dienen. Für euch habe ich im Anschluß an die Bischofssynode das Apostolische Schreiben Christiüdeles laici verfaßt. 7. In der Emeuerungsperiode, in der euer Land lebt, sind die Kirche und besonders die Laien gerufen, sich dafür einzusetzen, daß diese Erneuerung auf der Grundlage der Achtung der Person und der Familie geschieht. Das menschliche Leben ist unantastbar. Das Recht auf das Leben muß unablässig „als erstes und fundamentales Recht... als Bedingung für alle anderen Rechte der Person“ (Christiüdeles laici, Nr. 38) verteidigt werden. Die Familie ist „der primäre Ort des sozialen Engagements der Laien“. Sie müssen zur Überzeugung „ihres unersetzlichen Wertes für die Entwicklung der Gesellschaft und der Kirche“ (ebd., Nr. 40) gelangen. Es ist normal, das menschliche Leben „in allen Phasen seiner Entwicklung, von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod“ (ebd., Nr. 38) zu achten und andere zu dessen Achtung zu bringen. Man muß die Stabilität des Heimes garantieren und den Paaren ermöglichen, eine verantwortete Vater- und Mutterschaft zu leben, indem sie sich der Verbreitung von Methoden widersetzen, die gegen die Würde der Frau gehen und folglich auch den Mann nicht ehren. Ich rufe alle Laien auf, für die Sanierung und die Heiligung der Familie zu kämpfen. Mein Anruf geht in besonderer Weise an die Frauen, die in eurem Lande es stets verstanden haben, für die Gesundheit und Kräftigung der Gesellschaft zu arbeiten. <211> <211> Ich möchte auch eure so zahlreiche und dynamische Jugend ermutigen. Sie muß den modernen Geißeln die Stirn bieten, den Versuchungen der Droge oder einer falsch verstandenen Sexualität, der Schwierigkeit, sich gut auszubilden und seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ich spreche den Jugendlichen meine Achtung und meine Zuneigung aus und auch 312 REISEN mein Vertrauen: ich halte sie für fähig, ihr Leben im Sinne der Wahrheit, der Freiheit und des Dienstes aufzubauen. Liebe Jugendliche, seid würdige Erben des menschlichen Reichtums eures Volkes. Bleibt mutig bei der Arbeit und im Willen, zu siegen, Kennzeichnen für die Burkinabe. Bewahrt dieses Gefühl der Würde, euren Stolz. Bleibt in Einheit und Eintracht, es sind Früchte der Aussöhnung unter den Kindern dieses Landes! 9. Brüder und Schwestern, kommt alle zum Tisch des Wortes Gottes, dort werdet ihr das Wort des Lebens empfangen, die Frohe Botschaft, daß Gott in seiner Liebe treu ist, daß er heilt und vergibt, daß er euch in der Hoffnung stärkt. Kommt zum Tisch der eucharistischen Speise, wo jung und alt sich versammeln, alle Glieder des Leibes Christi, vereint durch die Gemeinschaft mit Jesus, dem Auferstandenen, gestärkt im Glauben und ermutigt, gemeinsam zu handeln, um den Willen des Vaters zu erfüllen. Jesus sagt euch: „Wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter“ (Mt 12,50). Durch seine Gegenwart und durch die Gabe seines Geistes in euren Herzen macht er seine Brüder zu Erben des Reiches des Vaters. 10. In Yagma, an diesem Ort des Gebetes, wenden wir uns, liebe Söhne und Töchter Bur-kinas, der Mutter Jesu zu, Unserer Lieben Frau von Yagma, wie ihr sie zu nennen liebt. Dank ihr ist der Sohn Gottes „von einer Frau ... geboren“ (Gal 4,4), denn sie hat es angenommen, seine Mutter zu werden, im Glauben und Gehorsam zu dem ihr gesagten Wort. Maria, von Gott erwählt, hat es verdient, in ihrem jungfräulichen Leib diesen Sohn zu empfangen und in ihrem Herzen die Frohe Botschaft zu bewahren, die dieser Name verkündet: Jesus, Gott rettet. Selige Jungfrau, die das Wort Gottes hört und es bewahrt (vgl. Lk 11,28)! Ich weiß, daß ihr oft hierherkommt, um zu ihr zu beten, und wünschte, ihr könntet ein der Jungfrau Maria würdiges Heiligtum bauen; ein sichtbares Zeichen eures Vertrauens in sie. Betet gläubig zur Mutter des Erlösers. Einer von euch hat mir geschrieben, der Rosenkranz sei „wie das Kürbisgefäß des Bettlers.“ Geleitet von den Worten des Engels könnt ihr euch immer als ihre Kinder an sie wenden. Mit euch bitte ich sie, mit ihrer Zärtlichkeit über die „Familie Kirche“ in Burkina-Faso zu wachen. M Saambiisi, (Brüder und Schwestern), Wend na song Y amb faa! (Gott helfe euch allen,) Wend na ning Yamb faa barka! (Gott segne euch alle,) La wend na Reeg-ed Kosgo! (und er erhöre unser Gebet!) 313 REISEN Die Kirche soll die Menschheit vereinigen und versöhnen Ansprache bei der Begegnung mit Priestern und Pastoralhelfem in der Kathedrale von Ouagadougou (Burkina-Faso) am 29. Januar Liebe Freunde! 1. Der Bischof von Rom grüßt euch sehr herzlich. Ich danke Bischof Marius Ouedraogo für seine Begrüßungsworte und dafür, daß er die Teilnehmer dieser Begegnung vorgestellt hat. Er hat die Richtlinien erwähnt, die zeigen, daß ihr das Herz der Kirche in Burkina-Faso bildet, mit dem Wunsch, aufs beste eure Sendung zu erfüllen, je nach eurer Berufung. Wir befinden uns in einer wichtigen Zeit für die Kirche auf diesem Kontinent, denn bald werdet ihr eingeladen, teilzunehmen an den Vorbereitungen zur Sondersitzung der Bischofssynode für Afrika, die einberufen wird, um der Evangelisierung neuen Antrieb zu geben. Glücklich darüber, einen Augenblick kirchlicher Gemeinschaft mit euch zu leben, möchte ich meinerseits einige Überlegungen zum Evangelium äußern, das wir gerade gehört haben. 2. Aus Galiläa zurückgekehrt, sind die Apostel mit Jesus zusammen: Der Gekreuzigte ist von den Toten auferstanden. Der Mensch gewordene Sohn Gottes hat den Menschen durch seine Auferstehung wieder aufgerichtet. Für die Jünger ist die Begegnung beeindruckend: sie waren Zeugen der messianischen Mission geworden, aber die Passion Christi hatte sie in alle Winde zerstreut, indem sie ihre Hoffnung zerstörte. Das Bild von Golgatha war ihnen noch im Gedächtnis geblieben. „Als sie Jesus sahen, fielen sie vor ihm nieder. Einige aber hatten Zweifel“ (Mt 28,17). Manche zögern vor dem Glaubensbekenntnis, wahrscheinlich, weil sie jetzt erkennen, was die Anwesenheit des Auferstandenen verlangt: die radikale Bejahung durch den ganzen Menschen. In gewisser Weise kommt jede christliche Berufung zustande durch eine Begegnung mit dem Auferstandenen und durch ein Glaubensbekenntnis als Antwort auf ihn. Und ihr wißt, daß man sich immer stärker erfassen lassen muß, damit die Berufung zum geweihten Leben, zum Missionsauftrag und ganz einfach zum Leben als Getaufter reifen kann. 3. Auf dem Berg spricht Jesus folgende erstaunliche Worte: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde“ (Mt 28,18). Der ausgestoßen war, wird fortan Herr sein. In ihm vereinigen sich die Macht des Schöpfers, der die Welt leben läßt, und die Kraft des Erlösers, der die Welt rettet. Und er ist es, der sich seinen Jüngern nähert, der sich euch nähert! „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19). Eure Kirche ist geboren aus der Antwort der missionarischen Institute auf den Ruf Christi. Sie lebt heute, weil Einwohner von Burkina-Faso ihrerseits diesen Ruf gehört haben. In demselben Geist kooperieren die Brüder, die von anderen Orten gekommen sind, mit den Brüdern dieses Landes. Und die Einwohner von Burkina beginnen, für das Evangelium in andere Länder zu gehen. Wir danken für den Großmut so vieler Menschen und Frauen, die ihr Bestes geben, um „Jünger zu machen.“ 314 REISEN 4. Jesus gab den Aposteln einen ersten Auftrag mit auf den missionarischen Weg: „Tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Er macht euch zu Verwaltern der Geheimnisse Gottes, er schenkt euch die Kraft, die Gnade des Heils zu vermitteln. Durch euer geistliches Amt nähert Christus sich allen Menschen, er läßt sie teilhaben am Leben der Dreieinigkeit, er ruft sie auf, zu verweilen in der Liebe, die die göttlichen Personen vereint. Brüder und Schwestern, Christus vertraut der Kirche die wunderbare Aufgabe an, die Menschheit zu vereinen und zu versöhnen, sein Werkzeug zu sein, seinen Leib mit den Menschen zu bilden, denen er durch seine Gnade das Leben gibt. Auf diesem Boden Afrikas seid ihr die Diener der Liebe des Erlösers. Die Sakramente, die die Kirche spendet, sind hierfür die sichtbaren und wahren Zeichen. 5. Der zweite Auftrag Jesu schließt sich dem ersten gleich an. Den Jüngern muß der Weg gezeigt werden, den sie gehen müssen, um die Verpflichtungen einzuhalten, die sie durch die Taufe eingegangen sind: „Lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mf 28,20). Auf vielfältige Weise seid ihr als Priester, Ordensleute, Katechisten oder engagierte Laien aufgerufen, diesen Auftrag Jesu auszuführen. Die Gebote befolgen bedeutet, sie bekanntzumachen und das Wort dessen näherzubringen, der uns den Willen Gottes vermittelt. Ich spreche euch Mut zu in all euren Aufgaben im Bereich der christlichen Bildung, in der Vorbereitung zur Taufe und zu anderen Sakramenten, in der Predigt, dem Unterricht und der Gruppenanimation. All diese Aufgaben erfüllt ihr aus wahrer Freundschaft mit dem Herrn, indem ihr die Lebensweise konkret mit der Botschaft des Evangeliums verbindet. Ihr wißt, daß es nicht genügt, die Einhaltung der Gebote Gottes nur mit Worten zu predigen. Die Evangelisierung bedeutet für die Jünger, gemeinsam die Liebe zu Gott und zum Nächsten in die Praxis umzusetzen. Euren Charismen entsprechend, widmet ihr euch nicht nur den Einrichtungen, die zur Bildung der Kirche nötig sind, sondern ihr pflegt Kranke, helft Armen, erzieht die Jugend, fördert die Berufsausbildung, unterstützt die Entwicklung, helft den Familien bei ihrer gesunden Entfaltung, ihr tretet ein für die Würde des menschlichen Lebens, ihr unterstützt das brüderliche Einvernehmen aller. Möge der Herr euch beistehen, damit ihr weiterhin die Taten vollbringen könnt, zu denen eine effektive Liebe euch aufruft! 6. Liebe Freunde, der Grund für meine Freude, mit euch zu sein, rührt daher, daß ihr aus freiem Herzen Christus folgt und teilhabt am Missionsauftrag. Aus diesem Grunde habt ihr, Priester, Ordensbrüder und -schwestem, auf die Gründung einer Familie verzichtet und gelobt, dem Dienst an der Kirche voll und ganz zur Verfügung zu stehen. Die Katechisten und engagierten Laien geben auch viel von ihrer Freiheit her, um sich dem Missionsauftrag selbstlos zu widmen. Auch die getauften Jugendlichen, die mir zuhören, sollten auf leichte Vergnügen verzichten und dürfen nicht fürchten, ihren Glauben zu bejahen, damit sie einen aktiven und dynamischen Platz in der Gemeinschaft der Jünger Christi einnehmen. Zu Jesus sprecht ihr jeden Tag aus tiefstem Herzen die Worte von Petrus: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Und Christus folgend sprecht ihr zum Vater: „Ja, ich komme, um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10,7; vgl. Ps 40,8-9). 315 REISEN Jeden Tag sagt der Herr euch: „Mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht“ (Mt 11,30). Petri Nachfolger sagt euch heute Mut, tragt froh die Last des Tages, um gemeinsam die Kirche Gottes in Burkina-Faso größer werden zu lassen. Auf! Die Worte Jesu sind wahr: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Männer, Frauen, Kinder sind zu Millionen bedroht Ansprache am Sitz der Westafrikanischen Wirtschaftskommission (CEAO) in Ouagadougou (Burkina-Faso) am 29. Januar Herr Präsident, meine Herren Kardinale, Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Vor zehn Jahren, wie mein lieber und verehrter Bruder Kardinal Paul Zoungrana soeben in Erinnerung gerufen hat, habe ich zum ersten Mal den Boden Ihres schönen Landes betreten. Meine Freude ist groß, mich heute wieder hier zu befinden. Ich grüße mit Ehrerbietung das Staatsoberhaupt, S. E. Oberst Blaise Compaore, der großen Wert darauf legte, an dieser Begegnung teilzunehmen. Ebenso begrüße ich die um ihn gescharten Vertreter der burkinischen Behörden. Und ich bringe meine Hochachtung den Persönlichkeiten zum Ausdruck, die hier die Nachbarländer, die befreundeten Länder und die internationalen Institutionen repräsentieren, wie die Westafrikanische Wirtschaftskommission, die uns an ihrem Sitz empfangen hat. Sie tragen, meine Damen und Herren, die Verantwortung, für Ihre Völker auf politischem, wirtschaftlichem, gesellschaftlichem, kulturellem und religiösem Gebiet richtungsweisend zu sein. Ich bitte Gott, er möge Ihnen die moralische Kraft, die Klugheit und das Unterscheidungsvermögen schenken, die notwendig sind, um Ihren hohen Auftrag als einen Dienst des Friedens und der Gerechtigkeit nicht nur in Ihrem Land, sondern im ganzen Sahelgebiet und auf dem afrikanischen Kontinent insgesamt zu erfüllen. <212> <213> <212> 1980 habe ich in aller Form einen Appell an die Welt gerichtet zugunsten des Sahel, der von der Trockenheit und dem Vordringen der Wüste grausam betroffen war. Ich wolle meine Stimme mit all denen vereinigen, die nach großzügiger und wirksamer Solidarität mit den unter Durst und Hunger leidenden Völkern riefen. Ich wollte dem Schrei der Unschuldigen Gehör verschaffen, die vom Tod hinweggerafft wurden oder vom Unvermögen, zu überleben, bedroht waren. Beträchtliche Anstrengungen waren in der langen Zeit der Prüfung, die diese Völker durchmachen mußten, schon zu ihrer Hilfe unternommen worden. Seit 1980 ist mein Appell verstanden worden. Er hat der Solidarität neuen Schwung gegeben. Die deutschen Katholiken vor allem haben es ermöglicht, 1984 die Johannes-Paul-Ü.-Stiftung für den Sahel zu schaffen, die im Dienst von acht Ländern arbeitet und deren Verwaltungsrat in Ihrer Hauptstadt seinen Sitz hat. 316 REISEN Ich danke Kardinal Zoungrana und den Mitgliedern des Stiftungsrates für ihre zähe Arbeit. Und ich begrüße Kardinal Roger Etchegaray, Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum“, der heute anwesend ist. Er übt bedeutende Verantwortlichkeit in der Stiftung aus. Die Struktur dieses Organismus entstammt gewissen tiefen Überzeugungen, die die Kirche im Blick auf die Entwicklungsprobleme hat. Die Zusammenarbeit zwischen dem Norden und dem Süden gestaltet ein echtes Teilen der Ressourcen zwischen den am meisten Begünstigten und den Bedürftigsten. Doch die wirksame Aufsicht über die Aktion auf diesem Gebiet liegt bei den direkten Vertretern der betroffenen Völker. Muß es denn noch einmal gesagt werden, daß Hilfe und Rat von überall her kommen können, aber jedes Land mit Scharfblick seine eigene Entwicklung selbst in die Hand nehmen muß? Andererseits sind die immer noch bescheidenen Mittel der Stiftung vorrangig dazu bestimmt, „die Ausbildung von Personen zu fördern, die sich in einem Geist der ganzheitlichen und solidarischen Förderung des Menschen in den Dienst ihrer Länder und ihrer Brüder und Schwestern ohne jeglichen Unterschied stellen, um gegen das Vordringen der Wüste und dessen Ursachen zu kämpfen und den Opfern der Dürre in den Ländern des Sahel zu helfen“ (iStatuten, Art. 3,1). 3. Meine Damen, meine Herren, durch ihr vereintes Handeln haben die Regierungen der einzelnen Länder sowie die internationalen Regierungs- und Nicht-Regierungs-Organisationen viel getan, um die Gespenster des Hungers und des Durstes zurückzuschlagen. Ich begrüße im besonderen die Bemühungen des Zwischenstaatlichen Komitees für den Kampf gegen die Dürre im Sahel (CILSS). Sie, die Verantwortlichen, tragen mit Energie dazu bei, die aufgetragenen unermeßlichen und schwierigen Arbeiten fortzusetzen. Denn in den Ländern, die ich gegenwärtig besuche, bleibt die Situation ebenso besorgniserregend wie in zahlreichen anderen Regionen des afrikanischen Kontinents. Genug Wasser und Brot zu haben, ist für die Bevölkerung der Sahelzone immer ein echtes Problem. Die Ernten der fleißigen Bauern bleiben durch ungenügende und unregelmäßige Regenfälle wie auch durch Plünderer weiterhin gefährdet. Es fehlen Geräte, um den Boden urbar zu machen, das vorhandene Wasser auf bestmögliche Weise zu nutzen, die Erzeugnisse zu transportieren. Man ist noch weit davon entfernt, allen eine Grundausbildung und die Vermittlung des beruflichen Fachwissens gewährleisten zu können, die notwendig sind, um ein regelmäßiges Wachstum der Produktion, die Verbesserung der Gesundheitsbedingungen -mit einem Wort: eine harmonische Entwicklung des Menschen selbst zu ermöglichen. Die Welt muß wissen, daß Afrika in tiefer Armut steckt: Die verfügbaren Ressourcen gehen zur Neige, der Boden wird in unermeßlichen Gebieten unfruchtbar, die Unterernährung ist für Abermillionen von Menschen chronisch, der Tod rafft zu viele Kinder hinweg. Ist es denn möglich, daß solch bitteres Elend nicht von der ganzen Menschheit als schmerzende Wunde empfunden wird? <214> <214> In diesen Tagen, in denen ich durch mehrere Länder des Sahel reise, muß ich die Schwere der Übel feststellen, die so viele Völker Afrikas verletzen. Erneut muß ich im Namen der Menschheit selbst einen feierlichen Appell an die Menschheit richten. In Afrika sind Männer, Frauen und Kinder zu Millionen bedroht, sich nie einer guten Gesundheit erfreuen zu können, 317 REISEN niemals dahin zu gelangen, daß sie angemessen von ihrer Arbeit leben können, niemals die Erziehung zu erhalten, die ihre Intelligenz zum Aufblühen bringt. Sie sind bedroht, ihre Umwelt feindlich und unfruchtbar werden zu sehen, den Reichtum des Erbes ihrer Vorfahren zu verlieren und dabei noch auf die positiven Beiträge der Wissenschaft und der Technik verzichten zu müssen. Im Namen der Gerechtigkeit beschwört der Bischof von Rom, der Nachfolger des Petrus, seine Brüder und Schwestern in der Menschheit, die Hungernden dieses Kontinents nicht achtlos auf die Seite zu schieben und ihnen nicht das universale Recht auf Menschenwürde und auf Sicherheit des Lebens zu verweigern. Wie würde die Geschichte über eine Generation urteilen, die alle Mittel besitzt, um die Bevölkerung des ganzen Planeten zu ernähren, sich aber in brudermörderischer Blindheit weigerte, dies zu tun? Was für einen Frieden könnten Völker erhoffen, die die Pflicht zur Solidarität nicht mehr praktizierten? Was für eine Wüste würde eine Welt sein, auf der das Elend nicht der Liebe begegnete, die Leben spendet? 5. Der Appell, den ich heute erneuere, richtet sich an die Völker der Erde, besonders an die des Nordens, die über mehr menschliche und wirtschaftliche Ressourcen verfügen. Großzügige Aktionen sind sowohl von staatlichen Stellen als auch von privaten, vor allem katholischen Organisationen schon durchgeführt worden. Doch wenn man Afrika jetzt helfen will, seine Benachteiligung zu überwinden, ist ein Aufrütteln der öffentlichen Meinung notwendiger denn je: die Solidarität wird nicht ihr rechtes Maß finden, wenn sich nicht jeder einzelne bewußt wird, wie notwendig sie ist. Ich wiederhole hier, was ich in der Enzyklika Sollicitudo rei socialis geschrieben habe: Die Solidarität „ist nicht ein Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung wegen der Leiden so vieler Menschen nah oder fern. Im Gegenteil, sie ist die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, das heißt für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind“ (Nr. 38). Wer möchte nicht, daß die Welt brüderlich sei? Damit aber die Brüderlichkeit kein leeres Wort bleibt, bringt sie Verpflichtungen mit sich. Eine erste Verpflichtung ist die zu einem aufrichtigen Nachdenken: Müssen sich die „entwickelten“ Gesellschaften nicht selbst darüber befragen, welches Beispiel sie der übrigen Welt bieten, welche Bedürfnisse sie geschaffen haben, welcher Natur die ihnen unentbehrlich gewordenen Reichtümer sind, und auch woher sie kommen? Eine solche Gewissenserforschung müßte die Mehrheit der Bürger so überzeugen, daß sie ihre Regierungen auffordem, nicht nur die Solidarität mit den bedürftigen Völkern zu intensivieren, sondern sich auch vor jedem Abweg zu hüten: Es kann tatsächlich nicht mehr darum gehen, in den ärmsten Ländern nur mehr oder weniger zahlungsfähige Kunden oder Schuldner zu sehen. Diese - bewußte oder unbewußte - Einstellung hat allzu oft in eine Sackgasse geführt. Echte Entwicklung kann nur durch vertrauensvolle Beziehungen zwischen Partnern wirksam ermutigt werden. Man teilt mehr als nur Waren. Man teilt auch das Wissen und die wissenschaftliche Forschung, man respektiert die Traditionen und die Reichtümer eines jeden, man erleichtert denen, die man eine Zeitlang beraten hat, den Zugang zu eigenständiger Verantwortung. So kann die Entwicklung wirklich zu einem menschlichen und sozialen Werk werden. 318 REISEN Ich appelliere an die am meisten begünstigten Völker, in ihren afrikanischen Brüdern die Schönheit ihrer guten Eigenschaften, ihre Liebe zum Leben, ihre Würde, ihren Sinn für gegenseitige Hilfe, ihre Offenheit für die Transzendenz anzuerkennen. Möchten die Völker des Nordens den Werten der afrikanischen Kultur ebensoviel Interesse entgegenbringen wie die Völker des Südens den Beiträgen der reichen Länder! 6. Meine Damen und Herren, um die Entwicklung voranzutreiben, ist die Verantwortung derer besonders gefordert, die die politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Instanzen führen, und zwar sowohl in den Ländern des Nordens als auch in den Ländern Afrikas selbst. Jede öffentliche Autorität muß als echter Dienst an der Bevölkerung ausgeübt werden, um die Hoffnung derer zu stärken, die sich auf die Weisheit der Verantwortlichen verlassen. Mögen die Verantwortlichen immer bedacht sein auf die wirklichen Bedürfnisse ihrer Mitbrüder, auf ihre tiefsten Erwartungen und auf ihren Willen zu voller eigener Emanzipation! Möge niemand Angst vor einem freien und offenen Dialog mit allen haben! Die Gerechtigkeit macht größere Fortschritte, wenn ein Geist des Einvernehmens herrscht und jeder sein Bestes gibt. Sie wissen, wieviel Fachwissen, Ausdauer, Organisationstalent, Weitblick und Wille zum Handeln notwendig sind, um die Mängel des öffentlichen Dienstes und der Infrastrukturen zu überspielen, allen Ihren Landsleuten eine gute Ausbildung und die unbedingt erforderliche Gesundheitspflege zu gewährleisten, die Beschäftigungslage zu verbessern und die Verstädterung in den Griff zu bekommen. Es kommt mir nicht zu, in die Einzelheiten zu gehen oder Programme zu entwerfen. Wenn ich dennoch auf gewisse Aspekte Ihres Dienstes hinweise, so möchte ich damit hervorheben, daß auch darin die Solidarität eine unbedingte Pflicht ist. Durch diese Arbeiten technischer Art muß man dem Menschen dienen. Im öffentlichen Handeln muß die moralische Qualität eines Volkes respektiert werden unter Ausschluß jeder Intoleranz und jeder Form der Korruption, der Rachegelüste und der Entwürdigung. Die Entwicklung ist Frucht der Gerechtigkeit, des Friedens und der Solidarität. Diese Auffassung, die die Kirche unermüdlich vertritt, zeigt die Ansprüche, die sich jedem aufdrängen, dem öffentliche Verantwortlichkeiten in der Welt übertragen sind. Ich ermutige Sie, mit dem guten Willen und der Uneigennützigkeit zu handeln, die Vertrauen wecken und die freie Zusammenarbeit aller anspomen. <215> <215> Im Laufe der Jahrhunderte haben sich - Sie wissen das - die Apostel des Evangeliums immer in den Dienst des ganzen Menschen stellen wollen und haben versucht, seinen inneren Erwartungen zu entsprechen und ihm zu helfen, seine materiellen Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn die Katholiken heute ihren Beitrag zur ganzheitlichen Entwicklung des Menschen leisten, so lösen sie damit die Pioniere von früher ab, die zur gleichen Zeit die Kirche begründeten und den Boden urbar machten, wo dies notwendig war. Indem ich mich in diesem Geist an Sie wandte, wollte ich die Liebe Christi zum Menschen bezeugen, die in uns brennt, zum verwundeten Menschen, zum Menschen, der nicht aufhört, die Entfaltung seiner Persönlichkeit zu erhoffen, zum Menschen, der sich auf die Solidarität seiner Brüder verlassen können muß. 319 REISEN Vor der unermeßlichen Erwartung dieses Kontinents ersuche ich die Welt demütig, aber mit Kühnheit, seinen Anruf zu hören. Und ich bete zu Gott, der möge alle Mitglieder der großen Menschheitsfamilie durch die Macht der Liebe in einem gerechten Frieden vereinen. Die Aufgaben der Kirche in Afrika sind unermeßlich Ansprache an die Bischöfe von Burkina-Faso und Niger in Ouagadougou (Burkina-Faso) am 29. Januar Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Am Abend dieses schönen Pastoralbesuchstages bin ich froh, euch einen Augenblick in brüderlicher Vertrautheit zu begegnen. Ich bin euch dankbar für euren Empfang, der die großmütige Vitalität der ganzen Kirche bezeugt, die in diesem Land und Volk fest begründet ist. Ein Dankeschön Bischof Jean-Marie Compaore, eurem Präsidenten, für seine so vertrauensvollen Worte. Ich spreche euch allen meine herzliche Sympathie aus, meine tiefe Gemeinschaft im Gebet, in der Hoffnung auf die Früchte eines manchmal schweren, doch durch die Gnade Gottes fruchtbaren Dienstes. Einen besonders liebevollen Gruß richte ich an meinen Mitbruder, Kardinal Paul Zoungrana, der sehr bald seine 25jährige Präsenz im Kardinalskollegium feiern kann. Mit ihm danke ich für alles, was er der Kirche in Afrika und der universalen Kirche gegeben hat, die er aus seiner Weisheit und aus der Tiefe seines Glaubens Nutzen ziehen läßt. <216> <217> <218> <216> Ganz natürlich vertraut ihr dem Nachfolger Petri eure Sorgen und eure Hoffnungen als Hirten einer jungen Kirche an, einer Kirche, die wächst, einer Kirche, die den Brüdern immer besser dienen möchte in einem materiell armen Land, das jedoch menschlich reich ist an Großherzigkeit und Lebendigkeit seines Volkes. Eure Sorgen teile ich und trage sie mit in meinem Gebet. Und ich kann euch sagen, daß die „Familie Kirche“, die ihr in Burkina-Faso und in Niger leitet, ihren Platz in der Gemeinschaft der Liebe hat, welche die gesamte Familie der Kirche in der ganzen Welt vereint. Im Lauf unserer Unterhaltung werde ich nicht auf alle Aspekte eurer Sendung und deren Schwierigkeiten zurückkommen. Vor allem möchte ich durch euch alle ermutigen, die hier am Aufbau der Kirche beteiligt sind. Ich denke an die Priester und Seminaristen, die euch so nahe stehen, für die ihr große Sorge zeigt und die mit Eifer bei der Pastoral mitarbeiten: an den einheimischen Klerus, der in der Lage ist, den Dienst in gewissen Diözesen allein sicherzustellen, und an die Missionare, die den fruchtbaren, zu Anfang des Jahrhunderts begonnenen Dienst fortführen. Ich danke dem Herrn, daß er Burkina-Faso die Gnade einer beachtlichen Entfaltung des kontemplativen und apostolischen Ordenslebens gegeben hat. Ohne das beständige Gebet und die vielfältigen Dienste der gottgeweihten Männer und Frauen könnte die Kirche ihre Aufgabe nicht voll erfüllen, noch mit all ihrer Kraft Zeugnis geben für das Geschenk Gottes, das die Seele des Menschen erfüllt. 320 REISEN Die Katechisten, Männer und Frauen, oft in der Familie, sind treue Diener des Wortes Gottes. Ihren Brüdern nahe, teilen sie unmittelbar deren Sorgen. Sie bereiten die zahlreichen Gemeinden darauf vor, die Gnade der Sakramente zu empfangen, die von Gott ausstrahlende Liebe zu verbreiten, Fortschritte zu machen in der brüderlichen Einheit und dem Dienst an den Kiemen und Armen. Für ihre Bereitschaft, diese schöne Frucht der Saat des Evangeliums, die in eure Erde gestreut wurde, sage ich Dank. 3. In den Pfarreien und Seelsorgeposten, durch die kirchlichen Bewegungen und religiösen Werke wächst die Christengemeinschaft im Glauben. Sie hat ihren Platz auch im Leben der Nation, wo sie ein Solidaritätsbewußtsein praktiziert, das die Berufung des Jünger Christi zum Dienst in der Nachfolge des Meisters nährt und stärkt. Unter eurer Leitung als Hirten beteiligt sich die Kirche in aller Unabhängigkeit am Aufbau der gemeinsamen Wohnung. Ihr werdet den Christen ihren Weg klarzumachen wissen, indem ihr ihnen insbesondere die großen Richtlinien der Soziallehre der Kirche zeigt und die Gesichtspunkte der Moral nach dem Evangelium insgesamt klarlegt. So ist es den Christen ein Anliegen, unter Achtung aller, die Gerechtigkeit und die Rechte der Person zu fördern, in enger Zusammenarbeit mit all ihren Mitbürgern, Männern und Frauen guten Willens, seien sie nun den religiösen Traditionen der Vorfahren verbunden oder aber dem Islam treue Muslime. Alle können mit uns gemeinsame Werte teilen, welche dem Menschen seine Würde, der Familie ihre Größe und der Gesellschaft ihre Solidarität garantieren. Sind die Rechte des Menschen denn nicht ein gemeinsames Erbe aller Glaubenden? 4. Unsere Begegnung findet zu dem Zeitpunkt statt, da die Hirten dieses ganzen Kontinents eingeladen sind, die aktive Vorbereitung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika in Angriff zu nehmen. Ich bin froh, einen Augenbück mit euch darüber zu sprechen, denn dieses Ereignis wird eine Gnade sein. Die Küche Afrikas ist aufgerufen, durch Reflexion und Gebet all ihrer Mitglieder, das Verständnis für ihre „Evangelisierungsauftrag in der Perspektive des Jahres 2000“ zu vertiefen. Daß eine solche Versammlung stattfinden kann, ist ein beredtes Zeichen der Reife, zu der diese jungen Kirchen nunmehr gelangen. Daß Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien gemeinsam beitragen, den Weg der Kirche in diesem Teil der Welt zu erhellen, ist Grund zum Vertrauen in die Gegenwart des Heiligen Geistes im Herzen der Getauften. Liebe Brüder, bitten wir gemeinsam Christus, den Retter, daß er mit seinem Licht all seine Jünger in Afrika durchdringe, im Augenblick, da sie sich anschicken, in eine entscheidende Etappe auf dem Weg des Evangeliums einzutreten! <219> <220> <219> Zehn Jahre nach meinem ersten Besuch in Ouagadougou habe ich jetzt den besorgten Appell erneuert, den ich an die Welt richtete, damit diese Region nicht allein gelassen werde mit den ernsten Schwierigkeiten ihrer Entwicklung. Ich weiß, daß eure diözesanen Gemeinschaften nicht untätig bleiben, da ihr euch ja nicht nur an der Stiftung für den Sahel beteiligt, deren Vorsitz Kardinal Zoungrana hat, sondern auch an den von eurem Studien- und Verbin-dungsbüro und von der Caritas ergriffenen Initiativen. Ihr habt die Verantwortung, diese Aktivitäten, denen mehrere Organismen sowie vor allem die sehr zahlreichen lokalen Förde- 321 REISEN rer des Landlebens, die Erzieher und all jene angeschlossen sind, die miteinander für eine Verbesserung ihrer Daseinsbedingungen kämpfen, harmonisch zu koordinieren. Im Blick auf die kommende Versammlung der Synode- für Afrika ist eines der vorgeschlagenen Reflexionsthemen gerade die Umschreibung der theologischen Grundlagen unserer Aktion für den Menschen. Denn für die Christen kann die Suche nach Entwicklung und die Aktion zugunsten der Gerechtigkeit und des Friedens nicht von der Evangelisierung getrennt werden. Die Evangelisierung schließt die Liebe zum Nächsten ein, so wie er ist, mit dem Hunger und dem Durst, den er an Leib und Geist und im Herzen verspürt. 6. Als er die Leiden linderte, zeigte Christus seine Liebe zum Menschen. Als guter Samariter richtete Jesus die von der Krankheit Geheilten wieder auf, befreite sie, gab sie dem Leben zurück. Zur gleichen Zeit wie er den Menschen dem Glauben öffnete, gab er ihm die Hoffnung wieder und rief ihn zurück in die Gemeinschaft der Brüder durch die Gnade der Vergebung und der Umkehr. Und die gegenseitige Liebe hat er zum Erkennungsmerkmal seiner Jünger gemacht: sie können nicht behaupten, Gott zu lieben, wenn sie sich weigern, den Nächsten zu lieben, wie Johannes sagt. Die Kirche muß unablässig die Worte und Taten des Herrn und das Zeugnis der Apostel meditieren, wenn sie die Wege für das Reich Gottes bereiten will, in das die Schöpfung durch die Erlösung aufgenommen und umgestaltet ist. Von diesen wesentlichen Grundlagen ausgehend, kann für unsere Zeit eine wirklich christliche Auffassung der Entwicklung ausgearbeitet werden. Man wird nie genug betonen können, daß der Mensch selbst der wahre Gegenstand der Entwicklung ist. Papst Paul VI. sagte es mit Nachdruck, als er die Reihenfolge von menschlicheren Bedingungen darlegte, zu denen alle gelangen müssen: „der Aufstieg aus dem Elend zum Besitz des Lebensnotwendigen, die Überwindung der sozialen Mißstände, die Erweiterung des Wissens, der Erwerb von Bildung ..., die Anerkennung letzter Werte von seiten des Menschen und die Anerkennung Gottes, ihrer Quelle und ihres Zieles“ (Populorum piogres-sio, Nr. 21). Das sind die Merkzeichen auf einem Weg, den heute der afrikanische Mensch gehen muß. Die Anstrengungen, die ihr entfaltet, um euren Brüdern eine allgemeine, berufliche und geistige Bildung zu geben, gehen in diese unerläßliche Richtung. Ich wünsche, daß ihr sie mit stets größerem Erfolg vermehren könnt. <221> <221> Ich weiß, liebe Brüder, daß die Aktionen für die Entwicklung des ganzen Menschen in Burkina und Niger in eurer Pastoral an erster Stelle stehen. Ich hoffe, daß die Sonderversammlung der Synode ihnen einen Impuls geben kann und eine Vertiefung nach dem Evangelium ermöglicht ebenso wie für die anderen größeren Themen der kirchlichen Sendung, die Gegenstand ihrer Reflexionen sind. Beim Herannahen des dritten Jahrtausends der christlichen Ära sind die Aufgaben, welche sich Afrika, der Kirche in Afrika stellen, unermeßlich. Ich weiß, daß man auf den Weitblick und den Mut der Hirten und der Gläubigen zählen kann, um ihre Brüder zur Fülle des Lebens zu bringen, die sie ersehnen. Durch eure apostolische Dynamik werdet ihr miteinander für die ganze Welt Zeugen der Menschheit sein, die der Berufung zur Gotteskindschaft treu ist. Möge der Segen Gottes euch auf eurem Wege stützen! 322 REISEN Jeder hat teil an der Verantwortung Predigt bei der Messe in Bobo Dioulasso (Burkina-Faso) am 30. Januar 1. „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn, das ein Mann auf seinem Acker säte“ (Mt 13,31). Liebe Brüder und Schwestern, gemeinsam mit euch möchte ich über das Geheimnis des Gottesreiches nachdenken, von dem uns der Herr im heutigen Evangelium „in Gleichnissen“ spricht. Ich freue-mich, dies zu tun, indem ich für euch und mit euch bei diesem schönen Fest der Diözese Bobo Dioulasso das Opfer Christi feiere. Ich danke eurem Hirten Msgr. Anselme Sanon für seinen Willkommensgruß, und ich danke euch allen für euren Empfang. Ich begrüße die zivilen Autoritäten und spreche ihnen meinen Dank für ihre Teilnahme an unserer Versammlung aus. Ich richte auch einen herzlichen Gruß an unsere Freunde, die ihren traditionellen Religionen treu sind, sowie an unsere muslimischen Freunde, die Wert darauf gelegt haben, sich der Freude ihrer Brüder anzuschließen. Euch, Brüder und Schwestern der Kirche, die eingepflanzt ist in den Boden von Bobo, und euch alle, die.ihr zu diesem Scheideweg der Völker gekommen seid, begrüßt der Nachfolger Petri mit Freude und Zuneigung! 2. Da ich den Auftrag empfangen habe, meine Brüder im Glauben zu bestärken, so wie es der Herr von Petrus erbeten hat, möchte ich, daß wir unseren Blick zunächst auf Christus richten, der uns die Worte des Evangeliums gegeben hat, und der uns die Wege des Himmelreichs weist. In der ersten Lesung kündigt uns der Prophet Jesaja bereits an, wer Jesus von Nazaret in Wahrheit ist: er ist „der Gesalbte“ durch den „Geist Gottes“ (61,1). Er ist der Messias. Er ist von Gott selbst, vom Vater, durch die Kraft des göttlichen Geistes gesandt. Er ist der Sohn, wesensgleich mit dem Vater. Ihn hat der Vater in die Welt gesandt, weil er die Welt geliebt hat von Ewigkeit. Gott liebt die Welt, der Schöpfer liebt sein Geschöpf. Die Liebe des Schöpfers, der der Vater ist, offenbart sich im Sohn, in der Sendung des Sohnes. Und indem er sich in der Prophezeiung des Jesaja wiedererkennt, sagt Christus selbst: „Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung“ (/es 61,1). <222> <223> <224> <222> Jesus von Nazaret erfüllte dies und verkündete es während der Jahre seiner messianischen Sendung. Er verkündete die Frohbotschaft, d. h. „das Evangelium“ durch sein Wort und seine Handlungen. Er verband die Wunden „der zerbrochenen Herzen“ wie wir oft in der Heiligen Schrift lesen. Er gab „Entlassung“ und „Befreiung“: erbefreite die Menschen vom Übel in seinen vielfältigen Formen, insbesondere vom Übel der Sünde. Er befreite das menschliche Bewußtsein von den schwersten Bürden, die auf ihm lasteten. Und tut der gekreuzigte und auferstandene Christus heute nicht weiterhin all das durch seine Kirche, die in seinem Leben dem Menschen dient? 323 REISEN 4. Durch sein Wort und seine Tat hat uns Jesus das Himmelreich offenbart. Das Reich „der Himmel“ wird erst in der Ewigkeit vollends verwirklicht werden. Doch es beginnt bereits. Es beginnt hier und wird größer. Es ist in der Person Christi, dem Heiland der Welt, gegenwärtig: er hat es vom Vater empfangen und gibt es weiter an die Menschen. Er sät es in ihre Herzen aus, damit es in jedem Menschen größer wird und die Menschen, die menschliche Gesellschaft, die Völker und die Nationen dieser Erde vereinigt. Ja, damit es größer wird ... Deshalb vergleicht Jesus dieses Reich mit einem Senfkorn. „Es ist das kleinste von allen Samenkörnern; sobald es aber hoch gewachsen ist,... wird es zu einem Baum, so daß die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten“ (Mt 13,32). Jesus vergleicht das Himmelreich auch mit einem Sauerteig, der „unter einen großen Trog Mehl gemischt wird, bis das Ganze durchsäuert ist“ (13,33). 5. Vor sechzig Jahren hat die Saat auf eurem Boden angefangen zu keimen; der Sauerteig hat begonnen, den Teig zu durchsäuem. Das Gottesreich hat begonnen, in euren Herzen, in euren Familien, in euren Gemeinschaften zu wachsen. Die Pflanze ist zum Baum einer großen Diözese geworden. Die Äste der Gemeinschaften, die Zweige der Familien haben angefangen, die Früchte des Evangeliums zu tragen. Eine kräftige Veredelung hat den Baum auf den alten und starken Wurzeln eurer Völker wachsen lassen. Die Missionare haben gepflanzt - und mit welch’ einem Glauben und welch’ einer Geduld! - und nun lassen die Priester, die Ordensleute und die Katechisten von Burkina die Früchte reifen. Die Taufe hat die Söhne und Töchter dieser Erde in das Licht Christi getaucht. Sie bilden Gemeinschaften, die voller Wärme und Hochherzigkeit sind. Mögen sie mehr und mehr Abbilder des Leibes Christi sein, die in seiner Liebe vereinigt sind! Mögen sie mehr und mehr zum Sauerteig werden, vom Austausch im Glauben und vom gemeinsamen Gebet durchsäuert und geeinigt, und von der brüderlichen Liebe, die die Armen nicht am Wegrand liegen läßt, angespomt werden! Mögen sie das Licht des Evangeliums weitertragen! <225> <226> <225> Das Wachstum des Gottesreiches verläuft über die Kraft des Lebens, die die Familien beseelt. Mann und Frau geben durch die Schönheit ihrer Liebe gemeinsam ein wertvolles Bild von der Liebe, die von Gott kommt. Ihrerseits geben sie Leben. In Ehrfurcht vor den Gaben des Herrn, die ihnen ermöglicht haben, Vater und Mutter zu sein, bleiben sie für immer vereint und lassen die Gabe des Ehesakraments Frucht bringen: sie achten sich gegenseitig und legen ihre positiven Eigenschaften zusammen. Sie öffnen den Kindern die Wege der Hoffnung, die an der Freude wachsen, geliebt zu werden. Sie machen aus ihrem Haus ein sichtbares Zeichen des Glücks, Christ zu sein. Die Evangelisierung gedeiht zuallererst durch die Familie. Ich weiß, daß nicht alle dasselbe Glück kennen und in derselben Treue leben können. Doch kann ein jeder auf die treue Liebe Gottes zählen, die vergibt, die „alle heilt, deren Herz zerbrochen ist“ (Jes 61,1). Und ihr Jugendlichen dieses Volkes, möget ihr in eurem Herzen die Gaben wachsen lassen, die ihr empfangen habt. Ihr findet diesen Weg oft schwer, doch wenn ihr Freunde Gottes und 324 REISEN wahre Brüder und Schwestern bleibt, so werdet ihr auf dem Weg des Glücks sein, welcher der Weg der Jünger ist, die den anderen dienen und die Arbeit gut verrichten wollen, die die Gesellschaft braucht. Schüler einer eurer höheren Schulen haben mir folgende Worte geschrieben: „Wir möchten, daß die Erde, die Gott uns gegeben hat, durch unsere Arbeit als Bebauer alle Menschen ernährt, und daß es keine Kinder mehr gibt, die um uns her und überall auf der Welt verhungern“. Ich glaube, daß sie einen guten Weg einschlagen, und ich danke ihnen für dieses Zeugnis. Den Familien, den Jugendlichen, allen möchte ich sagen: Aa bee ka ke kogo, yeelen ani kogo-nan ye! (Möget ihr alle das Salz sein, das Licht und der Sauerteig!) 7. Da ich zu euch komme, möchte ich jeder Pfarrgemeinde, jeder Bewegung sagen: der Papst hat Vertrauen in euch, damit ihr die Äste des Baumes wachsen laßt, den der Herr gepflanzt hat. Möge jeder Laie teilhaben an der Verantwortung für den Dienst aller in der Kirche und für die ganze Gesellschaft! Ich weiß, daß ihr viel Mühe für die Erziehung der Jugendlichen und die Ausbildung der Erwachsenen aufbringt. Möget ihr nicht davon ablassen! Das Evangelium achtet den Menschen, und es ruft ihn auf, in der Nächstenliebe immer noch weiter zu gehen. Dies muß eure Treffen und eure Zusammenarbeit mit euren protestantischen Landsleuten und mit denen fördern, die der traditionellen Religion treu sind, sowie auch mit den Muslims. Ich ermuntere euch, den Dialog zwischen den Religionen in aller Klarheit und Freundschaft zu verfolgen. Ihr arbeitet für die Entwicklung eures Landes. Ich bitte die Welt leidenschaftlich, solidarisch mit euch zu sein, die ihr die Brüder der Armut kennt. Ich bitte euch auch, euch nicht entmutigen zu lassen. Eure Würde ist es, in Eintracht und Frieden die ersten Bauleute eurer Entwicklung zu sein. Ihr habt oft Mangel an materiellen Gütern, doch seid ihr reich an Hochherzigkeit, innerem Leben und Gastfreundschaft. Der Herr hat euch Eigenschaften geschenkt, die viele andere Menschen verloren haben. Möget ihr sie bewahren, damit sich die Entwicklung eures Landes in gegenseitiger Achtung vollzieht. <227> <227> Damit das Reich in eurer Mitte wächst, damit die Gaben Gottes allen zugänglich gemacht und das Wort gehört werden kann, damit sich das Volk Gottes versammelt, müssen die Jünger Christi die Verwalter werden, denen er das Priesteramt oder die Gott und der Mission geweihten Zeugen anvertraut. Ich grüße von ganzem Herzen die Priester und Ordensleute, die diesen Weg bereits eingeschlagen haben. Ich sehe hier die Seminaristen von Koumi, die aus der ganzen Region gekommen sind. Der Nachfolger Petri drückt ihnen seine Freundschaft aus und ermutigt sie: liebe junge Brüder, die ihr dem Petrusamt entgegenblickt, gebt euch ganz dem Dienst am Herrn und den Menschen hin, bereitet euch mit all eurer Hochherzigkeit vor und ihr werdet die wahre Freude kennenlemen! Ich sehe hier die jungen Schwestern von der Verkündigung und andere Ordensschwestern. Auch euch sagt der Papst, wie wertvoll eure Antwort auf den Aufruf des Herrn ist. Die Gabe eurer selbst, die Kontemplation, das Apostolat und die Liebe, die ihr leben werdet, sind beglückende Gaben für euch selbst und ein unentbehrliches Zeugnis für die Kirche, die in eurem Volk verwurzelt ist. Mögen sich andere euch anschließen! A ka wuli ka tagama, kibaro diman togo la! (Macht euch auf den Weg im Namen der Frohbotschaft!) 325 REISEN 9. Hören wir nochmals den Propheten: „Denn wie die Erde die Saat wachsen läßt und der Garten die Pflanzen hervorbringt, so bringt Gott, der Herr, Gerechtigkeit hervor und Ruhm vor allen Völkern“ (Jes 61,11). In Bobo Dioulasso ruft uns Jesaja heute zur Danksagung und zur Freude in Gott auf. „Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn. Meine Seele soll jubeln über meinen Gott. Denn er kleidet mich in Gewänder des Heils, er hüllt mich in den. Mantel der Gerechtigkeit, wie ein Bräutigam sich festlich schmückt“ (Jes 61,10). Die Gewänder des Heils vergleicht der Prophet mit dem Schmuck der Brautleute für die Hochzeit. Ja, die Kirche ist die Braut Christi, ihres Erlösers. Wir alle haben das Gewand an, mit dem er uns bei der Taufe bekleidet hat, um es unser Leben lang bis zum letzten Tag zu tragen:, es:ist ein Gewand, das im Blut des gekreuzigten Bräutigams weiß geworden ist, und es ist das Gewand aus dem Licht des Auferstandenen. Damit wir den Sauerteig des ewigen Lebens in uns tragen, muß die Saat der Heiligkeit Mer in der Kirche zum Ruhme des lebendigen Gottes größer werden. Möge Gott euch in der Liebe Christi beschützen! Der Papst segnet euch. Sendung zur Stärkung im Glauben Begrüßungsansprache auf dem Flughafen in N’Djamena (Tschad) am 30. Januar Herr Präsident! 1. Gott sei gepriesen, daß er meine Schritte in das Herz des afrikanischen Kontinents, auf tschadischen Boden, geführt hat, wo ich heute die Freude habe mich zu befinden. Ich danke Ihnen für die heben Willkommensworte, die die altüberkommene Gastfreundschaft der Söhne und Töchter des Tschads bezeugen. Durch Sie möchte ich Mer das ganze edle tschadische Volk begrüßen und ihm meine Freude bekunden, daß ich diesen Besuch durchführen kann. Ich möchte darüber hinaus den Regierungspersönlichkeiten, die an dieser Begrüßungszeremonie haben teilnehmen wollen’, meinen respektvollen Gruß entbieten und ihnen sagen, daß; ich mich über das durch üire Anwesenheit an diesem Ort bezeugte WoMwollen freue. Anläßlich dieses ersten Kontaktes möchte ich allen Tschadern.die Wertschätzung und Zuneigung, die ich für sie hege, zum Ausdruck bringen. Ich weiß um: ihren mutigen Widerstand im Unglück und ihre EntscMossenheit, sich auf dem Weg der Entwicklung, der Einheit und des Friedens bei der nationalen Wiederversöhnung einzusetzen. Dank der Tatkraft seiner Bevölkerung, die sich aus Städtern, Landwirten und Viehzüchtern zusammensetzt, gehört der Tschad zu jenen Ländern, die sich üire Möglichkeiten, wieder aufzustehen und weiterzugehen, unverändert erhalten. <228> <229> <230> <228> Mdem ich zu euch komme, antworte ich auf die Emladung, die Sie selbst, Herr Präsident, an mich gerichtet haben, und diejenige memer Brüder im Bischofsamt. Ich begrüße herzlich Msgr. Charles Vandame, Erzbischof von N’Djamena, und die Bischöfe und geistlichen Persönlichkeiten, die ihn begleiten. 326 REISEN Mein Besuch in diesem Land hat pastoralen Charakter. Als Bischof von Rom habe ich die Sendung erhalten, über die Einheit der weltweiten katholischen Kirche zu wachen. Aus diesem Grund freut es mich, der Kirche-des Tschad zu begegnen, um hier mein Amt als Nachfolger Petri im direkten Kontakt mit den Getauften auszuüben. Ich möchte meine Brüder in dem von den Aposteln empfangenen Glauben stärken, so daß durch ihr Zeugnis das Licht Christi immer stärker unter den Menschen dieses Landes leuchte. Die Verkündigung des Evangeliums im Tschad ist von Missionaren, die aus Europa kamen, eingeleitet worden. Noch sind diejenigen zahlreich, die ihr Werk des Zeugnisses und des Dienstes im Namen Jesu Christi auf dieser Erde fortsetzen. Sie haben eine katholische Gemeinschaft gegründet, die bereits ihre Lebendigkeit und ihre Hochherzigkeit erwiesen hat, denn einige Söhne und einige Töchter des Tschad haben auf den Ruf des Herrn zum Ordensleben und zum Priestertum geantwortet. Der Erfolg der Berufungen und das Verlangen bei vielen Gläubigen nach einer solideren christlichen Bildung sind Zeichen der Vitalität des Christentums in dieser Region Afrikas. 3. Am Beginn dieser Pastoraireise gehe ich auch meinen christlichen Brüdern und Schwestern, die anderen kirchlichen Gemeinschaften angehören, entgegen und den Vertretern der traditionellen afrikanischen Religion und den Gläubigen des Islam, der im Tschad eine so große Zahl Glaubender und Praktizierender zählt. Schon jetzt grüße ich sie und versichere ihnen, daß ich als Mann des Dialogs und Bote des Friedens komme. Ich weiß, daß dieser Dialog im Tschad bereits existiert und den verschiedenen Gemeinschaften gestattet, friedlich miteinander zu leben. Des Gebots des Friedens für die ganze Nation bewußt, wünschen die Tschader ihre Einheit zu bewahren und zu festigen. Das bedeutet, daß sie bereit sind, sich gegenseitig mit ihren Meinungen, ihrer Persönlichkeit, ihren Gütern und ihrem Glaubensbekenntnis zu akzeptieren. Mögen die religiösen Überzeugungen eines jeden dem Weg aller hin zu einer immer größeren Einheit und Brüderlichkeit, dem Dienst am Gemeinwohl einen tiefen Impuls zu geben! 4. Die katholische Kirche ihrerseits wünscht sich, weiterhin ihren Beitrag zum Wohl der Nation zu leisten: Sie ist überzeugt, daß authentischer Dienst am Menschen eine Weise ist, das Evangelium zu leben. Ich weiß, daß eines der Merkmale der Katholiken des Tschad ihr Einsatz für die Entwicklung des Landes ist. Angesichts des Ausmaßes der zu lösenden Probleme hat die Kirche in jeder Diözese einen von Ihrer Regierung anerkannten Organismus geschaffen, der in den Werken der Hilfe und Entwicklung spezialisiert ist, die eine immer größere Kompetenz, Kontinuität und Zusammenarbeit erfordern. Dank diesen Organismen kann die Kirche also dort präsent sein, wo sie gerufen wird. Was die Beziehungen angeht, die die katholische Kirche mit den zivilen Autoritäten unterhält, sei mir gestattet zu sagen, wie sehr ich es anerkenne, daß die Republik Tschad in der kürzlich angenommenen Verfassung die Meinungs-, Ausdrucks-, Gewissens- und Kultfreiheit garantiert. Ich hoffe, daß die muslimischen und christlichen-Gemeinschaften in diesem Klima der Freiheit einen immer konstruktiveren Geist des Zusammenlebens entwickeln. <231> <231> Herr Präsident, mein Wunsch ist, daß mein Pastoralbesuch Ihrem Land von Nutzen ist, das ich entschieden der Zukunft gewandt und entschlossen weiß, seinen Weg zu einem besseren 327 REISEN Los abzustecken, die Entscheidungen der anderen Völker respektierend, und das mit ihnen die Werte und die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Gleichheit, der Freiheit und des Friedens teilt. Ich danke Ihnen sehr für die Initiativen, die Sie ergriffen haben, um meinen Besuch zu erleichtern, und indem ich Ihnen erneut meinen Dank für Ihre Grußadresse zum Ausdruck bringe, bitte ich den Allerhöchsten, er möge alle segnen, die mit ihrer Verantwortung im Dienst der Nation stehen, und weiter allen Tschadern die Fülle seiner Gnade gewähren. Vertraut auf das Leben, vertraut einander Ansprache bei der Marienfeier in N’Djamena (Tschad) am 30. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Laßt mich euch sagen, wie sehr ich mich freue, bei euch zu sein und euch persönlich meine Liebe zu euch ausdrücken zu können. Besonders glücklich bin ich darüber, daß mein erster Kontakt mit der Kirche im Tschad unter dem Schutz Unserer Lieben Frau vom Frieden steht. Von ganzem Herzen vertraue ich diese Begegnung und alle folgenden Maria an, damit sie uns als aufmerksame Mutter helfe, nach dem Besten für das geistliche Wohl ihrer Kinder im Tschad zu streben, die wir gerne am Ende dieser Feier zu ihren Ehren gemeinsam unter ihren mütterlichen Schutz stellen werden. 2. Euer Land hat ein gerüttelt Maß an Leid erfahren: Leid wegen der Dürre und der Hungersnot; Leiden wegen der schmerzlichen Kriegsjahre; Leid wegen der Flugzeugkatastrophe, die vor kurzem eure Familien mit Trauer erfüllt und der Diözesangemeinde von Moundou ihren Hirten, Msgr. Balet, genommen hat. Deshalb habe ich mit Ergriffenheit bei der Ankunft meine Lippen auf eure Erde gedrückt, und mit innerer Bewegung sehe ich jetzt diese Stadt N’Djamena aus Trümmern wieder auferstehen und erblicke heute abend eure Kathedrale mit Jugend gefüllt und mit Licht geschmückt. Gelobt sei Gott für die Freude, die er uns mit diesem Beisammensein hier schenkt! 3. Nach der schweren Prüfung hat euer Land entschlossen den Weg der Erneuerung eingeschlagen. Großmütig und mit viel Dynamik haben sich die Tschader auf den Weg zur Einheit und zum Frieden gemacht. Möge sich doch dieser Friede festigen und allen das Glück in einem beharrlichen Streben nach Vergebung und Versöhnung bringen! Ich wünsche euch, daß ihr eine lebendige Hoffnung in euren Herzen bewahrt, denn der Herr liebt euch und ist bei euch. Wie der hl. Paulus, so sage auch ich euch: „Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott! Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren“ (Phil 4,6-7). <232> <233> <232> Vertraut auf das Leben und vertraut einander, um zusammen mit allen Menschen guten Willens ein schöneres Tschad, ein versöhntes Tschad, ein in Frieden geeintes Tschad wie- 328 REISEN deraufzubauen. Söhne und Töchter des Tschad, arbeitet zusammen in Geduld, die eine der großen tschadischen Tugenden ist, um aus diesem Land ein Land zu machen, in dem zu leben man glücklich ist. Und vor allem: Bewahrt die Hoffnung wie Maria, die als erste geglaubt hat, die gegen alle Hoffnung gehofft hat und die uns auf unserer Pilgerschaft vorangeht und uns mitreißt und uns immer wieder an ihrem Sohn orientiert. 5. Als Getaufte habt ihr unter euren Brüdern und Schwestern in Tschad eine besondere Aufgabe zu erfüllen. Ihr seid aufgerufen, Zeichen der Liebe Christi zu sein. Dem Beispiel Unserer Lieben Frau entsprechend, die eine bescheidene Magd bleiben wollte, muß diese Liebe sich in Dienst umsetzen. 6. Eure Kirche ist noch jung, denn die ersten katholischen Missionare kamen erst vor nur sechzig Jahren nach Tschad. Und schon gehört ein Sohn des Landes zur Bischofskonferenz. Fünf Diözesen konnten errichtet werden. Die Zahl der Berufungen zum Priestertum wächst. Das Ordensleben beginnt sich zu entfalten. Kurz: Tschad ist ein guter Boden, und es ist der Mühe wert, hier großzügig zu säen. Das haben die aus anderen Ländern gekommenen Priester, Ordensleute und Laien getan und tun es noch. Im Namen der katholischen Tschader danke ich ihnen für ihr hingebungsvolles Apostolat und für ihren Eifer, mit dem sie Reisen von Hunderten von Kilometern auf Pisten unternommen haben, um Katechisten auszubilden, Notkrankenhäuser ins Leben zu rufen, Sprachen zu lehren, Werkstätten zu eröffnen und eine echte Beziehung mit den tschadischen Bevölkerungen anzuknüpfen, die sehr sensibel für die Beweise uneigennütziger Hingabe sind. Fahrt fort, auf der guten tschadischen Erde zu säen! Fahrt auch fort, die Christen auf die wichtige Frage der Berufungen zu Priestertum und Ordensleben aufmerksam zu machen, denn man muß an die Ablösung des Seelsorgepersonals denken. Helft den Gemeinden, die Rolle zu erkennen, die sie für das Aufblühen hochherziger bodenständiger Berufungen wie auch für den materiellen Unterhalt der Männer und Frauen spielen müssen, die auf den Ruf Gottes antworten. <234> <234> Eure Kirche ist sehr schnell groß geworden. Es könnte sein, daß die Botschaft des Evangeliums noch nicht die Zeit hatte, um von der Gesamtheit der Getauften in genügender Weise geistig verarbeitet zu werden. Daher muß die Verkündigung der Frohen Botschaft fortgesetzt werden. Laßt mich euch einladen, euer Herz weit der christlichen Botschaft zu öffnen und entsprechend dem Beispiel Unserer Lieben Frau, die die Ereignisse des Lebens Christi im Gedächtnis behielt und im Herzen darüber nachdachte (vgl. Lk 2,19). Ihr habt gehört, daß ich voriges Jahr am Fest der Erscheinung des Herrn die Einberufung einer Sondersitzung der Bischofssynode für Afrika angekündigt habe. Ich ermutige euch, an der Vorbereitung dieses großen Ereignisses mitzuwirken, das der Verkündigung des Evangeliums auf eurem Kontinent an der Schwelle des dritten Jahrtausends neue Kraft geben wird. Liebe Söhne und Töchter, helft einander, Lebensweisen zu entdecken, die hier schon vorhandene Werte noch besser integrieren: so z. B. das gegenseitige Annehmen und Aufnehmen, das Verzeihen, die gegenseitige Hilfe und die Solidarität. Möge das Licht des Evangeliums alle menschlichen Tätigkeiten durchdringen: die Politik, die Wirtschaft, das Familienleben, das Gesundheitswesen, die Kultur, die Wissenschaft und die zwischenmenschlichen Beziehungen! 329 REISEN • 8. Ich freue mich, daß sich viele von euch, den Aufforderungen eurer Bischöfe entsprechend, persönlich und mit ihrem Fachwissen in den Dienst der Realitäten des Landes gestellt haben: in Kindergärten, Grundschulen, Realschulen und Gymnasien, Bibliotheken, Berufsausbildungszentren sowie Behinderten- oder Blindenzentren. Eure Beteiligung am gemeinschaftlichen Bemühen um Entwicklung, eure Präsenz in den Vereinigungen für den Dienst an allen in den Kliniken, den kleinen Notkrankenhäusem, den Vereinigungen der Bauern, die das Leben ihrer Dörfer verbessern wollen — all das baut Zukunft auf und gibt denen Hoffnung zurück, die von der Mutlosigkeit angefochten werden. Indem ihr so handelt, seid ihr Zeichen der Liebe Christi. Macht weiter auf diesem Weg. Ich ermutige euch dazu im Namen des Herrn, der nicht gekommen ist, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen. 9. Gerade durch den unersetzbaren Dienst der Laienchristen kann die Kirche ihren Beitrag zur Entwicklung der Nation leisten. Die Gesellschaft des Tschad von morgen wird genau die sein, die die Tschader heute aus ihr machen wollen. Jedes Land ist geprägt von dem Bild der Überzeugungen derer, die es aufgebaut haben. Deswegen ist es wichtig, daß die Kirche an den Baustellen der Welt präsent ist, und es liegt an den Laien, die Kirche zu einem belebenden Prinzip der menschlichen Gesellschaft zu machen. Ebenso ist der christliche Laie dazu aufgerufen, selbst Gegenwart der Kirche in der Welt, in der Familie, im Arbeitsmilieu: und in den gesellschaftlichen Verantwortlichkeiten zu werden. Und was ihn beim Aufbau einer Nation antreibt, ist das neue Gebot, so zu lieben wie Christus selbst uns geliebt hat (vgl. Joh 13,34). Die Liebe zum ganzen Menschen, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist, macht cs möglich, die Hindernisse auf dem Weg zur Entwicklung zu überwinden und die Herzen über die Familie oder den Clan hinaus weit zu machen für die Dimension der Nation. Um sich auf diesem Weg der Nächstenliebe zu begeben, braucht jeder eine persönliche innere Umkehr und eine geistliche Erneuerung, die im Gebet verwurzelt ist. Das Gebet befruchtet die Aktion für die Entwicklung, denn es macht aus den Christen „ein Licht durch den Herrn“ und hilft Ihnen, sich als „Kinder des Lichtes“ (vgl. Eph 5,8) zu verhalten. Nährt euch in gleicher Weise aus- dem Wort Gottes. Es wird euch weise machen und euch die Kunst vermitteln, mitten unter den Menschen christlich zu leben. Bemüht euch, Zeugen der Liebe • Christi zu sein, indem ihr sein Wort des Lebens in die Praxis umsetzt. Immer wenn Ihr eurem Nächsten helft, wer es auch sei, verkündet ihr die Frohe Botschaft Christi, die die weltweite Brüderlichkeit möglich macht. Wenn ihr einen Kranken besucht, seid ihr ein Zeichen des Mitleids Christi mit denen, die leiden. Wenn ihr verzeiht - sogar eurem schlimmsten Feind - seid ihr ein Zeichen des Verzeihens Christi, der niemals Haß im Herzen hatte. Wenn ihr euch weigert, jemanden ohne Beweise anzuklagen, verkündet ihr das Kommen des Reiches Gottes und seiner Gerechtigkeit, die niemanden ausschließt. Wenn ihr, christliche Eheleute, in der Ehe treu bleibt, seid ihr eine Ermutigung für alle und ein Zeichen des ewigen Liebesbundes zwischen Gott und den Menschen. Wenn ihr, junge Männer und junge Frauen, euch für den- oder diejenige bewahrt, der oder die euer Ehepartner sein wird, legt ihr Zeugnis für den einzigartigen Wert einer Liebe ab, die aufzubauen ist. 330 REISEN Wenn ihr Christus ausstrahlt, weckt ihr den Wunsch nach vollkommener Hingabe in seinem Dienst und ruft neue Berufungen zu Priestertum und Ordensleben-wach. Wenn ihr, die ihr im Licht seid, das Schlechte schlecht nennt und euch weigert, es zu tun, seid ihr Zeugen Christi, der das Licht ist. 10. Möge Unsere Liebe Frau vom Frieden euch helfen, Männer und Frauen des Lichtes für eure Brüder und Schwestern und Urheber des Friedens und der Versöhnung zu sein, die es verstehen, Bauleute einer gerechteren und brüderlicheren Welt zum Wohle aller Bewohner des Tschad zu sein. Wir wollen sie jetzt gemeinsam ihr anvertrauen! Ein jeder muß Friedensstifter sein Ansprache bei der Begegnung mit den Priestern, Ordensleuten und Seminaristen in N’Djamena (Tschad) am 31. Januar „Jetzt nenne ich euch Freunde“ (vgl. loh 15,15). Liebe Brüder und Schwestern! 1. Hat Christus nicht auch an euch gedacht, als er diese Worte vor Beginn seines Leidens sprach? Tatsächlich hat Christus euch auserwählt, um euch innerlich als Freunde mit seinem Leben als Priester im Dienst des Volkes Gottes zu verbinden, ferner mit seinem Leben als Gesalbter des Herrn, als Gottgeweihter, auf die Nachahmung des Vaters verpflichtet gemäß seiner Aufforderung in der Bergpredigt: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ (Mt 5,48). Liebe Freunde Christi, ich grüße euch herzlich und ich spreche meine volle Freude darüber aus, daß ich heute abend bei euch sein darf. Der Austausch mit meinen Brüdern im Priestertum und mit jenen, die sich für den Weg der Vollkommenheit im Sinn des Evangeliums entschieden haben, bildet auf meinen Reisen immer einen besonderen Höhepunkt. <235> <235> Ich grüße aus ganzem Herzen vor allem die Priester sowie die männlichen und weiblichen Ordensleute, die aus anderen Ländern gekommen sind , und sich weiter dem Werk der Evangelisierung in diesem Land widmen. Liebe Brüder und Schwestern Missionare, ich danke euch für die Arbeit, die ihr geleistet habt und weiterführt; ich danke für euer Zeugnis von der Liebe im Sinne des großen Gebotes des Herrn: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,12-13). Eure Präsenz im Tschad beweist den missionarischen Eifer der christlichen Gemeinschaften, aus denen ihr stammt. Sie unterstreicht auch den Sinn für Solidarität, der alle Getauften auf ihrem Weg zu Gott erfüllen muß. Sie zeigt endlich den unermeßlichen Wert, den ihr dem Geschenk des Glaubens, der Kenntnis Christi und dem Aufbau der Kirche beimeßt, wie ihn der Herr gewollt hat, als er sprach: „Geht hinaus in die ganze Welt, und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15). 331 REISEN Laßt weiter an eurer Erfahrung als Pioniere jene wachsen, die die Zukunft der Kirche im Tschad in ihre Hand nehmen müssen, und helft ihnen, die Flamme des Glaubens weiterzutragen. 3. Liebe Priester, unter den Tätigkeiten eures priesterlichen Dienstes gibt es einen, der seit mehr als einem Jahr eure besondere Aufmerksamkeit gefunden hat, ich denke an den Dienst der Versöhnung, dem eure Bischöfe einen wichtigen Hirtenbrief gewidmet haben. Ihr habt euch darum bemüht, den Christen ihre Pflicht nahezubringen, sich durch Gott versöhnen zu lassen, sich mit ihren Brüdern zu versöhnen und an der Versöhnung der Menschen untereinander mitzuwirken. Es handelt sich hier um einen sehr wertvollen und sehr aktuellen Dienst für euch im Tschad. In Gottes Gedanken besteht die Kirche aus "versöhnten Menschen, die im Blut Christi reingewaschen sind und den Geist des Friedens empfangen haben. Dieses Volk ist aber nicht um seiner selbst willen da, sondern um die Menschen zu versammeln und zu versöhnen. Wenn er um die Taufe bittet, verpflichtet sich der Christ zur Erfüllung der Sendung, die jedes Glied der Kirche empfängt, nämlich ein Friedensstifter zu sein. 4. Den inneren Frieden und die Ausstrahlung der Liebe Gottes sucht auch ihr, liebe Brüder und Schwestern, die ihr Instituten des gottgeweihten Lebens angehört. Ich begrüße euch hier von ganzem Herzen, weil ihr euch zur Nachfolge Christi und zu seiner Nachahmung in allem entschlossen habt. Ihr seid in das Ordensleben, in diese Schule der Heiligkeit eingetreten, und habt die anspruchsvollen Wege der Keuschheit, der .Armut'and des Gehorsams gewählt, denn diese lagen in euren Augen auf der geraden Linie des Evangeliums. Innerhalb der Sendung der Kirche spielt ihr eine unersetzliche Rolle. Denn euer Leben macht inmitten des Volkes der Getauften darauf aufmerksam, daß die Berufung des Christen in der Nachfolge Christi, im Eintritt in seine Schule, zumal in den Dienst des Nächsten besteht. Durch eure Entscheidung und die vielfachen Entsagungen, die damit verbunden sind, bezeugt euer Leben den Aufruf zu einem Leben nach den Seligpreisungen, der an jeden Menschen gerichtet ist. Eins der beredtesten Zeichen für die Lebenskraft einer diözesanen Gemeinschaft ist ein hochstehendes Ordensleben in ihrem.Schoß. Ergreift daher auch die Mittel zur Vertiefung eures geistlichen Lebens: das Hören und Betrachten des Wortes Gottes, das persönliche und gemeinschaftliche Gebet und die Teilnahme an der Eucharistiefeier. 5. Endlich wende ich mich besonders an euch, liebe Priester aus dem Tschad selber sowie an die lieben Seminaristen des Großen Seminars Sankt Lukas, die ihr das Antlitz der Kirche des Jahres 2000 prägen werdet. Bei der Gelegenheit des 100. Jahrestages der Gründung des Werkes vom hl. Apostel Petrus hat man sich im Tschad die Frage gestellt: „Priester des Tschad, welche ist deine Identität?“. Laßt mich mit euch die Überlegung weiterführen, die ihr begonnen habt. 6. Wie jeder Priester, so muß der Priester des Tschad vor allem als Mann des Glaubens dastehen, denn er ist gesandt, diesen Glauben durch die Verkündigung des Wortes mitzuteilen. Er kann nicht überzeugend das Evangelium predigen, wenn er sich dessen Botschaft nicht tief 332 REISEN innerlich zu eigen gemacht hat. Er bezeugt den Glauben durch sein Wirken und sein ganzes Leben. Bei seinen pastoralen Kontakten bemüht er sich, seine Mitmenschen im Glauben zu stützen, auf ihre Fragen zu antworten und sie in ihren Überzeugungen zu stärken. Jeder Priester muß auf seine Aufgabe als Erzieher zum Glauben für die Gemeinschaft der Christen vorbereitet werden . Daher muß die geoffenbarte Lehre in den Seminaren in einer Weise gelehrt werden, daß die jungen Menschen das Objekt ihres Glaubens verstehen und auf den Ruf des Herrn mit einem freien inneren Ja zur Botschaft des Evangeliums antworten, die sie sich im Gebet zu eigen gemacht haben. 7. Als Mann des Glaubens ist der Priester zugleich ein Mann des Heiligen, der Zeuge für das Unsichtbare und der Sprecher Gottes, der sich in Jesus Christus geoffenbart hat. Das Volk des Tschad ist spontan religiös und aufgeschlossen für die religiöse Dimension sämtlicher Wirklichkeiten. Ob er Christ oder Mohammedaner ist oder auch den religiösen Überlieferungen der Ahnen folgt, der Bürger des Tschad achtet und schätzt jeden Mann Gottes. Der Priester muß daher als Mann Gottes zu erkennen sein, als Mann des Gebetes, den man auch beten sieht und beten hört. Wenn er die Eucharistie feiert, Beichten hört,, die Kranken salbt oder bei einer Beerdigung den Vorsitz führt, er sollte die verschiedenen Segensgebete oder die Gebetsgottesdienste würdig vollziehen und sich dafür die entsprechende Zeit nehmen, auch die geziemende Kleidung tragen. 8. Der Priester sieht sich daher veranlaßt, ein hochstehendes geistliches Leben zu führen, das sich vom Geschenk seines Dienstpriestertums inspirieren läßt. Sein Gebet, sein Austausch und sein lebensmäßiges Bemühen sind von seiner apostolischen Tätigkeit inspiriert, und diese nährt sich umgekehrt von seinem ganzen Leben mit Gott. Man hat bemerkt, daß intensivem pastoralem Bemühen oft eine Zeit intensiven geistlichen Lebens entspricht. Das II. Vatikanische Konzil aber hat uns im übrigen daran erinnert, daß „die Liebe zu Gott und den Menschen ... die Seele des ganzen Apostolates“ ist (Lumen Gentium, Nr. 33); <236> <236> Der Priester ist ein Mann des Glaubens, ein Mann des Heiligen, und auch ein Mann der Gemeinschaft. Er versammelt das Volk Gottes und vertieft die Einheit seiner Mitglieder durch die Eucharistie; er wird zum Animator der brüderlichen Liebe untereinander. Bei der Arbeit, die ihn im Weinberg des Herrn erwartet, darf der Priester keine abenteuerlichen Alleingänge machen. Er arbeitet gemeinsam mit seinen Brüdern im Priestertum. Er arbeitet mit seinem Bischof zusammen. Er bemüht sich um die Schaffung brüderlicher Bande mit allen Mitgliedern der Priesterschaft; im Priesterteam zumaLregt geistliche Freundschaft den Dienst an. Der Priester aber versammelt und eint die Mitglieder des Volkes Gottes, die seiner pastoralen Sorge anvertraut sind. Erinnert euch an den Wahlspruch des verstorbenen Msgr. Balet, Bischof von Moundou: „Ich bin; unter euch wie einer, der dient“. Auf einer solchen Grundlage tiefreichender und reicher Beziehungen gewinnt auch der. Zölibat neuen Sinn: er ist nicht mehr nur eine Vorbedingung für das Priestertum, sondern Weg zu wahrer Fruchtbarkeit und echter geistlicher Vaterschaft, da der Priester ja sein Leben hinschenkt, damit im Volk Gottes die Früchte des Geistes reifem. 333 REISEN 10. Die Kirche im Tschad wächst. Sie muß ihre Wurzeln noch tiefer in die Kultur des Landes einsenken. Diese Aufgabe wartet auf euch, und eure Vorgänger haben sie bereits begonnen. Wenn ihr mit guter Unterscheidungsgabe das religiöse Erbe eurer Vorfahren achtet, so müßt ihr doch Christus heute bekannt machen und aufzeigen, wie er die aktuellen Bestrebungen eures Volkes in sich verbindet. Es liegt an euch als Söhne dieses Landes, die Entwurzelung des Evangeliums weiterzuführen. Das erfordert bei euch einen recht sicheren Sinn für die Kirche und ihre Katholizität, wie sie sich im Verlauf der Zeit und unter allen Völkern entfaltet. Dieses Thema der Inkulturation wird zu den Themen der besonderen Bischofssynode für Afrika gehören. Ich empfehle diese wichtige Zusammenkunft eurem Gebet und lade euch zugleich ein, an der Vorbereitung dieses großen Ereignisses aktiv Anteil zu nehmen und eure Erfahrungen, Gedanken und Hoffnungen dort zur Geltung zu. bringen. Ihr tragt damit zur Erneuerung der Sendung der Kirche für die Evangelisierung Afrikas an der Schwelle des dritten Jahrtausends bei. 11. Möge Unsere Liebe Frau, der ich zu meiner Freude am Ehde der marianischen Feier in N’Djam6na den Tschad anvertrauen durfte, euch helfen, Priester^; männliche und weibliche Ordensleute nach dem Herzen Christi zu werden, zur Ehre Gottes und zum Heilder Welt! Aus ganzem Herzen segne ich euch, liebe Brüder und Schwestern, und ich ermuntere euch, für euer Land Boten der Hoffnung zu sein. Die Kirche ist eine über die ganze Erde verstreute Familie Predigt bei der Messe in Moundou (Tschad) am 31. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Laßt mich euch meine Freude:ausdrücken, die ich dabei empfinde, heute in Moundou, der Wiege der katholischen Kirche im Tschad, zu sein, um mit euch die Eucharistie zu feiern. Ich danke Bischof Charles Vandame, dem apostolischen Administrator der Diözese, herzlich für die Begrüßungsworte, die er liebenswürdigerweise zu Anfang dieser Messe an mich gerichtet hat. Ich danke Msgr. Jean-Claude Bouchard, dem Bischof der Nachbardiözese Pala, und Msgr. Michel Russo, dem Bischof der neuen Diözese Doba, sowie ihren zahlreichen Diözesanen von Herzen dafür, daß sie gekommen sind, um an dieser Feier teilzunehmen. Voller Achtung grüße ich die bürgerlichen Autoritäten, die uns mit ihrer Anwesenheit die Ehre geben. Schließlich richtet sich mein herzlicher Gruß an euch alle, ihr Söhne und Töchter der katholischen Kirche, die ihr hier versammelt seid, und durch euch grüße ich herzlich das ganze Gottesvolk dieses großen Landes. Da wir gemeinsam über das Wort nachdenken, das uns verkündet wurde, möchte ich zunächst des lieben Msgr. Gabriel Balet, eurem ehrwürdigen Hirten, einem Mann des Gebets 334 REISEN und der Gemeinschaft, gedenken, der eines der Opfer der Flugzeugkatastrophe vom 19. September letzten Jahres gewesen ist. Den trauernden Familien und der Diözesangemeinschaft drücke ich erneut von Herzen mein tiefes Mitgefühl aus. Ihr werdet dem Beispiel eures verstorbenen Hirten treu ein, wenn ihr, Priester und Laien, nicht aufhört, die Kirche in Moundou aus einem Herzen und einer Seele in Einheit mit dem Bischof aufzubauen, den ich meinem Auftrag gemäß euch geben werde. Die erste Lesung dieser Messe hat uns den Apostel Petras vorgestellt, der zu einem Hauptmann der römischen Kohorte mit Namen Kornelius geht, um ihm von Jesus Christus zu sprechen. Petras, der vom heiligen Geist geleitet wird, ergreift das Wort und berichtet, „was im ganzen Land der Juden geschehen ist, angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat“ (Apg 10,37). Petrus besucht Kornelius, der Heide ist und daher nicht dem Hause Israel angehört. Und Petrus sagt: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, daß Gott nicht auf die Person sieht, sondern daß ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist“ (Apg 10,34-35). Kornelius, der römische Hauptmann, ist einer jener Ehrfürchtigen und Gerechten. Gott hat ihm die Gnade des Glaubens gegeben, und der Apostel Petrus, der Zeuge des Wirkens des Heiligen Geistes, spendet ihm die Taufe. 2. „Pierre e di da tugu Corneille jodi alo go ba kunno kei“ („Petrus geht zu Kornelius, um ihm die Frohbotschaft Gottes zu verkünden“). Heute kommt der Nachfolger Petri, der Bischof von Rom, zu euch: zu euch, die ihr im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit getauft seid und auch zu euch, die ihr euch darauf vorbereitet, die Taufe zu empfangen. Wie der Apostel Petrus, so kommt sein Nachfolger auf dem römischen Stuhl zu euch, um die Frohbotschaft des Friedens durch Jesus Christus zu verkünden. Dieser Jesus „ist der Herr aller“ (Apg 10,36). Auch ihr kennt Jesus von Nazaret, so wie jene ihn kennengelemt haben, die Petrus hörten, als er zu Kornelius sprach: „Gott hat ihn mit dem Heiligen Geist und mit Kraft gesalbt“ (Apg 10,38). Er hat in seinem Leben nur Gutes getan. Voller Güte und Barmherzigkeit heilte er die an verschiedenen Übeln litten und „die in der Gewalt des Teufels waren“ (Apg 10,38). Nachdem er seine Jünger drei Jahre lang unterwiesen hatte, wurde er verraten und verurteilt; er gab sein Leben am Kreuze hin zum Heil der Welt. Er ist am dritten Tag auferstanden. Nachdem der Erlöser sein Werk erfüllt hatte, ist er zu Gott, dem Vater, zurückgekehrt und hat uns seinen Geist hinterlassen, damit wir sein Werk weiterführen und den Menschen aller Zeiten bis in die entferntesten Gebiete dieser Erde das Evangelium verkünden. Diejenigen, die an Jesus Christus glauben und in seiner Kirche versammelt sind, möchten der Welt das Licht seiner Botschaft bringen. Die Jünger Christi aus dem Tschad, die die Teilkirchen von N’Djamena, von Moundou, von Pala, von Sarh und von Doba bilden, haben ihrerseits die Aufgabe, Zeugnis abzulegen für Jesus Christus, den auferstandenen Herrn, von dem sie möchten, daß er auch in ihrer Umgebung zum Wohl derjenigen, die auf dieser Erde des Tschad leben und zum Wohl der ganzen Menschenfamilie, bekannt und geliebt wird. <237> <238> <239> <237> Da ihr Jesus von Nazaret kennengelemt habt, habt ihr an ihn geglaubt, wie auch diejenigen geglaubt haben, die Jesus in Jerusalem am Pfingsttag gehört haben, und wie auch die Mit- glieder der Familie des Römers Kornelius geglaubt haben. 335 REISEN Ihr habt geglaubt, weil der Heilige Geist auf euch herabgekommen ist (vgl. Apg 10,44), als ihr die Lehre der Missionare über Jesus Christus gehört habt Der Heilige Geist hat eure Herzen und euer Bewußtsein geöffnet. Er hat zu jedem gesprochen und das Leben der Gnade angeboten. Ihr habt Christus gehört, den Gott „als Richter der Lebenden und der Toten eingesetzt hat“ (Apg 10,42). Durch die Annahme Christi habt ihr die Vergebung der Sünden empfangen. Von diesem Augenblick an errichtet ihr auf Ihm ein neues Leben. Und möget ihr dieses Leben auf dem „Fels“ bauen. Jesus hat zu euch gesprochen wie einer, „der [göttliche] Vollmacht hat“ (Mt 7,29), wie einer, „der Worte des ewigen Lebens hat“ (Joh 6,68). Baut euer Leben auf ihm. Baut es im Hinblick auf das ewige Leben. 4. Ihr seid durch die Taufe in die Kirche eingetreten, die die große Familie des über die ganze Erde verstreuten Gottesvolkes ist. Auch ihr, die ihr im Tschad lebt, sollt wissen, daß ihr nicht isoliert, sondern die lebendigen Bausteine eines unermeßlichen geistigen Gebäudes seid. Bande knüpfen euch an all jene, die das Wort Gottes in allen anderen Ländern Europas, Amerikas, Asiens und Australiens sowie auf allen Kontinenten und Inseln inmitten der Ozeane hören. Der Bischof von Rom, der heute als Nachfolger Petri bei euch ist, bezeugt diese universale Einheit der Kirche auf der ganzen Erde. Er ermutigt euch, selbst das Zeugnis für die Einheit abzulegen und die sich einander ergänzenden Kräfte des Priestertums und der Gläubigen zu sammeln. Auf diese Weise tragt ihr mit Hochherzigkeit und Dynamik zur Ankunft des Gottesreiches auf der Erde des Tschad bei. 5. Die Hauptsorge der ersten Missionare, die in den Tschad kamen, war, Mitarbeiter im Evangelisierungswerk zu finden. Sie haben Katechisten ausgebildet, um die Frohbotschaft Jesu Christi in euren traditionellen Sprachen zu vermitteln. Männer und Frauen haben das Wort Gottes aus dem Mund jener Katechisten empfangen, die ergebene und wirksame Animatoren der christlichen Gemeinschaft sind. Sie arbeiten dafür, daß ihr selbst und die Welt, die euch umgibt, durch die Liebe Gottes und des Nächsten erneuert werden. Viele von euch haben ihre Verbundenheit mit Jesus Christus und ihre Treue zum Dienst an der Gemeinschaft mit ihrem Leben bezahlt. <240> <240> Am Tag nach der Synode über die Laien im Jahre 1987 hatte euer vestorbener Bischof Msgr. Gabriel Balet seine Hoffnung geäußert, daß die anläßlich jener Sitzungen unternommenen Arbeiten den Bewohnern des Tschad helfen mögen, „als Leib Christi zu wachsen, wobei jedes lebendige Glied des ganzen Leibes und im Dienst am ganzen Leib wächst, sowie jede Gruppe oder Gemeinschaft, die am gemeinsamen Wohl der Khche Jesu Christi im Tschad teilhat, gedeiht.“ Christliche Laien, ich ermuntere euch, den Bau eurer Khche zu erweitern und weiterzuführen. Ihr seid die Hoffnung des Tschad. Möge euer Gebet, eure häufige Zuflucht zum Sakrament der Versöhnung, eure aktive Teilnahme an der Eucharistie, eure herzliche Zusammenarbeit mit den Priestern, euch bei der Verwirklichung eurer Sendung als Getaufte helfen! 336 REISEN Euer persönliches Apostolat ist insofern notwendig, als das Evangelium von Mensch zu Mensch weitergegeben wird und so alle Orte und alle Gesellschaftsschichten erreicht. Eine neue Gelegenheit, an der evangelisierenden Mission der Kirche teilzunehmen, bietet euch von jetzt an die Aussicht auf die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika. Katholiken von Moundou, ich ermuntere euch von ganzem Herzen unter der Leitung eurer Hirten zur Vorbereitung dieses großen Ereignisses, euren Beitrag zu leisten. 7. Voller Freude nehme ich die Bemühungen zur Kenntnis, die im Tschad schon seit langem im Sinne des zweiten Vatikanischen Konzils zur lebendigeren Gestaltung der Liturgie unternommen werden. Ich denke hierbei an die Übersetzungen in die Sprache der Einheimischen, an die Katechese, die sich an der Heiligen Schrift nährt, an die Komposition von Kirchenliedern, die die Worte des Evangeliums verinnerlichen. Mögen eure eucharistischen Zusammenkünfte, in Ehrfurcht von der Größe Gottes und in der Würde, der Anbetung, sowie in Einklang mit den Regeln der kirchlichen Liturgie, brüderliche und warmherzige Feste vor dem Herrn bleiben! Schließlich solltet ihr den Augen der Welt die Gemeinschaft bezeugen, die zwischen den Mitgliedern der katholischen Kirche besteht. In den Dörfern und Wohnvierteln verkünden die Katechisten meist aus freier Initiative das Wort Gottes, bereiten die Katechumenen auf die Taufe vor und versammeln die Gemeinschaft zum Gebet. Gemeinsam mit ihnen wachen Männer und Frauen als Ratgeber über die Qualität des christlichen Lebens, regeln die Unterredung mit den Einheimischen und verwalten die Güter der Pfarrgemeinde. Sie sind die Zeugen einer traditionellen Weisheit, die die Begegnung mit dem Evangelium noch fruchtbarer gemacht hat. Während der Kriegsjahre sind der Glaube und die Gemeinschaft dank dieser Apostel an vielen unzugänglichen Orten bewahrt worden. Ihre Anwesenheit und ihre Tätigkeit sind in einem Land, das sich nach so vielen Prüfungen wieder aufrichtet, ein Zeichen der Hoffnung. Es gehen unter ihnen und in den christlichen Familien auch die Berufungen hervor, die der Tschad braucht: Berufungen zum Priestertum im Dienst der Pfarrgemeinden und der Bewegungen, die die Sorge einer Kirche tragen, welche sich ihrer Universalität bewußt und wohl in die Ortskultur eingegliedert ist; Berufungen zu Ordensschwestern, deren Leben dem Herrn und dem Apostolat geweiht ist, stellen ein unersetzliches Zeugnis dafür dar, daß die Welt Jesus Christus empfangen kann. 8. Das Evangelium, das wir heute gehört haben, stammt aus der Bergpredigt. Christus spricht hier von zwei verschiedenen Gebäuden: dem Haus, das auf Fels gebaut ist, und dem Haus, das auf Sand gebaut ist. Das erste widersteht Stürmen und Wolkenbrüchen. Es stürzt nicht ein. Das zweite widersteht nicht, es fehlt ihm das feste Fundament. Wenn wir diese Worte hören, denken wir alle an ein anderes Gebäude. Wir fragen uns, wie das eigene Leben gebaut ist. Christus sagt: „Wer diese meine Worte hört und danach handelt, ist wie ein kluger Mann, der sein Haus auf Fels baut“ (Mt 7,24). Liebe Brüder und Schwestern, ich wünsche euch, daß ihr auf Fels und nicht auf Sand baut. Hört die Worte Christi und setzt sie in die Tat um! Auf diese Weise baut ihr ein Haus, das dauerhaft ist. Christus hat die Worte des ewigen Lebens! 337 REISEN Eine Gesellschaft aufbauen, in der sich gut leben läßt Predigt beim Wortgottesdienst in Sarh (Tschad) am 31. Januar 1. Der Friede Christi sei mit euch! - Lapia yasi malang! Eure Gastfreundschaft - würdig des tschadischen Volkes - bewegt mich. Dank an Msgr. Henri Veniat für seine Willkommensworte, die er im Namen eures Bischofs Mathias N’Gar-teri vorgetragen hat, und für seine Präsentation der Kirche von Sarh. Herzlich grüße ich die Vertreter der staatlichen Behörden, die diese Zusammenkunft gefördert haben. Und ich richte auch einen freundlichen Gruß an die Vertreter anderer kirchlicher Gemeinschaften und anderer Religionen. Und euch allen, die ihr hier das Volk Gottes seid, bekundet der Nachfolger des Petrus seine Freude darüber, bei euch zu sein! Danke, daß ihr, oft nach tagelangem Wandern, aus über tausend Gemeinden von Getauften und Taufanwärtern hierher gekommen seid! Dank für euren lebendigen Glauben! Tschader, meine Freunde, seid glücklich über euren Glauben! Es sind jetzt gerade sechzig Jahre, daß euch das Wort Gottes als kostbares „Talent“ anvertraut worden ist. Und ihr habt es verstanden, etwas daraus zu machen. Mit euch zusammen danke ich Gott. 2. Junge Christen und ihr alle, die vielen Jugendlichen dieses Landes - die Kirche zählt auf euch, die Nation zählt auf euch. Ich bin gekommen, um euch zu sagen: Habt Mut, habt Vertrauen! Ihr ersehnt eine gerechtere und brüderlichere Gesellschaft, ihr könnt sie miteinander bauen. Seid Realisten, träumt nicht von einer Welt ohne Probleme! Packt ernsthaft eure Ausbildung an, in der Schule, auf den Feldern oder in der Werkstatt. Stützt euch auf eure Älteren und helft euch gegenseitig! Reicht den Schwächeren die Hand und respektiert jeden Menschen! Erhaltet die guten Eigenschaften eures Volkes, seine von alters her bekannte Geduld und seine Gewandtheit, seinen Sinn für Brüderlichkeit, für Dialog, für freundlichen Empfang. Junge Christen, es gibt Bewegungen, die euch Unterstützung anbieten, um in eurer geistigen und menschlichen Bildung voranzukommen. Tretet in die Gruppen ein, die euch helfen werden, geschult von der älteren Generation euren Platz in der Kirche einzunehmen. Übernehmt eure Rolle in den Dorf- und Wohnviertelgemeinschaften. Hört auf das Wort Jesu: Jedem von euch sind „Talente“ anvertraut, jeder kann nutzbringend damit arbeiten. <241> <242> <243> <241> Junge Studenten, von der Schule bis zur Universität erhaltet ihr das „Talent“ des Studiums und des Nachdenkens, um sachkundig zu werden. Ihr dürft den Nutzen daraus nicht für euch selber behalten. Rechenschaft wird von euch gefordert werden über die Früchte eurer intellektuellen und technischen Ausbildung nach dem Maß der Dienste, die ihr leistet. Achtet euer Volk und weist jede Versuchung zurück, eure Brüder auszubeuten. Im Gegenteil: Setzt euer ganzes Herz daran, ihre echten Werte zur Entfaltung zu bringen, und euer christlicher Glaube befruchte das Erbe eurer Vorfahren! Junge Bauern, liebt diese eure Erde. Euer Leben im Dorf ist hart, und die Arbeit auf den Feldern verlangt euch viele Mühen ab! Euer „Talent“ ist das Wissen, wie man die Erde 338 REISEN fruchtbar macht, damit sie die Ernährerin bleibt. Lernt die alten und die neuen Techniken, beteiligt euch am Aufbau von Produktionsbetrieben und widersteht der Versuchung, die Landwirtschaft aufzugeben und ein ungewisses Schicksal in der Stadt zu suchen. Junge Arbeiter, eure Zahl steigt allmählich in diesem Land. Auch von euch erwartet die Nation viel. Tut eure Arbeit gern, wie Jesus von Nazaret, wie Josef, der Zimmermann. Eure Geschicklichkeit und eure berufliche Gewissenhaftigkeit und auch euer Sinn für Solidarität werden euch die Befriedigung schenken, allen nützlich zu sein. 4. Liebe junge Menschen, die ihr daran denkt ein Heim zu gründen: Ihr müßt euch darauf vorbereiten. Eine Familie braucht als Grundlage echte Liebe, Selbsthingabe, Treue und - wenn es notwendig ist — das Opfer für die, die man liebt (vgl. Joh 15,13). Das würdige und ernsthafte Engagement in der Ehe schließt aus, daß man die Scheidung ins Auge faßt oder daß man einem bereits empfangenen Kind das Leben nimmt. Gott hat dem Mann und der Frau bei ihrer Erschaffung wunderbare „Talente“ mitgegeben: die Fähigkeit, einander ein ganzes Leben lang treu zu lieben, die Fähigkeit, Kindern das Leben zu schenken, die Verantwortung, sie zu erziehen. Nehmt mit Freude vom ersten Tag eures gemeinsamen Lebens an diese Geschenke an, die Gott durch das Ehesakrament übergibt. Euer Erfolg als Ehepaar und der Erfolg bei der Erziehung eurer Kinder werden ihre besten Früchte sein. 5. Liebe junge Menschen, unter euch sind Seminaristen, die sich auf das Priestertum vorbereiten, und auch junge Frauen, die sich für das Ordensleben entschieden haben. Sie schlagen diesen Weg ein, um auf den Ruf des Herrn zu antworten: Ihm weihen sie ihr Leben, und gleichzeitig weihen sie es dem Auftrag der Kirche in allen seinen Formen. Noch sind es wenige, aber ich habe Vertrauen. Andere werden hören, daß Christus zu ihnen sagt: „Komm, folge mir nach! Sei mein Zeuge, schenke deine ganze Liebe Gott und deinen Brüdern und Schwestern, du wirst im Dienst des Volkes Gottes sein. Du wirst auf die Ehe verzichten und auf Vater- oder Mutterschaft, aber du wirst die Freude haben, deinen Brüdern und Schwestern die Frohe Botschaft zu erschließen, sie in meinem Namen zu versammeln, ihnen meine Gnade zu vermitteln durch die Sakramente, die ich meiner Kirche anvertraut habe. Dadurch, daß du deine Familie verläßt, um ganz für den Priesterdienst oder das Ordensleben da zu sein, wirst du zum Zeichen meiner Gegenwart.“ Brüder und Schwestern, wenn eure Kirche lebt und wächst, verdankt ihr das den Priestern, den Ordensmännem und den Ordensfrauen, die von weit her gekommen sind. Ich grüße sie mit Dankbarkeit. Sie haben es möglich gemacht, daß in Zukunft Söhne des Tschad Priester ihrer Gemeinden sind und daß einer von diesen euer Bischof wurde. Loben wir den Herrn! Und bitten wir ihn, daß er dem Tschad mehr Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen schenke als Zeugen des Gebets und treibende Kräfte des Apostolats. Beten wir auch für die zahlreichen Katechisten, die der Berufung und der Sendung der gläubigen Laien entsprechend mit Hochherzigkeit einen so wichtigen Teil der Evangelisierungsarbeit leisten. <244> <244> Ich weiß, daß Hunderte der Gemeinden, die ihr repräsentiert, noch nicht die Möglichkeit haben, sich jeden Sonntag um den Tisch der Eucharistie zu versammeln. Es gibt noch nicht 339 REISEN genug Priester. Und doch kennt ihr die ganze Bedeutung der Messe, die das Zentrum des Lebens der Kirche ist. Ihr habt dieses Jahr über das wunderbare Geschenk nachgedacht, das uns Christus am Vorabend seines Leidens mit der Einsetzung der Eucharistie gemacht hat. Wann immer es euch möglich ist, nehmt teil an der eucharistischen Versammlung: Der Herr ist es, der euch aus allen Lebensaltern, aus allen Berufungen vereint. In der in seinem Namen versammelten Gemeinde bringt der Herr sein Opfer dar, fährt er fort, sein Leben für alle Menschen hinzugeben. Mit ihm und durch ihn können wir das lebendige und wahre Wort Gottes empfangen. Mit ihm und durch ihn danken wir unserem Vater im Himmel für alle seine Gaben. Von seinem Wort geführt lassen wir unser demütiges Flehen emporsteigen. Wenn wir den Leib des Herrn empfangen können, sind wir noch enger mit ihm und untereinander vereint. Der hl. Paulus hat uns gesagt: „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ (1 Kor 10,17). Deshalb ist er zugegen, wo wir im Namen des Herrn vereint sind. Doch im Sakrament der Eucharistie erfahren wir seine Gegenwart am stärksten. Er hat seinen Leib zum Brot des Lebens, zur Nahrung des ewigen Lebens gemacht. Danken wir ohne Unterlaß dem Herrn für dieses wunderbare Geschenk! 7. Liebe Brüder und Schwestern der Kirche in Sarh und in den angrenzenden Diözesen, danken wir an diesem schönen Tag, da ihr im Namen des Herrn um den Nachfolger des Petrus versammelt seid, für das Geschenk des Glaubens! Alle zusammen wollen wir in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche unser Glaubensbekenntnis erneuern. Der Glaube ist ein kostbares „Talent“, das wir mit der Gnade Gottes in unserem ganzen Leben nutzbringend anlegen wollen. Und noch einmal wende ich mich besonders an die Jugend. Mit eurem Bischof möchte ich euch bitten, euch im Glauben zu engagieren. In Christus getauft, seid ihr in die Welt gesandt, um seine Liebe auszubreiten, sein Evangelium zu verkünden. Er verläßt sich darauf, daß ihr die vielfältigen Talente, die er euch anvertraut hat, zum Ertrag bringt. An seiner Seite werdet ihr im Tschad eine immer lebendigere Kirche und eine Gesellschaft aufbauen können, in der sich gut leben läßt. Möge euch Unsere Liebe Frau des Tschad auf eurem Glaubensweg vorangehen! Möge Gott euch helfen! Ad bo nan o tar o kem sol o rosn do nang! (Gemeinschaft, Liebe und Friede mögen die Erde erfüllen!) 340 REISEN Für Frieden und Einheit einsetzen Ansprache während der Begegnung mit den Bischöfen in N’Djamena (Tschad) am 31. Januar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine Freude, diesen Abend, das Ende eines sehr erfüllten Tages, mit euch zu verbringen. Bei meinen heutigen Besuchen in Moundou und Sarh hatte ich Gelegenheit zu einer direkten Kontaktnahme mit euren Diözesangemeinschaften, wofür ich Gott danke. In die Hauptstadt zurückgekehrt, konnte ich dem Klerus, den Ordensleuten und den Seminaristen der Diözese N’Djamena begegnen. Dieses vertraute Beisammensein erlaubt es mir vor allem, euch für eure Einladung zu danken. Ihr habt mir auf diese Weise die Möglichkeit gegeben, euren Besuch im Oktober 1988 zu erwidern, einen Ad-limina-Besuch, an dem der gute Bischof Balet teilgenommen hatte, dem in diesem Augenblick mein Gedenken und mein Gebet gelten. Ihr habt mir das Kennenlernen eures Landes, eures Lebensraumes und der Bedingungen ermöglicht, unter denen sich euer apostolisches Wirken vollzieht. Die Begegnung eures Volkes mit dem Papst war gut vorbereitet: Ihr habt es verstanden, dem Gebet des Volkes Nahrung zu geben und seine Reflexion über das Apostolische Schreiben Christifideles laici anzuregen. 2. Bleibt in der Linie der Initiativen, die ihr durch euer Hirtenschreiben über das Sakrament der Verzeihung und Versöhnung hervorgerufen habt, und fordert die Getauften weiterhin auf, sich entschieden für die Sache des Friedens und der Einheit einzusetzen, damit die Kirche im Tschad sich mehr und mehr als Zeichen der Hoffnung für das Land erweise. Die Priesteramtskandidaten im Seminar St. Lukas sind ebenfalls ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft. Ja, ihr benötigt dringend Priester, da eure Gemeinden monatelang ohne Sakramente sind. Die zahlenmäßige Zunahme derer, die Jahr für Jahr in das Priesterseminar eintreten, ist vielversprechend. Ich weiß, daß ihr auch mit der Hilfe eurer eifrigen Katechisten rechnen könnt, auf welche die ersten Missionare mit Recht große Hoffnungen setzten. Besteht weiterhin auf der Bildung und Ausbildung der Laien, damit sie mehr und mehr,Eicht der Welt“ und „Salz der Erde“ werden. Auf diese Weise werdet ihr der Kirche solide Grundfesten geben, nach den Richtlinien der letzten Bischofssynode, die unter den Prioritäten der Pastoral die Katechese für alle Gläubigen erwähnte, eine Katechese, die mit der Einführung in den Glauben beginnt und bis zur Reife des Erwachsenen reicht. <245> <245> Meine Pilgerfahrt in eure Diözesen wird auch zur Folge haben, die lebendige und großmütige Kirche im Tschad außerhalb eurer Grenzen besser bekannt zu machen, weiteren Austausch zwischen den Ortskirchen verschiedener Kontinente anzuregen und, das wäre mein Wunsch, auch die Hochherzigkeit anderer Diözesen zu wecken, die sich noch mehr veranlaßt fühlen, euch durch die Entsendung von Personen oder durch materielle Gaben zu helfen. 341 REISEN 4. Dieser Pastoralbesuch fügt sich auf sehr glückliche Weise in den Rahmen der Vorbereitung der Sondersitzung der Bischofssynode für Afrika ein, die ich am vorjährigen Fest der Erscheinung des Herrn aufgrund zahlreicher aus Afrika gekommener Wünsche ansagte. Die gemeinsame Reflexion der Vertreter des Episkopats wird am Vorabend des Jahres 2000 der Kirche in diesem Kontinent neuen Elan für die Erfüllung ihrer missionarischen Sendung verleihen. Die Sitzung wird sich mit der Frage befassen, welche Methoden und Mittel am geeignetsten sind, um den Afrikanern die praktische Verwirklichung der Worte zu ermöglichen, die der auferstandene Herr an seine Jünger richtete: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8). „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15); und „geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19). Die Verkündigung des Evangeliums an alle Völker der Erde kann nicht ohne die Begegnung der Frohbotschaft mit den Kulturen verwirklicht werden, die eine Umgestaltung der echten Werte dieser Kulturen durch ihre Eingliederung in das Christentum mit sich bringt. Im Hinblick auf eine immer tiefere Verwurzelung der Kirche im Boden Afrikas ist es angebracht, den vom II. Vatikanischen Konzil gegebenen Auswahlkriterien gemäß jene Elemente der Traditionen in den Vordergrund zu stellen, die es gestatten, besser „die Ehre des Schöpfers zu preisen, die Gnade des Erlösers zu verherrlichen, das Christenleben recht zu gestalten“ (Ad gentes, Nr. 22). Das Pfingstereignis ruft uns vorbildlich in Erinnerung, daß alle Völker der Erde eingeladen sind, „Gottes große Taten“ in der Vielfalt und Verschiedenheit der Sprachen zu verkünden. Die Inkulturation, d. h. der Prozeß, durch den der christliche Glaube sich in die verschiedenen Kulturen inkarniert, gehört also wesentlich zur Verkündigung des Evangeliums. Durch seine Menschwerdung hat sich der Sohn Gottes gewissermaßen an jeden Menschen gebunden (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22); ebenso kann man sagen, daß kein echter menschlicher Wert Christus fremd oder von der Inkulturation ausgeschlossen ist. Zur richtigen Einschätzung der Sitten, der Überlieferung, der Weisheit, der Wissenschaft, der Künste und der Verhaltensweisen der Völker, die darauf abzielt, alles Schöne und Gute dieses Erbes in den „wunderbaren Austausch“ der Menschwerdung Christi hineinzunehmen, bedarf es einer sein-genauen und systematischen theologischen Reflexion. Diese ist besonders dann erforderlich, wenn uns diese Sitten und Traditionen heute im Rahmen von Religionen oder Systemen entgegentreten, die ihnen ihre besonderen Merkmale eingeprägt haben. Hier liegt der Wert des interreligiösen Dialogs, vor allem zwischen Christen und Muslimen: Wie wollen die einen sowohl wie die anderen die Reichtümer der Vergangenheit annehmen, fördern und umgestalten, um passender auf die Herausforderungen einer Modernität einzugehen, die man etwa im Hinblick auf eine bessere materielle, intellektuelle und geistliche Entwicklung übernehmen muß? Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, ich lade euch ein, eure Diözesangemeinschaften zur Vorbereitung dieser Synodensitzung aufzurufen, damit dank ihrer Gebete und ihrer Teilnahme an der allgemeinen Reflexion das Antlitz der Kirche in Afrika immer mehr den Plänen Christi entspreche und ihr Heilswirken immer besser erkannt werde. 342 REISEN 5. Die Feiern, die im Tschad unserem gemeinsamen Glauben galten, haben eine Festigung der gemeinschaftlichen Bande zwischen uns möglich gemacht; wir werden in der Liebe Christi und des Nächsten gewachsen sein. Gott sei dafür gepriesen! Nach diesem Besuch seid ihr in meinem Gebet noch mehr gegenwärtig. Seid davon überzeugt, daß ich aus ganzem Herzen der tschadischen Bevölkerung sowie der der anderen Länder gedenke, die ich im Lauf meiner sechsten Afrikareise besuchte: sie haben ein besonderes Anrecht auf die Liebe und Sorge des Papstes! 6. Möge die Gottesmutter, der wir Tschad geweiht haben, in ihrer mütterlichen Liebe über dieses Volk wachen und es auf seinem Weg zu Gott unterstützen! Möge sie auch euch helfen und eure Hirtenherzen mit Hoffnung und Freude erfüllen! Euch alle sowie alle eure Mitarbeiter in euren Diözesen und alle eure Mitbrüder im Tschad segne ich aus ganzem Herzen. Im gegenseitigen Vertrauen leben Predigt bei der Messe für die christlichen Familien in N’Djamena (Tschad) am 1. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir haben heute die Worte Christi gehört, die er beim Letzten Abendmahl an die Apostel gerichtet hat, am Vorabend seines Leidens und Sterbens am Kreuz. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). So wendet Christus sich an die Apostel, durch die er die Kirche bauen will, von Generation zu Generation. Er richtet diese Worte an diejenigen, die beim Letzten Abendmahl in Jerusalem bei ihm waren; gleichzeitig richtet er sie an seine Nachfolger und besonders an die Generationen derer, die die Kirche auf diesem afrikanischen Boden im Tschad gebaut haben. Und Christus wendet sich auch an die, die heute Nachfolger der Apostel in eurer Kirche sind, an eure Bischöfe. Der Bischof von Rom begrüßt sie mit einem brüderlichen Friedenskuß, und mit ihnen begrüßt er die Priester, Ordensbrüder und -Schwestern und alle, die am königlichen Priestertum Christi .teilhaben durch ihre Taufe. <246> <247> <246> Ich begrüße ganz besonders die hier anwesenden Familien sowie alle Familien, die in eurem Land leben. Einen besonderen Gruß den Vertretern der staatlichen Autoritäten und denen der städtischen Behörden von N’Djamena. Die Worte des Erlösers beim Letzten Abendmahl betreffen auch euch. Denn ihr habt eine unersetzliche Aufgabe im; Missionsauftrag der Kirche. Auch euch hat Christus erwählt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt (vgl. Joh 15,16). Im Sakrament der Ehe wählt er zwei Getaufte aus, einen Mann und eine Frau, die sich gegenseitige Liebe, Treue und ein ehrbares Eheleben versprechen. Sie haben sich gegenseitig 343 REISEN erwählt, um den Lebensweg gemeinsam zu gehen und die Früchte zu bringen, die ihrer Aufgabe als Ehepartner und Eltern in Kirche und Gesellschaft entsprechen. Der Herr Jesus Christus nimmt ihre gegenseitige Gabe und Verpflichtung auf. Geweiht durch die Gnade des Sakraments wird „ihr Liebesband zum Abbild und Symbol des Bundes, der Gott und sein Volk verbindet“ (Familiaris consortio, Nr. 12). Christus segnet die Eheleute und spricht zu ihnen: „Ich gebiete euch, euch gegenseitig zu lieben“. 3. Als wollte er diesem Gebot Jesu Nachdruck verleihen, fordert der Apostel Paulus seine Brüder auf: „Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht“ (Kol 3,14). Die Anweisungen, die der hl. Paulus im Brief an die Kolosser gibt, geben das Bild eines Paares wieder, durch Gottes Gnade vereint, „dankbar ... Gott im Herzen Lob singend“ (vgl. 3,15.16). Ja, eure Heirat, eure Lebensgemeinschaft, eure Einheit sind „wie ein ,Zeichen’ jener interpersonalen Liebesgemeinschaft, die das geheimnisvolle intime Leben des einen und Dreifältigen Gottes ist“ (Christifideles laici, Nr. 52). Christliche Eheleute, ihr spiegelt auf wunderbare Weise das Leben Gottes selbst wieder, das Liebe ist! „In euren Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes“ (Kol 3,15). Ihr braucht die Ansprüche, die eure gegenseitige Verpflichtung an euch stellt, nicht zu fürchten, denn es sind Ansprüche einer Liebe, die Gott in eure Herzen gelegt hat und die Jesus durch seine Gegenwart und seinen Frieden bekräftigt. Bleibt ihm nahe. „Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch.“ Sein Wort ist ein Wort der Liebe, um eure Liebe zu leiten. Sein Wort der Wahrheit, nehmt es, um es zu eurem Wort zu machen, um euch mit seinem Licht zu verbinden: „Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit“ (3,16). Die wahre Weisheit ist die des Schöpfers, der Mann und Frau nach seinem Ebenbild geschaffen hat. Die wahre Weisheit ist auch in seinem Wort: „Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2,24). Die wahre Weisheit ist die des Erlösers: Er hat das Gebot der Liebe begründet auf der göttlichen Liebe, die ihn dazu geführt hat, sein Leben für uns zu geben. „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). <248> <249> <248> Liebe Freunde, manche werden es sicher für sehr kühn halten, wenn ein Mann und eine Frau fürs Leben einen Weg wählen, auf dem die Treue so rein ist wie die Treue Gottes. Die schmerzlichen Ereignisse, die euer Volk getroffen haben, haben vieles verändert. Durch die Veränderung der Wohnkultur und der Lebensweise ist mit Familientraditionen gebrochen worden. Neue Versuchungen treten auf, und die Stabilität der Partnerschaft und der Familie gerät ins Wanken. Ich verstehe diese Schwierigkeiten und die daraus folgenden Leiden. Aber ihr dürft der Größe und Schönheit der Ehe nicht entsagen. Mit dem hl. Paulus sage ich euch: „Ertragt euch gegenseitig“ (Kol 3,13). Es geht nicht nur dämm, Geduld zu üben, es geht dämm, den anderen so zu lieben, daß man ihm hilft, ihn unterstützt. In der Ehe werdet ihr ständig die Qualitäten und die Fehler eures Partners entdecken, und ihr solltet ihm helfen, die einen zu vermehren, die anderen zu verringern. Und: „Vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas 344 REISEN vorzuwerfen hat. Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr!“ Habt genügend Liebe, um euch zu versöhnen, wenn eine Krise eure Partnerschaft bedroht. Denn der Bruch eurer gegenseitigen Treue ist auch ein Bruch mit Gott, der immer treu ist, der nie aufhört zu lieben. Lebt in gegenseitigem Vertrauen. Nährt tagtäglich das Feuer eurer Liebe durch einfache Handlungen des gemeinsamen Lebens. Euer gegenseitiger Respekt und eure Großmut sind wie eine Spur der Gegenwart Gottes in eurem Heim. Die Gnade des Sakraments der Ehe wird euch nicht verlassen. Der Herr hat euch als Freunde erwählt und nicht als Diener, denen man eine schwere Last aufbürdet. Um was ihr Gott im Namen Christi bittet, wird er euch geben (vgl. Joh 15,16). Dem Gebot der Treue folgen bedeutet keine unmögliche Forderung, sondern ein gemeinsames Leben mit Christus, der seinen Freunden Freude und Frieden gibt. 5. Eheleute, eure gegenseitige Treue ist eng verbunden mit der Liebe, die ihr euren Kindern schenkt. Eure Freude zu lieben und eure Fähigkeit, Leben zu geben, machen euch zu Zeugen der Liebe des Schöpfers. Achtet die Gabe Gottes, indem ihr verantwortungsbewußte Eltern werdet und vor allem, indem ihr die Bestimmung der Frau zur Mutter würdigt, eine Bestimmung, die tief in ihrem Wesen verankert ist. Bei der Erziehung eurer Kinder wird es euch eine Freude sein, eure Liebe mit ihnen zu teilen. Manchmal werdet ihr euch um ihre Zukunft sorgen, vielleicht wird es euch schwierig erscheinen, ihnen die Werte zu vermitteln, die euch seit Generationen teuer sind, denn die Kinder vernehmen andere Stimmen als eure und sind Einflüssen ausgesetzt, die euren Werten widersprechen. Trotzdem ist es eure Aufgabe, sie den guten Gebrauch der Freiheit zu lehren, und zwar in einem Klima des Dialogs. Durch euer gutes Beispiel und eure Liebe weist ihr ihnen den Weg viel eher als durch unbegründete Verbote. Nehmt euch ein Beispiel an Jesus: er hatte die Jünger zu seinen Freunden gemacht, er korrigierte ihre Fehler, aber er wußte sie von der Furcht zu befreien und sprach ihnen sein Vertrauen aus, als er ihnen den Missionsauftrag gab. Eure Kinder werden andere Wege gehen als ihr; sie werden vielleicht gefährliche Umwege machen. Aber sie werden immer den Geist der Familie und die von euch erworbenen Eigenschaften in sich tragen. Sie werden ihrerseits Eheleute und Eltern werden. Ihr müßt ihren Fortgang akzeptieren: die Jugend verneint euch nicht, aber sie ist erwachsen geworden. Darin liegt die „Frucht, die dauert“ (vgl. Joh 15,16), die Jesus versprochen hat. <250> <250> Liebe Brüder und Schwestern, ich spreche zu euch von eurer Bestimmung als Eheleute und Eltern inmitten der versammelten christlichen Gemeinschaft. Und dies ist recht, denn die Familien haben eine erstrangige Rolle im Volk Gottes. Ihr seid die Zeugen der Liebe Gottes zu allen Menschen. Ihr seid Zeugen des Evangeliums des Heils, vor allem vor euren Kindern. Öffnet sie zum Glauben, zusammen mit euren Priestern und den Erziehern. Ihr seid die ersten, den Glauben eurer Söhne und Töchter zu wecken. Bereitet sie darauf vor, diese Gabe zu empfangen, indem eure Familien am kirchlichen Leben teilnehmen. Eure Großzügigkeit und euer Geist brüderlicher Gemeinschaft sollte sich nicht auf euer Heim beschränken! Wenn euch ein glückliches Familienleben gegönnt ist, nehmt die auf, die ein- 345 REISEN sam, arm und fremd sind, und ebenfalls die Männer und Frauen, deren Herz durch grausame Vernachlässigungen verwundet ist. Dank der Heime, die durch einfache Gesten tagtäglich die wahre Liebe ausstrahlen, kann die Kirche in der Gesellschaft das Antlitz Christi widerspiegeln. 7. Der Nachfolger Petri, der zu euch gekommen ist, sagt euch gern, daß die Kirche auf eure Familien zählt, damit sie die Freude bezeugen, Jünger Jesu Christi zu sein, Männer und Frauen in gleicher Würde, in ihren ergänzenden Aufgaben. Ich möchte noch einmal auf die letzten Worte Jesu zurückkommen: „ Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Liebt einander, ihr Ehemänner und Ehefrauen, „zu ... neuen Menschen geworden ... von Gott auserwählt“ (Kol 3,10-12). Liebt eure Kinder mit Großmut, ohne sie zurückhalten zu wollen. In der ganzen Familie sollt ihr Eltern eure Kinder lieben; und ihr Kinder, liebt eure Eltern; Brüder und Schwestern, liebt euch als Kinder gleicher Eltern. Liebt alle Mitglieder eurer großen Familie, aller Generationen. Bittet in Christi Namen den himmlischen Vater, daß die Familien allen Wesen die Treue Gottes zeigen. Betet, damit eure Familien die Früchte einer guten Kindererziehung bringen und damit neue Generationen diese Früchte im Leben des ganzen Volkes und der Kirche weitertragen. Deshalb bete ich heute mit euch. Die Kirche betet mit euch. „Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch“ (Hl. Irenäus, Adversus haereses, IV, 20,7). Die Ehre Gottes ist, daß der Mensch lebt in der Ganzheit des Lebens, der Wahrheit und der Liebe, und daß ihm so das Heil und das Leben in Gott zuteil wird! Die Fehler für Ungerechtigkeit und Machtmißbrauch erkennen Begegnung mit dem Diplomatischen Korps in N’Djamena (Tschad) am 1. Februar Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Am Ende meines Pastoralbesuches in mehreren Ländern Afrikas freue ich mich über die Gelegenheit, mich mit den Mitgliedern des bei der Republik Tschad akkreditierten Diplomatischen Korps sowie mit den Vertretern mehrerer internationaler Organisationen unterhalten zu können. Ich begrüße jeden einzelnen von Ihnen und danke Ihnen für Ihre Anwesenheit bei dieser Begegnung. Die Erfahrung meiner Reisen und die zahlreichen Kontakte, die ich in Rom haben kann, veranlassen mich, Ihnen einige Gedanken über Probleme mitzuteilen, mit denen Sie sich Tag für Tag beschäftigen. Der Friede ist mit Sicherheit unsere erste Sorge. Mit Genugtuung sehen wir, wie das Land, das uns willkommen heißt, Fortschritte macht bei der Festigung des Frie- 346 REISEN dens, bei der Beseitigung der von einem langen Konflikt hinterlassenen Ruinen, aber auch bei der in die Tiefe;wirkenden Versöhnung der Menschen. Wir begrüßen diese Bemühungen und wir ermutigen alle, die diese zum Wohle aller vorantreiben. Auf dem Boden Afrikas bin ich immer wieder Zeuge der bewundernswerten Eigenschaften seiner Völker; ich muß darum unbedingt auch auf die Konflikte hin weisen, die diese Völker in mehrereniRegionen dieses Kontinents quälen. Sie sind die Ursachen von Leiden, die ohne Ende erscheinen. Ich denke an Äthiopien, an den Sudan, an andere Völker, die unter Rassendiskriminierung leiden, und an wieder andere, in denen ethnische Rivalitäten im Inneren zuweilen zu gewalttätigen Zusammenstößen führen. Es ist wahr, daß es in allen Teilen der Welt'Kriegsherde gibt. Veränderungen ereignen sich, auch positive Zeichen treten auf. Erst kürzlich hatte ich Gelegenheit, mich dazu zu äußern. Doch da kein menschliches Leid uns zur Resignation bringen sollte, mußte ich der intema-tionalemGemeinschaft eindringlich sagen, daß die Solidarität unter den Völkern keine Grenzen hat; und daß die großen Veränderungen, die in Osteuropa im Gange sind, nicht die Aufmerksamkeit vom Süden und ganz besonders vom afrikanischen Kontinent ablenken dürfen. 2. Ziemlich oft muß man feststellen, daß die Ursachen für den Bruch des Friedens nicht klar zutage liegen. Hi,diesen Fällen müßten die örtlichen Verantwortlichkeiten und zugleich alle, die Einfluß aufdie Beziehungen unter den Nationen ausüben, den Mut haben, klar zu sehen. Was steht bei: den feindlichen Züsammenstößen auf dem Spiel? Wer schürt sie? Welche Rechte sind in Frage gestellt? Man müßte das verstehen können, was Minderheiten sogar um den Preis ihres Lebens zu verteidigen bereit sind: ihre Traditionen, ihre Kultur, ihre Überzeugungen, ihre Würde gegenüber. den Mächtigen, die sie mißachten oder ihre Legitimität leugnen. Man müßte auch den Mut haben, die Rolle, aller Beteiligten aufzuklären, angefangen bei den Mächtigsten, die die Wirtschaft, die Militärhilfe und die Bündnisse beherrschen. Es ist Aufgabe der verantwortlichen Politiker und der Diplomaten, die an die internationale Gemeinschaft gerichteten Appelle zu hören. Man müßte dahin kommen, die Fehler, die Machtmißbräuche, die Ungerechtigkeiten und die Ausbeutung zu erkennen, die man selbst verursacht; denn es ist besser, zum Wohl ganzer Völker dem Fortschritt des Friedens zu dienen als sein eigenes Prestige zu verteidigen. Man könnte noch besser dahin gelangen, wenn man sich die Achtung der Rechte und der Würde des ganzen Menschen immer als erstes Ziel setzte. Die Organisation der Vereinten Nationen und verschiedene regionale Instanzen haben in diesem Sinn bereits begrüßenswerte Bemühungen unternommen. Man hat wichtige Texte verabschiedet, wie die Afrikanische Menschen- und'Völkerrechts-Charta. Sie wissen jedoch, wie viel notwendig ist, um den Abstand zwischen dem Reden und dem Tun zu verringern und rückhaltlos diese Texte anzu wenden. Werden die Rechtsstaaten je zu der Übereinkunft gelangen: und eine Gemeinschaft bilden, die auf jede Ausnahme vom Recht verzichtet? Wird man je Schiedsverfahren: entwickeln können, um Streitigkeiten unter Achtung vor den Rechten aller Beteiligten zu losen? Ich möchte noch hinzufügen, daß die tragischen Folgen der Konflikte die Menschheit als ganze nicht gleichgültig lassen dürfen, vor allem drängt sich mir das Bild der Tausende von 347 REISEN Flüchtlingen auf, die daran verzweifeln, ein Aufnahmeland zu finden, ihre Existenz und ihre Familie wiederaufzubauen. Das Problem geht über das Tätigkeitsfeld der Spezial-Organisationen hinaus, so hochherzig deren Interventionen auch sein mögen. Es geht um Menschen, die überall Brüdern in der Menschheit begegnen müssen! Und über die besondere Lage der Flüchtlinge hinaus ist da das ganze Problem der Emigration; es müßte mit dem schuldigen Respekt vor den vielen Menschen angepackt werden, die durch ihre Entwurzelung verwundbar geworden sind. 3. Jeder erkennt die Bedeutung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit für die Förderung des Friedens an; sie ist der augenfälligste Aspekt wirksamer Hilfe, die die Entwicklungsnationen erwarten. Ich habe darauf schon vor einigen Tagen in Ouagadougou hingewiesen. Ihnen gegenüber möchte ich die positiven Bemühungen begrüßen, etwa die kürzlich Unterzeichnete neue Konvention von Lome oder die Maßnahmen zur Erleichterung der Schuldenlast der bedürftigsten Länder oder auch die zahlreichen Übereinkommen mit den internationalen Finanzierungsorganen und zwischen einzelnen Ländern. Daß noch ein langer Weg zu gehen bleibt, um zu einem besseren Gleichgewicht zu gelangen, ist Ihnen bekannt; viele von Ihnen arbeiten daran, eine nutzbringende Zusammenarbeit voranzutreiben. Ich möchte einfach noch einmal die menschlichen Konsequenzen wirtschaftlicher Vereinbarungen, die Notwendigkeit der Abstimmung untereinander, die Achtung vor dem Verantwortungsbewußtsein der Arbeiter der wenig begünstigten Gebiete und ihrer Vorgesetzten wie auch die Aufmerksamkeit hervorheben, die man den traditionellen Werten und der Zivilisation der Partner schuldig ist. Die internationale Solidarität muß die Zusammenarbeit zugunsten der benachteiligten Länder weiter verstärken. Die öffentliche Meinung der Welt versteht gegenwärtig die Dringlichkeit des Umweltschutzes besser. Ist sie auch bereit, die dazu nötigen Anstrengungen zu leisten? Ist sie auch bereit, die Bedürfnisse der armen Völker ebenso ernst zu nehmen: die Bedürfnisse im Gesundheitswesen, in der Ausbildung der Jugend, in der Information und Kommunikation, in der Entwicklung der Infrastrukturen und der Dienstleistungen, im Fortschritt der wissenschaftlichen Forschung auf den spezifischen Gebieten dieses Kontinents, in der Möglichkeit, in anderen Ländern freien Zugang zu Wissen und „Know-how“ zu erschließen zu Gunsten der wissenschaftlichen und technischen Institutionen Afrikas? Um meinen Vorschlag an einem konkreten Beispiel zu illustrieren, gestatten Sie mir, an den im vergangenen Jahr von Kamerun und dem Hl. Stuhl Unterzeichneten Vertrag über die Errichtung eines Universitätszentrums, des Katholischen Instituts von Yaounde, zu erinnern. Dabei handelt es sich um eine kulturelle Zusammenarbeit, an der auch andere afrikanische Länder teilhaben können. Wie ich in einem wichtigen Dokument geschrieben habe, „hilft uns die Solidarität, den ^deren’ - Person, Volk oder Nation - ... als ein uns gleiches’ Wesen zu sehen, eine ,Hilfe’ für uns (vgl. Gen 2,18.20), als einen Mitmenschen also, der genauso wie wir am Festmahl des Lebens teilnehmen soll, zu dem alle Menschen von Gott in gleicher Weise eingeladen sind“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 39). 4. Denkt man über die internationale Zusammenarbeit für den Frieden und insbesondere für die Entwicklung tiefer nach, so werden einem häufig die Beziehungen zwischen dem Norden 348 REISEN und dem Süden vor Augen geführt. Ich möchte indessen den großen Nutzen hervorheben, den die afrikanischen Nationen aus einer intensiveren Zusammenarbeit untereinander, des Südens mit dem Süden, ziehen könnten. Die Unterschiedlichkeit der Ressourcen und der Situationen - sei es auch nur die zwischen „Binnen“-Ländern und solchen mit offenem Zugang zum Meer - sollte die Staaten dazu anspomen, ihren Austausch untereinander und ihre wechselseitige Ergänzung besser zu organisieren. Die geographischen Gegebenheiten selbst legen dies nahe, zum Beispiel in den großen Flußbecken bei der Energieerzeugung, bei den Transportmitteln. Und weil es um den freien Verkehr der Menschen, die zur Bildung und zur Forschung notwendigen Investitionen und um die wechselseitige Ergänzung von landwirtschaftlicher und industrieller Produktion geht, darf das Einverständnis unter den Menschen niemals an Grenzen stoßen, an denen im übrigen eure Vorfahren niemals stehengeblieben sind. Es ist zu wünschen, daß die kontinentalen wie die regionalen afrikanischen Organisationen unverzüglich aktiver werden, damit sie zum Nutzen aller Mitglieder zu echten Instrumenten der Förderung des Friedens und der Entwicklung werden. Die Verwirklichung gemeinsamer konkreter Projekte wird ihnen überdies helfen, gemeinsame Standpunkte in den zuweilen schwierigen Debatten zu erarbeiten, die die internationale Lage mit sich bringt. Die Kirche in Afrika hat sich ihrerseits an die Aufgabe der regionalen und kontinentalen Abstimmung gewöhnt. Wie Sie wissen, sind alle Katholiken gegenwärtig zu einem vertieften Nachdenken über alle Aspekte des Auftrags der Kirche aufgerufen, um die Sondersitzung der Bischofssynode für Afrika vorzubereiten; sie wird eine breite, gerade auf diesen Teil der Welt zugeschnittene Beratung sein. <251> <251> Meine Damen und Herren, ich möchte diesen raschen Gesamtüberblick abschließen, indem ich zwei leidenschaftliche Wünsche für alle Afrikaner formuliere. Ich wünsche, daß der Friede Fortschritte machen möge, daß jeder Mensch die Möglichkeit habe, sich zu entfalten, sich zu bilden, eine Familie zu gründen und seine Kinder zu erziehen, eine nützliche Arbeit auszuüben und die schönsten seiner Traditionen und die Großmütigkeit zu bewahren, die wir in seinem Erbe anerkennen. Mögen das Handeln der Machthaber und die internationale Zusammenarbeit den Afrikanern helfen, das Beste aus dem zu machen, was man für sie tun kann, ohne daß jemals jemand verachtet, verdorben oder im Grunde seines Seins verletzt werde. Ich bringe meine ganze Hochachtung für die Nation, deren Gäste wir sind, und für die Nationen, die Sie repräsentieren, zum Ausdruck. Ich bitte Gott, er möge allen Völkern Afrikas die Kraft der Hoffnung schenken. 349 REISEN Verantwortung und Solidarität Ansprache an die Bevölkerung von N’Djamena (Tschad) am 1. Februar Liebe Freunde aus N’Djamena! 1. Da ich das Wort zu diesem großen Treffen in der Hauptstadt ergreife, möchte ich zunächst Bischof Charles Vandame für seine liebenswürdige Begrüßung und für die Vorstellung der Bevölkerung von N’Djamena danken. In Ehrerbietung grüße ich die Vertreter des Staates und der obersten Behörden. Ich danke ihnen sehr für die Ehre ihrer Anwesenheit bei dieser Zusammenkunft. Ich richte meine herzlichen Grüße an die ehrwürdigen'Vertreter der verschiedenen religiösen Bekenntnisse und danke für die Liebenswürdigkeit und die brüderlichen Gefühle, die sie durch die Teilnahme an dieser Versammlung bezeugen. In unserer gemeinsamen Beziehung zum lebendigen und einzigen Gott, dem Anfang und dem Ende allen Lebens, hebt der gegenseitige Dialog zwischen den Religionen die Würde der Menschen, der Familien und der Gemeinschaften hervor. Ich wünsche, daß im Tschad das Verständnis der Gläubigen untereinander sowie die harmonische Zusammenarbeit im Dienst des Landes noch mehr anwach-sen wird. Liebe Einwohner von N’Djamena, ich grüße euch von ganzem Herzen. Wie zu allen Völkern, die Gott mich besuchen läßt, komme ich auch zu euch, um euch mit aller Kraft zu sagen, daß der Herr euch liebt. 2. Nach den Prüfungen der Vergangenheit müssen sich die Bewohner des Tschad der Entwicklung des Landes widmen. Am Ende meiner Reise durch die Sahelzone Afrikas am Rand der unermeßlichen Wüste Sahara kann ich mit euch die unendlichen Bemühungen ermessen, die es aufzubringen gilt, um allen Bewohnern eures Landes ein Leben in annehmbaren Verhältnissen zu beschaffen, wie sie jedem Menschen zustehen. Zugleich ist es angebracht, euch daran zu erinnern, daß die Entwicklung der Völker nicht nur unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten behandelt werden kann, sondern daß der Mensch in all seinen Dimensionen respektiert werden muß. Die Durchführung von Entwicklungsstrukturen im Dienst der Menschen betrifft an höchster Stelle die Organisation eurer Gesellschaft. Es ist bekannt, wie sehr die Bevölkerung des Tschad auf ihre Kultur bedacht ist. Die Lebendigkeit dieser Kultur ist einer der Faktoren, der es euch ermöglicht hat, die dunkle .Zeit eurer jüngsten Vergangenheit zu durchleben, ohne euch zugrunde zu richten. 3. Die Entwicklungen, denen ihr entgegentreten müßt, verlangen Sinn für Verantwortung in bezug auf das Allgemeinwohl und die Solidarität mit dem Nächsten. Die modernen Kommunikationsmittel haben die Isolierung durchbrochen und die Beziehungen zwischen den Menschen gefördert. Daher sollte jeder sich noch stärker die Solidarität mit den Landsleuten und den Mitgliedern anderer Völker der Erde zum Bewußtsein bringen. <252> <253> <252> Hierbei will ich nicht vergessen, daß ihr euch in einer ganz besonderen geographischen Lage in der Mitte des afrikanischen Kontinents befindet, am Scheideweg zahlreicher-Kultur- 350 REISEN Völker, die eure Geschichte geprägt haben. Die beiden offiziellen Sprachen eures Landes sind neben anderen sprachlichen Traditionen das Französische und das Arabische, und sie bezeugen diese kulturellen Begegnungen; durch das Gelingen eures Lebens als Nation müßt ihr zeigen, daß die Unterschiede euer Volk bereichern und weit davon entfernt sind, es zu schwächen. Dies ist eine Verantwortung, die euch auf dem Kontinent euren Platz zuweist. Dieser Platz lädt euch zu anderen Gesten der Solidarität mit den Ländern Afrikas ein, die euch umgeben. Die Länder des Sahel haben in einer regionalen Organisation zur Bekämpfung der Trockenheit und der Verwüstung ihre Bemühungen bereits vereinigen können. Dies ist ein gutes Beispiel der süd-südlichen Zusammenarbeit. Es gibt noch andere regionale Organisationen, die es zu fördern gilt. 5. Da sich die katholische Kirche hier in N’Djamena durch meine Stimme einmal mehr für eine ganz im Dienst des Menschen stehende Entwicklung ausspricht, scheint es mir nützlich, die moralische Dimension dieser Entwicklung in Erinnerung zu rufen. Die Entwicklung kann nur in einer Gesellschaft verwirklicht werden, in der die Rechte aller geachtet werden. Diesbezüglich können wir uns darüber freuen, daß es eine afrikanische Urkunde über die Menschen- und Völkerrechte gibt, die 1986 von eurem Land unterzeichnet wurde. Die ethische Dimension der Entwicklung betrifft insbesondere die Familie. Ich ermuntere euch, das demographische Problem mit Klugheit und in der Achtung des Lebens sowie in Treue zu euren kulturellen Traditionen anzugehen, die insbesondere die Berufung der Frau zur Fruchtbarkeit ehren. Die Achtung des Lebens betrifft außerdem in hohem Maße die Probleme der Gesundheit. Ich ermuntere die Katholiken des Tschad, ihren Beitrag zu leisten, um Lösungen für die Probleme zu suchen, wobei ich mir sehr wohl bewußt bin, daß dies für Länder wie das eure schwierig ist, wo sich das ärztliche Personal mit aller Hochherzigkeit einsetzen muß. <254> <254> Männer und Frauen von N’Djamena, Männer und Frauen des Tschad, wenn ich euch so von der Entwicklung gesprochen habe, so deshalb, weil jeder Mann und jede Frau ein Geschöpf Gottes ist und einen einzigartigen Wert besitzt. Ein religiöses Volk wie das eure ist imstande zu verstehen, daß ich mich hier auf den einzigartigen Wert des Menschen beziehe: Gott schenkt ihm das Leben, die Weisheit und die Liebe. Wir müssen uns die außerordentliche Würde des Menschen in Erinnerung rufen, denn die Schönheit der Gaben Gottes in ihm kann verdunkelt werden, sei es durch den Fehler desjenigen, der sie widerspiegeln sollte, oder aber durch die Blindheit desjenigen, der sie erkennen sollte. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, daß Gott dem Menschen die ganze Schöpfung anvertraut hat, damit er ihr Verwalter sei und Sorge dafür trage, sie zur Vervollkommnung zu führen und alle Brüder daran teilhaben zu lassen. Mögen die Christen, in dieses Werk ihre unbesiegbare Hoffnung auf die Zukunft des von Gott erlösten Menscheneinbringen! Mögen alle Bewohner des Tschad die fruchtbare Zusammenarbeit für die Einheit des Landes und des afrikanischen Kontinents fortführen! Möge der geeinte und in Frieden lebende Tschad zum Wohl und zur Eintracht der Menschen beitragen. 351 REISEN 2. Pastoralbesuch in Ivrea (18./19. März) Christus ist das verheißene Land Predigt bei der Messe in Ivrea am 18. März 1. „Wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben“ (Joh 4,14). Liebe Brüder und Schwestern in Christus der Diözese Ivrea und ihrer Nachbardiözesen! Wir sind heute hier um den Altar Christi versammelt, um „von dem Wasser zu trinken, das er uns gibt“. Ich begrüße euch alle herzlich, und mit Dankbarkeit nehme ich die Gelegenheit wahr, euch und eure tiefen religiösen Traditionen kennenzulemen. Mit brüderlicher Liebe begrüße ich Bischof Luigi Bettazzi sowie die einheimischen Diöze-sanbischöfe, die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die den evangelischen Sauerteig inmitten der christlichen Gemeinschaft bilden. Einen besonderen Gruß richte ich an die zivilen Obrigkeiten, die dieses Treffen durch ihre Teilnahme beehren. 2. Die Liturgie des dritten Fastensonntags bezieht sich auf die Erfahrung in der Wüste. Die Wüste! Gestattet mir, auf meine jüngste Pilgerfahrt nach Afrika in die Sahel-Länder zurückzukommen: Kap Verde, Guinea-Bissau, Mali, Burkina-Faso und Tschad. Alle liegen im Umkreis der großen afrikanischen Wüste: ein Teil im Bereich der Sahara, ein anderer Teil an ihrem Rand. Alle diese Länder sind von der gleichen Gefahr bedroht: die Wüste dehnt sich aus und verdrängt den Menschen aus den früheren Anbaugebieten. Sie beraubt ihn aller lebenswichtigen Voraussetzungen. Die Wüste Sinai, durch die Mose die Söhne und Töchter Israels führte, ist weder so groß noch so gefährlich wie die Sahara. Trotzdem droht in beiden Gebieten die gleiche Gefahr: der Tod durch Verdursten, weil kein Wasser vorhanden ist. „Warum hast du uns überhaupt aus Ägypten hierher geführt? Um uns, unsere Söhne und unser Vieh verdursten zu lassen?“ (Ex 17,3). <255> <256> <257> <255> Die Begebenheit in der Wüste Sinai stellt eines der Hauptthemen der Fastenliturgie dar. Die vierzigtägige Fastenzeit soll uns an die vierzig Jahre lange Wanderung Israels in das verheißene Land erinnern. Das verheißene Land ist Christus, sein Ostern. In vierzig Tagen pilgert die Kirche hin zu ihm - dem Felsen, aus dem das Wasser des Lebens in der Wüste der Menschheitsgeschichte entsprungen ist. Christus selbst hat dies zum Ausdruck gebracht, als er in Sychar am Jakobsbrunnen zur Samariterin sagte: „Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder Durst bekommen; wer aber von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur spru- delnden Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (Joh 4,13-14). Das Wasser — eine wichtige Metapher des offenbarten Wortes! Wasser - ein großes sakramentales Zeichen des Neuen Bundes und des neuen Lebens! Mose berührte den Felsen mit seinem Stab 352 REISEN (vgl. Ex 17,5-6). Als der römische Soldat die Lanze in die Seite des gekreuzigten Christus stieß, floß Blut und Wasser heraus (vgl. loh 19,34). 4. Auf diese Weise sah sich die Hoffnung erfüllt, „die nicht zerstört werden kann, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unseren Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Sie ist uns durch den Kreuzestod Christi zuteil geworden, durch sein Erlösungsopfer. Sie wurde uns gegeben gleichsam wie Wasser, das in unsere Herzen reichlich „ausgegossen“ wird, damit es die unfruchtbare Wüste in eine reiche Ernte des Lebens und der Gnade umwandelt. Die lebenspendende Kraft des Wassers, die lebenspendende Kraft des Heiligen Geistes, „die uns gegeben ist“! In ihm schenkt Gott selbst, der das Leben und die Heiligkeit ist, sich den Menschenseelen. Er macht die Wüste fruchtbar. 5. Bedeutsam sind die Worte Jesu an die samaritanische Frau beim Jakobsbrunnen: „Vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudelnden Quelle werden, deren Wasser das ewige Leben schenkt“ (Joh 4,14). Die Quelle ist in Gott selbst. Die Quelle ist im Erlösungsopfer Christi. Durch den Heiligen Geist „sprudelt“ diese Quelle im Menschen. Quellwasser ist rein. Es symbolisiert die Reinheit des menschlichen Gewissens, die Reinheit der inneren Wahrheit. Genauso geschah es der Samariterin am Brunnen: „Er hat mir alles gesagt, was ich getan habe“ (Joh 4,39). Christus hat ihr das innere Auge des Gewissens geöffnet über die Wahrheit der Werke, über die Wahrheit ihres ganzen Lebens. Das ist die erste Heilshandlung, die Heils Wirkung des Wassers, das ewiges Leben schenkt. Darin besteht die erste Wirkung des Heiligen Geistes, durch den Gottes Liebe in unsere Herzen „ausgegossen“ ist. Hierin liegt auch der erste und grundlegende Ruf der Fastenzeit: „Er ist wirklich der Retter der Welt: Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe“ (Zwischengesang, vgl. Joh 4,42.15). Die Fastenzeit ist die Zeit der Umkehr der menschlichen Gewissen zur Wahrheit, die Zeit der Sündenvergebung, die Zeit der „metanoia“. <258> <258> Durch die Wahrheit des Gewissens - wie durch die Reinheit des Wassers - öffnet sich der Weg für die „wahren Anbeter“ Gottes. Christus sagt: „Die wahren Beter werden den Vater anbeten im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden. Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten“ (Joh 4,23-24). Gott, der Geist und Wahrheit ist, will uns in der Wahrheit unserer Gewissen, in der Wahrheit unserer Werke begegnen, Gott, unser Vater, will uns durch seinen eingeborenen Sohn, durch die umwälzende Wahrheit seines Ostergeheimnisses begegnen, in dem sich die unerschöpfliche Quelle des lebendigen Wassers geöffnet hat, das ewiges Leben schenkt. Dies ist der ewige Wille des Vaters. Dies ist sein Heilswille. Dieser Wille ist die Speise des Sohnes (vgl. Joh 3,34). Christus, der Erlöser, möchte diese Speise mit uns teilen. Die gepflügten Felder Gottes sind „reif für die Ernte“. Ständig neue Generationen treten ein in diesen Heilswillen des Vaters, der die Speise des Sohnes ist - und unsere in Einheit mit ihm. Es ist die Speise der Wahrheit und der Liebe, ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben wurde. 353 REISEN 7. Gott sagt zu Mose in der Wüste: „Nimm auch den Stab in die Hand ... Dann schlag an den Felsen: Es wird Wasser herauskommen, und das Volk kann trinken“ (Ex 17,5-6). Das ist die Fastenzeit, die Zeit, an den Felsen zu schlagen, um Wasser herausfließen zu lassen, das wirklich den Durst stillt: das Wasser, das die tiefste Sehnsucht der menschlichen Seele, die Sehnsucht nach Wahrheit und Liebe erfüllt. Jener Ort in der Wüste Sinai wurde „Massa und Meriba“ genannt. Dort hatten die Israeliten mit dem Herrn gestritten und ihn auf die Probe gestellt (vgl. Ex 17,7). Wie viele solcher Orte gab und gibt es noch auf der Erde! Wie viele verschiedene Namen mögen sie haben! Auf wie viele Arten streiten die Menschen mit Gott und stellen ihn auf die Probe! Es ist notwendig, daß alle Menschen das Wort Christi hören. Es ist notwendig, daß alle, wie die Samariterin, zu ihm sagen: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe“ (Joh 4,15). Es ist notwendig, daß sie alle den Mut aufbringen, an den Fels zu schlagen. Es ist notwendig, daß ihr Gläubigen der Kirche von Ivrea diesen Mut habt. Die Zukunft des Christentums hängt auch von eurem Mut ab. Nähert euch Christus, dem Felsen. Nähert euch ihm und pocht mit dem Stab eures Glaubens an sein Herz, damit aus ihm das Wasser der Gnade fließt, das euren Seelen Leben schenken kann. Nähert euch und klopft mit viel Mut! Dieses Wasser wird in euch zur „sprudelnden Quelle, die euch ewiges Leben schenkt“. Amen. Den Menschen eine Hoffnung geben Ansprache an die Priester, Ordensleute und Laien in der Kathedrale von Ivrea am 18. März Ehrwürdiger Bruder im Bischofsamt, liebe Priester und Ordensleute; liebe Laien! 1. Mit Aufmerksamkeit habe ich die verschiedenen Beiträge, angefangen bei dem eures Bischofs, angehört. Sie haben mir die heute in der Diözese am meisten gespürten Probleme nahegebracht, die eure Vertreter für die verschiedenen Bereiche dargelegt haben: bei der Tätigkeit des Pastoralrates, bei der Evangelisierung, der Katechese, Kultur und Liturgie, der Sozial- und Familienpastoral, bei der Jugend und am Arbeitsplatz, endlich im Leben der Gemeinschaft. Im Licht auch der übrigen Kontakte, die mir eure Wirklichkeit als Kirche aufgezeigt haben, stelle ich gern einen großen Reichtum verschiedenster Initiativen fest, die von der Lebenskraft und Einsatzfreude zeugen, mit der eure Kirche die vom letzten Konzil eingeleitete Reform durchzuführen sucht. Das Zusammentreffen unserer Begegnung mit dem Fest des hl. Josef scheint angesichts der Tatsache besonders bedeutsam, daß eines der am meisten charakteristischen Elemente im Leben der Diözese gewiß die Verbindung von so tief menschlichen Wirklichkeiten ist, wie sie die Welt der Arbeit mit sich bringt, und allem, was jeweils dazugehört, wie das Wirtschaftsleben, die Rechte der Gruppen und der Personen, das soziale und das Familienleben, 354 REISEN nicht zuletzt auch das geistliche und kirchliche Leben. Die menschliche Person ist ja nicht aus jeweils abgeschlossenen Teilen aufgebaut; zwischen ihren materiellen und geistigen Interessen vollzieht sich vielmehr ein vielfacher Austausch, so daß es wichtig wird, daß eine Interessensphäre nicht mit der anderen in Konflikt kommt, vielmehr jede zur möglichst guten Verwirklichung des Menschen beiträgt. 2. Meine Lieben, wir sind hier heute abend beisammen, um über einige pastorale Auswirkungen dieses grundlegenden Prinzips nachzudenken. Wenn ich also meine Freude, unter euch weilen zu dürfen, ausspreche, dann möchte ich mit meinem herzlichen Gruß einen besonderen Gedanken für die einzelnen verbinden, auch wenn mir kein persönlicher Kontakt mit jedem einzelnen möglich ist. Ich sehe bei dieser unserer Begegnung in der Kathedrale jenen Teil der Kirche Gottes in Ivrea vor mir, der ein besonders aktives christliches Zeugnis und aktive Dienstbereitschaft den Mitmenschen gegenüber zeigt. Ich denke in dieser Stunde aber auch an den anderen Teil der Gemeinschaft der Christen, der zwar den Augen der Menschen verborgen, doch Gott wohlbekannt ist: ich meine die Schar der kontemplativen Mönche und Nonnen, die zwar zurückgezogen in ihren Klöstern leben, deswegen aber nicht weniger präsent und für das Heil der Seelen sowie den geistlichen Fortschritt der Ortskirche tätig sind. Ich denke ferner an alle Kranken, Alten und alleinstehenden Personen, die durch ihren Glauben und die Aufopferung ihres Leidens eine sehr kostbare und unersetzliche übernatürliche Aufgabe erfüllen können. Ich denke endlich an die Kinder, die mit ihrem Gebet und ihrer Unschuld wertvolle Werkzeuge des Heiligen Geistes beim Aufbau des Reiches Gottes und bei der Entwicklung der Kirche sind. <259> <260> <261> <259> In euren Ausführungen trat neben dem Thema Arbeit und soziale Gerechtigkeit auch das der neuen Evangelisierung hervor, die heute, angefangen bei den europäischen Ländern, immer notwendiger wird, und die von jedem eine Antwort auf die persönliche Berufung als Christ erfordert, der in der Gesellschaft, in der er lebt, etwas leisten möchte. Evangelisieren bedeutet vor allem Christus verkünden, um den Menschen eine Hoffnung zu geben, mit deren Hilfe sie nicht nur die Welt umwandeln können, sondern die sie auch für das übernatürliche Leben öffnen kann. Evangelisieren bedeutet, sich hinzugeben und zu schenken wissen, damit unsere Brüder und Schwestern zu einem Leben finden, das immer mehr ihrer Würde als Geschöpfe, als Kinder Gottes und von Christus Erlöste entspricht. Evangelisieren bedeutet, sich im Namen der Heiligkeit des Lebens für die Wahrung einiger Grundwerte einsetzen, von denen sogar das Überleben der Menschheit abhängt, das heute von zahlreichen Gefahren bedroht wird. Liebe Priester,'Ordensleute und in den verschiedenen Bereichen, Verbänden und Bewegungen engagierte Laien, welch wunderbares Kapital an geistlichen Kräften könnt ihr für diese zugleich irdische und überirdische Aufgabe zur Verfügung stellen, jeder in dem klaren Bewußtsein von seiner jeweiligen Berufung sowie in demütiger und mutiger Treue zum eigenen Charisma, zur eigenen Aufgabe und Sendung! Bemüht euch, Wert und Ziel der empfangenen Gaben immer besser zu erkennen, um sie glutvoll zu lieben, eifrig zu hüten, vor jeder Gefahr zu schützen und hochherzig fruchtbar zu machen. Achtet immer mit gesunder Unter- 355 REISEN scheidungsgabe auf die Bedürfnisse der Umwelt, die euch umgibt oder in die euch der Gehorsam hineinstellt, und wißt jede mögliche Gelegenheit zum Dialog auszumachen, um den Mitmenschen die bleibenden Lehren des Evangeliums zu vermitteln. Das evangelisierende Wirken muß mit dieser doppelten Aufmerksamkeit beginnen: es muß auf die erhaltenen Gaben und auf die Bedürfnisse des Menschen achten, immer im Licht des Wortes Gottes, wie es in der Schrift enthalten ist und von der heiligen Überlieferung weitergegeben wird, wie es die Väter und Lehrer erläutern und das Lehramt der Kirche vorlegt, und schließlich, wie es die Heiligen leben. Verliert nie diese Quellen aus dem Blick! 4. Ich bin zuversichtlich, daß ihr in eurer Wirklichkeit als Kirche genügend für die neuen Aufgaben der Evangelisierung vorbereitet seid, die sich heute nicht nur auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene stellen. Seit längerer Zeit erfahren eure Stadt und euer Gebiet das Phänomen der Ein- und Auswanderung: wobei die Auswanderung mehr für die Vergangenheit typisch war, während es die Einwanderung vor allem für heute ist. In jedem Fall haben diese Ströme von Personen bewirkt, daß eure Stadt alsbald die engen Grenzen einer provinziellen Mentalität überwunden und sich an die Wertschätzung eines vielfältigen und pluralistischen Zusammenlebens von Menschen gewöhnt hat. Dabei haben sich untereinander recht verschiedene Kulturen und Sitten ausgetauscht. Dies hat euch an Dialog und Toleranz gewöhnt, die jenes unerläßliche Klima gegenseitiger Achtung und gegenseitigen Vertrauens schaffen, in dem man gemeinsam weiterkommen und die jeweiligen Errungenschaften austauschen kann, um immer tiefer den kennenzulemen, der die Wahrheit selbst ist. 5. Wie von den neueren Äußerungen des kirchlichen Lehramtes bekräftigt wurde (vgl. z. B. das Apostolische Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 66-73), spielt bei der Evangelisierung jeder seine spezifische Rolle, die auch geachtet und geschätzt werden muß, natürlich immer unter Wahrung der Koordinierung des eigenen Tuns mit dem der anderen. Evangelisieren darf und kann ja keine Privatangelegenheit sein, sondern solidarische Leistung der gesamten Gemeinschaft unter Führung des Bischofs, der ihr legitimer Hirte ist. Im Raum der Solidarität wird der Priester auch nicht den Ordensmann oder die Ordensfrau ersetzen können, und diese dürfen ihrerseits nicht meinen, sie könnten ohne Laien auskom-men. Dies alles aber ohne Härten oder Ausschließlichkeitsanspruch. Stehen höchste Werte der Lehre oder Disziplin auf dem Spiel, muß gemeinsam vorgegangen werden, in gleicher Sprache und gleichem Ton. Handelt es sich dagegen um weniger wichtige Aspekte, bei denen z. B. die Umstände jeweils andere Lösungen nahelegen, muß man eine berechtigte Freiheit des Wortes und der Initiativen zugestehen, in der Überzeugung, daß der Beitrag eines jeden dank des inneren Wirkens des Geistes zum Vorteil für alle wird. <262> <262> Das Evangelisierungswerk ist, vor allem heute, unlösbar verbunden mit der Förderung der Berufungen zum Priester- und Ordensstand. Ihr wißt gut, wie oft ich selbst auf diesen Punkt zurückgekommen bin. Seine Wichtigkeit und Dringlichkeit drängt mich, ihn bei jeder günstigen Gelegenheit wieder aufzugreifen, und ich weiß, daß auch ihr daran ernsthaft interessiert seid. Das erste, wozu ich euch auffordem möchte, ist ein neues, festes Vertrauen, daß Charismen, wie die des Priestertums und des gottgeweihten Lebens, nicht nur erhalten bleiben, sondern möglicherweise und vielleicht bald schon wieder neu aufblühen. Lassen wir uns nicht von 356 REISEN den Statistiken überwältigen: die Sendung des Priesters und des Ordenschristen sind gewiß an die sich wandelnden Verhältnisse der Gesellschaft gebunden, hängen aber nicht einzig davon ab. An ihrem Ursprung steht vielmehr die transzendente Kraft des göttlichen Geistes, der „weht, wo er will“ (Joh 3,8). Beim Blick auf die lange Geschichte der Kirche sehen wir, daß all jene wesentlichen Werte, die in bestimmten Zeiten eine Krise durchgemacht haben, dann unfehlbar, gerade wegen ihrer wesentlichen Bedeutung, wieder hochgekommen sind. Der heutige Reichtum an Diensten und Charismen unter den Laien, Männern und Frauen, kann gewiß als Segen des Heiligen Geistes gelten, doch es wäre ein schwerer, von ungesundem Säkularismus eingegebener Irrtum, wenn man denken wollte, ein solches Aufblühen von laikalen Initiativen und Diensten sei dazu bestimmt, das Priestertum und die Weihe an Gott im Ordensstande zu ersetzen. Das Ziel, welches der Geist mit diesen neuen Äußerungen seiner lebendigmachenden Gegenwart verfolgt, ist nicht ihr Ersatz, sondern ihre Eingliederung in ein sich gegenseitig ergänzendes Gesamtgefüge. 7. Der zweite Schwerpunkt, auf den ich eure Aufmerksamkeit hinlenken möchte, ergibt sich direkt aus den bisherigen Gedanken: wenn das Charisma des Priestertums und das des gottgeweihten Lebens notwendig sind, dann müssen wir uns auch zu neuem und überzeugterem Tätigwerden auf diesem für die Pastoral der Berufungen so überaus wichtigen Gebiet auf gerufen fühlen, und es werden uns dabei die Anregungen und Hilfen des Heiligen Geistes nicht fehlen. Er selbst ist „in erster Person“ am Erfolg dieses Werkes interessiert. Der Heilige Geist rechnet jedoch mit unserer Mitarbeit. Wir müssen also alle jene menschlichen Mittel bewußt einsetzen, die sich als für dieses Ziel besonders geeignet erweisen. Insbesondere - und hier wende ich mich speziell an die Priester - ist es heute mehr denn je angebracht, die Wichtigkeit der Seelenführung als sachlichen, diskreten und hochherzigen Dienst neu ins Auge zu fassen, mit dessen Hilfe die Menschen die Wege des Herrn entdecken. Mit diesen Bitten und Wünschen wende ich mich an die seligste Jungfrau Maria, die Königin der Apostel, sie möge euch auf eurem Weg des Zeugnisses für Christus nie die Hilfe ihres mütterlichen Beistandes fehlen lassen. Möge euch ferner immer die Gemeinschaft der Heiligen stärken und stützen, an denen eure Diözese so reich ist. Bei dieser Gelegenheit denke ich besonders an den jungen Gino Pistoni, dessen Gestalt gerade ihr Laien als leuchtendes Beispiel gänzlicher Hingabe an Christus, die Kirche und das Wohl der Gesellschaft gewiß kennt. Ahmt die Festigkeit seines Glaubens und die Hochherzigkeit seines Geistes nach! Schließlich möchte ich noch meine Freude über die Faksimile-Ausgabe des Sacramentale von Pius von Varmondo aussprechen, eines für die Geschichte der Liturgie und der Theologie wertvollen Textes. Er ist Zeuge für einen Weg des Glaubens und ein bezeichnendes Dokument für das liturgische Leben der Gemeinschaft der Kirche und zugleich für Literatur und Kunst. Ich danke den Herausgebern und allen, die die neue Ausgabe dieses kostbaren Buches besorgt haben, deren erstes Exemplar mir als Andenken überreicht wurde. Ich bin auch dem Bischof, dem ehrwürdigen Kapitel und den öffentlichen Autoritäten dankbar, die die Arbeit gefördert und unterstützt haben. Euch allen gilt mein herzlicher besonderer Segen. 357 REISEN Erste Opfer ökologischen Mißbrauchs sind die Landwirte Ansprache an die Landwirte der Diözese Ivrea am 19. März 1. Ich begrüße euch alle herzlich, Landwirte, Kleinbauern und Vertreter der Verbände, die eure Rechte garantieren, und danke für eure Anwesenheit und für die Worte, die mir gerade im Namen aller übermittelt worden sind. Der Wunsch, euch an diesem Festtag der menschlichen Arbeit zu treffen, war besonders dadurch gerechtfertigt, daß die Landwirtschaft in dieser Diözese noch eine große Rolle spielt. Dank der neuen Technologien konnte sie sich sogar sehr gut weiterentwickeln. Das bedeutet, daß, auch wenn in dieser Gegend einer der wichtigsten Pole der modernen Industrie entstanden ist, der Boden, der sich am Ufer der Dora und des Orco entlang erstreckt, seine landwirtschaftliche Tradition beibehalten und auf den neuesten Stand gebracht hat. Dabei wurden die Pflanzungen zweckmäßig bestimmt und die Errungenschaften der Mechanik und der Informatik bei der Arbeit eingesetzt. 2. Jeder weiß, wie die Versuchung des Industriezeitalters, den Bereich der wichtigsten Tätigkeiten außer acht zu lassen und den Arbeitern andere Aufgaben zuzuteilen, die Landarbeit stark betroffen, ja fast erniedrigt hat. Heute jedoch sieht sich die Weltwirtschaft gezwungen, deren grundlegende Bedeutung von neuem abzuwägen und die Notwendigkeit anzuerkennen, daß der Anbau mehr denn je gesteigert werden muß im Hinblick auf den vermehrten Bedarf der Weltbevölkerung. Um diesen Erwartungen entsprechen zu können, muß sich die Landwirtschaft die modernen Technologien zu eigen machen, dabei aber beachten, daß das Leben der Bauern und der Verbraucher keinen Schaden leidet. Eine verstärkte tatkräftige Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und anderen Wirtschaftsbereichen wird immer dringender notwendig. Doch dabei muß der Versuchung zum „Profit um jeden Preis“ unbedingt widerstanden werden, denn bekanntlich sind die ersten Opfer ökologischen Mißbrauchs gerade die Landarbeiter. Deshalb erfordert die Modernisierung der Landwirtschaft auch eine neue Gewissensbildung. Jeder Arbeiter muß egoistische Beeinflussungen überwinden und der ernsten moralischen Verpflichtung folgen, die die Solidarität auferlegt. <263> <263> Liebe Landarbeiter, wißt in den großen Veränderungen unserer Zeit die menschlichen und religiösen Werte eurer Tradition zu schätzen, und laßt euch von ihnen zu konkreten Zeichen der Brüderlichkeit anregen. Euch allen gilt mein Wunsch und meine Hoffnung, daß Ihr euch an der verdienten Vergütung für eure Mühe erfreuen könnt, und daß ihr volle Anerkennung für euren wertvollen Beitrag zum allgemeinen Fortschritt erhaltet. Daher möchte ich die öffentlichen Behörden auffordem und ermutigen, sich mit Entschlossenheit und Vertrauen für die gebührende Verteidigung eurer Rechte und für eine ernsthafte Förderung des ganzen landwirtschaftlichen Sektors einzusetzen. Euch lege ich nahe, die Werte der Aufmerksamkeit, der Solidarität und der gegenseitigen Hilfe zu bewahren. Vor allem empfehle ich euch, den Sinn für Gott in euch lebendig zu erhalten. Gebt diese Werte euren Kindern weiter, und pflegt in ihnen den religiösen Geist in einer 358 REISEN starken und gesunden ländlichen Kultur. Handelt in wirklicher Brüderlichkeit, und seid Zeugen der Liebe Christi, die allen Menschen offensteht. Mit diesen Empfindungen erteile ich euch allen, euren Familien und allen euren Arbeitsgemeinschaften meinen Segen. Lebendige Rebzweige der Kirche sein Ansprache an die Jugendlichen in der Diözese von Ivrea am 19. März Liebe Jugendliche der Diözese Ivrea! 1. „Die Freude am Herrn ist eure Stärke“ (Neh 8,10). Jedes Mal, wenn mir die Gelegenheit geboten wird, Jugendliche zu treffen, wird mir klar, wie wunderbar es noch heute ist, die Botschaft des Evangeliums zu empfangen, und sie mit all ihren Anforderungen zu leben. Die Begeisterung eures christlichen Zeugnisses, das die Übereinstimmung von bekanntem Glauben und praktischer Lebensführung konsequent zu verwirklichen sucht, zeigt die ewige Jugend der Kirche, des lebendigen Leibes Christi, der immer wieder durch seinen Heiligen Geist der Liebe erneuert wird. Ja, es ist wahr, „die Freude am Herrn ist eure Stärke“! Ich bin glücklich über diese festliche Verabredung mit euch, den Vertretern aller jugendlichen Energien der Diözese. Ich danke euch und begrüße euch von Herzen. Mein Aufenthalt in dieser Gegend war nur kurz, doch ausreichend, um die Erwartungen, die Sorgen, die Pläne und die Schwierigkeiten zu erkennen, die ein Teil eurer täglichen Erfahrung sind. Ich habe die Stimme einiger Mitglieder des Volkes Gottes rangehört, das hier auf der Pilgerschaft ist. Ich habe viele Menschen kennengelemt. Mit der ganzen Gemeinschaft habe ich die Eucharistie gefeiert, „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (Lumen Gentium, Nr. 11). So habe ich mich zutiefst am Weg eurer Diözese beteiligt. Bevor ich nun nach Rom zurückkehre, möchte ich euch Jugendlichen, die ihr die Hoffnung der Kirche und die Zukunft der Menschheit seid, die besondere Aufgabe anvertrauen, mit dem Geschenk eures Daseins die Zukunft des Christentums auf dieser Erde aufzubauen. Euch wiederhole ich das, was ich in der Botschaft für den Weltjugendtag dieses Jahres geschrieben habe: „Stellt der Kirche eure jungen Talente ohne Einschränkungen zur Verfügung, mit der Großmut, die eurem Alter eigen ist. Nehmt euren Platz in der Kirche ein; er besteht nicht nur darin, Seelsorge entgegenzunehmen, sondern vor allem darin, sich aktiv an der Sendung der Kirche zu beteiligen.“ Ja, „die Kirche ist euer, ihr selbst seid die Kirche!“ Jungen und Mädchen von Ivrea, ich danke euch für das, was ihr mir durch eure Vertreter mitgeteilt habt. Ihr dürstet nach Wahrheit und seid auf der Suche nach einer ernsthaften christlichen Bildung. Begnügt euch nicht mit einem Aktivismus, der arm an Motiven ist, sondern vereint in euch harmonisch den Glauben und das Leben. In dieser Hinsicht habt ihr an das heldenhafte und bewegende Zeugnis eures jungen Landsmannes Gino Pistoni erinnert, an dessen Beispiel ihr euch halten wollt, und ihr fürchtet euch nicht davor, das Leben für hohe Werte einzusetzen und „reinen und edlen Idealen zu folgen“. 359 REISEN 2. Bevor wir uns trennen, erlaubt mir, daß ich euch im Hinblick auf den fünften Jugendtag, der am Palmsonntag in allen Diözesen gefeiert wird, einige kurze Überlegungen anvertraue. Ich möchte nochmals den Aufruf meiner Botschaft an euch wiederholen: „Jugendliche, seid lebendige Rebzweige am Weinstock der Kirche!“ Wenn ich euch ansehe, kommt mir das unvergeßliche Erlebnis vom vergangenen August wieder in den Sinn, an dem auch einige von euch teilgenommen haben. Es war ein kirchliches Ereignis von außergewöhnlicher Bedeutung, bei dem Tausende von Jugendlichen aller Kontinente einstimmig den lebendigen Glauben der Kirche bezeugt, der Welt die Hoffnung des Evangeliums verkündet und ihr die Freude der Treue zu Jesus, dem Herrn, gezeigt haben. Aber damit diese großartige Glaubenskundgabe nicht nur eine, wenn auch erhebende Erinnerung bleibt, muß der Geist, der sie vorbereitet und zutiefst beseelt hat, verbreitet werden. Die dort verkündete Heilsbotschaft muß überallhin gelangen können, bis an die entferntesten Orte der Welt. Junge Gläubige, ihr seid es, die diese Mission mit Konsequenz und Großmut erfüllen müssen, wo immer ihr euch auch befindet. Jugendliche der Diözese Ivrea, seid lebendige Rebzweige der Kirche Christi! Unsere Zeit erwartet von euch nun einen mutigen Antikonformismus: gebt euch vollkommen in die Hände Gottes und wachst immer mehr im Durst nach der Wahrheit und der Liebe, ohne Opfer zu scheuen und ohne euch den anderen zu versagen! Begeistert euch an eurem Glauben und „die Freude am Herrn sei eure Stärke“! Jugendliche, Christus wird euch helfen! 3. Es ist wahr, bisweilen ist das Leben nicht einfach, da es voller Fragen und Sorgen steckt. In Dingen, die das Gewissen beunruhigen und den Glauben angehen, ist es schwierig, eine Antwort zu finden. Wenn die Medien z. B. die öffentliche Meinung auf Hunger und Trockenheit in großen Gebieten der Welt aufmerksam machen, auf den Tod unschuldiger Kinder infolge Unterernährung und Krankheiten, auf endlose Kriege, die ungezählte Menschenleben dahinraffen, auf die Umweltverschmutzung, die das Gleichgewicht der Umwelt stört, auf die ungerechte Unterdrückung der Schwachen und den scheinbaren Sieg des Bösen, so fragt man sich, wo sich das liebende Antlitz Gottes verborgen hat. Man fragt sich, warum viele Unschuldige zu Opfern von Naturkatastrophen oder menschlichem Egoismus werden. Auch in euch kann es Augenblicke der Verwirrung und der Dunkelheit geben. Ihr stellt euch Fragen über den Sinn des Lebens, über die Zukunft der Menschheit und über eure eigene Zukunft. Ihr grübelt nach über das Geheimnis Gottes und das Geheimnis des Menschen, ohne um euch her zufriedenstellende Antworten zu finden. Die Versuchung liegt nahe, entmutigt aufzugeben. Es ist aber gefährlich, euch einem Massenkonformismus hinzugeben, euch vom künstlichen Paradies der Droge bezaubern oder von entfremdenden Ideologien, oft Ideologien der Gewalt, verleiten zu lassen. Horcht im Innersten eures Herzens auf die Frage, die zum Bittgebet wird: „Gott, wer bist du für mich? Und wer bin ich für dich?“ Und habt keine Angst: öffnet dem Vertrauen euer Herz. „Habt keine Angst - schrieb ich in der Botschaft für den Jugendtag - denn Christus und seiner Kirche vollkommen zu dienen, ist eine wunderbare Berufung und ein großartiges Geschenk. Christus wird euch helfen.“ 360 REISEN 4. Er wird euch nicht nur helfen, eine Antwort auf die vielen Fragen zu finden, die euch innerlich bewegen, sondern er wird euch zu seinen Freunden und Aposteln machen. Denn wenn es wahr ist, daß die Welt Gottes und die Welt des Menschen so weit entfernt voneinander erscheinen können, so dürft ihr nicht vergessen, daß sich in Jesus Christus das Treffen zwischen dem Vater und der versöhnten Menschheit bewahrheitet hat. In ihm, der unser Bruder wurde, können wir die Größe unserer menschlichen Berufung und die Sendung zum Aufbau der Brüderlichkeit wiederentdecken. Wir sind dazu berufen, das Leben zu lieben. Gott ist der Herr des Lebens und will, daß ihn der Gläubige mit seinem Leben lobpreist, das durch die Freude neu gestaltet ist. Jugendliche, die ihr aufgerufen seid, das Leben zu lieben, teilt die Leidenschaft, die Gott für jeden Menschen hat! Fürchtet nicht das Leid und das Kreuz, denn das Ostergeheimnis gehört zu dem Glück, das der Vater für uns plant in dem, was er von uns fordert. Seid im Gegenteil bereit, mit Christus zu leiden, und auch mit eurem Leid am Heil der Welt mitzuarbeiten. Vor allem vertraut euch ihm an. Vergeßt nie: das Leben Jesus Christus schenken und es für ihn verlieren, bedeutet die Liebe entdecken. Seid Zeugen der Liebe, lebt die Liebe! Und Jesus wird euch helfen. 5. In der Schule, bei der Arbeit, in der Familie, in der Pfarrei, wo immer ihr auch seid, habt ihr, liebe Jugendliche, die Aufgabe, euren Gleichaltrigen den Glauben zu übermitteln, konsequent alle Anforderungen des Evangeliums zu bezeugen und mit denen, die es nötig haben, die Begabungen zu teilen, die euch Gott geschenkt hat. Viele von euch dienen ihren Brüdern schon tatkräftig mit einem katechetischen und missionarischen Einsatz, im Freiwilligen- und Zivildienst, und indem sie sich der Ärmsten annehmen und für die Leidenden sorgen. Ich fordere euch auf, in diesem Wettstreit der Großmut fortzufahren, denn während ihr euch dem Nächsten widmet, bereichert ihr euch an der Liebe Gottes und baut eine neue Menschheit auf. Gebt Rechenschaft von der Hoffnung, die euch erfüllt, und vergeudet nicht euer Leben auf der Suche nach egoistischen Entschädigungen. Lauft nicht falschen Illusionen nach, die euch unerbittlich plattschlagen. Laßt den Keim der Liebe, der euch in der Taufe eingesenkt wurde, Frucht bringen zum Lobpreis Gottes. Lebt in der Kirche! In ihr erfahrt ihr, daß das Leben des Gläubigen vertrauensvolle Hingabe an die Vorsehung bedeutet. Ihr entdeckt, daß sich Gott anvertrauen nicht bedeutet, vor dem Alltagsleben zu fliehen, sondern es mit großer Hingabe zu bewältigen, und hart zu arbeiten, um die Welt für alle Menschen gastfreundlich zu gestalten. Die Kirche braucht auch den ungeteilten Dienst der Priester und Ordensleute. Wenn der Herr euch ruft, seid bereit, seine Stimme zu erkennen und sein Angebot anzunehmen. 6. Wie ihr wißt, setzt all das voraus, daß ihr Frauen und Männer des Hinhörens und des Gebetes seid, zur Innerlichkeit fähig und dürstend nach der „Quelle, deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (Joh 4,14). Wenn ihr betet, tretet ihr in engen Kontakt mit Gott, der euch hilft, eurem Leben den vollen Sinn zu geben. Im Getriebe der modernen Zivilisation gibt es immer weniger Platz für die Stille; und doch ist das eine notwendige Voraussetzung, um auf den Herrn hören zu können, der durch das „sanfte, leise Säuseln“ (I Kön 19,12) zu uns spricht. 361 REISEN Jugendliche, liebt die Stille! Die Einsamkeit mit Christus ist nie Isolierung, sondern geheimnisvolle Anwesenheit bei allen. Spürt auf diesem Weg des Gebetes und des Einsatzes die Fürbitte der Heiligen euch zur Seite. Die Fürbitte des hl. Josef, des stillen Handwerkers, der auserwählt war, am Werk der Erlösung teilzuhaben. Schaut auf Maria, seine Frau, die Mutter des Erlösers, das Vorbild jedes Christen. Sie hat, nach Christus, mehr als alle anderen das Geheimnis Gottes verstanden und geht uns zur Seite als Mutter der Kirche und Schwester der Menschheit. Dann werdet ihr in der Tiefe eures Herzens die Antwort Gottes auf eure vielen Fragen vernehmen, und ihr werdet merken, daß gerade das Alltagsleben in seiner Einfachheit und Monotonie der Ort ist, an dem er sein Erlösungswerk fortsetzt. Jesus ruft uns auf, ihm zu folgen, und macht uns zu seinem Volk, zu seinen Freunden, zu seiner Kirche. Ihr seid ein lebendiger Teil und wertvolle Apostel dieser Kirche. Liebt sie, setzt euch für sie ein, helft ihr, immer jung zu bleiben. Die Kirche ist euer, vielmehr ihr selbst seid die Kirche! Das ist der Auftrag, den ich euch hinterlasse, und zum Abschluß dieses Besuches grüße ich euch, liebe Jugendliche, euren Bischof, die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Laien und die ganze Diözese Ivrea. Mögen euch meine Zuneigung und mein besonderer Segen immer begleiten. Der Mensch hat den Primat Ansprache an die Führungskräfte und Arbeiter des Lancia-Auto Werkes am 19. März Liebe Brüder! 1. Ich weile unter euch aufgrund einer mir liebenswürdigerweise zugegangenen Einladung, : der ich gern entsprochen habe. Mein herzlicher Gruß gilt dem Präsidenten und dem delegierten Verwalter der FIAT, dem Direktor und den Führungskräften dieses Betriebes wie auch dem Rat der Fabrik und euch allen, liebe Arbeiter und Arbeiterinnen. Meine besondere Wertschätzung spreche ich für die Worte aus, die als getreuer Ausdruck der Gefühle, Sorgen und Hoffnungen in den Herzen aller an mich gerichtet wurden. Mit meinem Besuch bei euch am Tag des himmlischen Patrons der Arbeiter, des hl. Josef, möchte ich erneut die Sorge der Kirche für den Menschen, und zumal für den arbeitenden Menschen zum Ausdruck bringen. Diese Sorge äußert sich in ständiger Aufmerksamkeit, in tiefer Anteilnahme und aufrichtiger Freundschaft, aber auch in der Weckung der öffentlichen Meinung für die sich ergebenden Bedürfnisse und Probleme, immer im Geist der pastoralen Liebe und des Evangeliums der Arbeit. <264> <264> Beim Besuch der verschiedenen Abteilungen dieser Fabrik konnte ich das Ausmaß der modernen Technik und die „Großtaten“ der Automatisierung, aber auch die Wirkungen auf die Organisation der Arbeit, die sich daraus ergeben, bewundern. Die technologische Entwicklung, die seit zwei Jahrzehnten die Tätigkeit des Menschen kennzeichnet und beeinflußt, ist gewiß ein komplexer Vorgang. Sie steht auf der einen Seite mit 362 REISEN dem hohen Niveau ihrer Errungenschaften bewundernswert und beeindruckend da, weckt aber zugleich nicht geringe Sorgen wegen des Wandels, den sie bei der Organisation der Arbeit und beim sozialen Zusammenleben herbeiführt. Das Aufkommen der Automatisierung hat den Umfang des Kapitals in den Unternehmen durch den Einsatz kostspieliger und ausgeklügelter Apparate gesteigert, aber für den arbeitenden Menschen, für seine Familie und die Gesellschaft nicht wenige und nicht leicht zu lösende Probleme mit sich gebracht. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind einige von den deutlichsten Folgen der neuen Situation, vor denen heute die Welt der Arbeit steht. Und doch ist die Technik, in sich selbst und in ihren enormen Möglichkeiten betrachtet, „zweifellos eine Verbündete des Menschen. Sie erleichtert ihm die Arbeit, vervollkommnet, beschleunigt und vervielfältigt sie“ (Laborem exercens, Nr. 5) Damit dieses Bündnis aber Wirklichkeit werden kann, wird der Übergang von einer mechanistischen Auffassung der Arbeit zu ihrem personalen Verständnis immer dringender. Der wichtigste Punkt beim personalen Verständnis der Arbeit besteht in jenem zentralen Grundsatz, den die Kirche seit dem Aufkommen der sogenannten sozialen Frage vertritt, im Grundsatz nämlich vom Primat des Menschen vor der Arbeit und dem daraus sich ergebenden Grundsatz vom Primat des Menschen gegenüber der Technik, in der seine arbeitende Tätigkeit zum Ausdruck kommt. Das eigentliche Fundament dieses Grundsatzes ist theologischer Art, und das Buch Genesis legt es uns ausgesprochen realistisch dar, wenn es schildert, wie Gott dem Menschen die Aufgabe anvertraut, über die Kräfte der Schöpfung zu herrschen. Alle Errungenschaften der Wissenschaft sind Frucht des Forschens des Menschen, der im überaus reichen, ihm vom Schöpfer anvertrauten Erbe immer neue Energien entdeckt. Er wandelt sie als wirkliche Hauptperson um und macht sie für die verschiedenen Bereiche des Lebens nutzbar mit seinem Verstand, der spezifischen Fähigkeit seiner vernunftbegabten Natur, die keine Maschine, und wäre sie auch noch so vollkommen, je ersetzen kann. <265> <265> In unserer nach-industriellen Zeit sind auf die Welt der Arbeit vielfältige komplexe und zuweilen herzzerreißende Probleme zugekommen, von denen ich die Verminderung der Arbeitsplätze und die weltweit Druck ausübende Konkurrenz schon genannt habe. Dazu kommt die Notwendigkeit, die Produktivität den Forderungen des Marktes anzupassen und die Dringlichkeit, mit dem sich ständig beschleunigenden technischen Fortschritt Schritt zu halten. Das sind schwerwiegende Probleme, und doch darf man nicht vergessen, daß die Arbeit ihrer Natur nach eint. „Die Wirklichkeit der Arbeit ist dieselbe: die manuelle und die geistige Arbeit; die Arbeit in der Landwirtschaft und in der Industrie; die Arbeit im Dienstleistungssektor und in der Forschung; die Arbeit des Handwerkers, des Technikers und des Erziehers, des Künstlers oder der Hausfrau und Mutter; die Arbeit im Werk und die der mittleren und oberen Führungskräfte. Ohne die spezifischen Unterschiede zu verschleiern ... vereint die Wirklichkeit der Arbeit alle in einer Tätigkeit, die dieselbe Bedeutung und dieselbe Quelle hat“ (Der Apostolische Stuhl 1982, S. 625). Daraus ergibt sich ganz natürlich die Verpflichtung zur Solidarität als vorrangige und unverzichtbare Forderung, die wir unermüdlich erheben und fördern und überzeugend verteidigen müssen. Sie verzweigt sich zudem in viele Bereiche hinein. 363 REISEN Da geht es vor allem um die Solidarität innerhalb eines Betriebes: sie soll unter den verschiedenen am Produktionsprozeß beteiligten Gruppen die notwendigen gerechten und ausgewogenen Bedingungen schaffen, so daß alle sich in ihrer Würde geachtet und in ihrem fachlichen Können geschätzt sehen. Es muß daher darauf geachtet werden, daß die Einführung neuer fortgeschrittener Techniken sich nicht zum Schaden des Arbeiters auswirkt, dessen Primat gegenüber selbst der vollkommensten und modernsten Maschine immer zu wahren ist. Damit die Arbeit ferner immer ihr menschliches Antlitz behält und die erwähnten Bande der Solidarität zum Ausdruck bringt, bleibt auch die Förderung eines Klimas gegenseitiger Achtung, Hilfe und Unterstützung unter den Arbeitern wichtig, zumal bei den mit der Erfüllung der mühsamen Sendung der Arbeit verbundenen Schwierigkeiten. Das ist eine fundamentale Dimension, die „im Wesen der menschlichen Arbeit liegt und aufs tiefste mit dem Problem des Sinnes des menschlichen Lebens verknüpft“ ist (Der Apostolische Stuhl 1982, S. 626). Der Sinn für Solidarität muß auch die Funktion der gewerkschaftlichen Organisationen bestimmen, denen die heikle Aufgabe der Vermittlung zwischen den Arbeitern und den Leitungsorganen zukommt. Dabei müssen die Wege des Dialogs und der Verhandlung beharrlich gegenüber anderen Formen, Ansprüche anzumelden, bevorzugt werden. Auch wenn sie zuweilen mühsamer sind, erweisen sie sich am Ende doch als fruchtbarer, weil sie das gegenseitige Verständnis fördern und eine bessere Grundlage für die Dauerhaftigkeit des Errungenen abgeben. In einer solchen Perspektive werden die verschiedenen Gruppen gewiß auch einige Opfer ins Auge fassen müssen. Das wird aber durch den Gewinn eines besseren Schutzes der menschlichen Würde, zumal für die Schwächeren - Jugendliche, Randexistenzen und Behinderte -ausgeglichen, die damit ihr Recht gewahrt sehen, auch ihrerseits an der „großen Werkbank“ einen Platz zu finden (Laborem exercens, Nr. 14). <266> <267> <266> Die Solidarität reicht so weit, daß sie jede Grenze der Trennung und des Unverständnisses beseitigt. Sie überwindet sämtliche Grenzen, angefangen bei denen, die die verschiedenen Arbeitergruppen spalten möchten, indem sie sich zum Teil auf überholte oder leer gewordene Ideologien stützen, nach denen die Arbeit eine Ware oder lediglich Mittel ist, um Profit zu erzielen. Die Solidarität wird damit zu einer moralischen Kategorie. Sie „ist die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, das heißt, für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). Doch nicht genug: die Solidarität überwindet die politischen Grenzen, um sich der Aufnahme eines jeden Arbeiters, einfach weil er ein Mitglied der Menschheitsfamilie ist, zu öffnen. Jedem muß nämlich das Recht zugestanden werden, nach Arbeitsgelegenheiten zu suchen, weil diese für den Unterhalt und die Entfaltung seiner Person und seiner Familie, auch über nationale und kontinentale Grenzen hinaus, notwendig sind. Das schließt gewiß nicht die berechtigte Regelung der Migrationsströme im Licht des Gemeinwohls einer jeden Nation aus, nur muß dieses im Zusammenhang der anderen Nationen der Welt gesehen werden. Tatsächlich haben die Probleme der Arbeit seit einiger Zeit Ausmaße angenommen, daß sie geographische, örtliche, regionale, nationale und kontinen- 364 REISEN tale Grenzen überschreiten. Auch eure Fabrik reicht mit ihren Auswirkungen weit über die Grenzen Italiens hinaus. Die Menschheit lebt heute, so kann man wohl sagen, in einem einzigen Dorf, nicht nur weil die Medien der sozialen Kommunikation die Ereignisse im selben Augenblick, in dem sie geschehen, präsent machen, sondern auch wegen der immer ausgeprägteren gegenseitigen Abhängigkeit der Menschen und Nationen. „Die Güter der Schöpfung sind für alle bestimmt. Was menschlicher Heiß durch Verarbeitung von Rohstoffen und Arbeitsleistung hervorbringt, muß dem Wohl aller in gleicherweise dienen“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 39). Und alle von Nord bis Süd, von Ost bis West müssen mit ihrer Arbeit einen Beitrag zum allgemeinen Wohlergehen leisten können. In dieser Weise wird auch die Solidarität der Welt der Arbeit ein Weg zu Fortschritt und Frieden. 5. „Die Solidarität ist eine christliche Tugend“ {ebd., Nr. 40), die an den Dimensionen der Liebe gemessen wird. Sie ist kein vorübergehendes Gefühl, vielmehr tief im Glauben an Gott, den Vater aller, und an Christus als Quelle universaler Brüderlichkeit verwurzelt. Diese Solidarität als Liebe, die der Heilige Geist in den Herzen der Gläubigen nährt, kennzeichnet den christlichen Sinn der Arbeit. Sie stärkt und erhebt ihren menschlichen Charakter, adelt ihre Mühe und fügt die Arbeit voll in den Gesamtplan des Lebens ein. Damit wird die Arbeitstätigkeit ein Mittel des geistlichen Fortschritts und Anregung zu tiefen Gedanken über den letzten Sinn des Daseins. Sie wird zum Gebet. Im Haus von Nazaret war Jesus dreißig Jahre hindurch Maria und Josef untertan, der für den Unterhalt der Familie durch Ausübung des Zimmermannshandwerkes sorgte. „Diese Fügsamkeit’ ... ist auch als Teilnahme an der Arbeit Josefs zu verstehen ... [So] finden die menschliche Arbeit und im besonderen die manuelle Arbeit im Evangelium besondere Beachtung. Zusammen mit dem Menschsein des Gottessohnes ist sie in das Geheimnis der Menschwerdung aufgenommen, so wie sie auch in besonderer Weise erlöst wurde“ (Redemptoris custos, Nr. 22). <268> <268> Liebe Brüder und Freunde! Das schlichte, aber lichtvolle Beispiel der Arbeit im Haus von Nazaret wurde von der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung unserer Zeit keineswegs überholt, und es wird auch nicht durch künftige Errungenschaften überholt werden. Es weist auf die Würde der menschlichen Arbeit hin und verkündet ihren Wert. Es zeigt zugleich, daß es sich um einen relativen und keinen absoluten Wert handelt, weil er auf andere Werte hingeordnet ist, die, wie wir ausgeführt haben, in dem Wert Zusammentreffen, den der Mensch selbst darstellt. Er ist Geschöpf Gottes, mit einer transzendenten Berufung ausgestattet und soll dieser entsprechen und sie entfalten, auch wenn er seine eigenen Kräfte an der Seite gewaltiger Maschinen einsetzt. Dann erfährt er nämlich den ausgeprägt menschlichen Charakter des Wortes Jesu: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt?“ (Lk 9,25). Diese Gedanken wollte ich euch mitteilen. Ich wünsche, daß ihr in der Arbeit eine Quelle der Freude für euch und eure Familien findet, und ich rufe gern auf alle Mitglieder der „Lancia-Gemeinschaft“ sowie auf die Zukunft der Fabrik den Schutz des hl. Josef und Jesu, des göttlichen Arbeiters, herab. 365 REISEN Heiligung des Sonntags sicherstellen Predigt in der Abteikirche San Benigno Canavese am Fest des hl. Josef, 19. März 1. Abraham glaubte.an Gott... „Gegen alle Hoffnung hat er voll Hoffnung geglaubt, daß er der Vater vieler Völker werde ...“ (Röm 4,18). Er „ist unser aller Vater vor Gott“ (Röm 4,17). Am Festtag des heiligen Josef nimmt die Kirche Bezug auf den Glauben Abrahams. Und dieser Glaube wurde durch die Verheißung Gottes einer harten Probe unterworfen. Gott hatte ihm, trotz der Unfruchtbarkeit seiner Frau Sara, das Geschenk der Vaterschaft zugesichert. Und später, als ihm endlich, bereits in hohem Alter, sein Sohn Isaak geboren wurde, unterzieht Gott ihn einer weiteren Prüfung: er verlangt von Abraham das Opfer seines einzigen Sohnes. Jedoch Gott hält die Hand des Vaters auf, der bereit war, diesen Willen zu erfüllen, und nahm statt dessen das Opfer seiner väterlichen Liebe entgegen. Der Patriarch Abraham wurde somit Vater des Geschlechts und Stammvater Israels, des Volkes Gottes. Dank seines Glaubens jedoch wurde er und ist heute noch - wenn auch nicht durch natürliche Abstammung - Vater vieler Nationen: der Vater aller Gläubigen. Der Glaube ist ein Erbe, dem Geist und nicht dem Fleisch nach. Abraham glaubte an Gott mit einer Sicherheit, die jede menschliche Erwägung übersteigt. Er glaubte an den wahren Gott nicht nach menschlichem Maßstab, sondern nach dem Maß des unendlichen Geheimnisses, in dem Allmacht und Liebe eins sind. <269> <269> So glaubte auch Maria im Augenblick der Verkündigung: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären ... Der Heilige Geist wird über dich kommen ... Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden ... Denn für Gott ist nichts unmöglich“ (Lk 1,31.35.37). So glaubte die Jungfrau von Nazaret,' die mit einem Mann namens Josef verlobt war (vgl. Lk 1,26-27). So glaubte auch Josef, der „gerecht war“. An diesem Festtag, der ihm gewidmet ist, bezieht sich die Kirche auf den Glauben Abrahams, denn auch er, wie seine Frau, „glaubte gegen jede.Hoffnung“. Und diesmal geht die Hoffnung höher, weit über/die Abrahams hinaus. Seine Hoffnung gilt der endgültigen Erfüllung der Verheißungen Gottes durch die Geburt eines Sohnes, der der Eingeborene selbst, eines Wesens mit dem Vater, war. Josef vernimmt die Worte des Engels: „Fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären: ihm wirst du den Namen Jesus geben; denn er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mk 1,20-21). Hier erreicht das Erbe von Abrahams Glauben den Höhepunkt. Der Sohn Marias, für den Josef hier auf Erden anstelle des Ewigen Vaters steht, opfert sich tatsächlich in der Ganzhin-gabe für die Vergebung der Sünden. Dies gilt nicht im Fall Abrahams und Isaaks. Die Glaubensprüfung Marias, der Mutter des Erlösers, geht noch darüber hinaus: bis zum Kreuz auf Golgota, wo „das Schwert ihre Seele durchdringt“ (vgl. Lk 2,35). Der Mutter bleibt der furchtbare Tod des Sohnes nicht erspart. 366 REISEN 3. Josef geht diesen Glaubensweg zusammen mit Maria. Als ihr Bräutigam steht er ihr von Anfang an zur Seite. Er war der treue Beschützer von Mutter und Kind auf der Flucht nach Ägypten, als es galt, der Grausamkeit Herodes zu entkommen. Später, in Nazaret, war er das Oberhaupt der Familie, in der Jesus bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr „heranwuchs, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (Lk 2,52). Obwohl dieser verborgene Lebensabschnitt des Erlösers nur mit wenigen Worten wiedergegeben wurde, umfassen diese Worte bekanntlich das inhaltsreiche Evangelium der menschlichen Arbeit. Tatsächlich arbeitete Josef als Handwerker und Zimmermann, und der heran-wachsende Jesus ist oft an seiner Seite in der Werkstatt zu finden. Deshalb versuchen wir jedes Jahr am Fest des heiligen Josef, erneut das Thema der Arbeit aufzugreifen durch die Begegnungen mit den Bereichen der Arbeitswelt an verschiedenen Orten. 4. Josef aus Nazaret ist ein überaus menschlicher Heiliger. Voll menschlich offenbart sich neben ihm der Sohn Gottes, der mit „Menschenhänden gearbeitet und mit menschlichem Herzen geliebt hat“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Auf diese Weise ist die Arbeit des Menschen für alle Zeiten das Siegel des göttlichen Geheimnisses aufgedrückt worden, das nie wieder gelöscht werden kann. Es ist eine unbestreitbare Wahrheit, daß der Mensch durch seine Arbeit, durch Wissenschaft und Technik die sichtbare Welt mehr und mehr sich untertan macht. Diese Tatsache verdient Bewunderung, wenn sie auch oft Anlaß zu vielfältigen Schwierigkeiten und sogar verschiedenen Gefahren gibt. Gefahren für unseren Körper, dessen Unversehrtheit nicht selten aufs Spiel gesetzt wird durch mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen und Risiken oder im allgemeinen durch Gefahren, die von Überforderung, Streß und schließlich Erschöpfung, von der Anonymität und Monotonie der Arbeit kommen. Gefahren vor allem für unseren Geist: Der Arbeitsrhythmus läßt es oft nicht zu, der Familie genügend Zeit zu widmen mit der Folge, daß häufig das Zusammenleben und die Kindererziehung darunter leiden. Auch unsere persönliche Integrität und unser moralisches Verhalten können in Gefahr geraten. Nicht zuletzt können wir auch vielfach dazu neigen, unsere religiösen Pflichten zu vernachlässigen. Die Arbeit darf den Geist nicht auslöschen, sie muß ihm dienen. Das erfordert aber, daß sie menschlich gestaltet und in menschlichem Rhythmus ausgeführt wird. Daher auch die Notwendigkeit der sonntäglichen Ruhepause, einer Pause zum Nachdenken, um die geistlichen Werte .voll und ganz zurückzugewinnen. Verehrte Brüder dieses Episkopats, ich grüße euch und die hier anwesenden Priester und ver-, sichere euch meiner Hochschätzung für euren unermüdlichen Pastoraldienst. Mir ist bekannt, daß ihr euch in letzter Zeit mit dem Problem der Sonntagsarbeit befaßt habt. Leider breitet sich dieses Phänomen jetzt auch auf den Arbeitsprozeß in den Fabriken aus. Ihr habt zu Recht festgestellt, daß bereits auf menschlicher Ebene der Lebensrhythmus des Menschen nicht nur eine Ruhepause in der wöchentlichen Arbeit erfordert, sondern auch die „Gleichzeitigkeit“ dieser Pause für alle Familienmitglieder, um den Zusammenhalt der Familiengemeinschaft 367 REISEN zu fördern. Auf christlicher Ebene ist die Herausstellung des Sonntags noch notwendiger, der der Tag des Herrn ist, der Tag, an dem die Kirche sich zur gemeinsamen Liturgiefeier versammelt, der Tag eines intensiven religiösen Lebens. Der Sonntag ist für den Christen nicht nur ein Zeugnis des Glaubens an Gott, sondern auch an den Menschen und seine übernatürlichen Werte. Der Christ muß sich für die Achtung dieses seines Rechts auf die Heiligung des Sonntags ein-setzen. Er muß deshalb die politischen und gesellschaftlichen Kräfte darin bestärken, daß sie die öffentliche Meinung und damit die Gesetze und Verträge so ausrichten, daß ihm die Möglichkeit sichergestellt wird, nach den Prinzipien und Werten zu leben, die im Sonntag ihren Bezugspunkt haben. 5. Was bedeutet es, daß Jesus von Nazaret, der Sohn Gottes, neben Josef eine „menschliche Arbeit“ verrichtet? Heißt das nicht, daß immer und überall in jede Dimension menschlicher Tätigkeit und seiner höchsten schöpferischen Errungenschaften das unerforschliche Geheimnis, das grenzenlose Geheimnis, eindringt? Heißt das nicht auch, daß über alle Erwägungen und Pläne hinaus, die mit der zeitlichen Tätigkeit verbunden sind, der Mensch unablässig von Gott selbst gerufen wird, damit er „gegen alle Hoffnung voll Hoffnung glauben kann“? Die Arbeit dient gewiß zur Verwirklichung der irdischen Ziele des Menschen. Aber ist sie -kann sie überhaupt - die Erfüllung all seiner Hoffnung sein? Die Erfüllung all dessen, auf das unser geheimnisvolles menschliches „Ich“ zustrebt? In WahrheitTiegt die Größe der menschlichen Arbeit - jeder menschlichen Arbeit - darin, daß der arbeitende Mensch durch seine Menschheit die Arbeit übersteigt. Er übersteigt sie durch die Hoffnung, die er in sich trägt. Denn die Menschheit in jedem von uns ist in Gottes ewigem Plan enthalten; sie ist in dem Wort enthalten, „dem Erstgeborenen der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15). Sie ist durch ihn gerettet. Sie ist erlöst durch das Kreuzesopfer auf Golgota, erlöst auch durch das Opfer der Arbeit in Nazaret an der Seite Josefs, des Zimmermanns. Möge diese erlöste Menschheit vom menschgewordenen Wort, das sich neben dem Zimmermann Josef zum Zimmermann machte, die wahre Bedeutung der Arbeit erfassen, eine Bedeutung, die die Grenzen der Zeit überschreitet und auf die Ewigkeit ausgerichtet ist. Amen. 368 REISEN Der Mensch bleibt unersetzbar Ansprache beim Besuch des Olivetti-Werks in Scarmagno am 19. März Ich begrüße alle Anwesenden herzlichst. Ich bin sehr froh über diesen ersten Kontakt mit Olivetti, vor allem über diese erste Begegnung mit der heute so bekannten und verbreiteten Wirklichkeit, die sich Computer nennt. Ich muß gestehen, daß ich zwar das Wort kenne, aber doch nicht so recht weiß, was es eigentlich bedeutet, was dahinter steht, was die Wirklichkeit des Computers ist. Darüber habe ich auch mit eurem Chef geredet, und er hat versucht, es mir zu erläutern. Aber wenn der Ausgangspunkt seiner Erklärungen für ihn vollkommen klar war, so war er es für mich etwas weniger, denn man müßte noch viele Aspekte studieren, um diesen Ausgangspunkt zu verstehen. Dann könnte man natürlich auch den Computer als Schaffens- und Produktionsprozeß eines Werks sehen. Euer Werk - und ich sage das in Anwesenheit des Erbens des Namens Olivetti, an den es seit seiner Entstehung und während seiner ganzen, gar nicht langen, sondern überaus raschen Entwicklungszeit gebunden ist - ruft Bewunderung hervor. Es ist modern und auch sehr menschlich, denn hier erinnert kaum etwas an die Fabriken der Vergangenheit. Hier ist sozusagen ein Salon — wie der Herr Direktor sagte -, ein Arbeitssalon, wo die Arbeit, die Würde der Dinge und die Schönheit der Umgebung miteinander in Einklang stehen. Hier geht es nicht um die Schönheit der Natur: Es geht vielmehr um die Schönheit menschlicher Erzeugnisse, von mit Händen hergestellter Ware. Man spürt eine Schönheit, eine besondere Schönheit in dieser Umgebung. Aber laßt uns wieder auf den Computer zurückkommen. Ich habe versucht, mir wissenschaftliche und technische Erklärungen geben zu lassen, aber ebenso habe ich versucht, in meiner persönlichen Bildung etwas zu finden, wobei mir dieser im 18. Jahrhundert geprägte Ausdruck in den Sinn kam: „Phomme machine“, der Mensch als Maschine. Ich glaube, daß es sich hier bei den Computern um das Gegenteil handelt: „machine homme“, Maschine als Mensch, die Maschine, die den Menschen ersetzt. Hier geht es um ein fundamentales Problem, denn von Anfang an haben Maschinen den Menschen ersetzt, insbesondere seine Hände, denn vor allem die Hände sind die Arbeitswerkzeuge des Menschen. So kann man sagen, daß alle Maschinen die Hände nicht nur ersetzen, sondern auch vermehren. Hierin liegt der technische Fortschritt, jener Fortschritt in der Geschichte der Menschheit, den die Maschinen bewirkt haben. Die Maschinen haben es fertiggebracht, die Hände des Menschen und die Arbeit dieser Hände nicht nur zu ersetzen, sondern auch zu vermehren. Hier möchte ich nun etwas einschieben: meine persönliche Interpretation des Computers. Wenn die verschiedenen Werkzeuge, sagen wir die verschiedenen Maschinen, den Menschen, den arbeitenden Menschen, die Arbeit seiner Hände ersetzen, geht es im Fall des Computers darum, in einem viel tieferen Sinn in den Menschen einzutreten: nachzuahmen, zu ersetzen, ja zu vermehren, was zur Intelligenz des Menschen, zu seiner geistigen und damit geistlichen Dimension gehört. Es scheint, daß der Mensch auch in dieser Dimension seines Menschseins in einem gewissen Maß ersetzbar ist. Aber er ist nur „in einem gewissen Maß“ ersetz- und auch vermehrbar. Am Ende meiner raschen Analyse muß ich sagen, daß der Mensch „unersetzbar“ bleibt. 369 REISEN Ich gratuliere euch zu diesem Olivetti-Zentrum, das das namhaftestes in der Welt für die Herstellung hochentwickelter Computer ist. Ich gratuliere euch zu diesem Werk der menschlichen Intelligenz, Erfindungsgabe und Kreativität. All das mft Bewunderung hervor. Doch ich wiederhole: Der Mensch ist „unersetzbar“. So habe ich, als ich an diesen wunderbaren, vom Menschen hergestellten Werkzeugen, diesen erstaunlichen, immer moderneren Computern vorbeiging, mit keinem von diesen Werkzeugen, diesen Maschinen in einen Dialog treten können. Ich habe keine Stimme hören und vor allem keine menschliche Gefühlsregung spüren können. Ich konnte nicht mit Liebe empfangen werden, so wie ich von den Menschen mit Liebe empfangen wurde. Die Schlußfolgerung ist also die: Wenn der Mensch Werkzeuge, Maschinen konstruieren kann, die in einem gewissen Maß auch Abbild seiner Intelligenz sind, bleibt der Mensch zugleich in sich einzig „Gott ähnlich“: Er war, ist und wird immer „Abbild Gottes“, „Gott ähnlich“ sein. So erklärt sich sein Menschsein, seine endgültige, angemessene Unersetzbarkeit. Die wissenschaftlich-technisch-philosophische „Vorlesung“ während meines Rundgangs hier ist kurz, aber sehr wirksam gewesen. Denn sie hat mich von neuem meine ursprüngliche, erste und größte Leidenschaft entdecken lassen: die Leidenschaft für den Menschen, für seine Menschlichkeit, für seine unersetzbare Einzigartigkeit, diese Leidenschaft, die letztlich ihre volle Erklärung im Geheimnis Gottes und besonders im Geheimnis des Mensch gewordenen Gottes, im Geheimnis Christi, findet. Wie uns das Zweite Vatikanische Konzil sagt, ist der Mensch eine große Frage. Aber nur im Licht des Mysteriums Christi kann diese Frage, dieses Geheimnis des Menschen, vollends erklärt werden. Ich lasse euch diese Gedanken, diese Worte. Ich bedanke mich für eure Offenheit, euren Empfang und wünsche euch am Fest des hl. Josef - der, wir können sagen: neben Jesus Patron der Arbeiter ist - alles Gute für eure Arbeit; und alles Gute auch euren Familien, den hier Anwesenden. Neben jedem sehe ich auch eine Familie, eine Gruppe, eine Gemeinschaft von Personen. Euren Familien wünsche ich alles Gute, denn der hl. Josef ist auch der Patron der Familien zusammen mit seiner Braut, der Jungfrau Maria, und Jesus. Das sind meine abschließenden Wünsche am Ende dieser improvisierten Ansprache, die das Wort Computer ausgelöst hat. Den Computern sei gedankt! 370 REISEN Arbeit darf nicht demütigen, sie soll ermutigen Ansprache an die Leitung und Belegschaft von Olivetti am 19. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Allen einen achtungsvollen und herzlichen Gruß. Ich bin froh, mit euch, Leitern, Angestellten und Arbeitern dieses großen Betriebs, Stolz eurer Stadt und Italiens, zusammenzutreffen. Ich danke dem Präsidenten von Olivetti und dem, der im Namen aller gesprochen hat, für die an mich gerichteten Worte, denen ich, kurz zusammengefaßt, die Sorgen und Hoffnungen entnehmen konnte, die den Betrieb in diesem besonderen Augenblick bewegen. Eine Gelegenheit wie diese läßt spontan an die Figur von Ing. Adriano Olivetti zurückdenken, den mutigen Unternehmer, der die Fabrik zu einem Ort echt menschlicher Erfahrung machen wollte und bei diesem Projekt sicher auch aus dem Erbe an christlichen Werten Inspiration geschöpft hat, das seine Vorfahren ihm überliefert hatten. 2. Die Kirche feiert heute das Hochfest des hl. Josef, des Mannes Marias und Nährvaters Jesu, aber auch des „Zimmermanns“ (vgl. Mk 6,3), und als solcher würdig, als Schutzpatron aller Arbeitenden verehrt zu werden. Der hl. Josef, der nach Maria, der jungfräulichen Mutter Jesu, dem Herrn am nächsten stand, war ein Arbeiter: kein Wissenschaftler, kein Rechtsgelehrter, kein Politiker, kein Akademiker, kein Priester, sondern ein „Zimmermann“. Und das nicht zufällig, sondern durch den Willen Gottes. Das zeigt, was die Arbeit des Menschen, auch die niedrigste, in den Augen Gottes, den Augen seines Sohnes Jesus Christus zählt, welcher in eine Arbeiterfamilie geboren werden wollte. „Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9), so lehrt uns der hl. Paulus. In welchem Sinn reich? In einem Sinn, der über die einfache materielle Bedeutung hinausgeht und die geistliche Dimension des Menschen berührt, diejenige, auf der seine Würde als Person gründet. Dadurch, daß er sich einen Zimmermann als „Nährvater“ wählte und selbst Zimmermann wurde (vgl. Mk 6,3), hat Christus die menschliche Arbeit um eine unerreichbare Würde bereichert. Nunmehr weiß der arbeitende Mensch, daß er etwas Göttliches vollbringt, das durchaus in Beziehung zum Anfangswerk des Schöpfers steht. Wir wissen, daß manuelle Arbeit in der heidnischen Welt geringes Ansehen hatte, ja als für freie Menschen unwürdige Tätigkeit erachtet wurde. Das Christentum hat diese Wertung umgekehrt. Seitdem der Gottessohn bereit war, sich an die Seite des „Zimmermanns“ Josef über die Werkbank zu beugen, hat die körperliche Anstrengung aufgehört, als unziemlich angesehen zu werden, und im Gegenteil als Gmnd zu gerechtfertigtem Ruhm zu gelten begonnen. Nunmehr kann jeder, der sich bei der Erfüllung seiner wie auch immer gearteten, sofern ehrlichen, beruflichen Pflichten abmüht, sich reich fühlen an der Würde, die der Herr jeder Arbeit und allen Arbeitenden verliehen hat. Heute schauen wir auf den hl. Josef, Modell und Vorbild solcher Würde; und in ihm erweisen wir jedem, der für seinen Unterhalt und den seiner Familie arbeitet, die Ehre. Die Kirche 371 REISEN selbst fühlt sich heute im Licht dieses Modells verpflichtet, die Würde jedes Arbeitenden anzuerkennen und zu ehren. Gerade um dieser Anerkennung Ausdruck zu verleihen, ist der Papst heute hier in eurer Mitte. Die Arbeit ehren bedeutet, den Menschen, seine Würde, sein Talent, seine Schaffenskraft rühmen. Auf die neuen Anforderungen, die der gesellschaftliche Wandel und die Errungenschaften der Technik an das christliche Gewissen stellen, müssen wir antworten, indem wir uns durch die Botschaft, die aus dem Evangelium kommt, leiten lassen. 3. In den an mich gerichteten Worten war von komplexen, noch in rapider Entwicklung befindlichen Kenntnissen und Techniken die Rede, zu denen natürlich noch keine erschöpfenden Aussagen gemacht, noch definitive Stellungnahmen abgegeben werden können. Doch die Tatsache, daß man den Wunsch hatte, mich über Probleme, Schwierigkeiten und Hoffnugnen zu informieren, die heute besonders empfunden werden, scheint mit ein bedeutsames Zeugnis jenes Weges der Konfrontation und des Dialogs zu sein, den ich als eine wesentliche Voraussetzung zur Lösung solch komplexer Situationen ansehe. Die geistlichen und moralischen Werte, auf die im Dialog Bezug genommen werden muß, haben sich allerdings trotz des Wandels der technischen Strukturen nicht geändert und können sich auch nicht ändern. Sicher, wer einen Computer benutzt, sei es, daß er nötige Informationen tippt, sei es, daß er an der Herstellung neuer Programme arbeitet, verrichtet eine ganz andere Arbeit als die, woran der Mensch in der Vergangenheit gewöhnt war. Auch hier bleibt jedoch die Konstante des notwendigen Einsatzes des Verstandes und der Kraft des Menschen zur Umwandlung eines Rohmaterials, das andernfalls formlos und unwirksam bleiben würde. Auch der Computer mit all seinen vielfältigen Leistungen kann nicht alles von allein tun. Genau darin zeigt sich die wahre Würde der Arbeit: in der Tatsache, daß Produkte, um solche zu sein, des Siegels des Menschen bedürfen. Vor dem Firmenzeichen ist dies das Merkmal, das sie auszeichnet und sozusagen von innen her qualifiziert: daß sie menschliche Produkte sind. Hinter jedem Produkt, so hochentwickelt und perfekt es sein mag, stehen die Intelligenz, der Wille und die Energien eines Mannes oder eine Frau. Auch die modernste Technik schafft diese Notwendigkeit nicht ab. <270> <270> Daraus ergibt sich auch die Grundregel, die für alle Arbeit gilt: Sie darf den Menschen nicht demütigen, sondern muß ihm die Möglichkeit geben, sich in seiner transzendenten Würde auszudrücken, indem er seine Fähigkeiten zunehmend verwirklicht. Im Licht dieser Regel ist auch die für die Produktion angewandte Technologie zu bewerten. Die dabei verfolgten Ziele sind bekannt: ein Erzeugnis vollkommener herzustellen, als man es mit den natürlichen Fähigkeiten allein könnte; die Arbeit zu erleichtern, um die Produktion zu steigern; die Kosten zu reduzieren, indem man die Zahl des im Produktionsprozeß beschäftigten Personals verringert. Inwieweit respektieren nun diese Ziele die vorhin genannte Regel? Diese Frage lassen die neuen Arbeitsbedingungen mit immer größerer Dringlichkeit stellen. Gewiß, der Prozeß des Vordringens der Technik ist irreversibel. Das ist eine Tatsache, die man anerkennen muß, ohne nutzlos Vergangenem nachzutrauern. Ja, der Gläubige ist Gott 372 REISEN dafür dankbar, der dem Menschen nicht nur die Fähigkeit, sondern auch die Pflicht übertragen hat, die Möglichkeiten der Schöpfung zu entwickeln (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 29). Auch die mit Spitzentechnologie zusammenhängenden Tätigkeiten gehören zur menschlichen Arbeit und können somit deren selbe Würde besitzen. Ja, insofern sie komplexer und vollkommener sind, widerspiegeln sie in der Regel besser als andere die Würde des Menschen, der sie ausübt. Gleichzeitig jedoch können sie gerade wegen ihrer hochentwickelten Komplexität auch besonders heimtückische Gefahren verbergen, durch die die Würde des Menschen aufs Spiel gesetzt werden kann. Es ist daher notwendig, eine vorsichtige Haltung zu bewahren und mit aufmerksamem Blick Natur, Ziele und Modalitäten der verschiedenen Formen angewandter Technologie zu werten. Es ist zum Beispiel klar, daß eine allein von der Logik des Profits geleitete Planung technologischer Entscheidungen in dieser Hinsicht unannehmbar wäre. In der Wirtschaft ist die Suche nach Profit an und für sich rechtmäßig und notwendig, doch kann deren Maximierung weder das einzige noch als absolute Kriterium sein. Eine wachsende Arbeitslosigkeit als unvermeidbare Auswirkung der Anwendung hochentwickelter Technologie kann folglich moralisch nicht akzeptiert, noch darf sie passiv hingenommen werden. Denn das würde bedeuten, daß man den Menschen der Maschine opfert, und die Würde einer Arbeit, die zu solchen Auswirkungen führte, wäre radikal in Frage gestellt. Das ist nur eines von vielen Beispielen, die man anführen könnte. Es macht aber bereits die Komplexität des Problems klar, das man nicht in angemessener Weise in Angriff nehmen und lösen kann, ohne vorher all seine Aspekte in Betracht zu ziehen. Es ist daher legitim, von den Verantwortlichen zu verlangen, daß sie bei ihren Entscheidungen alle Faktoren berücksichtigen und sich dabei stets vor Augen halten, daß bei praktischen Optionen die Achtung vor der Würde der menschlichen Arbeit und der Personen, die sie ausüben, oberster Grundsatz sein muß. Nur unter dieser Bedingung kann in der Tat die Technologie ihren rechten Platz erhalten. <271> <272> <271> Wir müssen unbedingt der Versuchung widerstehen, aus der Technologie ein neues Idol zu machen. Und das gilt ebenso für die für die industrielle Arbeit angewandte Technologie wie für die daraus entstehenden Produkte. Es ist wahr, daß dank dem Beitrag von Betrieben wie dem euren die Gesellschaft mit beachtlichen Erleichterungen versehen wurde und die Last einiger beschwerlicher Arbeiten um vieles leichter geworden ist. Dennoch, man muß es wiederholen: Die Technologie und ihre Produkte sind nicht alles. Tatsächlich ist es angebracht, sich zu fragen, ob einfaches technologisches Wachstum, für die Arbeit und die Freizeit angewandt, von sich aus zu einer Verbesserung der Lebensqualität in ihrer Gesamtheit führt. Wie könnte man zum Beispiel die umweltschädigenden Nebenwirkungen der technischen Entwicklung vergessen, von denen ich in der Botschaft zum Weltfriedenstag dieses Jahres gesprochen habe? Und kann man vielleicht die Frage nach der Bestimmung technologischer Produkte ignorieren? Ihre „menschliche“ Qualität kann doch gewiß nicht allein auf Grundlage der Leichtigkeit ihrer Handhabung, der Perfektion ihrer technischen Leistungen, des daraus resultierenden Komforts beurteilt werden. Es gibt andere Werte, die berücksichtigt werden müssen, damit man die Qualität des Produktes völlig des Menschen würdig nennen kann. 373 REISEN Als an Gott Glaubende, der die von ihm erschaffene Natur für „gut“ befunden hat, freuen wir uns über den technischen und wirtschaftlichen Fortschritt, den der Mensch mit seiner Intelligenz zu verwirklichen vermag. Wir bleiben uns jedoch bewußt, daß er wie alle geschaffenen Güter eine grundsätzliche Ambivalenz in sich trägt. Es liegt beim Menschen, den rechten Gebrauch davon zu machen, indem er für das eigene Wachstum und eine tiefere Solidarität gegenüber dem Mitmenschen handelt. So hängt es von seinem Verantwortungsgefühl ab, sich die neuen Technologien der Informatik zunutze zu machen, um sein Wissen zu vermehren und seinen Einfluß auf die Schöpfung zu vergrößern, sich dabei aber zu weigern, sie zu Werkzeugen irrationaler Ausbeutung, widernatürlicher Manipulation oder unrechtmäßigem psychologischem Druck werden zu lassen. Gleichermaßen hängt es von ihm ab, sich der Biotechnologie und der Gentechnik zum Vorteil des Lebens und der Gesundheit zu bedienen, ohne der Versuchung zu erliegen, der menschlichen Person Gewalt anzutun oder sie in mit ihrer Würde unvereinbarer Weise zu manipulieren. 6. Das alles setzt von seiten der Unternehmer Weite des Gesichtskreises und waches Bewußtsein der eigenen Verantwortlichkeiten voraus, die weit über den reinen Management- und Finanzbereich hinausgehen. Aber hier sind auch die Gewerkschaften auf den Plan gerufen, die ihre Rolle und ihre Aktionsmethoden überdenken müssen, um ihre Funktion als Förderer der Solidarität nicht zu vernachlässigen, die ihnen nicht nur innerhalb des Betriebs, sondern auch im weiteren Bereich der zivilen Gemeinschaft zukommt. Schließlich wird das Engagement des Gesetzgebers es nicht versäumen, die Bürger in der Suche nach dem nötigen Gleichgewicht zu orientieren gemäß Kriterien wahrer Gerechtigkeit besonders gegenüber den Schwächsten und am wenigsten Bemittelten, und sich dabei jeder Einmischung widersetzen, die versucht, das Gesetz zugunsten privater Interessen zu beugen. <273> <273> Liebe Freunde, ich wünsche von Herzen, daß euer Betrieb imstande ist, sich auf die eben umrissenen Ziele hin zu entwickeln. Die Kirche kann nicht umhin, sich über jeden menschlichen Fortschritt zu freuen, der die Intelligenz, das Siegel Gottes im Menschen, hervorhebt, indem er die körperliche Anstrengung erleichtert und eine psychologische und geistliche Verflachung verhindert. Auf der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils fördert sie die wahren Werte der Wissenschaft und der Technik im Dienst des personalen Wachstums und der universalen Solidarität. Liebe Betriebsleiter, Angestellte und Arbeiter, liebe Freunde alle, ich vertraue euch und eure Arbeit dem demütigen Handwerker aus Nazareth an, von dem verlangt wurde, mit der Frucht seines Fleißes die Heilige Familie zu unterhalten, in der der menschgewordene Sohn Gottes selbst lebte. Er möge euch beschützen und bei der Verfolgung eurer rechten Wünsche unterstützen. Von Herzen wünsche ich euch und euren Familien Wohlstand und Frieden im Herrn! 374 REISEN 3. Pastoralbesuch in der Tschechoslowakei (21.122. April) Der Papst mußte nach Prag, Velehrad und Preßburg Ansprache nach der Ankunft auf dem Flughafen von Prag am 21. April Herr Präsident und verehrte Vertreter der tschechoslowakischen Regierung, hochgeehrter Mitbruder Kardinal Frantisek Tomäsek, liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Seien Sie achtungsvoll und herzlich gegrüßt! Herr Präsident, ich danke Ihnen aufrichtig für die Einladung zum Besuch dieses edlen Landes und für die Worte des Willkommens, die Sie an mich gerichtet haben. Es waren wohldurchdachte Worte. Als Staatsmann und Literat, als Denker und gewaltloser Verteidiger der Menschenrechte und der Freiheit des Bürgers kennen Sie sehr gut das Gewicht, das Worten innewohnt. In Ihnen begrüße ich einen Mann, der die zeitgenössische politische Kultur Europas bereichert, indem er den Akzent auf Werte legt, die uns Christen so sehr nahestehen. Sie haben geschrieben, daß Politik nicht Technologie der Macht und der Manipulierung der Menschen, sondern vielmehr eine Art und Weise des Suchens und Gewissens des Lebenssinnes ist, und zwar im Hinblick auf den Dienst am echten Wohl der Gemeinschaft. Möge Ihr Bemühen und das der „Regierung der nationalen Verständigung“ dauerhafte Früchte für eine glückliche Zukunft der freien Tschechoslowakei tragen! 2. Schon vor fünf Jahren, anläßlich des elften Jahrhunderts der Evangelisierung Ihres Landes durch die Heiligen Kyrill und Method, war es mein lebhafter Wunsch gewesen, in Ihrer Mitte zu weilen, was jedoch nicht möglich war. Ich danke dem Herrn, der es mir gestattet hat, jetzt meine damalige Absicht zu verwirklichen. Bewegten Herzens nahm ich die Einladung meines bischöflichen Mitbruders Kardinal Frantisek Tomäsek, des Erzbischofs von Prag, entgegen. In seinen Worten konnte ich die einträchtige Stimme von euch allen, den Bischöfen der Tschechoslowakei, wahmehmen, die ihr nach langen Jahrzehnten jetzt wieder vollzählig seid, so daß die tschechoslowakische Bischofskonferenz errichtet werden konnte. Den Worten des unerschrockenen Hirten konnte ich auch den Ruf entnehmen, den jahrelang unzählige Gläubige anläßlich von Pilgerfahrten und Feierlichkeiten sowie während der Kundgebungen für die Religionsfreiheit erhoben hatten: „Kommen Sie nach Prag, Heiliger Vater!“ Ich selbst vernahm im vorigen Jahr nach der Heiligsprechung von Agnes Premisl diesen Ruf der tschechoslowakischen Pilger: „Der Papst nach Prag!“ Nun, der Papst hat euren brennenden Wunsch erfüllt. Ja, es mußte so kommen: der erste slawische Papst mußte nach Prag, Velehrad und Preßburg kommen. Dem Wunsch der Gläubigen entsprach der meine, sollte ich doch den Brudervölkern der Tschechoslowakei zu verstehen geben, daß sie meinem Herzen allzeit nahe waren und sind. <274> <275> <274> Vor einigen Augenblicken küßte ich mit Liebe und Ehrfurcht den Boden Böhmens. Es war dies ein Kuß der Brüderlichkeit, des Friedens und der Versöhnung. Möge diese Geste zur 375 REISEN Heilung der Wunden der Vergangenheit beitragen und die Schatten des Mißtrauens zum Verschwinden bringen, die sich einst zwischen Böhmen und Rom verdichteten. Es liegt sicher im Plan der Vorsehung, daß es gerade mir beschieden war, als erster Papst diesen Boden zu betreten, um ihm aus der Ewigen Stadt den Gruß des Friedens zu bringen. 4. Die Gläubigen Böhmens, Mährens und der Slowakei haben in Rom einen Hirten, der ihre Sprache versteht. Er verstand jedoch auch ihr Schweigen. Während die Kirche in diesem Land eine Kirche des Schweigens war, betrachtete er es als Teil seiner Sendung, ihre Stimme zu sein. Jetzt ist meine erste Aufgabe dieser Ortskirche gegenüber jene, die Jesus Petrus übertragen hat: die Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32). Die Kirche in diesem Land ist weder reich noch mächtig nach den Maßstäben dieser Welt. Sie ist jedoch stark durch ihren Glauben, einen Glauben, den eine lange Zeit des Leidens vertieft und geläutert hat. Ich möchte alle Gläubigen dieses Landes einladen, mit der Kraft ihres Glaubens die ganze Gesellschaft bei der Überwindung ihrer Leiden und Probleme zu unterstützen, damit sie kraftvoll den Weg der Freiheit beschreiten könne. Das Leben der Nationen Mittel- und Osteuropas war bisher in vieler Hinsicht infolge der gewaltsamen Durchsetzung einer materialistischen Ideologie lahmgelegt, die weder ihren geistigen Traditionen noch ihren Bestrebungen an diesem Vorabend eines neuen Jahrtausends entsprach. Diese Nationen bedürfen der Erneuerung und des Aufschwungs, nicht nur im politischen und wirtschaftlichen, sondern auch im geistlichen und moralischen Bereich. Dem Wissen der Gläubigen um ihre Verantwortungen in diesem grundlegenden Bereich des gesellschaftlichen Lebens ist in diesem Land das großartige Programm des „Jahrzehnts der geistlichen Wiedergeburt“ ihrer Völker entsprangen. Jedes Jahr soll etwas Neues beitragen zum Beleben des einen oder anderen Aspekts des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens. So wird dieses Jahrzehnt zur wirksamen Vorbereitung auf die Tausendjahrfeier des Todes des hl. Adalbert und gleichzeitig eine Art Einübung für einen neuen Lebensstil in einem neuen Jahrtausend. 5. Der hl. Adalbert! Es wäre unmöglich, seiner nicht schon zu Beginn meines Besuches in der Tschechoslowakei zu gedenken, ist er doch deren Nationen ebenso teuer wie meiner polnischen Heimat. Mein Besuch fällt fast mit dem Vorabend seines Festes zusammen. Kardinal Tomäsek brachte zu Beginn des vorigen Jahres in seiner Botschaft an die Bischöfe verschiedener Länder Europas die Absicht zum Ausdruck, jedes Jahr am Vorabend des Festes des hl. Adalbert eine „europäische Brücke des Gebets“ zu errichten, die über alle Grenzen hinaus die Nationen Mitteleuropas im Gebet um die moralische und geistliche Erneuerung, um die Vertiefung der Einheit Europas, um gegenseitiges Verständnis, um den Frieden und die Achtung aller Menschenrechte vereinen sollte. Mögen alle Etappen meiner Reise in die Tschechoslowakei dazu beitragen, die Pfeiler dieser Brücke zu festigen, die so sehr notwendig ist! Ich bitte die Bischöfe, die Priester und die Gläubigen auch der angrenzenden Länder, sich dieser edlen Initiative anzuschließen. <276> <277> <276> Seit dem ersten Augenblick meines Besuches in diesem Land richtet sich mein Blick auf die schöne Region zu den Füßen der Tatra, auf die Slowakei. Ich sende meinen Gruß ihrem 376 REISEN ganzen Volk, den verschiedenen Nationalitäten, die dort leben und wirken und freue mich schon jetzt auf unsere morgige Begegnung in Preßburg: sie wird gleichsam eine Krönung der zahlreichen Begegnungen in Rom sein, während derer in den Reihen der Pilger die Frage widerhallte: „Heiliger Vater, wann kommen Sie in die Slowakei?“ 7. Was jahrelang unmöglich war, ist heute Wirklichkeit geworden. Wie kam es dazu? Welche Linien liefen und laufen zusammen, um die Situation zu erklären, in der wir uns heute befinden? „Warschau, Moskau, Budapest, Berlin, Prag, Sofia, Bukarest - um nur die Hauptstädte zu nennen - sind praktisch die Etappen einer Pilgerfahrt zur Freiheit geworden“ (Ansprache an das Diplomatische Korps, 13. 1.1990). Anscheinend hat alles mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch begonnen. Die Wirtschaft war dazu ausersehen gewesen, eine neue Welt und einen neuen Menschen zu bauen, dessen Ziel der Wohlstand sein sollte, wobei das existentielle Programm jedoch voll und ganz auf den irdischen Horizont beschränkt blieb. Diese Hoffnung hat sich als tragische Utopie erwiesen, da sie einige wesentliche Aspekte der menschlichen Person vernachlässigte und in Abrede stellte: ihre Einzigartigkeit und Unwiederholbarkeit; ihre unstillbare Sehnsucht nach Freiheit und Wahrheit; ihre Unfähigkeit, sich auch ohne die transzendente Beziehung zu Gott glücklich zu fühlen. Diese Dimensionen der menschlichen Person können für eine gewisse Zeit geleugnet, aber nicht auf die Dauer zurückgewiesen werden. Die Vorstellung vom Aufbau einer Welt ohne Gott hat sich als illusorisch erwiesen. Es konnte gar nicht anders kommen. Nur der Augenblick und die Art und Weise waren ein Geheimnis. Die Leiden der um der Gerechtigkeit willen Verfolgten (vgl. Mt 5,10), die Solidarität aller jener, die sich im Einsatz für die Menschenwürde zusammengefunden haben, das Sehnen der Menschenseele nach dem Übernatürlichen und die Gebete der Gerechten haben dazu beigetragen, den Weg der Freiheit in der Wahrheit wiederzufinden. <278> <278> Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Von diesen Überzeugungen beseelt, trete ich meinen Besuch an. Ich bin gekommen, um alle, die an Gott glauben, im Glauben zu stärken, doch bringe ich auch für jene, die nicht die Gabe des Glaubens besitzen, eine Botschaft der Hoffnung mit. Ich hoffe aus ganzem Herzen, daß dank der Zusammenarbeit aller der neue Weg der Tschechoslowakei in Freiheit und Demokratie auf den Spuren der Traditionen ihrer Völker zu Wohlstand und Fortschritt führen möge. REISEN Die Kirche muß immer mehr Wächter der Freiheit werden Ansprache in Prag bei der Begegnung mit Persönlichkeiten aus dem Kulturleben am 21. April Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! 1. Von Herzen grüße ich alle, die hier versammelt sind, und durch Sie auch alle Repräsentanten des kulturellen und geistigen Lebens Ihres Landes: eines Landes, das für ein Jahrtausend ein lebendiges und wichtiges Zentrum geistigen Austauschs in Europa war; eines Landes, dessen Kultur einen kostbaren Edelstein in der Geschichte der europäischen Zivilisation darstellt. Mit den ersten Schritten der neuerworbenen Freiheit zeigen die einzelnen Länder Mittel- und Osteuropas jetzt der Welt ihr geistig-geistliches Gesicht. Die beiden Volksgruppen der Tschechoslowakei haben einmal mehr ihre Reife gezeigt im friedlichen Ablauf ihrer großen Revolution und bei der demokratischen Wahl von Menschen, denen sie die höchste Verantwortung im Staat übertragen haben. Ich begrüße den Rektor, das Professorenkollegium, die Studenten und viele ehemalige Studenten der Karls-Universität, der ältesten Universität Mitteleuropas. Ich grüße die Repräsentanten der anderen Universitäten, polytechnischen und wissenschaftlichen Institute. Die Entwicklung der Forschung wird, frei von der Enge des materialistischen Positivismus und anderer ideologischer Festlegungen, auf Grund eigener innerer Dynamik zu einer tieferen Kenntnis des Menschen und seiner Welt führen können und erneutes Staunen über das unaus-schöpfliche Geheimnis des Geschaffenen hervorrufen. Sehr herzlich begrüße ich die Künstler. Ihnen fühle ich mich freundschaftlich nahe nicht nur wegen meines geistigen Werdeganges, sondern auch, weil ich in ihnen die bevorzugten Zeugen der Offenheit und der Tiefe des menschlichen Herzens sehe. Ich weiß, daß die tschechischen und slowakischen Künstler, insbesondere die Schriftsteller und die Schauspieler, verschiedene Male in der Vergangenheit und nun in den jüngsten Ereignissen die große heroische Aufgabe auf sich genommen haben, das Gewissen der Nation zu sein, die Stimme ihres Durstes nach Gerechtigkeit und Freiheit. Wie könnte man nicht an die Worte Christi „Selig sind die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden“ {Mt 5,6) denken? Wie oft haben in der Geschichte dieser Welt Intellektuelle und Künstler in vorderster Linie den Kampf für die Gerechtigkeit, die nationale Unabhängigkeit und die Freiheit aufgenommen! Ich freue mich, ihnen dies im Namen der Kirche bestätigen zu können, die sich auch darum bemüht hat, im Herzen ihrer Gläubigen, auch in den dunkelsten Augenblicken, die Werte des Evangeliums, Wahrheit, Gerechtigkeit, Ehrenhaftigkeit und Freiheit lebendig zu erhalten. <279> <280> <279> Als Pilger in Ihrem Land, bei den Volksgruppen der Tschechoslowakei und hier in Prag bei der tschechischen Volksgruppe, grüße ich alle von Herzen, voll überfließender Zuneigung. Der erste Besuch des Papstes ist aus religiösen, historischen und kulturellen Gründen von tiefer innerer Bewegung begleitet. 378 REISEN Ich grüße Sie im Namen der Kirche, die viel zur Entstehung einer europäischen Kultur beigetragen hat und also auch zu Ihrer Kultur; im Namen der Kirche, die wie ein Pädagoge Schritt für Schritt den Weg der europäischen Nationen begleitet hat. Ich grüße Sie als Verkünder des christlichen Glaubens, der seit nunmehr 20 Jahrhunderten die moralische und geistig-geistliche Entwicklung dieses Kontinents inspiriert. Ich grüße Sie auch als Slawe und Sohn einer Schwestemation, deren Geschichte und Kultur viele wichtige Verbindungen mit Ihrer Geschichte und Kultur haben. Auch der Saal, in dem wir uns heute begegnen, nach König Ladislaus aus dem Hause der Jagiellonen benannt, bestätigt diese Verbindungen. Ich habe es sehr gewünscht, Ihr Land zu besuchen, das vor mehr als 1000 Jahren die Wiege der Mission des Kyrill und des Method war, die Ihnen das Evangelium brachten und mit ihm auch die slawische Schriftsprache, die dann die Basis aller slawischen Sprachen und Kulturen wurde. Der polnische Papst vergißt nicht, daß das Christentum über Böhmen, auf „slawischem Weg“ nach Polen gekommen ist. In diesem Moment, der für alle europäischen Nationen so vielversprechend ist, grüße ich einen jeden von Ihnen. Ich grüße Sie an der Schwelle einer neuen Epoche in Ihrer Geschichte; mit Ihnen danke ich aus ganzem Herzen für die wiedererlangte Freiheit; es ist mein Wunsch, daß die nächsten Jahre Ihr nationales und kulturelles Leben neu aufblühen lassen. 3. Wenn ich das große Wort Freiheit ausspreche, dann tue ich das mit aller Liebe und mit aller Inbrunst meines Herzens. Ich spreche es aus als Bekenntnis meines Glaubens an den Menschen und an seine Würde. Ich spreche es aus im Sinne aufrichtiger Solidarität mit all denen, denen die Freiheit für lange Zeit verwehrt worden ist. Ich spreche es aus mit allem Emst meines Amtes als Verkünder des Evangeliums und Hirte der Kirche. Schon in meiner ersten Enzyklika Redemptor hominis habe ich der Überzeugung Ausdruck gegeben, daß die Kirche immer mehr Wächter und Diener der Freiheit werden muß, da darin die Bedingung der wirklichen Würde des Menschen als Person liegt. Die Kirche muß Christus verkündigen „als den, der dem Menschen die Freiheit bringt, die auf der Wahrheit beruht, als den, der den Menschen befreit von allem, was diese Freiheit in der Seele des Menschen, in seinem Herzen und seinem Gewissen beschränkt, schmälert und gleichsam von den Ursprüngen selbst;trennt“ (Nr. 12). Beim Zweiten Vatikanischen Konzil hat die Kirche ausdrücklich das Recht eines jeden Menschen auf Freiheit bekräftigt, ausgehend von der Gewissens- und Religionsfreiheit, und sie selbst hat sich verpflichtet, diese Freiheit in jedem Menschen zu respektieren und zu verteidigen (vgl. Dignitaüs humanae). In der Konstitution Gaudium et spes haben die Konzils väter alle Institutionen dazu angehalten, sich in den Dienst an der Würde des Menschen zu stellen und entschieden jede Form von Versklavung zu bekämpfen, gesellschaftlich oder politisch, die die grundlegenden Rechte verletzen würde (vgl. Nr. 28). Während jeder meiner Pastoraireisen habe ich in dieser Hinsicht keine Gelegenheit versäumt, die Sorge der Kirche um den Menschen, für seine Freiheit und seine Rechte hervorzuheben. <281> <281> Heute möchte ich meine Achtung und meinen Dank all denen zum Ausdruck bringen, die im Herzen Europas um den Preis nicht weniger Opfer zur Überwindung eines der schwer- 379 REISEN wiegendsten Versuche beigetragen haben, den Menschen seiner Freiheit zu berauben, zu der er auf Grund seines Wesens bestimmt und berufen ist. Es ist symptomatisch, daß sehr viele Menschen aus dem Kulturleben unter denen waren, die als erste in jenem politischen Regime und seiner Ideologie die Unfähigkeit zu erkennen wußten, dem Menschen den Sinn des Lebens und eine feste Hoffnung auf die Zukunft zu vermitteln. Wie viele andere Male in der Geschichte dieser Nation haben Menschen aus dem Kulturleben zusammen mit anderen großen Geistern die geistige Identität der Nation verteidigt, indem sie das Verlangen nach Wahrheit, nach Freiheit und nach Gerechtigkeit unterstützt haben. Kultur setzt Freiheit voraus, schmiedet und bewahrt aber ihrerseits den Sinn für Freiheit und geistige Identität der Nationen. Gestatten Sie mir zu zitieren, was ich am Sitz der UNESCO gesagt habe: „Wachen Sie mit allen Mitteln, die Ihnen zur Verfügung stehen, über die grundlegende Souveränität, die jede Nation kraft ihrer eigenen Kultur besitzt. Schützen Sie sie wie Ihren Augapfel für die Zukunft der großen Menschheitsfamilie. Schützen Sie sie! Lassen Sie es nicht zu, daß diese grundlegende Souveränität die Beute politischer oder wirtschaftlicher Interessen wird. Erlauben Sie nicht, daß sie Opfer von Totalitarismen, Imperialismen oder Hegemonien wird, für die der Mensch nichts mehr ist als Gegenstand der Beherrschung und nicht Träger seiner menschlichen Existenz. Der Mensch ist er selbst durch die Wahrheit und wird noch mehr er selbst durch die immer vollkommenere Erkenntnis der Wahrheit“ (An den Exekutivrat der UNESCO, Paris, 2. 6. 1980, Nr. 15 und 17; O.R. dt., 6. 6. 1980). 5. Es war mir ein brennender Wunsch, während dieser Begegnung mit Persönlichkeiten des kulturellen und geistigen Lebens Ihres Landes, auch die Vertreter der anderen Kirchen und nichtkatholischen christlichen Gemeinschaften brüderlich begrüßen zu können. Die Sehnsucht nach der Einheit der Christen gehört zu den großen Zeichen unserer Zeit. Bei allen Gläubigen wächst das Engagement, die gegensätzlichen Positionen zu überwinden, die, da sie dem eindeutigen Wunsch Christi zuwiderlaufen, ein Skandal für die Welt sind und unserem gemeinsamen Auftrag, allen Menschen das Evangelium zu verkünden, schaden (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 1). Eine ganz besondere Bedeutung erhält die Aufforderung zur Einheit jedoch hier in Böhmen. Hier, wo die Erinnerung an die Ereignisse noch lebendig ist, die damals zunächst das schmerzliche Schisma des westlichen Christentums verursachten und dann lange leidvolle Folgen auslösten; hier, wo die gemeinsame Erfahrung der Unterdrückung jüngst eine bemerkenswerte Annäherung der Christen aus den verschiedenen Konfessionen begünstigt hat; gerade hier scheint die Hoffnung berechtigt, daß bald wichtige Schritte im Hinblick auf eine brüderliche Versöhnung und eine echte Einheit in Christus getan werden können. Die schweren Prüfungen und Wunden der vergangenen Jahrzehnte und auch die Erinnerung an die Wunden der vergangenen Jahrhunderte, auch wenn sie anderer Natur und anderer Bedeutung waren, können dazu beitragen, eine neue Mentalität und neue Beziehungen zu schaffen. Der Besuch des Papstes ist auch Ausdruck des Wunsches, zu helfen, einen Weg brüderlicher Zusammenarbeit und gegenseitigen Einsatzes und Respektes zu unternehmen. Ich erinnere mich, daß während des Zweiten Vatikanischen Konzils der tschechische Erzbischof, Kardinal Josef Beran, kraftvoll Stellung nahm, um die Prinzipien der Religionsffei- 380 REISEN heit und der Toleranz zu verteidigen, und mit besorgten Worten Bezug nahm auf die Vorgänge um den böhmischen Priester Johannes Hus, und wie er die Exzesse beklagte, zu denen man sich damals und später noch hinreißen ließ (vgl. Acta Synodalia, IV, S. 393-394). Es sind mir noch in Erinnerung jene Worte des Kardinals und Erzbischofs von Prag bezüglich dieses Priesters, der so große Bedeutung hatte in der religiösen und kulturellen Geschichte des böhmischen Volkes. Es wird Aufgabe der Experten sein - in erster Linie der tschechischen Theologen genauer den Platz zu bestimmen, den Johannes Hus unter den Reformatoren der Kirche einnimmt, neben anderen bekannten Gestalten der Reformation im böhmischen Mittelalter, wie z. B. Thomas von Stitne und Johannes Milic von Rromeriz. Jedoch jenseits der von Hus vertretenen theologischen Überzeugungen kann man Hus Integrität im persönlichen Leben und Engagement für die moralische Bildung und Erziehung der Nation nicht absprechen. Sind dies nicht Elemente, die statt zu trennen, die an Christus Glaubenden eher verbinden müßten? Und die Suche nach einer derartigen Einheit - stellt sie nicht in dieser Stunde eines neuen Anfangs eine Herausforderung an Ihre Geschichte dar? Eine Geschichte, die mit leuchtenden Gestalten der Kirche und Europas beginnt, wie z. B. Kyrill und Method, Wenzeslaus und Adalbert. Eine Geschichte, in der von Jahrhundert zu Jahrhundert bis zur Gegenwart kostbare Beispiele christlicher Ursprünglichkeit aufleuchten. Eine Geschichte, die ihren Höhepunkt hatte in der glorreichen Zeit des frommen Kaisers Karl, der Prag zum Herzen Europas machte. Eine Geschichte, die herausragende Gestalten von Priestern kannte, die sich verdient machten um den Schutz und die Förderung der Sprache, der Kultur, des tschechischen Nationalbewußtseins. Eine Geschichte schließlich, in der Klerus und Laien aller Konfessionen in ihrer großen Mehrheit sich immer auf seiten der Nation fanden, wie es in besonders deutlicher Weise sichtbar wurde, als die Nation zweimal in diesem Jahrhundert die Besetzung durch Verkünder des Rassenhasses und der Gottlosigkeit erleiden mußte. <282> <282> Niemals wird man die Christen vergessen dürfen, die 40 Jahre hindurch das Opfer der Freiheit und selbst des Lebens ertragen konnten. Aus ihrer Treue und ihrem Mut ist tatsächlich die große moralische Autorität erwachsen, die heute den Christen in diesem Land zuerkannt wird. Ihr leuchtendes Zeugnis hat sichergestellt, daß die Christen trotz der über sie von der gegnerischen Propaganda verbreiteten Lügen heute als vertrauenswürdige Gesprächspartner im Dialog über die Zukunft der Nation anerkannt werden. Das ist ein wichtiges Ergebnis, das vielversprechende Perspektiven für einen erneuerten Einsatz im Dienst am Gemeinwohl eröffnet. Die Probleme, mit denen sich der heutige Mensch auseinandersetzen muß, sind in der Tat zahlreich. Zu denen, die schon immer bestanden, haben sich neue Probleme hinzugesellt: es soll genügen, auf die ethischen Aspekte der wissenschaftlichen Forschung, auf die Unterscheidung der Werte hinzuweisen, die den Lebensstil beeinflussen und Konsequenzen für das körperliche, psychische und moralische Wohlergehen der Bürger haben, sowie auf die Verantwortung für die Umwelt: Das alles sind Probleme, zu deren Lösung es nicht klug wäre, die Erfahrungen der Kirche und die spezifische vom Glauben durchdrungene Sichtweise zu ignorieren. Bei der Suche nach einer angemessenen Lösung ist der Dialog sicherlich die Methode, die vorzuziehen ist. Dabei werden sich auch die Christen mit klaren Zielen und brüderlich offe- 381 REISEN nem Geist einsetzen, wobei für sie das Wohl der Nation das einzige Ziel darstellt. Die Auseinandersetzung mit den anderen Positionen wird aufrichtig und freimütig sein, immer von gegenseitigem Respekt bestimmt und im Bewußtsein der gemeinsamen Wurzeln sowie der solidarischen Verantwortlichkeit für die Zukunft der Nation. Gern möchte ich die Worte von Kardinal Tomäsek, der von der ganzen christlichen Welt bewundert wird, aufgreifen. Er hat die Gläubigen zu moralischer Glaubwürdigkeit aufgerufen, zur Bekehrung und Umwandlung des Geistes und des Herzens. Dieser Appell wurde zum ersten Mal in Böhmen von Bischof Adalbert ausgesprochen, der ersten europäischen Persönlichkeit aus Ihrem Blut; seit damals ist er nach jedem schwierigen Zeitabschnitt immer wieder erklungen. Kardinal Tomäsek hat allen Christen und allgemein allen Menschen guten Willens die große Initiative des Dezenniums zur geistigen Erneuerung der Nation angeboten als Weg zu einer moralischen Gesundung in Vorbereitung auf den 1000. Todestag des hl. Adalbert und gleichzeitig als Vorbereitung auf das Leben im neuen Jahrtausend. Der Kardinal lädt alle Nationen dazu ein, den Weg einer spirituellen Wiedergeburt erneut aufzunehmen, einen Weg, auf dem sich alle lebendigen Kräfte der nationalen Tradition zusammenfinden können, die bisher getrennt und oft auch gegensätzlich waren. Auf dieser Straße müssen wir mit erneuerter Hoffnung voranschreiten, weil die Erfahrung noch einmal bestätigt hat, daß „Wahrheit und Liebe Lüge und Haß überwinden“. 7. Nun wende ich mich an die hier anwesenden Studenten und in ihnen an alle jungen Menschen in der Tschechoslowakei. Durch ihren Mut und ihre Klugheit haben sie auf entscheidende Weise mitbewirkt, daß das Land ohne Gewalt und ohne Rache seine volle Freiheit wiedergewonnen hat. In gewisser Weise kehrt die Tschechoslowakei heute wieder nach Europa zurück. Sie hat auf diesem Kontinent einen ganz klar umrissenen Platz und eine eigene wichtige Aufgabe. War Ihr Land nicht über Jahrhunderte hinweg ein Ort geistigen Austauschs, eine Brücke zwischen Ost und West? Das vereinte Europa ist nicht nur ein Traum, es ist auch nicht eine utopische Erinnerung an das Mittelalter. Die Ereignisse, deren Zeugen wir sind, beweisen, daß ein derartiges Ziel wirklich erreichbar ist. Europa, das von Kriegen erschüttert und von Spaltungen, die seine freie Entwicklung untergruben, verwundet wurde, ist auf der Suche nach einer neuen Einheit. Dieser Prozeß ist und darf kein ausschließlich politisch-ökonomisches* Geschehen sein; er:hat eine tiefe kulturelle, geistige und moralische Dimension. Die Einheit Europas lebt in uns aus den unterschiedlichen Kulturen, die sich gegenseitig durchdringen und bereichern. Diese Besonderheit prägt die Ursprünglichkeit und Autonomie auf unserem Kontinent. Die Suche nach der Identität Europas führt uns zu den Ursprüngen. Wenn das geschichtliche Bewußtsein Europas nicht über die Ideale der Aufklärung hinaus-geht, wird seine neue Einheit auf oberflächlichen und unsicheren Fundamenten beruhen. Das Christentum, das von den Aposteln auf diesen Kontinent gebracht wurde und durch das Wirken von Benedikt, Kyrill, Method und Adalbert sowie einer unzählbaren Schar von Heiligen in den verschiedenen Gebieten wirksam wurde, bildet die Wurzel der europäischen Kultur. Der Prozeß hin zu einer neuen Einheit Europas muß dieser Tatsache Rechnung tragen! 382 REISEN Wie sähe das faszinierende Panorama dieser „Stadt der hundert Türme“ aus, wenn aus ihm die Silhouette der Kathedrale und vieler anderer Monumente verschwände, die ebenfalls Kleinode der christlichen Kultur darstellen? Wie arm würde das geistige, moralische und kulturelle Leben dieser Nation, wenn alles, was vom christlichen Glauben inspiriert war, ist und sein wird, davon ausgeschlossen sein müßte! 8. Ihr jungen Menschen habt jahrelang erlebt, wie man eurer Kultur, eurem Leben und eurer Zukunft die geistliche und religiöse Dimension zu nehmen versuchte. Nun, wenn dieser Versuch gelungen wäre, wenn ihr für die Werte des Glaubens, der Bibel, der Kirche blind und taub geworden wäret, dann wäret ihr zu Fremden im eigenen Land geworden. Ihr hättet den Schlüssel verloren, um viele Aspekte der Philosophie, der Literatur, der Musik, der Architektur, der bildenden Künste und ganz allgemein der verschiedenen Ausdrucksformen des Geistes in eurer und in der europäischen Tradition zu verstehen. Vor allem hättet ihr die Quelle der Inspiration und der moralischen Energie verloren, um die vielen brennenden Probleme von heute zu lösen und die Kultur von morgen zu gestalten. Diese Kultur kann nicht auf einem verkürzten Bild des Menschen gründen, wie dem materialistischen, und auch nicht auf einem einseitig spiritualistischen, wie dem Menschenbild des Ostens. Notwendig ist eine ganzheitliche Sicht, die den Menschen in jeder Dimension umfaßt: der geistigen und materiellen, der moralischen und religiösen, in seiner Beziehung zur Gesellschaft und zur Umwelt. Durch die Gnade Gottes ist jener Versuch nicht nur gescheitert, sondern hat auch das Gegenteil erbracht von dem, was seine Befürworter bezweckten. Ich dachte auch an eure Erfahrung, als ich vor 10 Jahren am Sitz der UNESCO sagte: „Im Lauf der Geschichte waren wir mehr als einmal und sind immer noch Zeugen des Prozesses eines sehr bezeichnenden Phänomens. Da, wo die religiösen Institutionen unterdrückt wurden, da, wo die Ideen und Werke religiöser Inspiration, insbesondere christlicher Inspiration ihrer Rechte im Staat beraubt wurden, finden die Menschen wieder die gleichen Gegebenheiten außerhalb der institutionellen Wege. Dies geschieht durch eine Konfrontation, die sich in der Wahrheit und der inneren Bemühung innerhalb dessen vollzieht, was zu ihrer Menschennatur gehört und den Inhalt der christlichen Botschaft bildet“ (Paris, 1980, ebd., Nr. 10; O.R. dt., 6. 6. 1980). <283> <283> Junge Menschen dieses Landes, bewahrt euch den Durst nach geistlichen Werten als Frucht des Leidens eurer Generation! Bewahrt euch den Mut, die Wahrheit und den Sinn des Lebens außerhalb der Grenzen zu suchen, die der Materialismus, ob es sich um Materialismus als Ideologie oder als Praxis der Konsumgesellschaft handelt, auferlegen will! Im Inneren jedes materialistischen Denkens findet sich die Angst. Die Angst vor der Leere, die zurückbleibt, wenn der Mensch des wahren Sinnes seines Lebens beraubt wird. Gerade deshalb erhalten sich die politischen Systeme, die auf materialistischem Denken gründen, durch die Angst. Ihr habt die Angst überwunden. Ihr habt ein neues Vertrauen gefunden, einen neuen Mut für das Leben in der Wahrheit, für das Leben, das aus geistig-geistlichen Werten schöpft. Der tschechische Dichter Vladimir Holan hat geschrieben: „... die Erde selbst bestätigt es: kein Bau wird vollendet, niemals, niemals vollendet, ohne die transzendente Dimension.“ 383 REISEN Ohne den Sinn für das Transzendente bleibt jede Art von Kultur ein formloses Bruchstück wie der unvollendete Turmbau zu Babel. Es ist nicht möglich, eine echte Kultur hervorzubringen und zugleich das, was sie bedeutet, zu vergessen oder gar abzulehnen: Kultur bedeutet „Kultivieren“, angefangen mit der Kultur eines jeden selbst. Ein Mensch ohne Kultur wird diesem Bemühen nicht gerecht, das jeder sich selbst schuldig ist. Ein Leben ohne Kultur ist ein Leben ohne geistige Tiefe, nicht aufgeschlossen für das Geheimnis; ein Leben, das der Gefahr einer Oberflächlichkeit ausgesetzt ist, die nur von Konsumbedürfnissen gesteuert wird. Wir stehen heute vor den Ruinen eines der vielen Türme zu Babel, die es in der Menschheitsgeschichte gegeben hat. Das Gebäude, das man in den vergangenen Jahren zu errichten versucht hat, war ohne transzendente Dimension, ohne geistliche Tiefe. Jedes Bemühen, die Gesellschaft, die Kultur, die Einheit und Brüderlichkeit unter den Menschen auf die Ablehnung der transzendenten Dimension zu gründen, führt wie in Babel zur Entzweiung der Geister und zur Verwirrung der Sprachen. Heute hingegen ist es nötig, eine gemeinsame Sprache und ein neues Verständnis zu suchen und dabei alle Mauern, die Menschen und Nationen trennen, einzureißen sowie alle geistiggeistlichen und moralischen Kräfte für das Leben im dritten Jahrtausend zu mobilisieren. Junge Menschen dieser Erde, entwickelt diese gemeinsame Sprache, stärkt noch mehr die transzendente Dimension des Lebens, erntet mit Zuversicht die Früchte des Dialogs zwischen Glaube und Kultur. Betrachtet die harte Zeit, die ihr durchgemacht habt, als eine wertvolle Schulung der Reife. Mit dem, was in diesen Jahrzehnten in euch zur Reife gekommen ist, könnt ihr andere Völker bereichern. Ihr verfügt über ein kostbares Vermögen: das Kapital der Verdienste, das von denen angesammelt wurde, die ihr Leben im Kampf für die Wahrheit geopfert haben. Unter ihnen gab es gewiß auch neue Heilige. Nehmt ihre Beispiele auf als Samen des Lebens, das durch euren Einsatz, eure Kultur, eure Hingabe für Wahrheit, Liebe und Freiheit blühen muß! Auf alle rufe ich den Segen des allmächtigen Gottes herab! Dank für die ertragenen Leiden Ansprache an die Priester, Ordensleute und engagierten Laien im Dom von Prag am 21. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!“ (.Röm 1,7). Ganz zu Recht gilt meine erste Begegnung euch, die ihr das Evangelium verkündigt: Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Gläubige, die, in der Welt lebend, im Apostolat der Kirche sich einsetzen als Mitglieder verschiedener Bewegungen und Laienverbände oder auch durch Aufopferung ihrer Leiden. Ihr verkündigt das Evangelium durch die Predigt, die Liturgie, das Beispiel des Gebetes und des Lebens und durch die hochherzige Antwort auf den Ruf, den Gott an jeden gerichtet hat. So macht ihr euren Zeitgenossen Christus gegenwärtig. 384 REISEN Unsere Begegnung findet in der Kathedrale statt, die das geistige Herz nicht nur dieser Stadt und der Erzdiözese Prag, sondern in gewissem Sinn auch eures ganzen Landes ist. Sie wurde von früheren Generationen über den Gräbern eurer Heiligen erbaut. Sie ist als solche ein unvergleichliches Symbol der Kirche in eurer Nation, ein Stück Geschichte, das erwartet, von euch durch ein mutiges christliches Zeugnis fortgesetzt zu werden. 2. Der Besuch des Papstes, der erste Besuch in der mehr als tausendjährigen Geschichte des Christentums in diesen Ländern, schließt symbolisch eine Periode eures Weges ab und eröffnet eine andere. Dieser Zeitraum, der einige Jahrzehnte gedauert hat und nun schließlich zu Ende gegangen ist, fügt sich als ein schwieriges, aber zugleich auch großartiges Kapitel in die zweitausendjährige Geschichte der katholischen Kirche ein. Ihr befindet euch jetzt am Anfang eines großen Werkes der Erneuerung. Ein Teil davon besteht auch in der aufmerksamen Prüfung des Zeitabschnittes, den ihr hinter euch habt, um die Ergebnisse zu bewerten und passende Hinweise daraus zu entnehmen. Ihr wurdet „Kirche des Schweigens“ genannt. Aber euer Schweigen war keine Stille des Schlafes, kein Schweigen des Todes. In der Ordnung des Geistes ist Schweigen der Zustand, in welchem die kostbarsten Werte geboren werden. Baut jetzt den Tempel des freien Lebens eurer Kirche, und kehrt dabei nicht einfach zu dem zurück, was ihr wart, ehe euch die Freiheit beschnitten wurde: baut sie auf dem Fundament dessen, was während der Jahre der Prüfung herangereift ist. Oft kommen Christen aus den Ländern, in denen die Kirche unbehindert lebt, zu euch. Sie kommen, um euch zu helfen, weil sie sich darüber im klaren sind, was euch alles genommen wurde. Diese Solidarität - besonders von seiten derer, die sie auch in den verflossenen Zeiten bewiesen haben - ist anzuerkennen und zu ermutigen. Ich möchte aber unterstreichen, daß viele von diesen Christen auch ihrerseits bereichert heimkehren durch den Kontakt mit euren Erfahrungen, mit dem, was ihr durchgemacht und nun der Welt und den Kirchen anderer Länder anzubieten habt. Auch der Papst kommt, um euch angesichts all eures Leidens Ehrerbietung zu bezeigen, um euch anzuhören, um öffentlich den Wert des Zeugnisses eurer Kirche anzuerkennen und euch zu danken. Meine Anerkennung und mein Dank gelten auch denen, die diesen Freudentag, den sie so sehr herbeigesehnt haben, nicht mehr erleben konnten. Gott allein weiß, wieviele Christen, deren Leben um des Namens Christi willen verkürzt oder schwer gemacht wurde, in die Zahl eurer Heiligen hinübergegangen und nun schweigend bei uns sind als jene „Wolke von Zeugen“ (vgl. Hebi 12,1), von denen die Hl. Schrift spricht. <284> <285> <284> Mein ehrerbietiges Gedenken geht zu denen, die - ob sie an- oder abwesend, noch am Leben oder gestorben sind - um des Glaubens willen in Gefängnissen, Konzentrationslagern und im Exil gelitten und Angriffe aller Art ausgehalten haben. Mit ihnen hatten häufig auch ihre Familien, ihre Angehörigen und Freunde zu leiden. Ich danke den Ordensmännem und Ordensfrauen, die aus ihren Klöstern vertrieben, den Priestern, die von ihren Gläubigen getrennt wurden und daran gehindert waren, ihr Amt auszuüben oder nach Willkür der Machthaber von einem Ort zum andern befördert wurden. Ich danke den Priestern, die jahrzehntelang ihren Dienst in den Kirchen und Kanonikaten ausgeübt und „die Last und Hitze 385 REISEN des Tages“ (Mt 20,12) getragen haben. Viele von ihnen haben, um ihren Gläubigen weiterhin helfen zu können, unter dem Gebot der Zeit einen „modus vivendi“ übernehmen müssen, der nicht von allen geteilt wurde. Im Namen des Herrn ermahne ich euch, liebe Brüder, die Verhältnisse, denen sie zum Opfer gefallen sind, zu vergessen und in einem neuen pastoralen Einsatz die volle Einheit der Priesterschaft unter der Leitung des Bischofs wieder herzustellen. Ich danke auch den Priestern, die sich heimlich auf ihren Beruf vorbereiten und ihn im Untergrund ausüben mußten und die trotz des Risikos, bestraft zu werden, das Licht des Evangeliums dorthin getragen haben, wo jedem Einfluß der Kirche die Türen verschlossen waren. Es hat nicht zwei Kirchen, sondern eine einzige Kirche gegeben. Das, was der Geist Gottes vereint hatte, konnte durch den Mißbrauch der Menschen nicht getrennt werden. Meine Lieben, der Wunsch, der aus meinem Herzen aufsteigt ist der: Nachdem ihr alle, wenn auch auf verschiedene Weise, gelitten habt, mögt ihr nun miteinander brüderlich an den gemeinsamen Früchten teilhaben können. Ich danke allen Laien, die, von Opfergeist erfüllt, die Interessen des Gottesreiches zu den ihren gemacht und, ungeachtet der verschiedenen Umstände, vor allem in den eigenen Familien und im eigenen Herzen den lebendigen Tempel auferbaut haben, in welchem der Glaube aulrechterhalten und weitergegeben wird. Bleibt diesem mutigen Verhalten treu, bringt bei den anderen die Kunst zur Entfaltung, nicht zu unterliegen, unterweist sie in der österlichen Umwandlung von Kreuz und Leid in Sieg! 4. Euer Sieg hat seinen Ursprung im Herzen eures Leidens. Euer Sieg ist eine Frucht der Treue, die ein wichtiger Aspekt des Glaubens ist. Eure Treue war die Antwort auf die Treue dessen, der euch zum Glauben berufen hat, der euch zur Freiheit berufen und euch versichert hat, euch nie allein zu lassen. Aus dieser Treue ist eure Befreiung geboren. Sie wurde euch nicht von außen gegeben, sie ist von innen gekommen, vom Kreuz, das in euer Leben gepflanzt wurde. Deshalb dürft ihr jetzt nicht stehenbleiben, dürft euch nicht zurückwenden. Ihr müßt vielmehr vorangehen in der wahren Freiheit in Christus. <286> <287> <286> Ich möchte an drei Aspekte der Treue erinnern, in denen eure Kirche sich ausgezeichnet hat. Vor allem die Treue zu Christus, dem Gekreuzigten, im Augenblick eurer eigenen Kreuzigung und die Treue zum Geist, der euch durch das Dunkel geführt und euch Licht gewährt hat auch in den Situationen, in denen es an denen fehlte, denen es obliegt, die Gläubigen auf dem Weg des Evangeliums zu führen und zu begleiten. Bewahrt diese innere Offenheit für die Stimme des Geistes Christi auch jetzt, da ihr in Bedingungen äußerer Freiheit und eines sozialen und kulturellen Pluralismus eintretet. Auch in dieser Situation wird es nicht immer leicht sein, den rechten Weg zu finden und der eigenen Identität treu zu bleiben. Ihr seid sodann auch dem Nachfolger des Petrus und den Nachfolgern der Apostel, den Bischöfen, treu geblieben. Auch als es schwierig, ja unmöglich wurde, mit ihnen in Verbindung zu bleiben, auch als eine Diözese lange Zeit ihres Bischofs beraubt blieb, hat eure Kirche die geistige Verbundenheit mit dem Hl. Stuhl bewahrt und sich weder durch Drohungen 386 REISEN noch durch Versprechungen von ihm trennen lassen. Ihr habt begriffen, daß der Versuch, die Kirche von der lebendigen Einheit mit ihrem apostolischen Fundament loszureißen, dazu führt, sie weltlichen Mechanismen und vor allem den Ansprüchen des totalitären Staates zu unterwerfen. Noch vor zwei Jahren haben die Christen in der Tschechoslowakei, vor allem die Jugendlichen, für die Freiheit des Hl. Stuhls in der Ernennung der Bischöfe demonstriert, und diese Demonstrationen verliefen nicht ohne Unterdrückungsmaßnahmen. Diese eure Treue verpflichtet die neuen Bischöfe, euch als echte Väter und gute Hirten zu dienen und „das Beispiel der Heiligkeit in Liebe, Demut und Einfachheit des Lebens zu geben“ (Christus Dominus, Nr. 15). Ich fordere die Priester und die Gläubigen, denen manchmal mehr als eine Generation lang die Autorität des Bischofs unbekannt war, auf, willigen Herzens diese Nachfolger der Apostel anzunehmen als „Diener Christi und Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (1 Kor4,1), wie es die Hl. Schrift verlangt, trotz der menschlichen Schwächen, mit denen sie, wie alle Nachkommen Adams, vielleicht gezeichnet sind. Einen dritten Aspekt der Treue eurer Kirche möchte ich schließlich noch unterstreichen, nämlich die Treue zur Nation, die vor allem in der Solidarität mit den Verfolgten und als Freimut gegenüber denen, die aufrichtig die Wahrheit suchen und die Freiheit lieben, zum Ausdruck gekommen ist. Ihr habt verstanden, daß es Heuchelei ist, vom Frieden in der Welt zu sprechen und sich nicht für Mitbürger einzusetzen, die um der Wahrheit und der Gerechtigkeit willen mißhandelt werden, eine Heuchelei, die nur zur Schwächung der Einheit und der moralischen Autorität der Kirche führt. 6. Genau an dieser Stelle hat vor mehr als 40 Jahren der mutige Kardinal Beran sein klares „Nein“ zu allen derartigen Verführungen gesprochen. Und es war vor allem die mutige Haltung eures Erzbischofs, des lieben Kardinals Tomäsek, angesichts aller Ungerechtigkeiten der letzten Jahre, die vollkommen klar die Solidarität der Kirche mit den Verfolgten und mit der Nation zum Ausdruck gebracht hat. Diese Solidarität hat dazu beigetragen, die moralische Autorität der Kirche zu stärken. Sie hat dazu beigetragen, alte Wunden im Herzen eurer Geschichte zu heilen und die alte Spannung zwischen der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche und der Zugehörigkeit zur Nation zu überwinden. Sie hat dazu beigetragen, die besonders heute so notwendige Einigkeit unter all denen zu erneuern, denen die moralische Gesundheit der Nation und echte und dauerhafte Freiheit ein Herzensbedürfnis ist. Sie hat ebenso dazu beigetragen, den jungen Menschen, vor denen die Kirche verleumdet und angeschwärzt wurde, sichtbar zu machen, daß die Gemeinschaft der Gläubigen der Ort der Wahrheit und die Kirche die Beschützerin der Rechte und der Würde des Menschen ist. In dieser Nation, in dieser freien Gesellschaft, die aufs neue im Aufbau ist, darf die Kirche nicht zu einer Gruppe werden, die in sich selbst verschlossen ist. Bewahrt und vertieft eure Solidarität mit der Nation! Lernt die Seele eurer Nation immer tiefer kennen, lernt ihre Kultur kennen und baut sie zusammen mit den andern auf! <288> <288> Wenn ich in Gedanken dem Schicksal des Christentums in eurer Heimat nachgehe, kommt mir ein deutlicher Charakterzug vor Augen. In wenigen Ländern wurden an die Kirche und ihre Vertreter so hohe moralische Anforderungen gestellt wie hier in Böhmen. Hier hat es nie 387 REISEN genügt, sich nur mit Worten auf die Autorität Christi zu berufen; hier war und ist es weiterhin notwendig, die Autorität der Kirche durch die moralische Glaubwürdigkeit der Verkünder des Evangeliums zu bestätigen. Der Aufruf zur moralischen Glaubwürdigkeit zieht sich durch die gesamte Geistesgeschichte der Nation. Heute muß die Kirche ihn mehr denn je aufgreifen und ihn dann an die Gesellschaft insgesamt richten. Die Freiheit eurer Kirche und eurer Nation wäre nicht vollkommen und hätte keine stabilen, sondern oberflächliche Fundamente, wenn sie nicht mit moralischer und geistiger Erneuerung Hand in Hand ginge. Darin sehe ich eine große Aufgabe für die Gläubigen in der tschechoslowakischen Gesellschaft von heute. Ihr habt das Kapital der aufgehäuften Verdienste derer in Händen, die in den vergangenen Jahren ihr Leben und ihre Freiheit geopfert haben. Es ist ein wahrhaft reiches Erbe. Verschwendet es nicht! Von diesem Gesichtspunkt aus ist die Initiative zu loben, die vom böhmischen Katholizismus ausging, sich aber an das ganze Land richtet, nämlich das „Jahrzehnt der geistlichen Erneuerung der Nation“ zur Vorbereitung auf die Jahrtausendfeier des Martyriums des hl. Adalbert und zum Beginn des neuen Jahrtausends. Gerade diese Initiative kann ein bedeutsamer Weg zur heute so notwendigen Einheit sein: zur Einheit in der Kirche, zur Einheit zwischen den Kirchen und auch zur Einheit mit den anderen Kräften der Gesellschaft, die in gleicher Weise ein Empfinden für das Problem der moralischen Gesundheit der Nation haben. Es wird eine gute Sache sein, wenn sich bei dieser Vorbereitung auf die Jahrtausendfeier des hl. Adalbert auch die Christen der anderen Länder Mitteleuropas mit euch verbinden, für die dieser Heilige auch von Bedeutung ist, wie es euer Kardinal Tomäsek in seinem Aufruf im letzten Jahr unterstrichen hat. Das erwähnte Jahrzehnt ist jetzt in seinem dritten Jahr angekommen, und dieses ist der Erneuerung des Lebens und Dienstes der Priester gewidmet. Das nächste Jahr wird die Erneuerung der Familien betreffen. Diese beiden großen Aufgaben erfordern eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Priestern und Laien. Ich weiß, daß nicht wenige Priester sich müde und erschöpft fühlen und Hilfe und Ermutigung nötig haben. Ich weiß, daß, wie anderswo, auch in eurem Land die Zahl der entzweiten Familien bedrohlich zunimmt. Aber ich weiß auch, daß die Christen durch ihr Beispiel und ihre Hilfe wirksam zur Festigung dieser fundamentalen Einrichtung der Gesellschaft beitragen können. <289> <290> <289> Als in der Vergangenheit den Christen nur die Liturgiefeier in den Kirchen gestattet war, hat euer kirchliches Leben sich auf die Wurzeln konzentriert. Jetzt muß es sich ausbreiten und in seinem ganzen Reichtum zur Blüte kommen. Das Leben der Kirche besteht ja nicht nur in der Liturgie und in den Sakramenten; es muß auch in den Bereich der Kultur, der Erziehung, der sozialen Aufgaben und Hilfsdienste eindringen. Die Kirche kann und muß allen Menschen in verschiedener Weise helfen. Wie Christus für alle gekommen ist, so existiert die Kirche auch nicht nur für sich selbst und ihre Gläubigen, sondern muß das Gemeinwohl für alle fördern. Ja, die Christen müssen nach den Worten Christi Sauerteig, Licht der Welt und Salz der Erde sein (vgl. Mt 5,13-14). 388 REISEN Um diese Sendung zur Wiedergeburt der Gesellschaft erfüllen zu können, muß die Kirche beständig auf die Sorge um die eigene Erneuerung in Geist und Wahrheit bedacht sein. Meine Lieben, eure Kirche sieht sich ungeheuren Aufgaben gegenüber. Es müssen im Gehorsam gegenüber den Weisungen des Konzils wichtige Strukturen geschaffen werden, angefangen mit eurer neuen Bischofskonferenz und den Organen der Pfarreien und der einzelnen Gemeinschaften. Die Praxis der evangelischen Räte muß wieder in Schwung gebracht, das Ordensleben erneuert werden. Die Institute des geweihten Lebens haben in der Kirche eine unersetzbare Sendung, und ihr spezifisches Charisma muß voll respektiert werden. Gleichzeitig ist von Bedeutung, daß die Ordensobem sich der Erfordernisse in der gesamten Ortskirche deutlich bewußt sind und ihr im Geist ihrer eigenen Traditionen und der Zielsetzungen ihrer Institute Hilfe leisten. 9. Jahrzehntelang wurde in eurem Land die religiöse Unterweisung und Erziehung unterdrückt. Ich erinnere besonders an die Bedeutung der geistlichen Formung und intellektuellen Ausbildung der Kandidaten für das Priestertum und das Ordensleben. Es ist ein ermutigendes Zeichen, daß eure Seminaristen im vorigen Jahr aus eigener Initiative Interesse an der Reform ihrer Ausbildung im Geist aktueller Erfordernisse und der vom Konzil gegebenen Grandsätze bekundet haben. Ich ermutige sie zu ernstem Einsatz, damit die dreifache Treue eurer Kirche, die ich eben angedeutet habe, erhalten bleibt und vertieft wird. Auf diese Weise können sie durch das Beispiel ihres Lebens andere junge Menschen den Weg zum Priestertum als etwas erkennen lassen, was das Verlangen des Menschenherzens, sich ganz der Liebe zu Gott und zum Nächsten hinzugeben, voll befriedigt. Eine bedeutende Hilfe in der Pastoral, die unter dem Mangel an Priestern leidet, wird durch den Dienst ständiger Diakone möglich sein. In passender Weise habt ihr vor, ihn auch in eurer Kirche einzuführen, da ihr die Erfahrungen vor Augen habt, die in anderen Kirchen in dieser Hinsicht bereits gereift sind. Einen besonderen Hinweis möchte ich noch auf die religiöse Formung und Unterweisung der Laien geben, beginnend mit dem Religionsunterricht in den Schulen, bis hin zur vollen theologischen Ausbildung, die nicht nur dem Klerus Vorbehalten sein soll. Die frühere staatliche Kontrolle hinderte die Laien daran, in so großer Vielfalt von Aufgaben an der apostolischen Sendung teilzunehmen, wie sie ihnen das Konzil und die letzte Bischofssynode anvertraut haben. Dessen ungeachtet, sind in der Verborgenheit viele Laienbewegungen und -verbände aufgeblüht. Nun, da sie sich im Licht der Sonne zeigen können, ist es wichtig, daß sie sich gegenseitig gut kennenlemen, Vertrauen zueinander gewinnen und die Zusammenarbeit lernen. <291> <292> <291> Im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils wird die Kirche manchmal „Sakrament des Dialogs“ genannt. Nach den Worten meines Vorgängers Paul VI. sollte in ihr beständig ein innerer, von Familiengeist getragener Dialog geführt werden, „empfänglich für jede Wahrheit, jede Tugend, für alle uns überkommenen Schätze der Lehre und des geistlichen Lebens, ... bereit, die vielfältigen Anregungen unserer Zeit aufzugreifen, ... fähig, die Katholiken zu wahrhaft guten, weisen, freien, frohen und starken Menschen zu machen“ (Ecclesiam suam, Nr. 64). 389 REISEN In eben diesem Geist fordere ich euch auch zum ökumenischen Einsatz auf, das heißt zum Bemühen um die Einheit aller an Christus Glaubenden. Setzt den Weg der brüderlichen Zusammenarbeit mit den Christen der anderen Kirchen fort in der gegenseitigen Achtung und Liebe, die in den Jahren des gemeinsamen Leidens stärker geworden und die für die Zukunft der Kirche und der Nation so wichtig sind. 11. In einer Zeit großer politischer und wirtschaftlicher Umstrukturierungen in eurer Gesellschaft muß auch auf die Beziehungen zwischen der Kirche und dem öffentlichen Leben hinge-wiesen werden. Die Sendung der Kirche ist nicht wirtschaftlicher, politischer und noch viel weniger parteipolitischer Art. Von ihrer Natur her ist die Kirche weder an eine bestimmte Kulturform noch an ein politisches oder wirtschaftliches System gebunden. Kraft ihrer Sendung aber ist sie gehalten, den Menschen Orientierungen anzubieten, die zum Aufbau des bürgerlichen Zusammenlebens in Übereinstimmung mit dem Gesetz Gottes dienen können. Gerade aufgrund ihrer Universalität kann sie gültig zur Verständigung und Solidarität zwischen den verschiedenen Nationen und Gemeinschaften beitragen (vgl. Gaudium et.spes, Nr. 42). Die sich aus diesen Grundsätzen ergebende Konsequenz ist klar: Wenn es auf der einen Seite den Priestern nicht zusteht, politische Funktionen auszuüben, müssen sich anderseits die Gläubigen ihren Fähigkeiten entsprechend am zivilen und politischen Leben beteiligen und sich freimütig, ehrlich, mit Hingabe und Mut in den Dienst des Allgemeinwohls stellen (vgl. ebd., Nr. 75). Sie werden sich dabei bemühen, in gegenseitiger Achtung nach Einheit zu streben, werden im Geist des Evangeliums stets ehrliche Mittel anwenden und die Rechte und die Ehre jedes Menschen respektieren, selbst wenn er ein Feind wäre. <293> <293> Die Kirche ist nicht mit dem Staat zu verwechseln. In der freien und demokratischen Gesellschaft jedoch müssen Kirche und Staat im Hinblick auf die integrale Entfaltung der menschlichen Person in gegenseitiger Achtung eine gesunde Zusammenarbeit entwickeln. Die Kirche setzt sich dafür ein, daß in den Nationen und zwischen den verschiedenen Nationen Gerechtigkeit und Liebe gestärkt werden und daß die politische Freiheit und die Verantwortlichkeit der Bürger zunehmen. Ihrem Glaubenserbe entnimmt sie auch den Schatz einer Soziallehre, in deren Licht sie vom ethischen Standpunkt aus zu den Fragen des öffentlichen und politischen Lebens Stellung nimmt, wenn der Schutz der Grundrechte des Menschen oder das Heil der Seelen dies erforderlich machen. Das ist eine eindeutige Lehre des Konzils, auf die es zurückzukommen gilt, wenn die neuen Aufgaben, die die augenblickliche Lage den Christen stellt, in Angriff genommen werden. Die Kirche ist berufen, zur Humanisierung der Menschheitsfamilie und ihrer Geschichte beizutragen (vgl. ebd., Nr. 40), doch ihr grundsätzliches Bemühen richtet sich auf ein einziges Ziel: daß das Reich Gottes komme und das Heil des ganzen Menschengeschlechts sich verwirkliche (vgl. ebd., Nr. 45). Vor genau zwei Jahren hat euer Erzbischof Kardinal Tomäsek euch auf gefordert, in diesem bedeutsamen Augenblick eurer Geschichte „den Mut mit der Klugheit, die Begeisterung mit der Geduld, die Wahrhaftigkeit mit der Liebe“ zu verbinden. Eine Aufforderung, die ich gerne zu der meinen mache, denn ich meine, sie besitzt auch heute noch ihren vollen Wert. 390 REISEN 13. Brüder und Schwestern, es wäre mein Wunsch, jeden von euch persönlich grüßen zu können. Die Zeit läßt es nicht zu. Ich möchte aber wenigstens zu jenen unter den hier Anwesenden gehen, die in der Gemeinschaft der Gläubigen eine unersetzliche Aufgabe haben -den Kranken. Gott hat in die gebundenen Hände der Leidenden eine große Macht gelegt. In Vereinigung mit dem Kreuz Christi können sie durch ihr Gebet und ihr Leiden mehr für die Kirche tun als andere, die ansehnliche Angelegenheiten und Aufgaben erfüllen. Gerade die Anwesenheit der Kranken erinnert uns an die geheimnisvolle Solidarität aller im mystischen Leib Christi, der Kirche. Sie erinnert uns daran, daß wir auch in dieser Zeit neuer äußerer Möglichkeiten für das Leben der Kirche unseren Ruhm und unsere Ehre nur in Christus, dem gekreuzigten, sehen dürfen (vgl. Gal 6,14). 14. Brüder und Schwestern, für diesmal verabschiede ich mich von euch mit den Worten des Apostels: „Freut euch, werdet vollkommen und laßt euch ermahnen, seid eines Sinnes und lebt in Frieden! Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Grüßt einander mit dem heiligen Kuß! Es grüßen euch alle Heiligen. Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,11-13). Von Herzen erteile ich euch meinen Segen. Zahlreiche und fordernde Aufgaben Ansprache an die Tschechoslowakische Bischofskonferenz in Prag am 21. April Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. Ich wende mich an euch, die Hirten und Väter der Kirche in der Tschechoslowakei, mit großem Vertrauen und tiefer Zuneigung. Ich freue mich mit euch und mit euren Gläubigen über die Tatsache, daß alle Diözesen in der Tschechoslowakei endlich ihren eigenen Bischof haben. In keinem anderen Land so alter christlicher Tradition wurden der Bischofsbestellung für die vakanten Diözesen so viele Hindernisse in den Weg gelegt. Die vergangene politische Macht, die den Nationen der Tschechoslowakei den Atheismus aufzwang, schränkte das Leben der Kirche in erster Linie gerade auf diesem heiklen Sektor ein. Jede Ernennung erforderte aufreibende Verhandlungen, die von den Gläubigen mit aufmerksamem Interesse verfolgt wurden. Oft aber verliefen sie ohne Ergebnis. Die Gläubigen ihrerseits fuhren fort zu beten. Noch vor zwei Jahren bekundeten sie beim Gebetstreffen in Preß-burg öffentlich ihren Wunsch, gute Bischöfe zu haben. Aber diese friedliche Demonstration wurde durch Gewaltmaßnahmen, bei denen auch Blut geflossen ist, zerstreut. Liebe Brüder, dieses Blut wurde auch für euch vergossen! Im gleichen Jahr wurden mehr als eine halbe Million Unterschriften gesammelt zur Unterstützung eines Bittgesuches, in dem die religiöse Freiheit gefordert wurde und insbesondere die freie Ernennung der Bischöfe seitens des Papstes. Bekanntlich wurden der Wille und die 391 REISEN Forderungen so vieler Bürger ignoriert. Dank der Vorsehung ist das alles nun vorüber: Die neuen Lenker der öffentlichen Angelegenheiten in der Tschechoslowakei sind dabei, der Kirche wieder vollen Freiraum zuzuerkennen. 2. Unlängst sind verschiedene neue Bischöfe geweiht worden, und jene, die seit langen Jahren ihr Amt nicht mehr ausüben konnten, sind zu ihren Bischofssitzen zurückgekehrt. Im neuen Bischofskollegium gibt es nun Hirten, die durch Leiden erprobt sind. Einige von ihnen haben um Christi willen Fesseln getragen. Gleichzeitig sind relativ junge Männer vertreten, die kaum ihren bischöflichen Dienst begonnen haben. Einen kennzeichnenden Zug eures Kollegiums bildet die Tatsache, daß die Mehrzahl von euch eine zeitlang ihren priesterlichen Dienst nicht öffentlich ausüben konnte und in Zivilberufen tätig war, zumeist als Arbeiter. So konntet ihr von innen her die Bedingungen des täglichen Lebens der Menschen von heute kennenlemen, die Probleme der Laien, die Schwierigkeiten in der Welt der Arbeit. Ich bin überzeugt, daß der Herr euch auch durch diese Umstände eures Lebens für euren Dienst vorbereitet und euch fähig gemacht hat, die Welt, in die die Kirche hineingestellt ist und der sie dienen muß, zu verstehen. Der Dekan eures Kollegiums ist der Erzbischof von Prag, der verehrte Kardinal Tomäsek. Sein beharrlicher Dienst an der Kirche, seine mutige Verteidigung der Rechte der Gläubigen und seine Solidarität mit den um der Wahrheit und der Gerechtigkeit willen Verfolgten haben ihm die Achtung auch von seiten derer verdient, die außerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen stehen, und haben der Kirche und eurer Nation Bewunderung und Sympathie in verschiedenen Teilen der Welt eingebracht. Wie sollte man nicht auch an seinen großen Vorgänger erinnern, Kardinal Beran, an die Bischöfe Vojtassak, Necsey und die ganze Generation tschechischer und slowakischer Bischöfe, die von Anfang an die Gefahr aufzuzeigen wußten, die das totalitäre Regime für die Kirche und für die beiden Nationen darstellte? Es folgten schwere Jahre mit zahlreichen Fällen von Internierung und oft auch Gefängnishaft, die vielen Gesundheitsschäden zufügten und das Leben verkürzten. Ich beschränke mich darauf, anstelle der vielen nur den Namen von Bischof Gojdic zu nennen, der im Gefängnis starb. Die Leidensgeschichte dieser Bischöfe knüpft gewissermaßen an die Ereignisse in der apostolischen Zeit an, an das Los der Märtyrer der ersten Jahrhunderte und an andere schwierige Perioden in der zweitausendjährigen Geschichte der katholischen Kirche. Das Andenken an diese eure Vorgänger sowie die Früchte des Leidens vieler Gläubigen sind jetzt als kostbares Erbe euren Händen anvertraut und verpflichten euch im Gewissen, euren Bischofsdienst mit großer Hingabe und christlichem Emst zu erfüllen. <294> <294> Vertieft euch mit Eifer in das, was das Zweite Vatikanische Konzil und die ganze katholische Tradition über den bischöflichen Dienst in der Kirche sagen, und setzt euch mit unermüdlichem Eifer dafür ein, es anzuwenden. Eure erste Aufgabe ist die Evangelisierung, das heißt die Verkündigung des Glaubens durch Ausüben des Lehramtes. Die Bischöfe müssen die Katechese fördern, die Ausbildung der Priester in den Seminaren und den theologischen Instimten überwachen, die vielfältigen For- 392 REISEN men der religiösen Unterweisung in der Kirche begünstigen und vor allem auch für eine gute Vorbereitung der Laien zu den ihnen zustehenden verschiedenen Diensten sorgen. Eine eurer dringendsten Aufgaben ist die Förderung einer wirksamen Berufungspastoral mit besonderer Aufmerksamkeit hinsichtlich der Ausbildung der Kandidaten für das Priestertum. Zu diesem Zweck ist eine mutige Reform der theologischen Institute und Seminare notwendig, in einer Weise, daß sie den Erfordernissen für die Kirche in unserer Zeit entsprechen können, und mit guter Auswahl und Vorbereitung derer, denen diese Ausbildung anvertraut wird. Eine weitere Pflicht der Bischöfe ist die Heiligung. Die Bischöfe, die die Fülle des Weihe-sakramentes besitzen, sind die hauptsächlichen Ausspender des Geheimnisses Gottes, wie sie auch die Leitung, Förderung und Aufsicht des gesamten liturgischen Lebens in der ihnen an vertrauten Kirche innehaben (vgl. Christus Dominus, Nr. 15). Ihnen kommt es daher zu, die Berufung der Christen zur Heiligkeit zu fördern, vor allem durch das eigene Beispiel der Liebe, der Demut und Einfachheit des Lebens, sodann durch die Initiativen, die ihnen als einzelnen oder als Kollegium der pastorale Eifer eingibt. Der Bischof hat schließlich die Leitungspflicht. Das Ziel des bischöflichen Dienstes unter diesem Aspekt ist die Einheit und die brüderliche Liebe in der Kirche. Die Bischöfe müssen vor allem den Priestern Vater und Freund sein, müssen sich aktiv für sie interessieren und sich um sie sorgen und geeignete Bedingungen für die Ausübung ihres Amtes schaffen, so daß jedem die Möglichkeit gegeben wird, seine Charismen aufs beste zu entfalten. Sie sollen sich um den ständigen Fortschritt der Priester im Bereich der Spiritualität und der Pastoral bemühen und um alles, was eine Hilfe für den Geist der Kollegialität und der Zusammenarbeit sein kann. Die Bischöfe müssen sich allen Gläubigen widmen, besonders denen, die in Leid und Not sind. Sie müssen den Ökumenismus fördern, um alle Gläubigen zur Einheit in Christus zu führen. Auch die Nichtgetauften müssen ihnen ein Anliegen sein; ihnen gegenüber müssen sie das Zeugnis der universalen Liebe Christi geben. Um diese ihre Aufgabe geziemend erfüllen zu können, müssen die Bischöfe auch mutig ihre eigene Freiheit und Unabhängigkeit von jedweder zivilen Gewalt verteidigen. Im ganzen Umkreis ihrer Tätigkeit werden sie es jedoch nicht daran fehlen lassen, für das Gemeinwohl der Gesellschaft zu arbeiten, für die Aufrechterhaltung der Menschenrechte und für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen. <295> <296> <295> Zahlreich und anfordemd sind, wie ihr seht, liebe Brüder, die Aufgaben, die euch erwarten. Um sie besser erfüllen zu können, habt ihr euch zweckmäßig zur Bildung eurer Bischofskonferenzen zusammengeschlossen. In Anbetracht des Umfangs der pastoralen Probleme und der gegenseitigen Abhängigkeit, die in vielen Fragen zwischen den verschiedenen Ländern, besonders den angrenzenden, bestehen, wird es günstig sein, auch mit den anderen Bischofskonferenzen Zusammenarbeit anzuknüpfen, um „die kollegiale Gesinnung zu konkreter Verwirklichung zu führen“ (Lumen Gentium, Nr. 23). Zum guten Ablauf der Arbeit in der Bischofskonferenz ist zweckmäßige Aufgabenteilung entsprechend den Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder erforderlich. Für bestimmte Notwendigkeiten müssen entsprechende Kommissionen gebildet werden, in die sachverständige Priester berufen werden, sowie Laien, die befähigt sind, den Bischöfen auf den verschiedenen Gebieten der Pastoral Hilfe zu leisten. 393 REISEN 5. Es ist begreiflich, daß die langen Jahre ungeziemender Einmischung der politischen Macht in das Leben der Kirche negative Folgen hinterlassen haben. Eine von diesen ist eine Art lähmender Passivität, die nicht nur viele Laien beherrscht, sondern auch manche Priester. Nicht wenige von diesen sind übrigens inzwischen alt und infolge der schwierigen Lebensverhältnisse, die ihnen zugesetzt haben, schwach geworden. Der neue Anlauf erfordert eine Weite des Blickes, Kreativität und Initiative in der seelsorglichen Tätigkeit als Antwort auf die Bedingungen, die im Hinblick auf die Vergangenheit und auf die neuen Möglichkeiten, die sich dem Wirken der Kirche öffnen, verschieden sind. Anderseits dürfen die Gefahren nicht unterschätzt werden, welche die wiedergewonnene Freiheit, die Kontakte mit dem Westen ermöglicht, mit sich bringen kann. In der Tat spiegelt leider nicht alles, was der Westen als theoretische Vision oder Lebenspraxis anbietet, die Werte des Evangeliums wider. Darum kommt es euch zu, liebe Brüder, diese möglichen Erscheinungen, die negative Vorzeichen erkennen lassen, zu bewerten und in den euch anvertrauten Kirchen Sorge zu tragen für die zweckmäßige „immunisierende“ Abwehr gegen gewisse „Virus“-Arten, wie Säkularismus, Gleichgültigkeit, genußsüchtiger Konsumismus, praktischer oder auch ausdrücklicher Materialismus, die heute weit verbreitet sind. Es ist erforderlich, ganz klare Entwürfe und weitblickende Pastoralpläne auszuarbeiten. In Böhmen und Mähren kann der Pastoralplan viele Anregungen aus den Linien entnehmen, die das Programm für das „Jahrzehnt der geistlichen Erneuerung“, diese providentielle Initiative, gezogen hat. Die Aktualisierung dieses Programms, die im Gang ist, sollte eine der Hauptaufgaben der Bischöfe sein. Die Themen der einzelnen Jahre bieten vielgestaltige Anregungen für das Wirken sowohl innerhalb der Kirche wie in deren Beziehungen zur gesamten Gesellschaft. In der Slowakei hat der wohlgelungene Verlauf des Marianischen Jahres als Ausgangspunkt für eine ähnliche Initiative zur Erneuerung und Vorbereitung auf das dritte Jahrtausend gedient. Vielleicht könnte eine gewisse Koordinierung dieser beiden pastoralen Initiativen hilfreich sein, zumindest in einigen grundsätzlichen Punkten, wie: Erneuerung der Familie, Erneuerung auf dem Gebiet der Erziehung und der Unterweisung, der Arbeitsethik, usw. <297> <297> Liebe Brüder im Bischofsamt, möge mein erster Besuch in eurem Land die feste Verbundenheit dieser Kirche und dem Nachfolger Petri begünstigen und die beständige und immer tiefere Einheit fördern sowohl innerhalb eures Kollegiums wie auch zwischen euch und denen, die eurer Hirtensorge anvertraut sind. Diese tiefe Einheit im Heiligen Geist wird vor der Welt die Einheit zwischen Christus und der Kirche zum Ausdruck bringen, die Frucht der Liebe, mit der er „die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat“ (Eph 5,25-27). Mit diesen Empfindungen segne ich euch von ganzem Herzen und ermuntere euch mit den Worten meines ersten Vorgängers: „Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes, nicht aus Zwang, sondern freiwillig, wie Gott es will, auch nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Neigung; seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde ... Der Gott aller Gnade aber, der euch in Christus zu seiner ewigen Herrlichkeit berufen hat, wird euch, die ihr kurze Zeit leiden müßt, wiederaufrichten, stärken, kräftigen und auf festen Grand stellen. Sein ist die Macht in Ewigkeit. Amen!“ (1 Petr5,2-3; 10-11). 394 REISEN Viele Jahre war die Tür verschlossen Predigt bei der Messe für die Gläubigen der Kirchenprovinz Prag am 21. April Herr Staatspräsident, Vertreter des Parlaments und der Regierung, lieber Bruder Kardinal, liebe Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, liebe Brüder und Schwestern! 1. „Jesus ... trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19). Jesus trat in den Abendmahlssaal von Jerusalem, obwohl die Türen verschlossen waren. Es war der erste Tag nach dem Sabbat. Am Morgen des gleichen Tages hatten die Frauen, die sich zum Grab in der Nähe von Golgotha begeben hatten, den Stein weggewälzt und das Grab leer gefunden. Genau an diesem Abend kommt Christus zu den im Abendmahlssaal versammelten Aposteln. Er tritt durch die verschlossene Tür ein - so wie er bei Tagesanbruch aus dem versiegelten Grab herausgegangen war, in das man seinen vom Kreuz abgenommenen Leib gelegt hatte. Er tritt ein und sagt zu den Aposteln: „Friede sei mit euch“ Heute, wo ich mich in eurer Mitte befinde, liebe Brüder und Schwestern, auf diesem großen freien Platz vor eurer Goldenen Stadt, möchte ich euch die Worte des auferstandenen Herrn wiederholen: „Friede sei mit euch!“ Möge unsere erste eucharistische Begegnung in eurem Vaterland unter dem Zeichen des Frieden stehen! Jenes Friedens, der von Christus gegeben wird, jenes Friedens, den die Welt nicht geben kann! Des Friedens, den der gekreuzigte und auferstandene Christus seinen Aposteln im Abendmahlssaal hinterlassen hat und den er auch seinen unter alle Nationen der Erde verstreuten Jüngern von Generation zu Generation geschenkt hat. <298> <299> <298> Jesus ist gekommen, während die Tür verschlossen war. Viele Jahre hindurch schien auch die Tür eures Landes verschlossen - fest verschlossen. Noch vor einem Jahr, ja weniger als einem Jahr, war es undenkbar, daß der Papst, der Bischof von Rom, kommen könnte, auch er ein Slawe und Sohn einer Schwestemation. Es erschien undenkbar, auch wenn viele es wünschten, als erster unter allen euer verehrter und unerschrockener Erzbischof, Kardinal Frantisek Tomäsek. Die Tür war verschlossen, versperrt mit dem Vorhängeschloß der Verbote und Vorschriften eines Systems, das viele Jahre lang der Präsenz Christi Hindernisse in den Weg gelegt hat. Diejenigen, die vor der Wahrheit und der Freiheit Angst hatten, fürchteten Christus, der zur Fülle der Wahrheit führt und den Menschen befreit, indem er ihm seine wahre Größe und authentische Sendung zeigt. Sie fürchteten Christus, in dessen Kraft der Mensch die engen Grenzen der materialistischen Lebensauffassung übersteigt und die Freiheit des Geistes erreicht. Sie taten alles, um Christus von der Gesellschaft, der Kultur, den Institutionen des öffentlichen Lebens und besonders von den Jugendlichen zu trennen. Sie taten alles, um mit der Ära Christi und der Kirche Schluß zu machen; sie taten alles, um Christus aus der Geschichte der Nation zu entfernen, obwohl diese von ihrem Anfang an mit dem Licht des Evangeliums Christi und dem Werk der Boten des christlichen Glaubens verbunden war, obwohl gerade euren Ländern das Privileg gegeben war, als erste vor so vielen anderen slawischen Nationen von den Boten Christi erreicht zu werden. 395 REISEN 3. Wenn ich an diese Jahrzehnte zurückdenke, während deren die Türen eures Vaterlandes für Christus und seine Kirche von innen her so fest verschlossen blieben, muß ich zugleich bestätigen, daß Christus all diese Jahre hindurch hier in eurer Mitte war. So wie er mitten unter den ersten Christen war, von denen wir in der Apostelgeschichte gelesen haben: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten ... in Freude und Einfalt des Herzens. Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt. Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten“ (Apg 2,42.46-47). In jeder Epoche der Geschichte waren die echten Jünger Christi Menschen, die durchzuhalten verstanden trotz aller äußeren Schwierigkeiten, der Verbote und Quälereien. Sie hielten vereint durch in vielen schönen Gemeinschaften. In diesem wahrlich österlichen Durchhalten hat sich auch eure Wiedergeburt, das große Werk der geistigen Erneuerung eures Vaterlandes, verwirklicht. Die wiederentdeckte Wahrheit des Evangeliums wurde in Böhmen, Mähren und der Slowakei zu einem neuen christlichen Lebensprinzip. Als ein Zeichen des Widerspruchs gegen die Lüge, die Gewalt, die Indifferenz oder Oberflächlichkeit des auf Konsum ausgerichteten Lebens ist diese Wahrheit zur neuen überzeugenden Kraft für das menschliche Gewissen, für den Geist und das Herz geworden. Sie hat auch viele von denen berührt, die sich zwar nicht als Mitglieder der Kirche betrachten, aber doch aufrichtig und mutig nach der Wahrheit streben und bereit sind, um ihretwillen auch zu leiden und große Opfer auf sich zu nehmen. Kommt der Papst heute in eine zerstörte und unterdrückte Kirche? Oder kommt er vielmehr in eine geistlich erneuerte Kirche? Die Kirche in diesem Land ist in diesen harten Zeiten eine starke Kirche geworden - und muß es auch in Zukunft bleiben: stark nicht so sehr zahlenmäßig als vielmehr wegen der Echtheit ihres Glaubens und wegen ihrer Öffnung und Solidarität all denen gegenüber, die die Wahrheit suchen und die Freiheit lieben. Ihr, liebe Brüder und Schwestern, habt die Wahrheit über die Auferstehung Christi gefunden, so wie sie der Apostel Petrus entdeckt und verkündet hat: „Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus ... hat uns ... neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben“ (I Petr 1,3). Ihr seid also für die Hoffnung wiedergeboren und nun voll Freude, nachdem ihr „unter mancherlei Prüfungen habt leiden müssen“ (vgl. 1 Petr 1,6). Diese Prüfungen haben den Wert eures Glaubens erwiesen. Der Glaube wird nämlich wie das Gold im Feuer geprüft. <300> <300> Heute möchte ich zusammen mit euch dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist für diese Prüfung des Glaubens danken, die mit den anderen Prüfungen in Zusammenhang steht, von denen die Geschichte eures Landes seit den ersten Anfängen der Evangelisierung spricht. Sind nicht eure drei ältesten Heiligen - Ludmilla, Wenzeslaus und Adalbert - etwa drei Märtyrer? Wenzeslaus, der Hauptpatron Böhmens (und auch der erste Patron der Kathedrale von Krakau, wo ich an seinem Festtag, dem 28. September 1958, die Bischofsweihe empfangen habe)! An seinem Beispiel wird sich jede Regierung in Böhmen stets messen müssen, an dem Beispiel eines Herrschers, bei dem die Tapferkeit mit Sanftmut gepaart ist, bei dem Weisheit und Bildung sich mit Lauterkeit und einem tiefen Glauben verbinden. Ludmilla, die starke 396 REISEN Frau, Vorbild der Mütter und Großmütter, die den Glauben auch in schwierigen Zeiten an die junge Generation weiterzugeben wissen, wie sie es mit ihrem Enkel Wenzeslaus tat. Und Adalbert! Der erste Tscheche auf dem Bischofsstuhl von Prag, der erste Tscheche von wahrhaft europäischer Bedeutung. Bischof, Mönch und Missionar, mit dem sehnlichen Wunsch, sein Leben ganz für Christus zu geben. An der baltischen Küste hat er das Martyrium gefunden. Sein geistliches Erbe verbindet Prag sehr mit Gnesen in Polen, doch die Spuren seines Lebens und seiner Verehrung finden wir in ganz Europa: Gnesen, Prag, Tmava, Esztergom, Magdeburg, Aachen, Ravenna, Verona und Rom sind gleichsam Pfeiler einer Brücke, einer geistigen Verbindung, die wir, der Einladung eures Kardinals Tomäsek folgend, gerade in diesen Tagen vor dem Fest des hl. Adalbert jedes Jahr mit unseren Gebeten stärken wollen. Der hl. Adalbert gehört zusammen mit den Patronen Europas, Benedikt, Cyrill und Methodius, zu den Begründern der christlichen Kultur in Europa, namentlich in Mitteleuropa. Der hl. Adalbert, Patron der geistigen Einheit der im Herzen Europas gelegenen Nationen! Bereiten wir uns miteinander auf die Tausendjahrfeier des Todes dieses großen Heiligen vor. Von euch ist die großartige Einladung zum „Jahrzehnt der geistlichen Erneuerung der Nation“ im Hinblick auf die Tausendjahrfeier des hl. Adalbert gekommen. Diese Initiative wendet sich nicht nur an die Katholiken, sondern an die ganze Nation. Jedes Jahr ist einem besonderen Ziel gewidmet: der Erneuerung der Familie, der Erneuerung der Erziehung und Ausbildung, der Erneuerung des gesellschaftlichen Lebens im Zeichen der Wahrheit und der Gerechtigkeit, der Erneuerung der Kultur und anderer Werte. Die Themen dieser zehn Jahre stützen sich auf die Zehn Gebote, die auch nichtglaubende Menschen als Grundlage jeder Moral anerkennen. Jedes Jahr wird von einem eurer Heiligen, einem Landespatron, symbolisiert, weshalb dieses Werk, indem es aus den tiefsten Wurzeln eurer nationalen Tradition schöpft, gleichzeitig auch eine gemeinsame Schmiede einer neuen Lebensweise sein will, eines neuen Lebensstils, der auf bleibende Werte gegründet und zugleich offen für die Bedürfnisse des Menschen an der Schwelle des neuen Jahrtausends ist. Es handelt sich wirklich um eine weitblickende Einladung, noch zur Zeit eurer Unterdrückung ausgedacht, die gerade in diesem Augenblick so notwendig wird, wo ihr euch vereinigen müßt, um einmütig den Weg zu einem freien und moralisch ehrenhaften Leben einzuschlagen. Möge dieses „Jahrzehnt der geistlichen Erneuerung der Nation“ helfen, eine Generation zu formen, die fähig ist, den Glauben und die Werte, die wie im Feuer geprüftes Gold aus ihm hervorgehen, zu schätzen: als eine starke Kraft für die Zukunft, für die Zivilisation der Liebe, der Wahrheit und der Freiheit, für die Zivilisation, die unser Planet so notwendig braucht! Eure christliche Geschichte ist also noch nicht zu Ende. Eure Heiligen schweigen nicht. Wie soll man zu den drei vorhin erwähnten nicht Agnes von Böhmen, Agnes von Prag hinzufügen, deren Heiligsprechung im vergangenen November wie das Morgenrot eurer Befreiung geleuchtet hat. Eure Heiligen sind lebendig. Mögen sie die Bürgen eurer Vergangenheit und eurer Zukunft sein. <301> <301> Wir begegnen uns heute, verbunden mit diesen Wurzeln, gestärkt von diesen Quellen des Lebens, in diesem Abendmahlssaal der Geschichte der Nation und der Kirche. Christus 397 REISEN kommt von neuem - und von neuem sagt er zu uns allen hier Versammelten: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Christentum heißt Sendung. Christus spricht zu uns, derselbe gestern, heute und in Ewigkeit (vgl. Hebr 13,8). Christus, der nach seiner Auferstehung an seinem Fleisch die Wundmale seiner Kreuzigung trägt, an den Händen, an den Füßen, an der Seite. Und gerade kraft seines Leidens und Todes haucht Christus uns hier Versammelte an, wie er an jenem Abend im Abendmahlssaal die Apostel anhauchte. Er haucht uns an und ruft mit lauter Stimme: „Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,22). Der Abendmahlssaal der Geschichte der Kirche ist nicht mehr verschlossen. Er hat sich wieder geöffnet. Und zugleich mit dieser Öffnung ist die Zeit gereift, ist das Jahrhundert gereift. Wir nähern uns dem Ende des zweiten Jahrtausends, seit dem Augenblick, da Gott die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab (vgl. Joh 3,16). Die Zeit ist gereift. Es ist von neuem die Zeit des Bundes Gottes mit eurer alten slawischen Erde gereift. „Empfangt den Heiligen Geist.“ Amen! Der Eckstein behält stets seinen Platz Predigt während der Eucharistiefeier in Velehrad am 22. April 1. „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ (Es 118,24). Die Osterfreude findet in diesen Worten ihren liturgischen Ausdruck. „Der Tag, den der Herr gemacht hat“: an dem er die Macht des Todes zerbrochen und die Macht des Lebens kundgetan hat, jenes Lebens, das er selbst ist, er - das Leben. Seine Kundgabe ist der Tag, der bleibende Tag, von dem die Osteroktav spricht, die den heutigen Sonntag mit dem der Auferstehung verbindet. Ausdruck dafür ist die Zeit, die Fülle der Zeit, die in Jesus Christus jedes menschliche Zeitmaß umfängt. „Eius sunt tempora et saecula“: ihm gehören Zeit und Ewigkeit. Dem vom Herrn gemachten Tag kommt an dem Ort, an dem wir heute einander begegnen, besondere Bedeutung zu: Velehrad, einst das Herz des großmährischen Reiches, von dem ausgehend Kyrill und Method, die von Herzog Rostislav eingeladenen, aus Saloniki stammenden Brüder, ihre apostolische Sendung unter den Slawen erfüllten. Hier befindet sich, der glaubwürdigsten Überlieferung entsprechend, das Grab des Bischofs Method (der schon früher verstorbene Bruder Kyrill ist in der römischen Basilika San Clemente begraben). Hier sind unsere Wurzeln. <302> <303> <302> „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat“. Der Tag des Evangeliums geht über der Geschichte der Slawen auf. Dank des apostolischen Einsatzes der beiden Brüder hat die Wahrheit über Christus, den „Eckstein“ (vgl. Mt 21,42), in der Geschichte der Slawen Wurzeln geschlagen. Er ist der Eckstein des Baues, den Gott 398 REISEN selbst in der Geschichte der Menschheit errichtet. Dieser Bau ist sein Reich. Der ewige Vater hat sein Reich dem Sohn „geschenkt“ - und der Sohn hat es den Aposteln „vermacht“ (vgl. Lk 22,29), hat es dem Volk Gottes des Neuen und ewigen Bundes vermacht. Dieses Reich ist in die menschliche Zeit, in die Jahrhunderte und die Generationen hineingesenkt -transzendiert jedoch zugleich die Zeit. Es erlangt seine Fülle in Gott selbst, der Geheimnis des Lebens und der Ewigkeit ist. Das Reich Gottes, einmal den Aposteln vermacht, wird in verschiedenen Augenblicken der Geschichte an immer neue Menschen und immer neue Generationen weitergegeben. Hier in Velehrad, in Mähren, verehren wir ganz besonders die historische Übergabe des ererbten Reiches an jene, die seine Verwalter und Hüter, seine Missionare und Apostel geworden sind. 3. Apostel der Slawen. Was heißt „apostolischer Dienst“? Ein lebendiges Erbe. Sie selbst, Kyrill und Method aus Saloniki, haben auf dem alten Boden Griechenlands und dann auf dem Boden von Byzanz das Evangelium des Reiches Gottes ererbt, das Christus seinen Aposteln vermachte, als er nach der Auferstehung sagte: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). In den Aposteln fand die Sendung Christi ihre Fortsetzung als ein um den Preis des Lebens erkauftes Erbe, als lebendiges Erbe. Auf ähnliche Weise setzte sie sich in den beiden Brüdern fort, die aus Saloniki in Mazedonien gekommen waren, und denen Christus den Auftrag erteilt hatte, Missionare unter den Slawen zu sein. Ihre Sendung war die weitere Fortführung des Auftrags, der im Abendmahlssaal zu Jerusalem, am Tag der Auferstehung seinen Anfang genommen hatte. In ihrer Sendung war der gleiche Heilige Geist am Werk, den die Apostel vom auferstandenen Herrn empfangen hatten. Im apostolischen Dienst, im Auftrag der Weitergabe des Evangeliums ist im ganzen Verlauf der Geschichte bis zum heutigen Tag die Dynamik des neuen Lebens am Werk, die, wenn sie die Herzen aller erreichen soll, in eine verständliche und leicht zugängliche Ausdrucksweise übertragen werden muß. <304> <304> Deshalb entspricht die Sendung von Kyrill und Method auch der Zeit, in der bei jenen Slawen - und in der Folge bei allen Slawen - durch die Sprache ein neues Bewußtsein und eine neue Kultur entstanden. Unsere Vorfahren mußten den Missionaren zuerst ihre gesprochene Sprache anvertrauen. Die beiden griechischen Brüder mußten erst Schüler der slawischen Sprache werden, um dann Lehrer der Slawen zu sein. Sie hielten die gesprochene Sprache schriftlich fest und brachten sie mit Schriftzeichen zum Ausdruck - und in dieser Form gaben sie sie dann an jene weiter, von denen sie ihnen vorher anvertraut worden war. Das Evangelium wurde nunmehr in der geschriebenen slawischen Sprache ausgedrückt. Das ewige Wort - der Sohn Gottes - begann in dieser Sprache zu sprechen. Der Vater, der in den vergangenen Zeiten oftmals und auf verschiedene Weise gesprochen hatte, sprach zuletzt durch ihn, seinen Sohn (vgl. Hebr 1,1-2). Die Apostel der Slawen waren für unsere Ahnen die Verkünder dieser Sprache. Das ewige Wort - der Sohn und Erlöser der Welt - ist zu ihnen gekommen. Er ist gekommen, um Eckstein (vgl. Mt 21,42) zu werden. 399 REISEN Dieser Eckstein besteht bis zum heutigen Tag und wird auch weiterhin bestehen. Auf ihm erhebt sich das unzerstörbare Gebäude des Wortes, obwohl eben dieser Eckstein mehr als einmal von den Bauleuten verworfen wurde. Was in den Tagen Jesu in Nazaret geschah, wiederholte sich in verschiedenen Augenblicken der Geschichte und an verschiedenen Punkten des Erdballs. Dennoch nimmt das Reich Gottes unaufhaltsam seinen Weg, das Reich, das auf Christus, dem Eckstein, erbaut ist. 5. Der Eckstein behält stets den Platz, auf dem die Geschlossenheit, die Identität und der Zusammenhalt des ganzen Gebäudes beruht. Dieser Stein bedeutet in erster Linie Christus selbst. Doch lassen sich von diesem Bild auch andere Bedeutungen ableiten: Der Eckstein kann die Christen auf der ganzen Erde, er kann die Slawen und kann auch ganz Europa meinen. Den Eckstein der europäischen Einheit finden wir auch hier, in Velehrad. Nicht nur auf Monte Cassino, wo der hl. Benedikt das lateinische Europa aufbaute, sondern auch hier in Velehrad, wo die Brüder aus Saloniki für immer die griechische und byzantinische Tradition in die Geschichte Europas einfügten. Diese beiden großen, wenn auch verschiedenen Traditionen gehören eine der anderen. Gemeinsam bilden sie das christliche Europa der Vergangenheit und der Gegenwart. Die Geschichte dieser beiden Brüder Kyrill und Method ist ein beredtes Beispiel für diese Einheit. Das Zeugnis, das sie vor unseren Vorfahren in den slawischen Ländern ablegten, ist das der ungeteilten Kirche - der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche. Sie, die Griechen, suchten auch in Rom Anerkennung und Unterstützung für ihre Mission. Heute, im Zeitalter des geteilten Europa und der geteilten Christenheit, ist ihr Zeugnis eine Einladung zur Einheit. Sie gehören uns allen und haben ökumenische Bedeutung. Hier in Velehrad wurde diese ihre Einladung vor nicht allzu langer Zeit vom großen Erzbischof von Olmütz, Antoni Cyril Stojan aufgegriffen: er setzte sich für die berühmten Einigungskongresse, wirkliche erste Schritte auf dem Weg der modernen Ökumene, ein. Hier beten wir heute mit großer Demut und großer Inbrunst, alle Gläubigen, alle Christen mögen „ein Herz und eine Seele“ (Apg4,32) sein, wie zur Zeit der Apostel. Diese Einheit, eine Gabe des Heiligen Geistes, wird durch den konkreten Beitrag aller Glaubenden, jedes einzelnen von euch, gebaut. 6. Ich wende mich an alle, jedoch ganz besonders an die jungen Christen in der gesamten Tschechoslowakei, die Pilgerfahrten hierher unternehmen, die im Jubiläumsjahr 1985 hier waren und auch heute zahlreich gekommen sind. Seid eines Herzens und einer Seele! Haltet die Einheit im Glauben aufrecht! Tragt in die Geschichte Europas den Geist Christi hinein, der befreit und eint! Legt ein glaubwürdiges Zeugnis für die Auferstehung ab, für die Tatsache, daß Christus lebt. Lernt es, das Reich Christi euren Altersgenossen so zu verkünden, daß sie diese Verkündigung verstehen! Erbaut die Geschichte und die Kultur des neuen Jahrhunderts, das nunmehr im Kommen ist, auf Christus, dem Eckstein! Ihr, junge Christen aus der Tschechoslowakei, seid nicht zum ersten Mal hierher gekommen. Die Pilgerfahrt des Jahres 1985, als ich nicht zu euch kommen durfte, war das Morgenrot, war ein bedeutsamer Meilenstein auf eurem Weg zur Freiheit. Seht, die Nacht ist vorüber, es ist wieder Tag geworden. Eure Pilgerfahrt zur Freiheit muß jedoch weiterhin andauern. Geht voran als Kinder des Lichtes (vgl. Eph 5,8). Eine rein äußer- 400 REISEN liehe Freiheit ohne innere Befreiung führt zum Chaos. Bleibt in der Freiheit, für die euch Christus befreit hat (vgl. Gal 5,1)! Die Einheit zwischen äußerer und innerer Freiheit muß das Europa von morgen, die Zivilisation der Liebe und der Wahrheit aufbauen, und diese Einheit ist auf Christus, den Eckstein, gegründet. Setzt euren Weg zur vollen Freiheit fort! Ein Ausdruck dieser eurer Pilgerfahrt zur echten Freiheit ist auch das zehnjährige, als „Geistliche Erneuerung der Nation“ bezeichnete Programm. Die Themen der einzelnen Jahre entspringen den Zehn Geboten, die dem Volk des Alten Bundes auf dem Sinai, während seiner Pilgerfahrt von der Sklaverei ins verheißene Land, gegeben wurden. Die Gebote Gottes sind der Weg von der Sklaverei der Sünde zur vollen Freiheit, der Weg zum Sieg. Ihr habt heute die Worte aus dem Brief des Apostels Johannes vernommen: „Die Liebe zu Gott besteht darin, daß wir seine Gebote halten. Seine Gebote sind nicht schwer. Denn alles, was von Gott stammt, besiegt die Welt. Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube“ (1 Joh 5,3-4). Die Welt ohne Gott ist der Feind des Menschen. Sie ist bedrückend, kalt und unwirtlich. Der Last dieser Welt entflieht man nicht durch Rauschgift, Mißbrauch der Sexualität, Gewaltanwendung und Abgleiten in die Sekten. Diese Welt muß besiegt werden. Und das ist der Sieg, der die Welt überwunden hat: unser Glaube. Ihr habt das selbst erfahren. Ihr habt die Last der Welt ohne Gott kennengelemt, habt den tragischen Versuch, Christus, den Eckstein, aus dem Gebäude der Gesellschaft und der Kultur auszuschließen, miterlebt, habt die Folgen dieses Versuchs erfahren. Ihr habt auch die befreiende Kraft des Glaubens, die Kraft der Auferstehung Christi erfahren. Dank dieser Erfahrung seid ihr Erben des Evangeliums geworden, Erben des Wortes und des Reiches Gottes. Seid gute Verwalter dieses Reiches und gebt es an die künftigen Generationen weiter. <305> <305> „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat“. Ja, der Herr war es, der diesen Tag gemacht hat. Der Herr hat es mir endlich erlaubt, heute hier in Velehrad in brüderlicher Gemeinschaft mit euch allen zu weilen. Liebe Brüder und Schwestern, laßt uns also die Worte des österlichen Psalms wiederholen: „Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt ewig“ (Ps 118,1). Danken wir dem Herrn, denn Christus, von den Bauleuten (auch in unserer Zeit) verworfen, erweist sich erneut als Eckstein des göttlichen und des menschlichen Baues. Er ist das lebendige Fundament aller schöpferischen Kraft. Im Jahr des Jubiläums, das dem Kommen der Heiligen Kyrill und Method nach Mähren galt, wurde hier ein Brustkreuz gefunden, welches eine griechische Inschrift trägt. Auf diesem alten Kreuz steht die Botschaft Velehrads für alle Jahrhunderte geschrieben: „Jesus Christus - Licht - Leben - siegt.“ „Denn alles, was von Gott stammt, besiegt die Welt; und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube“ (1 Joh 5,4). „Wer sonst besiegt die Welt, außer dem, der glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist?“ (1 Joh 5,5). Liebe Gläubige aus Mähren, glaubt ohne Zaudern an Jesus, den Sohn Gottes, dann werdet auch ihr mit ihm die Welt besiegen. 401 REISEN Eine freie und glückliche Zukunft Regina Caeli in Velehrad am 22. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Rompilger haben die Gewohnheit, sich zu dieser Stunde vor dem Petersdom zu versammeln, um zusammen mit dem Papst Maria zu grüßen. Heute ist das Zentrum dieser geistlichen Zusammenkunft hier in Velehrad in Mähren. Wir treffen uns in einem Heiligtum, das Maria, der in den Himmel aufgenommenen Gottesmutter, und den Heiligen Kyrill und Method, mit dem hl. Benedikt zusammen Patrone Europas, geweiht ist. Eine bessere Gelegenheit konnte sich nicht bieten zu einer Ankündigung, die zutiefst diesen Kontinent betrifft, der im Lauf der Jahrhunderte von Kriegen zerrissen, aber auch mit der Anwesenheit und dem Wirken ungezählter Heiliger gesegnet war, die hier weitumher die Saat des Evangeliums ausgestreut haben. Gerade hier werden heute Anzeichen eines erneuten Segens sichtbar in den vielversprechenden Mühen tiefgreifender und wesentlicher Umgestaltungen. 2. Im Licht dieser Ereignisse möchte ich von diesem Ort aus der Kirche meine Absicht verkünden, eine europäische Sonderversammlung der Bischofssynode einzuberufen, damit meine Brüder im Bischofsamt in einer Form der Zusammenkunft, die für die Kollegialität und die Hirtenliebe so bedeutsam ist, Gelegenheit haben, aufmerksamer über die Tragweite dieser für Europa und für die Kirche geschichtlichen Stunde nachzudenken. Die Hirten der Kirche haben die Verantwortung und das Charisma, über den Ablauf der Zeit zu wachen, um ihre Zeichen zu erforschen und daraus die für den einzuschlagenden Weg zweckmäßigen Hinweise zu entnehmen. Als demütige Diener der Wahrheit Gottes, der der Herr der Geschichte ist, wollen wir der weisen Absicht seiner Vorsehung unsere Augen zum Sehen, unsere Ohren zum Hören und unsere Herzen zum Lieben anbieten. 3. Diese Sonderversammlung der Synode soll nach entsprechender Vorbereitung an einem nicht fernen Datum stattfinden. Ich vertraue die Initiative der Fürsprache der Patrone Europas, Kyrill, Method, Benedikt und aller anderen Heiligen - an erster Stelle dem hl. Adalbert - an, die im Lauf der Jahrhunderte dazu beigetragen haben, das christliche und katholische Europa aufzubauen. Ich bitte sie, dieses bedeutsame kirchliche Ereignis der heiligsten Jungfrau zu Füßen zu legen und es ihr zu empfehlen als Zeugnis einer Verehrung, die in jeder Nation dieses Kontinents tief verwurzelt ist. Ihren mütterlichen Schutz rufe ich auf die Tschechoslowakei herab, auf daß sie sich einer freien und glücklichen Zukunft erfreuen könne, und zugleich auf ganz Europa mit dem Wunsch, es möge sich im siegreichen Zeichen des Kreuzes und der Auferstehung Christi, des Herrn, vereint wiederfinden. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich alle Pilger deutscher Sprache, die sich heute in Velehrad versammelt haben. Die Erinnerung an die Epoche, in der Unrecht und Gewalt vorherrschten, möge für 402 REISEN euch alle noch mehr Ansporn sein, die Zukunft im Geiste eines Miteinander zu gestalten, das beispielhaft für ein friedliches Zusammenleben aller Völker sein kann. Die kulturelle Blüte über Jahrhunderte eurer Geschichte hinweg, die auf dem gemeinsamen Fundament unseres Glaubens basierte, war das Resultat eines fruchtbaren und solidarischen Zusammenwirkens aller Völker und Volksgruppen dieses Raumes. Es gilt nun, daß ihr als Gläubige euer Tun und Handeln an der Liebe Christi orientiert, um in Einheit am gemeinsamen Aufbau von Kirche und Gesellschaft mitzuwirken. Eure Treue zum Evangelium und zum Nachfolger des hl. Petrus, die euch über viele Jahre der Prüfung ausgezeichnet hat, werdet ihr auch in diesen geschichtlichen Augenblicken beweisen. Hierzu erteile ich euch aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Auferstehung — Zeugnis göttlicher Allmacht Predigt bei der Hl. Messe auf dem Flughafen von Preßburg am 22. April Geehrte Herren Verantwortliche des öffentlichen Lebens, lieber Erzbischof Sokol, geliebte Brüder im Bischofsamt, geliebte Priester und Ordensleute, meine lieben Brüder und Schwestern! 1. „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). Diese Worte des auferstandenen Christus klingen im Abendmahlssaal zu Jerusalem der fernen Zukunft entgegen durch die Jahrhunderte und Generationen bis ans Ende der Zeiten. Dies ist wirklich der „Tag, den der Herr gemacht hat“ (vgl. Ps 118,24): der Tag, an dem der gekreuzigte und ins Grab gelegte Christus auferstand. Am gleichen Tag erschien er den im Abendmahlssaal versammelten Aposteln, und sie sahen ihn mit den eigenen Augen. Am gleichen Tag hauchte er sie an und sagte: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, denen sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (vgl. Joh 20,22-23). Von da ab geht dieser Tag durch die Jahrhunderte und alle Generationen. Einer von den Zwölf, Thomas, war nicht bei den Aposteln, als Christus in ihre Mitte kam. Und als alle anderen ihm von der Begegnung mit dem Meister erzählten, wollte er es nicht glauben. Das Zeugnis des Wortes der Apostel genügte ihm nicht. Er verlangte zu sehen: „Wenn ich nicht ... sehe ... wenn ich meinen Finger nicht in die Male ... lege, glaube ich nicht“ (Joh 20,25). Der Glaube ist jedoch nicht Sehen. „So gründet der Glaube in der Botschaft, die Botschaft im Wort Christi“ (Rom 10,17). <306> <307> <306> Dennoch gab Christus dem Thomas die Möglichkeit zu sehen, als er acht Tage später, an der Oktav der Auferstehung, eigens für ihn in den Abendmahlssaal kam. Thomas konnte sich mit eigenen Augen überzeugen, daß der, der gekreuzigt, der wirklich gestorben und ins Grab gelegt worden war, lebte. Angesichts des Zeugnisses seiner Augen, angesichts des Zeugnisses aller Sinne wich die Verneinung der Bejahung. Je mehr er sich erst gesträubt und erklärt 403 REISEN hatte: „Ich glaube nicht“, um so mehr bekannt er nun. In zwei Worten sagte er alles, drückte er alles aus, was die Wirklichkeit der Auferstehung in sich entschließt: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28). Niemand hat die Wahrheit über Christus so offen und ohne Zögern ausgesprochen. Man kann auch sagen, daß der Glaube des Thomas seinen Unglauben bei weitem übertroffen hat. Er wurde nicht nur zur Sicherheit, sondern zu einer echten Erleuchtung. Thomas bezeugt einerseits, wie schwierig es für den Menschen ist, die Wahrheit der Auferstehung anzunehmen; andererseits bestätigt er, daß die Auferstehung ein bedeutendes und entscheidendes Zeugnis der Allmacht Gottes ist. Sie ist ein Schlüsselereignis des Wirkens Gottes innerhalb der Geschichte des Menschen und der ganzen Schöpfung. 3. Christus bleibt nicht beim Bekenntnis des Thomas stehen: „Weil du mich gesehen hast, glaubt du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). Der Glaube der Kirche beginnt bei den Aposteln, den Augenzeugen, doch seine Erhaltung und sein Wachstum durch die Generationen ist Frucht des Hörens: des Hörens des Zeugnisses der Apostel, des Hörens des Wortes Gottes selbst, das von der Kirche verkündet wird, die auf dem Fundament der Apostel und der Propheten gründet. So baut sich auch euer Glaube auf, hebe Brüder und Schwestern, denen in ihrer slowakischen Heimat zu begegnen mir heute gegeben ist. Lange haben wir diese Begegnung erwartet, lange hat der Papst die Grenze geschlossen vorgefunden. Doch schließlich ist der Tag der Erfüllung unserer gemeinsamen Wünsche, unserer innersten Erwartungen gekommen. Gott sei es gedankt! <308> <309> <310> <308> Dem Herrn sei gedankt für das Geschenk des Glaubens, das eure Vorfahren angenommen haben, indem sie auf das Wort Gottes hörten, das ihnen von den heiligen Cyrill und Methodius verkündet wurde. Fürst Rostislav hatte den Kaiser von Byzanz, Michael, um einen Lehrer gebeten, der den wahren christlichen Glauben in der Sprache des Volkes erklären konnte (vgl. Leben des Konstantin XIV, 3). Aus dieser Einladung ging die Sendung der heiligen Brüder aus Thessalonich hervor, welche das Alphabet geschaffen, die Grammatik zusammengestellt, die Übersetzung der Heiligen Schrift und der Liturgie begonnen und die Grundlagen eurer Kultur gelegt haben. Seit dieser Zeit erscheinen die ganze Kultur und das Leben der Slowaken in ihren vielfältigen Äußerungen vom christlichen Glauben gezeichnet, der ihre ganze Geschichte wie lebenspendendes Wasser durchdringt: Manchmal fließt es unter der Erde, manchmal tritt es an die Oberfläche, doch immer ist es der verborgene Lebenssaft, der das Wachstum und die Blüte des Baumes gewährleistet, so daß er reiche Früchte der Heiligkeit, des Fleißes und der Treue trägt. Dafür sind die heiligen Gorazd, Bystrizius, Andreas Zoerardus und Benedikt der Eremit leuchtende Beispiele. Dafür sind die seligen Märtyrer von Kaschau qualifizierte Zeugen. Dafür sind sichtbares Zeichen die Generationen, die den empfangenen Glauben seit jenen Jahrhunderten bis heute bewahrt und eifersüchtig verteidigt haben, um ihn so unversehrt durch die Jahrhunderte vom Vater auf den Sohn weiterzugeben. Wer den christlichen Glauben aus der Kultur und dem Leben des slowakischen Volkes entfernen wollte, könnte seine Geschichte nicht mehr verstehen von der Frühgeschichte bis zur Historie der letzten Zeit. 404 REISEN 5. Es hat nicht an Prüfungen gefehlt. Viele Male haben die Slowaken um das bloße Überleben kämpfen müssen: Es genügt, an den Einfall der Tartaren zu denken, an die lange türkische Besatzung, an die Bedrohungen für die ethnische Identität der Slowaken selbst. Doch in allen Schwierigkeiten hat das Volk im Glauben die Kraft gefunden, mit unerschütterlicher Beständigkeit durchzuhalten. Eine Spur davon hat sich in vielen Liedern erhalten, worin das Volk seinen Gefühlen Ausdruck verlieh. Dieser Glaube, liebe Brüder und Schwestern, hat sich besonders in zwei Dimensionen ausgeprägt, die euer christliches Zeugnis so sehr kennzeichnen: Ich denke an die Verehrung der Schmerzensmutter, Patronin der Slowakei, und an eure Treue zum Sitz Petri. Heute habe ich, von Velehrad nach Preßburg kommend, das Gebiet von Zahorie überflogen, wo sich Sastin, das Nationalheiligtum der Schmerzensmutter, befindet. Sastin, Levoca, Gaboltov, Stare Hory, Marianka, Lutina und viele andere der heiligsten Jungfrau geweihte Heiligtümer: Wie viele Pilger haben sie im Lauf der Jahrhunderte besucht, wie viele haben dort den Glauben wiedergefunden, wie viele haben dort Trost empfangen! Wie sollten wir nicht an die Rolle denken, die in den letzten Jahren die Wallfahrten gespielt haben? Ihr Echo ist über die Grenzen gedrungen: Jugendliche in Massen, Zehntausende Gläubige haben trotz der Verbote und der Behinderungen verschiedener Art den Mut gehabt, ihre Verehrung der Mutter Gottes zu zeigen. Auch deswegen befinden wir uns heute hier. Und was soll ich von der Liebe der Slowaken zum Papst sagen? Liebe Brüder und Schwestern, liebe Slowaken, der Papst weiß, wie lieb ihr ihn habt. Doch auch der Papst versichert euch, daß er euch sehr lieb hat! Ich weiß, daß diese doppelte Liebe zur Muttergottes und zum Papst euer geistliches Erbe bildet, das ihr von euren Evangelisierem, Cyrill und Methodius, empfangen und durch die Jahrhunderte überliefert habt. Macht weiter, ich wiederhole es, macht immer so weiter! 6. Die letzten Zeiten waren schwierig. In der Apostelgeschichte lesen wir: „Immer mehr wurden im Glauben zum Herrn geführt, Scharen von Männern und Frauen“ (Apg 5,14). Und das geschah, obwohl der Glaube im Anfang auf große Schwierigkeiten und viel Widerstand stieß. Von Anfang an war die Kirche schweren Prüfungen ausgesetzt. Kann man sagen, daß sich auch in der Slowakei während der Zeit der Prüfung die Zahl der Männer und Frauen vermehrt hat, die an den Herrn glauben? Eine sichere Antwort auf eine solche Frage ist schwer, weil es hier um etwas geht, was jenseits des rein menschlich Meßbaren liegt. Kehren wir mit dem Gedanken lieber zum Bild des Thomas zurück, der, obwohl Apostel, „ungläubig“ war; nach der Begegnung mit dem Auferstandenen aber wurde er zu dessen leidenschaftlichem Bekenner: „Mein Herr und mein Gott“ - Bekenner und Apostel bis zum Vergießen des Blutes. <311> <311> Der Gedanke geht hier zu den Scharen von Menschen, die in diesen Jahren ihren Glauben bekannt haben trotz der Gefahren, denen sie sich dadurch aussetzten. Bischöfe wurden eingekerkert, gedemütigt, behindert und mißhandelt. Priester wurden bedroht, überfallen, in der Ausübung ihres Amtes eingeschränkt. Ordensmänner wurden aus den Klöstern vertrieben und eingekerkert. Ordensfrauen wurden von ihren Aufgaben des Dienstes an den Armen entfernt. Eltern waren gezwungen, die christliche Erziehung ihrer 405 REISEN Kinder einzuschränken. Kinder zur Doppelzüngigkeit erzogen, deren erste Äußerung die Leugnung Gottes war. Viele, viele haben für ihren Glauben gelitten. Viele von ihnen sind bereits in den Himmel eingegangen, um die Belohnung zu empfangen, und freuen sich nun im Licht Gottes. Ihr, die ihr hier seid und mir zuhört, sollt wissen, daß Christus euch liebt, sollt wissen, daß der Papst euch alle an sein Herz drückt und euch dankt! Deshalb wollte er euch begegnen, euch sehen, euch segnen. Das Blut der Märtyrer war stets der Same neuer Christen. Der Grundsatz gilt heute wie gestern, und der auferstandene Christus erinnert uns daran. Der Geist Gottes hat euch nie verlassen. Er ist immer bei diesem Volk Gottes, das in der Slowakei lebt, geblieben; er ist den Jugendlichen beigestanden, er hat die Ordensleute bei der Heranbildung der Novizen und die Seminaristen bei ihrer Vorbereitung auf das Priestertum geleitet, er hat vielen Aposteln, verschiedenen Bewegungen, die in der Stille tätig waren, Mut eingeflößt. Und die Aufzählung könnte noch weitergehen. Der Herr sei gelobt dafür! 8. Die Liturgie des heutigen Sonntags bringt uns in den Abendmahlssaal zurück, wo der auferstandene Christus sich in der Mitte der Apostel befindet, um ihnen die vom Vater erhaltene Sendung zu übertragen: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Job 20,21). Es ist nötig, daß die Kirche in eurem Land von neuem diese Worte hört und mit neuer Kraft die Sendung, das Kreuz und die Auferstehung Christi zu verkünden, auf sich nimmt. Das Kollegium all eurer Bischöfe soll dabei an der Spitze stehen. Die heutige Liturgie führt uns auch auf die Insel Patmos, den Verbannungsort des Apostels und Evangelisten Johannes. Die Worte seiner Offenbarung zeigen die Dimensionen der letzten Wahrheit über Christus - seines Paschamysteriums. Der Apostel hört: „Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zur Unterwelt“ (Offb 1,17-18). Es spricht Christus, der Erstgeborene aller Geschöpfe, Christus, der Erstgeborene von den Toten, der Herrscher über die Könige der Erde (vgl. Offb 1,5). Es spricht Christus mit der Macht seines erlösenden Todes: „Ich war tot.“ Er spricht mit der Macht seiner Auferstehung: „Nun lebe ich in alle Ewigkeit.“ Es spricht Christus: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Daher hat er allein die Schlüssel des Todes und der Unterwelt. Er allein, gekreuzigt und auferstanden, erreicht die letzte Bedeutung des Menschen. Er allein hat die Macht darüber, die Vollmacht. Deshalb sagt er „Fürchte dich nicht!“ „Fürchtet euch nicht!“ Nach all den Erfahrungen der Verfolgung, der Feindseligkeit und der Versuchung sagt er euch: „Fürchtet euch nicht!“ „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20,29). 406 REISEN Unermeßliche Felder für die Evangelisierung Ansprache am Schluß der Messe in Preßburg am 22. April 1. Die heilige Messe geht zu Ende. Wir müssen uns verabschieden. Wir wollen mit dem Segen schließen, und dann wird der Diakon euch in eure Häuser entsenden, in die Welt, in euren Alltag und an eure Arbeit. So geht es immer: Wenn die Augen vor Freude leuchten, wenn die Herzen sich verstehen, wenn man im Geist eins ist, muß geschieden sein. Es ist traurig, aber unvermeidlich. Mein Besuch war kurz, aber sehr intensiv. Wir hatten ihn gewünscht und auf ihn gewartet: nicht nur ihr, von mir gilt das gleiche. Ich wollte damit die hll. Kyrill und Method, zusammen mit dem hl. Benedikt Patrone Europas, ehren. Ich wollte euch alle sehen und euch meine geistliche Nähe alle die letzten Jahre hindurch bestätigen. Ich wollte gemeinsam mit euch den Glauben an den gestorbenen und auferstandenen Christus erneuern. Ich wollte meinen Brüdern im Bischofsamt begegnen, die nun wieder an der Spitze der jahrelang ihrer Väter und Hirten beraubten Diözesen stehen. In Treue zum Auftrag Christi wollte ich sie im Glauben stärken (vgl. Lk 22,32). Ich konnte diesen meinen Wunsch erfüllen und zugleich meine Pflicht tun, und dafür bin ich dem Herrn tief dankbar. 2. Ich möchte erneut auch dem Herrn Präsidenten der Republik meine Dankbarkeit für die Einladung zu diesem Besuch aussprechen. Seine Einladung und mein Wunsch trafen zusammen, und so durften wir alle diese beiden Tage des Austausches und der Freude erleben. Der Herr sei dafür gepriesen! Ich danke den Autoritäten aller Ebenen und Grade und allen Personen, die die verschiedenen Abschnitte dieses Besuches eifrig vorbereitet und begleitet haben. <312> <313> <314> <312> In Geist und Herz bewahre ich die Erinnerung an euren Glauben und an eure Begeisterung. Die Jahre harter Prüfung haben ihre Spuren hinterlassen, aber auch das Durchhaltevermögen vieler gezeigt, das in nicht wenigen Fällen sogar die Gipfel des Heroismus erreicht hat. Ich denke an die Familien, die um den Preis gewaltiger Opfer versucht haben, ihre Kinder im Glauben zu erziehen und heranzubilden. Ich denke an die Jugend, die man irreleiten wollte, die aber nicht den Durst nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe verloren hat und im Licht dieser Werte zum Vorkämpfer der jüngsten Wandlungen geworden ist. Mögen die Grundpfeiler der Gerechtigkeit und Wahrheit, der Freiheit und Liebe zu Grundlagen des wahren Friedens in eurer Gemeinschaft werden! Ich weiß um den treuen Dienst zahlreicher Priester, die viele Stunden im Beichtstuhl verbracht haben, um die Gewissen in der Tiefe des Lebens mit Gott zu führen, und die nichts unversucht gelassen haben, jenen Teil des Weinbergs zu pflegen, der ihrem pastoralen Bemühen zugänglich war. Und wie könnte ich die Ordensmänner und Ordensfrauen vergessen, die nicht nur treu geblieben sind, sondern auch die Kraft fanden, den Keim ihrer Berufung zur Fülle zu entfalten? Wie könnte ich ferner die verschiedenen Laienbewegungen vergessen, die es mit apostolischer Hochherzigkeit verstanden haben, Gott auch in jene Welt hineinzutragen, die ihn offiziell ablehnte? 407 REISEN 4. Meine Lieben, vor euch öffnen sich unermeßliche Felder der Arbeit für die Evangelisierung und Katechese. Dies wird eure Hauptaufgabe sein, die ihr mit vollem Eifer aufgreifen müßt. So fordert es die Treue zu euren historischen Wurzeln, die auf Kyrill und Method zurückgehen, so legt es auch die Aussicht auf ein harmonisches Wachstum in Achtung vor eurer nationalen Identität nahe, so gebieten es endlich das wahre Wohl eurer Familien und die Zukunft eurer Kinder. 5. Ich wende mich besonders an die Jugendlichen: die Zukunft eures Vaterlandes hängt vor allem von euch ab. Ihr seid die Baumeister des Morgen für die Kirche und eure Nation. Denkt daran, welch gewaltige Verantwortung euch auferlegt ist! Bedenkt, daß ein harmonischer Aufbau nur möglich ist, wenn ihr auf dem bereits geschaffenen Fundament und gemäß dem schon vorliegenden Entwurf weiterbaut. Die Fundamente eurer Kultur aber wurden von den hll. Kyrill und Method gelegt, die euch zugleich die großen Linien der Weiterentwicklung des von ihnen Geplanten aufgezeigt haben. Ihr Entwurf hat einen Namen, er lautet: Christus. Habt keine Angst vor Christus! Er ist euer wahrer Freund, der euch nie im Stich lassen wird. Christus, der Herr, wird euch auch die Kraft der Ausdauer geben, so daß ihr nicht abgleitet: verlaßt euch auf ihn! Christus kennt den Menschen; er allein kennt den Menschen bis in seine Tiefen. Den Familien sage ich: euer Heim soll in Wahrheit eine kleine Kirche sein! Wahrt eure gegenseitige Treue! Eure Einheit sei ein lebendiges Abbild der Einheit zwischen Christus und seiner Kirche. Nehmt das Leben an als Ausdruck eurer Liebe. Laßt den Herrn in eurer Mitte und in euch wohnen! Die Priester und Seminaristen, die Ordensmänner und Ordensfrauen sowie die zum gottgeweihten Leben Berufenen fordere ich dringend auf, der besonderen, von Gott als Geschenk empfangenen Berufung treu zu bleiben. Bleibt nicht bei der Erinnerung an die Prüfungen in der Vergangenheit stehen, sondern wendet euch der Zukunft zu. Der Ruf Gottes ist ein dynamischer und missionarischer Ruf zur Ausbreitung des Reiches Gottes. Allen Laien sowie den Bewegungen für Spiritualität und Apostolat aber rufe ich in Erinnerung: ihr seid ein lebendiger Teil der Kirche Christi! Nehmt den Reichtum an Lehre und Gnade an, den sie euch bietet, doch werdet auch in jeder Umgebung mit Mut und Liebe, mit Eifer und Achtung zu ihrer Stimme und Gegenwart. Zu den Kranken wendet sich mein Herz mit besonderer Zuneigung. Mehrfach habe ich in den letzten Jahren meine dankbare Wertschätzung für die Früchte eures Leidens und für das kostbare Geschenk eures Gebetes ausgesprochen: ich habe bei euch Solidarität und Stütze gesucht und immer euer volles Verständnis und eure hochherzige Antwort gefunden. Gott vergelte es euch! Liebt den gekreuzigten Christus: Er sei eure Kraft und die unerschütterliche Gewißheit eurer Hoffnung! <315> <315> Ich grüße auch die zu den Minderheiten in diesem Staat Gehörenden, zumal die Bürger ungarischer Herkunft. Bemüht euch, in menschlicher und christlicher Solidarität alle eine einzige Familie in Christus zu bilden. Ich grüße alle, die hier aus den Nachbarstaaten zusammengekommen sind. Sucht alle vereint in eurem gemeinsamen Interesse ein Zusammenleben aufzubauen, das Gerechtigkeit und Frieden zur Grundlage hat. 408 REISEN Ich grüße endlich alle eure Landsleute im Ausland: auch sie lieben dieses Land, in das ihre Gedanken oft voll Heimweh und Leid zurückeilen. Möge ihre Ferne von der Heimat für alle fruchtbar werden, damit jeder geistliche, kulturelle und auch materielle Reichtum dem gemeinsamen Wohlergehen dient! 7. Prag, Velehrad, Preßburg: drei kurze Aufenthalte, drei kurze Gelegenheiten zur Begegnung; aber wieviele menschliche Gesichter, wieviele Personen waren da, und hinter den Anwesenden sind ja noch die vielen zu denken, die aus unterschiedlichen Gründen nicht da sein konnten. Ich trage alle in meinem Herzen, zumal jene, die mit uns im Glauben an Christus und Gott verbunden sind. So viele Dinge verbinden und verpflichten uns, zusammenzustehen, um gemeinsam zu leben und zu arbeiten. Der Nachfolger des Petrus will allen einzig Jesus Christus verkünden, der gestorben und auferstanden ist, seine Wahrheit und seine Liebe. In diesem Sinn grüße ich alle. Es ist, wie ich hoffe, kein Abschied für immer, sondern ein „Auf Wiedersehen“! In ungarischer Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich die Ungarn aus der Slowakei und die Pilger, die aus Ungarn gekommen sind. Da ihr nun die religiöse Freiheit zurückgewonnen habt, bildet desto eifriger die neuen Generationen im katholischen Glauben heran. Betet um die Berufung von Priestern, die ungarisch sprechen. Arbeitet auf Brüderlichkeit und gegenseitige Liebe hin. Die Priester werden euch gewiß helfen, euer religiöses Leben zu entfalten. Den Pilgern aus Ungarn ein „Auf Wiedersehen“ im kommenden Sommer in ihrer Heimat! Mein apostolischer Segen gilt allen ungarischen Gläubigen. Gelobt sei Jesus Christus! In deutscher Sprache sagte der Papst: Am Ende dieses feierlichen Gottesdienstes grüße ich alle deutschsprachigen Gläubigen sehr herzlich. Preßburg und die Slowakei waren im Laufe der Geschichte immer Zentren der Begegnung für viele Völker, Sprachen und Kulturen. Im Bewußtsein dieser historischen Rolle ermutige ich euch, der Stadt und dem Land auch in Zukunft diese Bedeutung zukommen zu lassen. Die Brückenfunktion von Preßburg wird auch das geistliche und religiöse Leben bestimmen. Östliches und westliches Christentum mögen sich in der großen Tradition der Universalkirche treffen. In polnischer Sprache sagte der Papst: Ich grüße auch alle Pilger, die aus Polen gekommen sind, von jenseits der Tatra, von Krakau: den Bischof Jan und alle Pilger, die auf dieser Seite des Tatragebirges im Geist des Wohlwollens und der christlichen Gemeinschaft als Wallfahrer herübergekommen sind. 409 REISEN Freude über wieder gefundene Freiheit Ansprache beim Abschied auf dem Flughafen von Preßburg am 22. April Herr Ministerpräsident! 1. Bei dieser kurzen Abschiedszeremonie möchte ich Ihnen, der Sie zugleich Präsident Havel hier vertreten, erneut meinen Dank aussprechen, den ich auf die Mitglieder der Regierungen und auf alle ausdehne, die die nicht leichte Aufgabe der Vorbereitung und Durchführung der einzelnen Programmpunkte übernommen haben. Der beste Lohn für alles Bemühen waren der geordnete Ablauf und die gelöste Stimmung bei den einzelnen Begegnungen. 2. Es waren sehr intensive Augenblicke, angefangen bei der Begegnung mit den Autoritäten des Landes, deren herzliche Verbundenheit ich lebhaft geschätzt habe. Und wie hätte einem die Ergriffenheit des lieben und verehrten Kardinal Frantisek Tomäsek entgehen können? Wie sollte ich nicht erfreut sein über die Wärme der Begegnungen mit dem Episkopat, mit den Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen und den Massen der Gläubigen in Prag, Velehrad und Preßburg? Wie sollte ich nicht die Wichtigkeit der Begegnung mit der Welt der Kultur sowie mit den Vertretern der nichtkatholischen Kirchen empfunden haben? Bei den verschiedenen Gelegenheiten konnte ich bei allen die Freude über die wiedergewonnene Freiheit feststellen. Sie wird auch auf religiösem Gebiet tief empfunden. Dem Herrn sei Dank dafür! Im Herzen hege ich die Begeisterung der Jugendlichen, auf die ich mit unmeß-lichem Vertrauen hinblicke. Ich fühle mich den Leidenden nahe: auch in der Vergangenheit haben sie viel für den Papst gebetet, der in ihrem Opfer und in ihren Gebeten stets eine unerschöpfliche Quelle geistlicher Kraft gefunden hat. 3. Für die katholische Kirche in diesem Land lasse ich meine Botschaft zurück, das heißt, ich ermutige und bestärke sie im Glauben, wie es die dem Bischof von Rom anvertraute Sendung seinen Brüdern im Bischofsamt, den Nachfolgern der Apostel, aber auch dem ganzen Volk Gottes gegenüber erfordert. 4. Herr Ministerpräsident! Im Verlauf der letzten vierzig bis fünfundvierzig Jahre wurden die Gläubigen fast wie Bürger zweiter Klasse betrachtet. Heute haben sie das deutliche Empfinden, daß das nicht mehr so ist, daß es nie wieder so sein wird. Sie sind der Garant der Achtung vor den Rechten eines jeden, und Sie können Ihrerseits sich auf die Loyalität der Bürger dem Staat gegenüber verlassen: ihr Einsatz auf bürgerlichem Gebiet wird ihrem religiösen Glauben und ihrem Leben als Glaubende entsprechen. Die Solidarität aller wird sich zum Vorteil für alle auswirken und den Fortschritt des Landes auf dem Weg der Gerechtigkeit und der Freiheit sicherstellen. Gott segne die Völker dieses so ruhmvollen und lieben Landes! <316> <316> Wenn ich dann meinen Blick von dieser Stadt im Herzen Europas aus über die Grenzen der tschechoslowakischen föderativen Republik hinaus schweifen lasse, gehen meine Gedanken 410 REISEN zu allen Nachbarländern und zu allen Nationen, die diesen Kontinent in West und Ost, in Nord und Süd bilden, wo zwar nach Sprache, Institutionen und Geschichte verschiedene Völker leben, die aber alle Erben der zweitausendjährigen christlichen Überlieferung sind. Nach dem Unglück von zwei Kriegen, die sie materiell und moralisch niedergeworfen haben, nach den vierzig Jahren, in denen eine entartete Ideologie sie in getrennte und sich feindlich gegenüberstehende Blöcke gezwungen hat, geht die Geschichte nun einen neuen Weg und läßt diese Völker Sehnsucht nach Ausgleich und Verständnis, in Achtung vor den berechtigten Bestrebungen eines jeden von ihnen, empfinden. Ich wünsche, daß die Völker Europas nach Überwindung aller Schwierigkeiten ihre Kräfte zu vereinigen wissen, um die gegenseitige Solidarität, die tatkräftige Zusammenarbeit und den echten Frieden in Freiheit und Gerechtigkeit zu festigen. Ich vertraue darauf, daß Europas jene menschlichen und christlichen Werte voll im Leben verwirklichen wird, die seine Geschichte glorreich und seinen Einfluß auch auf andere Länder der Welt wohltuend gemacht haben. Euch, den hier Anwesenden, euren Landsleuten und allen Bürgern der edlen Nationen, die auf diesem geliebten Kontinent leben, gilt mein herzlicher Wunsch für Wohlergehen und Frieden im Namen Christi, des Herrn. 411 REISEN 4. Zweite Pastoraireise nach Mexiko und Curagao (Union der Niederländischen Antillen) (6. bis 14. Mai) Die Botschaft der Erlösung bringen Ansprache bei der Ankunft in Mexiko am 6. Mai 1. Während ich aufs neue meinen Fuß auf den gesegneten Boden Mexikos setze, auf dem die Jungfrau von Guadalupe ihren Thron als Königin von Amerika errichtet hat, kommt mir unvermeidlich die Erinnerung an meinen ersten Besuch in dieser geliebten Nation in den Sinn. Gott, der Herr der Geschichte und unseres Schicksals, hat gewollt, daß mein Pontifikat das eines Pilgerpapstes der Evangelisierung sei, der die Wege der Welt durcheilt, um die Botschaft von der Erlösung überallhin zu bringen. Und der Herr wollte es auch, daß meine im Lauf dieser Jahre verwirklichte Pilgerschaft mit der apostolischen Reise gerade nach Mexiko begann - nach kurzem Aufenthalt in der Stadt Santo Domingo -, um so den Spuren der ersten Verkünder des Evangeliums zu folgen, die vor fast 500 Jahren auf dem Boden Amerikas ankamen. Ich kann sagen, daß jener erste Pastoralbesuch in Mexiko mit seinen Stationen in dieser Hauptstadt und anschließend in Puebla, Guadalajara, Oaxaca und Monterrey wirklich mein Pontifikat geprägt hat, denn er hat mich die Berufung zum Pilgerpapst, zum Missionar, verstehen lassen. <317> <318> <317> Ich begrüße vor allem den Herrn Präsidenten der Republik, der mich soeben auch im Namen der Regierung und des Volkes dieser lieben Nation empfangen hat. Ich fühle mich daher zu lebhaftestem Dank für die liebenswürdigen Worte verpflichtet, die er an mich gerichtet hat, wie auch für die Einladung zum Besuch dieses edlen Landes und für die persönliche Anwesenheit des Herrn Präsidenten am Flughafen, um mich zu begrüßen. Ebenso grüße ich die hier anwesenden ehrenwerten Vertreter der örtlichen Behörden und des Militärs. Und ich grüße mit brüderlicher Umarmung meine anwesenden Brüder im Bischofsamt, insbesondere den Herrn Kardinal Emesto Corripio Ahumada, Erzbischof dieser Stadt, und Erzbischof Adolfe Suärez Rivera von Monterrey, Vorsitzender der Mexikanischen Bischofskonferenz, sowie alle Bischöfe Mexikos, zusammen mit den Priestern, den Ordens-männem und -frauen und den christlichen Laien, denen ich mich im Herrn als Hirte der Weltkirche widme. Ich möchte, daß der liebevolle Gruß des Papstes in gleicher Weise auch diejenigen erreicht, die über Hörfunk und Fernsehen mit uns verbunden sind - von Yucatan bis Niederkalifornien. Es erfüllt mich mit Freude, wieder in diesem großmütigen Land zu sein, das sich durch den Adel seines Geistes und durch seine Kultur auszeichnet und das so viele Beweise erprobten 412 REISEN Glaubens und der Liebe zu Gott, der kindlichen Verehrung der allerseligsten Jungfrau und der Treue zur Kirche gegeben hat. Der Name Mexikos erinnert an eine ruhmreiche Zivilisation, die einen unverzichtbaren Teil eurer historischen Identität darstellt. In unseren Tagen erleben wir entscheidende Augenblicke für die Zukunft dieses geliebten Landes und auch für diesen Kontinent. Darum ist es notwendig, daß der Christ, der Katholik, sich seiner Verantwortung besser bewußt wird und sich gegenüber Gott und seinen Bürgerpflichten mit erneuerter Begeistemng beim Aufbau einer gerechteren, brüderlicheren und gastlicheren Gesellschaft engagiert. Bei dem Versuch, alte Frontstellungen zu überwinden, muß eine wachsende Solidarität unter allen Mexikanern gefördert werden, die diese dazu bringt, mit Weitblick ein entschlossenes Handeln für das Gemeinwohl zu beginnen. Genau an diesem Punkt kommt die bedeutende Rolle der spirituellen Werte zum Tragen, die von innen heraus die Person umgestalten und sie dazu bewegen, sich zum Förderer einer größeren sozialen Gerechtigkeit, einer besseren Achtung vor der Würde des Menschen und seinen Rechten und brüderlicherer Beziehungen zu machen, in denen Dialogbereitschaft und Verständnis gegenüber der Versuchung zu Brach und Konflikten die Oberhand gewinnen. Die Kirche will ihren Auftrag mit dem schuldigen Respekt gegenüber dem Pluralismus erfüllen; sie bekräftigt deswegen ihre Berufung zum Dienst an den großen Anliegen des Menschen als Staatsbürger und als Kind Gottes. Die christlichen Prinzipien selbst, die das Leben der mexikanischen Nation bestimmt haben, müssen eine begründete Hoffnung und eine neue Dynamik vermitteln, die dieses große Land dazu bringen, den Platz einzunehmen, der ihm im Konzert der Nationen zusteht. 3. Ich möchte vor allem unterstreichen, daß ich als Herold des Glaubens und des Friedens, als „Pilger der Liebe und der Hoffnung“ komme mit dem Wunsch, die Energien der kirchlichen Gemeinschaft zu stärken, damit sie überreiche Früchte der Liebe zu Christus und des Dienstes an den Brüdern und Schwestern bringen. Nach einem Abstand von über elf Jahren kann ich hier wiederholen, was ich in Rom am Beginn meiner ersten apostolischen Reise nach Mexiko gesagt habe: „Der Papst kommt und will sich vor dem wundertätigen Bild der Jungfrau von Guadalupe niederwerfen, um ihre mütterliche Hilfe und ihren Schutz für diesen päpstlichen Dienst zu erflehen; um ihr mit einer durch die neuen immensen Verpflichtungen gewachsenen Kraft zu wiederholen ,Totus tuus sum ego’: Ich bin ganz dein; und um in ihre Hände die Zukunft der Verkündigung des Evangeliums in Lateinamerika zu legen“ (25. 1. 1979). Gerade wegen des Herannahens der Fünfhundertjahrfeier der Erstevangelisierang, die ganz Amerika zu feiern sich vorbereitet, habe ich an alle Ortskirchen dieses „Kontinents der Hoffnung“ den Aufruf zu einer Neu-Evange-lisierang gerichtet. Dem Thema der Neu-Evangelisierang wird auch die IV. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopats gewidmet sein, die ich in Santo Domingo zu eröffnen hoffe, wie ich 1979 die UI. in Puebla de los Angeles eröffnet habe. <319> <319> 1492 begann die Verkündigung des Evangeliums in der Neuen Welt, und etwa dreißig Jahre später kam der Glaube nach Mexiko. 413 REISEN Der Glaube brachte sehr schnell die ersten Früchte der Heiligkeit hervor, und heute nachmittag werde ich während der Messe in der Basilika Unserer Lieben Frau von Guadalupe die Freude haben, die Kinder von Tlaxcala: Cristobal, Antonio und Juan, den Pater Jose Maria de Yermo y Parres und Juan Diego, den Indio, seligzusprechen, dem die Liebe Frau von Tepeyac ihre vertraulichen Mitteilungen machte und damit zur ersten Verkünderin des Evangeliums in Lateinamerika wurde. In Veracmz betraten die Missionare, die aus Spanien kamen, mexikanischen Boden. Deswegen werde ich meine ersten Schritte in diese Stadt lenken, die den Namen des Kreuzes unseres Herrn trägt, um dann andere Orte dieses weiten Landes zu besuchen. Und wie schon eure Bischöfe gesagt haben, „auch wenn ich nicht persönlich in allen Diözesen und Regionen eures Vaterlandes sein kann, so gilt der Besuch doch dem ganzen mexikanischen Volk, das es braucht, im Glauben bestärkt, in der Hoffnung gefestigt und in der solidarischen Liebe des Evangeliums neu angeregt zu werden“ (Hirtenbrief der mexikanischen Bischöfe, 25. 1. 1990). Alle und jeden segne ich schon jetzt, in besonderer Weise jedoch die Armen, die Kranken, die Randexistenzen und alle, die an Leib und Geist leiden. Sie sollen wissen, daß die Kirche und der Papst ihnen sehr nahe sind, daß sie sie lieben und sie in ihren Leiden und Schwierigkeiten begleiten. In diesem evangelischen Geist der Freundschaft und der Brüderlichkeit möchte ich meinen Besuch beginnen. Gelobt sei Jesus Christus! Die Christen zum Apostolat berufen Predigt bei der Messe zur Seligsprechung in Mexiko-Stadt am 6. Mai „Christus ... hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen ... durch seine Wunden seid ihr geheilt“ (1 Petr 2,21.24.25). Liebe Söhne und Töchter Mexikos! 1. Ich bin wiedergekommen in euer Land, um vor euch und mit euch allen den gemeinsamen Glauben an Christus zu bekennen, den einzigen Erlöser der Welt. Ich möchte das an allen Orten meiner Pilgerschaft durch euer Land verkünden; doch ich möchte es vor allem hier tun, an diesem euch besonders heiligen Ort: Tepeyac. Christus, der Erlöser der Welt, ist über Generationen hinweg in der Geschichte gegenwärtig durch seine allerseligste Mutter, dieselbe, die ihn in Betlehem zur Welt brachte und die ihm unter dem Kreuz auf Golgota nahe war. Christus ist durch die Jungfrau Maria in die Wechselfälle aller menschlichen Generationen, in die Geschichte Mexikos und ganz Amerikas eingetreten. An dem Ort, an dem wir uns befinden, der ehrwürdigen Basilika von Guadalupe, hat sie diese rettende Tat einem Zeugen von unübertrefflicher Beredsamkeit anvertraut. 414 REISEN Ich bin besonders glücklich darüber, meinen zweiten Pastoralbesuch in Mexiko an diesem Ort beginnen zu können, dem sich die Blicke und die Herzen aller Kinder des mexikanischen Vaterlandes, wo immer sie sind, zuwenden. Deswegen möchte ich von diesem Heiligtum aus meinen liebevollen Gruß an alle Einwohner dieser großen Nation, von Tijuana und dem Rio Bravo bis zur Halbinsel Yucatan, richten. Ich möchte, daß der herzliche Gruß des Papstes in jeden Winkel und in die Herzen aller Mexikaner dringe, um ihnen Liebe und Freude und den Mut zu bringen, Schwierigkeiten zu überwinden und weiter am Aufbau einer Gesellschaft zu arbeiten, in der die Gerechtigkeit, die Wahrheit und jene Brüderlichkeit regieren, die aus diesem geliebten Volk eine große Familie machen mögen. Ich danke lebhaft für die liebevollen Willkommensworte, die der Herr Kardinal Emesto Cor-ripio Ahumada, Erzbischof von Mexiko-Stadt, auch im Namen unserer Brüder im Bischofsamt und der ganzen mexikanischen Kirche an mich gerichtet hat. 2. Meine Freude ist um so größer, als mir der Herr jetzt, am Beginn dieses zweiten Pastoral-besuches als Nachfolger des Apostels Petrus und Oberhirte der Weltkirche in eurem Land, die Gnade gewährt hat, einige geliebte Söhne eurer Nation seligzusprechen, das heißt zur Ehre der Altäre zu erheben. Ich habe das im Namen und mit der mir übertragenen Autorität unseres Herrn Jesus Christus getan, der uns mit dem Blut seiner heiligen Wunden erlöst hat und deswegen der Hirte unserer Seelen geworden ist. Juan Diego, der Vertraute der Lieben Frau vom Tepeyac; die drei Märtyrerkinder von Tlax-cala, Cristöbal, Antonio und Juan; der Priester und Gründer Jose Maria de Yermo y Parres. Ihre Namen sind im Himmel schon verzeichnet und sind von heute an eingeschrieben in das Buch der Seligen und in die Geschichte des Glaubens der Kirche Christi, die in Mexiko lebt und pilgert. Diese fünf Seligen sind in unauslöschlicher Weise in das große Epos der Evangelisierung Mexikos eingeschrieben; die ersten vier in die Anfänge der Aussaat des Wortes Gottes in diesem Land; der fünfte in die Geschichte seiner Treue zu Christus in den Wirren des vergangenen Jahrhunderts. Alle haben sie den Glauben und die Liebe zur Jungfrau gelebt und bezeugt. Denn sie ist und bleibt der „Stern der Evangelisierung“; mit ihrer Gegenwart und ihrem Schutz nährt sie den Glauben und stärkt die kirchliche Gemeinschaft. <320> <321> <320> Die Seligsprechung Juan Diegos und der Märtyrerkinder von Tlaxcala erinnert uns an den Beginn der Predigt des Glaubens in diesen Gegenden in einem Augenblick, da wir uns darauf vorbereiten, die Fünfhundertjahrfeier der Evangelisierung Amerikas zu begehen. Das Evangelium Jesu Christi durchdrang Mexiko mit dem apostolischen Feuer seiner ersten Verkünder. Sie verkündeten den gekreuzigten und auferstandenen Jesus, den Herrn und Messias, und mit der Kraft des Heiligen Geistes, der die Worte der Missionare und die Herzen ihrer Zuhörer entflammte, zogen sie viele Menschen an. Jene eifrige Evangelisierungsaktion entsprach dem Missionierungsauftrag Jesu an seine Apostel und der Ausgießung des Heiligen Geistes an Pfingsten. Wir haben in der ersten Lesung dieser Eucharistiefeier gehört, wie Petrus im Namen der übrigen Apostel das „Kerygma“ des gekreuzigten und auferstandenen Christus verkündet hat. 415 REISEN Jene Worte trafen die Zuhörer mitten ins Herz, und sie fragten Petrus und die übrigen Apostel: „Was sollen wir tun, Brüder?“ (Apg 2,37). Die Antwort des Apostelfürsten erläutert klar die Dynamik eines jeden echten Prozesses der Bekehrung und des Eintritts in die Kirche. Der Verkündigung des Evangeliums folgt die Annahme des Glaubens durch die Katechumenen kraft des Wortes, das die Herzen bewegt. Dem Glaubensbekenntnis folgt die Bekehrung und die Taufe im Namen Jesu zur Vergebung der Sünden und zur Ausgießung des Heiligen Geistes. Durch die Taufe werden die Gläubigen in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen, um in der Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu leben. Tatsächlich: „Die nun, die sein Wort annahmen“, sagt uns der heilige Text, „ließen sich taufen. An diesem Tag wurden (ihrer Gemeinschaft) etwa dreitausend Menschen hinzugefügt“ (Apg 2,41). Das waren die Anfänge der Predigt des Evangeliums und der Ausbreitung der Kirche über die ganze Erde. Man kann diese Worte nicht aussprechen, ohne spontan an die Fortsetzung dieser Evangelisierung und die Ausgießung des Heiligen Geistes hier in Mexiko zu denken. Ihre Nutznießer und ihre Mitarbeiter wurden unsere Seligen, Erstlingsfrüchte der Evangelisierung und ruhmreiche Zeugen des Glaubens der Anfänge. Hier erfüllte sich das prophetische Wort des hl. Petrus am Pfingsttag: „Denn euch und euren Kindern gilt die Verheißung und all denen in der Feme, die der Herr, unser Gott, herbeirufen wird“ (Apg 2,39). 4. Nach Zeit und nach Raum waren diese Länder und die Männer und Frauen, die sie bevölkerten, in der Feme; doch kraft des apostolischen Auftrags kam schließlich eine Gruppe von zwölf Missionaren hier an, die die Überlieferung mit deutlicher Anspielung an die Anfänge der apostolischen Predigt die „zwölf Apostel“ genannt hat. Mit dem Kreuz in der Hand verkündeten sie Christus, den Erlöser und Herrn; sie predigten die Bekehrung, und viele Menschen empfingen das erneuernde Wasser der heiligen Taufe und die Ausgießung des Heiligen Geistes. So wurden diese Völker der Kirche hinzugefügt wie seinerzeit am Pfingsttag, und die Kirche wurde reicher durch die Werte ihrer Kultur. Die Missionare selbst fanden in den Eingeborenen die besten Mitarbeiter für die Mission, als Vermittler bei der Katechese, als Dolmetscher und Freunde, die ihnen die Annäherung an die Eingeborenen und diesen ein besseres Verständnis der Botschaft Jesu ermöglichten. Als Beispiel für diese Freunde haben wir Juan Diego, von dem man sagt, er habe in Tla-telolco an der Katechese teilgenommen. Auch die Märtyrerkinder von Tlaxcala sind es, die in ihrem zarten Alter mit Begeisterung den Franziskaner- und Dominikanermissionaren folgten und bereit waren, mit ihnen bei der Predigt der guten Botschaft des Evangeliums zusammenzuarbeiten. <322> <322> In den Anfängen der Verkündigung des Evangeliums in Mexiko nimmt der selige Juan Diego einen führenden und eigenständigen Platz ein; sein einheimischer Name soll, wie die Überlieferung sagt, Cuauhtlatöhuac, „Der sprechende Adler“, gewesen sein. Seine liebenswürdige Gestalt ist untrennbar mit dem Geschehen von Guadalupe, der wunderbaren und mütterlichen Erscheinung der Jungfrau und Gottesmutter verbunden; dies trifft 416 REISEN sowohl auf die bildlichen und literarischen Erinnerungen als auch auf die jahrhundertealte Verehrung zu, die die Kirche von Mexiko für diesen von Maria geliebten Indio bekundet hat. Ähnlich den alten biblischen Persönlichkeiten, die eine kollektive Repräsentation des ganzen Volkes waren, könnten wir sagen, daß Juan Diego alle die Eingeborenen repräsentiert, die dank der mütterlichen Hilfe Marias das Evangelium Jesu annahmen. Maria ist nämlich niemals von der Offenbarung ihres Sohnes und von der Gründung der Kirche zu trennen, wie ihre Anwesenheit unter den Aposteln am Pfingsttag zeigt. Die Nachrichten, die uns über Juan Diego vorliegen, preisen seine christlichen Tugenden; seinen schlichten Glauben, der aus der Katechese genährt und bereit war, die Geheimnisse anzunehmen; seine Hoffnung und sein Vertrauen auf Gott und die Jungfrau; seine Liebe, seine moralische Konsequenz, seine Uneigennützigkeit und seine Armut nach dem Geist des Evangeliums. Er führte hier, bei Tepeyac, das Leben eines Einsiedlers und war ein Vorbild der Bescheidenheit. Die Jungfrau suchte ihn unter den Bescheidensten für diese herablassende und liebevolle Offenbarung der Erscheinung von Guadalupe aus. Eine bleibende Erinnerung daran ist ihr mütterliches Antlitz und ihr gesegnetes Bild, das uns als unschätzbares Geschenk geblieben ist. Auf diese Weise wollte sie unter euch bleiben als Zeichen der Gemeinschaft und der Einheit aller, die auf dieser Erde leben und Zusammenleben müssen. Die Anerkennung der Verehrung, die seit Jahrhunderten dem Laien Juan Diego entgegengebracht worden ist, besitzt eine besondere Bedeutung. Sie ist ein starker Aufruf an alle gläubigen Laien dieser Nation, alle ihre Verantwortlichkeiten bei der Weitergabe der Botschaft des Evangeliums und beim Zeugnis für einen lebendigen und innerhalb der mexikanischen Gesellschaft wirksamen Glauben zu übernehmen. Von diesem bevorzugten Ort Guadalupe aus, dem Herzen des immer gläubigen Mexiko, möchte ich alle mexikanischen Laien aufru-fen, sich aktiver in der Neuevangelisierung der Gesellschaft zu engagieren. Die gläubigen Laien nehmen teil an der prophetischen, priesterlichen und königlichen Sendung Christi (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31), sie verwirklichen diese Berufung jedoch unter den normalen Umständen des Alltagslebens. Ihr natürliches und unmittelbares Handlungsfeld sind alle Bereiche des menschlichen Zusammenlebens und alles, was zur Kultur in ihrem weitesten und vollsten Sinne gehört. So habe ich in dem Apostolischen Schreiben Christifideles laici geschrieben: „Um die zeitliche Ordnung im Sinne des Dienstes am Menschen christlich zu inspirieren, können die Laien nicht darauf verzichten, sich in die Politik einzuschalten, das heißt in die vielfältigen und verschiedenen Initiativen auf wirtschaftlicher, sozialer, gesetzgebender, verwaltungsmäßiger und kultureller Ebene, die der organischen und systematischen Förderung des Allgemeinwohls dienen“ (Nr. 42). Katholische Männer und Frauen Mexikos, eure christliche Berufung ist von ihrer Natur her eine Berufung zum Apostolat (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 3). Ihr dürft darum gegenüber den Leiden eurer Brüder und Schwestern nicht gleichgültig bleiben: gegenüber der Armut, der Korruption, den Schändungen der Wahrheit und der Menschenrechte. Ihr müßt Salz der Erde und Licht der Welt sein (vgl. Mt 5,13-14). Deswegen wiederholt der Herr heute euch gegenüber: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16). 417 REISEN Es leuchtet vor euch von nun an auch Juan Diego, der von der Kirche zur Ehre der Altäre erhoben worden ist; ihn können wir als Beschützer und Anwalt der Eingeborenen anrufen. 6. Mit großer Freude habe ich auch die drei Märtyrerkinder von Tlaxcala - Cristobal, Antonio und Juan - zu Seligen erklärt. In ihrem zarten Alter wurden sie durch das Wort und das Zeugnis der Missionare angezogen und wurden als Katechisten anderer Eingeborener zu ihren Mitarbeitern. Sie sind ein prachtvolles und lehrreiches Beispiel dafür, daß die Verkündigung des Evangeliums eine Aufgabe des ganzen Volkes Gottes ist: Niemand ist davon ausgeschlossen, nicht einmal die Kinder. Mit der Kirche von Tlaxcala und von Mexiko freue ich mich darüber, ganz Lateinamerika und der Weltkirche dieses Vorbild kindlicher Frömmigkeit und apostolischer und missionarischer Seelengröße vorstellen zu können, das durch die Gnade des Martyriums gekrönt worden ist. In dem Apostolischen Schreiben Christifideles laici habe ich ganz besonders hervorgehoben, daß die Unschuld der Kinder „uns ständig daran erinnert, daß die missionarische Fruchtbarkeit der Kirche nicht in den menschlichen Mitteln und Verdiensten, sondern in der absolut freien Gabe Gottes ihre Lebenswurzel hat“ (Nr. 47). Möge das Beispiel dieser seliggesprochenen Kinder unter den Jungen und Mädchen Lateinamerikas und der ganzen Welt eine unermeßliche Schar kleiner Apostel Christi erwecken, die unsere so liebesbedürftige Gesellschaft spirituell bereichern. 7. Die Gnade des Heiligen Geistes strahlt heute auch auf in einer anderen Gestalt, die die Charakterzüge des Guten Hirten trägt: Pater Jose Maria de Yermo y Parres. In ihm sind mit aller Deutlichkeit die Züge des echten Priesters Christi gezeichnet, denn das Priestertum war Mittelpunkt seines Lebens und die priesterliche Heiligkeit sein Ziel. Seine tiefe Hingabe an das Gebet und den seelsorglichen Dienst wie auch seine besondere Hingabe an das Apostolat unter den Priestern durch geistliche Exerzitien verstärken das Interesse für seine Person besonders jetzt, da sich auch die bevorstehende Bischofssynode mit der Ausbildung der künftigen Priester beschäftigen wird. Als Apostel der Nächstenliebe, wie ihn seine Zeitgenossen nannten, vereinigte Pater Jose Maria die Liebe zu Gott mit der Liebe zum Nächsten, eine Synthese der Vollkommenheit im Geiste des Evangeliums, wobei er eine große Verehrung zum Herzen Jesu und eine besondere Liebe zu den Armen entfaltete. Sein glühender Eifer für die Ehre Gottes ließ ihn auch wünschen, daß alle echte Missionare seien. Alle Missionare. Alle Apostel des Herzens Jesu. Besonders seine geistlichen Töchter, die von ihm gegründete Kongregation der Dienerinnen des heiligen Herzens Jesu und der Armen, denen er zwei Ziele der Liebe hinterließ: Christus und die Armen. Diesen zwei Zielen der Liebe galt die Leidenschaft seines Herzens und sie sollten immer der höchste Ruhm seiner Töchter sein. <323> <323> Liebe Brüder und Schwestern, an diesem vierten Ostersonntag feiert die Kirche Christus, den Guten Hirten; er hat für unsere Sünden gelitten und sein Leben für uns, seine Schafe, hingegeben. Er hat uns zugleich ein Beispiel gegeben, damit wir seinen Spuren folgen (vgl. 1 Petr 2,21). Der Gute Hirte kennt seine Schafe und seine Schafe kennen ihn (vgl. (Joh 10,14). 418 REISEN Juan Diego, die Märtyrerkinder von Tlaxcala, Cristöbal, Antonio und Juan, Jose Maria de Yermo y Parres folgten mit Beharrlichkeit den Spuren Christi, des Guten Hirten. Ihre Seligsprechung an diesem Sonntag, an dem die Kirche auch den Weltgebetstag für die geistlichen Berufe begeht, ist ein dringender Aufruf an alle, gemäß der eigenen Berufung zur Arbeit in den Weinberg des Herrn zu gehen. In den fünf neuen Seligen spiegelt sich die Vielfalt der Berufungen, und in ihnen haben wir ein Beispiel, wie sich die ganze Kirche auf den Weg machen muß, um das Evangelium zu verkünden und Zeugnis für Christus abzulegen: Die gläubigen Laien, sowohl die Kinder und Jugendlichen wie auch die Erwachsenen, die Priester, die Ordensmänner und die Ordens-frauen. Alle müssen den Ruf des Herrn Jesus hören und befolgen: „Geht auch ihr in meinen Weinberg“ (Mt 20,4). 9. In unserer heutigen Eucharistiefeier spricht Christus wieder einmal zu uns: „Amen, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen“ (Joh 10,7). Die Tür eröffnet uns den Zutritt zum Haus. Die Tür, die Christus ist, führt uns in das „Haus des Vaters, in dem es viele Wohnungen gibt“ (vgl. Joh 14,2). Der Gute Hirte warnt uns aber auch mit strengen und kategorischen Worten, daß wir uns vor denen hüten müssen, die nicht „die Tür zu den Schafen“ sind. Er nennt sie Diebe und Räuber. Es sind diejenigen, die nicht das Wohl der Schafe suchen, sondern den eigenen Vorteil durch Falschheit und Betrug. Deshalb lehrt uns der Herr, was der entscheidende Beweis für die Uneigennützigkeit und den Dienst ist: Bereit zu sein, das Leben für die anderen hinzugeben (vgl. Joh 10,11). Diese Lehre geben uns auch die Söhne Mexikos, die wir heute zur Ehre der Altäre erhoben haben: Sie folgten Christus nach und machten wie er ihr Leben zu einem Zeugnis der Liebe. Der Tod hat sie nicht besiegt. Er eröffnete ihnen sperrangelweit die Türen zum anderen Leben, zum ewigen Leben. Von dieser Wallfahrtsstätte der Jungfrau Maria von Guadalupe aus wollen wir ihr, der Muttergottes, der Patronin Mexikos und ganz Lateinamerikas, dafür danken, daß sich in diesen fünf neuen Seligen die Worte des Guten Hirten erfüllt haben: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). 419 REISEN Jesus ist heute wie damals der Gute Hirte Predigt bei der Messe im Chalco-Tal, Diözese Netzahualcöyotl (Mexiko) am 7. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Betrachte ich hier in Chalco die Menge der Männer und Frauen, der Jugendlichen und Kinder, die gekommen sind, um das Wort Gottes zu hören, dann kommt mir der Ausruf Jesu in den Sinn: „Ich habe Mitleid mit diesen Menschen; sie sind schon drei Tage bei mir und haben nichts mehr zu essen. Ich will sie nicht hungrig wegschicken, sonst brechen sie unterwegs zusammen“ {Mt 15,32). Und Jesus, der sich als echter Hirte verstand, stillte ihren Hunger, heilte ihre Krankheiten und lehrte sie die Frohe Botschaft vom Reich Gottes (vgl. Mt 9,35-36; 15,30). Was für eine wunderbare „Verlockung“ ging von der Person Jesu aus! Er zog Mengen von Menschen an, die sogar das Essen vergaßen, nur um ihm nahe zu sein und sein Wort zu hören! Was für ein unwiderstehlicher Wunsch, sich dem Ursprung des Lebens zu nähern, um die tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens zu befriedigen! Und bei Jesus - was für ein Mitgefühl und was für eine Menschlichkeit, daß er über der Predigt vom Reiche Gottes nicht die Notwendigkeiten des täglichen Unterhaltes derer vergaß, die ihm folgten! Heute wie damals ist Jesus weiterhin als Guter Hirte unter uns. Auch heute in Chalco ist Jesus der Gute Hirte der christlichen Herde, die sich hier um den Nachfolger des Petrus versammelt hat; ihm hat Christus die Aufgabe gegeben, seine Schafe zu weiden und seine Brüder im Glauben zu stärken. Christus bietet uns in der eucharistischen Feier weiterhin mit vollen Händen das Brot seines Leibes und den Wein seines Blutes als Nahrung an, damit wir den Weg unseres christlichen Lebens gehen können. Und außerdem gibt er uns noch das Brot seines Wortes, die frohe Botschaft von der Liebe Gottes zu uns, mit der er uns zu seinen Kindern und zu Erben der Verheißung künftigen Glückes macht. <324> <324> Gerade haben wir die Worte des Johannesevangeliums gehört: „Ich bin der gute Hirte“ (Joh 10,11). Christus stellt sich selbst unter dem einfachen und leicht begreiflichen Bild des Guten Hirten vor. Ein Bild, das von Sorge und Wachsamkeit spricht; ein Bild, das Vertrauen weckt. Das Gleichnis vom Guten Hirten setzt die Tradition der Propheten des Alten Testamentes fort, die Gott den „Hirten Israels“ nannten. In Christus, den der Vater gesandt hat, erfüllt sich voll die Verheißung der Propheten. Jesus hatte Mitleid mit der Menge Menschen, die ihm folgten, „denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben“ {Mt 9,36). Der Herr stellt sich - im Gegensatz zu den falschen Volksführem, die im Augenblick der Prüfung wie bezahlte Knechte fliehen - als der gute und echte Hirte vor, denn er ist bereit, sein Leben für seine Schafe hinzugeben. Das äußerste Zeugnis und der beste Beweis dafür, daß Christus der Gute Hirte ist, besteht darin, daß er sein Leben für seine Schafe hingibt: er verwirklicht das am Kreuz, an dem er sich selbst als Opfer für die Sünden der ganzen Welt anbietet. Dieses Kreuz und dieses Opfer sind das Zeichen, das radikal und einsichtig den Guten Hirten von dem unterscheidet, der es nicht ist, von dem, der nur ein bezahlter Knecht ist. 420 REISEN Das Kreuz und das Opfer, liebe Brüder und Schwestern, machen es uns möglich, zwischen dem Guten Hirten und den falschen Hirten oder bezahlten Knechten zu unterscheiden. Im Lauf der Geschichte sind nicht wenige solcher Hirten einander gefolgt - Führer, Leiter, Ideologen und Macher von Meinungen und Denkströmungen -, die das Volk „auf die Weide führen“ und zu künstlichen Paradiesen und verheißenen Ländern der Freiheit, des Wohlstandes, der Gerechtigkeit, der vollen Selbstverwirklichung geleiten wollten und dabei glaubten, sich über Gott und sein heiliges Gesetz hinwegsetzen zu können. Und als die Gefahr nahte -die Stunde der Wahrheit im unerbittlichen Lauf der Geschichte - sind sie einer nach dem anderen gegangen, erwiesen sie sich als falsche Hirten, als Diener nicht der Wahrheit und des Guten, sondern eigener Interessen, Ideologien und Systeme, die sich gegen den Menschen wandten. Christus dagegen stellt sich als Guter Hirte der Begegnung mit dem Kreuz, denn er kennt seine Schafe und weiß, daß das Opfer seiner selbst für ihre Rettung notwendig ist. Es ist notwendig, daß er sein Leben für seine Schafe hingibt. Ja, der Gute Hirte kennt seine Schafe, und seine Schafe kennen ihn. Sie kennen ihn als ihren Erlöser. In dieser Stunde der Geschichte, in der wir Zeugen tiefgreifender gesellschaftlicher Umwälzungen und einer Neugestaltung unseres Planeten sind, ist es notwendig, dieses laut zu verkünden: Wann immer sich Völker der Unterdrückung durch Ideologien oder politische Systeme von unmenschlichem Antlitz unterworfen sahen, hat die Kirche, die Fortsetzerin des Werkes Christi, des Guten Hirten, stets ihre Stimme erhoben und ist zur Verteidigung des Menschen aufgestanden, jedes Menschen und des ganzen Menschen, vor allem der Schwächsten und Hilflosesten. Sie hat die ganze Wahrheit über den Menschen verteidigt, denn „der Mensch ist der Weg der Kirche“, wie ich schon am Beginn meines Pontifikats gesagt habe. Die Verteidigung der Wahrheit über den Menschen hat der Kirche - wie es auch schon dem Guten Hirten geschah - Leiden, Verfolgung und Tod eingebracht. Die Kirche hat auch in jüngster Zeit in der Person ihrer Hirten, ihrer Priester, ihrer Ordensmänner und Ordensfrauen und ihrer gläubigen Laien einen sehr hohen Preis an Verfolgung, Gefängnis und Tod bezahlen müssen. Sie hat das um der Treue zu ihrem Auftrag und zur Nachfolge des Guten Hirten willen auf sich genommen in dem Wissen: „Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh 15,20). Christus, der Gute Hirte, opferte im Gehorsam gegenüber dem Vater frei und in Liebe sein Leben für die Erlösung der Menschen (vgl. Joh 10,18). <325> <325> Jesus sagt in seinem Gleichnis weiter: „Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muß ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten“ (Joh 10,16). Im Licht dieser Worte wird das Verhalten des Apostels Paulus in der Episode der Bekehrung des römischen Hauptmanns Cornelius verständlich, die wir in der ersten Lesung unserer Feier gehört haben. Christus hat tatsächlich noch andere Schafe, die über alle Teile der Welt, über alle Nationen, verstreut sind. Es ist darum nötig, daß er, der Gute Hirte, sie beständig durch den Dienst der Apostel und ihrer Nachfolger, zur Einheit der Herde Gottes führt. Auftrag der Kirche, der Fortführerin der Sendung Christi, ist es, alle Schafe in die einzige Herde Christi zu führen, um jene Einheit zu erreichen, um die er den Vater in dem Gebet 421 REISEN beim Letzten Abendmahl bat, und wenn sie einmal unter einem einzigen Hirtenstab vereint wären, dann ihre Gemeinschaft mit Christus und ihre Gemeinschaft untereinander zu bewahren. Die Sorge des Guten Hirten umfaßt alle Menschen und alle Nationen. Auch die Bewohner des Chalco-Tales, dieser ausgedehnten Menschenansammlung, die sich heute als Satellitenstadt an einem Ort erhebt, der vor ein paar Jahrzehnten nur Ödland war. Auch auf euch, Bewohner des Chalco-Tales, von Netzahualcöyotl und der angrenzenden Gebiete, erstreckt sich die Fürsorge des Guten Hirten, seine Sorge um euren christlichen Glauben und um eure ganzheitliche Förderung. In vielen von euch erkenne ich das Antlitz des leidenden Christus: Gesichter von Kindern, die Opfer der Armut sind, von verlassenen Kindern ohne Schule, ohne heile familiäre Umgebung; Gesichter von Jugendlichen ohne Orientierung, weil sie ihren Platz in der Gesellschaft nicht finden, weil sie frustriert sind wegen des Mangels an Möglichkeiten zur Ausbildung und zur Beschäftigung; Gesichter von Arbeitern, die oft schlecht bezahlt sind und Schwierigkeiten haben, sich zu organisieren und ihre Rechte zu verteidigen; Gesichter von Unterbeschäftigten und Arbeitslosen, Entlassenen aufgrund der harten Erfordernisse der Wirtschaftskrise; Gesichter von Müttern und Familienvätern, gekennzeichnet von Sorge, weil ihnen die Mittel fehlen, ihre Kinder zu erhalten und zu erziehen; Gesichter von Randexistenzen der Städte, geschlagen nicht nur vom Mangel an materiellen Gütern, sondern auch von der Herabwürdigung und Vergiftung der Umwelt; Gesichter von hilflosen und vergessenen Alten (vgl. Puebla-Dokument, Nr. 31-39). Über diesem Volk, das die leidenden Züge Christi auf seinem Gesicht trägt, sind die Worte des Guten Hirten zu hören: „Misereor super turbam - ich habe Mitleid mit diesen Menschen“ (Mt 15,32). „Ich habe Mitleid mit diesen vielen Menschen, denn sie sind müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (vgl. Mt 9,36). Die Sorge Christi ist heute die Sorge der Kirche, die Sorge des Papstes und der Bischöfe. Mit anderen Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils wiederholen wir: „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände“ (Gaudium et spes, Nr. 1). Die Bischöfe Lateinamerikas haben vor zehn Jahren in Puebla auf ihrer dritten Generalversammlung über die Gegenwart und die Zukunft der Evangelisierung - der Konferenz von Medellin folgend - die bevorzugte Option für die Armen des Kontinents als Zeichen der Liebe gemäß dem Evangelium erneuert. Heute in der Vorbereitungszeit auf die vierte Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopats in Santo Domingo möchte ich erneut bekräftigen, daß die Zuwendung zu den Armen weiterhin der Kirche am Herzen liegt und, ohne ausschließlich zu sein - denn die Universalität der von Christus angebotenen Erlösung umfaßt alle Menschen ohne Unterschied - das eindeutige Zeichen ihrer Treue zu ihm ist. <326> <326> „Christus Jesus, der reich war, wurde unseretwegen arm, um uns durch seine Armut reich zu machen“ (vgl. 2 Kor 8,9). Der hl. Paulus spricht hier vom Geheimnis der Menschwerdung: Der ewige Sohn Gottes ist die sterbliche Menschennatur anzunehmen gekommen, um den Menschen aus dem Elend zu erretten, in das ihn die Sünde gestürzt hatte (vgl. Libertatis 422 REISEN conscientia, Nr. 66). Seine Armut zeigt uns, worin der wahre Reichtum besteht, den wir in der Lebensgemeinschaft mit Gott und in der Bereitschaft, den Mitmenschen zu dienen und uns ihnen hinzugeben, suchen müssen. Die Armut, die Jesus seliggepriesen hat, ist Loslösung, Gottvertrauen, Genügsamkeit und Bereitschaft, mit den anderen zu teilen, ist Sinn für Gerechtigkeit, Hunger nach dem Reich Gottes und Bereitschaft, das Wort Gottes zu hören und es im Herzen zu bewahren (vgl. ebd.). Etwas ganz anderes ist die Armut, die so viele unserer Brüder und Schwestern auf der Erde bedrückt und ihre ganzheitliche Entfaltung als Personen verhindert. Angesichts dieser Armut, die Mangel und Entbehrung ist, erhebt die Kirche ihre Stimme und ruft nach der Solidarität aller, um sie zu bekämpfen. Ihr Bewohner des Chalco-Tales, großer Teile dieser Diözese Netzahualcoyotl und viele Menschen und Familien der Randzonen von Mexiko-Stadt und anderer Städte des Landes, ihr wißt, was Mangel, was Entbehrung ist. Heute wie gestern will die Kirche unter Ausschluß parteilicher und konfliktbelasteter Optionen Stimme derer sein, die keine Stimme haben; sie will Zeugnis für die Menschenwürde ablegen und ihre Verteidigerin sein. Bei einem Blick in die Geschichte Mexikos müssen wir auch an jene Missionare und Verkünder des Evangeliums der ersten Stunde erinnern, die Vorkämpfer der Förderung und der Verteidigung der Eingeborenen, der Armen waren: Bruder Toribio de Benavente, bekannt als „Motolinla“, der Arme; Bruder Juan de Zumärraga, Bruder Bernardino de Sahagün, Don Vasco de Quiroga, vom Volk „Tata Vasco“ genannt; Bruder Petrus von Gent, Bruder Bartolome de las Casas und viele andere, die ihr Leben der Aussaat des guten Samens des Evangeliums in dieser großen Nation gewidmet haben. Sie waren wie auch die vielen, die ihr Werk diese fünf Jahrhunderte lang fortgesetzt haben, überzeugt, daß „der beste Dienst für den Bruder die Verkündigung des Evangeliums ist, denn sie macht ihn bereit, sich als Kind Gottes zu verwirklichen, sie befreit ihn von den Ungerechtigkeiten und fördert ihn in seiner Ganzheit“ (Puebla-Dokument, Nr. 1145). Mit dieser Hilfe für den bedürftigen Bruder, besonders den allerschwächsten, versucht die Kirche das oberste Gebot des Gesetzes zu erfüllen, nämlich Gott aus ganzem Herzen zu lieben und den Nächsten wie sich selbst (vgl. Mf 22,37-40). Die Kirche praktiziert die Nächstenliebe in vielfältigen Werken der leiblichen und der geistigen Barmherzigkeit, die zugleich ebensoviele Weisen des Dienstes am notleidenden Menschen sind. Aber sie setzt die Erfüllung des Liebesgebotes auch in eine christliche Praxis um, die die christliche Sozialethik ist; sie ist auf dem Evangelium und auf der lebendigen Überlieferung der Kirche begründet und wird durch ihr Lehramt vorgetragen. Die großen Herausforderungen unserer Zeit, wie zum Beispiel die Situation der Bewohner des Chalco-Tales und vieler ähnlicher Gebiete Mexikos und Lateinamerikas, sind ein dringlicher Aufruf, die Soziallehre der Kirche in die Praxis umzusetzen. <327> <327> Da sich das hundertste Gedenkjahr der Enzyklika Rerum novarum Papst Leos XIII. nähert, können wir nicht umhin, ihren Reichtum an Lehre hervorzuheben. Die soziale Frage „gehört von Anfang an zur Unterweisung der Kirche, zu ihrer Auffassung vom Menschen und vom sozialen Zusammenleben und ist im einzelnen ein Teil der Morallehre vom Menschen als Gemeinschaftswesen, wie sie nach den Erfordernissen der verschiedenen Epochen erarbeitet 423 REISEN worden ist“ (Laborem exercens, Nr. 3). Dieser Schatz der Tradition und das Bemühen so vieler Söhne und Töchter der Kirche um die Verwirklichung der sozialen Liebe wurden von der Unterweisung der Päpste übernommen (vgl. ebd.) und sind zu einem Lehrgebäude geworden, das allen, die Verantwortung für die irdischen Angelegenheiten tragen, als sichere Orientierung dienen kann. Ich ermuntere also alle, tiefer in die katholische Soziallehre einzudringen, deren tiefste Quelle die Offenbarung selbst ist. Hört die Soziallehre der Kirche an, macht sie euch lebendig zu eigen, laßt euer Verhalten von ihr bestimmen, werdet zu unermüdlichen Verkündern der Denk- und Handlungsprinzipien, die euch das Lehramt anbietet, und macht ihre Inhalte allen Männern und Frauen Mexikos bekannt. Das Chalco-Tal könnte so zu einem beredten Beispiel dafür werden, was die christliche Tugend der Solidarität bewirken kann, wenn die Soziallehre der Kirche das Bewußtsein, das Herz und das Handeln eines christlichen Volkes durchdrungen hat. Ich fordere weiterhin die Christen und alle Menschen guten Willens in Mexiko auf, ihr solidarisches soziales Gewissen wachzurufen: Wir können nicht ruhig leben und schlafen, solange Tausende unserer Brüder und Schwestern, die uns sehr nahe sind, nicht das Allernotwendigste für ein menschenwürdiges Leben haben. Auch an die Bewohner des Chalco-Tales und von Netzahualcöyotl möchte ich eine väterliche Ermahnung richten: Sie sollen selbst die ersten und hauptsächlichen Urheber ihrer Förderung sein durch die persönliche Arbeit, die Hauswirtschaft und die Erziehung ihrer Kinder. Die aktive Mitwirkung in den Pfarreien und den kirchlichen Gemeinschaften wird reiche Früchte der Nächstenliebe, der Solidarität und des Engagements für die Gerechtigkeit bringen, denn sie ist die Voraussetzung für ein christliches Leben, das sich aus der Eucharistie und dem Hören auf das Wort Gottes nährt. Eure ständige Beziehung zu Gott wird sich auch umsetzen in eine solidere Kenntnis der Wahrheit unseres katholischen Glaubens, und damit könnt ihr den Herausforderungen der Sekten besser begegnen, die euch von der echten Herde des Guten Hirten abspalten möchten. <328> <328> „Meine Seele lechzt nach dir, mein Gott“ (Ps 42,2). In unserer heutigen Liturgie widerhallt dieser Schrei: Durst nach Gott! Es ist ein immerwährender, ein weltumspannender Schrei, den so viele Herzen wiederholen. Es ist ein Schrei, der auch hier heute erschallt inmitten dieser Gemeinschaft des Chalco-Tales und von Netzahualcöyotl. Gewiß gibt es viele menschliche Entbehrungen, die sich im Leben der Großstadt und besonders in dieser Region bemerkbar machen. Trotzdem spürt man über allen diesen Bedürfnissen, über all diesen so oft unerfüllten Wünschen eindringlich den Durst nach Gott, den der heilige Augustinus in diese denkwürdigen Worte gefaßt hat: „Du hast uns für dich geschaffen, Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir“ (Confes. 1,1). Unser Herz, liebe Brüder und Schwestern, hat Durst nach dem lebendigen Gott! Der Gute Hirte kommt dieser Sehnsucht entgegen: Er kennt das Innere des Menschen und hat dessen Streben nach Gott befreit, als er am Kreuz sein Leben für seine Schafe opferte (vgl. Joh 10,11). „Meine Seele lechzt nach dir, mein Gott!“ Wenn der Mensch sich nach dem lebendigen Gott sehnt, kennt nur der Gute Hirte die Tiefe seines Wunsches, denn nur der Sohn kennt den Vater. 424 REISEN Liebe Brüder und Schwestern, ich bete zu Gott, daß die Lehre des Guten Hirten in euren Herzen Wurzeln schlagen und das Leben eurer christlichen Gemeinden durchdringen mögen. Der Gute Hirte führe euch zu all dem, wofür er sein Leben geopfert hat, und führe alle, für die er sein Leben geopfert hat, zu der Fülle, die er selbst für uns will: „Damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Toh 10,10). Der allerseligsten Jungfrau, der heiligen Maria von Guadalupe, empfehle ich die Gemeinschaft des Chalco-Tales und der ganzen Diözese Netzahualcöyotl. Möge sie, die Mutter des Guten Hirten, euch mit besonderer Liebe und Zärtlichkeit begleiten und euch heute die Worte wiederholen, die sie auf dem Hügel von Tepeyac zu dem Indio Juan Diego gesprochen hat: „Mein Sohn Juan Diego, kleinster meiner Söhne, was fürchtest du? Bin ich nicht hier, deine Mutter?“ (Nicän mopohua). Amen. 500 Jahre Evangelisierung Predigt beim Wortgottesdienst am Malecön von Veracruz (Mexiko) am 7. Mai Meine lieben Brüder und Schwestern! 1. Von den Ufern des Golfes von Mexiko aus, der nach den Plänen der Vorsehung der Weg zur Verbreitung des Evangeliums in diesem gesegneten Land werden sollte, grüße ich mit herzlicher Liebe euch alle, die ihr an diesem Nachmittag im Malecön zusammengekommen seid, um Gott für die Evangelisierung Amerikas zu danken. Mit diesem Gruß möchte der Papst, von Freude und Hoffnung erfüllt, in erster Linie seine Mitbrüder im Bischofsamt umarmen, insbesondere den Bischof dieser Diözese Veracruz, den Erzbischof von Jalapa und die Bischöfe der Pastoralregion des Golfes, d. h. der Diözesen Coatzacoalcos, Papantla, San Andres Tuxtla und Tuxpan. Ebenso begrüße ich eure Priester, Missionare, Ordensfrauen und Laien, die mit großmütiger Selbstlosigkeit unermüdlich die Frohbotschaft in die Familien, die Schulen, die Arbeitsstätten und die Orte der Erholung hineintragen. Ich begrüße alle hier anwesenden Gläubigen, die dieser Begegnung so erwartungsvoll entgegengesehen haben, ist sie doch ein Ausdruck des Glaubens und der Liebe, die in ihren Herzen wohnen. Als Bischof von Rom und Nachfolger des hl. Petrus ist es für mich eine große Freude, gemeinsam mit euch dem einen und dreifältigen Gott für die aufopferungsvolle und nimmermüde Arbeit all jener zu danken, die im Lauf der letzten fünf Jahrhunderte eurem Volk das Wort des Evangeliums verkündet haben und es auch heute noch, am Ende des zweiten christlichen Jahrtausends verkünden. „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten“, rufen wir mit dem Propheten Jesaja (52,7) aus. Wir feiern hier in Veracruz mit Freude unseren Glauben und flehen den Herrn an, er möge weiterhin in Mexiko neue Träger der Evangelisierung berufen. Die Evangelisierung, liebe Brüder und Schwestern, ist mit dem Kreuz gezeichnet, mit dem „wahren Kreuz“ (Vera Cruz). In zwei Jahren werden wir ein höchst bedeutsames Ereignis feiern: den 500. Jahrestag der Begegnung zwischen der europäischen Welt und eurem Kontinent, der Neuen Welt. Es war dies eine Begegnung der Rassen und Kulturen, die eurem Land ihr Siegel aufdrückte; seine 425 REISEN Entdeckung und Evangelisierung waren von entscheidender Bedeutung, waren im großen und ganzen lichtvolle Ereignisse, obwohl es dabei nicht an Schatten mangelte. Der eindringliche Blick der Christen erlaubt es uns jedoch, in der Geschichte trotz aller dem menschlichen Wirken gesetzten Grenzen das liebevolle Eingreifen Gottes wahrzunehmen. Im Verlauf der Geschichte entdecken wir tatsächlich ein geheimnisvolles Zusammenströmen von Sünde und Gnade, wobei jedoch letzten Endes die Gnade über die Macht der Sünde triumphiert: „Wo die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden“ (Röm 5,20). 2. Dieser schöne Hafen, der den Namen des „wahren Kreuzes“ trägt, kann für sich die Ehre beanspruchen, die Pforte gewesen zu sein, durch die im Jahr 1523 die ersten Missionare unter der Fahne mit dem Kreuzeszeichen in Mexiko einzogen: es waren drei Franziskaner, darunter Bruder Petrus von Gent, ein Jahr später folgten ihnen weitere zwölf Ordensmänner. In San Juan de Ulüa begann die christliche Geschichte eures Landes, das in seiner Mentalität, seinen Eigenarten und seinen Wurzeln zutiefst und wirksam von der Botschaft Christi geprägt wurde. Sie gab ihm sein Antlitz und trug mehr als alle anderen kulturellen Elemente zu seiner ethnischen und nationalen Identität bei. All das hat dazu geführt, daß Mexiko seine derzeitige Sonderstellung innerhalb der Nationen erlangte. Die damals begonnene Evangelisierung ist immer noch im Gang und diese 500-Jahrfeier muß für alle der geeignete Augenblick sein, um sie neu zu beleben und ihr neuen Impuls zu verleihen. Deshalb werden die Bischöfe ganz Lateinamerikas 1992 in Santo Domingo zusammentreten, um die derzeitige Lage der Kirche in ihren Ländern zu besprechen und, vom Heiligen Geist geführt, die Aufgaben festzulegen, die beim Herannahen des dritten Jahrtausends der christlichen Ära in erster Linie zu erfüllen sind. Christus hat, wie wir soeben im Markusevangelium vernommen haben, seiner Kirche die Verkündigung des Evangeliums an alle Nationen aufgetragen. Als Verantwortung ist sie uns allen auferlegt, die wir uns dank der Gnade Gottes als Christen bezeichnen dürfen. Fünfhundert Jahre nach dem Beginn der Missionstätigkeit in der Neuen Welt sendet uns der auferstandene und zur Rechten des Vaters erhöhte Christus neuerlich aus, damit wir allen Menschen das Evangelium verkünden (vgl. Mt 28,19). Die vom Herrn gewollte und auf das Wirken so vieler Menschen zurückgehende Evangelisierung Amerikas begegnete zahlreichen Hindernissen und auch Schwierigkeiten. Ihre Klärung im Licht der Wahrheit ist noch heute Aufgabe objektiver historischer Studien. Sie wurde jedoch auch mit besonderem Erfolg durchgeführt, wie die großartigen Leistungen beweisen, die für euer Volk im Lauf dieser Jahrhunderte Richtschnur und Stütze waren. Jetzt gilt es, mit immer klarerem Blick, in immer stärkerer Solidarität und immer größerer Treue zum Wort des Herrn sie neu zu beleben und zur Geltung kommen zu lassen. <329> <329> Verschiedene, tief gläubige und menschlich große Persönlichkeiten können als Vorbilder für die neue Evangelisierung dienen, zu der die Kirche in Lateinamerika aufgerufen wurde. Denken wir zum Beispiel an Juan der Zumärraga, den ersten Bischof von Mexiko City, der sich den Titel „Verteidiger der Indios“ erwarb. Er machte sich nicht nur um die Katechese der Eingeborenen, sondern auch um die der Kolonisatoren sehr verdient, die gemeinsam dem euch kennzeichnenden Mischvolk seinen Ursprung gaben. Eine erste hervorragende Frucht 426 REISEN dieser Katechese war der Indio Juan Diego, den ich gestern zu meiner Freude seligsprechen durfte und den der Herr durch seine Mutter dazu erwählte, die Evangelisierung Mexikos zu beginnen. Vasco de Quiroga, der erste Bischof von Michoacän, erfüllte seine Sendung als wahrer Vater der Tarascos, weshalb er liebevoll „Papa Vasco“ genannt wurde. Er setzte sich mit väterlicher Liebe voll und ganz für die Erziehung und Förderung der Gläubigen ein, die der Herr ihm anvertraut hatte. Seine „Hospitäler“ waren viel mehr als dieser Name heute besagt, da sie über Schulen, Werkstätten, Speicher und alle Einrichtungen eines Handwerksund Landwirtschaftszentrums mit Arbeitsgeräten, Behelfen für die Feldarbeit usw. verfügten. Noch heute können wir das kulturelle und christliche Erbe seiner heldenhaften Missions- und Zivilisationsarbeit zum Wohl der Michoacanas bewundern. Bartolome de las Casas, der Bischof von Chiapas, zeigte im Verkünden der Menschenwürde der Eingeborenen und dem Akzeptieren ihrer Auffassungen eine für die damalige Zeit recht ungewöhnliche Haltung. Er nahm die Leiden, Schmerzen und Erniedrigungen der Eingeborenen auf sich und War immer bereit, seine Stimme zur Verteidigung der Rechte der Schwächsten und Bedürftigsten zu erheben, in denen er Christus sah. Drei verschiedene Gestalten, vorbildliche Missionare jeder in seiner Art. Sie verdienen es, zu den hervorragendsten Pionieren auf dem Gebiet der Missionstätigkeit gezählt zu werden. Sie und viele andere ließen die Worte des hl. Paulus in Mexiko Leben annehmen: „Da ich also von niemand abhängig war, habe ich mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen“ (1 Kor 9,19). Das apostolische Wirken so vieler Priester und Ordensmänner muß aber im Rahmen der gesamten Missionstätigkeit der Kirche ins Auge gefaßt werden. Sie hat von Christus den Auftrag empfangen, hinauszugehen und das Evangelium allen Nationen zu verkünden. Deshalb konnten die Bischöfe Lateinamerikas bei der Konferenz von Puebla sagen, daß „das evangelisierende Wirken der Kirche in Lateinamerika das Ergebnis der einträchtigen missionarischen Bemühungen des Volkes Gottes ist“ (Nr. 9). Diese gemeinsame Berufung zur Vorbereitung der Frohbotschaft unter den Menschen ist auch in unseren Tagen lebensnotwendig. <330> <331> <330> Im Lauf dieser fünf Jahrhunderte hat eure christliche Geschichte verschiedene Etappen durchlaufen und heute kann sich die Kirche, die in Mexiko auf der Pilgerschaft ist, mit Recht der Tatsache rühmen, daß sie eine lebendige, aktive und auf die Zukunft ausgerichtete Gemeinschaft ist. Es erfüllt mich mit Freude, zu wissen, daß die mexikanischen Katholiken ein Viertel aller Katholiken Lateinamerikas ausmachen; daß sie eine große Gemeinde von 77 Kirchenbezirken mit einer ausschließlich mexikanischen Hierarchie bilden, die ihre Sendung zusammen mit 11.000 Diözesan- und Ordenspriestem erfüllt und, in das christliche Volk ein-gegliedert, dieses auf dem Pilgerweg des Glaubens führt. Eure Identität ist durch viele konkrete Elemente rassischer, kultureller und religiöser Art gekennzeichnet, die, ineinander verschmolzen, das Antlitz der mexikanischen Nation bilden. Der Herr wollte sich nun dieser Wirklichkeit bedienen, um aus euch „ein auserwähltes Geschlecht“ zu machen, „eine königliche Priesterschaft, einen heiligen Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde“ (vgl. 1 Petr 2,9), mit einem Wort, er hat euch dazu auserwählt, ein christliches Volk zu sein. Ihr seid durch die Taufe der katholischen Kirche einverleibt, die zu einem wesentlichen Bestandteil eurer Identität wurde. Dieser Identität entspringt 427 REISEN nun die folgende Frage: Worin besteht heute eure Sendung als christliches Volk? Die Antwort ergibt sich aus der Tatsache des Getauftseins: Diese Sendung ist ein Ruf Gottes, eine Aufforderung, daß ihr sein Evangelium in der Welt leben und verkünden sollt, ausgehend von eurer Geschichte als Mexikaner mit ihren Licht- und ihren Schattenseiten, aber überzeugt von eurer Aufgabe, vor der Welt Zeugnis für euren Glauben abzulegen. 5. Evangelisieren heißt, die Frohbotschaft verkünden. Und diese Frohe Botschaft, die der Christ der Welt mitteilt, besteht in folgendem: Gott, der einzige Herr, übt Erbarmen gegenüber all seinen Geschöpfen; er liebt den Menschen grenzenlos, und durch seinen Sohn Jesus Christus, der für uns gestorben und auf erstanden ist, um uns von der Sünde und ihren Folgen zu befreien und seines göttlichen Lebens teilhaftig werden zu lassen, hat er persönlich in die Menschheitsgeschichte eingegriffen. Wer ist Gott, dieser einzige Herr? Wir haben in der ersten Lesung die Worte des Propheten Ezechiel vernommen: „So spricht Gott, der Herr: Jetzt will ich meine Schafe selber suchen und mich selber um sie kümmern!“ (34,11). Er ist der Hirte, der auf die Suche nach dem verlorenen Schaf geht, das verletzte pflegt und alle unter seinen Schutz nimmt (vgl. Ez 34,16). So hat er es mit dem auserwählten Volk gehalten, indem er mit ihm einen Bund schloß und eine Heilsgeschichte in Gang setzte, durch die Jahwe Israel führte und befreite (vgl. Instruktion Christliche Freiheit und Befreiung, Nr. 44): Das gleiche lehrt uns der Psalm, den wir gesprochen haben: „Der Herr vollbringt Taten des Heiles, Recht verschafft er allen Bedrängten. Er hat Mose seine Wege kundgetan, den Kindern Israels seine Werke“ (Ps 103,6-7). Deshalb wollte Gott, unser Herr, in seiner unendlichen Liebe diese Frohbotschaft allen Nationen mitteilen und das auserwählte Volk zum Werkzeug für die Verkündigung des verheißenen Heiles machen: „Ich mache dich zum Licht für die Völker, damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht“, heißt es beim Propheten Jesaja (49,6). <332> <332> Dieses Wirken Gottes kommt in Jesus Christus zur Vollendung. Maria empfängt bei der Verkündigung diese Frohbotschaft, um sie den anderen kundzutun, und tatsächlich begibt sie sich, kaum hat sie die Botschaft des Herrn vernommen, in eine Stadt Judäas, um sie ihrer Verwandten Elisabeth mitzuteilen und die Großtaten des Gottes zu preisen, an den sie glaubt: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,46-47). Dieser gleiche Gott, der sich uns im Neuen Testament als der Eine und Dreifältige offenbart, hat sich in der Menschennatur seines im Schoß Marias empfangenen Sohnes Jesus Christus kundgetan. Evangelisieren heißt in erster Linie, Jesus Christus verkünden: sein Leben und seine Lehre, seine Werke und Entscheidungen, seinen Tod und seine Auferstehung für uns. In seiner Lehrtätigkeit und seinem Wirken entdecken wir, was es heißt, daß Gott der einzige Herr ist, stehen doch das gesamte Geheimnis Jesu, seine Lehre, seine Wunder und sein Leben im Dienst des Reiches und der Herrschaft Gottes. Er verkündete das Evangelium den Armen; denen, die keine Hoffnung hatten, den Unbedeutenden, die nichts zu sagen hatten, den Ausgesetzten, den Sündern, den damals als umein betrachteten Aussätzigen, den Gelähmten und Blinden und ganz allgemein allen, die der Befreiung von irgendeinem Übel bedurften. „Er hat unsere Leiden auf sich genommen und unsere Krankheiten getragen“ (Mt 8,17). 428 REISEN 7. Schon der Psalmist des Alten Testamentes rief Gott an: „Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde“ (Ps 104,30). Dieses Gehet findet seine eigentliche Erfüllung am Pfingsttag, in dem Augenblick, in dem die Apostel, vom Heiligen Geist gedrängt, ihre missionarische Sendung zu verwirklichen beginnen. Das gleiche Gebet begleitet die Kirche bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, nämlich der Evangelisierung der Welt. Auch wir müssen, vom gleichen Geist geführt, weiterhin die Pflicht erfüllen, die uns als Kirche, als Volk Gottes obliegt. Im mystischen Leib Christi, der seine Kirche ist, haben wir alle einen Auftrag zu erfüllen, wie es uns der hl. Paulus lehrt: jeder dem Charisma entsprechend, das er empfangen hat (vgl. 1 Kor 12). Wir müssen der Welt verkünden, daß nur Gott der Herr ist. So sagten die Bischöfe anläßlich ihrer Konferenz in Puebla, die ich selbst bei meinem ersten Besuch in diesem geliebten Land vor elf Jahren eröffnen durfte: „Nichts außer Gott ist göttlich und anbetungswürdig. Wenn der Mensch den Reichtum, die Macht, den Staat, das Geschlecht, das Vergnügen oder irgendein anderes Geschöpf Gottes - einschließlich seiner selbst oder des menschlichen Verstandes - vergöttlicht oder verabsolutiert, dann verfällt er der Sklaverei. Gott selbst ist die Quelle der radikalen Befreiung von allen Formen des Götzendienstes, denn die Anbetung des Nicht-Anbetungswürdigen und die Absolutsetzung des Relativen führen zur Verletzung des innersten Wesens der menschlichen Person, nämlich seiner Beziehung zu Gott und seiner persönlichen Verwirklichung. Dies ist das wahrhaft befreiende Wort: ,Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen’“(Puebla, Nr. 491). 8. Das vorzüglichste Mittel zur Verkündigung dieser Botschaft, liebe Brüder und Schwestern, ist das Zeugnis des Lebens gläubiger Männer und Frauen, die offen ihren Glauben bekennen, indem sie Christus nachfolgen. Deshalb sagte mein Vorgänger Paul VI. im Apostolischen Schreiben über die Evangelisierung: „Der zeitgenössische Mensch hört lieber auf die Zeugen als auf die Lehrer; oder, wenn er auf die Lehrer hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 42). Wir wollen daher der Welt kraftvoll verkünden, daß Christus für uns gestorben und auferstanden ist und daß wir - wie der hl. Paulus schreibt - durch die Taufe an seinem Tod und seiner Auferstehung teilhaben (vgl. Rom 6,3-4). Unsere Taufe und die Tatsache, daß wir Kinder des gleichen Vaters sind, müssen uns veranlassen, in jedem Menschen einen Bruder zu sehen. Deshalb fordert Jesus Christus als Bedingung für die Teilnahme an seinem Heil, den Hungernden zu essen und den Dürstenden zu trinken zu geben, die Nackten zu bekleiden und die Trauernden zu trösten, denn „was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). 9. Die christlichen Grundsätze, die ihr von euren Vorfahren empfangen habt, müssen schließlich alle menschlichen Beziehungen durchdringen. Die Werte des Evangeliums müssen die Richtlinien für das mitmenschliche Zusammenleben sein: in Politik, Kultur und Erziehung; im familiären Leben und in den beruflichen Beziehungen; dabei darf das Reich Gottes nicht auf irdische Amgelegenheiten beschränkt oder mit ihnen verwechselt werden, da diese nur ein Teil, nur Werkzeuge dieses Reiches sind. So sagten die Bischöfe in Puebla: „Das Reich Gottes bedient sich der historischen Verwirklichungen, ohne sich jedoch in ihnen zu erschöpfen oder sich mit ihnen zu identifizieren“ (Nr. 193). 429 REISEN Schließlich muß der Verkündigung der Frohbotschaft eine solide Katechese auf allen Ebenen folgen, insbesondere in der Familie und im Milieu der Jugendlichen. Die Einladung, zu glauben, muß von der entsprechenden Unterweisung über das begleitet werden, was uns der Herr durch seine Kirche lehren wollte. Es wäre ein Irrtum, die Katechese der Evangelisierung voranzuschicken, doch wäre es ebenso irrig, zu evangelisieren, ohne hernach den entsprechenden Unterricht über den empfangenen Glauben zu erteilen. Die christliche Bildung und Ausbildung durch die Katechese führt zu einer aktiveren Teilnahme am liturgischen und sakramentalen Leben der Kirche. Darin und in den Übungen der Volksfrömmigkeit findet das einfache Volk Motivierungen für seinen Glauben, und die ent-christlichten Milieus werden für eine Begegnung mit dem Herrn empfänglicher. Gleichzeitig wird der Proselytismus der Sekten mit seiner Zwielichtigkeit und der Verwirrung, die er stiftet, eingedämmt. Liebe Brüder und Schwestern, die Mutter unseres Herrn Jesus Christus und unsere Mutter, die ihr in Guadalupe verehrt, empfing als erste Frau das Evangelium, um es den anderen mitzuteilen. Ich bitte sie, daß sie der Morgenstern sei, der euch bei der treuen Erfüllung der euch vom Herrn anvertrauten Sendung leitet. Die beste Erziehungsmethode ist die Liebe Grußwort an die Bevölkerung und die Lehrer Mexikos in Aguascalientes am 8. Mai Herr Diözesanbischof Rafael Munoz Nunez, Herr Altbischof Salvador Quezada Limön, liebe priesterliche Mitbrüder, Ordensleute und Gläubige der Diözese Aguascalientes! 1. Es ist mir eine besondere Freude, heute hier mit euch zusammenzutreffen. Eure Anwesenheit, eure Begrüßung und eure Herzlichkeit bestätigen den Ruf, den ihr als besonders aufnahmebereites und gastfreundliches Volk genießt. Es sind dies die charakteristischen Merkmale eures Geistes, den ihr allen hier Anwesenden mitzuteilen verstanden habt, auch denen, die anderen Teilen des Landes entstammen und in das Leben eurer Region eingegliedert wurden. Es wäre mein Wunsch gewesen, länger in eurer Mitte weilen zu können, um eingehender den Glauben und die Liebe zu erfahren, die uns einen. Der Papst wollte in Erfüllung seiner Sendung hierher zu euch kommen. Er hat von Christus den Auftrag empfangen, seine Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32). Deshalb fordere ich euch auf, aus allen Kräften den katholischen Glauben zu lieben und zu verkünden, der uns, in der Liebe gefestigt, mit Jesus Christus, dem Sohn des lebendigen Gottes vereint. Eure Liebe zur Gottesmutter - die ihr als Unsere Liebe Frau von der Himmelfahrt anruft - wird euch helfen, Jesus Christus noch mehr zu lieben, führt doch die Mutter notwendigerweise zum Sohn. <333> <334> <333> Das Wort Christi bewahren ist eine Aufgabe, welche die Weitergabe des Glaubens ein- schließt. Jeder Christ muß den Glauben weitergeben (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 62ff.), doch fällt diese Aufgabe in erster Linie den Eltern ihren Kindern gegenüber zu (vgl. Familiaris con-sortio, Nr. 52), sowie allen, die Erziehungsaufgaben erfüllen (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 69). 430 REISEN Deshalb wird meine Freude über das Beisammensein mit euch durch die Tatsache vermehrt, daß mir eine große Anzahl von Lehrern zuhört. Ich wende mich also ganz besonders an sie. In unseren Tagen bilden sich Kontakte neuer Art zwischen der Kirche und der bürgerlichen Gemeinschaft dieses Landes, und in dieser neuen Phase des besseren Verstehens und des Dialogs möchte die Kirche, ohne die Grenzen ihrer spezifischen Zielsetzung und Kompetenz zu überschreiten, den ihr zustehenden Beitrag leisten. Es ist eine Tatsache, daß Kultur und Bildung in Mexiko sich derzeit weiteren Horizonten öffnen. Im Kontext der internationalen Gemeinschaft beginnt ein neuer Abschnitt der Geschichte, und seine Rückwirkungen werden sich auch hier in nicht zu ferner Zukunft bemerkbar machen. Wie könnt ihr dazu beitragen, den neuen Herausforderungen zu begegnen, denen die mexikanische Gesellschaft gegenüberstehen wird? 3. Die Frage der Erziehung, für die alle verantwortlich sind, lenkt mehr und mehr die Aufmerksamkeit der öffentlichen Meinung auf sich und erweckt in den verschiedenen Milieus mit politischer Verantwortung neues Interesse. Deshalb ist es erforderlich, daß die verschiedenen zuständigen Stellen der Nation alle Initiativen fördern, die einer allmählichen Erhöhung des Bildungsniveaus dienen. Es ist verständlich, daß bisher die Tendenz vorherrschte, allen einen bestimmten Grad von Grundausbildung zu gewährleisten. Die Aussichten jedoch, die sich jetzt abzeichnen, lassen es zweifellos notwendig erscheinen, den Kindern und Jugendlichen eine qualitativ wesentlich höhere Ausbildung angedeihen zu lassen. In einer freien Gesellschaft kann dieses Ziel jedoch nur dank des beruflichen Verantwortungsbewußtseins, des Eifers und der angemessenen Bezahlung jener erreicht werden, die sich aufrichtig dafür einsetzen. Darüber hinaus ergibt sich die Notwendigkeit, die Urteilsfähigkeit der Jugendlichen zu entwickeln, sie zur Tugendhaftigkeit und Hochherzigkeit zu erziehen und die Eltern an der Erziehung ihrer Kinder teilnehmen zu lassen. Liebe Lehrer, als berufliche Erzieher und als Söhne und Töchter der katholischen Kirche wißt ihr, daß das Erreichen hochgespannter Ziele nicht nur von pädagogischen Systemen abhängt. Die beste Erziehungsmethode ist die Liebe zu euren Schülern, gepaart mit eurer moralischen Autorität und mit den Werten, die ihr verkörpert. Ihr wißt, daß ihr euren Schülern nicht ein enttäuschendes Bild eures Landes vermitteln dürft, sondern sie vielmehr lehren müßt, es zu lieben und in sich jene staatsbürgerlichen Tugenden zu entwickeln, die zur Solidarität und zum berechtigten Stolz auf Geschichte und Kultur des Landes erziehen. <335> <335> Ehe ich schließe, möchte ich hier vor euch eine Überzeugung und eine Hoffnung aussprechen. Die Überzeugung ist, daß die Kirche mit festem Vertrauen auf die mexikanische Kultur sowie auf die übrigen Kulturen Lateinamerikas blickt. Die diesem Kontinent innewohnenden menschlichen und christlichen Werte sind aufgerufen, dieses zivilisatorische Potential, das noch nicht völlig zum Ausdruck gekommen ist, freizulegen. Deshalb fühlt sich die Kirche aufgrund ihrer Berufung zum Dienst am Menschen verpflichtet, diese Identität aufzuwerten und zu stärken. 431 REISEN Die Hoffnung ist, das Vorurteil, die Kirche hemme Kultur und Wissenschaft, möge endgültig verschwinden. Die Tatsachen haben diese Beschuldigungen widerlegt. Es genügt in diesem Zusammenhang, an die jahrhundertelange Erziehertätigkeit der religiösen und kirchlichen Institutionen zu erinnern, die sich von der ersten Evangelisierung bis in unsere Tage erstreckt. Die Aufforderung jedoch, die ich heute an euch, die katholischen Lehrer richte, lautet: Öffnet die Schulen für Christus! Zeigt mit Festigkeit und Geduld, daß wir in Christus voll und ganz allen echten menschlichen Werten begegnen und daß in ihm der Sinn der Geschichte liegt, die auf dem Weg zur persönlichen und gemeinsamen Einheit aller mit dem einen und dreifältigen Gott ist. 5. Zuletzt möchte ich nun unsere Mutter, die Jungfrau Maria anrufen. Bei meinem ersten Pastoralbesuch in Mexiko wandte ich mich im Heiligtum von Guadalupe mit den folgenden Worten an sie: „Heilige Jungfrau Maria, Mutter der schönen Liebe, beschütze unsere Familien, damit sie stets vereint seien, und segne die Erziehung unserer Kinder“ (Gebet zur Madonna von Guadalupe, 27. Jan. 1979). An sie wende ich mich jetzt und rufe auf euch, liebe Gläubige von Aguascalientes, ihren Schutz herab. Ganz besonders bete ich für eure Kinder und für alle Jugendlichen, die „die Hoffnung der Kirche“ (Gravissimum educationis, Nr. 2) und des Kontinents der Hoffnung sind. Als Unterpfand reicher göttlicher Gnaden erteile ich euch allen aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Mit Liebe umsorgt uns Maria Regina Caeli in San Juan de los Lagos (Mexiko) am 8. Mai 1. „Freue dich, Himmelskönigin, alleluja!“ Mit diesem Jubelruf wendet sich die Kirche während der ganzen Osterzeit, in der wir die Gegenwart des auferstandenen Herrn und die Ausgießung des Heiligen Geistes an Pfingsten feiern, an die Jungfrau Maria. Freue dich! Wir wiederholen diesen Ruf an die Jungfrau und Mutter mit dem Nachhall der Worte des Erzengels Gabriel bei der Verkündigung, als die Jungfrau von Nazaret die Botschaft empfing, daß sie auserwählt worden war, die Mutter des Erlösers zu sein. „Freue dich, Himmelskönigin, alleluja!“ Die ganze Kirche nimmt teil an der Freude der Jungfrau Maria über die Auferstehung ihres Sohnes, nachdem sie sie vom Schmerz durchdrangen zu Füßen des Kreuzes und voller Hoffnung im Morgengrauen der Auferstehung gesehen hat. Die Überlieferung der Kirche bringt das Geheimnis der Geburt Jesu von Maria, der Jungfrau, in eine gedankliche Verbindung mit seiner glorreichen Auferstehung. Unversehrt blieb die Jungfrau und Mutter bei der Geburt des Gottessohnes. Unversehrt blieb das Grab, als er im Triumph auferstand, Christus, der Herr. Die Auferstehung des Herrn ist die Freude der Mutter und der ganzen Kirche. 432 REISEN Ja, freue dich, Jungfrau Maria, denn der Herr, den du in deinem Schoß zu tragen würdig warst, ist auferstanden, wie er gesagt hat. Und du hast dieses Wort in Liebe und Glauben bis zum „dritten Tag“ bewahrt. 2. Ich wollte bei diesem meinem zweiten Pastoralbesuch in Mexiko zur Wallfahrtsstätte Unserer Lieben Frau von San Juan de los Lagos pilgern, um die Jungfrau Maria zu verehren, die hier wie in Guadalupe die Anfänge der Verkündigung des Evangeliums auf mexikanischem Boden begleitet hat. Die Inbrunst der Pilger, die vor allem aus dem Bundesstaat Jalisco in Scharen zu ihr kommen, ist ein Beweis für die kindliche Liebe aller zur Jungfrau, deren Gnadenbild hier seit dem 16. Jahrhundert verehrt wird; diese kindliche Liebe hat aus dem Heiligtum von San Juan de los Lagos eines der bedeutendsten Zentren der Marienverehrung im ganzen Land gemacht. Das Gnadenbild Unserer Lieben Frau von San Juan de los Lagos besitzt den Zauber der einfachen Dinge, des Bescheidenen, wie es auch das Leben der Jungfrau von Nazaret war. Das Bild ist von den Handwerkern dieser Gegenden aus schlichtem Material angefertigt, aber mit ungeheurer Liebe gestaltet worden und ist eine Frucht lichtvollen Glaubens. Zuweilen läßt es das Mysterium der Größe der Jungfrau selbst aufscheinen, in der Gott Wunder gewirkt hat — von ihrer Unbefleckten Empfängnis bis hin zu ihrer glorreichen Aufnahme in den Himmel. Wir stehen vor einem Bild, das wir „wiederauferstanden“ nennen könnten, denn es wurde einer Zeit der Vergessenheit entrissen und zur Freude und zum Trost der Söhne und Töchter dieser Gegenden restauriert. Gleichzeitig ist es gleichsam ein „Auferweckungs“-Bild, denn seiner wunderbaren Kraft schreibt die Überlieferung das Wunder zu, ein einfaches Mädchen ins Leben zurückgerufen zu haben. Maria, die Mutter des Auferstandenen, ist die Mutter des Lebens. Aus ihrem Schoß erblühte Jesus, der das „Leben der Welt“ ist, und unter ihrer anteilnehmenden mütterlichen Fürsprache werden die Kinder Gottes geboren und wachsen heran - vom Taufwasser bis zum Eintritt in das Leben ohne Ende, das die Herrlichkeit des Himmels ist. Mit wieviel Liebe umsorgt die Jungfrau das Leben aller ihrer Kinder! Das natürliche Leben und das übernatürliche Leben stehen unter ihrem mütterlichen Schutz und Schirm. Deswegen kümmert sie sich auch darum, uns den Quellen des Lebens selbst, der Gnade der Sakramente, näher zu bringen; letztlich bringt sie uns damit dem auferstandenen Jesus näher, der gekommen ist, um uns das Leben in Überfülle zu geben und uns zu Teilhabern seiner glorreichen Auferstehung zu machen. <336> <336> „Freue dich, Himmelskönigin, alleluja!“ Zusammen mit allen Söhnen und Töchtern dieser Diözese San Juan de los Lagos mit ihrem Oberhirten an der Spitze rufen wir dir an diesem Marienwallfahrtsort, der auch Haus und Herd dieser Ortskirche ist, zu: Freue dich, Jungfrau Maria, denn Christus, dein Sohn, ist auferstanden! Makellose Jungfrau, Mutter des Lebens, wir bitten dich: Beschütze alle deine Kinder dieser Ortskirche San Juan de los Lagos und in ganz Mexiko, die mit kindlicher Hingabe deine Fürsprache beim auferstandenen Herrn erflehen, dem Erstling unserer Auferstehung und der Hoffnung unserer künftigen Herrlichkeit. 433 REISEN Junge Leute - verliert nicht die Hoffnung! Predigt bei der Messe für die Jugendlichen in San Juan de los Lagos (Mexiko) am 8. Mai Liebe Jugend! 1. Für mich ist einer der am meisten ersehnten Momente meiner Reise nach Mexiko gekommen: die Begegnung mit euch, den Jugendlichen. Ich habe von der Vorfreude erfahren, mit der ihr bei der Vorbereitung dieser Eucharistiefeier euer Bestes gegeben habt, und wie ihr daran gegangen seid, in euren Gruppen, Pfarreien und Diözesen das zu überdenken und in die Praxis umzusetzen, was ihr „prophetische Aktionen“ genannt habt. Ich habe mich gefreut, in den Antworten, die ihr auf einige vorbereitende Umfragen gegeben habt, eure Wünsche zu sehen, vor allem, daß der Papst als Freund kommen möge. Ja, liebe Jugendliche, Jungen und Mädchen Mexikos, ich fühle mich als euer Freund, denn Christus ist euer Freund. Der Papst fühlt sich euch nahe und trägt euch in seinem Herzen, weil er eure Liebe und Zuneigung spürt, vor allem aber, weil ihr mit eurer Lust zu leben und zu kämpfen der Kirche Christi und der gegenwärtigen Gesellschaft lichtvolle Horizonte öffnet. Ihr tragt in euren Händen als zerbrechlichen Schatz die Hoffnung auf die Zukunft. Der Herr setzt sein Vertrauen in die neue Kraft, die in jedem jungen Menschen als verheißungsvolles Leben pulsiert. Auch deswegen vertraut er euch die anspruchsvolle Verantwortung an, Baumeister einer neuen Zivilisation zu sein, einer Zivilisation der Solidarität und der Liebe unter den Menschen. <337> <338> <337> Der Psalm, den wir in dieser Eucharistiefeier gesungen haben, hilft uns, den echten Wert zu entdecken, den wir in den Augen Gottes haben. Der Psalmist, der in der Stille der Nacht meditiert und gleichsam unser eigenes Gefühl interpretiert, ist niedergeschmettert von der Tiefe des Schweigens und der Schönheit des gestirnten Himmels. In seinem Inneren bricht dieser Gedanke auf: Es gibt kein größeres Schauspiel als die Spur der Schönheit und der Güte des Schöpfers! Er bewundert die Glorie, die Schönheit und die Allmacht Gottes, doch auf einmal fühlt er sich beschämt als unbedeutendes, kleines Geschöpf und ruft aus: „Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst?“ (Ps 8,5). Der Psalmist beginnt die unverdiente Liebe Gottes zu spüren; er hat verstanden, daß nicht das Firmament Gegenstand der Vorliebe Gottes ist, sondern der Mensch in seiner Kleinheit. Jeder von euch, meine jungen Freunde, ist ein Liebling Gottes in seiner Schöpfung. Deswegen seid ihr von Gott befähigt worden, über die Erde seinen Ruhm, seine Liebe, seine Gerechtigkeit, sein Leben und seine Wahrheit auszugießen. „Was ist des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst?“ (Ps 8,5). Es hat Gott gefallen, uns mit seiner eigenen Würde und seinem eigenen Ruhm zu bekleiden und zu krönen. Doch sein Ruhm, der auch der Ruhm des Sohnes ist - „Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht“ (Joh 17,1) - besteht darin, daß ihr das Leben bis zum Äußersten hingebt, daß ihr es versteht, die Gaben, die er euch geschenkt hat, mit den anderen zu teilen, um sein Reich in der Welt gegenwärtig zu machen. 434 REISEN Jugendliche von Mexiko, zerstört nicht eure Qualitäten und eure Werte, indem ihr sie in den Dienst der Mächte des Bösen stellt, die in der Welt existieren. Werdet ihr euch von diesen Mächten hereinlegen lassen, die euch zu Hampelmännern und leicht manipulierbaren Instrumenten im Dienst an einer unsolidarischen Gesellschaft ohne Horizonte machen lassen? Werdet ihr der Versuchung verfallen, das kostbare Geschenk eures Lebens an die Macht der zerstörbaren und mörderischen Droge, des blendenden Hedonismus oder an die irrationale Übermacht der Gewalt zu verkaufen? 3. Der Papst weiß, daß die Kraft des auferstandenen Christus, der Schwung und die Fülle seines lebendigmachenden Geistes in den Herzen der jungen Mexikaner, der Protagonisten des schon vor der Türe stehenden dritten Jahrtausends, nicht einfach verfliegen. Mit Christus seid ihr stark. Deswegen könnt ihr immer mit dem hl. Paulus sagen: „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt“ (Phil 4,13). Wenn ihr die Fundamente eures Glaubens auf den Felsen legt, der Christus ist, wird euch keine Versuchung dieser Welt von dem Weg abbringen, den euch der Herr weist. Er ist unser Eckstein (vgl. 1 Petr 2,4-9). In ihm ist für alle die Grundlage für diesen neuen Lebensstil verankert, der uns zur Fülle bringt und wachsen läßt in der hingebungsvollen Liebe zu den Menschen für den Aufbau eines neuen Himmels und einer neuen Erde (vgl. 2 Petr 3,13). Doch ihr, Jugendliche Mexikos, wißt sehr gut, daß viele eurer Altersgenossen in dieser Welt von der Hoffnungslosigkeit verwundet sind. Der Stachel der Enttäuschung hat sich in ihnen festgesetzt. Sie glauben, daß nichts und niemand das von Schmerzen und Leid geprägte Gesicht der Welt, in der wir leben, verändern kann. Sie denken, daß der Lauf der Ereignisse der Geschichte wie ein Schiff ist, dessen einziges Steuer die Macht des Geldes und die politischen Interessen einiger weniger in Händen haben. Sie lassen sich hängen und sich mitschleppen von dem, was man heute die Krise der Utopien nennt. Der Schatten des Überdrusses, der Leere und der Enttäuschung hat seine Spuren in junge Leben eingegraben, die eigentlich voller Begeisterung und Zukunftsverheißung sein sollten. Und ihr fragt euch: Wie ist es möglich, daß viele unserer jungen Kameraden und Freunde des Lebens müde und überdrüssig sind, noch bevor sie angefangen haben es zu leben? Wie soll man verstehen, daß sie gleichsam schon von der Reise zurück sind, noch bevor sie irgendwo angekommen wären? Die Welt von heute braucht die Jugend nicht nur als soziologische Realität, sondern sie braucht die Jugend des Geistes Christi, der in euch wohnt. Man muß die reine Stimme der Jugendlichen hören, die erlebt haben, wie das Feuer der Liebe Christi in ihren Herzen brennt. Jugendliche, helft euren Freunden, aus dem Kerker der Gleichgültigkeit und der Hoffnungslosigkeit auszubrechen! Christus ruft euch auf, in anderen Jugendlichen die Begeisterung für das Leben zu wecken! <339> <339> In dieser österlichen Zeit, über der der Glanz des auferstandenen Christus liegt, erinnert uns die Kirche an das Ereignis von Emmaus. Die Nacht und die Dunkelheit des Todes hatten die Gestalt des Meisters in den Augen der Jünger verdunkelt, und sie begannen sich in einem beängstigenden Gefühl des Schreckens und des Mißerfolges zu verlieren. Der Auferstandene hatte sich den Seinen noch nicht geoffenbart, während wir zweien von ihnen - warum nicht Jugendlichen? - auf dem Weg nach Emmaus folgen. Der Weg nach Emmaus ist der Weg der Ernüchterung, der Enttäuschung, der Leere. 435 REISEN Unzählige sind es heute, die den Weg nach Emmaus gehen. Emmaus, das ist heute das Vergnügen, das Vergessen, der Hedonismus, die Diskothek, die Droge, die Gleichgültigkeit, der Pessimismus, die künstlichen Paradiese, in die sich so viele flüchten. „Wir aber hatten gehofft ...“ (Lk 24,21), daß eine gerechtere Welt kommen würde; daß sich die echte Demokratie in ein Bollwerk der Menschenrechte verwandeln würde; daß die wirtschaftliche Entwicklung nicht auf Kosten der Kleinsten und Schwächsten ginge; daß der technische und wissenschaftliche Fortschritt uns glücklicher machen würde. Wir haben so vieles gehofft, aber alles geht unverändert weiter. Deswegen schließen wir uns lieber in unserer eigenen Welt ein, wenden uns von den Mitmenschen ab, und jeder sehe zu, wie er selbst zurechtkommt. Aber Jesus Christus, der Auferstandene, fügt es so, daß er diesen jungen Menschen begegnet, um in ihr Inneres Worte zu legen, die die Begeisterung wieder wecken und die Angst besiegen. Sowie der Meister sprach, entzündete sich die Hoffnung in den Jüngern von Emmaus, und ein unwiderstehliches Feuer revolutionierte ihre Herzen. Junge Leute, verliert nicht die Hoffnung, seid Pilger der Hoffnung, wie das Motto dieser Begegnung sagt. Denn diese Hoffnung hat ihr Fundament im Sieg Jesu Christi über die Sünde und den Tod. Laßt zu, daß euer Herz sich berauscht an dem Leben, das Jesus uns anbietet; in ihm liegt eure wahre Jugend. Er lehrt uns, zu einem neuen Leben wiedergeboren zu werden: „Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen“ (Joh 3,5), sagt er zu Nikodemus. Christus ist der Herr des Lebens und ist gekommen, „damit wir das Leben in Fülle haben“ (vgl. Joh 10,10). <340> <341> <340> Vorbild des Vertrauens und der Aufgeschlossenheit für die Lebensverheißung des Auferstandenen ist uns die im Abendmahlssaal mit Maria, der Mutter Jesu, versammelte Gemeinschaft der Apostel. „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14), wie wir in der ersten Lesung unserer Eucharistiefeier gehört haben. Maria war bei jenen entscheidenden Augenblicken der Heilsgeschichte dabei und bereitete sich auf eine neue und endgültige Geburt vor: das Kommen des Heiligen Geistes. Am Pfing-sttag wird die Kirche geboren, der Leib Christi, und in ihm haben wir, seine Glieder, Maria als Mutter. Die tiefe Bedeutung dieser spirituellen Mutterschaft der Jungfrau besteht darin, daß sie auch in unserem Leben gegenwärtig ist, wenn wir das Licht Christi in die Realitäten, die uns umgeben, und zu den Brüdern und Schwestern tragen wollen, die auf unsere Hilfe warten. Wenn ihr die Augen aufmacht und eure Umgebung betrachtet, werdet ihr viel Dunkelheit, viel Schmerz und Leid unter euren mexikanischen Brüdern und Schwestern erkennen. Wie ich weiß, ließ die Auswertung eurer Analysen zur Vorbereitung dieser Begegnung euch entdecken, daß es in eurem Volk unzählige Probleme gibt: den Hunger und die Unterernährung, das Analphabetentum, die Arbeitslosigkeit, die Auflösung der Familie, die soziale Ungerechtigkeit, die politische und wirtschaftliche Korruption, die Unterbezahlung, die Konzentration des Reichtums in den Händen weniger, die Inflation und die Wirtschaftskrise, die Macht des Rauschgifthandels, der die Gesundheit und das Leben der Menschen ernstlich bedroht, die Schutzlosigkeit der illegalen Emigranten ohne gültige Papiere, die man mit 436 REISEN einem traurigen Wort die „verschwitzten Rücken“ nennt, und schließlich die fortgesetzten Angriffe auf die heiligsten Werte des Lebens, der Familie und der Freiheit. Könnt ihr angesichts dieses Panoramas von Schmerz und Leid noch gleichgültig bleiben, junge Mexikaner? 6. In dieser entscheidenden geschichtlichen Stunde seid ihr, liebe Freunde und Freundinnen, aufgerufen, Protagonisten der Neu-Evangelisierung zu sein, um in Christus eine gerechte, freie und versöhnte Gesellschaft aufzubauen. Die Menschen von heute sind der inhaltlosen Worte und Reden, die nie erfüllt werden, müde. Die Welt sträubt sich dagegen, Worten zu glauben, die nicht vom Zeugnis des Lebens belegt sind. Ihr werdet echte Zeugen sein, wenn euer Leben sich in eine Anfrage an diejenigen verwandelt, die euch umgeben: Warum tritt dieser junge Mensch so auf? Warum ist er so glücklich? Warum schreitet er mit so viel Sicherheit und Freiheit voran? Wenn ihr so lebt, werdet ihr die anderen zwingen zu bekennen, daß Christus lebendig und gegenwärtig ist. Ihr werdet Zeugnis und Beweis dafür sein, daß es die tiefsten Erwartungen des Herzens erfüllt, wenn man Christus als Weg, Wahrheit und Leben akzeptiert (vgl. Joh 14,6). Liebe Jugendliche, fühlt euch als Gesandte mit der drängenden Aufgabe, das Evangelium denen zu verkünden, die euch umgeben. Christus kennt eure Schwäche und eure Grenzen, aber gleichzeitig sagt er zu euch: Nur Mut! Habt keine Angst! „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Und mehr noch, liebe junge Menschen - Christus hat uns in der heiligsten und feierlichsten Stunde seines Lebens das kostbarste Geschenk gemacht. Es war sein letzter Wille, sein liebster Schatz: Maria, seine Mutter. Das waren seine Worte, die wir vor einigen Augenblicken gehört haben. Es ist das „Testament des Kreuzes“: „Als Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebte, sagte er zu seiner Mutter: Frau, siehe dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,26-27). Mit dieser Beauftragung übergab Jesus der ganzen Menschheit in der Person des Lieblings-jüngers Johannes Maria als Mutter. Jesus Christus macht damit alle Erlösten zu Kindern Marias. Von diesem Augenblick an ist niemand mehr auf Erden allein und verlassen auf seiner Lebensreise. Junge Leute, Maria geht mit euch! Auch sie sagt uns immer wieder zusammen mit ihrem Sohn: „Habt keine Angst, ich bin bei euch bis zum Ende der Zeiten.“ Christus hat uns das größte Geschenk gemacht: weiterhin unter uns gegenwärtig zu sein durch die Fürsorge und den mütterlichen Schutz Marias von Nazaret. <342> <342> Junge Menschen, die ihr mir zuhört: wißt, daß in den Augenblicken, in denen euch der Zweifel, die Mühsal, die Trostlosigkeit überfallen, die Jungfrau Maria Trost und Frieden für euch ist. Maria bittet euch um euer Ja. Sie bittet euch um radikale Hingabe an Christus. Sie bittet euch, daß ihr es wagt, ihr zu folgen, indem ihr euer Leben in die Hände Gottes legt, damit er euch zu Werkzeugen für eine bessere Welt macht als die, in der wir leben. Maria erwartet von euch, daß ihr großmütig dem Ruf ihres Sohnes folgt, wenn er euch um das alles bittet. Habt keine Angst, wenn der Herr eine Berufung zur besonderen Hingabe an euch richtet. Gewiß, Christus bittet um euer ganzes Leben, um eine radikale und grenzenlose Hingabe. Ich erflehe von Maria, unserer Mutter vom Tepeyac-Hügel, daß sie in euch alle jungen Menschen von Mexiko segne und begleite. 437 REISEN Der Heilige Stuhl, ein entschlossener Mitarbeiter zur besseren Verständigung der Völker Ansprache an das Diplomatische Korps in Mexiko-Stadt am 8. Mai Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Vor allem möchte ich meinen Dank für diese wirklich besondere Gelegenheit zum Ausdruck bringen, mich an die würdigen Vertreter so vieler Länder und internationalen Organisationen wenden zu können, die bei dieser edlen Nation akkreditiert sind. Allen sage ich meinen herzlichen Gruß, den ich auch auf die Regierangen und die Völker ausdehne, die hier zu vertreten Sie die Ehre haben. Es ist dies eine glückliche Gelegenheit, um wieder einmal die Hochschätzung des Hl. Stuhls für Ihre diplomatische Funktion zu bekunden, der Sie Ihr Leben widmen: dieses Bündel von Erwartungen und Bemühungen, das häufig nicht frei von teuren Opfern für Sie selbst wie auch für Ihre Familien ist. Mein Respekt und meine Bewunderung vereinen sich anderseits mit denen vieler Männer und Frauen aus allen fünf Kontinenten, die inmitten schwieriger Umstände ihre Hoffnungen auf eine Intervention von Ihrer Seite setzen; sie soll ihnen die Hilfe oder den Schutz verschaffen, die sie brauchen. In der Tat repräsentiert der Diplomat bei nicht wenigen Gelegenheiten nicht nur die legitimen politischen und wirtschaftlichen Interessen seines Landes, sondern er macht auch, getragen von seiner Berufung zum Dienst, die Lösung von Problemen möglich, die für das Leben vieler Menschen eine Menge bedeuten können. Zudem spielt sich Ihre Arbeit auf jenem höheren Niveau ab, auf dem auch die internationale Ordnung beruht: dort, wo die Erwartungen und die Hoffnungen von Millionen menschlicher Wesen behandelt und die echten Bedingungen für den Frieden bestimmt werden. Wahrhaftig, die Arbeit derer, die wie Sie dieses Ziel - den Frieden - zu ihrer Berufung gemacht haben, ist edel und aller Beachtung wert. <343> <343> Unter den dargelegten Überlegungen ist auch der Grand meiner Anwesenheit hier in Ihrer Mitte zu suchen. Die Kirche hat von ihrem Gründer den Auftrag bekommen, die Frohe Botschaft von der Liebe Gottes zum Menschen bis an die Grenzen der Erde zu verkünden; sie kann und darf gegenüber dem Schicksal so vieler Millionen Menschen nicht gleichgültig bleiben. In ihr steckt immer der Antrieb, alle Wege zur Begegnung mit dem Menschen zu durchlaufen. Mehr noch, wie ich in meiner ersten Enzyklika gesagt habe: der Mensch selbst „ist der erste Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrags beschreiten muß“ (Redemptor hominis, Nr. 14). Daran habe ich in Rom in meiner letzten Ansprache an das beim HI. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps erinnert und das möchte ich auch bei dieser besonders bedeutsamen Gelegenheit hervorheben: „Ihre Anwesenheit hier beweist klar, daß für die Völker, denen Sie angehören, und für deren Regierende die Kirche und der Hl. Stuhl nicht im Widerspruch stehen zu ihren Realisierungen und ihren Hoffnungen und noch weniger zu den Problemen und Widrigkeiten, die ihren Weg säumen“ (13. Januar 1990, Nr. 4). Gewiß müssen wir wieder einmal bekräftigen, was das Zweite Vatikanische Konzil zu seiner Zeit erklärt hat: „Die Kirche darf in keiner Weise mit 438 REISEN der politischen Gemeinschaft verwechselt werden, noch ist sie an irgendein politisches System gebunden“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 76). Das ist nicht ihr Auftrag. „Beide aber dienen“, so heißt es in dem Konzilstext weiter, „wenn auch in verschiedener Begründung, der persönlichen und gesellschaftlichen Berufung der gleichen Menschen“ (ebd.). Ein jüngstes Beispiel der Treue des Hl. Stuhls zu dieser Berufung der Kirche zum Dienst und zur Sorge für das geistliche und soziale Wohl der Völker ist im Zusammenhang mit diesem edlen Land Mexiko gegeben worden. Ich habe mit großer Befriedigung die bedeutungsvolle und wichtige Geste des Herrn Präsidenten der Vereinigten Mexikanischen Staaten aufgenommen, einen ständigen persönlichen Gesandten beim Hl. Stuhl zu bestimmen, und habe dieser lobenswerten Initiative mit der Ernennung eines Sondergesandten von seiten des Hl. Stuhls entsprochen. Es ist der Eifer für die höchsten Werte des Friedens, der Solidarität unter den Völkern und die Würde des Menschen, der den Hl. Stuhl veranlaßt, auch auf dem Gebiet der internationalen Beziehungen präsent zu sein, auf dem ständig so viele diese Würde betreffende Entscheidungen Gestalt annehmen. 3. Eben dieser Eifer drängt mich heute, Ihre Aufmerksamkeit - wie ich es zu Beginn der Fastenzeit für die Katholiken der ganzen Welt getan habe - auf eine der dramatischen Situationen zu lenken, die Tag für Tag zahllose unserer Brüder und Schwestern verschiedener Länder in lebensentscheidender Weise berührt: das Flüchtlingsproblem. Diese Personen „suchen Aufnahme in anderen Ländern der Erde, die unser gemeinsames Haus ist. Wenigen von ihnen ist es möglich, wieder in ihre Heimat zurückzukehren, aufgrund geänderter politischer Lage. Für viele dauert die leidvolle Situation des Exils, der Unsicherheit und der sorgenvollen Suche nach angemessener Hilfe an. Unter ihnen sind Kinder, Frauen, Witwen, oft zerrissene Familien, in ihren Erwartungen frustrierte Jugendliche, Erwachsene, die aus ihren Berufen herausgerissen, ihrer materiellen Güter, ihrer Wohnungen und ihrer Heimat beraubt sind“ (Botschaft für die Fastenzeit, Nr. 1). In derselben Botschaft habe ich auch an unsere Pflicht erinnert, ihnen die ausreichende Anerkennung der Rechte, die ihnen als Personen zustehen, zu garantieren (vgl. ebd., Nr. 3). Ich verkenne nicht die Schwierigkeiten, die die Ausarbeitung von konkreten Lösungen für jeden Einzelfall mit sich bringt. Ebenso dürfen wir nicht vergessen, daß jeder, der von diesem Schicksalsschlag getroffen wird, auch alles das, was ihm noch zur Verfügung steht, zur Lösung der anstehenden Probleme einbringen muß. Doch die internationale Gemeinschaft darf die moralischen und humanitären Aspekte dieser dramatischen Situationen nicht vernachlässigen und sie darf - auch nicht auf ein ausschließlich oder vorwiegend wirtschaftlich-politisches Problem zurückstufen, was in Wirklichkeit eine Bedrohung der Menschenwürde ist, „eine Plage, die typisch und bezeichnend ist für die Ungleichgewichte und Konflikte der heutigen Welt“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 24). Wer sich heute aus verschiedenen Gründen der Wohltaten besserer Lebensumstände erfreut, trägt auch umso mehr Verantwortung - ohne zu vergessen, daß dieselbe Person vielleicht schon morgen Nutznießer jener Solidarität sein kann, die sie selbst zuvor geweckt hat. Es ist darum vordringlich, die von der internationalen Gemeinschaft ratifizierten Vereinbarungen über die Rechte des Flüchtlingsstatus, die schon 1951 von der Versammlung der Vereinten Nationen feierlich sanktioniert und durch das Protokoll über diesen Status 1967 bestätigt wurden, endlich in die Praxis umgesetzt werden. 439 REISEN 4. Ich möchte diese Begegnung nicht abschließen, ohne eine andere Frage zu erwähnen, die unvermeidlich das Welt-Gleichgewicht belastet: Das Phänomen der Auslandsverschuldung. In diesem Zusammenhang möchte ich an einige Worte der schon vorher zitierten Enzyklika erinnern: Der Mechanismus, der eigentlich als Hilfe für die Entwicklungsländer hätte dienen sollen, „ist zu einer Bremse geworden, in gewissen Fällen sogar zur Ursache einer verschärften Unterentwicklung“ (ebd., Nr. 19). Dies beweist eindeutig, daß technische Mittel nicht ausreichen, die schweren Probleme zu lösen, die das internationale Gleichgewicht bedrohen. Wenn ich auch um die unterschiedliche Situation eines jeden Landes weiß, so fühle ich doch die Verpflichtung, hervorzuheben, daß es vordringlich ist, die ethische Dimension, die in diesen Krisen steckt, sorgfältig zu überdenken. Wieder einmal offenbart sich die Solidarität zwischen den Völkern als unentbehrlicher Ausgangspunkt, um sich an den Scheidewegen der Geschichte zu orientieren. Nur so können die Interessenkonflikte korrekt beleuchtet und die geeigneten Maßnahmen beschlossen werden. Nur so wird man darüber hinaus mit ausreichend garantierter Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit die Schwierigkeiten auf dem Weg der Entwicklung lösen. In dem glänzenden Rahmen dieser unserer Begegnung in Mexiko-Stadt halte ich es für notwendig, in ganz besonderer Weise die Bedeutung der Berufung der ganzen lateinamerikanischen Völkerfamilie zur Einheit zu unterstreichen. Wenn sich die Prinzipien der Gegenseitigkeit, der Solidarität und der effektiven Zusammenarbeit bei der Behandlung der großen Themen, die die internationale Gemeinschaft bedrängen, als unbedingt notwendig erweisen (vgl. Ansprache an das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps, 12. Jan. 1985), so ist dieser Imperativ noch kategorischer im Fall dieses Kontinents, der schon unter vielen Aspekten geschwisterlich verbunden ist. Die gemeinsamen historischen, kulturellen und sprachlichen Wurzeln und nicht weniger die religiösen begünstigen und treiben gleichzeitig das schwierige Unternehmen der Einheit voran. Ich bitte Sie, vor Hindernissen nicht stehenzubleiben, sondern im Aufbau dieser Solidarität zu beharren und auf die Fähigkeit Ihrer Völker zu vertrauen, sie zu vollbringen. Ich ermutige Sie, unermüdlich für die Einheit zu arbeiten, die Sie ohne Zweifel zu Protagonisten auf der Weltbühne machen wird. Exzellenzen, meine Damen und Herren, ich möchte die einzigartige Gelegenheit nutzen, die mir Ihre Anwesenheit bietet, um Sie zu versichern, daß Sie im Hl. Stuhl immer einen entschlossenen Mitarbeiter beim Anliegen einer besseren Verständigung unter den Nationen und zugunsten der Gerechtigkeit und der Achtung der Menschenrechte finden werden. Am Ende dieser Begegnung erhebe ich mein Gebet zu Gott, dem Allmächtigen, für eine glückliche Erfüllung Ihrer Mission in Mexiko, für das geistliche und materielle Wohl Ihrer Länder und für Ihr persönliches Glück und das Ihrer Lieben. 440 REISEN Rechte und Pflichten müssen harmonieren Ansprache an die Inhaftierten in Durango (Mexiko) am 9. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Bei meinem Pastoralbesuch in Mexiko durfte eine euch allein vorbehaltene Begegnung nicht fehlen, denn darin kommt die Sorge der Kirche und des Papstes für alle Menschen zum Ausdruck, die ihrer Freiheit beraubt sind. Wenn ich heute dieses Zentrum für soziale Wiedereingliederung der Stadt Durango besuche, stelle ich mir gern vor und empfinde den Wunsch, in einer einzigen Umarmung sämtliche Brüder und Schwestern zu umfangen, die auf dem Festland und auf den Marieninseln inhaftiert wurden. Den Letzteren und ihren Angehörigen, die bei ihnen sind, möchte ich meine tiefe Dankbarkeit aussprechen für die Einladung, sie dort zu besuchen, die über 2000 Unterschriften trag. Da ich weiß, daß ihr mich hört, möchte ich euch sagen, wie ergriffen ich über eure Briefe gewesen bin. Vielen Dank für die Zuneigung, die ihr meiner Person als Nachfolger des Petras gegenüber geäußert habt, sowie für eure Gebete zum Herrn und seiner heiligsten Mutter! 2. Wie große Freude hätte es mir bereitet, wenn ich persönlich euch allen und jedem einzelnen von euch begegnen könnte! Doch angesichts der Unmöglichkeit, diesen physischen Kontakt herzustellen, möchte ich euch versichern, daß ihr mir in Geist und Herz sehr nahe seid, und daß ich tief in meinem Inneren das getreue Echo eurer Wünsche und Hoffnungen verspüre, während ich zugleich innerlich aufrichtig an euren Traurigkeiten und Enttäuschungen Anteil nehme. Ich weiß, daß ihr euch in einer Lage befindet, die für euch schwer und leidvoll ist. Gerade deswegen, weil ich - wie ich euch gestehe - aus persönlicher Erfahrung Schmerz und Leid des Menschen kenne, weiß ich auch um ihren Sinn und ihre Heils- und Reinigungskraft, wenn man sie im Lichte Christi sieht. Daher wiederhole ich vor euch die Worte, die der Herr selbst uns in seinem Evangelium hinterlassen hat: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht“ (Mt 11,28-30). Ja, Christus und niemand sonst ist „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Er gibt unserer Existenz Sinn und Inhalt. Fern von ihm gibt es keinen echten Frieden, liebe Brüder und Schwestern, keine Zufriedenheit und auch keine echte und endgültige Befreiung, denn nur die Gnade des Herrn kann uns aus der radikalen Sklaverei der Sünde befreien; sein Wort und seine Wahrheit machen uns frei (vgl. Joh 8,32). Ich verkünde euch daher voll Freude jene Hoffnung auf Freiheit, die ihr über alles andere hinaus ersehnen sollt: die der hl. Paulus „die Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ nennt (Röm 8,21). <344> <345> <344> Während meiner Pastoraireise nach Belgien habe ich den Insassen der Strafanstalten gesagt: „Das schlimmste Gefängnis wäre ein verschlossenes und verstocktes Herz, es wäre das schlimmste Unglück, die Verzweiflung. Ich wünsche euch Hoffnung. Ich erbitte sie, und ich werde noch beim Herrn für euch darum bitten: die Hoffnung, einen normalen Platz in der 441 REISEN Gesellschaft einzunehmen, in das Familienleben zurückzukehren und bereits jetzt würdevoll zu leben ... denn der Herr verzweifelt niemals an seinen Geschöpfen“ (Ansprache vom 16. Mai 1985). Auch für euch, Brüder und Schwestern aus Mexiko, erbitte ich vom Herrn, und ich werde es auch weiter tun, er möge euch einen gerechten, menschlichen und baldigen Richterspruch verschaffen; eure legitimen Rechte auf Bildung, Gesundheit und Bekenntnis eures religiösen Glaubens, sowie auf einen gerechten Lohn, für den ihr eine des Lohnes werte Arbeit leistet, mögen stets gewahrt werden. Ich weiß, daß das mexikanische Strafrecht viele von diesen Rechten achtet. Natürlich setzt das voraus, daß diese Rechte auch harmonisch mit den entsprechenden Pflichten ausgewogen werden, die jeder einzelne bewußt und als Gerechtigkeitspflicht zu erfüllen hat. In meiner Sorge um euch als Kinder der Kirche wünsche ich euch einen starken und edlen Geist, der euch geneigt macht und mit Gottes Gnade hilft, denen von Herzen zu verzeihen, die euch irgendwie Böses getan haben, so wie auch ihr vor Gott dem Vater auf Verzeihung bei jenen hoffen dürft, denen ihr einen Schaden zugefügt habt. Es ist echt christlich, um Verzeihung zu bitten und zur Wiedergutmachung des angerichteten Schadens im Rahmen des Möglichen bereit zu sein. 4. Nicht fehlen darf bei dieser Begegnung ein Wort der Ermunterung und Dankbarkeit für all jene, die als Priester oder Laien mit immer neuer Hochherzigkeit und Selbstverleugnung mit dem Gefängnispersonal Zusammenarbeiten. Ich weiß, daß es über 4000 Laien und über 100 Priester sind; dazu kommen zahlreiche Ordensmänner und Ordensfrauen sowie eine gute Zahl von Seminaristen. Sie alle machen zusammen mit anderen Seelsorgekräften in den Gefängnissen die mütterliche Sorge der Kirche für ihre der Freiheit beraubten Kinder präsent. Geliebte im Herrn; Ihr gebt jenen Worten Jesu Leben, die wir im Evangelium lesen: „Ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen“ (Mt 25,36). Ich ermuntere euch alle, mit neuem Eifer eure unvergleichliche Sendung weiterzuführen, das Wort Gottes zu verkünden und die Sakramente zu spenden, Hilfe und Rat für alle unsere Brüder und Schwestern im Gefängnis anzubieten in dem Bewußtsein, daß der Herr für alle, die diesen Dienst erfüllen, immer neu die Worte wiederholt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch das Personal der Rehabilitierungszentren grüßen: eure „Wächter“, wie ihr sie nennt. Ich bitte Gott, sie möchten es verstehen, aus ihrem Beruf einen Dienst am Bruder zu machen, der leidet. Ebenso grüße ich die zivilen Autoritäten der Strafanstalten des Bundesstaates, der Staaten auf dem Festland und den Marieninseln. Ich danke ihnen für die Erleichterungen, die sie den Kräften für die Gefängnispastoral gewähren, damit diese ihre Tätigkeiten weiterführen können. Möge der Herr sie erleuchten, wenn es darum geht, die Gesetze gerecht und ausgewogen anzuwenden, um eine bessere soziale Wiedereingliederung aller Personen zu erreichen, die ihrer Obhut anvertraut sind. <346> <346> Liebe Brüder und Schwestern! Gebe Gott, daß mein Pastoralbesuch in Mexiko euch noch lebendiger empfinden läßt, daß ihr ein integraler Teil eures großen mexikanischen und christlichen Vaterlandes seid. Möge diese Zeit der Freiheitsberaubung nicht die Bande schmälern, 442 REISEN die euch mit euren Familien und mit euren Mitbürgern verbinden; möge in euch vielmehr der Wunsch wachsen, wirksamer zum Aufbau eines Landes beizutragen, das immer noch fleißiger, gerechter und brüderlicher wird. Mein erster Besuch nach der Ankunft in eurem Land galt „Unserer Morenita“, der heiligsten Jungfrau von Guadalupe. Möge sie, die uns in Schmerz und Einsamkeit nie verläßt, für euch alle heute und immer Leben, Wonne und Hoffnung sein. Ich segne euch alle von Herzen im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Die Kirche will helfen, soziale Ungerechtigkeit zu überwinden Ansprache an die Unternehmer in Durango (Mexiko) am 9. Mai Liebe mexikanische Unternehmer! 1. Bei meinen apostolischen Reisen habe ich immer großes Interesse an einer Begegnung mit den Männern und Frauen aus der Welt des Unternehmertums gehabt. Diese Begegnungen sind für mich eine Gelegenheit zu einer mehr direkten und offenen Darlegung des Geistes, der das päpstliche Lehramt auf sozialem Gebiet bewegt, für Sie aber eine Gelegenheit, Verständnis und Aüfnahmebereitschaft für die Soziallehre der Kirche zu zeigen. Tatsächlich nehmen Sie im Gesamtbild der Gesellschaft einen sehr wichtigen Platz ein. Ihre Entscheidungen haben eine vielfältige Wirkung und besondere Auswirkungen auf das soziale und wirtschaftliche Gefüge. Daher ist die Hoffnung, die ich auf Sie setze, groß. In dieser lieben Stadt Durango fühlen wir uns auch verbunden mit den mexikanischen Unternehmern, die nicht zu dieser Begegnung kommen konnten, wie sie es gern getan hätten. Unsere Gedanken gehen ferner zu allen für die wirtschaftlichen Tätigkeiten in Lateinamerika Verantwortlichen. Die derzeitigen Verhältnisse am Ende der Ereignisse gegen Ende des vergangenen Jahres erfordern es, den Rahmen dieser Überlegungen zu erweitern, so daß, wenn auch mit unterschiedlicher Akzentsetzung, alle Länder Lateinamerikas angesprochen sind. <347> <348> <347> Leitfaden unserer Überlegungen soll die Gestalt des Unternehmers sein und die Aufgabe, die er bei den derzeitigen Verhältnissen eures Kontinents zu erfüllen berufen ist. Weit über eine technische Betrachtung des Themas hinaus müssen wir das menschliche Tun im Licht der Zusammenarbeit mit Gott betrachten, zu der jeder Mensch berufen ist (vgl. Laborem exercens, Nr. 25). Auch unsere Welt von heute, auch Mexiko, muß, wie ganz Lateinamerika, zum Echo dieses göttlichen Planes werden und mit dem Schöpfer bei der Umwandlung der Welt nach den Plänen Gottes mitarbeiten. Christus ruft zur Umgestaltung der Welt in jeder Epoche auf. Christus ruft durch die Bedürfnisse jeder Zeit. Er erhebt seine Stimme in den Hungernden und Dürstenden; in denen, die kein Haus zum Wohnen, keine Kleider zum Anziehen haben; er ruft durch die Kranken und 443 REISEN die ihrer legitimen Freiheit Beraubten (vgl. Mt 25,31-46). Er ist in diesen Menschen präsent, und in ihnen allen kann man die Stimme und das Antlitz Christi erkennen. Indem sie sich zur Deuterin dieser Stimme des Herrn macht, hört die Kirche nicht auf, das Gewissen ihrer Kinder und aller Menschen guten Willens anzusprechen. Gerade aus dieser Perspektive heraus möchte ich Ihnen einige Gedanken über Gestalt und Aufgabe des lateinamerikanischen Unternehmers vorlegen. Die Stimme des Herrn muß in Lateinamerika nachdrücklich vernehmbar werden, weil die vorhandenen tiefreichenden sozialen Unterschiede allen vor Augen stehen und eine gigantische Aufgabe für jene darstellen, die auf sozio-öko-nomischem Gebiet bedeutsame Verantwortung tragen. 3. Die Ereignisse der jüngsten Geschichte, auf die ich eben angespielt habe, wurden zuweilen oberflächlich gedeutet, vor allem als Triumph oder Zusammenbruch eines Systemes; letzten Endes als Triumph des liberalen kapitalistischen Systems. Bestimmte Interessen könnten zu der extremen Deutung führen, daß das siegreiche System der einzige Weg für unsere Welt wäre, angesichts der Erfahrung der Rückschläge, die der reale Sozialismus erlitten hat, wobei das notwendige kritische Urteil über die Wirkungen, die der liberale Kapitalismus wenigstens bis heute in den Ländern der sogenannten Dritten Welt gehabt hat, beiseitegeschoben wird. Es ist nicht richtig zu behaupten - wie einige möchten - die Soziallehre der Kirche verurteile ohne weiteres eine wirtschaftliche Theorie. Wahr ist, daß sie in Achtung vor der berechtigten Autonomie der Wissenschaft ein Urteil über die Wirkungen ihrer historischen Anwendung abgibt, wenn nämlich in irgendeiner Form die Würde der Person verletzt oder gefährdet wird. Bei der Ausübung ihrer prophetischen Sendung möchte die Kirche die kritische Aufmerksamkeit auf die sozialen Prozesse hinlenken, wobei ihr Anliegen immer die Überwindung von Situationen bleibt, die nicht voll mit den transzendenten Zielen übereinstimmen, die der Herr der Schöpfung aufgestellt hat. Es würde schlecht zur Kirche passen, wenn sie sich lediglich auf eine Sozialkritik beschränken würde. Es liegt dann bei ihren Mitgliedern, die auf den verschiedenen Wissensgebieten Fachleute sind, weiter nach gültigen und dauerhaften Lösungen zu suchen, die die menschlichen Unternehmungen auf die vom geoffenbarten Wort vorgelegten Ziele hinlenken. <349> <350> <349> Im konkreten Fall Mexikos ist festzustellen, daß trotz der gewaltigen Bodenschätze, mit denen der Schöpfer dieses Land ausgestattet hat, das Ideal der Gerechtigkeit noch in weiter Feme liegt. Neben großem Reichtum und Lebensstilen, die zuweilen sogar über die der blühendsten Länder hinausgehen, oder ihnen wenigstens ähnlich sind, begegnen wir großen Mehrheiten, denen auch die elementarsten Dinge fehlen. Die letzten Jahre haben eine wachsende Verschlechterung der Kaufkraft des Geldes erlebt, und typische Phänomene für die Organisation der Wirtschaft wie die Inflation haben auf allen Gebieten schmerzliche Auswirkungen gehabt. Es muß erneut wiederholt werden: es sind immer die Schwächsten, die die schlimmsten Folgen zu tragen haben, da sie sich in einen Kreislauf wachsender Armut ein-gesperrt sehen. Und wie sollte man nicht mit der Bibel ausrufen, daß das Elend der Ärmsten zum Himmel schreit? (vgl. Ex 22,22f.). Man kann nicht leugnen, daß die Außenverschuldung die Situation noch verschärft hat, es wäre aber ungerecht, darin den einzigen Gmnd zu erblicken und die ganze Schuld Faktoren 444 REISEN zuzuschreiben, die außerhalb des Landes wirken. Die derzeitige Situation ist ein Ergebnis von Systemen und Entscheidungen, die viel weiter zurückreichen. Für sie ist ihre extreme Kompliziertheit kennzeichnend, und sie erfordern daher eine sorgfältige Analyse, um die Ursachen auszumachen und die komplizierten Mechanismen zu erkennen, um endlich schöpferisch neue Strategien empfehlen zu können, die nicht nur allen Brot auf dem Tisch garantieren, sondern auch und vor allem eine solide Grundlegung der notwendigen Voraussetzungen für die Entfaltung aller und jedes einzelnen Mitbürgers bieten. 5. Das Suchen nach echten Lösungen setzt Opfer bei allen voraus, wir dürfen aber nicht vergessen, daß es häufig die Armen sind, die sich gezwungenermaßen opfern müssen, während die Besitzer großer Reichtümer nicht bereit sind, auf ihre Privilegien zugunsten der anderen zu verzichten. Die Wirtschaftswissenschaft stellt fest, daß die materiellen Güter begrenzt sind und daher rational verwaltet werden müssen. Der Schöpfer hat seinerseits die Gesamtheit der Güter der Schöpfung für das Wohl aller Menschen bestimmt, wie uns die Offenbarung und die christliche Überlieferung schön darlegen. Von da her ergibt sich, daß die übermäßige Anhäufung von Gütern in den Händen weniger die Mehrheit leer ausgehen läßt, und so häuft sich Reichtum auf, der Armut hervorbringt. Dieses Prinzip gilt ebenso für die internationale Gemeinschaft. Die Kirche hat in ihrer Soziallehre der Menschheit genügend Grundsätze angeboten, die für eine gerechte Wirtschaftsordnung nur in die Praxis umgesetzt zu werden brauchen. Das Lehramt hat seine Aufgabe erfüllt und verlangt von euch, den Fachleuten, die zugleich Mitglieder der Kirche sind, ein ernsthaftes Bemühen, um echte, brauchbare und praktische Lösungen zu finden. Neue und komplexe Situationen innerhalb und außerhalb der Kirche auf sozialem, wirtschaftlichem, politischem und kulturellem Gebiet erfordern heute mit neuem Nachdruck das Eingreifen der gläubigen Laien (vgl. ChristiFideles laici, Nr. 3). Meine Damen und Herren, das Land braucht die Zusammenarbeit aller und jedes einzelnen von Ihnen. Jeder ist gemäß seinen Fachkenntnissen aufgerufen, in Demut und Hochherzigkeit die Herausforderung anzunehmen, die die gegenwärtige ungerechte Situation stellt und seine beste Erfahrung und berufliche Fachkenntnis in den Dienst eines großen, gerechten und brüderlichen Vaterlandes zu stellen, wobei jeder Egoismus einer Partei oder Klasse zu schweigen hat. <351> <351> Die Arbeit und wirtschaftliche Tätigkeit stellen eine der wichtigsten und brennendsten Fragen in Lateinamerika dar. An Ihnen liegt es, sich dieser Frage gründlich und ernsthaft zu stellen; dabei dürfen Sie sich natürlich nicht auf das rein Technische beschränken, sondern müssen vielmehr einen sehr viel weiteren Horizont vor Augen haben, nämlich den der Personen. Lateinamerika muß vorankommen durch die Arbeit seiner Männer und Frauen, die sich wirklich und wirksam solidarisch fühlen. Viel ist auf diesem Kontinent geschehen, um ihn frei und des Menschen würdig zu machen. Lassen Sie nicht zu, daß diese Großherzigkeit der Vergangenheit aufhört. Elend schafft Sklaverei, es besteht geradezu im Fehlen von Freiheit. Die zunehmende Verarmung setzt die Würde und Stabilität des Menschen aufs Spiel. Daher erfordert die künftige Freiheit und Würde Lateinamerikas, daß man gleich jetzt einen einzigartigen Kampf beginnt: nicht mit 445 REISEN den Waffen, sondern mit Geist und Arbeit seiner Menschen, und bei dieser Aufgabe nehmen Sie eine hervorragende Stellung ein. Hält man sich diese Erfordernisse vor Augen, dann ergibt sich ein neues Profil des Mannes und der Frau in der Welt der Unternehmer. Ich denke vor allem an die Haltung des Dienstes am Gemeinwohl, die euer Verhalten kennzeichnen muß. Das reicht weit hinaus über bloßen Humanismus und die Bereitschaft, zufälligen Bedürfnissen zunächst einmal abzuhelfen. Hier ist die ständige Bereitschaft gemeint, die eigene Aufgabe als Unternehmer so aufzufassen, daß davon das ganze Handeln geprägt wird. Es geht darum, tatsächlich mit allen Folgen die Verantwortung für eure Entscheidungen zu übernehmen. Diese Verantwortung betrifft drei grundlegende Koordinaten: die Personen, die zum Unternehmen gehören, die Gesellschaft und die Umwelt. 7. Tatsächlich tragen Sie eine große Verantwortung für die Menschen, die in Ihren Unternehmen arbeiten. Glücklicherweise ist das Bewußtsein gewachsen, daß man die menschliche Arbeit nicht vom rein geschäftlichen Gesichtspunkt aus betrachten darf, wie eine „Ware“, die man kauft oder verkauft (vgl. Laborem exercens, Nr. 7). Unablösbar von der Arbeit und von größter Wichtigkeit ist die Würde der Person (vgl. ebd., Nr. 9). Vergessen Sie anderseits nicht, daß der einzige berechtigte Anspruch auf Eigentum an den Produktionsmitteln darin liegt, daß sie der Arbeit dienen (vgl. ebd., Nr. 14). Daher sind Sie in besonderer Weise für die Schaffung von Arbeitsplätzen verantwortlich. In enger Verbindung mit dem Voraufgehenden steht die Frage des gerechten Lohnes. Wie ich in der Enzyklika Laborem exercens geschrieben habe, „gibt es heutzutage keine wichtigere Weise, die Gerechtigkeit im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu verwirklichen, als eben die Bezahlung der Arbeit“ (Nr. 19). Ein weiterer Aspekt der Diensthaltung des Unternehmers zeigt sich in seiner Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Hier muß daran erinnert werden, daß der Fortschritt in der Gesellschaft sich am Gemeinwohl aller Bürger ausrichten muß, es ist also die Versuchung zu meiden, die nationale Gemeinschaft in etwas zu verwandeln, das im Dienst der Sonderinteressen von Unternehmen steht. Tatsächlich kann man nicht selten feststellen, daß gewisse Kampagnen für die Geburtenbeschränkung oder zur Förderung der Konsummentalität in wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen oder der Finanzmärkte ihren Ursprung haben. Als Beispiele dafür könnte man leider sehr vieles nennen. Was den Unternehmer dagegen kennzeichnen muß, ist die loyale Offenheit für die berechtigten Forderungen des Gemeinwohls. Dies entspricht dem Willen, aus dem Unternehmen einen Faktor des echten Wachstums innerhalb der Gesellschaft zu machen. Im Zug dieser Gedanken ist ferner die in Lateinamerika so notwendige wirtschaftliche Solidarität hervorzuheben. Es bestehen unleugbare dem ganzen Kontinent gemeinsame Probleme, die man gemeinsam aufgreifen kann (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 45). Die Isolierung der jeweiligen Wirtschaften dient keinem der interessierten Länder. Zu überwinden wäre daher die nationale Perspektive bei der wirtschaftlichen Planung, und es müßte zu einem Wirtschaftsplan für den ganzen Kontinent kommen, der zugleich auf der intemationa- 446 REISEN len und Weltebene ein wirkliches Mitsprechen gestatten würde. Ihr Weitblick hat diese Forderung entdeckt, und es haben Absprachen in dieser Richtung nicht gefehlt; sie fehlen auch heute nicht. Mögen daher der entschlossene Einsatz und das Verantwortungsbewußtsein diese Bemühungen zum Erfolg führen. 8. Obwohl ich sie als letzten Punkt erwähne, so ist doch die Verantwortung gegenüber der Umwelt nicht weniger wichtig. Es geht um eine Frage, die die Menschheit als Ganzes betrifft und seit einiger Zeit die Aufmerksamkeit aller gefunden hat. Tatsächlich hat die Umweltverschmutzung in steigendem Maße zugenommen. Anderseits muß sich die Ausbeutung der Bodenschätze möglichst bald ändern; hier wäre auf eine heute gefährliche Tatenlosigkeit hinzuweisen, die verständlicherweise Alarm auslöst. Die Erhaltung von Umweltverhältnissen, die die Entfaltung eines besseren menschlichen Zusammenlebens fördern, ist moralische Pflicht, eine neue Herausforderung für die Kreativität und Verantwortung eines jeden Unternehmers. Bevor ich schließe, möchte ich noch etwas über Ihre Verantwortung sich selbst und Ihren Familien gegenüber sagen. Gewiß beseelt viele der hier Anwesenden bei ihrer Arbeit der aufrichtige Wunsch, zu dienen. Doch bleibt nicht weniger gewiß, daß eine schwere Gefahr blind machen kann, nämlich: den irdischen Gütern zu verfallen, ausschließliches Gewinnstreben - normalerweise verbunden mit der Gier nach Macht „um jeden Preis“ (vgl. ebd., Nr. 37). Erliegt man dieser Versuchung, so kommt es zu einem krassen Materialismus und zugleich zum radikalen Unbeffiedigtsein, das der Mensch empfindet, wenn er versucht, seinen Durst nach dem unendlichen Gut mit materiellen Dingen zu befriedigen (vgl. ebd., Nr. 27). Anderseits führt dieses ungeordnete Streben nicht selten auch zu einer gewissen Vernachlässigung des Familienlebens und der Kindererziehung. Achtet man nicht darauf oder löst man dieses Problem nicht, kann es zu echten Krisen in der Ehe und im Leben der Kinder kommen. Hier ist ferner ein neuer Anspruch Christi zu bedenken: die Familie verlangt etwas mehr als den gehobenen Lebensstandard, den Sie ihr bieten können; sie verlangt Ihre Anwesenheit, Ihre Zuneigung und Ihr echtes Interesse als Gatte und Vater oder als Gattin und Mutter. Beenden möchte ich unsere Begegnung mit den Worten des Herrn: „Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,33). Das Bewußtsein, Erbauer einer mehr gerechten, friedfertigen und brüderlichen Gesellschaft zu sein, wird Ihre Mühe und Ihr selbstloses Eintreten für die Notleidenden reichlich lohnen. Auf Sie, auf Ihre Familien und Mitarbeiter rufe ich den Schutz Unserer Lieben Frau von Guadalupe herab, damit diese große Nation Fortschritte mache auf dem Weg zu noch mehr Solidarität und Gerechtigkeit, Ehrenhaftigkeit und Wohlergehen für alle. 447 REISEN Jeder einzelne ist von Gott berufen Begrüßung der Gläubigen beim Besuch in der Kathedrale in Durango (Mexiko) am 9. Mai Lieber Herr Erzbischof Antonio Lopez Avina, liebe Priester, Diakone und Ordensleute, meine lieben Gläubigen der Kirche Gottes in Durango! 1. „Gnade sei mit euch und Friede in Fülle“ (1 Petr 1,2). Dies ist der Wunsch, den der hl. Petrus in seinem ersten Brief ausspricht und mit dem sich auch sein Nachfolger an euch wendet: Gnade und Friede in Fülle! Diese Worte sind einer erhabenen Überlegung entsprungen. Petrus betrachtete die betreffenden Gläubigen im Licht des Geheimnisses der Dreifaltigkeit und beschreibt sie daher als „die Auserwählten ... von Gott dem Vater, von jeher ausersehen und durch den Geist geheiligt, um Jesus Christus gehorsam zu sein und mit seinem Blut besprengt zu werden“ (ebd.). Vom gleichen Standpunkt aus wendet sich Petri Nachfolger an euch. Auch er betrachtet euch als Geheiligte und Auserwählte: dank einer Erwählung, die einen ganz genauen Zweck verfolgt. Der Apostel Petrus fügt hinzu: „Wie er, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden. Denn es heißt in der Schrift: ,Seid heilig, denn ich bin heilig’“ (J Petr 1,15-16). Ja, jeder einzelne von euch, den Gläubigen, die ihr mir in Durango und in ganz Mexiko zuhört, ist persönlich von Gott berufen worden, ist von ihm erwählt worden, damit er heilig sei. Diese Behauptung ist durchaus aktuell und muß heute unter den Laien neues Echo finden (vgl. Christifideles laici, Nr. 17). Die Heiligkeit, liebe Brüder und Schwestern, strebt der Christ an, indem er sich für die Gnade Gottes öffnet und zutiefst mit dem Heilswirken des Herrn vereint lebt. Im Evangelium findet er das Lebensprogramm, das den Kindern Gottes und Gliedern der katholischen Kirche entspricht. In der Eucharistie findet er die Kraft, deren er bedarf, um für die Liebe das Zeugnis zu geben, das jeder Christ in seiner Umgebung verbreiten muß: in der Familie, bei der Arbeit und bei der Erholung; im privaten ebenso wie im öffentlichen Leben. <352> <352> Von dieser herrlichen Kathedrale von Durango aus möchte ich mich an die Gläubigen dieser Erzdiözese und der ganzen Republik wenden. Ihr, geliebte Brüder und Schwestern, gehört einem Volk an, das sich durch seinen tiefen und ausgesprochen marianischen Glauben, durch seine Treue zur Kirche und durch eine besondere geistige Bindung an die Person des Nachfolgers Petri auszeichnet. Diese einzigartige Treue ist oft auf die Probe gestellt worden, doch mit der Gnade Gottes und der Hilfe Marias habt ihr diese Prüfungen in Augenblicke noch größerer Fruchtbarkeit für das Leben der Kirche verwandelt. Die Geschichte des Volkes Gottes in Mexiko ist reich an vorbildlichen Zeugnissen von Laien, die ihr Leben zu einer eindrucksvollen Kundgabe der Liebe Gottes machten und daher ohne Zaudern das Beste ihrer selbst opferten, sobald die Umstände es erforderten. Das mexikanische Volk darf nichts von seiner Vergangenheit vergessen, da es von ihr ausgehend in die Zukunft blicken muß. Im Apostolischen Schreiben Christifideles laici, das nach der Bischofssynode von 1987 an die ganze Kirche gerichtet wurde, sollte die Tatsache hervorgehoben werden, daß „neue kirchliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche, politische und kulturelle Gegebenheiten... heute 448 REISEN mit besonderer Intensität nach dem Engagement der Laien [rufen]. Sich der Verantwortung zu entziehen, war schon immer verfehlt. Heute aber liegt darin eine noch größere Schuld. Niemandem ist es erlaubt, untätig zu bleiben.“ 3. In diesem Dokument war von drei Tatsachen die Rede, die uns helfen können, die Herausforderungen dieser „herausragenden und dramatischen Stunde“ (ebd.) besser wahrzunehmen. An erster Stelle sind Säkularismus und religiöse Gleichgültigkeit zu nennen, die nicht nur die einzelnen Menschen, sondern ganze Gemeinschaften berühren. Dieses Phänomen hat ernste Rückwirkungen auf die christlichen Völker und macht eine neue Evangelisierung dringend notwendig. Hier stehen wir vor der ersten großen Herausforderung für die Laien: sie müssen sich aus allen Kräften dafür einsetzen, daß die Botschaft des Evangeliums die heutige Gesellschaft durchdringt. An zweiter Stelle ist von den zahlreichen Gewalttaten die Rede, welchen der Mensch ausgesetzt ist, von den Ungeborenen bis zu den Unterdrückten und Ausgegrenzten. Daraus ergibt sich für die Laien die ungeheure Verantwortung, mit immer größerem Nachdruck auf die zentrale Stellung hinzuweisen, die dem von Christus erlösten Menschen zukommt. Schließlich erfordern die Antagonismen und Konflikte, die einen großen Teil der Beziehungen zwischen den einzelnen Völkern der Welt kennzeichnen, daß die Laien zu Baumeistern von Frieden und Versöhnung werden. 4. Diesen Frieden müßt ihr für euch selbst als Frucht der Gnade und der Freundschaft mit Gott erwirken. Es ist der Friede Christi. Nur Er kann ihn schenken, weil er der „seine“ {Job 14,27) ist und nicht der, „wie die Welt ihn gibt“ (ebd.), ist er doch eine Gabe Gottes. Sät den Frieden Christi aus und verbreitet ihn in eurer Umgebung, dann werdet ihr, wie das Evangelium sagt, von ihm den edlen Namen „Söhne Gottes“ (Mt 5,9) erhalten. Seid bestrebt, die Wurzeln des Haders, der Konflikte und der Feindschaft auszureißen. Fördert hingegen im großen und im kleinen die Gerechtigkeit in den Institutionen, in der Berufswelt, in den Familien und bei der Verteidigung der Würde jedes Menschen. Die Gerechtigkeit ist eine fundamentale Tugend, die jedem das Seine gibt: Ehre, guten Ruf und zeitliche Güter. Alle, als Gemeinschaft und als Einzelpersonen, müssen wir uns für diese Verpflichtung verantwortlich fühlen und uns immer bemühen, unparteilich und ausgeglichen zu sein und uns vor Gott der Transzendenz dieser Verantwortung bewußt sein. Reichtum der Gnade, Reichtum des Friedens: das erfleht der Papst für euch, während er euch segnet im Namen des Vaters, der euch erwählt hat, im Namen des Sohnes, der euch erlöst hat und im Namen des Heiligen Geistes, der euch heiligt und euch mit seinen Gaben erfüllt. „Sein ist die Macht in Ewigkeit. Amen“ (1 Petr 5,11). 449 REISEN Priestertum: eine Entscheidung für die Liebe Predigt bei der Priesterweihe in Durango (Mexiko) am 9. Mai „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). 1. Diese Worte, die Christus beim Letzten Abendmahl an seine Apostel richtete, die er eben erwählt hatte, um unter den Menschen das eucharistische Opfer zu erneuern, geben mir das Gefühl inniger Einheit mit euch, liebe Weihekandidaten. Unsere Glaubenshaltung und unsere von Liebe bewegten Herzen möchten sich diese Worte zu eigen machen, die der Herr, unser Meister, sprach, als er die Eucharistie und das Dienstpriestertum am Vorabend seines Opfers am Kreuz einsetzte. Bei dieser Priesterweihe, an der wir teilnehmen, ist die Ergriffenheit aller Anwesenden zu spüren. Welch unergründliche Ströme der Gnade - wie viele Gebete und Mühen zahlreicher Väter und Mütter, Erzieher und gottgeweihter Seelen, vieler Kranken, einfacher Menschen und Wohltäter sind auf jeden einzelnen dieser lieben Priesterkandidaten wohl herabgeflossen! Ich darf auch nicht vergessen, an das - meist verborgene - Verdienst zahlreicher Priester zu erinnern, die euch vorangegangen sind, und die mit ihrem heiligen Leben, gelegentlich sogar mit ihrem Martyrium, eine Weihe von so vielen Priestern heute möglich gemacht haben. Von Herzen grüße ich Erzbischof Antonio Lopez Avina, den Hirten dieser Erzdiözese Durango, sowie die anderen Bischöfe dieser pastoralen Region und aus der Nachbardiözese Torreon. Mein herzlicher Gruß gilt ferner den zivilen und militärischen Autoritäten, die an dieser Feier teilnehmen. Seid also bei dieser Eucharistiefeier willkommen, liebe Brüder und Schwestern. Sie erfüllt die ganze Kirche mit Freude, weil eine so zahlreiche Schar von Söhnen Mexikos sich zur Priesterweihe bereitmacht, um dem Volk Gottes dienen zu können. Ich lade euch ein, besonders natürlich jene, die das Weihesakrament empfangen, dem Herrn eure Dankbarkeit mit den Worten des Psalmisten zum Ausdruck zu bringen: „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen“ (Ps 89,2; vgl. Jes 63,7). 2. Geliebte im Herrn, die Berufung zum Priestertum ist für die ganze Kirche ein unvergleichliches Geschenk, und ihr seid erwählt, in der Gemeinschaft der Kirche das persönliche und sakramentale Zeichen der Präsenz, des Heilswirkens und der Liebe des Guten Hirten „zum Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,12) zu sein. Mit den Worten des hl. Paulus „ermahne ich euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging“ (Eph 4,1). Diese Erwählung gilt für immer. Sie ist eine Entscheidung der Liebe, Quelle eurer Freude und eurer Identität. Ich schließe mich eurer Freude an, die zugleich die Freude des ganzen Volkes Gottes ist, weil ihr für immer geliebt und erwählt seid. <353> <354> <353> Das Geschenk des Priestertums ist eine Entscheidung für die Liebe: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt“ (Joh 15,9), spricht der Herr. Die Liebe, mit der 450 REISEN euch Christus umfängt, entstammt der ewigen Liebe zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Daher kommt sie auch am höchsten in dem Wort zum Ausdruck: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Jesus Christus ist der geliebte Sohn des Vaters, der, „als die Zeit erfüllt war, geboren von einer Frau“ (Gal 4,4) in die Welt gesandt wurde, um die Welt zu lieben und zu retten. Das messianische Priestertum Christi entspringt dieser Liebe und dem Heilswillen Gottes. Christus ist der ewige Priester, und an seinem Priestertum haben wir alle Anteil. Er übte das einzige Priestertum, das des Kreuzes aus, das unter uns durch die Eucharistiefeier seine ständige Fortsetzung findet. Von diesem Priestertum und Opfer als Ganzhingabe sagt Jesus zu den Aposteln beim Letzten Abendmahl: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Wir haben uns hier versammelt, um mit den Augen des Glaubens diese so große Liebe zu betrachten. Trotz unserer menschlichen Schwäche vereinigen wir uns mit dem Opfer Christi, des ewigen Priesters. Wir vereinigen uns mit ihm in Demut und Vertrauen, da wir ja berufen sind, in besonderer Weise an diesem Priestertum teilzuhaben und dieses Opfer des Neuen Bundes - unter den Gestalten von Brot und Wein wie beim Opfer des Melchisedek (vgl. Ps 110,4; Hebr 5,5-6) -darzubringen, das Christus als Unterpfand seiner Liebe der Kirche hinterlassen hat. 4. Für jeden von euch, liebe Söhne und Brüder, ist nun die Stunde gekommen, in der ihr zu „Priestern des Herrn“ werdet, da ihr als Priester „Diener unseres Gottes genannt werdet“ (Jes 61,6). Die Worte, die Jesus beim Letzten Abendmahl gesprochen hat, erfüllen sich auch jetzt wieder unter uns. Denn es ist der gleiche Jesus, der euch in Liebe sagt: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage“ (Joh 15,14). „Ihr seid meine Freunde ... Ich habe euch Freunde genannt, denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15,14.15). Nehmt daher diesen Aufruf an, liebe Söhne und Brüder, denn er ist Ausdruck einer tiefen und ewigen Freundschaft. Ihr seid seine Freunde, seine Vertrauten, ihr nehmt an seinem Geheimnis teil, um in seinem Namen „in persona Christi“ seine Sendung weiterzuführen. Daher kann man jeden einzelnen von euch auch in gewisser Weise einen zweiten Christus nennen. Vergeßt nie den Ursprung dieser Liebe und woher der Ruf und die ganze Existenz des Priesters herstammt, die eine Berufung zum Dienen nach dem Beispiel Christi ist. <355> <356> <355> Das Geschenk des Priestertums ist eine Initiative des Herrn. „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15,16). Tatsächlich hat Jesus „die zu sich gerufen, die er erwählt hatte“ (Mk 3,13):; und er wußte sehr wohl, wen und wozu er sie erwählte (vgl. Joh 13,18). Wenn die priesterliche Berufung, Weihe und Sendung in allen Abstufungen ein Geschenk von ihm ist, bedeutet das: wirmüssen um dieses Geschenk bitten und es annehmen, wie es ist. Wie aber sieht das Geschenk aus, das der Herr euch anbietet? Aus dem Evangelium wissen wir, daß Christus seine Apostel berufen hat, weil er „sie bei sich haben und dann aussenden wollte“ (Mk 3,14). Das Geschenk des Priestertums schenkt uns das gleiche Sein oder die Weihe, die gleiche Sendung und das gleiche Leben, wie es Christus, dem Priester und Guten Hirten eigen ist. 451 REISEN Als Jesus sich in der Synagoge von Nazaret vorstellte, las er den Text des Jesaja vor, den auch wir heute gehört haben, und er wendete ihn auf sich selbst an: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Lk4,18; vgl. Jes 61,1). Jesus ist also der Gesalbte und der Gesandte. An dieser Weihe und Sendung hat er seinen Aposteln Anteil gegeben und allen, die im Verlauf der Kirchengeschichte wie ihr die Handauflegung empfangen sollten (vgl. 2 Tim 1,6). Das Geschenk, das ihr empfangt, ist auch anspruchsvoll, wie die Liebe, mit der Christus es euch übergibt. Im priesterlichen Wirken darf es kein Ausweichen geben, und Anstrengungen darf man nicht scheuen. Ihr seid zur Heiligkeit berufen und zu einem von der Glut und Hingabe der Apostel erfüllten Apostolat. Die Gnade und das bleibende Merkmal, das man mit dem Weihesakrament empfängt, fordern nicht nur Heiligkeit und Mühe, sie machen diese auch möglich. Wenn man am Sein und an der Sendung Christi Anteil hat, dann muß man auch seinen Lebensstil teilen. Man empfängt das Geschenk des Priestertums, um in Übereinstimmung mit Christus zu leben und wie er den Heilsauftrag, die Heilssendung des Vaters zu erfüllen (vgl. Joh 15,10; 10,18). 6. Das Geschenk des Priestertums wird ständig in der Liebe des Guten Hirten lebendig: „Bleibt in meiner Liebe“ (Joh 15,9). Welche Gestalt aber hat diese Liebe Christi? Sie geht bis zur Hingabe des Lebens für seine Freunde (vgl. Joh 15,13). So hat es der Herr auch gesagt, als er sich als Guten Hirten bezeichnete: „Ich gebe mein Leben hin für meine Schafe“ (Joh 10,15). Daher muß der Priester immer ein Mann der Liebe sein. Als Hirt der Herde Christi kann er nicht vergessen, daß sein Meister sogar sein Leben aus Liebe hingegeben hat. Im Licht dieses Beispiels weiß der Priester, daß er nun nicht mehr sich selbst gehört, sondern alles für alle hingeben und jedes Opfer annehmen muß, das zu dieser Liebe gehört (vgl. Sonntagsbetrachtung zum Angelus, 18. 2.1990). Dieser wesentliche Aspekt des Priesters ist ein unvergänglicher Wert. Weil er Zeichen des Guten Hirten ist, dessen Wort, Opfer und Heilswirken er weiterführen soll, ist der Priester zu einem Leben in Übereinstimmung mit dem Empfinden und Tun Christi berufen. Daher besteht die spezifische Spiritualität des Priesters in „einer Aszese, wie sie einem Seelenhirten entspricht“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 13). Nur so kann er ein „lebendiges Werkzeug Christi, des Priesters“ sein (ebd., Nr. 12). Das ganze Leben des Priesters muß ein Zeugnis dafür sein, wie der Gute Hirte geliebt hat. Er lebte arm, um zu zeigen, daß er sich selbst hingab; er war den Heilsplänen des Vaters gehorsam, weil er nicht sich selbst gehörte; er war keusch, weil er unsere Existenz bräutlich teilen und aus der ganzen Menschheit eine Familie von Brüdern und eine Opfergabe für Gott machen wollte. <357> <358> <357> Das Geschenk des Priestertums ist in Beharrlichkeit zu leben: „Ich habe euch dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Ja, liebe Brüder, das Geschenk des Priestertums wird eure Beharrlichkeit sichern, wenn ihr es ständig mit Leben zu erfüllen wißt (vgl. 2 Tim 1,6) gemäß den konkreten Hinweisen und Mitteln, die das II. Vatikanische Konzil wie auch die nachkonziliaren Dokumente in Erinnerung 452 REISEN gerufen haben. Da ihr Prediger des Wortes Gottes sein sollt, müßt ihr euch ständig in dieses Wort vertiefen, in besonderen Stunden des persönlichen Gebetes und im Studium. Da ihr die Geheimnisse des Herrn feiern sollt, müßt ihr sie selbst, zumal in der Eucharistie, im Stundengebet und im Sakrament der Versöhnung, leben. Weil ihr die Gemeinschaft der Christen und jeden Gläubigen auf den Weg der Heiligkeit führen sollt, müßt ihr selbst eifrig danach streben. 8. Das Geschenk des Priestertums muß in intensiver Gemeinschaft mit der Kirche gelebt werden: „Dies trage ich euch auf: Liebt einander!“ (Joh 15,17). Die Einheit, die Jesus für seine ganze Kirche und zumal für die Priester wünscht, gründet sich auf das Liebesgebot als Widerschein der Einheit zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Daher bittet der Herr den Vater inständig um ein klares Zeugnis der Einheit mit den Jüngern: „Sie sollen eins sein, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir. So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,22-23). Zusammen mit seinem Bischof und den übrigen Priestern des Presbyteriums wird der Priester in dem Maß Wegbereiter der Einheit in der Gemeinschaft der Kirche sein, wie er selbst diese Gemeinschaft lebt. Das II. Vatikanische Konzil hat betont: „Die Treue zu Christus kann von der Treue zu seiner Kirche nicht getrennt werden“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 14). In dem Maße nämlich, wie der Priester die Wirklichkeit der Kirche als Gemeinschaft lebt, macht er die Sendung der Kirche wirksam und entdeckt zugleich die Wirklichkeit dieser Kirche als Geheimnis. Wie gern würde ich mit euch noch weiter über diese wunderbaren Einzelheiten des Geschenks des Priestertums nachdenken, das ihr heute empfangt! In meinen Briefen zum Gründonnerstag habe ich von Anfang meines Pontifikates an die Lehre über das Priestertum dargelegt, wie sie sich in den Konzilsdokumenten und zumal in der Schrift sowie in der Überlieferung der Kirche findet. Das Geheimnis Christi, des Priesters, das sich in uns fortsetzt, ist unerschöpflich; daher sind unsere Überlegungen und Betrachtungen nur wie ein Tropfen von dem, was der Herr selbst euch mitteilt, wenn ihr treu seid. Ihr kommt nämlich Christus in dem Maße näher, wie ihr ihn liebt. So hat er selbst es uns gesagt: „Wer mich liebt, dem werde ich mich offenbaren“ (Joh 14,21). <359> <359> Liebe Brüder und Söhne! Ihr seid die Priester des letzten Jahrzehnts des Zweiten Jahrtausends. Ihr seid die Priester einer neuen Zeit der Hoffnung in Mexiko. Seid immer Zeugen für die Wahrheit, für die Gerechtigkeit und für die Liebe, zumal gegenüber den am meisten Notleidenden. Euer Priesterleben ist eine anspruchsvolle Berufung zum Dienen, zur Arbeit und zur vollen Hingabe an das Werk der neuen Evangelisierung Mexikos. Eine Gesellschaft wie die unsere, die im Leben zum Materialismus neigt, während sie auf der anderen Seite sich nach Gott sehnt, braucht Zeugen für das Geheimnis. Eine Gesellschaft, die gespalten ist und doch zugleich sich nach Einheit und Solidarität sehnt, braucht Diener der Einheit. Eine Gesellschaft, die häufig die echten Werte vergißt, während sie nach Echtheit und Konsequenz ruft, braucht lebendige Zeichen für das Evangelium. Ich wende mich nun an alle Priester dieser pastoralen Region und von ganz Mexiko, die für diese große Feier zu uns gekommen sind. Der Papst, der euch sehr liebt, ruft euch heute zu 453 REISEN neuer Begeisterung, zu neuer Hoffnung und zu neuem apostolischen und diensteifrigen Einsatz zum Wohl der Kirche in dieser großen Nation auf. Christus hat uns versprochen, daß er seine Kirche nie im Stich lassen wird. Der Herr ist unsere Kraft in Widerwärtigkeit und Mutlosigkeit; er segnet eure Gemeinden heute mit der wunderbaren Frucht neuer Priester, die dem priesterlichen Leben in Mexiko neuen Atem schenken. Nehmt sie also als vielgeliebte Brüder auf; begleitet sie mit eurem Wissen und eurer Erfahrung; fördert weiter unermüdlich die Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben, So wird die Heilskraft des Evangeliums immer noch mehr im Leben der einzelnen, der Familie und der Gesellschaft präsent. 10. Liebe hier anwesende Brüder! Angesichts dieser herrlichen Blüte von Priestern können wir nur die Barmherzigkeit Gottes preisen, wie uns die heutige Liturgie auffordert. Ich weiß, daß bei euch viel für die Priester gebetet wird. Das ist eine alte Überlieferung in Mexiko, die der Papst nur gutheißen kann. Unter euch gibt es viele Menschen, viele priesterliche und kontemplative Institute, die diesen Eifer hochhalten, der nicht nur eine Quelle für Berufungen zum Priestertum ist, sondern auch für Berufungen zum gottgeweihten Leben und für einen besonderen Eifer der Laien. So bitte ich euch, diese schöne Überlieferung, die ihr von heiligen Menschen der Vergangenheit übernommen habt, weiterzuführen. Mit euch stimme ich dann bei dieser Eucharistiefeier in den Ruf ein: „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen“ (Ps 89,2), denn der Herr hat uns diese Priesterberufe geschenkt, die innerhalb der Gemeinschaft wie ein persönliches Zeichen des Guten Hirten sein soll. Die ganze Kirche freut sich mit euch, da die einer Einzel- oder Ortskirche geschenkten Gaben immer auch ein Gut für die ganze Kirche bedeuten. Dank sei dann den mexikanischen Familien gesagt, dank den Müttern und Vätern in Mexiko, die ihre Söhne hochherzig hergeben, damit sie als Boten des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung das Priestertum Christi fortsetzen. Mexiko braucht heilige Priester. Mexiko braucht Männer Gottes, die ihren Brüdern und Schwestern in den Dingen Gottes zu dienen wissen. Werdet ihr solche Männer sein? Der Papst, der euch innig liebt, hofft es. Seid heilige Priester, wie die Mexikaner sie brauchen und die Kirche sie ersehnt. Möge Unsere Liebe Frau von Guadalupe euch immer auf den Wegen der neuen Evangelisierung Amerikas begleiten. Amen. 454 REISEN Die Familie wird heute tausendfach angegriffen Ansprache bei der Begegnung mit den Familien in Chihuahua (Mexiko) am 10. Mai „Selig die Frau, deren Leib dich getragen und deren Brust dich genährt hat“ (Lk 11,27). 1. Eine Frau aus der Menge, die Jesus von Nazaret folgte, eine von denen, die seine Lehren anhörte, drückte mit diesen Worten ihre Verehrung für den Meister und seine Mutter aus. Es ist nicht möglich, den Sohn von der Mutter oder die Mutter vom Sohn zu trennen. Auch in den neuen Generationen der Jünger und Nachfolger Christi gehören die Liebe zu ihm und die Verehrung und Liebe zu seiner allerseligsten Mutter zusammen. Wir sehen und stellen dies in diesem edlen Land fest, das in der Liebe zur heiligen Maria von Guadalupe seinen geistlichen Mittelpunkt hat; von ihm aus fühlen sich alle Mexikaner als Glieder einer großen Familie. Diese Mutter, Maria, hat Christus zur Welt gebracht, der Mensch wurde, damit wir - Söhne und Töchter des Menschengeschlechts - die Kindschaft Gottes empfangen könnten. Dafür „sandte Gott, als die Zeit erfüllt war, seinen Sohn, geboren von einer Frau ..., damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4.5). Vor diesem wunderbaren und einmaligen Geschehen können wir wahrhaftig mit dem Psalmisten wiederholen: „Darum freut sich mein Herz, du, Herr, gibst mir das Erbe“ (Ps 16,9.5). 2. Dadurch, daß er von einer Frau und in einer Familie geboren wurde, hat der Sohn Gottes die menschliche Familie geheiligt. Deswegen verehren wir die Familie von Nazaret, in der „Jesus heranwuchs, und seine Weisheit zunahm, und er Gefallen bei Gott und den Menschen fand“ (Lk 2,52), als heilig. Diese Familie, die wir verehren und Heilige Familie nennen, wird für immer das erhabenste Vorbild bleiben, dem alle christlichen Familien hier und überall nachstreben sollen, denn in der Familienzelle entfaltet sich die überreiche Gnade Gottes, die uns in der Wiedergeburt der Taufe geschenkt wird. Liebe Brüder und Schwestern, es ist für mich Anlaß zu großer Freude, diesen Wortgottesdienst mit den Familien der Christengemeinde von Chihuahua feiern zu können, zusammen mit ihrem Erzbischof Adalberto Almeida Merino, seinem Koadjutor Jose Femändez Arteaga, den Priestern, den Ordensmännem und -frauen und allen Gläubigen. Mein herzlicher Gruß gilt auch allen, die zusammen mit ihren Oberhirten aus den benachbarten Diözesen hierher gekommen sind: aus Ciudad Juärez, Torreon, Ciudad Madera, Nuevo Casas Grandes, Tarahumara, Hermosillo, Tijuana und anderen nördlichen Gegenden des Landes. In besonderer Weise richten sich mein Gruß und mein Glückwunsch am Muttertag an alle mexikanischen Mütter und an jede einzelne von ihnen. Die Mutterschaft ist ein erhabenes Geschenk, dem die Kirche Ehre erweist. Wie sollte sie das auch nicht tun, da sie doch den Beginn der Erlösung und ihrer eigenen Existenz in der jungfräulichen Mutterschaft Marias erkennt, die Christus geboren hat? <360> <361> <360> Wir wollen jetzt die tiefe Bedeutung der christlichen Familie in den Plänen Gottes betrach- ten. Dazu bewegt uns wieder einmal die Sorge um die Welt von heute, die wir alle in unserem Geist und unserem Herzen spüren. In dieser Welt wird die Familie häufig und auf tausend verschiedene Weisen angegriffen. Wir wissen nur allzu gut, daß in dem Maße, in dem 455 REISEN die wahre Liebe geschwächt wird, auch die Identität des menschlichen Wesens selbst verdunkelt wird. Deshalb halte ich es persönlich für notwendig, das zu wiederholen, was ich mit aufrichtiger Überzeugung schon zu Beginn meines Pontifikats gesagt habe: „Der Mensch kann nicht ohne Liebe leben. Er bleibt für sich selbst ein unbegreifliches Wesen; sein Leben ist ohne Sinn, wenn ihm nicht die Liebe geoffenbart wird, wenn er nicht der Liebe begegnet, wenn er sie nicht erfährt und sich zu eigen macht, wenn er nicht lebendigen Anteil an ihr erhält“ (Redcmptor hominis, Nr. 10). Die Größe und die Verantwortung der Familie bestehen darin, daß sie die erste Lebens- und Liebesgemeinschaft ist; daß sie die erste Umgebung ist, in der der Mensch lernen kann, zu lieben und sich geliebt zu fühlen, und zwar nicht nur von anderen Personen, sondern auch und vor allem von Gott. Deswegen habt ihr christlichen Eltern die Aufgabe, ein Heim zu schaffen und zu erhalten, in dem die tiefste christliche Identität eurer Kinder entstehen und reifen kann: Kind Gottes zu sein. Aber eure Elternliebe kann nur dann zu euren Kindern von Gott sprechen, wenn zuvor eure Gattenliebe lebendig ist in der Heiligkeit und in der Öffnung auf die Fruchtbarkeit der ehelichen Gemeinschaft. 4. Die Liebe zwischen den christlichen Ehegatten ist eine heilige und edle Realität. Das Wirken des Heiligen Geistes in euch, wenn ihr im Stand der Gnade seid, wird euch helfen, euch mit derselben Großzügigkeit ohne Maß einander hinzugeben, mit der „Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat“ (Eph 5,25). Wenn ich heute zu den katholischen Familien Chihuahuas und ganz Mexikos spreche, möchte ich an diesem Muttertag den Müttern, den Frauen von Mexiko und von ganz Lateinamerika, meine Huldigung darbringen. Mit Recht ist gesagt worden, daß die Frau bei der Bewahrung des Glaubens auf diesem geliebten Kontinent eine providentielle Rolle gespielt hat. Die Alltagserfahrung zeigt uns, daß einer christlichen Ehefrau gewöhnlich eine Familie entspricht, in der die Liebe zu Gott, die Praxis des sakramentalen Lebens und der Nächstenliebe lebendig bleiben. Ebenso hängen Harmonie, Ausgeglichenheit und Freude des Familienlebens in großem Maß von der Ehefrau und Mutter ab, die mit ihrer Intuition, ihrem Taktgefühl, ihrer Liebe, ihrer Geduld und ihrer Großzügigkeit Meinungsverschiedenheiten und Spannungen mildert. Sie richtet die Mutlosen wieder auf und ist ein schützender Hafen, in dem man Zuflucht findet, wenn es in irgendeinem Lebensalter Probleme gibt. Ich kenne genau die zuweilen heroische Rolle, die die mexikanischen Ehefrauen im Familienleben gespielt haben. Deswegen möchte ich auch die Ehemänner an ihre ernste Pflicht erinnern, durch ihre Arbeit die Lasten des Haushalts mitzutragen, indem sie ihren Lohn, der ein Gut für die ganze Familie ist, nicht verschwenden, gleichzeitig ihrer Ehefrau mit einmaliger und ungeteilter Liebe treu sind und echte Zuneigung und Hingabe bei der Kindererziehung zeigen. Die Familie wird durch die Liebe bewahrt und gestärkt! <362> <362> In einer Gesellschaft, die so oft von Zeichen des Todes und der Lieblosigkeit, wie Gewalt, Abtreibung, Euthanasie geprägt ist, in der Behinderte und Arme und Unbrauchbare an den Rand gedrängt werden, ist die Frau aufgerufen, die Leidenschaft für das Leben und die Achtung vor dem Geheimnis eines jeden neuen Lebens lebendig zu erhalten. Deswegen wollte 456 REISEN ich in dem Apostolischen Schreiben Mulieris dignitatem hervorheben, daß „Gott der Frau in besonderer Weise den Menschen anvertraut hat, das heißt das menschliche Wesen“; kraft ihrer Berufung zur Liebe „kann die Frau sich selbst nicht finden, außer wenn sie anderen Liebe schenkt“ (Nr. 30). Diese Sicht gewinnt weitere Dimensionen im Licht der ersten Bibellesung, die wir gehört haben; sie spielt auf jene Frau - Maria - an, die Jesus geboren hat (vgl. Gal 4,4). Tatsächlich „stellt die Gestalt Marias von Nazaret schon allein dadurch die Frau als solche ins Licht, daß sich Gott im erhabenen Geschehen der Menschwerdung seines Sohnes dem freien und tätigen Dienst einer Frau anvertraut hat. Man kann daher sagen, daß die Frau durch den Blick auf Maria dort das Geheimnis entdeckt, wie sie ihr Frausein wirklich leben und ihre wahre Entfaltung bewirken kann“ (Redemptoris mater, Nr. 46). 6. Wenn die christliche Ehe auch reich an Gütern und Verheißungen ist, so ist sie doch auch eine anspruchsvolle Realität. Sie fordert vor allem Treue in der Liebe, Seelengröße und Selbstverleugnung. Gleichzeitig muß sie immer offen für das Geschenk des Lebens sein. In dieser Hinsicht müßt ihr, liebe Ehemänner und Ehefrauen, die ihr mich anhört, daran denken, daß sich die Eheleute Gott verschließen und sich seinem Willen entgegenstellen, wenn sie aus der ehelichen Vereinigung die Möglichkeit, ein Kind zu empfangen, künstlich beseitigen. Überdies verschließen sich Ehemann und Ehefrau auch voreinander, weil sie die gegenseitige Hingabe in der Vaterschaft und Mutterschaft zurückweisen und die eheliche Vereinigung zu einer Gelegenheit der Befriedigung des Egoismus eines jeden herabmindem. Denn die Kinder erhalten den Sinn eurer ehelichen Einheit lebendig; sie verjüngen gleichzeitig die Ehe und die gegenseitige Liebe der Eltern. Ein Kind ist in der Familie ein Segen Gottes. So versteht es die gesunde Tradition eurer Familien, die sich großherzig dem Geschenk des Lebens öffnen. In diesem Zusammenhang möchte ich die Eltern auch an ihre moralische Pflicht erinnern, für ihre Kinder zu sorgen und wachsam zu sein, vor allem wenn sie klein und schwach sind. Die Gesellschaft wird Tag für Tag aufgeschlossener für die Rechte des Kindes. Man hat sogar eine Charta der Rechte des Kindes ausgearbeitet. Trotzdem ist das Kind nicht wenigen Übeln ausgesetzt: dem Egoismus eines Teils der Gesellschaft, der mit der Abtreibungspraxis seinem Leben vor der Geburt nachstellt; der ungenügenden Ernährung, die seine ganze künftige Entwicklung belasten kann; dem Mangel an Liebe, der Mißhandlung in verschiedenen Formen der Gewalt; ja sogar dem Verbrechen des Mißbrauchs von Minderjährigen und dem Verbrechen, sie in die Spirale des Rauschgifts einzuführen. An die, die sich so verhalten, sei die Warnung Christi gerichtet: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf. Wer aber eines von diesen Kiemen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals im tiefen Meer versenkt würde“ (Mt 18,5-6). Wenn die Kirche euch, Familienväter und -mütter, wie auch die Verantwortlichen in der Gesellschaft an die moralischen Pflichten gegenüber dem Kind erinnert, so befolgt sie das Gebot ihres Meisters: „Laßt die Kinder zu mir kommen; hindert sie nicht daran! Denn Menschen wie ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 19,14). 457 REISEN Dieselbe Kirche erinnert euch auch bei vielen Gelegenheiten an eure Pflicht, eure Kinder nicht nur im kulturellen und sozialen Bereich zu erziehen, sondern auch zum Glauben, zur christlichen Lebensführung und zu den menschlichen und bürgerlichen Tugenden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 35 und Nr. 41). Es ist klar, daß ihr bei der Kindererziehung auf die Mitwirkung anderer Personen zählt: der Lehrer in den Schulen, der Priester eurer Pfarreien, der Katecheten. Vergeßt aber niemals, daß eure Kinder in erster Linie von euch abhängen. Vergeßt nicht, daß ihr irdisches Glück und nicht selten sogar ihr ewiges Glück von eurem Beispiel und eurer Unterweisung abhängen. Wenn ihr mit euren Kindern betet, mit ihnen über das Wort Gottes nachdenkt, sie bei der Eucharistie und den anderen Sakramenten begleitet, werdet ihr in vollem Sinne Eltern sein: dann werdet ihr es erreicht haben, ihnen nicht nur das leibliche Leben zu schenken, sondern auch das ewige Leben in Christus. 7. Die Familie muß auch die Umgebung sein, in der die jungen Menschen zur Tugend der Keuschheit erzogen werden. Sie muß die erste Schule des Lebens für die Kinder sein, die sie auf die persönliche Verantwortung in jeder Hinsicht, auch in den Problemen der Sexualität, vorbereitet. Die Erziehung zu einer Liebe, die Selbsthingabe ist, ist unerläßliche Voraussetzung für eine offene und taktvolle Sexualerziehung, die zu leisten die Eltern aufgerufen sind. Gott hat gewollt, daß das Leben in der Liebesgemeinschaft der Ehe entstehe, und er will, daß die Kinder das Wesen dieses Geschenks in der Atmosphäre familiärer Liebe kennenlemen. Die christlichen Eltern haben das Recht und die Pflicht, ihre Kinder auch in diesem Punkt zu formen. Es ist logisch, daß sie auch auf diesem Gebiet die Hilfe anderer Personen erhalten. Die Kirche erinnert jedoch an das Prinzip der Subsidiarität, das die Schule oder jede andere Körperschaft auch dann beachten müssen, wenn sie bei der Sexualerziehung mit den Eltern Zusammenarbeiten, damit diese in dem von den Eltern gewünschten Sinn erteilt werde (vgl. Familiaris consortio, Nr. 37). Die Apostolische Ermahnung Familiaris consortio hebt hervor: „In diesem Zusammenhang ist die Erziehung zur Keuschheit völlig unverzichtbar als einer Tugend, die die wahre Reifung der Person fördert und sie befähigt, die ,bräutliche Bedeutung’ des Leibes zu achten und zu entfalten“ (Nr. 37). Eine Sexualkunde, die auf die moralischen Werte verzichtet, würde eine Verarmung der Person darstellen und zur Verdunkelung ihrer Würde beitragen. <363> <363> Die Familie hat von Gott den Auftrag erhalten, „erste und lebenswichtige Zelle der Gesellschaft“ zu sein (Apostolicam actuositatem, Nr. 11). Wie in einem lebendigen Organismus hängen Gesundheit und Kraft der Gesellschaft von der Gesundheit und Kraft der Familien ab, aus denen sie sich zusammensetzt. Deswegen sind Schutz und Förderung der Familie auch Schutz und Förderung der Gesellschaft selbst. Folglich muß diese als erste an der Entfaltung einer Kultur interessiert sein, deren Grundlage die Familie ist. Es gibt viele Gebiete, auf denen die bürgerliche Gesellschaft die Institutionen der Familie fördern kann, indem sie ihre Stabilität stärkt und ihre Rechte wahrt. Besonders möchte ich auf das Recht der Eltern hinweisen, frei und in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen ihre Kinder zu erziehen und dabei auf Schulen zählen zu können, in denen eine solche Erziehung erteilt wird. 458 REISEN Im Widerspruch zu diesem natürlichen Menschenrecht - das in der Universalen Menschenrechtserklärung anerkannt wird - gibt es in den Gesetzgebungen einiger Länder ernstliche Beschränkungen für seine Ausübung und Verwirklichung. In Situationen dieser Art können die Familienväter die Behörden ersuchen und sogar gemeinschaftlich von ihnen fordern, daß diese ihre Rechte als erste und grundlegende Verantwortliche für die Erziehung ihrer Kinder geachtet und verwirklicht werden. Es geht hier nicht darum, Privilegien zu erhalten; es ist etwas nach strikter Gerechtigkeit Zustehendes und muß seinen Niederschlag in der Gesetzgebung des Landes finden. Deshalb ist das Vorgehen der auf nationaler oder internationaler Ebene arbeitenden Eltemvereinigungen legitim, wenn sie innerhalb der festgesetzten Ordnung und im achtungsvollen Dialog mit den Obrigkeiten der Nation das Recht einfordem, ihre Kinder frei nach ihrem eigenen religiösen Glaubensbekenntnis zu erziehen und Schulen zu errichten, die diesem Recht entsprechen, und wenn sie Gesetze verlangen, die dieses Recht ausdrücklich anerkennen. Die christlichen Familien werden so zu einer starken Leuchte bürgerlicher Kultur für ihre Kinder und die nationale Gemeinschaft. 9. „Selig sind vielmehr die, die das Wort Gottes hören und es befolgen“ (Lk 11,28), sagt Jesus in dem Evangelium, das gerade verkündet wurde. Einen ähnlichen Segensspruch erbitten wir für alle mexikanischen Familien, für die Väter, die Mütter, die Söhne und die Töchter. Empfehlen wir alle Generationen Mexikos der Heiligen Familie von Nazaret! Möge jede Familie zur „Hauskirche“ werden, in der durch die Liebe die künftigen Männer und Frauen in ihrer Würde als Kinder göttlicher Erwählung heranreifen. Möge in jeder Familie wahr werden, was der Apostel Paulus im Galaterbrief schreibt: „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (Gal 4,6). Möge jede Familie dieses schönen Landes offen sein, diesen Geist aufzunehmen: den Geist Christi, der der Urheber der Heiligung des Menschen, der Ehe und der Familie ist. Mögen wir alle gemeinsam mit Christus in diesem Geist rufen können: Abba, Vater! Amen. Besitz ist nicht Lebenszweck Predigt in der Messe für Arbeiter und Unternehmer in Monterrey (Mexiko) am 10. Mai Geliebte Brüder und Schwestern! 1. Gelobt sei Jesus Christus! Gelobt sei Jesus Christus in dieser Stadt Monterrey, die'sich ihrer christlichen Wurzeln rühmt! Gelobt sei Jesus Christus in euren Familien und an den Stätten eurer Arbeit und eurer Erholung! Gelobt sei Jesus Christus für das Geschenk des Glaubens, der vor fast fünfhundert Jahren in euren Boden eingepflanzt wurde! Ich bin als Pilger gekommen, der Liebe und Hoffnung bringt; als Nachfolger des Apostels Petrus, um meine Brüder und Schwestern im Glauben zu stärken und so dem von Jesus empfangenen Auftrag (vgl. Lk 22,32) nachzukommen. Ich bin glücklich über die Begegnung in dieser schönen und arbeitsamen Hauptstadt des Staates Nuevo Leon, wo mir eine so herzliche Aufnahme zuteil wurde, die ich mit gleicher Liebe und Dankbarkeit erwidere. 459 REISEN Mein Friedensgruß gilt dem Herrn Erzbischof und den anderen bischöflichen Mitbrüdem, den Ordensleuten und Gläubigen - mit einem Wort, allen Bewohnern des nördlichen Mexiko. Ich grüße heute besonders herzlich die Welt der Arbeit, die meinem Herzen und meiner persönlichen Erfahrung als Arbeiter immer so nahe ist. Es wäre mein Wunsch, jedem von euch die Hand zu reichen, um meine Zuneigung und meine Wertschätzung für die Sendung der Arbeiter im Dienst der Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen. Durch eure Vermittlung möchte ich meinen Gruß allen Arbeitern dieser großen Nation zukommen lassen: denen, die in der Landwirtschaft, in der Industrie und im Fischfang tätig sind; denen, die in den Dörfern, in den Städten, in den Werkstätten und im Handel beschäftigt sind; den Unternehmern und allen Geistes- und Handarbeitern, welche die große mexikanische Arbeitswelt bilden. 2. Heute möchte ich mit euch über die Botschaft nachsinnen, die der Herr in dieser Feier der Eucharistie an uns richtet: „Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, daß ihr etwas anzuziehen habt ... Seht euch die Vögel des Himmels an ... Lernt von den Lilien des Feldes“ {Mt 6,25-26.28). Was bedeuten diese von Jesus Christus in der Bergpredigt ausgesprochenen Worte? Was wollten sie denen sagen, die sie zum ersten Mal hörten? Was sagen sie uns heute? Diese Worte des Evangeliums widersprechen anscheinend zahlreichen Kriterien und Haltungen, denen wir in der zeitgenössischen Welt begegnen. Für die heutige Menschheit und die heutige Gesellschaft nehmen Produktion, Verdienst und wirtschaftlicher Fortschritt anscheinend den Platz endgültiger, für das menschliche Verhalten maßgeblicher Werte ein. Nach diesen Kriterien werden die Menschen und Völker beurteilt und der Platz und die Bedeutung festgelegt, die man ihnen innerhalb der Gesellschaft zubilligt, bzw. die Macht, über die sie verfügen. Wenn man dieser Wertordnung moralisch zustimmt, verpflichtet man den Menschen, in jedem Augenblick den Besitz als einzigen Lebenszweck zu betrachten. Man bemißt demnach den Menschen nicht nach dem, was er ist, sondern nach dem, was er hat. <364> <365> <364> Jesus, der Lehrer der Bergpredigt, der die Seligpreisungen verkündigt, gibt uns vor allem zu verstehen, daß der Schöpfer und seine Geschöpfe über die Werke des Menschen erhaben sind. Der Mensch und die Gesellschaft können Zivilisation und Fortschritt fördernde Industriegüter insoweit produzieren, als in der geschaffenen Welt die für die Herstellung dieser Güter erforderlichen Mittel vorzufinden sind. Zu dir, dem Menschen, der befriedigt auf das Werk seiner Hände und die Frucht seines Erfindungsreichtums blickt, sagt Christus; vergiß nicht den, der der Ursprung alles dessen ist! Vergiß nicht den Schöpfer! Je tiefer du die Naturgesetze erkennst und je mehr du ihren Reichtum und ihre Möglichkeiten entdeckst, desto mehr mußt du dich seiner erinnern. Vergiß den Schöpfer nicht - sagt Christus - und achte die Schöpfung! Bediene dich bei der Durchführung deiner Arbeit auf rechte Weise der Mittel, die Gott dir gegeben hat! Verwandle die Reichtümer der Schöpfung mit Hilfe von Wissenschaft und Technik, mißbrauche jedoch die geschaffenen Güter nicht, eigne sie dir nicht widerrechtlich an und nütze sie nicht bedenkenlos aus! Zerstöre und verunreinige sie nicht! Gedenke deiner Mitmenschen, der Armen und der kommenden Generationen! 460 REISEN Liebe Brüder und Schwestern, all das sagt Christus insbesondere den Menschen unserer Zeit, die sich mehr und mehr der unbedingten Notwendigkeit bewußt werden, ihre Umwelt zu schützen. 4. Mit wieviel Liebe betrachten die Augen des Meisters und Erlösers die Schönheit der geschaffenen Welt! Die sichtbare Welt ist für den Menschen geschaffen, und so sagt Christus zu seinen Zuhörern: Seid ihr nicht viel mehr wert als die Vögel des Himmels und die Lilien des Feldes? (vgl. Mt 6,26.28). Freilich, wir sind in den Augen Gottes wichtiger. Der Wert des Menschen läßt sich an der Tatsache messen, daß er nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen wurde, was sich in seiner Natur als Person und in seiner Fähigkeit widerspiegelt, das Gute zu erkennen und zu lieben. Gerade deshalb jedoch kann der Mensch nicht dulden, daß sein geistiges Sein dem unterworfen wird, was in der Hierarchie der Geschöpfe einen niedrigeren Rang einnimmt. Er kann den letzten Daseinszweck nicht in jenen Dingen sehen, welche die Erde und die Zeitlichkeit des Geschaffenen bieten. Er kann sich nicht zum Diener der Dinge herabwürdigen, kann sie nicht als das einzige Ziel seines Lebens betrachten. Ganz im Gegenteil. Der Mensch ist dazu berufen, Gott mit all seinen Kräften - einschließlich seiner Arbeit — auf dieser Welt zu suchen. Nur in Gott begegnet er der Behauptung seiner Freiheit, seiner Herrschaft und seiner Erhabenheit über alle anderen Geschöpfe. Sollte diese ehrliche und tiefe Überzeugung manchmal zum Wanken kommen, so muß uns die Betrachtung der Natur daran erinnern, daß Gott, der sich so sehr um seine Geschöpfe sorgt, sicher darauf bedacht sein wird, uns nicht das Notwendige vorzuenthalten. <366> <367> <366> Den Menschen obliegt eine vordringliche Aufgabe: das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu suchen (vgl. Mt 6,33). Für diese Aufgabe müssen wir all unsere Kräfte einsetzen, ist doch dieses Reich Gottes „wie ein Schatz, der in einem Acker vergraben war, wie eine schöne Perle“, um es mit den Worten des Evangeliums zu sagen; und um es zu gewinnen, müssen wir alles nur Mögliche tun, ja, sogar „alles verkaufen“ (vgl. Mt 13,44.45), d. h., jede andere Sorge aus dem Herzen verbannen. In diesem Sinn muß auch die Arbeit ein Teil der Mühen sein, mit denen wir das Reich Gottes suchen. Wir müssen uns also vor einer Versuchung hüten: sie besteht darin, die irdischen Güter höher einzuschätzen als Gott. In diesem Sinn sagt Christus: „Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon“, denn „niemand kann zwei Herren dienen“ (Mt 6,24). Wenn das, was das biblische Symbol des „Mammon“ besagt, zum Gegenstand der höchsten und ausschließlichsten Liebe der Menschen und der Gesellschaft wird, stehen wir vor der Versuchung der Geringschätzung Gottes (vgl. ebd.). Aber können wir etwa nicht feststellen, daß diese Versuchung zumindest teilweise in unserer Welt anzutreffen ist? Können wir sie nicht auf besondere Weise in manchen Regionen und Völkern antreffen? Sind die verschiedenen Arten der Geringschätzung Gottes nicht bereits zur Tatsache geworden, und zwar in erster Linie im Bereich des menschlichen Denkens und dann in seiner praktischen Verwirklichung? Ist es nicht ein Programm für viele Menschen geworden, so zu leben, als ob es Gott nicht gäbe? 461 REISEN 6. Jesus von Nazaret spricht zu seinen Zeitgenossen, seine Worte dringen jedoch mit ihrer wunderbaren Kraft bis in unsere Tage und berühren unsere Probleme. Es sind die zeitlosen, den Menschen betreffenden Themen. Wir können aber oft eine Umkehr der Hierarchie der Werte feststellen: was zweitrangig und vergänglich ist, nimmt den ersten Platz ein, während aber an erster Stelle doch stets Gott stehen muß. Es könnte gar nicht anders sein. Deshalb sagt Christus: „Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,33). Was muß demnach geschehen, damit das Suchen des Reiches Gottes zu einer Wirklichkeit im Leben der Einzelmenschen, der Familien und der Gesellschaft wird? Wie es in der soeben vernommenen Lesung aus der Apostelgeschichte heißt, haben die wahren Jünger und Nachfolger Christi seit den Anfängen des Christentums versucht, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Im Bibeltext heißt es, daß die ersten Gläubigen „alles gemeinsam hatten“ (Apg 2,44). Diese Tatsache ist von großer Bedeutung. Das Suchen nach dem Gottesreich erfordert nämlich vor allem Gottes- und Nächstenliebe (vgl. Mk 12,34). In diesem Sinn stellten die ersten Gläubigen die irdischen Güter in den Dienst der Liebe, d. h., sie lebten das neue Leben, das sie empfangen hatten, im Hinblick auf das Gemeinwohl, auf den Dienst am Nächsten. Sie verkauften daher ihren Besitz und verteilten all ihren Gewinn gemäß den Notwendigkeiten eines jeden. Gleichzeitig pflegten sie ein weiteres gemeinschaftliches Element: „[Sie] brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Einfalt des Herzens“ (Apg 2,45-46). Wenige, aber höchst bedeutungsvolle Worte! Das Licht, das sie ausstrahlen, muß auch die Welt der Produktion und der Wirtschaft erleuchten, damit sie sich mit klarem Blick und mit Großmut für die Perspektive des Gemeinwohls öffnen. Das solidarische Bemühen um die Mitmenschen ist eine Forderung, die in der Welt der Arbeit an alle und an jeden einzelnen herantritt: an die Unternehmer und die Industriellen mit ihrer schwierigen Aufgabe, die Früchte der menschlichen Arbeit gerecht zu verteilen und Wohlstand und Arbeitsplätze zu schaffen, um so zur Erhöhung des gesellschaftlichen Wohlstandes beizutragen und die ganzheitliche Entwicklung der Menschen zu fördern; an alle, die in der Welt der Technik tätig sind, die „zweifellos eine Verbündete des Menschen [ist], sie erleichtert ihm die Arbeit, vervollkommnet, beschleunigt und vervielfältigt sie“ (Laborem exeicens, Nr. 5); schließlich an alle Arbeitenden, an jeden Menschen, der seine Arbeit auf das Wohl aller hinordnen muß. <368> <368> Viele von euch, geliebte Brüder und Schwestern, die ihr mir zuhört, können mit einer sicheren Arbeit rechnen, die zufriedenstellend ist und ihnen einen würdigen Unterhalt ihrer Familien gestattet. Für all das müßt ihr Gott danken. Wieviele sind jedoch nicht in der Lage, ihren Kindern Nahrung, Kleidung und die notwendige Ausbildung zu gewährleisten? Wieviele leben in der Enge eines Armenviertels, wo es an den einfachsten Infrastrukturen mangelt, weit entfernt von ihrer Arbeitsstätte, auf eine manchmal schlecht bezahlte und unsichere Arbeit angewiesen, die sie mit Angst und Mutlosigkeit in die Zukunft blicken läßt? Wieviele Kinder sind gezwungen, frühzeitig einer Arbeit nachzugehen; wieviele Arbeiter üben ihren Beruf unter gesundheitsschädlichen Bedingungen aus und verfügen nicht über die entsprechenden rechtlichen und assoziativen Mittel, um die Rechte des Arbeitnehmers angesichts von Mißbräuchen und schlechter Behandlung geltend machen zu können! 462 REISEN Diese schwierigen, ja manchmal dramatischen Situationen, in denen sich so viele der Welt der Arbeit angehörenden Menschen befinden, berühren mich zutiefst; sie sind an zahlreiche, nicht nur die Konjunktur, sondern auch die Strukturen betreffende Tatsachen gebunden, d. h., an die sozio-ökonomische und politische Struktur der Gesellschaft. Deshalb möchte ich, von der Sorge um die Bedürftigsten gedrängt, neuerlich zu sozialer Gerechtigkeit aufrufen. Ohne die guten Resultate in Abrede zu stellen, die von öffentlichen und privaten Initiativen in den freien Ländern gemeinsam unternommen wurden, können wir doch keinesfalls über die Mängel eines Wirtschaftssystems hinwegsehen, das nur allzu oft in erster Linie dem Gewinn und dem Verbrauch dient und den Menschen dem Kapital unterordnet, so daß er ohne Rücksicht auf seine persönliche Würde nur als Bestandteil einer riesigen Produktions-maschine betrachtet und die Arbeit als bloße Ware angesehen wird, welche dem Auf und Ab des Gesetzes von Angebot und Nachfrage unterworfen ist. 8. Zweifellos sind die Übel, welche die einzelnen und die Gesellschaft quälen, immer in der Sünde des Menschen verwurzelt. Deshalb ruft die Kirche unablässig zur Bekehrung des Herzens auf, damit alle solidarisch für die Schaffung einer Gesellschaftsordnung Zusammenarbeiten, die besser den Erfordernissen der Gerechtigkeit entspricht. Die Kirche kann sich auf keine Weise, von keiner Ideologie und keiner politischen Strömung das Banner der Gerechtigkeit entreißen lassen, die eine der vordringlichsten Forderungen des Evangeliums und der innerste Kern ihrer Soziallehre ist. Auch in diesem Bereich muß die Kirche in der Welt mit einem Wort zu den Werten und Grundsätzen gegenwärtig sein, die für das gemeinsame Leben, den Frieden, die Mitmenschlichkeit und den wahren Fortschritt richtungweisend sind. Eben deshalb muß sie sich allen Kräften widersetzen, die als dialektische Lösung von Konflikten für die Anwendung bestimmter Formen haßerfüllter Gewalt eintreten. Der Christ darf nicht vergessen, daß der edle Kampf für die Gerechtigkeit in keiner Weise mit dem Programm verwechselt werden darf, das „im Klassenkampf den einzigen Weg zur Beseitigung der klassenbezogenen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft und auch der Klassen selbst“ {Laborem exercens, Nr. 11) sieht. Da ich euch hier in Monterrey so zahlreich versammelt sehe, zusammengeführt durch euren christlichen Glauben und den Wunsch, dem Nachfolger Petri zu begegnen, drängt mich das Herz, zur Solidarität aufzurufen, zu einer die Grenzen überwindenden Verbrüderung. Das Wissen um die Tatsache, daß ihr Söhne und Töchter des gleichen Gottes und Brüder und Schwestern in Jesus Christus seid, muß euch unter dem Anstoß des Glaubens dazu bewegen, all euer solidarisches Bemühen dafür einzusetzen, daß dieses große Land gerechter, geschwisterücher und aufnahmebereiter werde. Ich sage das von dem dringenden Wunsch beseelt, eure geliebte Heimat möge sich, unter gebührender Rücksichtnahme auf ihre besten Traditionen und aufgrund der christlichen Grundsätze, die ihren Weg durch die Geschichte gekennzeichnet haben, eines materiellen und geistüchen Fortschritts erfreuen. Die Solidarität, zu der ich euch aufrufe, muß ihre tiefsten Wurzeln und ihre Nahrung in der heiligen Messe, dem heilswirkenden Opfer Christi, haben. Sie muß sich stets am Wort Gottes inspirieren, das unseren Lebensweg erleuchtet. 463 REISEN 9. Die Kirche hört ständig auf die Bergpredigt Christi. Sie verkündet allen Generationen das Evangelium, das auch Evangelium der Arbeit ist. In unserer Zeit hat das Evangelium angesichts der zahlreichen sozio-ökonomischen Entwicklungsprobleme und angesichts der Probleme, die das Kapital, die Produktion und die in einigen Regionen der Welt so ungleiche und ungerechte Verteilung der Güter betreffen, neue Aktualität erlangt. Mit der Liturgie unserer Eucharistiefeier loben wir Gott, indem wir ausrufen: „Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde“ (Ps 8,2). Der Christ kann daher nicht übersehen, daß der Name Gottes in seiner Größe die Erde erfüllt und daß er als Christ, ebenso wie alle anderen Menschen, dazu berufen ist, diesen Namen zu preisen. Er kann nicht darauf vergessen, daß letzten Endes alle Programme menschlicher Ökonomie sich dieser göttlichen Ökonomie unterwerfen müssen, die im Reich Gottes ihre Verwirklichung findet. „Euer himmlischer Vater weiß, daß ihr das alles braucht“ (Mt 6,32), sagt der Herr; er fügt jedoch hinzu: „Euch aber muß es zuerst um sein Reich und seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,32). Durch die Fürbitte der Mutter von Guadalupe erbitte ich heute, am Muttertag, den Reichtum der himmlischen Gnaden für euch, für eure Familien und für alle Arbeitnehmer Mexikos. Amen. Christus ruft zur Hoffnung Predigt beim Wortgottesdienst in Tuxtla Gutierrez am 11. Mai Geliebte Brüder und Schwestern! 1. Ich bin sehr froh in Tuxtla Gutierrez zu sein, der schönen Hauptstadt des Staates Chiapas, um dem Wortgottesdienst vorzustehen. An meiner Seite sind die Bischöfe dieses Pastoralge-bietes des Südpazifik sowie andere Brüder im Bischofsamt, gemeinsam mit einer großen Anzahl von Priestern und Ordensmitgliedem, die mit großherzigem Einsatz ihr Amt unter euch ausüben. Ganz besonders möchte ich, daß das Wort meiner Zuneigung und eine herzliche Umarmung alle Einheimischen und Bauern, meine geliebten Brüder, erreichen möge, elf lahre nach unserem ersten Treffen in Oaxaca bei meinem ersten Pastoralbesuch in Mexiko. Ich möchte mich lebhaft für die freundlichen Willkommensworte von Msgr. Felipe Aguirre Franco, dem Bischof dieser Diözese, bedanken, die in diesen Tagen das 25jährige Jubiläum ihrer kirchlichen Errichtung feiert. Bei dieser Gelegenheit möchte ich alle Gläubigen der Diözese Tuxtla Gutierrez beglückwünschen, und ihnen gleichzeitig meine besten Wünsche für eine an Früchten des christlichen Lebens reiche Zukunft aussprechen. Im Herrn grüße ich und bedanke ich mich für die Anwesenheit aller Gläubigen der anderen benachbarten Diözesen: Tehuantepec, Oaxaca, Mixes, Huautla, San Cristöbal de las Casas, Tapachula, die hier sind, begleitet von ihren Bischöfen, Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen sowie anderen Gottgeweihten. 464 REISEN In diesem Land von Chiapas, das Gott mit der Schönheit seiner Wälder und Berge gesegnet hat, und vor allem mit dem Reichtum seiner Völker und Kulturen, bin ich dankbar, Vertreter so vieler eingeborener Familien zu treffen. Mit euch möchte ich einen herzlichen Gruß und die Botschaft der Liebe des Evangeliums an alle Eingeborenen der Republik schicken, ebenso wie an unsere Brüder von Zentralamerika, die ihr Land und ihre Häuser verlassen mußten und hier Zuflucht gefunden haben. Zunächst möchte ich die Worte wiederholen, die ich vor elf Jahren in Oaxaca an euch gerichtet habe und die noch ihre volle Gültigkeit haben: „Der Papst und die Kirche sind mit euch und lieben euch: sie lieben euch als Menschen, sowie eure Kultur und eure Traditionen“. 2. In der ersten Lesung, die wir gehört haben, legt der Prophet Jesaja dem jüdischen Volk folgende Worte in den Mund: „Der Herr hat mich verlassen, Gott hat mich vergessen“ (/es 49,14). Aus Israel verbannt und gezwungen, in einem fremden Land zu leben, hatten die Israeliten jede Hoffnung verloren. Sie lebten in dem Gefühl, von Gott vergessen zu sein, von seiner Hand verlassen. Wie aktuell wirken diese Worte! Wie viele von euch könnten, in einer Situation der Verbannung, des Exils, ebenso wie jene Israeliten versucht sein, so zu sprechen! Es sind Worte, die noch heute einen tiefen Pessimismus ausdrücken. Angesichts so großer Ungerechtigkeit, so tiefen Schmerzes und so vieler Probleme kann ein Mensch dazu kommen, sich von Gott verlassen zu fühlen. Ihr selbst, meine Brüder, werdet schon Ähnliches empfunden haben: die Härte des Lebens, den Mangel an Mitteln, das Fehlen an Möglichkeiten, eure Ausbildung und die eurer Kinder zu verbessern, die andauernde Hetze gegen eure traditionellen Kulturen und vieles andere, das zur Mutlosigkeit führen könnte. Aber auch diejenigen, die in mühseliger Suche nach dem notwendigsten Minimum zum Überleben Haus und Heimat verlassen mußten, könnten sich vergessen fühlen. Wirklich, manchmal sind Ungerechtigkeit, Schmerz und Leiden dieser Welt so stark, daß die Versuchung verständlich wird, die Worte Jesajas zu wiederholen. Sie sind wie ein anhaltender Klagegesang, der durch die Geschichte jedes Menschen und der ganzen Menschheit tönt. <369> <369> Dennoch, nach diesen bitteren Worten, nach dieser Klage aus der Tiefe des Herzens, gibt der Prophet die Antwort Gottes wieder: „Kann denn eine Mutter ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht“ (/es 49,15). Meine Brüder, es mag bittere Momente in eurem Leben geben; es kann mehr oder weniger lange Perioden geben, in denen ihr euch von Gott verlassen fühlt. Aber wenn einmal in euch die Versuchung der Mutlosigkeit auftaucht, erinnert auch an diese Worte der Heiligen Schrift: auch wenn eine Mutter ihren leiblichen Sohn vergessen würde, Gott wird uns nicht vergessen. Und der Prophet fügt hinzu: „So spricht der Herr: Zur Zeit der Gnade will ich dich erhören, am Tag der Rettung dir helfen“ (/es 49,8). Gott hält uns immer gegenwärtig, Gott schaut auf uns mit besonderer Zuneigung, da wir seine geliebten Kinder sind. Von dieser göttlichen Vorsehung spricht uns auch Jesus im Evangelium: „Seht euch die Vögel des Himmels an: sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie ... Lernt von den Lilien, die auf dem Feld wachsen ... 465 REISEN Wenn aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, das heute auf dem Feld steht und morgen ins Feuer geworfen wird, wieviel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen!“ (Mt 6,26.28.30). Diese Worte Christi sind ein Aufruf zur Hoffnung. Wenn Gott sich mit väterlicher Sorge um die Vögel des Himmels kümmert; wenn Gott die Gräser des Feldes kleidet, wie kann er sich dann nicht um den Menschen kümmern? Wie könnte er das einzige Geschöpf der Erde verlassen, das er um seiner selbst willen geliebt hat? (vgl. Gaudium et spes, Nr. 24). 4. Die christliche Hoffnung hat vor allem ein Ziel jenseits dieses Lebens; es ist die Tugend, durch die wir unser Vertrauen in Gott setzen, der uns die Gnade schenkt, die wir brauchen, um in den Himmel zu kommen. Dort vor allem werden sich die Worte, die wir eben gehört haben, erfüllen: „Alle Berge mache ich zu Wegen, und meine Straßen werden gebahnt sein“ (Jes 49,11). „Sie leiden weder Hunger noch Durst, Hitze und Sonnenglut schaden ihnen nicht. Denn er leitet sie voller Erbarmen und führt sie zu sprudelnden Quellen“ (Jes 49,10). Dennoch ist die christliche Hoffnung auch Hoffnung für dieses Leben. Gott will das Glück seiner Kinder, auch hier in dieser Welt. „Die Kirche“ - so habe ich in der Enzyklika Sollicitudo rei socialis geschrieben - „weiß wohl, daß kein zeitliches Werk mit dem Reich Gottes gleichzusetzen ist, sondern alle Werke nur ein Spiegelbild und in einem gewissen Sinne eine Vorwegnahme der Herrlichkeit jenes Reiches darstellen, das wir am Ende der Geschichte erwarten, wenn der Herr wiederkommt. Aber diese Erwartung dürfte niemals eine Entschuldigung dafür sein, sich nicht für die Menschen in ihrer konkreten persönlichen Lage und ihrem gesellschaftlichen Leben zu interessieren, und dies auf nationaler wie auf internationaler Ebene, denn diese beeinflußt jene, vor allem heute. Nichts von dem, was man durch die solidarische Anstrengung aller und mit Hilfe der Gnade Gottes in einem bestimmten Augenblick der Geschichte verwirklichen kann und muß ..., um das Leben der Menschen .menschlicher’ zu gestalten, wird verloren oder vergeblich sein“ (Nr. 48). 5. „Euch aber muß es zuerst um sein Reich und seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,33). Was will der Herr mit diesen Worten sagen? Was bedeutet dieses vorrangige Ziel? Was müssen wir tun, um zuerst sein Reich zu suchen, das Reich Gottes? Ihr kennt die Antwort gut. Ihr wißt, daß ihr, um das ewige Leben zu erlangen, die Gebote befolgen müßt, ihr müßt in Übereinstimmung mit den Lehren Christi leben, die uns beständig durch die Kirche vermittelt werden. Darum, liebe Brüder, fordere ich euch auf, euch immer als gute Christen zu verhalten, die Gebote zu befolgen, am Sonntag zur heiligen Messe zu gehen, eure christliche Ausbildung zu pflegen, indem ihr zur Katechese geht, die eure Priester euch anbieten, regelmäßig zu beichten, zu arbeiten, gute Väter und treue Ehemänner zu sein, und gute Söhne und Töchter. Laßt euch nicht vom Laster verführen, wie vom Mißbrauch des Alkohols, der so viele Verheerungen anrichtet. Gebt euch auch nicht für die Beteiligung am Drogenhandel her, der die Ursache für die Zerstörung so vieler Menschenleben auf dieser Welt ist. 6. Neben dieser Anstrengung, christlich zu leben, müßt ihr euch auch dafür einsetzen, eure menschliche Situation unter ihren verschiedenen Aspekten zu verbessern; kulturell, wirt- 466 REISEN schaftlich, sozial und politisch. Die Suche nach dem Reich Gottes beinhaltet auch diese edlen menschlichen Realitäten. Jene Worte des Herrn, der den Dienern im Gleichnis befiehlt: „Macht Geschäfte damit, bis ich wiederkomme“ (Lk 19,13), dürfen nicht nur in einem rein geistigen Sinn verstanden werden, als wäre der Mensch nur Seele. Christus warnt uns vor der Gefahr, die Wertordnung auf den Kopf zu stellen und die Geschöpfe mehr als den Schöpfer zu lieben: „Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon“ (Mt 6,24). Aber er warnt uns auch vor der Gefahr der Faulheit und der Feigheit, vor der Gefahr, die Talente, die Gott uns geschenkt hat, zu vergraben (vgl. Mt 25,25). Die menschliche Entwicklung trägt bei zur Errichtung des Gottesreiches (vgl. Gaudium etspes, Nr. 39). Und an dieser Entwicklung muß jeder mitwirken (vgl. Paul VI., Populorum progressio, Nr. 55). Als erstes müssen jene mitwirken, die eine größere soziale Verantwortung haben oder größere wirtschaftliche Möglichkeiten. Diese müssen sich erinnern, daß sie nur Verwalter dieser Güter sind, und daß sie über ihre Verwaltung Rechenschaft werden geben müssen (vgl. Lk 16,2). Doch auch die weniger Begünstigten müssen mitwirken. Was ich in der Enzyklika Sollicitudo rei socialis bezüglich der Länder schrieb (Nr. 44), gilt auch für die einzelnen Menschen: die menschliche Entwicklung verlangt den Geist der Initiative von eben den Menschen, die ihrer bedürfen. Jeder einzelne muß in Übereinstimmung mit seiner eigenen Verantwortung handeln, ohne alles von den sozialen und politischen Strukturen oder von der Fürsorge zu erwarten, oder von der Hilfe anderer Menschen mit mehr Möglichkeiten. „Jedes Land muß den Raum der eigenen Freiheit, soweit wie mögüch, entdecken und ausnützen. Jedes sollte sich die Fähigkeit verschaffen zu Initiativen, die den eigenen sozialen Bedürfnissen entsprechen“ (ebd.). Daher, liebe Brüder und Schwestern, müßt ihr die Mittel, die euch zur Verfügung stehen, ein-setzen, gleichzeitig jedoch bewußt, daß wir in Gott unser ganzes Vertrauen setzen: „Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine Zeitspanne verlängern?“ (Mt 6,27). 7. Anwesend unter uns heute sind Brüder und Schwestern aus Zentralamerika, die ihren Heimatort verlassen mußten, um Zuflucht und bessere Lebensbedingungen zu suchen. Viele von ihnen leben unter dramatischen Bedingungen aufgrund mangelnder Mittel, Unsicherheit und der ängstlichen Suche nach einer angemessenen Behausung. Ihnen möchte ich die Worte meiner letzten Botschaft zur Fastenzeit an die Kirche wiederholen: „Wir begleiten euch und stehen euch auf eurem schweren Weg bei. Wir sehen in allen von euch das Angesicht Christi, des Flüchtlings, und erinnern uns an das, was er gesagt hat: ,Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan’ (Mt 25,40)“ (Nr. 5). Ich weiß, daß die mexikanischen Diözesen, in denen Flüchtlingslager sind, das Möglichste tun, um den Empfang zu organisieren und den Flüchtlingen in ihren Bedürfnissen beizustehen. Die Bischöfe Guatemalas anerkennen diese Geste, die ein Ausdruck innerkirchlicher Gemeinschaft ist, und sind dankbar für sie. Ich schließe mich ihnen an in ihrem Ruf nach Solidarität, Nächstenliebe und Gerechtigkeit, um den vielen Brüdern und Schwestern zu helfen, die, fern von ihren Heimatorten, unter so vielen Entbehrungen leiden müssen. <370> <370> Meine Botschaft von heute, ihr Geliebten, möchte eine neue Einladung zur Hoffnung sein, eine Einladung, uns in die Hände Gottes zu legen in dem Wissen, daß er sich liebevoll um uns 467 REISEN kümmern wird. Der Herr sagt es uns im Matthäusevangelium, das wir gehört haben: „Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht sehr viel mehr wert als sie?“(M£ 6,26). Aber dies muß eine aktive und verantwortungsbewußte Hoffnung sein, die zur Arbeit und zum persönlichen Einsatz amegt. Eben dieser Hoffnung gab die Botschaft unserer Lieben Frau von Guadalupe an Juan Diego Ausdruck, um ihm Vertrauen und Kraft für die ihm auferlegte Aufgabe zu geben: „Höre und verstehe, mein Sohn, und magst du noch so klein sein: Es soll nichts geben, was dich erschrecke und belaste; laß dein Herz nicht betrüben; fürchte nicht diese Krankheit oder eine andere Krankheit und Drangsal. Bin nicht ich hier, deine Mutter? Bist du nicht unter meinem Schatten? Bin ich nicht deine Gesundheit? Bist du vielleicht nicht in meinem Schoß?“ (Nican Mopohua). Wie Juan Diego, der geliebte Sohn der mexikanischen Erde, den ich seligsprechen durfte, so werdet auch ihr in der Jungfrau von Guadalupe Trost im Schmerz und die christliche Kraft zur Überwindung der Schwierigkeiten finden. Mit einem Ruf der Hoffnung sagt uns der Prophet: „Jubelt, ihr Himmel, jauchze, o Erde, freut euch, ihr Berge! Denn der Herr hat sein Volk getröstet und sich seiner Armen erbarmt“ (/es 49,13). Nun möchte ich noch einen Gruß in Tzotzil an euch richten: Bauern und Eingeborene, meine Brüder: Jesus nennt euch, wie all seine Jünger „Salz der Erde und Licht der Welt“ (Mt 5,13). „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mt 16,15). Auch ein Gruß in Zoque: Bauern und Eingeborene, meine Brüder: Der Papst möchte, daß ihr alle stark seid im Glauben, daß ihr das Evangelium verkündet, die Gewalt meidet, das Leben und die Natur respektiert, eurer Würde als Arbeiter auf dem Feld seines Reiches bewußt. Mit euch rufe ich aus: „Komm Herr Jesus!“ 468 REISEN Christus ist das Fundament und der Schlußstein der Kirche Ansprache bei der Segnung der Kathedrale und Gruß an die Kranken in Villahermosa (Mexiko) am 11. Mai Lieber Herr Bischof Rafael Garcla Gonzales, liebe Priester, Ordensleute und Gläubige! Euch, der ganzen Bevölkerung von Villahermosa und dem ganzen Staat Tabasco meinen herzlichen Gruß! Auch die Seminaristen möchte ich grüßen, die ihre Anwesenheit durch ihr Rufen vernehmbar machen. 1. Bevor ich die Sühnekapelle der Kathedrale segne, möchte ich kurz verweilen und mit euch über die Bedeutung dieser Zeremonie nachdenken. Weil die Kathedrale der beste konkrete Ausdruck der Diözese ist, begegne ich heute in ihr als einem Ort der Zusammenkunft vergangener, gegenwärtiger und kommender Generationen der Kirche Gottes, die in Tabasco lebt. Denn ihre Mauern reden zu uns von all den Christen - Priester, Ordensleute und Laien -, die von der ersten Verkündigung des Evangeliums an mit Glauben und Liebe, mit Gebet und Opfer Mitarbeiter Christi beim Aufbau seiner Kirche in Tabasco waren. Überdies ist die Kathedralkirche das sichtbare Zeichen der geistigen Wiedergeburt in Tabasco. Sie beweist, daß ihr mit eurem Glauben nichts anderes ins Leben rufen wolltet als die Kirche Christi auf dem Fundament der Apostel. Deswegen muß die Kathedrale der bleibende Bezugspunkt sein, auf den alle Gläubigen von Tabasco ihren Blick richten. In ihr fließen symbolisch eure Einheit mit Christus und seiner ganzen Kirche zusammen; sie wird immer von euch Treue, Mitarbeit und Engagement fordern, um sich weiter zu verbreiten in Werken der Evangelisierung und der Nächstenliebe. <371> <372> <373> <371> Der hl. Paulus richtet an die Christen von Ephesus einige Worte, die mir für diesen Augenblick sehr passend erscheinen: „Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlußstein ist Christus Jesus selbst... im Heiligen Geist“ (Eph 2,19-22). Der Schlußstein und das Fundament des Gebäudes der Kirche ist Jesus Christus. Deswegen habt ihr mit der Weisheit des Evangeliums entschieden, daß diese Sühnekapelle das erste Teilstück der Kathedrale sein soll. Und um das zu unterstreichen, wird das Allerheiligste Altarssakrament ständig in der Sühnekapelle ausgesetzt bleiben und auch von nächtlicher Anbetung begleitet werden. Und neben dem sakramentalen Jesus wird das Bild des gefangengenommenen Gottessohnes, des Christkönigs, des Herrn von Tabasco, stehen. So wird die Kathedrale auf vielsagende Weise den zentralen Punkt darstellen, den Jesus Christus immer im Leben der ganzen Diözese und eines jeden von euch einnehmen muß. Genauso, wie ihr es nun bei diesem Bau gemacht habt, müßt ihr euch dann auch beim Aufbau eures Lebens als eines gottgeweihten Tempels bemühen. Verhaltet euch immer, wie der hl. Paulus sagt, als kluge Baumeister, die ihre Existenz auf dem richtigen Fundament, dem 469 REISEN einzigen soliden Grund, Jesus Christus, aufbauen (vgl. 1 Kor 3,10-11). Auf ihn, der durch die Gnade in euch gegenwärtig ist, muß all euer Sein und Handeln begründet sein. Wenn ihr so lebt und Christus als Mittelpunkt bewahrt, werden die Worte des hl. Petrus in eurem Leben Wirklichkeit: „Laßt euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen“ (i Petr 2,5). Während jeder einzelne ein Tempel des Heiligen Geistes ist, werdet ihr gleichzeitig die lebendigen Steine sein, die Christus braucht, um seine Kirche in Tabasco weiterzubauen. 3. Ich möchte mich jetzt an die hier anwesenden Kranken und an alle wenden, die in der Republik Mexiko an Krankheiten leiden. Ich wende mich an euch alle, die ihr leidet, um euch wieder einmal zu sagen, daß ihr wirklich im Herzen des Papstes einen bevorzugten Platz einnehmt: Der Papst wie die ganze Kirche erfahren durch euren Schmerz, den ihr Gott zusammen mit dem Leiden Christi aufopfert, eine starke Hilfe bei der Erfüllung des Auftrags, den der Herr ihnen aufgegeben hat. Wenn wir Christen alle als lebendige Steine die Kirche Jesu Christi bilden, dann seid ihr Kranken in gewisser Weise das Fundament dieses Gebäudes. Christus, der starb und auferstand, ist das Fundament und der Schlußstein, und zusammen mit ihm seid ihr es, die an einem scheinbar verborgenen Platz der Konstruktion Festigkeit gebt, wenn ihr euren Schmerz mit dem heilbringenden Leiden des Erlösers vereint. 4. Das Evangelium überliefert uns zahlreiche Beispiele für das Verhalten Jesu zu den Kranken: zum Blinden, der am Wege saß und rief (vgl. Mk 10,46ff.), zu der Frau, die an Blutungen litt (vgl. Lk 8,40ff.), zu dem Mann mit der verdorrten Hand (vgl. Mt 12,9ff.), der Frau mit dem verkrümmten Rücken (vgl. Lk 13,1 lff.) und zu den Aussätzigen (vgl. Lk 17,12ff.). Viele kommen wegen ihrer Krankheit zu Christus. Vielleicht hätten sie sich nicht an ihn gewandt, wenn sie gesund gewesen wären. Brüder und Schwestern, liebe Kranke, ihr wißt das, ihr habt diese Erfahrung gemacht: Die Krankheit bringt uns, wenn man sie annimmt, näher zu Christus. Die Krankheit erreicht es zuweilen, daß der Mensch von seinem Podest der Arroganz herunterstürzt und sich als das erkennt, was er ist: arm, hilflos und der Hilfe Gottes bedürftig. Die Krankheit führt häufig zu radikalen Veränderungen im Leben der Beziehung einer Person zu Gott: „Hab Vertrauen, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben!“ (Mt 9,2), das sind die ersten Worte, die der Gelähmte von Kafamaum hört. „Jetzt bist du gesund; sündige nicht mehr, damit dir nicht noch Schlimmeres zustößt“ (Joh 5,14), sagt der Herr zu dem gelähmten Kranken am Teich Betesda. Viele Wunder wirkte der Herr am Leib dieser Kranken, doch mehr und wichtigere an ihrer Seele. <374> <374> Diese Heilungen dienen Christus dazu, die Ankunft des Gottesreiches anzuzeigen: „Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet“ (Mt 11,4-5). Die Kranken im Evangelium sind Zeichen des Gottesreiches, wenn sie geheilt werden; auch ihr seid Zeichen des Gottesreiches, und das in noch größerem Maße, wenn ihr den Willen Gottes annehmt und eure Krankheit mit Freude lebt. 470 REISEN 6. Versteht ihr jetzt, warum die Kirche mit Vorliebe auf euch blickt? Versteht ihr, warum sich die Kirche besonders auf euch stützt? Versteht ihr, warum der Papst euch um den Schatz eurer Leiden bittet, um die Neuevangelisierung Tabascos, der Republik Mexiko und der ganzen Welt zu verwirklichen? In eurem kranken Körper, in eurem Leiden, in eurer Schwäche und vor allem in eurer Freude, wo immer ihr mit Christus vereint seid, findet die Kirche die Kraft, das Evangelisierungswerk auszuweiten, das er ihr anvertraut hat. Bevor ich schließe, möchte ich allen meine größte Hochachtung bekunden, die in Krankenhäusern, Sanatorien, Pflegeheimen und in den mexikanischen Familien ihre beruflichen Fähigkeiten und ihre Fürsorge einsetzen, um den Brüdern und Schwestern, die leiden, Linderung und Heilung zu bringen. Euch, die hier anwesenden Kranken, und alle, die diese Begegnung über Radio und Fernsehen miterleben, empfehle ich der mütterlichen Sorge Unserer Lieben Frau von Guadalupe, und ich erteile euch in Liebe einen besonderen Apostolischen Segen. Die Einheit mit Christus in der Kirche neu beleben Predigt bei der Eucharistiefeier in Villahermosa (Mexiko) am 11. Mai „Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe“ (Eph 4,5) 1. Der Völkerapostel ermahnt uns als Gefangener in Rom, mit Eifer Sorge zu tragen für die Einheit der Kirche. Er selbst ist heroischer Zeuge dieser Einheit, die Geschenk und Gnade des Heiligen Geistes ist; dieser Einheit, die Christus so sehr ersehnte und um die er zum Vater betete: „Alle sollen eins sein ... damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Deswegen drängt uns der heilige Paulus, „die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält. Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist“ (Eph 4,3-4). Ja, Christus ist ein einziger: „Ein Herr“; und deswegen haben wir auch nur „einen Glauben, eine Taufe“ (Eph 4,5). Christus ist ein einziger, und deswegen ist ein einziger auch der Geist, der in den Herzen wirkt und den Leib Christi, die Kirche, aufbaut. Deswegen ist auch die Kirche nur eine einzige. Diese Einheit der Kirche entspringt der Einheit Gottes, und die Kirche muß diese in der Welt darstellen. Denn es gibt nur „einen Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,6). <375> <376> <375> Im Gedenken an dieses Geheimnis der Kirche, in dem wir alle vereint sind, freue ich mich, euch alle und jeden einzelnen von euch zu begrüßen. In erster Linie den Herrn Bischof von Tabasco, Rafael Garcla Gonzalez, und die lieben Bischöfe dieser Kirchenprovinz Yucatan. In ihnen und in euch hier Anwesenden - Priestern und Diakonen, Ordensmännem und Ordens-frauen, Männern und Frauen jeden Standes — grüße ich alle Gläubigen der ländlichen Siedlungen von Tabasco und der ganzen Halbinsel Yucatan. Die Geschichte eurer Gemeinschaft ist durch diese kirchliche Einheit bereichert worden. In ihr ist die Liebe zu allen Menschen, besonders den Armen gegenwärtig, die das Leben des ehrwürdigen Leonardo Castellanos, des armen Bischofs, durchdrungen hat. In ihr reift die 471 REISEN Hingabe des Indios Gabriel Garcla, der sein Leben für den Glauben opferte. Von ihr wurde das Wachstum der Kirche in dieser Region angetrieben. Diese Realität ist nicht nur Vergangenheit, sondern sie schickt sich an, sich mit der Hilfe des Heiligen Geistes zu erneuern durch die Diözesan-Pastoralsynode, um weiter ihren Weg gehen zu können. Angesichts dieser ermutigenden Realität möchte ich einen besonderen Gruß an die Chontales und die Choles richten: In der Sprache der Chontales: Meine Brüder Chontales! Der Papst liebt euch sehr und ermuntert euch, dem Beispiel eures Vorfahren, des Indios Gabriel Garcla, nachzustreben, der sein Leben für den Glauben hingab. So sollen auch die Chontales ihrem Glauben treu sein. In der Sprache der Choles: Wie geht es euch, meine Brüder Choles? Ich bin gekommen, um euch hier in Tabasco zu besuchen. Ich möchte, daß ihr euch darüber klar werdet, welche Bedeutung es für euch hat, mit der Diözesansynode weiterzugehen. In spanischer Sprache fuhr der Papst fort: 3. Hier in Villahermosa denken wir heute mit tiefer Freude über das Geheimnis der Kirche nach, die Christus als eine einzige gestiftet hat. Sie ist eine einzige, weil sie Ausdruck der Einheit Gottes selbst, der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ist (vgl. Lumen Gentium, Nr. 4). Sie ist eine einzige, weil sie das Heilswerk des einen und dreifältigen Gottes verwirklicht. Das Erlösungswerk Christi erstreckt sich auf alle Menschen und Völker, um sie zur Einheit Gottes zu führen. Wir denken heute über dieses Geheimnis nach und erheben unsere innigen Gebete um die Einheit der Kirche zu Gott. In unserem Gebet richten wir unseren Blick auf den Abendmahlssaal in Jerusalem. Dort verharrten die Apostel „einmütig im Gebet, zusammen ... mit Maria, der Mutter Jesu“ (Apg 1,14). Im Gebet bereiteten sie sich auch auf den Pfingsttag vor. An ihm wird sich die Kirche, die aus der offenen Seitenwunde Christi am Kreuz geboren wurde, mit der Kraft des Geistes der Wahrheit vor der Welt zu erkennen geben und Zeugnis für diese göttliche Einheit ablegen. In unseren Gebeten für die Einheit der Kirche in der Welt, für die Einheit der Kirche in Mexiko rufen wir besonders die Fürbitte Marias, der Mutter der Kirche, an. Zu ihr flehen wir, daß die Christen zur Einheit mit Christus in der Kirche gelangen möchten, damit sie so durch den lebenspendenden Geist in der Treue geheiligt, „durch Christus in demselben Geist Zugang zum Vater haben mögen“ (Lumen Gentium, Nr. 4). Und wem könnten wir diese Einheit besser empfehlen als der Muttergottes? Es handelt sich um unser aller Einheit mit Christus als „Reben am Weinstock“ (vgl. Joh 15,1). <377> <378> <379> <377> Meine Brüder und Schwestern, während wir dieses Geheimnis betrachten, halten wir uns die traurige Tatsache vor Augen, daß einige dieses Band der heilbringenden Einheit zerrissen haben, indem sie sich Sekten angeschlossen haben. Und andere werden aus Mangel an Glauben von Zweifeln und Wankelmut angefochten. 472 REISEN All das muß eine Aufforderung sein, eure Einheit mit Christus in der Kirche neu zu beleben, indem ihr es als eigene Verantwortung übernehmt, die Schwankenden zu stützen und die Weggegangenen oder Gleichgültigen wieder zurückzugewinnen. Man darf sich keine Anstrengung ersparen, wenn es dämm geht, ein einmütiges Zeugnis zur Einheit abzulegen. Zugleich muß man dafür sorgen, daß dieses Band der Einheit mit Christus sich in einem christlichen Leben auswirkt, das wirklich auf ihn als den Mittelpunkt ausgerichtet ist. Keiner von euch, kein Katholik in Mexiko kann sich dieser Verantwortung entziehen. Und wenn ihr mit Großmut und Entschlossenheit darauf antwortet, wird in euren Gemeinden ein neues Wachstum, eine erneuerte Vitalität der Kirche entstehen. 5. Diese Anforderungen eines Gemeinschaftssinnes, der in der Wahrheit und in der Liebe gründet, müssen euch anspomen, eure Einheit mit Christus zu erneuern und mit ihm verbunden zu sein wie die Rebe mit dem Weinstock. Ihr seid vor allem aufgefordert, Frucht zu bringen, wie der Herr sie erwartet. Und worin besteht dieses Fruchtbringen? Die Antwort läßt sich so zusammenfassen: Darin, daß ihr die Brüder und Schwestern selbstlos liebt bis zur letzten Konsequenz, wie Jesus uns am Kreuz geliebt hat. Jede Tätigkeit - die Arbeit und die Muße, das familiäre und das gesellschaftliche Leben, die Ausübung eurer politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Aufgaben - muß als Lebensnerv diese Grundeinstellung der Liebe und des Dienstes haben (vgl. Lumen Gentium, Nr. 10). Wenn ihr so lebt, wird euer Herz zu einem Altar werden (vgl. Augustinus, Gottesstaat, X, 3), um Opfer darzubringen, die Gott durch Jesus Christus wohlgefällig sind. Gleichzeitig werdet ihr Träger des Friedens und der Versöhnung sein. Überall, wo ein Christ sich bemüht, wie Christus zu lieben, entsteht eine Atmosphäre der Herzlichkeit, der Zuneigung, des Verständnisses und des abgeklärten und wirkungsvollen Strebens nach Solidarität und Gerechtigkeit. 6. In diesem Prozeß des Wachstums zu der von Christus gewünschten Einheit hin zeigt sich das Wesen der Kirche als einer Gemeinschaft, in der Brüderlichkeit regiert, und in der es gleichzeitig verschiedene Dienste gibt (vgl. 1 Kor 12,5). Die Küche ist, weil sie am göttlichen Leben der Dreifaltigkeit teilhat, ein Mysterium der Gemeinschaft, das sich im Umkreis einer jeden küchlichen Gemeinschaft offenbaren muß. Diese Gemeinschaft hat ihr Fundament in der Einheit des christlichen Glaubens, der christlichen Hoffnung und der christlichen Liebe, welche die Taufe uns schenkt. Sie wüd beständig gestärkt durch die Teilnahme an der Eucharistie als dem höchsten Ausdruck der Einheit der Küche. Sie wüd erneuert durch das Sakrament der Umkehr oder der Buße. Sie verwüklicht sich im Teilen der eigenen Güter und durch die persönliche Verfügbarkeit. Gleichzeitig ist diese küchliche Gemeinschaft aufgerufen, unter den Brüdern und Schwestern, in deren Mitte sie, vom Heiligen Geist bewegt, wükt, Sauerteig der Versöhnung und des Friedens zu sein. <380> <381> <380> Eben dieser Gemeinschaft steht in jeder Ortsküche der Bischof vor, in Einheit mit dem Papst als dem Bischof von Rom und Nachfolger des Petrus. Der Papst seinerseits ist der Mittelpunkt des Kollegiums oder der Gemeinschaft der Bischöfe, denn er ist das Haupt der Küche, das „den Vorsitz in der Liebe“ führt (Hl. Ignatius von Antiochien, Brief an die Römer). ATS REISEN Gleichzeitig verwirklicht sich diese Gemeinschaft in der Kirche in ihren verschiedenen Gemeinden, denen die Priester vorstehen; diese wiederum haben als unmittelbare Mitarbeiter der Bischöfe teil an deren Hirtensorge für den Dienst am Volk (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28). Der Priester, der ein erbarmendes Herz für alles menschliche Elend hat, muß vor allem für die verfügbar sein, die leiden. Auf diese Weise kann sich die Kirche vor der Welt darstellen als „ein Reich der Wahrheit und der Liebe, der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens, auf daß alle in ihr einen Grand zur Hoffnung finden“ (Eucharistisches Gebet, V/b). 8. Wenn ich an den großen Wert und das große Geschenk der Einheit erinnere, kommen mir die Menschen in den Sinn, die der katholischen Kirche den Rücken gekehrt haben. An sie wende ich mich jetzt mit der Besorgnis, die meine Seele beunruhigt. Ich möchte jedem von euch einzeln begegnen und euch sagen: Kehrt zurück in den Schoß der Kirche, eurer Mutter! Die Jungfrau von Guadalupe mit ihrem „teilnahmsvollen Blick“ wollte euch ihren Sohn zeigen, den „einzigen wahren Gott, durch den wir leben“; sie hat ihn verherrlicht, indem sie „ihn mit all seiner persönlichen Liebe geoffenbart hat“ (vgl. Nicon Mopohua, 26-28). Im Grunde eures Herzens seid ihr davon überzeugt: Sie hat euch nicht täuschen können. Sie ist immer an eurer Seite gewesen, in allen Ungewißheiten eures Lebens; und sie hat euch gehört in allen euren Bedürfnissen. Vielleicht hat euch, wie es dem Juan Diego geschah, eine zugleich geistliche und materielle Sorge dazu gebracht, der Begegnung mit der seligsten Jungfrau auszuweichen, ihr den Rücken zu kehren (vgl. ebd., 94-103). Möglicherweise seid ihr allein geblieben mit dieser Sorge und habt gedacht, Gott nahezukommen, hänge vor allem vom eigenen Bemühen ab. Vielleicht seid ihr sogar zu dem Glauben gelangt, man müsse den katholischen Glauben beiseiteschieben, wenn man wirtschaftlichen Wohlstand erreichen will. Und zu diesen Gründen können noch viele andere kommen, wie etwa der, daß ihr euch in einer kleinen Gruppe, unter bekannten Leuten, die sich gegenseitig helfen, besser angenommen fühlt. Nun denn, ich lade euch herzlich ein, all das vor der Jungfrau von Guadalupe zu erwägen. Spürt, daß sie euch - wie dem Juan Diego - in allen euren Sorgen und Ängsten hilft und euch heute wiederholt: „Bin nicht ich da, deine Mutter?“ (ebd., 19). Kehrt also zurück, ohne Angst! Die Kirche erwartet euch mit offenen Armen, um euch zur Begegnung mit Christus zu führen. Nichts würde den Papst auf dieser Pastoraireise durch Mexiko glücklicher machen als die Rückkehr derer, die fortgegangen sind, in den Schoß der Kirche. Möge Christus euch erleuchten und zur Umkehr bewegen! <382> <382> „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen“ (Ps 23,1). Diese stärkenden Worte des Psalms lassen uns die Gestalt Christi, des Guten Hirten, betrachten wie auch seine beständige Sorge für alle, für jeden einzelnen und jede einzelne von uns. Dem Guten Hirten zu folgen bedeutet auch, mit dem wahren Weinstock verbunden zu sein. Christus, der Gute Hirte, will nicht nur, daß wir ihm nachfolgen, sondern auch, daß wir mit ihm vereint bleiben wie die Rebe, die Frucht bringt, wenn sie am Weinstock bleibt. Deswegen will er, daß wir in ihm bleiben als Glieder seines Leibes, der Kirche. 474 REISEN Und wenn der Gute Hirte jedem verirrten Schaf nachgeht, dann tut er es, um es vor Gefahren zu bewahren und gleichzeitig, damit es sich nicht vom lebenspendenden Weinstock trenne. 10. Mutter des Guten Hirten! Du, die zusammen mit den Aposteln und mit der ganzen Kirche im Gebet verharrt, erwirke, daß alle deine Söhne und Töchter in Mexiko Christus immer treu bleiben in seiner Kirche, in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche. Daß sie immer ein Leben führen, würdig des Rufes, der an sie ergangen ist, und daß jeder „in dem Maß, wie Christus es ihm geschenkt hat“ (Eph 4,1.7), zu dieser Einheit des Leibes Christi beitrage, der durch den Geist der Wahrheit gebildet worden ist. In dieser Wahrheit, die uns eint, liegt die Hoffnung auf das ewige Leben - das ewige Leben in Gott. Amen. Landprobleme erfordern solidarische Zusammenarbeit Predigt bei der Eucharistiefeier mit den Land- und Grubenarbeitern sowie den Emigranten in Zacatecas (Mexiko) am 12. Mai „Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn Marias?“ (Mk 6,3) 1. Dies war die Frage, die die Leute von Nazaret stellten, als Jesus an einem Sabbat dort in seiner Heimat zu lehren begann. Während Jesus seine messianische Sendung erfüllte, „staunten die vielen Menschen, die ihm zuhörten, und sagten: Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist? Und was sind das für Wunder, die durch ihn geschehen? Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn Marias ...?“ (Mk 6,2-3). Ja, gewiß, Jesus Christus, der eingeborene Sohn des ewigen Vaters hat die göttliche Weisheit in seinen Worten offenbart und die Macht Gottes durch seine Werke enthüllt, er, der Zimmermann, geboren von Maria. Auf diese.Weise wollte der Sohn Gottes allen Arbeitern ähnlich werden, euch, liebe Brüder und Schwestern, die ihr eure Tage in harter und mühseliger Arbeit verbringt. Der Sohn Gottes hat den größten Teil seines Erdenlebens Tag für Tag mit der Arbeit seiner Hände verbracht und zeigt damit deutlich, welch große Würde die menschliche Arbeit hat. Man kann gewissermaßen sagen, daß dies das erste Evangelium war, das Jesus gepredigt hat. <383> <384> <383> Der Papst möchte sich heute-besonders an die Arbeiter wenden: an die Land- und die Grubenarbeiter, an alle, die mit ihrer Arbeit die Grundlage und das Fundament des sozialen Lebens im Staate Zacatecas bilden, an alle, die im Schweiß ihres Angesichts täglich zum Aufbau der Republik Mexiko beitragen. Ich grüße auch jene, die euch immer mit besonderer Zuneigung umgeben: den Herrn Bischof Javier Lozano Barragän, die Priester sowie die Ordensmänner und Ordensfrauen. Mein Gruß gilt ebenso den Autoritäten und allen Familien, der Bevölkerung dieser Gegend und den Bewohnern dieser schönen Stadt Zacatecas. Ein hier geborener Dichter wünschte, der Papst möchte die Glocken der Kathedrale hören können; ich habe sie nun schon mit Freude gehört, wie ich auch eure freudvollen Lieder gehört habe. Ich grüße ferner alle, die aus den Nachbardiözesen Guadalajara, San Luis Potosl, Leon, 475 REISEN Queretaro, Celaya, Autlän, Ciudad Guzmän, Tepic und anderen gekommen sind. Allen gilt mein herzlicher Gruß, denn ich freue mich, daß wir im Glauben und in der Liebe innig vereint sind. Ich möchte auch jene erwähnen, die aus verschiedenen Gründen aus diesem Land auswan-dem mußten und sich gezwungen sahen, anderswo ihren Lebensunterhalt zu suchen. Auch Jesus mußte wie viele von euch oder von euren Landsleuten aus seiner Heimat auswandem, schon als er noch Kind war, um der ungerechten Verfolgung des Herodes zu entkommen. Ja, der Herr hat selber das Unrecht erlitten, zum Verlassen seiner Heimat gezwungen zu sein. 3. „Euch mußte das Wort Gottes zuerst verkündet werden“ (Apg 13,46), haben wir in der ersten Lesung unserer Eucharistiefeier gehört. Wie die Apostel in der damaligen Zeit, so ist sich die Kirche unserer Tage dieser Verpflichtung bewußt. Man muß das Wort Gottes allen Menschen verkünden, weil Christus, der Gesandte des Vaters, als Licht für die ganze Welt gekommen ist, um das Heil bis an die Grenzen der Erde zu bringen (vgl. Apg 13,47). In einer Zeit wie der unseren, die von der Dynamik der menschlichen Arbeit tief geprägt ist, spürt die Kirche die dringende Notwendigkeit, das Wort Gottes, das Evangelium in besonderer Weise den Menschen der Arbeit zu verkünden, und zwar gerade das Thema Arbeit aufzugreifen. Die heutigen Zeiten rufen nachdrücklich dazu auf, „das Evangelium von der Arbeit“ zu verkünden. Da die Kirche immer auf die Zeichen der Zeit achtet, hat sie nie aufgehört, die Botschaft des Evangeliums von der Arbeit zu verkünden und die damit verbundenen Probleme anzusprechen. Daher möchte der Papst heute alle einladen, mit Freude das Wort Gottes, das Evangelium von der Arbeit anzunehmen und Christus, den Sohn Gottes, den Zimmermann, neu als Vorbild für euer Leben als christliche Arbeiter zu entdecken. <385> <385> Als Hirte der ganzen Kirche besuche ich euch, liebe Brüder und Schwestern, um euch eine Botschaft der Hoffnung zu übermitteln, den Aufruf, eine Gesellschaft aufzubauen, die auf Liebe, Solidarität und Gerechtigkeit gegründet ist. Wenn ich euch hier sehe, Land- und Grubenarbeiter, Männer und Frauen aus der Welt der Arbeit, wird mein Herz dankbar für das Geschenk des Glaubens, das eure Vorfahren als großen Schatz zu hegen wußten, und das ihr in eurem Leben zu inkamieren und euren Kindern weiterzugeben sucht. Mir steigen in Geist und Herz die Worte Jesu auf: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“ (Mt 11,25). Heute wird dieser Ruf des Herrn mit Nachdruck unter euch in Zacatecas vernehmbar, denn Gott hat den Menschen einfachen Herzens die Schätze seines Reiches offenbaren wollen. Ihr Landarbeiter erfüllt wörtlich den Auftrag des Herrn, die Erde zu bebauen, damit sie für den Unterhalt aller die notwendigen Lebensmittel hervorbringt. Wie viele von euch verbringen ihr ganzes Leben in harter Arbeit auf dem Feld, auch wenn sie ungenügenden Lohn empfangen und keine Hoffnung haben, eines Tages ein Stück Land als Eigentum zu bekommen. Wohnungsprobleme, soziale Unsicherheit und die Sorge um die Zukunft eurer Kinder plagen euch. Und wenn ihr kleine Eigentümer seid, wie vielen Schwierigkeiten steht ihr dann 476 REISEN gegenüber, um ausreichenden Kredit mit bescheidenen Zinsen zu erhalten; wieviel Risiken müßt ihr tragen, um die Ernte zu einem guten Ende zu führen; wieviel Schwierigkeiten sind da, wem ihr eine bessere Ausbildung für die Landwirtschaft bekommen wollt! Angesichts dieser Lage fällt viele die verführerische Versuchung an, in die Stadt zu gehen, wo man aber leider Lebensverhältnisse in Kauf nehmen muß, die noch entmenschlichender sind. Die Lösung für die neuen Probleme des Landes erfordert die solidarische Zusammenarbeit aller Gruppen der Gesellschaft. Heute ist die Arbeit in der Landwirtschaft an die Vermarktung der Produkte gebunden, an die entsprechende Verteilung, an die wirtschaftlichen und rechtlichen Mechanismen, die die Handelspolitik auf nationaler und internationaler Ebene bestimmen. Doch es ist nicht recht, wem Gruppeninteressen die Forderangen des Gemeinwohls und die jeden Tag unaufschiebbarer werdenden Bedürfnisse der Landbevölkerung unberücksichtigt lassen und den Profit um jeden Preis als einzig zu erreichendes Ziel betrachten. 5. Ihr Grubenarbeiter seid von der Härte der Bergwerke gezeichnet, aus denen ihr die Mineralien nach oben schafft, die jahrhundertelang eine Quelle des Reichtums für Mexiko gewesen sind. Auf euren Gesichtem kam man die Zeichen der Einsamkeit und Mühe erblicken, die Zeichen der Entbehrungen, wie sie zu eurem harten Leben gehören. Sie haben in euch einen festen Charakter geschaffen, der der Ermüdung, dem Leid und der Widerwärtigkeit widerstehen kam. Ich kerne die Schwierigkeiten eurer derzeitigen Lage und möchte euch versichern, daß die Kirche als um alle besorgte Mutter euch bei euren berechtigten Ansprüchen zur Seite steht. Wie ich schon in meiner Enzyklika über die menschliche Arbeit gesagt habe, „setzt sich die Kirche in diesem Anliegen kraftvoll ein, weil sie es als ihre Sendung und ihren Dienst, als Prüfstein ihrer Treue zu Christus betrachtet, um so wirklich ,die Kirche der Armen’ zu sein“ (Laborem exercens, Nr. 8). Bleibt euch treu, liebe Arbeiter; euer Glaube an Gott und eure Ehrenhaftigkeit helfen euch bei eurem gemeinsamen Bemühen. Helft euch gegenseitig und findet zu entsprechenden Verbandsformen, um eure Rechte zu verteidigen und unermüdliche Förderer einer integralen Entwicklung zu sein, die das Siegel eures eigenen Menschentums und eurer christlichen Lebensauffassung trägt. Die Werte und Haltungen des Land- und Grubenarbeiters wie die charakteristische Weisheit derer, die in Kontakt mit der Natur stehen, die Fähigkeit, ein gutes Verhältnis zu den anderen zu schaffen und mit ihnen euch auszutauschen, die Einfachheit eurer Bräuche, die Volksfrömmigkeit und zumal eure ausgeprägte Verehrung der allerseligsten Jungfrau, die Liebe zur Familie sowie zum transzendenten Sinn des Lebens sind Schätze, die ihr bewahren und zum Wohl der ganzen nationalen Gemeinschaft fruchtbar machen sollt. Vor allem im Verlauf des letzten Jahrhunderts, als die mit der Arbeit verbundenen Probleme sich zugespitzt haben, hat die Kirche ihre Stimme nachdrücklich zu Gehör gebracht, einmal um die ungerechte Erniedrigung anzuprangem, der sich bei vielen Gelegenheiten die Arbeiter ausgesetzt sehen, aber auch um die Würde und den Wert jeder menschlichen Arbeit herauszustellen. Die Kirche hört, auch wenn sie über die menschliche Arbeit spricht, nicht auf, das Wort Gottes zu verkünden. 477 REISEN 6. Das Evangelium von der Arbeit lehrt uns, daß jede menschliche Arbeit, unter wie schwierigen Verhältnissen sie auch immer erfolgt, Quelle des sozialen Fortschritts und der persönlichen Reife sein kann und muß. Ja, eure Arbeit auf dem Feld oder im Bergwerk und jede ehrenhafte Beschäftigung des Menschen kann und muß eine Gelegenheit werden, Gott zu loben und Christus zu begegnen. Ja, die Arbeit muß ein Werkzeug eurer menschlichen und übernatürlichen Entfaltung sein. In seiner gewöhnlichen Umgebung muß der Mensch auch sein ewiges Heil wirken. Dies macht die große Würde der menschlichen Arbeit aus. Der Christ muß seine Arbeit mit den Augen des Glaubens betrachten. Er kann dann in ihr einen Horizont der Größe für sein Leben entdecken; in dem Maß wie ihr das Evangelium praktisch anwendet, werdet ihr herausfinden, daß eure gewöhnliche Aufgabe auf dem Feld oder im Bergwerk, also dort, wo ihr eure Arbeit tut, euch zur Fülle eures Daseins führt, wenn ihr es zu einer Gott gefälligen Opfergabe zu machen wißt. Seid Nachahmer Christi, der das Licht für die Völker ist! (vgl. Apg 13,47). Jesus von Naza-ret, der Zimmermann, erhellt mit seinem Arbeitsleben euer Leben als christliche Arbeiter. Ihr Männer und Frauen in der Welt der Arbeit sollt ebenfalls eure Arbeitsumgebung mit dem Licht Christi erhellen und durch euer Leben das Wort Gottes verbreiten. 7. Nehmt das Evangelium der Arbeit an. Nur so könnt ihr mit den Schwierigkeiten in christlichem Geist entschieden und tapfer fertigwerden, wenn ihr euch bemüht, für die verschiedenen Probleme der Arbeit die jeweils besten Lösungen zu finden. Mit der Tapferkeit des Christen, die weder Haß noch Rache zuläßt, vermögt ihr mutig sowohl eure Pflichten vollständig zu erfüllen, als auch die vollständige Erfüllungeurer Ansprüche zu fordern. Habt christlichen Mut, der weder Pessimismus noch Verzweiflung kennt; dann werdet ihr nicht zu billigem Trost Zuflucht nehmen und euch oberflächliches Vergnügen wie Alkohol und Drogen verschaffen. Dann werdet ihr auch keine falschen Lösungen anstreben wie die Prostitution, das Verbrechen oder die Beteiligung an der Korruption, deren Wirkung einzig die Zerstörung der menschlichen Würde ist. Und ihr werdet jedes Angebot ablehnen, bei dem Mitarbeit zur Verbreitung des Bösen gefordert wird, um eine bessere wirtschaftliche Position zu erreichen. So werdet ihr die mit der Arbeit verbundenen Schwierigkeiten mit Verantwortungsbewußtsein anzupacken wissen und in der Erkenntnis, daß Gegenwart und Zukunft eures Vaterlandes auch in euren Händen liegen und von eurer Arbeit abhängen. Euer Land erbittet von euch ein hochherziges und entschiedenes Bemühen, verbunden mit gesundem Ehrgeiz für heute und für die Zukunft. <386> <386> „Gepriesen bist du, Herr unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit. Wir bringen dieses Brot vor dein Angesicht, damit es uns das Brot des Lebens werde“ (Eucharistiefeier, Darbringung der Opfergaben). Mit diesen Worten lobt die Kirche Gott jeden Tag in der Eucharistiefeier, wenn sie ihm Brot und Wein darbringt als Frucht der Erde und des Weinstocks, aber auch der .menschlichen Arbeit. So bringt die Kirche Gott jeden Tag die menschliche Arbeit dar, die physische oder intellektuelle Arbeit, damit der Herr sie in Verbindung mit dem Erlösungsopfer - der göttlichen Arbeit - seines Sohnes Jesus Christus annehme. Die menschliche Arbeit führt das 478 REISEN Schöpfungswerk Gottes weiter, und, vereint mit dem Opfer Jesu Christi wird sie durch ihn zu einer Quelle ewigen Lebens. „Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er hat wunderbare Taten vollbracht“ (Ps 98,1). Dies sind Worte der heutigen Liturgie. Gewiß hat Gott wunderbare Taten vollbracht, die allen Menschen zugute kommen sollen. Daher müssen wir alle dem Herrn lobsingen. Doch wir müssen ein neues Lied singen, das Lied unserer Arbeit, das Gott die aus seinen Händen empfangenen, durch unsere Mühen umgestalteten Gaben darbringt. „Singt dem Herrn ein neues Lied“ (Ps 98,1)! Singt dem Herrn mit eurer täglichen Arbeit! Singt dem Herrn vom Feld aus und aus dem Bergwerk heraus durch euer Mühen, euren Schweiß und euer Leben der Arbeit, in Hingabe und Freude dargebracht! Singt dem Herrn mit eurem ganzen Leben als christliche Landarbeiter, als christliche Grubenarbeiter, als christliche Emigranten! Lobt den Herrn mit eurem Leben, alle Arbeiter Mexikos! 9. „Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn Marias?“ (Mk 6,3). Ja, Jesus, der Zimmermann von Nazaret, ist der Sohn Marias. Für euch Arbeiterinnen und Arbeiter Mexikos ist Maria ebenfalls Mutter. Möge Maria von ihren Heiligtümern und zumal von ihrem Sitz in Guadalupe aus über die Arbeit aller ihrer mexikanischen Söhne und Töchter wachen. Möge sie euch selbst und eure Arbeit ihrem Sohn, dem Zimmermann, nahebringen. Dieser Zimmermann von Nazaret ist ja der Erlöser des Menschen. Er ist der Heiland der Welt. Neuevangelisierung dringend in Angriff nehmen Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen Mexikos am 12. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt in Mexiko! 1. Mit wirklicher Freude nehme ich an dieser brüderlichen Begegnung teil, die wir mit der feierlichen Einsegnung des neuen Sitzes der Bischofskonferenz von Mexiko begonnen haben. Obwohl wir bereits während der Tage meiner apostolischen Reise gemeinsam intensive Stunden des Gebetes und inniger Gemeinschaft als Kirche erlebt haben, wende ich mich in dieser Stunde besonders gern an euch, die ihr durch den Heiligen Geist als Hirten eingesetzt worden seid, um die mexikanischen Gläubigen zur vollen Begegnung mit unserem Herrn Jesus hinzuführen. Diese Aufgabe erfordert eure ganze Hingabe, zumal jetzt, da wir uns der Gedächtnisfeier des 5. Jahrhunderts seit der Ankunft des Glaubens auf amerikanischem Boden nähern. Wer an Mexiko denkt, der denkt an ein Land, das mit einer besonderen Vorliebe für die Mutter des Herrn gesegnet ist. Die ausgeprägte Frömmigkeit und Verehrung der Kirche in Mexiko für Unsere Herrin von Guadalupe ist ein Zeugnis für die tiefe Religiosität ihrer Kinder und zugleich eine berechtigte Anerkennung des Anteils, den die Mutter unseres Herrn beim Werk der Evangelisierung als Anführerin des Glaubens eures Volkes gehabt hat. 479 REISEN 2. Mexiko ist eine Wirklichkeit, bei der der Glaube ein Teil der eigenen Identität geworden ist. Die erste Evangelisierung schuf - nach dem Dokument von Puebla - „eine neue Mischform ethnischer Gruppen, Existenz- und Denkformen, die nach Überwindung der früheren Trennlinien die Entstehung einer neuen Rasse ermöglichte“ (Nr. 5). Wie in den übrigen Ländern dieses Kontinents, so hat jene Evangelisierung sich tief in der sozialen und kulturellen Wirklichkeit eures Volkes verwurzelt. Eben deswegen muß ich an die Zurufe zahlreicher Kinder dieses Landes erinnern, als ich sie zum erstenmal zu Beginn meines Pontifikates besuchte: „Mexiko ist katholisch“, „Mexiko bleibt immer treu“, Worte, die völlig klar die feste Anhänglichkeit des schlichten und einfachen Volkes an die Kirche und das Evangelium widerspiegeln, das sie verkündet. Betrachtet man die Geschichte eures Landes, so entdeckt man unschwer die Früchte der Evangelisierung, die durch so viele selbstvergessene Missionare vorangebracht wurde. Sie schuf eine besondere und arteigene Persönlichkeit, die in euren Überlieferungen und im Leben eurer Ortskirchen zum Ausdruck kommt. Man stößt auf Abschnitte voll von christlichem Heroismus. Sie bilden für die Mexikaner von heute, aber auch für die Schwesterkirchen Lateinamerikas eine beispielhafte Lektüre. Tatsächlich hat das Opfer vieler Söhne dieses Landes, die bis zum Äußersten für ihren Glauben Zeugnis gegeben haben, sehr dazu beigetragen, daß der Same des Evangeliums fruchtbar wurde. 3. Doch wie es bei jeder von den Spuren der Sünde gezeichneten menschlichen Wirklichkeit der Fall ist, hat auch der Prozeß der Evangelisierung nicht alle seine Ziele erreicht. Neben gewissen Gegenwirkungen von außen - die fortbestehen - zeigt noch eine weitere Anzahl von Faktoren die dringende Notwendigkeit einer neuen Evangelisierung. Sie muß dem Lebenssaft des mexikanischen Volkes von euren christlichen Wurzeln her neuen Impuls geben und muß intensiv und tiefgreifend alle Bereiche eurer Kultur erhellen. Die Aufgabe einer neuen Evangelisierung Mexikos muß also dringend in Angriff genommen werden. Es gilt den Menschen, alle Männer und Frauen zu evangelisieren; es gilt die Kultur und alle Kulturen dieses mexikanischen Gebietes zu evangelisieren (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 19). Eines der schwersten Probleme für die Kirche ist die Feststellung, daß die angesprochene grundlegende Evangelisierung nicht ihre ganze Kraft und alle ihre Möglichkeiten entfaltet hat. Daher müßt ihr euch für diese Evangelisierung einsetzen durch unermüdliche Verkündigung der Wahrheit, der Liebe, der Versöhnung und der Gerechtigkeit. <387> <388> <387> In eurer Hirtensorge macht euch vor allem der wachsende Säkularismus Sorge, der von Gott absehen möchte und sich eigene Götzen zur Verehrung schafft. Niemandem bleibt verborgen, daß der Agnostizismus und auch der Atheismus in der modernen Welt als beunruhigende Wirklichkeit präsent sind. Ihr selbst seid Zeugen dafür, wie konkret Ideologien verbreitet werden, die eine Gesellschaft ohne Gott aufbauen möchten. Angesichts der unausweichlichen Herausforderung dieser Ideologien für die neue Evangelisierung wird es erneut dringlich und notwendig, unermüdlich zu wiederholen, daß das Suchen nach Gott nicht etwas Oberflächliches, für den Menschen Überflüssiges oder etwas ist, das er ruhig aus dem Horizont seiner Existenz entfernen kann. Für die Person liegt das Suchen nach Gott auf der gleichen Linie wie seine existentielle Verwirklichung (vgl. Redemptor hominis, Nr. 30). 480 REISEN Dies hat sich heute in einer unerwarteten Weise gezeigt: die jüngsten Ereignisse machen klar, daß die intensiven Bemühungen eines Atheismus, der zum politischen System geworden war, im menschlichen Herzen nicht das Verlangen nach einer Begegnung mit Gott erfüllen konnten. Das Phänomen des Konsumismus steht nicht unverbunden neben dem Säkularisierungsprozeß. Der Wunsch nach Besitz wird ständig durch das Angebot aufwendiger Produkte angestachelt, die häufig unnötig sind, aber durch die Werbung anziehend gemacht und so her-ausgestellt werden, als könnten sie die scheinbaren Bedürfnisse befriedigen und die Übel des Menschen beseitigen. Zusammen mit der Entfremdung, die er für die Person des Menschen bedeutet, ist der Konsumismus überdies eine ständige und besonders demütigende Beleidigung der Armen, denen zuweilen nicht nur das Überflüssige fehlt, sondern sogar das für ein würdiges Leben Allemotwendigste. 5. Andererseits ziehen eine ausgedehnte Wirtschaftskrise und die Last der Außenverschuldung die Menschen eures Landes tief in Mitleidenschaft und verhindern großenteils die rechte Entwicklung, nach der sie verlangen, und auf die sie ein Recht haben. Es geht jetzt nicht darum, die sozialen Konflikte aufzugreifen, die die mexikanische Gesellschaft belasten, sondern darum, eine solidarische Gesellschaft zu fördern, in der die Wohlhabenderen sich für die Unterstützung der weniger Begünstigten bereitmachen. Es ist die Stunde gekommen, eine solidarische Wirtschaftsführung vorzuschlagen (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 38-40), in der sich mit Recht die wirtschaftlichen Forderungen mit der Achtung vor der Würde des Menschen verbinden; in der unbedingt die Priorität des Menschen gegenüber den Instrumenten der Produktion anerkannt wird, ohne dabei die Wirksamkeit der Wirtschaftsmethoden zu opfern, nur müssen diese die Priorität der ethischen Werte berücksichtigen. <389> <390> <391> <389> Nicht übersehen werden darf auch das schwere Problem der „neuen religiösen Gruppen“, die unter den Gläubigen Verwirrung stiften, vor allem in den Mittelschichten, bei den Randexistenzen und bei den Armen. Ihre Methoden, ihre wirtschaftlichen Mittel und der Nachdruck ihres Werbens um Anhänger wirken sich vor allem bei denen aus, die vom Land in die Stadt abwandem. Natürlich dürfen wir nicht vergessen, daß ihr Erfolg oft auf die Lauheit und Gleichgültigkeit der Kinder der Kirche zurückgeht, die nicht auf der Höhe ihrer Sendung zur Evangelisierung stehen, weil sie nur schwach von einem konsequent christlichen Leben Zeugnis geben, die Liturgie und die Übungen der Volksfrömmigkeit vernachlässigen; ferner sind der Mangel an Priestern und seelsorglichen Mitarbeitern und anderes zu nennen. Die Wirkungen einer ungenügenden Katechese und Ausbildung lassen viele Gläubigen angesichts der Bildungsarbeit von nicht katholischen Kräften hilflos. Die Präsenz der sogenannten „Sekten“ ist ebenfalls ein mehr als ausreichender Grund, das pastorale Leben der Ortskirche gründlich zu überprüfen und zugleich nach soliden Antworten und Weisungen zu suchen, die die Einheit des Volkes Gottes zu bewahren und zu verstärken gestatten. Angesichts dieser Aufgabe habt ihr passend einige pastorale Optionen aufgestellt (vgl. Die Kirche und die neuen religiösen Gruppen, 16. 4. 1988, III}. Diese Optionen gehen weit über eine bloße Antwort auf die aktuelle Herausforderung hinaus und möchten zugleich Wege für die neue Evangelisierung aufzeigen. Sie sind um so dringender, weil es 481 REISEN sich um konkrete Wege zur Vertiefung des Glaubens und des christlichen Lebens eurer Gemeinden handelt. 7. Anlaß zur Sorge ist, besonders unter den Bischöfen im Norden Mexikos, das wachsende Problem der Wanderungen. Das Suchen nach besseren Lebensbedingungen treibt viele zum Norden, weil sie sich Illusionen machen, sie könnten einen Fortschritt erreichen, der ihren eigenen Erwartungen und denen der Familie, die sie haben oder gründen möchten, entspricht. Zahlreich und sehr kompliziert sind die pastoralen Probleme, die sich euch damit stellen, doch nicht geringer sind eure Bemühungen - ich kenne sie gut -, diese Brüder geistlich zu begleiten. So ermuntere ich euch, ihnen weiter nahe zu bleiben, euch ihrer noch mehr und mit den geeigneten Mitteln anzunehmen, denn es sind hier doch Tausende und Tausende von Brüdern und Schwestern entwurzelt und auch in Gefahr. Nicht weniger sollt ihr euch für das Wohlergehen der Emigranten interessieren und für die Achtung vor ihrer menschlichen Würde, denn das wird ein Zeugnis für eine Kirche sein, die sich als Geheimnis der Gemeinschaft brüderlich und solidarisch um ihre Kinder kümmert und sie in schwierigen Stunden begleitet und ermuntert. Die Präsenz der Kirche bei den Emigranten ist bei der neuen Evangelisierung unverzichtbar. 8. In Verbindung mit den geschilderten Situationen, die für euch und die ganze Kirche Anlaß zu besonderer Sorge sind, gibt es weitere Dinge, die eure Aufgeschlossenheit als Hirten beanspruchen, denn wie uns das Konzil in Erinnerung ruft, sind die Bischöfe auch „sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen“ (Lumen Gentium, Nr. 23) und müssen als Lehrer der Wahrheit die Glaubenseinheit und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin fördern (vgl. ebd.). Einige Bereiche der Kirche in Lateinamerika stehen weiter unter dem Einfluß gewisser ideologischer Strömungen, die, bestimmten Voraussetzungen hörig, die geoffenbarte Botschaft diesen unterwerfen, so daß bestimmte fundamentale Punkte der katholischen Lehre bezweifelt werden. Auch die Kirche in Mexiko ist nicht ganz von einigen Ausläufern bestimmter Befreiungstheologien freigeblieben, die konkrete Gefahren für den Glauben und das christliche Leben mit sich bringen (vgl. Libertatis nuntius, Einleitung). Diese mißverständlichen und verkürzenden Formen der Befreiung verbreiten weiter einen Geist des Konflikts und bewirken schmerzliche Brüche. Im Hinblick auf die Wahrheit, die von Gott kommt und die das Lehramt der Kirche vorlegt, machen sie eine Versöhnung erforderlich, damit die Wahrheit in voller Liebe geglaubt und gelebt wird. Die Liebe zur Kirche verlangt ein pastorales Bemühen um die Einheit, wobei immer der berechtigte Pluralismus zu achten ist, es muß aber auch immer entschieden auf eine Begegnung mit denen ausgerichtet sein, die sich im Irrtum befinden, um sie zur Berichtigung des Irrtums einzuladen sowie zur Teilnahme an der vollen Gemeinschaft in voller Treue. <392> <392> Liebe Brüder, die Kirche ist aufgerufen, vom Evangelium her alle Lebensbereiche des Menschen und der Gesellschaft zu erhellen. In Treue zu Christus, ihrem Gründer, betrachtet sie es als ihre eigene Sendung, den transzendentalen Charakter der Person zu wahren. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt: „Die ihr eigene Sendung, die Christus der Kirche übertra- 482 REISEN gen hat, bezieht sich zwar nicht auf den politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Bereich: das Ziel, das Christus ihr gesetzt hat, gehört ja der religiösen Ordnung an. Doch fließen aus eben dieser religiösen Sendung Auftrag, Licht und Kraft, um der menschlichen Gesellschaft zu Aufbau und Festigung nach göttlichem Gesetz behilflich zu sein“ (Gaudium et spes, Nr. 42). Aufgrund dieser Berufung zum Dienst am Menschen in all seinen Dimensionen bemüht sich die Kirche, zur Erreichung jener Ziele beizutragen, die das Gemeinwohl der Gesellschaft fördern, vor allem, um „zugleich Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person“ zu sein (ebd., Nr. 76). Wie das gleiche Konzilsdokument hervorhebt, darf die Kirche daher „in keiner Weise mit der politischen Gemeinschaft verwechselt werden, noch ist sie an irgendein politisches System gebunden“ (ebd.). Es wäre eine schwere Verkennung der Natur der Kirche, wenn man sie mit einem System, oder wenn man das vorzieht, mit einer politischen Partei identifizieren würde. Natürlich bedeutet das nicht, die Kirche habe der politischen Gemeinschaft nichts zu sagen, um sie von den Werten und Grundsätzen des Evangeliums her zu erhellen. Ihr steht es ja auf Grund ihrer eigenen Sendung zu, sagt das Konzil weiter, „in wahrer Freiheit den Glauben zu verkünden, ihre Soziallehre kundzumachen, ihren Auftrag unter den Menschen unbehindert zu erfüllen und auch politische Angelegenheiten einer sittlichen Beurteilung zu unterstellen, wenn die Grundrechte der menschlichen Person oder das Heil der Seelen es verlangen“ (ebd.). Tatsächlich läßt sich leicht feststellen, daß viele sozialen und auch politischen Probleme ihre Wurzel in der moralischen Ordnung haben, die Objekt des evangelisierenden und erzieherischen Wirkens der Kirche ist. So sehen wir, daß das christliche Leben die Familie als Institution stärkt, das Zusammenleben fördert und bildet, damit man solidarisch und in Freiheit nach den Erfordernissen der Gerechtigkeit lebt. Es handelt sich dabei nicht um eine ungebührliche Einmischung in fremdes Gebiet, sondern um einen vom Evangelium her geleisteten Dienst an der gesamten Gemeinschaft in gegenseitiger Achtung und Freiheit. In diesem Zusammenhang möchte ich meine lebhafte Befriedigung über das Klima eines besseren Verständnisses und einer besseren Zusammenarbeit zum Ausdruck bringen, die zwischen der Kirche und den zivilen Autoritäten in Mexiko wieder zustandekommt. Dazu wird zweifellos auch die kürzlich erfolgte Ernennung eines persönlichen Gesandten des Herrn Präsidenten der mexikanischen Regierung beitragen, um in dauerhafter Weise den Dialog mit dem Heiligen Stuhl in berechtigter Anerkennung der gegenseitigen Souveränität und Unabhängigkeit zu erleichtern. <393> <393> Ein Thema, das euch als Hirten der Kirche in Mexiko Sorgen macht, ist die derzeitige Gesetzgebung auf religiösem Gebiet, wegen der unleugbaren vielfältigen Auswirkungen im Leben eurer kirchlichen Gemeinschaft. Hier mache ich mir die Worte zu eigen, die Erzbischof Adolfo Suarez Rivera von Monterrey, Präsident der Bischofskonferenz von Mexiko, in seiner Eröffnungsansprache bei der letzten Vollversammlung gesprochen hat: „Die Kirche in Mexiko möchte nicht als Fremde betrachtet und behandelt werden, noch weniger als Feindin, der man entgegentreten und die man bekämpfen muß, vielmehr als eine Kraft, die sich all dem verbunden weiß, was gut, edel und schön ist“. Andererseits habt ihr mit Festigkeit die Lehre des II. Vatikanischen Konzils wiederholt, daß die Kirche „ihre Hoffnung nicht auf Pri- 483 REISEN vilegien setzt, die ihr von der staatlichen Autorität angeboten werden“ (ebd.); ferner habt ihr die Kleriker an das Verbot des Kirchenrechts erinnert, an der Ausübung weltlicher Gewalt teilzunehmen (vgl. CICc. 285 § 3). Ebenso muß in einem Rechtsstaat die volle und wirksame Anerkennung der Religionsfreiheit zugleich Frucht und Garantie der übrigen bürgerlichen Freiheiten sein. Daher betont das Konzil im Dokument Dignitatis humanae, daß „die Religionsfreiheit bekanntlich auch in den meisten Verfassungen schon zum bürgerlichen Recht erklärt ist, und sie wird in internationalen Dokumenten feierlich anerkannt“ (Nr. 15). Hierzu hat diese feierliche ökumenische Kirchenversammlung einen nachdrücklichen Aufruf erlassen, „daß überall auf Erden die Religionsfreiheit einen wirksamen Rechtsschutz genießt und daß die höchsten Pflichten und Rechte der Menschen, ihr religiöses Leben in der Gesellschaft in Freiheit zu gestalten, wohl beachtet werden“ (ebd.). Angesichts der tiefgreifenden Wertkrise, die heute Institutionen, wie die Familie, oder bestimmte Bereiche der Bevölkerung, wie die Jugend, befallen hat, bietet das Wirken der Kirche - die berufen ist, dazu beizutragen, „daß sich innerhalb der Grenzen einer Nation und im Verhältnis zwischen den Völkern Gerechtigkeit und Liebe entfalten“ (Gaudium et spes, Nr. 76), auch in Mexiko Gründe für die berechtigte Hoffnung auf ein fruchtbares und herzliches Übereinkommen mit den staatlichen Autoritäten an, im Hinblick auf die gute Entwicklung des sozialen Lebens und auf das Streben nach dem Gemeinwohl für alle Mexikaner. 11. Liebe Brüder, die neuen Verhältnisse fordern ein entschiedenes evangelisierendes Wirken, das zu Haltungen größter persönlicher und sozialer Glaubwürdigkeit führt, ferner zur Beteiligung aller Mitglieder der kirchlichen Gemeinschaften: Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien. Notwendig ist in unserer Zeit zumal eine Anregung der Laien, damit sie als Christen mehr in den irdischen Wirklichkeiten der mexikanischen Gesellschaft präsent werden und zugleich die Dringlichkeit ihrer Beteiligung und Übernahme von Mitverantwortung auch in kirchlichen Bereichen spüren. Den Wunsch nach einer größeren Beteiligung der Bürger eures Landes am politischen Leben habt ihr im Gesamtplan der mexikanischen Bischofskonferenz hervorgehoben: „Wir stellen Fortschritte im bürgerlich-politischen Bewußtsein des Volkes fest und ein erhebliches Eintreten für die Demokratie, verbunden mit kräftigen Wünschen nach Änderung“ (Nr. 3). Solche Zeichen der Zeit müssen auch die gläubigen Laien zu einem entschiedenen Eingreifen anregen, um die zeitliche Ordnung christlich mit der Dynamik der Hoffnung und der Kraft der Liebe anzuregen, ohne sich von den Forderungen des öffentlichen Lebens zurückzuziehen. Wie ihr gut wißt, sind die Medien der sozialen Kommunikation ein ausgezeichnetes Werkzeug zur Verbreitung der christlichen Botschaft. So wollte es auch das II. Vatikanische Konzil betonen, als es die Bischöfe mahnte, „bei der Verkündigung der christlichen Lehre die verschiedenen Mittel anzuwenden, die in der heutigen Zeit zur Verfügung stehen“ (Christus Dominus, Nr. 13); unter diesen wies es besonders hin auf „die Presse und die verschiedenen sozialen Kommunikationsmittel, die man zur Verkündigung des Evangeliums Christi unbedingt benützen muß“ (ebd.). 484 REISEN Diese Worte des Konzilsdokumentes, die vor 26 Jahren veröffentlicht wurden, besitzen heute noch mehr Aktualität als damals. Tatsächlich seid ihr euch wohl der Notwendigkeit des Gebrauchs der Massenmedien in unserer Zeit bewußt, wenn die Botschaft Christi alle Kreise erreichen und die Kirche unter den Menschen noch mehr präsent werden soll. Andererseits macht euch eure pastorale Verantwortung auch bewußt, daß ihr wachsam bleiben und die Gläubigen bilden müßt, damit sie die erwähnten Medien überlegt verwenden, weil in ihnen nicht selten auch Ideologien und Lebensmodelle verbreitet werden, die dem christlichen Glauben und der christlichen Moral entgegengesetzt sind. Bei all dem sollt ihr dahin wirken, daß die Botschaft des Evangeliums und die Werte, die es inkarniert, immer noch mehr in den im Land vorhandenen Medien präsent werden und daß die Kirche im Rahmen des Möglichen auch mit eigenen Medien der sozialen Kommunikation rechnen kann, bei denen fachkundige und unbescholtene christliche Spitzenkräfte mitwirken. 12. In der Lesung, die wir bei der Einsetzung dieses Sitzes der mexikanischen Bischofskonferenz gehört haben, sagt uns der hl. Paulus: „Das Wort Gottes ist nicht gefesselt“ (2 Tim 2,9). Dieses Wort „voll Ehrfurcht hörend und voll Zuversicht verkündigend“ (Dei Verbum, Nr. 1), erhält der Bischof als Fundament für seine Sendung als Lehrer der Wahrheit. Er verkündet die Wahrheit, die von Gott kommt und zur echten Befreiung des Menschen führt, während sie die Falschheit all jener anprangert, die durch Täuschung Einfluß zu gewinnen suchen. „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch freimachen“ (Joh 8,32), sagt uns der Herr im Evangelium. Zum Abschluß dieser Begegnung, liebe Brüder, empfehle ich Unserer Herrin von Guadalupe euer apostolisches Bemühen, euer Sehnen und eure Mißerfolge, eure Freuden und eure Traurigkeiten, eure Nöte und Hoffnungen und die eurer Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, eurer Mitarbeiter in der Seelsorge und aller Gläubigen eurer Diözesen, die im Gebet und im Herzen des Papstes immer ihren Platz haben. 485 REISEN Das Kirchenbewußtsein vertiefen Ansprache bei der Begegnung mit den Priestern, den Ordensmännem, Ordensfrauen, den Seminaristen und den engagierten Laien in Mexiko-Stadt am 12. Mai „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat“ (1 Petr 2,9). 1. Diese Worte des Apostels Petrus, die wir eben bei der Vesper des Stundengebetes gehört haben, gelten besonders euch, liebe Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Seminaristen und engagierte Laien. Welche Freude bedeutet es für mich, den Nachfolger des Petrus und Pilger der Liebe und Hoffnung auf den Wegen Mexikos, daß ich diesen Gebetsgottesdienst mit euch, den besonders von Gott Erwählten halten darf, die ihr Diener und Mitarbeiter beim Aufbau seiner Kirche sein dürft (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 12). Das liturgische Gebet an diesem Abend steigt aus Herzen auf, die sich der Nachfolge des Herrn geweiht haben und bereit sind, voll Freude den Weg der Vollkommenheit zu gehen und ihre ganze Kraft und Begeisterung der Evangelisierung zu widmen. Meine Worte sollen daher an erster Stelle ein Ausdruck tiefer Dankbarkeit für die kostbare und selbstlose Arbeit sein, in der ihr das Wort Gottes verkündet, die Sakramente spendet, Zeugnis für Keuschheit, Armut und Gehorsam aus Liebe zu Christus gebt und den am meisten Notleidenden eure Hilfe und euren Trost schenkt. Dank auch für eure seelsorgliche Arbeit auf dem Gebiet der Erziehung, der Gesundheit, der Berufungen und der Förderung des Menschen; auf diese Weise macht ihr den Auftrag des Herrn lebendig und wirksam, allen Völkern die Frohbotschaft zu verkünden (vgl. Mt 29,19). Danken möchte ich auch für die Worte, die der Herr Erzbischof dieser Diözese Tlalnepantla, Msgr. Manuel Perez-Gil Gonzalez an mich gerichtet hat, und ich freue mich auch herzlich über die Anwesenheit meiner geliebten Brüder im Bischofsamt. <394> <394> Unsere heutige Begegnung bietet eine ungewöhnliche Gelegenheit, uns an die Mühen jener Missionare zu erinnern, die unter dem mütterlichen Blick der hl. Jungfrau von Guadalupe diese Gebiete Mexikos mit ihrer selbstvergessenen Arbeit als Zeugen der Frohen Botschaft evangelisiert haben. Ebenso wie sie gestern, so habt ihr Priester Mexikos heute die gewaltige Aufgabe übernommen, das Reich Gottes präsent zu machen durch euer Leben und euren Dienst für den Herrn und die Menschen, „um Gaben und Opfer für die Sünden darzubringen“ (Hehr 5,1). Wie sie die Herausforderung zu dem, was wir heute „grundlegende Evangelisierung“ nennen (Puebla, Nr. 6), angenommen und schöpferisch beantwortet haben, so steht auch ihr heute vor einer großen neuen Aufgabe, nämlich der neuen Evangelisierung. Im Blick auf die Wirklichkeit, in der die Menschen bei euch leben, fühlt sich das christliche Gewissen heute zu einer neuen Evangelisierung gedrängt. Gewiß fehlt es nicht an Gründen zur Sorge angesichts der Präsenz von bestimmten Elementen, die das Wirken der Kirche behindern und die Weitergabe des Glaubens an die neuen Generationen schwierig machen. 486 REISEN Tatsächlich versucht eine immer tiefer eindringende Säkularisierung den Bezug zur transzendenten Bestimmung aus dem Bewußtsein der Menschen zu entfernen. Der Agnostizismus, der viele befallen hat, läßt fruchtlos nach allen möglichen Ersatzmitteln suchen. Zugleich schwächen die verminderte Teilnahme an den Feiern der christlichen Geheimnisse sowie die ungenügende Aufmerksamkeit für Äußerungen echter Volksfrömmigkeit die notwendige aktive Teilnahme der Gläubigen am Gemeindeleben. So sehen wir, wie sich eine rein private Glaubensauffassung verbreitet, die die soziale Verpflichtung des Christen übersieht oder zurückstellt. Es fehlt eine entschiedenere Solidarität mit den Leidenden und ein entschlosseneres - nicht ideologisches, sondern dem Evangelium entsprechendes - Eintreten für die Ärmeren, ohne irgendjemand auszuschließen. Wir erleben einen Konsumismus, der sich immer mehr in zahlreichen Ehen und Familien verbreitet und das Besitzstreben obenan stellt. Wir sind Zeugen eines wachsenden Proselytismus neuer religiöser Gruppen, die sogar die katholische Identität Mexikos in Gefahr bringen. Gewisse Anzeichen nachlassender Disziplin im kirchlichen Leben und verminderter Beachtung der kirchenrechtlichen Gesetzgebung über das Priester- und Ordensleben bieten gewiß keine Hilfe zur Überwindung dieser Situationen. Ebensowenig helfen gewisse Haltungen auf dem Gebiet der Moral sowie konfliktträchtige Auffassungen der Befreiung und bestimmte irrige Formen des Verständnisses der Option für die Armen (vgl. Libertatis nuntius, an vielen Stellen). Angesichts einer solchen Lage ist es daher dringend geboten, daß ihr, die ihr euch zur radikalen Nachfolge Jesu, des Guten Hirten, entschieden habt (vgl. Joh 10,11), in Treue zum Lehramt der Kirche bedingungslos mit euren Bischöfen in den Bereichen der neuen Evangelisierung intensiv zusammenarbeitet. <395> <396> <395> Um diese Aufgabe zu erfüllen, müssen alle mehr und mehr ihr Kirchenbewußtsein vertiefen und festigen. Als Priester müßt ihr bereit sein, mit eurem Leben und eurem öffentlichen Auftreten ein ständiges Zeugnis der Liebe zur Kirche und der innigen Gemeinschaft mit euren Bischöfen zu geben - deren unersetzliche Mitarbeiter ihr seid —, ein Zeugnis der Hingabe an die Sendung, zu der ihr „in persona Christi“ berufen seid (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 2; 7). Eure erste große Verantwortung vor dem gläubigen Volk besteht darin, daß ihr untadelige Priester in der Nachfolge des armen, keuschen und gehorsamen Christus seid und euch als solche erweist. Mexiko ist ein Land mit echt religiöser Tradition, und sein Volk ist sich der Würde des Priesters wohl bewußt. Es hofft, in euch immer einem Vorbild zu begegnen, das ihm Anleitung bietet und von der Hochherzigkeit dessen bestimmt ist, der sich in einem ehelosen Leben dem Herrn geweiht hat, um sich ungeteilt der ihm anvertrauten Sendung widmen zu können (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 16). Ihr seid ferner Diener des Wortes (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 4). Einer so großen Verantwortung muß die innere Folgerichtigkeit des Dieners entsprechen, der immer das Wohl derer anzustreben hat, denen er dient, indem er ihnen getreu die unverkürzte Wahrheit des Evangeliums weitergibt. Der Diener des Wortes „wird die Wahrheit niemals verraten noch verbergen, um den Menschen zu gefallen, oder ihr Staunen zu erregen ...“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 78). Der Priester darf sich nicht des Wortes Gottes zur Durchführung eigener 487 REISEN Pläne bedienen, auch nicht - selbst wenn er eine gute Absicht hätte - um den Wandel einer Situation von seinem eigenen Standpunkt her zu fördern. Der Priester muß sich vielmehr demütig dem Wort Gottes, das Leben schenkt, nähern und es aufmerksam hören; er muß es in sein Herz einlassen, um es wie Maria, die Mutter des Herrn, zu erwägen (vgl. Lk 2,19); er muß es zum Teil seines Lebens machen und es so in voller Treue verkünden. 4. Wie die Kirche Zeichen der Einheit der Menschen mit Gott (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1) und der Menschen untereinander ist, so ist der Priester - der seine Sendung ja von der Kirche erhält - ein Mann, der berufen ist, Erbauer der Gemeinschaft zu sein (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 3; 8-9; 15). Welch wichtige Aufgabe ist es, für die Gemeinschaft zu wirken! Die Kirche wurde vom Erlöser eingesetzt, um die ganze Menschheit zu retten und ihr zu dienen. Daher darf von eurem Dienst niemand ausgeschlossen sein. Wenn die Kirche von der bevorzugten Option für die Armen spricht, tut sie das aus der Sicht der universalen Liebe des Herrn, der ja gerade seine Vorliebe für jene gezeigt hat, die ihn am meisten brauchten. Es geht also nicht um eine ideologische Option, wir lassen uns auch nicht von der falschen Theorie des Klassenkampfes als Motor für den geschichtlichen Wandel einfangen. Die Liebe zu den Armen ist etwas, das dem Evangelium entstammt und darf daher nicht in Konfliktform formuliert oder dargestellt werden. Um also unannehmbare Verkürzungen hinter uns zu lassen, muß man unbedingt heraus-stellen, daß diese Liebe zu den Armen, den Randexistenzen, den Kranken und Notleidenden aller Art weder exklusiv ist noch jemanden ausschließt (vgl. Pueblo, Nr. 1165). Jesus wurde geboren, hat gelitten, ist gestorben und auferstanden für alle Menschen. Er ist gekommen, um uns unsere vom Vater geschenkte Gotteskindschaft zu verkündigen, und er hat ebenso die Brüderlichkeit aller Menschen ausgesprochen, die berufen sind, Söhne im Sohn zu sein (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Nichts ist daher dem, der zum Handeln „in der Person Christi“ berufen ist, fremder, als den universalen Anspruch seiner Sendung und seiner Liebe zu verkürzen (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 6). <397> <398> <397> Die Welt von heute ist Zeugin einer ideologischen Krise derer, die eine neue Gesellschaft angeboten und einen neuen Menschen verkündet haben, ohne zu bedenken, daß es auf Kosten der Freiheit der Person geschah. Die berechtigten Bestrebungen des Menschen haben Ideologien und Systeme abgelehnt, die jede Transzendenz leugneten und die beansprucht haben, die Sehnsüchte des menschlichen Herzens mit Ersatzmitteln für die höchsten Werte befriedigen zu können. Die Entwicklung der Ereignisse hat gezeigt, daß die echt menschlichen Werte der Gerechtigkeit, des Friedens, des Glücks, der Freiheit und der Liebe das Sehnen nach dem Unendlichen, das Verlangen nach Gott nur verstärken können. Der hl. Augustinus erinnert uns schon daran: Herr, du hast uns auf dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir. Wenn die Welt daher das unleugbare Scheitern gewisser Ideologien und Systeme feststellt, so wird noch unverständlicher, wie einige Kinder der Kirche in diesem Land -zuweilen in dem Wunsch, rasche Lösungen zu erzielen - weiter Modelle als tragbar anpreisen, deren Scheitern sich in anderen Teilen der Welt erwiesen hat. Ihr dürft euch als Priester nicht auf Tätigkeiten einlassen, die den gläubigen Laien zustehen. Durch euren Dienst an der Gemeinschaft der Kirche seid ihr vielmehr berufen, mit ihnen zusammenzuarbeiten und sie bei ihrer Vertiefung in die Lehren der Kirche zu unterstützen. 488 REISEN Nicht wenige dieser für die Priester bestimmten Gedanken können auch den übrigen Teilnehmern an dieser denkwürdigen Begegnung gelten. Daher bitte ich euch alle, liebe Brüder und Schwestern, als auserwählte Glieder der Kirche Gottes in Mexiko ebenfalls diese Gedanken anzunehmen, die aus meiner Sorge als Hirte und aus der Liebe stammen, die ich zu euch hege. Ich ermahne alle hier Anwesenden, wie auch alle gottgeweihten Personen und die übrigen Mitarbeiter bei der Pastoral und beim apostolischen Wirken, die sich mit unserer Feier weit und breit in diesem großen Lande geistig vereinigt haben, Licht und Salz zu sein, das erleuchtet und den Einzelnen, der Familie und Gesellschaft die christlichen Tugenden schmackhaft macht. 6. Nun möchte ich mich besonders an die Ordensmänner und Ordensfrauen wenden, einen auserwählten Teil des Volkes Gottes beim Werk der Evangelisierung von gestern, heute und morgen. Ihr seid zum Zeugnis für die Gegenwart Christi unter den Menschen berufen, da ihr ohne Vorbehalt den radikalen Geist der Seligsprechungen übernommen habt. Als Glieder der Kirche mit der Berufung zu einer besonderen Weihe an Gott sollt ihr euch bewußt sein, daß euer Zeugnis des Gemeinschaftslebens schon für sich ein „wirksames Mittel der Heiligung“ darstellt (Evangelii nuntiandi, Nr. 69). Seid also glücklich darüber, für die anderen das transparente Bild Christi zu sein, das überall die Liebe und Freude über die Berufung ausstrahlt, die Werte des Gottesreiches in seiner eschatologischen Dimension mit Leben zu erfüllen. Das Gebet, die Berufung zur Heiligkeit sowie die evangelischen Räte der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams müssen für euch, liebe Ordensmänner und Ordensfrauen, die Achse sein, um die euer ganzes Leben kreist. Daher müßt ihr vor allem euer Bewußtsein als Gottgeweihte Tag für Tag erneuern, denn je stärker der Rhythmus der Arbeit und der Einfügung in die Welt wird, desto notwendiger ist das ruhige Nachdenken über Natur und Eigenheiten der Sendung, zu der ihr berufen seid. Ihr seid nicht immun für den Druck einer säkularisti-schen oder konsumistischen Auffassung des Daseins. Die Treue zu euch selbst und zum Ruf des Herrn muß euch veranlassen, unermüdlich die Unterscheidung der Geister zu pflegen, aber auch die tägliche Überprüfung eures Handelns, damit euer dienendes Tun immer auf das Gute aus gerichtet bleibt. <399> <399> Viele von euch beteiligen sich intensiv an der Evangelisierung der Kultur. Heute sieht man jeden Tag deutlicher die Wichtigkeit dieser Bemühungen im Dienst für das Reich Gottes. Bei eurem Wirken als Erzieher müßt ihr größten Wert darauf legen, jederzeit eine unverbrüchliche Treue zur Kirche zu zeigen. Die Äußerungen des Lehramtes verlangen nicht nur eine formale Zustimmung, sie müssen auch durch das Leben die konkrete Botschaft erhellen, deren Träger ihr seid. Leider fehlt es heute nicht an Übertreibungen und weit verbreiteten Irrtümern. Eben deswegen müßt ihr sehr darauf achten, euer erzieherisches Tun in voller Übereinstimmung mit den Weisungen eurer Bischöfe zu vollziehen, die Lehrer der Wahrheit sind (vgl. die Eröffnungsansprache in Puebla, Nr. 1). Hier möchte ich euch an die Botschaft erinnern, die ich an den mexikanischen Episkopat und die höheren Obern und Oberinnen Mexikos aus Anlaß der Generalversammlung im vergangenen Oktober gerichtet habe: „Die Natur der Kirche als Geheimnis der Gemeinschaft erfordert, daß zwischen den Hirten der 489 REISEN Einzelkirchen und den Ordensleuten enge Zusammenarbeit herrscht, die eventuelle parallele Lehrämter vermeidet sowie pastorale Programme, die diese Gemeinschaft und Einheit nicht genügend widerspiegeln“ (27. Oktober 1989). Als gottgeweihte Personen seid ihr aufgerufen, gemeinsam mit euren Hirten Diener der Einheit des Volkes Gottes zu sein. Jedes Bemühen, das im Namen der Liebe und Brüderlichkeit dem Aufbau solidarischer und versöhnter christlicher Gemeinschaften dient, ist ein kostbarer Beitrag für die Aufgaben der neuen Evangelisierung, zu der der Papst die ganze Kirche in Lateinamerika aufruft. 8. Achtet ferner darauf, keine konfliktgeladenen Auffassungen der menschlichen Existenz anzunehmen oder euch davon erfassen zu lassen, auch nicht von Ideologien, die den Klassenhaß oder Gewaltanwendung propagieren, auch wenn sie das unter theologischen Deckmänteln verbergen (vgl. Libertatis nuntius, XI). Sucht im Gegenteil im Schatz des Evangeliums all das, was die Menschen eint, und arbeitet unermüdlich dafür, daß alles, was Anlaß zu Streit und Feindschaft sein kann, durch die Botschaft von der Liebe überwunden wird, wie sie uns in den Worten und Taten Jesu vorliegt. Der Papst verläßt sich auf euch, liebe Ordensmänner und Ordensfrauen von Mexiko! Der Papst hofft, daß ihr euch mit eurer unvergleichlichen Begeisterung hochherzig für die neue Evangelisierung zur Verfügung stellt. Welcher Segen wäre es für Mexiko, wenn alle gottgeweihten Menschen täglich ihren Entschluß erneuern würden, das Evangelium auch in den letzten Winkel dieses dafür bereiten Landes und zu all seinen Bewohnern zu bringen! Auch die kontemplativen Nonnen wissen sich innerlich mit dieser Sendung und Aufgabe verbunden in ihrem schweigsamen und strengen Leben in der Klausur. Ich möchte jetzt an sie einen Gruß voll besonderer Zuneigung und Wertschätzung richten. In meiner Botschaft vom vergangenen 12. Dezember, dem Fest Unserer Lieben Frau von Guadalupe, habe ich euch gesagt: „In diesem mystischen Leib, der die Kirche ist, habt auch ihr euch entschlossen, das Herz zu sein“. Die Kirche schätzt das kontemplative Leben unermeßlich hoch. Der Papst sähe es gern, wenn in der ganzen Welt und erst recht in Mexiko sich die Klöster und die Berufungen zum kontemplativen Leben vermehren würden. Die Welt braucht doch so sehr das Gebet. Sie braucht dringend das Zeugnis von Menschen, die alles hinter sich lassen und radikal Jesus Christus nachfolgen. 9. Ein Anlaß zu besonderer Freude ist für mich die Anwesenheit so vieler junger Seminaristen, der Hoffnung für die Kirche. Ich ermuntere euch als Kandidaten für das Priester- und Ordensleben lebhaft, euch hochherzig und begeistert eurer Ausbildung zu widmen. Der prie-sterliche Dienst, zu dem ihr euch berufen fühlt, erfordert bei euch eine gediegene spirituelle und lehrmäßige Vorbereitung, nicht zuletzt auch gediegene menschliche Tugenden. Die ständigen Diakone möchte ich zu einer hochherzigen Hingabe an die Gemeinden aufrufen, denen sie als Jünger unseres Herrn Jesus dienen. Seid immer echte Lehrer des Wortes und fügt euer Beispiel hinzu. Auch ihr, die ihr euch als Mitglieder von Säkularinstituten Gott zur Verfügung gestellt habt, seid zu intensivem apostolischem Wirken aufgerufen, dessen Ziel die Ausrichtung aller irdischen Wirklichkeiten auf Gott hin ist. Ich hatte zwar bereits Gelegenheit, mich während meines Pastoralbesuches direkt an die gläubigen Laien zu wenden, möchte es aber doch nicht unterlassen, meine Freude über die so 490 REISEN zahlreiche Anwesenheit von Laien auszusprechen, die sich für den Aufbau der Kirche und einer friedvolleren, gerechteren und brüderlicheren Gesellschaft einsetzen. In euch grüße ich alle gläubigen Laien dieses edlen Landes, das so reich ist an Äußerungen echter Zusammenarbeit von Laien mit der Kirche Jesu Christi. Richtet meinen Gruß allen Laien in diesem Land aus, verbunden mit meiner Ermunterung, dem Ausdruck meines Vertrauens und mit meinem Segen. Abschließend möchte ich euch alle, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Diakone, Seminaristen und gläubige Laien einladen, auf Maria zu schauen, denn sie ist das Vorbild der Treue, des Gehorsams und des Einsatzes für die Verwirklichung der Pläne Gottes. Sprecht wie sie euer Ja und setzt euch mit neuem Eifer dafür ein, in der Gesellschaft von Mexiko die Botschaft der Liebe präsent zu machen, die ihr Sohn Jesus uns anvertraut hat, um uns den Weg zur ewigen Glückseligkeit zu lehren. Ich segne euch alle von Herzen. Einer neuen Epoche entgegen Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern des kulturellen Lebens in Mexiko-Stadt am 12. Mai 1. Am Ende eines ereignisreichen Tages und überhaupt meines Pastoralbesuches in diesem geliebten Land gereicht mir diese bedeutsame Begegnung mit den Vertretern der Welt der Kultur - der Natur- und Geisteswissenschaften und der Kunst Mexikos - zur besonderen Freude. Mit herzlichem Gruß, den ich an die Anwesenden richte, möchte ich auch alle anderen Personen erreichen, die sich in dieser großen Nation den Aufgaben der Forschung, des Studiums und der Ausbildung der kommenden Generationen widmen. Ganz besonders möchte ich Herrn Dr. Silvio Zabala für die herzlichen Worte des Willkommens und den Ausdruck seiner edlen Gefühle danken sowie all jenen, deren hochherzige Bemühungen an diesem Nachmittag einige Augenblicke der Reflexion und des brüderlichen Beisammenseins ermöglicht haben. Es ist dies nach den bedeutsamen Ereignissen von 1989 in Osteuropa meine erste Begegnung mit lateinamerikanischen Intellektuellen. Wir stehen Wandlungen gegenüber, welche die ganze zeitgenössische Gesellschaft betreffen. Es handelt sich jetzt tatsächlich um eine neue und vielschichtigere Epoche, in der notwendigerweise Reste der Vergangenheit und Intuitionen für die Zukunft nebeneinander bestehen. Zweifellos müssen Sie als Intellektuelle gerade unter diesen Umständen Ihren klaren Blick und Ihre Geistesschärfe unter Beweis stellen. Sie sind dazu berufen, auch auf dem Kontinent der Neuen Welt eine neue Epoche ins Leben zu rufen. Und das bedeutet geradezu eine Herausforderung für Ihr intellektuelles Wirken. Angesichts dieses weitgespannten Horizonts sowie der hohen Anforderungen, die an Sie gestellt sind, kommen mir einige Reflexionen in den Sinn, die ich Ihnen heute mitteilen möchte. Es ist sicher unmöglich, hier ein genaues Bild der kulturellen Zielsetzungen für die nähere Zukunft zu entwerfen, und Sie erwarten das ja auch nicht. Zweifellos jedoch ist es 491 REISEN angebracht, zumindest einige Prinzipien für die Analyse des gegenwärtigen Augenblicks sowie einige grundlegende Beziehungspunkte darzulegen, die Ihnen bei der Erfüllung Ihrer Aufgabe behilflich sein können. Bei dieser Analyse des vielfältigen Panoramas, das Lateinamerika bietet, kann man nicht die wichtige Rolle übersehen, welche die katholische Kirche spielt. Während sie bestrebt ist, die neue Evangelisierung in die Wege zu leiten, verkündet sie unermüdlich die christlichen Grundsätze als fundamentales Element jeder Zivilisation und Kultur, die der Würde des Menschen gerecht werden will. Darüber hinaus kann die Kirche, indem sie evangelisiert und in dem Maß, in dem sie evangelisiert - d. h. die Frohe Botschaft von der Gnade Gottes verkündet - auch die Gesellschaft vermenschlichen, zivilisieren, befreien und gestalten. All das möchte ich bei dieser Begegnung mit Ihnen erneut betonen. 2. Die Umbildungen, die im sogenannten Ostblock vor sich gegangen sind und noch vor sich gehen, kommen, wie Sie sehr wohl wissen, einer Neugestaltung der internationalen Gemeinschaft gleich, die sich unvermeidlicherweise auch auf die anderen Völker aus wirkt. Wir können feststellen, daß das Klima größeren Vertrauens, das sich in letzter Zeit herausbildete, den menschlichen Pilgerweg bemerkenswert aufgehellt hat. Die Gefahr einer vollständigen Zerstörung, die über der zeitgenössischen Menschheit schwebte (vgl. Dominum et vivificantem, Nr. 57), erscheint heute spürbar verringert; man atmet eine neue Luft und kann überall ein Neuerwachen der Hoffnung feststellen. Zweifellos können wir nicht über die zahlreichen Unsicherheiten bezüglich des einzuschlagenden Weges hinwegsehen. Sicher werden viele nicht unbedeutende Hindernisse überwunden, aber gleichzeitig wird man sich des Fehlens gültiger kultureller Projekte bewußt, die imstande sind, das tiefste Sehnen des menschlichen Herzens zu befriedigen. Als Wurzel dieser Erwägungen glauben wir, zwei bewiesene Tatsachen anführen zu können. Die eine und offensichtlichere ist, daß das auf dem marxistischen Materialismus beruhende System aus sich heraus zur Enttäuschung geführt hat. Die, die es förderten und die auf seine Absichten ihre Hoffnungen setzten, mußten diese Erfahrung machen. Zweifellos - und das ist die andere Tatsache - gewährleisten auch die in den industrialisierten Ländern beheimateten kulturellen Lebensformen nicht voll und ganz eine des Menschen würdige Zivilisation (vgl. SoIIicitudo rei socialis, Nr. 28). Sie preisen nur allzu oft die unmittelbaren und zeitbedingten Werte als Fundamente des gesellschaftlichen Zusammenlebens und verzichten darauf, sich auf die grundlegenden Wahrheiten und die Prinzipien zu stützen, die der Existenz ihren Sinn verleihen. Es genügt in diesem Zusammenhang, an den Sinnverlust des menschlichen Lebens zu erinnern, der in der hohen, für manche hochindustrialisierten Länder charakteristischen Selbstmordrate zum Ausdruck kommt und auch auf tragische Weise durch Abtreibung und Euthanasie bewiesen wird. Der Zermürbungsprozeß, der sich jetzt an der Wurzel vollzieht, wird in Kürze der ganzen Gesellschaft schmerzhafte Wunden zufügen. 3. Darüber hinaus sind, was Lateinamerika betrifft, die immanenten und vergänglichen Werte unfähig, den Aufbau einer vielversprechenden Zivilisation wie der Ihren und einer menschenwürdigen Gesellschaft in all ihren Aspekten zu unterstützen: in den materiellen und den spirituellen, den immanenten und den transzendenten. 492 REISEN Angesichts dieser Unsicherheit und der Krise kultureller Modelle kommen mir die Fragen in den Sinn, die der Autor eines anonymen Dokuments des prähispanischen Mexiko stellte: „Wer wird uns regieren? Wer wird uns führen? Wer wird uns den Weg weisen? Was wird unsere Norm sein? Was wird unser Maßstab sein? Was unser Vorbild? Von wo müssen wir ausgehen? Was kann am Abend Fackel und Licht sein?“ (Codex Matritensis der Königlichen Akademie für Geschichte, Blatt 191 v und 192 r). Anderseits nehmen wir gerade in Lateinamerika die Notwendigkeit wahr, von seiner Identität ausgehend neue Wege zu öffnen, und damit ist Ihre Verantwortung als Intellektuelle herausgefordert. Wir dürfen nicht vergessen, daß Mexiko die Wiege von Zivilisationen war, die damals einen hohen Grad von Entwicklung erreicht hatten und ein unschätzbares kulturelles und wissensmäßiges Erbe hinterließ. Es ist daher Ihre Aufgabe, eifrig an einem Projekt kultureller Entwicklung mitzuarbeiten, das die Völker Lateinamerikas einer ihren Erwartungen entsprechenden, hohen Zivilisation entgegenführt. 4. Während sie sich auf eine neue Evangelisierung vorbereitet, fühlt sich die katholische Kirche berufen, auch auf diesem Gebiet einen bedeutsamen Beitrag zu leisten. Sie hat volles Vertrauen zu Ihren Fähigkeiten und Ihrem Können. Aufgrund ihrer Berufung zum Dienst am Menschen in der Fülle seines Lebens ist es für sie etwas Natürliches, auch dem jedem menschlichen Herzen innewohnenden Streben nach der Wahrheit, dem Guten und dem Schönen zu dienen. Es ist manchmal nicht überflüssig, darauf hinzuweisen; auf jeden Fall jedoch möchte ich Sie daran erinnern, daß die Kirche immer auf die Förderung der Kultur, der echten Wissenschaft und der Kunst bedacht war, die den Menschen erhebt, sowie auf die Förderung einer Technik, die bei ihrer Entwicklung auf den Menschen und die Natur Rücksicht nimmt. Diese Haltung der Kirche ist Ihnen zur Genüge bekannt, hat doch das Christentum im Lauf der Jahrhunderte die Kultur Lateinamerikas so tief durchdrungen, daß es zu einem Element seiner Identität wurde. Anderseits sind aus Mexiko einige Persönlichkeiten hervorgegangen, deren Werk einen Reichtum für die ganze Menschheit darstellt. Ich denke dabei an Schwester Juana Ines de la Cruz, Juan Ruiz de Alarcon und an viele andere. Auch denke ich an zahlreiche Ausdrucksformen seines künstlerischen und literarischen Genius. Wollten wir die verschiedenen kulturellen Institutionen aufzählen, käme wohl eine lange Liste zustande. <400> <400> Gleichzeitig jedoch können wir nicht die vergangenen, aber in manchen Milieus noch fortdauernden Mißverständnisse hinsichtlich bestimmter Ansprüche der Wissenschaft verkennen. Gestatten Sie mir, hier vor den Exponenten des intellektuellen und des Universitätsmilieus Mexikos nochmals zu betonen, daß die Kirche ebensosehr auf die Kultur angewiesen ist wie die Kultur auf die Kirche. Es handelt sich dabei um einen lebensnotwendigen wechselseitigen Austausch, der in einem Klima des herzlichen und fruchtbaren Dialogs zur Mitteilung von Gütern und Werten führt, aufgrund deren eine Vertiefung der Identität als Dienst an den Menschen und an der Gesellschaft Mexikos möglich wird. Diese unverzichtbare Berufung zum Dienst am Menschen - an jedem Menschen und an allen Menschen - veranlaßt die Kirche, die Intellektuellen Mexikos - angefangen von den katholischen Intellektuellen - aufzurufen, sie mögen der Mitarbeit und Kreativität neue Wege auf- 493 REISEN tun und keine Mühe sparen, um die der wahren Wissenschaft eigene Integration mit den hohen Werten der mexikanischen Kultur und Geschichte - Grundlage eines echten und ganzheitlichen Humanismus - zu vollenden. Zur Erfüllung dieser Aufgabe ist es unerläßlich, von einer neuen Auffassung der Beziehungen zwischen menschlicher Geschichte und göttlicher Transzendenz auszugehen und die unberechtigten Vorstellungen zu überwinden, wonach die Bejahung der einen mehr oder minder eine Unterdrückung der anderen mit sich bringt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 36). Es muß betont werden, daß das Bemühen des Menschen, in jeder Hinsicht über sich selbst hinauszuwachsen, zu seiner Sehnsucht gehört, Gott näherzukommen, und daß die innere Gottverbundenheit des Menschen wiederum zu einem stärkeren Einsatz für zufriedenstellende Lösungen der zahlreichen Probleme und Notlagen führen muß, die uns allen bekannt sind: Armut, Unwissenheit, Ausbeutung, Uneinigkeit, Feindschaft, Mißachtung von Gerechtigkeit und Wahrheit, usw. (vgl. Christiüdeles laici, Nr. 42; 44). 6. Bei der Erwägung dieser Notwendigkeiten richteten die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils ihren Blick auf das Geheimnis Christi, des wahren Gottes und wahren Menschen. In ihm betrachten wir staunend das menschliche Leben der Person des eingeborenen Sohnes Gottes. Nie wird man sich vom Menschen Höheres denken können. Das Konzil bediente sich zur Darlegung seiner Lehre über das Geheimnis Christi in der Beziehung zum Menschen im ersten Teil der Konstitution Gaudium et spes einer dreifachen Perspektive: Person, menschliche Liebesfähigkeit und Arbeit. In erster Linie die Person. Was sie betrifft, so sagt das soeben erwähnte Konzilsdokument: „In Wirklichkeit leuchtet nur im Geheimnis des menschgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf“, denn „Christus ... offenbart eben dem Menschen in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe den Menschen selbst vollständig und erschließt ihm seine hohe Berufung.“ Gleichzeitig hat „der Sohn Gottes ... sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit Menschenhänden hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Willen hat er gehandelt“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Anderseits empfängt der Christ die „Erstlingsgaben des Geistes“ (Röm 8,23), die ihm die Fähigkeit verleihen, nach dem neuen Gesetz der Liebe zu leben, dank dessen der ganze Mensch innerlich erneuert wird. „Das gilt nicht nur für die Christgläubigen, sondern für alle Menschen, die guten Willens sind, in deren Herzen die Gnade unsichtbar wirkt“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Dies ist das große Geheimnis, das die christliche Offenbarung selbst den Nichtglaubenden erklären möchte. Auf diese Art ist der Mensch aufgerufen, alle Wirklichkeiten, die seine Existenz bilden, in einer harmonischen Synthese zu einem auf ein letztes Ziel hingeordneten Leben zusammenzufassen, das der erhabenste Ausdruck der Liebe ist (vgl. ebd.). Wir stehen somit vor der zweiten der erwähnten Perspektiven: vor der Liebesfähigkeit. Diese ist die dem Menschen innewohnende Fähigkeit, sich mit Gott zu vereinen und mit ihm sowie mit seinen Mitmenschen für die Verwirklichung eines gemeinsamen Verlangens zusammenzuarbeiten. Wenn man liebt, entdeckt man die verborgene Fähigkeit der Selbsthingabe, die den Menschen erhebt und innerlich erleuchtet. Die Liebe ist ja eine unwiderstehliche Einladung, über sich selbst hinauszuwachsen. 494 REISEN 7. Ebenso wie mein verehrter Vorgänger Paul VI. habe ich wiederholt von der Zivilisation der Liebe gesprochen. Ein außerordentlich einladendes und zugleich hochgestecktes Ziel, das man im Licht des Geheimnisses des menschgewordenen Wortes sehen muß. Dieses ist „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (Job 1,9). Mit seiner Menschwerdung hat der Sohn Gottes die entscheidende Bedeutung kundgetan, die in Gott jedem menschlichen Geschöpf eigen ist und hat ihm gleichzeitig gezeigt, daß seine Berufung sein ganzes Sein und Handeln in sich schließt. Wir kommen so zur letzten der genannten Perspektiven: zum Sinn des menschlichen Wirkens. Die Arbeit ist eines der großen Themen der Kultur, und das besonders in der heutigen Zeit. Wenn wir die Vergangenheit betrachten, ist es interessant, auf den geringen Wert hinzu-weisen, den das klassische Altertum der Arbeit als Teil der Kultur zubilligte. Müßiggang und Arbeit wurden oft als Antithese aufgefaßt. Selbst in unseren Tagen erscheint die menschliche Arbeit im Rahmen des kulturellen Panoramas nicht immer als Mittel für die Selbstverwirklichung des Menschen. Vom Glauben aus betrachtet, erweitert sich jedoch die Perspektive und macht aus dem Wirken des Menschen sogar ein Mittel zu seiner Heiligung und zum Erleben der Vereinigung mit Gott. Das wird möglich, sobald man sich der Tatsache bewußt wird, daß der Gott, den der Mensch so unermüdlich sucht, der lebendige Gott ist, d, h., der allmächtige Vater, der unablässig seine Schöpfung verwirklicht, indem er sie dem für sie auserkorenen Ziel entgegenführt (vgl. Gaudium etspes, Nr. 34), und auch der menschgewordene Sohn, der sein Erlösungswerk im Heiligen Geist fortsetzt (vgl. ebd., Nr. 38). Dank dieser unablässigen Annäherung an Gott wird der Mensch durch seine Arbeit Mitwirker und gleichsam Mittler des göttlichen Tuns, das zur Verbreitung in der ganzen Schöpfung bestimmt ist (vgl. Laborem exercens, Nr. 25). Zweifellos muß der Mensch bei der Erfüllung dieser Aufgabe auch in seinem eigenen Fleisch die Erfahrung von Ungerechtigkeit und Leid - Folgen der Sünde und des Mißbrauchs der Schöpfung - machen. All das ist aber zweifellos kein Hindernis, sondern vielmehr ein neuer Aufruf zu einer innigeren Vereinigung mit Gott, der auf die Sinnlosigkeit der Sünde mit der Fleischwerdung seiner Weisheit antwortet. <401> <401> Bevor ich zum Abschluß komme, möchte ich zum Ausgangspunkt dieser Erwägungen zurückkehren: Lateinamerika muß seine Identität aufs neue behaupten, von sich aus und von seinen echtesten Wurzeln ausgehend. Die verschiedenen Schwierigkeiten wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Art, denen der Kontinent gegenübersteht, müssen durch die Zusammenarbeit und der Bemühungen seiner Bewohner gelöst werden. Angesichts dieser hohen Aufgabe sind die Männer und Frauen der Kultur aufgerufen, Grundprinzipien zu verbreiten und Motivierungen wachzurufen, welche die moralischen und spirituellen Fähigkeiten des Menschen ansprechen: es ist dies das einzige Mittel zur Verwirklichung von Umgestaltungen, die dem Menschen dienen und ihn nicht zum Sklaven erniedrigen. Das tiefe Verantwortungsbewußtsein und die ethische Verpflichtung, die alle Intellektuellen kennzeichnen müssen, werden Sie veranlassen, Ihre Aktivitäten in den Bereichen der Natur-und Geisteswissenschaften und der Künste zu Werkzeugen der gegenseitigen Annäherung 495 REISEN und Teilnahme, des Verständnisses und der Solidarität in den verschiedenen Sektoren zu machen, in denen Ihr Einfluß weniger spürbar ist. Die möglichen sozialen Spannungen und Konflikte müssen eine Herausforderung für Ihre Fähigkeit sein, klarzumachen, daß Auseinandersetzungen und Unverständnis oft auf gegenseitige Unkenntnis und Unwissenheit zurückgehen. Wahre Kultur zielt immer auf Einigung und nicht auf Trennung ab. Öffnen Sie bei ihrem ständigen Suchen nach Wahrheit, Schönheit und wissenschaftlicher Erkenntnis der Kreativität und dem Fortschritt neue Wege, die geeignet sind, verschiedene Willensäußerungen zu vereinen und für die zahlreichen Probleme, welche das menschliche Dasein mit sich bringt, Lösungen zu finden. 9. Die katholische Kirche in Lateinamerika nimmt Ihre wertvolle Mitarbeit sehr ernst. Diese Haltung schließt auch eine Hoffnung in sich: mögen Sie eine Kultur fördern, die den ganzen Menschen bereichert und ihn veranlaßt - aus sich heraus und wer immer er auch sei — sich aus den unglücklichen Situationen zu befreien, in die er sich so oft verstrickt sieht. Möge es allen Menschen vergönnt sein, die volle Würde der menschlichen Existenz zu entdecken und zu verwirklichen, und das dank der Schaffung einer Kultur, die für die Weisheit Gottes und sein Wirken unter den Menschen und in der gesamten Schöpfung offen ist. Zuletzt, meine Damen und Herren, möchte ich an einen Ausspruch Jesu im Johannesevangelium erinnern: „Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,32). Möge in Ihren Herzen die leidenschaftliche Suche nach der Wahrheit stets lebendig sein. Möge Ihre Berufung zum Dienst am Menschen stets die egoistische Isolierung überwinden, die Ihnen eine verantwortungsbewußte Teilnahme am öffentlichen Leben und an der Verteidigung und der Förderung der Menschenrechte unmöglich machen würde. Mögen Sie immer Förderer und Boten einer Lebenskultur sein, die Mexiko zu einem großen Vaterland macht, in welchem die Antagonismen überwunden sind, Korruption und Betrug keinen Raum mehr haben und das erhabene Ideal der Solidarität unter allen Bürgern den Sieg für hinfälliges Machtstreben davonträgt. Vielen Dank! 496 REISEN In Gerechtigkeit und Freiheit leben Ansprache beim Abschied in Mexiko-Stadt am 13. Mai Herr Präsident, liebe Brüder im Bischofsamt, staatliche und militärische Autoritäten, liebe Mexikaner alle! 1. Gekommen ist die Stunde, dieses gesegnete und liebe Mexiko wieder zu verlassen. Recht herzlich verabschiede ich mich, sage euch aber nicht Lebewohl. Ich bleibe bei euch, weil ich euch in meinem Herzen trage; oder besser gesagt: mein Herz bleibt in Mexiko, an den Orten, die ich besucht habe und an all den anderen, die ich wegen der Kürze der Zeit nicht habe besuchen können, obwohl ich dazu zahlreiche liebenswürdige Einladungen erhalten habe. Nun, in der Stunde des Aufbruchs, danke ich Gott von Herzen, daß er mir die Freude bereitet hat, der Kirche Gottes zu begegnen, die in Mexiko als Pilgerin unterwegs ist: eine Kirche voll Lebenskraft, in der ich mit vielen ihrer Söhne und Töchter einige intensive, von Äußerungen des Glaubens, der brüderlichen Liebe und der festen Hoffnung erfüllte Tage verbringen durfte. Auf meinem Weg durch die verschiedenen Städte des weit ausgedehnten Landes Mexiko habe ich immer die menschliche Wärme und die Zuneigung gespürt, die aus dem Gefühl der Verbundenheit durch die starken Bande des Glaubens kommt. Ich nehme die unauslöschliche Erinnerung an ein religiöses Volk mit, das um seine Hirten geschart und mit dem Nachfolger des Petrus vereint entschlossen ist, in der mexikanischen Gesellschaft die Heilsbotschaft Christi als Botschaft des Friedens, der Gerechtigkeit und der Liebe zu bezeugen. 2. In dieser Stunde tauchen in meinem Geist all die Menschen auf, denen ich auf euren Straßen und Plätzen begegnen durfte, und mit denen ich kurze Augenblicke der Freude und intensiver geistlicher Gemeinschaft verbracht habe: hier in Mexiko-Stadt, dann in Veracruz, in Aguascalientes, in San Juan de los Lagos, Durango, Chihuahua, Monterrey, Tuxtla Gu-tierrez, Villahermosa und Zacatecas. Besonders denke ich an die Priesterweihe in Durango zurück, und ich spreche erneut den Vätern und Müttern Mexikos meinen Dank dafür aus, daß sie dem Herrn hochherzig ihre Söhne und Töchter für das Priester- und Ordensleben zur Verfügung stellen. Nicht vergessen kann ich, daß heute der 13. Mai ist, das Fest der Jungfrau von Fatima, für mich ein bedeutsamer Tag, weil ich heute vor neun Jahren in besonderer Weise den mütterlichen Schutz Mariens erfahren habe. Daher eilen meine Gedanken und Gebete nun an diesem strahlenden Sonntagmorgen zum Heiligtum Unserer Lieben Frau von Guadalupe mit der Bitte, mich immer auf meinem Weg als Pilger der Evangelisiemng zu begleiten. Und möge sie als erste Botin des Evangeliums in Lateinamerika der Kirche auf diesem Kontinent der Hoffnung helfen, die unabdingbare Aufgabe der neuen Evangelisiemng durchzuführen, die wir erstreben und die im Zusammenhang mit der 500Jahrfeier der Ankunft der Botschaft von Jesus in diesem Land schon begonnen hat. <402> <402> Mit diesem Ausblick voll Licht und Zuversicht, richte ich an dich, liebes Volk von Mexiko, erneut das Losungswort, das ich dir bereits vor elf Jahren, als ich tiefbewegt diesen 497 REISEN Boden geküßt hatte, vor meiner ersten Ansprache in der Kathedrale anvertraut habe: „Mexi-cum semper fidele“, Mexiko bleibt immer treu. Mein Gebet richtet sich an Gott, der reich ist an Barmherzigkeit, er möge in jedem einzelnen von euch den festen Entschluß stärken, eure Probleme mit offenem und hoffnungsvollem Herzen anzugehen in der Bereitschaft, Lösungen auf dem Weg des Dialogs, der Eintracht, Solidarität, Gerechtigkeit, Versöhnung und des Verzeihens zu suchen. Gebe Gott, daß euer Land, das der Kirche so zahlreiche Beispiele überzeugten Glaubens gegeben zu haben sich rühmt, auch wirksam dazu beiträgt, die Bande der Freundschaft, des Friedens, der Gerechtigkeit und des Fortschritts unter den Mitgliedern der großen Familie Lateinamerikas zu festigen. Bemüht euch unermüdlich um Harmonie in Gerechtigkeit und Freiheit. So sichert ihr nicht nur für euch selbst eine bessere Zukunft, sondern auch für die kommenden Generationen. 4. Mögen diese unvergeßlichen Tage intensiver Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe allen Mexikanern helfen, ihre Entschlossenheit zu einem christlichen Leben, ihre Treue zum Herrn und ihren Willen zum Dienst und zur Hilfe für ihre Brüder, zumal für die am meisten Not leidenden, zu erneuern. Auf, Mexiko! Der Papst geht fort, und doch bleibt er bei euch. Der Papst liebt euch und möchte euch nahe bleiben, um euch Mut zu machen zur Meisterung der Probleme und euch auf den schwierigen Wegen, die vor euch liegen, zu begleiten. Habt keine Angst! Öffnet weit die Türen für Christus! Bevor ich schließe, möchte ich dem Herrn Präsidenten der Republik, der hier durch den Herrn Außenminister würdig vertreten ist, sowie auch den anderen Mitgliedern der Regierung und allen staatlichen und militärischen Autoritäten danken für die Mittel, die sie an den verschiedenen Orten edelmütig zur Verfügung gestellt haben und die in so bedeutsamer Weise zum guten Verlauf meines Pastoralbesuches beigetragen haben. Möge der Herr ihre Bemühungen belohnen, ihrem Land eine Zukunft in Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand für alle Mexikaner zu sichern. Besondere Wertschätzung und besonderer Dank gelten allen meinen Brüdern im Bischofsamt, den Priestern, Ordensleuten und vielen anderen Personen und Gruppen, die hingebungsvoll und selbstlos vor meiner Reise und bei ihrem Ablauf wertvolle Dienste geleistet haben. Ein Wort des Dankes gilt ebenso den Berichterstattern, die mit lobenswertem Eifer in Presse, Radio und Fernsehen sich bemüht haben, über die verschiedenen Begegnungen im Verlauf meines Aufenthaltes in diesem schönen Land zu informieren. Möge Gott Mexiko allzeit segnen! Möge Gott jeden seiner Söhne und jede seiner Töchter segnen! Möge Gott die Gegenwart und die Zukunft dieser lieben Nation segnen! Auf immer, Mexiko! 498 REISEN Über religiöse und ethische Werte nachdenken Ansprache bei der Begegnung mit der Premierministerin der Niederländischen Antillen, Frau Maria Liberia Peters, in Willemstad am 13. Mai Exzellenz! 1. Mein erstes Empfinden bei der Ankunft auf den Niederländischen Antillen ist freudiger Dank gegen den allmächtigen Gott, der diesen Besuch möglich gemacht hat. In Ihrer Person grüße ich die Autoritäten und die gesamte Bevölkerung dieser herrlichen Inseln. Ich habe den Boden von Curajao geküßt als Zeichen meiner herzlichen Wertschätzung und Freundschaft für alle Menschen dieser Region. Als Bischof von Rom und Nachfolger des Petrus habe ich dies auch als Anerkennung für all jene getan, die hier durch Worte der Wahrheit und Taten der Liebe die Kraft des Evangeliums unseres Herrn Jesus Christus bezeugt haben. Ich bin voll Freude bei dem Gedanken, die katholischen Gläubigen hier zumal bei der Eucharistiefeier treffen zu können, wo sie sich mit ihren Priestern, mit Bischof Ellis und vielen anderen Bischöfen aus der Karibik versammeln werden. 2. Als Mit-Pilger der ganzen Menschheitsfamilie, die in einer Welt mit dramatischen sozialen und politischen Wandlungen lebt, möchte ich mit meinem Besuch vor Ihnen und vor allen Männern und Frauen guten Willens die tiefe Solidarität der Kirche mit den Entwicklungsländern zum Ausdruck bringen. Überall streben einzelne und Völker nach echter Freiheit. Sie suchen Unterstützung bei der Überwindung der Hindernisse auf ihrem Weg zu voller Entfaltung. Sie sind bereit, viel auf sich zu nehmen und auszuhalten, um ein menschenwürdigeres Leben zu erreichen. Die wirkliche Aufgabe für Nationen in der Entwicklung ist ebenso geistiger wie materieller Natur. Sie besteht darin, die Entfaltung und Blüte des Sinns für menschliche Würde möglich zu machen. Es geht darum, in das Innere der Gesellschaft einen tiefen Sinn für die Menschenrechte und für die entsprechenden persönlichen und sozialen Verantwortlichkeiten eines jeden Bürgers einzupflanzen. Mit einem Wort, es geht um die ständige Verpflichtung, jedes menschliche Wesen nach seinem einmaligen Wert als geliebtes Kind des Schöpfers anzusehen und zu behandeln. 3. Ich möchte Sie zu dieser großen Aufgabe ermuntern, und ich bete zum allmächtigen Gott, das Volk der Niederländischen Antillen möge mit weiser Überlegung und hochherzigem Bemühen eine gerechte und fürsorgliche Gesellschaft aufbauen, einen Ort des Friedens und des Wohlstands für alle Bewohner dieser Inseln. Exzellenz, ich danke Ihnen erneut für Ihren warmen Empfang. Frau Premierministerin, geehrte Mitglieder der Regierung, meine Damen und Herren! <403> <403> Zu Beginn meines Pastoralbesuchs in Curagao möchte ich jede und jeden von Ihnen begrüßen und Ihnen für Ihr herzliches Willkommen auf diesen Inseln danken. Die Niederländischen Antillen wurden mit einer Schönheit gesegnet, die seit langem Besucher aus aller 499 REISEN Welt anzieht. Gott hat Sie aber auch mit einer Vielfalt von Rassen und Völkern gesegnet, die sich gemeinsam um den Aufbau einer geeinten und harmonischen Gesellschaft bemühen. Es ist mein inständiges Gebet, daß der Friede, der von Gott kommt, weiterhin in Ihren Herzen, in Ihren Familien und in jedem Bereich Ihres sozialen und bürgerlichen Lebens beheimatet sei. Ihnen, Frau Premierministerin, bin ich von Herzen dankbar für diese Gelegenheit, nach Curapao zu kommen und das Volk der Niederländischen Antillen zu besuchen. Meine Anwesenheit unter Ihnen findet zu einer bemerkenswerten Zeit statt, da die Menschen Amerikas und anderer Herkunft sich darauf vorbereiten, des fünfhundertsten Jahres seit der ersten Reise von Christoph Columbus zu den Karibischen Inseln zu gedenken. Ich hege die Hoffnung, daß dieser Besuch des Papstes in Curapao mithilft, die Triebkraft in Erinnerung zu rufen, die der christliche Glaube denen gab, die in Schwierigkeiten aller Art die menschliche Würde aufrechtzuhalten und die Fundamente zu einer gerechten und friedvollen Gesellschaft zu legen suchten. Wenn auch mein Pastoralbesuch zumeist den Katholiken der Diözese Willemstad gilt, so hoffe ich doch, daß alle Männer und Frauen guten Willens, welches auch immer ihr religiöser Glaube sein mag, bei meinem kurzen Aufenthalt unter Ihnen Gelegenheit finden werden, die Bedeutung jener religiösen und ethischen Werte zu erwägen, die zum ganzheitlichen Wohl der einzelnen und der ganzen Gesellschaft notwendig sind. Diese Werte waren die Antriebskräfte für Generationen Ihrer Landsleute, als sie sich bemühten, Bande der Einheit und Harmonie zwischen verschiedenartigen Völkern und Traditionen herzustellen. Wenn ich in den kommenden Stunden mit vielen Ihrer Mitbürger die Eucharistie feiere und bete, werden wir Gott bitten, daß die Treue zu diesen Werten Sie als Volk stets auf dem Weg des Fortschritts leiten möge. <404> <404> In der augenblicklichen, von raschen sozialen und politischen Umwälzungen gekennzeichneten Weltlage ist es mehr und mehr klar geworden, daß die Belange gesellschaftlicher Entwicklung nicht auf den schmalen Bereich örtlicher oder nationaler Eigeninteressen begrenzt sein dürfen, sondern weiter gefaßt sein müssen. Was in der Tat von allen Völkern in diesen letzten Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gefordert wird, ist eine Solidarität, welche die ganze menschliche Familie und jedes ihrer Glieder umfaßt. Diese Solidarität ist „die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen ... für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). Daß diese Entschlossenheit auf jeder Ebene der Gesellschaft zum Tragen komme, ist eine der großen moralischen Herausforderungen unserer Zeit und der Schlüssel zur wirksamen Zusammenarbeit der einzelnen, der gesellschaftlichen Gruppen und der Nationen bei dem Bemühen, das Notwendige und das Erwünschte für das gesamte Menschengeschlecht zu beschaffen. Nur durch die feste Entschlossenheit zum Dialog, zur Zusammenarbeit und zur Respektierung der objektiven moralischen Prinzipien wird Ihre Gesellschaft imstande sein, den in zunehmendem Maß komplexen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Fragen unserer Zeit entgegenzutreten. Auf diese Weise können die Niederländischen Antillen anderen Gesellschaftsgruppen in der Welt ihren rechtmäßigen Beitrag leisten, wenn diese ähnli- 500 REISEN chen Herausforderungen gegenüberstehen und um eine Antwort bemüht sind, die ihren besten Traditionen entspricht. In dieser Hinsicht möchte ich bemerken, welch eine bedeutende Rolle die Erzieher und die Erziehungseinrichtungen in der Entwicklung jeder Gesellschaft gespielt haben. Die Katholiken der Niederländischen Antillen setzen sich seit langem ein in der Aufgabe, die Jugend zu Wissen und Tugend zu erziehen. Mit Recht betrachtet die Kirche dieses Apostolat als einen bedeutenden Beitrag zum Leben dieses Volkes, und sie weiß sich verpflichtet, für die Erziehung aller Bürger konstruktiv mit dem Staat zusammenzuarbeiten. 6. Meine Damen und Herren! Das erste Zusammentreffen von Europäern mit den Völkern Amerikas vor fast fünfhundert Jahren bezeichnet den Beginn eines neuen Kapitels in der Geschichte der Menschheit. Im gegenwärtigen Augenblick, in dem Männer und Frauen auf der ganzen Welt glühend den Anbruch eines neuen Zeitalters des Friedens und der Zusammenarbeit unter den Nationen erhoffen, ermutige ich Sie in Ihren Bemühungen, eine Gesellschaft aufzubauen, die gekennzeichnet ist durch Gerechtigkeit und Achtung der Würde aller. Möge der allmächtige Gott seinen reichsten Segen über Sie und das ganze Volk von Curagao, der Niederländischen Antillen und der ganzen Karibik ausgießen. Folgt der Stimme des Gewissens Botschaft an die Jugend der Niederländischen Antillen vom 13. Mai Liebe Jugendliche der Diözese Willemstad! 1. Mein Besuch bei eurer Ortskirche wäre unvollständig, wenn ich es unterlassen würde, mit euch, die ihr dem Herzen des Papstes so nahe seid, einige Gedanken zu teilen. Ich richte diese Worte aufgrund der Fragen an euch, die mir in eurem Namen übermittelt wurden. Eure Sorgen spiegeln euer Bemühen wider, eure christliche Berufung als Glieder der Kirche Christi zu leben, und ich möchte euch zu weiterem hochherzigen Bemühen ermutigen. Ihr fühlt euch vielleicht geographisch weit vom Mittelpunkt der Kirche - von Rom - entfernt, doch versichere ich euch, daß ihr dem Herzen des Papstes sehr nahe seid, und daß er euer stets in Liebe gedenkt. Die meisten eurer Fragen beziehen sich auf den christlichen Lebensstand: in der Ehe und Familie oder im Priestertum und im gottgeweihten Leben. Ihr fühlt zutiefst eure Verpflichtung den Armen gegenüber und fragt euch, ob die Kirche nicht mehr für sie tun könnte. Ihr seid um den Abgrund besorgt, der sich oft zwischen Wunschdenken und Wirklichkeit, zwischen der christlichen Lehre und dem Leben der Christen, zwischen der Frohbotschaft des Evangeliums und den rauhen Tatsachen des Lebens auftut. Wie, fragt ihr, können wir mitten in Scheidungs- und Familienproblemen die Lehre der Kirche über die Ehe annehmen? Wie können wir uns mitten in der Wohlstandskultur und im alles durchdringenden Hedonismus zum Priestertum, zum Ordensstand oder überhaupt zu einem ehelosen Leben berufen fühlen? Mit einem Wort, wie können wir treue Glieder einer Kirche sein, die uns zu Idealen aufruft, die der zeitgenössischen Kultur widersprechen? 501 REISEN 2. Um diese Fragen beantworten zu können, muß etwas viel Grundsätzlicheres geklärt werden: Wie sieht unsere Beziehung zu Christus aus und was bedeutet es, ein Jünger Christi, ein „Christ“ zu sein? Zu Beginn des Johannesevangeliums lesen wir den faszinierenden Bericht von zwei jungen Männern, die Jesus begegneten und seine ersten Jünger wurden. „Jesus ... wandte sich um und als er sah, daß sie ihm folgten, fragte er sie: ,Was wollt ihr?’“ (Joh 1,38). Jesus richtet die gleiche Frage an euch: „Jugendliche der Niederländischen Antillen, was erwartet ihr euch wirklich vom Leben?“ Das ist die Art Jesu, euch die grundlegende Frage nach dem Sinn und der Ausrichtung des Lebens zu stellen. Wie die jungen Menschen aller Länder erwartet ihr euch ein lebens wertes Leben. Eure Herzen sind von der mächtigen Sehnsucht nach einer Welt erfüllt, in der Gerechtigkeit, Verstehen und Harmonie unter den Völkern und Nationen herrschen. Ihr wünscht euch lichtvolle und wahrhaftige zwischenmenschliche Beziehungen und daher Vertrauen und echte Freiheit. Wo werdet ihr dies alles finden? Jesus sagte zu Andreas und Johannes: ,„Kommt und seht’. Da gingen sie mit ihm und sahen ... und blieben jenen Tag bei ihm“ (Joh 1,39). Sie blieben bei ihm, weil sie sahen, daß sie von Jesus das erhoffen konnten, wonach ihr Herz am meisten verlangte. Jesus bot ihnen keine einfachen Lösungen an. Ganz im Gegenteil, sowohl Andreas als auch Johannes sollten viel um seinetwillen zu leiden haben. Aber ihre Begegnung mit Jesus ließ sie verstehen, daß sie nunmehr ihren Daseinszweck gefunden hatten, die tiefste Bedeutung ihres Lebens und die Möglichkeit, ihm die höchsten Werte zu verleihen. Das Zweite Vatikanische Konzil drückte das in allgemeineren Worten aus: „Christus ... offenbart eben dem Menschen ... den Menschen selbst vollständig und erschließt ihm seine hohe Berufung“ (Gaudium et spes, Nr. 22). <405> <406> <405> Meine lieben Jugendlichen, diese hohe Berufung, die Christus erschließt, ist auch eure Berufung: ihr sollt an der göttlichen Natur teilhaben, eine neue Schöpfung sein, euch von der Sünde abwenden und durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in euch am Werk ist, in eurer Gottebenbildlichkeit wiederhergestellt werden. Christus ist euer Retter, euer Erlöser. Nur er ist „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Sein Heils weg entspricht jedoch nicht dem, was sich eine rein menschliche Denkweise erwarten könnte. Der gekreuzigte und auferstandene Herr verspricht euch nicht ein sorgloses und bequemes Leben in dieser Welt. Wenn ihr das bedenkt, wird es euch klar werden, daß selbst Menschen, die sich reicher irdischer Genüsse, des Besitzes und der Macht erfreuen, oft zutiefst unglücklich sind. Sie haben also nicht die Antwort auf die tiefsten Fragen des menschlichen Herzens gefunden. Was Jesus verspricht, ist vielmehr, daß sein Sieg über Sünde und Tod auch euer Sieg sein kann, wenn ihr, sein Kreuz nachahmend, bereit seid, gemeinsam mit ihm „euer Leben zu verlieren“, d. h. euer Leben dem Vater hinzugeben; es auch in der Liebe zum Nächsten, selbst zum Fremden, zum Feind und zu allen, die gegen euch sündigen, zu verausgaben; in allem Gottes Willen und nicht den euren zu suchen. Das ist der Sinn des Begriffes „neue Schöpfung“: die Anteilnahme am göttlichen Leben zur Befreiung von der Sünde und zur Wiederherstellung der Gottebenbildlichkeit, damit ihr hier und jetzt sein Reich des Friedens, der Gerechtigkeit und Liebe aufbauen und eines Tages die ewige Freude mit ihm im Himmel teilen könnt. 502 REISEN 4. Nur im Rahmen dieses Gesamtbildes von der christlichen Berufung werdet ihr Antworten auf eure Fragen über Ehe und Familie, Priestertum und Ordensleben finden, ist doch in allem Christus das Vorbild christlichen Lebens und Verhaltens. So will z. B. die Ehelosigkeit den Priestern und Ordensleuten die Möglichkeit bieten, die rückhaltlose Selbsthingabe Christi zum Wohl aller nachzuahmen. Sie befreit den Mann oder die Frau von jeder ausschließlichen Liebe und von familiären Banden, um es ihm oder ihr zu gestatten, sich ganz in den Dienst Gottes und der Menschheit zu stellen. Es ist dies eine besondere Gnade; sie wird jenen Menschen als Zeichen besonderer Liebe Gottes geschenkt, die eine Berufung zur Weihe oder zur sakramentalen Gleichgestaltung mit Christus angenommen haben. In diesem Sinn ist die Ehelosigkeit ein Zeichen für das kommende Reich des Himmels, in dem „die Menschen nicht mehr heiraten“ (Mt 22,30) und in dem „Gott herrscht in allem und über alles“ (1 Kor 15,28). Auch die Ehe gewinnt ihre volle Bedeutung in Christus, Sie ist das Sakrament, mit dem Mann und Frau sich gegenseitig, ausschließlich und für immer in Liebe schenken. Durch ihre treue Liebe setzen sie das Werk der ersten Schöpfung fort (vgl. Gen 2,18), indem sie mit Gott an der Aufgabe Zusammenarbeiten, neues Leben in die Welt zu bringen. Ihre lebenslange Gemeinsamkeit wird zum Zeichen der vollkommenen Liebe, die der Bräutigam Christus seiner Braut, der Kirche, erwies, als er sich am Kreuz „für sie hingegeben hat“ (Eph 5,25). Vielleicht habt ihr Priester, Ordensleute, Ehepaare und Familien gekannt, die nicht ihrer hohen Berufung entsprechend lebten. Nur Gott kann über die Herzen anderer urteilen; wir dürfen nicht ihre Schwächen und Mißerfolge vorschützen, um uns den Pflichten unserer christlichen Berufung zu entziehen. Wo werden wir die nötige Kraft finden, um allen Herausforderungen zu begegnen, die das Christsein mit sich bringt? Andreas und Johannes „blieben bei ihm“, bei Jesus (Joh 1,39). Seine Gesellschaft, seine Freundschaft und seine göttliche Liebe wurden die Quelle ihrer Umwandlung und Treue. Und in einem bestimmten Augenblick sandte Christus den Heiligen Geist - den „Spender des Lebens“ - auf die Apostel herab und sie wurden mit dem nötigen Mut erfüllt, um die Frohbotschaft bis an das Ende der Erde zu tragen. Die gleiche Gabe des Heiligen Geistes wird allen geschenkt, die Christus nachfol-gen; sie macht uns fähig, nach den von ihm festgelegten Normen zu leben. Gottes Gnade ist in unserer menschlichen Natur am Werk, damit wir „vollkommen“ werden „und ganz durchdrungen vom Willen Gottes“ (Kol 4,12). <407> <407> Eure Besinnung über das christliche Leben muß einen weiteren Schritt vollziehen. Wozu auch immer ihr berufen seid, wie sollt ihr wissen, was richtig und was falsch ist, wenn ihr moralische Entscheidungen zu treffen habt? Da ihr dem gekreuzigten und auferstandenen Christus nachfolgt, sollte eure erste Frage nicht lauten „was will ich?“, sondern vielmehr “was will Gott in diesem Augenblick, in dieser Lage von nur?“. Gottes Wille findet seinen Ausdruck in der Offenbarung und in deren authentischer Auslegung durch die Kirche. Dieses Gesetz ist auch jedem Menschenherzen eingeprägt (vgl. Röm 2,15), und sein höchster Ausdruck ist die vollkommene Liebe zu Gott und zum Nächsten, die Jesus von seinen Jüngern forderte und die der Heilige Geist unseren Herzen eingießt (vgl. Röm 5,5). Der gleiche Heilige Geist wirkt weiterhin in seiner Kirche und hilft ihr, das Evangelium auf alte und neue moralische Fragen anzuwenden. Die Lehre der Kirche ist somit nicht nur eine Stimme unter anderen, sondern vielmehr eine, in der die Autorität Christi spricht. Unser 503 REISEN Gewissen kann daher nicht unabhängig entscheiden, was richtig und was falsch ist. Die Gewissen müssen auf dem Weg der Wahrheit und Liebe geformt werden. Der große englische Kardinal John Henry Newman, der vor 100 Jahren starb, schrieb oft und mit großer Klarheit über die Frage des Gewissens. Vielleicht wollt ihr in euren Religionsstunden und Diskussionen über diese seine Worte nachdenken: „Regel und Maßstab der Pflicht ist weder die Nützlichkeit, noch die Zweckmäßigkeit, noch das Glück einer möglichst großen Zahl von Menschen, noch der Vorteil des Staates, noch die Schicklichkeit, die Ordnung oder das Schöne. Das Gewissen ist nicht eine weitblickende Selbstsucht und auch nicht das Verlangen, sich selbst treu zu sein; es ist vielmehr ein Bote dessen, der sowohl der Natur als auch der Gnade nach durch einen Schleier zu uns spricht und uns durch seine Vertreter lehrt und führt... Ich bediene mich des Wortes .Gewissen’ ... nicht im Sinn einer Einbildung oder einer Meinung, sondern im Sinn eines verpflichtenden Gehorsams dem gegenüber, was den Anspruch erhebt, die Stimme Gottes in unserem Inneren zu sein ... Das Gewissen hat seine Rechte, weil es seine Pflichten hat; heute jedoch vertreten zahlreiche Menschen die Meinung, das Gewissen habe das Recht und die Freiheit, im Gewissen zu dispensieren, den göttlichen Gesetzgeber und Richter zu ignorieren und von nicht sichtbaren Verpflichtungen unabhängig zu sein. Man fühlt sich berechtigt, irgendeine oder keine Religion, dies oder jenes anzunehmen und wieder zu verwerfen; diese oder jene Kirche zu besuchen oder damit großzutun, daß man über allen Religionen stehe und alle objektiv kritisiere. Das Gewissen ist ein erster Mahner, in diesem Jahrhundert jedoch wurde es von einer Fälschung verdrängt, von der die vorhergehenden 18 Jahrhunderte nie etwas gehört hatten oder mit der sie es, selbst wenn sie von ihr gehört hätten, nicht hätten verwechseln können. Sie ist das Recht auf den eigenen Willen“ (Difficulties of Anglicans, Westminster, MD, II, S. 248, 255, 250). <408> <408> Die Kirche hat immer die Meinung Newmans geteilt, d. h., daß das Gewissen die objektive, von Gott festgelegte sittliche Ordnung auslegt, aber nicht erfindet. Deshalb schrieb Papst Paul VI. in der wichtigen Enzyklika Humanae vitae: „Daraus folgt, daß die Eheleute bei der Aufgabe, das Leben weiterzugeben, keineswegs ihrer Willkür folgen dürfen, gleichsam als hinge die Bestimmung der sittlich gangbaren Wege von ihrem eigenen und freien Ermessen ab. Sie sind vielmehr verpflichtet, ihr Verhalten auf den göttlichen Schöpferplan auszurichten, der einerseits im Wesen der Ehe selbst und ihrer Akte zum Ausdruck kommt, den anderseits die beständige Lehre der Kirche kundtut“ (Nr. 10). Ihr habt mich auch gebeten, andere Aspekte der kirchlichen Lehre über die menschliche Sexualität zu kommentieren. Im Lauf meines Pontifikates habe ich viel Zeit einer bis in die Einzelheiten gehenden Analyse des großen Geschenkes der Sexualität gewidmet, die Gott der Struktur des Leibes eingeprägt hat. Ich habe erklärt, wie Mann und Frau in der „Körpersprache“ den Dialog weiterführen, der nach Genesis 2,24-25 am Tag der Schöpfung seinen Anfang genommen hat (vgl. Generalaudienz vom 22. August 1984). Die „Körpersprache“ als Sprache von Menschen, von Einzelpersonen, unterliegt den Erfordernissen der Wahrheit, d. h., der objektiven moralischen Norm (vgl. ebd.). Ich bin überzeugt, daß eure Eltern und alle, die sie bei eurer Formation unterstützen, insbesondere jedoch eure Priester und Katecheten bemüht sein werden, euch die Einzelheiten der 504 REISEN reichen katholischen Lehre über Ehe und Familie zu erklären. Ich fordere euch auf, die Ideale der Keuschheit, der ehelichen Treue und der Selbstbeherrschung hochzuhalten, damit ihr auf jeden Fall den großen Wert der menschlichen Liebe so einschätzt, wie Gott es von Anfang an wollte. Ihr seid Verwalter der zahlreichen Güter der Schöpfung und Erlösung, die Gott uns gegeben hat. Dank eines richtig gebildeten christlichen Gewissens sollt ihr euch als kluge Verwalter der Güter - der geistlichen und materiellen - eures Herrn erweisen, bis er wieder-kommt (vgl. Mt 24,45ff.; 25,14ff.). 7. Schließlich möchte ich ein Wort zu der Frage sagen, die ebenfalls gestellt wurde, nämlich über die Identifizierung der Kirche mit den Armen. Die Tatsache, daß die Kirche, dem Beispiel Christi folgend, eine vordringliche Liebe zu den Armen zum Ausdruck bringt, bedeutet, daß ihr als junge Christen aufgefordert seid, euch zugunsten der Bedürftigen und für die echte Befreiung der auf irgendeine Weise Unterdrückten einzusetzen. Dieser euer kluge Einsatz ist ebenso notwendig für die Werke der leiblichen und geistlichen Barmherzigkeit wie für das Bemühen um Strukturwandlungen in der Gesellschaft, die menschenwürdige Lebensbedingungen gewährleisten können. Ich bitte euch dringend, beginnt dabei mit einer neuen Denkweise: schätzt einen Menschen - und auch euch selbst - nicht nach dem ein, was er hat, sondern nach dem, was er ist: eine einmalige Verwirklichung der schöpferischen Liebe Gottes, mit einer unveräußerlichen Würde und unveräußerlichen Menschenrechten ausgestattet! Keine Situation, keine Verhältnisse von Armut und Verlassenheit können ihn je dieser Würde berauben. Wenn ihr größere Verantwortungen auf euch nehmt, dann bemüht euch, diese „Philosophie des Seins und nicht des Habens“ in all euren Wirkungsbereichen zur Anwendung zu bringen und darauf bedacht zu sein, in der ganzen Gesellschaft größere Aufgeschlossenheit für die Armen und Schwachen - einschließlich der Allerschwächsten: der Ungeborenen - wachzurufen. Auch dürft ihr nicht vergessen, daß die Verpflichtung zu einem einfachen Leben und zur Loslösung von materiellen Dingen ein wichtiges Element des christlichen Lebens ist. Was ist nun mit materiellem Besitz? Wenn überall in der Welt von kulturellen, historischen und künstlerischen Reichtümem einer Nation oder der Kirche die Rede ist, so handelt es sich dabei um ein geistiges und zugleich materielles Erbe, das allen, sowohl heute als auch in der Zukunft gehört. Dieses Erbe kann nicht zu einem Handelsobjekt degradiert und wie andere Dinge gekauft und verkauft werden. Obgleich das Überflüssige verkauft werden sollte, wenn die Nöte der Armen es erfordern (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 21), dürfen wir nicht die Worte an die Künstler beim Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils vergessen: „Unsere Welt bedarf der Schönheit, um nicht in Verzweiflung zu versinken“ (8. Dezember 1965). Herrliche Kirchen und religiöse Kunstwerke machen das tiefe Verlangen, den Glauben zu bekennen, sichtbar (vgl. Ansprache an den italienischen Nationalkongreß für religiöse Kunst, 27. April 1981). Die Kirche kann nicht frei über das verfügen, was ihr im Lauf der Jahrhunderte zur Ehre Gottes, zur Verehrung Mariens und der Heiligen sowie für die Unterweisung und Erbauung aller kommenden Generationen des christlichen Volkes anvertraut wurde. Es ist dies ein Schatz, der in gewissem Sinn der ganzen Menschheitsfamilie gehört und den für die Nachfahren zu erhalten sich die Kirche verpflichtet fühlt. 505 REISEN 8. Liebe junge Männer und Frauen, ich bete, daß diese meine kurzen Überlegungen anläßlich meines Besuches in der Diözese Willemstad eure Liebe zu Christus und seiner Kirche stärken und euch befähigen mögen, mit Ausdauer und wachsendem Mut als verantwortungsbewußte Mitglieder der Gesellschaft zu leben. Auch bete ich, daß eine viel größere Zahl von euch von Gott die Berufung zum Priestertum und zum Ordensleben empfange und dieser Berufung auch Folge leiste, um das Evangelium zu verkünden, die Sakramente zu feiern und auf ganz besondere Weise Zeugnis für die neue Schöpfung abzulegen, zu der wir alle aufgrund unserer Taufe geworden sind. Euch allen und euren Familien spende ich aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Für eine bessere Welt sich einsetzen Predigt bei der Eucharistiefeier in Willemstad (Niederländische Antillen) am 13. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich bin glücklich, mit euch auf dieser gesegneten Insel, einem Kreuzungspunkt von Wegen und Kulturen, beisammen zu sein. Wie jedes zum Meer und zur Kommunikation mit anderen Völkern offene Land ist auch eures in einer bevorzugten Lage, offen für alle Horizonte, und das macht euch empfänglicher für die Probleme des Menschen, der Natur, des Jenseits. Ich danke Gott dafür, daß er es mir auf dieser neuerlichen Pilgerreise durch Lateinamerika gewährt hat, euch zu besuchen und euch persönlich die Liebe auszudrücken, die ich zu euch als Kindern der katholischen Kirche und als Bürgern des schönen Curacao hege. Mit brüderlicher Umarmung grüße ich euren Bischof, Willem Michel Ellis, und die anderen hier anwesenden Brüder im Bischofsamt wie auch die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen und alle die lieben Gläubigen dieses schönen Landes, in dem der Same des Evangeliums ganz besonders fruchtbar war. Mein herzlicher Gruß gilt auch den Behördenvertretem, die uns begleiten. <409> <409> In unserer Eucharistiefeier erklangen soeben die Worte Christi selbst, der heute wie gestern zu uns sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Seine Stimme ist immer aktuell, denn er ist auferstanden und lebt und ist unter uns gegenwärtig. Seine Worte flößen uns Erleuchtung und Hoffnung für unseren Lebensweg ein. Ja, Gott, unser Vater, redet durch seinen Sohn Jesus Christus und im Heiligen Geist „aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde“ (Dei Verbum, Nr. 2). Die Liturgie dieser österlichen Zeit führt uns oft in den Abendmahlssaal, wo Jesus am Abend vor seinem Leiden und Sterben sein letztes Gespräch mit den Aposteln führte. Und im Verlauf dieses Gesprächs stoßen wir auf eine Frage des Apostels Philippus, die gleichzeitig ein Gebet ist: „Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns“ (Joh 14,8). Diese Frage, dieses Gebet des Apostels dient uns als Schlüssel, um zu erfahren, was die Apostel in jenem Augenblick dachten. Die Antwort Jesu beseitigt jeden Zweifel und öffnet ihnen den Weg, sein Geheimnis und seine Botschaft zu erkennen: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14,9). 506 REISEN Christus ist die persönliche Offenbarung des Vaters. Er spricht nicht nur zu uns von Gott, seinem Vater, sondern er präsentiert sich uns als die volle Offenbarung des Vaters. Jesus ist der Sohn Gottes, ist das lebendige und persönliche Wort des Vaters, das durch das Wirken des Heiligen Geistes im Schoß der Jungfrau Maria Mensch geworden ist. Jesus Christus ist als Sohn Gottes und unser Erlöser der Weg, der uns zum Vater führt, um uns einzuführen in das Geheimnis Gottes, der die Liebe ist und der da ist Vater, Sohn und Heiliger Geist, und um uns zugleich zu Teilhabern an diesem Geheimnis zu machen. Nur von diesem Geheimnis der Liebe aus können wir das Geheimnis des Menschen verstehen, der unser Bruder und unsere Schwester ist. Der Weg, auf dem Christus uns zum Vater geleitet, führt über alles, was er selbst tut und sagt. Das heißt, er führt über das Evangelium, sein lebendiges und immer aktuelles Wort. Er führt hauptsächlich über alles, was Christus ist: Unser Ostern, unser Hindurchgehen durch das Kreuz zur Auferstehung, unser Weg zur Wahrheit und zum Leben, das Gott selbst ist. „Niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6). 3. Hier und jetzt wie vor zweitausend Jahren sagt Jesus immer noch: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (ebd.). Liebe Brüder und Schwestern, der Herr ist der einzige Weg, der uns zum wirklichen Leben, zum ewigen Glück, zur unwandelbaren Wahrheit führt. Unsere Sehnsucht nach einer besseren Welt, in der Gerechtigkeit und Frieden regieren, findet ihre volle Erfüllung nur im auferstandenen Christus, denn er ist „der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte“ (Gaudium etspes, Nr. 10). Der Aufbau einer Welt, in der Liebe und Eintracht regieren, beginnt in jedem Menschenherzen, wenn in ihm die Kriterien, die Werteordnung und die Einstellungen lebendig werden, die der Herr im Evangelium gezeigt hat. Wie uns das II. Vatikanische Konzil lehrt, „macht Christus ... dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung“ (ebd., Nr. 22). Unsere Wünsche nach Wohlstand und Glück werden nur dann wahrhaft befriedigt, wenn die Menschen, die Familien und die ganze Gesellschaft nach dem Liebesgebot leben. Die Person, die Familie und die Gesellschaft sind nicht im vollen Sinn menschlich, wenn sie ihr Streben auf das bloße Besitzen, Konsumieren und Genießen beschränken, denn „der Mensch ... kann sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden“ (ebd., Nr. 24). Wie das II. Vatikanische Konzil bekräftigt, bleiben wir Christen Bauleute „eines neuen Humanismus, in dem der Mensch sich vor allem von der Verantwortung für seine Brüder und die Geschichte her versteht“ (ebd., Nr. 55). 4. Der Herr, der „lebendige Stein“, wie ihn soeben der hl. Petrus in der ersten Lesung dieser Feier genannt hat, wendet sich heute abend an euch, die ihr euch „als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen“ lassen sollt, „zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen“ (1 Petr2,4.5). Die Verkündigung des Wortes Gottes läßt, Generation auf Generation, neue „lebendige Steine“ entstehen, mit denen das Volk Gottes, die Kirche, aufgebaut wird. Euch, die ihr euch bewußt seid, lebendige Glieder der Kirche Christi zu sein, lade ich daher ein, Zeugnis von eurer christlichen Vitalität zu geben und ein Band der Einheit mit den vielen Menschen zu sein, die auf der Suche nach Erholung, Gastfreundschaft und Arbeit in euer Land kommen; so daß euer Leben ein ständiges Zeugnis für das Evangelium sei. 507 REISEN Wie sollten wir dem Herrn nicht danken für den Glauben und all die materiellen, kulturellen und geistlichen Güter, mit denen er uns gesegnet hat? Die beste Art, ihm für seine guten Gaben zu danken, ist diese: Zeugen und Apostel des Evangeliums zu sein. Zu recht erinnert uns das Konzil, daß „die ganze Kirche missionarisch und das Werk der Evangelisierung eine Grundpflicht des Gottesvolkes ist“ (Ad gentes, Nr. 35). Im Kontakt mit den Menschen, die als Touristen, Geschäftsleute oder Arbeitende eine Zeitlang unter euch verweilen, könnt ihr erkennen, daß „die Welt trotz unzähliger Zeichen der Ablehnung Gottes ihn auf unerwarteten Wegen sucht und schmerzlich spürt, daß sie seiner bedarf“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 76). In den verschiedenen Formen dieses Kontaktes werdet ihr herausfinden, wie ihr eure Pflicht als Christen erfüllen sollt, denn diese Leute müssen durch die Art, wie ihr lebt und euch gebt, in euch Zeugen des Gottes erkennen, der die Liebe ist. Auch an euch sind die Worte des Konzils gerichtet: Die christliche „Gemeinschaft ist aus Menschen gebildet, die, in Christus geeint, vom Heiligen Geist auf ihrer Pilgerschaft zum Reich des Vaters geleitet werden und eine Heilsbotschaft empfangen haben, die allen auszurichten ist. Darum erfährt diese Gemeinschaft sich mit der Menschheit und ihrer Geschichte wirklich engstens verbunden“ (Gaudium et spes, Nr. 1). 5. Die Botschaft des Evangeliums, die das Fundament für den Aufbau einer besseren Welt ist, muß in der Hauptsache in der christlichen Familie gelebt werden. Diese Gemeinde von Curacao hat in Einheit mit ihren Hirten als Motto für den Papstbesuch das Wort gewählt: „Für eine bessere Welt mit einer christlicheren Familie“ und hat damit angedeutet, wo sie eine Priorität beim Aufbau des Reiches Gottes sieht. Ja, im Kreis der Familie beginnt der Aufbau einer besseren Welt. Doch das ist nur möglich, wenn sich die Familie nicht als ein bloßes Zusammenwohnen, sondern als „innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe“ versteht (ebd., Nr. 48). Denn die Familie empfängt die große „Sendung, die Liebe zu hüten, zu offenbaren und mitzuteilen als lebendigen Widerschein und wirkliche Teilhabe an der Liebe Gottes zu den Menschen und der Liebe Christi, unseres Herrn, zu seiner Braut, der Kirche“ (Familiaris consoitio, Nr. 17). Gerade im Rahmen der Evangelisierungstätigkeit müssen sich die christlichen Eheleute zu mehr Heiligkeit des Lebens in der Treue zu den Lehren der Kirche berufen fühlen. Doch wir stellen im Gegenteil in unseren Tagen eine Reihe von Übeln fest, die die Institution Familie peinigen, wie zum Beispiel die illegalen, nicht durch das Ehesakrament geheiligten Lebensgemeinschaften, den Zerfall des Familienlebens durch die Scheidung, die Untreue und das Verlassen von Heim und Kindern, die Verletzung des Rechtes auf Leben durch die Abtreibung und die Vernichtung der Fruchtbarkeit. All das wird begünstigt durch eine materialistische, konsumorientierte Mentalität wie auch durch die Korruption und die herausfordernde Pornographie. Geliebte im Herrn, ich möchte euch das in eurer Muttersprache sagen: In der Eingeborenensprache Papiamento sagte der Papst: Es ist notwendig, die Familie zu evangelisieren, damit sie wahrhaft eine Lebens- und Lie-besgemeinschaft sei und so zum festen Fundament einer neuen Welt werden kann. „Die 508 REISEN Zukunft der Menschheit geht über die Familie!“ (ebd., Nr. 86). Die Zukunft der Kirche geht über die Familien, in denen das Evangelium gelebt und weitergegeben wird, denn die ganze christliche Familie muß zur Verkünderin des Evangeliums an die anderen Familien werden. Ihr vor allem, christliche Väter und Mütter, zusammen mit euren Kindern, ihr habt die Aufgabe, mit Freude und Überzeugung die „Gute Botschaft“ über die Familie als Fundament der Gesellschaft und als „Hauskirche“ zu verkünden (Lumen Gentium, Nr. 11). Auf spanisch sagte der Papst: 6. Die Anwesenheit so vieler junger Menschen in diesem „Korsou-Sportzentrum“ ist an sich schon Anlaß zur Hoffnung auf das Kommen der besseren Welt, die wir alle ersehnen. Liebe Jugendliche, die ich euch immer in meinem Herzen trage! Lebt begeistert in der Nachfolge Christi! Laßt euch von nichts und von niemandem euer Vertrauen auf ihn und euren Enthusiasmus für den Aufbau einer neuen Welt, in der Großherzigkeit und Liebe herrschen, rauben. In eurem Herzen spürt ihr beständig die Sehnsucht nach Wahrheit und Leben. Jesus Christus ist der einzige Weg dorthin und ist gleichzeitig die erhabenste Wahrheit und das wahre Leben. Junger Mensch von Curagao, beteilige dich an der unermüdlichen Arbeit, das Evangelium zu verkünden! Du bist berufen, leidenschaftlicher Sucher nach der Wahrheit, nach hohen und edlen Idealen zu sein. Verfalle nicht in Apathie, in Gleichgültigkeit, in Mutlosigkeit! Der Herr ist mit dir. Sei also in der ersten Reihe beim Aufbau einer gerechteren, gesünderen und brüderlicheren Gesellschaft! 7. Jetzt möchte ich mein liebevolles Wort an die Menschen im gottgeweihten Stand richten. Mir ist, als sähe ich in euch das aktuelle Zeichen der Liebe Christi. Als bräutliche Verbundenheit mit Christus ist euer ganzes geweihtes Leben „Zeichen und Antrieb für die Liebe und eine besondere Quelle geistlicher Fruchtbarkeit in der Welt“ (Lumen Gentium, Nr. 42). Seid weiterhin den Hoffnungen treu, die die Kirche in euch setzt. Fühlt euch zutiefst von Christus geliebt. Nur wenn ihr davon überzeugt seid, werdet ihr die Kräfte in euch spüren, Christus und seine Braut, die Kirche zu lieben und lieben zu machen. So wird eure bräutliche Liebe zu Christus auch zur „Liebe zur Kirche als dem Leib Christi, zur Kirche als dem Volk Gottes, zur Kirche, die zugleich Braut und Mutter ist“ (Redemptoris donum, Nr. 15). Die lieben Priester und die künftigen Priester ermuntere ich, treu ihrer Berufung zu folgen, „sakramentales Zeichen Christi, des Hirten und Hauptes der Kirche“ zu sein (Puebla, Nr. 659). In der „österlichen Freude“, die einem Leben entspringt, das sich als „höchstes Zeugnis der Liebe“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 11) darbringt, werdet ihr Christus, „den Weg, die Wahrheit und das Leben“ gegenwärtig machen und durch euch hindurchscheinen lassen können für die christliche Familie, für die Laien, für die Arbeiter, für die Jugendlichen, für die gottgeweihten Personen und für das ganze Volk Gottes. Christus braucht euch, um die Kranken zu erreichen, die Armen, die Fernstehenden und alle, die angefangen haben, ihn zu suchen. <410> <410> In der heutigen Eucharistiefeier sind wir im Hören auf das Wort Gottes zu Christus gekommen, der der Schlußstein ist; der hl. Petrus erinnert uns daran mit einem Zitat aus dem Propheten Jesaja: „Seht her, ich lege in Zion einen auserwählten Stein, einen Eckstein, den ich 509 REISEN in Ehren halte; wer an ihn glaubt, der geht nicht zugrunde“ (1 Petr 2,6; vgl. Jes 28,16). Dieser Eckstein, der Christus ist, muß angenommen werden und darf beim Aufbau des menschlichen Zusammenlebens hier auf dieser Erde nicht außer acht gelassen werden. Bevor ich schließe, möchte ich im Rahmen der Fünfhundertjahrfeier der Ankunft des Evangeliums in der Neuen Welt meinen Aufruf an die Kirche in Curapao zu einem verstärkten Engagement in der Neu-Evangelisierung wiederholen; sie wird mit Macht die christlichen Wurzeln der Kirche hier neu beleben. Diese Neu-Evangelisierung erfordert Männer und Frauen, die eifrig sind im Anhören des Wortes Gottes, im Gebet, in der Eucharistiefeier und die bereit sind, ihre Güter mit den Brüdern und Schwestern zu teilen (vgl. Apg 2,42; 4,32). Die Neu-Evangelisierung braucht Christen und Gemeinden, die „ein Herz und eine Seele“ sind (Apg 4,32). Die Heilige Jungfrau, Mutter der Einheit, helfe euch, diese kirchliche Einheit als wirksames Zeichen neuen Lebens und der Evangelisierung zu leben. Beim Besuch dieser geliebten Ortskirche ermutigt der Bischof von Rom, der Nachfolger des hl. Petrus, euch alle, stets Christus nachzufolgen, der „Weg, Wahrheit und Leben“ ist. Darum bitte ich den Herrn hier und heute für euch und mit euch. Amen. Führe uns zu Jesus Weihegebet an die Gottesmutter vom 13. Mai Heiligste Jungfrau Maria! Als Pilger in diesem gesegneten Land der Antillen und Aruba, knie ich vor dir, um unter deinen umfassenden Schutz alle Söhne und Töchter dieses Volkes zu stellen, das dich als geliebte Mutter verehrt. Vor dir, die du voller Güte bist, erneuern wir das Versprechen unseres Glaubens, die feste Hoffnung auf deinen Schutz, und unsere Kindeshebe, die wir im Herzen tragen. Weil du die Mutter Gottes bist und unsere Mutter, empfehle ich deinem Segen die kirchlichen Gemeinschaften; Pilger auf den Antillen und in Aruba. Gib, daß sie immer als kostbaren Schatz den Glauben an Jesus Christus bewahren, die Liebe zu dir, die Treue zur Kirche. Segne ihren Bischof, ihre Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, Seminaristen und alle Laienapostel, auf daß sie immer Zeugen brüderlicher Einheit und Liebe sein mögen. Ich empfehle deinem Segen besonders die Familien, auf daß sie christliche Heimstätten seien, in denen das werdende Leben geachtet wird, in denen die Treue der Ehe gehalten wird, die Kinder gut erzogen werden und Großzügigkeit gegenüber Armen und Bedürftigen gepflegt wird, auf daß es morgen eine bessere Welt gebe mit mehr christlichen Familien. Segne auch die Jugend, auf daß sie in Christus das Vorbild der Liebe finden möge, das sie dazu anregt, sich für den Aufbau einer gerechteren, brüderlichen und freundlicheren Welt einzusetzen. Sei die liebevolle Beschützerin der Kinder, die eine friedlichere und menschlichere Welt verdienen, der Kranken, der Armen, der Eingekerkerten, der Verfolgten, der Waisen, der Verlassenen, der Sterbenden. Mutter der Kirche! 510 REISEN Ich empfehle deinem Segen das katholische Volk der Antillen und Arubas, auf daß es in der vollkommenen Gemeinschaft von Glauben und Liebe lebe. Segne es mit zahlreichen Priester- und Ordensberufen; führe es zu Jesus, deinem Sohn, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Voller Vertrauen lege ich dieses Gebet in deine Hände, auf daß es zum Vater gelange, der dich liebte und dich zum Anfang der neuen Menschheit erwählt hat; durch seinen Sohn, der aus deinem Schoß in der Kraft des Heiligen Geistes geboren wurde. Amen. Dank für Gastfreundschaft Amsprache bei der Abschiedszeremonie in Curajao am 13. Mai Exzellenz, Frau Premierminister, meine Damen und Herren! 1. Da ich mich am Ende dieses Pastoralbesuchs in Curafao anschicke, nach Rom zurückzukehren, möchte ich Ihnen allen für Ihr freundliches Willkommen und Ihre großzügige Gastfreundschaft danken. Wenn auch mein Aufenthalt bei Ihnen sehr kurz war, so bin ich doch Gott sehr dankbar für diese Gelegenheit, zu den Niederländischen Antillen zu kommen, um mit zahlreichen ausgezeichneten Vertretern und Vertreterinnen Ihres politischen und religiösen Lebens zusammenzutreffen und mit den Katholiken der Diözese Willelmstad die Eucharistie zu feiern. Es war mir vergönnt, an diesem Nachmittag und Abend die liebenswürdige Wärme und die solide Tugend dieser Inselbevölkerung zu erfahren. Ich habe auch Ihren Wunsch gespürt, eine gesunde, von pulsierendem Leben erfüllte Gesellschaft aufzubauen, eine Gesellschaft, die sich materiellen Wohlstands und moralischer Qualität erfreut, eine Gesellschaft, auf die kommende Generationen mit Recht stolz sein werden. Mögen Sie bei all Ihrem Bemühen nicht vergessen, daß die Größe eines Volkes sich nicht an einem Reichtum oder seiner Macht ermessen läßt, sondern an dem Maß, in welchem es um die Bedürfnisse anderer, vor allem der Schwächsten und der am wenigsten Begünstigten besorgt ist. <411> <411> Wenn Sie sich mit den die Zukunft Ihrer Gesellschaft entscheidenden Forderungen beschäftigen, lassen Sie sich nicht dazu verleiten, die Armen und Geplagten in Ihrer Mitte zu vernachlässigen, jene, die keine Stimme haben. Die Heilige Schrift verspricht, „wer reichlich sät, wird reichlich ernten“ (2 Kor 9,6). Diese Worte drücken eine tiefe Wahrheit aus, die das Leben der einzelnen wie das ganzer Völker bestimmt. In dem Maß, wie Sie das Gesetz Gottes beachten und das Wohl des Nächsten über Ihr eigenes Wohl stellen, werden Sie eines Reichtums gewahr werden, der jede materielle Berechnung weit übertrifft. Letzten Endes wird dieser geistige Reichtum es sein, der jedem von Ihnen und Ihrer ganzen Gesellschaft bleibende Stabilität und ein stetes Wachstum der Einheit, der Wohlfahrt und des Friedens garantiert. Noch einmal versichere ich Sie alle meines Gebetes, und ich empfehle Sie und Ihre Familien der „Güte und Menschenliebe Gottes“ (Tit 3,4). Gott segne Sie alle! Er segne diese Inseln mit dem Frieden, den nur er geben kann! 511 REISEN 5. Pastoraireise nach Malta (25. bis 27. Mai) Maltas Katholiken: Zeugen einer alten Glaubenstradition Ansprache beim Treffen mit dem Präsidenten, Mitgliedern der Regierung von Malta und des Diplomatischen Korps am 25. Mai Herr Präsident, Herr Premierminister, Herr Regierungssprecher, geehrte Mitglieder der Regierung des Parlaments, der Justiz und des Diplomatischen Korps, meine Damen und Herren! 1. Ich freue mich über diese Gelegenheit, mich zu Beginn meines Pastoralbesuchs in Malta an Sie zu wenden. Als erster Papst, der seinen Fuß auf diese Insel setzt, bin ich mir der Bedeutung meines Besuchs nicht nur für die Mitglieder der katholischen Kirche, sondern auch für die gesamte maltesische Nation bewußt. Zu Beginn des christlichen Zeitalters empfingen eure Vorfahren die Frohbotschaft Jesu Christi durch die Predigt des Apostels Paulus, als er auf dem Weg nach Rom war. In den nachfolgenden Jahrhunderten schlug der Glaube, der in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri gelehrt wurde und sich im Bekenntnis kundtat, feste Wurzeln im Leben und in der Kultur des maltesischen Volkes. Die Gegenwart des Bischofs von Rom in Ihrer Mitte möge, so hoffe ich, in Ihrer Erinnerung den einzigartigen und stetigen Beitrag wachrufen, den der christliche Glaube geleistet hat und weiterhin leistet in der Gestaltung Ihrer Nation und zur Förderung von deren Wachstum. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, sehr herzlich für Ihre freundlichen Willkommensworte und dafür, daß Sie diesen Besuch möglich gemacht haben. Ich freue mich über diese Gelegenheit, daß ich den Glauben des maltesischen Volkes ehren, das Evangelium verkünden und die Eucharistie gemeinsam mit den Bischöfen und Gläubigen der Kirchen von Malta und Gozo feiern kann. Ich hoffe, bei meinem Besuch all diejenigen zu ermuntern und zu bestärken, die in den Herausforderungen und Angeboten der Gegenwart dem beeindruckenden Erbe der christlichen Werte treu bleiben, das eure Nation von vergangenen Generationen empfangen hat, und das die sichere Bürgschaft für ihre beständige Entwicklung in der Zukunft bleibt. Als Zeugen einer alten Glaubenstradition stehen die Katholiken Maltas an der Schwelle zum dritten Jahrtausend vor der Aufgabe, sich dieser Tradition immer mehr bewußt zu werden und die Weisheit und Einsichten, die sie enthält, in den Aufbau einer modernen Gesellschaft ein-zubringen, die ihres edlen Landes in jeder Weise würdig ist. <412> <412> Heutzutage besteht ein wachsendes Einverständnis darüber, daß das Leben der Nationen auf einer absoluten Achtung für die unveräußerliche Würde und die Rechte eines jeden Menschen gegründet sein muß, ohne Unterschied von Rasse, religiösem Glauben und politischer Meinung. Sowohl in den beiden Weltkriegen als auch bei den großen Umwälzungen, die zur 512 REISEN Zeit in Mittel- und Osteuropa stattfmden, haben wir gesehen, wie ganze Völker Machtstrukturen von sich wiesen, die in der Tat ihre rechtmäßigen Bestrebungen, in einer sozialen Ordnung zu leben, die sich durch Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden auszeichnet, verneint und betrogen haben. Wie Sie sehr wohl bemerken, erfordert die Aufgabe der Errichtung einer sozialen Ordnung große Geduld, eine klare Sichtweise und moralische Reife. Sie verlangt vor allem von jeder Einzelgruppe und jeder sozialen Gruppe einen unaufhörlichen Einsatz im Streben nach dem Allgemeinwohl. Außerdem wird eine aufrichtige Entschlossenheit dazu verlangt, unter allen Sektoren des nationalen Lebens zu einem respektvollen Dialog anzuregen, indem Gesetze und politische Wege gefördert werden, die die Freiheit und die Würde eines jeden Bürgers sichern und dabei die weniger Bevorteilten und die Verwundbareren sowie die Familienrechte und die Rechte der Arbeiter besonders berücksichtigen. Schließlich wird der Einsatz einer Nation in bezug auf diese Werte an ihren Bemühungen gemessen werden, diese Werte durch eine weitgestreute Beteiligung am demokratischen Prozeß, die gerechte Verwaltung der Justiz und die Festigung eines stärkeren Sinnes für die soziale Solidarität sicherzustellen. Ich vertraue darauf, daß diese Werte weiterhin die zukünftige Entwicklung Ihres Landes anregen werden. Ebenso bin ich zuversichtlich, daß die Führungskräfte der Nation - Gesetzgeber, Beamte, Mitglieder der Justizgewalt und Politiker - sowie auch Privatgruppen und einzelne Bürger, darauf achten, daß diese Prinzipien niemals den Tendenzen geopfert werden mögen, die aus dem Einfluß von Ideen oder Verhaltensweisen entstehen können, die der christlichen maltesischen Tradition fremd sind. <413> <413> Die katholische Kirche, die seit jeher aktiv am Leben der Nation teilgenommen hat, möchte zum Fortschritt des maltesischen Volkes ihren eigenen Beitrag leisten. Aus ihrer jahrhundertealten Erfahrung im Dienst an den einzelnen und der Gesellschaft schöpfend, ist sich die Kirche in Malta zutiefst ihrer Pflicht bewußt, die Zeichen der Zeit im Lichte des Evangeliums auszulegen und den Gelegenheiten und Prüfungen der heutigen Zeit auf eine Weise entgegenzutreten, die mit ihrer religiösen Sendung übereinstimmt. Wie die Bischöfe anläßlich des Zweiten Vatikanischen Konzils herausstellten, ist die Kirche nicht von irdischen Bestrebungen motiviert (vgl. Gaudium et spes, Nr. 3), und „sie will sich auf keine Weise in die Leitung des irdischen Staatswesens einmischen“ (Ad gentes, Nr. 12). Stattdessen setzt sie sich dafür ein, das Werk Christi weiterzutragen, indem sie treu für das Heil der ganzen Menschheit und eines jeden Individuums arbeitet, „dem einen und ganzen Menschen, mit Leib und Seele, Herz und Gewissen, Vernunft und Willen“ verpflichtet (Gaudium et spes, Nr. 3). Da sie Zeugnis ablegt für die Liebe Jesu Christi, kämpft die Kirche darum, alle Menschen, die guten Willens sind, in einem Geist gegenseitiger Achtung und tatkräftiger Solidarität zu vereinigen (vgl. ebd.). In ihrem Amt verfolgt die Kirche „die Heiligung und Hebung der menschlichen Personenwürde, die Festigung des menschlichen Gemeinschaftsgefüges ... die Erfüllung des alltäglichen menschlichen Schaffens mit tieferer Sinnhaftigkeit und Bedeutung“ (vgl. ebd., Nr. 40). In der Tat ist die Kirche davon überzeugt, daß sie, indem sie ihrem Wesen und ihrer eigenen Sendung treu ist, „durch ihre einzelnen Glieder und als ganze viel zu einer humaneren Gestaltung der Menschenfamilie und ihrer Geschichte beitragen“ kann (ebd.). 513 REISEN Demzufolge liegt es im Interesse eines jeden, daß vor allem die Kirche, doch auch all jene, denen es um das Wohl des einzelnen und der Gesellschaft geht, sich für die Handlungsautonomie der Kirche einsetzen. Wichtig ist, daß die Kirche in den institutionellen und den Verwaltungsbereichen Freiheit genießt und frei ist von allem ungebührenden Druck, von Hindernissen und Manipulationen. Kurzum, es ist wesentlich, daß die Kirche dazu befähigt wird, wirksam in der Erfüllung ihrer Mission für alle Völker tätig zu sein, indem sie sich als das zeigt, was sie in Wahrheit ist: die Mutter aller Getauften (vgl. Lumen Gentium, Nr. 64) und in gewissem Sinne der ganzen Menschheit. Indem die Kirche den Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils folgt, bringt sie in Solidarität mit der ganzen Menschenfamilie ihre Liebe gegenüber dieser Familie dadurch zum Ausdruck, daß sie mit ihr in einen Dialog über all die Probleme eintritt, die sie angehen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 3). Hierbei kann ich nicht umhin, die positiven Ergebnisse zu erwähnen, die sich aus den beständigen Gesprächen zwischen der maltesischen Regierung und dem Heiligen Stuhl ergeben, wobei der letztere in enger Zusammenarbeit mit den maltesischen Bischöfen handelt. Bisher haben diese Gespräche Frucht getragen in Übereinkünften, die Werte ausdrücken und fördern, welche ein wesentlicher Bestandteil des geschichtlichen, kulturellen und institutioneilen Erbes von Malta sind. Sie befähigen die Kirche dazu, jenem Erbe auch weiterhin in vollem Einklang mit ihrem eigenen Charakter und den Forderungen ihres universalen Gesetzes ihren Beitrag anzubieten. Ich vertraue darauf, daß bald weitere Übereinkommen in bezug auf gemeinsame Interessen mit Rücksicht auf die höchsten Grundsätze der Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie getroffen werden. <414> <414> Innerhalb der internationalen Gemeinschaft wird Malta weitgehend wegen seiner Initiativen geschätzt, die auf die Stärkung des Verständnisses, der Zusammenarbeit, des Friedens und des Wohlstandes unter den Völkern ausgerichtet sind. Ich freue mich, auch die Hochachtung des Heiligen Stuhls in bezug auf diese Initiativen zum Ausdruck zu bringen. Die Anwesenheit der vielen Diplomaten unter uns, die bei der Republik Malta akkreditiert sind, spiegelt die hohe Meinung wider, der sich Ihre Republik in der internationalen Gemeinschaft erfreut. Indem ich Ihnen für ihre freundliche Gegenwart danke, bitte ich Sie, ihren jeweiligen Staatsoberhäuptern, Regierungen und Völkern meine wärmsten Grüße und Wünsche zu übermitteln. Sehr geehrte Mitglieder des Diplomatischen Korps, meine innige Hoffnung ist, daß Ihre Bemühungen um die Förderung harmonischer und beidseitig wohltätiger Beziehungen zwischen Ihren Staaten und der Republik Malta einen dauernden Beitrag zur Sicherheit und zum Fortschritt sowohl des Mittelmeerraumes als auch der ganzen Welt leisten wird. Meine Damen und Herren, ich bin zutiefst für die Freundlichkeit und Gastlichkeit dankbar, mit der Sie mich empfangen haben. Ehe ich meinen Pastoralbesuch fortsetze, rufe ich auf Sie und das ganze liebe Volk Maltas den reichen Segen des allmächtigen Gottes herab. 514 REISEN Das Wirken des Geistes nicht unterschätzen Ansprache bei der Begegnung mit Priestern und Ordensleuten in La Valletta (Malta) am 25. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Der Friede sei mit euch“. Das ist mein Graß und mein Gebet für euch und für das ganze maltesische Volk. „Friede sei mit den Brüdern, Liebe und Glaube von Gott, dem Vater, und Jesus Christus, dem Herrn“ (Eph 6,23). Es trifft sich gut, daß ich meine erste Ansprache hier, in der wunderbaren Ko-Kathedrale halte: sie ist ein beredter Zeuge für einen Teil eurer Geschichte, die euren Namen in aller Welt bekannt gemacht hat. Da ich zur Ausübung meines Amtes in der Weltkirche berufen bin, ist es mir eine große Freude, die Insel Malta, die Insel des hl. Paulus, eine Insel des Glaubens, des Heldentums und der Frömmigkeit, besuchen zu können. Heute teile ich die Gefühle des hl. Paulus, der schrieb: „So waren wir euch zugetan und wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben; denn ihr wart uns sehr lieb geworden“ (1 Thess2,8). Von der göttlichen Vorsehung geleitet, bin ich gekommen, um euch in dem Glauben zu stärken, den der Völkerapostel zu urchristlicher Zeit hierher gebracht hat. Ich komme auch als Pilger, um eine direkte Erfahrung der Lebenskraft eurer Ortskirchen zu machen und die vergangenen und gegenwärtigen Leistungen all jener zu würdigen, die hochherzig dem Ruf des Evangeliums gefolgt sind und Werke des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zur Ehre Gottes und für das Heil der Welt hervorgebracht haben. Und da die Kirche in Malta nunmehr ihrem dritten Jahrtausend entgegengeht, möchte ich ihr Mut und Hoffnung auf eine noch glorreichere Zukunft zusprechen. <415> <415> Liebe Freunde im Herrn: der katholische Glaube konnte hier dank großmütiger Männer wachsen und blühen, die in verschiedenen historischen Augenblicken ihr Leben dem Dienst Christi und seiner Kirche geweiht haben, „nicht aus Zwang, sondern freiwillig ... auch nicht aus Gewinnsucht, sondern aus Neigung ... [als] Vorbilder für die Herde“ (1 Petr 5,2-3). Es ist mir eine Freude, daß meine erste Begegnung euch, den Priestern und Ordensleuten gilt, habt ihr doch beim Aufbau der Kirche eine unersetzliche Rolle zu spielen: alle Glieder der Herde Christi, von den größten bis zu den kleinsten, müssen die Heiligkeit des Lebens verwirkichen, die zum Heil führt. Es ist mir wohl bewußt, daß die Kirche in Malta ihrer pastoralen Sendung in einer sozialen und kulturellen Situation nachkommen muß, die in mancher Hinsicht Schwierigkeiten bereitet. In diesem Kontext ist es klar, daß sie in erster Linie „Hauswesen Gottes“ (1 Tim 3,15) sein muß, in dem die Familie wohnt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 6) und wo die Mitglieder der Familie, sich der berechtigten Freiheit der Kinder Gottes erfreuend (vgl. Röm 8,21), vereint sind durch die Bande des Glaubens und der Liebe: „Ubi caritas et amor, Deus ibi est.“ Ich möchte euch auffordem, unter der Leitung eurer Bischöfe den Weg der echten und tiefen Erneuerung weiterzugehen, den der Heilige Geist mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil dem Volk Gottes vorgezeichnet hat. 515 REISEN Man kann freilich nicht abstreiten, daß euer Land heute immer größeren und neuen Problemen gegenübersteht. Eure verehrungswürdigen Traditionen und eure Gesellschaft unterliegen den Verlockungen einer säkularisierten Kultur, die sich über einen großen Teil der Welt ausgebreitet hat. Als Männer und Frauen, deren Berufung ohne Gott und seine Verheißungen sinnlos wäre, habt ihr nichts zu fürchten. Durch Ausdauer und Treue angesichts von Herausforderungen und Versuchungen offenbart sich die Macht Gottes in der menschlichen Schwäche. Unterschätzt nie das verborgene Wirken des Heiligen Geistes in den Herzen der Menschen, das die Umwandlung, die „Metanoia“, diesen innersten Kern des Evangeliums (vgl. Mk 1,15), zustandebringt. Ich fordere euch auf, euren starken Glauben, euer katholisches Erbe als Söhne und Töchter Maltas hochzuhalten, damit die Großtaten Gottes weiterhin jetzt und auch in Zukunft hier offenbar werden können. Malta war stets mit einer großen Zahl von Berufungen gesegnet und sandte zur Freude der katholischen Gemeinden in aller Welt in großzügiger Weise viele Priester und Ordensleute in andere Länder. Es ist jedoch auch angezeigt, mit wachsamem Auge auf die Zukunft zu blicken. Habt keine Furcht, von den jungen Menschen viel zu verlangen und sie mit einem Ruf zum Dienst und zu einer auf den radikalen Forderungen des Evangeliums beruhenden Lebensweise zu konfrontieren. Wenn jedoch euer Aufruf Erfolg haben soll, dürft ihr euch nicht darauf beschränken, ihn in Worten zum Ausdruck zu bringen, sondern müßt auch durch euer Beispiel beweisen, daß ihr engagiert, eifrig und freudig im Dienst des Herrn steht. 3. Alle Priester Maltas möchte ich an die Worte des hl. Petrus erinnern: „Sorgt euch als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes ... Wenn dann der oberste Hirte erscheint, werdet ihr den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen“ (I Petr 5,2.4). Kann es eine größere Ehre geben als diese? Christus hat jeden einzelnen von euch namentlich dazu berufen, an seinem Amt teilzuhaben und hat euch einen Teil seiner Herde anvertraut. Kann es eine wirksamere Ermutigung geben als die, mit Christus zu dienen, zu arbeiten und selbst zu leiden, damit ihr mit allen Gläubigen an der Herrlichkeit teilhabt, die offenbar werden soll? Ja, liebe Brüder, der oberste Hirte hat euch als Priester zum Amt und zur Herrlichkeit berufen. Welche Gnade ist es, daß in Malta die Ausübung eures Amtes von echter Nähe zum Volk gekennzeichnet ist! Wenn ihr in seiner Mitte lebt und arbeitet, um Christus nachzuahmen, der „nicht gekommen [ist], um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen“ (Mt20,28), sollt ihr stets bestrebt sein, eine priesterliche Mentalität zu entwickeln, welche die Menschen ihrem letzten, ewigen Ziel näherbringt, „dem, was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt“ (Kol 3,1). Steht jedermann achtungsvoll und mit wahrhaft brüderlicher Sorge zur Verfügung. Übt euren pastoralen Dienst „frei von jedem Ansehen der Person“ (Jak 2,1) aus. Alle Männer und Frauen, die an eure Türe klopfen, sollten - unabhängig von ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellung oder ihrer politischen Überzeugung - in euren Worten und eurem Handeln die volle, mit Liebe und Verständnis dargebotene Wahrheit Gottes erkennen können. „Aus den Menschen auserwählt“ (Hebt 5,1) und „auserwählt, das Evangelium Gottes zu verkünden“ (Röm 1,1), tragt ihr eine besondere Verantwortung für das „Mitleid“, das Jesus allen Menschen in seiner Umgebung bezeugte (vgl. Mt 9,36). Ihr wißt, daß euer priesterliches Amt nie als rein private Angelegenheit gelebt werden kann. Das „Presbyterium“ sollte klar die Einheit widerspiegeln, die der Natur der Kirche, dem 516 REISEN einen Leib Christi, eigen ist (vgl. 1 Kor 12,12). Das Dekret des Konzils über Dienst und Leben der Priester spricht von einer „tiefen sakramentalen Bruderschaft“, welche die Priester als Glieder eines einzigen Leibes unter dem Diözesanbischof miteinander verbindet, „durch das Band der Liebe, des Gebetes und der allseitigen Zusammenarbeit“ (Presbyterorum ordi-nis, Nr. 8). Die Liebe ist unerläßlich, wollen wir es nicht versäumen, unter unseren Brüdern das zu üben, was wir vor anderen verkünden; ein Band des Gebetes muß verhindern, daß Priester sich bei der Ausübung ihres Amtes geistlich isoliert fühlen; schließlich ist allseitige Zusammenarbeit notwendig, denn das gleiche Dekret lehrt uns, daß „kein Priester ... abgesondert und als einzelner seine Sendung hinreichend erfüllen [kann], sondern nur in Zusammenarbeit mit anderen Priestern, unter Führung derer, die die Kirche leiten“ (ebd., Nr. 7). Ich fordere euch in erster Linie auf, ein Beispiel der Einheit und der Harmonie zu geben, damit die euch anvertraute Herde sich ebenfalls gedrängt fühle, in Frieden zu leben und als Glieder einer Familie zusammenzuarbeiten. Am Vorabend der Bischofssynode, die sich mit der Ausbildung der Priester beschäftigen wird, kann ich nicht umhin, ein Wort über eure ständige Weiterbildung als Priester zu sagen. Um mehr und mehr eurer Aufgabe als Hirten gerecht werden zu können, sollt ihr es euch angelegen sein lassen, eure Kenntnis der Heiligen Schrift und der theologischen Wissenschaften zu fördern und zu vertiefen. Als Gottgeweihte sollt ihr den Wunsch hegen, durch persönliches Gebet und geistliche Übungen in der Gnade zu wachsen, können doch eure Kenntnisse und Fähigkeiten nur durch ein Streben nach Heiligkeit und durch die Verbundenheit mit Gott dauerhafte Früchte im Dienst des Volkes Gottes tragen. Ich bitte um euer Gebet für die Synode und für die Seminaristen und Priester in aller Welt, damit die Kirche weiterhin mit einem würdigen und eifrigen Klerus gesegnet sei und so das Evangelium in der heutigen Welt verkünden könne. Schließlich möchte ich euch zur Anerkennung und Förderung der Rolle der Laien im Leben der Kirche auffordem, was den Lehren des Konzils und ihrer Weiterentwicklung im Apostolischen Schreiben Christifideles laici entspricht. Die Rolle der Priester und die der Laien ergänzen einander. Worin immer euer priesterliches Wirken im heutigen Malta bestehen möge, es soll euer Anliegen sein, die Zusammenarbeit zwischen euch und den Laien zu stärken, damit jedes Glied der Kirche auf seine Weise zum geistlichen und materiellen Wohl aller den entsprechenden Beitrag leiste. Wenn ich von Laien spreche, so denke ich dabei auch an die verschiedenen Vereinigungen und Bewegungen, die einen spezifischen Beitrag zur Gegenwart und Sendung der Kirche in der Gesellschaft leisten. Liebe priesterliche Mitbrüder, seid stets der kirchlichen Aufgabe eingedenk, die in Christus den Priestern zusteht: „Sie sammeln die Familie Gottes als von einem Geist durchdrungene Gemeinde von Brüdern und führen sie durch Christus im Geist zu Gott dem Vater“ (Lumen Gentium, Nr. 28). Möge der Herr euch das Fortdauern eurer „ersten Begeisterung“ gewähren, damit das ganze maltesische Volk aus eurer geistlichen Leitung zur Vertiefung des christlichen Lebens und zu einer von den Wurzeln ausgehenden Erneuerung der Gesellschaft Nutzen ziehe. <416> <416> Liebe Ordensmänner und Ordensfrauen: wie ich oft betont habe, ist eure größte Gabe für Kirche und Welt das, was ihr seid. Eure Weihe ist ein machtvolles Zeichen dafür, daß die 517 REISEN Menschheit dazu berufen ist, in Christus eine neue Schöpfung, d. h. nicht mehr „vom Fleisch“, sondern „vom Geist bestimmt“ (Röm 8,9) zu sein. Indem ihr freiwillig und freudig Keuschheit, Armut und Gehorsam um des Himmelreiches willen auf euch nehmt, legt ihr Zeugnis für eine Lebensweise ab, die der Sohn Gottes für sich selbst mit seinem Eintreten in die Welt gewählt hat. Wie sehr bedarf die heutige Welt des Glaubens, der eure Weihe möglich macht; eines Glaubens, den der Hebräerbrief als „Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr 11,1) bezeichnet! Das moderne Leben macht es den Menschen leicht, Gott zu vergessen und Vergnügen, materiellen Besitz und Machtausübung — die alle weder dauernde Freude noch wahren Lebenssinn gewährleisten - zu ihren Götzen zu machen! Ihr, die ihr euch zu den evangelischen Räten bekennt, legt ein Zeugnis für das Unvergängliche ab (vgl. 1 Kor 15,50.53). Ihr beweist der Welt, daß man sein Leben in Fülle „findet“, sowohl in dieser als auch in der kommenden Welt, indem man es „verliert“ (vgl. Mt 16,25). Ihr bringt die transzendente Berufung der Menschheit zum Ausdruck, die nur dann zur Vollendung kommt, wenn man mit Christus den Weg des Kreuzes geht. Das ist eine Lebensaufgabe, die ein ständiges Streben und Auferstehen mit Christus in sich schließt, wenn ihr bestrebt seid, „vollkommen [zu] sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist“ (Mt 5,48). Laßt euch auf diesem Weg nicht von Ermüdung oder Mutlosigkeit übermannen. Denkt daran, daß Gott treu ist. Da er euch zum Ordensleben berufen hat, wird er es nicht versäumen, euch in euren Nöten beizustehen, damit ihr, seinen Anforderungen entsprechend, ausdauernd wachsen könnt. Da die Ordensleute in Malta im Lauf der Jahrhunderte einen großartigen Beitrag zur Evangelisierung geleistet haben, hoffe ich, daß ihr, dem Charisma der einzelnen Ordensinstitute treu, durch die Ausübung eurer verschiedenen apostolischen Tätigkeiten aktiv und gewissenhaft am Aufbau der Ortskirche mitwirken werdet. Ich fordere euch zu möglichst weitgehender Zusammenarbeit auf, damit die Ortskirche in der Verschiedenheit ihrer Lebens- und Arbeitsweisen wirklich eine um den Bischof gescharte Einheit bilde und - dem für diesen Besuch gewählten Wahlspruch treu - „ein Herz mit dem Papst“ sei. Ein spezielles Wort möchte ich an jene richten, die zum beschaulichen Leben berufen sind. Euer ständiges Gebet und Opfer sind das liebende Herz der Kirche, das Herz, das unsichtbar für die Bekehrung der Sünder, die Heiligung der Gerechten und die Ausbreitung des Evangeliums schlägt. Indem ihr den Wegen Gottes folgt, die nicht immer unserem menschlichen Denken entsprechen, vergrößert eure Abkehr von den Dingen dieser Welt euren Einfluß auf sie, statt ihn zu verringern, und wird zur Quelle unbegrenzter Segnungen für die ganze Menschheitsfamilie. Dank der verborgenen apostolischen Fruchtbarkeit, welche eure Weihe im Mystischen Leib Christi verbreitet (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 7), hat euer verborgenes Leben in der Klausur nachhaltige Rückwirkungen auf die „irdische Stadt“, die „auf den Herrn“ gegründet sein muß, damit ihre Erbauer nicht vergebens arbeiten (vgl. Lumen Gentium, Nr. 46). Möge Gott der Kirche in Malta mehr Berufungen zum beschaulichen Leben schenken und euch allen seinen Frieden und seine Freude sichern. <417> <417> Allen heute hier anwesenden Priestern, Schwestern und Brüdern und allen Priestern und Ordensleuten Maltas möchte ich den Dank der Kirche für ihren Dienst am Evangelium aus- 518 REISEN sprechen. Dem Beispiel des hl. Paulus folgend, der vor so langer Zeit den Glauben hierher gebracht hat, bete ich „auch immer für euch, daß unser Gott euch eurer Berufung würdig mache und in seiner Macht allen Willen zum Guten und jedes Werk des Glaubens vollende. So soll der Name Jesu, unseres Herrn, in euch verherrlicht werden und ihr in ihm“ (2 Thess 1,11-12). Euch allen erteile ich aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Familie ist wahrhaft Hauskirche Ansprache beim Besuch des Marienheiligtums in Mellieha (Malta) am 26. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Mit Freude nehme ich die Gelegenheit wahr, mit den Eltern und Anverwandten von Priestern, Ordensleuten und Laien Maltas, die im Seelsorgedienst im Ausland tätig sind, zusammenzutreffen. Die Bereitschaft, mit der so viele Söhne und Töchter Maltas auf den Ruf des Herrn geantwortet haben, gibt Anlaß zu großer Freude. Diese Bereitschaft ist ein Zeugnis der geistlichen Fruchtbarkeit des christlichen Glaubens, den der Apostel Paulus vor so langer Zeit auf diese Insel gebracht hat. Im Namen der gesamten Kirche danke ich jedem von euch für alles, was ihr durch euer Gebet, durch eure Unterstützung und durch euer persönliches Opfer getan habt, diesen Männern und Frauen zu helfen, Gottes Willen zu erkennen und ihn in ihrem Leben zu befolgen. Es ist sehr passend, daß wir uns in Mellieha, dem ältesten Marienwallfahrtsort auf der Insel Malta, im Gebet zusammenfinden. Bei der Verkündigung nahm die Jungfrau von Nazaret Gottes Einladung, die Mutter seines Sohnes zu werden, bereitwillig an (vgl. Lk 1,38). Nach der Himmelfahrt unseres Herrn war Maria mit den Aposteln im Gebet vereint, als sie auf das Kommen des Heiligen Geistes warteten, das ihnen Jesus versprochen hatte (vgl. Apg 1,14). Wh wissen, daß die Mutter Jesu in der geheimnisvollen Entfaltung des Heilsplans Gottes eine bevorzugte Rolle zu spielen hatte. Auf ihre mütterliche Liebe und ihren Schutz vertrauend, zögern wir nicht, ihrer Fürsprache die Anliegen derer zu empfehlen, die das Gebot Christi „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16,15) befolgt haben. <418> <418> Liebe Freunde - das heutige Treffen ist für uns alle eine Gelegenheit, mit Dankbarkeit an die Rolle der christlichen Familie zu erinnern, die die Berufungen ihrer Mitglieder fördert und der Mission der Kirche weiterhilft. Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert uns daran, daß die Familie wahrhaft als „Hauskirche“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11) bezeichnet werden kann, da sie viele Aspekte der gesamten Glaubensgemeinschaft widerspiegelt. Als eine Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sollte die Familie in ganz besonderer Weise „ein Raum sein, in dem das Evangelium ins Leben übersetzt wird und wo daher dieses Evangelium aufleuchtet“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 71). Kann man sagen, daß eure Familien der Kirche deshalb so viele Missionare geschenkt haben, weil ihr ein waches Bewußtsein von eurer Würde und Sendung als getaufte Glieder des Leibes Christi habt, die gesandt sind, allen, die euch begegnen, das Evangelium zu bringen? 519 REISEN Jeder Christ kann die Worte des hl. Paulus auf sich selbst anwenden: „Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16). Auch in einem Land wie Malta, wo der katholische Glaube sich jahrhundertelang entfalten konnte, werden in jeder Generation Männer und Frauen gebraucht, die durch das normale Alltagsleben ihren Mitmenschen das Geheimnis der göttlichen Liebe sichtbar machen, wie es in Jesus Christus offenbart wurde. Mögen christliche Familien weiterhin den Sauerteig des Evangeliums in die gesamte maltesische Gemeinschaft hineintragen! 3. Der Apostel Petrus fordert uns alle auf, „gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes“ (1 Petr 4,10) zu sein, indem wir von den Gaben, die uns zum gegenseitigen Nutzen gegeben worden sind, Gebrauch machen. Wenn wir die Hochherzigkeit bedenken, mit der Maltas zahlreiche Missionare den ihnen geschenkten Glauben geteilt haben, so können wir Gott ehrlich dankbar sein für den reichen Ertrag, den er durch ihr Zeugnis reifen ließ. Heute gibt es mehrere hundert Priester, Ordensleute und Laien aus Malta, die das Licht Christi nach Australien, Nord- und Südamerika, Afrika, Indien und in viele Teile Europas bringen. Außerdem schenken maltesische Emigrantenfamilien ihren Wahlheimaten Berufungen, während maltesische Ordenshäuser im Ausland jetzt Berufene aus den Reihen derer aufnehmen, denen zu dienen sie ausgezogen waren. Wenn wir uns über ihren Dienst an Gott und seiner Kirche freuen, so laßt uns aber auch nie aufhören, diese Missionare durch unsere geistige Solidarität in Gebet und Buße zu unterstützen. Insbesondere wollen wir Gott bitten, alle diejenigen unter ihnen hundertfach zu segnen (vgl. Mk 10,30), die um des Evangeliums willen vielerlei Prüfungen standhalten müssen. Zusammen mit Maria wollen wir dafür beten, daß der Herr noch viele andere anregen möge, die ihnen in ihrer Arbeit, allen Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit zu verhelfen, nachfol-gen können (vgl. 1 Tim 2,4), auf daß „die Herrlichkeit Gottes, die im Antlitz Christi erstrahlt, durch den Heiligen Geist allen aufleuchte“ (Ad gentes, Nr. 42). Euch allen gelten meine tiefe Zuneigung im Herrn und mein besonderer Apostolischer Segen. 520 REISEN Arbeit ist ein Schritt zur Selbstfindung Ansprache bei der Begegnung mit den Arbeitern auf dem St.-Margarethen-Platz in Cottonera (Malta) am 26. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich danke Gott für diese Gelegenheit, bei euch zu weilen. Diese Begegnung mit den Arbeitern Maltas ist ein Höhepunkt meines Pastoralbesuches, und ich habe ihm als einem Augenblick freundschaftlichen Dialogs mit euch, den Männern und Frauen entgegengesehen, deren tägliches Mühen der Gesellschaft auf Malta Blut und Leben gibt. Ich möchte eigentlich jeden einzelnen von euch persönlich grüßen. Da das aber nicht möglich ist, bitte ich euch, die Worte des Papstes mit ihrer Zuneigung und Ermunterung für euch an eure Lieben weiterzugeben, zumal an eure Kinder und an eure Arbeitskollegen, die nicht hier anwesend sein können. Ich grüße euch alle, die Arbeiter in Landwirtschaft und Industrie - eingeschlossen die vielen, die in den nahen Schiffswerften schaffen -, in den Büros und im Tourismusgewerbe. Ich begrüße die Vertreter der verschiedenen Handwerksverbände und Arbeiterorganisationen, ebenso die staatlichen Autoritäten und die Mitglieder der Geschäftswelt. Vor euch allen wiederhole ich, wie sehr die Kirche die Welt der Arbeit schätzt. Arbeit ist ein wesentlicher Teil unseres Lebens auf dieser Erde. Sie bringt oft harte Mühe, ja Leiden mit sich, sie kann aber auch einen festen Charakter und eine starke Persönlichkeit heranbilden, mit denen wir die Welt gemäß den Werten, an die wir glauben, aufbauen. Für den Christen bildet die Arbeit den Weg, wie wir aktiv und verantwortlich uns am wundervollen Werk des Schöpfers beteiligen, das uns allenthalben umgibt und unser Leben ausfüllt. <419> <419> Doch warum sollte der Papst über die Arbeit sprechen? Vielleicht meinen manche, er hätte kein Recht dazu, denn nach ihrer Meinung habe Arbeit wenig oder nichts mit Religion zu tun. Ich könnte als Antwort darauf hinweisen, daß meine eigene Erfahrung als Arbeiter eine der interessantesten und am meisten bildenden Perioden meines Lebens war. In einigen meiner Schriften habe ich den Reichtum dieser Erfahrung zum Ausdruck gebracht. Heute bin ich zu euch, den Arbeitern von Malta, als Freund gekommen, der die Sorgen und Hoffnungen der Männer und Frauen teilt, die nach den Worten des Buches Genesis im Schweiße des Angesichts ihr Brot essen (vgl. Gen 3,19). Ich bin zugleich als der Bischof von Rom, der Nachfolger des Petrus, gekommen und daher als der Bote dessen, der als Zimmermann und Sohn eines Zimmermanns bekannt war (vgl. Mt 13,55; Mk 6,3). Tatsächlich ist die Welt der Arbeit dem Evangelium Jesu Christi nicht fremd. Der Herr verstand vollkommen die Welt der menschlichen Arbeit. Seine Worte spielen immer wieder auf die Arbeiter und ihre verschiedenen Beschäftigungen an: er spricht vom Bauern, der pflanzt und sät, vom Arbeiter, der die Ernte einbringt, dem Winzer und dem Hirten, von dem, der am Ufer die Netze flickt, dem Baumeister und dem Hausdiener, vom Kaufmann und der Hausfrau, dem Soldaten und dem staatlichen Beamten. Sie alle hatten in Jesu Interesse und Lehre einen Platz. Die Apostel aber, die er zur Weiterführung seiner Sendung als Erlöser auswählte, waren Arbeiter und Fischer. 521 REISEN 3. Die Kirche fährt fort, jedem Zeitalter die Lehre Jesu über die Arbeit vorzulegen, zumal heute, da die Wirtschaftsbeziehungen und Produktionsprozesse komplex und in steigendem Maße unpersönlich geworden sind und sich gegen den Menschen selbst zu wenden drohen. Die Kirche verkündet eine Soziallehre, weil die großen Fragen der Gesellschaft, nicht zuletzt die Frage der Arbeit, auf das Leben der Menschen mächtigen Einfluß haben und nicht von der Moral und der ethischen Verantwortung aller Beteiligten getrennt werden können. Leider zeigt die weltweite Erfahrung, daß die Geschichte der Arbeitsbeziehungen, zumal während der letzten beiden Jahrhunderte, sich oft als ein sozialer Kampf zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern entfaltet hat. Nur unter großen Schwierigkeiten hat sich der Gedanke der sozialen Gerechtigkeit Bahn gebrochen. Heute haben sich zahlreiche bisher verschlossene Grenzen geöffnet, und die Völker sind entschlossen, ohne ideologische Unterdrückung zu leben, und es ist klarer geworden, daß man die Frage der Gerechtigkeit zwar zurückweisen und verschieben, aber nicht unterdrücken kann. Gerechtigkeit ist ein Grundanliegen des menschlichen Geistes. Systeme, die auf Unwahrheiten über die Geistnatur des Menschen und über die menschlichen Beziehungen beruhen, können keine Dauer haben. Nur die Würde der menschlichen Person kann ein soziales System solide begründen, das die menschlichen Beziehungen richtig ausrichten sowie gegenseitiges Verständnis, Dialog und Zusammenarbeit fördern kann. In einer Welt zunehmender wechselseitiger Abhängigkeit kann es keinen anderen Weg nach vom geben. Auch in Malta legt er sich gebieterisch nahe. 4. Obwohl es verschiedene Formen von Arbeit gibt, ist doch alle Arbeit in einem bestimmten Sinn von gleicher Natur. Sie möchte die Wirklichkeit in nützlicher und produktiver Weise umformen und organisieren. Arbeit ist die Erfüllung des ursprünglichen Auftrags Gottes, wie er uns auf den ersten Seiten der Bibel mitgeteilt wird: „Erfüllt die Erde und macht sie euch untertan“ (Gen 1,'28). Durch physisches, intellektuelles oder geistiges Bemühen „nehmen alle und jeder einzelne in entsprechendem Maß und auf unzählige Weisen an diesem gigantischen Prozeß teil, der im ,Untertan-machen der Erde’ durch die Arbeit besteht“ (Laboiem exercens, Nr. 4). Dies ist der Beginn dessen, was ich das „Evangelium der Arbeit“ genannt habe, das die Kirche der modernen Welt vermitteln möchte. Wer immer dieses „Evangelium“ hört und ihm nachlebt, kann die Arbeit nicht länger als bloße Ware betrachten, die gegen Bezahlung ein-getauscht wird. In einer umfassenderen und edleren Sicht muß man die Arbeit auch als einen Schritt zur Selbstentfaltung und als den normalen Weg für die Menschen ansehen, die Voraussetzungen für ein gesundes kulturelles, soziales und religiöses Leben zu schaffen (vgl. Gaudium ed spes, Nr. 67). Weil Natur und Organisation der Arbeit die Menschen so vollständig einfordem, besteht die katholische Soziallehre darauf, daß die menschliche Person Mittelpunkt und Norm aller Wirtschaftsprozesse sein muß. Daher hat das II. Vatikanische Konzil nachdrücklich betont: „Der ganze Vollzug werteschaffender Arbeit ist daher auf die Bedürfnisse der menschlichen Person und ihrer Lebensverhältnisse auszurichten, insbesondere auf die Bedürfnisse des häuslichen Lebens“ (ebd.). Notwendig ist eine Änderung der Prioritäten in der Weltwirtschaft, wenn die Arbeit dem Menschen wirklich dienen und ihn nicht in neuen Formen der Sklaverei unterdrücken soll. Dies gilt besonders für die Lage der Arbeiter in den Entwicklungsländern des Südens, aber auch in den industrialisierten Ländern 522 REISEN des Nordens. Auch die Gesellschaft in Malta ist aufgerufen, Änderungen anzustreben, die zur Förderung und Entfaltung aller Bereiche notwendig sind (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 21). 5. Das „Evangelium der Arbeit“ sagt, daß aller zweckdienlich ausgeführten ehrenhaften Arbeit Würde innewohnt und auch den mit ihr Beschäftigten Würde schenkt. Daher ist Arbeitslosigkeit etwas Unheilvolles. Sie läßt ihre Opfer ohne entsprechende wirtschaftliche Unterstützung und beraubt darüber hinaus auch psychologisch und soziologisch. Auf diesem Grund mahne ich euch: laßt die Arbeitslosen nicht im Stich, zumal nicht junge Leute, die ihren Lebensunterhalt suchen. Die Arbeitslosen und ihre Familien haben ein Recht auf die wirksame Solidarität des Staates, der Welt der Wirtschaft und der Arbeiterorganisationen selbst. Arbeiter haben Rechte und Pflichten. Menschen, die arbeiten, zumal abhängige Arbeiter, haben ein Recht darauf, als das behandelt zu werden, was sie sind: freie und verantwortliche Männer und Frauen, die an Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, beteiligt werden wollen. Eine Gesellschaft, die das wahre Wohlergehen ihrer Mitglieder anstrebt, wird für die Unterstützung der Familien entsprechend Vorsorgen. Sie wird es Müttern möglich machen, an erster Stelle ihre Kinder und ihr Heim zu betreuen, und wo es nötig ist, wird sie auch für die besonderen Bedürfnisse arbeitender Mütter sorgen. Bestimmte Gruppen von Arbeitern brauchen die besondere Aufmerksamkeit und den Schutz der Gesellschaft. Landarbeiter haben zum Beispiel oft den Eindruck, daß ihr Beitrag zur Gesellschaft nicht voll gewürdigt wird. Das „Evangelium der Arbeit“ verkündet ferner, daß wirtschaftliche, soziale und politische Systeme für das unverkürzte Wohlergehen der einzelnen und ihrer Familien aufgeschlossen sein müssen. Doch haben Arbeiter und ihre Organisationen auch ernste Verpflichtungen gegenüber dem Gemeinwohl. Die erste dieser Pflichten besteht in guter Arbeit, um wirksam zum Aufbau einer besseren Gesellschaft beizutragen. Auch das gehört zum „Evangelium der Arbeit“, wie es vor zweitausend Jahren in Leben und Wirken Jesu von Nazaret, des menschgewordenen Sohnes Gottes, verkündet worden ist. Die ersten Christen verloren den Wert, den Jesus der Arbeit während der langen Jahre seines verborgenen Lebens beigemessen hatte, nicht aus den Augen. Der hl. Paulus betonte die Tatsache, daß er Tag und Nacht arbeite, um niemanden zur Last zu fallen (vgl. 2 Thess 3,8), und er faßte die Spiritualität der Arbeit in den Worten zusammen: „Tut eure Arbeit gern, als wäre sie für den Herrn und nicht für Menschen; ihr wißt, daß ihr vom Herrn euer Erbe als Lohn empfangen werdet“ (Kol 3,23-24). Diese Worte fordern Arbeiter und Angestellte, jeden der auf irgendeiner Ebene am Wirtschafts- und Produktionsprozeß beteiligt ist, zu Ehrenhaftigkeit und Fachwissen auf. Gleichzeitig ruft uns der Apostel auf, den Horizont menschlicher Arbeit zu erweitern, so daß Gottes Plan für die Welt und für unser ewiges Heil darin eingeschlossen wird. Die Welt der Arbeit darf nicht so betrachtet werden, als sei sie ein Teil der Wirklichkeit, der dem Glauben und der Religion entgegenstünde und mit Gott und seiner Kirche in Konflikt wäre. Arbeit kann nur dann eine Quelle der Befriedigung und Entwicklung sowie des kulturellen und geistigen Wachstums sein, wenn die Gesellschaft sie als Mitarbeit an der schöpferischen Absicht Gottes betrachtet und die einzigartige Würde sowie die höheren Bestrebungen einer jeden Person, eingeschlossen die Rechte des Gewissens, als unveräußerliche Gaben des Schöpfers würdigt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 35). 523 REISEN 6. Eine hervorragende Tugend der arbeitenden Männer und Frauen Maltas sollte die Solidarität sein: der Einsatz für das Gemeinwohl und die Ablehnung von Selbstsucht und Mangel an Verantwortungsbewußtsein. Wir müssen füreinander verantwortlich werden. Notwendig sind konkrete Akte der Solidarität zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie zwischen arbeitenden Männern und Frauen selbst, aufgeschlossen besonders für die Armen und Schutzlosen. Bei all dem haben die Arbeiterverbände eine spezifische Rolle zu spielen. Ihre Aufgabe ist die Verteidigung der Rechte ihrer Mitglieder durch die Mittel, die das Gesetz ihnen zur Verfügung stellt, wobei sie auch die Rechte anderer Gruppen von Arbeitern zu wahren haben sowie die allgemeine wirtschaftliche Lage des Landes und, kurz gesagt, das Gemeinwohl beachten müssen. Beim heutigen Stand des technischen Fortschritts und der sozialen Entwicklung sind sie aufgerufen, von einer breiteren Sicht ihrer sozialen Funktion und Verantwortlichkeit auszugehen. Ihre große Aufgabe ist der Ausgleich des Anspruchs auf materiellen Fortschritt mit dem kulturellen und geistigen Wachstum der Gesellschaft. Mit anderen Worten: eine große Welle sozialer Solidarität, nicht aber der Konflikt ist die rechte Antwort auf die zunehmende wechselseitige Natur der Beziehungen und Abhängigkeiten unserer heutigen Probleme. Doch Solidarität, Dialog und Zusammenarbeit brauchen ein festes Fundament. Diese Werte erfordern die „Bereitschaft, sich im Sinne des Evangeliums für den anderen zu .verlieren’, anstatt ihn auszubeuten, und ihm zu .dienen’, anstatt ihn um des eigenen Vorteils willen zu unterdrücken“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). So bildet der Kern des „Evangeliums der Arbeit“ zugleich das Herz der christlichen Botschaft selbst. Jesus Christus faßt seine Lehre in den bekannten Worten zusammen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mt 22,37-39). Die erste Ausrichtung der Arbeit geht also nach oben, zu Gott hin. Eure Arbeit selbst ist eine Entfaltung des schöpferischen Tuns Gottes und ein Beitrag zur Durchführung des göttlichen Heilsplanes in der Geschichte (vgl. Gaudium et spes, Nr. 34). Die zweite Ausrichtung der Arbeit verläuft horizontal als wirksamer Weg, Nächstenliebe in die Praxis umzusetzen. Insofern eure Arbeit der Gesellschaft alle möglichen Vorteile bringt, ist sie eine herrliche Form des Dienstes für andere. Der Papst hinterläßt den Arbeitern von Malta daher folgende Aufgabe: verbindet die Welt der Arbeit mit der Welt des Glaubens! Es kann zwischen Überlieferungen des christlichen Glaubens, wie der Sonntagsmesse, und dem Sinn für Einsatzfreude, Ehrenhaftigkeit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit, wie er sich während der Wochen am Arbeitsplatz zeigt, kein Gegensatz bestehen. <420> <420> Liebe Freunde, in diesem Geist des „Evangeliums der Arbeit“, das Jesus Christus vor zweitausend Jahren verkündet hat, und das die Kirche heute weiter verkündet, fordere ich euch auf: Sagt Nein zur Ungerechtigkeit auf allen Ebenen der Gesellschaft! Sagt Nein zur Selbstsucht von einzelnen und Klassen, die ihre eigenen Interessen ohne Sinn für den gemeinsamen Vorteil der ganzen Gesellschaft anstrebt! Sagt Nein zum Materialismus, der das Gewissen und die geistige Dimension des Lebens zerstört. 524 REISEN Sagt Ja zu einer neuen Solidarität zwischen allen Mitgliedern der arbeitenden Klasse, zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, zwischen der Welt der Arbeit und dem ganzen Volk von Malta! Sagt Ja zur vollen materiellen und geistigen Entwicklung eines jeden Bewohners dieser Inseln, und sorgt besonders für die Ärmsten und am meisten Notleidenden! Sagt Ja zu Gottes Plan für die Schöpfung und zu seiner Wahrheit, wie sie der Natur aller Dinge und den Tiefen des Menschenherzens eingeschrieben ist! Der Zimmermann von Nazaret und die Arbeiter von Malta sollten eines Herzens und eines Sinnes sein. Denkt an die Worte der Schriftlesung zu Beginn unserer Begegnung: „Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn“ (Kol 3,17). Mit Jesus Christus vereint, gewinnt eure Arbeit und euer Bemühen um die Umgestaltung der Welt den Charakter eines Gott wohlgefälligen Opfers. Wenn ihr „die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit“ darbringt, bereitet ihr den Weg für Gottes Reich. Dies ist der tiefste Sinn eurer Arbeit. Liebe Brüder und Schwestern, möge Christi Reich der Wahrheit und des Lebens, der Heiligkeit und der Gnade, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens eure Herzen zum wahren Fortschritt und Wohlstand von Malta in Besitz nehmen. Gott segne euch alle! Über die eigene Berufung nachdenken Predigt bei der Messe vor dem Marienheiligtum in Ta’Pinu (Gozo/Malta) am 26. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. „Meine Seele preist die Größe des Herrn“ (Lk 1,46). Diese freudigen, dem Antwortpsalm der heutigen Liturgie entnommenen Worte wurden zum ersten Mal von der Jungfrau Maria gesprochen, als sie über das „Große“ nachsann, das Gott für sie und für sein auserwähltes Volk getan hatte. Wie passend ist es doch für die Kirche in Gozo, Marias Lobgesang zu wiederholen, während wir hier, im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Ta’Pinu, den traditionsreichen Glauben der Bewohner von Malta und Gozo feiern und uns der Bande kirchlicher Gemeinschaft erfreuen, die sie immer mit dem Apostolischen Stuhl vereint haben! Bei dieser meiner ersten Messe, die ich seit meiner Ankunft in Malta feiere, danke ich für die zahlreichen Segnungen, mit denen Gott die Bewohner dieser Inseln seit der Zeit des Apostels Paulus, also seit der Zeit der ersten Verkündigung des Evangeliums in diesem Lande beschenkt hat. In Liebe begrüße ich euch alle im Herrn und versichere euch meines Gebetes, damit der Friede Christi stets in euren Herzen und euren Häusern seine Wohnstatt habe. Bischof Cauchi danke ich für seine Begrüßungsworte, welche den überlieferten Glauben der Bewohner Gozos, ihre tiefe Liebe zu diesem schönen Land und die Hoffnung zum Ausdruck brachten, die Segnungen der Natur, die Gott für die ganze Menschheit bestimmt hat, mögen zum Wohl der kommenden Generationen vor Schaden bewahrt werden. <421> <421> An diesem Morgen feiern wir unsere Gemeinschaft mit der Kirche aller Zeiten und Orte, mit jener Kirche, deren hervorragendes Glied die heilige Jungfrau Maria ist (vgl. Lumen 525 REISEN Gentium, Nr. 53). In diesem verehrungswürdigen Heiligtum Unserer Lieben Frau von Ta’Pinu danken wir unserem Herrn Jesus Christus für die liebende und schützende Gegenwart seiner jungfräulichen Mutter, welche die Kirche in Malta und Gozo im Lauf ihrer Geschichte erfahren hat. Seit Jahrhunderten wenden sich die Gläubigen dieser Inseln im Gebet an Maria und erflehen in ihren Nöten Hilfe und Trost durch ihre liebende Fürbitte. Wenn sie Maria „gebenedeit unter der Frauen“ nannten und so die Worte des Engels Gabriel bei der Verkündigung wiederholten (vgl. Lk 1,28), erfüllten sie die Weissagung, die Maria ihrer Verwandten Elisabeth gegenüber ausgesprochen hatte: „Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (Lk 1,48). Maria war auf ganz besondere Weise die Schutzpatronin der christlichen Familien Maltas und Gozos, die sich bemühten, ihre einzigartige Aufgabe im göttlichen Heilsplan treu zu erfüllen. Wir dürfen Vertrauen haben, denn Maria hat es nicht versäumt, mit mütterlicher Liebe fürbittend für Generationen von Eltern und Kindern einzutreten, ihnen die Furcht des Herrn einzuflößen, die der Anfang aller Weisheit ist (vgl. Ps 110,10), und sie auf ihrer irdischen Pilgerfahrt zu begleiten. Auch heute müssen sich die Familien Maltas dem mütterlichen Schutz und der Sorge Marias anvertrauen, denn sie sehen sich in der Erfüllung ihrer lebenswichtigen Sendung für die einzelnen und die ganze Gesellschaft gegenübergestellt. Nach dem Plan Gottes ist die Familie der Ort, an dem die Kinder lernen, was es heißt, verantwortungsbewußte Menschen und Mitglieder einer größeren Gemeinschaft zu sein, der Ort, an dem sie zum ersten Mal den Tugenden der selbstlosen Liebe und der Selbsthingabe begegnen und an dem sie sich ein erstes Verständnis des Geheimnisses der Liebe Gottes aneignen können, das in der Liebe ihrer Eltern zum Ausdruck kommt. Da die Familie die „erste und lebensnotwendige Zelle der Gesellschaft“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 11) ist, wird die geistliche Gesundheit ihrer Familien immer der grundlegende Maßstab für die Stärke einer Gesellschaft sein. Mögen die Familien Maltas und Gozos stets, ohne zu zögern, ihren Blick auf Maria richten, die Mutter der Heiligen Familie von Nazaret und - in der Gnadenordnung - Mutter der ganzen Menschheit (vgl. Lumen Gentium, Nr. 62), als sichere Führerin inmitten der Herausforderungen und Versuchungen des Lebens! <422> <422> Das Evangelium der heutigen Messe lädt uns ein, über Marias mütterliche Mitarbeit in der göttlichen Sendung ihres Sohnes nachzudenken. Der hl. Johannes berichtet uns, daß Jesus bei der Hochzeit von Kana, als er mit der Verwandlung des Wassers in Wein sein öffentliches Leben begann, dieses Wunder auf das Drängen seiner Mutter hin wirkte, die um den Bedarf der Gäste besorgt war. Im Lauf der Zeit begann die Kirche bei der Betrachtung dieser Schriftstelle zu begreifen, daß die vertrauenden Worte, die Maria an die Diener richtete - „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5) -, ein geheimnisvoller Hinweis auf Marias einzigartige, mütterliche Rolle in der gesamten Ökonomie der Gnade Christi sind. Als Mutter stellt sich Maria „zwischen ihren Sohn und die Menschen in der Situation ihrer Entbehrungen, Bedürfnisse und Leiden“ (Redemptoris Mater, Nr. 21). In liebender Sorge um andere trägt sie die Bedürfnisse der ganzen Menschheit in den Wirkungskreis der Heilsgewalt Christi. Gegen Ende des Johannesevangeliums finden wir Maria wieder, aber diesmal unter dem Kreuz. Der Evangelist hätte uns kein eindrucksvolleres Bild der tiefen inneren Einheit zwi- 526 REISEN sehen Maria und der Heilsmission ihres Sohnes vorlegen können. Als Jesus vom Kreuz herab zu seinem Lieblingsjünger sagte: „Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,27), vertraute er Maria auch uns, all seinen Jüngern, als unsere Mutter an. Unter dem Kreuz wurde Maria voll und ganz als Mutter der Kirche geoffenbart, die uns alle einlädt, auf ihre Fürbitte zu vertrauen. Wir wollen uns stets ohne Zögern an sie wenden! Wie oft fühlt ihr euch in euren Familien angesichts schmerzlicher und anscheinend auswegloser Situationen machtlos! Für wieviele Menschen bedeutet es einen ständigen Kampf, alten Groll oder tief verwurzelte Gefühle des Ärgers, der Feindschaft, der Eifersucht oder des Haders zu überwinden! Wie viele sehnen sich verzweifelt nach jemandem, den sie lieben können, um einen Lebensweg zu verlassen oder eine Haltung zu ändern, von der sie wissen, daß sie nur zu Frustration und Verzweiflung führt! Und wie oft geht das Sinnen unseres Herzens zu jemandem, der in Ängste des Geistes oder in eine Verbitterung verstrickt ist, die keinen Trost kennt? Sollten wir in solchen Augenblicken nicht auf die liebende Fürbitte Marias vertrauen, überzeugt, daß durch die erlösende Macht Jesu, der auf ihre Bitte hin Wasser in Wein verwandelte, und der am Kreuz starb, um uns ewiges Leben zu erwirken, auch die hoffnungsloseste menschliche Situation eine Wandlung erfahren kann? 4. Marias Mitwirkung am Geheimnis des göttlichen Planes, der sich in der Menschwerdung ihres Sohnes offenbarte, ist eine Einladung an alle christlichen Eltern und Kinder, über ihre eigene Berufung nachzudenken: die Mitwirkung mit der göttlichen Gnade, die sich innerhalb der Familien entfaltet. Unser Glaube lehrt uns, daß jedes menschliche Leben vom Augenblick der Empfängnis an eine Gabe des Schöpfers und in seinen Augen mit unendlichem Wert ausgestattet ist. Unser Glaube erinnert uns auch daran, daß alle Menschen nach Gottes Abbild geschaffen und zu einem letzten Ziel berufen sind, das jenseits der irdischen Existenz liegt und eine Lebens- und Liebesgemeinschaft mit der Allerheiligsten Dreifaltigkeit ist. Auch lehrt uns der Glaube, daß wir mit dem ganzen Menschengeschlecht in tiefer sittlicher Solidarität verbunden sind, daß all unsere Handlungen und Entscheidungen sich nicht nur auf uns, sondern auch auf andere auswirken und daß wir gerichtet werden nach dem Maßstab unserer Liebe zu den ärmsten unserer Brüder und Schwestern und unserer Sorge um sie. Lernen die meisten Menschen nicht durch das Leben in ihren Familien die wunderbare Wahrheit kennen, welche diesen tiefen Feststellungen des christlichen Glaubens zugrunde liegt? Leider sind die einzelnen und die Familien oft so sehr von den Sorgen des täglichen Lebens eingenommen, daß sie es versäumen, einzuhalten, ihr Leben in einen geistlichen Rahmen zu stellen und die Wahrheit ihrer Berufung neu zu entdecken. Das ist sehr bedauernswert, können wir doch ohne den Geist des Gebets und der Betrachtung Gottes Willen für uns nicht erkennen, uns ihm nicht in Gehorsam und Liebe zuwenden und somit auch nicht das Glück und den Frieden erfahren, für den er uns geschaffen hat! Deshalb fordere ich euch auf, ohne Unterlaß zu beten (vgl. 1 Thess 5,17), und zwar ganz besonders in euren Familien, um demütig für alles zu danken, was Gott in seiner Güte für euch getan hat. Bittet ihn jeden Tag, er möge euch helfen, der Berufung treu zu bleiben, die er euch in Christus gegeben hat! Tragt ihm ohne Furcht all eure Hoffnungen, Nöte und Sorgen vor! Ihr Eltern, betet für eure Kinder, damit sie in dem neuen Leben wachsen, das sie in der Taufe empfangen haben! Ihr Kinder, betet für eure Eltern, denn auch ihr habt bei ihrer 527 REISEN Heiligung eine Rolle zu spielen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 48). Betet darüber hinaus als Mitglieder einer größeren Familie, in Einheit mit dem mystischen Leib Christi in aller Welt, für die Nöte der ganzen Menschheit: für die Kranken und Unterdrückten; für die Führer der Nationen; für alle, die sich um Gerechtigkeit und Frieden unter den Völkern bemühen und für jene, die eine verantwortungsbewußte Nutzung der natürlichen Umwelt fördern. Betet für alle, die auf irgendeine Weise, durch den demütigen Dienst an ihren Brüdern und Schwestern Gott verherrlichen. Wo immer ihr auch arbeitet, zu Hause, auf den Feldern oder auf dem Meer, in den Fabriken oder in Maltas zunehmendem Fremdenverkehr: bringt eure Arbeit dem Herrn als wohlgefälliges Opfer für das Kommen seines Reiches dar! In der Vergangenheit waren Maltas starke familiäre Bande eine solide Grundlage für die Stabilität und die harmonische Entwicklung der Gesellschaft. Können die Familien Maltas und Gozos weiterhin dieser dringenden Herausforderung standhalten? Eure Gesellschaft ist, ebenso wie die vieler anderer Länder, nicht immun gegen eine Art geistiger Orientierungslosigkeit, die durch rasche soziale Umgestaltungen und die Anziehungskraft von Wertsystemen und Verhaltensweisen hervorgerufen wurden, welche mit den tiefsten, eure völkische Identität bestimmenden Überzeugungen unvereinbar sind. Heute lade ich euch alle ein, die Fürbitte der Jungfrau Maria, der Mutter der Versöhnung und Königin des Friedens, anzurufen und mit mir dafür zu beten, daß die Familien Maltas zu einem Feuer werden, in dem ein neuer Einsatz für die Werte des Evangeliums - ihr kostbarstes, aus der Vergangenheit übernommenes Erbe - geschmiedet werde! „Durch die Gegenwart Christi bestärkt, schreitet die Kirche in der Zeit voran ... und geht ihrem Herrn entgegen, der kommt. Aber auf dieser Pilgerschaft... geht sie denselben Weg, den auch die Jungfrau Maria zurückgelegt hat, die ,den Pilgerweg des Glaubens gegangen ist und ihre Verbundenheit mit dem Sohn in Treue bewahrt hat’“ (Redemptoris Mater, Nr. 2). Meine Brüder und Schwestern, weil ihr in Treue euren Pilgerweg des Glaubens zurücklegen wollt, empfehle ich euch dem mütterlichen Schutz Marias und ihrer Fürbitten. Möge sie, die das Geheimnis der Liebe Gottes, das sich im Leben ihres Sohnes offenbarte, in ihrem Herzen bewahrte (vgl. Lk 2,51), Eltern und Kinder in Treue zu ihrer Berufung als Söhne und Töchter Gottes führen, die von Christus erlöst und im Heiligen Geist wiedergeboren sind (vgl. Joh 3,5). Möge sie die Hirten der Kirche leiten bei ihrer Katechese und bei ihrem Dienst an der Jugend und an denen, die sich auf die Ehe vorbereiten. Möge sie schließlich alle für das öffentliche Wohl Verantwortlichen führen, damit sie die Familien achten, deren Leben durch eine kluge und ausgewogene Gesetzgebung unterstützen und als gesellschaftsschädigend all das verwerfen, was Gottes Plan für die Familie ignorieren oder ihm schaden und die Achtung für das Geschenk des menschlichen Lebens herabsetzen könnte. Nun setzen wir die Feier der Eucharistie in diesem Heiligtum fort, das die Liebe und Verehrung von Generationen maltesischer Katholiken Maria, der Mutter Gottes, errichtet hat. Mögen unsere Stimmen gemeinsam mit ihr Gott für die zahlreichen Gnaden preisen, die er über sein Volk in Malta und Gozo ausgegossen hat: „Der Mächtige hat Großes an mir getan!“ Ja, der Mächtige hat Großes an uns getan! Er hat Großes für sein ganzes Volk getan! Amen! 528 REISEN Die heilende und adelnde Kraft des Evangeliums zu neuem Leben erwecken Grußwort beim Besuch der Kathedrale in Victoria auf der Insel Gozo (Malta) am 26. Mai Lieber Bischof Cauchi, meine Brüder und Schwestern! 1. Gelobt sei Jesus Christus! Mit großer Freude wiederhole ich diese Worte heute in eurer Mitte, denn ich komme im Namen Christi als Hirte und Pilger nach Malta. Der Kirche in Gozo richte ich die liebevollen Grüße des ganzen Volkes Gottes in der Welt aus, denn als Glieder des Leibes Christi sind wir mit einem lebendigen Band der Liebe und des Friedens verbunden und sind im Lobe Christi, des Hauptes, eins durch die Kraft des Heiligen Geistes zur Ehre Gottes des Vaters. Ich bin Bischof Cauchi tief dankbar für die freundlichen Worte der Begrüßung und euch allen, daß ihr heute hergekommen seid, um mit dem Papst in dieser herrlichen, der Aufnahme Unserer Lieben Frau in den Himmel geweihten Kathedrale zusammenzutreffen. Diese Mutterkirche von Gozo und die anderen schönen Kirchen, für die eure Diözese bekannt ist, richten unseren Geist und unser Herz zur ewigen Schönheit Gottes empor. Sie regen Gebet und Betrachtung der Geheimnisse des Glaubens an. Doch ohne euch, das Volk von Gozo, das diese Ortskirche bildet, ohne euren lebendigen Glauben würden diese Gebäude bei all ihrer Schönheit leer und leblos bleiben. Sie sind nur äußere Zeichen für die viel tiefere Wirklichkeit, die der hl. Paulus im Sinn hatte, als er schrieb: „Ihr seid Gottes Bau“ (1 Kor 3,9). „Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlußstein ist Jesus Christus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut“ (Eph 2,20-22). <423> <424> <423> Liebe Freunde, eure Anwesenheit hier drückt heute die Einheit und die Verschiedenartigkeit des geistlichen Tempels aus, der ihr seid. Die ganze Diözese ist hier vertreten: Klerus und Volk vereint mit ihrem Bischof. Gerade in der Verschiedenartigkeit der Dienste, Charismen und Lebensstände seid ihr durch den Heiligen Geist zu „einem“ zusammengeführt worden in der Predigt des Evangeliums, im Bekenntnis des Glaubens, in der Feier der Sakramente und im Bestreben, Salz der Erde und Licht der Welt zu sein (vgl. Mt 5,13-14). Ja, „Gott hat es aber gefallen,“ - so lehrt das II. Vatikanische Konzil - „die Menschen nicht einzeln, unabhängig von aller wechselseitigen Verbindung, zu heiligen und zu retten, sondern sie zu einem Volke zu machen, das ihn in Wahrheit anerkennen und ihm in Heiligkeit dienen soll“ (Lumen Gentium, Nr. 9). Ich danke heute für die Treue, mit der eure Ortskirche im katholischen Glauben „Gott anerkennt und ihm dient“. Ihr könnt alle auf eure ausgeprägte religiöse Überlieferung stolz sein, auf die große Zahl der Priester und Ordensleute und die zahlreichen katholischen Initiativen auf dem Gebiet der Erziehung, der Caritas und der sozialen Dienste, auf die verschiedenen Laienbewegungen ebenso wie auf das steigende Mitwirken von Laien im Leben der Diözese 529 REISEN und der Pfarrei. In all diesen Formen wird die Kirche in Gozo „im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut“ (Eph 2,22). Der hl. Paulus bemerkt, daß die Christen „auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut, zu einem heiligen Tempel im Herrn heranwachsen“ (vgl. Eph 2,20-21). Wachstum ist Zeichen des Lebens. Als geistige Erben derer, die der große Apostel auf Malta bald nach der Geburt des Christentums hier evangelisiert hat, müßt ihr Gottes geistlichen Tempel durch ständige Bekehrung als einzelne und als Gemeinschaft in Antwort auf die Aufgaben von heute erneuern. Da euch die Frohbotschaft vom Heil anvertraut ist, müßt ihr alles euch Mögliche tun, um sie ganz zu leben und sie anderen mitzuteilen. Darin besteht das Werk der Evangelisierung, die große Aufgabe, die Christus den ersten Aposteln anvertraut hat, und die er nun euch anvertraut. 3. Was gehört zur Evangelisierung? In Gozo besteht die Aufgabe nicht so sehr darin, das Evangelium Menschen vorzulegen, die nie von ihm gehört haben. Es geht vielmehr um ein immer vollkommeneres und volleres Leben des Evangeliums, so daß die Schwachen, die Fremdgewordenen und Skeptiker sich nicht von Christus abwenden, sondern ihn und sein Heilsangebot annehmen. Nach den Worten des Apostolischen Schreibens Evangelii nuntiandi gewinnt die Erfahrung inniger brüderlicher Verbundenheit unter den Gliedern der Kirche, wie ihr sie seid, „nur dann ihren vollen Sinn, wenn sie zum Zeugnis wird, Aufmerksamkeit auf sich zieht und zur Umkehr führt, wenn sie zur Predigt wird und die Frohbotschaft verkündet“ (Nr. 15). Die Evangelisierung kann sich auch nicht als abgeschlossen betrachten, wenn eine Gesellschaft als ganze das Christentum angenommen hat. Ohne jenes „Wachstum“, von dem der hl. Paulus spricht, kann Religion schnell zu einer leeren Überlieferung werden. Nach den Worten unseres Herrn und Meisters erkennt man den Baum an seinen Früchten (vgl. Lk 6,44), und daher wird eine echt christliche Gesellschaft die guten Früchte des Geistes bringen, nämlich „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5,22-23). Dazu kommen Mitleid und gegenseitiges Verzeihen (vgl. Kol 3,12-13). Obwohl die Praxis dieser Tugenden beim einzelnen beginnt, ist das Ziel der Evangelisierung ihre Einpflanzung in das ganze Geflecht der Gesellschaft und der sozialen Einrichtungen: in Familie, Schulwesen und Politik, am Arbeitsplatz und in allen Bereichen des Lebens. <425> <425> Brüder und Schwestern, viele von euch spielen in eurer Diözese und in euren Pfarreien ebenso wie in der Gesellschaft bereits eine wichtige Rolle. Ihr habt hochherzig auf die Bedürfnisse der Kirche in Gozo und sogar auf die der Kirche im Ausland geantwortet durch das Wirken der Missionare, deren Angehörige heute hier sind. Ich entbiete diesen Familien und euch allen meinen besonderen Gruß, die ihr das Leben und die Sendung der Kirche fördert durch euer Wirken als außerordentliche Spender der Kommunion an die Kranken, als Mitglieder des Gemeinderats oder apostolischer Vereinigungen und auf viele andere Weisen. Euch alle lade ich ein, mit frischem Eifer euch erneut für die große Aufgabe der Evangelisierung einzusetzen. Ich fordere euch auf, euch als einzelne und als Ortskirche zu fragen: wie kann die heilende und adelnde Kraft des Evangeliums im Malta von heute zu neuem Leben 530 REISEN erweckt werden? In welcher Weise ist Christus im Leben von einzelnen und im Leben der Gesellschaft abwesend? Was kann noch mehr geschehen, damit das Bewußtsein verchrist-licht wird und daß das Licht des Evangeliums die menschlichen und sozialen Probleme erhellt, zumal zugunsten der Armen und Bedrängten? Wie können die Gaben des Geistes innerhalb der Kirche zu immer neuer Leuchtkraft gebracht werden als Halt für andere, zumal für die Jugendlichen? Wenn ihr diese Aufgaben aufgreift, wird die wahre Schönheit des Hauses Gottes in eurer Mitte noch zunehmen; der „heilige Tempel, zu dem ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut“ werdet (vgl. Eph 2,21-22). Ja, liebe Freunde, ihr seid die „lebendigen Steine“ (vgl. 1 Petr 2,5) eines geistigen Bauwerks, das an Glanz alles übertrifft, was menschliche Kunst oder Erfindungsgabe entwerfen kann. Es ist ein Meisterstück des Heiligen Geistes, der euch zur Mitarbeit in Wort und Tat einlädt, würdig eurer Berufung als Christen. 5. Ich rufe auf einen jeden von euch die Geistesgabe der Weisheit herab, damit ihr immer klarer die Bedeutung eurer Berufung und die Verpflichtungen aus eurer Sendung für die Kirche und die Welt von heute erkennt. In inniger Verbundenheit erteile ich meinen Apostolischen Segen euch und euren Lieben nah und fern. „Gelobt sei Jesus Christus.“ Versuchungen werden aus der Lüge geboren Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend im Nationalstadion von Ta’Qali (Malta) am 27. Mai Liebe Jugend von Malta! KUNTENT LI QIEGHED FOSTKOM (Ich bin froh, bei euch zu sein) 1. Ich grüße euch alle mit großer Zuneigung im Herrn Jesus Christus. Unser Zusammentreffen heute morgen ist ein wunderbares Geschenk Gottes für euch und für mich! Gewissermaßen ist der Papst nach Malta gekommen, um euch mit denselben Worten herauszufordem, die wir in dem Abschnitt der Heiligen Schrift aus dem ersten Brief des hl. Johannes vernommen haben: Seid ihr „stark“? „Bleibt das Wort Gottes in euch“? Habt ihr „den Bösen besiegt“? (vgl. 1 Joh 2,14). Nach dem Maß dieses Sieges sind eure Jugend, euer Eifer und euer Glaube ein Zeichen von großer Hoffnung für die Kirche und die Gemeinschaft. Während ich euren freundlichen Willkommensworten zuhörte, konnte ich euren Wunsch spüren, nach Gottes Willen zu leben, und eine noch aktivere Rolle im Leben der Kirche eures Landes zu spielen. Auch teile ich mit euch einige der schweren Probleme, mit denen ihr konfrontiert werdet und die Schwierigkeiten, die sich ergeben, um den Forderungen des christlichen Lebens zu gehorchen. Ich möchte die Zeit, die wir zusammen verbringen, nützen, um 531 REISEN euch einige Gedanken zu vermitteln, die mir von Herzen kommen und die von dem Glauben beseelt sind, der uns in Jesus Christus, unserem Herrn, vereint. 2. Bei mehr als einer eurer Fragen ging es um die Schwierigkeiten, Gottes Willen Folge zu leisten, da ihr sowohl dem Druck von euresgleichen als auch dem von gewissen Trends der heutigen Gesellschaft ausgesetzt seid. Ich verstehe, was ihr sagen wollt. Manchmal, wenn wir auf Gottes Ruf antworten, empfinden wir so etwas wie Furcht; wir zögern, weil wir spüren, daß dieser Gehorsam Gott gegenüber von uns große Opfer verlangt. Wie Jesus im Garten von Getsemani, ergreift uns „Furcht und Angst“ (Mk 14,33), wenn uns der hohe Preis bewußt wird, den wir zahlen, um dem Willen des Vaters zu gehorchen. Es widerstrebt unserer stolzen Natur, für unser Leben und unsere Taten Rechenschaft ablegen zu müssen. Dennoch ist der Gedanke, für etwas geradestehen zu müssen, persönlich verantwortlich zu sein für die Nutzung aller Gaben, die Gott jedem von uns geschenkt hat, Mittelpunkt des Evangeliums. Ihr erinnert euch sicher an das Gleichnis von den Talenten aus dem Matthäusevangelium (vgl. 25,14-30). Bei seiner Rückkehr verlangte der Herr Rechenschaft von seinen Dienern. Zu denjenigen, die sein Vermögen treu verwaltet hatten, sagte er: „Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener. Du bist im Kiemen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen. Komm, nimm teil an der Freude deines Herrn!“ (Mt 25,21). Aber zu dem, der nichts getan hatte, um seine Talente zu vermehren, sagte er: „Darum nehmt ihm das Talent weg ... Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluß haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat“ (Mt 25,28-29). Hiermit lehrt uns Gott einen Grundsatz, der Kernpunkt der Evangeliumsbotschaft ist und von jungen Menschen überall in der Welt leicht verstanden wird. Wenn im Leben keine tiefe Bindung an das Wahre und Gute vorhanden ist, keine Bereitschaft, für den Sieg einen Preis zu zahlen, keine Entschlossenheit, seine Selbstsucht zu bezwingen und anderen wirklich eine Hilfe zu sein, dann wird auch das Leben selbst entgleiten, weil es ohne Richtschnur und ohne Sinn ist. Die großen Erwartungen eurer Jugend werden schließlich verlorengehen und sterben, wenn sie nicht unverzüglich in die Tat umgesetzt werden, mit anderen Worten, es ist notwendig, daß „ihr stark seid“ (vgl. 1 Joh 2,14). <426> <426> Überall trifft man auf junge Menschen, die diese Welt in eine bessere, freundlichere und gerechtere verwandeln möchten, in der alle ein Zuhause finden können. Diese Ideale sind der frische Sauerstoff, den unsere Gesellschaft für ihren ständigen Emeuerungsprozeß so dringend braucht. Aber ihr wißt ja selbst, wie intensiv junge Menschen darin vertieft sein können, vorübergehende Trends und kurzlebige Ziele zu verfolgen und wie leicht sie sich von der Aussicht auf unmittelbare Glückserfüllung durch verantwortungsloses sexuelles Verhalten, Drogen- und Alkoholabhängigkeit und durch leichtfertiges Trachten nach Materiellem verleiten lassen. Anderseits führt das Lebensprogramm, das Jesus Christus uns anbietet, zu echter, tiefer, dauerhafter Freude, einer Glückseligkeit, die auf dem Grund unserer Herzen auf ewig verwurzelt ist. Ihr wißt, daß die Osterfreude, diese Freude, die den ersten Jüngern das Herz in der Brust brennen ließ (vgl. Lk 24,32), nicht mühelos zu erlangen ist. Christliche Freude bedeu- 532 REISEN tet, das Geheimnis des Kreuzes zu bejahen. Hat Jesus uns nicht durch sein eigenes Beispiel gelehrt, daß wir das Leben nur gewinnen können, wenn wir es verlieren (vgl. Mt 10,39)? Hat er nicht gesagt, daß das Weizenkom in die Erde fallen und sterben muß, um reiche Früchte zu bringen (vgl. Joh 12,24)? Dies ist das Lebensgesetz des Evangeliums, das Jesus erneut der Jugend Maltas vorlegt. Seid ihr stark genug, die falschen Propheten und die Unterhändler des Todes zurückzuweisen, die schon so vielen jungen Menschen in aller Welt eingeredet haben, es gäbe keine Hoffnung mehr, es gäbe nichts, für das es sich noch lohnen würde zu leben, es gäbe keine bessere Welt, auf die man, wenn auch mit großem persönlichen Einsatz, hinar-beiten könnte? Ihr habt mich über Versuchungen befragt. Alle Versuchungen werden aus der Lüge geboren und stehen im Gegensatz zur Wahrheit, die von Gott kommt. Sie führen unausweichlich zu Ernüchterungen. Wie im Fall unserer Stammeitem möchte die Versuchung uns glauben machen, nicht nur Gottes Wille allein, sondern auch andere Dinge könnten durchaus glücklich machen. Sehr oft liegt die Versuchung nicht darin, etwas zu tun, was unseres Wissens falsch ist, sondern vielmehr, in unserer Zurückhaltung das Richtige zu tun, da wir fürchten, nicht die Kraft aufzubringen, standhaft zu bleiben. Wiedemm ist das Lebensprogramm, das uns Jesus geschenkt hat, ein ständiger Kampf gegen die Versuchung. Daran ist nichts Seltsames und es besteht kein Grand zur Furcht: durch Christus ist es möglich, daß ihr „stark seid, daß das Wort Gottes in euch bleibt und daß ihr den Bösen besiegt habt“ (1 Joh 2,14). So schließt unsere Antwort auf den Anruf Jesu, ihm nachzufolgen, einen lebenslangen Wandlungsprozeß ein. Für die meisten von euch ist die Bekehrung des Geistes und des Herzens zu Christus mehr eine Sache von alltäglichen Entscheidungen, als das Ergebnis eines plötzlichen, leidenschaftlichen Augenblicks. Gleichzeitig sind gewisse Entscheidungen sehr wichtig; wie z. B. wenn ihr den Entschluß faßt, euch von einer Verhaltensweise loszusagen, die ihr als sündhaft und zerstörend erkannt habt, oder wenn ihr erkennt, zu welcher Lebensform Gott euch ruft: sei es nun Ehe, Priestertum oder eine der vielen Arten geweihten Lebens. Doch jede eurer Entscheidungen, ob sie größer oder kleiner ist, bleibt immer eine Gelegenheit, entweder Gott näherzukommen oder euch von ihm und von der Wahrheit, die allein euch befreien kann, zu entfernen (vgl. Joh 8,32). <427> <427> Einer von euch hat nach den schweren Zeiten in meinem eigenen Leben und den Lehren, die ich daraus gezogen habe, gefragt. Während des Zweiten Weltkriegs, als mein Land besetzt und unterdrückt wurde, war es nicht einfach, Tag für Tag unter schwierigen Bedingungen zu arbeiten, weltweites Leid und Ungerechtigkeit zu sehen, aber gleichzeitig weiterhin die Tugend der Hoffnung zu leben und auf Gott und die Menschen zu vertrauen. Es war nicht leicht, für Gottes Stimme Platz zu machen, die mich zur gänzlichen Hingabe meiner selbst im Priestertum rief, und mich heimlich, unter vielerlei Schwierigkeiten, auf diese Weihe vorzubereiten. Aber keine wirkliche Berufung ist einfach! In solchen und anderen „harten“ Zeiten habe ich gelernt, alle Dinge im Licht Christi zu sehen: der Weg, Wahrheit und Leben für jeden einzelnen und für alle Völker ist (vgl. Joh 14,6). Paulus, der große Heilige, weist uns daraufhin, daß es nur einen tragfähigen Grand gibt, auf dem man bauen kann, Jesus Christus, und jeder von uns muß darauf achten, wie er auf diesem Grand baut (vgl. 1 Kor 3,10-11). Christus ist der „Bräutigam“ (vgl. Joh 3,29), der „Freund“ 533 REISEN (vgl. Joh 15,14), der „Gefährte“ auf dem Lebensweg, der unsere Herzen mit der gleichen Freude erfüllt wie die der Jünger auf dem Weg nach Emmaus (vgl. Lk 24,13-35)! Er ist für uns das „Brot des Lebens“ (vgl. Joh 6,35), unser „Friede“ (vgl. Eph 2,14), derjenige, der unsere Lasten auf sich nimmt und uns Ruhe verschafft (vgl. Mt 11,28-30). Wir dürfen nicht vergessen, daß er uns vom Kreuz herab seine eigene Mutter als unsere Mutter gab (vgl. Joh 19,27), die uns Trost spendet und uns in jeder Prüfung und allen Aufgaben lenkt. Nein, ihr Jugendlichen von Malta, ihr seid nie allein, wenn ihr euch müht, den Willen Gottes zu befolgen und seine Gebote zu halten (vgl. Joh 14,21). Bei all euren Zweifeln und Schwierigkeiten, zögert nie, euch an den Herrn zu wenden, wie er sich euch im Gebet und in den Sakramenten der Buße und der Eucharistie darbietet. Darin werdet ihr nicht nur seine liebevolle Vergebung finden, sondern auch die Kraft, die ihr braucht, um freudig und unbeirrt seinem Willen zu folgen. Wenn Christus in unserem Leben den ersten Platz einnehmen soll, ist nicht nur eine Bekehrung des Herzens, sondern auch ein fortwährender geistiger Wandel notwendig. Als seine Jünger seid ihr berufen, alle Dinge im Licht Christi zu sehen. In jedem Augenblick eures Lebens, bei jeder Entscheidung, die ihr trefft, müßt ihr euch fragen: „Ist mein Denken und Handeln vereinbar mit dem Geist Christi?“ Es ist wichtig, dies vor Augen zu haben, wenn ihr über Gedanken und Werte diskutiert, die in der modernen Gesellschaft nur zu alltäglich sind, aber oft im Gegensatz stehen zu der befreienden Wahrheit über die Menschheit, wie Christus es uns gelehrt hat. Für den echten Christen ist das Evangelium die Richtschnur zu jeder Entscheidung und allem Handeln. Kurz, alles muß an Gottes Maßstab und nicht an dem des Menschen gemessen werden (vgl. Mk 8,33). <428> <428> Ihr teilt mit mir das Leid, das wir angesichts der Uneinigkeit und Feindseligkeit, die uns überall umgibt, empfinden. Ihr erkennt deutlich, daß dieses Verhalten im Gegensatz zum Evangelium steht, und wenn dies von jenen geduldet und bestärkt wird, die sich als Anhänger Christi bezeichnen, ist die Glaubwürdigkeit des Evangeliums selbst gefährdet. Auch hier müßt ihr stark sein. Jeder von euch ist aufgerufen, die aussöhnende Liebe Christi allen um euch her zu vermitteln. Der Aufbau des Friedens unter den Menschen oder in den verschiedenen sozialen Schichten erfordert viel Geduld, Respekt für die Überzeugungen anderer, den ehrlichen Versuch, einen fruchtbaren Dialog zur Erkenntnis der Wahrheit zu fördern, sowie die Zusammenarbeit aller, für das Wohl eines jeden von uns und der ganzen Gemeinschaft. Am meisten werdet ihr dazu beitragen, Wunden der Spaltung zu heilen, wo immer sie zu finden sind, wenn ihr euch bemüht, mit reifem, christlichem Gewissen zu handeln. Ihr müßt alles im Licht eures Glaubens an Christus beurteilen. Seid euch dessen bewußt, daß Christus euch frei gemacht hat! Die Fehler, der Groll und die Vorurteile der Vergangenheit binden euch nicht. Gott hat euch Jugend, Kraft und Idealismus gegeben, um neue Formen der Zusammenarbeit ins Leben zu rufen. Fürchtet euch nicht, von diesen Gaben Gebrauch zu machen und euren Glauben im Kreise der Verwandtschaft, im Familienleben, bei eurer Arbeit, in euren gesellschaftlichen Beziehungen, in allen Lebensbereichen anzuwenden! Seid auch zu Hause, in der Schule und bei der Arbeit Urheber einer neuen Solidarität, die in dem großzügigen Christentum verwurzelt ist, das Maltas wertvollstes Erbe ist, die Hinterlassenschaft vergangener Generationen! 534 REISEN 6. Liebe Jugend Maltas: Ich verabschiede mich von euch mit der Versicherung, daß ihr einen ganz besonderen Platz in der Kirche Christi einnehmt, die sich müht, den Versöhnungs- und Heilsauftrag zu erfüllen, den ihr der Herr gegeben hat. Durch die Sakramente der Taufe, der Firmung und der Eucharistie seid ihr wertvolle Mitglieder dieser Kirche geworden. Ihr habt teil an ihrer Sendung, die Welt zu heiligen und alle zeitlichen Dinge mit dem Geist Christi zu durchleuchten (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31). Die Kirche braucht euch. Sie braucht jeden einzelnen von euch, wie auch das Zeugnis eurer Pfarrgemeinde, eurer Vereinigungen und Bewegungen. Sie braucht euch, um Zeugnis zu geben für die Heiligkeit, die Gerechtigkeit und den liebevollen Dienst an den Armen und Notleidenden, die das Kennzeichen der wahren Jünger Christi sind. Die Kirche braucht euch, die ihr mit dem Geist Christi durchtränkt seid und euch entschlossen für den Bau seines Reiches einsetzt. Heute wendet sich der Papst mit diesem Aufruf an euch: habt keine Angst, euch voll und ganz Gott hinzugeben in eurem Streben, die Berufung zu leben, die er euch in Christus gegeben hat. Vertraut auf die Macht Gottes, euch auf dem Weg zur Seite zu stehen, auch wenn alles völlig hoffnungslos erscheint! Seid stark und besiegt den Bösen! Das Wort Gottes bleibe in euch! (vgl. 1 Joh 2,14). Ich bin voller Zuversicht, daß Gott durch eure Großherzigkeit und jugendlichen Eifer für das Leben der Kirche und das Wohl Maltas reiche Früchte reifen läßt. Mit großer Zuneigung vertraue ich euch alle dem liebevollen Gebet der Heiligen Jungfrau Maria an und erteile euch und euren Familien meinen besonderen Apostolischen Segen. Für die Menschheit leiden Ansprache bei der Begegnung mit den Kranken vor dem Regina Caeli in Rabat (Malta) am 27. Mai Liebe Schwestern und Brüder in Christus! 1. Die Kranken sind ein besonderer Teil des Leibes Christi, der Kirche. Es freut mich, heute vormittag mit einer Gruppe von Leuten von Malta und Gozo zusammenzutreffen, die betagt sind oder an verschiedenen Krankheitsformen leiden. Indem ich euch begrüße, wiederhole ich die wunderbaren Worte aus dem ersten Petrusbrief: „Freut euch, daß ihr Anteil an den Leiden Christi habt; denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln“ (1 Petr 4,13). Laßt uns Gott den Allmächtigen dafür preisen, daß er uns auf vielerlei Weise in der Hoffnung stärkt und uns seinen Trost schenkt, auch mitten unter den Drangsalen und Leiden, die unser Leben hier auf Erden begleiten. Die Sorge der Kirche für die Kranken erwächst aus dem Vorbild Jesu selbst, der das Evangelium vom Reich verkündete „und im Volk alle Krankheiten und Leiden heilte“ (Mt 4,23). Durch seine vielen Wunder bewies Jesus, wie nahe Gott jedem von uns ist und wie groß seine Macht ist, allen, die ihn im Glauben anrufen, Heilung und Rettung zu bringen. Zu jeder Zeit sucht die Kirche die Heilssendung Christi fortzuführen, indem sie um die leiblichen und gei- 535 REISEN stigen Nöte der Kranken besorgt ist. Sie weiß, daß Gottes Gnade in der Schwachheit zur Vollkommenheit gelangt und daß die Heilskraft Christi in ihren leidenden Gliedern geheimnisvoll gegenwärtig und wirksam ist. 2. Nicht weit von hier ist die Grotte, wo nach der altehrwürdigen Überlieferung der hl. Paulus während seines Aufenthaltes in Malta wohnte. Wie ihr wißt, freute sich der hl. Paulus der vielen Leiden, die er für das Evangelium ertragen mußte. Er hatte begriffen, daß wir nur durch das Leiden mit Christus an der Macht seiner Auferstehung teilhaben können (vgl. Phil 3,10-11). Unser katholische Glaube lehrt uns, daß die Glieder der Kirche untereinander in der Gemeinschaft der Heiligen durch eine tiefe geistliche Solidarität verbunden sind. Unsere Gebete, unsere Leiden und unsere Freuden wirken auf andere in einer Weise, die nur Gott allein voll bekannt ist. Durch das Leben in der Gnade ist jedem von uns Gelegenheit gegeben, mit Jesus zusammenzuwirken, indem wir die Heilskraft seines Kreuzes den Nöten unserer Brüder und Schwestern zuführen. Wie Paulus selbst sagte, können wir für den Leib Christi, die Kirche, das ergänzen, „was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1,24). Wenn die Menschen krank oder mit Sorgen beladen sind, neigen sie oft dazu, nur an ihre eigenen Probleme zu denken. Der Glaube lädt uns ein, tiefer zu blicken und das viele Gute zu sehen, was wir für unseren Nächsten tun können, indem wir, vereint mit Jesus, unsere Leiden als ein wohlgefälliges Opfer Gott, unserem Vater, für die Nöte der ganzen Menschheit darbringen. Wie viele Menschen brauchen heute unser Gebet! Ob wir für unsere Familie oder unsere Freunde beten, für den Frieden unter den Nationen oder für die Harmonie unter den Einzelnen, für eine Beendigung der Probleme wie Hunger, Krankheit und Drogenmißbrauch - wir können sicher sein, daß unsere Gebete erhört werden. <429> <429> Liebe Freunde! Bei dieser Gelegenheit möchte ich ein besonderes Wort des Dankes an die Einzelpersonen und Gruppen richten, die für die betagten und kranken Menschen in Malta Sorge tragen. Zusammen mit den Regierungsstellen widmen sich die kirchlichen Vereinigungen wie die Krankenkommission der Katholischen Aktion von Malta, die Caritas und die Vereinigung für die Krankenwallfahrten nach Lourdes den Kranken in Malta. In ihren Heimen für die Alten, die Behinderten und die Entwöhnung der Drogenabhängigen leistet die Kirche einen bemerkenswerten Beitrag für das geistliche und leibliche Wohl der Gesellschaft in Malta. Ich denke auch an die vielen Familienangehörigen, Freunde und Freiwilligen, die die Alten und Kranken durch ihre Zuwendung und Liebe trösten und unterstützen. Eure Hochherzigkeit und euer Mitleiden für eure Brüder und Schwestern in Not spiegeln das Bild des Barmherzigen Samariters wider (vgl. Lk 10,30-37), dessen Mitleid für seinen Nächsten Ausdruck einer tiefen Liebe und Solidarität war (vgl. Salvifici doloris, Nr. 28). In Kürze werden wir zusammen den schönen Hymnus Regina Caeli beten, der die gesamte Kirche einlädt, an der Freude der seligen Jungfrau Maria über die Auferstehung ihres Sohnes Jesus teilzuhaben. Sogar als sie unter dem Kreuz stand, ließ Maria niemals nach in ihrem Vertrauen, daß Gottes Verheißungen sich erfüllen würden. Darum ist Maria das Vorbild für alle Jünger, wenn sie dem Herrn in unerschütterlichem Glauben, in der Liebe und Hoffnung 536 REISEN zu folgen suchen. Mit großem Vertrauen auf Gottes unendliche Barmherzigkeit und Güte laßt uns an diesem letzten Sonntag im Marienmonat Mai zusammen mit Maria beten, für alle, die eine schwere Last des Leidens tragen, daß sie einst die Freude seines ewigen Sieges erfahren mögen. Die Freiheit verantwortlich gebrauchen Ansprache bei der Begegnung mit Intellektuellen in Sliema (Malta) am 27. Mai Sehr geehrte Damen und Herren! 1. Es ist für mich eine große Freude, unter den geschätzten Vertretern des wissenschaftlichen, kulturellen und künstlerischen Lebens Maltas zu weilen. Unsere Begegnung bestätigt die Bedeutung, die wir alle der Bildung, der Suche nach Wissen, dem intellektuellen Austausch und der künstlerischen Vollendung beimessen, den erhabenen Werten der Wahrheit und der Schönheit im mühsamen, aber auch spannenden Streben der Menschheit nach echtem menschlichen Fortschritt. „Denn welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen, oder wer begreift, was der Herr will?“ (Weish 9,13). Diese Worte aus dem Buch der Weisheit, die unser Gespräch heute morgen eingeleitet haben, ermutigen uns, einen Augenblick bei den gegenwärtigen Bedingungen unserer Kultur und Zivilisation zu verweilen. In einer Zeit weitreichender ideologischer und politischer Umwandlungen, gefährlichen Ungleichgewichts in der Weltwirtschaft, neuer, doch nicht immer erfreulicher Fortschritte in Wissenschaft und Technik werden wir mit einer brennenden Frage konfrontiert, die sich drohend am Horizont des anbrechenden neuen Jahrtausends abzeichnet. Für die von Unsicherheit, von Fällen dramatischen Umweltverfalls, von mancherorts ständiger Arbeitslosigkeit und von politischer Ungewißheit bedrohten Gesellschaften ist die beherrschende Frage, welche die Zukunft stellt, folgende: was soll aus der Person des Menschen werden? Politiker und Richter, Ingenieure und Rechtsanwälte, Forscher, Ärzte, Künstler, Erzieher, Sozialarbeiter und Studenten: alle verspüren Sie eine - manchmal vage doch stets vorhandene - Unruhe zuinnerst in Ihrem Bewußtsein. Die wichtigen Ereignisse, die wir erleben, und die unbekannten Elemente der Monate und Jahre vor uns lassen die Frage immer deutlicher in den Brennpunkt treten. Niemand, der behauptet, kritisch die Ereignisse zu betrachten, kann umhin, eine tiefe persönliche Betroffenheit zu verspüren. Warum? Weil jetzt, da dieses Jahrhundert und dieses Jahrtausend zu Ende gehen, die eigentliche Bedeutung und die Richtung der Pilgerfahrt der Menschheitsfamilie durch die Geschichte auf dem Spiel steht. <430> <430> Sie, die Sie die kulturelle und intellektuelle Elite der Gesellschaft bilden, sind in besonderer Weise betroffen. Die Zukunft hängt in weitem Ausmaß von der kulturellen Perspektive ab, in der es den einzelnen und den Völkern gestattet ist, ihr Schicksal zu entwickeln und entfalten. Die jüngste Geschichte hat den kulturellen Bezugsrahmen drastisch verändert. Insbe- 537 REISEN sondere die Reihe der Ereignisse in Europa in den letzten Monaten zeigt klar die Unangemessenheit und das Versagen einer Kultur, die nicht auf dem Primat der geistlichen Dimension der Person des Menschen aufgebaut war. Natürlich erfordern die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Dimensionen des Lebens die sorgfältige Aufmerksamkeit und den ehrlichen Einsatz aller. Es ist aber zugleich nötig, neuerlich den Vorrang der Ethik vor der Technik, den Vorrang des Seins vor dem Haben entschlossen zu betonen. Das ist besonders geboten, wenn wir von einer falschen „Kultur des Scheins“ umgeben sind, Resultat einer ungezügelten Konsummentalität, die den tiefsten Bedürfnissen der Einzelnen und der Gemeinschaften abträglich ist. Die jetzt an Europa gestellte Herausforderung heißt, die eigenen Wurzeln neuzuentdecken. Im Annehmen dieser Herausforderung ist die europäische Kultur kräftig aufgerufen, für den christlichen Glauben Rechenschaft abzulegen, der ihre Völker geformt hat. 3. Liebe Freunde, die Hauptaufgabe der für das Leben der einzelnen und der Nationen Verantwortlichen ist die Förderung eines Lebensstils, der der einzigen und unveräußerlichen Würde des Menschen voll entspricht. Die Aufgabe ist gewaltig; sie schließt die Arbeit für die volle und echte Entwicklung der Völker in einem Klima wirksamer Kooperation ein, die Arbeit für die Verteidigung der Menschenrechte, die Förderung des Familienlebens, den Arbeiterschutz, den Aufbau einer gerechteren und brüderlicheren Gemeinschaft im Respekt vor dem Willen des Schöpfers in der Natur und in allen Lebensbereichen. Die wiederentdeckte Freiheit bringt Völker, die lange zu Schweigen, Furcht und Armut verurteilt waren, dazu, laut den Wert der Person des Menschen zu verkünden, den geistlichen Charakter des Lebens, das Bedürfnis, den Wert des einzelnen und seine persönliche Verantwortung durch die aktive Teilnahme an den Prozessen auszudrücken, die das bürgerliche und nationale Leben bestimmen. Als Männer und Frauen der Kultur wissen Sie, daß die Wiederherstellung äußerer Freiheiten nur der erste Schritt, die erste Stufe ist. Der Gebrauch der Freiheit muß von einer wachsenden moralischen und geistigen Reife begleitet sein. Leider zeigt unsere herrschende Kultur, da wir uns dem dritten christlichen Jahrtausend nähern, Zeichen einer Schwächung der moralischen Verpflichtung und einen begrenzten Sinn für geistige Erleuchtung. Die Menschen sind oft empfänglicher für Gefühle, Emotionen und Impressionen als für Gedanken, Reflexion und Unterscheidung. Ohne Vernunft zu handeln ist des Menschen nicht würdig, dessen Freiheit auf der Kenntnis der Wahrheit gründet, die sein Urteil erhellt. Die Eroberung authentischer Freiheit wird wesentlich gefährdet, wenn man die mühsam durch Vernunft errungene und durch die Offenheit für das Wort Gottes wunderbar vertiefte Wahrheit außer acht läßt. Ohne den Bezug zur Wahrheit können die Menschen sich nie von Verantwortungslosigkeit und Angst befreien. Jesus Christus sagte ganz einfach: „die Wahrheit wird euch befreien“ (vgl. Joh 8,32). Was auf einzelne Anwendung findet, gilt auch für die Nationen. Nur durch die Annahme der vollen Wahrheit unseres Menschseins - welche Gottes Plan für den Menschen entspricht, offenbart in Christus, dem Weg, der Wahrheit und dem Leben (vgl. Joh 14,6) - werden unsere Zeitgenossen ihre volle Größe als Männer und Frauen erreichen, die von Angst und leeren Illusionen befreit sind. 538 REISEN 4. Malta ist nicht unberührt von den Problemen und Veränderungen, die das kulturelle ebenso wie das politische Gesicht Europas und der Welt umgestalten. Wegen seiner geographischen Lage und Geschichte stellt Malta eine wunderbare Symbiose europäischer und mediterraner Kulturen dar und befindet sich so in geeigneter Lage, die gegenwärtigen Aussichtsveränderungen zu beobachten und daran teilzunehmen. An den Kreuzungswegen fruchtbaren Austausches unter verschiedenen Kulturen gelegen, ist Malta seinen Traditionen der Gastfreundschaft treugeblieben, wie sich hier kürzlich an der Begegnung zwischen den Staatsoberhäuptern der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten gezeigt hat. Der christliche Glaube, der vor zweitausend Jahren zu Ihnen gelangte, hat Ihr Familienleben, Ihre Traditionen und fast jede Äußerung Ihres Charakters tief durchdrungen. Allerdings haben der Verfall der traditionellen Werte einerseits und die Abnahme der ideologischen Spannungen anderseits viele unserer Zeitgenossen schutzlos und desorientiert gemacht und in vielen Fällen in eine dramatische Identitätskrise gestürzt. Sie, die Sie zu den Führern des kulturellen Lebens Ihres Landes gehören, können denen gegenüber nicht taub bleiben, die gequält aufschreien bei ihrer Suche nach Sinn und Sicherheit. Das hieße ihre Erwartungen enttäuschen, besonders im Fall von jungen Menschen an der Schwelle zum Erwachsenenleben. Das Ausmaß und die Neuheit der Probleme, die die Entwicklung der Gesellschaft betreffen, darf Sie nicht dazu veranlassen, über Ihre Mitbürger hinwegzusehen, Ihre Brüder und Schwestern, betrachtet in ihrem wirklichen Dasein und nicht im Licht abstrakter ideologischer Konzepte. An wirkliche Menschen in ihrer gegenwärtigen Lage richtet der Schöpfer den Anruf, in der Fülle von Würde und Freiheit zu leben. Ich wiederhole, Ihre Aufgabe ist gewaltig: nichts weniger als eine unermüdliche Anstrengung, die Wahrheit über das Leben und die Bestimmung des Menschen zu suchen und zu verteidigen. <431> <431> Als Katholiken haben Sie eine authentische Berufung, die kulturelle Umgebung zu evan-gelisieren, in der Sie leben und arbeiten. Diese Aufgabe entspringt Ihrer Taufverpflichtung. Sie hat nichts zu tun mit dem Aufdrängen eines vorgefaßten und einseitigen Modells kulturellen Lebens. Vielmehr geht es darum, „die Elemente der gegenwärtigen Kultur [zu] erkennen, kritisch [zu] beurteilen und gegebenenfalls [zu] läutern,... sie mit Hilfe des ursprünglichen Reichtums des Evangeliums und des christlichen Glaubens auf eine höhere Ebene [zu] erheben“ (Christifideles laici, Nr. 44). Ihre aktive Präsenz als katholische Laien in der Welt des wissenschaftlichen, intellektuellen und künstlerischen Strebens ist nötig, sei es als Einzelpersonen, sei es als Mitglieder der verschiedenen kulturellen und apostolischen Vereinigungen, die Ihnen gestatten, wirksamer für den Fortschritt Ihres Volkes zu arbeiten. Ihre Tätigkeit auf diesem Gebiet sollte von Mut und intellektueller Kreativität geprägt sein, und vor allem von einem tiefen Sinn der Liebe und des Dienstes. Als Männer und Frauen des Glaubens sehen Sie das Geheimnis des menschlichen Lebens in Beziehung zum Geheimnis Jesu Christi, wahrer Gott und wahrer Mensch. In ihm wird unser Menschsein erhoben und in eine dynamische persönliche Gemeinschaft mit dem Schöpfer gebracht. In der Fleischwerdung hat der Sohn Gottes sich in gewisser Weise mit jedem Menschen vereinigt. Er wurde wirklich einer von uns, in allem uns gleich außer der Sünde (vgl. Gaudium etspes, Nr. 22). Durch die Sendung seines Geistes und das Leben der Gnade emeu- 539 REISEN ert Christus die Menschen von innen her und macht sie so fähig, das neue Gebot der Liebe zu erfüllen, welches die neue, aus seinem Kreuz und seiner Auferstehung geborene Menschheit kennzeichnen soll. Beim Aufbau dieser Zivilisation der Liebe erlangen Ihre kulturellen Bemühungen und Werke ihren höchsten Wert und haben sie ihre größte Wirkung zum Nutzen der Gesellschaft. Beim Befolgen dieses Weges wissen Sie, daß Ihre Anstrengungen eine Teilhabe an der Weisheit, die Gott allein geben kann, erfordern. Mögen Sie sich das Gebet um Weisheit aus der Schriftlesung zu eigen machen, die wir zu Beginn dieser Begegnung gehört haben: „Sende sie vom heiligen Himmel und schick sie vom Thron deiner Herrlichkeit, damit sie bei mir sei und alle Mühe mit mir teile und damit ich erkenne, was dir gefällt“ ( Weish 9,10). 6. Theologen, Philosophen, Spezialisten in den Natur- und Humanwissenschaften, Lehrer und Forscher mit Ihren Studenten: Sie bilden eine hochqualifizierte, dem intellektuellen Streben geweihte Gemeinschaft mit einer erhabenen Aufgabe des Dienstes an der weiteren maltesischen Gesellschaft. Ich hoffe ernstlich, daß Sie stets von ehrlicher Leidenschaft für die Wahrheit und tiefer Liebe zu Ihren Mitmenschen bewegt werden. Weiten Sie, denen ein altes Erbe zuteilgeworden ist, den Blick auf das ganze Rund des umgebenden Mittelmeeres und die Völker, die seine Küsten bewohnen. Vor Ihnen liegt die Herausforderung, ein Beispiel auszustrahlen. Möge Ihre Liebe zur Freiheit, Ihre Liebe zur Wahrheit, Ihre Liebe zur Gerechtigkeit diese im Herzen des Mittelmeeres gelegenen Inseln zu einem Heiligtum des Friedens und der Brüderlichkeit machen, durchtränkt von der Wahrheit und Liebe, die zu bringen Christus, der Erlöser des Menschen, gekommen ist. Auf Sie alle und auf Ihre Familien rufe ich die überreichen Gaben des Allmächtigen Gottes herab. Gerne erteile Ihnen meinen Apostolischen Segen. Streben nach Einheit und Aufruf zum Zeugnis sind eng miteinander verbunden Ansprache bei der Ökumenischen Begegnung in Mdina (Malta) am 27. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine besondere Freude, mit Gliedern der verschiedenen in Malta vertretenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften Zusammentreffen zu können. Ich begrüße Sie im Namen des einen Herrn und Erlösers lesus Christus und versichere Sie meiner Dankbarkeit für Ihre Anwesenheit an diesem Nachmittag. Wir kommen als Christen zusammen, um auf den Ruf Gottes zu antworten. Die ökumenische Bewegung - in erster Linie ein Werk des Heiligen Geistes und nicht der Menschen - ist eine Gnade für unsere Zeit; sie ist ein Geschenk, für das wir Gott geziemend danken und preisen sollen. Im Lauf dieses Jahrhunderts haben sich unsere Augen geöffnet und wir sehen jetzt klarer, daß die Einheit der Christen wirklich dem Willen Gottes entspricht und daß wir berufen sind, sie gemeinsam zu verwirklichen. Das Streben der Christen nach der Einheit ver- 540 REISEN pflichtet uns, das gemeinsame Erbe des Glaubens und der sittlichen Werte neuerlich zu entdecken; es erfordert eine gemeinsame Rückerinnerung, um uns die großen Wahrheiten des Glaubens anzueignen und die Wunden der Vergangenheit der heilenden Liebe unseres auf erstandenen und verherrlichten Herrn zu unterbreiten. Gottes Plan für seine Familie ist die Gemeinschaft aller Menschen im Glauben und im sakramentalen Leben. Dieser Plan wurde in Christus geoffenbart und wird uns unter der Führung des Heiligen Geistes in der Kirche immer klarer verständlich. 2. Dort, wo wir jetzt versammelt sind, zeichnet sich diese Herausforderung mit besonderer Schärfe ab. Hier in der Kathedrale von Mdina befinden wir uns in der Altstadt Maltas. Nach der im Volk lebendigen Überlieferung wurde diese Kathedrale an der Stelle gebaut, wo der Palast des Publius, des „Ersten“ der Insel, stand, der Paulus von Tarsus nach seinem Schiffbruch auf dem Weg nach Rom aufnahm. Die Apostelgeschichte berichtet: „Wir erfuhren, daß die Insel Malta heißt. Die Einheimischen waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich; sie zündeten ein Feuer an und holten uns alle zu sich, weil es zu regnen begann und kalt war“ (vgl. Apg 28,1-2). Die Gestalt des hl. Paulus erleuchtet die ökumenische und missionarische Aufgabe, der die Christen heute gegenüberstehen. Seine Schriften führen uns auf lebhafte Weise den innersten Kem der Botschaft des Evangeliums vor Augen: Jesus Christus ist unser einziger Erlöser und wir gelangen durch den Glauben an ihn zum ewigen Leben. Das Werk Christi - sein Heilswirken durch Tod und Auferstehung — ist die Mitte unseres Glaubens, ist die Frohbotschaft, die wir alle empfangen haben, ist eine Botschaft, die zu allen Zeiten von den Bewohnern Maltas willkommen geheißen wurde. Diese gleiche Frohbotschaft veranlaßte sie, den Spuren des hl. Paulus zu folgen und sie in vielen Teilen der Welt zu verkünden. Dabei ahmten sie seinen Mut und seinen Eifer nach sowie seine Bereitschaft, für die Sache des Evangeliums große Opfer zu bringen. Heute, beim Herannahen des dritten christlichen Jahrtausends, sind wir alle, die wir auf Christus getauft sind, verpflichtet, für ihn ein kraftvolles und immer einigeres Zeugnis abzulegen. Was uns davon abhält, uns der Fülle der Einheit im Glauben und im sakramentalen Leben zu erfreuen, sollte uns nicht von dem Großen ablenken, das uns gemeinsam ist: ein persönlicher Erlöser, der gestorben und auferstanden ist, damit wir leben können. Das Streben nach der Einheit der Christen und der Aufruf zum Zeugnis sind eng miteinander verbunden. Man sollte nie denken, daß der missionarische und der ökumenische Eifer einander Konkurrenz machen oder daß sich der eine auf Kosten des anderen entwickelt. Selbst dieses unser Streben nach Einheit ist ein Zeugnis für das heilende und versöhnende Wirken Gottes. Wir haben das Verlangen nach einer immer nachhaltigeren Versöhnung untereinander, damit die Welt immer besser erkenne, daß „Gott es war, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat“ (2Kor 5,19). <432> <432> Im Zusammenhang mit diesen Überlegungen möchte ich die Gelegenheit wahmehmen, der Arbeit der katholischen ökumenischen Kommission ein Lob zu erteilen. Die Malteser sind fast ausschließlich katholisch und die anderen Christen entstammen meist anderen Ländern. Dennoch haben es die maltesischen Katholiken nicht versäumt, zu verstehen, daß „die katho- 541 REISEN lische Kirche unwiderruflich der ökumenischen Bewegung verpflichtet und bestrebt ist, in ihr den bestmöglichen Beitrag zu leisten“ (Ansprache an die Römische Kurie, 29. Juni 1985). Die Verantwortung für die Ausführung dieser Aufgabe ist nicht auf jene Länder beschränkt, in denen es neben der katholischen Kirche zahlreiche anglikanische, evangelische oder orthodoxe Christen gibt. Ganz im Gegenteil, diese Länder bedürfen dringend des Gebets, des Interesses und der Unterstützung der Länder mit starker katholischer Mehrheit. Wenn eine andere Kirche oder kirchliche Gemeinschaft bereit ist, den Dialog mit der katholischen Kirche aufzunehmen, nimmt sie mit der ganzen katholischen Kirche neue Beziehungen auf. Die ökumenische Kommission Maltas hat in Anerkennung dieser Tatsache den ökumenischen Geist innerhalb der katholischen Gemeinschaft gefördert und so eine herzliche Beziehung zwischen den Katholiken und den hier lebenden anderen Christen geschaffen. Die Bedeutung eurer an Ort und Stelle geleisteten Arbeit und dieser guten Beziehungen darf nicht unterschätzt werden. 4. Liebe Freunde, vor mehr als neunzehnhundert Jahren nahm Malta den großen Träger der Botschaft der Versöhnung, den Apostel Paulus, auf und hieß ihn herzlich willkommen. Die Malteser empfingen ihn mit Freundschaft und Liebe, und seine Botschaft schlug in diesem Land Wurzeln. Ich fordere Sie alle heute auf, nochmals die Botschaft des Paulus aufzunehmen, daß „Gott... in Christus die Welt mit sich versöhnt hat“ (2 Kor 5,19) und tiefer in das Gebet Christi einzudringen. „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). Herzlich grüße ich die Vertreter der islamischen Gemeinschaft und danke ihnen für ihr Kommen. Ich versichere Ihnen, daß die katholische Kirche mit brüderlichen und achtungsvollen Gefühlen auf Sie blickt: sie vertraut darauf, das ein wachsendes gegenseitiges Verständnis und der Dialog zwischen uns viel zum Wohl der Menschheit beitragen werden. Tatsächlich ist es ja bedeutsam, daß alle, die an den barmherzigen und allmächtigen Gott glauben, gemeinsam bemüht sind, für alle Menschen soziale Gerechtigkeit, sittliche Werte, Frieden und eine echte gegenseitige Anerkennung der religiösen Freiheit zu fördern und zu gewährleisten (vgl. Nostra aetate, Nr. 3). Laßt uns alle eifrig im Gebet und stark in der Hoffnung sein. Möge Gott, der das gute Werk in uns begonnen hat, es zur Vollendung führen. Amen. 542 REISEN Zeugnis für die Erlösung geben Predigt bei der Messe in Floriana (Malta) am 27. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Heute, am Hochfest der Himmelfahrt des Herrn, ist ein Tag großer Freude! Die Kirche in der ganzen Welt freut sich, da Jesus Christus glorreich zur Rechten des Vaters zurückkehrt. Heute haben die Katholiken Maltas einen besonderen Grund zur Freude, denn sie sind um diesen Altar mit dem Bischof von Rom versammelt, dem Nachfolger Petri, der gekommen ist, seine Brüder im Glauben und in der Liebe zu stärken (vgl. Lk 22,32). In der Einheit des Geistes (vgl. Eph 4,3) grüße ich mit großer Zuneigung und Achtung Erzbischof Mercieca und Bischof Cauchi sowie alle Gläubigen der Erzdiözese Malta und der Diözese Gozo. Meine Grüße gehen auch an die Behörden und das ganze Volk Maltas; auf sie rufe ich die Gnade und den Frieden des auferstandenen Herrn und den Trost seines Heiligen Geistes herab. Das glorreiche Ereignis, das die heutige Liturgie in Erinnerung ruft, war den ersten Jüngern Jesu noch lebhaft im Gedächtnis, als das Christentum durch die Predigt und das Zeugnis des Paulus nach Malta kam. Heute, mehr als 1900 Jahre danach, ist die maltesische Volksseele tief vom Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Herrn geprägt, was in vielen Aspekten eures nationalen Lebens beredt zum Ausdruck kommt. Es gehört sich, daß wir zu diesem freudigen Anlaß Dank sagen für den Glauben, den Malta von den Aposteln empfing, und für die „überragend große Macht“ (vgl. Eph 1,19), mit der der Herr, Jesus Christus, so viele Jahrhunderte lang reichliche Früchte der Heiligkeit im Leben seines Volkes hervorbrachte. Da wir an diesem Altar Zusammenkommen, bitte ich Gott, unseren himmlischen Vater, in den Katholiken Maltas eine immer tiefere Einheit des Denkens, des Herzens und des Geistes zu bewirken, damit ihr in Wort und Tat würdig die Sühne und Versöhnung verkündigen könnt, die Jesus Christus am Kreuz vollbracht hat und die er weiterhin vollbringt durch den Dienst der Kirche, seines Leibes. <433> <433> In der ersten Lesung der heutigen Messe berichtet uns Lukas, daß Jesus, nachdem „er durch den Heiligen Geist den Aposteln, die er sich erwählt hatte, Anweisungen gegeben“ hatte, „vor ihren Augen emporgehoben“ wurde. „Eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken“ (Apg 1,2.9). Genau so wie die Wolke im Alten Testament häufig ein Zeichen der heilbringenden Gegenwart Gottes unter seinem Volke war, so ist sie heute, da sie Jesus verbirgt, ein vergewisserndes Zeichen, daß der auferstandene Herr, der in die Herrlichkeit zurückkehrt, die sein war von Anfang an, uns durchaus nicht allein läßt. Im Gegenteil, er weilt und wirkt tatsächlich in unserer Mitte bis zu dem Tag, da er in Herrlichkeit wiederkommen wird. Wenn Jesus auch die Erde verlassen hat und zu seinem himmlischen Vater heimgekehrt ist, so haben wir doch sein Wort, daß er seine Kirche nie allein lassen wird. Jesus verspricht uns, daß er bei uns bleibt „alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28,20). Im Geheimnis des Planes Gottes für die Kirche und für die ganze Menschheit kennzeichnet die Himmelfahrt eine Wende, eine neue Ebene in der Beziehung Jesu zu seinen Jüngern. Im Himmel zur Rechten Gottes sitzend, ist der auferstandene Herr jetzt durch die Macht des Heiligen Geistes in der „Kirche“ gegenwärtig, „die sein Leib ist“ (vgl. Eph 1,22-23). Durch das 543 REISEN Innewohnen des Geistes in ihren Herzen erhalten die Glaubenden zu aller Zeit Anteil an der Gemeinschaft vollkommener Liebe, welche das Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit ist. Und es wird ihnen die Gnade gegeben, dem Herrn nachzufolgen in einer Weise, die die Welt und ihre alte Last der Feindschaft, Sünde und Spaltung besiegt (vgl. Joh 16,33). Der Heilige Geist wohnt in der Kirche. Er ist es, der alle Glaubenden fähig macht, wirksam für das Kommen des Reiches zu arbeiten, Zeugnis zu geben für die Wahrheit des Evangeliums und für die Wirklichkeit der Erlösung, die wir durch das Kreuzesblut empfangen haben. Durch die Macht des Geistes hat die Kirche die Zuversicht, daß sie den feierlichen Auftrag tatsächlich erfüllen wird, den Jesus seinen Jüngern hinterlassen hat: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). „Von Christus gesandt, die Liebe Gottes allen Menschen und Völkern zu verkünden und mitzuteilen“ (Ad gentes, Nr. 10), weiß die Kirche, daß ihr allein im Geist ihre göttliche Sendung gelingen wird, die ganze Menschheit zu Christus zu bringen und der Gesellschaft die Gnade und den Frieden zu vermitteln, die er uns auf Kalvaria gewonnen hat. 3. Heute, da mein Besuch zu Ende geht, lade ich die Kirche in Malta ein, nachzudenken über die Qualität ihrer Antwort auf die große Sendung, die Jesus seinen Jüngern überließ, als er zum Vater zurückkehrte: „ihr werdet meine Zeugen sein ... bis an die Grenzen der Erde“ (.Apg 1,8). Ich bitte euch, nachzudenken über das edle Zeugnis der Treue zum Evangelium, das die Leute dieser Inseln die Jahrhunderte hindurch gegeben haben. Angefangen mit dem hl. Publius hat ein großes Heer von Bekennem, deren Namen oft nur Gott kennt, den Glauben ohne Wanken bewahrt und ihn von einer Generation an die andere weitergegeben, selbst angesichts von Verfolgung und Ungemach. Denken wir auch an die ungeheuren Scharen von Missionaren, die von Maltas Küsten ausgefahren sind, die vielen Priester und Ordensleute, deren apostolische Mühen die Kirche daheim gestärkt haben, die Eltern, deren treue Ausdauer im Glauben so reiche Frucht an Hingabe und Güte unter ihren Kindern hervorgebracht hat! Wir können Gott für dieses Zeugnis wirklich mit den Worten preisen, die Paulus selbst in der heutigen zweiten Lesung gebraucht: „wie überragend groß [erweist] seine Macht sich an uns, den Gläubigen“ (Eph 1,19)! Demütig und dankbar nachzudenken über die Gaben, die Gott euch in der Vergangenheit gab, ist jedoch nicht genug. Auch heute muß die Kirche in Malta auf die Stimme Christi hören, wenn er euch auffordert, weiter Zeugnis zu geben für die Macht seiner aussöhnenden Liebe. Wie viele von euch haben den Schmerz über die ernsten Spaltungen, die auf verschiedenen Ebenen eurer Gesellschaft empfunden werden, mit mir geteilt! Kann denn ein Christ glauben, daß diese Spaltungen von Gott kommen? Lehrt uns unser Glaube denn nicht, daß die Wurzel aller Feindschaft unter einzelnen und Gruppen die Sünde ist, jene alte Sünde, die das Bild Gottes in unserem Nächsten nicht sieht und über es hinweggeht? Ist schließlich nicht jede Spaltung unter den Menschen die Frucht sündiger „Ablehnung von Gottes Vaterliebe und seinen Liebesgaben“ (vgl. Reconciliatio et paenitentia, Nr. 10)? Können wir im Licht des Glaubens, den wir bekennen, jemals Feindschaft unserem Nächsten gegenüber rechtfertigen oder glauben, daß wir ausgenommen sind vom Gebet des Herrn, unsere Feinde zu lieben und denen, die gegen uns sündigen, „von Herzen“ (vgl. Mt 18,35) zu vergeben? 544 REISEN Liebe Brüder und Schwestern! Im Namen Jesu Christi appelliere ich heute feierlich an euch alle, euch zu prüfen (vgl. 1 Kor 11,28) und allem ein Ende zu setzen, was die Heilung von Wunden verhindert, die zu lange offengelassen worden sind. Im Namen Jesu Christi flehe ich euch an, einen neuen Anfang gegenseitigen Vergebens und gegenseitiger Achtung zu machen. Im Vertrauen auf die unumschränkte Macht der Gnade Gottes, besonders wie sie im Sakrament der Buße zu euch kommt, mögt ihr Kraft finden für die schwierige Aufgabe, gegenseitigen Respekt und Dialog auf allen Ebenen eures nationalen und sozialen Lebens wiederherzustellen. Eine Hauptaufgabe für alle Christen Maltas ist es, den Groll beiseite zu legen und die Spaltungen zu überwinden, sei es in euren Familien, an eurem Arbeitsplatz oder im politischen Leben. Heute fordert der Herr euch auf, den Glauben, den ihr empfangen habt, zu einem kräftigen Zeugnis der Macht seiner versöhnenden Liebe werden zu lassen. Und er bittet euch, euch gemeinsam mit allen euren Brüdern und Schwestern, ohne irgend jemanden auszuschließen, an den Aufbau einer Gesellschaft zu machen, die der vorzüglichen Tradition Maltas im christlichen Glauben und in christlicher Tugend würdig ist! 4. In der heutigen Liturgie haben wir gehört, wie Paulus für Einheit und Frieden der Christen in Ephesus betete. Ich mache mir dieses Gebet zu eigen, da ich mich an euch wende, meine lieben Brüder und Schwestern der Kirchen von Malta und Gozo. Ich bete, daß Gott, unseT Vater, stets „die Augen eures Herzens [erleuchte], damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid“ (Eph 1,18). Möge er euch erleuchten! Wie klar ist doch in diesen letzten Jahren des zweiten Jahrtausends, daß so viele Männer und Frauen der „Erleuchtung“ durch die Gnade Gottes bedürfen, damit sie alles erkennen, was nicht in Übereinstimmung zu bringen ist mit ihrer Würde als Söhne und Töchter Gottes, die nach seinem Bild ihm ähnlich gemacht (vgl. Gen 1,26-27) und gerufen sind, in ein Leben hineinzuwachsen, das kein Ende hat. Wenn wir in diesen Tagen nach Osteuropa blicken und den Zusammenbruch materialistischer Ideologien beobachten, die den Menschen seiner wahren Seele zu berauben suchten, können wir nicht umhin, anderswo das Entstehen eines praktischen Materialismus zu bemerken, eines neuen Götzendienstes, der ebenfalls droht, den Geist zu ersticken. Wie nötig haben es die Christen, durch Christus „erleuchtet“ zu werden, damit sie die neue Konsumkultur als unvereinbar mit der wahren Freiheit und Würde des Menschen zurückweisen, die das Vergnügen als Selbstzweck ohne Bezug auf das Moralgesetz verherrlicht und letzten Endes unsere Solidarität mit denen, die in Not sind, verneint! Möge er euch erleuchten! Mehr als einmal in seiner Geschichte wurde Malta für seine unnachgiebige Verteidigung des christlichen Glaubens bewundert und gepriesen sowie für seine Bereitschaft, um der Kultur willen, die dieser Glaube trug und nährte, heroische Opfer durchzustehen. In unseren Tagen, da Europa sich anschickt, in eine neue Periode seiner Geschichte zu treten, eine Periode voller frischer Hoffnungen und Herausforderungen, ist Malta gerufen, zur geistigen Einheit des alten Kontinents beizutragen, indem es seine Schätze an christlichem Glauben und Werten anbietet. Europa braucht auch Maltas Glaubenszeugnis! Unsere Feier der Himmelfahrt erinnert uns daran, daß Christus jetzt zur Rechten des Vaters sitzt als Richter der Lebenden und der Toten, als Richter aller Menschheit und der ganzen Geschichte. „Wie überragend groß“ ist „seine Macht“ (Eph 1,19)! Durch seinen Tod am 545 REISEN Kreuz legt Jesus ein für allemal die tragischen Folgen der Sünde Adams Mar und brachte aller Menschheit Versöhnung und Frieden. Versäumt niemals, auf diese Macht zu vertrauen! Jesus hat die Welt verwandelt und zu einer neuen Schöpfung gemacht. In Jesus, dem zweiten Adam, wurde jeder von euch kraft der Taufe berufen, mitzuarbeiten, um diese Welt für sein Kommen in Herrlichkeit und für die volle Einsetzung seines Reiches bereitzumachen, „das Reich der Wahrheit und des Lebens, das Reich der Heiligkeit und der Gnade, das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens“ (Präfation vom Königtum Christi). Zweifelt niemals daran, daß unser Erlöser, „der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können“ (Eph 3,20), euch für jede gute Tat bereit und fähig machen wird, die Sendung zu erfüllen, zu der er euch berufen hat! „Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen“ (Agp 1,11). Da die Kirche in freudiger Hoffnung auf die Wiederkehr ihres- Herrn in Herrlichkeit wartet, bete ich, daß in euren Familien, in euren Ortskirchen, in eurem gesellschaftlichen und politischen Leben jeder von euch gläubig mitarbeitet am Werk Christi, sein Königreich aufzubauen, bis zu dem nur dem Vater bekannten Tag, da Christus wiederkehren wird in Herrlichkeit. Amen. Auf Herausforderungen der Gegenwart eingehen Ansprache bei der Abschiedszeremonie in Luqa (Malta) am 27. Mai Herr Präsident, Herr Premierminister, lieber Erzbischof Mercieca und Bischof Cauchi, geliebtes Volk Maltas! 1. Ich habe heute in Rabat das Vorrecht genossen, einige Augenblicke in stillem Gebet bei der antiken Grotte zu verbringen, die als Bleibe des Apostels Paulus während seines Aufenthaltes in Malta verehrt wird. An jener heiligen Stätte habe ich Gott Dank gesagt für die reiche Ernte an Glauben und guten Taten, die er unter euch hervorgebracht hat, seit der Völke-rapostel zum ersten Mal euren Vorfahren das Evangelium Jesu Christi verkündete. Ich habe dem Herrn auch für die „ungewöhnliche Freundlichkeit“ (vgl. Apg 28,2) gedankt, mit der neunzehn Jahrhunderte später ein anderer Besucher, der Nachfolger Petri, in Malta willkommen geheißen wurde, als er kam,, um dasselbe Evangelium zu predigen und seine maltesischen Brüder und Schwestern in demselben Glauben zu bestärken (vgl. Lk 22,32). Heute abend, da ich nach Rom zurückkehre, möchte ich allen meinen Dank ausdrücken, die geholfen haben, diesen Pastoralbesuch möglich zu machen. An erster Stelle erneuere ich Ihnen, Herr Präsident, meinen Dank für Ihren wohlwollenden Empfang. Dankbar bin ich auch Ihnen, Herr Premierminister, sowie der Regierung und den zivüen Behörden, die Sie so bereitwillig Unterstützung gewährt haben bei der Organisation der Veranstaltungen dieser Tage. Selbstverständlich kann ich es nicht unterlassen, meinen Bischofsbrüdem und den Prie- 546 REISEN stem, Ordensleuten und Laien der Kirchen von Malta und Gozo meine tiefe Dankbarkeit auszudrücken für die warme Aufnahme, die sie mir auf jeder Etappe meines Besuchs entgegengebracht haben. 2. Die ganze Zeit in Malta hindurch hat mich die Verbundenheit der maltesischen Menschen mit ihrem kulturellen und religiösen Erbe tief beeindruckt. Euer Wunsch, diesem kostbaren Vermächtnis treu zu bleiben, da ihr euren Fortschritt zum Wohle aller zu fördern sucht, ist gewiß ein Zeichen großer Hoffnung für die Zukunft Maltas. Eure Traditionen sind ein wunderbarer Ausdruck eures nationalen Charakters und eurer Identität. Mögen sie weiterhin eure Schritte lenken und eure Entschlossenheit kräftigen. Währen meines Besuches habe ich mich an alle gewandt, denen das Wohl der Nation am Herzen liegt - politische und soziale Führer, Arbeiter, Intellektuelle, an die Jugendlichen ebenso wie an die Mitlieder anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften: ich habe euch gedrängt, auf die Herausforderungen der Gegenwart in der christlichen Sicht einzugehen, die ihr aus eurer Vergangenheit geerbt habt. Mit diesem Appell habe ich auch meine Zuversicht ausgedrückt, daß ihr großherzig und wirksam Zusammenarbeiten werdet, um eine von den höchsten Idealen der Gerechtigkeit und des Friedens getragene und durch eine besondere Aufmerksamkeit auf die Nöte der weniger Begünstigten gekennzeichnete Gesellschaft aufzubauen. 3. Über seine Grenzen hinaus wird Malta für seine Anstrengungen zur Förderung des Dialogs und der Zusammenarbeit in der internationalen Gemeinschaft geschätzt. Eure Anstrengungen in dieser Hinsicht werden durch eine gleiche Verpflichtung, jene Werte zu Hause, im gesellschaftlichen und politischen Leben eurer Nation, verwirklicht zu sehen, in hohem Grade bestärkt werden. Mein Abschiedswunsch für euch ist, daß Einheit, Solidarität und gegenseitige Achtung euch stets weiterführen mögen bei eurem Bemühen und den anhaltenden Fortschritt eures Landes. Mit neuerlichem Dank an den allmächtigen Gott für die vielen Segnungen, derer wir in diesen Tagen zuteil wurden, bete ich mit den Worten des heiligen Paulus, daß „der Herr des Friedens euch zu jeder Zeit und auf jede Weise Frieden schenke“ (vgl. 2 Thess 3,16). Mögen in euren Herzen und in euren Häusern stets Liebe und Eintracht wohnen. Gott segne Malta! Gott segne euch alle! Der Herr schenkt euch seinen Segen. 547 REISEN 6. Pastoralbesuch in Benevent (2. Juli) Ein Seminar: das Herz der Ortskirche Ansprache bei der Einweihung des Seminars in Benevent am 2. Juli Verehrte Herren Kardinäle, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, liebe Priester und Ordensleute, Autoritäten, Seminaristen und Gläubige dieser Erzdiözese! 1. Euch allen und jedem einzelnen gilt mein ergebener und herzlicher Gruß. Mit großer Freude weile ich hier unter euch zur Einweihung des neuen Erzbischöflichen Seminars, dessen Grundstein ich vor wenigen Jahren, 1986, an einem schönen Junimorgen gesegnet habe. Nun steht also das Gebäude vor uns, das in der nüchternen Eleganz seiner Linienführung, mit seiner sachgerechten Aufteilung der verschiedenen Bereiche und mit dem dynamischen Schwung seiner Kapelle, dem idealen Zentrum des Ganzen, ein beredtes Zeugnis für den Glauben und die Großherzigkeit der Bevölkerung von Benevent darstellt. Ich möchte sagen, daß sich in der besonderen Unterschiedlichkeit der Bauteile der Eifer widerspiegelt, mit dem diese uralte Einzelkirche das Problem der Heranbildung von neuen Priestern sowie auch die von Laien aufgreifen will, die in den theologischen Wissenschaften geschult werden sollen. Auf diesem Institut beruht konkret die Hoffnung für einen erfolgreichen Weg der Gemeinschaft der Christen und echten religiösen und menschlichen Fortschritt für das ganze Gebiet. 2. Wie wir gut wissen, ist das Seminar das Herz der Ortskirche. Auf der einen Seite zeigt es den heutigen Stand der Diözese, denn es stellt den Endpunkt der in den Pfarreien, in den lebenswichtigen Bereichen der Jugendpastoral, im katechetischen Unterricht und in der religiösen Anregung der Familie geleisteten Arbeit dar. Auf der anderen Seite ist es eine Investition für die Zukunft der Kirche, denn hier läßt sich dafür sorgen, daß die Gemeinschaften der Christen in diesem Gebiet nicht ohne Seelsorger bleiben, die ihre Lehrer im Glauben und in der Nächstenliebe sind. Zweifellos ist die Zukunft einer jeden Kirche an ihr eigenes Seminar gebunden, gerade weil der Fortschritt des ganzen Volkes Gottes vom Dienst der Priester abhängt. So hat es Jesus Christus gewollt. Man versteht daher, daß die sorgfältige Ausbildung der Priester eine der größten Sorgen der Kirche auf weltweiter wie auf örtlicher Ebene sein muß. <434> <435> <434> Mein achtungsvoller Gruß gilt allen, die an der Errichtung dieses Zentrums beteiligt waren, in dem nun junge Studenten der Theologie aus dieser Diözese und aus anderen sowie auch aus Ordensfamilien für die notwendige Vorbereitung auf das künftige Priesterleben Aufnahme finden sollen. Passend wurde zugleich an junge Menschen gedacht, die sich über ihre Berufung zur hochherzigen Nachfolge Christi noch klar werden wollen und den Studiengang vor der eigentlichen theologischen Ausbildung mitmachen. Daher wurde für eine Verbindung 548 REISEN des Seminars zur katholischen Schule zum hl. Johannes Baptist de la Salle, die hier gegenüber liegt, Sorge getragen. Wir haben also eine umfassende Struktur vor uns, die einem wohlüberlegten Plan entspricht. Dafür müssen wir dem Herrn Erzbischof und seinen Mitarbeitern mit Recht danken. Und da dieses Werk die Frucht der vereinten gemeinsamen Bemühungen zahlreicher Personen ist, möchte ich bei dieser Gelegenheit allen meine Wertschätzung aussprechen. Ich denke dabei an die staatlichen Autoritäten, die Planer und Architekten, die Unternehmer, die Leiter der Arbeiten und alle Arbeiter, und ich vergesse auch jene nicht, die durch ihre großen und kleinen Gaben Stein für Stein gleichsam diese Ausbildungsstätte mitaufgebaut haben. Diese breite Anteilnahme am Geschick des Seminars entspricht einer edlen Tradition der Kirche von Benevent: sie reicht bis 1567 zurück, als der Erzbischof Kardinal Giacomo Savelli entsprechend den Verfügungen des Konzils von Trient den ersten Sitz des Seminars in das Kloster zum hl. Andreas „De platea“ verlegte. Seitdem hat die Diözese immer für die Ausbildung der Priester ihren tatkräftigen Beitrag geleistet. Die heutigen Bewohner von Benevent wollten sozusagen an Hochherzigkeit mit den Vorfahren wetteifern, und nun, da das Seminar vollendet ist, können sie sich vertrauensvoll an den „Herrn der Ernte“ (vgl. Mt 9,38) wenden, er möge ihnen gelehrte und eifrige Priester schenken, die sie auf den Wegen des Evangeliums anleiten. 4. Ich wünsche lebhaft, daß das heute eröffnete und eingeweihte Seminar, in dem mit einer bezeichnenden Geste ein Stein aus dem alten Gebäude eingemauert wurde, die Überlieferungen der Vergangenheit wieder aufblühen läßt. Jene, die in seinen Mauern die verschiedenen Stufen ihrer Ausbildung durchlaufen, sollen an Hochherzigkeit mit den Generationen von Priestern wetteifern, die mit ihrer Gelehrsamkeit und Heiligkeit die Kirche Gottes hier in Benevent und in vielen anderen Teilen der Welt bereichert haben und weiter bereichern. Dies setzt die Fähigkeit voraus, die verschiedenen Situationen, in denen die Menschen unserer Zeit zu leben haben, richtig einzuschätzen und hellen Geistes, ehrlich und mit christlicher Unterscheidungsgabe die der Kirche und ihrer Botschaft von so vielen Menschen entgegengebrachten Bitten, Einwürfe und neuen Anforderangen zu prüfen: ich denke an die Familien und die Jugendlichen, aber auch an die Kreise der Arbeiter und Politiker, an Schule und Kultur. Tatsächlich erfordern die Aufgaben eines künftigen Seelsorgers eine entschlossene Hinführung der Kandidaten zu den Werten des Glaubens und der Liebe, in ständiger Aufmerksamkeit für die „Zeichen der Zeit“, damit sie in die Welt hinausziehen als getreue Zeugen Christi, die sich von seinem Wort nähren, wie es uns in den Schriften anvertraut ist und von der Kirche maßgebend erklärt wird, die also fähig sind, das Volk Gottes zur Kenntnis und Verwirklichung des Evangeliums seines Sohnes hinzuführen. <436> <436> All das erreicht man nur um den Preis langer Jahre des Studiums und vor allem um den Preis einer ständigen Übung der christlichen Tugenden. Die künftigen Seelsorger müssen nach der Lehre des Konzils „lernen, in inniger und steter Gemeinschaft mit dem Vater durch seinen Sohn Jesus Christus im Heiligen Geist zu leben“ (Optatam totius, Nr. 8). Nur so werden sie trotz der Last ihrer Beschäftigungen und täglichen Aufgaben ihr inneres Leben nicht nur nicht an den Rand drängen oder schädigen, sondern gerade mitten in ihrer pastoralen Pra- 549 REISEN xis eine intensive Spiritualität pflegen. Was wäre nämlich das christliche Leben der Gläubigen, wenn es nicht von deutlichen Beispielen eines heiligen Lebens aus einem erleuchteten Glauben und einer glühenden Liebe heraus angeleitet, unterstützt und gestärkt würde? Was wäre mit anderen Worten das Leben der Christen, wenn der Priester und Seelsorger nicht ein lebendiger Widerschein des Bildes Christi wäre? 6. Daher rufe ich auf euer Seminar, liebe Brüder, den Schutz der Mutter der Gnaden herab, der dieses Institut geweiht ist. Sie, die auf dem Pilgerweg des Glaubens dem ganzen Volk Gottes „vorangeht“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 63), bitte ich um die Gnade, euch viele und hochherzige Berufungen zu schenken und in den Priestern sowie in den gottgeweihten Seelen den Vorsatz zu bekräftigen, dem göttlichen Ruf aus ganzem Herzen zu entsprechen. O Jungfrau der Gnaden, führe die jungen Menschen, die hierher kommen, in die Verpflichtung ein, ihr Herz in der Schule des göttlichen Meisters, deines Sohnes Jesus Christus zu formen. Gib allen zum Priestertum Berufenen das Verlangen nach dem ein, was wahrhaft groß ist, das Verlangen nach Vollkommenheit im Sinn des Evangeliums, die Leidenschaft für das Heil der Seelen, Mut und Hochherzigkeit in der Nachfolge Christi, wohin immer er geht. Unterstütze die künftigen Arbeiter für die Ernte bei allen Schritten auf ihrem Weg zum Altar, bei allen Entscheidungen, die mit einem echt kirchlichen Dienst verbunden und bei allen Opfern, die notwendig sind, um Christus mit ungeteiltem Herzen treu zu sein. Gib, daß die neuen Priester fähig sind, die Geheimnisse Gottes zu verstehen, bereitwillig den Bitten der Menschen entgegenzukommen und auf ihre Probleme einzugehen, zumal bei den Einfacheren und Armen. Laß sie die hochherzige Hingabe deines Sohnes Jesus Christus nachahmen. Gib, daß sie im Gebet, in der Eucharistiefeier, in der Betrachtung des geoffen-barten Wortes die Kraft finden, jeden Tag noch heiliger zu werden. Meine Lieben, mit diesen Wünschen, die ich zu Füßen der Mutter der Gnaden niederlege, erteile ich euch allen von Herzen meinen Segen. Das Herz den anderen zuwenden Marianische Betrachtung beim Heiligtum der Mutter der göttlichen Gnade in Benevent am 2. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. In diesem Heiligtum der Mutter der Gnaden, der Hauptpatronin von Benevent und von Samnium, möchte ich der hl. Jungfrau danken für die Freude, die es mir bereitet, mit euch zusammen für die Stadt und die ganze Region zu beten. Große Scharen von Einwohnern aus Benevent sind zu diesem wundertätigen Bild gekommen, um der Mutter des Erlösers ihre Nöte anzuvertrauen und um Hilfe und Schutz zu bitten, vor allem in den Schrecken von Kriegsjahren, bei Erdbeben und Seuchen und ganz besonders bei den Bombardierungen im letzten Weltkrieg, die einen großen Teil der Stadt zerstörten. In dem Heiligtum, das ebenfalls aus den Ruinen des Krieges wieder erstanden ist, haben viele 550 REISEN Trost und Mut empfangen. Arme und Reiche sind hier durchgegangen, Bescheidene und Mächtige, Gelehrte und Ungebildete. Wieviele vom Zweifel Gepeinigte haben hier das Licht des Glaubens wiedergefunden! Wieviele von der Not der Sünde Niedergedrückte haben die unsagbare Freude der "Verzeihung und Versöhnung erfahren! Darum ist dieses Heiligtum gleichsam der anziehende Pol für alle Gläubigen der Region geworden, in denen die marianische Frömmigkeit so tief verwurzelt ist. Meine lieben Gläubigen von Benevent! Folgt den Spuren der Pilger, die vor dem verehrten Bild der Mutter der Gnaden den Sinn ihres Glaubens und ihres Lebens wiedergefunden haben! Bleibt einmütig rings um dieses Heiligtum verbunden, besonders am 2. Juli, dem Tag, an dem Samnium mit großer Feierlichkeit das Fest seiner Patronin begeht. Mit liebender Einfühlung habt ihr seit den ältesten Zeiten das Geheimnis Marias als Mittlerin aller Gnaden - da sie ja Mutter des Urhebers der Gnade selbst, nämlich Mutter Jesu Christi ist - zu erfassen gewußt. Darum hat das Volk von Benevent sie im Lauf der Jahrhunderte nicht nur als „Mutter der Gnaden“, sondern als „Mutter der Gnade“ angerufen, und es ruft sie auch weiterhin so an. 2. Meine Lieben, die Wallfahrten, die ihr zu diesem Heiligtum unternehmt und die Besuche, die ihr ihm macht, sollen euch in dieser eurer Verehrung der hl. Jungfrau bestärken. Ihr lernt von ihr vor allem, an die Liebe Gottes, des Vaters, an die Macht Christi, des Erlösers und an die umwandelnde Kraft des Heiligen Geistes, den Maria rückhaltlos aufnahm, zu glauben. Die hl. Jungfrau möge euch sodann lehren, euer Herz den andern zuzuwenden, wie sie es getan hat im Hause Elisabets und dem des Brautpaares in Kana. Selig seid ihr, wenn ihr euch in Marias Schule darum bemüht, zu lernen, in jeder Lage Gott zu preisen, sein Erbarmen zu verkünden, die Macht seines Armes zu erkennen, die die Stolzen zerstreut, die Demütigen aber erhöht und mit Gütern erfüllt (vgl. Lk l,46ff.). Selig seid ihr auch, wenn ihr Raum schafft für das werdende Leben, für Menschen, welche die Gesellschaft zurückweist und ausschließt, für solche, die an Leib und Geist leiden, und solche, die ihre eigene Menschenwürde vergessen haben. Das Bild der Gottesmutter, die das Kind an die Brust drückt, fordert uns auf, die menschliche Person zu achten, die nach dem Bild Gottes geschaffen ist, und sie von der Geburt bis zum natürlichen Tod zu schützen. <437> <437> Heilige Jungfrau Maria, du Gnadenvolle, steh mit deinem wachsamen Schutz diesem Volk von Benevent bei, das auf dich vertraut. Stärke die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die dazu berufen sind, der modernen Gesellschaft die Heilsbotschaft zu verkünden! Stehe den christlichen Gemeinden bei und erlange ihnen das Geschenk zahlreicher Priester und Ordensleute und heilige sie! Schütze alle, die im zivilen, im sozialen und politischen Leben Verantwortung tragen, damit ihre Ziele immer das Gemeinwohl und die integrale Entwicklung jedes Mannes und jeder Frau seien. Wache über alle Pilger, die dich in diesem Heiligtum verehren, wache über ihre Umwelt und ihre Arbeitswelt! Segne die Familien der Auswanderer, die Arbeitslosen, die Kranken und alle, die noch immer blutende Wunden von Gewalttaten im Herzen tragen. Mutter der Gnade, schütze alle und laß sie begreifen, daß das Geheimnis der Freude in der Güte, der Barmherzigkeit und dem Verzeihen liegt. Amen. 551 REISEN Marianische Frömmigkeit führt immer zu Christus Predigt bei der Eucharistiefeier in Benevent am 2. Juli 1. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“ (Eph 1,3). Heute wiederholt die Kirche, die in Benevent ist, diese Worte aus dem Brief an die Epheser. Wir alle, die wir hier um den Altar versammelt sind, sagen: Gepriesen sei der Vater, „er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel“ (ebd.). Wir sind hier, um Gott dem Vater zu danken, daß er uns in seinem Sohn von Ewigkeit her, vor der Erschaffung der Welt, erwählt hat (vgl. Eph 1,4). Diese ewige Auserwählung ist nach dem klaren Hinweis des Paulinischen Briefes dem Ursprung vorausgegangen. Ja, Gott hat gerade darum die Welt und den Menschen erschaffen, damit diese Auserwählung stattfinden könne. Wir sind also hier, um ihm ganz besonders für die göttliche Auserwählung zu danken, durch die wir zur Würde seiner Adoptivkinder bestimmt und berufen wurden. Wir sind hier, um ihm für jede Gabe zu danken, die von ihm kommt, und für alle Gnaden, „die er uns in seinem geliebten Sohn geschenkt hat“ (vgl. Eph 1,6). 2. Die kirchliche Gemeinschaft von Benevent verehrt heute die Mutter Christi als Mutter der göttlichen Gnade. Der Abschnitt aus dem Johannesevangelium, den wir gehört haben, führt uns zur Hochzeit von Kana in Galiläa. Dort war „die Mutter Jesu dabei“, und dort war auch er, der Meister, mit seinen Jüngern eingeladen (vgl. Joh 2,1-2). Das Wunder, von dem gesprochen wird, setzt den Anfang zum öffentlichen Leben des Gottessohnes, als er, nach der Taufe im Jordan, schon die ersten Jünger bei sich hatte. Von Anfang an „tat und lehrte“ Christus in Erfüllung seiner messianischen Aufgabe (vgl. Apg 1,1). Er verkündete die Wahrheit über das Reich Gottes, das mit ihm in die Welt gekommen war, und vollbrachte zur Bestätigung seiner Mission als Gesandter Gottes zugleich die Zeichen (vgl. z. B. Joh 11,47). Das erste dieser Zeichen war jenes, das in Kana in Galiläa gewirkt wurde. Jedes „Zeichen“, jedes Wunder Christi ist zu gleicher Zeit eine Offenbarung der Macht Gottes und Bestätigung der ewigen Auserwählung, die in Christus ihre volle Erfüllung findet. Wir können also zu Recht Maria als „Mutter der göttlichen Gnade“ anrufen, weil sie den Sohn Gottes geboren und in ihm uns die Quelle der Gnade selbst geschenkt hat. Wer könnte inständiger als die hl. Jungfrau bei Jesus bitten, um für uns Fürsprache einzulegen und uns zu erlangen, was wir nötig haben? Sie hat das zum ersten Mal auf der Hochzeit zu Kana getan. Der Eingebung ihres mütterlichen Herzens folgend wandte Maria sich an ihren Sohn und machte ihn darauf aufmerksam, daß kein Wein mehr da war: eine scheinbar unbedeutende Angelegenheit, die aber für den Hausherrn und die Neuvermählten gewiß von Bedeutung war. <438> <438> Die Fürsprache und die Vermittlung der Mutter des Herrn, meine lieben Brüder und Schwestern, sind in der Geschichte eurer Stadt und der alten Region Samnium, in der die 552 REISEN Volksfrömmigkcit die Jahrhunderte hindurch Maria ihre Dankbarkeit in verschiedenen künstlerischen und religiösen Formen zum Ausdruck gebracht hat, deutlich sichtbar. Ein sprechendes Zeugnis dieser langen marianischen Tradition ist die Kathedralbasilika, die zuerst der hl. Jungfrau, Königin des Himmels, und dann dem Geheimnis der Verkündigung geweiht war. Ein Beweis dieser lebendigen Marienverehrung ist auch das gotische Bild der Mutter der Barmherzigkeit, das in der langobardischen Krypta des Doms verehrt wird. Dieses und andere Marienbilder, die in den Kirchen der Stadt und der Diözese aufbewahrt werden, bezeugen das Dogma, daß Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist, und sie erinnern an die Rolle der Mutter des Erlösers und der Kirche, die Maria in der Heilsgeschichte zugewiesen wurde. Wie bei der Hochzeit zu Kana erhört sie weiter durch die Zeit hindurch die kummervollen Rufe ihrer Kinder. Als wachsame Hüterin der Stadt befreit sie das christliche Volk von Gefahren und richtet es in der Prüfung auf. Als Trösterin der Betrübten versagt sie dem, der sein Vertrauen in sie setzt, nicht die starke Hilfe ihres Schutzes und den Trost ihrer mächtigen Fürbitte. Wenn die marianische Frömmigkeit echt ist, führt sie immer zu Christus und drängt den Christen, das Evangelium ohne Furcht und Zögern in das eigene tägliche Leben zu übersetzen. Heute ist es bei dem vielen Lärm nicht leicht, die Stimme des göttlichen Meisters zu erkennen und sie zur Richtschnur des ganzen Lebens zu machen. Es ist auch nicht einfach, die Hindernisse zu überwinden und den Versuchungen zu widerstehen, die das christliche Leben zunichte zu machen drohen. Wie in Kana, so erinnert uns Maria daran, daß in Christus die Fülle der wahren Freude ist. Sie zeigt jedem ihren Sohn Jesus und wiederholt: „Tut, was er euch sagt!“ Ja, nur in Jesus findet sich das Geheimnis des wahren Guten für die Menschen und die unerschöpfliche Quelle des inneren Friedens. 4. Meine Lieben, wenn ihr den Spuren des Erlösers folgt, könnt ihr auch das Programm apostolischer Erneuerung zu Ende führen, das in eurer Diözese im Gang ist. Seid euch der Dringlichkeit der Neuevangelisierung wohl bewußt! Sie ist eine Aufgabe, die alle angeht. Geht auf diesem Weg voran, liebe Brüder und Schwestern, in ständiger Verbundenheit mit eurem Erzbischof, dem lieben Msgr. Carlo Minchiatti. Ihm danke ich auch für die herzlichen Worte, die er in eurem Namen zu Beginn dieser Eucharistiefeier an mich gerichtet hat. Mein brüderliches Gedenken geht zu den anwesenden Bischöfen; ich grüße die Vertreter der Verwaltung, die zu dieser Feier gekommen sind, die Priester, die Ordensleute und euch alle, die ihr durch eure Anwesenheit dieser Begegnung eine noch festlichere Note verleiht. In jedem von euch möge die Sehnsucht nach der Einheit lebendig sein. Sie soll in der ständigen Anrufung des Heiligen Geistes Nahrung finden. Und die Eucharistie sei immer - so wie heute — die Mitte eines jeden Programms und das eigentliche Herz eurer Existenz. 5. Vergeht nicht, daß die gewünschte geistliche Erneuerung der Diözese durch die persönliche Bekehrung zustandekommt und durch die harmonische Anpassung der Pastoral. Vor allem innerhalb der Strukturen der Pfarrei, die in gewissem Sinn „die Kirche selbst ist, wie sie in den Häusern ihrer Söhne und Töchter lebt“ (Christifideles laici, Nr. 26). Die kürzlich stattgefundenen soziokulturellen Umwälzungen und die neuen Probleme, die sich in diesen Jahren ergeben haben, haben auch in der Kirche ihre Rückwirkungen und verpflichten sie in jedem ihrer Teile zu einer passenden und wirksamen Antwort. Die Pfarrgemeinschaft muß 553 REISEN sich stets verantwortlich fühlen, auf die Botschaft des Evangeliums eine ganze Antwort zu finden und durch eine angemessene Katechese und die rechten pastoralen Initiativen die Mittel anzubieten, sie auch ganz zu leben. Leider ist bekanntlich die Zahl derer angestiegen, die keine Beziehung mehr zur Kirche haben. Es handelt sich um Brüder, die ihren Glauben aufgegeben haben, um andere, die sich neuen religiösen Formen zugewendet haben, um Einwanderer, die verschiedenen Religionen angehören. Auch ihnen will der Herr seine universale Heilsbotschaft zukommen lassen, und ihr alle seid berufen, die Apostel der neuen Evangelisierung zu sein. 6. Als der Evangelist vom ersten Wunder berichtet, das Jesus in Kana in Galiläa vollbracht hat, bemerkt er: Er „offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn“ (Joh 2,11). In der Heilssendung Jesu hat in diskreter Weise die vermittelnde Funktion der Muttergottes ihre providentielle Rolle. Maria, besorgt und aufmerksam, bittet Christus ausdrücklich um dieses „Zeichen“: ein Zeichen, das als Anfang ihrer mütterlichen Sorge dazu bestimmt ist, zu wachsen und weitere Kreise zu ziehen. Maria verläßt nie die ihr anvertrauten Kinder, und das Volk, das sich dessen wohl bewußt ist, eilt ihr vertrauensvoll zu Füßen. ; Die heutige Liturgiefeier unterstreicht gerade dies und beruft sich dabei auf die Worte der Ester: „Wie könnte ich das Unglück mit ansehen, das mein Volk trifft“ (Est 8,6). Die Jungfrau der Gnaden läßt auch heute ihre Fürsprache spüren. Sie ist jedem von uns zur Seite und bittet für uns als mächtige Vermittlerin der erbarmenden Liebe Gottes. Zu Recht verehrt ihr sie hier in Benevent und ruft sie an als heilige Mutter der Gnaden. 7. Doch wenn sie sich auch zur mütterlichen Fürsprecherin der vielen Anliegen des Menschen bei Christus, „dem einzigen Mittler zwischen Gott und den Menschen“ (vgl. 1 Tim 2,5), macht, so stellt Maria dem Menschen aber auch gleichzeitig die Ansprüche des Willens Gottes an ihn vor Augen. Von diesem Gesichtspunkt aus gewinnen die bezeichnenden Worte, die sie an die Diener richtete, noch einmal ihre Bedeutung: „Was er [Christus] euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Diese Worte haben im weiten Sinn der Heilsgeschichte ihr Echo gefunden, die Worte einer Mutter, voll Sorge um die Sendung des Sohnes; die Worte der Jungfrau, die darum besorgt ist, daß das Gottesreich in den Seelen und in der Welt zum Durchbruch komme; Worte der Magd des Herrn, die fortfährt, sich selbst, sich selbst ganz und gar an die Sache des Sohnes hinzugeben. Ja, in Christus hat der ewige Vater „uns erwählt... damit wir heilig und untadelig leben vor Gott ... aus Liebe“ (Eph 1,4-5). In ihm und für ihn hat Gott uns dazu bestimmt, seine Adoptivkinder zu werden nach seinem Wohlgefallen. In ihm, im geliebten Sohn, hat er uns seine Gnade gegeben. Maria ist die Mutter der göttlichen Gnade: sie ist die, die sich vollkommen in den Dienst der ewigen Heilspläne gestellt hat, die Gott von Ewigkeit her für den Menschen hegte. Es ist der beständige Wunsch ihres Mutterherzens, daß wir, wie der wunderbare [Brief an die Epheser betont (vgl. 1,12), alle zum Lob der Herrlichkeit Gottes gereichen. Darum wünscht sie, daß auch wir auf Christus hoffen (vgl. ebd.). Und dieser Wunsch, der in Kana offenbar wurde, findet nie ein Ende. Die Mutter führt uns unaufhörlich zum Sohn. Und beständig wiederholt sie: „Was er euch sagt, das tut!“ Tut es! ... damit die Gnade Gottes in euch nicht ohne Wirkung bleibt (vgl. 1 Kor 15,10), Amen. 554 REISEN Schmerz und Demütigung der Krankheit besiegen Ansprache bei der Begegnung mit Kranken und Ärzten in Benevent am 2. Juli 1. Ich danke dem Herrn aufrichtig für dieses Treffen mit euch, liebe Kranken und Ärzte, und begrüße euch herzlichst, mit besonderer Erkenntlichkeit denjenigen gegenüber, die die gemeinsamen Gefühle zum Ausdruck gebracht haben. Während meiner Pastoralbesuche ist eine solche Begegnung mit dem Leid und denjenigen, die versuchen es zu besiegen oder zu mildem, nicht nur eine Pflicht, sondern auch eine Gelegenheit inneren Trostes. Liebe Brüder und Schwestern, ich bin hier bei euch, vor allem, um eure Hoffnung zu teilen. Jeder von euch trägt in sich den tiefen und sehr menschlichen Wunsch, sein Leid zu überwinden, den Schmerz und die Demütigung der Krankheit zu besiegen. Die Kirche ist sich dieser Empfindungen durchaus bewußt und in ihren Fürbitten für die Kranken bittet sie Gott immer wieder: „Offenbare die Heilkraft seines Geistes in unseren kranken Brüdern, damit sie bald wieder in unsere kirchliche Gemeinschaft zurückkehren können, um dich zu preisen“ (vgl. Römisches Meßbuch, Schlußgebet der Messe für die Kranken). Liebe Kranken, dies ist heute auch mein Gebet für euch, wie gewohnheitsgemäß für all diejenigen, die von Krankheiten heimgesucht sind. Ich fühle mich ihnen ganz besonders nah, weil ich weiß, daß Christus das Kreuz auf sich genommen hat und so den geheimnisvollen Wert des Leidens und die erlösende Kraft des Opfers offenbarte. Auf diese Weise hat er durch sein Erlösungs werk den Anteil an Leid übernommen, den es im Leben jedes Menschen gibt, und verkündigt, daß jeder Schmerz einen Auftrag des Segens und der Gnade beinhalten kann. <439> <439> Auch euch gegenüber, liebe Ärzte, Krankenpflegerinnen und -pfleger, möchte ich meine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Ihr habt einen Beruf gewählt, der ein Dienst an den Leidtragenden ist, und müht euch mit großem Eifer und aufopfernder Hingabe, Linderung und Heilung zu fördern. Die Wissenschaft der Medizin ist dazu berufen, zusammen mit Gott das Leben und die grundlegenden Rechte des leidenden Menschen zu schützen. Der große Arzt, der hl. Josef Moscati, der Ruhm dieser eurer Heimat, war sich dessen sehr gut bewußt. Mögt ihr euch an Hand seines Beispiels mit Ehrlichkeit und Demut für die Verwirklichung der moralischen Prinzipien einsetzen, die euch durch das Evangelium gegeben sind, und möge Christus und seine Liebesbotschaft die Entscheidungen inspirieren, die mit eurer Berufung im Gesundheitsdienst und als Garanten des wahren Wohls eines jeden Menschen, der sich euch anvertraut, Zusammenhängen. In dieser Gesinnung rufe ich über euch alle den göttlichen Beistand herab und erteile euch meinen Segen. 555 REISEN Bande aufrichtiger Solidarität knüpfen Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend in Benevent am 2. Juli 1. „Jugendliche, gemeinsam auf dem Weg in das Jahr Zweitausend.“ Dies sind die Worte des jungen Mannes, der mich eben, in eurem Namen, begrüßt hat. Sie beinhalten ein ernsthaftes Programm apostolischen Lebens und bezeugen euren Willen, das Evangelium in der heutigen Zeit mit Begeisterung ins Leben zu übersetzen. In gewisser Weise sind sie auch eine Zusammenfassung der verschiedenen Briefe, die ihr mir in den vergangenen Tagen geschickt habt. Eure Schreiben haben meinen brennenden Wunsch, mit euch zusammenzutreffen, noch verstärkt, und ich möchte jedem von euch, Jungen und Mädchen aus Benevent, meine Zuneigung und meinen Dank ausdrücken für die Briefe und für diese heutige Begegnung, die sozusagen auch ein großer „Brief“ ist. Liebe Freunde, ich danke euch für den herzlichen Empfang, für eure spontanen Gesten und die Freude, mit der ihr hier anwesend seid. Ich umarme euch alle - zumindest ist dies meine Absicht, denn so kann ich auch alle umarmen, schwerlich aber jeden einzelnen von euch. Ich grüße durch euch auch auch eure Altersgenossen in der Stadt und der gesamten Region. Unter dem segnenden Blick Marias, der Mutter der Gnaden, bedeutet unser Treffen, 25 Jahre nach Beendigung des Zweiten Vatikanischen Konzils, eine wichtige Etappe auf dem Weg des geistigen Wachstums eurer Diözese, deren apostolische und missionarische Erneuerung durch diese günstige Begebenheit Anregung findet. 2. Erzbischof Carlo Minchiatti, den ich nochmals brüderlich begrüße, zählt sehr auf eure Bereitschaft, eure Hingabe, auf euren geistigen Eifer und großherzigen Einsatz. Seiner Gesinnung schließe ich meine herzlichen Worte der Ermutigung an, während ich dem Herrn von Herzen für die Gelegenheit danke, wenn auch nur kurz, an dem heutigen Festtag unter euch zu weilen, da, wie wir alle wissen, der 2. Juli ein Feiertag ist, an dem nicht gearbeitet wird. An diesem Tag begeht die Kirche das Fest der Mutter der Gnaden. „Die Kirche schaut auf euch mit Vertrauen und Liebe“, so schrieben die Konzilsväter in ihrer Botschaft an die Jugend zum Abschluß des Konzils, und ich versuche, diese Worte anzuwenden. „Die Küche besitzt das, was der Jugend ihre Kraft und ihre Schönheit verleiht: die Fähigkeit, sich über etwas zu freuen, das beginnt, sich hinzugeben, ohne etwas zurückzufor-dem, sich zu erneuern und zu neuen Errungenschaften aufzubrechen. Seht sie euch an, und ihr werdet in ihr das Antlitz Christi erkennen, den wahren Helden, demütig und weise, den Propheten der Wahrheit und der Liebe, den Begleiter und Freund der Jugendlichen“ (Botschaft des Konzils vom 8. 12. 1965). <440> <440> Es ist wahr, ihr Jugendlichen seid dazu berufen, die Küche und die Gesellschaft von morgen zu bauen: „Ihr werdet euch mit ihr retten oder mit ihr untergehen“ (ebd.). Deshalb müßt ihr euch darauf vorbereiten, gute Christen, mehr noch, die zukünftigen Apostel Christi zu sein. Ihr müßt die Erwartungen der gesamten Menschheit auf euch nehmen und mit Konsequenz und Gewissenhaftigkeit allen Verpflichtungen, die euch durch das Taufgelöbnis auferlegt sind, nachkommen. Wir alle sind getauft worden. Hierin ist unser Christentum ver- 556 REISEN wurzelt, hier finden sich unsere Versprechen, unser Bekenntnis, christlich zu leben. Wir sollten oft darüber nachdenken, und zur Gnade, zum Taufcharakter, den jeder von uns in sich trägt, zum Taufbekenntnis zurückkehren. Das bedeutet vor allem, ausdauernde Hörer des Wortes Gottes zu werden. Das Evangelium, wenn es zur Grundlage für alles persönliche Planen und jedes apostolische Handeln gemacht wird, ist die Lebensquelle, gibt Halt in der Prüfung und ist konstanter Anhaltspunkt, der den Geist zur Wahrheit und die Herzen zur Liebe hinführt. Dies sind die beiden größten geistlichen Werte: die Wahrheit und die Liebe. Wir sind durch unsere Persönlichkeit und ganz besonders durch die Taufgnade dazu berufen, diese Werte, Wahrheit und Liebe, im Leben anzuwenden, in die Tat umzusetzen. Dem treuen Hören auf das Wort Gottes folgt dann die eifrige Teilnahme an den Sakramenten, in der gebührenden Haltung, besonders am Sakrament der Versöhnung und der Eucharistie. Vergeßt nicht, daß, wenn die Eucharistie das Zentrum der gesamten christlichen Existenz ist, so ist die sakramentale Sündenvergebung die Quelle zu erneuerter geistiger Kraft. Nährt außerdem euren Alltag mit häufigem Gebet; sorgt für Momente besonders inniger Verbundenheit mit dem Herrn, sowohl auf persönlicher Ebene als auch in Gruppen. Nur die andauernde Verbindung mit ihm kann jeden von uns innerlich in seinen Jünger verwandeln. Nur ein solches Verweilen im Gebet, Meditation und Konzentration, im langen, stillen Hinhören auf Gott, gibt dem Gläubigen die Fähigkeit, zu anderen über das göttliche Geheimnis zu sprechen, es weiterzuvermitteln und gleich ihr Beispiel, anderen näherzubringen. <441> <442> <443> <441> Liebe Jugendliche, nur wenn ihr in der Gemeinschaft mit dem Herrn Fortschritte macht, könnt ihr mit euren Brüdern und Schwestern echte Bande christlicher Solidarität und aufrichtiger Freundschaft knüpfen. „Dies trage ich euch auf: Liebet einander!“ {Joh 15,17). Das Gebot des Herrn, das er den Aposteln beim Letzten Abendmahl, am Vorabend seines Leidens, anvertraute, klingt heute noch, mit der gleichen Kraft wie damals, in der Kirche wie eine Aufforderung zur Realisierung der ersehnten Freiheit der Gläubigen, der notwendigen Voraussetzung für die wirkungsvolle Verkündigung der Frohen Botschaft in der Welt. Die Welt erwartet von den Christen ein konkretes Zeugnis der Brüderlichkeit, nicht nur an Hand von Worten, sondern an Hand von Beispielen aus dem Leben. Besonders heute, in dieser oft von Egoismus, Gleichgültigkeit und Gewalt zerrütteten Gesellschaft, ist es notwendig zu bezeugen, daß das Gebot der Nächstenliebe in der Tat umgesetzt werden kann. Ich weiß, daß viele von euch aktiv in Pfarr- oder Diözesanbewegungen, -gruppen und -Vereinigungen tätig sind. Ich weiß auch, daß ihr, um die Verständigung und Zusammenarbeit unter euch zu festigen, einen Jugendrat gebildet habt, der in der Evangelisierung im Vordergrund steht. Setzt diese, euch anvertraute Missionsarbeit weiterhin fort. Vermittelt jedem, der euch begegnet, die Freude, im Dienste Christi zu stehen. Seid stets bereit, wenn auch unter Berücksichtigung eurer persönlichen Realitäten, die verschiedenen apostolischen Tätigkeiten zu harmonisieren. Seid euch bewußt, Teil eines organischen Ganzen zu sein, Ergänzungselemente eines geistlichen Orchesters, das dazu berufen ist, eine einzige, geheimnisvolle Harmonie ins Lebens zu rufen. Dies sind nicht meine, sondern die Worte, die ein großer Kirchenvater vor vielen Jahrhunderten zum Ausdruck brachte. 557 REISEN 5. Zielder irdischen Pilgerreise der Kirche ist die Erlangung des Heils und die Erwartung der glorreichen Wiederkehr des Erlösers. Mit ihr und in ihr weiß jeder Christ, daß er auf dieser Welt keine bleibende Bürgerschaft hat, sondern ein Wanderer ist, dessen endgültige Heimat mit Christus, im Hause seines Vaters, im Himmel ist (vgl. Hebr 13,15). Er ist aufgefordert, auf dem Weg nicht zu verweilen, seine Interessen nicht auf das zu beschränken, das vergänglich ist, sondern vielmehr nach dem Unsterblichen, ewig Bleibenden zu suchen. „Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,33). Die Einladung des Herrn richtet sich heute an euch, liebe Freunde, die ihr das Evangelium ganz und gar verkörpern wollt. Sucht das Reich Gottes! Widmet euch mit voller Kraft euren besonderen Berufungen entsprechend der euch anvertrauten Aufgabe. 6. Liebe Freunde, seid außerdem bemüht, die großen Herausfordemngen des heutigen historischen Zeitabschnitts auf dem Weg ins dritte Jahrtausend im Auge zu behalten. Nehmt Anteil an den Vorgängen in eurer Heimat, die, wie ihr selbst beobachtet habt, nicht minder als andere, von tiefen Widersprüchen gezeichnet ist: Hier suchen viele eurer Altersgenossen vergeblich nach Arbeit und einige werden leider zu Opfern der Droge und der Gewalt. Aber ihr, junge Menschen, seid nicht bereit, der Mutlosigkeit zu erliegen; ihr seid entschlossen zu kämpfen, um trotz aller Schwierigkeiten für eure Stadt und euer Vaterland eine bessere Zukunft anzubahnen. Ich wende mich an die Verantwortlichen für das soziale und politische Leben mit der Aufforderung, eure berechtigten Hoffnungen nicht zu enttäuschen, und alles zu tun, um die notwendigen Voraussetzungen für ihre rechtzeitige Erfüllung zu schaffen. In dem kürzlich abgefaßten Schreiben der italienischen Bischöfe über Kirche in Süditalien heißt es: „In den jungen Menschen des Südens steckt ein großes Potential, das sich verschiedentlich in der Ablehnung eines gewissen Gesellschaftstyps ausdrückt. Man muß sie dazu erziehen, konkrete soziale Erfahrungen zu sammeln, und zwar durch Freiwilligendienst, kulturelle Vereinigungen und Zusammenarbeit, damit sie für die Zukunft ihrer Heimat Vorschläge machen, experimentieren und einschneidend mitarbeiten können“ (Nr. 30). <444> <444> Liebe Jugendliche, unsere Begegnung nähert sich dem Ende; aber bevor wir zum Abschluß kommen, möchte ich euch dieses Apostolatsprogramm übergeben: Seid stets die Erbauer von kirchlicher Solidarität und Gemeinschaft, Hierin kommt das Motto unseres Treffens zum Ausdruck: „Jugendliche, gemeinsam auf dem Weg in das Jahr Zweitausend“. Geht weiter, ohne Angst, den mühevollen aber gepriesenen Weg der geistlichen Erneuerung, den ihr bereits begonnen habt. Überbringt, so oft es euch möglich ist, die Botschaft der christlichen Erlösung und der Aktualität des Evangeliums. Umgebt euch mit Solidarität, teilt Freude aus, vermittelt die Treue göttlicher Liebe. Seid die Apostel eurer Altersgenossen, besonders derjenigen, die sich schwertun, an Gott zu glauben, weil das Leben sie harten Prüfungen unterwirft. Schaut jeden Tag auf Christus; vertraut ihm euch an, und seid in seinem Namen stets bereit, „zu neuen Eroberungen aufzubrechen“. 558 REISEN Und neben Christus steht seine Mutter, die Mutter der Gnaden, die dieser Stadt, vielen Generationen, eurer Generation und der Jugend zum Schutz gegeben ist, Hoffen wir, daß sie euch ihren mütterlichen Beistand nicht vorenthalten wird. Verehrt sie mit zärtlicher Hingabe. Wendet euch an Sie! In ihrem Mutterherzen werdet ihr Unterstützung in der Prüfung, Mut im Kampf gegen das Böse und inneren Frieden in der getreuen Nachfolge des Erlösers finden. Dies sind meine abschließenden Worte, die ich der Gottesmutter widmen wollte. Indem ich alles das sage, kehre ich durch mein Leben - schon siebzig volle Jahre - zu den Jahren zurück, die heute die euren sind, zu dem Alter, das heute das eure ist. Ich kann sagen, daß die kurze Analyse in meiner Ansprache den Sorgen und Ängsten, aber auch den Hoffnungen, die mich durch die Jugendjahre meines Lebens geführt haben, entspricht. So versuche ich mich mit siebzig Jahren unter den Siebzehnjährigen wohlzufühlen. Ich danke euch für dieses Treffen, denn die Begegnungen mit den jungen Menschen lassen uns die Jugend grüßen: „nihil desperandum“. Möge die Gottesmutter euch schützen.' Vom Wort zum Sakrament, zum neuen Leben Ansprache an die Priester, Ordensleute und engagierten Laien in Benevent am 2. Juli Liebe Priester, Ordensleute und engagierte Laien! 1. Zuerst danke ich eurem verehrten Erzbischof Carlo Mhichiatti für die herzlichen Grußworte, die er im Namen von euch allen und den Gläubigen dieser Kirchenprovinz an mich richtete. Es ist für mich ein Grund zu besonderer Freude, in dieser Stadt und in dieser christlichen Gemeinschaft empfangen zu werden, deren Geschichte bis in die Frühzeit des Christentums zurückgeht und viele bedeutende Ereignisse aufzuweisen hat, die von besonderer Treue und Hingabe an den Römischen Bischofssitz zeugen. Wir haben uns in dieser Kathedrale zusammengefünden, dem geistlichen Zentrum der Diözese. Mehr als an jeder anderen Stätte spürt man hier, was für ein treues Zeugnis dieser Teil des Gottes volkes für Christus abgelegt hat, selbst wenn wir auf Grund der Zerstörungen, die das Gotteshaus im Lauf der Jahrhunderte erlitten hat, nicht mehr alle Spuren der langen Geschichte der Kunst, der Kultur und des Glaubens, die hier aufgeblüht ist, vor Augen haben können. <445> <446> <445> Herzlich grüße ich alle Glieder der Kirche von Benevent, die hier vertreten sind, und mit ihnen grüße ich die ganze christliche Gemeinschaft, die Abwesenden eingeschlossen, vor allem jene, die krankheitshalber, aus Altersgründen oder auf Grund von Verpflichtungen, die ihnen die Arbeit auferlegt, nicht haben kommen können. Eure kirchliche Gemeinschaft, meine Lieben, hat mit Recht ein lebhaftes Empfinden für ihre Identität, und sie pflegt diese gleichzeitig mit dem Bewußtsein ihrer Zugehörigkeit zur Universalkirche. Aus ihr weiß sie die Garantie für ihre Echtheit zu entnehmen, und ihr gegenüber fühlt sie die Verpflichtung, das, was ihr selbst an Eigenwerten gegeben ist, beizutragen: einen 559 REISEN Beitrag zu leisten, der um so kostbarer ist, je mehr er den besten Traditionen der Vergangenheit entspricht, die es der Kirche von Benevent gestattet haben, zum Vorteil nicht nur von Italien, sondern auch von Europa und der ganzen Welt, reiche Früchte zu tragen. Es würde genügen, neben den Päpsten, die eure Diözese der Universalkirche geschenkt hat, auch auf die Kardinale und Bischöfe und auf die Scharen von Priestern, Ordensfrauen und Ordens-männem hinzuweisen, die sich hier auf Aufgaben vorbereitet haben, zu denen die Vorsehung sie dann in alle Teile der Welt berief. Es sind wunderbare Erinnerungen; sie begeistern das Herz und ermutigen dazu, den Spuren jener Großen zu folgen, die eurem Land zur Ehre gereichen und das Licht der Kirche zum Aufleuchten gebracht haben. 3. Eine besondere Anregung für das heutige Leben der Diözese entstammt dem Hirtenbrief eures Erzbischofs: Vom Wort zum Sakrament, zum neuen Leben. Dieses Dokument hat die Arbeiten der Pastoralversammlungen der letzten Jahre inspiriert. Sie haben die Lehren eures Oberhirten vertieft, erklärt und angewandt, mit besonderer Aufmerksamkeit für die Neuevangelisierung, zu deren Förderung wir heute berufen sind. Eure Ortskirche ist im übrigen seit langem dabei, die vom Konzil angeregte Reform in die Praxis zu übertragen, und sie bemüht sich, Widerstände und Trägheiten zu überwinden in Übereinstimmung mit den Hinweisen, die das Zweite Vatikanische Konzil gegeben hat. Im übrigen seid ihr euch der Forderung bewußt, daß ihr den kirchlichen Einsatz mit einem deutlichen Zeugnis auf der Ebene der Förderung des Menschen begleiten müßt, sowie der Verteidigung der Rechte und Ansprüche der weniger Begünstigten, der Leidenden und derer, die in verschiedener Weise die Last der sozialen Ungerechtigkeiten tragen. Über all diesen Eifer in Werken und Initiativen kann ich mich nur freuen und euch ermutigen, auf diesem Weg weiterzugehen, der, wenn auch durch Schwierigkeiten hindurch, euch gewiß zu den Zielen hinführen wird, die euch von Christus und vom Lehramt der Kirche gewiesen werden. <447> <448> <447> Ein Zweck meines Besuches bei euch besteht darin, dem neuen Erzbischöflichen Seminar den Segen zu erteilen. Es ist ein nicht geringes Zeugnis dafür, wie sehr von eurem Oberhirten und von euch Gläubigen die dringende Notwendigkeit der Priesterberufungen und einer guten Ausbildung derer empfunden wird, die morgen - um mit einem Bild der hl. Katharina von Siena zu sprechen - „Diener des hl. Blutes“ sein sollen. Die kirchliche Erneuerung, das Wachstum der christlichen Gemeinschaft, die liebende Hochschätzung der Werte des Glaubens, der Liturgie und der geistlichen Vervollkommnung hängen stets von der Anwesenheit guter und heiliger Priester inmitten des Volkes ab. Meine Freude wird noch durch die Tatsache vermehrt, daß das gleiche Gebäude ein Institut für höhere religiöse Studien „Giuseppe Moscati“ beherbergen wird. Dieses wird dazu bestimmt sein, Laien, die zur Reflexion und Animation des Glaubens im spezifischen Umfeld der zeitlichen Wirklichkeiten einen unersetzlichen Beitrag leisten, theologisch zu schulen. Was euch, liebe Priester, angeht, so möchte ich euch ermuntern, der pastoralen Richtung eures Erzbischofs mit voller Zustimmung zu folgen. Sie schließt nach der besten Tradition der Kirche von Benevent einen Blick auf die Nahen und einen Blick auf die Fernen ein, ist also nicht nur um die besorgt, die in die Kirche kommen, sondern auch um jene, die aus reli- 560 REISEN giöser Gleichgültigkeit oder weil sie von materialistischen Ideologien erfüllt sind, am Rand des kirchlichen Lebens stehen. Bei diesem Bemühen könnt ihr euch nach den Hinweisen eures Oberhirten gut bei der heldenhaften und erhabenen Gestalt des hl. Benedikt von Bene-vent, Kanoniker dieser Kathedrale, Einsiedler, Missionar und Märtyrer, Anregung holen. Er ist den Gläubigen meines Vaterlandes so teuer, weil er es bis zur Hingabe seines Blutes liebte. Ein herrliches Beispiel für den Priester auch in unserer Zeit, lädt er uns dringend zu erneutem missionarischem Geist ein, von echtem Glauben erfüllt und in einer absoluten Hingabe an die Sache des Evangeliums! 5. Neben dem priesterlichen Dienst gibt es das Charisma des gottgeweihten Lebens von Männern und Frauen. Es ist ein Werkzeug für das erlösende Wirken Christi zum Heil der Seelen und zum Aufbau des Gottesreiches. Ihr, liebe Ordensmänner und Ordensfrauen, seid zu enger Zusammenarbeit mit dem Diözesanüerus beim Ausarbeiten der Pastoralpläne für die Ortskirche berufen. Ihr seid aufgefordert, den besonderen Beitrag des Instituts zu erbringen, zu dem ihr gehört, und euer besonderes Zeugnis anzubieten, das heißt, einen kräftigen Aufruf zur Buße, zur Bekehrung, zur Erwartung des künftigen Lebens, zur Versöhnung, zur brüderlichen Gemeinschaft, zu den Werken der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit; mit einem Wort: zur Vollkommenheit der Liebe, die das Ideal jedes Christen sein muß, und die ihr euch bemüht, durch die evangelischen Räte nach der jeweiligen Regel des Instituts zu praktizieren. Gebt es nie auf, liebe Brüder und Schwestern, der Diözese, in der ihr lebt, die Reichtümer eurer Ordensfamilien zu schenken, die eurem Leben und eurer Sendung Sinn geben. Setzt euch stets dafür ein, den Hilfsbedürftigen in voller Gemeinschaft mit den Priestern der Diözese und unter Leitung des Bischofs zu dienen. Es wurde daran erinnert, daß der Diener Gottes P. Pio von Pietrelcina in dieser Diözese geboren ist. Auf diesen demütigen und eifrigen Ordensmann, der in Gemeinschaft mit seiner Ortskirche lebte, könnt ihr in eurem Gemeinschaftsleben in passender Weise stets Bezug nehmen. <449> <449> In eurer kirchlichen Gemeinschaft wird man sich der Bedeutung der Sendung der Laien neu bewußt. Das wird konkret in der steigenden Nachfrage nach dem Zugang zu den festgesetzten Diensten und zum ständigen Diakonat. Auch die Laienverbände - ich denke z. B. an die Katholische Aktion - blühen. Ebenso weiß ich, daß die Dringlichkeit der Katechese und einer Neuevangelisierung lebhaft empfunden werden. Im übrigen mangelt es nicht an Empfinden für die sozialen Probleme, die zuweilen dramatische Aspekte annehmen und das christliche Gewissen aufrütteln. Bekannt sind die Schwierigkeiten, die die Unterentwicklung mit sich bringt: ich denke an die Zone von Fortore, an das Problem der Wiederaufwertung der Familie, die von einer weit verbreiteten Scheidungs- und Abtreibungsmentalität schwer betroffen ist; an das Problem der Droge und an die besorgniserregende Zahl der jugendlichen Arbeitslosen. Die technische Lösung dieser Probleme erfordert natürlich das Eingreifen kompetenter politischer Autoritäten. Aber auch das, was katholische Laien dafür tun können und müssen, ist von Bedeutung, ja es ist unersetzlich, sei es in der Animation, sei es als Hilfe für die öffentlichen Strukturen, da, wo sich Lücken zeigen sollten. Es ist ja bekannt, wieviel die Kirche im Lauf der Jahrhunderte auf diesem Gebiet getan hat, ohne sich deshalb irdische Gewalten anmaßen zu wollen, die ihr nicht zukommen. 561 REISEN Ihr, liebe Laien, seid berufen, in Zusammenarbeit mit euren Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen diese ehrenvolle Tradition fortzusetzen in Anpassung an die heutige Zeit. In dieser Hinsicht möchte ich euch an das so edle Zeugnis des hl. Josef Moscati erinnern, der, wie Herr Erzbischof sagte, in dieser Stadt geboren ist. Möge seine Fürsprache diesen hochherzigen Geist der Initiative und des Dienstes allen erlangen, verbunden mit einem lebendigen und tiefen Sinn für die kirchliche Gemeinschaft. 7. Eine kirchliche Gemeinschaft, die in der Eucharistie ihren Ursprung hat, aus ihr lebt und in ihr eine Vorausnahme und einen Vorgeschmack der endgültigen Begegnung mit dem göttlichen Bräutigam findet. Deshalb möchte ich meine Freude über die Einrichtung der täglichen eucharistischen Anbetung in dieser Kathedrale zum Ausdruck bringen. Sie wird zum wahren Antriebszentrum für das Leben der Diözese werden. Die hl. Jungfrau Maria, der diese Kirche geweiht und die auch Patronin der Diözese ist, nehme eure guten Vorsätze an und bringe sie vor den Thron des Allerhöchsten. Heute, am Fest Unserer Lieben Frau der Gnaden, möge Maria mit besonderer Liebe auf diese Diözese schauen, die ihr Eigentum ist, damit sie sicher in den Hafen des Heils gelange. Von Herzen segne ich euch und eure Lieben. 562 REISEN 7. Siebte Pastoralreise nach Afrika (1. bis 10. September) Glauben an Gott und Dienst an den Menschen Ansprache bei der Ankunft in Dar es Salaam (Tansania) am 1. September Eure Exzellenz Präsident Ali Hassan Mwinyi, ehrenwerte Regierungsmitglieder, Eure Eminenz Kardinal Laurean Rugambwa, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern, Gott segne Tansania und sein Volk! 1. Das sind meine ersten Worte an euch. Das ist mein innigster Wunsch und mein inbrünstiges Gebet für alle Tansanier, und ich freue mich, diese freundschaftlichen und wohlwollenden Gefühle in den Worten eurer ergreifenden Nationalhymne auszudrücken. Jeden Tag, überall in diesem großen Land rühmt euer patriotisches Lied eure Frömmigkeit und eure nationale Einheit, euren Glauben an Gott und die Liebe zu eurem Land. Im Namen Gottes begrüße ich alle Bürger und Menschen von Tansania. Es erfüllt mich mit herzlicher Freude, daß ich in dieses Land gekommen bin und bei euch sein kann. Herr Präsident der Vereinigten Republik von Tansania, die Einladung, Tansania zu besuchen, die ich von Eurer Exzellenz und von der Bischofskonferenz erhalten habe, fand sofort Antwort in meinem Herzen, und ich habe lange Zeit freudig diesem Treffen mit der großen tansanischen Familie entgegengesehen. Herr Präsident, ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Begrüßungsworte, in denen dieser Sinn für Brüderlichkeit und allgemeine Solidarität wiederzuerkennen ist — die Ujamaa von Tansania -, eines der Prinzipien, auf die diese unabhängige afrikanische Nation aufgebaut wurde unter der Führung ihres ersten Präsidenten, Mwalimu Julius Nyerere. Weiterhin begrüße ich herzlich alle, die gekommen sind, um mich mit der charakteristischen tansanischen Gastfreundschaft willkommen zu heißen: seine Exzellenz den Herrn Präsidenten von Sansibar, seine Eminenz Kardinal Laurean Rugambwa, die ehrenwerten Regierungsmitglieder, meine Brüder im Bischofsamt, die Führer und Bürger von Tansania. In den nächsten Tagen werde ich viele Teile des Landes besuchen, doch es war nicht möglich, einen Besuch der Inseln einzuschließen. Ich möchte seine Exzellenz den Herrn Präsidenten von Sansibar freundlich bitten, seinen Mitbürgern meine Gefühle der Achtung und der Freundschaft zu übermitteln. <450> <451> <450> Tansania ist ein schönes Land mit bewaldeten Bergen und ausgedehnter Savanne, mit reiz- vollen Seen und tropischer Küste; ein Land, das sich menschlicher Anwesenheit seit den ersten Anfängen der menschlichen Geschichte rühmen darf; ein Land, dessen geographische Lage zum Besuch von Reisenden aus vielen der großen und umfangreichen Zivilisationen der Vergangenheit geführt hat. Die Geschichte jedoch zeigte sich seinem Volk gegenüber nicht immer freundlich, und viele Probleme sind noch zu lösen. Vor diesem Hintergrund hat sich 563 REISEN das unabhängige Tansania entschlossen bemüht, einen immer höheren Entwicklungsstand und soziale Harmonie zu erreichen und eine führende Stelle unter den Nationen dieses Kontinents einzunehmen. Möge Gott die Anstrengungen derjenigen segnen, denen das Wohl dieses Landes und dessen Volk am Herzen liegt, und die sich weise und gern für das Allgemeinwohl einsetzen. 3. Mein Besuch in Tansania ist vor allem ein Pastoralbesuch des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri für die Kirche dieses Landes. Es handelt sich um eine junge Kirche, deren erster in Tansania gebürtige Bischof sich unter uns befindet: Kardinal Rugambwa. Heute sind alle Mitglieder der Hierarchie stolze Söhne dieses Landes, und meine Brüder und Schwestern des katholischen Glaubens sind hochherzige und ergebene Bürger, die bedeutend zum Wohlsein und zur vollkommenen Entwicklung ihrer Nation beitragen. Mein innigster Wunsch ist es, mit ihnen zu beten, die Freude der Eucharistie mit ihnen zu teilen, und sie in ihrem Glauben an Gott und ihrem Dienst an ihren Mitmenschen zu bestärken im Geist des Evangeliums von Jesus Christus. Ich bin nach Tansania als Freund seines ganzen Volkes gekommen, als ein Mitreisender auf dem Weg des Verständnisses und des Friedens für die ganze menschliche Familie. Ich möchte in besonderer Weise ein Friedenspilger unter den Anhängern verschiedener religiöser Traditionen sein. Ich bin zuversichtlich, daß gute Beziehungen zwischen den tansanischen Christen wachsen und gedeihen werden, sowie zwischen Christen und denen, die dem islamischen Glauben angehören, wie auch mit Männern und Frauen guten Willens überall. <452> <452> Ich bin als Freund Afrikas gekommen - als einer, dem die Zukunft dieses Kontinents sehr am Herzen liegt. Es ist eindeutig, daß Afrika unschätzbare menschliche und natürliche Reichtümer besitzt, die durch fortschreitendes und weitläufiges Wachstum zu größerem, materiellen, kulturellen und sozialen Wohl führen können. Afrika verfügt über die Weisheit seiner eigenen Traditionen und über die Kenntnisse, um diese Entwicklung dermaßen zu leiten; daß der religiöse Sinn und das allgemeine Empfinden seiner Völker bewahrt bleiben. Doch Afrika ist auch mit vielen negativen Erscheinungen belastet, die man im allgemeinen als Gegensatz zwischen dem sogenannten „Süden“ und dem wirtschaftlich überlegenen „Norden“ charakterisiert. Bei zahlreichen Gelegenheiten habe ich meine Stimme erhoben, um die Gewissen der entwickelteren Nationen zu beschwören, ihre moralischen und humanitären Pflichten den Entwicklungsländern gegenüber nicht zu vernachlässigen. Weiterhin habe ich meine Hoffnung darüber ausgesprochen, daß die Veränderungen, die kürzlich die Weltszene bewegt haben, die Nationen vom kostspieligen Rüstungswettkampf zu größerem Beistand der bedürftigeren Völker der Welt führen werden. So hatte die Neuorientierung der Hilfsquellen langsam begonnen, doch erneute Spannungen sind aufgekommen, die den Weg zum Frieden verbauen. Darum ist Afrika zunehmend aufgefordert, sein eigenes Entwicklungsmodell zu finden, in dem die reiche Vielfalt an Völkern Platz hat, jedes Volk mit seinen eigenen Traditionen und berechtigten Bestrebungen. Möge Gott die afrikanischen Führer dazu anregen, sich für die Festigung guter VerwaltungsStrukturen und soziale Harmonie einzusetzen, die grundlegend für Entwicklung und Wachstum sind. Gott segne Afrika! 564 REISEN 5. Lieber Herr Präsident, liebe Freunde, die Kirche und die politische Gemeinschaft haben unterschiedliche HandlungsSphären und sind unabhängig voneinander, aber sie dienen den selben Menschen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 76). Es ist wirklich ermutigend zu wissen, daß es in Tansania auf vielen Gebieten eine ausgedehnte Zusammenarbeit gibt. Die Zukunft liegt in der Solidarität unter dem ganzen tansanischen Volk, in dem Maße, wie die Menschen Seite an Seite für das Allgemeinwohl arbeiten. Ich bete heute für euch, daß euch der Glaube an Gott alle Schwierigkeiten überwinden hilft und euch ein Ansporn sei, in Frieden und Harmonie miteinander und mit allen Völkern zu leben, in Liebe und hingehendem Dienst für euer schönes Land. Gott segne Tansania! Möge Er seine Freiheit und Einheit bewahren. Leidenschaft für den Frieden Ansprache bei der Begegnung mit dem Diplomatischen Korps in Dar es Salaam (Tansania) am 1. September Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Zu Beginn meines siebten Pastoralbesuches in Afrika habe ich die Freude, mit Ihnen, den Missionschefs und dem bei der tansanischen Regierung akkreditierten diplomatischen Personal sowie mit den hier in Dar es Salaam anwesenden Vertretern der internationalen Organisationen zusammenzutreffen. Ich danke dem Apostolischen Pro-Nuntius für die in Ihrem Namen gesprochenen Worte des Willkommens und grüße Sie alle mit dem aufrichtigen Gefühl der Freundschaft und der Hochachtung. Die beste Empfehlung für Ihr Wirken und der wahre Grund für sein Prestige ist Ihr hingebungsvoller beruflicher Einsatz zur Förderung des Verstehens und für die weitere Entwicklung und den Frieden unter den Völkern der Welt. Auch der Kirche wurde von ihrem göttlichen Stifter eine religiöse und humanitäre Sendung anvertraut, die sich ihrer Natur nach von der Ihren unterscheidet, jedoch zahlreichen Formen der Zusammenarbeit und der gegenseitigen Unterstützung offensteht. Die Gegenwart des Heiligen Stuhls in der internationalen Gemeinschaft entspricht ja dem, was man als „Leidenschaft“ für das Wohl der Menschheitsfamilie bezeichnen könnte - als „Leidenschaft“ für den Frieden, für die Verteidigung der Menschenwürde und der Menschenrechte, für das ganzheitliche Wohl der Einzelpersonen und der Völker, als eine Leidenschaft, die notwendigerweise und unablässig dem Evangelium Jesu Christi entspringt und die, wie ich zu hoffen wage, auch Sie teilen. Die Kirche konzentriert ihre Aufmerksamkeit auf die Welt, also auf die Bühne, auf der sich die Geschichte des Menschen abspielt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 2), wo sie die über ihre eigenen Entdeckungen und ihre Macht erstaunte Menschheitsfamüie betrachtet, die jedoch gleichzeitig hinsichtlich des Weges besorgt ist, den die Angelegenheiten des Menschen eingeschlagen haben, und noch mehr hinsichtlich seiner tieferen Fragen über seine Rolle im Universum, über den Sinn seines individuellen und gemeinschaftlichen Strebens und über die letzte Bestimmung der Menschheitsfamilie als solcher (vgl. ebd, Nr. 3). Die Kirche möchte allerorts, mit allen Männern und Frauen guten Willens ein Gespräch über diese grundlegen- 565 REISEN den Probleme aufnehmen und ihnen das Licht der Offenbarung, die sie empfangen hat, und das ihrer theologischen und anthropologischen Reflexion anbieten. In diesem Sinn möchte ich kurz zwei Fragen berühren, die für die Völker Afrikas von ungeheurer Tragweite sind. 2. Die erste dieser Fragen ergibt sich aus einer dramatischen Statistik. Es wird allgemein angenommen, daß es in Afrika etwa fünf Millionen Flüchtlinge und dreizehn Millionen Umsiedler gibt. Millionen unserer Brüder und Schwestern sind also heimatlos, sie leben in der Verbannung, der Würde und der Hoffnung beraubt. Manche von ihnen sind Opfer von Naturkatastrophen; die meisten sind unschuldige Opfer von ethnischen Konflikten, Machtkämpfen oder einer verfehlten Entwicklungspolitik. Diese immense menschliche Tragödie findet im allgemeinen geringeren Niederschlag in der weltumspannenden öffentlichen Meinung als viele andere Anliegen und Krisen auf unserem Planeten. Ich kann es daher bei dieser Gelegenheit nicht unterlassen, Sie und die von Ihnen vertretenen Regierungen daraufhinzuweisen, daß die Lage dringend das Eingreifen der internationalen Gemeinschaft erfordert, damit diesen Menschen nicht nur das Überleben gesichert und Ernährung, medizinische und gesundheitsfürsorgliche Hilfe gewährt werde, sondern damit sie auch die Möglichkeit haben, ein nützliches und ehrbares Leben zu führen und für sich selbst und ihre Kinder auf eine bessere Zukunft zu hoffen. Die afrikanischen und asiatischen Länder mit großem Flüchtlingszustrom sind kaum in der Lage, diese Aufgaben selbst zu erfüllen. Wir alle teilen die Meinung, daß die begüterteren Nationen und die mit der Flüchtlingshilfe befaßten internationalen Organisationen sehr viel tun, was ihnen zugute gehalten werden muß. Es wird jedoch viel, viel mehr benötigt und wiederholte Aufrufe an die Gewissen deren, die mehr tun können, sind besonders erforderlich angesichts der immer geringeren Mittel, die diesem Zweck gewidmet werden. Unser Gastland Tansania ist ein solches Aufnahmeland, das sich bemühte, für die Flüchtlinge aus den Nachbargebieten zu sorgen und dafür seine eigenen, dringend gebrauchten Mittel verwendete, so daß es nun selbst von der Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft abhängt. Der unmittelbar humanitäre Aspekt der ganzen Frage erfordert eine ebenso unmittelbare und hochherzige Antwort seitens der höher entwickelten Nationen. <453> <453> Gleichzeitig weist die Vielschichtigkeit des ganzen Problems der Flüchtlinge und Umsiedler, soll sich die Lage bessern, deutlich auf die Notwendigkeit eines Handelns an vielen anderen Fronten hin. Die tiefsten Ursachen dieser Notlage können nur dann in Angriff genommen werden, wenn es zu einer Befriedung und Demokratisierung des afrikanischen Lebens mit einer wachsenden Teilnahme aller Gruppen an einer repräsentativen und rechtlich unterbauten Ordnung des öffentlichen Lebens kommt. Gegenstand besonderer Bemühungen muß das Bildungsniveau sein, damit durch seine Hebung viele Menschen in die Lage versetzt werden, bei der Festlegung der Wirtschafts-, Sozial- und Kulturpolitik verantwortlich mitzuwirken. Das Wissen um die Würde und die Rechte des Menschen muß gefördert werden. Zur Überwindung von Spannungen müssen Dialog und Verhandlung an die Stelle von Konflikten treten. Die Völker Afrikas gelangen mehr und mehr zu der Überzeugung, daß sie selbst die Baumeister ihren Geschicks sein müssen. Die entwickelten Nationen wiederum haben die Versuchung überwunden, Afrika nur für ihren eigenen Vorteil auszunützen und müssen jetzt 566 REISEN sicherlich der Tatsache gewahr werden, daß die Entwicklung dieses Kontinents zu einem fähigen und kraftvollen Partner in wirtschaftlichen und kulturellen Belangen im Interesse aller liegt. All das setzt als sittliche Kategorie die Anerkennung der gegenseitigen Abhängigkeit der Völker und Länder voraus. Die entsprechende Antwort ist die Solidarität, eine Solidarität, die sich nicht auf wohlmeinende Freundlichkeit und auf Mitleid beschränkt - beide haben ihren berechtigten Platz in den menschlichen Beziehungen sondern zum festen und dauerhaften Entschluß wird, für das Gemeinwohl der ganzen Menschheitsfamilie zu arbeiten (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). Die Grundlage einer solchen solidarischen Haltung ist die Überzeugung, daß alle für alle verantwortlich sind, d. h., daß jedermann aufgrund eines universellen sittlichen Gebotes verpflichtet ist, die anderen als Träger der gleichen Menschenrechte zu betrachten, über die man selbst verfügt, so daß sie auch Anspruch auf gleiche Behandlung haben. Was für die Einzelmenschen gilt, das gilt auch für die Nationen: die stärkeren und reicheren Nationen müssen sich für die anderen Nationen moralisch verantwortlich fühlen, damit der Aufbau eines internationalen Systems möglich werde, das auf der Gleichheit aller Völker und auf der notwendigen Achtung ihrer berechtigten Unterschiede beruht (vgl. ebd., Nr. 39). Die Frage der Flüchtlinge und Umsiedler ist ein dramatisches Anliegen, das die moralische Verantwortung der internationalen Gemeinschaft herausfordert. Meine Damen und Herren, wir wollen gemeinsam für eine entsprechende Lösung arbeiten: die Kirche in ihrem Bereich, indem sie ihren Gliedern die religiösen Grundlagen für ihre Pflichten vermittelt und sie zum großmütigen und selbstlosen Dienst für ihre bedürftigen Brüder und Schwestern anspomt; Sie als Diplomaten und Vertreter internationaler Behörden, indem Sie ihr Möglichstes tun, um auf einen Ausweg aus einer Situation zu drängen, unter der so viele Millionen von Menschen leiden, und vor allem indem Sie zugunsten einer neuen internationalen Ordnung arbeiten, die auf den höchsten ethischen Grundsätzen der Verantwortung, der Gerechtigkeit und der Geschwisterlichkeit beruht. <454> <454> Die andere Frage, über die ich kurz sprechen will, betont ebenfalls die Wirklichkeit der weltweiten gegenseitigen Abhängigkeit. Das Drama von Aids bedroht nicht nur die eine oder andere Nation oder Gesellschaftsschicht, sondern die ganze Menschheit. Es kennt keine geographisch, rassisch, altersmäßig oder sozial bedingten Grenzen. Diese Epidemie ist zum Unterschied von anderen mit einem ungewöhnlichen kulturellen Unbehagen verbunden, ausgelöst durch die Wucht der Symbolik, die sich aufdrängt: Die lebenspendenden Funktionen der menschlichen Sexualität und das Blut, der Inbegriff der Gesundheit und des Lebens, sind ein Weg zum Tod geworden. Nur Lösungen, die sowohl den medizinischen Aspekt der Krankheit als auch die menschlichen, kulturellen, ethischen und religiösen Dimensionen des Lebens berücksichtigen, können den Opfern dieser Krankheit uneingeschränkte Solidarität bieten und der Hoffnung Raum geben, daß es gelingen wird, der Epidemie Herr zu werden und sie zum Verlöschen zu bringen. Aids macht höchste Anstrengungen internationaler Zusammenarbeit der Regierungen, der medizinischen und wissenschaftlichen Welt und aller jener notwendig, die Einfluß auf die Entwicklung des moralischen Verantwortungsbewußtseins in der Gesellschaft haben. Die 567 REISEN Gefahr ist so groß, daß man Gleichgültigkeit seitens der Behörden, verdammende oder diskriminierende Haltungen denen gegenüber, die von der erworbenen Immundefizienz betroffen sind, sowie selbstsüchtige Rivalitäten bei der Suche nach medizinischen Abhilfen für diese Krankheit als Förderung dieses schrecklichen Übels betrachten müßte, das die Menschheit befallen hat. Die Glieder der Kirche werden weiterhin ihren Anteil zur Sorge für die Leidenden leisten, wie es Jesus seine Jünger gelehrt hat (vgl. Mt 25,36), und werden auch Vorbeugungsmaßnahmen fördern, die der Würde des Menschen und seiner transzendenten Bestimmung gerecht werden. Die Kirche ist überzeugt, daß ohne ein Wiederaufleben der moralischen Verantwortung und erneutes Bestehen auf den grundlegenden moralischen Werten alle nur auf Information beruhenden Vorbeugungsprogramme wirkungslos bleiben und sogar gegenteilige Resultate hervorrufen werden. Noch schädlicher sind Werbefeldzüge, die aufgrund ihres Mangels an moralischem Inhalt und der falschen Sicherheit, die sie versprechen, stillschweigend gerade jene Verhaltensweisen fördern, die wesentlich zur Verbreitung der Krankheit beigetragen haben. 5. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe von den Flüchtlingen und den Kranken gesprochen, von zwei Kategorien von Menschen, die zu den Bedürftigsten dieser Erde zählen. Unsere persönliche und gemeinschaftliche Sorge um sie ist ein sicherer Maßstab für unsere Menschlichkeit im höchsten Sinn des Wortes. Als Bruder in unserem gemeinsamen Menschsein bitte ich Sie, allen Einfluß, über den Sie verfügen, dafür zu benützen, daß die Bemühungen und Reichtümer der Welt für die Förderung des echten Wohles der Menschheitsfamilie eingesetzt werden. Ein neues Zeitalter der Entwicklung und der Solidarität, nicht von Selbstsucht, sondern von tiefer und überzeugter Achtung für die Würde und die Rechte des Menschen gelenkt, ist die große Möglichkeit und die Herausforderung, die wir aufgrund der veränderten Weltlage wahmehmen und der wir gegenübertreten können. Möge Gott den Führern der Völker die Weisheit und Güte schenken, welche die Stunde erfordert. Gott möge Sie und Ihre Familien und die Länder segnen, die Sie vertreten. Ich danke Ihnen! Das Evangelium vom Frieden bezeugen Ansprache beim Besuch der Kathedrale von Dar es Salaam (Tansania) am 2. September Sehr geehrter Herr Kardinal Laurean Rugambwa, geehrter Herr Erzbischof Polycarp Pengo, liebe Brüder und Schwestern in Christus! Der Friede des Herrn sei mit euch! 1. Brennend habe ich die Gelegenheit erwartet, Tansania zu besuchen, seinen Katholiken und allen Menschen guten Willens im Geist der Brüderlichkeit und des Friedens zu begegnen. Ich bin gekommen als Zeuge Christi, um euch in dem Heilsevangelium zu bestärken, das ihr empfangen habt und in dem ihr verharrt. Jetzt, da ich Dar es Salaam, den „Hafen des Friedens“, erreicht habe, gehen meine Gedanken zu den Worten, die Christus am Abend vor sei- 568 REISEN nem Leiden an die Apostel gerichtet hat: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch“ (Joh 14,27). Es ist zu Beginn meines Pastoralbesuchs mein inbrünstiges Gebet, daß jeder von euch in der Tiefe seines Flerzens - und in der Familie, der Pfarrei, der Gemeinschaft - die Friedensgabe Christi erfahre. Zu allererst möchte ich Herrn Kardinal Laurean Rugambwa für seine freundlichen Begrüßungsworte danken. Fast ein halbes Jahrhundert lang hat er sich großherzig dem Werk der Kirche hingegeben, als Priester, Bischof und als Kardinal hier in seiner Heimat. Ich schließe mich dem Herrn Koadjutor, Erzbischof Polycarp Pengo, und euch allen mit der Bitte zu Gott an, seiner Eminenz viele weitere glückliche Jahre im Dienste des Herrn zu gewähren. Der Kardinal hat soeben von der dringenden Notwendigkeit gesprochen, die „Gute Nachricht“ Jesu Christi in Tansania zu verkünden, inmitten von sozialen Problemen und einer Aushöhlung geistlicher und ethischer Werte, vor allem dort, wo sie die Familie beeinflussen. Liebe Brüder und Schwestern, nur Christus kann die Wunden des Bösen und der Sünde heilen; nur Christus kann die Leere und Enttäuschung füllen, die so viele Herzen bedrückt, denn nur Christus kann den sündigen Menschen mit Gott und den anderen durch das Kreuz und die Auferstehung versöhnen. Gottes Gabe der Versöhnung in Christus ist die Quelle jenes Friedens, nach dem wir uns sehnen, nicht „wie die Welt ihn gibt“ (Joh 14,27). 2. Vor mehr als einem Jahrhundert haben die Missionare den Menschen dieses Landes Christi Gabe der Versöhnung und des Friedens gebracht. Von 1887 an war der Benediktinerkongregation von Sankt Ottilien in Deutschland das Gebiet anvertraut, welches das Apostolische Vikariat und später die Erzdiözese Dar es Salaam werden sollte. Die in dieser Kathedrale begrabenen Überreste von Bischof Cassian Spiess und derer, die in den ersten Jahren dieses Jahrhunderts mit ihm getötet wurden, dienen zur Bestätigung, daß die Friedensgabe Christi nicht von dieser Welt ist, sondern Frucht der Vereinigung mit ihm im Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung. Ihr, die ihr die geistigen Söhne und Töchter der Missionare seid, habt die Freude erlebt, eine vitale junge Kirche aus ihren Opfern wachsen zu sehen. Es ist eine Kirche, die Zeugnis gibt von der „Guten Nachricht“ des Heils mitten unter den Freuden und Erfolgen des tansanischen Volkes, ebenso wie unter seinen Leiden und Prüfungen, seinen Schwierigkeiten und Zweifeln. Als pilgernde Kirche stürmt ihr voran, in der Überzeugung, daß „der Glaube ... alles mit einem neuen Licht [erhellt]“ und „den göttlichen Ratschluß hinsichtlich der integralen Berufung des Menschen [enthüllt]“ (Gaudium etspes, Nr. 11). Wenn diese Berufung sich auch erst in der Ewigkeit ganz verwirklicht, so ist sie euch dennoch Anlaß, den menschlichen Problemen und Herausforderungen hier und jetzt zu begegnen, wie es Jünger Christi tun sollten, entsprechend dem treffenden Bild des Apostels Paulus: „Gürtet euch mit Wahrheit, zieht als Panzer die Gerechtigkeit an und als Schuhe die Bereitschaft, für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen. Vor allem greift zum Schild des Glaubens“ (Eph 6,14-16)! Ja, liebe Brüder und Schwestern, ihr seid in Tansania Zeugen des „Evangeliums vom Frieden“. Ihr seid berufen, es jeden Tag in der Vertrautheit des Familienlebens, in euren örtlichen Gemeinschaften, an eurem Arbeitsplatz und vor allem in der Kirche zu leben, die „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Mensch- 569 REISEN heit“ ist (Lumen Gentium, Nr. 1). Vereinigung mit Gott, Einheit unter den Menschen: das ist der Friede des künftigen Reiches, das schon jetzt in eurem Leben als Christen angekündigt wird. 3. Wir sind heute Abend in einer Kathedrale versammelt, die an die tiefe Liebe der Benedik-tinermissionare zu Christus und zu den Menschen dieses Landes, eine Liebe bis zur Hingabe ihres Blutes, erinnert. Sie weihten diese Kirche dem heiligen Josef, dem Gemahl der Jungfrau Maria, im Vertrauen auf seinen Schutz für ihre Missionsarbeit. Dieser Schutz sollte stets erfleht werden, um das erneute Bemühen der Kirche für die Evangelisierung zu stärken. Möge der heilige Josef für euch alle ein einzigartiger Lehrmeister im Dienst an dieser Heilssendung werden, einer Sendung, die Verantwortung jedes und aller Glieder des Leibes Christi ist (vgl. Redemptoiis custos, Nm. 29, 32). Ich bete, daß Josef, der „gerechte Mann“ (vgl. Mt 1,19), eintrete für euch - Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien der Kirche in Tansania -, damit „der Friede Christi in euren Herzen herrsche“ (vgl. Kol 3,15) und damit eure geliebte Stadt Dar es Salaam jetzt und immer wahrhaft ein „Hafen des Friedens“ sei. Möge Gott euch segnen und beschützen. Amen. Evangelisierung Afrikas: eine Priorität für die Kirche Ansprache bei der Begegnung mit Priestern und Ordensleuten in Dar es Salaam (Tansania) am 2. September Lieber Erzbischof Polycarp Pengu, liebe Priester und Ordensleute! Gelobt sei Jesus Christus! 1. Als Nachfolger Petri, des Apostels, dem der Herr die Aufgabe anvertraute, seine Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32), danke ich unserem himmlischen Vater für diese Begegnung mit euch, den Priestern und Ordensleuten Tansanias. Ich bin allen dankbar, die gebetet haben, damit ich - nach den Worten des hl. Paulus - „in Freuden zu euch komme und mich, so Gott will, mit euch erquicke“ (Röm 15,32). Mein großer Wunsch ist es, jeden von euch persönlich zu begrüßen und euch zu versichern, daß ich euch in eurem Leben und bei der Erfüllung eures Amtes im Gebet nahe bin. Was uns hier verbindet, ist nichts geringeres als die göttliche Liebe, die der Heilige Geist in eure Herzen ausgegossen hat (vgl. Röm 5,5), eine Liebe, die Gestalt angenommen hat in der einzigartigen und spezifischen Berufung, die jeder von uns im mystischen Leib Christi empfangen hat. Trotz aller geographischen Trennung sind wir zutiefst in Christus Jesus verbunden. In jener Gemeinsamkeit, welche die Kirche ist, möchte ich euch und alle anderen Priester und Ordensleute Tansanias auffordem, ein klares Zeugnis für das Evangelium abzulegen und dem Volk Gottes treu zu dienen. Dank eurer Treue wird die kirchliche Gemeinschaft in Tansania in Einheit, Heiligkeit und Treue aufgebaut. 570 REISEN Ich danke Erzbischof Pengu für seine Worte des Willkommens und Pater Itatiro, der uns die Ausbreitung der Kirche in diesem Land beschrieben hat. Für uns ist das eine Einladung zum Lob Gottes, des Urhebers dieses Wachstums (vgl. 1 Kor 3,6-7). Die katholische Gemeinschaft in Tansania verdankt sehr viel den Opfern und der oft heroischen Arbeit der Missionare vom Heiligen Geist, der Weißen Väter, der Benediktiner von St. Ottilien und vieler anderer Missionare aus verschiedenen Ländern, die als erste das Evangelium in dieser Region verkündeten, und ich grüße die anwesenden Mitglieder dieser Kongregationen. Mit der Gnade Gottes wird das von diesen Pionieren begonnene Apostolat von ihren Nachfolgern und von den immer zahlreicheren einheimischen Priestern, Ordensschwestern und Ordensbrüdern fortgesetzt. Dank eurer engen Zusammenarbeit im Geist gegenseitiger Annahme, von der Erzbischof Pengu gesprochen hat, beweist ihr, daß die Kirche in Tansania sowohl echt katholisch als auch echt afrikanisch ist. Wenn ihr authentische Zeugen Christi für die Welt sein wollt, müssen tatsächlich alle sehen können, „daß ihr in dem einen Geist feststeht und einmütig für den Glauben an das Evangelium kämpft“ (Phß 1,27). 2. Das rasche Wachstum der Kirche in Tansania ist eine dringende Aufforderung, euch die Frage nach der besten Art und Weise zu stellen, wie ihr auf den Grundlagen, die ihr ererbt habt, weiterbauen könnt. Die weiterführende Evangelisierung Afrikas ist, wie ihr wißt, eine Priorität für die Kirche und wurde als Thema für die nächste Afrika gewidmete Sondersitzung der Bischofssynode gewählt. Die Evangelisierung gehört wesentlich zum Leben der Kirche. Die Pastoral kann daher nie eine Angelegenheit des einfachen Aufrechthaltens früherer Erfolge sein. Das Wort Gottes kann nicht in Fesseln gelegt werden (vgl. 2 Tim 2,9). In diesem Sinn wird die Botschaft, die ich heute an euch richte, zu einem dringenden Aufruf: Habt Vertrauen in die vom Herrn empfangene Berufung, und setzt euch immer nachhaltiger für die Sendung ein, die er euch anvertraut! Liebe Brüder und Schwestern: Eure Berufung stellt in der Kirche einen einzigartigen, kostbaren Schatz dar. Als Priester seid ihr Jesus, dem Hohenpriester, im Weihesakrament ähnlich gemacht worden; als Ordensleute seid ihr verpflichtet, mit eurem Leben für das „neue Leben“ des Königreiches Christi durch die Beobachtung der evangelischen Räte Zeugnis abzulegen. In allen Fällen empfangen euer Leben und eure Arbeit in der kirchlichen Gemeinschaft seinen Sinn und seine Bedeutung aus eurer Beziehung zum Erlöser. Nicht ihr habt ihn erwählt, sondern er hat euch erwählt, damit ihr hingeht und Frucht tragt (vgl. Joh 15,16). Wenn ihr ihn liebt und ihm treu dient, so deshalb, weil er euch zuerst geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,19). Euer einziger Ruhmestitel sollte das Erbarmen sein, das er euch erwiesen, und die.Gnade, die er euch geschenkt hat (vgl. 1 KorA,l). Er selbst ist somit die immerwährende Quelle eurer Gewißheit und der Hoffnung, die euch in allen Herausforderungen und allen Lagen unterstützt (vgl. 2 Tim 1,12). Tatsächlich muß es ja, aufgrund eurer besonderen Beziehung zu Christus, euer Ziel sein, mit eurer Arbeit und eurem Gebet seine Liebe und seinen Eifer widerzuspiegeln. Er ist der „Gesalbte“ des Vaters, der vom Vater „Gesandte“, der erste „Apostel“ (vgl. Lk 4,18). Sein Beispiel ist das der vollständigen Hingabe für die Verwirklichung des Heilsplanes des Vaters: „ich bin nicht vom Himmel herabgekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat“ (Joh 6,38). Auch ihr müßt von einer solchen Leidenschaft für 571 REISEN den Willen des Vaters beseelt sein, die ihr in ein nimmermüdes Streben nach Heiligkeit des Lebens und in ein lebendiges Sendungsbewußtsein übersetzen werdet. 3. Euer Suchen nach geistlichem Wachstum und nach einer immer tieferen Identifizierung mit der Sendung der Kirche führt notwendigerweise über den Weg, der von bestimmten grundlegenden Tugenden und Zeichen markiert ist. Eure Verpflichtung zur Ehelosigkeit und Keuschheit um des Himmelreiches willen ist ein machtvolles Zeugnis für die ungeteilte Liebe zu Christus und für die Bereitschaft, ihm in den anderen ohne Ansehen der Person zu dienen. Durch eure Verfügbarkeit für alle werdet ihr dafür sorgen, „daß sich niemand in der Gemeinschaft der Gläubigen fremd fühlt“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 9). Die Tugend der Armut, welche die Ordensleute aufgrund eines besonderen Gelübdes pflegen, ist für das Leben aller Priester von besonderer Bedeutung, seid ihr doch Boten des Herrn, der arm lebte und den Armen in besonderer Liebe zugetan war. Eure Persönlichkeit wird durch die innere Befreiung von materiellen Dingen und vom Verzicht auf die Macht, die der Besitz schenkt, eine ungeheure Bereicherung erfahren. Auch der Gehorsam, der im Wunsch verwurzelt ist, Christus, den gehorsamen Sohn des Vaters nachzuahmen, ist ein lebenswichtiger Aspekt eures Daseins als Priester und Ordensleute. Tatsächlich ist „der Gehorsam die besondere Tugend des Dieners Christi..., der durch seinen Gehorsam das Menschengeschlecht erlöst hat“ (Ad gentes, Nr. 24). Er ist auch ein Zeichen der Demut und der Unterwerfung unter den Willen Gottes, der besonders durch jene zum Ausdruck kommt, die er als Nachfolger der Apostel erwählt hat, als „Hirten für die Kirche Gottes, ... die er sich durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben hat“ (Apg20,28), sowie durch alle, die im Glauben zu Vertretern Gottes werden (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 14). Da das Priesteramt und das Apostolat im allgemeinen nur in Gemeinschaft mit der Hierarchie ausgeübt werden können, erfordert das Wohl der Kirche von allen ehrliche Einheit im Denken und Handeln mit ihren Bischöfen, mit denen zusammen die Priester ein einziges Presbyterium im Dienst der Ortskirchen bilden, und denen die Ordensleute in allen, was die Seelsorge betrifft, unterstellt sind (vgl. Christus Dominus, Nr. 35). <455> <456> <455> Liebe priesterliche Mitbrüder, ihr wurdet zu Mitarbeitern der Bischöfe gemacht und habt an ihrer apostolischen Mission - der Verkündigung des Evangeliums bis zu den Enden der Erde - Anteil (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 2). Da es nun in erster Linie das Wort Gottes ist, das die Einheit schafft (vgl. ebd., Nr. 4), stellt eure Verkündigung dieses Wortes in seiner Fülle den wichtigsten Teil eures Amtes dar. Als Diener des Wortes fällt euch die wesentliche Aufgabe zu, zuerst seine reinigende Kraft in eure Herzen aufzunehmen, damit ihr hierauf seine rettende Wahrheit anderen mitteilen könnt. Ein guter Priester fühlt immer wieder aufs neue das Verlangen, allen Männern und Frauen die Kenntnis des Geheimnisses der maßlosen Liebe Christi zur sündigen Menschheit mitzuteilen. Die Feier und der Empfang der Eucharistie; der häufige Empfang des Bußsakramentes und die Bereitschaft, es zu spenden; die dem persönlichen Gebet und dem Stundengebet gewidmete Zeit und die Ausübung eures Amtes in all seinen Formen sind die Mittel, über die ihr verfügt, um den Eifer für das Haus des Vaters (vgl. Lk 2,49) immer wieder anzuspomen. Bei all euren Aktivitä- 572 REISEN ten sollt ihr um die mütterliche Begleitung durch Maria, die Mutter des Erlösers wissen. Sie wird euch lehren, alles zu tun, was ihr Sohn von euch verlangt (vgl. loh 2,5). 5. Meine Worte an diesem Abend wären unvollständig, würde ich nicht die besondere Rolle erwähnen, die seit dem Beginn der Evangelisierung Tansanias die Ordensschwestern in den verschiedenen Formen des Apostolats gespielt haben. Und was soll ich über die Ordensbrüder in Tansania sagen, die zur Verbreitung des Wortes Gottes mit ihrer Arbeit auf verschiedenen Gebieten, nicht zuletzt auf dem des Unterrichts und der Kommunikation, einen nicht geringen Beitrag geleistet haben? Liebe Brüder und Schwestern, noch wichtiger als diese Formen des Apostolats ist das Zeugnis eures gottgeweihten Lebens. Das Paradox des Kreuzes, in dem der Tod mit Christus zu neuem Leben in ihm führt (vgl. Rom 6,3-4), sollte in eurer Lebensweise voll zum Ausdruck kommen. Mögt ihr stets eine freudige Inkarnation dieser eure Weihe betreffenden Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils sein: „Je glühender sie ... [die Ordensleute] durch ihre das ganze Leben umfassende Hingabe mit Christus vereinigt werden, um so reicher wird das Leben der Kirche und um so fruchtbarer deren Apostolat“ (Perfectae caritatis, Nr. 1). Erlaubt es mir, ein Wort besonderer Hochschätzung und Dankbarkeit an die Mitglieder der beschaulichen Gemeinschaften zu richten, deren schweigsames Leben des Gebetes und der Buße reiche Früchte für das Seelenheil vieler tragen und unter Christen und Nichtchristen ein Zeugnis für die Majestät und die Liebe Gottes sowie für die brüderliche Gemeinsamkeit des ganzen Menschengeschlechtes in Christus (vgl. Ad gentes, Nr. 40) darstellen. Euren Gebeten und Opfern vertraue ich ganz besonders die Zukunft der Kirche in Tansania und in ganz Afrika an. Diese Gebetsmeinung liegt mir sehr am Herzen. Ich danke euch für die vollkommene Hingabe eurer selbst. Sie gewährleistet die Ausgießung der Gnaden über uns alle. <457> <457> Die große Zahl von Priester- und Ordensberufungen in Tansania ist ein beredtes Zeugnis für die wachsende Reife eurer jungen Kirchen. Es ist herzerfreuend, zu wissen, daß die Kirche in Tansania begonnen hat, ihre Söhne und Töchter als Missionare in andere Länder zu entsenden. Nachdem ihr so viel von der hingebungsvollen Missionstätigkeit von Männern und Frauen anderer Nationen empfangen habt, beginnt ihr jetzt, das umsonst zu geben, was ihr umsonst empfangen habt (vgl. Mt 10,8). Auch wirkt der Geist der Zusammenarbeit und der Einheit, der in euren Instituten unter Männern und Frauen verschiedener rassischer und ethnischer Gruppen herrscht, in seiner Aufgeschlossenheit und Weltweite beispielgebend für ganz Afrika, wo eben ein solches Beispiel zur Überwindung gewisser negativer Aspekte des Stammesgeistes dringend benötigt wird. In einigen Augenblicken werde ich den Grundstein für das neue Priesterseminar der Salvato-rianer in Morogoro segnen. Ich bitte euch alle, gemeinsam mit mir zu beten, der „Herr der Ernte“ (Lk 10,2) möge weiterhin unter euch zahlreiche Berufungen zum Priester- und Ordensleben wecken und euch unablässig in eurem hingebungsvollen Dienst für die Kirche, für die Ehre Gottes und das Heil der ganzen Menschheit segnen. Er, der das gute Werk in euch begonnen hat, möge es auch vollenden bis zum Tag Jesu Christi (vgl. Phil 1,6). Amen. Ich danke euch, und Gott segne euch. 573 REISEN Priesterausbildung - eine drängende Sorge für die ganze Kirche Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen in Dar es Salaam (Tansania) am 2. September Liebe Brüder im Bischofsamt in Tansania! 1. Ich möchte beginnen mit einem Dank an Bischof Lebulu für seine freundlichen Willkommensworte und für die Gefühle kirchlicher Gemeinschaft, die er in eurem Namen zum Ausdruck brachte. Wie auf allen meinen Pastoraireisen messe ich der Begegnung mit euch, den Bischöfen, besondere Bedeutung zu. Unser Treffen heute morgen schenkt mir Freude und Trost, und ich preise Gott für eure großmütige Hingabe an die besondere Berufung, die ihr in der Kirche habt. Als Bischöfe der Ortskirchen von Tansania seid ihr „vom Heiligen Geist eingesetzt“ und tretet „an die Stelle der Apostel als Hirten der Seelen“, und „gemeinsam mit dem Papst und unter seiner Autorität“ seid ihr „gesandt, das Werk Christi, des ewigen Hirten, durch alle Zeiten fortzusetzen“ (Christus Dominus, Nr. 2). Mein Besuch erfüllt mir den lange gehegten Wunsch, das Leben eurer Diözesen aus erster Hand zu erleben. Er ist für mich eine Gelegenheit, mich dem katholischen Volk von Tansania anzuschließen, wenn es Gott dankt für die Aussaat des Evangeliums hier vor mehr als einem Jahrhundert. Obwohl eure Ortskirchen jung sind, zeigen sie schon eine Reife und Fruchtbarkeit, die deutlich von eurer Treue zum Herrn künden. Nach der langen Pflanzzeit missionarischer Arbeit erleben wir jetzt den Beginn einer vielversprechenden Ernte in einem Volk, dessen christliches Leben die Frische, das Vertrauen und die Begeisterung der Jugend erkennen läßt. Ich bin glücklich über diese Gelegenheit, mit euch über einige Aspekte eures Dienstamtes nachdenken zu können. Ermutigt von all dem, was bisher getan worden ist, wenden sich meine Gedanken der Gegenwart und der Zukunft der Kirche in eurem Lande und auf dem afrikanischen Kontinent zu. Denn jeden Tag neu wird die Kirche vom Heiligen Geist bewegt, ihren Anteil für die volle Verwirklichung des Planes Gottes zu leisten, der Christus als Quelle der Erlösung für die ganze Welt eingesetzt hat (vgl. Lumen Gentium, Nr. 17). Christus als den Erlöser der Menschheitsfamilie zu verkünden und sein Reich der Gnade in den Herzen der Menschen näher zu bringen, ist der große Auftrag, den Gott der Kirche anvertraut hat und den mit all eurer Liebe und euren Kräften voranzutreiben nun eure Pflicht ist. Die Kirche in den jungen Staaten Afrikas tritt in ein neues Entwicklungsstadium. Dabei muß es euer Ziel sein, bei den einzelnen Menschen und im Leben der Gesellschaft den Glauben zu stärken und alle zur Umkehr und immer tieferer Umgestaltung zu führen, so daß die Wahrheiten und Werte des Evangeliums umfassender ins Leben umgesetzt werden. Das ist die gewaltige Herausforderung der Evangelisierung sowohl innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft als auch in den Bereichen, in denen das Evangelium noch unbekannt ist (vgl. Ansprache in der Kathedrale „Notre Dame du Zaire“, 3. 5. 1980, Nr. 3). <458> <458> Liebe Brüder, euer Volk im Glauben zu stärken und es zu ermahnen, beharrlich dessen Forderungen zu erfüllen, sind vorrangige Aufgaben eures Dienstes. Als Hirten, die „vom Hei- 574 REISEN ligen Geist bestimmt worden sind“ (vgl. Christus Dominus, Nr. 2), seid ihr aufgerufen, ein positives Führungs- und gleichzeitig Wächteramt auszuüben, indem ihr den Glauben und die Heiligkeit in dem eurer Sorge anvertrauten Volk Gottes fördert. Wenn Glaube und Moral durch neue Formen des Zusammenlebens in einer sich wandelnden Gesellschaft ausgehöhlt werden, stellt eure furchtlose und klare Verkündigung des Evangeliums in seinem vollen Umfang ein Bollwerk der Wahrheit zur Aufrechterhaltung eures Volkes dar. Wenn liturgische Änderungen oder theologische Spekulationen Verwirrung unter den Leuten stiften, führt euer Urteil, das im „Denken mit der Kirche“ verwurzelt ist, sie auf dem Weg der gesunden Lehre und Disziplin. Wenn die Versuchung auftritt, im Eifer für das Evangelium zu erschlaffen, erweckt eure Fürsorge ihren missionarischen Geist aufs neue und vergrößert ihn. Verliert nie das Vertrauen, daß der Herr, der euch berufen hat, Hirten seines Volkes zu sein, euch auch die Wahrheit und die Stärke gibt, die ihr braucht, um dieser schweren Verantwortung zu entsprechen. Wenn wir einige der Herausforderungen betrachten, die auf der Sondersitzung der Bischofssynode für Afrika untersucht werden sollen - nämlich Verkündigung der Frohbotschaft, Inkulturation, Dialog, Gerechtigkeit und Frieden und die Mittel der sozialen Kommunikation - so fällt sofort ins Auge, daß ein Thema ganz besonders eine konzentrierte Aktion von seiten der ganzen Kirche Afrikas verlangt. Dieses Thema, das allen auf der Synode zu diskutierenden Herausforderungen zugrundeliegt, ist die christliche Bildung, durch die Priester, Ordensleute und Laien darauf vorbereitet und dazu motiviert werden, den Lebensstand, zu dem Gott sie berufen hat, in echter und konsequenter Weise zu leben. <459> <459> Die Ausbildung der Priester ist eine drängende Sorge für die ganze Kirche. Aus diesem Grund wurde sie zum Thema der nächsten Ordentlichen Sitzung der Bischofssynode gewählt, und zwar nicht nur soweit sie die Seminaristen betrifft, sondern auch die Priester nach der Weihe. Ein deutliches Interesse an einer sorgfältigen Auswahl der Kandidaten für das Priesteramt und an einem genügend hohen Niveau der Ausbildungsprogramme in den Seminaren kam weltweit und in vielen Teilen Afrikas zum Ausdruck. Mit Sicherheit dürfen das erforderliche Niveau der Ausbildung des Seminaristen und dessen insgesamt gesehene Eignung für die Weihe nicht vernachlässigt werden, nur um die Zahl der Priester zu erhöhen, auch wenn der Bedarf der Kirche groß ist. Wenn sich die vielen hingebungsvollen Priester eurer Diözesen der Achtung und Hochschätzung der Gläubigen erfreuen und wenn die Berufungen unter würdigen jungen Männern zunehmen sollen, ist es unbedingt erforderlich, daß die Weihe nur denen erteilt wird, die den im Codex des Kirchenrechts kurz, aber deutlich formulierten Erfordernissen entsprechen; also denen, „die einen ungeschmälerten Glauben haben, von der rechten Absicht geleitet sind, über die erforderlichen Kenntnisse verfügen, sich guter Wertschätzung erfreuen, über einen untadeligen Lebenswandel und erwiesene Charakterstärke sowie über andere der zu empfangenden Weihe entsprechende physische und psychische Eigenschaften verfügen“ (Codex Iuris Canonici, can. 1029). Alle diese Qualitäten müssen im Seminar unter der Führung qualifizierter Superioren, Spirituale und Professoren sowie in Übereinstimmung mit einem genau definierten Ausbildungsprogramm nachgewiesen und weiterentwickelt werden. Ich weiß, daß ihr diese Sorge für die Erziehung eurer Kleriker teilt, wie es auch die vielen feinen Priester tun, die an den großen 575 REISEN Seminaren in Kipalapala, Segerea, Peramiho, Ntungamo und Kobosho wie auch an den vielen Rnabenseminaren in ganz Tansania arbeiten. Ich bete zu Gott, er möge eure Bemühungen segnen, den qualifizierten Lehrkörper zahlenmäßig zu verstärken und ihn in seiner Arbeit zu unterstützen, denn diese ist von äußerster Wichtigkeit für die Zukunft der kirchlichen Gemeinschaft und der Evangelisierung. Wie ich schon sagte, erstreckt sich die Sorge der Kirche um die Ausbildung der Priester auch auf die Jahre nach der Weihe. Als Bischöfe habt ihr den Auftrag, euch unmittelbar für das Leben und den Dienst eurer Priester zu interessieren. Studienkurse, Arbeitsgemeinschaften und geistliche Exerzitien sind äußerst wichtig für eure Priester, doch müssen diese Hand in Hand mit eurer eigenen Bereitschaft gehen, euch regelmäßig mit ihnen zu treffen, ihnen zuzuhören, sie zu ermutigen, ihnen bei der Überwindung von Problemen und Schwierigkeiten zu helfen und Wege zu finden, wie die Talente eines jeden zum Wohl der ganzen Diözese genutzt werden können. Sie blicken auf euch wegen eurer Führungsrolle, die vor allem in eurem Beispiel echten priesterlichen Lebens und apostolischen Eifers für die Verkündigung des Evangeliums besteht, die „Erstverkündigung“ eingeschlossen, die immer mehr in den Verantwortungsbereich des einheimischen Klerus fällt. Auf alle diese Weisen hat ein jeder von euch in der lebenslangen Weiterbildung und im Wohlergehen eurer Priester eine sehr persönliche Rolle zu spielen. Weiterhin ist es nur recht und billig, daß sich eure brüderliche Fürsorge um sie besonders in der gütigen und verständnisvollen Behandlung der Sonderbedürfnisse älterer und kranker Priester erweist. Möge der Gute Hirte selbst euch in die Fülle der Liebe aus dem Geist des Evangeliums einführen! 4. Ordensmänner und Ordensfrauen belegen ebenfalls einen besonderen Platz in der pastora-len Sendung eines Bischofs. Besonders die eindrucksvolle Zunahme der Zahl der Ordensfrauen ist ein großes Geschenk für die Kirche in Tansania; sie birgt in sich große Verheißungen für die Zukunft des Ordenslebens in eurem Land. Wenn sich die Ordensleute in Fragen der Aus- und Weiterbildung auch hauptsächlich auf ihre eigenen Institute verlassen, kann euer Interesse für ihr Wohlergehen und eure Unterstützung für ihre intellektuelle und spirituelle Bereicherung doch entscheidend sein, insbesondere für Institute diözesanen Rechts. Der Stand des geweihten Lebens existiert in der Kirche und für die Kirche. Seine kirchliche Natur erfordert, daß er in einem tiefen Gefühl der Einheit und Zusammenarbeit mit den Bischöfen und in liebevoller und effektiver Solidarität mit der Ortskirche gelebt wird, in der sich die Ordensleute aufhalten und ihr Apostolat leisten. Ihr sollt das Charisma und die legitime Selbständigkeit eines jeden Ordensinstituts respektieren, doch ist es zugleich eure Verantwortung, ihre wohlgeplante Mitwirkung in den pastoralen Aktivitäten zu begünstigen im Kontext mit der Ekklesiologie der Communio, die das Leben der Kirche beherrscht. 5. Von gleicher Bedeutung für die Vitalität der Kirche ist die Weiterbildung der Laien, die in gewissem Sinn in der fortgesetzten Evangelisierung der bereits Getauften besteht. Die Aufgabe, die Laien auf die Übernahme einer aktiven Rolle in Kirche und Gesellschaft vorzubereiten, ist umso dringlicher angesichts des gesellschaftlichen und kulturellen Wandels wie auch des Missionierungsdrucks von seiten anderer Religionen und religiösen Grappierungen. Ihr seid euch sehr wohl bewußt, daß die tansanischen Katholiken, besonders die jungen, wenn sie in ihrem Glauben ausharren, ihn mit anderen teilen und seine moralischen und 576 REISEN spirituellen Werte in der Gesellschaft zum Tragen bringen wollen, eine gesunde kateche-tische Ausbildung wie auch den Halt einer Mitgliedschaft in den Pfarrgruppen und katholischen Organisationen brauchen, die in zunehmendem Maß in eurem Lande aktiv werden. Ein Heer hingebungsvoller Katechisten leistet in euren Teilkirchen glänzende Arbeit besonders in der Bewahrung und Vertiefung des Glaubens auf Ortsebene, aber sie erwarten von euren Führungsqualitäten auch Gelegenheiten, selbst intellektuell und spirituell wachsen zu können. 6. Es stimmt, daß „das erste Mittel der Evangelisierung das Zeugnis eines echten christlichen Lebens ist, das in unzerstörbarer Gemeinschaft Gott hingegeben und gleichzeitig dem Nächsten in grenzenlosem Eifer gewidmet ist“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 41). Das Ziel der Bildung für alle Gläubigen - Priester, Ordensleute und Laien - ist ein lebendiger Glaube, der alle Aspekte des Lebens der einzelnen und ihre Beziehungen mit anderen durchdringt. Nationale und diözesane Pastoralprogramme sollten das Ziel haben, einen hochmotivierten Glauben zu fördern, der auf einer tiefen Hingabe an Christus und seine Kirche und auf einer dem Bildungsniveau und den Bedürfnissen der Berufung eines jeden entsprechenden Kenntnis der katholischen Lehre aufbaut. Die Verfolgung dieses Zieles zeigt uns die Bedeutung der kirchlichen Communio, das heißt unserer Einheit im Dienst „für den Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,12). Bildung schließt eine gegenseitige Auferbauung von seiten aller Glieder der Kirche ein, angefangen bei den Bischöfen, die als Hirten und Lehrer der Kirche Hauptverantwortung für Glauben und Lehre tragen. <460> <460> Am Ende dieses Nachdenkens über christliche Bildung gehen meine Gedanken zu Kardinal John Henry Newman, dessen 100. Todestages dieses ganze Jahr über gedacht wird. Der Wahlspruch, den er als Kardinal wählte - „Cor ad cor loquitur“ (Das Herz spricht zum Herzen) — faßt seine Erziehungsphilosophie wie auch sein Verständnis dessen, was wir heute Evangelisierung nennen, zusammen. Für Kardinal Newman war es der persönliche Einfluß, das „zum Herzen sprechende Herz“, das am wirksamsten das Evangelium weitervermittelt und die ganze Person, Herz, Geist und Gewissen, formt. So schrieb er einmal: „Die einzelnen Menschen, die gesehen und gehört werden, die handeln und leiden, sind die Werkzeuge der Vorsehung bei allen großen Erfolgen“ (The Letters and Diaries ofJohn Henry Newman, Oxford, 1978-84, IV, 68ff.). In diesem Geist, liebe Brüder, bete ich darum, Gott möge euren Eifer im Dienstamt stärken und allen euren Hoffnungen und Mühen für das Aufblühen des Evangeliums Erfolg verleihen. Möge er weiterhin unter euch Priester, Ordensleute und Laien erwecken, die willens sind, „gesehen und gehört“ zu werden, zu „handeln“ und zu „leiden“, wenn es notwendig ist, damit Christus in Tansania und in ganz Afrika immer mehr gekannt und geliebt wird. Ich bringe euch meine brüderliche Anerkennung und Unterstützung zum Ausdruck. Ich danke euch für eure Einladung zum Besuch eurer Teilkirchen. Möge die seligste Jungfrau Maria alles, was ihr tut, aus nächster Nähe mit ihrem mütterlichen Schutz begleiten. Mit diesen Gefühlen und mit Zuneigung im Herrn erteile ich jedem von euch und euren Diözesen meinen Apostolischen Segen. 577 REISEN Dialog schließt Zusammenleben in Frieden ein Ansprache bei der Begegnung mit religiösen Führungspersönlichkeiten in Dar es Salaam (Tansania) am 2. September Geschätzte Vertreter der Religionen, liebe Brüder! 1. Ich möchte Ihnen allen einen herzlichen Gruß entbieten und Ihnen heute für Ihre Anwesenheit hier danken. Mein Pastoralbesuch wäre unvollständig, wenn ich die Gelegenheit nicht nützte, mit den Repräsentanten der verschiedenen religiösen Körperschaften Tansanias zusammenzutreffen. Für mich ist das ja nicht nur eine glückliche Gelegenheit, sondern auch eine Pflicht, die mir als dem universalen Hirten der katholischen Kirche auferlegt ist. Es ist eine Pflicht, weil sich die Kirche verpflichtet hat, einen Dialog der Wahrheit und der Liebe mit der ganzen Menschheit und in besonderer Weise mit anderen Christen und den Anhängern anderer Religionen zu führen. 1964, während des Zweiten Vatikanischen Konzils, hat mein Vorgänger, Papst Paul VI., in seiner ersten Enzyklika Ecclesiam suam den Weg des Dialogs beschrieben, dem die Kirche folgen sollte. Dasselbe Ökumenische Konzil entfaltete dieses Programm in seiner Lehre und veranlaßte die Errichtung von Strukturen, die der Verfolgung dieses Zieles angemessen sind. Die katholische Kirche fühlt sich verpflichtend gebunden - gehorsam dem Willen Christi, daß „alle eins seien“ (Joh 17,21) -, in das Gespräch mit anderen Christen einzutreten und auch in das mit anderen Religionen, weil dies ein Teil ihres Auftrags ist, den „Dialog der Erlösung“ (vgl. Paul VI., Ecclesiam suam: AAS 56 [1964], S. 609-659) zu fördern, der von Gott begonnen und im Tod und in der Auferstehung seines Sohnes zur Erfüllung gebracht wurde. <461> <462> <461> Es ist wichtig zu wissen, was wir meinen, wenn wir sagen, wir wollten dem Weg des Dialogs folgen. Gemeinhin bedeutet Dialog Kommunikation miteinander, gegenseitige Freund- schaft und Achtung sowie vereintes Bemühen um gemeinsamer Ziele willen, und das alles im Dienst einer gemeinsamen Suche nach der Wahrheit. Vor dem Hintergrund des religiösen Pluralismus „ist der Dialog das Zusammenspiel menschlichen Tuns, das im Respekt und in der Wertschätzung gegenüber anderen Religionen gründet. Er schließt das tagtägliche Zusammenleben in Frieden und gegenseitiger Hilfe ein, wobei jeder von den Werten Zeugnis gibt, die er in seiner Glaubenserfahrung kennengelemt hat. Der Dialog erfordert die Bereitschaft, in Zusammenarbeit mit anderen auf die Besserung der Menschheit hinzuwirken und verpflichtet zur gemeinsamen Suche nach dem wahren Frieden. Dialog bedeutet auch, daß sich Theologen und Religionsexperten treffen, um zusammen mit Experten anderer Religionen die Felder der Gemeinsamkeiten und Abweichungen zu prüfen. Wo die Umstände es erlauben, heißt Dialog auch, geistliche Erfahrungen und Einsichten zu teilen“ (Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung des Sekretariats für die Nichtchristen, 28. April 1987). Was die Ziele des Dialogs zwischen den Religionen betrifft, kann ein verbessertes gegenseitiges Verstehen zu neuen Haltungen des Respekts und zur Förderung gemeinsamer Ideale auf dem Gebiet der Religionsfreiheit, der Brüderlichkeit aller Menschen und des sozialen Fortschritts führen (vgl. Paul VI., Ecclesiam suam: AAS 56 [1964], S. 655). Das allein schon 578 REISEN wäre keine geringe Leistung in einer Welt, die mit Recht auf die Religion als auf eine Wirkkraft der Harmonie und des Friedens blickt und es als Skandal betrachtet, wenn die Religion dazu mißbraucht wird, Spaltung und Haß oder sogar Gewalt zu rechtfertigen oder zu fördern. 3. Allen meinen christlichen Brüdern und Schwestern, die heute hier sind, möchte ich sagen, daß es kein Zurückweichen vor der Aufgabe geben darf, die vollkommene Einheit, die Jesus Christus für seine Jünger wünscht, zu erreichen. Unter der inspirierenden Gnade des Heiligen Geistes stellt der Fortschritt des Ökumenismus ein wichtiges „Zeichen der Zeit“ (Unitatis redintegratio, Nr. 4) dar, das alle Christen zum Nachdenken im Gebet und zu weiteren Bemühungen in Richtung auf größere Übereinstimmung und Zusammenarbeit aufruft. Es ist mein inniges Gebet, daß — mit den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils - eines Tages alle Christen „zur Einheit der einen und einzigen Kirche versammelt werden, die Christus seiner Kirche von Anfang an geschenkt hat“ (ebd.). Obwohl es nach Jahrhunderten der Spaltung noch ernste Hindernisse zu überwinden gibt, laßt uns gemeinsam Gott dafür danken, daß in Tansania ein gesunder ökumenischer Geist Fortschritte macht und daß bereits viele Beispiele ökumenischer Zusammenarbeit existieren. Vor Ihnen liegt ein unermeßliches Feld der Zusammenarbeit in der Verteidigung der Würde und der Rechte der menschlichen Person, in der Anwendung der Prinzipien des Evangeliums auf das gesellschaftliche Leben und in der Linderung von Leiden, wie Hunger, Krankheit, Analphabetentum und der furchtbaren Last der Armut (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 12). Doch es gibt noch eine andere Dimension des christlichen Ökumenismus. Der Dialog der christlichen Einheit steht auch im Dienst des breiteren „Dialogs der Erlösung“ mit Menschen jeder Religion. Der Glaube an Jesus Christus, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (vgl. Joh 14,6) und in dem allein das Heil zu finden ist (vgl. Apg 4,12), zwingt uns, ihn vor der Welt zu verkünden. Wieviel glaubwürdiger und wirkungsvoller wäre unser gemeinsames Zeugnis für den Erlöser, wenn es ein vollkommen vereintes Zeugnis wäre! Doch auch jetzt wird dieses Zeugnis durch jede Bemühung unsererseits gestärkt, den Weg zu mehr Harmonie und Liebe einzuschlagen. Ich weiß, daß sich die katholische Kirche auf diesen Weg gemeinsam mit Ihnen festgelegt hat, und ich vertraue darauf, daß in der unerforschlichen Vorsehung Gottes Ihre ökumenischen Anstrengungen fruchtbar sein werden, „damit die Welt glaube“ (Joh 17,21). <463> <463> Ich entbiete den Mitgliedern anderer Religionen, insbesondere den Anhängern des Islam, herzliche Grüße und gute Wünsche. Ich bete dämm, diese Begegnung möge dazu dienen, die guten Beziehungen, die in Tansania unter den hier vertretenen religiösen Gruppierungen bestehen, zu stärken. Möge unser Glaube an den einen Gott die tiefste Quelle unserer Liebe und Hochschätzung füreinander sein! Man muß anerkennen, daß der Dialog zwischen Christen und Muslimen in der Welt von heute immer wichtiger wird. Er ist auch eine sehr delikate Angelegenheit, weil beide Religionen zutiefst zur Ausbreitung ihrer jeweiligen Glaubenslehren verpflichtet sind. Doch gibt es, objektiv gesehen, ein festes Fundament, auf dem Achtung füreinander und Zusammenarbeit miteinander aufgebaut werden können. Es ist die Anerkennung der Tatsache, daß jede Person ein unveräußerliches Recht und die feierliche Pflicht hat, ihrem aufrichtigen Gewis- 579 REISEN sen folgend die Wahrheit zu suchen und ihr zu gehorchen. Dem Herrn des Himmels und der Erde kann eine religiöse Pflichterfüllung nicht gefallen, die auf irgend eine Weise von außen aufgezwungen wird. Was würde denn dann aus den wunderbaren Geschenken der Vernunft und des freien Willens werden, die der einzelnen Person das Vorrecht einräumen, persönliche Verantwortung zu tragen, und die die Würde und den Ruhm der geliebten Söhne und Töchter des Schöpfers ausmachen (vgl. Dignitatis humanae, Nr. 2)1 Der Dialog, wie ich ihn eben beschrieben habe, versucht nicht, eine künstliche Übereinstimmung in unseren Glaubensüberzeugungen zu produzieren, er hilft uns vielmehr sicherzustellen, daß wir in unserem Eifer, unseren Glauben zu verkünden, und bei den dafür gebrauchten Mitteln das Recht eines jeden Menschen auf Religionsfreiheit respektieren. Wenn wir positive und konstruktive Beziehungen zwischen unseren Gemeinschaften und ihren einzelnen Mitgliedern pflegen, können wir zu gegenseitiger Verständigung und Achtung gelangen, die die Ausübung dieses fundamentalen Menschenrechtes garantieren, und den Weg zum Aufbau einer Gesellschaft öffnen, in der alle zum Gemeinwohl beitragen können. Christen und Muslime können in Harmonie Zusammenleben und ihre Solidarität füreinander in all den Freuden, Sorgen und Herausforderungen zeigen, die das Leben einer Ortsgemeinde kennzeichnen. Wie die Erfahrung in vielen Teilen der Welt zeigt, müssen religiöse Unterschiede an sich nicht unbedingt das Zusammenleben stören. Tatsächlich können Christen und Muslime in Tansania Partner sein beim Aufbau einer Gesellschaft, die gestaltet ist nach den von Gott gelehrten Werten der Toleranz, der Gerechtigkeit, des Friedens und der Sorge für die Ärmsten und Schwächsten. Mögen beide Religionen eng Zusammenarbeiten, um sicherzustellen, daß diese Werte und das Recht auf religiöse Freiheit in das bürgerliche Recht auf-genommmen werden, damit auf diese Weise eine echte Gleichheit unter allen Bürgern Tansanias gewährleistet ist. <464> <464> Allen, die heute hier anwesend sind, bringe ich meinen von innigem Gebet begleiteten herzlichen Wunsch zum Ausdruck, daß die Zukunft Tansanias und ganz Afrikas vom Glauben an Gott und nicht vom Unglauben geprägt werde. Viele in der modernen Welt entscheiden sich zum Schaden der Menschheit dafür, die Kraft des religiösen Glaubens bei der Gestaltung der Geschichte und der Kultur zu ignorieren. Mögen wir, liebe Freunde, die wir es anders wissen, immer nach Frieden und nicht nach Konflikt, nach gegenseitiger Achtung und Verständigung und nicht nach Polemik streben, wenn wir Zeugnis für das transzendente Geheimnis ablegen, das nach dem Urteil unseres Gewissens die einzige Antwort auf die tiefsten Sehnsüchte des menschlichen Herzens ist. Gott segne Sie alle! 580 REISEN Priester: Verkünder des Wortes und Verwalter der Sakramente Predigt bei der Priesterweihe in Dar es Salaam (Tansania) am 2. September Jesus sagt: „Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10,11). Liebe Brüder und Schwestern in Christus, liebe Söhne und Töchter! Gelobt sei Jesus Christus! 1. Es ist mir eine Freude, hier bei euch zu sein. Wir sind heute in Dar es Salaam zusammengekommen, um die Eucharistie zu feiern, die das Sakrament der Einheit, der einen Herde Jesu Christi, unseres Herrn und Erlösers, ist. Jesus weilt mitten unter uns! Wir vernehmen seine Worte, die Worte des ewigen Lebens (vgl. Joh 6,68) und empfangen seinen Leib und sein Blut, die am Kreuz zur Vergebung unserer Sünden hingegeben wurden. Ja, der Herr ist in unserer Mitte - der gute Hirt, der sein Leben für seine Schafe hingibt! Der Papst, der Nachfolger des Apostels Petras, ist nach Tansania gekommen, um mit euch zu beten und euch in eurem katholischen Glauben zu stärken, und auch, um mit allen Bewohnern dieses großen und schönen Landes ein geistliches Gespräch aufzunehmen. Ich begrüße die Glieder der Kirche in Tansania sehr herzlich! Mein besonderer Graß gilt Kardinal Lau-rean Rugambwa und Erzbischof Polycarp Pengo von der Erzdiözese Dar es Salaam sowie meinen bischöflichen Mitbrüdem der Diözese Arasha, Dodoma, Mahenge, Mbulu, Moro-goro, Moshi, Same, Tanga und Sansibar. Ich begrüße die Priester und Ordensleute aus ganz Tansania, die eure Führer auf dem Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sind. Auch versichere ich die bürgerlichen Behörden, die bei dieser Messe anwesend sind, sowie alle, die auf irgendeine Weise an der Planung meines Pastoralbesuchs in eurem Land und an seiner Vorbereitung teilgenommen haben, meiner tiefen Dankbarkeit und meiner Hochachtung. Mein Gruß gilt in besondererWeise den Weihekandidaten. Diese jungen Männer wurden aus ihren Familien und Pfarreien berufen, um Christus, dem ewigen Hohenpriester, gleichgestaltet zu werden, damit auch sie Hirten seines Volkes, Verkünder seines Wortes und Verwalter seiner Sakramente seien (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28). Jesus läßt sie an seinem eigenen Priestertum teilhaben, damit sie an seiner Stelle in der eucharistischen Liturgie das Opfer des Neuen Bundes darbringen, das Amt der Sündenvergebung ausüben und allen Gläubigen helfen, in Heiligkeit und Frieden zu leben, der Berufung entsprechend, die jeder als Glied des mystischen Leibes Christi, der Kirche, empfangen hat (vgl. ebd.). 2. In der ersten Lesung des heutigen Tages teilt Gott dem Propheten Jeremia mit, daß seine Berufung schon vor seiner Geburt ein Teil des göttlichen Planes war: „Das Wort des Herrn erging an mich: Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt“ (Jer 1,4-5). 581 REISEN Diese Worte erinnern uns daran, daß jeder Mensch im Plan Gottes seinen Platz hat und daß jeder von uns im Gebet sorgsam auf die Stimme Gottes hören sollte, um den besonderen Ruf wahrzunehmen, den wir in Christus empfangen haben. Auch auf viele andere Weisen erfahren wir Gottes Willen: durch wichtige Ereignisse in unserem Leben, durch das Beispiel und die Weisheit anderer und durch das im Gebet gereifte Urteil der Kirche. Unter all diesen Kanälen der Gnade Gottes nimmt die Familie bei der Förderung der christlichen Berufung ihrer Mitglieder einen besonderen Platz ein. Jede christliche Familie ist auf sehr konkrete Weise eine „Schule Christi“, ein Ort, wo die Kinder zuerst Gott kennen und lieben lernen, wo sie lernen, sein Wort zu befolgen und auf seinen Ruf zu antworten. In Familien, in denen der „Geist des Glaubens, der Liebe und der Frömmigkeit“ (Optatam totius, Nr. 2) lebt, kann das Licht des Glaubens das ganze Leben der Kinder erhellen und der Same der Berufung die Nahrung empfangen, deren er zu seinem Wachstum und Aufblühen bedarf. Der Papst möchte heute den christlichen Familien Tansanias seine Achtung aussprechen. Euch alle versichere ich der hohen Achtung der Kirche für die Annahme der Berufung, die ihr von Gott empfangen habt. Bei dieser Weihemesse spreche ich auch den Eltern der Weihekandidaten meine Dankbarkeit aus. Im Elternhaus, das ihr geschaffen habt, haben diese jungen Männer zuerst das Geheimnis der Liebe Gottes entdeckt. Ich bete dafür, daß euer Heim stets von der Wärme und Freude dieser Liebe erfüllt sei! 3. Liebe Freunde: wir wollen über die vielen konkreten Weisen nachdenken, auf die die christliche Berufung und insbesondere die Priesterberufung von den katholischen Familien gefördert werden kann. Die Familien sind in erster Linie Schulen des Gebets. Ein vom Gebet gekennzeichnetes Elternhaus wird den Kindern Tag für Tag einen lebendigen Sinn für die Notwendigkeit einflößen, sich jederzeit vertrauensvoll an Gott zu wenden, ganz besonders dann, wenn die unvermeidlichen Schwierigkeiten und Versuchungen des Lebens auftreten. Wie wichtig ist diese Lehre für alle, die Priester werden! Da der Priester andere beten lehren muß - sowohl als einzelne als auch in liturgischer Gemeinschaft -, muß er selbst ein Mann tiefen Gebetes und geistlicher Reife sein. Die Familien sind auch Schule der Treue und Liebe. Im Ehesakrament wird die bei der Hochzeit versprochene Treue von Mann und Frau und die Erziehung der Kinder zu einem echten Zeichen für die immerwährende Treue Christi zu seiner Kirche. Der Priester wiederum ist dazu berufen, als Zeichen seiner Weihe an Christus und seines Dienstes für die Kirche in Treue ein eheloses Lebenzu führen. Er kann zuerst von seinen Eltern den Sinn einer lebenslangen Treue zum Ruf Gottes lernen und so deren Wert erfassen, denn dort, wo die eheliche Treue hoch eingeschätzt wird, wird der Priester seine Berufung und deren Erfordernisse umso höher einschätzen. Auf ähnliche Weise macht die von Liebe und Opfern erfüllte Beziehung, die Eltern und Kinder verbindet, die Familie zu einer Schule des Gehorsams und des Vertrauens. Diese Tugenden, die man oft in den ersten Lebensjahren erlernt, sind für das Leben und das Amt des Priesters von höchster Bedeutung, da er oft der Notwendigkeit gegenüberstehen wird, seinen Willen frei den Entscheidungen und dem Urteil seiner Vorgesetzten zu unterwerfen, um des Evangeliums willen und für das Wohl der kirchlichen Gemeinschaft. Die Familien sind schließlich Schulen des Erbarmens. Der Priester ist berufen, als Verwalter der Sakramente Spender des göttlichen Erbarmens zu sein, und das ganz besonders bei seiner 582 REISEN bereitwilligen und einfühlsamen Begegnung mit den Seelen im Bußsakrament. Wenn er in einer von Liebe getragenen christlichen Familie aufgewachsen ist, wird er die Bedeutung des Erbarmens von seinen Eltern und besonders dank des im Familienleben zum Ausdruck gebrachten Erbarmens und gegenseitigen Verzeihens gelernt haben. Lernen wir etwa nicht durch das Erbarmen, das uns zuteil geworden ist, was es heißt, barmherzig zu sein? Wie wir umsonst in Christus von Gott, „der voll Erbarmen ist“ (Eph 2,4), Vergebung und neues Leben empfangen, so müssen auch wir diese Gaben großmütig mit anderen teilen. 4. Nun ein besonderes Wort an die Weihekandidaten. Liebe junge Brüder im Herrn: Wie oft habt ihr die Worte des hl. Paulus vernommen, die in der zweiten Lesung der heutigen Messe vorgetragen werden! Der Apostel sagt: „Wir verkündigen nämlich nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber als eure Knechte um Jesu willen“ (2 Kor 4,5). Nehmt euch diese Worte als Programm für euer Leben und Wirken zu Herzen! Ja, „wir verkündigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus“! Er ist der Herr, und wir sind seine unwürdigen Diener. Letzten Endes gilt, was der hl. Paulus sagt: „Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen; so wird deutlich, daß das Übermaß der Kraft von Gott und nicht von uns kommt“ (ebd. 4,7). Diese Worte sollten jeden von euch mit tiefer Demut erfüllen, wenn ihr bedenkt, daß ihr dieses Amt nur „durch Gottes Erbarmen“ (ebd. 4,1) empfangen habt. Alle Christen sind dazu bemfen, der Sünde und Selbstsucht zu sterben und demütig gemäß der Berufung zu leben, die Gott ihnen gegeben hat. Gilt das nicht umso mehr für jene, die zu „Verwaltern von Geheimnissen Gottes“ (1 Kor 4,1) bestellt sind? Und wie alle Jünger müßt ihr klar zum Ausdruck bringen, daß ihr gelernt habt, Gottes Willen über eure Wünsche zu stellen und euch hochherzig dem Dienst an euren Brüdern und Schwestern, insbesondere der schwachen und armen unter ihnen hinzugeben. <465> <465> Jesus sagt: „Ich gebe mein Leben hin für die Schafe. Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Stall sind; auch sie muß ich führen, und sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten“ (loh 10,15-16). Liebe Söhne: Die eine Herde, von der Jesus spricht, ist die Kirche, die Versammlung jener Männer und Frauen aller Zeiten, die von Gottes Wort zusammengeführt und vom Blut des Lammes geheiligt wurden. Die kleine Gruppe von Jüngern, die mit Maria, der Mutter Jesu, zu Pfingsten im Obergemach versammelt waren, war der Anfang dieser Herde. Dank des ständigen Schutzes und der Gebete Marias, der Mutter der Kirche, wird diese Herde weiterhin in aller Welt wachsen und das Licht Christi zu allen Völkern tragen, bis ans Ende der Zeiten. Durch die Gnade Gottes wurdet ihr berufen, diese Herde zu versammeln und zu nähren. Durch das Sakrament gestärkt, das ihr nun empfangt, werdet ihr in die Welt hinaus gesandt werden, um allen, denen ihr begegnet, die Botschaft des Evangeliums, eine Botschaft des Friedens und der Versöhnung mitzuteilen. Dies ist eure erhabene Berufung als Diener Jesu Christi, des guten Hirten! Ich wiederhole heute die Worte, die der Herr an Jeremia gerichtet hat: „Fürchte dich nicht“ (/er 1,8). Ja, fürchtet euch nicht, denn ihr habt das Versprechen des Herrn vernommen: „Ich bin mit dir, um dich zu retten... Hiermit lege ich meine Worte in deinen Mund“ (ebd., 8-9)! 583 REISEN Durch die Macht seines Geistes „ist er in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi“ (2 Kot 4,6). Mögt ihr als Verwalter der Gnade Gottes in der Kirche nach seinem Bild wachsen, denn in ihm wohnt die ganze Fülle Gottes (vgl. Kol 2,9). Ein „anderer Christus“ sein, kommt nicht einem menschlichen Ehrentitel gleich, sondern ist eine Verpflichtung, wie der zu sein, der „nicht gekommen [ist], um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28). Möge der allmächtige Gott euch helfen, voll und ganz die erhabene Berufung zu leben, die er euch in Christus geschenkt hat! Auf euch, liebe Brüder, und auf alle hier Anwesenden rufe ich den reichsten Segen des allmächtigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes herab. Amen. Schütze das tansanische Volk Gebet in Dar es Salaam (Tansania) am 2. September Liebe Brüder und Schwestern, am Ende dieser festlichen Liturgiefeier wenden wir uns an die heilige Jungfrau Maria, die Mutter des Erlösers, um euer Land aufs neue ihrer mütterlichen Sorge zu weihen. Heilige Maria, Mutter der Kirche, Mutter der ganzen Menschheit, ich, Johannes Paul II., Nachfolger des Apostels Petrus, vertraue das Volk von Tansania deinem liebenden Schutz an. Als deine treuen Söhne und Töchter erneuern sie als Volk, als jugendliche Nation auf diesem hoffnungsvollen Kontinent, ihre Weihe an dich. Auf ihre gegenwärtigen und zukünftigen berechtigten Hoffnungen und Bestrebungen rufe ich deine mächtige Fürsprache als Mutter unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus herab. Mutter der Heiligen Familie in Nazaret! Du bist auch die Mutter der „Hauskirche“. Ich flehe um deine Hilfe für die Familien deines dir ergebenen tansanischen Volkes. Tröste sie in ihren Leiden, und stärke sie mit Licht, der Freude, der Heiterkeit und des Mutes, die dein Familienleben mit Jesus und Josef kennzeichneten. Heilige Maria, Mutter Gottes, inständig vertraue ich dir das Leben der Kirche in Tansania an. Deiner Sorge empfehle ich jede der Ortskirchen, damit sie, von ihren Hirten im Heiligen Geist durch das Evangelium und die Eucharistie zusammengebracht, wirklich die Gegenwart der einen heiligen, katholischen und apostolischen Kirche Christi widerspiegeln. Stehe in deiner mütterlichen Liebe den Bischöfen, Priestern und Ordensleuten bei, daß sie hochherzig und ganz die Berufung leben, die sie im Herzen der Kirche empfangen haben, um dem Volke Gottes zu dienen und für die Wahrheiten und die moralischen Forderungen des Königtums Christi Zeugnis zu geben. Gedenke besonders derer, die heute zu Priestern geweiht wurden, damit sie würdige Diener und Boten des Evangeliums seien. Königin des Friedens! Höre die Gebete des dir ergebenen tansanischen Volkes um Frieden und Eintracht in ihrem Land und in ganz Afrika. Lehre sie die Wege der Vergebung und Ver- 584 REISEN söhnung in ihren Familien und im sozialen und politischen Leben. Mögen alle Tansanier es verstehen, einander in gegenseitiger Achtung und gegenseitigem Vertrauen anzunehmen und unermüdlich für die Entwicklung ihres Landes in allumfassender Gerechtigkeit und Solidarität arbeiten. Maria, unsere Mutter, nimm diesen Akt der Hingabe an und erlange uns, um was wir bitten, vom Herzen deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus. Amen. Viele leiden unter der Hoffnungslosigkeit Predigt bei der Eucharistiefeier in Songea (Tansania) am 3. September Jesus sagt: „Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit“ (Joh 14,16-17). Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Jesus sprach diese Worte im Abendmahlssaal kurz vor seiner Passion und seinem Tod am Kreuz. Er richtete sie unmittelbar an die Apostel: er versprach ihnen, ihnen nach seinem Verlassen der Erde einen „anderen Beistand“ zu senden, den „Geist der Wahrheit“. Jesus selbst mußte fortgehen: nach der Auferstehung kehrte er zu seinem Vater zurück. Doch der Heilige Geist kam; er kam auf die Apostel herab, sichtbar, an Pfingsten, im gleichen Abendmahlssaal in Jerusalem. Der Geist der Wahrheit befähigte die Apostel, Zeugen der Wahrheit zu werden, Verkünder Jesu Christi an die Welt. So bedeutet Pfingsten den Beginn der Verbreitung des Evangeliums. Und wie das Evangelium in allen Teilen der Erde gepredigt wurde, so verbreitete sich auch die Kirche überall in der Welt: sie kam nach Afrika, nach Tansania, nach Songea. Im Heiligen Geist war der Herr bei den Aposteln nach seiner Himmelfahrt und ist „für immer“ bei der Kirche, bis zum Ende der Zeit. Diese große Versammlung heute hier in Songea bezeugt die ständige Anwesenheit dieses Geistes der Wahrheit: „Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird“ (Joh 14,17). <466> <467> <468> <466> Ich freue mich über diese Tatsache, und möchte euch allen heute für das herzliche Will- kommen hier danken. Ich danke Erzbischof Jakob Komba für seine freundlichen Ein-führungsworte. Ich begrüße alle meine hier versammelten Brüder im Bischofsamt, alle Priester, Missionare, Ordensmänner und Ordensfrauen, die Katecheten und alle Glieder der Kirche in Songea und den Diözesen Iringa, Lindi, Mbeya, Mbinga, Mtwara, Njombe und Tunduru-Masasi. Der ganzen eucharistischen Versammlung wiederhole ich die Worte der ersten Lesung: „In eurem Herzen herrsche der Friede Christi, dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes“ (Kol 3,15). In christlicher Verbundenheit begrüße ich die Vertreter anderer christlicher Gemeinschaften von Tansania. Möge es immer gegenseitige Achtung und tatkräftige Zusammenarbeit unter allen geben, die den Namen Jesu, unseres Herrn und Erlösers, bekennen. Den Anhängern des 585 REISEN islamischen Glaubens biete ich Freundschaft und Liebe an. Als an einen barmherzigen Gott Glaubende müssen wir Beziehungen aufbauen, die von Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und gegenseitigem Respekt geleitet sind. Ich begrüße weiterhin die Anhänger traditioneller und anderer Religionen und danke ihnen für ihre Anwesenheit in dieser Versammlung. Meine Anerkennung gilt auch den zivilen Autoritäten, die an der besonderen Freude der katholischen Gemeinschaft teilnehmen wollten. Ich danke euch für all das, was ihr zur Vorbereitung dieser Feier getan habt. Gott helfe euch in eurem Dienst, die Bedürfnisse eurer Mitbürger zu erfüllen und euer Land auf dem Weg des Friedens und echter Entwicklung zu führen. 3. Dies ist meine besondere Zusammenkunft mit den Jugendlichen von Tansania, die ich in Jesus, unserem Herrn, in Liebe grüße. Die Worte der Verheißung, die der Herr den Aposteln gab, sind auch an euch junge Christen gerichtet, die ihr einen so großen Teil dieser Versammlung ausmacht. Das ist auch für mich, den Bischof von Rom und Nachfolger Petri, ein besonderer Augenblick der Gnade. Der Vater der Barmherzigkeit gibt mir die Gelegenheit, dieser Gemeinschaft eine einzigartige Gabe zu übermitteln: die Gabe des Heiligen Geistes durch das Sakrament der Firmung, das viele junge Männer und Frauen bei dieser Feier empfangen werden. Der apostolischen Tradition folgend, werde ich euch mit dem Heiligen Geist firmen. Ich möchte dabei mit euch und allen jungen Katholiken von Tansania über die Berufung und Sendung in der Kirche und in der Gesellschaft nachdenken. Durch die Taufe habt ihr bereits den Heiligen Geist empfangen. Durch die Firmung werdet ihr von dem selben Geist gestärkt zu einem verantwortlicheren und öffentlichen Bekenntnis des Glaubens an Jesus Christus. 4. Liebe Jugendliche, das Sakrament der Firmung stärkt euch in eurem Einsatz für Christus und macht euch zu seinen Zeugen vor der Welt. Durch die Salbung mit Chrisam werdet ihr mit dem Heiligen Geist gesiegelt, um das Christenleben, das ihr bereits bei der Taufe erhalten habt, und das ihr durch den Glauben in der Kirche und durch sie gelebt habt, zu stärken und zur Reife zu bringen. Ihr verpflichtet euch zu größerer Entschlossenheit und Verantwortung im christlichen Leben, in der Befolgung der Botschaft des Evangeliums. Für euch bedeutet dieses Sakrament eine erhöhte Verantwortung für den Glauben, den ihr bei der Taufe erhalten habt; für Gott bedeutet es das Ausgießen des Heiligen Geistes, die Erfüllung mit Gnade, eine besondere Hilfe, um in einer reiferen Art euren Glauben zu leben. Das „neue Leben“, das ihr bei der Taufe empfangen habt, wird nun das „eure“ in einer lebendigeren und persönlicheren Weise. Christus rechnet nun mit euch; ihr sollt seine Zeugen sein, besonders für eure eigene Generation, für die Jugend Afrikas. Er sendet euch, sein Reich der Gerechtigkeit, des Friedens und der Liebe unter euren Brüdern und Schwestern aufzubauen. Er bestärkt euch darin, euren rechtmäßigen Platz in der Sendung der Kirche einzunehmen und die Botschaft des Evangeliums, der Wahrheit und des Lebens in allen Teilen der Gesellschaft zu verbreiten. <469> <469> Die heutige Lesung aus dem Brief an die Galater bezeugt eindeutig die große Anforderung Christi an die, die ihm folgen: „Laßt euch vom Geist leiten, dann werdet ihr das Begehren des 586 REISEN Fleisches nicht erfüllen. Denn das Begehren des Fleisches richtet sich gegen den Geist“ (Gal 5,16). Natürlich ist es nicht einfach für Menschen, vor allem für junge Menschen, aufopfernd und großzügig zu sein, wenn sie ringsum so viel Armut und Leiden und so viele Fälle von Nachlässigkeit und Ungerechtigkeit sehen. Nach der errungenen Unabhängigkeit blickten viele Entwicklungsländer optimistisch in die Zukunft und nun müssen sie feststellen, daß ihre Hoffnungen auf Entwicklung heute sehr weit von der Verwirklichung entfernt zu sein scheinen (vgl. Sollicitudo lei socialis, Nr. 12). Das Fehlschlagen der Entwicklung zeigt sich im fortwährenden Hunger und in der Unterernährung, in der mißlichen Lage der Flüchtlinge, in der Auslieferung an Krankheiten und im Mangel an einer auch nur grundlegenden Gesundheitsfürsorge. Es kann auch in den geringen Ausbildungsmöglichkeiten, im Fehlen angemessener Lebensbedingungen und produktiver Beschäftigung gesehen werden und ferner in unfairem Stellungswettbewerb, in Kriminalität, Korruption und dem in vielen Gesellschaftsschichten vorhandenen skrupellosen Ehrgeiz. Wie viele Jugendliche in Afrika leiden schwer unter der Hoffnungslosigkeit, die ihre Zukunft beschattet! 6. In vielen Fällen spiegelt die Welt in ihren menschlichen und geistigen Dimensionen das Chaos des Ursprungs wider, das in den ersten Worten des Buches Genesis erwähnt wird: „die Erde aber war wüst und wirr, Finsternis lag über der Urflut“ (Gen 1,2). Dieses biblische Bild ist eine gute Darstellung der wirklichen Schwierigkeiten und der Frustrationen, die das tägliche Leben von Millionen unserer Brüder und Schwestern begleiten. Doch das Buch Genesis sagt weiter: „Gottes Geist schwebte über dem Wasser“ (ebd.). Das letzte Wort bedeutet nicht Leiden und Hoffnungslosigkeit, sondern Liebe und Sieg über die Sünde. Die Zukunftsaussichten vieler junger Afrikaner können entmutigend aussehen, müssen es aber nicht. Viele Entwicklungsprobleme, auch die schwierigsten, können gelöst werden, wenn sich eine neue Einstellung bildet, die dem egoistischen Profitstreben und der Machtgier genau entgegensteht (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). Das, was die Völker der entwickelten und sich entwickelnden Nationen brauchen, ist eine Solidaritätsbereitschaft, die auf das Wohl aller zustrebt. Die Einstellungsänderung, die die Welt so dringend benötigt, wird nicht durch ideologische Spannungen oder gesellschaftliche Konflikte erreicht. Sie ist vielmehr das Ergebnis der menschlichen Bekehrung von selbstsüchtigem Begehren zur Liebe. Die Liebe, von der wir sprechen, bedeutet auch eine tiefe Achtung vor der Würde jedes Menschen, ohne jegliche Diskriminierung und wirksamen Dienst für die anderen. Junge Freunde, schaut um euch—auf eure Eltern, eure Priester, die Ordensschwestern und -brüder - und ihr werdet viele leuchtende Beispiele evangelischer Liebe erblicken. Nach christlicher Auffassung ist nur eine Ausgießung des Heiligen Geistes stark genug, um eine „Zivilisation der Liebe“ zu bewirken. Darum ist das Sakrament der Firmung so wichtig für die wirklichen Probleme des Lebens. Darum haben die, die im Sakrament der Firmung mit dem Heiligen Geist gesiegelt wurden, so viel mit den anderen zu teilen. „Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung ... Alle, die zu Christus Jesus gehören, haben das Fleisch und damit ihre Leidenschaften und Begierden gekreuzigt“ (Gal 5,22.24). Sind die Jugend- 587 REISEN liehen von Tansania zu dieser Umwandlung des Herzens bereit? Sind alle Christen dieses Landes dazu bereit, mit Christus und in Christus sich am Aufbau eures Landes und eures Kontinents in Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe zu beteiligen? „Wenn wir aus dem Geist leben, dann wollen wir dem Geist auch folgen“ (Gal 5,25). 7. In der heutigen Messe haben wir mehrmals als Psalmworte wiederholt: „Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden, inmitten der Gemeinde dich preisen“ (Ps 22,23). Diese Worte sprechen von eurer Sendung in der Kirche. Durch die Firmung fordert Christus euch auf, gleich den Aposteln seine Zeugen vor der Gemeinschaft und vor der Welt zu sein. Was dazu notwendig ist, besteht darin, ihn zu lieben und seine Gebote zu halten (vgl. Joh 14,15). Dann werdet ihr in der Wahrheit leben, und die Wahrheit wird die Machenschaften des Bösen und die Quellen, aus denen es entspringt, aufdecken. Durch eure Zusammenarbeit werdet ihr die Welt um euch her schrittweise verändern und sie menschlicher, brüderlicher, göttlicher werden lassen. Der Heilige Geist wird euch führen, um die innere Wahrheit der Botschaft des Evangeliums nach außen kundzutun, eine Botschaft, die einer natürlichen, menschlichen Entwicklung nicht entgegensteht, sondern vielmehr der Pilgerschaft der menschlichen Familie auf Erden Licht und Stütze gibt. Liebe Brüder und Schwestern, legt bei der liturgischen Feier der Sakramente, bei eurem Familiengebet, bei all dem, was ihr tut und sagt, mutig Zeugnis ab für Jesus Christus, für Christus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, für den, der mild und demütig von Herzen ist, für den, der die Welt besiegt hat, für den, der war, der ist und der kommen wird. Möge es nie am Zeugnis eurer guten Taten fehlen, damit jede neue Generation in Tansania und in ganz Afrika die freudige Gute Nachricht von der Rettung in unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus hört. Amen. Jesus ist immer den Kranken nahe Ansprache bei der Segnung der Kranken in Mwanza (Tansania) am 3. September Lieber Erzbischof Anthony Mayala, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Meine Pilgerfahrt zur Kirche in Tansania führt mich heute nach Mwanza! Während ich Herrn Erzbischof Anthony Mayala und meine Brüder im Bischofsamt herzlich begrüße, danke ich zugleich der Heiligsten Dreifaltigkeit für die Gabe dieses Treffens. Mit großer Liebe im Herrn begrüße ich die Priester, Ordensleute und Laien der Erzdiözese Mwanza und ihrer Suffraganbistümer. Ich bitte inständig Gott, unseren Vater, und den Herrn Jesus Christus, daß sie Gnade und Frieden über euch kommen lassen (vgl. Phil 1,2). Wir sind in dieser Kathedrale, die der Epiphanie des Herrn geweiht ist, zum Gebet versammelt. Der Stern, der die weisen Männer aus dem Osten zum Besuch des Jesuskindes führte, war ein Zeichen dafür, daß Gott die Menschen aller Zeiten und aller Orte durch seinen Sohn 588 REISEN zur Rettung führen will. Nach Gottes Vorsehung war das Evangelium Jesu Christi dazu bestimmt, vor über hundert Jahren durch eine kleine aber eifrige Gruppe von Weißen Vätern in das Gebiet des Viktoriasees gebracht zu werden. Heute abend sind wir vereint, um Gott zu danken, daß die Saat, die die ersten Missionare gepflanzt haben, gewachsen und aufgeblüht ist. Mit Hilfe der apostolischen Arbeit der Missionare vieler Länder und der wachsenden Anzahl der einheimischen Priester und Ordensleute und mit den großzügigen und engagierten Laien, seid ihr Zeugen des Wachstums der Kirche in der Erzdiözese Mwanza, und den Diözesen Bukoba, Geita, Musoma, Rulenge und Shinyanga. 2. Während ich heute abend mit besonderer Zuneigung unserer älteren und kranken Brüder und Schwestern des „Bugando Medical Center“ begrüße, wenden sich meine Gedanken an all diejenigen in Tansania, die an geistiger oder körperlicher Krankheit leiden. Liebe Freunde, im Evangelium, das wir gerade gehört haben, erzählt uns der hl. Markus, daß immer, wenn Jesus vorbeikam, die Menschen die Kranken auf Tragbahren zu ihm brachten, damit sie ihn berühren konnten und geheilt wurden (vgl. Mk 6,55-56). Es ist eindeutig, daß Jesus die Kranken besonders liebte. Wie oft lesen wir im Evangelium, daß er mit den Kranken und Leidenden Mitleid hatte (vgl. Mk 1,41). Wie oft berührte er sie (vgl. Mt 20,34), wie oft heilte er ihre Krankheiten und gab ihnen neue Hoffnung durch die Vergebung ihrer Sünden (vgl. Mk 2,1-12). Jesus ist immer noch den Kranken nahe! Er ist jedem von euch in seinem Leid nahe. Er ist neben euch, wenn ihr einsam und ängstlich seid, und wenn ihr glaubt, daß niemand euer Leid versteht. Und er steht besonders den Sterbenden und den von einer unheilbaren Krankheit Befallenen bei. Jesus ist euch nahe, denn auch er hat gelitten. Im Garten von Getsemani erfuhr er Furcht und tiefe Angst, als er sein äußerstes Opfer vor Augen hatte (vgl. Mt 26,38-39). Seine Hände und seine Seite tragen noch die Zeichen seines Leidens und seines Todes (vgl. Joh 20,20). Der Sohn Gottes wurde Mensch und weilte unter uns, um vollkommen das Leben mit uns zu teilen — in allem wurde er uns gleich, außer der Sünde (vgl. Hebr 4,15) —, um uns so vor der Sünde und deren Lohn, dem Tod, zu bewahren (vgl. Röm 6,23). Jesus wich dem Mysterium menschlichen Leidens nicht aus. Er nahm das Leiden an, und in seiner Passion, seinem Tod und seiner Auferstehung öffnete er uns den Weg der Hoffnung und nie endender Glorie. Das Paradox des Kreuzes besteht darin, daß Gottes rettende Macht im menschlichen Leiden offenbar geworden ist: Gottes Stärke wurde in menschlicher Schwäche offenbart; Gottes Herrlichkeit wurde im zugrundegerichteten Leib seines einzigen Sohnes offenbart. <470> <470> Durch die Taufe wurdet ihr mit Jesus verbunden im Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung zu neuem Leben (vgl. Röm 6,5), und ihr wurdet in die Welt ausgesandt, um seinen Sieg über Sünde und Tod zu bezeugen. In jedem Augenblick eures Lebens wünscht Jesus, daß ihr den Bund mit ihm in Glauben und Liebe vertieft und immer mehr an seiner Gestalt und seinem Wesen teilhabt (vgl. Röm 8,29). In eurer Krankheit bittet er euch nun, in eurem eigenen Leib die siegende Kraft seiner Gnade zu offenbaren und der Welt „das Evangelium des Leidens“ zu verkünden: die Botschaft, daß mit der Passion Christi alles mensch- 589 REISEN liehe Leiden erlöst wurde und zum Zeugnis für die Hoffnung und Freude der Auferstehung werden kann (vgl. Salviftci doloris, Nr. 26). Fürchtet euch nicht davor, Jesus eure Krankheit als eine besondere Gnade benutzen zu lassen, um euch ihm anzugleichen in einer immer tieferen Bekehrung des Geistes und des Herzens. Durch eure Schwäche wird er euch helfen, an Weisheit, geistlicher Einsicht und Verstehen zu wachsen! Habt vor allem das Vertrauen, daß im Bund mit Christus eure Leiden geistige Früchte zum Wohl der Kirche und der ganzen Welt tragen werden. Unsere Gebete, unsere Leiden und das Gute, das wir tun, treffen den ganzen mystischen Leib Christi und können in unvorstellbarer Weise Gutes hervorrufen. Dieses Geheimnis ließ den hl. Paulus ausrufen: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1,24). 4. Liebe Brüder und Schwestern: die Kirche verkündet ihren Glauben an Jesus Christus nicht nur in ihren Gebeten und Sakramenten, sondern auch im Leben ihrer leidenden Mitglieder. Mit eurer treuen Bezeugung der Macht des Kreuzes seid ihr ein lebendiges Beispiel dafür, daß „weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Gewalten der Höhe und Tiefe noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (vgl. Röm 8,38-39). Gottes große Liebe spiegelt sich auch in den Taten derjenigen wider, die Christus, den barmherzigen Samariter nachahmen durch ihren Dienst an ihren leidenden Brüdern und Schwestern. Erfüllt euren schwierigen Dienst stets mit Freundlichkeit, fachgemäß und in selbstloser Hingabe. Die Kranken brauchen eure Sorge und Hilfe; aber sie müssen auch wissen, daß ihr sie achtet und hochschätzt. Sie müssen wissen, daß ihre Krankheit, wie schwer diese auch sei, sie in euren Augen nicht erniedrigt, sondern sie euch noch kostbarer macht und eurem Herzen noch näher bringt. Ich möchte allen von euch danken, die den Kranken im Bugando-Hos-pital und anderswo in Tansania beistehen, und ich rufe auf euch den Segen herab, den unser Herr den Barmherzigen verhieß (vgl. Mt 5,7). Ich vertraue alle hier in dieser Kathedrale Versammelten den Gebeten und der mütterlichen Fürsorge der heiligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche, die im Augenblick ihres größten Schmerzes am Fuße des Kreuzes stand, um ihren sterbenden Sohn zu trösten. Möge sie für euch und alle geliebten Menschen dieses Seen-Gebietes Fürbitte einlegen. Euch allen erteile ich gerne meinen Apostolischen Segen als Unterpfand der Kraft und des Friedens im Herrn Jesus Christus. Amen. 590 REISEN Verteidigung der Ehe: ein Dienst für die Gesellschaft Predigt bei der Eucharistiefeier im Mwanza (Tansania) am 4. September Jesus sagt: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Euch allen möchte ich meine Freude ausdrücken über diese Gelegenheit, die Eucharistie hier in der Seen-Region von Tansania feiern zu können. Ich danke Erzbischof Anthony Mayala für seine freundlichen Willkommensworte und ich grüße in Liebe meine Brüder im Bischofsamt und alle Priester, Ordensleute und Laien der Erzdiözese Mwanza und der Diözesen Bukoba, Geita, Musoma, Rulenge und Shinyanga. Mein herzlicher Gruß gilt auch eurer Regierung und den Politikern sowie den Vertretern anderer christlicher Gemeinschaften und anderer Religionen und allen Menschen guten Willens. Bei dieser Liturgie feiern wir in besonderer Weise die Heiligkeit des menschlichen Lebens. Das Geschenk des Lebens kommt von Gott, und seine Heiligkeit ist in der heiligen Institution der Ehe und in der Familie geoffenbart. Es paßt daher überaus gut, daß bei dieser Eucharistiefeier verheiratete Paare und Eltern ihr Eheversprechen erneuern und Kinder die erste heilige Kommunion empfangen. Auf diese Weise ist die ganze Familie vertreten, wenn die Kirche „kostet, wie gütig der Herr ist“ (vgl. Ps 34,9) und im Angesicht Gottes in Treue und Liebe gestärkt wird. <471> <472> <471> „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Das ist das Gebot Jesu an seine Jünger aller Zeiten und an allen Orten! Das ist sein Gebot an euch, die Christen der Seen-Region von Tansania! Die Worte des Herrn haben eine besondere Bedeutung für alle Verheirateten. Das Sakrament der Ehe heiligt die ausschließliche, treue und dauerhafte gegenseitige Liebe eines Ehemannes und einer Ehefrau vor Gott und der Kirche. Es ist Gottes Wille, daß es diese geheiligte Verbindung nur zwischen zwei Menschen gibt. Wenn ein Mann eine Frau heiratet, verpflichtet er sich, ihr und ihr allein seine Liebe zu schenken. Und sie ihrerseits verspricht ihm dasselbe. Bei der Feier dieses Sakramentes sagt ihr zueinander: „Ich verspreche, dir immer treu zu sein ... dich zu lieben und zu ehren alle Tage meines Lebens.“ Wenn diese Worte ausgesprochen sind, schlingt sich ein dauerhaftes Eheband um den Mann und die Frau. Dieser Ehebund ist aus seinem Wesen heraus heilig und unauflöslich. Von allem Anfang an, als Gott Mann und Frau erschuf, plante er, daß der Mann Vater und Mutter verlassen und eine Frau nehmen sollte und daß die beiden ein Fleisch werden sollten (vgl. Gen 2,24). Als Jesus sagte: „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (Mt 19,6), da bekräftigte er diese Wahrheit und lehrte, daß der Bruch des Ehebandes ein Verstoß gegen den Plan Gottes für das Leben und die Liebe des Menschen ist. Jesus machte die Ehe zu einem Sakrament des Neuen Bundes. Wenn zwei getaufte Menschen eine Ehe eingehen, wird ihre treue und lebenslange Liebe zu einem wirksamen und gnadenerfüllten Zeichen der Liebe Christi selbst, jener größeren Liebe, von der Jesus vor seinem Leiden sagte: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hin- 591 REISEN gibt“ (Joh 15,13). Durch die Gnade des Ehesakraments wird die Liebe christlicher Ehepaare zum Spiegel der immerwährenden Liebe des Herrn zu seiner Braut, der Kirche. Liebe Ehepaare, wenn ihr euer Ehegelübde erneuert, dann erneuert ihr eure Verpflichtung, die heilige, selbstlose und treue Liebe miteinander zu teilen, die Christus für die ganze Menschheit bewiesen hat, als er am Kreuze starb. Deswegen ist die Erneuerung eurer Eheversprechen ein heiliger Akt. Das Sakrament der Ehe ist eine Quelle der Gnade; sie wird euch - zusammen mit der Gnade eurer Taufe und eurer Firmung und der Kraft, die aus der Eucharistie kommt - Tag für Tag in die Lage versetzen, Opfer füreinander auf euch zu nehmen, trotz aller Schwierigkeiten, Prüfungen und Versuchungen treu zu bleiben und auf jede Weise die Anforderungen eurer Berufung als christliche Eheleute zu erfüllen. 3. Aus ihrem Wesen heraus ist die Ehe auch der Ursprung der Familie, der Wiege der Liebe der menschlichen Gesellschaft. Ehe, Familie und Gesellschaft sind untereinander in Beziehung stehende Teile des Planes Gottes für die Welt. Als Basiseinheit der Gesellschaft ist der Familie vom Schöpfer die Aufgabe anvertraut worden, das Leben weiterzugeben, das Gebot zu erfüllen: „Seid fruchtbar, und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch“ (Gen 1,28), und dem Wachstum und der Reife der Menschheit zu dienen. Wenn die Kirche die Heiligkeit von Ehe und Familie verteidigt, ist sie damit nicht nur dem Willen und dem Plan Gottes treu, sondern sie leistet auch der Gesellschaft eine Wohltat, die sie braucht. Wo Ehe und Familie respektiert und geschützt werden, wird die ganze Gesellschaft stärker und menschlicher und wird dem Gemeinwohl besser gedient. Ehepaare und Familien brauchen Unterstützung und Ermutigung bei der Erfüllung ihrer heiligen Pflichten. Die Kirche möchte den Ehepaaren bei ihrem Bestreben helfen, in ihrem Zusammenleben den Willen Gottes zu tun. Sie möchte ihnen die Schätze der Weisheit und der Stärke zeigen, die Gott denen schenkt, die beten und die Sakramente empfangen. Und durch ihre Lehre und den Seelsorgedienst ihrer Priester und Ordensleute möchte sie den Familien helfen, in Übereinstimmung mit dem Plan Gottes in freudiger Gemeinschaft und gegenseitiger Hilfe zu leben. <473> <474> <473> Die Kirche lehrt, daß jeder Mensch, jede Frau und jedes Kind - ungeachtet der Rasse, des Geschlechts, der Religion oder der gesellschaftlichen Situation - nach dem Bilde Gottes geschaffen ist (vgl. Gen 1,26-27) und in den Augen Gottes unendlichen Wert besitzt. Aus diesem Grund muß die Würde einer jeden menschlichen Person vom Augenblick der Empfängnis an bis zum natürlichen Tod respektiert werden. Diese moralische Pflicht ist heute angesichts neuer Gefahren und Bedrohungen für das unschuldige Menschenleben und die Heiligkeit der Ehe, besonders dringlich geboten. Unter diese Bedrohungen schließe ich das „unaussprechliche Verbrechen“ der Abtreibung (vgl. Gaudium et spes, Nr. 51) und die Methoden der Geburtenkontrolle ein, die der Wahrheit widersprechen, daß die eheliche Liebe ein Geschenk ist, durch das Ehemann und Ehefrau zu Mitarbeitern Gottes bei der Weitergabe des Lebens an eine neue menschliche Person werden (vgl. Familiaris consortio, Nr. 14). Gehorsam dem Gebot des Herrn - „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12) - seid ihr, die Christen der Seen-Region, aufgefordert, über die Situation in eurem eigenen 592 REISEN Land nachzudenken. Finden die Alten, die Verwitweten, die Behinderten und die Einsamen bei euch das Verständnis und die Unterstützung, die sie brauchen? Wird die Menschenwürde jedes einzelnen immer respektiert? Oder ist sie bedroht durch Praktiken wie „uchawi“ oder Hexerei, die die Beteiligten in Formen der Versklavung und falsche Kulte führt? Und wenn auch viele echte und lobenswerte menschliche Werte mit traditionellen Heiratsgebräuchen wie „mahari“ (Brautpreis) verbunden sind - führen nicht Übertreibungen und Mißbräuche dieser Sitten zu Verhaltensweisen, unter denen der Wert und die Würde der Personen nur auf der Grundlage von Reichtum und Besitz beurteilt werden? Jeder von uns hat die fundamentale Pflicht, den anderen ein christlicher Nachbar zu sein, besonders den Armen, den Schwachen, den Leidenden und den Unterdrückten. Ich bete dämm, daß die katholischen Familien Tansanias immer leuchtende Beispiele der Liebe und der Sorge um andere sein mögen. Ich hoffe ernsthaft, daß sie die Geringsten ihrer Brüder und Schwestern aufnehmen, achten und ihnen dienen werden, denn sie wissen, daß jede menschliche Person ein Kind Gottes ist, in dem wir Christus selbst begegnen (vgl. Familiaris con-sortio, Nr. 64). 5. Liebe Brüder und Schwestern, diese Feier der Heiligkeit des menschlichen Lebens in Ehe und Familie wird noch bedeutungsvoller durch die Tatsache, daß heute hier Kinder zum ersten Mal zum Tisch des Herrn gehen - Kinder, die euch, den katholischen Eltern Tansanias, ihr Leben und ihre christliche Erziehung verdanken. Heute werden diese Kinder zum ersten Mal die größte der sakramentalen Gnaden empfangen. Durch den Empfang des Leibes und des Blutes unseres Herrn Jesus werden ihre Herzen mit der erlösenden Kraft seiner Liebe erfüllt, die er uns durch seinen Tod am Kreuz geoffenbart hat. Liebe junge Freunde, Jesus gibt euch dieses kostbare Geschenk, weil ihr Glieder seiner Familie, der Kirche, seid. Von euren Eltern und Lehrern habt ihr schon gelernt, Jesus zu lieben. Ihr wißt, daß er der Sohn Gottes ist, der euch eure Sünden vergibt und euch das Tor zum Himmel öffnet. Weil Jesus euch so sehr liebt, werdet ihr ihn aus eurem ganzen Herzen wieder lieben wollen. Heute bittet euch der Papst, Jesus immer nahe zu bleiben gemeinsam mit euren Brüdern und Schwestern in der Kirche bis zu dem Tag, an dem wir ihn von Angesicht zu Angesicht sehen mit Maria, unserer Mutter, und allen Heiligen in unserer himmlischen Heimat! <475> <475> Bei jeder Feier der Sakramente werden wir erneuert durch die Liebe des Vaters, die Liebe, die er bewies, als er uns seinen geliebten Sohn sandte. Heute bei dieser Messe bietet uns Jesus wieder das Geschenk seines Leibes und Blutes an, und er wiederholt für jeden von uns: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!“ (Joh 15,9). „Bleibt in meiner Liebe!“ Liebe fordert Treue. Sie fordert Beharrlichkeit, Gutes zu tun. Darum sagt Jesus: „Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe“ (Joh 15,10). Möge die Kraft dieser Liebe euch Hilfe und Ermutigung sein, liebe Eheleute und Eltern. Möge die Liebe unseres Herrn Jesus auch euch helfen, liebe Kinder, immer Freunde Jesu zu sein. Diese Liebe, diese treue Liebe, ist der Ursprung der Freude, die Quelle echten Glücks, sowohl hier auf Erden als auch in alle Ewigkeit. 593 REISEN Jesus sagt: „Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“ (Joh 15,11). Das ist es, was Jesus euch wünscht. Um das bittet die Kirche für euch durch die Gebete und das Dienstamt des Papstes und all eurer Bischöfe und Priester und durch das Beispiel und das Lehren der Ordensschwestern und der Katechisten. Liebt einander, damit eure Freude vollkommen wird. Amen. Niemand darf untätig abseits stehen Ansprache beim Wortgottesdienst in Tabora (Tansania) am 4. September Paulus schrieb an die Korinther: „Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus“ (J Kor 12,12). Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Heute ist der Nachfolger Petri nach Tabora gekommen, um sich mit euch unserer Gemeinschaft im Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist zu erfreuen. Als euer Bruder in Christus habe ich mich lange darauf gefreut, bei euch zu sein. Und jetzt fühle ich mich unter euch bereits zu Hause! Bei diesem freudvollen Anlaß ist es meine pastorale Pflicht, euch im Glauben zu bestärken, den ihr empfangen habt, und euch zu ermutigen in der Aufgabe, die Gute Nachricht vom Heil in Jesus Christus, unserem Herrn, zu verbreiten. In der Gemeinschaft des Geistes grüße ich euch alle. An erster Stelle grüße ich von Herzen Erzbischof Mario Mgulunde, dem ich für seine freundlichen Begrüßungsworte danke, sowie Erzbischof Marko Mihayo und alle Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien der Erzdiözese Tabora und der Diözesen Kahama, Kigoma, Singida und Sumbawanga. Mit besonderer Zuneigung grüße ich die jungen Männer, die sich am Seminar Sankt Paul in Kipalapala für das Priesteramt ausbilden. Mit Dankbarkeit und Hochachtung grüße ich die Vertreter der zivilen Behörden und die religiösen Führer, die uns an diesem Nachmittag mit ihrer Anwesenheit beehren. <476> <477> <476> Paulus erklärte den Mitgliedern der Kirche in Korinth, daß die vielen Charismen oder Geistesgaben, die sie empfangen hatten, eine Frucht des Heiligen Geistes sind, der „einem jeden ... seine besondere Gabe zujteilt], wie er will“ (J Kor 12,11). Wie der Gutsbesitzer im Gleichnis des Evangeliums (vgl. Mt 20,1-16) teilt Gott seine Gnade aus als Teil seines geheimnisvollen Planes zum Heil der Welt in Jesus, seinem Sohn (vgl. Eph 1,9-10). Alle unsere Gaben und Talente sind uns als anvertrautes Gut gegeben und müssen dazu gebraucht werden, unsere Brüder und Schwestern auf dem Weg des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu stärken. Jedem sind die Gaben des Geistes zum allgemeinen Wohl gegeben (vgl. 1 Kor 12,7). Einerseits ist das Volk Gottes mit einer Überfülle an Charismen und Gaben ausgestattet, die zur 594 REISEN Heiligkeit des Lebens und zum Zeugnis durch gute Werke führen. Andererseits gibt es in der Kirche auch eine reiche Vielfalt an Diensten, Ämtern und Rollen, die alle dazu beitragen, das Reich Christi der Gnade und des Friedens aufzubauen. Jeder Mensch hat seine Berufung und seinen Platz im Leib Christi. Niemand ist ausgeschlossen von der Arbeit im Weinberg des Herrn! 3. Das geweihte Dienstamt der Diakone, Priester und Bischöfe ist natürlich der Hauptkanal, durch den Christus fortfährt, seine Jünger auf dem Weg des Evangeliums zu lehren, zu leiten und zu heiligen. Das Zeugnis der Ordensmänner und Ordensfrauen verkündigt die Liebe und Sanftmut Christi, seine völlige Hingabe an den Willen des Vaters und seine innere Freiheit im Dienst an den seelischen und materiellen Bedürfnissen der anderen. Eure Ortskirchen haben gute und heiligmäßige Priester und Ordensleute nötig! Heute gibt es hier viele davon. Wir müssen unablässig für Berufungen beten, damit viele junge Männer und Frauen großherzig auf den Anruf des Herrn antworten. Die Laien aber haben eine unmittelbare Rolle zu spielen bei der Umwandlung der Welt, in der sie leben, indem sie ihren Glauben an den Realitäten des Alltagslebens zum Tragen bringen, so daß Familien, Gesellschaften und ganze Nationen im Geist der Seligpreisungen voranschreiten. Familienväter und Familienmütter, Männer und Frauen in den Häusern, auf den Feldern, in den Bergwerken oder Fabriken, in jeder Art von Tätigkeit und gesellschaftlichem Leben sind gerufen, ihr „königliches Priestertum“ (vgl. 1 Petr 2,9) auszuüben, indem sie Gott ihr ganzes Leben als „heiliges Opfer“ (Röm 12,1) darbringen, Gottes Güte in der Welt verkündigen und durch Christus alles Geschaffene mit dem Vater versöhnen (vgl. Kol 1,20). Das Gleichnis des heute gelesenen Evangeliumtextes geht alle Gläubigen an: niemand darf untätig abseits stehen. Jeder hat entsprechend der empfangenen Gnade viel zu tun beim Aufbau der Kirche und der Gesellschaft. Zu jedem sagt der Herr: „Geh auch du in meinen Weinberg“ (vgl. Mt 20,7). <478> <478> Liebe Brüder und Schwestern: wie zahlreich und vielfältig sind die Gaben, mit denen der Geist die Kirche in Tansania aufgebaut hat! Durch den weisen und hingebungsvollen Dienst der Missionare wurde das Evangelium erstmals unter euch gepredigt. Durch die geduldigen Mühen und heroischen Opfer zahlloser Priester, Ordensschwestern und -brüder, Katechisten, Lehrer und christlicher Eltern wurde die Kirche in eurer Nation eingepflanzt. Wenn ich euch heute alle hier sehe, bin ich mit Hoffnung und Zuversicht erfüllt, daß der Heilige Geist weiterhin Männer und Frauen erwecken wird, die sich selbstlos der Entfaltung echter Heiligkeit und dem großherzigen Dienst an ihren Brüdern und Schwestern widmen werden! Was bleibt noch zu tun? Wohin führt der Herr die Kirche in Tansania nach mehr als hundert Jahren der Evangelisierung und beim Herannahen eines neuen christlichen Jahrtausends? Die zur Zeit in Vorbereitung befindliche Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika ist ein Zeichen, daß dies eine besondere Stunde der Gnade für die Kirche auf dem Kontinent ist (vgl. Lineamenta, Nr. 13). Es ist ein Hauptzweck meines Besuchs in eurem Land, euch aufzurufen, den Herausforderungen dieses neuen Evangelisierungsabschnittes zu begegnen mit all euren Gaben und allen Mitteln eurer Ortskirchen. 595 REISEN Weder das besondere Ereignis der Synode, noch die allgemeine Aufgabe der Evangelisierung sind eine Angelegenheit von Bischöfen und Priestern allein. Die von den Laien zu spielende Rolle ist von wesentlicher Bedeutung, denn es geht darum, Afrika für Wahrheiten und Werte zu gewinnen, die im konkreten täglichen Dasein der christlichen Gemeinschaft erfahren werden müssen, um geglaubt und akzeptiert zu werden. Wenn die Welt euren Geist des Gebets und der Verehrung Gottes, eure Solidarität mit anderen, vor allem den Ärmsten und Bedürftigsten, euren Mut in Zeiten von Leid und Schwierigkeiten, eure Selbstbeherrschung angesichts von Gewalt und Unrecht und eure Mäßigung in allen Dingen sieht, dann wird sie fragen: Warum sind sie so? Wer veranlaßt die Christen Tansanias zu solch großer Liebe? In jenem Augenblick werden die wohlbekannten Worte Christi in all ihrer Wahrheit widerhallen: „Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben“ (Mt 5,14). 5. Es gibt unzählige Weisen, auf die Laien, Männer wie Frauen, das Wort Gottes verkündigen und „den unergründlichen Reichtum Christi“ (Eph 3,8) bekanntmachen können. Insbesondere möchte ich die Familienmütter und -väter ermutigen, ihre Kinder weiterhin im Gebet zu leiten und sie die Liebe Gottes und die Regeln christlichen Lebens zu lehren. Eine besondere Form der Verkündigung ist die Katechesearbeit in Pfarreien, Schulen und Jugendbewegungen: ich danke allen Katecheten hier und in ganz Tansania für ihren vorbildlichen Einsatz. Geht nie von eurem Einsatz ab, die volle Wahrheit von Christus, dem Gekreuzigten, zu verkündigen, damit das Kreuz Christi nicht seiner Kraft beraubt wird (vgl. 1 Kor 1,17). Wenn wir das Wort Gottes verbreiten, müssen jedoch sowohl die Verkündigung als auch die Katechese begleitet sein von einem korrekten Geist des Dialogs in Wahrheit und Liebe mit all jenen, die unseren katholischen Glauben nicht teilen, damit so das Verständnis und die Eintracht wachsen. Religiöse und moralische Überzeugungen können nicht aufgezwungen werden; sie müssen sich Annahme verschaffen durch die ihnen innewohnende Schönheit und Überzeugungskraft. Die Wahrheit, die das Evangelium Jesu Christi offenbart, ist keine „Weisheit der Welt“ (vgl. 1 Kor 1,20), sondern die Wirklichkeit der unendlichen und erbarmenden Liebe des Vaters, die sich kundtut im Mitleid Jesu für die vielen (vgl. Mt 9,36) und in der unablässigen Sorge der christlichen Gemeinschaft für die geringsten unter den Brüdern und Schwestern Christi (vgl. Mt 25,40). Jetzt wie immer ist die praktische Solidarität unserem Nächsten gegenüber die dringendste und unmittelbarste Forderung christlicher Liebe, und eine höchst wirksame Weise, die Evangeliumsbotschaft zu verkündigen. In der zunehmenden Komplexität der modernen Gesellschaften ist die Arbeit für menschliche Entwicklung und die Förderung größerer Gerechtigkeit und struktureller Änderungen, die es Völkern und Nationen gestatten, für das Wohl all ihrer Mitglieder zu sorgen, eine andere gültige und notwendige Form des Einsatzes der Christen. Was als „vorrangige Liebe für die Armen“ bezeichnet wird, bekundet, sofern niemand davon ausgeschlossen ist, die unnachgiebige Verteidigung der Menschenwürde seitens der Kirche als unveräußerliches Recht jedes einzelnen. Ihr katholischen Laien Tansanias, Männer und Frauen, seid aufgerufen, an der Seite eurer Hirten zunehmend verantwortlich zu werden für die Sendung der Kirche in eurem Land und in Afrika. Laßt diese „Stunde der Gnade“ nicht vergehen. Die Zeit der Ernte ist da (vgl. Mk A,29)\ 596 REISEN 6. Ich möchte hier in Tabora Bezug nehmen auf die besondere Sorge der Kirche für jene Mitglieder der Gemeinschaft, die alt oder krank sind, besonders für die Blinden und Tauben, von denen an dieser Feier einige zugegen sind. Liebe Freunde: auch ihr habt eine sehr wichtige und edle Aufgabe im Leib Christi, der Kirche! Durch eure Vereinigung mit dem Herrn im Geheimnis seines Leidens seid ihr aufgefor-dert, an Heiligkeit zu wachsen, die Gabe der Liebe Gottes, wie sie in den Leiden seines Sohnes offenbar wurde, tiefer zu erkennen und großherziger mit anderen zu teilen. Durch die geistige Solidarität, die uns in der „Gemeinschaft der Heiligen“ vereinigt, helfen eure Leiden, die Ausbreitung des Reiches Gottes und den Sieg seiner Gnade herbeizuführen. Seid versichert, daß die Anwesenheit des Papstes heute bei euch ein klares Zeichen ist für die Liebe der Kirche zu euch in Christus, ihrem Haupt. Auch möchte ich dem hingebungsvollen Dienst dankbare Anerkennung aussprechen, den an unseren leidenden und behinderten Brüdern und Schwestern die Erzdiözese Tabora, die Mis-sionarinnen der Nächstenliebe und unsere Brüder und Schwestern von der Pfingstkirche versehen. Mit Freude bringe ich zudem den Dank der Kirche für die Anstrengungen derer zum Ausdruck, die den Notleidenden dienen, sowie derer, die durch ihre Beteiligung am politischen Leben eures Landes Zeugnis für Christus geben und dem ganzen tansanischen Volk ein besseres und sichereres Leben garantieren wollen. 7. Liebe Brüder und Schwestern: im Evangelium der heutigen Liturgie geht der großmütige Gutsbesitzer verschiedene Male auf den Marktplatz, um Arbeiter zu finden und sie in seinen Weinberg zu schicken. Einige waren bei Tagesanbruch zugegen, um auf seinen Anruf zu antworten; andere erschienen später am Vormittag, und einige wurden erst geschickt, als der Tag schon fast vorbei war. Erinnert uns dieses Gleichnis nicht daran, daß es nie zu spät ist, dem Herrn zu dienen und sich seine unendliche Großmut zugute kommen zu lassen. Die Kirche hat heute einen großen Bedarf an jungen Menschen, die mit Leben und Begeisterung erfüllt anderen die Hoffnung und die Freude zeigen, die von der Annahme Christi und seines Wegs der Heiligkeit kommen. Sie hat Bedarf an reifen Christen, die an Weisheit und Klugheit gewachsen sind, da sie gelernt haben, jeden Aspekt ihres Denkens und Verhaltens von ihrem Glauben an Christus durchdringen zu lassen. Die Kirche braucht heilige und einsatzfreudige Gläubige jedes Alters, die vom Gebet genährt und fest im Glauben eifrig der Welt das Heil, die Freude und den Frieden verkündigen, die vom auferstandenen Herrn kommen. In eurem Streben, die vielen Gaben, die ihr in der Taufe empfangen habt, zum Aufbau der Kirche in Tansania zu gebrauchen, empfehle ich euch den Gebeten der Seligen lungfrau Maria an. Durch ihren Gehorsam dem Wort Gottes gegenüber und ihre Offenheit für den Geist ist sie Mutter Gottes, Mutter der Kirche geworden. Ich bete, daß sie euch alle auf dem Weg der Heiligkeit leite und euch beistehe bei euren Anstrengungen, die große Berufung, die ihr in Christus empfangen habt, voll zu leben! Möge Gott euch alle segnen! Amen. 597 REISEN Einheit in der Wahrheit prägt die Kirche Ansprache in der Kathedrale von Moshi (Tansania) am 4. September Lieber Bischof Amedeus Msarikie, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Freunde in Christus! 1. Mit großer Freude und Erwartung begrüße ich sie alle, dis Priester, die Ordensleute und die ganze kirchliche Gemeinschaft von Moshi, wo ieh heute abend meinen Besuch in eurer Diözese beginne. Mein herzlicher Gruß gilt auch den Katholiken aus den Nachbarbistümern sowie allen Menschen guten Willens, die diesen Tag der Freude mit uns begehen. Mein Herz ist in dieser Kathedrale von den Gefühlen erfüllt, die der Psalmist beschreibt: „Wegen meiner Brüder und Freunde will ich sagenr in dir sei Friede. Wegen des Hauses des Herrn, unseres Gottes, will ich dir Glück erflehen“ (Ps 122,8-9). Derjenige, der diese Verse schrieb, war von Liebe für das irdische Jerusalem und seinen heiligen Tempel bewegt, aber heute abend richtet sich unsere Liebe auf das neue Jerusalem, das von Gott her aus dem Himmel herabkommt (vgl. Offb 21,10), das „geistige Haus“ aus „lebendigen Steinen“ (vgl. 1 Petr 2,5): die Kirche. Insbesondere richten sich unsere Gedanken zu dem Teil der Kirche, der in dieser Region Tansanias lebt. 2. Als Mutterkirche des Bistums Moshi ist diese Kathedrale ein Symbol eurer geistigen Zugehörigkeit zur Familie Gottes. Die Liturgien, die hier und in anderen Kirchen der Diözese gefeiert werden, sind ein Teil „jener göttlichen Liturgie, die in der heiligen Stadt Jerusalem gefeiert wird, zu der wir als Pilger unterwegs sind“ (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 8). Sie erinnern uns daran, daß unsere geistige Gemeinschaft nicht nur auf dieser Welt besteht. Die Heiligen im Himmel und Maria, die Mutter des Erlösers, bitten für das Leben und die Sendung der Kirche auf Erden. Im Brief an die Hebräer heißt es: „Da uns eine solche Wolke von Zeugen umgibt,“ sollten wir „mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der uns aufgetragen ist, und dabei auf Jesus blicken, den Urheber und Vollender des Glaubens“ (Hebr 12,1-2). Die Liturgie ist auch ein lebendiges Zeichen und eine Feier der sichtbaren Einheit, die euch mit den Katholiken auf der ganzen Welt verbindet im Amt und durch das Amt des Papstes und der Bischöfe, der Nachfolger der Apostel, und ihrer Mitarbeiter, der Priester. Aus dem Glauben erkennt ihr in den heiligen Riten auch das unsichtbare Fundament dieser äußerlichen Einheit, insbesondere eure Gemeinschaft mit Christus, dem Haupt, das alle Glieder in einem Leib vereint. Ich bete, daß jedesmal, wenn ihr gemeinsam mit eurem Bischof vor diesen Altar tretet, der Heilige Geist euer Verständnis der kirchlichen Gemeinschaft vertiefe, damit die Kirche in Moshi das Evangelium immer in Einheit, Güte und Frieden verkünde. <479> <479> Eure Kathedrale erinnert auch an einen anderen Aspekt der Frohbotschaft vom Gottesreich. Sie ist nach Christus, dem König, benannt, der auch der Schutzherr der gesamten Ortskirche von Moshi ist. Bei seiner Passion sagte Jesus zu Pilatus: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36), und als er weiter befragt wurde, antwortete er: „Du sagst es, ich bin 598 REISEN ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Joh 18,37). Christus lehrt uns, daß sein Königtum - das auf geheimnisvolle Art in dieser Welt gegenwärtig und doch nicht von dieser Welt ist - ein Königtum der Wahrheit ist. Seit einem Jahrhundert ist die Wahrheit über Gott und den Menschen, die durch den „vollkommenen Menschen“ Jesus Christus offenbart wurde (vgl. Gaudium etspes, Nr. 22), unter euch am Werk: in den Herzen, den Gedanken und den Seelen der Menschen, in ihrem täglichen Leben und in ihrer Kultur. Ich fordere euch alle, liebe Brüder und Schwestern, dazu auf, den christlichen Glauben, den ihr empfangen habt, zu vertiefen. Laßt zu, daß die Wahrheit des Evangeliums euer Leben und eure Bräuche weiterhin reinige und wäfldle, damit sie auf vollkommenere Weise christlich werden und euch zu noch wirksameren Zeugen für Gottes Königreich der Einheit und Wahrheit machen. Einheit in der Wahrheit: dies ist ein wichtiges Zeichen für die Glaubwürdigkeit der Kirche als Werkzeug zur Rettung der Menschheit. Ich teile eure Freude und Dankbarkeit darüber, daß diese Geschenke Gottes in Moshi auf fruchtbaren Boden gefallen sind, und bete gemeinsam mit euch für eine noch größere Ernte an Glauben und Heiligkeit unter allen Menschen dieses Landes. 4. Ich bin glücklich darüber, daß mein Besuch die Gelegenheit zur Einweihung eines neuen Pastoralzentrums in dieser Diözese bietet, das errichtet wurde, um der christlichen Gemeinde dieser Region besser -dienen Zn können.' 'tVepn wir die Größe und Lebendigkeit dieser Gemeinde nach einem Jahrhundert eifpger. Arbeit betrachten, können wir nicht anders, als Gott preisen und den Missionaren danken, di§ ihre Familien und Heimatländer aus Liebe zu Christus verlassen haben, um eu0Ö7Üer6^ie©ten Volk dieses Landes, seine „Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68) zu bringW.;Ebensö,müssen wir Gott dafür danken, daß ihr und eure Vorfahren die Frohbotschaft der Erlösung, mit so offenem Herzen aufgenommen habt als Antwort auf die göttliche Gnade, dieandiesem Ort in Fülle ausgegossen wurde. Die pilgernde Kirche in Tansani#istk«hn& itf sich geschlossene Gemeinschaft und kann dies auch gar nicht sein. Ich hoffe zuversichtlich, daß alle Glieder der Kirche in wahrem katholischen Geist ihr Bestes tun werden, ltpidip nationale Gemeinschaft aufzubauen und so den Wunsch des gesamten tansanischen-Volkes nach Frieden und Entwicklung zu unterstützen. Ich bete, damit Gott euch bei dieser. Herausforderung beisteht. „Wegen meiner Brüder und Freunde will ich sagen: In dir-sei Erierfc. Wegen des Hauses des Herrn, unseres Gottes, will ich dir Glück erflehen“ (Ps 122,8-9). Gott gebe euch seinen Frieden und seine Gnade. Amen. 599 REISEN Kirche ist aus ihrem Wesen missionarisch Predigt bei der Eucharistiefeier im Kilimandscharo-Stadion von Moshi (Tansania) am 5. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Diese Eucharistiefeier ist eine große Dankeshymne für das Geschenk der Erlösung, das uns Gott durch Jesus Christus zukommen läßt. Hier in Moshi danken wir Gott dafür, daß die Frohbotschaft der Erlösung diesen ganzen nordöstlichen Teil Tansanias erreicht hat, der Chaggaland genannt wird. Im Johannesevangelium lesen wir: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Die Erlösung ist ein Werk der Liebe Gottes. Eben diese Liebe wurde durch Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, offenbar. In ihm wurde die Verheißung der Erlösung durch Kreuz und Auferstehung Wirklichkeit. Dieses große Geheimnis ist Thema dieser Liturgiefeier: „Die Frohbotschaft der Auferstehung hat die Welt mit Licht erfüllt.“ Das rettende Licht Christi erstrahlte in dieser Region zum ersten Mal vor einem Jahrhundert. Es ist für mich eine große Freude, mit euch die Hundertjahrfeier der Evangelisierung dieses Teils Tansanias zu begehen. Ich möchte Bischof Amedeus Msarikie für seinen freundlichen Willkommensgruß danken. Ich grüße euren Metropoliten, Kardinal Laurean Rugambwa, ich grüße alle anderen anwesenden Bischöfe, grüße euch alle, Priester, Ordensleute und Gläubige des Bistums Moshi, der benachbarten Bistümer und andere von Kenia und Sambia. Mein herzlicher und respektvoller Gruß gilt auch den Vertretern der regionalen und städtischen Behörden sowie den Parteiführern, die uns heute mit ihrer Anwesenheit ehren wollten. Es ist angemessen, Gott gemeinsam für die üppigen Früchte der vergangenen und gegenwärtigen missionarischen Tätigkeit zu danken, für das Geschenk der Erlösung, das in den Herzen der Söhne und Töchter dieses Landes eine Heimat gefunden hat. 2. Wenn wir davon Zeugnis ablegen, was Gott hier vollbracht hat, wenn wir die wunderbaren Geschenke der Gnade betrachten, die das Leben eurer Ortskirche erfüllen, dann müssen wir uns fragen: woher sind sie gekommen? Im Evangelium des heutigen Tages führt uns der Evangelist Matthäus nach Galiläa, auf den Berg, auf dem der auferstandene Christus zu seinen Aposteln sagt: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde“ (Mt 28,18). Es ist derselbe Christus, den sie zuvor gekreuzigt und begraben gesehen hatten. Jetzt spricht er in seinem verklärten Leib zu ihnen, in der glorreichen Auferstehung, die Quelle seiner Macht „im Himmel und auf der Erde“ ist. Diese Macht ist eine Macht, die herausfordert. Eine Macht, die Recht spricht. Vor allem ist es jedoch die Macht, die rettet. Kraft dieser Macht sendet Christus die Apostel in alle Länder der Erde: „Darum geht ..., macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (vgl. Mt 28,19). Das ist jedoch noch nicht alles. Die heutige Lesung aus der Apostelgeschichte wirft noch einen besonderen Strahl auf die Verbreitung des Evangeliums. Bevor er zum Vater zurückkehrte, und während er mit ihnen zu Tische saß, sagte der auferstandene Christus zu den Apo- 600 REISEN stein: „Ihr aber werdet schon in wenigen Tagen mit dem Heiligen Geist getauft“ (Apg 1,5). Wir wissen, daß sich dieses Wort am Pfingsttag erfüllte, als die rettende Kraft Christi auf die Apostel und auf die Kirche überging. Er sagte: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Im Lichte der Geschichte können wir hinzufugen: „Ihr werdet meine Zeugen sein in Tansania.“ Ja, auch in Tansania. Das Evangelium und das Geschenk der Erlösung sind hierher gelangt, wie sie in die ganze Welt gelangt sind - angefangen mit Jerusalem, Judäa und Sama-ria - durch Zeugen Christi, die vom Heiligen Geist gedrängt waren. Heute dankt die Kirche in Moshi für das Licht des Evangeliums, für die Frohbotschaft der Erlösung. Woher kommen diese Gaben, wenn nicht von diesem Berg in Galiläa? Sie haben ihre Quelle in der einzigartigen Macht der Auferstehung, deren Fülle in Christus ist, dem Retter der Welt. 3. Vor einem Jahrhundert beschlossen die Patres Commenginer und Le Roy, Missionare vom Heiligen Geist, unter ihrem Bischof, J.M. de Courmont, eine Mission in Kilema aufzubauen. Von dort breitete sich die katholische Kirche in andere Gebiete aus, die heute das Bistum Moshi bilden, zuerst in Kibosho, im Jahre 1892, und dann in Rombo-Mkuu, im Jahre 1896. Ebenso wie die ersten Apostel wurden diese Missionare durch den Heiligen Geist angespomt, der auch ihrem Missionsinstitut den Namen gab. Ihre persönlichen Erfahrungen und die Geschichte der anderen Missionare, die ihnen folgten, sind eine Lehre der Geduld, der Ausdauer und der Demut angesichts vielerlei Schwierigkeiten, Gefahren und Hindernissen. Doch gleichermaßen eine Geschichte voller Freude und Zuversicht, die im Psalm so beschrieben wird: „Sie gehen hin unter Tränen und tragen den Samen zur Aussaat. Sie kommen wieder mit Jubel und bringen ihre Garben ein“ (Ps 126,5-6). Ihr, liebe Brüder und Schwestern, ihr seid die freudige Ernte der Arbeit der Missionare; ihr seid eine neue Schöpfung des Heiligen Geistes, der an Pfingsten über die Apostel kam, so daß die „Frohbotschaft der Erlösung die Welt mit Licht erfüllen“ konnte. Und kraft der Vorsehung, die das Evangelium durch Zeit und Raum immer weiter vorantreibt, liegt es nun an euch, Zeugen Christi im Bistum Moshi, in ganz Tansania, auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, ja „bis an die Grenzen der Erde“ zu sein. <480> <480> „Die pilgernde Kirche ist ihrem Wesen nach ,missionarisch’“ (Ad gentes, Nr. 2), und die Evangelisierung ist eine besondere Gnade, Berufung und Aufgabe (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 14). Jeder von uns, liebe Brüder und Schwestern, ist dazu aufgerufen, das Evangelium zu verkünden, „damit das Wort des Herrn sich ausbreitet und verherrlicht wird, ebenso wie bei euch“ (2 Thess 3,1). Die Bischöfe und ihre Mitarbeiter im Priestertum haben eine besondere Rolle bei der Suche nach neuen Jüngern für Christus, aber auch alle Ordensleute, ja die gesamte kirchliche Gemeinschaft muß von diesem Eifer beseelt sein. Alle sind aufgerufen, für den Erlöser der Welt Zeugnis zu geben, freudig, lebendig und stark (vgl. Ad gentes, Nr. 21). Dazu bedarf es eines wirklich „katholischen“ Geistes, der alle Grenzen überschreitet, aus seinem Eifer, Christus allen Menschen in nah und fern zu bringen. Katholizität dieser Art drückt sich in Gebeten für die Bedürfnisse der Weltkirche aus, in materieller Hilfe, im Austausch 601 REISEN von Personal, in der Zusammenarbeit der lokalen, nationalen und internationalen Werke der Evangelisierung. Es ist ein Zeichen echter Liebe zur Kirche, wenn viele Priester aus Chag-galand in anderen Regionen und Ländern wirken, obwohl sie auch hier vielfältig gebraucht würden. Auf diese Weise nimmt die Kirche dieser Region wirksamen Anteil an Christi Mission: „Ihr werdet meine Zeugen sein ... bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Ein eigenes Wort der Ermutigung möchte ich an die Ordensfrauen richten, die in der Ortskirche Tansanias so zahlreich sind und ihr einen lebenswichtigen Dienst erweisen. Liebe Schwestern, das Zeugnis eures gottgeweihten Lebens und eure Werke der Liebe machen die christliche Gemeinde kraftvoll und stehen als ein strahlendes Zeichen für das himmlische Königreich (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 1). Verliert nie den Mut und vergeßt nie, für die besondere und geheimnisvolle Berufung zu danken, die ihr im Herzen der Kirche habt! Gott segne jede einzelne von euch, und er möge für noch mehr Nachwuchs sorgen, denn zu tun ist noch so Vieles. 5. Das gleiche Zeugnis für den auferstandenen Herrn, das die Apostel abgelegt haben und das der zweitausendjährigen Geschichte der Mission der Kirche zugrunde liegt, ist die Hauptaufgabe, vor der die Kirche in Afrika steht. Eine eigene afrikanische Bischofssynode wird Mittel und Wege prüfen, wie die Christen dieses Kontinents der Herausforderung der Evangelisierung an der Schwelle des neuen Jahrtausends begegnen können. Die Bischöfe, die Priester, die Ordensleute und die Laien der jungen Kirchen in Afrika sind heute aufgerufen, sich immer mehr auf ihre eigenen jugendlichen Kräfte zu verlassen, damit Christus überall verkündet wird, damit die „Frohbotschaft der Erlösung die Welt mit Licht erfüllen“ kann. Die Kirche weiß aus Erfahrung, daß der wirkungsvollste Beitrag zur Verbreitung des Glaubens ein tiefchristliches Leben im Alltag ist (vgl. Ad gentes, Nr. 36). Eine Ortskirche ist als Mittel zur Evangelisierung in dem Maße wirkungsvoll, in dem sie sich das Evangelium wirklich „auf eine lebendige Weise, tief bis zu seinen Wurzeln“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 20) zu eigen gemacht hat. Damit dieses Zeugnis Früchte tragen kann, muß sie die wahre Botschaft des Glaubens und des sittlichen Lebens in Wort und Tat vermitteln, die die ersten christlichen Generationen aus ganzem Herzen angenommen hatten. Die vielen Heiligen und Märtyrer der jungen afrikanischen Kirchen zeigen, daß die Überlieferung, die seit den Tagen der Apostel weitergegeben worden war, den fruchtbaren Boden Afrikas durchdringen konnte, ohne verwässert zu werden. Die heroische Antwort auf die Anforderungen der Bekehrung und die Herausforderung des Martyriums sind eine glorreiche Seite im Geschichtsbuch eurer Ortskirchen. Ihr steht gleichzeitig vor der Aufgabe, das Evangelium auf eine unverfälscht afrikanische Art und Weise zu empfangen und weiterzugeben. Jedes Volk, jede Sprache der Welt ist aufgerufen, „jeder in seiner Muttersprache“ (vgl. Apg 2,8), das Evangelium des Heils zu bekennen und zu verkünden (vgl. Richtlinien für die Afrikanische Bischofssynode, Nr. 47). Unter der Führung der Bischöfe und in voller Gemeinschaft mit der Weltkirche entlehnen die jungen Kirchen zu Recht aus Brauchtum und Tradition ihrer Völker, aus ihrer Weisheit und ihrer Erfahrung, ihrer Kunst und ihrer Wissenschaft alles, was die Wahrheiten des Glaubens zugänglicher macht, eine tiefere Erfahrung der Gnade ermöglicht und hilft, das Christenleben recht zu gestalten (vgl. ebd., Nr. 49; vgl. Ad gentes, Nr. 22). Durch die Erleuchtung und Rei- 602 REISEN nigung dieser Elemente des örtlichen Lebens kraft des Evangeliums und ihre Einbringung in die katholische Einheit (vgl. Adgentes, Nr. 22) wird die ganze Kirche wunderbar bereichert. Maria, die Mutter des Erlösers, möge das gläubige Afrika für eine neue Herabkunft des Heiligen Geistes bereiten, ebenso wie ihre Gegenwart unter den Aposteln das erste Pfingsten in Jerusalem vorbereitete. 6. Meine Pastoraireise nach Tansania endet nun bald, und ich möchte allen Tansaniern danken. Ich habe diese Tage in eurer Mitte verbracht, und ich habe dabei ständig Jesus Christus, unserem Herrn, für die Gnade gedankt, die in euch wohnt; für die freudige Art, wie ihr Gott preist und brüderlich zusammenkommt; für die Lebendigkeit eurer Bistümer und Gemeinden, Verbände und Bewegungen; für die vielversprechende Zukunft, die ihr für das Kommen Christi in diesem Land darstellt. Entstanden aus missionarischer Tätigkeit, wächst die Kirche in Tansania zur Reife und wird selbst missionarisch. Ist dies nicht der größte Dank, den ihr Gott für die Gaben der letzten hundert Jahre abstatten könnt: daß ihr, die ihr so klar die Frohbotschaft empfangen habt, sie nun zu den anderen tragt? Geht hinaus und nehmt die Herausforderung der Evangelisierung an, und vertraut auf das Wort des Herrn: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28,20). Christus ist mit euch. Das Evangelium ist mit euch. Das Licht der Erlösung ist mit euch. Möge euch Gott in dieser Überzeugung stärken und euch segnen, wenn ihr Zeugnis ablegt für die Wahrheit seiner erlösenden Liebe, bis alle Völker Afrikas jubeln können und sagen: „Die Frohbotschaft der Erlösung hat die Welt mit Licht erfüllt.“ Amen. Die Familie ist Lebenszelle der Gesellschaft Abschiedsansprache auf dem Kilimandscharo-Flughafen in Moshi (Tansania) am 5. September Herr Ministerpräsident, Herr Vizepräsident, Eminenz, Brüder im Bischofsamt, meine Damen und Herren! 1. Am Ende meiner Pastoraireise nach Tansania möchte ich allen herzlich für den freundlichen Empfang und die offene Gastfreundschaft danken, die ich seit meiner Ankunft erfahren habe. Mein besonderer Dank geht an Seine Exzellenz den Herrn Präsidenten und an alle Mitglieder der Regierung für ihre freundliche Unterstützung während der gesamten Reise. Ich bin meinen Brüdern im Bischofsamt und ihren Mitarbeitern zutiefst dankbar, daß sie meine Pilgerfahrt zur tansanischen Kirche zu so einer wirklich freudigen und fruchtbaren geistigen Erfahrung gemacht haben. Ebenso muß ich jenen danken, die an den verschiedenen Begegnungen teilgenommen haben, denen, die für Ordnung und Sicherheit gesorgt haben, und denen, die mir dabei geholfen haben, alle Menschen in diesem weiten Land über die Kommunikationsmittel zu erreichen. 603 REISEN Vor allem aber danke ich Gott dafür, daß er es dem Nachfolger Petri ermöglicht hat, euer Land zu besuchen: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet“ (Eph 1,3). Ich danke ihm für die Lebendigkeit eurer katholischen Gemeinschaft; für die Gnade, die er uns in der Eucharistie geschenkt hat, die wir gefeiert haben; für die Inspiration, die er euch gewiß gewährt hat, auf daß ihr euch noch mehr dafür einsetzt, den Herausforderungen zu begegnen, denen diese junge Kirche und diese junge Nation gegenüberstehen. 2. Mein Besuch in Tansania war wirklich ein freudiges Ereignis. Wenn mich meine Pilgerfahrt nun in andere Länder führt, kann ich den anderen Aspekt Afrikas nicht vergessen, daß „Millionen von Männern, Frauen und Kindern davon bedroht sind, nie ganz gesund sein zu können; nie in Würde von ihrer Arbeit leben zu können; nie eine Ausbildung zu erhalten, die ihren Geist entwickelt; Zusehen zu müssen, wie ihr Land unfruchtbar und feindlich wird; den Schatz ihrer uralten Überlieferungen zu verlieren und dauernd auf die positiven Auswirkungen der Wissenschaft und Technik verzichten zu müssen“ (Appell für die Sahelzone, Ouagadougou, 29. Januar 1990, Nr. 4). Ich erbitte Gottes Gaben des Trostes, der Kraft und des Friedens für die, die auf diesem Kontinent leiden und in Not sind. Im Namen unseres gemeinsamen Menschseins appelliere ich an die entwickelteren Nationen der Welt, auf daß ein neues Zeitalter der Solidarität mit Afrika beginnen möge, das auf Gerechtigkeit und gegenseitiger Achtung aufgebaut ist. Die Welt darf die drängende Not der Völker Afrikas nicht vergessen! 3. Wenn ich Tansania nun verlasse, fordere ich alle seine Bürger dazu auf, weiterhin den Frieden, die Einheit und die Brüderlichkeit unter Gott zu pflegen, die es ihnen ermöglicht haben, eine Gesellschaft zu gründen, welche ihrer Würde als Menschen, die nach Gottes Ebenbild geschaffen wurden, entspricht. Ich bete, daß ihr immer erkennt, daß euer höchstes Ziel und euer größtes Gut im Frieden und im Einklang liegen, sowohl untereinander als auch im Verhältnis zu den benachbarten Staaten. Mögen die Menschen in Tansania immer als Brüder und Schwestern vereint bleiben, ungeachtet ihrer ethnischen Ursprünge oder der Unterschiede in Kultur und Religion. Die Einheit, von der ich spreche, ist eine Einheit zum gemeinsamen Besten, für die ganzheitliche Entwicklung der Gesellschaft, für den Schutz und die Verbesserung der Würde und der Rechte aller Menschen, vom ersten bis zum letzten. Es ist auch eine Einheit, die über Staatsgrenzen hinaus schaut, um das Wohl der ganzen Menschheit anzustreben. Während meines Besuchs habe ich versucht, die Bedeutung der Familie für die menschliche Solidarität zu unterstreichen. Die katholische Kirche ist davon überzeugt, daß die Familie eine unersetzliche Schule für soziale Tugenden wie Respekt, Gerechtigkeit, Gesprächsbereitschaft und Liebe ist, das wirkungsvollste Mittel, um die Gesellschaft menschlicher und persönlicher zu gestalten (vgl. Familiaris consortio, Nr. 42-48). Ich lege euch den Schutz und die Förderung des Familienlebens ans Herz, demi es ist eine Quelle der Kraft und des sittlichen Charakters für das Leben eures Landes. Liebe Freunde, obwohl ich den tansanischen Boden verlasse, versichere ich euch, daß euer Land und alle seine Menschen für immer unauslöschlich in mein Herz und meinen Geist eingeprägt bleiben werden. Allen Tansaniern sage ich: ich danke euch sehr! Möge Gott Tansania segnen und schützen. Lebt wohl, bis zum nächsten Mal! 604 REISEN Die Zukunft mit eigenen Händen formen Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen von Bujumbura (Burundi) am 5. September Herr Präsident, liebe Brüder im Bischofsamt, sehr geehrte Vertreter der Autoritäten von Burundi, sehr geehrte Mitglieder des Diplomatischen Korps, liebe Freunde aus der Nation Burundi! 1. Friede! Der Friede des Herrn sei allezeit mit euch! Meine Freude, zu euch zu kommen, ist groß. Seit langem schon habt ihr mich eingeladen, und ich habe stets gehofft, in euer Land zu kommen und eure Nation zu entdecken. Von ganzem Herzen danke ich euch für euren Empfang. Ich danke dem Herrn Präsidenten der Republik für seine Willkommensworte, die die Gefühle der Bevölkerung von Burundi vermitteln. Ich danke auch allen hohen Autoritäten des Landes, die Wert darauf gelegt haben, bei dieser Begrüßung anwesend zu sein. Ich begrüße bewegten Herzens die Nation Burundi, jeden der Söhne und Töchter dieses Landes. Ich begrüße brüderlich die Bischöfe von Burundi und alle Gläubigen, die mit ihnen diesen Pastoralbesuch vorbereitet haben. 2. Ich komme zu euch, denn mir ist der Dienst des Apostels Petrus übertragen. Ihm gab Jesus, der Herr, die Anweisung, seine Brüder im Glauben an den lebendigen Gott und an Christus, der uns befreit und vereint, zu bestärken. Ich komme, um die Hirten der Kirche von Burundi, die Priester, Katechisten, Verantwortlichen, alle Mitglieder der Diözesangemeinschaft in ihrer Mission als Jünger des Friedensfürsten zu bestärken. Und ich komme zu euch als Menschenfreund, als Freund eures Volkes, eures Vaterlandes, das von euren Vorfahren auf den Hügeln errichtet wurde. Ich kann es kaum erwarten, diese Nation und ihr schönes Erbe kennenzulemen: euch, die ihr die gleiche Sprache sprecht, dieselben Sitten und festen Familientraditionen miteinander teilt und große Gastfreundschaft übt, und die ihr von euren Vätern einen natürlichen Sinn für die Anwesenheit Gottes empfangen und hochherzig die Botschaft des Evangeliums aufgenommen habt. <481> <482> <483> <481> Wenn ich euch in eurem Land treffe, möchte ich für euch ein Botschafter des Vertrauens und des Friedens sein in der Nachfolge Christi, der seinen Freunden als höchste Gabe seinen Frieden gegeben hat. Ich denke an die Prüfungen, die euer Volk geprägt haben, das in Schwierigkeiten verwickelt wurde, die eure Gemeinschaften zerrissen und zu viele Familien verletzt haben. Nun hat sich der Weg der Versöhnung und der Eintracht vor euch geöffnet. Ihr seid ihm verpflichtet: beschleunigt den Schritt und niemand möge zögern, sich dem brüderlichen Weg anzuschließen, damit eure Hügel niemals mehr Teilung und Gewalt sehen mögen! Hört auf meinen Ruf! Ich richte ihn an euch mit der Offenheit der Freundschaft: festigt eure Einheit, nicht mit Resignation oder Mißtrauen, sondern indem ihr sie fest durch Versöhnung und Vergebung verwurzelt. Einigen mag es scheinen, als ließe sich nicht alles überwinden, da die Wunden noch wehtun. Wie soll man sie vergessen? Eure volle Versöhnung besteht 605 REISEN nicht darin, die Vergangenheit zu vergessen. Ihr müßt ihr vielmehr in die Augen sehen, euch wiederfinden und gemeinsam das hinter euch lassen, was euch geteilt hat, um eine neue Einheit zu errichten. Stützt euch bei eurer Suche nach Einvernehmen auf die Gerechtigkeit und das Prinzip derselben Würde aller Menschen, ein Prinzip, das niemals in Frage gestellt werden darf. Jeder Mensch ist ein Kind Gottes, das wir achten müssen, so wie es ist. Und weil wir alle von Gott geliebte Geschöpfe sind, sind wir alle Brüder. Daher können wir auf derselben Erde leben, dieselbe Nahrung und Erziehung miteinander teilen. Daher werden wir keine Not mehr haben, einem jeden seine Fähigkeiten und Verdienste anzuerkennen, oder seinen Bedürfnissen entgegenzukommen und seine Leiden zu mildem. 4. Söhne und Töchter von Burundi, ihr müßt die Zukunft eurer Nation mit eigenen Händen formen. Vereinigt einherzig eure Bemühungen, um die physische und moralische Gesundheit eures Volkes zu stärken. Bereitet eurer zahlreichen Jugend, die Vertrauen und Frieden braucht, ein Vaterland, in dem es schön ist zu leben. Arbeitet beharrlich an der Entwicklung eures Landes, damit die Erde ihre Früchte trägt, damit jeder die Gaben, die er empfangen hat, einsetzen kann, damit niemand sich weder ausgeschlossen fühlt noch versucht, sich in verhängnisvolles Abseitsstehen zu flüchten. Eure Aufgaben sind groß und auch beschwerlich, doch bin ich sicher, daß ihr in der Lage seid, sie gemeinsam in der wiedergefundenen Einheit und dem wiedergefundenen Frieden zu erfüllen. 5. Liebe Brüder und Schwestern der katholischen Kirche, diese Ziele sind vor allem die euren. Denn die Achtung des Menschen, die brüderliche Liebe, der Geist der Versöhnung und des Vergebens und die konstruktive Hoffnung stehen im Herzen der christlichen Botschaft geschrieben. Nehmt hochherzig Anteil an den gemeinsamen Aufgaben eurer Nation. Die Kirche unterhält mit dem Staat herzliche Beziehungen in gegenseitiger Achtung, und sie möchte durch ihre konfessionellen Einrichtungen zur Förderung des Menschen, der Gesundheit und insbesondere der Erziehung ihre freie Mitarbeit anbieten. Die Katholiken, die sehr oft mit ihren Brüdern anderer christlicher Konfessionen oder anderer Religionen Zusammenarbeiten, möchten rückhaltlos zum Allgemeinwohl beitragen. Denn der Plan Gottes ist das Wohl des Menschen. In diesen Tagen werden wir, liebe Brüder und Schwestern, Christus feiern, der uns befreit und uns vereint. Dies ist das Thema, über das ihr meditiert habt, um unsere Begegnung im Glauben vorzubereiten. Ich freue mich, kraft meines Pastoralauftrags hier zu sein, um euch dazu aufzurufen, euren Glauben in Einheit mit meinen Brüdern im Bischofsamt zu festigen. Mein innigster Wunsch ist, daß ihr aus tiefstem Herzen begeistert auf den Glauben eurer Taufe antwortet und den Geist der Liebe und der Wahrheit ohne Vorbehalt empfangt. <484> <484> Liebes Volk von Burundi, der Bischof von Rom möchte jeden von euch begrüßen, jene, die einen Auftrag für das Allgemeinwohl haben, die Kleinen und die Armen und die bescheidensten Friedensstifter. Allen möchte ich noch einmal sagen, daß ich ihnen in aufrichtiger Liebe nahe bin. Indem ich zu euch komme, möchte ich auch der Zeuge für viele eurer Brüder und Schwestern in vielen Völkern der Welt sein, die euch zwar nur von weitem kennen, die aber auf aufrich- 606 REISEN tige Weise solidarisch mit euch sind. Ich weiß, daß jene, die euch selbstlose Hilfe bringen möchten, zahlreich sind. Ich danke ihnen im Namen der brüderlichen Freundschaft, die euch mit ihnen vereint. Herr Präsident, Ihr Empfang und der der Bevölkerung von Burundi berührt mich zutiefst; von neuem bringe ich meine Dankbarkeit zum Ausdruck. Gott segne Burundi und gebe ihm die Kraft der Hoffnung! Der Friede Christi sei allezeit mit euch! Das Gemeinwohl läßt sich nicht aufteilen Ansprache bei der Begegnung mit den katholischen Intellektuellen und leitenden Persönlichkeiten in Universität, Verwaltung und öffentlichem Leben in Bujumbura (Burundi) am 5. September Meine Damen und Herren, liebe Freunde! 1. Ihre zahlreiche Anwesenheit in dieser Kathedrale ist ein sprechendes Zeichen für die Lebenskraft Ihres Landes, das es verstanden hat, innerhalb einiger Jahrzehnte und trotz mancherlei Schwierigkeiten leitende Männer und Frauen für den Staatsdienst, die Universität, die freien Berufe und den Wirtschaftssektor aufzustellen. Es ist mir eine Freude, Sie zu begrüßen und Ihnen einige Überlegungen vorzutragen über die Verantwortlichkeiten, die Christen in Ihren verschiedenen Zuständigkeitsbereichen zukommen. Ihr Sprechet hat diesen Austausch treffend eingeleitet; ich danke ihm für seine Grußbotschaft. <485> <485> Sie haben Ihren christlichen Einsatz deutlich in den Rahmen der Umgestaltungen gestellt, die das burundische Volk soeben vollzieht, um seine Einheit zu festigen. Und Sie haben von einer notwendigen Gewissenserforschung gesprochen. Es ist wahr, daß diese Fragen Ihnen von einer schmach- und leidvollen Vergangenheit gestellt werden. Sie weichen ihnen nicht aus. Sie bilden für Sie, wie mir scheint, zwei Hauptforderungen. Einerseits müssen die Führungskräfte der Nation die ersten sein, die entschlossen den Weg der Verzeihung und der Versöhnung einschlagen. Sie erinnern sich an die Antwort, die Jesus dem Petrus gab, als dieser ihn gefragt hatte, wie oft man verzeihen müsse: „Nicht siebenmal, sondern siebenund-siebzigmal“ (Mt 18,22), mit anderen Worten: ohne Grenzen. Es geht nicht darum, jede Erinnerung auszulöschen, um die Einheit aufzubauen, sondern dämm: die Bruderliebe über die alten Gegensätze und Rivalitäten siegen zu lassen. Eine zweite Anforderung an die Christen besteht darin, über die gebührende Hochachtung vor der gleichen Würde jeder menschlichen Person zu wachen. Die Juristen unter Ihnen wissen gut, daß dies für einen Rechtsstaat ein fundamentaler Grundsatz ist, den man nicht vernachlässigen darf. Man darf nicht in unnatürlicher Weise versuchen, die Verschiedenheit unter den Gliedern eines Volkes, die Verschiedenheit der Gruppen und der Personen, die Verschiedenheit der Gaben und der Zuständigkeiten zu leugnen, sondern man wird sich an eine noch fundamentalere Wahrheit halten, nämlich an die, daß jeder Mensch von Gott erschaffen ist, von Gott, der, treu zu seiner Liebe stehend, seinen Sohn hingegeben hat zum 607 REISEN Heil der vielen. Diese Wahrheit steht in der Mitte unseres Glaubens; geben wir acht, daß wir uns nie in Gegensatz zu unserem Glaubensbekenntnis und zu unserem Verbundensein in dem einen Leib Christi stellen. 3. Sie üben Ihre Verantwortlichkeiten auf sehr verschiedenen Gebieten aus, die ich nicht alle aufzählen könnte. Ich möchte vielmehr nur einen allgemeinen Grundsatz unterstreichen. Auf welchem Sektor auch immer Sie arbeiten, Ihr Bezugspunkt muß stets das Allgemeinwohl sein. Ich weiß, daß eine solche Formel Gefahr läuft, allzuoft wiederholt und zum leeren Ausspruch zu werden. Damit die Absichten zur Tat werden, muß jeder an die Folgen seiner Entscheidungen in der gesamten Gesellschaft denken. Und es muß bekräftigt werden, daß dieses Ziel nur dann erreicht werden kann, wenn jedes Glied der nationalen Gemeinschaft seine Rechte in Gerechtigkeit geachtet sieht. Das Allgemeinwohl läßt sich nicht aufteilen. Kein Bruder, keine Schwester darf davon ausgeschlossen werden. Das heißt, die unzweideutige Anerkennung des Prinzips der Würde eines jeden Menschen muß die Grundlage ihres Handelns bilden. Es heißt auch, daß jeder Ihnen unterstehende Bürger, jeder Ihrer Studenten und Ihrer Klienten nicht nur den Schutz genießen soll, den ihm das positive Recht zuerkennt, sondern daß er sich unter allen Umständen der Rechte seiner Person erfreuen können muß. Ein Verantwortlicher, dem auch nur ein wenig Machtbefugnis übertragen ist, wird sich ganz sicher mit den Bedingungen der Rechtlichkeit in Übereinstimmung setzen, aber mehr noch wird er jeden Gesprächspartner als einen Bruder oder eine Schwester betrachten, der oder die, auch wenn es die geringsten und am wenigsten Begabten sind, Möglichkeit haben müssen, schicklich zu leben, eine Familie zu gründen, Künder aufzuziehen, den Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen, die moralischen Werte und die Überzeugungen, zu denen er sich bekennt, zur Anwendung zu bringen, mit einem Wort: die Freiheit zu haben, seine menschliche Berufung zu leben. In allem, was Sie tim, ist der Mensch Ihre erste Sorge. Das Wohl der menschlichen Gemeinschaft steht über jedem anderen Interesse. Es gibt dem Wirken für die Entwicklung, dem wirtschaftlichen Wachstum, dem guten Ablauf der öffentlichen Dienste erst den wahren Sinn. Der Leistungsgrad ist von der Technik abhängig; aber ein technisches Gelingen, das den Menschen schädigt und seine Fähigkeiten oder seine wahren Bedürfnisse mißachtet, wird schnell zum Unheil. Das müssen Sie bei Ihren Planungen stets bedenken. Nur zu oft sehen Sie sich schwierigen Entscheidungen gegenüber, müssen auf wirtschaftlichem Gebiet harte Maßnahmen treffen, auch für Sie selbst. Da muß Ihr Handeln von der Ethik der Solidarität geleitet sein, von der Liebe zur Arbeit und zu den arbeitenden Menschen, vom Willen, die am wenigsten Begünstigten zu unterstützen und gemeinsam zu Opfern bereit zu sein. Um diesen Preis wird man erkennen können, daß es mit dem Besorgt-sein um die Gerechtigkeit und die moralischen Werte nicht bei bloßen Worten bleibt, sondern daß die Verantwortlichen sich wirklich dabei engagieren. Natürlich müssen christliche Führungskräfte hier in vorderster Linie anwesend sein. Sie werden ihre volle menschliche Fähigkeit für die sozialen Probleme ihres Landes einsetzen, ob diese nun die Familie und Fragen des Bevölkerungswachstums betreffen, die Erziehung, die Gesundheit oder die Unterstützung der Bedürftigsten. 608 REISEN 4. Da unter Ihnen viele Vertreter der Universitäten sind, möchte ich die große Tragweite ihrer Verantwortlichkeiten im Bereich der Erziehung unterstreichen. Es ist eine gewaltige Aufgabe für eine Nation, in der der Anteil der Jugendlichen beträchtlich ist. Meine Zuhörer wissen gut, daß die Kirche sich weitgehend im schulischen Bereich einsetzt, und ich schätze sehr die freimütige Zusammenarbeit, die sie hier mit dem Staat entwickelt, um möglichst gut dem zu entsprechen, was die Kinder des Landes brauchen. Welche Ziele sollten im Erziehungssystem Priorität haben? Die Schule hat, in Verbundenheit mit der Familie, die Sendung, die Jugendlichen darauf vorzubereiten, daß sie mit möglichst viel Aussicht in der Gesellschaft ihren Platz einnehmen können. Die Lehrer sind sich bewußt, daß die Weitergabe des Wissens menschlich nicht neutral sein kann. Ist es nicht eine Notwendigkeit, daß zu der Aufnahme des Wissens die Eignung hinzukommt, es auch in die Tat umzusetzen, den Zugang zu öffnen zum „Tun-Können“, das die jungen Menschen sich mit Vertrauen dem aktiven Leben zuwenden läßt? Und wenn man vom Wissen spricht, so ist zu beachten, daß auch das Suchen nach der Wahrheit, die rechte Ausrichtung des moralischen Urteils als Werte entfaltet werden müssen, die in allen Situationen des Lebens unverzichtbar sind. Die Erziehung darf die Entwicklung der Intelligenz nicht trennen von der Tauglichkeit, sein Leben in verantwortlicher und des Menschen würdiger Weise zu führen. Mehr noch: der junge Mensch muß entdecken, daß ihm nur dann sein Leben wirklich gelingt, wenn er darin die Dimension des Dienstes an anderen, der hochherzigen Solidarität mit seinem Nächsten integriert. Mit diesen kurzen Bemerkungen wollte ich einige Anforderungen des Lehrberufes und der Auffassung vom Erziehungssystem selbst hervorheben. Ich wünsche lebhaft, daß die katholischen Intellektuellen sich alle Mühe geben, den jungen Menschen die besten Werte weiterzugeben, an die sie sich selbst gebunden fühlen. <486> <486> Ich möchte mit Ihnen noch eine andere Sorge zur Sprache bringen, die niemand gleichgültig lassen darf, nämlich die Gesundheit. Dazu wäre viel zu sagen. Ich möchte mich hier auf einen zweifachen Appell beschränken. In erster Linie darf nichts vernachlässigt werden, gegen die Krankheit in all ihren Formen zu kämpfen und die entsprechende Vorbeugung zu entwickeln. Das geht nicht nur das Gesundheitspersonal an. Es betrifft die gesamte Gemeinschaft. Für den Gesundheitsdienst muß Personal ausgebildet und es müssen ihm die Mittel zur Behandlung versorgt werden. In dieser Hinsicht brauchen sie internationale Hilfe, das bestätigt die Kirche unaufhörlich. Ich weiß, daß die Christen ihrerseits dazu beitragen. Die Ergebnisse aber hängen davon ab, mit wieviel Ausdauer Sie ihre eigenen Anstrengungen fortsetzen, um das Leiden zu lindem und das Leben der Kinder und der Erwachsenen zu retten, indem Sie insbesondere die notwendigen Strukturen in Ihrem Bergland schaffen. Und nun mein zweiter Appell: Jeder Kranke, woran er auch immer leiden mag, soll mit Liebe und ohne jede Diskriminierung gepflegt werden. Die moralische Qualität einer Gesellschaft wird gemessen an der Achtung, die sie ohne Abstriche jedem Leben, jedem Leiden entgegenzubringen weiß. Ist das Gebot der Bruderliebe nicht vor allem angesichts der Schwächsten anzuwenden? Ist dies nicht eine Forderung, die in besonderer Weise jeden Verantwortlichen angeht, der an Gott, der die Liebe ist, glaubt? 609 REISEN 6. Liebe Freunde, ich habe mit Ihnen über die Sorge gesprochen, die Einheit der Nation zu festigen, über die Notwendigkeit, im Hinblick auf das Gemeinwohl zu handeln, über die Dimensionen der Erziehungsaufgabe, den Einsatz für die Gesundheit. Ich habe an einige Wege erinnert, auf denen Sie die Botschaft des Wortes Gottes in die Tat umsetzen müssen, wie es Ihr Sprecher gesagt hat. Es läßt sich durch einen Satz des Zweiten Vatikanischen Konzils im Dokument über das Apostolat der Laien zusammenfassen: „Die Sendung der Kirche [besteht] nicht nur darin, die Botschaft und Gnade Christi den Menschen nahezubringen, sondern auch darin, die zeitliche Ordnung mit dem Geist des Evangeliums zu durchdringen“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 5). Um Ihre Mission als christliche Führungspersönlichkeiten zu erfüllen, müssen Sie dem Beispiel des Meisters folgen, der zu seinen Jüngern sagt: „Ich aber bin unter euch wie der, der bedient“ (Lk 22,27). Wenn Sie ein hohes Bildungsniveau haben, wenn Sie gewisse Befugnisse erlangt haben, dann darum, damit Sie zum Dienst Ihrer Landsleute befähigt sind. Das bringt für Sie anfordemde Pflichten mit sich, es ruft Sie zu wirklicher Selbstlosigkeit auf. Um diesen Preis werden Sie in der aktiven und hingebenden Erfüllung Ihrer Aufgaben Jünger Christi sein. 7. Sie haben Ihrer Entschlossenheit Ausdruck gegeben, das Wort Christi zu betrachten und es zu Ihrer Nahrung zu machen. Ich ermutige Sie dazu, und ich weiß, daß Ihre Bischöfe darum besorgt sind, Ihnen immer mehr die geeigneten Mittel dazu in die Hand zu geben. Sie müssen sich tief den Forderungen des Evangeliums angleichen. Und das ist nicht nur eine Sache des Studiums und der persönlichen Meditation. Durch das brüderliche Teilen im Glauben und im gemeinsamen Gebet empfangen Sie die Gnade Gottes, die Kraft zur Treue, die Fähigkeit, das, was Sie glauben, und das, was Sie tun, wirklich in Übereinstimmung zu bringen. Gott gebe Ihnen, daß Sie in der Kirche und in der Gesellschaft Diener des Menschen seien! Nachdenken über den Sinn internationaler Beziehungen Ansprache bei der Begegnung mit dem Diplomatischen Korps in Bujumbura (Burundi) am 5. September Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Heute, da ich Kontakt mit Burundi aufnehme, bin ich glücklich, das akkreditierte Diplomatische Korps, das konsularische Korps und die Vertreter der internationalen Organisationen begrüßen zu können. Ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit bei dieser Begegnung. Ihre Besorgnisse sind soeben in einer umfassenden Übersicht von Ihrem Doyen dargelegt worden. Er war auch Übermittler Ihrer Gefühle der Hochachtung, die ich gerne annehme. Ich sage ihm dafür meinen freundschaftlichen Dank. Als Gäste dieses schönen Landes beobachten Sie mit Wohlwollen die Bemühungen des burundischen Volkes, seine nationale Einheit zu konsolidieren. Sie erkennen den Weg, den es zurückgelegt hat, die Prüfungen, die es durchgestanden hat, und den Mut, den es in den Widrigkeiten gezeigt hat. Dieses Volk, dessen Angehörige an ein und derselben Kultur und 610 REISEN einem echten Sinn für Geistiges Anteil haben, lädt Sie ein, den Beziehungen, deren Treuhänder Sie sind, die Dimension eines von gegenseitigem Respekt und von Hoffnung auf die Zukunft geprägten Dialogs zu geben. 2. Die menschlichen Beziehungen, an die ich auf diese Weise erinnere, geben dem Handeln des Diplomaten seine wirkliche Tragweite. Daran zu erinnern, daß sein erstes Ziel der Friede ist, stellt heute nicht ein aus reiner Schicklichkeit gewähltes Gesprächsthema dar. Konflikte verbreiten weiterhin Angst und Leid in ganzen Weltgegenden, auf diesem Kontinent ganz besonders. Bei unserer Begegnung heute abend denken wir daran mit lebhafter Sorge um die gequälten Völker. Wir bitten darum, daß der Dialog über die feindselige Auseinandersetzung siege und daß bei den Verantwortlichen für das Gemeinwohl der Geist der Versöhnung über Haltungen ganz anderer Art die Oberhand behalte. 3. Mögen Sie in Burundi geographisch nahe oder ferne Staaten, Nationen von sehr unterschiedlichem Entwicklungsstand oder auch Organisationen mit weltweiter oder regionaler Berufung vertreten, Ihnen allen gemeinsam ist der Auftrag, eine dem Volk dieses Landes nützliche Zusammenarbeit zu fördern. Wir wissen, daß die jüngste Entwicklung der Ost-West-Beziehungen in Europa Unruhe unter den Ländern des Südens erregt hat, denn sie sind schutzlos einer Wirtschaftskrise ausgesetzt, die allein zu überwinden sie nicht die Möglichkeit haben. Sie erleiden die Rückschläge der Marktfluktuationen, ohne sie auffangen zu können, und haben oft den Eindruck, von den Mächten, die nur ihren egoistischen Interessen gemäß Vorgehen, schlecht behandelt zu werden. Eine solche Situation, die ich nur in groben Umrissen darstellen kann, fordert ein Nachdenken über den Sinn der internationalen Beziehungen, denen hier zu dienen sie beauftragt sind. Wenn es auch ungerecht ist, im Handeln der Großmächte und der internationalen Organisationen nur ein Profitstreben auf Kosten der bedürftigen Länder zu sehen, so bleibt es doch nicht weniger wahr, daß man gelegen und ungelegen daran erinnern muß, daß die Zusammenarbeit unter den Nationen zuerst eine Realität menschlicher Ordnung und eine Partnerschaft unter Gesprächsteilnehmem ist, die einander respektieren. Glücklicherweise kann man eine gewisse Weiterentwicklung in der Art und Weise feststellen, die Entwicklung eines Landes abzuschätzen. Tatsächlich können die wirtschaftlichen Indikatoren allein weder die Kräfte eines Volkes noch die Gesamtheit seiner Realisierungen vermitteln. Die Gesundheit der Menschen, ihr Bildungsniveau, die Qualität ihres Alltagslebens müssen ebenfalls in Betracht gezogen werden. Was ich früher einmal über den Frieden gesagt habe, das kann ich auch auf die Entwicklung anwenden, nämlich daß man sie „als Frucht gerechter und redlicher Beziehungen in allen Bereichen des Lebens der Menschen auf dieser Erde, den sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen und moralischen Aspekten“, betrachten muß (Botschaft zum Weltfriedenstag 1986, Nr. 4). <487> <487> Über die ganze Welt hinweg scheint die Notwendigkeit einer konstruktiven Zusammenarbeit mehr mit der Forderung nach echten Dialogen verbunden zu sein. Die Partner leisten dann einen positiven Beitrag zum Wohl ihrer Völker, wenn sie beiderseits vom Sinn für den Dienst an der Allgemeinheit durchdrungen sind und wenn es klar ist, daß die Interessen der 611 REISEN einen Seite nicht zum Nachteil der Interessen der anderen verteidigt werden. Die Planung eines Landwirtschafts-, Industrie- oder Dienstleistungsprojekts wird umso mehr Chancen auf Erfolg haben, je mehr es in offenen Verhandlungen mit denen ausgearbeitet wird, die es später verwirklichen und davon profitieren sollen. Denn es geht immer darum, die Tätigkeit freier Menschen zu unterstützen, ihre Mittel zum Leben zu vermehren, ihre Arbeitsfähigkeit ohne Geringschätzung ihrer Verantwortlichkeit und ihrer Entfaltung zu mobilisieren und Erwartungen zu entsprechen, die sie wirklich haben. Kurzum: Damit die Zusammenarbeit unter unterschiedlichen Partnern der Entwicklung der weniger Begünstigten wirklich zu vollem Nutzen sei, muß man, ohne deren Rolle in Frage zu stellen, über die einfache Beziehung des Austauschs von Produkten und des Profitstrebens hinausgehen. Durch das wechselseitige Verständnis der Kulturen, das Teilen der wissenschaftlichen Erkenntnisse und die Entdeckung von Reichtümem, die nicht in klingende Münze umsetzbar sind, wird man zum eigentlich menschlichen Sinn des Austauschs Vordringen. Und angesichts von Elend und Krankheit werden brüderliche Solidarität und Liebe eine uneigennützige gegenseitige Hilfe motivieren. Wo es zur Begegnung der Völker kommen soll, ehe sich eine technische Zusammenarbeit herausbildet, wird es ganz natürlich sein, daß die Gesellschafts- und Familienstrukturen und die moralischen und geistigen Überzeugungen einer jeden menschlichen Gruppierung geachtet werden. Das ist eine unerläßliche Voraussetzung dafür, daß jeder seine Würde bewahrt und unter Entfaltung seiner eigenen Qualitäten seinen eigenständigen Beitrag zur menschlichen Gemeinschaft leisten kann. 5. Mir scheint, daß diese Überzeugungen weithin der Erfahrung vieler internationaler Organisationen und vieler zuverlässiger Leute entsprechen, die mit allen ihren Kräften zur Entwicklung der am meisten heimgesuchten Völker beitragen. Ich möchte hier die Hochachtung zum Ausdruck bringen, die ich für die Tätigkeit der zahlreichen spezialisierten Einrichtungen, der Regierungs- wie der Nichtregierungsorganisationen, der konfessionellen und der nicht konfessionellen, hege, weil sie keinerlei Anstrengung scheuen, um die Solidarität der Nationen mit konkretem Inhalt und einer Wirksamkeit zu erfüllen, die wir uns immer größer erhoffen. Die Überlegungen, die ich Ihnen hier vorgetragen habe, entspringen im Grunde dem Vertrauen der Kirche in den Menschen, in die Kräfte seiner Vernunft und seines Herzens, in seine Fähigkeit, Mißgeschicke zu meistern und Spaltungen schließlich zu überwinden. Ich lege großen Wert darauf, dem Mut der Armen, der zahllosen Armen der Welt, meine Anerkennung auszusprechen. Ihre Würde erzwingt unsere Bewunderung. Sie verdienen es, in ihrem täglichen Kampf um das Leben nicht allein gelassen zu werden. Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, daß Sie ihren Auftrag zum Wohl dieses Landes und der großen Menschheitsfamilie erfüllen können. Und ich bitte Gott, er möge Ihnen mit dem Geschenk seiner Gnade helfen. 612 REISEN Zwischen Werten und Nichtwerten klar unterscheiden Ansprache bei der Begegnung mit der Bischofskonferenz von Burundi in Bujumbura am 5. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Am Ende meines ersten Tages in eurem Land ist es für mich eine echte Freude, mit euch ganz zwanglos zu einem Gedankenaustausch und ein Nachdenken vor dem Herrn beisammen zu sein. Wir sind hier wie die Jünger nach der Auferstehung, als sie im Gebet mit Maria im Abendmahlssaal über die Anweisungen Christi nachdachten, der sie ausgesandt und ihnen den Auftrag gegeben hatte, seine Kirche in allen Teilen der Erde zu gründen; dazu versprach er ihnen seine Gegenwart bis ans Ende der Zeit und die Kraft seines Geistes der Wahrheit und der Liebe. Wir setzen also heute abend unsere Gespräche vom April 1989 fort, als ihr zum Ad-limina-Besuch nach Rom gekommen wart. Wir hatten damals miteinander viele Aspekte eures bischöflichen Dienstes besprochen. Ich möchte nur gewisse Punkte des Programms unterstreichen, das Bischof Bududira, euer Vorsitzender, dargelegt hat, und mich dann mit einem Problem beschäftigen, das sich in diesem Augenblick zu verschärfen scheint: mit der Aids-Epidemie. 2. In einer Kirche, die bald ihr lOOjähriges Bestehen in diesem Land feiern wird, ist es ganz natürlich, daß ihr den Nachdruck auf eine Wiederaufnahme, eine Erneuerung der Evangelisierung legt. Die Prüfungen, die ihr erst kürzlich durchgestanden habt, und die größere Reife, die eure Gemeinden erworben haben, bringen die Kirche in Burundi an einen Wendepunkt ihres Weges. Ihre Situation entspricht auf ihre spezielle Weise der Situation der Kirche in ganz Afrika, die der Anlaß für die Einberufung einer Sondersitzung der Bischofssynode über das allgemeine Thema „Der Evangelisierungsauftrag auf das Jahr 2000 hin“ war. Kraft meines Auftrags als Nachfolger des Petrus ermutige ich euch aus ganzem Herzen auf dem Weg, den ihr einschlagt. „Ihr werdet meine Zeugen sein“ ( Apg 1,8), sagt der Herr zu seiner ganzen Kirche. Diese ernste Anweisung gilt für jeden Tag, für jeden Aspekt unserer Seelsorgetätigkeit. Ob ihr nach neuen Methoden oder Ausdrucksformen sucht, die dem Lebensmilieu und der Mentalität eurer Landsleute angemessen sind, oder ob ihr den Eifer und das Engagement der Gemeinden anregen wollt, die ihren alten Gewohnheiten treu zu bleiben versucht sind, es geht immer um das eifrige und lebendige Zeugnis für die Frohe Botschaft. In diesem Zusammenhang spreche ich dem beachtlichen Bemühen, mit der ihr die überwiegende Mehrzahl der Gläubigen auf meinen gegenwärtigen Pastoralbesuch eingestimmt habt, meine Anerkennung aus. Ein ganzes Jahr lang haben sie über das Ausmaß des Auftrags nachgedacht, den Christus allen Getauften gegeben hat. Während der Fastenzeit haben sie eine vertiefte Gewissenserforschung gehalten, um danach im Licht des Auferstandenen und des Pfingstgeistes die Lebenssituation des neuen Menschen zu erkennen, die der Herr den Gliedern seines Leibes verliehen hat, und haben so das Hauptthema unserer Tage miteinander entfaltet: „Christus befreit und eint uns“. 613 REISEN Ich wünsche mit euch, daß diese Art von verlängertem Einkehrtag eurer ganzen Gemeinschaft zu einem dauerhaften Angelpunkt einer stets erneuerten Bekehrung und eines festen Wachstums im Glauben darstellt. In Burundi „werdet ihr Zeugen sein“ des Erlösers, stets darauf bedacht, euren Brüdern in allen Bereichen und in allen Schwierigkeiten zu begegnen und sie das Glück entdecken zu lassen, sich von der unendlichen Liebe Gottes geliebt zu wissen. 3. Mit euch sind die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen auf den Vorposten der von euren Gemeinden unternommenen Bemühungen gestanden. Auch als man diesen einen Teil der Missionare wegnahm, die früher mit ihnen gearbeitet hatten, haben sie es verstanden, diese Situation mutig zu meistern. In den letzten Monaten haben auch sie mit ihren Bischöfen gemeinsame Einkehrtage gehalten. Das ist ein sehr positives Zeichen der innigen Gemeinschaft unter allen Personen des geweihten Standes, die auch die Einheit und die aus dem Evangelium entspringende Dynamik der Gläubigen fördert. Danken wir für die erreichten Fortschritte! Morgen werde ich die Freude haben, den Priestern und Ordensleuten Bumndis zu begegnen; ich möchte sie in ihrer vollkommenen Hingabe an den Dienst des Herrn und des Volkes Gottes ermutigen. Sie sind natürlich die ersten Träger der erneuerten Evangelisierung und werden diese in enger Zusammenarbeit mit den Katechisten und den anderen engagierten Gläubigen vorantreiben. Alles, was ihr unternehmt, um ihr Priester- und Ordensleben zu stützen, um sie in ihrem Gebetsleben, in ihrem Nachdenken, in der Erneuerung ihrer Kraftquellen durch regelmäßige Schriftlesung und Vertiefung der Lehre und der Seelsorgsmethoden der Kirche zu bestärken, wird sowohl für ihr Handeln wie auch für ihr persönliches Gleichgewicht von Nutzen sein. Mehr noch: Regelmäßiger Austausch unter Bischöfen, Priestern und Ordensleuten wird zu einer Bereicherung der Seelsorgeaktivitäten verhelfen.. Institutionen für wechselseitige Abstimmung und Studium, wie ihr sie erfolgreich eingerichtet habt, werden umso besser ihre Ziele erreichen, je mehr sich die Beteiligten bei ihren Studien und Reflexionen auf das Ziel konzentrieren, die Seelsorge zu stärken; zugleich werden die mit dem Volk Gottes erlebten Erfahrungen das Nachdenken auf konkreter Basis erneuern und dazu drängen, auf die spirituellen und intellektuellen Quellen zurückzugreifen. Die ständige Weiterbildung des gesamten geweihten Standes wird allmählich von derselben Intention genährt werden, das Dienstamt zu bereichern. <488> <488> Für das Volk Gottes insgesamt halte ich neben einer ganzen Reihe anderer - drei Ziele für wichtig: In erster Linie denke ich an die zahllosen Fragen um die Familie, das christliche Leben der Ehegatten und deren Verantwortung für die Annahme des Lebens und die Erziehung der Kinder. Angesichts des Zögerns, das so manche Veränderungen in der Gesellschaft der Gegenwart auslösen, ist es wichtig, daß die christlichen Familien über die christliche Morallehre aufgeklärt werden und den Sinn ihrer Forderungen verstehen, damit sie sich nicht durch divergierende Einflüsse, die auf sie einstürmen, auf falsche Wege bringen lassen. Seid Animatoren der Familienpastoral in allen ihren Dimensionen; das ist ein vorrangiges Ziel, das geduldig von allen Seelsorgekräften verfolgt werden muß. Wh kennen die Schwierigkeiten eures Landes bei seiner Entwicklung. An dem Zeitpunkt, an dem sich die Christen mit Sachverstand an den Anstrengungen der Nation beteiligen, muß 614 REISEN den Annen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, die bei euch so zahlreich sind -den Armen der Städte und der Dörfer, den materiell, moralisch und spirituell Armen, die oft an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Mögen die christlichen Gemeinden in dieser Hinsicht eine einfallsreiche, dauerhafte, erbarmungsvolle Liebe entfalten wie auch eine effiziente konkrete gegenseitige Hilfe. Das verlangt viel Großzügigkeit von seiten der meisten Gläubigen. Unterstützt die Initiativen, die in diese Richtung zielen. Auch das heißt, den Appellen des Evangeliums zu entsprechen und Christus auf den Wegen zu folgen, die er selbst uns vorausgegangen ist. Das dritte Ziel, das ich allen Gliedern der Kirche, besonders aber den Laien, ins Gedächtnis rufen möchte, ist die Übereinstimmung der Entscheidungen des Alltagslebens mit den Anforderungen des Glaubens. Bei der Arbeit, bei der Erziehung, in der öffentlichen Verantwortung und in den Aktionen für die Entwicklung liegt viel daran, daß die Christen über ein klares Unterscheidungsvermögen zwischen den christlichen Werten und den Nichtwerten verfügen. Wie sollte man ohne ein solches seine Alltagstätigkeit mit den Glaubensüberzeugungen in Übereinstimmung bringen können? Ihr habt es selbst gerade gesagt, daß dieser Fragenkomplex, den ich nur streife, euch Sorgen bereitet. Unterlaßt keine Anstrengung, um euren Diö-zesanen zu helfen, als Christen in dieser Nation zu leben. Erläutert insbesondere die christlichen Motive für eine großzügige Mitarbeit aller an der Festigung der nationalen Einheit. Mögen die Jünger des menschgewordenen Sohnes Gottes den Menschen so sehr lieben, daß sie ihn, wenn nötig, gegen seine eigene Sünde verteidigen und seine Würde fördern. 5. Die burundische Gesellschaft ist, wie auch andere auf der Welt, einer ernsten Gefahr ausgesetzt. Ich denke an die ganze Länder erfassende Seuche Aids, die eine wachsende Zahl eurer Landsleute befällt, vor allem junge Erwachsene und sogar - und mit Schmerz müssen wir es feststellen - kleine Kinder. Das erfordert euren Seelsorgeeifer gegenüber allen und bringt euch dazu, über die Ursprünge und die Folgen dieser Krankheit nachzudenken. Ich selbst habe mich zu diesem Thema schon geäußert, vor allem im vergangenen Herbst in Rom bei einem Kongreß, der die verschiedenen Aspekte des Problems studierte. Ich möchte daran erinnern, daß der Emst dieser Krankheit nicht nur in den Leiden und dem Sterben liegt, die unerbittlich ihre Folgen sind, sondern auch in den Auswirkungen anthropologischer und moralischer Natur. Die Epidemie unterscheidet sich von vielen anderen, die die Menschheit gekannt hat, durch das Faktum, daß bestimmte menschliche Verhaltensweisen bei ihrer Ausbreitung eine Rolle spielen. Während die Evolution des Denkens dazu neigte, die Unausweichlichkeit des Todes zu verschleiern, dessen Platz im Schicksal eines jeden Menschen man doch nicht leugnen kann, konfrontiert jetzt die Bedrohung durch Aids unsere Generationen in ihrem irdischen Leben auf eine umso erschreckendere Weise, weil sie - direkt oder nicht - mit der Weitergabe des Lebens und mit der Liebe verbunden ist. Es bedrückt, daß die zum Leben gehörenden Möglichkeiten des Menschen davon bedroht sind, zu Möglichkeiten des Todes zu werden. Man muß also begreiflich machen, was diese Krankheit offenbart: Neben dem biologisch medizinischen Problem erscheint das, was ich „eine Art Immunschwäche auf der Ebene der wesentlichen Werte“ genannt habe. Nur aus streng medizinischer Sicht über die Risiken der Ansteckung zu informieren und eine Vorbeugung zu organisieren, wäre des Menschen nicht 615 REISEN würdig, wenn man nicht auch dazu aufriefe, die Erfordernisse einer affektiven Reife und einer geordneten Sexualität wiederzufinden. In derselben Rede habe ich gesagt: „Deswegen liegt der Kirche als der verläßlichen Auslegerin des Gesetzes Gottes und als ,Expertin in Menschlichkeit’ am Herzen, nicht nur eine Serie von ,Nein’ zu bestimmten Verhaltensweisen auszusprechen, sondern vor allem einen für die Person sinnvollen Lebensstil aufzuzeigen. Sie weist kraftvoll und freudig auf ein positives Ideal hin“ (Rom, Ansprache vom 15. November 1989, Nr. 5). Die Pastoral der Kirche wird durch Aids mit einem Bündel von Herausforderungen konfrontiert. Informieren, erziehen, aber nicht akzeptieren, daß das Problem ohne Rücksicht auf die Ethik behandelt wird, denn dann würde man den Ursprung dieses Übels weder verstanden noch bekämpft haben. Und es gibt auch die Pflicht, den aids-infizierten Menschen beizustehen. Ich weiß, wie schwierig diese Pflege ist bei der Armut, in der ihr euch befindet. Ich hoffe und ich wiederhole die Bitte, daß euch die Unterstützung auf diesem Gebiet, auf dem Katholiken nutzbringend mit Institutionen und Menschen Zusammenarbeiten, die sich derselben Gesundheitsaufgabe widmen, nicht zu knapp bemessen werde. Doch ich denke gleichzeitig an die psychologische und spirituelle Assistenz, die bei den Kranken in der akuten Phase wie auch bei den Virus-Trägem nicht fehlen darf. Diese haben oft die Neigung, sich in quälendem Schweigen in sich selbst zurückzuziehen. Sie brauchen brüderliche Begleitung, um den Mut zu finden, ihre Lage anzunehmen. Und wir müssen mit Entschiedenheit jede Versuchung einer Diskriminierung beseitigen, die sich ihnen gegenüber manifestieren könnte. Und da ist die ganze schwierige Frage nach dem Sinn des Leidens, nach dem Wert allen Lebens, auch des verwundeten und geschwächten. Mögen sich die Jünger des gekreuzigten Christus in Liebe zu Füßen des Kreuzes dieser Armen versammeln, mit denen sich der Erlöser ebenfalls identifizieren wollte. Und die christlichen Gemeinden brauchen viel Großherzigkeit, um den Familien beizustehen, die von der Erkrankung eines ihrer Mitglieder niedergeschmettert sind, und um für die Kinder zu sorgen, die ihre Eltern verloren haben. Wir hoffen auf den Tag, an dem diese Geißel besiegt sein wird. Doch seien wir angesichts der gegenwärtigen Prüfung lebendige Zeugen der erbarmenden Liebe Gottes. Seien wir die Hoffnungsträger im Glauben an Christus, der sein Leben für das Heil der vielen hingegeben hat. <489> <489> Liebe Brüder im Bischofsamt, damit die Bemühungen, von denen wir heute abend gesprochen haben, gut ausgeführt werden, und für das ganze Bündel der Aufgaben, die mit dem Evangelisierungsauftrag der Kirche verbunden sind, braucht es die Zusammenarbeit aller Glieder eurer Gemeinden. Hirten, ihr seid die Führer des Apostolats und ihr habt den Auftrag, die Einheit des Volkes Gottes zu bewahren. Ihr denkt daran, bis zur Hundertjahrfeier eurer Kirche zu synodalen Orientierungen eurer Diözesen zu gelangen. Ich wünsche euch von ganzem Herzen, daß ihr in diesem Sinne Fortschritte macht, und rufe die Kleriker, die engagierten Laien und die große Zahl der Getauften auf, zusammen weiterzugehen auf dem Weg der Nachfolge Christi. Eure Aufgabe als Bischöfe ist schwer. Nach menschlichem Ermessen scheint es die Kräfte eines jeden zu übersteigen. Doch der Herr, der den Petrus in seinem Glauben stützte, mißt 616 REISEN seine Gnade nicht zu knapp. Gründet euer Vertrauen auf den Heiligen Geist, der euch bei der Handauflegung übermittelt worden ist: Christus, der euch zu voller Teilnahme an seinem einzigartigen Priestertum berufen hat, ist in eurem Handeln gegenwärtig. Mögen der Friede und die Freude, die er seinen Aposteln verheißen hat, in euch bleiben! Dankt dafür, daß ihr in seinem Namen Verwalter der Geheimnisse Gottes seid, daß ihr zu seinen Freunden zählt, die er bis ans Ende geliebt hat. Sagt mit Petrus zu ihm: „Herr, du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Mögen diese Worte des Lebens nie aufhören, euren Dienst am geliebten Volk, das euch anvertraut ist, zu inspirieren. Und möge Gott euch segnen. Christen müssen Gemeinschaft des Friedens bilden Ansprache bei der Begegnung mit den nichtkatholischen Gemeinschaften und den Vertretern anderer Religionen in Bujumbura (Burundi) am 6. September Liebe Freunde! 1. Es ist mir eine große Freude, im Lauf dieses Besuches, den ich nach Gottes Willen eurem Land abstatten darf, mit euch zusammenzutreffen. Ich begrüße euch alle sehr herzlich, von Gefühlen und Wohlwollen beseelt. Ich möchte mich zuerst an euch, meine christlichen Brüder wenden, die ihr mit den Katholiken Burundis ein Zeugnis für unseren gemeinsamen Herrn ablegt, für Jesus Christus, den Retter der Welt. Die Offenbarung des göttlichen Planes für die Menschheitsfamilie wurde uns anvertraut, und wir müssen seine Sprecher sein. Wir glauben daran, daß Gott die ganze Menschheit in einer Gemeinschaft mit sich versammeln will. Nur durch die Gnade wurden wir zu Nutznießern dieses außerordentlichen Geschenks, und aufgrund des sakramentalen Bandes der Taufe ist eine Einheit unter uns entstanden, die so stark ist, daß nichts sie zerstören kann, ist sie doch Werk Gottes. 2. Freilich, es bestehen noch immer unter uns Divergenzen in der Lehre; diese sind manchmal auch ernst, sind ein Erbe von Unverständnis und Mißverständnissen der Vergangenheit und müssen überwunden werden, wollen wir dem Willen Christi gehorchen. Was uns jedoch schon eint, reicht viel weiter als das, was uns noch trennt. In unserem gemeinsamen Erbe können wir die Hilfen finden, nicht nur für gegenseitige Toleranz und gegenseitige Achtung, sondern auch zum Streben nach immer tieferer Einheit und zum zeichenhaften Zusammenstehen, das es uns erlaubt, schon jetzt trotz unserer Schwächen und unserer Untreue die Männer und Frauen unserer Zeit einzuladen, die Gemeinschaft mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist sowie die Gemeinschaft untereinander zu suchen. <490> <490> Sooft als möglich müssen die Christen gemeinsam eine Gemeinschaft des Friedens und der Versöhnung im Dienst ihres Landes und der ganzen Welt bilden. Wir müssen daher Zusammentreffen, um einander kennen, achten und lieben zu lernen. Die ökumenischen Gruppen und Organisationen sind oft - auf örtlicher und internationaler Ebene - trotz aller Last und aller Grenzen, die jeder menschlichen Institution anhaften, geeignete Mittel für das Wachstum des gegenseitigen Vertrauens, für die Aufnahme des Wortes und die Stärkung des 617 REISEN gemeinsamen Zeugnisses. Als Bischof von Rom fühle ich mich besonders dafür verantwortlich, die Jünger Jesu aufzurufen und zu ermutigen, sie mögen gemeinsam dieser immer vollkommeneren Einheit entgegenwachsen, für die der Herr gebetet hat (vgl. Joh 12,21). 4. Die Katholiken - Laien und Ordensleute, Priester und Bischöfe - müssen wissen, daß „die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit... Sache der ganzen Kirche [ist], sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten, und ... jeden an[geht], je nach seiner Fähigkeit, sowohl in seinem täglichen christlichen Leben wie auch bei theologischen und historischen Untersuchungen“ (Unitatis redintegratio, Nr. 5). Ich weiß, daß die Katholiken Burundis, auf diese Forderung des II. Vatikanischen Konzils eingehend, gemeinsam mit euch verschiedene Initiativen ergriffen haben. Es ist mir eine Freude, die aktive Zusammenarbeit zu betonen, die in diesem Land im Rahmen der Bibelgesellschaft der Übersetzung und Veröffentlichung der Heiligen Schrift gilt. „Lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll“ (Hebr 4,12); in ihm finden alle Christen eine Quelle und Grundlage für ihr Zeugnis in der Welt, wo sie, das Wort des Lebens tragend, als Lichter leuchten müssen (vgl. Phil 2,15-16). 5. Ich begrüße auch Sie, die würdigen Vertreter der islamischen Gemeinde und der Gemeinde der Bahai. Ihre Gegenwart ist eine Einladung, einen Augenblick über die Beziehungen nachzudenken, die zwischen Glaubenden bestehen müssen. Fast fünfundzwanzig Jahre sind vergangen, seitdem das II. Vatikanische Konzil daran erinnert hat, daß die verschiedenen Religionen sich bemühen, auf die tiefsten Fragen des menschlichen Herzens eine Antwort zu geben und daß die von ihnen vorgeschlagenen „Wege“ alle Achtung verdienen (vgl. Nostra aetate, Nr. 2). Grundlage dieser gegenseitigen Achtung ist ja die Würde des Menschen, der von Gott und für Gott geschaffen wurde. Unseres gemeinsamen Ursprungs und unserer gemeinsamen Bestimmung eingedenk, wollen wir imstande sein, im Dienst dieser Würde und angesichts der ernsten Probleme, die unsere Welt bedrücken, zusammenzuarbeiten. Als Glaubende wollen wir die ersten sein, welche das Leben achten, sich um die Ärmsten und Mittellosesten bemühen und,für die Gerechtigkeit wirken! Ich möchte hier die Wünsche wiederholen, die ich letztes Jahr in Djakarta aussprach: „Bemühen wir uns gemeinsam um das gegenseitige Verstehen und um den Frieden. Machen wir im Namen der Menschheit gemeinsame Sache für die Erhaltung und Förderung jener Werte, die zur geistlichen und sittlichen Gesundheit unserer Welt beitragen. Stellen wir uns großmütig in den Dienst des göttlichen Willens so wie wir ihn kennen, im Geist des Dialogs, der Achtung und der Zusammenarbeit“ (10. Oktober 1989). Allen Glaubenden Burundis wünsche ich, sie mögen auf den Wegen der Einheit und des Friedens fortschreiten. 618 REISEN Die Liebe bringt den Frieden Predigt bei der Eucharistiefeier in Gitega (Burundi) am 6. September Familien von Burundi, liebe Brüder und Schwestern! 1. Bei dieser Feier lade ich euch zur Begegnung mit der Heiligen Familie von Nazaret ein. Ihr Familien, die ihr das Volk Gottes in Burundi seid, ich bin glücklich, mit euch bei eurem Marienheiligtum von Mugera zu beten, an dieser Stätte, wo die Kirche in euer Land verwurzelt wurde, diese Stätte, zu der die Söhne und Töchter von Burundi in großer Zahl der Mutter Christi ihre Treue zum Evangelium, ihre Freude, im Glauben verbunden zu sein, und auch ihre Sorgen und Hoffnungen anvertrauen. In der Jungfrau von Nazaret erkennt ihr die vollkommene Gestalt der Kirche wieder, die Unbefleckte, die uns auf der Wallfahrt des Glaubens vorangeht, die hilfreiche Mutter, der Jesus seine Jünger in dem Moment anvertraut hat, da er sein erlösendes Opfer vollbrachte. Familien von Burundi, vor allem mit euch komme ich in der Wallfahrt der Kinder Gottes zur Jungfrau von Nazaret, der Mutter Jesu. Ich danke euch, daß ihr euch hier mit mir im Gebet versammelt habt. Ich danke eurem Bischof Joachim Ruhuna für die Empfangsworte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. An euch richte ich den herzlichen Gruß als Bischof von Rom. Einem jeden möchte ich meine Freundschaft zum Ausdruck bringen: den Verwaltungsbehörden, den Priestern, Ordensleuten, Katechisten, allen Getauften und auch unseren Brüdern und Schwestern anderer geistlicher Traditionen. 2. Ja, heute lädt euch die Kirche dazu ein, durch die Worte der Liturgie der Heiligen Familie zu begegnen. Es sind kurze Worte, doch haben sie einen reichen Inhalt. Als Jesus mit 12 Jahren im Tempel wiedergefunden wurde, sagt uns der Evangelist Lukas: „Dann kehrte er mit ihnen nach Nazaret zurück und war ihnen gehorsam. Seine Mutter bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen. Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (2,51-52). Es ist schwer, mehr mit so wenig Worten zu sagen, denn hier werden sehr viele Dinge in Erinnerung gerufen. Wir sehen den zwölfjährigen Jesus, wie er das Staunen der Gelehrten des Tempels von Jerusalem weckt, indem er Fragen stellt und die richtigen Antworten gibt. Seine Mutter bewahrte all diese Ereignisse in ihrem Herzen. Und Josef, der Zimmermann, weihte Jesus nach und nach ins Tischlerhandwerk ein, so daß man Christus den „Sohn des Zimmermanns“ (Mt 13,55; vgl. Mk 6,3) nennen wird. <491> <492> <491> Der Psalm der Liturgie lädt uns ebenfalls durch die Beschreibung des Familienlebens im Alten Testament zur Begegnung mit der Familie von Nazaret ein. Es ist ein glückliches Leben: im „Haus“ sehen wir den Mann, der zufrieden damit ist, seine Familie mit seiner Hände Arbeit zu ernähren, die hochherzige Frau, die Kinder rings um den Tisch, wie junge Ölbäume (vgl. Ps 127/128,1-3). Und wenn man diesen Psalm hört, versteht man, daß das Haus der Familie in gewisser Weise das Haus des Herrn ist: die, die es bewohnen, ehren den lebendigen Gott, sie werden von Ihm 619 REISEN gesegnet (vgl. Ps 127/128,1.4). Die Familie lebt in der Gegenwart des Herrn; er, der Schöpfer, schenkt ihnen das Leben, er erlaubt ihnen, das Leben zu geben und „die Kinder ihrer Kinder“ zu sehen (vgl. Vers 6). Wohl dem, der auf den Wegen des Herrn geht (vgl. Vers 1)! Wohl der Familie, die wie die Familie von Nazaret im Glauben und in der Liebe Gottes vereint ist! 4. Der hl. Paulus lädt uns auch im Brief an die Kolosser dazu ein, uns der Familie von Nazaret anzuschließen; „Bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat“ (3,12-13). Wie aktuell diese Worte doch sind! Wie sehr doch all diese Tugenden im Familienleben nötig sind, insbesondere die Bereitschaft, sich gegenseitig zu ertragen und zu vergeben: „Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr“ (ebd. 3,13). Es stimmt, daß die Familien in Burundi zu oft schon von Leiden gepeinigt worden sind: von Zerstreuung, Fortzug oder sogar Verschwinden ihrer Mitglieder. Doch muß man nicht innerhalb der Familie das Vergeben lernen? Sagen wir nicht jeden Tag im Gebet: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem“ (vgl. Mt 6,12; vgl. Lk 11,4)? Und lernen die Kinder nicht in der Familie, die Einheit und Solidarität zu leben, die auf Liebe, Achtung und gegenseitigem Respekt beruhen? Ja, durch diese Tugenden des Alltagslebens, durch das Verständnis und die Bereitschaft, sich gegenseitig zu vergeben, wird die Nächstenliebe errichtet. „Die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht“ (Kol 3,14). Die Liebe bringt auch den Frieden: den Frieden Christi. Die Liebe lehrt, dankbar zu sein für die Gaben, die wir empfangen, und sie lehrt uns auch, die anderen zu beschenken. Zu einer solchen Liebe sind Frau und Mann, Eltern und Kinder aufgerufen. Der Apostel schreibt: „Ihr Kinder, gehorcht euren Eltern“, und er schreibt auch: „Ihr Väter, schüchtert eure Kinder nicht ein, damit sie nicht mutlos werden“ (Kol 3,20-21). <493> <494> <493> Familien von Burundi, ihr nehmt die Einladung der Liturgie zur Begegnung mit der Familie von Nazaret an, wenn ihr euch bemüht, ein Leben nach diesem Vorbild zu leben. Die besten Traditionen eures Volkes sind auch ganz in diesem Sinne. Eure Vorfahren haben euch Achtung für die Ehe, die Treue und die Harmonie der Eheleute vererbt: „urugo rugira babiri“, das Haus ist eine Sache für zwei. Die großen menschlichen Qualitäten des Verständnisses und der gegenseitigen Hilfe stimmen mit den Werten des Evangeliums überein. Die Forderungen der christlichen Ehe entsprechen in der Tat dem, was das Beste im Menschen ist, der von Gott für die Einheit als Paar geschaffen wurde. Doch trifft es leider gegenwärtig zu, daß beträchtliche Wandlungen in der Lebensweise, in den Beziehungen zwischen Männern und Frauen auftauchen. Die Christen dürfen sich nicht mitreißen lassen; sie müssen mit einem klaren moralischen Urteil reagieren. Denn die Würde der Familie, das Glück der Eheleute und das ihrer Kinder stehen auf dem Spiel. Bleibt auch eurer Tradition in der Kindererziehung treu, bei der sich die Anwesenheit und die Rolle des Vaters und der Mutter im Gleichgewicht halten. Ihr pflegt zu sagen: „Umwana ni 620 REISEN uwa babiri“, das Kind gehört den Eheleuten. In einer Zeit, da die Zukunft für die Jugendlichen nicht immer leicht ist, ist die liebende und vertrauensvolle Unterstützung der Eltern nötig, damit sie gesund aufwachsen und es lernen, Herr über sich selbst zu werden und mutig den Prüfungen des Lebens entgegenzutreten. Es ist auch gut, wenn die Eltern und die Kinder sich nicht in sich selbst zurückziehen und wenn sie ihre Bande der traditionellen Solidarität mit ihrer Verwandtschaft, mit dem, was man den weiteren Familienkreis nennt, nicht verlieren. 6. In eurem Land sind viele um das sogenannte bevölkerungspolitische Problem besorgt, um das recht rapide Anwachsen der Bevölkerung. Hier geht es um die Verantwortung eines jeden. Zunächst muß alles getan werden, damit die Erde von Burundi ihre Kinder ernähren kann. Die Landwirtschaft, eure erste Quelle, muß sich entwickeln, damit die Felder mehr und besseren Ertrag bringen, ohne den Boden weder auszulaugen noch verfallen zu lassen. Die Erde ist eine Gabe Gottes; es kommt der ganzen Nation zu, ihren Kindern „die Früchte der Erde und die Arbeit der Menschen“ anzubieten, wie wir es sagen, wenn wir Brot und Wein im Dankgebet der Messe darbringen. Was das Bevölkerungsproblem angeht, so kommt die Hauptverantwortung natürlich den Eltern zu: sie müssen eine verantwortliche und hochherzige Vater- und Mutterschaft leben, die Kinder empfangen, die sie wünschen und die sie glauben, aufziehen zu können. Dies setzt eine hohe Achtung der Eheleute füreinander voraus, eine Beherrschung ihres Intimlebens, eine Liebe, die ständig die Achtung vor der Frau in ihrer Fähigkeit, Mutter zu sein, bewahrt. Daher muß die Kontrolle der Fruchtbarkeit zutiefst menschlich bleiben, wie die Kirche es fordert, indem sie die gesunden Forderungen der Moral zum Ausdruck bringt. Die Eheleute, die die Fülle der verantwortlichen Vater- und Mutterschaft erlangen, so wissen wir, sind darüber wirklich glücklich. Die Familienaktion und die Bewegungen, die die Familien betreffen, stellen eine wertvolle Hilfe dar, damit eure Familien ihr Gleichgewicht finden und sich ihren Verantwortungen nicht nur im Bereich der Vater- und Mutterschaft, sondern auch in der Erziehung und schließlich in all ihren Verantwortungen inmitten der Gesellschaft stellen können. Denn es stimmt, daß ein gesundes und eindeutig verantwortliches Familienleben die Öffnung für die anderen und die Solidarität mit allen Brüdern und Schwestern in Menschlichkeit begünstigt. <495> <496> <497> <495> Im Brief an die Kolosser haben wir außerdem noch folgende Anweisung gehört: „Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch. Belehrt und ermahnt einander in aller Weisheit! Singt Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder, wie sie der Geist eingibt, denn ihr seid in Gottes Gnade“ (3,16). Die Liebe Gottes schenkt der Familie dank des Ehesakramentes den Reichtum der göttlichen Gegenwart. Empfangt diese Gabe, macht sie in eurem gemeinsamen Gebet, in eurer Reflexion durch die religiöse Erziehung eurer Kinder fruchtbar. Die Familie hat die grundlegende Pflicht, in ihren Kindern den Glauben zu wecken, ihnen christliche Lebenserfahrung und eine christliche Kultur zu vermitteln. Ihr sagt in eurer Sprache: „Umawana ni umurina w’isangi musangiye ni Imama“, das Kind ist ein gemeinsamer Bereich von Gott und den Eltern. Teilt mit euren Kin- 621 REISEN dem die Gabe des Glaubens und der Liebe, die ihr von Gott empfangen habt. Betet gemeinsam, errichtet gemeinsam die „Hauskirche“, die fundamentale Einheit im Volke Gottes. Ich lade die Bischöfe, die Animatoren der Familienpastoral, ein, immer mehr mit den Familien zusammenzuarbeiten, ihnen nützliche Ratschläge zu geben und auch die Erfahrungen, die Wünsche und Sorgen der Familien anzuhören und aufzunehmen, um zusammen eine lebendige und fruchtbare Kirche zu errichten im Blick auf die Familie Jesus, Maria und Josef von Nazaret. 8. Unsere Begegnung mit der Familie von Nazaret findet zu einem ganz besonderen Zeitpunkt statt: mit zwölf Jahren ist Jesus mit Maria und Josef während des Paschafestes im Tempel von Jerusalem. Und es scheint so, als wolle er sich von seinen Eltern entfernen, als er zu Maria sagt: „Wußtet ihr nicht, daß ich in dem sein muß, was meinem Vater gehört“ (Lk 2,49)? Seid ihr bereit, eines eurer Kinder sagen zu hören: ich möchte mein Leben Gott in der Kirche Christi weihen, Priester, Ordensmann oder Ordensfrau werden? Und sollte dies euer Wunsch sein, wißt ihr dann, daß die Priester- oder Ordensberufung ihren Ursprung meist im Leben des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe einer Hauskirche hat, das heißt, der Familie, die fest in die große Gemeinschaft der Kirche eingegliedert ist? Ihr Eltern, damit der Herr die Jugendlichen rufen kann, ganz und gar in seinen Dienst zu treten, muß die Familie selbst den Boden dazu bereitet haben. 9. Liebe Jugendliche, auch mit euch hätte ich gerne länger gesprochen. Doch glaube ich, daß ihr, die ihr mit euren Familien hier zugegen seid, verstanden habt, daß viele meiner Worte euch angehen. Denn ganz allmählich bereitet ihr euch selbst darauf vor, eure Berufung als Eheleute und Eltern zu verwirklichen, oder manche auch darauf, dem Ruf des Herrn zu folgen und ihm euer ganzes Leben zu schenken. Ich möchte jedem von euch meine Liebe zum Ausdruck bringen und euch ermuntern. Ihr befindet euch auf einer wesentlichen Stufe eures Daseins. Jetzt formt ihr euer Gewissen, reift einen persönlichen Glauben aus, entdeckt die Schönheit aktiver Solidarität mit euren Brüdern und die tiefe Freude, eure Verantwortung in der Gesellschaft und in der Kirche zu übernehmen. Jetzt lernt ihr es, Herr über euch selbst zu sein, in euren Beziehungen zwischen Jungen und Mädchen rein zu bleiben und Mut und Ausdauer zu beweisen, um eine Kompetenz zu erlangen, die nicht nur für euch selbst, sondern auch für euer Volk nützlich sein wird. Ich lade euch vor allem ein, an den Aktivitäten eurer christlichen Bewegungen teilzunehmen. Sie werden euch sehr nützen, damit ihr gemeinsam im Glauben den Einsatz fortentwickelt, den die Kirche von euch erwartet. <498> <498> Liebe Brüder und Schwestern, die Begegnung, die wir in dieser Liturgiefeier mit der Familie von Nazaret erleben, ruft uns dazu auf, unser Herz zu öffnen und das ganze Leben der Familien von Bumndi auf dem Altar niederzulegen. Legt euer Leid und eure Hoffnungen, eure Trauer und eure Freuden zu Jesus auf den Altar. Er wird sie seinem Vater darbringen als wertvolle Gabe seiner Brüder und Schwestern, die er liebt und rettet: Er macht aus ihnen Glieder seines Leibes, er läßt sie Kinder Gottes werden. Liebe Freunde! Ehemänner und Ehefrauen! Eltern und Kinder! Alle Generationen! Diese Eucharistiefeier möchte Begegnung mit der Heiligen Familie sein. Bringen wir die Gaben unseres Herzens, um die unvergleichliche Gabe des Lebensbrotes zu empfangen! 622 REISEN Eucharistie bedeutet Danksagung. Daher sagt uns der Apostel: „Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn. Durch ihn dankt Gott, dem Vater“ (Kol 3,17), Ihr Familien von Burundi, „in eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes“ (Kol 3,15). Nehmt erneut die Gnade des Ehesakramentes an, schreitet fort auf den Wegen, die uns die Familie von Nazaret, die Heilige Familie zeigt! Tugire amahoro ya Kristu! Der Friede des Herrn sei allezeit mit euch! Die Familie ist die Zelle der Kirche Ansprache beim Treffen mit den Laien in der Kathedrale von Gitega (Burundi) am 6. September Liebe Freunde! 1. Euer Empfang in dieser Christkönigs-Kathedrale von Gitega bewegt mich zutiefst. Ich danke euch für euer Zusammensein im Gebet. Ich bin empfänglich für das Andenken, das ihr mir anbietet. Es wird ein Zeichen für mich sein, das eure Gesichter und Stimmen in Erinnerung ruft. Dank gilt auch dem Sprecher, der euch soeben vorgestellt hat und in einigen Worten sowohl den Reichtum eurer Erfahrung als auch den Emst und die Tiefe eurer Erwartungen zum Ausdruck gebracht hat. Indem ich euch hier von ganzem Herzen begrüße, wird mir all das gegenwärtig, was ihr in der nahezu hundertjährigen Geschichte der Küche in Burundi darstellt. Die fruchtbare Evangelisierung dieses Landes verdankt ihre bemerkenswerte Ausdehnung zu einem großen Teil euch. Der Mut und die Hochherzigkeit der Katechisten und der Pfarrgemeinderäte haben die Errichtung lebendiger Gemeinschaften ermöglicht, und ein von Natur her für das geistige Leben offene Volk die Schönheit der Botschaft Christi entdecken lassen sowie den Reichtum seiner Gaben und die starken Bande, die er zwischen den Gliedern seines Leibes durch die Taufe und die Eucharistie und durch das Gesetz der Liebe Gottes geschaffen hat. Die Bewegungen der Katholischen Aktion sowie die geistlichen Bewegungen haben das kirchliche Leben im Lauf der Jahre um die Unterstützung der Laien bereichert. In einer schwierigen Zeit, die noch nicht lange zurückliegt, haben die burundischen Laien Reife und Sinn für Verantwortung gezeigt, so daß die Pfarrgemeinden und Gemeinschaften weiterleben, das Evangelium verkünden, auf die Sakramente vorbereiten und selbst Priesteroder Ordensberufungen wecken. Für all dies sage ich Gott zusammen mit euch Dank. <499> <499> Eure Erfahrung veranschaulicht das, was das Zweite Vatikanische Konzil gesagt hat: „Jeder Laie [ist] kraft der ihm geschenkten Gaben zugleich Zeuge und lebendiges Werkzeug der Sendung der Kirche selbst ,nach dem Maß der Gabe Christi’ (Eph 4,7)“ (Lumen Gentium, Nr. 33). Ja, als Zeugen für das Evangelium nehmt ihr unmittelbar und aktiv an der Mission der Kirche teil, insbesondere als belebende Kräfte oder Mitglieder der Gemeinschaften und Bewegungen. Auch in eurer Familie und in eurer Arbeit erfüllt ihr diese Rolle. Ihr getauften Laien teilt das Alltagsleben mit euren Brüdern und Schwestern von Burundi. Es kommt zuallererst 623 REISEN euch zu, die Welt zu heiligen und eure verschiedenen Tätigkeiten mit dem Geist des Evangeliums zu durchdringen. Und ihr wißt, wie wichtig und zuweilen auch schwierig es ist, seine Verantwortlichkeiten in der Gesellschaft auszuüben und dabei demjenigen treu zu bleiben, nach dessen Namen wir uns Christen nennen. Die meisten von euch haben in ihrer kirchlichen Gemeinschaft oder einer Bewegung eine Funktion. Ihr arbeitet eng mit den Hirten, den Bischöfen und Priestern, zusammen und ebenso mit den Ordensmännem und Ordensfrauen. Die Berufungen sind unterschiedlich, aber alle tragen dazu bei, den Leib Christi aufzuerbauen. Ich möchte bei dieser Begegnung euch ermuntern, die ihr Verantwortung tragt, und eure Vermittlung soll meine Ermunterung auch all den gläubigen Laien ausrichten, die sich ihrer täglichen Sendung als Zeugen und Werkzeuge für die Mission der Kirche bewußt werden müssen. 3. Natürlich denke ich an die Familien, die Zellen der Kirche. Die Familien sind die ersten Basisgemeinschaften, in denen die menschliche Liebe, die ganz und gar dem Glück des anderen zugewandt ist, die Liebe Gottes widerspiegelt. In der Familie wird Leben geschenkt und empfangen: geschenkt von den Eltern, ist es zugleich von Gott, dem Schöpfer, empfangen. Und in der Familie erfahren die Kinder ihre erste Erziehung. In eurem Volk sieht sich die sehr zahlreiche Jugend mit den Ungewißheiten einer noch unzureichenden Entwicklung und der Entstehung von Lebensweisen konfrontiert, die bestimmte negative Aspekte mit sich bringt. In dieser Situation ist die Verantwortung der Familien größer denn je. Die Kindererziehung ist für die Christen ein Teil der ehelichen Pflichten, sie muß in Harmonie mit den Überzeugungen des Glaubens und den Verhaltensgrundsätzen eines jeden christlichen Laien stehen. Ohne Zweifel haben die Schule und die Jugendbewegungen eine wesentliche Rolle zu erfüllen. Doch benötigen die Kinder zunächst eine wahre Gewissensbildung, die ihnen von ihren Eltern durch die Qualität des Familienlebens und durch das Beispiel der ihnen nahestehenden Erwachsenen vermittelt wird. Durch die Erleuchtung im Glauben, den sie zu Hause erlebt und geteilt haben, nehmen sie unmittelbar die Werte an, die für ihre Entfaltung unentbehrlich sind: die Achtung aller Menschen und Güter, den Sinn für die Wahrheit, den man nicht vernachlässigen darf, die Öffnung zur Brüderlichkeit, den Geschmack an der Arbeit und den Wunsch, sich Fähigkeiten zu erwerben, die Eignung zu verantwortlicher Teilnahme am Leben der kirchlichen Gemeinschaft und der menschlichen Gemeinschaft im allgemeinen und den Wunsch, die Erde zu schützen, die der Schöpfer dem Menschen anvertraut hat. Auch die Schule sowie die verschiedenen Jugendbewegungen sind darauf ausgerichtet, diese Qualitäten zu entwickeln, doch können sich die Eltern der ersten Bildung des Geistes und des Herzens nicht entledigen. Insbesondere stützt sich die Ausbildung einer gesunden Beherrschung der Gefühle und des Geschlechtslebens auf das, was von den Eltern vermittelt wurde. Daher richte ich einen dringenden Aufruf an sie, damit sie sich des entscheidenden Einflusses bewußt werden, den ihr eigenes Eheleben und ihre treue Beachtung der Werte, von denen wir gesprochen haben, auf die Jugend ausüben. Und ich möchte noch eine Überlegung hinzufügen: unter euch sind Waisenkinder und andere Kinder, die von ihren Eltern nur unter ungünstigen Bedingungen aufgezogen werden können. Ihr Familien und christlichen Erzieher, ich weiß, daß ihr ihnen gegenüber hochherzige Soli- 624 REISEN darität beweist. Ich ermutige euch aufs lebhafteste dazu, denn der Herr liebt diese Kleinen ganz besonders, und ich vertraue euch ihre Zukunft an. 4. Ich habe die Einheit des Leibes der Kirche ausgehend von der Verschiedenheit seiner Glieder und der christlichen Heimstätten erwähnt. Jetzt möchte ich die Verantwortlichkeit der christlichen Laien jeglicher Herkunft und aller Generationen in der Bestärkung der Einheit der ganzen Nation unterstreichen. Ihr habt stark unter den Angriffen sich gegenseitig ausschließender Gruppen gelitten. Ihr habt nun die große Aufgabe, den Zusammenhalt eures ganzen Volkes zu festigen. Ohne den Anspruch zu hegen, allein die Lösungen bereitzuhaben, müssen die Mitglieder der Kirche im Namen Christi Verzeihung üben und alles für die Versöhnung tun. Dieselbe Würde eines jeden Mannes und einer jeden Frau ist ein grundsätzliches Prinzip, das die Jünger Christi achten, der sein Leben hingegeben hat, um alle Menschen, die er mit derselben Liebe geliebt hat, in der Einheit zu versammeln. Ihr gläubigen Laien habt die Pflicht, die von der brüderlichen Liebe angeregte Gerechtigkeit auf aktive und verantwortliche Weise zu fördern. Das heißt, daß jeder nach seinen Möglichkeiten aufgerufen ist, zum allgemeinen Wohl beizutragen. Davon habe ich bereits gestern in Bujumbura gesprochen, und nun rufe ich es euch erneut in Erinnerung, die ihr die ganz besondere Berufung von Animatoren der christlichen Gemeinschaft habt. Arbeiten, um die Wirtschaft zu entwickeln, die Landwirtschaft zu verbessern, Arbeitsstellen zu schaffen, all das steht euch zu. Und ihr müßt gemeinsam darüber wachen, den Versuchungen zu widerstehen, im täglichen Leben dem Begriff, den das Evangelium vom Menschen hat und der an den von euch verkündeten Glauben gebunden ist, zu widersprechen. Und erinnert euch, daß unser Erlöser sich uns als barmherziger Samariter hat zeigen wollen: er konnte einen verwundeten und leidenden Bruder nicht am Straßenrand liegenlassen (vgl. Lk 10,30-37). Große Armut und Krankheit suchen viele eurer Brüder und Schwestern heim. Bewahrt die edlen Traditionen der gegenseitigen Hilfe, die eure Vorfahren euch überliefert haben. Führt sie weiter und inspiriert euch an der Barmherzigkeit, die der große Reichtum des göttlichen Herzens ist, mit derselben Hochherzigkeit, die Jesus der kanaanäischen Frau (vgl. Mt 15,22-23), dem römischen Hauptmann (vgl. Mt 8,3-13) und den Aussätzigen (vgl. Lk 17,11-19) gegenüber zeigte, ohne nach ihrer Herkunft zu fragen! Ich möchte hier auf das Wort des hl. Paulus zurückkommen: „Euch aber lasse der Herr wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen“(I Thess 3,12)! <500> <500> Liebe Brüder und Schwestern, Laien der Kirche von Burundi, ich habe euch soeben einige wesentliche Orientierungspunkte ins Gedächtnis gerufen. Es ist nun an euch, sie konkret in die Tat umzusetzen, indem ihr trotz der praktischen Hindernisse und des Mangels an den euch zur Verfügung stehenden Mitteln vertrauensvoll mit euren Hirten und untereinander zusammenarbeitet. Die Forderungen des Evangeliums sind groß im Leben der Kirche wie auch in der Welt. Die Christen müssen auf die dringend anstehenden Fragen unserer Zeit Antwort geben. Ihr könnt ihnen nur dann entgegentreten, wenn ihr in eurer geistigen Bildung fortfahrt und eure Kenntnis des Wortes Gottes weiterentwickelt. Dies war der Sinn des Katechesen- und Reflexionszyklus, der ein Jahr lang meinen Pastoralbesuch vorbereitet hat. Macht in diesem Sinne weiter. Und nährt euren Glauben am Gebet und der aktiven Teilhabe 625 REISEN an der Liturgie der Kirche. Auf diese Weise wird euer Apostolat von lebendigen Quellen gespeist werden; eure Gespräche und Taten werden von der Anwesenheit Jesu erfüllt sein, der „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ ist (Joh 14,6). Ihr werdet auch weiterhin die Kirche auf dieser Erde errichten, in einer leuchtenden Begegnung zwischen den besten Elementen eurer Kultur und der christlichen Offenbarung. Ihr werdet an der Erneuerung der Evangelisierung teilnehmen, die eure Bischöfe verlangen. 6. Ihr Getauften, Glieder des Leibes Christi, möget ihr die Aufgabe erfüllen, die euch die Kirche zuteilt. Euer Anteil ist groß für die Zukunft, so wie er es auch in der Vergangenheit gewesen ist. Ihr habt gemeinsam mit den Bischöfen und Priestern die Fäden für den Ablauf der Synode in der Hand. Sie wird euch zum Beginn des dritten Jahrtausends zum hundertjährigen Bestehen der Evangelisierung in Burundi führen. Außerdem werdet ihr euren Bischöfen die Früchte eurer Erfahrung und eurer Überlegungen bringen, um die Versammlung der Synode für Afrika vorzubereiten, bei der alle Teilkirchen eures Kontinents aufgerufen sind, die Weichen für die Evangelisierung zu stellen, die dann voll und ganz von den Söhnen und Töchtern eurer Länder aufgenommen werden soll. In Einheit mit meinen Brüdern im Bischofsamt rufe ich die Fürsprache unserer Mutter, der die Kirche Burundis geweiht ist, auf euch herab und auch die Fülle der Wohltaten Gottes. Die evangelischen Räte - Fundamente des Ordenslebens Ansprache beim Treffen mit den Priestern und Ordensleuten in der Kathedrale von Bujumbura (Burundi) am 6. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Von ganzem Herzen grüße ich euch, Ordensmänner, Ordensfrauen, Novizen und euch, die ihr im gottgeweihten Leben die ersten Schritte macht. Es ist mir eine große Freude, mit euch in der Kathedrale von Bujumbura zusammenzutreffen. Während meiner Pastoralbesuche ist immer die Begegnung mit denen, die den Weg der evangelischen Vollkommenheit beschreiten, ein besonders bedeutsamer Augenblick. Ich grüße auch die Diözesanpriester, die an dieser Begegnung haben teilnehmen wollen, und danke ihnen für ihr Kommen: Ihr Beispiel und ihre Anwesenheit sind zweifellos ein gutes Zeichen für die harmonischen Beziehungen, die im Interesse einer möglichst wirksamen Verwirklichung der Sendung der Kirche zwischen den Ordensleuten und den Hirten bestehen sollen. Meine herzlichen Glückwünsche gehen an Msgr. Laurent Rurayinga und den Herrn Abt Jean Ruraseheye, die ihr fünfzigjähriges Priesterjubiläum feiern. Ich wünsche ihnen, daß sie ihr Priesterleben in dem Frieden und der Freude fortführen, die ihrem langen Einsatz für die anspruchsvollen Aufgaben der Evangelisierung entspringen. <501> <502> <501> Während der Monate, die meinem Besuch vorausgegangen sind, habt ihr darauf Wert gelegt, bei geeigneten Einkehrtagen über die Anrufe Christi und die Weisen, darauf zu ant- 626 REISEN Worten, über die von ihm angebotene Befreiung, über die Kirche und die Sakramente, Gnadengaben für den Weg zur Heiligkeit, nachzudenken. Auch habt ihr Maria, Mutter und Vorbild der Jünger, betrachtet und zu ihr gebetet. Zu dieser geistlichen Vorbereitung auf die heutige Begegnung beglückwünsche ich euch. Euer Wunsch ist es, authentische, wirksame und treue Zeugen Gottes zu sein, um bessere Baumeister der Gemeinschaft zu werden. Es ist daher angebracht, daß ihr immer mehr eure Identität als gottgeweihte Menschen vertieft. Genau das möchte ich heute abend mit euch kurz tun, damit ihr eure schöne Sendung mit mehr Liebe erfüllen könnt. 3. Die Propheten des Alten Testaments pflegten, wenn sie vom Bund zwischen dem Herrn und seinem Volk sprachen, die Beziehung zwischen Gott und der Menschheit im Rahmen der bräutlichen Liebe darzustellen. Jeder Mann, jede Frau ist Gegenstand einer bevorzugten, einer bräutlichen Liebe von seiten Gottes. Indem uns die Taufe in die Familie Gottes einführt, ermöglicht sie dieser Liebe des Herrn durch das Wirken des Heiligen Geistes in unsere Herzen ausgegossen zu werden. Das Ordensleben, das eine Ausdehnung der Taufe darstellt, macht in der Kirche diesen wunderbaren, bräutlichen Bund offenbar, den Gott mit uns hersteilen will und der Zeichen der kommenden Zeiten ist. Die Weihe im Ordensleben geht auf einen Ruf Gottes zurück, für den es keine andere Erklärung gibt als eine unentgeltliche und einzigartige Liebe von seiten des Herrn. Das bringt der Blick zum Ausdruck, den Jesus auf den reichen Jüngling richtet: „Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte, sagte er ...“{Mk 10,21). 4. Euer Ordensgelübde, liebe Brüder und Schwestern, ist eine Folge dieses liebenden Blickes des Herrn. Ihr weiht ihm euer Leben als freie Antwort auf diese Erstliebe. Ihr tut es, indem ihr euch entscheidet, die evangelischen Wege der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams zu gehen. Diese Räte bilden die Tragachse des Ordenslebens. Sie erfassen die menschliche Person in den drei wesentlichen Bereichen ihrer Existenz: dem Gefühlsleben, dem Besitz und der Macht. Wenn sie in authentischer Weise gelebt werden, erhalten sie eine große Bedeutung für die Menschen, denn jedes Gelübde gibt eine spezifische Antwort auf die großen Versuchungen des Menschen. Durch sie weist die Kirche der Welt unablässig die Wege ihrer Umgestaltung in das Reich Gottes. 5. Die „Keuschheit“ macht das Herz frei, damit es vor Liebe zu Gott und zu allen Menschen brennt. Einer der größten Beiträge, die ein Gottgeweihter den Menschen von heute geben kann, ist, ihnen durch sein Leben und nicht so sehr durch seine Worte die Möglichkeit einer wahren Hingabe und ganzen Öffnung gegenüber den anderen im Teilen ihrer Freuden und Leiden zu zeigen. Gottgeweihte sind Menschen, in denen das Verlangen zu lieben wohnt, die jedoch dieses Verlangen und alle seine Ausdrucksformen Gott schenken, um sie frei in den Dienst seines Volkes zu stellen. <503> <504> <503> Die „Armut“ der Ordensleute ist eine geistige Grundhaltung, eine Entäußerung, eine Hin- gabe ihres Seins an Gott im Dienst seines Reichs. „Siehe, ich bin die Magd des Herrn“, sagte Maria, die arme Jungfrau. Die „Armut“ bedingt ein Leben der Arbeit und Enthaltsamkeit. Sie macht zum Teilen bereit durch den persönlichen Verzicht auf alles nicht unbedingt Nötige. 627 REISEN Es gibt heute Formen der Armut in großem Umfang, von denen einzelne oder ganze Teile der Gesellschaft betroffen sind: Hunger, Unbildung, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Abhänigkeit von fragwürdigen Verwaltungen, Einschränkung der Grundfreiheiten, gesellschaftliche Isolierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. In diesen Situationen sind die Ordensleute aufgerufen, den Ärmsten und Bedürftigsten besonders nahe zu sein, genau denen, die Jesus immer schon bevorzugt und mit denen er sich identifiziert hat. Diese Nähe bringt sie dazu, einen zu ihrem Engagement konsequenten persönlichen und gemeinschaftlichen Lebensstil zu wählen und dem armen und erniedrigten Christus besonders eng nachzufolgen. Diese „vorrangige Option“ der Ordensleute schließt die innere Loslösung und die Strenge ihres Gemeinschaftslebens ein. 7. Die afrikanische Kultur ist bekannt für den Wert, den sie der Stammeszugehörigkeit beimißt. Der Stamm ist der Ort, wo man auf die Welt kommt, heranwächst und sich entfaltet. Das Individuum setzt das Gelingen seines Lebens in das des Stammes. Deshalb sucht jeder den Geist seines Stammes gut zu kennen, um im Frieden zu wachsen. In eine Ordensfamilie eintreten heißt auch, sich ihr Charisma und ihre Spiritualität zu eigen zu machen. Heißt, sie als den Rahmen annehmen, in dem das dem Herrn gegebene Leben durch die Hingabe seiner selbst entfaltet werden soll. Diese Grundhaltung des Annehmens und Zuhörens ist der „Gehorsam“. Der „Gehorsam“ erlaubt, die Botschaft des Geistes Gottes, die durch die Ordensregeln, die Vorgesetzten, die Mitbrüder und Mitschwestern, die Ereignisse kommt, wahrzunehmen. Der Gehorsam des Ordensmannes oder der Ordensfrau hat den Gehorsam Christi zum Vorbild, dem es Pflicht und Freude war, den Plan seines Vaters zu verwirklichen. „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen“ (Joh 4,34). Weit davon entfernt, die Würde der Person zu vermindern, führt der Gehorsam sie zu größerer Reife, indem er die Freiheit der Kinder Gottes wachsen läßt. <505> <505> Um den Erfordernissen des gottgeweihten Lebens begegnen zu können, ist eine ständige Weiterbildung notwendig. Ihr ganzes Leben lang müssen die Ordensleute ihre geistliche, theoretische und praktische Bildung sorgfältig weiterverfolgen. Es ist ihre Sache, sich dafür verantwortlich zu fühlen. Denn auf den stets neuen Anruf Gottes sind sie ohne Unterlaß ein-geladen, eine neue und persönliche Antwort zu geben. Die Werte des Ordenslebens in jedem Abschnitt des Lebens und der Sendung zu verinnerlichen ist für jeden eine Gewissenspflicht. Die ständige Weiterbildung hilft den Ordensleuten, Kreativität zu beweisen und dennoch ihrer Berufung und ihrem Institut treu zu bleiben. „Christus nachfolgen“ heißt, daß man sich immerzu auf den Weg macht, um fähig zu sein, in dieser Welt ein lebendiges und wahres Zeugnis für das Reich Gottes zu geben. Worin besteht letztlich die ständige Weiterbildung? Es handelt sich um einen globalen Emeuerungsprozeß, der alle Aspekte der personalen Tätigkeit erfaßt. Die Weiterbildung berührt das geistliche Leben und schließt eine Vertiefung des Glaubens und des Verständnisses des Ordensgelübdes ein. Daher die Bedeutung der Zeiten geistlichen Auftankens und der Exerzitien. Die Weiterbildung betrifft die Auffrischung der theoretischen Kenntnisse, das Studium der biblischen Quellen, der Lehre der Kirche bis zu den jüngsten Dokumenten des 628 REISEN kirchlichen Lehramts und, mit all dem verbunden, die Vertiefung der Kenntnis der Kulturen der Orte, an denen man lebt. Die ständige Weiterbildung erlaubt den Ordensleuten, mit der Geschichte ihres Instituts, seinem Geist und seiner Sendung wirklich vertraut zu werden, um so in Treue zum Charisma des Gründers zu leben. Ein Anliegen ist auch, daß man die Methoden und Inhalte der pastoralen Aktivitäten in Zusammenarbeit mit den anderen Trägem der Ortspastoral auf den neuesten Stand bringt. Die Ordensleute mögen sich davor hüten, ihr Institut als eine Insel unter anderen kirchlichen Gemeinschaften zu betrachten; sie sollen im Gegenteil ein wirkliches Gefühl für die Kirche entwickeln! 9. Dieses „Gefühl für die Kirche“ beruht auf dem Bewußtsein, seinem Volk unterwegs anzugehören, einem Volk, das seinen Ursprung in der trinitarischen Gemeinschaft hat und sich als Leib Christi betrachtet; einem Volk, das in einer Geschichte verankert ist, das sich auf das Fundament der Apostel und auf das Amt ihrer Nachfolger stützt; einem Volk, das sich dem durch die Schrift und die Tradition überlieferten Wort Gottes öffnet; das nach der sichtbaren Einheit mit den anderen christlichen Gemeinschaften strebt; einem missionarischen Volk schließlich, das keine Ruhe hat, bis das Evangelium überall verkündet ist. Ich weiß, daß gewisse burundische Ordensfamilien für eine missionarische Tätigkeit außerhalb des Landes offen sind. Ich beglückwünsche sie dazu und hoffe, daß sich der Sinn für die Mission auf universalkirchlicher Ebene weiter entwickelt. 10. Ein Wort besonderer Ermutigung möchte ich auch an die Ordensschwestern kontemplativen Lebens richten: die Klarissen, die Visitantinnen und die Dominikanerinnen. Sie sollen wissen, daß sie einen ausgewählten Platz in der Kirche einnehmen! Ihr Apostolat ist gerade ihr kontemplatives Leben, weil es die für sie charakteristische Weise ist, Kirche zu sein, in der Kirche zu leben. Durch einen regelmäßigen Umgang mit der Heiligen Schrift entdecken die Ordensschwestern kontemplativen Lebens, wie Gott nie müde wird, sein Geschöpf zu suchen, um einen Bund mit ihm zu schließen und wie, im Gegenzug, das ganze Leben des Menschen nichts als eine unablässige Suche Gottes sein kann. Indem sie sich selbst geduldig auf diese Suche begeben, bezeugen sie die Freude, die es bringt, sich Gott durch eine das ganze Leben lang fortgesetzte Bekehrung zuzuwenden. Schließlich fördern sie beim heutigen Menschen den wesentlichen Sinn für die Anbetung. 11. In einer Welt voller Konflikte, in einem Land, das schwere ethnische Probleme erfahren hat, liegt es den Gottgeweihten am Herzen, Werkzeuge der Versöhnung zu sein. In der Absicht Gottes besteht die Kirche aus versöhnten Menschen, die im Blut Christi reingewaschen wurden und den Geist des Friedens empfangen haben. Dieses Volk ist dazu da, die Menschen zu versammeln und zu versöhnen. Mit der Bitte um die Taufe verpflichtet sich der Christ, die Sendung zu erfüllen, die jedes Mitglied der Kirche erhält: ein Schöpfer des Friedens zu sein. 629 REISEN Die Priester, die ihr ganzes Sein dem Priestertum Christi verpflichtet haben, und die Ordensleute, die gelobt haben, die Kräfte ihrer Taufe aufs beste zu entfalten, sind mehr als die anderen gerufen, Schöpfer des Friedens zu sein. Verkündet durch euer ganzes Leben die Liebe, die universale Brüderlichkeit, die auf der allen Menschen eigenen Eigenschaft beruht, Kinder desselben Gottes und Vaters zu sein; verkündet die Menschenwürde, der alle Grundrechte der Person entspringen; laßt den Frieden unter euch herrschen, und fahrt fort, gemeinsam eine geeinte Nation aufzubauen! 12. Bevor ich schließe, möchte ich die Diözesanpriester auffordem, das Interesse, das sie dem Ordensleben entgegenbringen, zu erneuern. Statt die Gottgeweihten einig als Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen im Apostolat zu betrachten, soll es ihnen am Herzen liegen, das Ordensleben als solches, d. h. als eine Schule der Heiligkeit, zu fördern. Mögen sie sich mit den Bischöfen darum bemühen, für die Ordensmänner und Ordensfrauen geistliche Lehrmeister und Wegweiser der Vollkommenheit zu sein! Mögen sie die Bereitschaft der Ordensleute zu nutzen verstehen, die aufgrund ihrer Weihe an Gott frei sind, alles zu verlassen und hinzugehen, das Evangelium zu verkünden! Mögen schließlich unter dem Antrieb des heiligen Geistes, der seiner Natur nach Schöpfer ist, Hirten und Gottgeweihte gegenseitige Erfahrungen unternehmen, die den Geist der Versöhnung und des Friedens unter den Getauften bezeugen! 13. Ich vertraue eure Bemühungen in einer besonderen Weise der lungfrau Maria, unserer gemeinsamen Mutter, an, die für die Einheit der Familie Gottes betet. Mit euch flehe ich zu ihr; Komm dem Volk zu Hilfe, das fällt und sich zu erheben sucht! Heile die Wunden derer, die in diesem Land gelitten haben und noch leiden! Behüte in derselben Liebe alle Burundier! Hilf den Ordensmännem und Ordensfrauen dieses Landes, Urheber der Wahrheit und der Gemeinschaft für das Wohl und den Frieden aller zu sein! Von Herzen erteile ich euch meinen Apostolischen Segen. 630 REISEN Krankheit und Leiden machen nicht unnütz Botschaft an die Kranken und das Pflegepersonal beim Besuch im Prinzregent-Charles-Kran-kenhaus in Bujumbura (Burundi) vom 7. September An meine kranken Brüder und Schwestern in Burundi, an die Ärzte und das Krankenpersonal! 1. Anläßlich meines Besuches bei Kranken in Bujumbura und ihren Ärzten und Pflegern möchte ich durch diese Botschaft mich an euch alle in den Krankenhäusern, Pflegezentren und den Familien dieses Landes wenden. Da ich nach Burundi gekommen bin, um dem Volk Gottes zu begegnen, darf ich nicht seine leidenden Glieder und diejenigen, die sie mit Sorge und Freundschaft umgeben, vergessen. Zuerst möchte ich euch mit großer Zuneigung sagen, wie sehr ich es euch wünsche, daß ihr in eurem Leiden erleichtert werdet und in dem Maße, wie es menschenmöglich ist, genesen mögt. Ich bitte Gott, er möge euch eine bessere Gesundheit des Leibes und den Frieden der Seele schenken. Liebe Kranke, in der Gesellschaft und in der Kirche habt ihr euren Platz. Eure Erfahrung der Schwäche und des Leidens macht euch nicht unnütz, im Gegenteil, ihr seid konfrontiert mit den am meisten ernstzunehmenden Problemen, die einem Menschen begegnen können. Eure Weise, diese zu leben, kann für die Gesunden sehr lehrreich sein. <506> <507> <506> Ich weiß, wie schwer es ist, über die Krankheit zu sprechen und dennoch weiß ich, daß ihr auf dem Grunde eurer selbst versteht, daß dies auf dem Lebensweg einen unausweichlichen Durchgang darstellt, einen schwierigen Abschnitt, den wir eines Tages zu durchlaufen haben. Ihr fragt euch häufig, woher diese Art von Feind kommt, aber ihr könnt ihn nicht beschreiben oder ihm einen Namen geben. Das ist ein Aspekt des Geheimnisses des Bösen, der auf der gesamten Menschheit lastet und das jeden von uns auf irgendeine Weise anrührt. Von Gott geschaffen, um lebendig und gut zu sein, entdecken wir uns gebrechlich und als Sünder, aber wir haben niemanden zu richten. Denkt an Jesus Christus vom Kreuz: er bittet seinen Vater, denjenigen zu verzeihen, die ihn leiden machen, ja er sagt sogar: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Die Krankheit ist eine „Prüfung“, d. h. es ist die schwierige Zeit, in der der Körper schwach ist und es Mühen bereitet, zu hoffen. Aber „Prüfung“ bedeutet auch, daß in dieser Krise sich das wahre Sein offenbart wie das Gold im Schmelztiegel und daß diese Periode, in der alles erschüttert scheint, ein Ende haben wird. Ich weiß, daß dieser Durchgang hart ist, ich denke besonders an diejenigen von euch, die an Aids erkrankt sind, ein Leiden, für das man noch keine wirksame Behandlung kennt. Aber ich möchte euch im Namen des Glaubens sagen, daß ihr Grund habt zu hoffen, und daß ihr nicht allein seid in der Prüfung. Wir glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes, der Mensch geworden ist. Er hat sich mit den leidenden Menschen identifiziert, er selbst hat gelitten, um noch weiter zu gehen, um nämlich das Böse und den Tod zu besiegen. Er ist auferstanden, er lebt, er ist bei euch und in euch, ihr könnt auf seine Hilfe zählen, um euren Mut wiederzubeleben und der Prüfung ins 631 REISEN Angesicht zu sehen, ja diese zu akzeptieren. Mit ihm könnt ihr euer Leiden aufopfem, eure Beunruhigung, all das, was ihr ertragt, und euer ganzes Leben für diejenigen, die ihr liebt, auf daß die Welt verändert werden möge, auf daß unsere Brüder und Schwestern erkennen mögen, was wirklich bedeutend und gerecht ist, den wahren Wert des Menschen in den Augen Gottes, das, was das Evangelium nennt „den Schatz im Himmel“, unterschieden von den vergänglichen Gütern (vgl. Mt 6,20). 3. Ihr seid auf einem Weg, auf dem der Mensch nichts anderes als wahr sein kann. Ich glaube, daß diejenigen, die euch umgeben, es verstehen. Vor allem eure Ärzte und Krankenschwestern. Ich möchte ihnen im Namen der Kranken danken und sie in ihrer häufig schwierigen Aufgabe ermutigen. Für sie ist es nicht immer leicht, mit den Kranken eine tatsächliche Verbundenheit zu haben, denn die Zeit der Prüfung ist sehr schwer. Mit Feingefühl müssen sie euren Erwartungen entsprechen, um euch zu helfen, euren Krankheitszustand zu ertragen. Es ist schwer, über gewisse Diagnosen zu sprechen. Die Ärzte haben die richtigen Worte zu finden, damit der Kranke bereit ist, das anzunehmen, was er in seinem eigenen Körper entdecken muß. Sie müssen auch mit den Angehörigen sprechen und mit denjenigen, die auf geeignete Weise die Kranken begleiten können, insbesondere Priester und Sozialassistenten. Ich möchte noch hinzufügen, daß ich die Größe der Verantwortung der Ärzte und Pfleger anerkenne. Über ihr Wissen und ihre technische Kompetenz hinaus sind sie dem Leben selbst und seiner Würde gegenüber engagiert. Die Gesellschaft zählt auf sie, damit in allem, was das Leben berührt, angefangen von der Empfängnis bis hin zu den letzten Schritten, eine gesunde Moral respektiert wird, umso mehr als bei den Patienten und ihren Mitbürgern, ihr Urteil eine große Bedeutung hat. Liebe Freunde, Ärzte und Krankenschwestern, in euren verschiedenen Gesundheitszentren fehlen euch häufig die Mittel, ihr seid manchmal zu wenige für die große Zahl an Patienten und es ist für euch schwierig, jedem die freundschaftliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die für ihn so wertvoll ist. Ich wünsche, daß junge Menschen in den verschiedenen notwendigen Fachbereichen ausgebildet werden und euch zu Hilfe kommen mögen. Eure Bedürfnisse an medizinischem Material und an Medikamenten sind weit davon entfernt, zufriedengestellt zu sein. Möge eine starke und großzügige Solidarität über die Grenzen hinweg euch in eurem Kampf unterstützen, besonders gegen die Seuchenkrankheiten. Die Kirche war immer bestrebt, nach dem Beispiel Christi um die Kranken besorgt zu sein. In eurem Land ist eine bedeutende Zahl von Krankenhäusern und Gesundheitszentren von Ordensmännem und Ordensfrauen geleitet, Burundiern oder Missionaren. Ich möchte ihnen, wie auch den freiwilligen Laien, die diese Aufgaben mit selbstloser Hingabe teilen, sagen, wie sehr ich ihr Amt und den konkreten Dienst an den Kranken, den sie im Geist des Evangeliums verrichten, schätze. <508> <508> Meine Gedanken richten sich noch auf die Familien, in denen jemand krank ist. Die Abwesenheit eines lieben Menschen von zu Hause ist schwer anzunehmen. Wisset, daß die Treue eurer Liebe und eure Gegenwart sehr viel für denjenigen bedeutet, der leidet. Bewahrt den Mut, und entdeckt auch die menschlichen Qualitäten dessen, der sich mit seinen Grenzen 632 REISEN konfrontiert sieht. Helft ihm, die Hoffnung zu bewahren; seid ihm einfach nahe, um seine Einsamkeit in den Zeiten der Prüfung zu erleichtern. Die christlichen Gemeinschaften sind sich sehr wohl dessen bewußt, was für Leiden die Kranken und ihre Familien auszuhalten haben. So ermutige ich sie, ihnen geduldig eine herzliche Solidarität zu bezeigen und eine liebevolle Anwesenheit und jede Versuchung zur Diskriminierung von den Personen abzuweisen, was auch immer es für eine Krankheit sei, an der sie leiden. Erinnert euch an das schöne Wort „Mitleid“, das heißt, man leidet mit, man teilt das Leiden, indem man einen Teil der Bürde trägt. Möge eure Liebe euch dazu veranlassen, euch auch eurer Brüder und Schwestern anzunehmen, deren Familien eines ihrer Mitglieder verloren haben; besonders sorgt euch auch um die Waisenkinder. Für die Kranken bedeutet es eine wirkliche Hilfe, ihnen selbst und den ihnen nahestehenden Menschen brüderliche Solidarität zuzusichem. Sie hilft die Verzweiflung überwinden, die sie versucht, und den Mut bewahren. Mögen die Jünger Christi, getauft auf seinen Tod und seine Auferstehung, die Hand ihrer kranken Brüder und Schwestern ergreifen, um sie zum Erlöser zu führen! Möge ihre aufmerksame und respektvolle Anwesenheit den Kranken helfen, sich Jesus Christus anzuvertrauen, um in seiner Liebe und in der Liebe ihrer Brüder zu bleiben! Liebe Kranke, Ärzte und Gesundheitspersonal, Ordensmänner, Ordensfrauen und christliche Laien, Familien und Gemeinschaften von Burundi, ich vertraue euch der tröstenden und zärtlichen Liebe der Jungfrau Maria, unserer Mutter, mit meiner ganzen Zuneigung an. Ich rufe auf euch den Trost und die Kraft des Segens Gottes herab. Die Kranken sind von Gott nicht verlassen Ansprache beim Besuch im Prinzregent-Charles-Krankenhaus in Bujumbura (Burundi) am 7. September Liebe Freunde! Ich habe großen Wert darauf gelegt, einen Augenblick unter euch zu sein, denn die Kranken haben einen bevorzugten Platz in meinem Herzen. Ich möchte euch ein wenig Trost bringen. Seid gewiß, für die Kirche und für die gesamte menschliche Gesellschaft seid ihr geliebte Brüder und Schwestern. Es ist wahr, daß die Krankheit euch von euren Hügeln und Wohnvierteln femhält, aber ihr bleibt gegenwärtig in der Zuneigung der eurigen. Wir lieben euch so wie ihr jetzt seid, gebrechlich und das Geheimnis eures Leidens tragend. Die Gesunden, und das betrübt euch manchmal, haben Schwierigkeiten, eure Prüfung zu verstehen und euch all das auszudrücken, was sie verspüren, denn jeder fragt sich nach dem Grund so vielen Leides. Man kann es nicht erklären, ihr selbst wißt das besser als jeder andere. Das, was ich euch sagen will, ist, daß ihr nicht von Gott verlassen seid. Ich komme hierher im Namen Jesu. Im Evangelium sehen wir ihn häufig bei den Kranken, er heilt viele von ihnen, weil er gekommen ist, das Übel zu bekämpfen. Und er tut noch mehr: er nimmt das Leiden seiner Brüder auf sich, geleitet von unendlicher Liebe, die ihn dazu führt, sogar 633 REISEN sein Leben zur Rettung der Menschen hinzugeben. Kranke oder behinderte Brüder und Schwestern, auf eurem Schmerzensweg ist Jesus euer Gefährte. Er trägt mit euch die Bürde eurer Leiden. Er ist auferstanden, er ist hinaufgegangen zum Vater, um für euch einen Platz in seinem Reich zu bereiten. Er ist eure Hoffnung. Ich wende mich jetzt an die Ärzte, die Krankenpflegerinnen und -pfleger, diejenigen, die die Kranken umgeben. Ich lege großen Wert darauf, euch allen meine Hochschätzung für eure Kompetenz und eure Hingabe auszudrücken. Liebe Freunde, ihr führt gegen das Übel einen schwierigen und beharrlichen Kampf. Ich möchte euch in dieser zutiefst menschlichen Mission ermutigen, in der ihr zusammenarbeitet, Burundier und Mitarbeiter aus dem Ausland, um euren Patienten die bestmögliche Pflege sicherzustellen. Ihr habt für eure medizinischen Behandlungen und auch für eure Gesten der Freundschaft, für euer Verständnis, euren Respekt und eure brüderliche Hilfe die Anerkennung der Kranken erworben. Diese Dankbarkeit dehnt sich auch auf die Priester aus, die hier ihr geistliches Amt ausüben, sowie auf Freiwillige, die die Einsamsten besuchen. Möge der Herr ihre Treue und Großzügigkeit belohnen! Liebe Freunde, allzu gern würde ich meinen Besuch und mein Gespräch mit euch verlängern, ich tue es durch eine Botschaft, die ich an alle Kranken von Burundi und ihre Pfleger richte. Aber ich verlasse euch in Wirklichkeit gar nicht. Ihr bleibt in meinem Gedanken und in meinen Gebeten. Ich werde bald die Messe für alle Menschen in Burundi feiern, und ich werde euch nicht vergessen beim Darbringen des Opfers Christi. Wenn es nun Abschied zu nehmen gilt, möchte ich euch mit innerer Bewegung meine Sympathie für euch, die ihr harte Prüfungen durchleidet, ausdrücken. Ich danke euch im Namen der Kirche und der gesamten Gesellschaft für euer Zeugnis des Mutes, der Menschenwürde und des Glaubens. Inständig rufe ich auf euch den mütterlichen Schutz Unserer Lieben Frau herab und segne euch aus ganzem Herzen. Priester: Zeugen der erlösenden Liebe Predigt bei der Messe zur Priesterweihe in Bujumbura (Burundi) am 7. September 1. „Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt“ (Hehr 5,5; vgl. Ps 2,7). Diese Worte kommen aus dem Alten Testament, aber sie tragen die Wahrheit in sich, die der Neue Bund ins volle Licht gestellt hat. Das tatsächliche Verständnis des dreifältigen und des einen Gottes, das unergründliche Geheimnis des Lebens, das sich nur in ihm findet. Dieses Leben ist die Fülle der Einheit in der Dreiheit der Personen, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Gott, der ewige Vater, läßt sich im Sohn, den er in Ewigkeit gezeugt hat, erkennen: „Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt.“ Dieses „Heute“ ist außerhalb der Zeit. Es ist ewig, wie Gott selbst ewig ist. In Namen dieses unergründlichen Geheimnisses begrüße ich euch, euch alle, die ihr hier versammelt seid, euch, denen es geschenkt wurde, am göttlichen Leben teilzuhaben durch die Taufe „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). 634 REISEN Der Nachfolger Petri dankt Gott für dieses Volk der Getauften, dem zu begegnen ihm vergönnt ist, für diese neuen Priester, die geweiht werden. Allen drücke ich meine Freude aus, mit euch hier zusammenzukommen, und meine Freude, euren Bischof Simon Ntamwana zu hören, der mir eure Zuneigung zum Ausdruck brachte. Mit Ehrerbietung und Herzlichkeit grüße ich den Herrn Präsidenten der Republik, die Mitglieder der Regierung und alle in dieser Liturgiefeier anwesenden Persönlichkeiten. Den Bischöfen, den Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen, den Katechisten und verantwortlichen Laien, jedem Bruder und jeder Schwester von Burundi sage ich diesen Gruß der Dankbarkeit des Bischofs von Rom. 2. Wir sind um den Sohn versammelt, der „Gott von Gott, Licht vom Licht“, ist. Und wir verstehen die Worte, die der ewige Vater an ihn gerichtet hat: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchisedeks“ (Hebr 5,6). Menschgeworden durch den Heiligen Geist, geboren aus der Jungfrau Maria, wahrer Mensch, tritt der ewige Sohn in die geschaffene Welt ein. Er tritt in die gesamte Geschichte der Menschheit ein als „Priester auf ewig“, als einziger Priester. Denn er allein, der Sohn, eines Wesens mit dem Vater und gleichzeitig wahrer Mensch, kann in Fülle und ohne Vorbehalt die gesamte Schöpfung wieder zu Gott zurückführen. Sein Priestertum verwirklicht Christus vollständig, wenn er sich selbst opfert, sich als Opfer am Kreuz darbringt, und sein ganzes Leben hingibt. Zugleich hat er uns dieses Opfer hinter-lassen, er hat es der Kirche durch die Einsetzung der Eucharistie anvertraut. Das blutige Kreuzesopfer verbleibt in diesem Sakrament unter den Gestalten von Brot und Wein „nach der Ordnung Melchisedeks“. Im Namen Christi, der „Priester auf ewig“ ist, einziger Priester, grüße ich die Kirche von Burundi an diesem Tag, an dem eure Söhne die Priesterweihe empfangen, um Diener des unblutigen Opfers nach der Ordnung Melchisedeks zu werden. In der Feier der Eucharistie werden sie die Kirche aufbauen. <509> <510> <509> Durch sein einmaliges Opfer am Kreuz hat Christus, Priester auf ewig, „alle Macht im Himmel und auf der Erde“ (vgl. Mt 28,18) empfangen. Kraft dieser Vollmacht hat er die Apostel in die. ganze Welt gesandt. Kraft dieser gleichen Vollmacht sendet er ständig ihre Nachfolger in die Mission. Die gesamte Kirche ist durch Christus gesandt, der „bei uns ist alle Tage bis zum Ende der Welt“ (vgl. Mt 28,20). Es sind bald hundert Jahre, daß Christus Missionare in dieses Land gesandt hat, daß die ersten Bischöfe kamen, um die Kirche zu gründen, indem sie die Frohe Botschaft des Heils brachten und den Tisch des einzigen Opfers deckten. Heute üben eure Söhne den apostolischen und pasto-ralen Auftrag in Gemeinschaft mit den von weit her gekommenen Missionaren aus. Zusammen, ausgestattet mit dem einzigen Priestertum Jesu Christi, ermöglichen sie es Gott, das gewaltig große Volk, das ich rings um diesen Altar sehe, zu versammeln und größer werden zu lassen. Wie die Apostel, so muß die Kirche alles, was Christus geboten hat, bewahren (vgl. Mt 28,20) — hier in Burundi, wie in der ganzen Welt. Sie muß deshalb im Namen der Heiligen Dreifaltigkeit taufen, die geschenkte Taufe spenden, die uns für die Teilnahme an der Eucharistie bereitmacht. 635 REISEN 4. Während des letzten Abendmahls sagt der Herr auch zu seinen Aposteln: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19). Der Dienst derjenigen, die die Eucharistie feiern, ist notwendig, damit das Volk Gottes im Neuen Bund lebe. „Ihr alle aber werdet,Priester des Herrn’ genannt, man sagt zu euch ,Diener unseres Gottes’“ (Jes 61,6). Diese Worte des Propheten betreffen die Priester. Ja, ihr Priester dieses Landes von Burundi und Missionare, ihr seid „die Diener unseres Gottes“. Das Volk Gottes achtet euch als seine geistlichen Väter und respektiert euch als „Priester des Herrn“, denn durch euren Dienst kann es mit Christus in seinem Leib vereint sein und die Geschenke seiner sakramentalen Gnade empfangen. Eure Aufgabe ist schön, und sie ist schwer. Eure Person ist hier ganz gefordert. Ihr habt euer ganzes Leben eingesetzt, mit den Verzichten, die der dem Herrn geweihte Zölibat mit sich bringt. Die Annahme der evangelischen Armut, die Bereitschaft, die vom Bischof anvertrauten Aufgaben zu erfüllen, die Verpflichtung, daß ihr selbst das lebt, was ihr am Altar vollzieht, und euch dem Kreuzesopfer anzugleichen, die Verpflichtung, mit dem Dienst am Altar den für das Volk Gottes zu verbinden (vgl. Ritual der Priesterweihe). Heute möge diese feierliche Weihe für euch alle, auch für die Älteren im priesterlichen Amt, eine Ermutigung sein, das Vertrauen auf den Herrn zu bewahren, der euch gerufen hat. Eine Einladung, diesen euren Weg des Gebetes ohne Unterlaß zu vertiefen, wie ihr es in den Tagen der Exerzitien tatet, wo ihr euch auf diese Tage vorbereitet habt. Laßt euch jederzeit vom lebendigen Wort Gottes durchdringen und hört niemals auf, dieses Wort zu studieren. Seid bereit, auf die Fragen unserer Zeit Antwort geben zu können und regt eine neue Evangelisierung an. Möge diese festliche Versammlung des Volkes Gottes um diese seine Priester für euch ein Aufruf sein, euch ganz bereit zu machen für alle diejenigen, die darauf warten, euch aufzunehmen, und mögt ihr eine vertrauenerweckende Mitarbeit mit den Laien entwickeln! Seid unter allen Umständen Apostel der Einheit im Herrn, im Namen dessen ihr die Weihe empfangen habt! <511> <512> <511> Brüder und Schwestern, im Leben der Kirche ist die Priesterweihe ein besonders bedeutender Tag. Mit Freude spende ich die Weihe den Söhnen eures afrikanischen Kontinents. In der Gruppe der Neupriester sind, der Herkunft nach, die meisten aus der Kirche von Burundi. Für eure Diözesen und für die zairische Nachbardiözese Uvira ist dies eine Ehre und Freude, denn der Herr ruft eure Söhne; „Er hat großes an uns getan“ (vgl. Lk 1,49). Volk Gottes aus ganz Burundi, höre die Worte des Apostels in der Liturgie dieses Tages: „Jeder Hohepriester wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott“ (Hehr 5,1). Hier sind sie, die durch die Auflegung der Hände des Bischofs und die Salbung geweiht werden mit der Vollmacht des Heiligen Geistes, durch die sie „für die Menschen eingesetzt werden zum Dienst vor Gott“. Sie sind „aus den Menschen ausgewählt“, aus dem Lebensbereich eurer menschlichen Gemeinschaft. Sie sind die Söhne eurer Familien, der Väter und Mütter dieses Landes, sie sind eure Brüder. In euren Familien haben sie den Ruf des Herrn verspürt. Ich danke den Verwandten, die Zeugen und zugleich Wortführer dieses Rufs gewesen sind. Ich danke ihnen dafür, daß sie die Berufung ihrer Söhne angenommen haben, daß sie dazu beigetragen haben, daß sie reifen 636 REISEN konnte. Seid glücklich, eure Söhne vom Herrn gerufen zu sehen. Die Eltern sind geehrt, wenn der Herr eines ihrer Kinder zum Priestertum ruft. Ebenfalls möchte ich den Priestern und Erziehern, den Kleinen und Großen Seminaren danken, daß sie diesen jungen Menschen eine geistliche und menschliche Erziehung zuteil werden ließen, derer sie bedurften und dafür, daß sie sie begleitet und unterstützt haben, bis hin zur endgültigen Verpflichtung, die heute besiegelt wird. 6. Diese Diakone sind „aus euch ausgewählt“. Sie wollen die Aufgabe übernehmen, das Opfer Jesu Christi für die Sünden der Menschen darzubringen. Sie müssen auf gleiche Weise imstande sein - wie Christus -, ein gerechtes Mitgefühl für ihre Brüder und Schwestern zu empfinden. Liebe junge Brüder, die ihr daran seid, euch im Priestertum mit uns zu verbinden, ihr seid ein Geschenk Gottes an die menschliche Gemeinschaft, um ihr zu dienen. Euer Volk erwartet von euch, daß ihr Zeugen der erlösenden Liebe, der Vergebung und der Versöhnung seid. Der Priester ist ein anderer Christus, er versammelt und versöhnt. Jeder Priester muß in der Versammlung Christi „der gute Hirte“ werden, der „die Seinen kennt und den die Seinen kennen“ (vgl. Joh 10,14). Ihr kennt die Menschen, ihre Erwartungen, ihre Freuden, ihr Glück. Ihr kennt eure Gemeinschaft, die Fähigkeiten der Laien in ihrer Vielfalt, den unersetzlichen Wert eines jeden Gliedes am Leibe Christi, vom Ärmsten und Niedrigsten bis hin zu demjenigen, der die meisten Gaben empfangen hat. Engagiert in der Nachfolge Christi, werdet ihr euch ihm gleichförmig machen müssen, der „durch Leiden den Gehorsam gelernt“ hat (Hebr 5,8). Wie er Tag für Tag, so „gebt auch ihr euer Leben für die Schafe hin“, die in der Hürde sind, und vergeßt es niemals, daß es noch „andere Schafe“ gibt, „die nicht aus diesem Stall sind“, und von denen ihr wünschen werdet, daß sie „die Stimme des Erlösers hören“ (vgl. Joh 10,15.16). Auf diese Weise werdet ihr mit dem einzigen Priester verbunden sein, der „für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden“ ist (Hebr5,9). <513> <513> Brüder und Schwestern, eure Söhne wollen Priester Jesu Christi werden und sind so „die Nachkommen, die der Herr gesegnet hat“ (Jes 61,9). Sie werden die Mitarbeiter eurer Bischöfe sein, die sie mit väterlicher Zuneigung im Dienst leiten werden. Sie sind in allen euren Gemeinden die Verwalter der Gaben Gottes. Möge der Segen dieser „Nachkommen“, die dem Herrn von euren Familien angeboten wurden, über die ganze Kirche kommen, über das ganze Volk Gottes, das in eurem Land lebt. Der Friede Christi sei alle Zeit mit euch! 637 REISEN Aufgaben Burundis sind ungeheuer Abschiedsworte am Flughafen von Bujumbura (Burundi) am 7. September Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Freunde der Nation Bumndi! 1. Friede! Dank sei Gott. Burundi hat dem Nachfolger Petri herzliche Gefühle bezeugt, die über meine Person hinaus gehen. Die liturgischen Versammlungen, Begegnungen der Gruppen, alle Augenblicke meines Aufenthalts waren durch euren Sinn froher Gastfreundschaft, durch ernste Besinnung und Glaubenseifer gekennzeichnet. Allen möchte ich sagen, wie froh ich war, diese Stunden in eurem Land verbringen zu dürfen. Ihnen, Herr Präsident, möchte ich meine aufrichtige Dankbarkeit für ihren Empfang und die taktvollen Aufmerksamkeiten, mit denen Sie mich umgaben, ausdrücken, ebenfalls den Mitgliedern der Regierung, den verschiedenen Autoritäten und den engagierten Mitarbeitern ihrer Dienste. Ich möchte auch den Mitgliedern der lokalen und ausländischen Presse einen besonderen Dank abstatten, denn sie haben es verstanden, die Gemeinschaft von Burundi und ebenfalls andere Hörer jenseits der Grenzen an den Ereignissen dieses Pastoralbesuchs teilnehmen zu lassen. 2. Liebe Freunde von Burundi, nun kommt also die Pilgerreise, die ich mit euch unternommen habe zum Abschluß. Aber es ist nicht ein Ende. Ich bewahre das Bild eurer Hügel, eurer Dörfer und Heiligtümer in meinem Gedächtnis. Vor allem bewahre ich auf dem Grunde meines Herzens das Echo eures Enthusiasmus, Jesus Christus zu feiern, eurer Marienverehrung, eurer Freude am Zusammensein und eures ernsten Einsatzes in der Kirche und im Dienst eures Landes. Für euch geht die Pilgerreise weiter, die Pilgerreise des Glaubens, die Pilgerreise des Friedens. Ich denke an den Dienst der Neupriester, die heute morgen geweiht wurden, sowie an die pastorale Hingabe der älteren Priester und an das Leben der gottgeweihten Männer und Frauen dieses Landes und an die Seminaristen und Novizen. Ich denke an die Familien, die uns gestern in Gitega festlich empfangen haben, an die Intellektuellen und alle christlichen Gruppen, die im Dienst für alle stehen, an die Laien, die jungen und die alten, die sich in der Animation eurer Gemeinschaften und eurer Bewegungen bewähren, an die Kranken, die Zeiten der Prüfung erleiden, an die Verantwortlichen der geistlichen Gemeinschaften, die den Dialog für die Einheit führen. An diejenigen, die ich nicht sehen konnte und speziell die Behinderten und Einsamen, möchte ich einen herzlichen Gruß senden und sie durch den Segen Gottes stärken. <514> <514> Volk von Burundi, du hast immense Aufgaben vor dir. Bleibe niemals stehen auf dem Weg, der zu wahrer brüderlicher Versöhnung führt und zu einer Einheit, die allein es erlauben wird, die Hindernisse der Armut zu überwinden und so die notwendige Entwicklung für dein Land zu erlangen. Bleibe den wertvollen und edlen Traditionen deines Erbes treu, sei wachsam und respektiere das Recht jedes Menschen, frei zu leben und in seine Zukunft vertrauen zu können. Bestärke den Frieden in dem Land, das du bewohnst. Vertraue deine Schmerzen und Besorgnisse Gott an, dem Vater der Liebe, Christus, dem Erlöser, und dem Geist der Wahrheit. 638 REISEN 4. Meine lieben Brüder im Episkopat, ich vertraue diesen Aufruf eurer pastoralen Liebe an. Ich danke euch dafür, daß ihr mich an eurem Eifer für euer Volk teilnehmen ließet und an der Freude, die ihr dabei empfindet, euren Dienst im Namen des Herrn zu versehen. Brüder und Schwestern von Burundi, möge Unsere Liebe Frau von Mugera über euch wachen! Der Segen Gottes komme herab auf euch alle und verbleibe immerdar! Der Friede Christi sei alle Zeit mit euch! Immer tiefer in die Botschaft Christi eindringen Begrüßungsansprache am Flughafen von Kigali (Rwanda) am 7. September Herr Präsident! 1. Ich danke Euer Exzellenz aufrichtig für diese Worte der Begrüßung, die Sie im Namen der ganzen Nation von Rwanda gesprochen haben. Ich bin glücklich, in Ihrer Person diese Nation begrüßen zu dürfen. Lassen Sie mich meiner großen Freude Ausdruck verleihen, Ihnen heute auf Ihre liebenswerte Einladung antworten zu können und endlich diesen Pastoralbesuch, in „das Land der tausend Hügel“, unternehmen zu können. Ich richte meine herzlichen Grüße an die Persönlichkeiten der Regierung, die Sie umgeben, sowie an die Damen und Herren des Diplomatischen Korps: ich schätze ihre Anwesenheit hier bei dieser ersten Begegnung. 2. Und jetzt möchte ich mich an meine Brüder im Episkopat wenden, die ich mit großer Freude begrüße: Erzbischof Vincent Nsengiyumva, von hier, Bischof Joseph Ruzindana, von Byumba, Präsident der Rwandischen Bischofskonferenz, die Bischöfe des Landes und die der Nachbarländer, die gekommen sind, um sich mit den Rwandischen Bischöfen zu diesem Anlaß zu treffen. Ich bin glücklich, liebe Brüder, zu euch zu kommen, um vor Ort mit euch die Sorge für eure Kirchen zu teilen, Gott Dank zu sagen für den geleisteten Fortschritt in der Verkündigung des Evangeliums in Rwanda, sowie um euch zu ermutigen, für eure zukünftigen Projekte an der Schwelle der Hundertjahrfeier der Evangelisierung des Landes. 3. Schließlich begrüße ich von ganzem Herzen die Gruppe von Gläubigen, die hierher gekommen ist, um mir zu begegnen. Durch sie möchte ich der gesamten katholischen Gemeinschaft von Rwanda sagen, wie sehr ich mich freue, hierher gekommen zu sein. Liebe Brüder und Schwestern, ich komme als Pilger von Rom. Ich freue mich, daß ich mit euch den Glauben der Taufgnade, die uns verbindet, feiern kann. Auf euren Gesichtem entdecke ich das Angesicht Gottes, unseres Vaters, der die Menschen in einer großen Familie versammeln will. <515> <516> <515> Zu Beginn meines Besuches gehen meine Gedanken sogleich zur ganzen Gemeinschaft des Volkes von Rwanda und im besonderen zu denjenigen, die leiden. 639 REISEN Ich weiß, daß eine große Hungersnot unlängst einen Teil des Landes befallen hat und daß diese in manchen Regionen tragische Ausmaße angenommen hat. Ich empfehle Gott die Opfer, die umgekommen sind, ich versichere den geprüften Familien meine Sympathie. Ich drücke meinen Wunsch aus, daß diejenigen, die in unerträglich bitterer Not sind, möglichst schnell Erleichterung finden mögen. Vereint werden wir den Herrn des Himmels und der Erde bitten, jedem von uns sein tägliches Brot zu geben. Auch werden wir ihm alle Anstrengungen und Initiativen der Bürger und Bürgerinnen von Rwanda anvertrauen, um ihr Land zu schützen und zu beschirmen. In der Tat ist euer reichstes Vermögen gerade diese Erde, von der euer Lebensunterhalt kommt. 5. Rwandische Katholiken, ich bin glücklich, mich in diesem afrikanischen Land zu befinden, in dem das Evangelium mit Enthusiasmus aufgenommen wurde, und wo der Glaube rasche Verbreitung findet. Ich weiß auch um eure Treue zur Kirche und eure Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri. Gott möge euch segnen und beschützen! Nachdem der Heilige Geist die Herzen vieler Männer und Frauen von Rwanda für Jesus Christus gewonnen hat, fährt er fort, sie mit reichen Gütern zu beschenken: mit lebendigem Glauben, mit eifriger Feier der Liturgie und Liebe zum Gotteswort, mit Erkenntnisdurst bei den Jungen, und mit dem Wunsch nach allseitiger Zusammenarbeit im Dienst für das Gemeinwohl in gutem Einvernehmen zwischen Kirche und Staat. Gewiß gilt es, die Verkündigung des Evangeliums weiter zu verfolgen, damit die Botschaft Christi immer tiefer in die Herzen eindringe. Die gläubigen Laien sind schon so zahlreich, daß sie die Dienste und Aufgaben in den christlichen Gemeinden sicherstellen. Sie seien ermutigt, ihre Ausbildung zu vervollkommnen und ihre Mitarbeit mit den Seelsorgern noch zu verstärken. Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen sind ebenso aufgerufen, sich geistlich zu erneuern, um den Herausforderungen der gegenwärtigen Stunde die Stirn bieten zu können. Sie mögen sich ganz in den Dienst des Apostolates stellen und ein authentisches Zeugnis für ihr geweihtes Leben abgeben. Endlich ist eine klare Inkulturation des Glaubens wünschenswert und wird das Werk aller sein, damit die Mentalitäten und Sitten durch das Evangelium geprägt werden. Ich wünsche brennend, mein Besuch sei für alle Katholiken des Landes ein Anlaß, sich noch mehr ihrer persönlichen Verantwortung als Christen bewußt zu werden, sei es in der Kirche, sei es in der Gesellschaft Rwandas. Möge in ihren alltäglichen Beziehungen der Glaube großzügig gelebt werden und die Liebe Christi von ihnen ausstrahlen! 6. Zu Beginn dieser Reise möchte ich ebenfalls einen herzlichen Gruß an unsere Brüder und Schwestern richten, die anderen kirchlichen Gemeinschaften angehören, sowie ebenfalls an die Gläubigen anderer Religionen. Ich versichere, daß ich als Mensch des Dialogs und Bote des Friedens hierher gekommen bin. <517> <517> Herr Staatspräsident, ich möchte meine Dankbarkeit wiederholen sowie alle meine Wünsche für sie und ihr liebenswertes Land. Allen hier vertretenen Persönlichkeiten sage ich Dank für den herzlichen Empfang. Gott segne Rwanda und bewahre es in Eintracht und Frieden! Möge er jedem das schenken, was er nötig hat! 640 REISEN Jeder Gläubige ist ein lebendiger Stein Ansprache beim Besuch der Kathedrale von Kigali (Rwanda) am 7. September Liebe Brüder und Schwestern! Ich bin sehr glücklich, euch hier in eurer Kathedrale zu begrüßen, und ich danke Msgr. Vincent Nsengiyumva, dem Erzbischof von Kigali, daß er mich hier empfängt. Die Kathedrale ist der bedeutendste Ort, an dem sich eine Teilkirche um den Bischof versammelt. Die Kathedrale ist ein Zeichen, und ihre sichtbare Gegenwart ruft uns in Erinnerung, daß die Getauften eingeladen sind, ein großes geistiges Gebäude zu bilden. Jeder Gläubige ist ein lebendiger Stein dieses Gebäudes, und seine Aufgabe ist unersetzbar. Im Herzen der Diözese kann sich jeder besser ins Bewußtsein rufen, worin sein eigener Beitrag besteht, damit die Ortskirche immer besser ihre Sendung erfüllen kann. Die Kathedrale ist ein bevorzugter Ort der Verbundenheit und der Versöhnung im Herrn, dank des Wortes Gottes, das man gemeinsam hört und dank der Eucharistie, die man gemeinsam feiert. Wenn ich jetzt meinen Pastoralbesuch in diesem Land beginne, so besteht mein erstes Gebet in der Bitte an den Herrn, daß er euch alle in Frieden bewahre, vereinigt als Glieder einer einzigen Familie miteinander verbunden. Ich komme als Pilger aus Rom. Ich möchte euch im Glauben stärken. Morgen habe ich die Freude, neue Priester für den Dienst am Volke Gottes zu weihen. Mit ihnen werdet ihr fortfahren, die Kirche von Rwanda aufzubauen. Eine Kirche, die immer lebendiger sein wird, zur Ehre Gottes und zum Wohle eures Vaterlandes! Einen ganz großen Dank der Stadt Kigali, denn bei meiner Fahrt vom Flugplatz zur Kathedrale sah ich unzählbare Scharen von Bürgern, von Christen, die mir einen herzlichen Empfang bereiteten. Damit brachte Rwanda, brachte die ganze Bevölkerung Rwandas ihre Haltung hinsichtlich dieses Besuches zum Ausdruck. So möchte ich denn auch meinen Dank und den Segen, den ich den Anwesenden erteile, auf alle ausdehnen, denen ich unterwegs schon begegnet bin, und auf alle, die zur großen Gemeinschaft der Nation gehören, besonders aber auf die, welche die Gemeinschaft der katholischen Kirche in Rwanda bilden. Und so empfangt denn diesen Apostolischen Segen. 641 REISEN Internationale Solidarität ist notwendig Ansprache bei der Begegnung mit dem Diplomatischen Korps in Kigali (Rwanda) am 7. September Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Ich freue mich, heute, zu Beginn meines Pastoralbesuches in Rwanda, Gelegenheit zu haben, den Diplomatischen und Konsularischen Korps zu begegnen sowie den Vertretern der internationalen Organisationen dieser Hauptstadt. Dankbar nehme ich die Grußworte, die in Ihrer aller Namen an mich gerichtet wurden, entgegen. Ihre Anwesenheit bezeugt die Sympathie der internationalen Gemeinschaft für das rwandi-sche Volk, dessen traditionelle Eigenschaften von allen anerkannt sind. Im Rahmen einer bewundernswerten Natur bilden sie eine kulturelle Gemeinschaft, die durch alte nationale Strukturen fest verbunden ist. Sie drücken sich in einer gemeinsamen Sprache aus, beweisen Aufnahmefähigkeit und einen Sinn für das Maß sowie einen Willen zum Fortschritt; das alles ruft weit und breit eine große Hochschätzung hervor. Es ist wahr, daß dieses Land in den letzten Jahrzehnten mehrere Erschütterungen erlebt hat und daß seine Entwicklung auf große Schwierigkeiten stößt, die mit der ökonomischen Konjunktur und den natürlichen Gegebenheiten verbunden sind. Noch jüngst hat eine Hungersnot gewisse Regionen des Landes betroffen. Die Bodenerosion ist beängstigend, weil es sich darum handelt, eine dichte Bevölkerung am Leben zu erhalten. Die Nutzung der Bodenschätze und anderer Produktionen können nicht die agrarischen Defizite kompensieren. <518> <519> <518> Das zeigt, wie sehr die internationale Solidarität notwendig ist, um diesem Volk eine Entwicklung zuteilwerden zu lassen, die es legitim erstrebt. Sie sind hierfür verständige und tatkräftige Zeugen. Ihre Rolle als Vertreter der benachbarten Länder, der entwickelten Länder des „Nordens“, oder der Weltorganisationen, führt sie dazu, den Sinn und die Tragweite dieser Solidarität zu vertiefen. Auf allen Kontinenten anwesend, beabsichtigt die katholische Kirche nicht, sie wissen es, unmittelbar die technischen Probleme zu behandeln; aber sie muß ohne Unterlaß die Aufmerksamkeit der Verantwortlichen und aller Menschen guten Willens auf die Notwendigkeit lenken, eine wahrhaftige Gemeinschaft der Völker zu errichten. Nichts darf hier beiseite gelassen werden. Das Leben, die Gesundheit, die Erziehung, der Friede sind Güter, die niemandem verweigert werden dürfen. Jedes Volk hat das Recht, seine Würde, seine Kultur respektiert zu sehen und seine Verantwortungen frei auszuüben. Wir lassen nicht davon ab, es zu wiederholen, daß die Menschheit grundlegend eine ist und daß die Armut und das Leiden eines zu großen Teils ihrer Mitglieder nicht ignoriert werden können. Hat man nicht klar in diesen letzten Jahren festgestellt, daß die Aktionen der Son-derorganisationen, wie unverzichtbar sie auch immer sein mögen, eine Verbesserung der Lebensbedingungen der am meisten Notleidenden ohne die aktive Teilnahme von Wohltätern und die Unterstützung durch die öffentliche Meinung nicht erreichen können? Man beginnt sich dessen besser bewußt zu werden, so scheint es, daß der Boden ein Gemeingut ist, den es zu schützen gilt. Aber wird es genügend in Erwägung gezogen, daß eine geziemende Exi- 642 REISEN stenz mit einem Minimum an Sicherheit, ein allgemeines Recht darstellt, und daß es eine allgemeine Pflicht ist, dies für alle in allen Ländern der Erde zu gewährleisten? Ihre Mission der Beziehungen zwischen den Nationen und der Zusammenarbeit hinsichtlich der Länder, in denen sie Gäste sind, führt sie dazu, die Dringlichkeit menschlicher Solidarität über die Grenzen hinaus festzustellen. Mögen Sie dafür glaubwürdige Zeugen bei ihren Landsleuten sein! 3. Meine Reise in drei Länder dieser Region Afrikas lenkt meine Aufmerksamkeit auf Sorgen, die Ihnen wohl bekannt sind, und diesbezüglich möchte ich die gemeinsamen Anstrengungen der nahen Partner untereinander ermutigen. An erster Stelle denke ich an Probleme, die sich als Folge von Zwangsverschiebungen der Bevölkerung aufgrund von bedauernswerten Zusammenstößen im Laufe der letzten Jahrzehnte ergeben haben. Ich wünsche von ganzem Herzen, daß man durch einen freien und offenen Dialog dahin gelangen möge, diese alten Verletzungen vernarben zu lassen und eine gerechte Lösung dieser Probleme zu finden, ohne deren Komplexität zu ignorieren. Ich habe gute Hoffnung, daß die Hilfe der freundschaftlich mit Rwanda verbundenen Länder nicht fehlen wird, besonders hinsichtlich der Aufnahme und Unterbringung von Personen, die noch nicht wieder eine gesicherte Lebenssituation in einer Umgebung finden konnten, in der sie die Mittel hätten, um in Ruhe leben zu können. Von einem anderen Gesichtspunkt aus scheint es, daß eine betont regionale Zusammenarbeit vorteilhaft sein dürfte für die wirtschaftliche Entwicklung der verschiedenen Länder. Die konkrete Verwirklichung von gemeinsam entworfenen Projekten würde die Aktivität aller unterstützen, sei es auf dem Gebiet der Transporttechniken, der Vermarktung der Grundnahrungsmittel, des Kreditwesens oder für die Programme der wissenschaftlichen Forschung, angepaßt an den notwendigen Fortschritt für die landwirtschaftliche Produktion, für den Kampf gegen die Krankheiten und ihre Vorsorgemaßnahmen, um nur ein paar besonders dringliche Beispiele zu nennen. Sie wissen gut um das Interesse der Kirche für alles, was die Erziehung der Jugend angeht. In dieser Hinsicht wünsche ich, daß die Länder dieser Region über die nötigen Mittel verfügen mögen, um ihren jungen Menschen nicht nur eine grundlegende Schulausbildung geben zu können, sondern auch um eine möglichst hohe Zahl ihrer Söhne und ihrer Töchter auf ein Niveau der Fachbildung führen zu können, die sie wirksam als Tätige bei der Entwicklung teilnehmen läßt und sie zu Trägern einer Kultur macht, die nur lebendig bleibt durch die fruchtbare Vereinigung des alten Erbes mit den besten Beiträgen von außen. Auf all diesen Gebieten ist es klar, daß die Bewegungsfreiheit der Personen in einem Klima der Sicherheit und Zusammenarbeit den erhofften Fortschritt begünstigen wird. Andererseits beschleunigen, wie es die Regierungen in dieser Region wünschen, die materielle Mithilfe der begünstigten Nationen und der Informationsaustausch auf wissenschaftlichem und technischem Gebiet die Verwirklichung, die noch durch die Armut gebremst wird. <520> <520> Diese wenigen Andeutungen lassen wesentliche Überzeugungen der katholischen Kirche sichtbar werden. Durch Zusammenarbeit und gegenseitiges Verständnis müssen die Menschen darin bestärkt werden, ihre Rechte respektiert zu sehen und den von der Gerechtigkeit 643 REISEN untrennbaren Frieden zu genießen. Als Partner, die sich gleicher Würde erfreuen, können sie gerechterweise von ihren Brüdern und Schwestern in der Welt eine wirkliche Unterstützung erwarten, frei von jeder Beeinträchtigung, ihrer eigenen Geistigkeit - die so sehr im Herzen des Afrikaners lebt -, wie auch der freien Ausübung ihrer unveräußerlichen Verantwortungen, besonders auf familiärer Ebene. Meine Damen und Herren, zum Abschluß meiner Worte möchte ich erneut meiner tiefen Hochachtung Ausdruck geben gegenüber all denen, die dafür arbeiten, den Beziehungen unter den Nationen einen wirklich menschlichen Charakter zu verleihen, der sie der Entfaltung der einzelnen und dem Zusammenleben zum Segen gereichen läßt. Ihnen allen entbiete ich meine besten Wünsche für eine glückliche Abwicklung ihrer Missionen in diesen Ländern und rufe auf sie alle und alle ihnen Nahestehenden den Segen Gottes herab. Rwanda lebt durch die Landbevölkerung weiter Radiobotschaft an die Landbevölkerung von Rwanda vom 8. September Liebe Freunde, Bauern und Bäuerinnen von Rwanda! 1. Es ist für mich eine große Freude, in eurem schönen Land zu sein. Ich bin gekommen, um die gesamte Bevölkerung zu begrüßen und den christlichen Gemeinschaften zu begegnen. Und ich möchte mich an alle Bewohner dieses Landes wenden. Heute möchte ich ein besonderes Wort an die Bäuerinnen und Bauern richten, die die große Mehrheit der Bevölkerung bilden. Gern würde ich mich auf eure Hügel begeben, eure Felder besuchen und in euren Häusern aufgenommen werden. Doch mein zu kurzer Aufenthalt in eurem Land erlaubt dies nicht. <521> <522> <523> <521> Seid versichert, liebe Bäuerinnen und Bauern von Rwanda, daß ich eure Situation kenne. Ihr erhaltet dieses Land am Leben, ihr seid in ihm eine große Kraft. Dank eurer lebt Rwanda weiter. Ihr seid durch eure Arbeit und eure landwirtschaftliche Produktion die ersten Verantwortlichen für den Fortschritt in eurem Land. Herzlichen Glückwunsch für das, was ihr leistet. Seid stolz auf das, was ihr seid! Aber ich weiß auch von den zahllosen Schwierigkeiten, denen ihr begegnet. Die Arbeit ist nicht leicht, und eure Anstrengungen sind häufig benachteiligt durch die ungünstigen materiellen und wirtschaftlichen Bedingungen. Viele von euch wohnen auf immer mehr verknapptem Boden. Der Boden, den ihr kultiviert, erschöpft sich im Laufe der Jahre durch Erosion und mangelnde Düngemittel. Der Regen ist manchmal zu reichlich und in anderen Zeiten herrscht grausamer Mangel. Krankheiten können eure Kulturen wie auch euer Vieh befallen. Der Preis, den ihr für eure Produkte von den Feldern erhaltet, steht nicht immer im richtigen Verhältnis zu eurer Arbeit und euren Bedürfnissen. Auch die internationale Umgebung ist ungünstig für euch. Mit großer Traurigkeit habe ich davon Kenntnis genommen, daß euer Land in diesen letzten Monaten von Hungersnot befallen ist. Wißt, daß der Papst euren Mut im täglichen Kampf bewundert, den ihr für ein besseres Dasein eurer Familien und eures Landes führt. 644 REISEN 3. Die Probleme, mit denen ihr konfrontiert seid, sind komplex. Es gibt keine einfache Lösung. Damit sich eure Situation verbessert, bedarf es der Zusammenarbeit aller. Aber in erster Linie seid ihr es, ihr Bäuerinnen und Bauern von Rwanda, denen es zukommt, eure eigene Entwicklung in die Hand zu nehmen. Es ist wichtig, daß ihr euch zu organisieren versteht, um eure Stimme hörbar zu machen, um eure Erwartungen auszudrücken. Ich weiß, daß im traditionellen Rwanda in der ländlichen Welt die Solidarität eine große Rolle spielte. Aber jetzt, da alle sich beengt fühlen, wird die Verständigung schwieriger. Jeder gelangt an die Grenzen seiner eigenen Möglichkeiten des Auskommens. Jeder findet es schwieriger, dem anderen zu helfen. Ich fordere euch auf, Anstrengungen zu unternehmen, um eure ländliche Solidarität wiederzufinden und zu intensivieren, um unter euch den Sinn des Teilens zu entwickeln. Solidarisch sein heißt, sich persönlich mit den anderen für ein gemeinsames Projekt engagieren. Zusammen könnt ihr es erlangen, daß eure Rechte respektiert werden und euch ein größerer Freiheitsraum zugesichert wird. Euer Land ist euer erster Reichtum, der euch zu leben gestattet. Ihr müßt den Boden vor Verfall und Verschleiß schützen. Ergreift gemeinsame Initiativen, um den Ertrag zu steigern. 4. Es ist die ganze rwandische Bevölkerung, die solidarisch sein muß mit eurem Schicksal. Es handelt sich hier um eine Frage der Gerechtigkeit. Der Staat muß euch den Zugang zu allen öffentlichen Diensten erleichtern. Es ist wichtig, daß ihr euren Kindern eine gute Ausbildung in der Schule geben könnt, besonders damit sie eine berufliche Kompetenz erlangen, und daß sie fähig sind, ihr Land zu nutzen durch wechselnden Anbau von nützlichen und rentablen Nahrungsmitteln. Ihr habt gleichfalls das Recht auf Gesundheitszentren, soziale Dienste, Bankkredit und Verwaltungsdienste. Das Anwachsen der Ungleichheit zwischen Stadt und Land muß verhindert werden. Auch die internationale Gemeinschaft muß durch eine gerechte Sorge zur Entwicklung der ländlichen Welt beitragen. Zuerst geht es um den Absatz von Industriekulturen und um das Zahlen eines gerechten Preises für diese Kulturen, die die Industrie zu ihrem größten Profit verarbeitet. Es ist wichtig, daß Entwicklungsprojekte im ländlichen Bereich nicht von ihren Zielen abgelenkt werden, sondern daß sie wirklich die Bauern in ihren Bemühungen unterstützen. Die internationale Gemeinschaft muß gleichfalls bereit bleiben, in schwierigen Momenten humanitäre Hilfe zu leisten. <524> <524> Das Evangelium ist eine Frohe Botschaft für alle ... so auch für den Bauern der tausend Hügel, der an der Entwicklung seines Landes arbeitet. In Gottes Augen seid ihr groß, seid ihr wichtig. Jesus ist während seines ganzen Lebens den einfachen Menschen nahe gewesen, er hat sich mit ihrem Leben verbunden, seine Reden und Parabeln sind von Vertrautsein mit dem Ackerbau gekennzeichnet. Nach dem Beispiel Jesu muß die Kirche den Bauern nahestehen. Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen möchten die Sorgen und die Hoffnungen der Bauern teilen, gelegentlich ihre Wortführer sein, sich auf ihrer Seite in gewissen Aktivitäten der Entwicklung engagieren. Für die christlichen Gemeinden - Orte, an denen das Evangelium gehört wird, Orte des Gebetes und der Gemeinschaft - ist es natürlich, eine brüderliche Solidarität mit allen zu leben. 645 REISEN Auf der Durchreise werde ich nahe der Pfarrei Kamonyi eine Statue der Jungfrau Maria segnen, unser aller Mutter. Ich bitte sie, daß sie ihrem Sohn Jesus die Sorgen und Hoffnung von euch allen, liebe Bauern und Bäuerinnen von Rwanda, vorträgt. Möge der Herr euch segnen und euch begleiten in eurem Tagewerk! Möge er in euch die Hoffnung auf eine bessere Welt lebendig erhalten! Die Feier der Eucharistie steht ausschließlich dem Priester zu Predigt bei der Priesterweihe in Kabgayi (Rwanda) am 8. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Das Reich Gottes ist euch nahe“ (Lk 10,9). Dies ist die freudige Botschaft, welche Jesus seinen Jüngern anvertraute und die wir soeben im Evangelium vernommen haben. Auf den Spuren der Apostel Christi verkünde ich sie euch heute als Pilger, der aus Rom kommt. Gott sei gepriesen! Er ist mit uns dank seines Reiches, das kommt! Er sei gepriesen für seine liebende Gegenwart, welche der Welt Leben spendet! Er sei gepriesen für die festliche Versammlung, die heute zusammengetreten ist! Bevor ich zu Beginn des Weiheritus das Wort ergreife, möchte ich Bischof Thaddee Nsen-giyumva von Kabgayi für seine herzlichen Grußworte danken, die er am Anfang dieser Messe an mich gerichtet hat. Meine ergebenen Grüße gelten dem Herrn Präsidenten der Republik und den Regierungsmit-gliedem, denen ich für ihre Teilnahme an dieser liturgischen Feier danke. Besonders herzlich begrüße ich meine Mitbrüder im Bischofsamt aus Rwanda und den Nachbarländern. Schließlich danke ich euch allen und möchte an alle einen sehr freundlichen Gruß richten: an die Priester, die Ordensleute, die Seminaristen, die Novizen und an alle Laien, die an dieser wunderbaren Versammlung teilnehmen. Ein herzliches Wort des Grußes! Möge Gott euch beschützen! <525> <525> An diesem Fest Mariä Geburt, an dem wir das Morgenrot des Heils feiern, danke ich Gott für das Geschenk seines Sohnes, der von der Jungfrau Maria geboren wurde. Gleichzeitig danke ich ihm für das Geschenk des Priestertums, das gewissermaßen das seines Sohnes fortsetzt. Ich danke dem Herrn für die zahlreichen Berufungen in Rwanda und ganz besonders für die christlichen Familien, die das Aufblühen dieser Berufungen dank ihrer Achtung für die Priester und ihrer Liebe zu ihnen und zu den Gottgeweihten begünstigen. Bei diesem glücklichen Anlaß möchte ich der verdienstvollen Mühen der ersten Missionare gedenken, insbesondere der Bischöfe Hirth, Classe und Deprimez, der ersten Bischöfe von Kabgayi, die den einheimischen Klerus ausgebildet und die einheimischen Kongregationen gegründet haben: die Bayozefiti, die Benebikira und die Bizeramariya. 646 REISEN Schließlich preise ich den Herrn für die Anwesenheit beschaulicher Gemeinschaften, die für die Absolutheit Gottes Zeugnis ablegen und in den Herzen der Männer und Frauen von heute den Sinn für die Anbetung wachhalten, den zahlreiche Gläubige auf dem afrikanischen Kontinent teilen. 3. Das Reich Gottes ist nahe, sagt Jesus Christus. Tatsächlich ist durch ihn und in ihm das Reich Gottes der Menschheitsgeschichte nahe. Der Vater hat ihm dieses Reich anvertraut, und er, der Sohn, der Mensch geworden ist, hat es zuerst den Aposteln anvertraut. Durch die Vermittlung der Apostel hat er für alle Zeiten das Reich Gottes der Kirche anvertraut. In der Kirche hat er es uns anvertraut: jedem Menschen, jedem Volk und allen Nationen der ganzen Welt. Wir tragen das Reich Gottes als Erbteil Christi und gleichzeitig als uns gestellte Aufgabe und als Anfang der endgültigen Vollendung in uns. Das Reich Gottes ist schon mitten unter uns. Gleichzeitig beten wir jeden Tag, es möge kommen. Wie wir es vom Erlöser gelernt haben, und seinem Gebot folgend sagen wir im „Vater unser“: „Dein Reich komme!“ In diesem Gebet schließt sich die Kirche in Rwanda der Kirche in aller Welt an. 4. Da das Reich Gottes als eine zu erfüllende Aufgabe vor uns steht, müssen sich die Menschen ihm verpflichtet fühlen. Das Reich Gottes ist einer Ernte ähnlich: sie kommt nicht ohne die Mitwirkung der Arbeiter zustande. Wer sind diese zur Ernte berufenen Arbeiter? Die ersten waren die Apostel Christi. Doch bereits der Herr hatte neben den Aposteln auch noch andere Missionare ausgesandt, wie uns die heute vernommene Lesung aus dem Lukasevangelium in Erinnerung ruft: zweiundsiebzig Jünger, denen genaue Anweisungen für ihr Verhalten bei ihrer apostolischen Tätigkeit erteilt worden waren (vgl. Lk 10,1-9). Wer sind heute die zur Emtearbeit berufenen Arbeiter des Reiches Gottes? Alle Jünger Christi, alle Getauften, unabhängig von ihrem Lebensstand und ihrem Beruf. Die große Ernte des Reiches Gottes auf Erden erfordert jedoch Männer, die eine besondere Berufung empfangen haben und zu einem spezifischen Dienst in der Kirche bestimmt sind. Heute empfangen fünfunddreißig Söhne Rwandas und Zaires die Priesterweihe. Sie sind zu einem für das Volk Gottes wesentlichen Amt bemfen. Als Mann des Heiligen, Zeuge des Unsichtbaren und Sprecher Gottes, der sich in Jesus Christus geoffenbart hat, muß der Priester als solcher anerkannt werden, denn ihm obliegt eine dreifache Sendung: - Er ist Verkünder der Frohbotschaft, um Jesus Christus kennen zu lernen und die Gläubigen dank seines ständig wachsenden Glaubens und dank konkreter apostolischer Verpflichtungen mit ihm in Verbindung zu bringen; - er ist Spender der Geheimnisse Gottes, insbesondere der Eucharistie und der sakramentalen Versöhnung. Diese Ämter können nicht Laien übertragen werden; sie erfordern die Priesterweihe. Die Feier der Eucharistie steht ausschließlich den Priestern zu, und wir wissen, was die Eucharistie für das Volk Gottes bedeutet! - er baut schließlich die kirchliche Gemeinschaft auf: der Priester ist es, der für die Versammlung der Familie Gottes Sorge trägt. Sein Priestertum verleiht ihm die Macht, das prie-sterliche Volk zu führen. 647 REISEN Mit den Bischöfen vereint, nehmen die Priester am einzigen Priestertum Christi und an der Einheit des Amtes in seiner Kirche teil. Sie sind unerläßliche Helfer und Berater der Bischöfe, die in ihnen „Brüder und Freunde“ (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 7) sehen. 5. Mögen die anwesenden Weihekandidaten eingehend in ihren Herzen über die Worte des Apostels Petrus an die „Ältesten“ nachdenken! Wir haben sie in der zweiten Lesung dieser Messe vernommen. Petrus gibt den Hirten den Titel „Älteste“, nicht so sehr aufgrund ihres Alters, sondern im Hinblick auf die Pflichten, die sie zu erfüllen haben. Es handelt sich um pastorale Pflichten. Der Apostel erklärt ihnen, wie sie diese Aufgaben erfüllen müssen. Er erklärt ihnen den Sinn des Hirtenamtes in der Kirche. Er fordert sie auf, es mit Hingabe zu erfüllen. Er lenkt ihren Blick auf das vollkommenste Vorbild des Hirten: Auf den, der sein Leben für seine Schafe hingegeben hat. Christus, der ewige Hirte, wird jeden von uns entsprechend der Ausübung unseres Hirtenamtes richten. Vor ihm müssen wir uns endgültig für diesen Dienst verantworten. Der Apostel schreibt dies, weil er selbst ein Ältester, weil er Zeuge der Leiden Christi ist: „Eure Ältesten ermahne ich, da ich ein Ältester bin wie sie und ein Zeuge der Leiden Christi“ (i Petr 5,1). 6. In dem Augenblick, in dem man das Weihesakrament empfängt, kann man, wenn man das vom hl. Petrus den Hirten des Volkes Gottes vorgezeichnete Programm vernimmt, eine gewisse Angst verspüren. Wir verstehen die Reaktionen des Propheten Jeremia, an welche die erste Lesung erinnert. Von Gott berufen, widersetzt sich Jeremia zunächst diesem Ruf und sucht nach Ausflüchten: „Ach, mein Gott und Herr, ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung“ (/er 1,6). Doch der Herr antwortet ihm: „Fürchte dich nicht,... denn ich bin mit dir“ (/er 1,8). Die Berufung zum Priestertum ist zweifellos ein großes Geschenk Gottes. Sie hat ihren Ursprung in ihm: „Noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt“ (/er 1,5). Die besondere Berufung zum Dienst Gottes kommt von ihm. Dem Menschen ist es aufgetragen, dieses Geschenk Gottes hochzuhalten und es mit großem Vertrauen auf seine Gnade, die im Weihesakrament mitgeteilt wird, anzunehmen. Beim gemeinsamen Singen der Allerheiligenlitanei erbitten wir die tägliche Hilfe derer, die vor uns für das Kommen des Reiches Gottes gearbeitet haben. Wenn wir gemeinsam mit den Bischöfen und Priestern den Weihekandidaten die Hände auflegen, wird der Geist der Heiligkeit den Tiefen ihres Seins mitgeteilt. Wenn man beschlossen hat, bei der Ernte mitzuarbeiten, nimmt man normalerweise zugleich mit dem Aufruf auch die Mühen des Emtearbeiters auf sich, denn der Herr hat versprochen, jene zu belohnen, die alles verlassen haben, um ihm nachzufolgen. Die ersten Missionare, die ich zu Beginn dieser Predigt erwähnte, hatten keine Angst vor den großen Opfern, die von ihnen im Namen des Evangeliums gefordert wurden. Sie mühten sich unter großen Schwierigkeiten ab, um Jesus Christus kennen und lieben zu lehren und verzichteten auf ihre Familie und ihre Heimat, die sie nicht mehr Wiedersehen konnten, was hingegen heute möglich ist. Mögen die Priester von heute nach dem Beispiel dieser großen Pioniere des apostolischen Wirkens ohne Zaudern das Kreuz auf sich nehmen, das alle annehmen müssen, die Christus 648 REISEN nachfolgen! Verschiedene Anforderungen sind an sie gestellt: z. B. der Verzicht auf ein bestimmtes materielles Wohlergehen; das Verlangen nach einer einfachen Lebensweise; der Wille, trotz der zahlreichen täglichen Beschäftigungen dem Gebet treu zu sein; vor allem jedoch der Wille, energisch jede Absonderung einzelner sozialer Schichten zu bekämpfen und um jeden Preis ein Mann des Friedens und der Versöhnung zu sein. Um diesen Erfordernissen des apostolischen Lebens gerecht werden und dem priesterlichen Amt treu bleiben zu können, sollen die Priester sich um eine gewisse Art gemeinschaftlichen Lebens bemühen; die besten afrikanischen Familientraditionen können hier lehrreich sein. 7. Als Christus seine Jünger aussandte, um das Reich Gottes zu verkünden, sagte er als guter Hirt: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lk 10,2). Möge unsere heutige eucharistische Versammlung ein großes Gebet um Arbeiter für die Ernte des Reiches Gottes sein! Nicht nur hier, in Rwanda; nicht nur in Zaire und auf dem ganzen afrikanischen Kontinent, sondern in allen Teilen der Welt! Das ist eine der dringendsten Notwendigkeiten der Kirche. Christus möge also die Herzen vieler Jugendlicher berühren; er möge auch den Mund vieler berühren und seine Worte auf ihre Lippen legen: „Ich lege meine Worte in deinen Mund“ (vgl. Jer 1,9). Er möge viele Hände weihen, wie die dieser jungen Männer aus Rwanda und Zaire, die in Kürze mit dem heiligen Öl gesalbt werden. Die Herzen, die Lippen, die Hände und das Leben vieler junger Menschen mögen Christus mit einem „Ja“ antworten, mit einem „Ja“ für ihre ganze Existenz. „Die Ernte ist groß“. <526> <526> Unsere Liebe Frau der Treue, du, die du unablässig „das Antlitz des Herrn“ suchtest; du, die du das Geheimnis angenommen und in deinem Herzen bewahrt hast; du, die du nach deinem glühenden Glauben lebtest, wir flehen dich an für jene, denen wir jetzt die Hände aufle-gen. Hilf ihnen, ihren Verpflichtungen treu zu bleiben, als gute und treue Knechte, bis zum Ende ihres Lebens! Wir bitten dich darum an dem Tag, an dem die Kirche deine Geburt feiert. Durch dich ist uns die Sonne der Gerechtigkeit aufgegangen. Christus, unser Gott. Amen! 649 REISEN Maria: Vorbild für die Christen Ansprache in der Kathedrale von Kabgayi (Rwanda) am 8. September Liebe Brüder und Schwestern! Aus ganzem Herzen begrüße ich euch in dieser, der Unbefleckten Jungfrau Maria geweihten Kathedrale. Es ist mir eine Freude, euch gerade hier begegnen zu können. Ich bin hierhergekommen, um mich am Grab der ersten drei Missionsbischöfe Rwandas im Gebet zu sammeln. Neben den Bischöfen Hirth, Classe und Deprimez liegen hier auch andere Pioniere der Evangelisierung Rwandas begraben. Wir wollen dem Herrn für diese Träger der Frohbotschaft danken, die in der guten, lebendigen Erde Rwandas gereift ist. Wir feiern heute, am 8. September, das Fest der Geburt Mariens, der Frau, die als neues Vorbild für die Christen in sich die hervorragendsten Züge der Frau als Jungfrau, Braut und Mutter vereint. Wir beten zu ihr für alle Frauen Rwandas, damit alle Würde ihrer Sendung als Frauen und Mütter und ihr Recht, am gesellschaftlichen Leben der Nation und für ihren Fortschritt mitzuwirken, voll anerkannt werde. Ich grüße aus ganzem Herzen die hier anwesenden Ordensschwestern und lade sie ein, sich immer mehr vom Wort Christi zu nähren, um sich, den Spuren Mariens folgend, großmütig in den Dienst der Kirche zu stellen. Tragt meine Botschaft über diese Mauern hinaus auch zu den Häftlingen dieses Landes. Liebe Brüder, in der schwierigen Lage, in der ihr euch befindet, wünsche ich euch, ihr mögt den Weg zu friedlicher Versöhnung mit Gott und mit euren Brüdern und Schwestern finden. Vertraut euch der Hilfe der allzeit getreuen Mutter Gottes an: Sie wird euch helfen, im richtigen Augenblick in aller Ruhe euren Platz in euren Familien und in der Gesellschaft wiederzufinden. Bevor ich diese kurzen Worte beende, möchte ich meine große Freude über das Wiedersehen mit dem Bischof aussprechen, der so lange als Missionar euer Hirte war: Erzbischof Perrau-din, dem ich oft begegnet bin und der jetzt in dieser Kathedrale anwesend ist. Möge Gott den Altbischof von Kabgayi, Erzbischof Perraudin, segnen, ist er doch mit ganzem Herzen und ganzer Seele mit diesem Land, dieser Kirche, diesem Ort und dieser Kathedrale verbunden. Euch allen, die ihr hierhergekommen seid, erteile ich jetzt aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen und ersuche die anwesenden Bischöfe, ihn in einem Akt der Kollegialität gemeinsam mit mir zu sprechen. 650 REISEN Alle sind Geschöpfe des einen Vaters Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend im Stadion Amahoro in Kigali (Rwanda) am 8. September Liebe Jugendliche! 1. Ein herzlichen „Guten Abend!“ Ich danke euch für den Empfang, den ihr mir gemäß der schönen Tradition eures Landes entbietet. Dank auch an Bischof Thaddee Nsengiyumva für seine Grußworte. Dank vor allem an euch Wortführer, die ihr mir eure Herzensanliegen vorgetragen habt. Yezu akuzwe! Gelobt sei Jesus Christus! 2. Ihr wißt, wie sehr ich es wünsche, Kontakt mit den jungen Menschen der Länder aufzunehmen, die ich besuche. In Rwanda vertretet ihr mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Die Kirche ist darauf bedacht, euch das mitzuteilen, was sie von Christus empfangen hat und was dem Leben Sinn gibt. Ihr alle, die ihr mich heute hört, seid das Rwanda von morgen: Jugendliche, ihr seid das Rwanda von morgen. Nach den zahlreichen Fragen zu urteilen, die ihr mir gestellt habt, sehe ich, daß ihr euch auf diese Begegnung ernsthaft vorbereitet habt. Ich beglückwünsche euch hierzu. Ich stelle fest, daß ihr Durst nach der Wahrheit habt, wie eine von euch gesagt hat. Natürlich wird es nicht möglich sein, euch auf alle eure Fragen zu antworten. Ihr werdet nach und nach die Antworten, die ihr sucht, finden mit der Hilfe eurer Freunde, der Älteren und eurer Priester: Sie haben die Aufgabe, euch in eurem geistlichen Wachstum zu begleiten. <527> <528> <529> <527> Ich kenne eure Schwierigkeiten, die Armut, das Fehlen von Land, die Arbeitslosigkeit, den Rassismus und den Regionalismus, die sexuelle Freizügigkeit, die Verführungen der falschen Messiasse ... Ihr fragt mich nach einer Botschaft, die euch hilft, um euch herum zu blicken, in euch zu blicken und auf Jesus Christus zu blicken. Das ist es, was ich euch in unserem Gespräch vor allem nahelegen will. Ich möchte euch Geschmack daran geben, euch für das zu entscheiden, was wirklich glücklich macht. Um eure Sprache zu sprechen, ein Weiser lehrt uns, daß, wer das Ziel hat, die Welt umzuwandeln und zu verbessern, bei sich selbst anfangen muß. Dieser Weise ist Jesus Christus. In seinem Namen spreche ich zu euch. Christus ist euer Freund, er liebt euch. Bemüht buch, ihn besser kennenzulemen, ihn und sein Evangelium. Eines der wichtigsten Worte Jesu, das ich besonders gerne den jungen Menschen wiederhole, ist dieses: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). Der hl. Petrus hat es gut verstanden, daß Jesus der einzige Lehrer der Weisheit war, der würdig ist, gehört zu werden und dem man ohne Vorbehalt folgen kann: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Ja, Christus weist einen Weg, der zu der Wahrheit führt, nach der ihr Durst verspürt. Aber um auf dem Weg weiterzukommen, muß man offene Augen haben, es bedarf des Lichtes. Im Grunde sind wir auf dem Weg des Lebens alle ein wenig so, wie der Blinde, von dem uns das Evangelium spricht. Sobald man nicht mehr sieht, ist man, wie er, traurig, man schreit, man 651 REISEN bringt alles durcheinander. Darum fragt Jesus den blinden Bartimäus: Was ist denn los mit dir? „Was soll ich dir tun?“ Ohne Zögern antwortet er: „Rabbuni, ich möchte wieder sehen können.“ Das Evangelium fügt hinzu: „Im gleichen Augenblick konnte er wieder sehen, und er folgte Jesus auf seinem Weg“ (vgl. Mk 10,46-52). 4. Um den Weg des Lebens zu gehen, ist es also wichtig, zu sehen. Und das Licht, das Jesus uns gibt, um zu sehen und zu folgen, ist der Glaube. Ihr habt diese Frage gestellt: „Was ist das, der Glaube?“ Der Glaube läßt uns mit dem gleichen Blick wie Gott auf die Lebewesen und die Welt schauen, er vertieft und erweitert unsere Sicht und orientiert uns auf dem Weg. Der Glaube, liebe Freunde, ist ein Geschenk Gottes. Ihr habt ihn in der Taufe empfangen. Er ist ein Schatz, den es hochzuhalten gilt. Man muß die Botschaft Christi leben. Denkt über sie nach, allein und in euren Gruppen und Bewegungen. Nach dem Beispiel Marias bewahrt das Wort Gottes, das ihr gehört habt, in eurem Herzen. Teilt es mit den anderen und betet gemeinsam, um stark, großzügig und beharrlich zu sein. Entfaltet eure Talente als Jugendliche bei den Eucharistiefeiem in euren Pfarreien. 5. Die Arbeiter für das Evangelium bilden ein großes Volk auf dem Weg, das Volk Gottes, das man Kirche nennt. Christus hat die werdende Kirche der Sorge einer Gruppe von zwölf Personen anvertraut: den Aposteln. Einen von ihnen hat er an die Spitze gestellt: Petrus. Jesus hat Petrus eine besondere Gründungsaufgabe gegeben: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ (Mt 16,18). Die Christen sind die weiteren lebendigen Steine dieses geistigen Gebäudes. Dem Petrus hat Jesus sein Gebet versprochen, auf daß sein Glaube nie wanke. Die Apostel haben heute ihre Nachfolger in den Bischöfen. Die Aufgabe des Papstes, des Bischofs von Rom, entspricht genau der Aufgabe des Petras im Kollegium der Apostel: er soll seine Brüder im Glauben stärken. Ich bin hier nach Rwanda gekommen, um euch im Glauben zu stärken. Yezu akuzwe! Gelobt sei Jesus Christus! Manche von euch sagen, sie seien durch die Sekten im Glauben verunsichert. Was aber treibt den Menschen hin zu den Sekten? Manchmal ist es die Suche nach einer Gemeinschaft, in der man sich wohlfühlt und Unterstützung findet. Manchmal ist es die Suche nach Geistlichen, die auf eine sehr persönliche Weise auf das antworten können, dessen man bedarf. Manchmal ist es die Suche nach einer Lehre, die mit Autorität vorgetragen wird. Aber gerade in der katholischen Kirche finden sich die Antworten auf diese Erwartungen. Sie hat von Christus die Heilsbotschaft empfangen. An uns, liebe Freunde, liegt es, die Reichtümer gut auszunützen, die uns anvertraut sind! Es ist wichtig, die Freiheit eines jeden zu respektieren, denn die Freiheit ist notwendig für den Akt des Glaubens. Der wahre Dialog ist nur mit jenen möglich, die ihre Botschaft im Respekt vor der Gewissensfreiheit eines jeden verbreiten. <530> <531> <530> Was Christus denjenigen vorstellt, die ihm nachfolgen wollen, findet ihr zusammengefaßt im Herzen des Evangeliums, in den Seligpreisungen (vgl. Mt 5,1-12). Die Seligpreisungen sind Wege, die zum Glück führen. Darunter gibt es eine, die ich unterstreichen möchte, denn es scheint mir, daß die Menschen in Rwanda es heute nötig haben, sie zu hören. Es ist diese: 652 REISEN „Selig, die Frieden stiften“. Jesus will damit sagen, daß einer der Wege zum Glück darin liegt, an der Vereinigung der Menschen zu arbeiten und den Frieden unter ihnen aufzubauen. Selig, die Frieden stiften! Diesbezüglich habt ihr gefragt: „Heiliger Vater, wissen Sie, daß der Rassismus und der Regionalismus in Rwanda wüten und sogar im Inneren der Kirche? Welche Aufgabe geben Sie Ihrer Kirche, um sich zu bekehren und die Ungerechtigkeiten anzu-prangem?“ Um auf diese Frage zu antworten, müssen wir uns auf die wichtigsten Elemente unseres Glaubens stützen. Alle Menschen sind Söhne des Vaters und nach seinem Ebenbild geschaffen. Die Vaterschaft Gottes ist universell, und die Brüderlichkeit unter den Menschen ist ebenfalls universell. Rassistische Gedanken zu nähren ist widersprüchlich zur Botschaft Christi, denn der Nächste, den Jesus uns zu lieben gelehrt hat, ist nicht nur der Mensch meiner Gruppe, meiner Religion oder meiner Nation, der Nächste ist jeder Mensch, den man auf dem Weg begegnet. Meine Brüder, die Bischöfe Rwandas haben dieses Thema in ihrem Pastoralbrief erörtert: „Christus unsere Einheit“. Mit ihnen sage ich euch: „Lebt in der Liebe, respektiert einander, niemand verachte seinen Bruder, weil er sich für bevorzugt oder besser hält, im Gegenteil, nehmen wir einander gegenseitig an und danken wir dem Herrn, der uns verschieden geschaffen hat, auf daß wir einen Leib bilden als einander ergänzende Glieder. Möge Gott uns die Gnade geben, uns zu erneuern und das zurückzuweisen, was seine Kinder trennt. Suchen wir in allem die Einheit, zu Hause, in den Schulen, in den verschiedenen Familien, mit denen wir uns versammeln, in den Vereinigungen, bei der Arbeit und in der Seelsorge. Beten wir häufig für die Einheit Rwandas, daß die Christen als Kinder Gottes das Beispiel der Zusammenarbeit und der Verständigung geben, daß Jesus Christus uns lehre, die Einheit im Glauben, bei der Arbeit und in unserem ganzen Leben zu suchen“ (Christus unsere Einheit, 1. Abschnitt, S chlußfolgerung). 7. Ich komme jetzt zu einem anderen Thema: die Liebe. Die Liebe ist eine innere Dynamik, besser gesagt: eine Tugend, die dazu drängt, sich hinzugeben, und sie führt zur Verbundenheit der Wesen. Eine Tugend, ja die größte Tugend unter den theologalen, göttlichen und den menschlichen Tugenden, ganz allgemein die größte Tugend. Sie drängt dazu, sich hinzugeben und sie führt zur Gemeinschaft. Sie liebt auch Gott in seinem trinitarischen Leben: jede göttliche Person ist ganz auf die andere ausgerichtet und empfängt alles von der anderen, in einer vollkommenen Einheit. Geradeso hat der Sohn Gottes uns geliebt, so sehr, daß er Mensch wurde und sein Leben für uns hingab. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Loh 15,13). Viele Menschen haben in der Weise Jesu geliebt, indem sie ihr Leben für ihre Freunde hin-gegeben haben. Manche tun das, indem sie sich für das Priestertum oder das Ordensleben entscheiden. Diese Lebensstände beinhalten den Verzicht auf die Ehe, aber sind vor allem motiviert durch die Liebe. <532> <533> <532> Für den größten Teil von euch wird sich die Liebe in der Gründung einer Familie entfal- ten. Gemäß dem göttlichen Plan ist die Ehe ein fester Lebensstand, in welchem Mann und 653 REISEN Frau sich gegenseitig helfen durch das Geschenk der Einheit. Das Sakrament gibt die notwendige Energie, um ein solides Heim aufzubauen, in welchem die Kinder auch die Liebe finden, auf die sie ein Recht haben, um sich in Harmonie zu entwickeln. Die Ehe ist nach dem Abbild der Liebe, die Gott für die Kirche hegt, ein Bund, der für das ganze Leben verpflichtet, genauso wie Gott uns ohne Widerruf liebt. Das ist die christliche Ehe. Ich ermutige euch, liebe Jugendliche, sie zu schätzen, euch auf eure Verantwortungen als Eheleute und Eltern vorzubereiten. Es bedarf einer geordneten und gesunden moralischen Lebensführung, um ein christliches Heim solide zu gründen. Das ist anspruchsvoll. Ich lade euch dazu ein, diese Anforderungen gut zu verstehen, und habt keine Angst, euch zu engagieren. Es geht hier um euer Glück, es geht hier um die Zukunft eures Landes. 9. Darf ich wagen hinzuzufügen, daß es hier um eure Gesundheit geht? Leider muß sich Rwanda, wie allzu viele der afrikanischen Länder, mit der Plage der Aids-Erkrankung auseinandersetzen. Ich ermahne euch alle, eure Sympathie, eure Hilfe und eure Solidarität euren Brüdern und Schwestern gegenüber zu beweisen, die an Aids erkrankt sind, wie auch denen, die wegen positiver Serumbefunde in Ängsten sind. Ich lade euch inständig ein, mit mir für diejenigen zu beten, die von dieser schrecklichen Krankheit befallen sind. Ich ermutige von ganzem Herzen und drücke allen denen meine Hochachtung aus, die die Kranken pflegen und ihnen moralische Stütze bieten. Ich hoffe wirklich, daß die Forschungen in der Biologie und in der Medizin bald zur Entdeckung eines wirksamen Mittels gegen dieses Übel führen mögen. Die derzeitige Epidemie, ihr wißt es, ist gleichzeitig auch die Gelegenheit für jeden, sich hinsichtlich seines sexuellen Verhaltens zu befragen. Es gibt in der Tat Verhaltensweisen, die den Sinn der Sexualität verfälschen und die Risiken der Epidemie vervielfachen. Euch allen möchte ich wiederholen, daß die menschliche Liebe in der Ehe zu leben ist. Die Treue und die Keuschheit, die die christliche Ehe charakterisieren, tragen zur Stärkung der Selbstbeherrschung bei. Sie treten der sexuellen Freizügigkeit entgegen, die die Gefahr der Ansteckung durch Aids erhöht. Eure Anstrengungen, die menschliche Liebe dem Plan Gottes gemäß, als verantwortliche Personen zu leben, tragen auf edlere und gerechtere Weise dazu bei, gegen die Ausbreitung dieser Epidemie zu kämpfen. Gott will, daß der Mensch gesund ist. Er hat ihn nicht geschaffen, um den Tod, sondern um das Leben weiterzugeben. Wir müssen entschlossen sein, für gesunde Nachkommen zu sorgen. Es ist eure Pflicht, euren Willen zu stärken. <534> <534> Ich kann euch nicht verlassen, ohne auch von euren Beunruhigungen wirtschaftlicher Art zu sprechen. Die jungen Generationen fragen sich mit Angst, ob sie Arbeit finden werden. Euer Land ist sehr dicht besiedelt. Manche sagen: bedarf die Gesellschaft meiner? Werde auch ich eine geeignete Arbeit finden, von der ich leben kann? Laßt mich euch ein Wort der Stärkung und Ermutigung sagen. Mit der Hilfe eurer Seelsorger und eurer Lehrer stellt ganz kleine Dinge auf die Beine, wie es junge Menschen anderer Länder tun! Macht aus eurem Land der tausend Hügel und der tausend Probleme ein Land der tausend Projekte. Tut euch zusammen und errichtet kleine Industrien, Genossenschaften im menschlichen Zuschnitt. Lernt besser zu produzieren und dabei den Boden zu respektieren. 654 REISEN Liebt die Handarbeit, nach dem Beispiel Christi, den man als Sohn des Zimmermanns kannte. Setzt eure Talente, die ihr empfangen habt,aktiv ein, sucht auch nach anderen Horizonten; seid den freundschaftlichen Ländern gegenüber offen, die bereit sind, euch aufzunehmen und euch eine Arbeit zu bieten. Und vor allem verliert niemals den Mut. Mukomere! Seid stark! 11. Laßt mich schließen, indem wir miteinander die Jugend Jesu betrachten. Der Evangelist Lukas sagt uns: „Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen“ (2,52). Euch allen, liebe Freunde, wünsche ich ein echtes Wachstum. Mögt ihr all das einbeziehen können, das wahr, gut und schön ist. Mögt ihr an Weisheit zunehmen durch Freundschaften, die sich in diesem Abschnitt eures Lebens bilden! Unsere Liebe Frau, unser aller Mutter, helfen euch in eurem Wachstum und auf eurem Lebensweg! Von ganzem Herzen erteile ich euch im Namen Gottes meinen Apostolischen Segen. Aktiv in der Politik Mitarbeiten Ansprache bei der Begegnung mit Staatsbeamten und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Kigali (Rwanda) am 8. September Meine Damen und Herren, Intellektuelle von Rwanda und Diener der Nation! 1. Seien Sie herzlich dafür bedankt, daß Sie die Vorkehrungen zu dieser Begegnung getroffen haben. Besonderer Dank gilt Bischof Ruzindana, sowie Ihrem Vertreter für die Worte der Begrüßung und Vorstellung. Ich schätze es, vor dieser Versammlung von Christen aus der Welt des Geistes und des öffentlichen Dienstes sprechen zu können, die einen bedeutenden Einfluß auf das Leben der Männer und Frauen von Rwanda hat. Zuerst möchte ich Gott danken für die Dynamik und Lebenskraft Ihrer Gemeinschaften. Das schnelle Wachstum des Volkes Gottes bei Ihnen, die Glaubenserfahrung und der Gemeinschaftssinn sind Grund zur Freude, zur Hoffnung und zum Vertrauen. Ich möchte besonders die Generationen von Missionaren ehren, die hier mutig gearbeitet haben, um die Saat des Christentums auszustreuen. Sie haben dazu beigetragen, daß Sie Jesus Christus entdecken und sich des Lichtes bewußt werden konnten, das das Evangelium auf den Menschen wirft. <535> <536> <535> Da die Hundertjahrfeier der Evangelisierung Ihrer Länder näherrückt, ist es normal, eine Bilanz ziehen zu wollen. Es ziemt sich, Gott zu danken für die empfangenen Gaben, deren Früchte wir rings um uns her erkennen können: das christliche Volk existiert; es ist lebendig, bereit und großzügig. Übrigens erfreuen Sie sich auch trotz der Prüfungen, die Sie erlebt haben, seit einiger Zeit des zivilen Friedens. Es gibt eine gute Verständigung zwischen Regierung und Kirche, darüber hinaus ist Ihre Nation in der internationalen Welt respektiert. 655 REISEN Aber es ist eine noch junge Nation, in der man sich anstrengt, den Sinn für das Gemeinwohl und den ehrbaren und uneigennützigen Dienst für das Vaterland zu fördern. Auch die Kirche ist jung. Sie ist aufgerufen, sich zu entfalten, alle ihre Verantwortungen wahrzunehmen, ihr besonderes Zeugnis abzulegen in der Achtung vor den Menschen. In Rwanda kann man sagen, daß eine große Zahl von Christen die Harmonie gefunden haben zwischen ihrem Glauben und ihrer rwandischen Art, die Dinge zu sehen und zu tun. Es wurde auf gewisse Weise eine spontane Inkulturation geschaffen. Gewiß obliegt es Ihnen, die innere Umformung Ihrer kulturellen und authentischen Werte durch deren Integrierung ins Christentum weiterzuverfolgen. So wird sich, um es anders auszudrücken, das Christentum tiefer in Ihre Kultur einwurzeln. Dies wird auch auf der Ebene des afrikanischen Kontinents eines der Ziele der Spezialversammlung der Bischofssynode für Afrika sein, die derzeit vorbereitet wird. Ich ermutige Sie, in diese große synodale Bewegung einzutreten, die jeden und jede von Ihnen angeht. Mögen die von Ihnen gemachten Überlegungen und Erfahrungen, gesammelt und gegenübergestellt, an die delegierten Bischöfe dieser Synodalversammlung gelangen, damit diese noch besser die Wege der Kirche zur Erfüllung ihrer Mission in den afrikanischen Ländern erkennen können. 3. Ein neuer Antrieb wird dem niemals abgeschlossenen Werk der Evangelisierung gegeben werden müssen. Nun ist es wichtig, daß die lebendigen Kräfte der Kirche - von denen Sie einen Teil darstellen - um eine tiefe Kenntnis des Evangeliums bemüht sind. Das Studium der Botschaft Christi wird Ihrem Leben mehr Einheit und eine größere Ruhe schenken. Liebe Brüder und Schwestern, bemühen Sie sich, zur inneren Einheit Ihrer Persönlichkeit zu gelangen, so daß es keinen Unterschied oder keinen Bruch zwischen Ihrem Leben als Christen und Ihrem Leben als Staatsbürger gibt. Es sollte hier nicht zwei parallele Leben geben: auf der einen Seite das Leben, das man „geistliches“ und auf der anderen Seite das Leben, das man „irdisches“ nennt, d. h. das Leben der Familie, der Arbeit, der sozialen Beziehungen, des politischen Engagements und der kulturellen Aktivitäten. Das II. Vatikanische Konzil fordert ausdrücklich „die Christen, die Bürger beider Gemeinwesen, auf, nach treuer Erfüllung ihrer irdischen Pflichten zu streben, und dies im Geist des Evangeliums“ (Gaudium et spes, Nr. 43). Und weiter lehrt das Konzil: „In beiden Ordnungen muß sich der Laie, der zugleich Christ ist und Bürger dieser Welt, unablässig von dem einen christlichen Gewissen leiten lassen.“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 5). <537> <538> <539> <540> <537> Im Apostolischen Schreiben Christifideles laici, das zu überdenken ich Sie einlade, sind drei Hauptideen entwickelt worden. Diese präzisieren die Züge Ihrer Berufung als Laien. Die Kirche ist ein Geheimnis, sie ist verbunden mit dem einzigartigen Geheimnis Gottes: sie ist berufen, in Gemeinschaft mit Gott selbst zu leben. Innerhalb dieser kirchlichen Gemeinschaft offenbart sich die Identität des gläubigen Laien: eine durch die Taufe verliehene Identität, die ihre Bestärkung in der Firmung erhält und in der Eucharistie zur Entfaltung kommt, in den Sakramenten der christlichen Initiation. Die Taufwürde begründet die Gleichheit aller derer, die dieses Sakrament empfangen haben. Vom kirchlichen Gesichtspunkt aus bilden die Intellektuellen keine eigene Klasse. Ihre besondere Ausbildung hilft ihnen, sich großzügig 656 REISEN dem Dienst der christlichen Gemeinschaft zu stellen, da ihre Intelligenz durch die empfangenen geistlichen Gaben erleuchtet wurde. Die Taufberufung des Laien drückt sich speziell durch ihren weltlichen Charakter aus. Er ist in seinem theologischen Sinn zu verstehen, nämlich als Teilnahme am Schöpfungswerk und an der Befreiung vom Einfluß der Sünde. Die Laien sind zur Heiligkeit in der Welt berufen, eine Heiligkeit, die über die evangelische Ausrichtung ihrer Handlungen zur Heiligung der Welt führt. 5. Die gläubigen Laien sind aufgrund ihrer Taufwürde in der Kirche tätige und verantwortliche Personen. Der Ort ihrer Teilnahme ist die Teilkirche und konkret zuerst die Pfarrei. Diese ist eine Gemeinschaft des Glaubens, eine Gemeinschaft der Eucharistie, eine strukturierte Gemeinschaft. Das apostolische Engagement in der Pfarrei soll auf eine Vertiefung der kirchlichen Gemeinschaft unter ihren Mitgliedern und die Entfaltung ihres missionarischen Apostolates hinzielen. Sie, liebe Brüder und Schwestern im Glauben, haben eine Aufgabe, in der Evangelisierung, in der Animation der kirchlichen Gemeinschaft und auch in ihrer praktischen Verwaltung. 6. Sie sind Mitverantwortliche in der Sendung der Kirche. Das Evangelium ist zu verkünden und zu leben, um die Menschenwürde zu fördern, um den Männern und Frauen, die in einer Lebens- und Schicksalsgemeinschaft miteinander verbunden sind, zu helfen, daß sie als solidarische Mitglieder der gesamten Gesellschaft, in Liebe und Frieden leben. Der erste Ort Ihres sozialen Engagements ist die Familie. Die Gesundheit der Gesellschaft wurzelt in der Familie. Es ist wichtig für die Länder, daß ihre Jugend kräftig und arbeitsam ist, Bereitschaft für das Gemeinwohl zeigt und sich von Idealen leiten läßt. Gerade in der Familie wird der Mensch von fundamentalen Haltungen durchdrungen, die sein Verhalten als Erwachsener bestimmen. Die Eltern als erste wecken den staatsbürgerlichen Sinn der Kinder. Die erste Teilnahme am nationalen Leben erfolgt in der Familie. Die Gläubigen müssen ebenfalls an der Politik teilnehmen, d. h. an den vielfältigen Tätigkeiten wirtschaftlicher, sozialer, gesetzgeberischer, verwaltender und kultureller Natur, die die Förderung des Gemeinwohls zum Ziel haben. Mögen die christlichen Werte durch Sie gegenwärtig sein inmitten der großen Verhandlungen, die der Zukunft Ihres Landes gelten! 7. Es geht also für Sie dämm, liebe Brüder und Schwestern, mehr Reife zu erlangen, besser Ihre persönliche Berufung zu leben, um immer mehr Frucht zu tragen. „Mein Vater wird dadurch verherrlicht, daß ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet“ (Joh 15,8). In den Folgejahren des Konzils wurden Initiativen unternommen, um den Gläubigen von Rwanda Mittel zur Ausbildung anzubieten, damit sie besser ihre Mission als Getaufte erfüllen könnten. Ich weiß, daß Programme zur christlichen Vertiefung organisiert sind, und ich lade Sie ein, daran teilzunehmen. <541> <541> Bevor ich schließe, möchte ich Ihnen ein Wort zur Solidarität sagen. Weil Sie mehr empfangen haben als andere und weil Ihr Handeln mehr Gewicht hat als das von anderen, müs- 657 REISEN sen Sie sich noch verantwortlicher fühlen ihren Brüdern und Schwestern gegenüber, die benachteiligter sind, und aktive Solidarität innerhalb Ihrer Gesellschaft üben. Die Solidarität wird Ihnen dazu helfen, den anderen nicht als ein Instrument, sondern als einen Mitmenschen zu sehen und ihn am Gastmahl des Lebens teilhaben zu lassen, zu dem alle Menschen auf gleiche Weise eingeladen sind. Dies wird Ihr Handeln anregen, um den Herausforderungen, die Ihre Gesellschaft kennt, die Stirn zu bieten. In aller Gerechtigkeit werden Sie Maßnahmen ergreifen müssen, um die Plagen der Hungersnot und der großen Armut zu vertreiben. Im Hinblick darauf gilt es, Ihr Land in günstigsten Bedingungen zu halten, sowie möglichst vielen Menschen eine allgemeine und berufliche Ausbildung in ausreichendem Maß zu gewähren, auch hinsichtlich der Entwicklung sanitärer Dienste, die der Gefahr der Aids-Krankheit entgegentreten. Wenn ich dies sage, weiß ich, daß ich nur einige der Aufgaben anspreche, die Ihre Kompetenz erfordern. Durch ihren öffentlichen Dienst müssen Sie tätige und großzügige Solidarität leisten, die es der rwandischen Gesellschaft ermöglichen wird, ihre Schwierigkeiten zu überwinden und zur Blüte zu gelangen. 9. Am heutigen Fest der Geburt der Jungfrau Maria, das für die Welt die Morgenröte des Heiles bezeichnet, bitte ich unsere Mutter, über allen ihren Kindern von Rwanda zu wachen und besonders Ihnen, den Führungskräften des Landes, zu helfen, ihre Fähigkeiten in den Dienst aller ihrer Mitbürger zu stellen. Von ganzem Herzen erteile ich Ihnen allen meinen Apostolischen Segen. Ich muß noch ein paar Worte insbesondere zu den gestellten Fragen anfügen. Meine Rede enthält, so glaube ich, zumindest grundsätzlich die Antwort. Natürlich ist hier nicht so etwas wie - sagen wir - ein Studienabend, an dem verschiedene Probleme detailliert untersucht werden können. Unterstreichen muß ich, daß es offensichtlich für die Intellektuellen Anforderungen und größere Herausforderungen aufgrund ihrer Beobachtungsgabe und aufgrund der Gaben gibt, die sie empfangen haben. Die anderen haben das Geschenk dieser geistigen Ausbildung nicht empfangen. Gleichzeitig erlegt diese Stellung des katholischen Intellektuellen Anforderungen auf, wie beispielsweise jene, sich in die gesamte Lehre der Kirche mehr zu vertiefen, in die gesamte Lehre der Kirche prinzipiell und auch im Hinblick auf die Verwirklichung und Anwendung im praktischen Leben. Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns einen grundsätzlichen Reichtum hinterlassen, einen enormen Reichtum. Natürlich ist dieser Reichtum in einer allgemeinen Weise behandelt, für die gesamte Kirche. Jetzt ist es Aufgabe jeder Orts- und Teilkirche, sagen wir, der Kirche jeder Nation, eine eigene Lektüre des in diesen Texten enthaltenen Reichtums vorzunehmen. Man kann sagen, daß das Zweite Vatikanum uns mit seinen Dokumenten und seiner Lehre vorbereitet hat, ins dritte Jahrtausend einzutreten. Und das ist das Programm der Kirche: sich überall, also auch in Rwanda, vorzubereiten. Es ist insbesondere die Aufgabe der Bischöfe, der Seelsorger, der Fachleute, auch der Fachleute unter den Laien, den allgemeinen Reichtum, den wir in der Lehre des Zweiten Vatikanums finden, bekannt zu machen und zu verwirklichen. Natürlich gilt es die Wurzeln zu suchen, die bis ins Wort Gottes, in die Offenbarung, bis in die gesamte Offenbarung, bis zur Heiligen Schrift reichen. Sie als Intellektuelle 658 REISEN sollen also danach streben - und ich verstehe unter den Intellektuellen auch den Klerus, auch den Papst ja, wir sind dazu verpflichtet, diese Quellen unserer christlichen Weisheit zu studieren. Der studierende Katholik liebt besonders das Wort Gottes. Es ist eben das Wort Gottes. Diejenigen, die das verstanden haben, sind die Heiligen Gottes. Sie wußten das Reich Gottes zu verwirklichen, die Herrschaft Gottes auf Erden zu fördern. Euer Wortführer hat den Wunsch nach kanonisierten Heiligen für Rwanda geäußert. Dies ist auch mein Wunsch, mein großer Wunsch, nicht nur ein Wunsch, sondern auch eine Hoffnung. Es gibt kein Monopol für Selig-und Heiligsprechungen, es ist nur eine Frage des Reifens. Natürlich stehen hier die seit fast zweitausend Jahren bestehenden Kirchen an erster Stelle, ungeachtet der vielen Fehler seitens der Gesellschaft. Die Menschen zeigen sich reifer in der Vorbereitung auf die Heiligkeit. Andererseits bin ich davon überzeugt, daß die Heiligkeit auch unter den hier Versammelten zu finden ist, in Ihrem Volk von Rwanda, in Ihren Ehen, Ihren Familien, davon bin ich überzeugt. Einer meineT Wünsche, die ich im Herzen trage, ist, daß ich möglichst bald selig- und heiligsprechen kann. Es ist großer Bedarf vorhanden, ein Ehepaar heiligzusprechen. Ein Ehepaar heiligzusprechen, das gehört zur Vergangenheit, zum ersten Jahrhundert der christlichen Kirche, oder zum Mittelalter, aber wir wollen uns an einem zeitgenössischen Beispiel ausrichten. Was ich Ihnen diesbezüglich wünsche, ist, daß diese zur Ehre der Altäre erhobenen Ehepaare aus Rwanda kommen mögen. Dies wird, je eher es möglich ist, ein Zeichen der Reife Ihrer Kirche, der geistlichen Reife Ihrer Kirche, sein. Die Schwierigkeiten im konkreten Leben existieren überall, denn dies ist unsere menschliche Lebensbedingung und zweifelsohne auch bei denjenigen, die selig- oder heiliggesprochen werden. Es ist etwas unserem Leben Eigenes. Ich denke an das konkrete Leben, an das Bemühen jeden Tag, das Christentum zu praktizieren. Genau das ist die Hauptaufgabe, diese schwierigen Probleme zu lösen zu wissen, diese Probleme im eigenen Leben, und das Christentum jeden Tag zu praktizieren und zu sehen, wie man den anderen helfen kann. Es gibt unter den zahlreichen Texten des Zweiten Vatikanums einen Abschnitt, den ich Ihnen widergeben möchte, nicht ganz genau, sondern auswendig. Dieses Zitat beinhaltet eines der zentralen Argumente dieses Konzils und des Christentums im Laufe der Jahrhunderte: Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das Gott um seiner selbst willen gewollt hat. Dieser Mensch, die menschliche Person, verwirklicht sich nur, indem er sich zum selbstlosen Geschenk für die anderen macht. Ich wünsche Ihnen allen, liebe Brüder, über diese Form der Anthropologie nachdenken zu können, dieses große Wort über dem Menschen, die menschliche Person. Mögt ihr die Kraft haben, es in die Tat umzusetzen im schönen rwandesischen Leben. Danke. Ich nütze die Gelegenheit, um auf das Wort zurückzukommen, das ich nach meiner Ansprache gesagt habe. Ich habe gesagt, daß man das Wort Gottes hören muß, daß man es auf den Knien tief in sich aufnehmen muß. Ich möchte nochmals mit großer Liebe sagen, „auf den Knien“. Denn es handelt sich, meine lieben Freunde, um ein Sprechen mit unserem Vater, der im Himmel ist, der uns in seinem Sohn seine Vaterschaft geoffenbart hat. Das sind Geheimnisse, für jeden von uns, und manchmal sind die Ärmsten dabei die Überlegenen. Wh werden in erster Linie von der ewigen Güte, dem ewigen Erbarmen darin eingeführt, inkarniert in dieses große Geheimnis, und wir müssen auch unter uns dieses Vertrauen bewahren. 659 REISEN Nochmals möchte ich den Chören besonders danken, die gesungen haben, und allen denjenigen, die an der Vorbereitung und zu dem Gelingen dieser Begegnung beigetragen haben. Gott segne euch! Inkulturation ist ein unverzichtbares Instrument der Evangelisierung Ansprache bei der Begegnung mit den Bischöfen in Kigali (Rwanda) am 9. September Liebe Brüder im Episkopat! 1. Nachdem ich dem Volk Gottes im Laufe meiner rwandischen Rundreise begegnen durfte, ist es für mich nun besonders angenehm, mich jetzt mit euch, den Hirten dieses lieben Volkes, die ihr alle eure Kräfte in seinen Dienst stellt, zu treffen. Ich danke herzlich Bischof Joseph Ruzindana von Byumba, Präsident der Rwandischen Bischofskonferenz, für seine herzliche Botschaft. Ich bin gerührt von den Gefühlen der Zuneigung und Anhänglichkeit, die mir ausgedrückt wurden, und ich danke Gott, daß ich euch meinerseits meinen Pastoraleifer bezeugen konnte, indem ich zu euch gekommen bin. Ich bin sehr glücklich, daß ich vor Ort eure bischöfliche Arbeit schätzen lernen konnte und ich bin sicher, daß die gemeinsam verbrachten Augenblicke bei der intensiven und frohen Feier des Glaubens dazu beitragen werden, diese Bande zu bestärken und euren Eifer anzu-regen. 2. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend der Erlösung wird Rwanda die 100-Jahr-Feier seiner Evangelisierung begehen. Das ist für euch ein großes Datum. Ihr seid zu Recht stolz auf die kräftige Verwurzelung der Kirche in euren Ländern, und das bewirkt in euren Herzen dankbare Begeisterung dem gegenüber, von dem dieses herausragende Geschenk kommt. Dankbar für das, was geleistet werden konnte, seid ihr auch entschlossen, die Fußstapfen eurer Vorgänger weiter zu verfolgen, um die Evangelisierung in eurem Vaterland zu vertiefen. Evangelisieren heißt, die Gute Nachricht in alle menschlichen Lebensbereiche tragen, um sie von innen heraus zu verändern: Die Kirche ruft die Menschen auf zur Umkehr des Herzens und stellt die Anforderung, daß jeder in der Gesellschaft handelt, geleitet von einem Gewissen, das die Begegnung mit dem Herrn erneuert und bestärkt. <542> <542> In diesem Prozeß scheint es angeraten, eine tiefere Reflexion über die Inkulturation zu halten, die ein unverzichtbares und wichtiges Element der Evangelisierung ist. Die Rolle, die diese Inkulturation in der Mission der Kirche spielt, wurde eindeutig durch die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils definiert sowie in mehreren Apostolischen Lehrschreiben im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte. Das Dekret Adgentes unterstreicht die Bedeutung dieser Begriffe: „Das Saatkorn, das heißt das Wort Gottes, sprießt aus guter, von himmlischem Tau befeuchteter Erde, zieht aus ihr den Saft, verwandelt ihn und assimiliert ihn sich, um viel Frucht zu bringen. In der Tat nehmen die jungen Kirchen, verwurzelt in Christus, gebaut auf 660 REISEN das Fundament der Apostel, nach Art der Heilsordnung der Fleischwerdung in diesen wunderbaren Tausch alle Schätze der Völker hinein, die Christus zum Erbe gegeben sind [vgl. Ps 2,8]. Aus Brauchtum und Tradition ihrer Völker, aus Weisheit und Wissen, aus Kunststil und Fertigkeit entlehnen sie alles, was beitragen kann, die Ehre des Schöpfers zu preisen, die Gnade des Erlösers zu verherrlichen, das Christenleben recht zu gestalten“ (Ad gentes, Nr. 22). Unablässige theologische Studien werden notwendig sein, um die Gewohnheiten und Traditionen, die Weisheit, das Wissen und die Künste, im Hinblick auf all das, was wahr, schön und gut in diesem Erbe ist, in den „wunderbaren Tausch“ der Menschwerdung Christi eingehen zu lassen. 4. Die Mobilisierung aller eurer lebendigen Kräfte, im Hinblick auf eine erneuerte Evangelisierung, gehört in den Rahmen einer anderen Mobilmachung mehr genereller Art, nämlich der aller Teilkirchen dieses Kontinents, mit dem Ziel, die Spezialversammlung für Afrika der Bischofssynode vorzubereiten. Liebe Brüder, ich lade euch dazu ein, eure Diözesanfamilien auf die Vorbereitung dieser Versammlung einzustimmen, damit dank ihrer Gebete und ihrer Teilnahme an der allgemeinen Reflexion, das Angesicht der Kirche in Afrika und besonders in Rwanda, immer besser der Absicht Christi entspricht und sein Heilswirken immer mehr anerkannt wird. 5. Das Engagement aller, der Seelsorger und der Gläubigen, in der Vorbereitung dieser beiden bevorstehenden großen Ereignisse, der Bischofssynode für den Kontinent und der 100-Jahr-Feier in Rwanda, sollte als glückliche Auswirkung unter anderem im Inneren eurer Gemeinschaften, diese Einheit, derer ihr so sehr bedürft, bestärken. Ihr müßt nach der Einheit unter euch streben, koste es, was es wolle. Ich weiß, daß es eine eurer großen seelsorgerischen Besorgnisse ist, und daß ihr an der Förderung arbeitet, wie es auch das grundlegende Dokument „Christus unsere Einheit“, das ihr an eure Diözesanfamilien gerichtet habt, bezeugt. Sicherlich werdet ihr mit der umgestaltenden Dynamik des christlichen Glaubens dahin gelangen, ethnische Vorurteile, die Folgen der Feudalmentalität wie auch die Folgen der Sklavenmentalität, mit der Wurzel zu entfernen. Jesus sagt: „Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, kommen die bösen Gedanken“ (Mk 7,21). Arbeitet ohne Unterlaß an der Bekehrung des Herzens, auf daß jeder Rwander versteht, daß der Nächste, den Jesus zu lieben befiehlt, nicht nur der Mensch der gleichen sozialen Gruppe ist, sondern jeder Mensch, den wir auf unserem Weg begegnen. Es geht darum, unseren Blick auf den anderen zu läutern. Dies ist ein Unternehmen, das für unser ganzes Leben andauert. Um es gut durchzuführen, stützt euch auf die Kraft der Botschaft des Evangeliums. Betrachtet die Worte Christi: „Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere stammt vom Bösen“ (Mt 5,37). Sie werden euch helfen, alle Zweideutigkeit zu vertreiben, die ein Hindernis darstellt auf dem Weg zur Einheit aller Menschen, denn die Zweideutigkeit ist Quelle von Zwietracht unter den Personen. Es ziemt sich natürlich, daß das Beispiel für die Einheit oben anfängt, auf daß es eine Ermutigung für den Klerus, die Ordensleute und die Gläubigen sei und das Leben der Kirche anregt, sowie auch alle Schichten der Bevölkerung, um ihre Anstrengungen auf sozialer, wirtschaftlicher und politischer Ebene zum Wohle der gesamten Nation zu vereinen. 661 REISEN Im Hinblick auf ein noch wirksameres ökumenisches Handeln empfehle ich euch in eurer Situation in Rwanda, das euch gemeinsame Erbe zu vertiefen, das uns mit den anderen christlichen Gemeinschaften verbindet, und einen Austausch zu führen, in dem die katholische Spezifität klar bleibt. Schließlich wollen wir gegenüber den Brüdern und Schwestern anderer Religionen den Respekt für ihren Glauben wahren und wollen gleichzeitig den Dialog wie auch die Verkündigung des Evangeliums betreiben. 6. Im ersten Brief des hl. Petrus ist die Sendung der Bischöfe so beschrieben: „Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes, nicht aus Zwang, sondern freiwillig,... seid nicht Beherrscher eurer Gemeinden, sondern Vorbilder für die Herde“ (1 Petr5,2-3). Der Hirte hat die Aufgabe, zu sammeln und zu führen. So hat auch der Bischof die Aufgabe zu sammeln und zu führen. Er tut es, wenn er der Eucharistie vorsteht, dem Sakrament, das die Kirche aufbaut. Er tut es, wenn er die Getauften in die Welt entsendet, um ihren Auftrag als Zeugen des Evangeliums zu erfüllen. Die Autorität, die ihr in der Qualität eures Bischofsamtes ausübt, ist die eines Vaters, der liebt und versteht und seinen Mitarbeitern und seinem Volk nahesteht. Ein Vater, der sich darum kümmert, aufnahmebereit zu sein, speziell für seine Priester, ihre Wünsche und ihre Bedürfnisse zu kennen. Wie der gute Hirte im Evangelium kennt er jedes seiner Schafe. Es steht dem Bischof zu, zu beraten, zu ermutigen, mit Güte und Einfachheit des Herzens den Verantwortlichen zu helfen, damit sie ihre Verantwortung zum Wohle der Kirche ausüben. Euer Eifer erstreckt sich auf eine besondere Weise auf die Ordensmänner und Ordensfrauen, die ihr Leben durch die Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams dem Herrn angeboten haben für den Dienst in der Kirche, auf daß die gottgeweihten Personen sich auf bestmögliche Weise in den kirchlichen Dienst stellen. Möge es euch ein inneres Bedürfnis sein, ihnen zu helfen und sie zu ermutigen, daß sie in vollkommener Harmonie mit ihrem eigenen Charisma leben. Die Fruchtbarkeit ihres Zeugnisses ist die Wirkung ihrer Treue in ihrem Lebensstand. Es ist eure Aufgabe, das Ordensleben als solches zu verbreiten, d. h. als Schule der Heiligkeit, und die gute Verständigung zwischen den verschiedenen religiösen Familien zu bestärken, wie auch unter ihnen und dem Klerus. Besonderen Eifer gilt es eurerseits der Begleitung der Berufungen zu widmen. Gott sei Dank, antworten die jungen Menschen in großer Zahl dem göttlichen Ruf und sie beweisen enorme Großzügigkeit. Ich schätze eure beachtlichen Anstrengungen zur Unterstützung der jungen Menschen, die sich über ihre Berufung fragen, daß ihr ihnen das Leben in der Gemeinschaft, in den kleinen Seminaren anbietet. Ich verstehe, daß das für euch eine schwere Belastung ist, bei der die Früchte nicht immer sofort auf kurze Sicht erscheinen, aber ich lobe hier eure Beharrlichkeit. In der Hoffnung, daß eine Unterstützung von außen euch nicht abgeschlagen wird, ermutige ich euch, über diese Einrichtungen zu wachen, die sich sehr häufig als gut erwiesen haben. Was die großen Seminaristen anbelangt, begleitet ihren Weg mit Aufmerksamkeit. Zusammen mit euren Priestern erweist euch ihnen nahe. Zögert nicht, die notwendigen Opfer zu bringen, um ihnen Ausbilder, derer sie bedürfen, zur Verfügung zu stellen, um sich gut auf das Priestertum vorzubereiten, auf daß sie ein geistliches Leben entwickeln, das von der Erlernung guter Umgangsformen gestützt ist. 662 REISEN 7. Die Ausbildung der gläubigen Laien zählt ebenfalls zu den Prioritäten in eurem Dienst und muß auch in den seelsorglichen Programmen ihren Platz finden. Die rwandischen Katholiken haben Durst nach Glaubenserkenntnis. Das ist ihnen zugute zu halten. Sie bedürfen, um besser ihre Pflichten als Christen in der Welt wahmehmen zu können, in ihren jungen Jahren einer vertieften Ausbildung. Sie sind darauf vorzubereiten, um allen, die sie fragen werden, Rechenschaft über die Hoffnung, die in ihnen lebt, geben zu können, um mit den Worten des hl. Petrus zu sprechen (vgl. 1 Petr 3,15). Das ist um so mehr notwendig, da die Sekten den Katholiken Glaubensschwierigkeiten bereiten, besonders denen, die wenig über ihren Glauben wissen. Eine gediegene Ausbildung, vermittelt im Vertrauen auf die Gnade Gottes und mit Treue zu Christus und seinem Evangelium, wird in ihnen die Bewahrung des Glaubens garantieren, den Glauben bestärken und die gläubigen Laien zu überzeugten und engagierten Missionaren machen. 8. Im Bereich der Ausbildung eines Laienstandes, der befähigt ist, seine Verantwortung wahrzunehmen, ist es angebracht, einem Dienst besondere Beachtung zu widmen: der Pasto-ral für die Elite des Landes, von denen ich schon gestern zahlreichen Vertretern begegnet bin. Im Rahmen des Möglichen mögt ihr fähige Priester bereitstellen, die die Gebildeten in der Vertiefung ihres Glaubens begleiten. Ladet die gebildeten Christen ein, sich aktiv im Leben ihrer Pfarrei zu beteiligen. Ermutigt sie, die evangelischen Werte mitten in die großen Entscheidungen für die Zukunft Rwandas zu stellen, wie auch in ihr alltägliches Berufsleben auf den Gebieten der Ausbildung, der Verwaltung, der Information und des Gesundheitswesens. Es wird gut sein, ihnen zu helfen, die Reichweite ihrer Verantwortung hinsichtlich der irdischen Güter bewußt zu machen, gemäß dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das fordert, „daß zwischen dem, was die Christen als einzelne oder im Verbund im eigenen Namen als Staatsbürger, die von ihrem christlichen Gewissen geleitet werden, und dem, was sie im Namen der Kirche zusammen mit ihren Hirten tun, klar unterschieden wird.“ Denn „die Kirche, die in keiner Weise ... mit der politischen Gemeinschaft verwechselt werden darf ..., ist zugleich Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person“ (Gaudium et spes, Nr. 76). <543> <543> Ich möchte euch auch sagen, daß ich die Beunruhigungen vor den großen Schwierigkeiten, die euer Volk belasten, mit euch teile. Ich denke an die Geißel der Aidserkrankung, die die Christen zu einer doppelten Anstrengung aufruft, von der ich schon mehrfach gesprochen habe: einerseits den Kranken nahe zu stehen ohne Diskriminierung, mit einer an Christus inspirierten Liebe, mit allen erhältlichen Mitteln, um ihnen wirksam beizustehen; andererseits die jungen Menschen und Erwachsenen über die moralischen Werte aufzuklären, die häufig bei Nichtbefolgung zu einer Übertragung dieser Krankheit führen; es gilt, in einer lebendigen, würdigen und treuen Weise die Gebote des Evangeliums zu verkünden, auf daß die Gläubigen weder ihr eigenes Leben noch das ihrer Nächsten gefährden. Ein anderes Gebiet betreffend weiß ich, daß eure Landwirtschaft ein „brennendes Problem“ ist, um euren eigenen Ausdruck zu wiederholen. An gewissen Orten hat Hungersnot gewütet, und um weiterhin eine zahlreiche Bevölkerung ernähren zu können, gilt es gegen den Verfall des Bodens zu kämpfen. 663 REISEN Die Menschen Rwandas haben sich sehr anzustrengen, um diesen Problemen zu begegnen; die materiellen Mittel sind kostspielig; es ist noch schwierig, Fachkräfte auszubilden. Ich erneuere den Wunsch, eine internationale verständige Solidarität zu entwickeln, um euch zu Hilfe zu kommen. Ich wünsche, daß die Männer und Frauen Rwandas fortfahren mögen, den Schwierigkeiten dieser Zeit mutig entgegenzutreten, mit der Dynamik der Hoffnung und mit dem Vertrauen auf Gott, der die Menschen liebt. Möge die Kirche ihre große moralische Kraft einsetzen, um in jedem einzelnen die Sorge für das körperliche und geistige Wohlergehen seiner Brüder anzuregen! Zum Abschluß wollen wir alle zusammen dem Herrn unsere Bitten vortragen, auf daß er uns zu Hilfe komme! Mit euch bitte ich den Herrn des Himmels und der Erde, uns von den gegenwärtigen Trübsa-len zu befreien. Mit euch bitte ich Unsere Liebe Frau, allen Männern und Frauen Rwandas als liebevollste Mutter die Gesundheit an Leib und Seele zu erlangen. Liebe Brüder, mit frohem Herzen segne ich euch sowie jede eurer Diözesangemeinschaften. Die Eltern: erste Katechisten der Kinder Predigt bei der Meßfeier für die Familie in Kigali (Rwanda) am 9. September 1. „Gepriesen bist du in Ewigkeit, Herr unser Gott“ (Gabenbereitung in der Messe). Die rwandischen Familien kommen zum Altar des Herrn. Mit ihren Seelsorgern auf diesem Vorplatz versammelt, wollen sie mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, ihre Gaben auf diesem Altar darbringen. Diese Opfergaben sind Brot und Wein. Die Eucharistie, eingesetzt von unserem Erlöser, ist das Opfer „nach der Ordnung Melchisedechs“. Unter den Gestalten von Brot und Wein schließt dieses Opfer das gesamte Leben eurer Familien ein, die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe, die Liebe der Eheleute und ihre Treue bis zum Tod, den im Sakrament geschlossenen Bund, die Erziehung der Kinder und alles, was ihr Wachstum in der Gemeinschaft der Familie unterstützt. Bevor wir die Darbringung dieser Gaben in der Liturgie vollziehen, betrachten wir zusammen das Wort Gottes, mit dem die Kirche uns heute nährt. Ich danke Erzbischof Vincent Nsengiyumva, dem Erzbischof von Kigali, für seine Grußworte im Namen des christlichen Volkes von Rwanda. Ehrerbietige Grüße richte ich an den Herrn Präsidenten der Republik und an die zivilen Autoritäten, die an dieser eucharistischen Feier teilnehmen. Ich grüße herzlich die anwesenden Bischöfe, sowie ihre Mitarbeiter, die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen und alle Katechisten. Schließlich grüße ich euch ganz herzlich, gläubige Laien und rwandische Familien, besonders euch, die ihr eure Versprechen erneuern werdet, die ihr in dem Augenblick gemacht habt, da ihr euch entschieden habt, ein christliches Heim zu gründen. Möge Gott euch behüten! 664 REISEN 2. Im Schoß der Familie bildet sich ein Gewebe von interpersonalen Beziehungen, insbesondere zwischen den Ehegatten, zwischen den Verwandten und den Kindern sowie auch unter den Kindern selbst. In der ersten Lesung haben wir einen Weisen Israels gehört, der das vierte Gebot über das Verhältnis der Kinder zu den Eltern kommentiert: „Mein Sohn, ehre deinen Vater in Wort und Tat, damit aller Segen über dich kommt“ (Sir 3,8). „Wer seine Mutter achtet, gleicht einem Menschen, der Schätze sammelt“ (Sir 3,4). Der Weise entwickelt das Gesetz des Dekalogs, der Wort Gottes ist: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat, damit du lange lebst und es dir gut geht in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt“ (Din 5,16). Ohne unsere Eltern, ohne unsere Vorfahren wären wir nichts. Es ist ihre Liebe, es ist ihre Hingabe, es ist ihre Arbeit, der wir das erste Geschenk verdanken: das Leben. Darum fordert Gott uns auf, unseren Vater und unsere Mutter zu ehren, das heißt, ihnen in unserem Herzen die Zuneigung und die Hochachtung entgegenzubringen, auf die sie ein Recht haben. Gewiß erlangen die jungen Menschen, wenn sie heranwachsen, eine gewisse Selbständigkeit. Aber die kindliche Ehrfurcht den Eltern gegenüber sollte vertieft werden, und im Dialog mit ihnen können sie ihre Freiheit erlangen: sie lernen es, verantwortlich zu werden, vor allem lernen sie, klare Gewissensentscheidungen zu treffen, die sie auf den wahren Weg zum Glück führen. Diesbezüglich möchte ich sagen, daß die rwandischen Schüler mir ihre eigenen Überlegungen dargelegt haben. Ich danke ihnen von ganzem Herzen, daß sie mir so höflich geschrieben haben, um mich willkommen zu heißen und mir auch ihre Sorgen anzuvertrauen. Ich war von ihren Briefen gerührt: sie zeugen von ihrem Verlangen, Jesus kennenzulemen, im Glauben zu wachsen und die brüderliche Liebe zu praktizieren, wie Jesus es von uns im heutigen Evangelium fordert: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Die rwandischen Schüler zeigen, daß sie Wissensdurst haben. Manche von ihnen leiden darunter, daß sie aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten diesen Durst nicht befriedigen können. Einige erklären, infolge der Zunahme der religiösen Konfessionen im Land, sei es für sie schwierig, sich zu orientieren. Christliche Eltern, es liegt an euch, ihr habt an erster Stelle euren Kindern Klärung zu verschaffen. Ihr seid die ersten Katechisten eurer Kinder. Ihr antwortet um so besser auf die Erwartungen eurer Söhne und eurer Töchter, je mehr ihr es versteht, ihnen nahe zu sein und treu eure Aufgabe als Erzieher zu erfüllen. Um euren Kindern die Unterstützung und Zuneigung, derer sie bedürfen, zu geben, ist eure beständige Anwesenheit, sei es des Vaters, sei es der Mutter, notwendig. Schafft um euch herum die Atmosphäre der Liebe, die eine harmonische Entwicklung des Gefühlslebens und der Persönlichkeit begünstigt. Was das Zeugnis eures Lebens anbelangt, helft ihnen Christus zu begegnen, ihn zu lieben und seinen Anruf zu hören. <544> <545> <544> Kurz vor seinem Opfer am Kreuz richtet Christus wunderbare Worte, die wir nun betrachten werden, an die Apostel: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). Diese Worte sind reich an Bedeutung. Sie wurden den Aposteln gesagt, aber die Liturgie dieses Tages wendet sie auf die Eheleute und die Familien an. Der hl. Johannes - der uns den 665 REISEN geheimen Namen Gottes geoffenbart hat: „Gott ist Liebe“ - bringt uns mit wenigen Worten in das Zentrum des Christentums und bietet uns den Schlüssel der christlichen Existenz, wenn er sagt: „Liebet einander.“ „Bleibt in meiner Liebe“ (Joh 15,9). In der Liebe von jemandem zu bleiben, das ist der Traum jedes Menschen. In einer Welt des Umsturzes und der Unsicherheit haben viele das Gefühl, Entwurzelte zu sein, und sie suchen in einem liebenden Menschen Wurzeln zu fassen. Aber Jesus zeigt uns, daß die unendliche Liebe Gottes, unerschütterlich fest wie ein Felsen, der Ursprung aller Liebe ist. Christus bringt sie uns nahe. Mehr noch: Er, in dem die Liebe des Vaters wohnt, ruft uns auf, uns von seiner Liebe ergreifen zu lassen, sie zu teilen und sie untereinander zu leben: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe“ (Joh 15,9). Jesus, der in der Liebe des Vaters wohnt, ist zugleich sein Gesandter. Und weil wir in der Liebe Christi bleiben, sind wir seinerseits seine Gesandte. Gesandte wozu? Um Zeichen der Liebe Gottes zu sein, um unsererseits in der Weise Christi zu Heben. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Darin nämlich, sein Leben für die Freunde hinzugeben, zeigt Jesus die absolute Liebe, die Gott ist. Es ist die Logik der christüchen Liebe, dem Leben des anderen mehr Wert beizulegen, als seinem eigenen. 4. Die Liebe der Eheleute drückt sich auf eine ähnliche Weise aus. Vereint in einem willentlich-geistlichen Bund, schaffen der Mann und die Frau die Familie. Die Frau ist das Herz (umutima), und der Ehemann ist der Wächter (umwugaliro). Möge die christliche Familie ein Ort des Sich-selbst-Schenkens sein, des Respektes und der Treue! Möge sie für die jungen Menschen ein Ort der Sicherheit und der Ausgeglichenheit sein, wo für sie der Glaube erwacht und sie zum Gebet erzogen werden! Als kleine Zelle der Kirche ist die Familie ein Ort, an dem Christus gegenwärtig ist. Auf gleiche Weise wie Christus sich aus Liebe seiner Kirche ausgeliefert hat, übergeben sich die Eheleute der eine dem anderen, in einem fortwährenden und unauflöslichen Bund. Der Mann und die Frau Heben sich nicht nur auf die gleiche Weise wie Christus die Kirche Hebt, sondern es ist dieselbe Liebe. Der Heilige Geist, der Geist der Liebe, den Christus seiner Kirche schenkt, ist durch die Gnade im Sakrament der Ehe anwesend, in dem Band, das Mann und Frau vereint. Durch Christus und die Kirche wohnt das menschhche Paar in der Liebe der drei göttlichen Personen. <546> <547> <548> <546> Mögen die Eheleute die Vaterschaft und die Mutterschaft auf immer verantwortungsbe- wußtere Weise auf sich nehmen, im bewußten und willenüichen Suchen nach Selbstbeherrschung, im Respektieren der Fruchtbarkeit, die ein Teil der Gaben Gottes ist, eingeschrieben in die Tiefen ihrer Natur! Die Kirche verspürt die Pflicht, durch ihre Lehre hinsichtlich der Familien den Eheleuten klarzumachen, daß sie freiwillig ihr Eheleben und ihre Aufgabe als Eltern mit dem Plan Gottes in Einklang bringen, auf daß sie den Mut haben, unmittelbarer Befriedigung nicht mehr Bedeutung zu verleihen als der anspruchsvollen Treue gegenüber dem wahren Sinn ihrer Vereinigung. Gesunde und ausgeglichene Familien bieten den Heranwachsenden eine wirkliche Stütze, um sie zur Beherrschung ihrer Sexualität anzuleiten, damit sie sich nicht einer Freizügigkeit hingeben, die des Menschen unwürdig ist. 666 REISEN 6. Derzeit ist die gemeinsame Verantwortung der Familien vor eine Prüfung gestellt, die die Gesellschaft in euren Ländern ebenso erfaßt wie in anderen Regionen der Welt. Ich denke an die Verbreitung der schweren Krankheit Aids. Verschiedene menschliche Verhaltensweisen tragen dazu bei, diese Krankheit zu verbreiten, und häufig sind das Verhaltensweisen, die einer gesunden Moral entgegenstehen. Ohne Zweifel gilt es den Kranken zu helfen, sie mit Pflege und Zuneigung zu umgeben. Viele von euch engagieren sich hier mit Großzügigkeit. Fahrt fort, ihnen euer ganzes Mitgefühl zu bezeigen gemäß dem Beispiel Christi. Er hat uns gezeigt, wie wir die Barriere der Krankheit, ja selbst die der moralischen Schuld überwinden müssen, um dem leidenden Menschen zu begegnen und in seinem Leiden bei ihm zu sein: „Bekleidet euer Herz mit Erbarmen und Güte“ (vgl. Kol 3,12), wie uns der hl. Paulus in der zweiten Lesung dieser Messe auffordert. Ich hoffe, daß konkrete Solidarität niemals denjenigen fehlen wird, die leiden, noch auch den Kindern, die als Waisen Zurückbleiben. Aber wir müssen noch etwas gründlicher nachden-ken. Denn wenn es bisher nicht möglich ist, diese Krankheit entsprechend zu behandeln und zu heilen, so haben die derzeitigen Generationen die wirkliche Verantwortung, ihre Ausbreitung zu vermeiden. Es ist eine Pflicht, gegen die Epidemie nicht nur auf der Ebene des Gesundheitsdienstes zu kämpfen, sondern es geht auch darum, seine Lebensführung so in Ordnung zu bringen, daß man nicht Gefahr läuft, sich zu infizieren, oder ein Übel zu übertragen, das den Menschen beeinträchtigt, das ein Volk verletzt. Die Familien von heute müssen Sorge tragen, zusammen mit dem Leben auch die Gesundheit den folgenden Generationen zu übertragen. Auf all diesen Ebenen ist das Zustandekommen von glücklichen Familien ein wichtiges Element für das Gelingen der gesamten Gesellschaft. Das gilt für das, was die Ehemoral anbelangt, wie auch für andere Aspekte des sozialen Lebens. 7. In seinem Brief an die Kolosser schreibt der hl. Paulus: „Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch“ (Kol 3,16)! Wann wohnt das Wort Christi bei uns? Wann bereichert es uns geistlich? Sicherlich wenn wir es hören, wenn wir es mit der ihm geschuldeten Wertschätzung lesen. In noch echterer Weise bringt das Wort Gottes in uns Frucht, wenn wir beten. Das Gebet verändert uns, und dadurch verändert es die Welt. Das öffentliche und gemeinsame Gebet des Volkes Gottes ist eine grundlegende Aufgabe der Kirche, und man lernt es in der Familie. „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Wenn die Mitglieder einer Familie zusammen beten, bestärkt Jesus durch seine Anwesenheit ihre Einheit. Das Evangelium stärkt uns heute in der Hoffnung, die uns die Treue zum Gebet eröffnet: „Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet“ (Joh 15,16). <549> <549> Liebe rwandische Familien, wir sind zusammengekommen, um das Wort Gottes in der Liturgie des Tages zu betrachten. Jetzt lade ich euch ein an den Tisch der Eucharistie, ich lade euch dorthin ein mit folgenden Worten: „Gepriesen bist du Herr, Gott des Universums“. Ja, gepriesen seist du Herr, Gott unserer Familien! Gott unserer täglichen Arbeit, Gott unserer Freuden und Leiden! 667 REISEN Wir bitten dich für alle, die leiden, für alle, denen das Geld fehlt, für diejenigen, denen die Ausbildung fehlt, für die, denen es an Zuneigung fehlt: Mache uns aufmerksam auf ihre Bedürfnisse und mache uns bereit, zu teilen. Wir bitten dich für die Arbeitslosen und die Jungen, die Arbeit suchen: Hilf uns, ihnen einen Platz in unserer Gesellschaft bereitzustellen. Wir bitten dich für die Kranken, für diejenigen, die alle Hoffnung auf Genesung verloren haben, für diejenigen, die dem Tode nahe sind: Stütze sie, erleichtere ihnen ihr Los, tröste sie, schenke ihnen Geduld und Bemhigung. Wir bitten dich für diejenigen, die in diesem Land Hunger haben, für die, die im Exil sind, für die Flüchtlinge: Herr, dem das Unmögliche möglich ist, beende unsere Zerrissenheit, weite unsere Herzen und versammle uns in der Einheit. Zuletzt bitten und preisen wir dich noch für alle unsere Brüder in der Welt, in ihnen finden wir dein Angesicht wieder! Wir bitten dich und wir preisen dich für die rwandischen Familien. Und im besonderen für diejenigen, die dir als Opfergabe das Leben im Alltag darbringen! Brüder und Schwestern verbunden im Sakrament der Ehe, die Kirche hat eure unauflösliche Vereinigung als Mann und Frau gesegnet. Ihr werdet jetzt eure Eheversprechen erneuern, euer gegenseitiges Geschenk für alle Tage eures Lebens. Heute möchte die Kirche über euch Gottes Segen erneuern, damit ihr alle Hilfe der Gnade Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes empfanget für das Familienleben, zu dem ihr berufen seid. Amen. Die Berufung ist ein Ruf Gottes Angelus in Kigali (Rwanda) am 9. September Nach der Eucharistiefeier kommt nun der Augenblick für den Angelus. Dieses Gebet, das ich jeden Sonntag in Rom mit den auf dem Petersplatz versammelten Pilgern bete, gibt uns die Gelegenheit, unsere geistliche Verbundenheit mit Maria, der Gottesmutter, zu vertiefen, die dem gesamten Volk Gottes auf der Pilgerreise des Glaubens vorausgeht. Heute möchte ich euch einladen, dem Herrn zwei große Gebetsanliegen anzuvertrauen, die uns bedeutend erscheinen und die gestern und heute Gegenstand unseres Gebetes bei der heiligen Messe gewesen sind: die Priester und die christlichen Familien. Die Berufung ist ein Ruf Gottes, der sich den Weg in ein menschliches Herz öffnet. Dieser Ruf muß das Denken und den Willen des jungen Menschen, an den er sich richtet, so durchdringen, daß er sein Verhalten und die Ausrichtung seines ganzen Lebens beeinflußt. Darum braucht der junge Mensch einen geeigneten Lebensraum, vor allem die familiäre Atmosphäre, um sich seiner Berufung bewußt zu werden und anzufangen, ihr zu antworten. Jesus hat sich als Kind durch die von Maria und Josef in Nazaret empfangene Erziehung auf seine Sendung vorbereitet, die er gemäß der Verkündigung des Engels zu vollbringen hatte. Daraus erkennen wir gut die Rolle der christlichen Familie bei der Begleitung priesterlicher Berufungen. Mögen alle Familien gesegnet sein, die nach dem Beispiel vieler rwandischer Familien großmütig bereit sind, ihre Söhne dem Dienst für die Kirche zu schenken. 668 REISEN Liebe Brüder und Schwestern, schließen wir alle Familien der Welt in unser Gebet ein und empfehlen wir Maria, der Mutter Gottes und unserer Mutter, jedes christliche Heim. Mögen die Familien Gemeinschaften der Liebe und Solidarität sein, in denen Eltern und Kinder sich verstehen, die Botschaft des Evangeliums aufnehmen und zum Wohl der Gesellschaft beitragen. Zum Abschluß empfehlen wir Maria die Bischofssynode, die nächsten Monat in Rom beginnt und die genau diese wichtige Frage der Priesterausbildung behandeln wird. Möge die Arbeit in diesen Beratungen den Priestern helfen, der Welt in diesen Zeiten besser zu dienen! Nach dem Angelus ging der Papst auf die Gespräche in Helsinki mit folgenden Worten ein: Brüder und Schwestern, mit euch zusammen möchte ich die Jungfrau Maria, die Königin des Friedens, für all jene bitten, die augenblicklich in der ganzen Welt für den Frieden arbeiten, vor allem für den Frieden am Persischen Golf. In diesen letzten Tagen habe ich während meiner Pilgerreise in Afrika mit Besorgnis die Entwicklung der Situation verfolgt. Es ist mein inständiger Wunsch, daß die Anstrengungen, die die Vereinten Nationen und die Regierungen der einzelnen arabischen Staaten sowie der übrigen betreffenden Länder gerechte Lösungen finden lassen. Vor allem erhebt sich unser Gebet zu Gott für das Gelingen des Treffens, das bekanntlich heute in Helsinki stattfindet. Möge es dazu beitragen, unsere Hoffnungen konkret werden zu lassen! Möge der Herr die Regierenden der beiden großen Nationen, auf denen so viel Verantwortung für den Frieden in der Welt liegt, inspirieren, sowie auch alle jene, die dazu beitragen können und müssen, damit sie wahrhaft Friedensstifter seien! Für die Menschheit muß jetzt ein Zeitalter des Friedens geschaffen werden, gegründet auf Gerechtigkeit und Achtung der Rechte der einzelnen und der Nationen. Die heiligste Jungfrau möge bei dem Gott der Güte und des Erbarmens eintreten für den Frieden in der Welt und vor allem für das Wohl aller Völker des Mittleren Ostens, die uns so nahestehen! Aufgerufen, im gegenseitigen Vertrauen zu wachsen Ansprache bei der Begegnung mit den Verantwortlichen der nichtkatholischen Gemeinschaften und den Vertretern anderer Religionen in Kigali (Rwanda) am 9. September Liebe Freunde! 1. Anläßlich meines Pastoralbesuches in diesem Land bin ich glücklich, Ihnen begegnen zu können, und ich danke Ihnen für Ihre Begrüßungsworte. Ich begrüße Sie und möchte Sie Freunde nennen, denn die Freundschaft ist gewiß die Realität, die unserer Begegnung ihre Bedeutung gibt. Die Freundschaft drückt sich durch Respekt und Vertrauen in den anderen aus, durch das Verlangen, zu geben und zu empfangen und in echter Weise man selbst vor den anderen zu sein. Durch Sie begegne ich allen Gläubigen von Rwanda, die im alltäglichen Leben ein Band der Freundschaft verbindet. 669 REISEN 2. Ich wende mich zuerst an Sie, meine christlichen Freunde. Wir wissen, wie uns der Evangelist Johannes mit der neuen Beziehung bekanntmacht, die Jesus zwischen sich und den Aposteln herstellt, die er erwählt hat: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte, vielmehr habe ich euch Freunde genannt“ (vgl. Joh 15,15). Wir, die das Erbe empfangen haben, das die Apostel übermittelten, wir sind zusammen Freunde Christi, denn er hat uns alles das mitgeteilt, was ihn sein Vater gelehrt hat (vgl. ebd.). Die Freundschaft, die unser Herr zu jedem von uns hat, wurde auf endgültige Weise am Tag unserer Taufe besiegelt, als wir ihm einverleibt wurden. Es existiert so unter uns eine Gemeinschaft, wenn auch unvollständig, aber tatsächlich und tief, dank des sakramentalen Bandes der Taufe. Unsere Freundschaft ist dadurch sehr viel mehr als nur ein Ausdruck des guten Willens. Sie ist die Auswirkung der Liebe Gottes selbst, „denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Im Licht dieser außerordentlichen Wirklichkeit müssen wir unsere Beziehungen entwickeln, damit wir immer mehr dem Willen Christi für seine Kirche und unserer Aufgabe in der Welt treu sein können. Es ist also offensichtlich, daß wir aufgerufen sind, im gegenseitigen Vertrauen zu wachsen, und daß wir von gegenseitigem Respekt erfüllt sein sollen, sowohl als einzelne wie als Gemeinschaften, denn wir haben das gleiche Wort Gottes empfangen, von dem wir uns in unserem Leben durchdringen lassen, und das wir unseren Brüdern zugänglich machen müssen. Es ist sehr schön, daß Sie zusammen imstande waren, Rwanda eine gemeinsame Übersetzung des Neuen Testamentes zu schenken. Ich wünsche, daß Sie durch die Gnade Gottes zusammen mit unseren katholischen Brüdern immer mehr ein gemeinsames Zeugnis für das Evangelium Jesu Christi ablegen können und Ihrer lieben Nation Rwanda selbstlos dienen. Durch eine gemeinsam unternommene Initiative tragen Sie in tatkräftiger und großzügiger Weise zu den Gesundheitseinrichtungen Ihres Landes bei. Ich begrüße mit Freude alles, was „BUFMAR“ im Geist erfinderischer und wirksamer Liebe für die wirklichen Bedürfnisse Ihrer Landsleute geleistet hat. Ich ermutige die Gläubigen, diese Mitarbeit weiter zu verfolgen, die uns dem näher bringt, was die Treue zum Evangelium erfordert. <550> <550> Hochgeachtete Vertreter anderer Religionen, auch an Sie richte ich meinen Gruß bei dieser schönen Gelegenheit. Ihre Anwesenheit ist ein Zeichen des gegenseitigen Respekts und des Willens zu Verständigung und Zusammenarbeit, die eine wohlgeordnete Gesellschaft auszeichnen. Es sind schon ein paar Jahre vergangen, seit dem Weltgebetstag für den Frieden in Assisi. Die Versammlung der Christen und der Vertreter anderer Religionen erscheint als „eine Vorwegnahme dessen, was Gott von der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit gern verwirklicht sehen möchte: eine brüderliche Wanderung, auf der wir uns gegenseitig begleiten zum transzendenten Ziel, das er uns gesetzt hat“ (Abschlußrede, Assisi, 27. Oktober 1986, Nr. 5). Hier im Land der tausend Hügel, wo die Berge uns einladen, unseren Blick zum Allerhöchsten zu erheben, zum Meister aller Dinge, bitten wir ihn, daß er uns die Kraft gebe, gemeinsam auf diesem Weg zu gehen! 670 REISEN Rwanda: eine junge und starke Kirche Ansprache beim Abschied auf dem Flughafen in Kigali (Rwanda) am 9. September Lieber Herr Präsident, liebe Brüder im Bischofsamt, meine Damen und Herren, liebe Freunde von Rwanda! 1. Nachdem sich mein Pastoralbesuch im Land der tausend Hügel dem Ende zuneigt, möchte ich von ganzem Herzen all denen danken, die zum guten Ablauf dieses Besuches beigetragen haben. Herr Präsident, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, die Sie mir entgegengebracht haben und für die herzliche Gastfreundschaft, mit der ich empfangen wurde. Mein Dank geht auch an die Regierungsmitglieder, an die Leute des Sicherheitsdienstes und an alle, die es mir durch die aufmerksame Ausführung ihrer Funktionen ermöglicht haben, mit dem Volk von Rwanda die direkten Kontakte herzustellen, die ich mir erwünscht hatte. Ich begrüße herzlich die Damen und Herren des Diplomatischen Korps, die so freundlich waren, hierher zu kommen, um mich zu verabschieden. 1. Liebe Brüder im Bischofsamt, ihr habt mich mit der Katholischen Gemeinschaft, dessen Hirten ihr seid, mit einer Begeisterung empfangen, die mich mit Freude erfüllt hat. Seid herzlich bedankt für die Anhänglichkeit, die ihr mir gezeigt habt. Die Augenblicke der begeisternden Feier unseres gemeinsamen Glaubens, die wir in den vergangenen Tagen zusammen erlebt haben, werden dazu beitragen, die Beziehungen, die zwischen euren Gemeinschaften und dem Nachfolger Petri bestehen, noch weiter zu festigen. Ich behalte die Ereignisse in Erinnerung, die alle diese schönen Tage bestimmt haben: unter anderem die gestrige wunderbare Eucharistiefeier mit den Priesterweihen, die vielversprechend für die Zukunft der Kirche sind; das anregende Treffen mit der Jugend von Rwanda im Amahoro-Stadion wie auch die ergreifende Feier von heute morgen, bei der wir dem Herrn alle eure Familien anvertraut haben. Versäumt nicht, den Menschen, die nicht an diesen verschiedenen Versammlungen teilnehmen konnten, im besonderen den Kranken, den Behinderten, den Ärmsten und den Entferntesten, die herzlichen Grüße des Papstes zu übermitteln. Katholiken von Rwanda, ihr seid eine junge und starke Kirche. Mögt ihr in eurer Entdeckung und in eurer Kenntnis des Glaubens fortschreiten! Stärkt eure brüderlichen Bande der Einheit und der kirchlichen Gemeinschaft! Ihr seid auf dem Weg zur Hundertjahrfeier der Evangelisation in eurem Land: Seid immer mehr authentische Zeugen dieses Evangeliums, das ihr erhalten habt, und das ihr eurerseits weitergeben müßt! Seid die Zeichen der liebenden Anwesenheit unseres Gottes, der ein Gott des Friedens ist. Arbeitet mit ihm zusammen an seinem großen Plan, der alle Menschen zu einer Familie vereinen möchte, in der man einander liebt und hilft, zu einer einzigen Schicksalsgemeinschaft. 671 REISEN 3. Der ganzen Nation von Rwanda erneuere ich meine herzlichsten Wünsche für eine Zukunft des Wohlstands in Eintracht, mit Hilfe einer Entwicklung, die jedem Menschen seine Lebenswürde und die Mittel zur Versorgung der Familienbedürfnisse garantiert. Ich habe gehört, daß eure Ernten dieses Jahr reicher auszufallen scheinen als letztes Jahr. Ich freue mich darüber und wünsche euch, daß sich alle in diesem lieben Land sattessen können. Unter der Leitung der Verantwortlichen des Allgemeinwohls mit dem verständnisvollen, brüderlichen und solidarischen Beistand der Nachbarvölker überwinden die Einwohner von Rwanda mutig die heutigen Schwierigkeiten und nehmen die Herausforderungen an, die sich aus dem Wachstum und ihrem Fortschritt ergeben. Möge jeder, seinem eigenen Gewissen folgend, nach dem Richtigen suchen, in Respektierung der Rechte der anderen! Möge jeder die Möglichkeit haben, seine Talente zu nützen! Herr Präsident, ich danke Ihnen nochmals und wünsche Ihnen eine glückliche Vollendung Ihrer wichtigen und edlen Mission. Gott segne Rwanda! Die Kirche ist ein auserwählter Ort für die Anbetung Gottes Predigt bei der Messe zur Weihe der Basilika Unserer Lieben Frau vom Frieden in Yamous-soukro (Elfenbeinküste) am 10. September 1. „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (IKor 3,16). Liebe Brüder und Schwestern, diese Worte des Apostels Paulus stehen im Mittelpunkt dieser feierlichen Liturgie zur Weihe der Basilika Unserer Lieben Frau vom Frieden. Dieses Heiligtum ist Maria geweiht. Maria von Nazaret, Maria, die im Glauben die Verkündigung des Heils aufnahm, die Magd des Herrn, in der der Geist Gottes wohnte, damit das Wort Fleisch wurde und unter uns weilte. Maria, die Bundeslade des neuen Bundes Gottes mit den Menschen! Mit dieser Basilika wird Unsere Liebe Frau vom Frieden geehrt, die Mutter des Erlösers, die Mutter Christi, der uns am Vorabend seines Erlösungsopfers seinen Frieden schenkte (vgl. Joh 14,27). <551> <552> <551> „Wißt Ihr nicht, daß Ihr Gottes Tempel seid“ (1 Kor 3,16). Mit den Worten des hl. Paulus begrüße ich dich, hier versammeltes Volk Gottes. Ich begrüße die Bischöfe, die Priester, die Ordensfrauen und Ordensmänner, die gläubigen Laien, die alle dazu berufen sind, den Tempel darzustellen, in dem der Geist der Wahrheit und des Lebens wohnt. Ich danke Erzbischof Vital Komenan Yao von Bouake für seine Willkommensbotschaft. Als Bischof von Rom komme ich hierher, in tiefer Gemeinschaft mit meinen Brüdern, den Bischöfen der Elfenbeinküste, und mit den Kardinälen und Bischöfen der Nachbarländer, die heute hier anwesend sind. 672 REISEN Ich möchte auch Herrn Kardinal Francis Arinze danken, der im Namen des Generalsekretariatsrates der Afrika-Sonderversammlung der Bischofssynode das Wort an mich gerichtet hat. Mit seinen Brüdern erhebt der Nachfolger Petri ein inständiges Gebet zum Herrn, damit die nächsten Synodensitzungen für den Weg der Kirchen dieses Kontinents einen entscheidenden Schritt nach vorne bedeuten mögen. Ich freue mich mit ihnen, daß die jungen, aber bereits reifen Kirchen in Afrika mit einer hoffnungsvollen Begeisterung die Evangelisation ihrer Völker garantieren, und mit der Universalkirche die bewundernswerten Gaben, mit denen der Schöpfer sie bedacht hat, teilen. 3. Ich begrüße den Herrn Präsidenten der Republik der Elfenbeinküste in ganz besonders herzlicher Weise, wie auch die Regierungsmitglieder und die Regional- und Lokalbehörden, die an dieser Feier teilnehmen wollten. In Ehrerbietung grüße ich die Mitglieder des diplomatischen Korps, die Vertreter der internationalen Institutionen und befreundete Persönlichkeiten, die zu dieser Feier gekommen sind. Ich begrüße die Imame des Landes, die so aufmerksam waren, mit uns an der Verehrung Gottes, des Allerhöchsten, teilzunehmen. Der Staatschef ließ diese Basilika zu Ehren Unserer Lieben Frau erbauen, zu Ehren Christi des Erlösers, der alle Menschen dazu aufruft, sich in der Einheit seines Leibes zu versammeln. Dank der Großzügigkeit des Herrn Felix Houphouet-Boigny ist ein Sozialzentrum, die internationale Stiftung Unsere Liebe Frau vom Frieden, um diese Kirche herum erbaut worden, um am gleichen Ort die Zusammenkunft im Glauben mit dem konkreten brüderlichen Dienst zu verbinden. Dies wird durch ein Krankenhaus verwirklicht, dessen Grundstein ich am Ende dieser Feier segnen werde, und durch eine Bildungseinrichtung für Jugendliche. So werden sich auf bedeutsame Weise die Verehrung „im Geist und in der Wahrheit“ {Joh 4,24) und das, „was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt“ {Mt 25,40), vereinigen, denn die Jünger des Herrn können die Liebe Gottes nicht von der Liebe zu ihren Brüdern trennen. <553> <554> <553> Jede Kirche ist ein für die Anbetung auserwählter Ort, damit sich die Gläubigen in der Gegenwart Gottes versammeln und sein Wort hören können. Zu allen Zeiten und auf allen Kontinenten haben die Kinder der Kirche das Beste ihrer Kunst der Errichtung dieser sichtbaren Zeichen gewidmet, die verstehen helfen, daß Gott in der Mitte seines Volkes wohnt, daß die Kirche Christi auf der Erde der Menschen gegründet ist. Die erste Lesung der Messe erzählt uns einen großen Augenblick der Begegnung des Volkes Israel mit seinem Herrn: im Tempel, wo es als Gemeinde von den Priestern zusammengerufen worden war, hörte es der Lesung aus dem Buch des Gesetzes zu. Die Männer, Frauen und Kinder, durch die gegebenen Erklärungen unterwiesen, erkennen im Gesetz des Herrn ein Wort des Lebens, ein Wort, das ihnen zeigt, wie sie ihr Leben nach dem Willen des Schöpfers führen sollen. Es handelt sich für sie nicht einfach um eine Anleitung, denn wenn sie das Wort anhören, das der Herr gesprochen hat, erfahren sie die Anwesenheit des lebendigen Gottes selbst, die Treue des Schöpfers zu seiner Schöpfung. Sie sind voll Bewunderung über ein Wort, das bis ins Tiefste des Herzens vordringt. So ist ihre Antwort das „Ja“ des Glaubens und sie werfen sich nieder in Anbetung. Mit ihrem ganzen Sein klammern sie sich an Gott, der zu ihnen spricht und sich mit ihnen verbündet. 673 REISEN Zusammen feiern sie ihre erneuerte Einwilligung zum Bund des Herrn mit seinem Volk. Sie feiern diese wunderbare und bereichernde Vereinigung an einem „heiligen Tag zur Ehre des Herrn“. Sie haben verstanden, daß „die Freude am Herrn unsere Stärke ist“ (vgl. Neh 8,10). 5. Durch den Kult in unseren Kirchen freuen auch wir uns, die Anwesenheit Gottes zu feiern, der unter uns bleibt. Das ewige Wort, das Wort Gottes, der dem Vater wesensgleiche Sohn, ist Mensch geworden. Er ist das Wort des Lebens. Er ist das Brot des Lebens. Er versammelt uns um den Tisch des Wortes und den Tisch seines eucharistischen Leibes. In der Liturgie seiner Kirche läßt uns Christus an seinem höchsten Opfer teilhaben, an dem unsagbar reinen Akt der Liebe, durch den er die Menschheit mit Gott versöhnt. Er erlaubt uns, die Opfer unserer Armut dem einzigartigen Opfer des Kreuzes hinzuzufügen. Wir übergeben dem Mittler zwischen Gott und den Menschen die ganze Last unserer Hoffnungen, unserer Nöte und unserer Leiden. Wir vertrauen dem, der den Tod besiegt hat, unsere Bittgebete an, unseren Hunger nach Glück, unser Verlangen nach Frieden zwischen uns und in uns, wie auch unsere Schwäche, unsere Weigerung, den Willen des Vaters zu tun und mit seinem Sohn die Werke des Vaters zu vollenden. Auf dem Boden Afrikas übergeben wir Christus, dem Mittler, die überlieferten Eigenschaften und Tugenden der afrikanischen Völker, ihre Treue zum Evangelium, die Ortskirchen, die sie aufgebaut haben. Vereint mit Christus, dem Retter der Welt, durch Ihn, mit Ihm und in Ihm ist es uns gewährt, Dank zu sagen und Gott lobzupreisen. Wir rühmen Gott für die Eucharistie und für alle Sakramente, durch die der, der das Leben ist, unser Lehen durch seine gnadenvolle Anwesenheit in unserem Sein weiht. Im Heiligtum wird unser Volk von seinen Hirten versammelt; hier spricht der Priester im Namen Christi für uns das Wort Gottes und bricht das gleiche Brot des Lebens für alle. Die Kirche ist Ort und Zeichen unserer Kommunion in einem einzigen Leib, als Glieder, die Verzeihung und Versöhnung erfahren haben, und die der Herr auffordert, ihm auf den Straßen der Welt zu folgen. Der Kult, der uns in Christus vereint, ist auch der Augenblick der Aussendung zur Mission an alle Orte der Erde, wo die Menschheit die Wahrheit des Glaubens, das Licht der Hoffnung und die Gemeinschaft der Liebe erwartet. <555> <556> <555> Jesu Dialog mit der Samaritanerin - das Evangelium dieser Messe - macht für uns die Bedeutung der Kirche und des Kultes, den wir dort Gott darbringen, noch weiter. „Aber die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit... Gott ist Geist“ (Joh 4,23-24). Unsere Begegnung mit Gott ist echt, wenn wir das Wort in uns eindringen lassen, wenn wir die Gegenwart des gestorbenen und auferstandenen Christus auf jedem Abschnitt unseres Weges aufnehmen. Die Worte und Handlungen des in der Kirche gefeierten Kultes haben nur dann ihren vollen Wert, wenn derselbe Geist und dieselbe Wahrheit das häusliche Leben, den beruflichen Einsatz, die Bemühung der ganzen Gesellschaft um das Wohl und die Würde aller durchtränkt. Das Heiligtum der Wahrheit bedeutet die Anwesenheit Gottes im Herzen der Gläubigen, wenn sie brüderlich die von Gott gegebene Liebe in ihren Familien teilen, wenn sie geduldig 674 REISEN für die Erziehung ihrer Kinder und deren Erwachen zum Glauben sorgen, wenn sie sich gegenseitig helfen, wenn sie die Wunden verbinden und den Armen beistehen, wenn sie großzügig an der Entwicklung ihres Volkes in Gerechtigkeit teilnehmen, wenn sie überall als Stifter von Versöhnung und Frieden handeln. Der Anbeter in Geist und in Wahrheit erfaßt die Absicht des lebendigen Gottes und setzt alle Reichtümer seines Herzens, seiner Intelligenz und seiner Hände für die Erfüllung des göttlichen Willens ein. 7. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr die Kirche hier und auf dem ganzen afrikanischen Kontinent aufbaut, ihr wißt, daß die Afrika-Sonderversammlung der Bischofssynode eine Gnadenzeit sein wird. Eure Bischöfe werden die Garben der Ernte binden, die reichlich ausgefallen ist, und sie werden sie Gott mit einem Lob- und Danklied darbringen. In der Tat, so, wie diese Kirche ihre Fundamente tief in eure Erde einrammt, hat sich der Glaube tief in euch festgesetzt. Und die Zeit ist gekommen, um die nächsten Ernten vorzubereiten. Auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend entdeckt die ganze Kirche, die Kirche eures Kontinents, auf neue Weise die Notwendigkeit und die Dynamik der Evangelisation bei euch. Alle sind dazu aufgerufen, Zeugen der Frohen Botschaft des Heils zu sein. Angesichts der zahlreichen Herausforderungen Afrikas müssen die afrikanischen Christen ihre Christusverbundenheit vertiefen, sich von seiner Liebe ergreifen lassen und deren Reichtümer ihren Brüdern eröffnen. Vom Gebet und der Überlegung jeder einzelnen Ortskirche unterstützt, wird die Synodenversammlung untersuchen, wie sie auf der Schwelle des dritten Jahrtausends die Aufgaben der Evangelisation auf wirklich afrikanische Weise und in der allgemeinen Verbundenheit mit der Kirche Christi erfüllen kann. Viele eurer Brüder und Schwestern haben die Gute Nachricht des Heils noch nicht erhalten! Es muß eine Sprache gefunden werden, die wirklich den Glauben in Afrika übersetzt. In einem Kontinent, der Teilungen und Angst erlitten hat, den aber gleichzeitig eine starke Hoffnung erfüllt, ist unbedingt ein Dialog in gegenseitiger Achtung zwischen uns nötig. Die Kirche kennt die schwerwiegenden Herausforderungen der Gerechtigkeit und des Friedens; ihre Söhne und Töchter müssen darauf mit Mut und Großmut reagieren. Möge Christus in jedem Getauften wachsen und durch das ganze Leben der Getauften verkündet werden! <557> <557> „Ihr seid der Tempel Gottes“. Die wahre Kirche, das Haus Gottes unter den Menschen, ist in Wahrheit der Mensch selbst, in dem Maß, in dem das Gebäude fest errichtet wurde auf dem Grund, der Jesus Christus ist (vgl. 1 Kor 3,11.16). Niemand kann die Kirche auf andere wirklich haltbare Fundamente aufbauen, als auf Jesus Christus. Die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen (vgl. Mt 16,18). Das Material der Kirchen, die von Menschenhand gebaut werden, bleibt, wie groß auch immer sein Wert sein mag, den Gesetzen der Zeit unterworfen und kann zerstört werden. Nur das auf Christus aufgebaute Heiligtum für den Kult „in Geist und in Wahrheit“ ist unzerstörbar. Denn seine Verheißung ist sicher: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Brüder und Schwestern, die ihr die Kirche in euren Städten und Dörfern aufbaut, an vielen Orten der Erde Afrikas, diese Verheißung ist an euch gerichtet. „Ihr seid Gottes Ackerfeld, Gottes Bau“ (I Kor 3,9). Ich wiederhole euch diese Worte des hl. Paulus von dieser großartigen Basilika aus. Doch jede eurer Kirchen, die bescheidenste eurer Kapellen, ist ebenso das 675 REISEN Zeichen der wahren Kirche, die Christus stark und lebendig macht, die Kirche aus lebendigen Steinen (vgl. 1 Petr 2,5), die die Glieder seines Leibes in einer Einheit versammelt, die alle Grenzen überschreitet, in der Liebe, die ewig aus Gottes Herzen strömt. Die Taufe vereint euch alle mit dem auferstandenen Christus. Ihr Priester, die Priesterweihe befähigt euch, die Gaben des Heils auszuteilen. Ihr Gottgeweihten, die Gelübde machen euch zu den bevorzugten Zeugen für das einzig Notwendige. Ihr gläubigen Laien, ihr heiligt die Welt in eurem Heim, in einer Arbeit, in der ganzen Gesellschaft. Zusammen, „durch den Geist Gottes, der in euch wohnt“ (vgl. 1 Kor 3,16), seid ihr „Gottes Haus unter den Menschen, das als Grund die Apostel und als Eckstein Jesus Christus hat“ (Gebet der Kirchweihe). „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt5,16)! 9. An dem Tag, an dem diese Basilika Unserer Lieben Frau vom Frieden geweiht wird, erinnern wir uns daran, daß die ersten Verkünder des Evangeliums, die in dieses Land gekommen sind, die entstehende Kirche der Jungfrau Maria geweiht haben. Unsere Liebe Frau vom Frieden, erneut vertrauen wir dir die Kirche dieser Diözese an, die Kirchen aller Diözesen dieses Landes. Durch Deine Vermittlung weihen wir sie deinem Sohn. Jungfrau Maria, führe uns zu deinem Sohn, zu ihm, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist! Gewähre den Hirten, den Gottgeweihten, den Laien, die Kirche Christi, hier lebendig zu erhalten, in Glauben und Großmut, durch die Kraft der Gnade deines Sohnes. Gewähre den Familien die Einheit in der Treue, die Freude, das Leben zu empfangen, ihre Kinder mit Glück zu erziehen, den Unterhalt für jeden Tag zu verdienen. Zeige deine barmherzige Milde denen, die an ihrem Leib und in ihrem Herzen leiden. Rege die, die um sie sind, zur Freundschaft an, die tröstet, und zu Gesten, die heilen und beschwichtigen. Gib, daß die Gläubigen der Elfenbeinküste unermüdliche Friedensstifter seien, im Bund mit ihren Brüdern und Schwestern dieses Landes und des ganzen Kontinents. Gewähre diesem ganzen Volk und seinen Verantwortlichen deine mütterliche Unterstützung, damit sie Eintracht und Wohlstand, Gerechtigkeit und Frieden kennenlemen. Stehe ihnen in ihren Bemühungen bei, eine günstige Zukunft aufzubauen. Bewahre die menschliche Familie immer in Frieden, Unsere Liebe Frau vom Frieden! 676 REISEN Inkulturation und Evangelisation Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der afrikanischen Sonderversammlung der Bischofssynode in Yamoussoukro (Elfenbeinküste) am 10. September Meine Herren Kardinale, liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Als Nachfolger Petri bin ich glücklich, mit euch, den Nachfolgern der Apostel in Afrika, an der Sitzung des Rates des Generalsekretariats der afrikanischen Sonderversammlung der Bischofssynode teilnehmen zu können. Eure dem Gebet und der Reflexion gewidmeten Tage sind an Ort und Stelle der erste Schritt eurer Ortskirchen auf dem nunmehr gut vorgezeichneten Weg zu jenem historischen Ereignis, welches diese Synodenversammlung sein wird. Seit ihrer ersten Ankündigung am 6. Januar 1989 habe ich mit dem besonderen Interesse, das ich für Afrika hege, verschiedene Etappen der entfernten Vorbereitung dieser Versammlung verfolgt: zwei Sitzungen der Kommission für die entfernte Vorbereitung, zwei Sitzungen des Rates und - während der neunten Vollversammlung des Symposiums der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar in Lome am vergangenen 24. Juli - die Veröffentlichung der Lineamenta seitens des Generalsekretärs. Dank meiner regelmäßigen Kontakte mit den Mitgliedern des Rates und im Verlauf jeder einzelnen Sitzung konnte ich feststellen, mit welcher Begeisterung die Initiative der Sonderversammlung aufgenommen worden war und konnte mich auch von der Kompetenz und der Großmut überzeugen, die für die Vorbereitung aufgewendet wurden und die dem Rhythmus entsprachen, den eine Synodenversammlung als solche erfordert. Wir nähern uns einer für die Kirche in Afrika entscheidenden Stunde. Nach dem lange zurückliegenden Beginn der Evangelisierung des Kontinents, nach der von Millionen von Männern und Frauen großmütig aufgenommenen missionarischen Verkündigung, die ihnen den Weg zum Glauben eröffnet hat, ist die Kirche nun in eurer Erde verwurzelt und sendet ihre Arbeiter in die unermeßlichen Felder hinaus, die noch vom Wort des Lebens befruchtet werden müssen! Auf diesem Boden geborene Hirten weisen den Weg des Evangeliums, einst von seinen Boten aufgetan, die gekommen waren, um mit euren Völkern die Gaben des Glaubens, die Kraft der Hoffnung und den Eifer der Liebe zu teilen. Das Wort Jesu, „ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8) wurde hier vernommen. Durch die Getauften, die Gottgeweihten, die Priester und Bischöfe wurde sich die Kirche in Afrika ihrer Sendung bewußt: sie selbst verkündet das Evangelium, „eine Kraft Gottes, die jeden rettet“ (Rom 1,16). <558> <558> Die Synodenversammlung, die wir vorbereiten, wird, davon bin auch ich überzeugt, eine neue, lichtvolle Etappe dieses vor zweitausend Jahren begonnenen Weges des Evangeliums auf eurem Kontinent kennzeichnen. Wh gedenken mit Bewunderung der Gründung und des Wachstums der ersten Kirchen in Afrika, in engem Zusammenhang mit der Urkirche und der apostolischen Tradition. Wh erinnern uns der erhabenen Kirchenväter und der blühenden Gemeinden des christlichen Afrika der Antike, die in der Geschichte und der Lehre der Welt-kirche einen Ehrenplatz einnehmen. Die Synoden und Konzilien dieser Khchen haben die „sacra traditio“ empfangen. Sie haben mit ihrem eifrigen Bemühen um die Kenntnis des 677 REISEN Glaubens das gemeinsame Erbe auf einmalige Art bereichert. Ein kostbarer Teil ihres Erbes wird uns auf lebendige Weise durch das Zeugnis der Kirchen des orientalischen Ritus überliefert: danken wir für ihre Anwesenheit in mehreren Gegenden des Kontinents. Heute, nach Jahrhunderten geheimnisvollen Schweigens, und dann dank der Hochherzigkeit der Missionare und ihrer Treue zu der Eingebung, ihr ganzes Leben der Kirche in Afrika zu weihen, erhebt sich das Gebäude der Kirche in allen Regionen. Christus, der den Grund legt und mit lebendigen Steinen - seinen Jüngern - baut, errichtet auf dieser Erde das Zeichen und das Sakrament des Heiles (vgl. Lumen Gentium, Nr. 1). Die Ströme lebendigen Wassers, vom menschgewordenen Sohn Gottes verheißen, stillen den Durst der Männer und Frauen, die darauf warteten, das Antlitz und den Namen des lebendigen Gottes zu entdecken. Das unerschöpfliche Geheimnis der Liebe der aUerheiligsten Dreifaltigkeit belebt das Volk Gottes und läßt es wachsen. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, der Bau hat begonnen, und dafür wollen wir Gott danken. Unter der Führung des Heiligen Geistes haben nun wir diesen Bau schöner, lebendiger und dem Willen Gottes getreuer zu gestalten. Die Evangelisierung stößt auf Hindernisse und wird manchmal durch die Routine gebremst. Was die einzuschlagenden Wege betrifft, so kann man angesichts der derzeitigen Entwicklung der Gesellschaft oft verunsichert werden. Daher ist es notwendig, die Bemühungen der einzelnen und der Gemeinschaften zusammenzuschließen; auch die Bischöfe sollen ihre pastoralen Aktivitäten aufgrund einer klaren und wohl durchdachten Analyse gemeinsam absprechen. Um diesen dringenden Erfordernissen unserer Zeit gerecht werden zu können, habe ich eure Synodenversammlung einberufen. <559> <559> Eine Synodenversammlung kann sich nicht auf eine Beratung über praktische Fragen beschränken. Ihre Daseinsberechtigung liegt in der Tatsache, daß die Kirche nur dank der Festigung der Einheit ihrer Glieder untereinander - angefangen von den Hirten—Fortschritte machen kann. Wir haben stets die Lehren des II. Vatikanischen Konzils vor uns, das die Berufung der Kirche, ihrem göttlichen Ursprung gemäß „communio“ zu sein, besonders betonte. Sich der Worte eines Afrikaners, des hl. Cyprian, bedienend, beschreibt das Konzil auf sehr entsprechende Weise die Kirche als „das von der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“ (Lumen Gentium, Nr. 4). Tatsächlich entstammt die Institution der Bischofssynode der fruchtbaren und wesentlichen Wirklichkeit der „communio“, welche die Kirche kennzeichnet. Diese Institution verfolgt den Zweck, die Solidarität unter den Führern der Ortskirche - soweit es ihre Sendung über die eigenen Diözesangrenzen hinaus betrifft - kundzutun und zu entfalten. Das Konzil hat uns zu diesem Punkt eine sehr klare Lehre hinterlassen: „Als rechtmäßige Nachfolger der Apostel und Glieder des Bischofskollegiums sollen sich die Bischöfe immer einander verbunden wissen und sich für alle Kirchen besorgt zeigen. Durch göttliche Einsetzung und Vorschrift ist ja jeder einzelne gemeinsam mit den übrigen Bischöfen mitverantwortlich für die apostolische Aufgabe der Kirche“ (Christus Dominus, Nr. 6). Durch die Ausübung ihrer Vorrechte macht die Synodenversammlung die lebendige „communio“ des Leibes Christi, welcher die Kirche ist, dank der sichtbaren Gemeinschaft der Bischöfe gegenwärtig. Die Sendung der Kirche in Afrika mit den spezifischen Merkmalen, die eure Reflexion herausfinden werden, ist an die einzige Sendung gebunden, die Christus 678 REISEN dem gesamten apostolischen Kollegium anvertraut hat. Als Nachfolger Petri hat der Bischof von Rom den Auftrag empfangen, Garant der Einheit und der Apostolizität der ganzen Kirche zu sein. Die Gemeinschaft mit ihm ist es, welche die Aussendung der Verkünder des Evangeliums rechtfertigt. Durch ihre Bindung an den Stuhl von Rom lassen die Bischöfe ihre Solidarität in einem wechselseitigen Austausch in Erscheinung treten und bekräftigen sie. So teilt also die Weltkirche dank der Gemeinsamkeit der Bischöfe die Freuden und Sorgen der Ortskirchen. „Wie nach der Verfügung des Herrn der heilige Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so sind in entsprechender Weise der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden ... Insofern dieses Kollegium aus vielen zusammengesetzt ist, stellt es die Vielfalt und Universalität des Gottesvolkes, insofern es unter einem Haupt versammelt ist, die Einheit der Herde Christi dar“ (Lumen Gentium, Nr. 22). Im Namen dieser Einheit unter uns bitte ich unsere bischöflichen Mitbrüder und das ganze Gottesvolk in aller Welt dringend, sich als Mitbeteiligte zu fühlen und die Erwartungen zu teilen, die an dem großen Tag der Synodenversammlung für Afrika ans Licht kommen wird. 4. Die gegenwärtige Sitzung eures Rates folgt auf die Veröffentlichung der „Lineamenta“, die ihr vorbereitet habt. Dieser Text entwickelt das Thema: „Die Kirche in Afrika und ihre Sendung zur Evangelisierung an der Schwelle des Jahres 2000: ,Ihr werdet meine Zeugen sein’ (Apg 1,8)“. Der synodale Prozeß ist somit in eine neue Phase eingetreten, die alle Bischöfe Afrikas und das ganze Gottesvolk direkt betrifft. Hier ist es neuerlich die „commu-nio“, die ihren Ausdruck finden muß. Alle, die die Frohbotschaft empfangen haben, bilden eine kirchliche Körperschaft, die sich selbst dank neuer Mitglieder aufbauen und ihre Einheit in der Vielfalt aufrechterhalten muß. Wir erinnern uns hier der Worte des Apostels Paulus: „Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt. Durch ihn wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt in jedem einzelnen Gelenk. Jedes trägt mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut“ (Eph 4,15-16). Die Lineamenta geben klare Richtlinien für die Vorbereitungen der Versammlung im Hinblick auf ihr zentrales Thema, nämlich den Evangelisierungsauftrag aller Ortskirchen auf dem afrikanischen Kontinent. Die Arbeiten der Synode werden als Ergebnis der Beschlüsse der Synodenväter, die auf den ihrer Reflexion vorgelegten Themen beruhen, neue Bemühungen um die Evangelisierung hervorbringen; dieses Themen sind: die Verkündigung der Frohbotschaft; Inkulturation und Evangelium; Dialog mit anderen Christen, mit dem Islam, mit den traditionellen afrikanischen Religionen; pastorales Wirken im Dienst von Gerechtigkeit und Frieden und schließlich die Verwendung der Mittel der sozialen Kommunikation zugunsten der Evangelisierung. Aufgrund meiner apostolischen Sendung fordere ich alle Glieder des Volkes Gottes, das in Afrika ist, auf, aktiv an der Vorbereitung der Versammlung mitzuwirken, die seinen Hirten zur Festlegung der Wege des Evangeliums an der Schwelle des dritten Jahrtausends dienen soll. Ich richte diesen Aufruf an die Gemeinschaft der Gläubigen, an euch, die ihr in Jesus Christus getauft, mit ihm in Tod und Auferstehung verbunden (vgl. Röm 6,3-5) und durch die 679 REISEN Gabe des Glaubens reich gemacht worden seid. Die Erfahrung eures christlichen Lebens soll wiederum vor euren Brüdern und Schwestern euren inneren Reichtum bezeugen. „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Gebe Gott, daß jeder und jede unter euch auf das höre, was „der Geist ihnen ein-gab“ (Apg 2,4). Die Synodenversammlung wird die Frucht des Lebens des Geistes in euren Herzen und der Lebenskraft eurer Gemeinden sein. Liebe Priester - Söhne Afrikas oder aus anderen Ländern stammende Missionare -, Seminaristen, und Gottgeweihte: Im Hinblick auf diese historischen Versammlungen bitte ich euch, gemeinsam eure spirituellen und apostolischen Erfahrungen zu besprechen. Ihr sollt das zusammen mit den Katechisten tun, die unter ihren Brüdern und Schwestern einen so wichtigen Platz einnehmen; gemeinsam mit den Pastoralräten, den kirchlichen Bewegungen, den Basisgemeinden und den Pfarreien. Unter der Führung eurer Bischöfe vereint, werdet ihr auf diese Art und Weise das afrikanische Antlitz der Kirche zeichnen, welches das Vorbild Christi, des Widerscheins der Herrlichkeit des Schöpfers auf eurem Kontinent ist. 5. Während der kommenden Monate sollt ihr beten und nachdenken. Eure Zeugnisse werden es erlauben, eure Freuden und Leiden, eure Hoffnungen und Ängste wahrzunehmen, den Preis eurer Treue und die Last eurer Armut. In Wahrheit und Liebe werden sich die gemeinsamen Züge der Christen Afrikas und ihre Aufgaben für das Wachstum des mystischen Leibes Christi abzeichnen. Indem ihr euch ins Innere der zahlreichen kulturellen, spirituellen und ekklesialen Wirklichkeiten des Kontinents hineinversetzt und die Fruchtbarkeit der Begegnung Christi mit der afrikanischen Menschheit kundtut, werdet ihr die richtigsten Wege für die Evangelisierung unterscheiden können. Ihr werdet die Erfordernisse an den Tag bringen, die unsere Zeit an das Priesteramt und das gottgeweihte Leben stellt; an das Mönchtum, das sich nunmehr auf eurem Kontinent entfaltet; an die örtlichen Versammlungen und ihre Feier des christlichen Geheimnisses; an die kirchlichen Bewegungen; an die Jugenderziehung; an den offenen und ehrlichen Dialog mit Christen anderer Konfessionen und mit den Glaubenden anderer geistlicher Traditionen; an die Präsenz der christlichen Werte in der Gesellschaft und an die von euren Brüdern und Schwestern erwartete Förderung des Menschen. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, ich formuliere diesen Aufruf zu einem neuen Aufbruch des Volkes Gottes auf dem Weg des Evangeliums gemeinsam mit den Bischöfen des Kontinents und richte ihn durch ihre Vermittlung an alle Katholiken. Ihre Bischöfe werden die Untersuchungen leiten, deren Ergebnisse im Rahmen der Bischofskonferenzen sammeln und im Hinblick auf ihr Hirtenamt überdenken. <560> <560> Euch und die kommende Synodenversammlung und ihre Vorbereitung in den Diözesen empfehle ich dem mütterlichen Schutz Unserer Lieben Frau von Afrika, Unserer Lieben Frau vom Frieden. Möge sie dir, geliebtes Volk Gottes in Afrika, auf dem Pilgerweg vorangehen! Möge sie euch helfen, das Wort, das euch anvertraut wurde, in euren Herzen zu bewahren und Diener des Herrn und Träger seiner Gnade zu sein! Möge Maria, die Mutter des Erlösers und Mutter der Kirche, die Kirche in Afrika unterstützen, die von heute an in ihrer Gesamtheit der Synode entgegengeht! 680 REISEN Der Nachfolger Petri erhebt sein flehendes Gebet mit den Worten des Apostels Paulus: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes“ (Röm 15,13). Liebe Töchter und Söhne Afrikas, der Geist der Liebe und der Heiligkeit erfülle euch mit Freude! Christus, der Erlöser, der für alle gestorben und auferstanden ist, stärke den neuen Menschen in euch! Gott, unser Vater, lasse sein Reich kommen! Der Segen Gottes bleibe allzeit bei euch! Grund, zur Hoffnung für die Zukunft Ansprache beim Abschied auf dem Flughafen von Yamoussoukro (Elfenbeinküste) am 10. September Herr Präsident der Republik, Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt, meine Damen und Herren! 1. Am Ende meines kurzen Besuches an der Elfenbeinküste möchte ich Seiner Exzellenz dem Heim Präsidenten der Republik für den freundlichen Empfang danken, den er, zusammen mit seinen Mitarbeitern, mir bereitet hat. Mein Dank geht ebenso an die Bischöfe dieses Landes, an Herrn Kardinal Bemard Yago, an Bischof Vital Yao, und an alle, die ihnen bei der Vorbereitung dieses Tages geholfen haben. Ich habe die oft diskrete Hingabe der Zivilautoritäten und der verschiedenen Einrichtungen wahrgenommen, die so wirksam den guten Verlauf meines Aufenthaltes gesichert haben; noch einmal danke ich ihnen herzlich. <561> <562> <561> Zwei Ereignisse haben diesen Tag gekennzeichnet, der denkwürdig bleiben wird. Ich durfte die Einweihung der Basilika Unserer Lieben Frau vom Frieden vornehmen, des großen Heiligtums, das Sie, Herr Präsident der Republik, als Zeichen des christlichen Glaubens erbauen wollten, dem mehrere Generationen Ihrer Landsleute anhingen und den ein Teil der Einwohner der Elfenbeinküste teilen. Und es ist für mich ein Grund der Befriedigung, daß die internationale Stiftung „Notre-Dame de la Paix“ gegründet wurde, die als Aufgabe einige der karitativen und der pädagogischen Werke haben wird, um die sich die Kirche schon immer bemühte. Diese Stiftung bezeugt die Lebenskraft der Kirche, die in Ihrem Volk durch das Apostolat auswärtiger Missionare gegründet wurde, und die an der Elfenbeinküste bereits eine eigene Geschichte hat. Die katholische Kirche hat ihre Wurzeln nun in Afrika geschlagen. Ich bin glücklich hier sagen zu können, daß die Universalkirche vom spezifischen Beitrag der jungen Kirchen, die auf allen Gebieten der Welt vorhanden sind, Nutzen trägt. Das andere Ereignis dieses Tages ist das erste Vorbereitungstreffen im Hinblick auf die Sonderversammlung der Bischofssynode für Afrika, das auf diesem Kontinent stattgefunden hat. Es ist für mich eine Freude, daran teilgenommen zu haben, denn die vorbereitenden Überle- 681 REISEN gungen, die sich heute in allen Kirchen des Kontinents entwickeln, sind ein wirklicher Grund zur Hoffnung für die Zukunft. 3. Während dieses neuen Besuches an der Elfenbeinküste habe ich nicht viele Orte besuchen können, an denen ich gern Ihr Volk getroffen hätte. Ich möchte auch allen Einwohnern der Elfenbeinküste meine Sympathie und Anerkennung aussprechen. Ich wünsche jedem von ihnen, jeder Familie, jeder Gemeinschaft alles Gute. Die Schwierigkeiten, die momentan Ihren ganzen Kontinent belasten, sind mir bekannt. Die Wirtschaftskrise hindert die Entwicklung, für die schon so viele Bemühungen angestellt worden sind; sie bewirkt Besorgnisse und Leiden im Übermaß. Auch wenn die Kirche auf diesem Gebiet nicht direkt zuständig ist, kann sie dem gegenüber nicht gleichgültig bleiben. Sie macht nicht nur auf die tiefgreifenden menschlichen Auswirkungen der Probleme aufmerksam, die durch die Entwicklung gestellt sind, sondern verpflichtet ihre Mitglieder, aktiv an all dem teilzunehmen, was zum Wohlstand und, man muß es sagen, zur Würde der Männer und Frauen in der Gesamtheit der menschlichen Familie beiträgt. Anläßlich dieser Reise habe ich nochmals meinen Aufruf an die internationale Gemeinschaft erneuern wollen, daß sich die Solidarität der Völker großzügig auf die weniger geförderten Nationen auswirken möge. Ich hoffe, daß dieser Aufruf immer mehr Verständnis finden und nötige Initiativen und Einsätze hervorrufen wird, die durch die einfache Gerechtigkeit notwendig geworden sind, die auf der ganzen Welt gleich ist. Ich wünsche allen Einwohnern dieses Landes die Kraft, aktiv die Auswertung ihrer Reichtü-mer zu fördern, nicht nur jener, die der Boden hervorbringt, sondern auch den unersetzbaren Reichtum, den die Menschen bilden mit ihren wertvollen Traditionen, ihrer potentiellen Intelligenz und ihren persönlichen Qualitäten, die entwickelt werden müssen. Ich wünsche den Einwohnern der Elfenbeinküste von ganzem Herzen, in Eintracht und gegenseitigem Respekt fortzuschreiten und auf den Aufbau einer immer harmonischeren Gesellschaft zuzusteuem, in der niemand im Stich gelassen wird. Dieser Wunsch richtet sich vor allem an die Elite: ihre Landsleute rechnen mit ihrer Kompetenz, die im Sinne eines uneigennützigen Dienstes zugunsten der ganzen Gemeinschaft ausgeübt wird. Meine Wünsche gehen auch an die Jugendlichen, in der Hoffnung, daß ihre Ausbildung sie zu qualifizierten Berufen in den verschiedenen Bereichen führen wird, die dem Leben ihres Landes nützlich sind. Allen wünsche ich, daß die ethischen Werte - das wichtigste Element des Vermögens der Vorfahren, zusammen mit dem, was der Geist des Evangeliums eingibt - der feste Grundstein ihres Einsatzes für das Allgemeinwohl bleiben. <563> <563> Ich möchte nun allen Gliedern der katholischen Kirche der Elfenbeinküste meine herzliche Zuneigung aussprechen. Ich richte diesen Gruß an jeden der Bischöfe, der Priester, der Ordensmänner und Ordensffauen, an jeden Katecheten, an jeden Förderer der verschiedenen Bewegungen. Ich denke an alle eure Gemeinschaften von Getauften in Stadt und Land; ich möchte ihnen sagen, daß ich ihre Treue zum Evangelium schätze, das sie angenommen haben; in jeder Gemeinschaft, wie bescheiden auch immer, stellen die Getauften das Volk Gottes dar, das wahre Heiligtum, dessen Eckstein Christus ist, wie ich es heute morgen gesagt habe. 682 REISEN Liebe katholischen Brüder und Schwestern, ich ermutige euch dazu, für das Wohl aller Männer und Frauen dieses Landes zu arbeiten, indem ihr die kirchliche Soziallehre in einem allen offenstehenden Dialog anwendet und euch der Verantwortung bewußt seid, die jedem da zukommt, wo er sich befindet, in dem brüderlichen Geist, den zu leben Christus uns auffordert. Meine Wünsche gehen an all eure Familien, die durch ihre Stabilität, durch ihren Solida-ritätssinn, der über das häusliche Leben hinausgeht, durch ihre Mission als erste Erzieher, die: den Jugendlichen die moralischen und geistigen Werte übermitteln, eine wesentliche Rolle im Sozialgewebe spielen. Mein Gedanke richtet sich auch an diejenigen unter uns, die sich aufopfem, um ihren kranken und leidenden Brüdern und Schwestern Linderung und Trost zu geben. Ihr erfüllt damit eine grundlegende Forderung des Evangeliums, denn der Herr selbst erkennt die Kranken und Armen als Bevorzugte seiner Liebe an. 5. Ich möchte auch die Einwohner der Elfenbeinküste herzlich grüßen, die anderen christlichen Bekenntnissen oder anderen religiösen Traditionen angehören. Ich danke ihnen für ihren freundlichen Empfang. Ich hoffe, daß sie in den Katholiken wirkliche Brüder finden, daß sie mit ihnen einen ehrlichen Dialog im gegenseitigen Respekt führen, denn ein freundschaftliches Einverständnis und die gegenseitige Kenntnis erleichtern eine positive Zusammenarbeit bei den zahlreichen Aufgaben, die die Großmut aller erfordern. 6. Herr Präsident, ich verabschiede mich von Ihrem Land und möchte Ihnen nochmals danken, mein Gastgeber an der Elfenbeinküste gewesen zu sein. Sie wollten die Basilika von Yamoussoukro Unserer Lieben Frau vom Frieden weihen. In der Tat ruft die christliche Frömmigkeit oft die Jungfrau Maria als Friedenskönigin an. Erlauben Sie mir, Ihnen ebenfalls zu sagen, daß ich diese Wahl schätze. Und ich hoffe, daß die Fürsprache der Friedenskönigin die Bemühungen aller belohnt, die auf friedliche Weise die Konflikte zu lösen versuchen, die noch gewisse Gebiete dieses Kontinents zerreißen. Möge die Jungfrau Maria, die in dieser Kirche verehrt wird, das Leben aller Afrikaner erleuchten und anregen! Am Ende meiner siebten Reise nach Afrika wünsche ich inständig alles Gute für die Entwicklung der Völker dieses geliebten Erdteils. Ich bitte um den wohlwollenden Schutz der Muttergottes für die Söhne und Töchter Afrikas und rufe auf sie alle den Segen Gottes herab. 683 REISEN 8. Pastoralbesuch in der Erzdiözese Ferrara-Comacchio (22.123. September) Mut zum Glauben Ansprache an die Bevölkerung von Ferrara am 22. September Liebe Brüder und Schwestern in Ferrara! 1. Ich freue mich ganz besonders, Gast eurer Stadt zu sein, wo sich bekanntlich auch einige meiner Vorgänger hinbegeben und aufgehalten haben. Mit Liebe grüße ich jeden von euch und danke euch für den Empfang, den ihr mir bereitet habt. Herzüchen Dank dem Bürgermeister für die freundüchen Worte, die er im Namen der gesamten Einwohnerschaft an mich gerichtet hat. Meine respektvolle Ehrerbietung geht an den Herrn Abgeordneten Cristofori, Untersekretär des Ministerratspräsidiums, der mir den Gruß der italienischen Regierang überbracht hat, und an die anwesenden Vertreter der Behörden. Einen herzlichen Gruß entbiete ich auch der in Ferrara lebenden jüdischen Gemeinschaft, die eben in den letzten Tagen ihr Neujahrsfest gefeiert hat, eine der gegenseitigen Vergebung und der Versöhnung heilige Zeit. Als Nachfolger Petri bin ich zu euch gekommen, Gläubige Ferraras, um euch zu wiederholen, daß die Kirche mit Achtung und Liebe auf eure Stadt blickt und daher von ihr einen besonderen Beitrag zum Aufbau einer menschenwürdigeren und eben deshalb dem christlichen Ideal näheren Gesellschaft erwartet. <564> <564> Die eure ist eine bevorzugte Stadt, die in einer besonders glanzvoUen Epoche als eines der aktivsten und angesehensten Zentren der humanistischen Kultur hervorgetreten ist: einer Kultur allerdings, die für die transzendenten Werte offen und in den QueUen der wahren Weisheit fest verwurzelt war. Von dieser außerordentlichen Blüte sind sichtbare und bewundernswerte Spuren in allen Bereichen schöpferischer Tätigkeit zurückgeblieben: von der Architektur zur Büdhauerei, von der Malerei zur Musik, von der Literatur zum Städtebau. Ja, Ferrara ist eine der an geschichtlichen Überresten und Denkmälern reichsten italienischen Städte. Und es ist nicht unbillig, zu unterstreichen, wie wirksam das religiöse Gefühl dazu beigetragen hat, eine so außergewöhnliche Manifestation künstlerischen Talents und kultureller Lebendigkeit hervorzurufen. In diesem Kontext ist auf Wunsch von Papst Bonifaz IX. im Jahr 1391 auch eure Universität entstanden, deren sechshundertjähriges Bestehen ihr euch vorbereitet, in gebührendem Maße zu feiern. Liebe Einwohner von Ferrara, bewahrt und bereichert dieses große menschliche und geistige Erbe! Brecht niemals die Brücken zur Vergangenheit ab, sondern stützt eure Zukunft auf dieses von der Vorsehung gegebene Fundament. Denn jede Stadt ist wie ein Baum, der jedes 684 REISEN Jahr die Blätter erneuert und reiche Frucht hervorbringt, sofern seine Wurzeln im guten Boden verankert bleiben. Ein entwurzelter Baum vertrocknet und stirbt. 3. Ferrara, geliebte und edle Stadt, entdecke deine christlichen Ursprünge wieder! Das Evangelium ist schon in den ersten Jahrhunderten hierhergekommen. In der langen Liste eurer berühmten Mitbürger begegnet man für ihre Heiligkeit bekannten Bischöfen wie dem hl. Maurelius, dem seligen Alberto Prandoni, dem seligen Giovanni Tavelli und für ihre unermüdliche apostolische Tätigkeit bekannten wie Giovanni Fontana, dem ehrwürdigen Bona-ventura Barberini, Kardinal Carlo Odescalchi. Ausdruck einer solchen Blüte geistlichen Lebens ist eure herrliche Kathedrale mit der unverwechselbaren Fassade, die zum Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Und Zeichen religiösen Eifers sind auch die zahlreichen Kirchen, die Abteien innerhalb und außerhalb der Stadt - ich denke insbesondere an Pomposa -, die Klöster und die Heiligtümer, angefangen bei „Madonna delle Grazie“ und „S. Maria in Vado“. Ihr habt ein kostbares geistliches Erbe, das für die neuen Generationen, die stets geistiger Nahrung und hoher Ideale, worauf sie sich beziehen können, bedürfen, Anlaß zur Inspiration und zum Stolz sein kann. 4. Vor rund 550 Jahren wurde im Dom von Ferrara ein Ökumenisches Konzil eröffnet und dessen konstruktivste Phase abgehalten im Beisein von Papst Eugen IV. und vieler orientalischer Bischöfe. Es war das Konzil der Vereinigung mit den griechischen Brüdern, das, wenn es auch nicht sofort alle erwünschten Früchte erbrachte, doch einen wichtigen Schritt auf dem Weg der Ökumene darstellte. Von dort ist ein Funken ausgegangen, der in der heutigen Welt zu einer hell brennenden Hamme geworden ist. Im gegenwärtigen Augenblick drängen neue Herausforderungen, und neue Ziele erwarten euch. Verbreitet, liebe Freunde, um euch die Wärme der Brüderlichkeit und die Glut der Solidarität. Gebt eurer Tätigkeit Halt im Glauben an Gott, den gemeinsamen Vater der ganzen Menschheit. Ihr habt das Zeugnis hochherziger und unternehmungslustiger Laien hinter euch, die in nicht weniger schwierigen Zeiten als den unseren sich mit allen Kräften einzusetzen vermochten, um den Sauerteig des Christentums wirksam in die Realität der heutigen Welt zu bringen. Das katholische Ferrara hat nicht nur der Kirche, sondern auch der bürgerlichen Gesellschaft auf jeder Ebene einen entscheidenden Beitrag an Werken und an Menschen geliefert. Männer und Frauen, geformt in der Schule des Evangeliums, haben mit dem Zeugnis des Wortes und der Tat gezeigt, welche Vorteile eine aus dem Glauben kommende Inspiration auch dem zivilen Einsatz bringen kann. Es gibt keine Gerechtigkeit ohne Frieden. Es gibt keinen Frieden ohne Liebe. Es gibt keine Liebe ohne Gott. <565> <565> Der Glaube nährt den Optimismus, ein Gefühl, woran es der westlichen Welt mangelt. Auf den reicheren Ländern lastet zur Zeit die Gefahr des bevölkerungsstatistischen Untergangs, weil die Gesellschaft immer älter wird und es immer weniger Kinder gibt. Wie kann man bei dieser Aussicht auf eine bessere Zukunft hoffen? Ferrara, wohne dem besorgniserregenden Phänomen des stetigen Rückgangs deiner Bevölkerung nicht unberührt bei! Ein mit Mut gelebter Glaube wird die nötige Zuversicht zurück- 685 REISEN geben, um jede Besorgnis, jede egoistische Versuchung zu überwinden und die Herzen für die Selbstlosigkeit zu öffnen. Heute verfolgt man immer fortschrittlichere technologische Resultate und läßt dabei bisweilen die unverzichtbaren Forderungen der natürlichen und göttlichen Moral außer acht. Doch kann eine Welt ohne Gott jemals glücklich sein? Ohne Achtung vor den Gesetzen Gottes gibt es keine authentische Entwicklung. Liebe Einwohner von Ferrara, ich wünsche euch, daß Gott stets im Mittelpunkt eures Lebens steht! Habt ihn als höchsten Bezugspunkt in euren Familien, in euren Vereinigungen und in eurem ganzen persönlichen und gesellschaftlichen Leben! Nur so kann eure Stadt zum bevorzugten Ort eurer Pläne und eurer berechtigten Sehnsüchte werden. Das ist mein Wunsch zu Beginn dieses Besuchs. Mit diesem Wunsch, den ich der Fürsprache der Gnadenmutter anvertraue, segne ich alle von Herzen! Arbeiter im Weinberg des Herrn Predigt bei der Messe in Ferrara am 23. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Unser Herr Jesus Christus bereitet für uns heute als Herr des Weinbergs, von dem der heutige Text aus dem Evangelium spricht, einen doppelten Tisch: den des Wortes Gottes und den der Eucharistie. Treten wir an diesen Tisch heran! Tretet ihr alle heran, die ihr nach der göttlichen Nahrung zur Stärkung eurer menschlichen Kräfte hungert und dürstet! Das Wort, das von Gott kommt, hat eine lange Geschichte. „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn“ (Hebr 1,1-2). Im menschgewordenen Sohn wird die Fülle des geoffenbarten Wortes Wirklichkeit. Er ist das ewige Wort, das „Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ (vgl. Joh 1,14). Und er selbst lädt uns als Herr des Weinbergs zur Teilnahme am Mahl des Wortes Gottes und der Eucharistie ein. Ich grüße euch alle, liebe Brüder und Schwestern, die ihr euch zu dieser erhebenden und eindrucksvollen Feier versammelt habt. Ich danke eurem Hirten, dem lieben Erzbischof Luigi Mavema, für die Worte, die er im Namen der ganzen Gemeinschaft der Diözesen an mich gerichtet hat. Mit ihm begrüße ich die Oberhirten aus der Emilia Romagna und die konzele-brierenden Bischöfe. Ich schließe auch die Priester, die Ordensmänner und Ordensffauen und alle ein, die in der Diözese sich an der apostolischen und missionarischen Arbeit beteiligen. Ein ergebener Gruß gilt ferner den anwesenden Behördenvertetem. Mit besonderer Zuneigung wende ich mich dann an die Kranken, an die Jugendlichen und an euch alle, die ihr das Volk Gottes in seiner reich ausgeprägten Verschiedenheit und mit seinen zahlreichen Charismen bildet. 686 REISEN 2. Zunächst hat Gott „viele Male und auf vielerlei Weise“ durch die Propheten gesprochen. Die Liturgie legt uns diese vielfältigen Äußerungen jeden Sonntag und jeden Werktag vor. Wie mächtig klingen die Worte des Propheten Jesaja wieder! Wie klar kommt in ihnen die Transzendenz Gottes zum Ausdruck! Zugleich aber mft dieser absolut über alle unsere Gedanken und Wege, über die ganze Schöpfung erhabene Gott den Menschen und spricht ihn mit dem Wort des Propheten an: „Sucht den Herrn, solange er sich finden läßt, mft ihn an, solange er nahe ist“ (Jes 55,6). Gott ist also fern von uns, doch zugleich nahe. Er umfängt alles und durchdringt alles,. „Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28), wie Paulus auf dem Areopag von Athen ausrufen wird. 3. Dieser Gott - aber wie ist dieser Gott? Hören wir den Psalmisten: „Groß ist der Herr und hoch zu loben, seine Größe ist unerforschlich ... Der Herr ist gnädig und bannherzig, langmütig und reich an Gnade. Der Herr ist gütig zu allen, sein Erbarmen waltet über all seinen Werken ... Gerecht ist der Herr in allem, was er tut, voll Huld in all seinen Werken. Der Herr ist allen, die ihn anrufen, nahe, allen, die zu ihm aufrichtig rufen“ (PS 145,3.8-9.17-18). So spricht zu uns der Psalm über ihn, ja Gott offenbart sich hier selber in den Worten des Psalmisten. <566> <566> „In dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn.“ Und wie drückt sich der Sohn aus? Er zieht es vor, in Gleichnissen zu reden. Auch heute haben wir eines gehört, das von den Arbeitern im Weinberg. Der Sinn ist klar. Gewiß will Jesus hier nicht die Lohnfrage im Rahmen sozialer Gerechtigkeit behandeln. Er will vielmehr die Haltung Gottes dem Menschen gegenüber darlegen; eine Haltung, die sich nicht an einer tariflichen Abmachung ausrichtet, sondern am Geschenkcharakter, der jede menschliche Logik und alle rechtliche Begrifflichkeit übersteigt. Der Schluß des Gleichnisses kann geheimnisvoll erscheinen. Den Männern der letzten Stunde wird der gleiche Lohn gewährt wie den anderen, die „die Last des Tages und die Hitze getragen haben“. Das Verhalten des Herrn des Weinbergs erscheint herausfordernd, und wir wundem uns nicht, daß es Proteste auslöst. Man kann instinktiv eifersüchtig und neidisch werden, weil ein anderer ohne sein Verdienst das gleiche bekommt, was wir nur mit harter Mühe erwerben konnten. Doch die Gerechtigkeit Gottes ist von ganz anderer Art als die der Menschen, und es nützt nichts, die Wege Gottes den engen Pfaden unserer Vemunftsgründe gegenüberzustellen. 687 REISEN 5. Wie gut bereitet uns daher die heutige Liturgie auf das Hören des Evangeliums mit dem Allelujavers vor, der lautet: „Öffne, Herr, unser Herz, daß wir den Worten deines Sohnes aufmerksam lauschen“ (vgl. Apg 16,14b). Ja, wir müssen diesen Worten aufmerksam lauschen und sie bis auf den Grand hören. „Alles ..., was Jesus getan und gelehrt hat“ (Apg 1,1), wird im mächtigen und endgültigen Wort von seinem Tod und seiner Auferstehung zusammengefaßt, im Wort des Paschamysteriums Christi. In der Liturgie deckt die Kirche für uns den Tisch des Wortes Gottes, denn das Hören darauf bereitet uns auf den Zutritt zur Eucharistie, dem mystischen Mahl des Leibes und des Blutes des Herrn, vor. In diesem wahrlich unaussprechlichen Opfer spricht der Sohn, der gleichen Wesens mit dem Vater ist, ohne Worte. Das Kreuz ist sein wirksamstes und entscheidendes Wort. Und auch der ewige Vater offenbart sich in absoluter und endgültiger Weise in diesem Wort des Sohnes, im Wort der Erlösung, dem Wort ewigen Lebens, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Nach diesem Wort ist innerhalb der Geschichte der göttlichen Offenbarung mit der Herabkunft des Heiligen Geistes Schweigen eingetreten. Doch es ist ein Schweigen, das Leben schenkt. „Der Geist ist es, der lebendig macht“ (Joh 6,63). 6. Wir sind zur Teilnahme aufgerufen. Wir sind aufgerufen, unser Herz den Worten Christi zu öffnen, damit sein Geist in uns wirken kann. Wir sind als Arbeiter in diesen Weinberg gerufen, der das Reich Gottes darstellt. Dieses Reich ist uns nicht nur im Wort Christi, das heißt im Geheimnis von Kreuz und Auferstehung als ein Gut geschenkt, das wir besitzen sollen, sondern als Sendung anvertraut, die wir erfüllen müssen. Die immerwährende Ausgießung des Heiligen Geistes aber prägt uns ständig diese Aufgabe ein. 7. So stehen wir also, liebe Brüder und Schwestern, am Tisch der Eucharistie. Auf ihm finden wir Speise und Trank: finden wir Christus. Mit ihm ist uns ferner das Zeichen unserer persönlichen Berufung zum Mitwirken mit seinem Heiligen Geist gegeben, der in uns wirkt, mit dem Geist, der Leben schenkt. Wie der hl. Paulus sagt (vgl. Phil 1,20), soll Christus in unserem Leib verherrlicht werden. Er wird es gerade durch die Eucharistie. Für den Apostel „ist Christus Leben“ (vgl. Phil 1,21), und so muß es auch für uns sein. Für jeden gelten die Worte:„Lebt..., wie es dem Evangelium Christi entspricht“ (Phil 1,27). Die eucharistische Kommunion lädt uns besonders zu einer solchen Lebensführung ein. Die Eucharistie, das ist Christus, der in unserem Leibe verherrlicht wird! Christus wird in unserem Leben und in unserem Tod verherrlicht (vgl. Phil 1,20); im Tod, der ja Öffnung auf die neue Fülle des Lebens hin ist, das der Menschheit vom Erlöser geschenkt wurde; im Leben, das der Heilige Geist in uns hervorbringt: der Geist, der Leben spendet. Hören wir also das Wort des Evangeliums! Hören wir das Wort vom Kreuz und von der Auferstehung! Unsere Herzen sollen dafür immer offen sein. Im Leben und im Tod - immer - soll Christus in uns verherrlicht werden! Mit Ihm sind auch wir zur Herrlichkeit berufen, berufen zum Leben in Ihm, in Gott! Amen. 688 REISEN Die Kirche - geistliche Mutter Angelus in Ferrara am 23. September Liebe Schwestern und Brüder! 1. Ich weiß, daß eure Marienverehrung besonders lebendig ist, wie es die zahlreichen Heiligtümer in eurer Diözese bezeugen. Außer der Kathedrale, in der Maria unter dem Namen „Madonna delle Grazie“ verehrt wird, möchte ich die Heiligtümer von „Santa Maria in Aula Regia“ in Comacchio nennen sowie die der „Madonna della Corba“ in Massafiscaglia, der „Madonna della Galvana“ in Berra, der „Madonna della Pioppa“ in Ospedale di Bondeno und der „Madonna del Poggetto“ in Sant’Egidio. So viele Zeugnisse der Liebe zur Gottesmutter, die eure Geschichte und eure Traditionen tief geprägt haben. Möge die Verbindung mit ihr heute noch tiefer und euer Blick noch fester auf ihr Antlitz gerichtet sein, damit ihr sie in Treue zum Willen Gottes nachahmt und aus ihr die Kraft schöpft für eure Evangelisierungsarbeit. 2. Maria ist das Vorbild der Evangelisierung, ja das Urbild jeder Evangelisierung kraft des wahrhaft einzigartigen Vorzugs als Mutter Gottes, die den göttlichen Erlöser empfangen, in ihrem Schoß getragen und der Welt geschenkt hat. Auf dieses unvergleichliche Vorbild müssen alle diejenigen schauen, die in der Kirche auf dem weiten Feld des Apostolats arbeiten, im Weinberg Gottes, von dem die heutige Liturgie spricht. Die Kirche als Ganzes hat an der gleichen Mutterschaft Marias teil, indem sie der Welt Christus bringt. Ich meine jetzt insbesondere die Evangelisierungstätigkeit der Kirche und ihr Lehramt. Wer das mütterliche Gefühl erkennt, das in diesem Lehramt der Wahrheit pulsiert, hat keine großen Schwierigkeiten, es anzunehmen, auch wenn es anspruchsvoll und nicht leicht ins Alltagsleben umzusetzen ist. Er nimmt vielmehr bei jeder Gelegenheit die Liebe einer weisen und fürsorglichen Mutter wahr, die auf nichts anderes hinzielt als das volle Heil des Menschen. Die heilige Jungfrau ist - wie es die christliche Tradition sagt -Zeichen und Abbild dieser geistlichen Mutterschaft der Kirche. <567> <567> An die Quelle des beispielhaften Glaubens Marias wendet sich vertrauensvoll die christliche Gemeinschaft heute wie gestern; sie ruft ihren besonderen Schutz an und will von ihr lernen, den Menschen unserer Zeit das Wort des Lebens mitzuteilen. Liebe Schwestern und Brüder, die Gottesmutter helfe euch durch ihre mütterliche Fürsprache bei eurem Einsatz im Dienst der Evangelisierung und segne eure Bemühungen und eure guten Vorsätze. 689 REISEN Für eine Ortskirche mit Blick in die Zukunft Ansprache an die Bevölkerung von Argenta sowie Kirchenvertreter aus der ganzen Region Emilia-Romagna am 23. September Herr Präsident der Italienischen Republik, meine Herren Kardinäle, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt, hier anwesende Vertreter der zivilen und militärischen Behörden, meine lieben Brüder und Schwestern! 1. Eine besondere Atmosphäre umgibt dieses unser Treffen. Es folgt auf jenes, das kurz zuvor im Dom stattgefunden hat, wo wir mit dem Klerus der Priester dieser Region gedacht haben, die bei der Erfüllung ihrer Pflicht ihr Leben hingegeben haben. Es sind Gruppen aus der ganzen Emilia-Romagna anwesend: Sie sind für einen letzten Gruß am Ende des Pastoralbesuchs bei den Kirchen ihrer Region gekommen. Ich begrüße sie von Herzen, denn sie lassen mich die Wärme jener unvergeßlichen Begegnungen erneut verspüren. Es war ein einmaliger Besuch, schon von seiner Dauer her: alles in allem zwölf Tage. Und es war nicht ausreichend, denn auch nach dem Abschluß der letzten Etappe in Ferrara sind wir erneut zusammen, als ob wir uns nicht trennen könnten. Um die Wahrheit zu sagen: Diese Menschen habe ich ins Herz geschlossen. Meine Lieben, ich möchte euch nochmals meine Anerkennung für die Sorge aussprechen, mit der ihr die Unversehrtheit des Glaubens und die Leidenschaft der Werke, mutige Initiativen der Liebe und die Ernsthaftigkeit kulturellen Engagements fördert mit eifriger Aufmerksamkeit gegenüber der Vollständigkeit des pastoralen Auftrags, wie es sich für reife Christengemeinden gebührt. Bei den Reisen durch eure Region habe ich auch in Gebieten, die der religiösen Praxis fem-stehen, die Existenz einer gemeinsamen Basis an christlichen Werten und Gefühlen entdeckt, die immer auf eine Beziehung zur Kirche hinweisen und auch wertvoll für die Zukunft sind. <568> <568> Ja, ich spreche von Zukunft, denn die erste Schlußfolgerung am Ende dieses Pastoralbesuchs ist, daß dies eine einzigartige Stunde für die Kirchen der Emilia-Romagna ist, einer jener Momente, wo eine christliche Generation gewahr wird, daß sie vor einer historischen Aufgabe steht, die sie gegenüber den kommenden Generationen wahmehmen muß. Eure Bischöfe haben das als erste erfaßt und mit dem sehr guten Hirtenbrief von 1986, der „Una Chiesa che guarda al futuro“ (Eine Kirche, die in die Zukunft blickt) betitelt ist, die ganze pastorale Aktion in diese Richtung orientiert. Auch mir war es ein Anliegen, den Besuch bei euren Kirchen in dieser Perspektive auszurichten, und aufgrund des Vertrauens, das ich in sie hatte und habe, habe ich ihnen eine Aufgabe von großer Tragweite anvertraut. Vor zwei Jahren habe ich auf der Piazza San Petronio (in Bologna) Tausende Universitätsstudenten aufgefordert, sich im Prozeß der Neuevangelisierung einzusetzen. Diese bedingt so etwas wie eine neue Inkulturation des Christentums, die vermutlich viel schwieriger sein wird als die im Lauf des zu Ende gehenden Jahrtausends 690 REISEN vollzogene. „Die Herausforderung einer neuen Inkulturation“ war damals meine Weisung, und ich betonte, daß es vor allem den Jugendlichen zukommt ihn zu verwirklichen. Genau dieselbe Weisung, die ich auf der historischen Piazza di San Petronio, Ausdruck von Jahrhunderten christlicher Tradition, gegeben habe, spreche ich hier im Angedenken an Don Minzoni und die mit ihm ermordeten 87 Priester und fünf Seminaristen heute erneut aus. Ich wiederhole sie euch, als nähme ich sie in der Stunde des äußersten Opfers von ihren Lippen ab. Mit der schweigenden Beredsamkeit des Blutes fordern sie euch zu mutiger Konsequenz und erfinderischem Eifer auf, die die Verkündigung des Evangeliums in der heutigen Welt erfordert. 3. Heute gilt es, einem wichtigen Phänomen besondere Aufmerksamkeit zu schenken: dem Wachsen der Zeit. Von Augustinus stammt der Ausdruck „crescunt dies“. Er gebrauchte ihn anläßlich des Weihnachtsfestes, um die Ausbreitung der evangelischen Botschaft in der Welt zu unterstreichen: „Von heute an [- so sagte er -] beginnen die Tage zu wachsen. Glaube an Christus und die Zeit wächst in dir“ (Senn 370.4.4.). Das ist eine der Grundideen der Ursprünge: Das Christentum ist wie ein Gebäude, bei dessen Bau jede Generation eine eigene Aufgabe hat. Was ist dann die Aufgabe der Christen in der heutigen Welt? Was im heutigen gesellschaftlichen Gefüge vorgeht, läßt an ein neues Stadium der „conditio humana“ denken. Unsere Epoche muß sich mit Fragen und Problemen messen, die sich nie zuvor der Menschheit gestellt hatten. Die unglaublichen Errungenschaften der Wissenschaft, das Vordringen der Technik, die weltweiten Proportionen von Wirtschaft und Finanz, die den Erdball umspannende Verbreitung durch die Massenmedien haben zu Fragestellungen geführt, die den innersten Kem des Menschen und seiner Bestimmung berühren. Man hat den Eindruck, am Anfang eines absolut neuen Kapitels der Geschichte zu stehen. Wenn ich von „Neuevangelisierung“ und „neuer Inkulturation“ spreche, meine ich damit gerade die Aufgabe, zu der in dieser Stunde die Christen gerufen sind. Man muß mit neuer Mentalität an den allzeit gültigen Einsatz herantreten, indem man die von den „Zeichen der Zeit“ kommenden Hinweise aufzunehmen sucht. Und man muß das mit der angebrachten Schärfe tun. <569> <570> <571> <569> Die Zeit wächst nicht von selbst; sie kann sich auch zurückentwickeln bis zur Barbarei. Die Christen wissen, daß die Zeit eine Dimension des Menschen, der Raum seiner Person ist und daß sie mit der Zunahme seiner Reife als verstandbegabtes und freies Wesen wächst, das gerufen ist, der Familie Gottes anzugehören. Man muß also die Menschheit dahin bringen, sich dieser ihrer transzendenten Bestimmung und der zentralen Rolle bewußt zu werden, die die Vorsehung ihr bei der Entwicklung des Universums anvertraut. Diese zentrale Rolle ist keine schlechthin menschliche Intuition; sie ist die Lehre des Gottessohnes selbst, der sie dadurch bekräftigt hat, daß er für die Menschheit und jedes ihrer Glieder sein Blut vergossen hat. Diese Zentralität des Menschen, jedes einzelnen Menschen im Universum, Zentralität, die jede Instrumentalisierung von ihm von der Wurzel her unrechtmäßig werden läßt, ist wesentlicher Bestandteil der Evangeliumsbotschaft. Der Christ kann nicht daran vorbeisehen, ohne 691 REISEN eine Forderung, die aus dem Innersten seines Glaubens kommt, zu verraten. Er verteidigt daher eifersüchtig die der Person, jeder Person geschuldete Achtung, denn er weiß, daß es keinen Menschen gibt, für den Christus nicht am Kreuz gestorben ist. In dieser Überzeugung, gestärkt durch die innere Kraft der Gnade, liegt das Geheimnis einer Liebe zum Nächsten, die wenn notwendig bis zum höchsten Opfer gehen kann. 5. Das Problem der Zukunft ist, ob und wie weit die Menschen in der Lage und willens sein werden, dieser Wahrheit treu zu bleiben, indem sie sie zum Maß und Ziel all ihrer Entscheidungen machen. Dies wird die „magna quaestio“ sein, von der die Zukunft unseres Planeten anhängt. Und eine der Hauptaufgaben der Neuevangelisierung wird sein: in den Gewissen von Anfang an diese Wahrheit zu verwurzeln, die das Fundament des ganzen gesellschaftlichen Gebäudes und das Maß der menschlichen Qualität des Daseins im Leben des einzelnen wie in den Beziehungen unter den Staaten ist. Die Kirche wird dies mit um so größerer Aufmerksamkeit und Vollständigkeit tun, je weniger die Gesellschaft sich darum bemühen sollte. Diese Treue zu der ganzen Wahrheit des Evangeliums und zur persönlichen Beziehung jedes einzelnen Menschen zu Christus hält der Christ hoch. Die Überzeugung, daß der Glaube die Würde der Person nicht vermindert, sondern hebt und verstärkt, ließ Don Minzoni sagen: „Ich möchte verständlich machen, daß wenn ich im Glauben unnachgiebig bin, ich in der Liebe universaler bin.“ 6. Das bevorzugte Alter für das „Wachsen“ der christlichen „Zeit“ ist das der ersten Behauptung des Gewissens: die Kindheit und lugend. Ich bitte die Kirchen der Emilia-Romagna, hier ihre besten Kräfte zu konzentrieren: ihr Bestes an Erziehungspersonal, finanziellen Mitteln, verfügbaren psycho-pädagogischen Instrumenten. Es ist die wirksamste Weise, die „Zeit“ der Welt „wachsen zu lassen“, den Bürgern von morgen die christliche Auffassung des Lebens und die Mittel zu geben, diese wirksam in Strukturen des Zusammenlebens umzusetzen, die Menschen würdig sind, die eines Tages den „neuen Himmel“ und die „neue Erde“ bevölkern werden, „in denen die Gerechtigkeit wohnt“ (2 Petr 3,13). Zwei Orte des Wachsens gibt es für den Christen: die kirchliche und die zivile Gemeinschaft. Beides sind grundlegende Wirklichkeiten, die mit ein und derselben Liebe begleitet und gefördert werden müssen ohne Verwechslungen, aber auch ohne Trennungen. Bevor sie dieses tiefe Band verletzten, haben Don Minzoni und die 92 es vorgezogen, sich am Leib peinigen zu lassen. Ebenso werden die Christen, während sie den Frieden und die Eintracht lieben, es nicht akzeptieren, vom Menschen und den Werten, die sein Verhalten leiten sollen, anders zu sprechen, als Christus es getan hat. <572> <572> Ja, liebe Brüder und Schwestern, wir haben der aus Treue zu ihrem Amt gestorbenen Priester gedacht. Doch blieb unser Blick nicht auf die Vergangenheit gerichtet. Ihr leuchtendes Beispiel hat uns gedrängt, auf die Zukunft zu schauen, um sie auf der Grundlage jener Werte zu planen, für die sie das Leben gegeben haben. In einem Augenblick, wo die Gewalt im Land erneut heftig zuschlägt, möge das Zeugnis derer, die sich selbst für die anderen geopfert haben, ein starker Anruf werden, die Grund- 692 REISEN werte wiederzuentdecken, auf die sich jedes zivile Zusammenleben stützt. Das Opfer dieser Söhne Italiens mache, daß das Land seinen christlichen Traditionen stets Rechnung trage und, ihrem Vorbild folgend, auf eine Zukunft wahren Fortschritts in tätiger Eintracht und Frieden zugehe. Mit diesem Wunsch möchte ich noch einmal dem Präsidenten der Republik für seine Anwesenheit sowie allen zivilen und militärischen Persönlichkeiten danken. Ich grüße alle Bewohner und die Pfarrkinder der einst Don Minzoni anvertrauten Pfarrei. Allen erteile ich von Herzen meinen Schlußsegen. 693 REISEN 9. Pastoralbesuch in Genua (14. Oktober) Maria ist mit euch auf dem Weg Predigt bei der Messe auf der Piazza della Vittoria am 14. Oktober 1. Maria ist auf dem Weg ... „Maria machte sich auf den Weg und eilte“ zum Haus des Zacharias und der Elisabet (vgl. Lk 1,39-40). Als Maria kam, begriff Elisabet die Bedeutung dieses Besuchs. Ohne daß die hl. Jungfrau etwas hätte sagen müssen, erkannte sie, wer ihr Haus betrat. Ja, wäre es überhaupt möglich gewesen, in Worten ein solches Geschehen zum Ausdruck zu bringen? Ein anderes Licht war notwendig, es bedurfte einer tiefen Glaubenserkenntnis: „Elisabet [wurde] vom Heiligen Geist erfüllt“ (Lk 1,41). Nur dank dem Licht des Heiligen Geistes kann der erkannt werden, der durch das Wirken des Geistes im Schoß der Jungfrau empfangen wurde. Nur dank dem Licht des Heiligen Geistes werden der Sohn und die Mutter erkannt: „Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“(Lk 1,43). So erklingen auf der Schwelle des Hauses des Zacharias Worte, die sehr weit in die Zukunft weisen. 2. Nun beginnt auch Maria zu sprechen. In ihren Worten kommt das Geheimnis zum Ausdruck, das sie in sich trägt. Es sind Worte der Freude und der Anbetung: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut“ (Lk 1,46-48). Die Freude der Magd des Herrn! Diese Freude leuchtet weit in die Zukunft hinein: von Geschlecht zu Geschlecht. Ja, von Geschlecht zu Geschlecht wird fortdauem, was der Allmächtige in Maria und durch Maria gewirkt hat. In ihr hat „Großes“ seinen Anfang genommen („magnalia Dei“); es hat begonnen und dauert fort. Die Freude der Gottesmutter reicht weiter in die Jahrhunderte hinein. Das Echo der Worte, die im Hause Elisabets gesprochen wurden, klingt weiter in den Herzen und auf den Lippen der Menschen. Die Kirche nimmt sie jeden Tag auf bei der Feier der Vesper. In wie vielen Sprachen und Kulturen ertönt das „Magnificat“, dieses Lied der Freude und die Anbetung! Durfte denn die demütige Magd von sich selbst sagen: „Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (Lk 1,48)? Durfte sie so etwas behaupten? Ja, sie durfte es. Diese Worte waren vom Heiligen Geist diktiert, vom Geist der Wahrheit. Sie würden ihre genaue Erfüllung finden, denn sie waren vom Geist der Wahrheit eingegeben. Und die Wahrheit ist immer demütig. 3. Maria ist auf dem Weg ... Auch durch eure Erzdiözese, liebe Brüder und Schwestern, hat Marias Weg im Lauf der Jahrhunderte geführt. Ihr begeht heute das Gedächtnis des Besuches vor fünfhundert Jahren auf 694 REISEN dem Berg Figogna. Aber ihr wißt gut, daß die hl. Jungfrau ungezählte andere Male im Leben eurer Stadt zugegen war. Auch heute klopft Maria an die Türen Genuas und bittet um Gastfreundschaft in dieser kirchlichen Gemeinschaft, um in ihr und mit ihr ihren Lobgesang zu singen: „Der Mächtige hat Großes an mir getan.“ Großes hat Gott in der Vergangenheit in dieser Stadt Genua getan! Großes will er auch in der Gegenwart tun. Wird Genua auf die Initiative Gottes zu antworten wissen? Wird es mit Maria das „fiat“ („mir geschehe“) großherziger Annahme und einmütigen Einsatzes zur Antwort geben, um die Werte des Evangeliums in die Welt einzubringen, in eine Welt, die sich so rasch und grundlegend wandelt? Der Pastoralplan, den ihr unter der Führung eures Erzbischofs ausgearbeitet und eingeleitet habt, zielt gerade auf dieses hin: alle zum Mittun bewegen und den Einsatz koordinieren, um im Sozialgefüge der Stadt eine ausgeprägtere christliche Präsenz zu gewährleisten. „Gemeinsam in Christus wachsen, um zu dienen“: Dies ist das zentrale Thema des Planes. Ich fordere euch auf, liebe Brüder und Schwestern, an ihm eure Aktivitäten in jeder Pfarrei, in den Bewegungen, den Gruppen und allen Diözesanstrukturen zu inspirieren. Alle sind eingeladen, bei der Neuevangelisierung, die dem Menschen von heute die Botschaft des Heils wieder neu verkündigen will, zusammenzuarbeiten mit ihren verschiedenen Charismen und dem Reichtum ihrer geistlichen Energien. Ich denke besonders an die Familien und an die Familienpastoral wie auch an das Feld der sozialen Solidarität und der menschlichen Förderung, auf dem sich schon zahlreiche Freiwillige, besonders Jugendliche, engagiert haben. Ich denke ferner an das Werk zur Förderung geistlicher Berufe, an die Jugendpastoral und die Sorge für solche, die zum Priestertum und zum Ordensleben berufen sind. Ich freue mich über den missionarischen Impuls, der euch beseelt, und über die Aufmerksamkeit, die ihr der christlichen Bildung der Laien widmet, denen ebenfalls das Werk der Evangelisierung anvertraut ist. Geht auf diesem Weg beharrlich weiter, habt keine Angst! Maria begleitet euch auf dem Pilgerweg des Glaubens, den auch ihr zu gehen berufen seid, eng um euren Hirten geschart, den lieben Kardinal Giovanni Canestri. An ihn richte ich meinen herzlichen Gruß, den ich auf alle Bischöfe Liguriens ausweite sowie auf alle Oberhirten, die zu dieser Liturgiefeier gekommen sind. Ferner gelten mein Dank und mein Gruß den Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen und all denen, die aktiv in der Pastoralarbeit stehen. Mit Hochachtung denke ich an alle anwesenden Vertreter der Behörden. In besonderer Weise grüße ich die Kranken, die Leidenden und die Alten. An jeden ergeht die dringende Aufforderung, auf dem Weg der Heiligung in Wahrheit und Demut fortzuschreiten. <573> <573> Maria ist auf dem Weg ... Sie machte sich „auf den Weg ins Bergland“, um sich ihrer Verwandten anzunehmen, die kurz vor der Geburt eines Kindes stand. Zum ersten Mal erscheint Maria hier als Helferin. Vom Kreuz auf Golgota, vom Saal des Pfingstereignisses aus wird sich ihre Hilfe in so diskreter und zugleich so wirksamer Weise weiter ausdehnen. Und in so mütterlicher Weise. Sie wird sich auf die Kirche erstrecken, auf die Menschen, auf die Nationen, auf alle Städte. 695 REISEN Sie wird sich besonders auch auf euer Genua erstrecken, die Stadt, die eine so lange und reiche Tradition mit dem Meer verbindet und über die die „Madonna della Guardia“ seit Jahrhunderten mit mütterlicher Sorge wacht. Maria wachte über eure Stadt in der Blütezeit des Handels; sie wachte, als Christoph Kolumbus von hier auszog, um sich in den Dienst des Königs von Kastilien zu stellen und unbekannten Ozeanen entgegenzuschiffen, jenseits deren er neues Land entdecken sollte. An Bord hatte er das Kreuz. Mit dem Kreuz gelangte auch die Muttergottes mit ihrem treuen Zugegensein, mit ihrem mütterlichen Schutz in die Neue Welt. 5. Das fünfhundertste Gedenkjahr eines so großen Ereignisses steht nahe bevor. Die Schwächen und Irrtümer der Menschen konnten es nicht verhindern, daß der mütterliche Schutz Marias, der am Fuß des Kreuzes seinen Ursprung hat, sich über den neuen Kontinent ausbreitete. Er hat sich auch dem Bewußtsein und dem Herzen dieser Völker tief eingeprägt. „Sein Name ist heilig“, der Name dessen, der durch das Kreuz seine grenzenlose Liebe erwiesen hat, die Liebe eines Gottes, der Mensch wurde, um den Menschen zu retten. Am Kreuz hat er die „machtvollen Taten“ gezeigt, die sein Arm vollbringt, der die Niedrigen erhöht und diejenigen zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind, und der die Reichen leer ausgehen läßt (vgl. Lk 1,46-55, passim).6. „Madonna della Guardia“, richte deinen Blick auf diese Stadt, die sich zu Füßen deines Heiligtums ausdehnt. Beschütze diese Stadt, beschütze Italien und alle Länder des alten Europa! Du, die du geglaubt hast (vgl. Lk 1,45), erneuere den Glauben der Menschen und Völker dieses alten Kontinents, der als erster die Gnade des Evangeliums erhielt und die Sendung, es in der Welt zu verkünden. Erneuere den Glauben der Menschen und der Völker, die versucht sind, dem Weltgeist und der Gleichgültigkeit in Dingen der Moral nachzugeben. Ströme von göttlicher Weisheit und auch von menschlicher, vom Geist der Wahrheit gewirkter Weisheit sind durch den europäischen Kontinent geflossen. Möge diese Weisheit wieder hervorbrechen! Möge die Weisheit wieder erscheinen, dank deren der Mensch nicht nur das annimmt, was sichtbar und begrenzt ist, sondern auch den Unsichtbaren und Unendlichen; nicht nur das, was zeitlich und hinfällig ist, sondern auch den Ewigen und Unsterblichen. Möge die Weisheit neu geboren werden, die in dir, Mutter Gottes und Jungfrau, Mensch geworden ist. Du, Maria, bist in einmaliger Weise zur „Wohnung Gottes unter den Menschen“ geworden (vgl. Offb 21,3). Gib, daß der Mensch nie diese Wohnung aufgebe, nie Gott aufgebe. Gib, daß unser europäisches Haus nicht leer werde! „Die Gestalt dieser Welt vergeht“ (1 Kor 7,31). Vergeht sie ohne Wiederkehr? Du, Mutter des Gottmenschen, schaust schon „einen neuen Himmel und eine neue Erde“, „die heilige Stadt, das neue Jerusalem ... bereit wie eine Braut, die sich geschmückt hat“ (vgl. Offb 21,1-2). Du schaust sie! Du sahst sie schon in dieser Welt auf deinem Pilgerweg des Glaubens. Jetzt siehst du sie in der ewigen Wohnung Gottes. Du bist für uns hier auf Erden gleichsam die Offenbarung und das Zeichen dieser himmlischen Wohnung. 696 REISEN „Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein“ (Offb 21,3). Sitz der Weisheit! Mutter des ewigen Wortes! Mach dich noch einmal auf den Weg, und „eile“ in die zahlreichen Städte, in die Länder und in jede Gegend des europäischen Kontinents, in jede Gegend der Welt, so wie du einst zu Elisabet geeilt bist. Mach dich noch einmal auf den Weg, damit der Mensch von heute dich und deinen Sohn erkennen könne. „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“ (Lk 1,42-43). Wer sind wir, daß uns so geschieht? Komm, Mutter des Herrn! Und geh mit uns, Maria! Amen! Himmliche Beschützerin des Volkes Genuas Akt der Weihe an Maria nach der Messe auf der Piazza della Vittoria am 14. Oktober O glorreiche und gebenedeite Jungfrau, erhabene Mutter Gottes, heilige Maria, wende deinen Blick diesem Volke zu, das, ermuntert durch die Worte deines Sohnes Jesus am Kreuz: „Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19,27), sich deinem himmlischen Schutz anvertrauen möchte. Die Bewohner Genuas wollten einst, daß dein Bild über den Toren der Stadt angebracht werde, der sie voll Stolz den Titel gaben: „Stadt der heiligen Maria“. Die Bürger von heute fühlen sich als Erben dieser religiösen Tradition. Sie gedenken deiner Erscheinung vor fünfhundert Jahren und bezeugen dankbar deine stete mütterliche Huld, o himmlische Beschützerin des Volkes Genuas! Mutter der Kirche und unsere Mutter, Maria, wir tragen in unseren Händen, was ein Volk dir darbringen kann: die Unschuld der Kinder, die Großherzigkeit und Begeisterungsfähigkeit der Jugend, die Leiden der Kranken, die edelsten in den Familien gepflegten Gefühle, die Mühe der Arbeiter, die Ängste der Arbeitslosen, 697 REISEN die Einsamkeit der Alten, die Unruhe derer, die nach dem wahren Sinn des Lebens suchen, die aufrichtige Reue derer, die in Sünde gefallen sind, die Vorsätze und Hoffnungen derer, die die Liebe des Vaters entdecken, die Treue und Hingabe der zum Priestertum oder Ordensleben Berufenen, die ihre Kräfte im Apostolat und in den Werken der Barmherzigkeit einsetzen. Und du, heilige Jungfrau, „selig, die du geglaubt hast, daß sich erfüllt, was der Herr dir sagen ließ“ (vgl. Lk 1,45), mach uns zu mutigen Zeugen Christi. Wir wollen, daß unsere Liebe echt sei, so daß sie die Ungläubigen zum Glauben zurückführt, die Zweifelnden gewinnt und alle erreicht. Gib, o Maria, daß die zivile Gemeinschaft Fortschritte in der Solidarität macht, daß sie mit wachem Sinn für Gerechtigkeit handelt und immer brüderlicher wird. Hilf uns allen, die Horizonte der Hoffnung zu den ewigen Wirklichkeiten des Himmels zu erheben. Heilige Jungfrau, wir vertrauen uns dir an und bitten dich, gib, daß die Kirche in Genua in all ihren Entscheidungen das Evangelium bezeugt, damit vor der Welt das Antlitz deines Sohnes und unseres Herrn Jesus Christus aufleuchtet, der lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Genua - Stadt der heiligen Maria Angelus in Genua am 14. Oktober Liebe Genuesen! 1. Es freut mich wirklich, unter euch zu weilen anläßlich der Fünfhundertjahrfeier der Erscheinungen der Madonna della Guardia, mit der ich mich besonders verbunden fühle, auch weil in den Vatikanischen Gärten eine Kopie von ihr steht, die eure Mitbürger Papst Benedikt XV. geschenkt hatten. Und auf sie, die heilige Beschützerin eurer großen und edlen Stadt, lenke ich in diesem Augenblick meine Gedanken. Eure Einladung habe ich gern angenommen, und ich beteilige mich mit besonderer Freude an der Schlußfeier des Marianischen Jahres der Diözese, während dem euch Gelegenheit geboten wurde, die christliche Verpflichtung zu erneuern, indem ihr Maria nachfolgt und auf ihre mächtige Hilfe vertraut. In wenigen Stunden wird ihr auf der Piazza della Vittoria im Zentrum feierlich die gesamte Erzdiözese anvertraut, die seit fünfhundert Jahren nicht aufhört, vertrauensvoll ihren mütterlichen Schutz zu erbitten. Die Marienverehrung hat in der Tat das 698 REISEN Leben von euch Genuesen immer ausgezeichnet, wie unter anderem das Standbild der Madonna di Cittä bezeugt, das 1637 zur Erinnerung an die Proklamierung Marias zur Schutzherrin und Königin der Republik errichtet wurde. Nach verschiedenen Wechselfällen wurde die Marmorstatue im Jahr 1952 am äußersten Ende der Mole „Giano“, dem Sitz der Schiffsführer, wieder feierlich aufgestellt. Auf ihrem Sockel ist zu lesen: „Genua, Stadt der heiligen Maria“, während auf der Schriftrolle, die das Jesuskind in der Hand hält, geschrieben steht: „et rege eos“, um die Liebe zur seligsten Jungfrau und die Verpflichtung zur Treue gegenüber dem Evangelium zu unterstreichen, die die Traditionen eurer Stadt kennzeichnen. 2. Dieselbe Frömmigkeit prägt wunderbar die Kirchen, Wallfahrtsorte und zahlreichen Kunstwerke, die zum künstlerischen und kulturellen Erbe eurer Stadt gehören; sie kennzeichnet das Zeugnis der Seligen und Heiligen, die aus eurer Gegend stammen; sie ist sichtbar in den sozialen Verwirklichungen, in den großen Wohlfahrtseinrichtungen, die aus der Begeisterung und dem Glauben eurer hochstehenden Mitbürger erwuchsen. Das fleißige und einfallsreiche Volk von Genua fand in den christlichen Werten seine Inspiration und zog aus dem Evangelium seinen apostolischen Eifer. Glaube und Fortschritt gingen in eurer Geschichte Hand in Hand, die Evangelisierung war immer mit der Förderung des Menschen verbunden; das religiöse Streben war nie von der Bürgerpflicht getrennt. Auch der heilige Bernhard von Clairvaux lobte eure Standhaftigkeit, euren Mut, eure Frömmigkeit. Genuesen, bleibt eurer Vergangenheit treu und baut euch eine Zukunft auf der Höhe eurer edlen Geschichte! Seid echte Christen und bietet dem, der euch begegnet, das Zeugnis einer frohen Treue zum Evangelium! 3. Liebe Schwestern und Brüder, ich umarme euch voller Liebe! Euch allen Dank, daß ihr aus allen Stadtteilen gekommen seid, mich zu begrüßen. Ich danke herzlich den Obrigkeiten der Stadt, der Provinz und der Region. In besonderer Weise wende ich mich an euren Erzbischof, den lieben Kardinal Giovanni Canestri, um ihm meine brüderlichen Gefühle der Hochschät-zungund des Dankes auszusprechen in Erinnerung an seinen sehr verehrten Vorgänger Kardinal Giuseppe Siri, den bedeutenden Hirten und herausragenden Kirchenmann, dessen Grab ich jetzt gleich besuchen werde, um dort zu beten. Meine Gedanken gehen in diesem Augenblick auch zu den Bischöfen, den Priestern, den Ordensmännem und -frauen, den Laien und allen, die die große Diözesanfamilie bilden. Einen besonderen Gruß möchte ich dann an die Welt der Arbeit und insbesondere an die Hafenarbeiter richten, die in bemerkenswertem Maß zur wirtschaftlichen Entwicklung Genuas beitragen. <574> <574> Von diesem historischen Palazzo San Giorgio, dem ruhmvollen Wahrzeichen der großen genuesischen Vergangenheit, weitet sich der Blick über den Hafen und das Meer. Muß man nicht daran denken, daß gerade von hier aus im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Missionare, Priester, Ordensleute und Laien aufgebrochen sind, um die Heilsbotschaft in ferne Län- 699 REISEN der zu tragen? Unter nicht wenigen Schwierigkeiten haben so viele mutige Apostel Christi denkwürdige Seiten der christlichen Geschichte geschrieben. Auch heute muß diese edle missionarische Tradition im Rahmen der Neueevangelisierung fortschreiten. Seid alle, ihr Bewohner „dieser führenden, auf die Zukunft ausgerichteten Stadt“, hochherzige Bauleute der Strahlkraft des Evangeliums! Macht eure Stadt, vor allem die Altstadt, immer mehr zu einem gastfreundlichen und offenen Haus für alle. Wie anderswo, so läuft man auch hier Gefahr, sich in das eigene Ich zu verschließen und dem Hilfesuchenden nicht Gehör zu schenken, nicht bereit zu sein, diejenigen aufzunehmen, die aus den Ländern einer anderen kulturellen und religiösen Tradition kommen. Auf die egoistische Versuchung zur Emargi-nation und Isolierung reagiert mit dem Mut zur Solidarität; begegnet den neuen Bedürfnissen der Gesellschaft mit eurer Dienstbereitschaft. Baut eine Stadt von echt menschlicher Dimension! 5. Vor etwa fünf Jahrhunderten zog ein Sohn eures Landes, Christoph Kolumbus, aus, um andere Verbindungswege im Westen zu suchen, und dank seines Einfallsreichtums, seiner Ausdauer und seines Glaubens konnten die Völker der Neuen Welt sich der Verkündigung des Evangeliums öffnen. Es freut mich zu hören, daß eure Erzdiözese um dieses Ereignis in konkreter Weise zu feiern und auch zum Gedenken an die heutige Weihe an Maria beschlossen hat, den eigenen Beitrag mit Priestern, Ordensleuten und Laien aus Genua für die Neuevangelisierung in Lateinamerika anzubieten. So weitet sich der Horizont eurer apostolischen und geistlichen Tätigkeit. Während nämlich in euch durch die tägliche Aufmerksamkeit für die Probleme der Stadt die Haltung des konkreten Dienstes, bestehend aus einfachen und hochherzigen Gesten, wächst, reift euer Sinn für die Zugehörigkeit zur Weltkirche durch die großen missionarischen Öffnungen. Maria unterstütze durch ihre mütterliche Hilfe die guten Vorsätze, die euch beseelen; an sie wenden wir uns jetzt mit dem Angelusgebet. 700 REISEN 10. Pastoralbesuch in Neapel und den Diözesen Kampaniens (9. bis 13. November) Der Mensch steht vor und über den Strukturen Ansprache an die Vertreter der Hochschulen in Neapel am 9. November Magnifizenz, geehrte Dozenten der Hochschulen von Neapel! 1. Ich freue mich, daß ich nach dem Hebevollen Gruß an die Bevölkerung am ersten Tag meines Besuchs dieser Stadt nun der Welt der Kultur begegne: eine Begegnung, die nicht nur aus Zufall im Theater „San Carlo“ stattfindet, dem ältesten Theater, das in Europa in Betrieb ist, das mehrere Male beschädigt und auch zerstört wurde, doch stets mit noch größerer Lebendigkeit wiedererstanden ist. Es kann als Sitz und Ausdruck einer Kultur betrachtet werden, die für Neapel typisch ist, und die doch zugleich auf edle Weise über seine Grenzen hinausgeht. Der Herr Rektor der Universität, dem ich sehr für die vornehmen Worte danke, die er an mich gerichtet hat, wird mir zu sagen erlauben, daß ich gern unter Ihnen bin, liebe Professoren der Universität, des Universitätsinstituts für Orientalistik, des Universitätsinstituts für die Schifffahrt, der Pädagogischen Hochschule „Schwester Ursula Benincasa“, der Theologischen Fakultät Süditaliens, sowie anderer akademischer Einrichtungen — denn als Vertreter und Exponenten der Künste und Wissenschaften des gesamten neapolitanischen Gebiets, bieten Sie mir die Gelegenheit, und sei es auch nur kurz, über die Stellung nachzudenken, die die hohe Kultur im modernen Leben einnimmt, sowie über die besondere moralische und soziale Verantwortung jener, die aufgerufen sind, sie zu fördern. Außerdem möchte ich hinzufügen, daß ich mich durch diese Begegnung geehrt fühle, da ich weiß, daß die Stadt Neapel im Bereich der Kultur auch heute noch eine Avantgardestellung einnimmt, denn sie kann unter ihren Universitätsdozenten Menschen von internationalem Ruf aufzählen. Und dies ermuntert mich dazu, den Wunsch vorwegzunehmnen, daß auch neue Gruppen vielversprechender Jugendlicher, an denen diese edle Erde reich ist, hier in Neapel den geeigneten Raum finden mögen, um ihre Talente fruchtbar werden zu lassen und auf diese Weise weiterhin jene fundamentale Rolle im aufregenden Unternehmen der Eroberung der Wahrheit zu entwickeln. <575> <575> Das ist ein schwieriger und großer Kampf, in dem die Universitätsstrukturen zweifellos eine Funktion ersten Ranges innehaben. Doch vor und über den Strukturen stehen die Menschen, von denen vor allem jene aufzuzählen sind, die als Dozenten tätig sind, in deren Händen die Ausbildung der Jugendlichen liegt, die die Hoffnung der Zukunft sind. Schwerwiegend und persönlich ist daher Ihre Verantwortung. Wenn das Problem des Südens Italiens, eher noch als ein soziales und wirtschaftliches, ein moralisches Problem ist, so ist es 701 REISEN die Pflicht aller, mit Zähigkeit und Hingabe das Bewußtsein der jungen Generationen zu erziehen. Doch sind vor allem Sie es, denen diese Pflicht zukommt. Von allen Wissenschaftlern, wie von den gebildeten Menschen im allgemeinen, wird, wie Sie sehr wohl wissen, eine unerbittliche Suche nach der Wahrheit verlangt, und diese Forderung hat zwei Aspekte: einen objektiven (die Ergebnisse der Forschung müssen korrekt sein) und einen im eigentlichen Sinn ethischen (die Forschung selbst muß wohlgeordnet, sachlich, frei und fruchtbar in ihrer Freiheit sein). Diese der Forschung innewohnende Rigorosität ist eine von allen angenommene und unbestrittene Tatsache. Die Kirche erkennt ihrerseits die berechtigte Freiheit der Bildung nicht nur an, sondern, wie es ausdrücklich im Laufe des Zweiten Vatikanischen Konzils bestätigt wurde, verkündigt sie sogar (vgl. Pastoralkonstitution Gaudium et spes, Nm. 59, 62). Und eben aufgrund dieser rechtmäßigen Autonomie müssen die Dozenten ihre Mission mit starkem moralischem Bemühen ausführen, das nicht nur Heiß in der Forschung, sondern auch Emst und Treue in den übernommenen Verpflichtungen beinhaltet. Die ethische Forderung der Kultur findet ihren wesentlichen Ausdruck in Reflexion, innerer Sammlung, Rechtschaffenheit und Beispielhaftigkeit, was alles um so wirkungsvoller ist, je fremder ihr jedwede Form von Zurschaustellung ist. Ein Mensch der Kultur wird daher ein glaubwürdiger Zeuge dieser Werte sein müssen, bevor er sie anderen vorlegt oder sie aus beruflicher Pflicht heraus lehrt. Auch die von allen für den Süden als dringlich und wünschenswert beurteilte moralische Hebung muß auf diesen Grundvoraussetzungen beruhen. Es stimmt also, daß sich die Gesellschaft des Südens von Ihnen, den Menschen der Forschung und der Schule, sehr viel erwartet. Sie müssen sich den globalen gesellschaftlichen Rahmen, in dem Sie tätig sind, vor Augen halten, ihn erforschen und dann einschreiten, um ihn zu erheben. Sie können durch Ihre Arbeit die Gesellschaft selbst in den Lebenskreis der italienischen Nation, der Europäischen Gemeinschaft und der weltumspannenden Gesellschaft eingliedem. Wenn man sich heute darüber beklagt, daß bestimmte Führungsschichten ihren Aufgaben nicht gerecht werden - und die Kirche selbst hat dies im kürzlich erschienenen Dokument der Italienischen Bischofskonferenz über den Süden Italiens herausgestellt -, so müssen die Erwartungen, Forderungen und neuen Umstände ernsthaft untersucht werden, und zwar mit wachem Verantwortungssinn gegenüber sich selbst und der Gesellschaft. Wenn der Arzt beispielsweise seine Studenten darin unterrichten muß, welche Verantwortlichkeiten.den Kranken gegenüber zu erfüllen sind, wird da nicht allen, doch insbesondere jenen, die eine gehobene soziale Funktion haben, jene „Religion der Verantwortlichkeit“ auferlegt, die es nicht erlaubt, irgendwie unbeteiligt zu bleiben? <576> <576> Die Geschichte der Universität von Neapel ist reich an vorbildlichen Gestalten der Wissenschaft und des Glaubens, die heute noch als Meister und Erzieher anerkannt werden. Bereits im ersten Jahrhundert ihres Bestehens hatte sie, zunächst als Schüler und dann als Dozenten, einen der glänzendsten Geister der Kirche aufzuweisen: den hl. Thomas von Aquin. Wer hat jemals sein Leben mit unermüdlicherer Beharrlichkeit der Suche nach der Wahrheit gewidmet, im festen Vertrauen auf das rechtmäßige Bündnis von Vernunft und Glauben? Der Weg seiner Forschung, die von der Wahrheit der Dinge bis hin zur höchsten Wahrheit reicht, bleibt eine der erhabensten Synthesen in der Geschichte der Theologie und 702 REISEN der Philosophie und bietet sich noch heute als reiche Quelle der Inspiration für den notwendigen Dialog zwischen dem Wort der göttlichen Offenbarung und dem angeborenen Erkennt-nistrieb des menschlichen Geistes. Doch wenn ich hier sein Andenken wachrufe, so nicht nur, um dem großen Kirchengelehrten, der der neapolitanischen Kulturtradition zum Ruhm gereicht, die gebührende Ehre zuteil werden zu lassen, sondern vielmehr, um daran zu erinnern, wie sehr er diese Forschung nach der natürlichen und übernatürlichen Wahrheit mit der Realität und dem Leben verbunden hat; und auch, um seine tiefe Menschlichkeit und seine Achtsamkeit auf die Strukturen und Formen der Gesellschaft hervorzuheben. Die andere große Gestalt, die an die Universität von Neapel gebunden und der Erinnerung der Süditaliener nah und teuer ist, ist der hl. Alfons Maria von Liguori. Wenige verspürten wie er, der berühmte Jurist und Moraltheologe, die Verantwortlichkeit des gebildeten Menschen gegenüber der Bevölkerung und insbesondere denen gegenüber, die zu seiner Zeit als das ärmste Volk angesehen wurden. Nicht weniger aufmerksam und besorgt um die Armen war Giuseppe Moscati: als Chefarzt und angesehener Forscher und Professor war nicht nur die berufliche Pflicht der Beweggrund seiner Tätigkeit, sondern das klare Bewußtsein, von Gott in die Welt gestellt zu sein, um an den Brüdern als Zeuge des Evangeliums und der Liebe Christi zu handeln mit den Mitteln, die ihm die medizinische Wissenschaft und sein religiöses Empfinden in die Hand gaben. Mögen diese Beispiele, liebe Dozenten, dazu dienen, Sie an einen anderen Kernpunkt Ihrer Funktionen zu erinnern. Während Sie sich der reinen Lehre widmen und zu ihrer notwendigen Entwicklung beisteuern, formen Sie zugleich die Menschen, die morgen die Führungsklassen ausmachen. Indem Sie lehren und erklären, erziehen Sie die zukünftigen Lehrer, sodaß Ihr Handeln schließlich durch Sie auf die Jugendlichen der kommenden Generationen wirken wird. Auf diese Weise strahlt der Einfluß der Kultur und insbesondere der der Universitätsbildung auf die umgebende Gesellschaft aus und belebt sie. Überall, doch insbesondere hier in Neapel und im Süden Italiens, muß die Kultur in dieser Gesellschaft inkarniert werden: sie kann und muß die belebende Kraft einer radikalen Veränderung und Wiederbelebung sein, die nach und nach alle Klassen einbezieht. Dies wird sich vor allem dank der Jugendlichen vollziehen, die an Ihrer Schule herangebildet werden. Neapel hat sich mit seiner Universität und seinen anderen Hochschulen in den entscheidendsten Momenten der italienischen Geschichte stets als kreatives Kulturzentrum und als Bezugspunkt nicht nur für die Nation, sondern für ganz Europa behaupten können. Und dies dank der Gegenwart von Menschen edler Gesinnung, die fest in den höchsten Werten des Wahren und Guten verankert waren. An solchen Menschen hat unsere jetzige Geschichtsepoche ganz besonderen Bedarf, da sie einerseits als das „Ende der Moderne“ (R. Guardini) bezeichnet wird und andererseits von einer weitverstreuten Erwartungshaltung geprägt ist, die nahezu typisch ist für einen Neuanbruch. Gewiß, eine ungeheuer große Aufgabe, der mit großem Mut und Hochherzigkeit begegnet werden muß. Es kann die Furcht aufkommen, menschlich nicht zu genügen, doch wird der Herr die Kraft für eine so wichtige Aufgabe geben. In seinem Namen ermuntere und segne ich alle. 703 REISEN Entwicklung in Solidarität - organisierte Hoffnung Ansprache an die Bevölkerung von Neapel am 9. November Herr Bürgermeister, Herr Minister und anwesende Vertreter der Behörden, Herr Kardinal, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude setze ich neuerlich meinen Fuß in diese Stadt, die mir von Herzen lieb ist. Ich weiß, daß ihr meine Gefühle teilt, liebe Bürger von Neapel, die ihr - wie euer Erzbischof, Kardinal Michele Giordano, erwähnte - ungeduldig diese Begegnung herbeigesehnt habt. An alle geht mein ehrerbietiger und liebender Gruß. Ich danke Ihnen, Herr Bürgermeister, für die Herzlichkeit, mit der Sie mich im Namen der Stadtbevölkerung willkommen geheißen haben, und Ihnen, Herr Minister, der Sie so freundlich waren, mir die Grüße der italienischen Regierung zu Überbringern Ich bin vor allem dem Volk von Neapel für den liebevollen Empfang, den es mir bereitet hat, dankbar. Von den Gefühlen dieses seit den Zeiten der Apostel christlichen Volkes, das Christus und seiner Kirche stets die Treue bewahrt hat, habe ich während der Jahre meines Pontifikats bedeutsame Beweise erhalten. Ich hatte eine Schuld gegenüber dieser Stadt: Nun bin ich hier, sie zu begleichen. 2. Neapel besuchen heißt, mehr als zweitausend Jahre Geschichte einer der reichsten Kulturen Europas zu durchlaufen; heißt, in den Schichten der Kulturen, die hier aufeinander gefolgt sind, das Entstehen einer einzigartigen Stadt zu lesen, die an der Kreuzung der Wege jener Völker gelegen ist, die die Geschichte Europas gestaltet haben; heißt, sich zu verstehen bemühen, wie und warum aus diesen Ereignissen der menschliche Reichtum des neapolitanischen Volkes herrührt, und zugleich auch die Dramen, von denen sein Weg in der Geschichte und heute noch sein tägliches Leben gezeichnet ist. Dieses Bemühen des Verstehens und der liebevollen Teilnahme wird mich in diesen Tagen begleiten, wo ich auf euren Straßen gehe, die Stätten eurer Arbeit und eures Leidens besuche, das Geheimnis der Eucharistie mit euch feiere - Geheimnis des Leidens und des Todes, aber auch Geheimnis der Auferstehung und der Herrlichkeit. Damals, im Oktober 1979 hatte ich bei meinem kurzen Aufenthalt in Neapel auf ebendiesem Platz (Piazza del Plebiscito) einen Appell an die Öffentlichkeit gerichtet: „Neapel verdient ein besonderes Interesse, Neapel fordert eine unmittelbare Fürsorge, Neapel braucht Hoffnung!“ Ich weiß, daß einer der Vorsätze der Synode, die die Kirche von Neapel einige Jahre nach dem erwähnten Besuch durchgeführt hat, in ein Motto gefaßt wurde, das wiederum an meinen Appell anklingt: „Die Hoffnung organisieren.“ Der Hinweis erscheint gerade auch heute besonders angebracht, denn das Erdbeben von 1980 hat das ohnehin heikle Gleichgewicht des sozialen und wirtschaftlichen Lebens der Stadt und ihres Hinterlands in eine Krise versetzt. Damit wurde das neapolitanische Volk von einem Übel heimgesucht, das in seinen verschiedenen Aspekten vielleicht noch verheerender ist als das Erdbeben selbst: spekulative Gewinnsucht, entartet in Formen unsäglicher Gewalt, die auch ganz junges Leben nicht ver- 704 REISEN schont, in Kontrast zur neapolitanischen Kultur, die das Leben und vor allem die Kindheit und Jugend zutiefst achtet. Von diesem Platz aus, der als das Zentrum Kampaniens angesehen wird, geht mein Blick hinaus zu allen Zentren der Region und besonders jenen, die vor zehn Jahren, genau in diesem Monat, von einem schrecklichen Erdbeben heimgesucht wurden. Alle, die noch heute die Male der an Affekten und Dingen erlittenen Verletzungen an sich tragen, seien meines väterlichen Gedenkens gewiß. Ich bin mit euch, meine Lieben, seit jenem 23. November 1980 bin ich es, und teile euren Schmerz, eure berechtigten Erwartungen, eure Hoffnung. 3. „Die Hoffnung organisieren!“ Das möchte und kann nicht einfach eine Trostformel sein! Es muß eine Weise werden, den christlichen Glauben durch konkrete Zeichen des Einsatzes und der Solidarität zu bekennen, durch die ständige Förderung des moralischen Wachstums und der Sanierung der Sitten, durch die Überwindung von Angst und Resignation. „Die Hoffnung organisieren“ muß insbesondere in einem großherzigen sozialen Einsatz für die Lösung der Probleme zum Ausdruck kommen, an denen diese Stadt und der ganze Süden Italiens leidet. Gerade vor einem Jahr hat die Italienische Bischofskonferenz ein wichtiges Dokument mit dem Titel „Sviluppo nella solidarietä - Chiesa italiana e Mezzogiomo“ (Entwicklung in Solidarität - Italienische Kirche und Mezzogiomo) publiziert. Dieses Dokument kann wahrlich als eine nicht nur pastorale, sondern auch - im höchsten Sinn des Begriffs - politische Umsetzung des Vorhabens, die Hoffnung zu organisieren, im weiten Gebiet des Mezzogiomo und folglich im emblematischen Territorium dieser Stadt gelten. Die Verpflichtung, das Gemeinwohl zu fördern, ist Sache aller Bürger, besteht doch eine enge Wechselbeziehung zwischen Entwicklung der Gesellschaft und Vervollkommnung der Person. Es ist daher nötig, die „Kultur des Gemeinwohls“ zu fördern, indem man die individualistische Ethik dank einer überzeugten Beachtung der bürgerlichen Pflichten überwindet und in sich und der Gesellschaft die moralischen Tugenden pflegt, die eine solche Kultur voraussetzt. Es ist nötig, daß die zivile Gesellschaft Neapels in ihrer Gesamtheit Träger ihrer Entwicklung ist; daß das neapolitanische Volk ein starkes soziales Bewußtsein kultiviert und sich als Hüter der reichen Werte seiner Tradition um eine fruchtbare Beziehung zu den Institutionen bemüht. <577> <577> Diese Verpflichtung kommt natürlich in besonderer Weise denjenigen zu, welchen die Bürger die Verwaltung der öffentlichen Gewalt anvertraut haben. Innerhalb der Institutionen, die sie vertreten und verkörpern, sollen sie sich gerufen fühlen, die menschliche Hoffnung durch eine unparteiische und schnelle Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu organisieren. Die Zerrüttung des öffentlichen Lebens würde jegliche Aussicht der Hoffnung an der Wurzel untergraben. „Neapel braucht Hoffnung!“ Es ist daher notwendig, auf eine wache und vorbereitete Führungsschicht zählen zu können, um durch eine Erschließung des Einfallsreichtums, des großen Arbeitsvermögens, der unternehmerischen Fähigkeit, der kulturellen Ressourcen dieser Stadt die Hoffnung wieder aufleben zu lassen, so daß den das ethische, soziale und wirtschaftliche Geflecht zersetzenden Kräften jede Nahrung entzogen wird. 705 REISEN 5. Zu dieser historischen Aufgabe, „die menschliche Hoffnung zu organisieren“, sieht sich die Kirche Neapels im Rahmen ihrer Zuständigkeiten mit dem Beitrag ihrer spezifischen Mitarbeit verpflichtet. Ich bin gewiß, daß sie wie in der Vergangenheit auch heute weiterhin durch ihre vielfältigen Institutionen tätig an der Seite der Gläubigen der Stadt präsent sein wird, speziell der ärmsten und von der Gesellschaft verstoßenen. Ich vertraue die guten Vorsätze von allen der Muttergottes vom Karmel, der Schutzherrin der Stadt, an. Maria, Mutter der Hoffnung, ermutige und unterstütze die gemeinsamen Anstrengungen, damit Neapel zu seinen besten Zeiten zurückfindet. Mit diesen Wünschen segne ich alle von Herzen. Treu sein auch in kleinen Dingen Predigt bei der Eucharistiefeier im Priesterseminar Neapel am 10. November 1. „Selig, wer mit Freude gibt.“ Zu euch spricht der Psalmist, zu euch, liebe Seminaristen. „Selig, wer mit Freude gibt.“ Der Herr wendet sich an euch, aber er wendet sich auch an alle Menschen, denn diese Worte drücken eine Wahrheit von allgemeiner Bedeutung aus. In ihnen ist die gesamte christliche Anthropologie in präziser Zusammenfassung enthalten. Der Mensch - lehrt das Konzil - ist auf Erden das einzige Geschöpf, das „Gott um seiner selbst willen gewollt hat“. Gleichzeitig kann dieser Mensch, den Gott so unter allen anderen Geschöpfen ausgezeichnet hat, sich nicht vollkommen finden, - fügt das Konzil hinzu, -wenn nicht „durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 24). Die aufrichtige Hingabe ..., obgleich diese Worte für alle gelten, haben sie einen besonderen Sinn für euch. Dies ist in der Tat der grundsätzliche Sinn eurer Berufung zum Priesterdienst: die aufrichtige Hingabe. Selig wer mit Freude gibt! Das ist das erste Wort, mit dem sich der Psalmist auf besondere Weise in der heutigen Liturgiefeier an euch wendet. <578> <578> Das zweite Wort aus dem Evangelium nach Lukas ist sehr nahe dem ersten, es ist ein Wort über die Treue. „Wer in den kleinsten Dingen zuverlässig ist, der ist es auch in den großen“ (Lk 16,10). Treu zu sein ist das gleiche wie „mit Freude zu geben“. Sehr bedeutend, sogar unersetzlich ist diese Treue: die Treue in den kleinsten Dingen, sie ist wichtig für das christliche Leben im allgemeinen. Sie ist wichtig als Charaktereigenschaft jedes Menschen. Sie ist in besonderer Weise wichtig in einem Seminar. Man kann sagen, daß das eine wie das andere Bereiche sind, in denen der Seminarist sich selbst erprobt durch die Treue in den kleinen Dingen. Diese „kleinen Dinge“ haben in der Tat eine eigene Größe. In ihnen bestätigt sich auch die authentische Stärke des Charakters. Die Treue im kleinen ist in der Tat ein Ausdruck der Liebe und der Demut. Die Stärke des Charakters gründet hauptsächlich auf dieser doppelten Basis: Liebe und Demut. Es ist wichtig, daß diese innere Größe sich im Menschen festigt. Nur dann wird er imstande sein, das, was groß ist („die großen Dinge“) aufzunehmen, 706 REISEN zu bewahren und zu verwirklichen. Das Priestertum ist eine große Sache: der Dienst „in Persona Christi“. Gerade dafür bereitet ihr euch vor! 3. Noch ein Wort der heutigen eucharistischen Liturgie verdient unterstrichen zu werden. Ein Wort des Apostels Paulus: „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt“ (Phil 4,13). Jeder von uns kämpft ständig mit der eigenen Schwäche. Mit verschiedenen Formen von Schwäche. Formen, die umso gefährlicher sind, wenn sie in der Bewertung der Welt sich in ein Motiv zum Erfolg oder zur Popularität umwandeln. Im Seminar oder im Institut muß man „identifizieren“, was im Licht des Evangeliums Schwäche ist, das, was wirklich gut und wirklich schlecht ist. Man soll ein anspruchsvoller Richter über sich selbst werden. Man darf aber auch nicht den Mut verlieren. Der Apostel schreibt: „Alles vermag ich.“ Unsere innere Verbundenheit mit Christus muß sich in dieser Wahrheit verankern: alles kann ich in Ihm! Möge diese Wahrheit sich in jedem von euch den Weg bahnen durch alle Schwierigkeiten eurer Berufung hindurch. Ihr müßt euch auch den Reichtum der Hinweise zunutze machen, die die letzte Bischofssynode gegeben hat, um euch innerlich zu erneuern und neue Ausdauer auf dem Weg zum Ziel zu schöpfen. Strengt alle eure Kräfte an, mit Begeisterung eure Berufung zu leben! Liebt das Studium, nehmt die Disziplin mit Freuden an, betet vor allem, betet viel, um euch als Freunde des Herrn zu fühlen, der euch gerufen hat und der euch mit bevorzugender Liebe liebt! Vorbild sei euch Maria, die Unbefleckte, deren Statue im Zentrum des Seminarhofes steht. In der Eucharistiefeier bitten wir Christus, Quelle geistlicher Kraft für euch zu sein, damit ihr eines Tages seine fähigen Mitarbeiter in hochherzigem Dienst für das Reich sein könnt. Die Arbeit ist ein ersehntes Gut Ansprache an die Arbeiter in Neapel am 10. November Liebe Freunde! 1. Ich bin froh, mich im Rahmen dieser Pastoraireise in die großzügige und aufnahmefreudige Stadt Neapel mit euch treffen zu können. Ich grüße euch mit Zuneigung und danke euch für die Gefühle, die ihr mir durch den Mund eurer Vertreter ausgedrückt habt. Die Begegnung hier am Sitz der Ansaldo Transporti, die eine Geschichte von 150 Jahren hat und derzeit eine Gruppe von Firmen zusammenschließt, die in Italien und im Ausland gut bekannt sind, erinnert nicht nur an die glorreichen Pioniere dieser Stadt im Bereich des Transportwesens mit der Erbauung der ersten Italienischen Eisenbahn auf der Strecke Neapel-Por-tici (1839), sondern will auch die Arbeit unterstreichen, die Berufserfahrung, den Fleiß und die Kompetenz mehrerer Generationen von Arbeitern, die das lebendige Gedächtnis eines jeden Produktionsbetriebes bilden. Gruß.also und Ehre euch vom Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, dem Vertreter dessen, der Gott ist und in allem uns gleich wurde (vgl. Hehr 2,17; Phil 2,5-8), und der den größ- 707 REISEN ten Teil seines Lebens auf der Erde der körperlichen Arbeit widmete. Da er selbst Handwerker sein wollte wie Josef von Nazaret, „gehört [er] zur ,Welt der Arbeit’, anerkennt und achtet die menschliche Arbeit. Man kann sogar sagen: Er schaut mit Liebe auf die Arbeit“ (Laborem exercens, Nr. 26). 2. Mit den gleichen Gefühlen sehe ich auch auf euch Arbeiter in dieser Stadt. Es ist mir vollkommen bewußt, daß die Arbeit besondere Bedeutung hat je nach den historischen, wirtschaftlichen und kulturellen Umständen der Umgebung, in der sie geleistet wird. In eurem Gebiet zum Beispiel war sie in der Vergangenheit und ist noch heute, trotz der großen technologischen und produktiven Fortschritte, ein mangelndes, ersehntes und gesuchtes Gut, durch die industriellen Umformungen unbeständig und unsicher gemacht. Deshalb möchte ich, über den Ausdruck des Respekts und des Naheseins hinaus, an den Problemen, Ängsten und Hoffnungen, die mir soeben vorgetragen wurden, Anteil nehmen und sie zu deuten suchen. Ich möchte hier vor euch, im Licht der Soziallehre der Kirche, die zentrale Bedeutung der menschlichen Arbeit und die fundamentale Rolle der Bewegungen der Solidarität unter den Arbeitern für die Entwicklung und das Wachstum dieser Stadt und ihrer Kirchenprovinz bekräftigen. Große industrielle Umformungen haben den neapolitanischen Produktionsapparat im Laufe der letzten Jahrzehnte erfaßt, mit wirtschaftlichen sozialen Konsequenzen von erheblichem Ausmaß. Wenn diese Umformungen notwendige Modernisierungen verlangt haben und neue Formen in der Organisation der Arbeit, so haben sie auch keine geringen sozialen Kosten mit sich gebracht, was die Ebenen der Beschäftigung und die Existenz der Produktionsanlagen selbst anbelangt. Diesbezüglich kann ich es nicht unterlassen zu unterstreichen, daß das Unternehmen mehr als ein Vermögen an materiellen Strukturen ist; es ist ein Vermögen an Wissen und an Erfahrungen, die sich im Laufe der Jahre angesammelt haben, ein Vermögen also, das nicht mehr einzig und allein dem einzelnen Unternehmer gehört, sondern die Eigenschaften eines sozialen Gutes erlangt hat. <579> <580> <579> Liebe Freunde, die Arbeit ist „ein Gut für den Menschen“, „ein Gut für sein Menschsein, weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern auch sich selbst als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen ,mehr Mensch wird’“ (vgl. Laborem exercens, Nr. 9). Arbeiten ist also eine Ehre, und eine Ehre, auf die man ein Recht hat, weil sie teil hat an der angeborenen Würde jedes Menschen. Die Möglichkeit zu arbeiten darf deshalb nicht von dem veränderlichen und häufig unvorhersehbaren Gang der Wirtschaft abhängen, als ob es sich um ein einfaches konjunkturelles Phänomen handelte, sondern sie gehört zur inneren Realität des Mannes und der Frau, geschaffen nach dem Bild und Gleichnis Gottes. Dafür sorgen, daß alle zur Arbeit befähigten Personen tatsächlich Arbeit haben, ist nicht die Gewährung eines Gefallens, sondern das Respektieren eines Rechtes, eingeschrieben im ursprünglichen Plan des Schöpfers. Wenn das Kriterium der „Flexibilität“ legitim die Suche von neuen organisatorischen Modalitäten inspirieren kann, muß man jedoch daran denken, daß niemals die Würde des arbeitenden Menschen mit seinen Rechten flexibel wird. 708 REISEN 4. Jedem Recht entspricht eine Pflicht. In diesem Fall ist jede soziale Instanz dazu aufgerufen, ihren Beitrag zu leisten: die politischen Strukturen und Verwaltungsstrukturen, die Welt des Handels und der Industrie, die Arbeiter und die Vereinigungen, die sie vertreten. In dieser Zusammenarbeit der Bemühungen besteht die Solidarität, die notwendigerweise im sozialen Leben den Vorsitz führen muß (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 38-40). Tatsächliche Solidarität hat nicht nur eine vertikale Dimension gegenüber den konstitutionell und wirtschaftlich Verantwortlichen, sondern sie hat auch, wie das Entstehen und die Entwicklung der Arbeitsvereinigungen zeigt, eine horizontale Dimension unter den Arbeitern selbst. Mit Nachdruck ist die Notwendigkeit dieser horizontalen Solidarität zu unterstreichen, besonders für diejenigen, die ihrer mehr bedürftig, weil sie schwächer und deshalb verwundbarer als andere sind. Ich denke in besonderer Weise an die Frauen, ich denke vor allem an die Jugendlichen, die in Ermangelung normaler Arbeitsmöglichkeiten häufig Opfer der Schwarzarbeit sind und dadurch bisweilen sogar der Versuchung zu vereinzelter oder organisierter Kriminalität unterhegen. Ich denke auch an die sogenannten „extracomunitari“, die Ausländer von außerhalb der europäischen Gemeinschaft: die tragischen Lebensverhältnisse, in denen sie sich oft befinden, sind allen bekannt. Italien und Neapel im besonderen, rühmen sich einer langen Tradition der Aufnahmebereitschaft und Gastfreundschaft, die es zu erhalten und zu ermutigen gilt. Man sollte das biblische Gebot nicht vergessen, hebe Brüder und Schwestern, das demgemäß Fremde, Waisen und Witwen Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit seitens der anderen Mitglieder der Gemeinschaft sein müssen (vgl. Dtn 10,18). Sind nicht vielleicht auch sie die „Kleinen“, von denen der Herr häufig spricht? (vgl. Mt 25,35ff.) Die „Armen“, die wir gehalten sind in besonderer Weise zu heben? (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 42). <581> <581> Auf diese Weise ist jeder nicht nur Objekt der Solidarität, sondern darüber hinaus wird er in verschiedenen Formen aktives Subjekt: die Solidarität ist in der Tat „von allen für alle“ (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). Ja, sie muß sogar Unterscheidungsmerkmal jeder modernen und organisierten Gesellschaft werden. Auch in eurer Stadt und in ihrer dynamischen Peripherie, in euren stark bevölkerten Vierteln und im Gürtel der Kirchenprovinz ist eine tatsächliche Entwicklung ohne den verantwortlichen und großzügigen Beitrag der gesamten Gemeinschaft nicht möglich. Es geht auch euch an, liebe Arbeiter, eure wertvolle Mitarbeit in dieser Aufgabe für das Gemeinwohl zu leisten. Ihr könnt nicht darüber wegsehen, daß eure Rolle in der neapolitanischen Situation von besonderer Bedeutung ist, besonders in dieser Phase, in der die Realität Neapels und des südlichen Italien als absinkende dargestellt wird. Eure Arbeit ist verpflichtender Bezugspunkt für die wirtschaftliche und soziale Wiederherstellung eurer Erde; eure Erfahrung der Solidarität ist die Grundlage, auf der sich alle menschlichen und bürgerlichen Beziehungen entwickeln müssen. Dies ist eure große Verantwortung: euch bewußt zu sein, daß in der Arbeit, in eurer Arbeit zum großen Teil die Möglichkeit gründet, die kollektive Hoffnung zu verstärken, die die Bedingung für die Konsolidierung der vollen Identität der neapolitanischen Gemeinschaft ist. 709 REISEN In der Pflege solch einer Haltung könnt ihr auf legitime Weise erwarten, daß auch die anderen mit euch solidarisch sind: die öffentlichen Institutionen, die Unternehmen, in denen ihr arbeitet, und die Gesellschaft insgesamt. Die Solidarität ist Gerechtigkeit, die Solidarität ist Achtung der Person. Die gesamten gegenseitigen Beziehungen müssen sich an diesem fundamentalen Prinzip inspirieren. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Profit an sich als legitimes und notwendiges Ziel eines Unternehmens oder eines Betriebs nicht das einzige und oberste Kriterium der unternehmerischen Entscheidungen. In einer menschlichen und daher vernünftigen Auffassung der Wirtschaft werden hingegen immer die Personen geschützt, ihre Rechte und die der Familie, ihre Zukunft, ihre kulturellen und geistigen Bedürfnisse. Die Solidarität ist in der Tat vor allem Liebe. 6. Liebe Freunde, der Papst und die Kirche sind mit euch solidarisch. Sie sind an eurer Seite in der Mühe und in der Hoffnung; im Bemühen, den Arbeitsplatz zu garantieren, und in der Verwirklichung einer Gesellschaft, die eure Rechte und die Würde des Menschen respektiert. Diese Solidarität der Kirche mit den Arbeitern ist eine Notwendigkeit, die zutiefst mit ihrer Berufung zur Evangelisierung und menschlichen Entwicklung verbunden ist. Vor allem seit der Enzyklika Reium novarum von Papst Leo dem XHI., deren Veröffentlichung in diesen Tagen hundert Jahre zurückliegt, haben meine Vorgänger und ich es zu verschiedenen Anlässen nicht unterlassen, die Bedeutung der Arbeiterfrage zu unterstreichen und gleichzeitig die-Richtlinien für eine Lösung aufzuzeigen, die die Rechte der Arbeiter und die legitimen Interessen des Gemeinwohls respektieren. Auch dies ist ein Zeichen der konkreten Solidarität, mit der die Kirche die Welt der Arbeiter begleitet, der anzugehören eure Ehre ist. Ich rufe die Hilfe Gottes auf euch und eure Familien herab und segne euch alle von Herzen. In sozialer Solidarität Zusammenleben Ansprache an die Verwaltungskräfte in Neapel am 10. November Sehr geehrte und geschätzte Herren! 1. Ich begrüße alle und jeden einzelnen von Herzen. Besonders danke ich dem Herrn Präsidenten der Regionalregierung für die herzlichen Willkommensworte, die er an mich gerichtet hat. Ich messe dieser meiner Begegnung mit Ihnen, den Vertretern des Volkes und den gewählten Verwaltungskräften an der Spitze der örtlichen Behörden, besondere Bedeutung zu. Sie sind zur Förderung des sozialen und bürgerlichen Fortschritts dieser volkreichen Region des italienischen Südens abgeordnet, und ich wünsche Ihnen, daß Sie Ihre Aufgaben im Dienst des bürgerlichen Zusammenlebens in dieser Gegend hier korrekt, durchschaubar und fruchtbar erfüllen mögen. 710 REISEN Von seiten der Kirche, die für Licht und Schatten in den Gebieten des Südens aufmerksam ist, darf ein Wort der Ermunterung und Unterstützung an Sie für die Erfüllung Ihrer schwierigen Aufgaben nicht fehlen, denn Sie sollen ja immer besser den Bedürfnissen nach wirtschaftlicher Entwicklung und bürgerlichem Fortschritt dieser Region gerecht werden. Daher ergreife ich diese Gelegenheit, um an den Grundgedanken des kürzlich vom italienischen Episkopat unter dem Titel: Entwicklung in Solidarität - die italienische Kirche und der Süden heraus gegebenen Dokumentes zu erinnern. Dieses Dokument greift das Problem der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung des Südens in seiner wesentlich moralischen Dimension auf und möchte mit einem eigenen Vorschlag dazu beitragen, daß alle bewußt und gemeinsam die Gesellschaft im Süden zum Wachsen bringen (vgl. 4 und 15). 2. Diese Region, die auf uralte historische, bürgerliche und kulturelle Traditionen zurückblickt, die sich einzigartiger Natur- und landschaftlicher Schönheiten rühmen kann, hat zweifellos umfangreiche wirtschaftliche, soziale und staatliche Wandlungen mitgemacht, die im Verlauf der letzten Jahrzehnte ihr Antlitz neu gestaltet haben, so daß auf der einen Seite der Wohlstand der Bevölkerung gewachsen ist, aber auch nicht wenige und nicht geringe Probleme weiter geblieben sind. Einige von ihnen, die am meisten hervortreten, wie zum Beispiel die wirtschaftliche Schwäche, die Unangemessenheit der Dienste und die umfangreiche Jugendarbeitslosigkeit bilden Anlaß zu Mißbehagen und Sorge. Hier müßten neue Energien geweckt und eingesetzt werden, angefangen bei den Jugendlichen, es müßten konkrete Maßnahmen für die Ärmsten ergriffen und Initiativen und Hoffnungen geweckt werden zum Aufbau eines gemeinsamen Lebens nach Menschenmaß. Diese Probleme lassen auch auf die Regierung und die Stadtverwaltung blicken und zugleich auf die dringende Notwendigkeit, die Beteiligung und Mitverantwortung der verschiedenen sozialen Gruppen anzusprechen, so daß ein harmonisches Wachsen und eine geordnete Entwicklung der verschiedenen selbständigen Orte erfolgen kann. <582> <583> <582> Anlaß zu großer Sorge bilden die Angriffe auf die Sicherheit der Personen und in einigen Gebieten auch auf das Leben der Gemeinschaft, weil sich hier kriminelle Organisationen ein-genistet haben und ausbreiten, die wie die Camorra in diesem Gebiet einen fruchtbaren Boden finden. Die nicht seltene Verletzung der Grundsätze, die die sozialen Beziehungen prägen müßten, das Überwiegen von Einzelinteressen und die verbreitete Gesetzlosigkeit haben die Institutionen in eine Krise geführt und die Bürger sich von ihnen distanzieren lassen, auch weil man sie zuweilen für private Interessen ausnützt. Es ist klar, daß die aus einer solchen Situation entstandenen Probleme an erster Stelle politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Charakter besitzen, doch ihre Wurzel ist zweifellos ethischer Art, weil gewisse perverse Methoden, die das Los Ihrer Region wie das des ganzen Südens noch erschweren, zu jenen „sündhaften Strukturen“ gehören, die ihren Grund in persönlicher Schuld haben, insofern sie mit konkreten Akten von Personen verbunden sind, die sie einführen, festigen und ihre Beseitigung schwierig machen. Für eine moralische und soziale Reform der Gebiete des Südens bietet das schon zitierte Dokument der italienischen Bischöfe eine solide Grundlage, denn es zeigt in einigen spezi- 711 REISEN fischen Dingen den Grund für den Bruch zwischen Moral und Gesellschaft auf und unterstreicht besonders das übermäßige Gewicht, das die politische Vermittlung angenommen hat, so daß am Ende oft die Grundstruktur des Gemeinschaftslebens tiefgreifend entstellt wird. In diesem Zusammenhang werden dann Rechte zu Vergünstigungen, und berechtigte soziale Erwartungen wie auch wirksam erworbene Rechte zählen schließlich weniger als die Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Jeder begreift, daß viel persönliches und soziales moralisches Aufholen und Rückkehr zur Gesetzlichkeit dringend erfordert sind. Ja die Rückkehr zur Legalität ist dringend notwendig! Hier liegt die Grundlage für jeden geplanten Aufstieg und für die Entwicklung des Südens. Wenn auf allen Ebenen eine neue soziale Moral einkehrt, wird es zu einem neuen Sinn für Verantwortung im öffentlichen Vorgehen wie auch zu einer Vermehrung der Stätten sozialer Bildung und zu einer besser motivierten Beteiligung und mehr freiwilligen Einsätzen verschiedener Art kommen. 4. Der Wiederaufstieg des Südens muß also umfassend sein, es muß ein wirtschaftlicher, aber zugleich auch ein politischer und kultureller und vor allem moralischer Wiederaufstieg sein. Es genügt nicht das Wirken für einen höheren materiellen Wohlstand der Bevölkerung, und darin erschöpft sich auch nicht die sogenannte Lebensqualität. Es müssen Verhältnisse geschaffen werden, in denen man als Mensch leben kann, in gesichertem Zusammenleben und in Solidarität, zumal gegenüber den Schwächsten und weniger Bevorzugten. Ich möchte nun die Gelegenheit dieser Begegnung mit den politischen und Verwaltungskräften der Stadt Neapel sowie der Provinz und Region benutzen, um sie zu einem Wirken zu ermuntern, das der Gesellschaft in Neapel und Kampanien den Einsatz aller verfügbaren Energien für die Entwicklung weiterer Horizonte im Zeichen friedlichen Zusammenlebens und sozialer Solidarität ermöglicht. Angesichts der Aufgaben, die sich aus der Neuordnung Europas und des Mittelmeerraumes ergeben, gilt es die oft verborgenen Arbeits- und Produktionskräfte, das Fachwissen und die Kultur einzusetzen, die dieses Gebiet ja im Überfluß besitzt. Ein Grund für die unangemessene Entwicklung des italienischen Südens liegt gerade hier: die verfügbaren Kräfte werden nicht entsprechend eingesetzt. Die Aufgabe ist komplex und setzt die Beteiligung aller betreffenden sozialen Kräfte voraus: repräsentative Institutionen und die Autorität der örtlichen Regierungsstellen, wirtschaftliche und finanzielle Führungskräfte, gewerkschaftliche und soziale Organisationen, Universitäts- und Kulturstrukturen. Ich möchte alle zu diesem Unternehmen ermuntern. <584> <584> Die Kirche ist ihrerseits im Rahmen ihrer Sendung und in Achtung vor der Zuständigkeit der anderen Stellen zur Mitarbeit für die Zukunft dieser Stadt und Region bereit. In Treue zum Wort des Herrn ruft sie zu einer Wandlung und einer Berichtigung des individuellen und sozialen Verhaltens auf, damit volle Gerechtigkeit und echter Friede Wirklichkeit werden können. Im Namen Gottes appelliere auch ich an die Verantwortung eines jeden, denn nur so können alle Hilfsmittel und Energien erfaßt und alle sozialen Kräfte beteiligt werden, so daß die hochherzigen Menschen dieser Region einer Zukunft in Sicherheit, Wohlstand und echtem Frieden sicher sein können. 712 REISEN Möge der Herr Ihnen Weisheit und Unterscheidungsgabe, Kraft und Mut geben, so daß Sie erfolgreich für den Fortschritt Ihrer jeweiligen Bevölkerungsgruppen arbeiten können und sich die Zustimmung der Bürger erwerben. Mit diesen guten Wünschen segne ich Sie von Herzen. Die Treue zu Christus kann von der Treue zur Kirche nicht getrennt werden Ansprache an die Priester und Ordensleute in Neapel am 10. November 1. „Meine geliebten Brüder, nach denen ich mich sehne, meine Freude und mein Ehrenkranz, steht fest in der Gemeinschaft mit dem Heim!“ (Phil4,1). Mit diesen Worten des Apostels Paulus an die Philipper gelte euch allen, liebe Priester, Seminaristen und ständigen Diakone, Ordensmänner und Ordensfrauen, mein herzlicher Gruß als Bekräftigung des Glaubens, des Eifers und der Freude, die gerade eben von eurem lieben Erzbischof, Kardinal Michele Giordano, angesprochen wurden, dem ich aufrichtig für die an mich gerichteten Grußworte danke. Einen besonderen Gruß möchte ich ferner an den emeritierten Erzbischof, den verehrten Kardinal Corrado Ursi, an Kardinal Giuseppe Casoria sowie an die Weihbischöfe Ciriaco Scanzillo und Agostino Valliri richten. <585> <585> Bei meinem kurzen Besuch in Neapel im lahre 1979 bin ich vom ausdrücklichen Zeugnis ausgegangen, das die Apostelgeschichte (28,14) von der Anwesenheit des Apostels Paulus in eurem Gebiet gibt, und ich habe euren Glauben als echt „apostolisch“ bezeichnet. Die Kirche von Neapel besitzt ein einzigartiges religiöses Erbe, das ihr zugleich einen besonders kräftigen Beweis ihrer Treue und ihres Mutes zum Zeugnis abverlangt. Auf dem Fundament dieser reichen Überlieferung ist die christliche Heiligkeit aufgeblüht, die in berühmten Gestalten sichtbar wurde. Einige von ihnen haben eine entscheidende Botschaft für die ganze Christenheit hinterlassen: Ich denke besonders an die Heiligkeit im Sinn des hl. Alfons, die innerhalb einer Priesterschaft entstand und sich entfaltete, welche für alle Kirchen des Südens zum Bezugspunkt wurde. Dieser priesterlichen Tradition lag der ernste Einsatz für die Vorbereitung auf die pastorale Tätigkeit zugrunde, die vor allem von den örtlichen Kleruskongregationen getragen wurde. Sie halfen den Priestern im Raum Neapel, immer neuen apostolischen Eifer zu gewinnen, und bildeten eine echte Schule ständiger Weiterbildung, in der vieles von den heutigen Erfahrungen hinsichtlich der Qualität des priesterlichen Lebens vorweggenommen wurde. Ich erinnere nur an die Kongregation der Apostolischen Missionen, gegründet von Sansone Camevale, dem heiligmäßigen Pfarrer der Kathedrale; an die von Santa Maria della Puritä, gegründet von Antonio Torres dei Pii Operai; an die von der Aufnahme Mariens in den Himmel, gegründet vom Jesuitenpater Pavone, und an die Fromme Vereinigung, gegründet von Kanonikus Luigi Monforte. Eine glänzende Gestalt aus dieser sehr reichen Tradition ist der selige Vincenzo Romano, dessen Grab ich morgen in Torre del Greco besuchen werde. 713 REISEN Diese leuchtenden Vorbilder - denen ich das Andenken an heilige Ordensleute beifügen könnte, die in Neapel ihr Leben zum Ruhm Gottes und für die Erbauung der Seelen verbrachten, wie der hl. Kajetan von Thiene, der hl. Francesco de Geronimo, der hl. Francesco Saverio Maria Bianchi und der hl. Giovan Giuseppe vom Kreuz - sind für euch Welt- und Ordenspriester die feierliche Aufforderung, hier in eurem Land weiter eine ähnliche Geschichte der Heiligkeit fortzuführen, indem ihr mit gleicher Kraft und mit gleichem apostolischen Eifer arbeitet. 3. Gewiß haben sich die sozio-kulturellen Verhältnisse, in denen ihr lebt, tiefgreifend gewandelt, und wenn wir uns im Herrn freuen dürfen über den echten und beharrlichen Glauben vieler Christen, so müssen wir doch auch schmerzlich die Entfaltung einer säkularisierten Sicht des Lebens beklagen und den Einbruch von Übeln, die die Gesellschaft wie Krebs befallen, weil sie sich mit einem übertriebenen Individualismus zufrieden gibt. In einer solchen Atmosphäre verbreitet sich der Einfluß negativer und falscher Modelle, die sich auf das familiäre und soziale Leben, und zumal auf die jungen Generationen, stark auswirken. In diese Gesellschaft seid ihr, liebe Priester, von Christus selbst als Träger der Wahrheit und unerschrockene Zeugen seines Evangeliums gesandt. Seid daher inmitten eures Volkes vor allem Zeugen der Präsenz und der Heiligkeit Gottes! Lebt jeden Tag das Geheimnis eurer Berufung als Erfahrung eines persönlichen und inneren Verhältnisses zu Christus, der euch auserwählt und gesandt hat für das Heil der Welt. Kehrt zu den sakramentalen Wurzeln eures Priestertums zurück: das Weihesakrament hat euch mit dem sakramentalen Charakter „gesalbt“ und euch durch die Gabe des Geistes „geheiligt“. Aus dieser ontologischen Heiligkeit ergibt sich für euch die Aufgabe des Bemühens um moralische Heiligkeit. Nach dem Beispiel des Herrn Jesus, der sich in ständigem Dialog mit dem Vater befand, und in der Kraft des Heiligen Geistes seid Männer des inneren Lebens. Die ständige und eifrige Betrachtung des Wortes Gottes, die Feier des eucharistischen Geheimnisses, das „in eure Hände gelegt ist“, die häufige und erneuernde Erfahrung des Bußsakramentes sowie die treue Verrichtung des Stundengebetes und die innige und kindliche Verehrung der Jungfrau Maria mögen dem Primat Gottes in eurem Leben konkrete Gestalt geben. Mit Christus vereint, werdet ihr den Willen des Vaters erkennen sowie Licht und Kraft für eine wachsende Hingabe an die euch anvertraute Herde gewinnen. <586> <587> <588> <586> Denkt immer daran, daß „die Treue zu Christus ... von der Treue zu seiner Kirche nicht getrennt werden [kann]. Die Hirtenliebe erfordert also, daß die Priester, um nicht ins Leere zu laufen [Gal 2,2], immer in enger Verbindung mit den Bischöfen und mit den anderen Mit- brüdem im Priesteramt arbeiten“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 14). Ich ermahne euch daher, im Bewußtsein der Einheit des Presbyteriums der Diözese reifer zu werden. Es fehlt hier nicht an Schwierigkeiten oder Versuchungen verschiedener Art, die den Drang zur pastora-len Kollegialität bremsen können: fehlende Solidarität, Verwirrung angesichts des riesigen Umfangs der geforderten Aufgaben oder auch jene Formen der Autonomie, die zur Isolierung führen und dann Leben und Wirken der diözesanen Gemeinschaft einschränken. Auf der Grundlage einer gesunden Theologie, die aus dem Presbyterium den Ort sakramentaler Brüderlichkeit und Mitverantwortung für den Dienst macht, pflegt die priesterliche 714 REISEN Gemeinschaft um euren Bischof in der Form echter Freundschaft und hochherziger Verfügbarkeit. Die pastoralen Anforderungen sind ungeheuer groß, und die Dringlichkeit des Eingreifens auf neuen Aktionsfeldern mit neuen Strategien und Methoden bleibt hoch. Aber alles soll mit dem Bischof zusammen geplant und durchgeführt werden, dem es zukommt, den echten Weg der Kirche aufzuzeigen, wobei nie eure Identität als Priester aus dem Blick kommen darf, auch nicht eure spezifische Sendung als Verkünder des Evangeliums und Liturgen des heiligen Kultes sowie Führer der christlichen Gemeinde. Zum Verständnis und zur Verwirklichung dieser Sicht vom Leben und Dienst des Priesters wird euch viel die Gesamtheit der Initiativen helfen, die unter dem Namen „ständige Weiterbildung der Priester“ bekannt ist und mit der sich auch die jüngste Bischofssynode beschäftigt hat. Dabei ist dieses ständige Bildungsbemühen nicht nur als periodisches theologisches Aggiornamento gedacht, vielmehr als Ausweitung der priesterlichen Spiritualität, entsprechend den neuen Anforderungen des pastoralen Dienstes. 5. Schließlich möchte ich eurer Aufmerksamkeit noch ein Problem empfehlen, das auch in Neapel akut geworden ist, das Problem der Berufungen zum Priestertum. Es geht vor allem euch Priester an, euch dafür einzusetzen, daß in eurem Volk die Arbeiter für die Ernte nicht fehlen. Die Sorge für Berufungen ist ein besonderer Aspekt der pastoralen Fruchtbarkeit; sie veranlaßt den Priester, mit Leidenschaft das Evangelium von der Berufung mit seinem Wort und dem ansteckenden Zeugnis des eigenen Lebens zu verkünden. Ich lobe und segne die Initiativen und Institutionen, die bereits für die Unterstützung der Berufungspastoral in der Diözese arbeiten: das Diözesanzentrum für die Berufungen, die Apostolischen Schulen in den einzelnen Zonen, die Emmausgemeinschaft und die bischöflichen Seminarien. Ich ermuntere euch zur Verstärkung der Bemühungen im Vertrauen darauf, daß es der Herr nicht an Früchten fehlen lassen wird. 6. Nun aber möchte ich mich an euch wenden, die Ordensschwestern des kontemplativen und des aktiven Lebens. Eure ganze Existenz muß den Männern und Frauen unserer Zeit die Schönheit der Heiligkeit verkünden: ihr stellt schon durch euer Dasein Christus der Welt vor! Ihr spielt eine prophetische Rolle im Sinn des Evangeliums. Die Kirche von Neapel hat im Verlauf ihrer zweitausendjährigen Geschichte mutige und untemehmungsfreudige Menschen hervorgebracht, die sich Gott geweiht und in den Dienst der Caritas gestellt haben. Es möge genügen, an die hl. Giovanna Antida Thouret und die hl. Maria Francesca von den fünf Wunden zu erinnern. Greift dieses glänzende Erbe auf, und seid euch eurer Sendung innerhalb der Kirche von heute bewußt. Entsprecht eurer Berufung dadurch, daß ihr jeden Tag Zeugnis gebt für den auferstandenen Christus als den Herrn des Lebens. <589> <589> Liebe Brüder und Schwestern, eine große Stadt wie Neapel macht es notwendig, daß alle - Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen in Zusammenarbeit mit den Laien - in der Pasto-ral vereint Vorgehen. Ich weiß, daß das seelsorgliche Programm der Kirche in Neapel in diesen Jahren das Thema Familie in den Mittelpunkt gestellt hat: welch unermeßliches Arbeitsgebiet erwartet euch 715 REISEN hier, wieviel erwartet man von euch für die Eheleute, die Erziehung der Jugend, für die Alten und Randexistenzen! Ihr müßt dazu ein Klima entschlossenen Einsatzes schaffen und nachdrücklich alle verfügbaren Energien aufbieten. Von der Liebe Christi gedrängt, erzieht alle zur Mitverantwortung, erklärt ihnen den Plan Gottes mit der Familie und prangert alle Angriffe gegen sie an, auch wenn sie sich oft fälschlicherweise als Erfordernisse der modernen Welt ausgeben. Erhebt einmütig eure Stimme, damit die Gemeinschaft der Familie zum Wohl der bürgerlichen Gesellschaft und zum Wachstum des Volkes Gottes ihre Ehre und Würde zurückerhält. Dem Heiligen Geist, dem Spender der göttlichen Gaben, vertraue ich eure seelsorgliche Arbeit an, daß sie fruchtbar und reich an Gnade sei. Die allerseligste Jungfrau, die als besonderes Vorbild all denen voranleuchtet, die ihr Leben mit ungeteiltem Herzen Gott weihen, möge für euch alle, liebe Welt- und Ordenspriester von Neapel, Seminaristen und alle Gottgeweihten, Fürbitte einlegen und euch mütterlich bei eurem täglichen Mühen begleiten. Von ihrem liebevollen Blick gestärkt, der uns auch sichtbar erreicht in der herrlichen Darstellung ihrer Aufnahme in den Himmel über dem Altar dieser gewaltigen Kathedrale, rufe ich zugleich die Fürbitte des Märtyrers und Patrons von Neapel, des hl. Januarius, und aller Heiligen Neapels an und erteile euch in aller Liebe meinen Segen. Korruption und Gewalt bekämpfen Ansprache an die Jugend von Neapel am 10. November Liebe Jugendliche! 1. Danke für eure Begrüßung; danke für die Wärme eurer Sympathie, typisch für euer Temperament. Ich habe den Eindruck, daß sich zwischen uns sofort ein herzliches Verständnis gebildet hat. Ein gegenseitiger, unmittelbarer geistiger Einklang. Ja, ich bin wirklich froh, euch zu begegnen. Mein Wunsch euch zu hören, mit euch zu beten, ist wirklich groß; mein Wunsch mit euch, die ihr die jungen Menschen von Neapel vertretet, die Gefühle zu teilen, die die Kirche euch gegenüber hegt. Ich weiß, daß ihr euch mit großem geistlichen Eifer auf diese unsere Begegnung vorbereitet habt. Ich danke in besonderer Weise denjenigen, die im Namen aller Anwesenden von den Erwartungen und Problemen der neapolitanischen Jugend gesprochen haben. Im Laufe meiner Apostolischen Reisen bietet sich mir die Gelegenheit, mich an die verschiedenen Gemeinschaften der Gläubigen zu wenden, aber es sind in besonderer Weise die jungen Menschen, denen ich mein Herz öffne, um sie einzuladen, immer mutige Herolde des Evangeliums zu sein. Die Welt hat Durst nach Wahrheit, sie hat Durst nach Gerechtigkeit. Sie ist falscher Versprechen müde und der Projekte ohne Zukunft. Sie fragt nach Frieden. Sie bedarf der Liebe und des Verständnisses. Sie braucht Christus! Es geht euch an, junge Zeugen der Kultur der Liebe, besonders euren Gleichaltrigen die Verkündigung der Hoffnung des Evangeliums zu bringen. In euch lebt schon die Kirche des nächsten Jahrtausends. 716 REISEN 2. Ich bin mit großem Interesse gefolgt, als das Gleichnis vom Guten Samariter vorgelesen wurde. Dieses Wort ist immer aktuell! Es scheint eine Chronik unserer Tage zu sein. Wenngleich es für die gesamte Menschheit geschrieben und überliefert wurde, so paßt es doch auch gut für eure Situation heute, Jugend der Stadt Neapel, wie es eure Freunde in den Fragen gezeigt haben, die sie an mich richteten. Der Erzbischof, der liebe Kardinal Michele Giordano, den ich mit brüderlicher Zuneigung grüße, hat in seiner Ansprache zu Beginn den Namen der Stadt „Neapel“ damit in Verbindung gebracht, daß alle Bewohner von Neapel berufen sind, eine „neue Stadt“ zu errichten. Zu dieser Aufgabe, die gewiß nicht einfach, aber dringender denn je ist, spornen auch die letzten Worte der soeben angeführten Parabel an: „Dann geh und handle genauso!“ (Lk 10,37). Liebe Jugendliche, laßt mich nochmals das tiefe Vertrauen zum Ausdruck bringen, das die Kirche zu euch hegt. Eignet euch die Haltung des Guten Samariters an und gebt im Überwinden der vielfältigen Schwierigkeiten, die euren Weg kreuzen, niemals die tiefe Gesinnung der Barmherzigkeit auf. Seid ausdauernd und beharrlich im Handeln, gemäß der Lehre des Evangeliums. Ihr werdet sehen, wie sich eure Bestrebungen nach Brüderlichkeit verwirklichen und ihr könnt dazu beitragen, den Frieden in euren Vierteln aufzubauen. An den Orten, wo ihr lebt, und überall. Ihr werdet erfahren, daß nur aus der selbstlosen Hingabe seiner selbst an die Brüder das Glück hervorgeht. Ihr werdet entdecken, daß das Leben eine großzügige Antwort auf einen Anruf ist, der von oben kommt: es ist eine Antwort an Christus, der für den Menschen eines jeden Zeitalters das geheimnisvolle Wort des Heiles ist. <590> <591> <590> Jugendliche, seid von Herzen gut! „Da wir uns dem Ende des zweiten Jahrtausends nahem, das alle an die Ankunft des Wortes in der ,Fülle der Zeit’ erinnern und diese gleichsam neu gegenwärtig setzen soll“ (Dominum et vivificantem, Nr. 61), bedarf die Kirche für die Neuevangelisierung der Mithilfe eines jeden, aber in besonderer Weise eurer. Ja, ihr seid sogar dazu berufen, die ersten Verwirkli-cher und die hauptsächlichen Förderer zu werden; ihr könnt es sein, indem ihr eure Herzen der Liebe öffnet, die erlöst. Unter der Bedingung, daß ihr Jugendliche von Herzen gut seid. In der modernen Kultur verflechten sich die positiven Elemente mit beängstigenden Symptomen des sozialen Unbehagens, der schleichenden Krise der Werte, der Einsamkeit und mit vielen anderen Zeichen eines verbreiteten geistigen Unwohlseins. Ihr habt mich gefragt, wie man auf dieses Unbehagen reagieren soll. Das Gleichnis vom Guten Samariter ist uns eine wirksame Unterstützung, um das, was sich ereignet, zu begreifen, und um zu erkennen, wie man diese Situation überwinden kann. Ein Mann - so erzählt der Evangelist - geht seinen Weg, ahnungslos darüber, was ihm zustoßen kann. Von einem Unbekannten wird er angegriffen und stürzt auf die Straße, ein Opfer der Gewalt. Die Gewalt: auf wie viele Weisen drückt sie sich heute auch in eurer Stadt aus? Gewiß ist der gewalttätig, der tötet; aber nicht weniger ist es der, der auf viele Weise die Würde der menschlichen Person erniedrigt. Gewalttätig ist, wer die anderen zum Bösen verleitet durch Wort oder Beispiel, durch heimliche Verführung oder das Versprechen, leicht zu einem Gewinn zu kommen. 717 ■REISEN Gewalttätig ist, wer schlimme Fäden knüpft, die die Würde der Person umgarnen und versklaven. Gewalttätig ist, wer die Gesellschaft und die sozialen Pflichten nicht respektiert, wer das menschliche, soziale, bürgerliche und religiöse Wachstum, besonders der Kinder und Jugendlichen, tötet. Gewalttätig ist, wer nicht die Schwächsten aufnimmt, und wer sich im eigenen Ich verschließt. Auch die Gleichgültigkeit ist eine subtile Form der Gewalt. Auch die Korruption ist Gewalt. 4. Was soll man also machen? Es könnte fast unmöglich scheinen, das Fortschreiten einer derartigen Kultur des Todes zu hindern. Nein, liebe Jungen und Mädchen von Neapel, habt keine Angst! Seid Jugendliche die „von Herzen gut“ sind! Laßt mich, zusammen mit den italienischen Bischöfen, euch wiederholen: „Förderer der Erneuerung müssen vor allen Dingen die Jugendlichen sein, die berufen sind, sich als Erbauer einer neuen Gesellschaft zu erweisen. Es gibt unter den Jugendlichen des Südens ein großes Potential, das sich in verschiedenen Umständen als Ablehnung einer gewissen Art von Gesellschaft ausdrückt. Häufig jedoch beschränken sie sich auf bloße Erklärungen oder auf das Fordern von etwas Neuem. Man muß sie jedoch dazu erziehen, daß sie durch Formen von freiwilligen Hilfsdiensten, von kulturorientierten Zusammenschlüssen und Zusammenarbeit Vorschläge einbringen, Versuche machen und in die Zukunft ihres Landes eingreifen“ (Sviluppo nella solidariet. Chiesa itali-ana e Mezzogiomo, Dokument der italienischen Bischöfe, Nr. 30). Verliert also nicht den Mut! Laßt euch nicht niederdrücken! Flüchtet euch nicht in das Alibi, das Opferlamm zu spielen; das wäre die schlechteste Antwort auf das nicht immer selbstlose Vorurteil über das Übel von Neapel und den Süden Italiens. Gebt der Versuchung zu kläglichem Provinzialismus nicht nach, ihr, die ihr hinsichtlich eurer Aufgabe, hinsichtlich der Menschlichkeit und der Kultur eine fast natürliche Berufung zur universalen Bürgerschaft habt. Ja, habt ein „gutes Herz“, ein Herz das imstande ist, sich dem Wahren, dem Rechten und Ehrbaren zu öffnen. Besiegt das Böse durch das Gute! <592> <592> ‘Die Solidarität möge das Erkennungszeichen von euch jungen Neapolitanern sein. Zu seinem Glück begegnete dem armen Überfallenen der „gute Samariter“. Übrigens würden wir den Samariter, wenn er nicht Mitleid mit diesem Unbekannten gehabt hätte, wenn er ihm nicht die Wunden verbunden hätte und sich nicht seiner angenommen hätte, heute nicht als „gut“ in Erinnerung haben. Es ist wahr: die Solidarität macht gut. Sie „ist nicht ein Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung wegen der Leiden so vieler Menschen nah oder fern. Im Gegenteil, sie ist die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das .Gemeinwohl’ einzusetzen, das heißt, für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 38). Jugend von Neapel, seht hier eure Aufgabe: Beziehungen echter menschlicher und christlicher Solidarität anzuknüpfen! Eine Aufgabe, die jeden Gläubigen angeht. Allen möchte ich deshalb wiederholen: Glaubt an Gerechtigkeit, Liebe und Frieden! Die Solidarität ist eine echte Revolution der Liebe. Sie trägt die Züge der Annahme und des Verzeihens. Ihre Seele 718 REISEN ist die Liebe. Auf diesen Grundlagen ist es möglich, einen Plan zur geistigen Erneuerung zustandezubringen, der eine bessere Zukunft für eure Stadt und auch für euch selbst sicherstellt. 6. Seid Apostel des Verständnisses und des Verzeihens! Das Glück ist, gemäß einem neapolitanischen Sinnspruch, als Zwilling zur Welt gekommen, und die Unentgeltlichkeit ist seine Mutter. Hier liegt eben die Schlußfolgerung, zu der uns unsere Reflexion über die Parabel führt. Seid ihr bereit mit den anderen das zu teilen, was ihr unentgeltlich empfangen habt? Habt ihr jemals die Erfahrung der christlichen Verzeihung gemacht? Des Sich-Gebens ohne Vorbehalte und ohne Nebenabsichten? Des Gebens, ohne zu ermüden, auch wenn man sich der Ablehnung gegenüber sieht? Die unheilvolle Kette des Bösen wird nur durch das Gute zerrissen, und der Haß wird durch die Liebe besiegt. Seid deshalb Apostel des Verstehens und des Verzeihens. Nur wenn ihr euch von der „Leidenschaft“ für den anderen ergreifen laßt, wenn ihr euch ohne Vorbehalte einsetzt und dem entgegengeht, der verletzt ist, arm ist, schwach ist, nur wenn die Solidarität das Hauptmotiv eures Seins und eures christlichen Lebens wird, nur in dieser Weise könnt ihr Vorbild und Ferment für die Gesellschaft werden: „Dann geh, und handle genauso“. 7. „Geh, und handle genauso“. Laßt mich auf den Abschluß der Parabel noch einmal Nachdruck legen. Damit das Nachdenken darüber wirklich in unser Leben eingreift, müssen die guten Vorsätze in Taten Anwendung finden. Die Solidarität ist ein wunderschönes Mosaik, das durch den Beitrag eines jeden zustandekommt und wobei jedes Stückchen wichtig, ja notwendig ist. Vereinigt deshalb eure Kräfte, und geht mit großzügiger Bereitschaft den Weg weiter, den ihr schon beschritten habt. Ich beziehe mich besonders auf das Diözesanprojekt „Jugendliche“, das gültige Antworten auf die vielen Herausforderungen zu bieten versucht, die der jugendlichen neapolitanischen Welt gestellt sind. Arbeitet alle zusammen für eine wirklich bessere Zukunft. Zieht euch nicht zurück! Nehmt die Einladung Christi an: geht und handelt genauso. Genauso wie der gute Samariter. Bei diesem Entschluß unterstütze euch und auf dieser Straße begleite euch Maria, die „Jungfrau des Mutes“. Ich lade euch ein, häufig und mit großem Vertrauen Zuflucht zu ihr zu nehmen. Mögen euch die heiligen Schützer eurer Stadt helfen. Auch ich bin euch nahe und begleite euch mit Zuneigung, und ich segne euch von ganzem Herzen. 719 REISEN Eine bessere Zukunft für die Kinder schaffen Ansprache an die Bewohner des Stadtviertels Scampia in Neapel am 10. November Liebe Brüder und Schwestern des Stadtviertels Scampia! 1. Es ist mir eine Freude, in eurer Mitte zu sein und ich begrüße euch sehr herzlich. Ich danke eurem Erzbischof, Kardinal Michele Giordano, der mir das zweifache Antlitz eures Stadtteils vor Augen geführt hat: einerseits die enormen Probleme und Leiden, die auf euch lasten, und andererseits die innere Kraft und die christliche Hoffnung, mit der ihr dem Alltagsleben begegnet. Aus den Worten, die wir vernommen haben, ergibt sich ein Bild der Situation in der ihr lebt, und dieses Bild ist eindrucksvoll und besorgniserregend. Ja, euer Dasein ist nicht leicht! Das Fehlen selbst von unentbehrlichen Dienstleistungsstrukturen ist nunmehr zum Dauerzustand geworden; der Wohnungsmangel zwingt viele von euch, in unzulänglichen Unterkünften zu leben, unter Bedingungen, die zweifellos der dem Menschen und seiner Würde geschuldeten Achtung abträglich sind. Der Mangel an Arbeitsplätzen mit seinen negativen Folgen -Schwarzarbeit und Kinderarbeit - wird immer ärger. Allzu viele Kinder verlassen vorzeitig die Schule, ohne andere Aussichten als das Leben auf den Straßen, oft nur Schauplatz des Verbrechens und des sozialen Verfalls. Dazu kommen die immer weitere Verbreitung von Drogenabhängigkeit und Trunksucht und die Zuspitzung des von der Camorra bedingten Phänomens der Kriminalität und der Gewalttätigkeit. Man darf jedoch dem Übel gegenüber nicht nachgiebig werden, niemals! Das kraftvoll geförderte Gute erregt vielleicht weniger Aufsehen, ist jedoch nachhaltiger und kann Wunder wirken. Wenn die Lage schwierig und in mancher Hinsicht sogar dramatisch bleibt, so ist es dennoch möglich, ja, eine Pflicht, sie zu ändern, um für euch und eure Kinder eine bessere Zukunft zu schaffen. Bleibt daher eurem Engagement treu. Ich danke auch dem Jungen, der in eurem Namen gesprochen und die Beweggründe und Zielsetzungen eures Einsatzes dargelegt hat. Liebe Brüder und Schwestern, ich bin hier bei euch, um euch zu ermutigen, damit eure Einsatzbereitschaft nicht erlahme. Die Eintracht und der Friede, die ihr so sehr ersehnt; der Fortschritt in der Freiheit, um den ihr euch bemüht; die Sicherheit vor leiblichen und moralischen Gefahren und die würdigen Arbeitsbedingungen, die eure täglichen Sorgen ausmachen: all das sind Güter, die Gott für euch und für alle Menschen bestimmt hat. Jesus Christus, der unsere menschlichen Lebensbedingungen teilen wollte, kann eure Sorgen durchaus verstehen und wird denen zu Hilfe kommen, die ihn anrufen. In eurem Stadtviertel gegenwärtig und Hilfe und Stütze in eurem täglichen Leben, lehrt er euch mit seinem Beispiel, wie ihr euch persönlich und als Gemeinschaft verhalten sollt. Insbesondere lehrt er euch, den Individualismus zu überwinden. Er gibt vor, die eigenen Probleme und die der Gruppe, der man angehört, ließen sich auf egoistische Weise überwinden; aber es führt dazu, sich in die Enge einer privaten Welt einzuschließen. Christus lädt euch zu jener Solidarität ein, die euch nicht nur füreinander verfügbar macht, sondern die gleichtzei-tig Bedingung für eine echte gesellschaftliche, kulturelle, wirtschaftliche, ethische und religiöse Entwicklung ist. 720 REISEN 2. Die eigentlichen Träger dieser Entwicklung seid ihr selbst, und niemand kann sich an eurer Stelle für die gemeinschaftliche Entwicklung in allen Richtungen einsetzen, die das tägliche Leben umfassen und die Geschichte einer Bevölkerung bilden. Damit will ich nicht sagen, es wäre nicht Aufgabe des Staates und seiner Behörden, euch die für diese Entwicklung erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, die für sie nötigen Vorbereitungen zu schaffen und alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, welche die Einsatzmöglichkeiten und auch die Verantwortung der einzelnen und der mittelschichtigen Gruppen übersteigen. Ohne die Mitarbeit von euch allein hätte jedoch auch der massivste Einsatz der Behörden wenig Aussicht auf Erfolg, denn er bedarf der Unterstützung der ethischen und bürgerlichen Tugenden, der Achtung und der Sorge für die verschiedenen Strukturen und Milieus, kurz gesagt, es bedarf des Einsatzes aller und jedes einzelnen für die Beobachtung der Gesetze, die das bürgerliche Leben regeln. Für dieses Engagement, das niemand an eurer Stelle übernehmen kann, ist besonders die Erziehung, die menschliche und christliche Bildung der Kinder bedeutsam. Diese Erziehung muß von der frühen Kindheit bis zum Jugendalter reichen, sind doch gerade die Jugendlichen ernsten Gefahren ausgesetzt, die sie leicht vom rechten Weg abbringen können. Es kommt also darauf an, Männer und Frauen heranzubilden, die als starke Persönlichkeiten zu Gestaltern einer neuen Menschheit werden. Die Zukunft eures Viertels hängt zu einem gutem Teil vom Erfolg dieser Erziehungspläne ab. 3. Andererseits steht ihr dieser Aufgabe nicht allein gegenüber. Jesus, der versprochen hat, seinen Jüngern bis zum Ende der Welt nahe zu sein (vgl. Mt 28,20), ist in eurer Mitte gegenwärtig und ist dank der Menschen guten Willens am Werk, die mit ihrer ehrlichen und oft mühevollen Arbeit am Aufbau der irdischen Stadt mitarbeiten; er ist gegenwärtig dank des demütigen und oft verborgenen Wirkens zahlreicher Sozialarbeiter, die den einzelnen, den Familien und den Gruppen Hilfe leisten. Jesus ist unter euch gegenwärtig und wirkt in eurer Mitte dank der verschiedenen freiwilligen Dienstleistungen seitens der Diözese, in deren Namen Jugendliche und Erwachsene, Männer und Frauen den Betagten, den Minderjährigen, den Kranken und den Drogenabhängigen helfen. Er ist gegenwärtig dank ihrer Hochherzigkeit, die sie veranlaßt, sich selbstlos um das zu bemühen, was heute geschehen muß, um den Mängeln an Menschlichkeit überall dort abzuhelfen, wo sie in Erscheinung treten. Was die christlichen freiwilligen Dienstleistungen auszeichnet, ist die Tatsache, daß sie vom Evangelium inspiriert und vom Gebet unterstützt werden; daß ihnen eine Erziehung zugrunde liegt, die auf das Erkennen der Nöte vorbereitet hat; daß sie zu treuer Hingabe im täglichen Leben führen, und daß sie schließlich auch zu einem endgültigen Engagement im gottgeweihten Leben veranlassen können. So spreche ich denn allen freiwilligen Helfern Mut zu und lade sie zu einem ausdauernden Wirken ein. <593> <593> Ganz besonders ist Jesus in eurer Mitte präsent und am Werk dank der kirchlichen Einrichtungen, wie z. B. der in diesem Stadtviertel großmütig wirkenden Ordensgemeinschaften, Vereinigungen und Bewegungen. Den ersten Platz unter den kirchlichen Einrichtungen nehmen die Pfarreien mit ihren zahlreichen pastoralen Aktivitäten ein, dazu berufen, mehr und mehr Zeichen und Werkzeug der 721 REISEN Gemeinschaft aller Christen untereinander zu werden, ein offenes Haus für alle und im Dienst aller. Mögen in ihnen, trotz der Verschiedenartigkeit der Situationen, alle die Erfahrung jener Gemeinsamkeit der Menschen und der Einheit der verschiedenen Elemente des kirchlichen Lebens machen, deren sie so sehr bedürfen und die sie sich von der Kirche als Beweis ihrer Bindung an Christus, ihren Herrn und Meister, erwarten. 5. Ich möchte es nicht versäumen, bei diesem Besuch in eurer Mitte einige Zeichen der Hoffnung zu setzen: die Segnung des Grundsteins einer neuen, dem hl. Josef Moscati geweihten Pfarrkirche in diesem Viertel und die eines anderen Grundsteins für die Pfarrei in Villaricca; die Segnung der Grundsteine von zwei sozialen Hilfszentren, von denen eines von den Jesuiten und das andere von der Kommunität „Sant’Egidio“ geleitet wird, die beide in eurem Stadtviertel tätig sind. Es sind dies Zeichen für einen Einsatz der Kirche, die gleichzeitig eine Einladung und eine Aufforderung an die Behörden darstellen möchten, ebenfalls mit erneutem Eifer jene Zeichen zu setzen, die unter ihre Kompetenz fallen. Schließlich möchte ich euren Stadtbezirk mit einem besonderen Akt der vertrauensvollen Hingabe der Muttergottes weihen und unter ihren Schutz stellen. Ich werde nachher eine Statue segnen, die sie uns als Mutter der Hoffnung darstellt. Am Eingang eures Viertels aufgestellt, möge sie all seinen Bewohnern ihren mütterlichen Schutz, aber auch die Verpflichtung zu einem christlichen Leben in Erinnerung rufen, die sie auf sich genommen haben. Liebe Brüder und Schwestern, ich lade euch und alle Bewohner der Vorstadtviertel ein, vertrauensvoll und im Namen des Herrn ihren Weg fortzusetzen. Aus ganzem Herzen erteile ich euch meinen Segen. Die Lampen des Glaubens leuchten lassen Predigt bei der Eucharistiefeier in Neapel am 11. November 1. „Dann wird es mit dem Himmelreich sein wie mit zehn Jungfrauen ...“ (Mt 25,1). Christus lehrte in Gleichnissen, die seinen Zuhörern verständlich waren. Ihr Inhalt konnte von der Vorstellungskraft leicht erfaßt werden. Gleichzeitig öffneten sie mit ihrer Botschaft die Herzen derer, die sie vernahmen, für eine andere Wirklichkeit: das Himmelreich, die göttliche, übernatürliche Wirklichkeit. Der Mensch ist zu dieser Wirklichkeit berufen. Er ist zum Reich Gottes berufen, das hier auf Erden seinen Anfang nimmt, jedoch in der ewigen Stadt Gottes, im Himmel, endgültig verwirklicht wird. Das Reich Gottes ist auch die eschatologische Zukunft des Menschen, deren Augenzeuge Christus ist: Er sitzt auf dem Thron des Vaters als sein wesensgleicher und ewiger Sohn. Im Gleichnis von den zehn Jungfrauen, das wir vernommen haben, konzentriert Jesus seine Aufmerksamkeit vor allem auf den zum himmlischen Gastmahl eingeladenen Menschen, der zur Teilnahme an der göttlichen Zukunft berufen ist. <594> <594> Das Gleichnis von den zehn Jungfrauen ist stets aktuell. Die hochzeitlichen Traditionen sehen äußerlich heute sicher anders aus. Aber dennoch ist das Gleichnis noch immer aktuell. 722 REISEN Man kann sagen, daß sich das, was es berichtet, auch in unseren Tagen ereignet. Es ereignet sich hier in Neapel, in der Stadt und in all ihren Bezirken; es ereignet sich in jeder Pfarrei, jeder Familie und jedem einzelnen Menschen. Um welche Hochzeit handelt es sich? Wer ist der Bräutigam, dem zu begegnen wir berufen sind? Das Gleichnis bringt uns dem göttlichen Geheimnis näher, das im Bild von der Hochzeit zum Ausdruck kommt. Es handelt sich um die Hochzeit Christi; er ist der Bräutigam. Bräutigam in erster Linie als menschgewordenes Wort: Der Sohn Gottes hat sich mit der Menschheit vermählt, mit unserer menschlichen Natur, indem er im Schoß der Jungfrau Maria durch den Heiligen Geist Mensch wurde. Aufgrund dieser ersten Hochzeit vermählt sich Christus, der Gottmensch, mit allen Menschen, da er für alle Mensch geworden ist, um alle zu erlösen und zu retten. Christus ist das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt. Seine Braut ist die Kirche, die er eingesetzt hat, damit sie an seinem Heilswerk mitwirke. In ihr werden die von Gott angenommenen Kinder geboren und reifen sie heran; sie sind zur Teilnahme am Leben Gottes berufen, ähnlich dem ewigen und eingeborenen Sohn. 3. Auch in den Straßen Neapels erschallt der Ruf: „Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen!“ {Mt 25,6). Dieser Ruf erschallt hier seit Jahrhunderten, seit den auf die Apostel zurückreichenden Anfängen der Kirche in eurer Stadt. Er gelangt bis zu uns dank des Zeugnisses der alten neapolitanischen Märtyrer: Januarius, Sosius, Festus, Fortunatus, Desiderius, Procolus, Eutyches; er gelangt zu uns dank eurer späteren heiligen Mitbürger, wie des hl. Franz von Geronimo, des hl. Alfons Maria Liguori, des sei. Vinzenz Romanus und noch anderer. Darüber hinaus erschallt dieser Ruf auch dank des Beispiels von Laien, die ich selbst zur Ehre der Altäre erheben durfte: Ich denke an den hl. Josef Moscati und den sei. Bartolo Longo. „Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen!“ Dieser gleiche Ruf erschallt heute, an diesem Ende des zweiten Jahrtausends. Er erschallte besonders kräftig während der 30. Synode eurer Erzdiözese, die das Programm für die Diözesanpastoral der Neunzigerjahre entwarf. Diesem kirchlichen Ereignis sind drei konkrete apostolische Zielsetzungen entsprungen: die Evangelisierung - oder vielmehr die neue Evangelisierung; die vordringliche Liebe zu den Armen und die Familienpa-storal. Welch weites Wirkungsfeld, liebe Brüder und Schwestern, tut sich hier vor euch auf! Die Hochzeit des Lammes Gottes geht weiter. Jeder Tag und jede Stunde ist der Augenblick des Kommens Christi, weshalb die Worte der heutigen Liturgie besonders aktuell sind: „Seid also wachsam! Denn ihr wißt weder den Tag noch die Stunde“ (Mt 25,13). Seid wachsam! Haltet ihn nicht von der Begegnung mit euch ab! Laßt euch nicht von den zeitlichen Sorgen so sehr in Ansprach nehmen, daß ihr sein Kommen nicht bemerkt. Bereitet euch vielmehr für die Aufnahme Christi, des Bräutigams, vor, indem ihr eifrig und gemeinsam mit eurem Erzbischof, dem verehrten Mitbruder Kardinal Michele Giordani und seinen Weihbischöfen - die ich herzlich begrüße - arbeitet. Seid wachsam, liebe Priester und Ordensleute und ihr alle, liebe Laien! <595> <596> <595> Die Evangelisierung muß eure ständige Aufgabe sein, weil sie ein Teil des kirchlichen Lebens und nie vollendet ist. 723 REISEN Die von eurer Synode getroffene Entscheidung ist daher außerordentlich glücklich, und ich hoffe aus ganzem Herzen, daß es euch gelingen möge, alle günstigen Umstände auszunützen und solche auch zu schaffen, damit euch und der ganzen kirchlichen Gemeinde zu jeder Zeit die Nahrung der Evangelisierung gewährleistet werde. Darüber hinaus sollt ihr nicht vergessen, daß der Herr euch auch als Boten des Evangeliums zu jenen sendet, die ihm nie begegnet sind oder ihn vergessen haben. Deren gibt es leider auch hier, auf diesem Boden, der Heilige hervorbringt, viele, ja, allzu viele, wie ich soeben betont habe. Diese Aufgabe, die aufgrund von Taufe und Firmung wirklich alle angeht, muß zur gemeinsamen Sorge um die neue Evangelisierung werden. 5. So mögen also die Lampen eures Glaubens leuchten, von Mitbruder Kardinal Michele Giordani und seinen Weihbischöfen eifriger Liebe genährt. Seid der Tradition dieser neapolitanischen Kirche würdig, die zahllose Werke christlicher Solidarität zieren. Wie in der Vergangenheit die Energie der Liebe Hilfsorganisationen ins Leben gerufen hat, die eure Geschichte zutiefst gezeichnet haben, so sollt ihr auch in unseren Tagen bereit sein, großmütig den neuen Formen der Armut entgegenzutreten, die aus den Nöten der modernen Gesellschaft hervorgehen. Eure Bemühungen werden von Erfolg gekrönt sein, wenn ihr, wie es eurer Tradition entspricht, auf den Wert der Familie zurückgreift, die nach den Richtlinien der Diözesansynode Gegenstand einer ersten und fundamentalen Evangelisierung sein soll. In dieser grundlegenden Gemeinschaftsstruktur findet die Evangelisierung ihren ersten Niederschlag: die Eltern sind dazu berufen, ihren Kindern die grundlegende Evangelisierung zu vermitteln, indem sie diese dank einer betont religiösen Erziehung, von ihrem überzeugungstreuen christlichen Zeugnis begleitet, zu einem Leben in der Gnade Gottes hinführen. Ein wertvolles Geschenk für die Familien ist das Leben, das keimende Leben, das schutzlose Leben, dessen Entwicklung einzig und allein von der Liebe eben der Familie abhängt, die es aufnimmt. Gerade weil ich an die Familie und an die menschliche Existenz denke, die sie behüten, verteidigen und pflegen muß, ist es mir eine Freude, heute eine Familienberatungsstelle eröffnen zu können, deren Wirken nach christlichen Grundsätzen erfolgen wird. Es handelt sich dabei um eine bedeutsame Initiative des Toniolo-Instituts, die von der katholischen Herz-Jesu-Uni-versität in Zusammenarbeit mit eurer Erzdiözese durchgeführt wird. Möge der Herr die Urheber einer so notwendigen und wichtigen Aktivität zum Wohl des Menschen und der Familie reich belohnen! <597> <597> Liebe Brüder und Schwestern, die heutige Liturgie erinnert uns daran, daß unser ganzes Leben eine wachsame Vorbereitung auf die Begegnung mit dem Bräutigam sein muß. „Seid wachsam!“ Hier müssen wir in das Innerste jedes Menschen hinabsteigen. Der Erlöser zeigt uns dabei den Weg. Worin besteht diese evangelische Wachsamkeit, worin besteht die Bereitschaft der klugen Jungfrauen, von denen das Gleichnis spricht, wenn nicht gerade in dem, was die Psalmworte ausrufen: „Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser“ (Ps 63,2). 724 REISEN Das ist die Aufgeschlossenheit für Gott, die Gewißheit, daß er in der Welt, in dieser Stadt, in uns allen gegenwärtig ist. „In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (Apg 17,28). Aus ihm sind wir hervorgegangen, als wir das Licht der Welt erblickten. Er ist unser Leben, er ist ein Weg, der nirgendwo anders hinführen kann als zu ihm. Ist es uns bewußt, daß dies der Weg unseres Lebens ist? Haben wir uns vielleicht an unwegsamen Orten verirrt? Oder sind wir vielleicht soeben daran, diese gerade Straße zu verlassen? Sind wir vielleicht den lungfrauen des Gleichnisses ähnlich, die müde wurden und einschlie-fen? (vgl. Mt 25,5). Sie schlafen weiterhin und bemerken das Kommen des Bräutigams nicht. Besteht nicht die Gefahr, daß nicht einmal das heftige Beben seines Todes und seiner Auferstehung imstande sein wird, sie zu wecken? la, wir können durchaus die genialen Werke des Menschen bewundern, doch müssen unsere Augen bereit sein, die Werke der göttlichen Weisheit zu sehen, müssen unsere Ohren offen sein, um die Stimme des Bräutigams zu vernehmen. Lassen wir unsere Lampen nicht verlöschen, von einem Gewirr von Informationen verdunkelt, die zu nichts führen. Sie gestatten keinen Ausblick auf das Göttliche, sondern hindern uns vielmehr daran, die Stimme des Bräutigams und den Ruf der Kirche zu vernehmen: „Geht ihm entgegen!“ 7. Wir dürfen nicht in Unkenntnis bleiben. Wir dürfen auch nicht in Unwissenheit über die Verstorbenen bleiben (vgl. 1 Thess 4,13), über die, die in euren Familien, euren Pfarreien, in eurer Stadt gestorben sind. November ist der Monat, in dem man der Toten gedenkt! Wir dürfen nicht in Unwissenheit bleiben. Betrübnis ohne Hoffnung genügt nicht (vgl. ebd.). Die Menschheit scheint heute die Bedeutung des Todes zu unterschätzen. Wenn man den Sinn des Todes entwertet, entwertet man auch den des Lebens vom Augenblick der Empfängnis an, und der Mensch verfällt in einen gefährlichen Schlaf. Er versucht einzuschlafen, um sich der Verantwortung zu entziehen, die der Größe seiner Berufung und der Würde entspringt, die ihm von Gott geschenkt wurde. Er versucht, die Stimme des Bräutigams zu überhören! November ist der Monat der Toten, die in Gott leben. „Wenn Jesus - und das ist unser Glaube - gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit Gottes führen“ (J Thess 4,14). Seid wachsam! Erinnert euch daran, daß wir in Gemeinschaft mit den Heiligen leben. Seien wir also bereit - wie die klugen Jungfrauen des Gleichnisses -, gemeinsam mit Christus in den Hochzeitssaal des Reiches Gottes einzutreten. Die Stimme der Kirche wiederholt: „Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen!“ Seid daher wachsam und bereit. Amen! 725 REISEN Mutter, schütze Neapel! Angelus in Neapel am 11. November Liebe Schwestern und Brüder! 1. Von diesem zentralen und historischen Platz aus richten sich unsere Gedanken jetzt an die heiligste Maria, die vom neapolitanischen Volk ununterbrochen verehrt und angerufen wird. Ihr wurden von den ältesten Zeiten an die Geschicke der Stadt anvertraut, wie es die Weihe eurer Kathedrale an die seligste Jungfrau Maria, in den Himmel aufgenommen, beweist. Zeugnis dieser ständigen Verehrung sind außerdem die zahlreichen Marienbilder an den Ecken und in den Straßen, errichtet als sprechende Zeichen einer aufrichtigen Hingabe an die Mutter des Herrn. So wurde in den Jahrhunderten das Leben der Menschen in den Stadtteilen und Vororten wie auch die tägliche Arbeit der gesamten Bevölkerung immer von der segensreichen Gegenwart der Jungfrau begleitet. Ich möchte zum Beispiel die in Capodimonte verehrte Mutter vom Guten Rat und die Madonnina von Don Placido im Gesü Vecchio nennen. Vor allem möchte ich an Unsere Liebe Frau vom Karmel erinnern, die allen Neapolitanern so teuer ist und deren Bild ihr neben diesem Altar haben wolltet. Die Verehrung der „Vergine Bruna“, deren Bild im 12. Jahrhundert von den Ordensleuten des Karmel aus dem Orient hierhergebracht wurde, hat den Glauben des neapolitanischen Volkes fest und unverkürzt bewahrt. Mit derselben Verehrung richten wir heute unseren vertrauensvollen Blick auf sie und rufen zu ihr: Mutter, schütze die Stadt Neapel! Führe deine Söhne und Töchter auf den Weg der Gerechtigkeit und Brüderlichkeit! Stärke in ihnen den Glauben, mach sie zu mutigen Zeugen des Evangeliums und zu kühnen Bauleuten des Friedens! Mutter, gib, daß in jedem Menschen Güte, Verzeihung und Liebe erstrahlen! <598> <598> In unserer Gesellschaft, die oft verwirrt und unruhig erscheint, drängt immer mehr - wie das heutige Evangelium unterstreicht - unsere Pflicht zu wachen und uns auf die Begegnung mit dem Herrn, der wiederkommt, vorzubereiten. Diese rege Erwartung, die ein konkreter Einsatz beim Aufbau einer Welt mit menschlicherem Antlitz ist, läßt sich von Maria inspirieren und sucht nach ihrem Beispiel, den Willen des Vaters bis auf den Grund zu erfüllen. Es ist eine Erwartung, die sich vom Gebet nährt. Liebe Schwestern und Brüder! Bittet inständig die Gottesmutter Maria! Fühlt, daß sie euch nahe ist, und vertraut euch ihr an. Ihr Andenken lebe in euren Familien fort und begleite euch im Alltag! Neapel braucht Maria! Denn in ihr haben wir Zutritt zum Herzen ihres Sohnes, in dem allein unsere Unruhe Frieden, unser Leiden Trost und unser Vorsatz zu einem konsequenten Leben nach den Werten des Evangeliums Stärke und Ausdauer finden kann. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: In Italien wird heute das Erntedankfest gefeiert - eine günstige Gelegenheit, dem Herrn für die Früchte der Erde zu danken. Nicht nur die Landarbeiter und das Landvolk, sondern die gesamte Christengemeinschaft ist Gott, dem Geber alles Guten, dankbar. Der heutige Tag erlaubt es, die Bedeutung der Landarbeit für das Wohl der gesamten Bevölkerung zu unterstreichen und fordert gleichzeitig dazu auf, die Arbeit und Mühe all derer zu 726 REISEN würdigen, die in der Landwirtschaft tätig sind. Diesen unseren Brüdern und Schwestern gilt unsere lebhafte Hochschätzung. Einen besonderen Gruß richte ich an das Landvolk des fruchtbaren „Landes der Arbeit“, mit dem ich mich in einigen Tagen treffen werde. Ich wünsche von Herzen, daß die verantwortlichen Politiker und Verwalter immer ein Augenmerk auf all jene richten, die sich im Ackerbau abmühen. Liebe Schwestern und Brüder, seid gewiß, daß der Herr die Arbeit des Menschen segnet und fruchtbar macht. Er fordert jedoch die Achtung der Natur und erinnert daran, daß alle Güter allen zur Verfügung stehen müssen in einer echten nationalen und weltweiten Solidarität. Allen, besonders dem Landvolk, erteile ich voll Liebe meinen Segen. Das Leiden ist eine Herausforderung Ansprache im Krankenhaus Cardarelli in Neapel am 11. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Begegnung mit den Kranken und denjenigen, die sich ihrer Pflege widmen, stellt für mich stets einen Anlaß besonderer Ergriffenheit dar. Denn man spürt nie so sehr, wie dann, wenn man leidet, wie außerordentlich zerbrechlich das Dasein ist, und wie sehr man doch die anderen braucht. Die Krankheit führt dazu, über das Geheimnis des Lebens nachzudenken. Während sie seine Zeitweiligkeit unterstreicht, hebt sie die Bindungen gegenseitiger Abhängigkeit hervor, die die Menschen miteinander verknüpfen. Die Krankheit bezieht die anderen mit ein und insbesondere die Menschen, die einem nahestehen, und auf diese Weise erleichtert sie ein tieferes gegenseitiges Verständnis. Zuweilen führt der Schmerz zur Verzweiflung; häufiger jedoch macht er uns durch die Gnade Gottes für die Solidarität offen und ermöglicht Handlungen wahren und wirklichen Heldentums. Ich umarme euch mit Zuneigung, liebe Kranke; in Dankbarkeit grüße ich die Ärzte, die Krankenschwestern und Krankenpfleger sowie die Verwaltungsangestellten, die hier aus verschiedenen Krankenhäusern und städtischen Pflegezentren zusammengekommen sind, und auch diejenigen, die sich euch während eures Aufenthaltes in diesem großen und geschichtsträchtigen Krankenhaus widmen. Ich danke dem Vorsitzenden der örtlichen Sanitätseinheit für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Allen gilt mein herzlicher Gruß, mit dem ich euch alles Gute wünsche. <599> <599> Das neapolitanische Volk, das stets einen religiösen Sinn des Mitleids für die Leidenden genährt hat, hat in den verschiedenen Zeitepochen versucht, sich ihnen mit konkreten Initiativen zu widmen, die sich am Gebot der Liebe des Evangeliums inspirierten. Dieses Krankenhaus, das größte in Neapel, ist gewiß ein greifbares Zeichen einer solch wichtigen Tradition der Liebe. Im Laufe der Jahre hat sich dann ein ununterbrochener Wettstreit an Solidarität herauskristallisiert, der von einem bemerkenswerten Eifer in der wissenschaftlichen Forschung begleitet wurde. Zum hochherzigen Hilfsdienst ist auf diese Weise die Formierung eines Ärzte- 727 REISEN Standes von hohem Rang hinzugekommen. Er ist der Ursprung der ruhmreichen neapolitanischen Schule der Medizin, deren Ruf die Grenzen Italiens überschritten hat. Der berühmte Kliniker Professor Antonio Cardarelli hat eurem Krankenhaus seinen Namen gegeben; und vor allem war es Giuseppe Moscati, ein anderer in seinem Beruf sehr geschätzter Mann eurer Stadt und späterer Chefarzt, der auf beispielhafte Weise den Doppelbegriff Wissenschaft und Glaube zu verbinden wußte. 3. Der Gesundheitsdienst ist heute nicht nur Frucht von lobenswerten, privaten Wohltätigkeitsinitiativen, sondern gehört zu Recht zu den Dienstleistungen, die die Gesellschaft allen Bürgern zusichem muß. In der Verwaltung dieser Dienstleistungen darf auf jeden Fall die notwendige Berufstüchtigkeit nicht von der fürsorglichen Achtsamkeit auf die menschliche Person getrennt werden, eben weil es sich nicht um eine als abstrakt betrachtete Krankheit, sondern um einen konkreten Menschen handelt, der eher noch als Arzneien und Therapien Aufnahme und Verständnis braucht. Dies setzt natürlich voraus, daß die in den Gesundheitszentren gebotenen Leistungen stets auf den neuesten Stand gebracht werden, indem die Strukturen an den vorhersehbaren technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, an die neuen Bedürfnisse des Kranken und an die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse angepaßt werden. Und es ist in der Tat nie zu viel, was dafür aufgewandt wird, das Leiden eines Kranken zu mildem. Doch möge die Anwendung der modernsten Technologie im medizinischen Bereich nicht zum Nachteil der Vermenschlichung der Beziehung zu den Patienten ausfallen. Jeder gesundheitliche Eingriff muß sich durch die Achtung für die Würde des Menschen auszeichnen. Denn, Jeeine Institution vermag von sich aus das menschliche Herz, das menschliche Mitleid, die menschliche Liebe, die menschliche Initiative zu ersetzen, wenn es dämm geht, dem Leiden des anderen zu begegnen“ (Salviüci doloris, Nr. 29). Die Achtung für die menschliche Würde muß zu der Liebe dem leidenden Menschen gegenüber hinzukommen. Die Wissenschaft verfügt heute über soviele neue Quellen, und das Bemühen ist lobenswert, das die Strukturen aufbringen, um den neuen Bedürfnissen entgegenzukommen. Dennoch ist ganz besonders wichtig, daß der Gesundheitsdienst nicht aufhört, die konkrete Ausübung jener Liebe zu sein, die Christus gewollt hat; „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Das Leben des Kranken wie das eigene zu lieben: dies ist die vollendete Erfüllung des göttlichen Gebotes! Möge die Achtung und die liebende Aufmerksamkeit auf das Leben des Menschen vom Akt der Zeugung bis zum letzten Augenblick stets der Anhaltspunkt der beruflichen Tätigkeit von euch allen sein, die ihr an diesem Ort des Schmerzes und der Hoffnung arbeitet! <600> <600> Ich denke in diesem Augenblick an alle kranken Brüder und Schwestern, doch vor allem an diejenigen, die seit langem bettlägerig sind, an die Alten und an die Arbeitsunfähigen. Insbesondere wende ich mich an die Kranken der sogenannten letzten Station und an die Opfer der Aids-Krankheit. Diesen unseren Brüdern gegenüber muß die Fürsorge noch geduldiger, der Dienst noch bereitwilliger sein. Sie brauchen verständnisvolle Menschen an ihrer Seite, die sie nicht in diesem Moment der Prüfung verlassen, sie brauchen Freunde, die ihnen hel- 728 REISEN fen, voll Mut den schmerzvollen Ereignissen der Krankheit und auch des Todes zu begegnen, indem sie ihnen das Herz für die Hoffnung auf Gott und das Vertrauen in seine unendliche Liebe öffnen. In solchen Situationen, wenn es so aussieht, als habe die Wissenschaft fast nichts mehr zu sagen, kann die menschliche Wärme eine große Hilfe sein. Wie nie zuvor ist nun die rücksichtsvolle, doch wirksame Anwesenheit von Familienangehörigen, Freunden, Freiwilligen wertvoll. Ganz besonders hervorzuheben ist die Teilnahme der Krankenhausseelsorger, die sich der Seelsorge an den Kranken widmen. Sie zeigen durch ihr wertvolles Apostolat, daß auch dann, wenn die Medizin und die Technik angesichts der Krankheit ohnmächtig sind, die Hilfe der göttlichen Vorsehung doch nicht versagt. In diesen kritischen Momenten ist die einzige Flamme, die nicht verlöscht, der Glaube, aus dem die Leidenden und diejenigen, die sich ihrer Pflege widmen, Kraft und Geduld schöpfen können. Das Leben, liebe Brüder und Schwestern, ist stets eine Gabe Gottes, die mit Achtung und Liebe angenommen werden muß, und das Leiden ist gewiß ein Geheimnis, eine Herausforderung an den Menschen und an den Gläubigen. Es ist auch eine Herausforderung an den wissenschaftlichen Fortschritt, denn es treibt ihn dazu, die Forschung in einem leidenschaftlichen Kampf gegen das, was gegen die Gesundheit des Menschen wirkt, zu vertiefen. Dies ist kein leichtes, doch sicherlich ein begeisterndes Unternehmen. Ihm müssen sich die Wissenschaftler mit Ausdauer und Demut widmen und sich dabei die Haltung des heiligen Arztes, eures Landsmannes Giuseppe Moscati, zu eigen machen, der schrieb: „Bildet und überprüft eure Kenntnisse täglich aufs Neue. Der Fortschritt besteht in einer fortlaufenden Kritik an dem, was wir gelernt haben. Nur ein einziges Wissen ist fest und unerschütterlich: jenes, das Gott offenbart hat“ (Marranzini, Giuseppe Moscati, modello del laico cristiano di oggi, AVE Roma 1987, 370). <601> <601> Liebe Kranke, die ihr hier diese Tage der Pflege mit der Hoffnung verbringt, bald geheilt zu euren Lieben zurückzukehren, habt Mut! Arbeitet aktiv mit den Ärzten zusammen, und seid denjenigen dankbar, die euch beistehen! Habt vor allem Vertrauen auf Gott! Er verläßt euch nie; auch wenn er zeitweise schwer zu verstehen ist, so ist sein Plan doch stets ein Plan der Liebe, der auf unser wahres Wohl ausgerichtet ist. Meinerseits versichere ich euch eines besonderen Gedenkens im Gebet. Ich vertraue dem Herrn jeden von euch, eure Familien und das ganze Personal an, das in diesem Krankenhaus arbeitet, so wie ich auch für alle Kranken und Leidenden eurer Stadt bete. Möge Maria, Heil der Kranken, euch beistehen und stets beschützen! Aus ganzem Herzen segne ich euch. 729 REISEN Rechtssicherheit und Stabilität der Gesellschaft gewährleisten Ansprache an die Unternehmer in Neapel am 11. November 1. Ich bin froh, mich unter Ihnen zu befinden, die Sie eine qualifizierte Vertretung der verschiedenen Sektoren der neapolitanischen Produktionsaktivitäten bilden; ich richte an jeden meinen herzlichen Gruß. Gewiß konnte im Rahmen dieses meines Pastoralbesuchs in der Diözese Neapel eine besondere Begegnung mit Ihnen, den wirtschaftlichen Unternehmern, nicht fehlen, die Sie eine wichtige Rolle in der Entwicklung der Stadt ausüben. Die von Ihnen geforderten Initiativen haben in der Tat bestimmte Auswirkungen für die gesamte Gemeinschaft. Deshalb ist die Hoffnung groß, die von den Bürgern in Sie gesetzt wird. Ich richte einen herzlichen Gruß an die anwesenden Autoritäten und danke Professor Ven-triglia für die Worte, die er im Namen aller an mich gerichtet hat. 2. Diese unsere, wenn auch kurze Begegnung, gibt mir Gelegenheit, gemeinsam über einige Aspekte der heutigen sozialen Situation in Ihrer Stadt nachzudenken. Ich muß vor allem daran erinnern, daß mein Besuch zehn fahre nach dem schweren Erdbeben von 1980 stattfindet, und daß seit der Zeit noch zahlreiche Familien in Behelfsbehausungen leben mit dem Risiko, diese verlassen zu müssen, ohne andere zufriedenstellende Aussichten zu haben. Die Kirche bleibt diesen Situationen gegenüber nicht unempfindlich. Sie bietet ihre Zusammenarbeit an, damit unter Vermeidung jeglicher Form von Gewalt das Mögliche getan werde, um solch dringenden Bedürfnissen einer beachtlichen Zahl von Bürgern entgegenzukommen. Neben dem Mangel an Wohnungen gibt es sodann andere Probleme bezüglich der komplexen sozialen und wirtschaftlichen Situation von Neapel und dem Diözesangebiet. Neapel befindet sich, obgleich es eines der größten industriellen italienischen Zentren darstellt, doch auch unter denen, die zutiefst in einer Krise sind. Das Gebiet der Erzdiözese bildet eine insgesamt sehr zerbrechliche, fragmentarische und tendenziell regressive Wirklichkeit; ihr Umformungsprozeß ist behindert durch städtische Ungleichgewichte, Mängel im Transportsystem und in anderen öffentlichen Grunddiensten. Die Arbeitslosigkeit neigt dazu, sich auf die weniger beschützten Bevölkerungskreise zu konzentrieren, die jungen Menschen und die Frauen. Der Gang des Arbeitsmarktes ist beschwert durch das Phänomen der formell Beschäftigten, die aber in Wirklichkeit im Bereich der „Integrationskasse“ geparkt sind. In einigen Fällen nimmt man Zuflucht zur Heimarbeit und zur sogenannten Schwarzarbeit oder Untergrundarbeit. Ich übersehe nicht das bedeutende Gewicht der Minderjährigenarbeit, das unter anderem bedingt ist durch das beängstigende Phänomen des Übergehens der Schulpflicht. Zu all diesen Übeln kommt noch die Verbreitung der Droge und die Verschlimmerung der organisierten Gewalt. Verehrte Herren, ich fühle mich persönlich an Ihren Sorgen beteiligt. Ich weiß auch, daß diese vielfachen sozialen Problematiken, die beängstigende Zunahme der organisierten Kriminalität eingeschlossen, gewiß nicht eine Verstärkung der privaten unternehmerischen 730 REISEN Tätigkeit begünstigen. Seien Sie mutig! Es ist gerade Ihre Pflicht, sich angesichts der Schwierigkeiten nicht zum Stillstand bringen zu lassen, sondern wagemutig und kreativ zu sein für Ihren legitimen Verdienst und für das Wohl der gesamten Gesellschaft. Die Aufgabe auf sich zu nehmen, die derzeitige Situation zu ändern, ist an erster Stelle Pflicht der Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, die die Aufgabe haben, die Sicherheit im Alltagsleben, die Rechtssicherheit und die Stabilität der Regeln im sozialen Zusammenleben zu gewährleisten. Es ist deshalb notwendig, daß alle bereit sind, ihren Beitrag zu leisten. Darum fordere ich Sie auf, für dieses Ziel Ihre besten Reserven zu mobilisieren. Ihnen obliegen in der Tat große Verantwortungen, die um so heikler sind, je mehr man die Eigenschaften der wirtschaftlichen Entwicklung im Süden Italiens und von Neapel betrachtet. Es kann hier keine Entwicklung geben ohne den Einsatz und den Willen der Personen auf Ortsebene. Eine Entwicklung wird es im Süden Italiens dann geben, wenn die lokalen Kräfte freigemacht werden. Sie als Unternehmer müssen für diese Anstrengung in der ersten Reihe stehen. Ich bitte Sie, die Sie älteste Industrietraditionen, große Intelligenz und berufliche Begabung haben, wie viele Ihrer Mitbürger beweisen, die in anderen Teilen Italiens oder der Welt arbeiten, nicht in eine Haltung der Resignation und der Mutlosigkeit zu verfallen, sondern den Mut zu haben, für das Wohl der Gemeinschaft einen weiteren Wegabschnitt zu wagen. Diesbezüglich appelliere ich vor allem an diejenigen, die sich als gläubige Menschen verstehen. Niemand kann sich christlich nennen und gleichgültig bleiben gegenüber dem Bruder, der in Schwierigkeiten ist, gegenüber der wachsenden Arbeitslosigkeit, dem Mangel an Wohnungen, der Unsicherheit und Ungerechtigkeit. Die Gerechtigkeit fordert es, die Liebe verlangt es. Der hl. Johannes weist daraufhin: „Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht“ (1 Joh 4,20). <602> <603> <602> Die soziale Entwicklung muß, um echt und umfassend zu sein, vor allem dem Respekt vor der Würde der menschlichen Person Rechnung tragen. Hier darf der Mensch nicht geopfert werden. Niemals kam die Entwicklung gegen den Menschen geplant und verwirklicht werden. Die angemessene Lösung der komplexen Probleme der Gesellschaft kommt vor allem von der aufmerksamen Untersuchung ihrer strukturellen und funktioneilen Ursachen. Sie kommt ferner nicht einfach von Vorschlägen technischer oder wirtschaftlicher Art, sondern auch und vor allem von kraftvollen ethischen und geistlichen Antworten. Das bringt für jeden die Bereitschaft zur Konfrontation und zur Veränderung mit sich, ehrbare Suche der Wahrheit, gewissenhafte berufliche Qualifikation und ständige Aufmerksamkeit für die Interessen der gesamten Gemeinschaft. Das schließt endlich einen anderen Lebensstil ein, gestützt auf den Dienst und auf die Solidarität. Die Mangelerscheinungen im sozialen System, über die man sich hier in dieser Stadt beschwert, sind, wie anderweitig, nicht zufällig. Man muß sich also bewußt werden, daß die Situation in Neapel und im Süden Italiens die Frucht von bestimmten Ursachen ist. Für den Entschluß zu einer konsequenten und solidarischen Entwicklung ist die Beteiligung des gesamten Landes erfordert. Im jüngsten Dokument Entwicklung der Solidarität - italienische Kirche und der Süden Italiens, hat der italienische Episkopat bekräftigt, daß von seiten der Regierenden und der Bürger eine ethische Transparenz erforderlich ist. Er hat alle zu einer echten Mobilmachung der 731 REISEN Gewissen gegen die verschiedenen Verunreinigungen des sozialen Lebens aufgerufen, die eine praktische Absage an die Würde des Menschen darstellen. Wenn die „moralische Frage“ im Problem des Südens Italiens angesprochen wird, so ist das eine Einladung, über die Probleme der Arbeit und des Unternehmens und ihre Wechselwirkungen zwischen der wirtschaftlichen und ethischen Dimension nachzudenken, unter dem Licht der moralischen und geistlichen Grundwerte, die die Kirche unermüdlich zu Gehör bringt. 4. Die christliche Auffassung von der Arbeit hat ihre Wurzeln in den biblischen Seiten von der Schöpfung, im ursprünglichen Gebot Gottes: „Bevölkert die Erde, unterwerft sie euch“ (Gen 1,28). Die Tatsache, daß derjenige, der arbeitet, eine Person ist, gibt dieser Tätigkeit einen genauen ethischen Wert, und dieser ist unabhängig von der Art der Arbeit, die getan wird, und von den Umständen, unter denen sie sich verwirklicht. Das II. Vatikanische Konzil unterstreicht: „Durch seine Gott dargebrachte Arbeit verbindet der Mensch sich mit dem Erlösungswerk Jesu Christi selbst, der, indem er in Nazareth mit eigenen Händen arbeitete, der Arbeit eine einzigartige Würde verliehen hat“ (Gaudium et spes, Nr. 67). Aufgrund dieser Würde der Arbeit kann man besser verstehen, welche negativen Folgen von der Arbeitslosigkeit sowie von den anderen damit verbundenen Problemen und, allgemeiner gesagt, von der wirtschaftlichen Krise abhängen, die man gerade durchläuft. Verschiedene soziale Übel, wie die Kriminalität, der Konsum und Handel mit Rauschgift, die Korruption und die organisierte Gewalt können aufgrund solcher Situationen leichter zur Blüte gelangen. Deshalb wird man niemals zu viel Aufmerksamkeit darauf verwenden können. <604> <604> Unter den vielen Weisen, dem Menschen zu dienen, zu denen die Kirche sich gedrängt fühlt, ist auch ihr Bemühen, seinem Nachdenken über den authentischen Begriff des Fortschritts das rechte Licht zu geben. Der derzeitige technologische Fortschritt hat sicherlich eine positive Rolle in der Entwicklung der menschlichen Geschichte. Aber der Fortschritt darf sich nicht allein auf die wirtschaftliche Seite beschränken, ohne auf die innere Verknüpfung zwischen wahrem Fortschritt und Respekt vor den menschlichen Werten zu achten. In der Enzyklika Sollicitudo rei socialis habe ich betont, daß der wirkliche Fortschritt nur durch den Wert der Solidarität zustandekommt (vgl. Nr. 38-40), d. h. durch „die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen“. Das Prinzip der Solidarität wird deshalb auch in der Welt des Unternehmens angewendet. An der Basis der Entscheidungen für die produktiven Aktivitäten stehen moralische, nicht nur wirtschaftliche Kriterien. Unter diesen ist gewiß das Gemeingut das erstrangige Kriterium. Dem Profit zu folgen, ist an sich nicht unrecht, wenn der Profit auf erlaubte Weise und durch eine korrekte Leitung des Unternehmens erlangt wird. Die Suche nach einem vernünftigen Profit ist u. a. verbunden mit dem Recht der „wirtschaftlichen Initiative“, das ich in der oben erwähnten Enzyklika verteidigt habe. Aber der Profit wird nicht als absolutes Kriterium festgesetzt: er ist nur eine Wirksamkeitsregel, die den Beschränkungen, die sich aus dem Prinzip der Solidarität ergeben, unterstellt wird. 732 REISEN 6. Man wird heute ein fortschreitendes Auseinanderentwickeln zwischen der wirtschaftlichen und der ethischen Dimension gewahr, die jedoch in einer konstanten Wechselwirkung stehen müßten. Immer häufiger werden wir vor Fakten und soziale Phänomene gestellt, in denen die Wirtschaft ihre Zweckmäßigkeit ohne irgend einen ethischen Bezug behauptet. Die Kirche, welche die „Wahrheit über den Menschen“ lehrt, erkennt seine Größe als Person und seine Begrenztheit als Geschöpf an. Sie weiß um seinen Durst nach Wohlergehen und um die Schwierigkeiten, die ihn dazu führen, sich im eigenen Interesse zu verschließen. Sie weiß, daß der wirtschaftliche Einsatz nicht die tiefsten Bedürfnisse der Person befriedigen kann. Wie sie sich ebenfalls bewußt ist, daß kein von Menschen geschaffenes System, wenn es auch nach einer ständigen Verbesserung tendiert, niemals auf der Erde die Fülle der Gerechtigkeit erlangen kann; in jedem System wird es immer notwendig sein, die Aspekte zu korrigieren, die im Widerspruch zur Menschenwürde und zur Teilnahme aller am Gemeinwohl stehen. 7. Liebe Freunde, ich möchte diese Überlegungen mit dem Bezug auf einen wichtigen Aspekt der christlichen Berufung beschließen. Ich meine den Aspekt des „Dienstes“. Er gibt jedem wirklich menschlichen Bemühen Sinn und Wert. Die Wegweisung für die Straße, der wir zu folgen haben, kommt uns direkt von Christus dem Heim. Er ist, obwohl er Gott war, Mensch geworden für den Menschen, nicht „um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen“ (Mt 20,28; Mk 10,45). Die Soziallehre der Kirche, die dieses höchste Beispiel aufgenommen hat, lehrt, daß die Person sich nur durch das großzügige Geschenk ihrer selbst ganz finden kann (vgl. Gaudium et spes, Nr. 24). Die Kirche empfindet die Pflicht, Ihnen alles zu sagen, daß die wahre Kraft des Fortschritts die Liebe ist, die sich in handelnde Solidarität überträgt. Ich lade Sie ein, unter diesem Gesichtspunkt Ihre Aktivitäten zu leben und zu entwickeln. Gott segne Sie alle! Gewaltanwendung höhlt die Person aus Ansprache bei der Begegnung mit den Gefangenen in Poggioreale (Region Kampanien) am 11. November Liebe Freunde! 1. Lebhaft habe ich danach verlangt, während meines Pastoralbesuches in der Stadt und Diözese Neapel auch einen Besuch im Institut von Poggioreale machen zu können, und nun bin ich besonders glücklich, daß ich bei euch weilen darf. Ich danke euch für euren Empfang. Ich danke besonders dem Herrn Justizminister für seine Anwesenheit und für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat. Ich danke jenen, die eure gemeinsamen Empfindungen ausgesprochen und mir die Schwierigkeiten verschiedener Art dargelegt haben, in denen ihr euch befindet, und die guten Vorsätze, die ihr habt. Ich habe alles sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen. 733 REISEN Achtungsvoll grüße ich den Herrn Generaldirektor der Präventions- und Strafvollzugsanstalten sowie den Herrn Direktor dieses Institutes und seine Mitarbeiter. Ich grüße alle Anwesenden. Gern möchte ich mich persönlich mit einem jeden unterhalten und hören, was ihr mir etwa über eure persönlichen Schicksale und Familienverhältnisse anvertrauen möchtet; ich möchte mit euch die Sorgen und Prüfungen teilen, die euer Dasein kennzeichnen; ich möchte euch ferner ermuntern, vertrauensvoll in die Zukunft zu schauen. Leider ist es heute nicht möglich, diesen Dialog auf Du und Du zu führen, doch wenn ich mich an alle wende, richte ich meine Worte an das Herz eines jeden. Ich umarme euch alle im Geiste, und es ist niemand unter euch, den ich von dieser Umarmung ausschließen möchte. Ich spreche euch mein Verständnis und meine Zuneigung aus, liebe Brüder, und ich grüße euch von Herzen. Durch meine Person und durch meine Stimme versichert euch die Kirche ihrer Präsenz und ständigen Aufmerksamkeit. 2. Das Gefängnis ist sicher kein Ort, den man freiwillig aufsucht, um dort zu bleiben. Eure Situation ist daher gewiß nicht leicht. Ihr seid euch sicher des Unbehagens bewußt, das zwischen euch und der Gesellschaft entstanden ist, und ihr könnt auch den Eindruck haben, euch selbst überlassen zu sein. Mir sind eure Schwierigkeiten bekannt, und ich kenne auch die Anstrengungen, die gemacht werden, um euren Aufenthalt in diesem Institut nicht noch niederdrückender zu machen. Ich komme zu euch, um eure Sorgen zu teilen. Ich komme, um einem jeden die Botschaft des Evangeliums zu bringen, die innere Befreiung und Versöhnung mit dem Nächsten beinhaltet. Ich weile im Namen Christi unter euch, der gesagt hat: „Ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen“ (Mt 25,36). Jesus hebt weder die Schuld noch die Verurteilung hervor, vielmehr die reale Möglichkeit, zu einem neuen Leben des Verzei-hens und der Liebe aufzuerstehen. Das Evangelium ist wahrlich ein Wort, das tröstet, auch wenn es hohe Ansprüche stellt; es ist ein Sauerteig, der erneuert, eine Flamme, die im Herzen des Menschen neues Leben entzündet. In ihm kann man den Mut finden, den Bruch im eigenen Leben zu überwinden, indem man sich vertrauensvoll den Händen des himmlischen Vaters anvertraut. So bin ich nun unter euch, um zu wiederholen, was unser Erlöser sagen würde, ohne sich beim Elend des Menschen aufzuhalten, sondern vertrauend auf unsere Fähigkeit, seine Worte zu verstehen, und auf unseren Wunsch, ihm unser Herz zu öffnen: „Kommet alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen ... lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele“ (Mt 11,28-29). Durch die Bekehrung und Reinigung des Herzens befreit Christus jeden Menschen aus seinem moralischen Kerker, in dem ihn seine Leidenschaften gefangen halten. Er ist bereit, mit Macht und Barmherzigkeit einzugreifen, doch wartet er darauf, daß wir mit unserer Verfügbarkeit es ihm gestatten, er wartet darauf, daß wir ihm entgegengehen. <605> <605> In der Schule Jesu, des Lehrers echter Menschlichkeit, lernt man, daß Gewaltanwendung die Person aushöhlt und die Gesellschaft zerstört, daß das Böse zum Tode des Geistes führt, noch ehe es die Individualität zerstört. Wer auf seine Stimme hört, wird sich bewußt, welch einen wunderbar reichen Plan Gott für jeden Menschen hat. Er ruft uns auf, mit ihm zusammenzuarbeiten, um aus der Welt seine Familie zu machen, in der das unzerstörbare Gesetz 734 REISEN der Liebe herrscht. Gott kennt das Geheimnis eurer Herzen, eure Ängste und Hoffnungen. Seine Gerechtigkeit übersteigt jede noch so gewissenhafte menschliche Gerechtigkeit, und seine Barmherzigkeit überragt jede uns vorstellbare Fähigkeit zum Verzeihen. Er ruft also auch euch, an diesem Ort der Strafe und des Leidens, in der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit zu wachsen, und er vertraut euch mit einer ganz besonderen Gnade die Aufgabe des Wie-dergutmachens an, das heißt, die Würde, die einem jeden Kind Gottes zukommt, wieder herzustellen. Gott braucht auch euch: Nehmt sein Wort an und folgt seiner Aufforderung. 4. Liebe Freunde, ich bin gekommen, um euch zu Geduld und Güte und zu gegenseitigem Verständnis aufzufordem. Denkt an eure durch eure Lage hart geprüften Familien; denkt an jene, die euch wohlgesinnt sind und auf euch bauen. Bringt auch an diesen Ort und für euch untereinander ein wenig Heiterkeit. Das Geheimnis des wahren Glücks liegt nicht im leicht erreichbaren Erfolg; man muß es geduldig im Geist des Opfers und des Dienstes aufbauen, indem man Gutes tut, auch wenn es viel kostet. Auf dem Weg der geistigen Wiedergeburt, den ich euch mutig zu beschreiten auffordere, wünsche ich mir an eurer Seite Menschen, die euch verstehen und euch helfen. Sowohl jetzt innerhalb dieses Institutes als auch, wenn ihr wieder draußen seid, möge euch immer ein Netz wirksamer sozialer Solidarität unterfangen. Es genügt nicht, zu behaupten, jede Gefangensetzung und jede sonstige restriktive Maßnahme diene hauptsächlich dem Wiedergewinnen der Person. Jedes Mitglied der Gemeinschaft muß sich vielmehr für die Erreichung dieses äußerst wichtigen Zieles einsetzen. Alle müssen dahin wirken, daß innerhalb der Gesellschaft Verhältnisse geschaffen werden, die kriminellem Verhalten zuvorkommen und es verhüten. Das setzt insbesondere voraus, daß erzieherische und Bildungsmaßnahmen vor allem für die Jugend ergriffen werden. Sowohl die öffentlichen Stellen als auch private Organisationen sind alle gleichermaßen aufgerufen, Menschen in Schwierigkeiten konkrete Hilfe zu leisten. Notwendig ist vor allem, daß Menschen wie ihr, die sich im Gefängnis befinden, zumal in der heiklen Phase ihrer sozialen Wiedereingliederung geliebt werden. Denn nur aus der Verfügbarkeit und Zusammenarbeit aller kann eine mehr einladende Welt, wirklich nach Menschenmaß, entstehen. Mit diesen Wünschen rufe ich auf euch alle, die ihr mir zuhört, den Schutz der Muttergottes vom Karmel herab, der die Neapolitaner besonders verbunden sind, und segne euch von Herzen. 735 REISEN Verwüstung der Umwelt und soziale Mißstände ablehnen Predigt beim Wortgottesdienst in Pagani (Region Kampanien) am 12. November 1. „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Li 4,18). Dies sind die Worte, dem Buch des Propheten Jesaja entnommen, die Jesus in der Synagoge von Nazaret an dem Tag las, an dem er sein Wirken begann. Es handelt sich hier um eine messianische Prophetie. Jesus fügt hinzu; „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (Li 4,21). Liebe Brüder und Schwestern, heute werden diese Worte auch hier Wirklichkeit, in der Stadt Pagani. Sie machen das unerforschliche Geheimnis der göttlichen Vorsehung dem Herzen des Glaubenden gegenwärtig und erinnern ihn daran, daß die Kirche der Ort ist, an dem das Wort des Heils zu immerwährendem Leben wird, das die Krankheiten heilt, vom Übel befreit und das Tor der Liebe auftut. Sie erinnern daran, daß Christus lebt, mit der erneuernden Macht seiner Gnade und seines Erbarmens. Der Geist wirkt in jedem von uns. Er erneuert und heiligt uns. 2. Der Text des Evangeliums, den wir vernommen haben, hebt das enge Band zwischen der Macht des Geistes und der Sendung des Sohnes hervor. Er spricht vom Messias, dessen Sendung ganz und gar vom Heiligen Geist durchdrungen ist. Bei der Menschwerdung gegenwärtig, steigt der Geist feierlich auf Jesus zu Beginn seines öffentlichen Wirkens herab und begleitet ihn bei allem, was er tut und sagt. Am Vorabend seines Leidens sagte Jesus selbst das Kommen des Trösters voraus. Als seine Sendung auf dieser Welt vollendet war, erteilte der Erlöser auch den Aposteln diese „Salbung“, die sie zu mutigen Zeugen des Evangeliums bis an die Grenzen der Erde machen sollte. 3. An dieser Salbung, die messianische Kraft ist, hat, wie die Konzilskonstitution Lumen Gentium erinnert, das ganze Volk Gottes Anteil, das in der Stadt Pagani lebt, ein an Charismen und apostolischen Fähigkeiten reiches Volk. Wie könnte man es unterlassen, gerade hier, neben der Basilika, in der die Urne des hl. Bischofs Alfons Maria Liguori, des begeisterten Apostels Christi und mutigen Verkünders des Evangeliums, aufbewahrt wird, an unsere einzigartige und anspruchsvolle Sendung zu erinnern? Ich danke eurem eifrigen Hirten Bischof Gioacchino Illiano für die Worte, die er an mich gerichtet und für die Absichten, die er zum Ausdruck gebracht hat. Zum Zeichen brüderlicher Gemeinschaft wollte er mir die Pastoralprojekte eurer Diözese und die guten Vorsätze mit-teilen, die ihr trotz der zahlreichen und schwerwiegenden Probleme gefaßt habt, aufgrund deren euer christliches Zeugnis Tag für Tag höchsten Einsatz erfordert. <606> <607> <606> In gewisser Hinsicht lassen sich diese Worte Jesu auf euch alle anwenden; „Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze“ (LL4,18). 736 REISEN Am Tag eurer Taufe ist der Geist des Herrn auf euch herabgekommen; er hat euch geweiht, damit ihr seine Sendung unter den Menschen fortsetzt. Er hat euch gesandt, die Unterdrückten zu befreien und seine erbarmende Liebe zu den Armen, den Kranken und den Ausgegrenzten zu bezeugen und mit eurem Leben Wahrheit und Gerechtigkeit zu verkünden. Der Mittelpunkt all eures Wirkens soll Christus sein. Er teilt jedem eine Aufgabe zu. Eure Antwort sei großmütig und rückhaltlos, trotz aller Hindernisse und Schwierigkeiten, denen ihr begegnet. Der Wert des Lebens liegt in der Verfügbarkeit für Christus. 5. Ich weiß, mit wieviel Eifer ihr euch um die Erneuerung des christlichen Lebens in eurer Diözese bemüht; ich kenne auch die Pläne, die ihr vertrauensvoll durchführen wollt, damit die Botschaft des Evangeliums die ganze Gesellschaft durchdringe. Die diesem Augenblick eigenen Probleme, die große Schwierigkeiten im Bereich der Arbeitsbeschaffung insbesondere für die Jugendlichen hervorgerufen haben, dürfen eure Begeisterung und euren Mut nicht auslöschen. Der Geist des Herrn ist eure Stütze: er ist in euch. Der Geist ist es, der euch sendet, das Evangelium zu verkünden, und es ist stets er, der wirkt und Früchte hervorbringt. Eure Stadt, einst Zeuge der vom hl. Alfons gewirkten Wunder, bedarf eures Glaubens und eurer hochherzigen und geduldigen Liebe. In eurer Diözese ist eine neue Evangelisierung nötig geworden, die sich auf das ganze Gebiet um Nocera und Salerno erstreckt; eine missionarische Verkündigung, welche die Volksfrömmigkeit von Grund auf erneuert; eine Katechese, die auf entsprechende Weise die Herausforderungen der heute vorherrschenden Kultur annimmt; eine Liturgie, die dem Leben nahe ist; eine pastorale Präsenz, die alle sozialen Schichten erreicht; ein Einsatz für die Förderung des Menschen, der konkret und nachhaltig sein muß. Laßt euch nicht von der Verbreitung der Kriminalität, des Lasters und der organisierten Gewaltanwendung entmutigen; lehnt die Verwüstung der Umwelt und die sozialen Mißstände ab; verkündet Gerechtigkeit und Wahrheit; laßt das gegenseitige Verstehen und die gegenseitige Solidarität immer wirksamer werden. <608> <608> Ich grüße euch alle, liebe Brüder und Schwestern, sehr herzlich und möchte euch allen mein Wort des Trostes und der Ermutigung zukommen lassen. Schreitet auf dem fruchtbaren Weg der Treue zum Evangelium weiter! Wie der hl. Alfons und so viele andere großmütige Söhne und Töchter eurer Erde, die ihr Leben dem Evangelium weihten, sollt auch ihr euren Blick Christus zuwenden, denn nur von ihm kommt das Heil. Laßt eure Taufversprechen, die wir in Kürze erneuern werden, in eurem Verhalten wirksam werden! Verkündet mit Freude eure Liebe zum Erlöser des Menschen und zu seiner Kirche! Seid bereit, das Antlitz des Herrn in den Armen und Leidenden zu erkennen und öffnet, wie Maria, eure Herzen für das Geheimnis der göttlichen Liebe, das die Existenz verwandelt! Die Kraft des Geistes sei eure Sicherheit! „Der Geist des Herrn ruht auf mir ... Heute hat sich die Schrift erfüllt...“ Amen. 737 REISEN Mutig im Verzeihen sein Ansprache an die Bevölkerung von Nocera Inferiore (Region Kampanien) am 12. November Liebe Brüder und Schwestern von Nocera Inferiore! 1. Zu Beginn meines Pastoralbesuches in eurer Diözese möchte ich euch alle herzlich begrüßen. Ich bin wirklich glücklich über die mir gebotene Gelegenheit, diese aktiven und hochherzigen Menschen besuchen zu können. Ich freue mich auch, daß dieser mein kurzer Besuch bei euch zur Erinnerung an die 150 Jahre seit der Heiligsprechung des hl. Alfons Maria von Liguori erfolgt. Am Nachmittag begebe ich mich nach Pagani, um bei den sterblichen Überresten dieses großen Heiligen zu beten, der ein unermüdlicher Apostel der Liebe und weiser Erzieher des christlichen Volkes durch das providentielle Werk seiner Volksmissionen gewesen ist. 2. Ich begrüße herzlich euren Bischof, Gioacchino Illiano, dem ich lebhaft sowohl für die mir übermittelte Einladung, eure Gemeinschaft zu besuchen, als auch für die herzlichen Worte danke, in denen er eben eure Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Ich grüße ferner den Herrn Bürgermeister, dem ich aufrichtig für die freundlichen Willkommensworte danke, die er an mich auch im Namen des Stadtrates und der ganzen Bürgerschaft gerichtet hat. Insbesondere begrüße ich euch alle, Brüder und Schwestern, die ihr zu meinem Empfang gekommen seid, und durch euch soll mein wohlwollendes Gedenken auch der ganzen Bevölkerung der Stadt gelten. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (1 Kor 1,3). Mit diesem Gruß, den der Apostel an die Christen von Korinth richtete, möchte ich eurer Stadt wahre Freude und echte Solidarität wünschen, wie sie aus der aufrichtigen Annahme des Wortes Christi und der treuen Befolgung seines Evangeliums entspringen. <609> <609> Die beiden Pastoraltagungen, die eure kirchliche Gemeinschaft kürzlich zu den Themen „Gemeinschaft und Mitverantwortung in Leben und Sendung der Kirche“ sowie „Liturgie und Volksfrömmigkeit“ gehalten hat, haben euch eine Überprüfung des von euch zurückgelegten Weges erlaubt und euch Gelegenheit geboten, die vorrangigen Aufgaben für die Seelsorge in eurer Diözese festzulegen. Diese Tagungen haben nicht nur die Probleme, Schwierigkeiten und Lücken im sozialen Geflecht eurer Gegend sichtbar gemacht, sondern auch die positiven Daten und die verfügbaren Kräfte gezeigt, mit denen ihr rechnen könnt, um dem von allen geforderten christlichen Zeugnis neuen Nachdruck zu geben. Sie bilden für alle einen lichtvollen Bezugspunkt. Ich weiß, daß ihr in eurer Diözese auf dem Weg der Erneuerung weitergeht, den das n. Vatikanische Konzil eingeleitet hat und den die nachfolgenden Dokumente des Lehramts verdeutlicht haben. Ich freue mich über eure eifrige sakramentale Praxis. Sie unterstützt eure Vorsätze, die christlichen Werte in hochherziger Konsequenz hochzuhalten: die Treue und Eintracht in den Familien und die gänzliche Hingabe an die Sache des Evangeliums bei den zu einer besonderen Weihe an Gott Berufenen. Ich bin auch darüber informiert, daß die echte Förderung des Menschen euch ein wirkliches Anliegen ist und ihr euren loyalen Beitrag im 738 REISEN Dienst am Guten leistet. All das macht mir Freude, und ich wünsche euch, auf diesem Weg auszuharren und alle Hindernisse zu überwinden. Wenn man zur Ehre Gottes und für das Wohl des Menschen arbeitet, läßt es der Herr nicht an seiner Hilfe und seinem wirksamen Segen fehlen. So wird die eigentliche Berufung des Christen Wirklichkeit, die in einem Leben der ständigen Gemeinschaft mit Christus und den Mitmenschen besteht, in der Überwindung des Egoismus und der Versuchung, im Nächsten mehr einen Gegner als einen Bruder zu sehen, dem man helfen muß und der „am Festmahl des Lebens teilnehmen soll, zu dem alle Menschen von Gott in gleicher Weise eingeladen sind“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 39). Der Jünger des Herrn ist aufgerufen, in allen, auch in den ihm feindlich Gesinnten, das Bild Gottes zu achten, als das wir geschaffen und erlöst sind. Liebe Brüder, seid immer mutig im Verzeihen, beharrlich in der Liebe, kühn und hochherzig im Dienen! Überwindet die Versuchung zur Gleichgültigkeit und zum Haß durch konkrete Gesten der Solidarität unter euch, unter euren Familien und in eurer ganzen Stadt. Wenn ihr euch von einem tiefen Glauben anregen und tragen laßt, werdet ihr damit einen wirksamen Beitrag zur Lösung der schweren Probleme leisten, die ihr wiederholt bei euren Tagungen herausgestellt habt. Ihr könnt so zugleich wirksam gegen jede Gefahr einer Auflösung des sozialen Geflechtes ankämpfen, und den Jugendlichen bietet ihr überzeugende Motive zum vertrauensvollen Blick in ihre Zukunft. Verliert niemals eure Identität als Jünger des Herrn, gebt keinem Anreiz zu bloßem Verfolgen der eigenen Interessen nach, verfallt nicht der Vergötzung der Macht, des Erfolges und des Geldes! Laßt euch vielmehr von einem tiefen Glauben anregen, und macht euch für einen Dienst verfügbar, der echten und tatkräftigen religiösen Geist verlangt und der eine entsprechende Ausbildung, tiefe Überzeugungen und ein konsequentes Zeugnis erfordert. Tragt also durch euer Dasein, in dem das Evangelium aufleuchtet, das christliche Heil in jede menschliche Wirklichkeit hinein, dann seid ihr Erbauer einer gerechteren und brüderlicheren Gesellschaft. Ich ermutige euch, liebe Brüder und Schwestern, auf diesem Weg weiterzugehen. Sucht weiter den Weg der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Liebe, und laßt es nicht an gegenseitiger Hilfe fehlen, die Ergebnis eines aufrichtigen und konstruktiven Dialogs ist. Haltet unter euch die Liebe aufrecht, und tragt Sorge für das Wohl aller! <610> <610> Zum Abschluß mache ich mir das Gebet zu eigen, das bei Gelegenheit dieses Besuches zusammengestellt wurde, und bitte den Herrn mit euch und für einen jeden von euch, daß alle Laien und Ordensleute eurer Gemeinschaft im Namen Christi ihre Kräfte einsetzen für eine konkrete und unverzügliche Antwort auf die tausend Gesichter von Gewalttätigkeit, Arbeitslosigkeit und Entgleisung, die eine tägliche Plage für dieses fruchtbare Land mit seiner arbeitsamen Bevölkerung sind. Die Schutzherrin eurer Stadt möge über euch allen wachen. Euer Patron, der hl. Priskus, und der große Lehrer, der hl. Alfons von Liguori, aber mögen euch helfen, eure guten Vorsätze durchzuhalten. 739 REISEN Der Gnade des Wortes Gottes nicht mißtrauen Predigt bei der Eucharistiefeier in Pozzuoli (Region Kampanien) am 12. November 1. Wir befinden uns hier an der Stelle eines bedeutsamen Abschnitts auf der Reise des hl. Paulus. Vor nicht langer Zeit konnte ich die Insel Malta besuchen, wo immer noch das Andenken an den Apostel lebendig ist. Bekanntlich wurde Malta nach dem Schiffbruch für Paulus und seine Reisegefährten die Insel ihrer Rettung. Die Apostelgeschichte beschreibt dann die Fortsetzung dieser Reise an der Küste Italiens entlang. Genannt werden die Städte Syrakus, Reggio und Pozzuoli, eure Stadt. Liebe Brüder und Schwestern, ihr lest diesen Text aus der Apostelgeschichte gewiß immer wieder mit großer Ergriffenheit, bietet er doch ein besonderes historisches Zeugnis für eure Stadt, über eure Vorfahren und insbesondere über die Ursprünge eurer Kirche. Wir lesen dort: „So kamen wir ... nach Puteoli [Pozzuoli], Hier trafen wir Brüder; sie baten uns, sieben Tage bei ihnen zu bleiben“ (Apg 28,13-14). Aus diesen Worten ergibt sich, daß es hier schon vor der Ankunft des hl. Paulus eine christliche Gemeinde gab, die Ortskirche von Pozzuoli. Dank seines Aufenthaltes von sieben Tagen prägte der hl. Paulus eurer Kirche in Pozzuoli das apostolische Siegel auf. 2. Heute danken wir der Heiligsten Dreifaltigkeit für die apostolischen Ursprünge eurer christlichen Gemeinschaft, und wir wollen, wenn auch kurz, auf ihre 2000jährige Geschichte zurückblicken. In eurer Kirche hat es einzigartige Beispiele überzeugter Treue zu der von Paulus verkündeten Botschaft gegeben und eifrigen Dienst für die Verbreitung und die Reinheit des Glaubens. Wir denken besonders an die Märtyrer der ersten Jahrhunderte, die ihr als Erstlinge des Christentums hier in Kampanien verehrt: den Bischof von Benevent, den hl. Januarius, der auf dem Stein enthauptet wurde, der, mit seinem Blut benetzt, noch heute als lebendiges Zeichen seines Martyriums aufbewahrt wird; an die Diakone Sosius, Festus und Prokulus, an den Lektor Desiderius, an die christlichen Laien Euchtychetes und Acutius: alle sind Vorbilder für die Treue zu Christus und zum Evangelium, und sie haben mit ihrem Wort und mit ihrem Blut hier gepredigt. Zur Geschichte des Glaubens von Pozzuoli gehört ferner die Predigt des Bischofs Julianus, dem der hl. Papst Leo der Große den Brief für den Patriarchen Flavian von Konstantinopel anvertraute. Dieses Dokument trug bekanntlich zu einer vertieften Kenntnis Christi als wahrem Gott und wahrem Menschen bei, und diese Formulierung des Glaubens, die in der Kirche als authentisch und maßgebend übernommen wurde, sollte dann die Jahrhunderte hindurch als unbezweifelbarer Ausdruck der Wahrheit über Christus verkündet werden. <611> <612> <611> Ihr könnt also auf edle Überheferangen zurückschauen, ihr seid Erben einer kostbaren Hinterlassenschaft an Lehre und Leben, die sich im Verlauf der Jahrhunderte angereichert hat durch den Beitrag der Generationen von Christen, die ihre Treue zu Christus hier bezeugt haben. Heute, nach dem II. Vatikanischen Konzil, bekennen wir die gleichen sicheren Wahrheiten über Christus und machen eine ähnliche Erfahrung als Kirche. Wir bekennen unsere Zustim- 740 REISEN mung zur Wahrheit über Christus zusammen mit allen anderen geoffenbarten Wahrheiten, zumal mit der Wahrheit über den dreieinigen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Kirche erscheint nämlich nach der Lehre des Konzils als „das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“ (Lumen Gentium, Nr. 4). Dies ist die Einheit, welche die Kirche in ihrer universalen Dimension lebt. Dies macht auch die Einheit jeder Einzelkirche aus, in der das allumfassende Geheimnis der Kirche und ihrer Struktur eine eigene Ausprägung erfährt. 4. Im Geist dieser weltumspannenden Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe bin ich daher zu euch gekommen, um euch zu begegnen und kennenzulemen. Mit Freude begrüße ich euren Bischof Salvatore Sorrentino mit der ganzen Priesterschaft, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die in den verschiedenen Diensten engagierten Laien, vor allem jene, die in der Katechese und den karitativen Werken mitarbeiten. Ich grüße ferner die Autoritäten der Stadt und alle, die an dieser Feier teilnehmen wollten. Im Text aus der Apostelgeschichte haben wir gelesen: „Die Gläubigen von dort - nämlich die von Rom - waren uns entgegengereist. Als Paulus sie sah, dankte er Gott und faßte Mut“ (vgl. Apg 28,15). So bin denn auch ich gekommen, um euch zu stärken und Mut zu machen, denn euer kirchlicher Eifer und euer Bemühen um die Verbreitung des Evangeliums verdienen Aufmerksamkeit und Lob. Ich bin hier, um euch zu ermuntern, auf dem eingeschlagenen Weg durchzuhalten. Euer Bischof hat mir einige Schwierigkeiten vorgetragen, die die Diözese heute zu meistern hat: das kürzliche Erdbeben und die charakteristische Bodenverschiebung im flegräischen Gebiet haben die Gemeinschaft gespalten, und ein Teil der Familien und Pfarreien wurde zerstreut; wichtige Kultorte sind unbenutzbar geworden, angefangen mit der Kathedrale, die auf der antiken Akropolis erbaut wurde. Noch größer ist die pastorale Sorge, die mit der sich ausbreitenden Bautätigkeit verbunden ist und mit der notdürftigen Unterbringung neuer Familien im Gebiet der Diözese. Es ist klar, daß das eine Fülle von Problemen mit sich bringt, von der ersten pastoralen Kontaktaufnahme mit den neu Angekommenen, bis zur Errichtung entsprechender Kultstätten. Wie soll man eine christliche Gemeinde aufbauen oder wieder zusammenführen ohne eine elementare Struktur für ihre Zusammenkünfte und zur Eucharistiefeier am Sonntag? Vielleicht macht sich bei vielen unter euch Priestern und Laien Mutlosigkeit breit oder die Versuchung, angesichts dieser Schwierigkeiten alles aufzugeben. Ich bin daher zu euch gekommen, um auch diese Besorgnis mit euch zu teilen und euch ein besonderes Wort der Ermunterung und der Hoffnung auszusprechen. <613> <613> „Paulus dankte Gott und faßte Mut“. Liebe Brüder und Schwestern, fürchtet euch nicht, laßt die Hände nicht sinken, mißtraut nicht der Gnade des Wortes Gottes, das ihr predigt! Dem Herrn fehlen nicht die Mittel, um euch zu Hilfe zu kommen. Dankt auch ihr mitten in eurer täglichen Mühe, in der Sicherheit, daß sich die Verheißungen Christi erfüllen und die Wunder seiner Gnade auch euch zugedacht sind, denn „die Treue des Herrn wächst in Ewigkeit“ (Ps 117,2). 741 REISEN Ich möchte die Priester besonders ermuntern, ihre Aufgaben mit hochherzigem Mut aufzugreifen. Die euch, liebe Brüder, anvertraute Sendung wird durch Schwierigkeiten niemals ärmer, wenn ihr den Leuten im Namen Christi vertrauensvoll entgegengeht; wenn ihr als eifrige Hirten den Glauben neu entzündet, wenn ihr die Gläubigen mit dem Wort und den Sakramenten nährt und sie bestärkt mit der Zuneigung echter Seelenhirten. 6. Der heutige Abschnitt aus dem Evangelium zeigt uns das Gespräch des auferstandenen Christus mit Simon Petrus, der berufen war, Fundament der Kirche und Fortsetzer des Werkes Jesu, des Guten Hirten, zu sein. Zur Stunde des Gespräches mit Simon Petrus hatte Christus schon voll bekräftigt, jener Hirte zu sein, der „sein Leben für seine Schafe hingibt“ (vgl. Joh 10,11). Nach der Auferstehung, als sein Abschied von dieser Welt und die Rückkehr zum Vater schon nahe bevorstand, trug er an seinem Leib die Zeichen des Kreuzesopfers. Aber auch Petrus trägt tief in seinem Inneren die Erinnerung an die Enttäuschung, die er seinem Meister in der Nacht des Verrates bereitet hat. Er hat auch sich selbst schmerzlich betrogen. Als Christus ihn nun fragt: „Liebst du mich?“ (Joh 2.1,15), beruft sich Petrus nicht an erster Stelle auf sich selbst, sondern auf seinen Meister: „Herr, du weißt alles“; und erst danach fügt er hinzu: „Du weißt, daß ich dich liebhabe“ (Joh 21,17). Nach dieser dreimal wiederholten Antwort bekräftigt Christus die pastorale Sendung des Petrus in seiner Kirche und sagt ihm: „Weide meine Schafe!“ (ebd.). 7. Auch an euch richtet Christus heute eindringlich die Frage: „Liebst du mich ... liebst du mich mehr als jene?“ Er tut es vor allem deswegen, weil er die „heikle und schwierige“ Situation kennt - wie euer Bischof es formuliert hat -, in der ihr euch befindet. Er, der Herr, fordert euch auf, eure Probleme dadurch zu lösen, daß ihr vor allem die Augen des Glaubens auf ihn gerichtet haltet, den „Hirten und Bischof eurer Seelen“ (1 Petr 2,25). Antwortet daher auch ihr wie Petrus: „Herr, du weißt alles, du weißt, daß ich dich liebhabe.“ Sagt dem Herrn: Du allein kennst unsere Mühen und Schwierigkeiten; aber du weißt zugleich, daß keine davon uns je von deiner Liebe trennen kam (vgl. Röm 8,35), keine kann in uns je das Verlangen auslöschen, dir zu dienen. Der Herr aber wird euch als Antwort erneut sagen: „Folge mir!“, trotz aller Schwierigkeiten. Folge mir in der Predigt des Evangeliums. Folge mir im Zeugnis eines Lebens, das der Gabe der Taufgnade entspricht. Folge mir, indem du von mir zu jenen sprichst, mit denen du Tag für Tag zusammenlebst, in der Mühe der Arbeit, des Dialogs und der Freundschaft. Folge mir in der Katechese der Kinder, denn keinem von ihnen darf das Wort fehlen, das ihre Ohren für die Kenntnis des liebevollen Antlitzes des menschgewordenen Gottessohnes öffnen kann. 8. Groß ist die Macht dieses Dialogs. Als Paulus in eurer Stadt weilte und sich für die Reise: nach Rom bereitmachte, war Petrus dort bereits angekommen. Von da an waren die beiden Apostel also zusammen. Die Kirche in Rom wurde auf diesem doppelten apostolischen Fundament, auf Petrus und Paulus, errichtet. Jeder von ihnen hatte einen anderen Weg zurückgelegt, aber immer und einzig in der Nachfolge Christi. 742 REISEN Die Kirche hat seitdem als „Volk, in der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Geistes vereint“, immer von den Aposteln diesen Auftrag empfangen; die apostolische und universale Kirche wie auch jede Ortskirche. Das galt und gilt auch für eure Kirche in Pozzuoli, für die Stadt, durch die der hl. Paulus gegangen ist: für eure Kirche, in der wie in jeder anderen Kirche unaufhörlich die Worte des Petrus widerklingen: „Herr, du weißt alles; du weißt, daß ich dich liebhabe.“ Gerade in dieser Liebe liegt die alles umfassende Kraft. Kraft dieser Liebe loben den Herrn alle Völker, und alle Nationen verkünden seinen Ruhm (vgl. Ps 117,1). Die Liebe ist die universale Kraft, die nicht stirbt, weil sie den Menschen übersteigt. Die Apostel Petrus und Paulus sind als Märtyrer gestorben. Aber die Liebe, ihre Liebe wird nie sterben, weil sie von Gott stammt. In ihr offenbart sich „die Treue des Herrn“, jene Treue, die „ewig währt“ (vgl. Ps 117,2). Amen. Der Priester muß nach der Wahrheit urteilen Ansprache an die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen in Pagani (Region Kampanien) am 12. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit einem Herzen voll Freude bin ich in dieser Basüika von Pagani angekommen, um die Reliquien des hl. Alfons Maria von Liguori zu verehren. Ich bin nach dem Beispiel der Frömmigkeit meines Vorgängers, Papst Pius IX., hergekommen, der während seines Exils in Gaeta am 8. Oktober 1849 hier gewesen ist. Ich grüße euch alle und danke für euren warmen Empfang. Ein besonderes Wort des Dankes gilt P. Juan Lasso de la Vega für die Gedanken, die er im Namen seiner Mitbrüder und aller Anwesenden zum Ausdruck gebracht hat. Am 1. August 1987 habe ich an ihn, in seiner Eigenschaft als Generalsuperior der Kongregation des göttlichen Erlösers bei Gelegenheit der Zweihundertjahrfeier nach dem Heimgang des hl. Alfons zu Gott, das Apostolische Schreiben Spiritus Domini gerichtet. Darin habe ich zusammenfassend das Leben des Heiligen und seine Sendung in der Kirche dargestellt: er war ein Missionar der armen Leute, ein Erneuerer der Moral und ein Lehrer des Gebetes. Bei der heutigen Begegnung möchte ich erneut mit euch, liebe Brüder und Schwestern, über sein Beispiel und seine Lehren nachdenken. In einer Zeit, die nicht ohne Schwierigkeiten und Spannungen war, hat er in wirklich bemerkenswerter Weise zum Aufbau des Reiches Christi in den Herzen und in der Gesellschaft beigetragen. <614> <614> Der hl. Alfons war ein Lehrer des christlichen Lebens. Er war es mit seiner Predigt, zu der er sich schon als Diakon ungewöhnlich befähigt zeigte, und die er sein ganzes Leben hindurch mit großem Eifer fortsetzte. Er war es mit seinen Schriften, durch die er immer versucht hat, in einfacher und unmittelbarer Sprache seine Leser zum Verständnis der Geheimnisse des Glaubens, zumal zur „Praxis der Liebe zu Jesus Christus“ hinzuführen. 743 REISEN Unter seinen theologischen Werken ragt jene Theologia Moralis hervor, die von ihm zum großen Teil hier im Nachbarhaus geschrieben wurde, in dem Zimmer, das man noch heute besuchen kann. Es ist ein wertvolles Werk, nicht nur wegen seiner großen Gelehrsamkeit und des einzigartigen Gleichgewichtes im Urteil, sondern auch wegen des ausgesprochen pasto-ralen Empfindens, von dem es als Ganzes durchdrungen ist. Dafür legt u.a. die italienische Fassung Zeugnis ab, die der Verfasser selbst neben der lateinischen besorgte, damit der Text von allen Adressaten verstanden werden konnte. Bekanntlich haben ihm die Studien der Moral als Ausdruck weiser Hirtenliebe den Titel eines Kirchenlehrers eingetragen, der ihm von Papst Pius IX. im Juli 1871 verliehen wurde, während ihn vor etwa 40 Jahren, am 26. April 1950, Papst Pius XII. zum „Patron der Beichtväter und Moralisten“ ernannte (AAS42(1950), S. 595-597). 3. Den Titel „Patron der Beichtväter“ hat der hl. Alfons wohl verdient. Seit seinen ersten Priesterjahren hörte er viele Beichten, vor allem während der geistlichen Exerzitien und Volksmissionen, und er erwarb sich auf diesem Gebiet so eine unvergleichliche Erfahrung. So konnte er sich der Kompliziertheit dieses Dienstes bewußt werden, aber auch seiner Fruchtbarkeit für das geistliche Leben der Gläubigen. In seiner „Praxis Confessarii“ zeigt er die Bedingungen auf, damit die Ausübung dieser „Kunst aller Künste“ - wie er sie gern mit dem hl. Gregor dem Großen zu nennen pflegte - fruchtbar würde: „Der Beichtvater darf sich nicht mit einer Heiligkeit begnügen, die sich auf den bloßen Stand der Gnade beschränkt; er muß vielmehr voll von Liebe, Sanftmut und Klugheit sein“ (Theologia Moralis, Ausgabe Gaude, Band IV, Rom 1912, S. 527). Dank dieser Tugenden kann der Beichtvater Diener der göttlichen Liebe werden und die nicht leicht zu vereinbarenden Aufgaben eines Vaters, Arztes, Lehrers und Richters erfüllen. Als Vater wird er die Beichtenden mit aufrichtiger Liebe empfangen und gerade denen, die am meisten gesündigt haben, eine besonders große Liebe zeigen und sie dann mit Worten verabschieden, die voll Barmherzigkeit sind, um sie zu ermutigen, den Weg eines christlichen Lebens wieder aufzunehmen (vgl. ebd., S. 528). Als Arzt muß er klug die Wurzeln des Übels aufdecken und dem Beichtenden die geeigneten Heilmittel angeben, mit denen er so leben kann, wie es der Würde und Verantwortung des Menschen entspricht, der nach dem Bilde Gottes geschaffen ist (vgl. ebd., S. 530). Als Lehrer wird er sich um eine gründliche Kenntnis des Gesetzes Gottes bemühen und dessen verschiedene Aspekte durch das Studium der Moraltheologie zu vertiefen suchen, so daß er dem Beichtenden keine persönlichen Meinungen, sondern das vorträgt, was das Lehramt der Kirche authentisch lehrt (vgl. ebd., S. 537). Als Richter wird er sich um Rechtlichkeit bemühen. Der Priester muß immer nach der Wahrheit urteilen, nicht nach dem Anschein. Stets muß er sich Mühe geben, dem Beichtenden verständlich zu machen, daß im Vaterherzen Gottes auch für ihn Platz ist. <615> <616> <615> Diese zahlreichen praktischen Hinweise als Frucht derpastoralen Erfahrung des hl. Alfons bil- den auch heute noch eine wertvolle Hilfe für alle, die im Bußsakrament Christus als „Bruder des Menschen [erscheinen lassen], als barmherzigen, treuen und mitfühlenden Hohenpriester, der entschlossen ist, das verlorene Schaf zu suchen“ (Reconciliatio etpaenitentia, Nr. 29). 744 REISEN Die ganze Theologin Moralis ist auf den Dienst im Beichtstuhl hingeordnet. Weit mehr als eine Universitätsarbeit ist sie das Ergebnis der langen missionarischen Erfahrung des Heiligen (vgl. A.M. Tannoia, Deila Vita etlstituto del Ven. Servo di Dio Alfonso Maria de Ligu-ori, Neapel 1798,1, S. 245). Darin liegt im übrigen das Geheimnis seines weitverbreiteten und bleibenden Erfolges. Als Frucht einer tieffeichenden pastoralen Erfahrung nährt sich die Moraltheologie des hl. Alfons ständig von einer tiefen Spiritualität und ist auf das Heil der Seelen hingerichtet. 5. Er war ein Lehrer des geistlichen Lebens. In seinem langen Leben, das ganz der Liebe und Nachfolge Christi sowie der Förderung des christlichen Lebens unter dem Volk geweiht war, suchte der hl. Alfons durch Gebet, Meditation, asketisches Bemühen und pastoralen Dienst, durch Studium und Lehre der Moraltheologie immer tiefer in das Geheimnis der Liebe Gottes als Quelle aller echten Heiligkeit einzudringen. Ziel und Geheimnis der Vollkommenheit im Sinn des Evangeliums liegen für den heiligen Lehrer gerade hier: auf die Liebe Gottes mit unserer Liebe als seine Geschöpfe zu antworten. Liebe Ordensmänner und Ordensfrauen, ihr seid durch eure besondere Weihe an Gott zu einer tiefen Verbundenheit mit dem göttlichen Bräutigam berufen. Laßt euch nicht durch andere Interessen verwirren, die nicht Jesus Christus sind. Er, so betont der hl. Alfons, ist unser höchstes Gut und unser Heiland. Besteht die Profeß der evangelischen Räte denn nicht darin, alles um seinetwillen aufzugeben, der, „um unsere ganze Liebe zu gewinnen sich vollkommen hingegeben hat“? Die Charismen, mit denen Er jeden von euch und eure Institute beschenkt hat, müßten sie nicht dazu dienen, ihm eure großmütige Dankbarkeit zu zeigen? Kirche und Welt erwarten von euch als gottgeweihten Menschen dieses radikale Zeugnis: ihr sollt frei von jeder sonstigen Bindung einzig für Christus und sein Reich leben. Freilich geht es um eine anspruchsvolle Liebe, die ständige Entsagung fordert, vertrauensvolle Beharrlichkeit und ein konsequentes Leben. Unmöglich wäre es, dies mit unseren eigenen Kräften allein erreichen zu wollen. Daher kommt uns die Barmherzigkeit des Herrn zu Hilfe. Liebe Brüder und Schwestern, schaut auf euren Patron, den Lehrer der Heiligkeit für euch und das ganze Volk Gottes, und begebt euch in seine Schule. Er wiederholt für euch, was er seinen geistlichen Söhnen zu sagen pflegte und was er auch schriftlich in seiner „Praxis der Liebe zu Jesus Christus“ hinterlassen hat: „Die ganze Heiligkeit besteht in der Liebe zu Gott; die ganze Liebe zu Gott aber besteht darin, seinen Willen zu tun.“ <617> <617> Wie kann der Mensch aber den Willen Gottes entdecken? Die Antwort des hl. Alfons ist deutlich und tiefgründig zugleich (vgl. Theologia Moralis, Ausgabe Gaude, Band I, Rom 1905, S. 52ff.). Ein Mensch, der aufrichtig Gott in sein Leben aufnehmen möchte, hat viele Mittel zur Verfügung, um Gottes Willen kennenzulemen. Vor allem besitzt er den Spruch seines Gewissens, in dem die Stimme des Schöpfers selbst widerklingt; dann das Wort der Offenbarung, in dem Gott seinen Heilsplan enthüllt und den Menschen auffordert, sich diesem gleichförmig zu machen. Das richtige Verständnis dieses Heilsplanes wird ihm ferner erleichtert durch die authentische Erklärung von seiten des kirchlichen Lehramtes unter Führung des Heiligen Geistes. Endlich kommt ihm auch die Reflexion der Theologen zu Hilfe, die sich der vom Glauben erleuchteten Vernunft bedienen und in Gemeinschaft mit der 745 REISEN Kirche aus den bekannten Wahrheiten klärende Antworten auch auf jene Fragen gewinnen, die die ständige geschichtliche Entwicklung immer wieder stellt. Persönlich hat der hl. Alfons sehr lebhaft die Verantwortung empfunden, zu dieser Reflexion seinen eigenen Beitrag zu leisten, und im ganzen Verlauf seines Lebens hat er sich bei der theologischen Arbeit gründlich Mühe gegeben. Dabei trug ihn das Bewußtsein, damit ein Werk echter Liebe gegenüber seinen Mitmenschen zu vollbringen. Dieses sein ununterbrochenes Bemühen bezeugen die zahlreichen Änderungen, die er in den jeweils neuen Ausgaben seiner Theologia Moralis beigefügt hat. Es ist bezeichnend, daß er in seiner ganzen Arbeit als Moraltheologe ständig bemüht war, Hinweise zu geben, die treu der Wahrheit des Evangeliums und der Würde der menschlichen Person entsprachen, Hinweise also, die die Freiheit des Menschen immer geachtet haben. Seither sind: nun schon zwei Jahrhunderte verflossen. Neue Probleme, verbunden mit den Fortschritten der Wissenschaft und den gewandelten sozialen und kulturellen Verhältnissen, rufen heute die gelehrten Moraltheologen auf den Plan. Gewiß müssen die theologischen Überlegungen und die vom großen Kirchenlehrer erarbeiteten pastoralen Hinweise eingearbeitet und auf neuen Stand gebracht werden, doch die Kriterien, die ihn bei seiner Arbeit als Theologe und Hirte geleitet haben, bleiben auch heute noch gültig. Auf sie greifen daher auch heute noch die Moraltheologen und Seelsorger mit Frucht zurück. Das Suchen des Willens Gottes in der konkreten Situation, das der Heilige, dessen Gebeine wir hier verehren, so leidenschaftlich vollzogen hat, muß unbedingt im Lichte des Wortes Gottes und unter Führung des Lehramtes weitergehen, wenn es zu einer solchen Liebe und solchem Eifer für das Heil der Seelen führen soll, wie sie sein ganzes Leben gekennzeichnet haben. Ich rufe die Fürbitte des hl. Alfons zur Unterstützung eures heiligen Dienstes herab, liebe Priester, und, auf euren kirchlichen Dienst, liebe Ordensmänner und Ordensfrauen. Und möge jeder gläubige Christ immer besser begreifen, daß die reifste Weise, der Wahrheit in der Freiheit der Kinder Gottes anzuhangen, darin besteht, sich der barmherzigen Liebe Gottes zu öffnen. Die Gläubigen besitzen nämlich als letztes Gesetz die Liebe Christi, des Unschuldigen, der mit der Hingabe seines Lebens der Menschheit den Zugang zu Gottes Verzeihen und zum Heil möglich gemacht hat. Mit diesen Wünschen erteile ich allen meinen Segen. Gelobt sei Jesus und Maria! 746 REISEN Nicht auf das falsche Ansinnen einlassen Ansprache an die Priester und verantwortlichen Laien in Aversa am 13. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich bin besonders erfreut, bei diesem meinem nur kurzen Pastoralbesuch in eurer Diözese gleich an den Kernpunkt zu kommen, indem ich mich mit euch treffe, die ihr die lebendigen Kräfte der kirchlichen Gemeinschaft von Aversa bildet. Um euren eifrigen Hirten, den lieben Bischof Giovanni Gazza geschart, dem ich für seine herzlichen Worte aufrichtig danke, vertretet ihr, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und verantwortliche Laien, das ganze Volk Gottes, das „von ihm auch als Werkzeug der Erlösung angenommen und als Licht der Welt und Salz der Erde... in alle Welt gesandt“ wurde (Lumen Gentium, Nr. 9). Meine Freude ist noch größer, weil diese Begegnung in der Kathedrale stattfindet, deren Neunhundertjahrfeier nach der Gründung in diesem Jahr begangen wird. Ferner freue ich mich, daß ich gerade heute die Ausstellung der „Kunstschätze des Domes von Aversa“ eröffnen darf, die an dieses glückliche Gedenkjahr erinnert. Dieses historische Gotteshaus, ein stummer Zeuge des jahrhundertelangen Weges der Kirche von Aversa, verzeichnet heute morgen einen weiteren bedeutsamen Abschnitt seines Daseins. 2. Eure Gemeinschaft ist - wie ich gestern gesagt habe - mit der Predigt des Apostels Paulus verknüpft, und dort, wo man eine Kapelle zu seiner Ehre errichtet hatte, ist später der ihm geweihte Dom erbaut worden. Mehrmals wieder aufgebaut, ist er nach und nach umgestaltet und mit kostbaren Kunstwerken bereichert worden. Man braucht zum Beispiel nur an das „Breviarium secundum consuetudinem maioris ecclesie aversane“, ein seltenes Beispiel liturgischer und typographischer Kunst zu denken. Vor allem ist der Dom im Lauf der Jahrhunderte zum anregenden Zentrum des ganzen Lebens der Diözese geworden, erleuchtet von der Lehre und der Heiligkeit gelehrter und verehrter Hirten. Die Geschichte eurer Kathedrale begleitet die Geschichte der Diözese und stellt in gewisser Weise deren geistlichen Weg symbolisch dar. Auch im Leben eurer Kirche hat es nach Perioden hohen Eifers nicht an kritischen und schwierigen Zeiten gefehlt. Doch nie ist die Flamme des Glaubens erloschen, die hier durch die Predigt des Apostels entzündet wurde. So, wie dieses heilige Bauwerk, das im Lauf der Jahrhunderte der Abnutzung durch die Zeit und die Menschen unterworfen war, immer wieder stärker als zuvor erstanden ist, so haben Probleme und Schwächen eure Gemeinschaft nicht daran gehindert, jedesmal wieder neuen Aufschwung im Glauben und überzeugteren Einsatz im Zeugnisgeben zu gewinnen. Wenn ich eure Kathedrale betrachte, fühle ich mich gedrängt, euch, liebe Priester und Ordensleute von Aversa, zu sagen: Seid eurer apostolischen Traditionen würdig! Gebt in der Welt von heute das mutige Zeugnis für Christus, das er von euch erwartet! <618> <618> Du bist Christus, der Sohn Gottes! Als ich eben den Abschnitt aus dem Evangelium zur Einleitung unseres Treffens hörte, schien es mir, als ob Petrus auch hier, unter uns, diese Worte wiederhole, die der Heilige Geist ihm eingegeben hatte. Sie bilden das Glaubensbekenntnis, das im Lauf der Jahrhunderte immer wieder neu auszusprechen die Christen beru- 747 REISEN fen sind. Es ist der Ruf, der sich heute in der Kirche von Aversa erhebt: Du bist Christus, der Sohn Gottes! Nur der, der durch den Glauben Jesus als den Sohn Gottes, des Vaters, erkennt und aufnimmt, nur wer mit lauter Stimme verkündet, daß er der Herr ist, kann das Geheimnis des Menschen begreifen und kann seinen tiefsten geistigen Bedürfnissen entgegenkom-men. Dieser Glaube ist es, der die Kultur und die Geschichte eures Volkes gestaltet hat und es mit der Weisheit des Herzens bereichert hat, die aus dem Evangelium kommt. Und dieser Glaube ist es auch, der unter euch Scharen von Aposteln und Missionaren erweckt hat. Noch heute arbeiten, wie euer Bischof gesagt hat, etwa tausend Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen außerhalb der Diözese im Dienst der Weltkirche. Aber zahlreiche Hindernisse drohen in unseren Tagen, die Verkündigung des Evangeliums in ihrer Eindringlichkeit zu beeinträchtigen und euren Glauben abzuschwächen. Auch in eurer Diözese erschweren die Verworrenheit der Probleme, die zunehmende religiöse Gleichgültigkeit, das Konsumdenken, das Absinken der moralischen Werte und der Trieb zur Gewalttätigkeit die konsequente christliche Lebensführung. Laßt euch nicht auf das falsche Ansinnen dieser Welt ein, liebe Brüder und Schwestern! Laßt euch nicht von Mutlosigkeit niederdrücken! Bezeugt vielmehr mit Entschiedenheit eure Treue zu Christus durch die Festigkeit im Glauben, durch die Freude der Hoffnung und durch die konkrete Liebe! So wird durch euch der Geist des Herrn fortfahren, so, wie er es in der Vergangenheit tat, überraschende Seiten voll außerordentlicher geistlicher Vitalität zu schreiben. 4. Eine neue apostolische Zeit tut sich vor euch auf. Bewahrt den missionarischen Schwung, der eure kirchliche Tradition ausgezeichnet hat. Doch setzt euch zugleich mit allen euch verfügbaren Mitteln dafür ein, daß das christliche Ideal immer tiefer in eure eigene Diözese ein-dringt. Es ist eine schwere, aber notwendige Aufgabe. Ihr müßt „Nein“ sagen zu Haß und Gewalt; „Nein“ zu zersetzenden Kräften, die das Sozialgefüge eures Landes zu zerreißen drohen. Eure Antwort auf alle Versuchungen sei immer die überzeugte Treue zur ewigen Botschaft des Evangeliums. Eurer Überlieferung getreu baut eine Kirche auf, die zu verzeihen und zu lieben weiß. Die Liebe siegt, sie baut die Grenzen ab und zerbricht die Barrieren zwischen den Menschen. Die Liebe schafft eine neue Gesellschaft. Diese missionarische Aufgabe ist euren zerbrechlichen Kräften anvertraut. Seid euch dessen bewußt, aber habt keine Furcht, denn Christus ist bei euch! Wenn eure Antwort an den Herrn aufrichtig ist, wenn euer Gespräch mit ihm im Gebet beständig bleibt, wenn ihr euch bemüht, eure Berufung mit Freude zu leben, wird Gott es nicht an Licht und Mut fehlen lassen, um den Auftrag, den er selbst euch anvertraut hat, ganz zu erfüllen. Als Missionare vor allem innerhalb eurer Kirche, werdet ihr Missionare in der Welt und für die Welt sein, „stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (1 Pe£r3,15). Um dieses Ziel zu erreichen, macht, daß die Eucharistie, die Muttergottes und der Papst, die drei „Ikonen“ des Pastoralplanes der Diözese - wie euer Bischof gesagt hat -, die wesentlichen Bezugspunkte der seelsorglichen Strategie in der ganzen Diözese seien. Ihr Priester, seid überzeugt und begeistert von eurer Mission, wenn euch auch zuweilen die Last der Ermüdung und des Nichtverstandenseins niederdrückt! Eure Kraft innerhalb der Kir- 748 REISEN che sei die Treue in der Einheit. Einheit mit dem Bischof und unter euch. Nur wenn ihr jeden Tag das Geschenk wieder entdeckt, das ihr in eurem Priestertum empfangen habt, könnt ihr für die eurer Sorge anvertrauten Gläubigen Lehrer und Väter im geistlichen Leben sein! Ihr Gottgeweihten, lebt unter allen Umständen konsequent eure Ordensprofeß, die euch in tiefer Weise an das Leben der Gemeinschaft bindet! Das Volk Gottes muß in euch die überzeugte Treue zur radikalen Berufung im Geist des Evangeliums erkennen. Ihr Laien, nehmt innerhalb der Kirche mit Mut eure besonderen Verantwortlichkeiten auf euch! Seid glaubhafte Zeugen und maßgebende Erzieher zur Redlichkeit, zur gewissenhaften Beachtung des Gemeinwohls in der Erfüllung eurer Standespflichten. 5. Ich bin als Nachfolger des Petrus zu euch gekommen, um euch auf dem Weg der geistlichen Erneuerung, den ihr eingeschlagen habt, zu stärken. Mein Besuch will euch auch die beständige Verbundenheit eurer Diözese mit dem Apostolischen Stuhl bestätigen und den Impuls, der dadurch immer für die Ausbreitung des Evangeliums in eurem Land ausgegangen ist. Wie wir in den Worten des Evangeliums bei der Eröffnung unserer Zusammenkunft gehört haben, erneuert Christus auch heute sein Versprechen an Petras und an die Kirche: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen! Das sind Worte von großer geistlicher Resonanz; ich spüre ihr ganzes Gewicht. Es tröstet mich zu wissen, daß ich bei der Erfüllung des anfordemden Dienstes, der mir im Petrusamt anvertraut wurde, auf eure geistliche Unterstützung und auf eure Mitarbeit zählen kann. Ein besonderes Gedenken richte ich an die Eltern der Priester, die an diesem unserem Treffen teilnehmen. Eure Hochherzigkeit und euer Glaube, liebe Brüder und Schwestern, hat es der Kirche möglich gemacht, Diener des Altares und Apostel des Wortes zu haben. Wie soll sie euch danken? Der himmlische Vater, das Urbild aller Vaterschaft, möge euch mit seinen geistlichen Tröstungen erfüllen. Auch ich sage euch im Namen der christlichen Gemeinschaft Dank und bitte euch, eure Söhne auf ihrem priesterlichen Weg zu begleiten. Eure Gegenwart ist ihnen kostbar, eure Unterstützung ist unersetzlich, vor allem in Stunden der Prüfung. Ihr seid durch das Gebet und die innere Teilnahme an ihren Freuden und ihren Schwierigkeiten ihre ersten Mitarbeiter in der apostolischen Arbeit. Alle bitte ich um ein besonderes Gebet, und ich lade euch ein, Maria anzurafen, die in dieser Kathedrale mit dem „Haus von Loreto“ besonders gegenwärtig ist. Die Erinnerung an das schlichte Haus der Familie von Nazaret läßt an das Geheimnis der Menschwerdung denken und an das „Ja“ der Jungfrau zum Plan des himmlischen Vaters. Nach dem Beispiel Marias wollen wir täglich unser „Ja“ zum Willen Gottes wiederholen. Maria, die Mutter der Kirche, die treue Jungfrau, beschütze euch immer! Es stärke euch auch mein Segen, den ich auf alle Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien eurer Diözese ausweite. 749 REISEN Christus ist unsere Zukunft Ansprache im Marienheiligtum von Casapesenna am 13. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Beim Besuch einiger Diözesen in Kampanien durfte ich nicht versäumen, eine Rast einzu-legen, um Maria auf besondere Weise zu huldigen. Ich tue dies in diesem schönen Heiligtum, das ihr geweiht ist. Vor vier Jahren war dieses große marianische Monument erst ein Plan, als ich auf dem Petersplatz den ersten Stein gesegnet habe, der aus Nazaret herbeigeschafft worden war. Nur zwei Jahre hat es gedauert, bis sein Grundbau beendet war und feierlich vom betrauerten Kardinal Luigi Dadaglio kurz vor dem Ende des Marianischen Jahres eingeweiht wurde. Ich beglückwünsche euch, daß ihr es fertiggebracht habt, in so kurzer Zeit ein dermaßen Einsatz forderndes Werk zu Ehren unserer himmlischen Mutter zu vollenden. Gruß euch, liebe Pilger, die ihr aus jedem Ort der Diözesen und aus ganz Kampanien hierhergekommen seid! Ich danke euch herzlich für euren Empfang. Ich danke besonders dem Rektor des Heiligtums für die freundlichen Willkommensworte, die er mir zugewandt hat. Ganz herzlich begrüße ich euch, liebe Kinder, die ihr mit eurer freudigen Anwesenheit und mit euren Gesängen euren Glauben ausdrückt und unserer himmlischen Mutter die Ehre erweist. Ich begrüße eure Familien, die sich eurer Freude angeschlossen haben. Ein besonderer Gedanke geht an die geistlichen Söhne von Don Salvatore Vitale, die dieses Heiligtum erbauen wollten und die es nun zur einladenden Stätte des Gebets und der Marienverehrung gestalten. 2. Dieses moderne Zentrum der Ausstrahlung marianischer Frömmigkeit ist der typische Ausdruck einer Religiosität, die sich im Laufe der Zeit mit Hilfe weiser und heiliger Hirten tief in eurer Erde verwurzelt hat. Wie könnte man z. B. Bischof Carlo I Carafa vergessen, der in der Kathedrale von Aversa das heilige Haus von Loreto erbauen ließ? Oder den hl. Alfonso Maria de Liguori, der persönlich und durch die. Arbeit der von ihm gegründeten Kongregation die Marienverehrung in euren Städten verbreitete? Die volkstümliche Frömmigkeit hat zu Marias Ehren zahlreiche Denkmäler und Kirchen erbaut, die ich hier natürlich nicht vollständig aufzählen kann. Es möge genügen, unter den vielen an die Ikone der hl. Jungfrau von Casaluce, der Mitpatronin der Diözese, zu denken, vor der Fürsten, Könige und Kaiser gebetet haben; oder an die Wallfahrtskirche der Muttergottes von der Verkündigung, die von berühmten Persönlichkeiten, wie dem König Ludwig von Ungarn und der Königin von Polen, Maria Casimira, besucht wurde, oder die Marienkirche von Briano, die zum Ziel zahlreicher Wallfahrten aus ganz Kampanien wurde. 3: Man kann mit Recht sagen, daß eure Geschichte tiefgründig von der Liebe zur Muttergottes und von der ständigen Anrufung ihres mütterlichen Schutzes gezeichnet ist. Man könnte hinzufügen, daß dieser ganze Reichtum an religiösen Traditionen seine glückliche 750 REISEN Verschmelzung in dieser Kirche findet, in der alles aus architektonischer, künstlerischer und liturgischer Hinsicht die Rolle unterstreichen will, die die Muttergottes im Leben Christi, in der Geschichte der Kirche und im Leben jedes Gläubigen spielt.- Die Jungfrau Maria ist tief mit dem Mysterium ihres Sohnes verbunden und teilt unsere Lebenserfahrung; sie befaßt sich mit unseren Problemen, sie sorgt sich vor allem um unser ewiges Heil. Maria, Mutter des Erlösers und vorsorgliche Mutter aller Menschen: in dieser Kirche, die zur Erinnerung an das Marianische Jahr entstanden ist, wird die Botschaft des besonderen Jubiläumsjahres, das eng mit dem außerordentlichen Heiligen Jahr der Erlösung verbunden war, nahezu den Augen sichtbar. Indem die Kirche die Treue der demütigen Magd des Herrn betrachtet, versteht sie besser die Mission, die ihr Gott auch in diesen Jahren anvertraut, welche uns auf einen anderen wichtigen Zeitpunkt vorbereiten: den Anbruch des dritten Jahrtausends des christlichen Zeitalters. Maria geht mit der Kirche und mit der Menschheit: Sie ist der Stern, der uns zur Fülle des nie untergehenden Tages führt. Sie führt uns zu Christus, unserem Ostern. Nicht zufällig wurde hier mit interessanten architektonischen Kunstgriffen das tiefe Band zwischen Maria und dem Geheimnis der Eucharistie hervorgehoben. Jede wahre, marianische Frömmigkeit führt zu Christus, zur Eucharistie, dem Höhepunkt und der Quelle des ganzen Lebens der Kirche. 4. Vor mir sehe ich viele Kinder. Liebe Jungen und Mädchen, danke für eure Anwesenheit! Auch euch, besonders euch, bittet Maria, unsere Mutter, Friedens- und Versöhnungswerk-zeuge auf eurer Erde zu werden, die oft von Tränen und Blut getränkt ist. Ihr seid die Hoffnung, ihr seid die Zukunft dieser Gesellschaft. Auf euren Gesichtem lese ich Lebensfreude, eine Freude, die aus dem Frieden des Herzens quillt. Deshalb liebt euch der Herr, deshalb, erhört er euch: denn in euch ist kein Haß und keine Gewalt, sondern der Wunsch, zu lieben, der Wunsch, eine Welt aufzubauen, in der Brüderlichkeit und Frieden herrschen. Ihr erträumt euch eine Menschheit aus Brüdern, die zu Krieg und Egoismus nein sagen; eine Menschheit, in der jeder Mensch immer respektiert und das Leben verteidigt und mit Liebe empfangen wird. Glaubt nicht denjenigen, die euch sagen, daß das unmöglich ist. Mit Maria könnt ihr vertrauensvoll auf eure Zukunft schauen. Denn Christus ist unsere strahlende Zukunft! <619> <619> Einen besonderen Gruß richte ich an die Arbeiter, die aus verschiedenen Kontinenten stammen, vor allem aus Afrika, und die auf eurem barmherzigen Boden Gastfreundschaft und Arbeit gefunden haben. Liebe Brüder und Schwestern, ich kenne eure Lebensbedingungen gut; ich weiß, welche Entbehrungen ihr auf euch nehmen müßt, und mir sind auch die Tragödien bekannt, die teilweise euer Leben zeichnen. Ihr seid fern von euren Familien, fern von eurer Heimat. Ihr seid allein und steht täglich vor vielen Problemen. Ich bin euch nahe mit meiner Zuneigung, ich ermutige euch, Vertrauen zu haben, und hoffe von ganzem Herzen, daß ihr in der Aversaner Bevölkerung Verständnis und brüderliche Solidarität finden könnt. Das heikle und schwierige Einwanderungsphänomen verdient besondere Aufmerksamkeit. Es gibt mittlerweile viele Einwanderer, aber wenn sie unsere Brüder sind - und sie sind es! -, 751 REISEN so müssen sie verstanden und akzeptiert werden; jeder mit seiner eigenen Identität und seinen eigenen Rechten. Nachdem sie Italien als Land der Hoffnung auserwählt haben, weil es reicher und entwickelter als das Land ist, in dem sie geboren worden sind, müßt auch ihr euch, wie die ganze nationale Gemeinschaft, dafür einsetzen, sie nicht nur mit Respekt und Verständnis zu empfangen, sondern ihnen auf dem Weg zum kulturellen und sozialen Aufstieg zu helfen. Es sind Menschen, die nach einer besseren Qualifizierung streben. Deshalb müssen sie bei euch brüderliche Aufnahme finden, ohne Übergriffe oder Diskriminierung. Liebe Brüder und Schwestern, vergeßt nicht, daß Christus der Herr von uns auch Rechenschaft darüber verlangen wird, wie wir unsere Brüder behandeln, denn er betrachtet das, was wir für andere tun, so, als hätten wir es für ihn getan (vgl. Mt 25,31-40). 6. Während wir gemeinsam dieses beeindruckende Haus der Muttergottes betrachten, vereinen wir nun unser Gebet und das der zahlreichen Pilger, die hierher eilen, um Maria anzurufen, und ihr die täglichen Freuden und Leiden anvertrauen. Und du, Mutter Gottes und Mutter der Kirche, führe den Weg derjenigen, die zu dir kommen und sich dir weihen. Strahle dein Licht über die Diözese Aversa aus, über alle, die dort leben, über ihr Leid und ihre Hoffnungen. In dir mögen die Zweifelnden Ruhe finden, möge Trost finden, wer in Ungewißheit und Schmerz zu kämpfen hat, möge Liebe erfahren, wer Opfer des Hasses und der Gewalt ist. Daß es doch auf dieser oft verletzten und gedemütigten Erde nie an Menschen der Hoffnung und an Zeugen der Wahrheit fehle, an Erbauern der Gerechtigkeit und Aposteln des Guten, an heiligen Priestern und Missionaren der göttlichen Barmherzigkeit! Möge in der Kirche kraftvoll die Botschaft des Evangeliums erklingen, die das Leben der Menschen verändert. In deinem mütterlichen Herzen möge die ganze Menschheit die Freude der Versöhnung erfahren, damit bald der Tag des wahren Friedens aufgehen kann. Darum bitten wir dich durch lesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn. Amen! 752 REISEN Die Landwirtschaft ist eine notwendige Hilfsquelle für das menschliche Leben Ansprache an die Landbevölkerung am 13. November 1. Vor allem danke ich dem Nationalvorsitzenden des Landwirtschaftsverbandes, Herrn Arcangelo Lobianco, für seine verbindlichen Worte, und mit Freude grüße ich alle, die aus der Stadt und den landwirtschaftlichen Zentren der Diözese Aversa sowie den Provinzen Neapel und Caserta hier zusammengekommen sind. In besonderer Weise wende ich mich an die Landwirte und ihre Familien, an die Landfrauen, die Jugend, die Rentner und die Leitung und Mitglieder dieser Gemüse- und Obstbauzentrale, bei der unsere Begegnung stattfindet. Ein liebevolles Gedenken gilt auch denen, die aus Alters- oder Krankheitsgründen nicht persönlich teilnehmen können, aber geistig mit bei meinem Pastoralbesuch sind. 2. Nicht ohne Grund nennt euer Landstrich sich „Land der Arbeit“. Jahrhundertelang hat er sich in der Tat ausgezeichnet als ein Gebiet mit verschiedenartiger wirtschaftlicher Tätigkeit, die zum großen Teil an die Landwirtschaft gebunden war. Die Bodenbeschaffenheit, das fast überall ebene Gelände hat in den letzten Zeiten auch die Anwendung der Technik und der modernen Arbeitsmethoden ermöglicht. Von Gott gesegnet und durch eure Anstrengung fruchtbar gemacht, bringt der Boden reichlich Früchte hervor, die wegen ihrer Güte und ihrer Verschiedenartigkeit geschätzt sind. Bei der Aufgabe, den ihm von Gott anvertrauten Boden zu bearbeiten (vgl. Gen 3,23), darf sich der Mensch ganz gewiß der Technik bedienen, um die zur Verfügung stehenden Quellen besser auszunutzen, doch er muß dabei stets die geophysikalischen, kulturellen und menschlichen Eigenarten berücksichtigen, von denen die Landschaft bestimmt ist. Darum ist es richtig, sich bei der notwendigen und zweckmäßigen wirtschaftlichen Planung von der Eigenart des Bodens und der Strukturen sowie von den kulturellen Traditionen jeder Zone Rechenschaft zu geben. <620> <621> <620> Der Produktionsprozeß ist heute in ein komplexes Wirtschaftssystem eingebunden, von dem die Landwirtschaft nur ein Glied bildet. Es genügt folglich nicht, zu produzieren, sondern man muß sich wachsam, aufmerksam und klug mit den anderen Sektoren der Produktion zusammenzuschließen wissen, mit Industrie und Handel, mit Organisationen der Wirtschaft und der Finanz, ja auch mit politischen Institutionen. All diese Strukturen bilden einen ungeheuer weit ausgedehnten und komplizierten Rahmen von Abhängigkeitsverhältnissen, der dem Einsatz der landwirtschaftlichen Erzeuger Nutzen bringen, ihn aber auch erfolglos machen kann, wenn er nicht entsprechend beachtet wird. Ein Wirtschaftssystem ohne zuverlässige und im Hinblick auf die Erzeugung und den Absatz der Produkte entsprechend stabile Regeln und Orientierungen wird sich daher gewiß nicht im Sinn eines harmonischen Entwicklungsprozesses auswirken, der die Rechte der Landarbeiter respektiert. Um einen solchen Prozeß zu gestatten, müssen die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung deutliche Aussichten für den Beruf der Landwirtschaftskräfte anbieten; vor allem ist es 753 REISEN erforderlich, daß sie sich darum bemühen, den Jugendlichen Arbeit zu verschaffen und die Rechte der Landwirtschaft wirksam zu schützen. Das setzt ihrerseits u.a. auch eine aufmerksame und beständige Wachsamkeit voraus, um das Risiko massiver wirtschaftlicher Zusammenballungen zu vermeiden, die zum fortschreitenden Verschwinden tausender landwirtschaftlicher Familienbetriebe führen würden. 4. Liebe Bauern und Bäuerinnen, ich versuche mit euren Problemen bekanntzuwerden, denen ihr im Augenblick gegenübersteht, vor allem in Aversa, dem Zentrum des bedeutendsten landwirtschaftlichen Anbaugebietes der Region Kampanien, wo dieser ganze wesentliche Sektor sich in einer Krise befindet. Ihr selbst seid manchmal fast entmutigt, weil die öffentliche Meinung eurer Tätigkeit so wenig Interesse entgegenzubringen scheint. Ihr wünscht euch ferner auch mehr Aufmerksamkeit von seiten der öffentlichen Hand hinsichtlich eurer Lage. Aber ich kenne auch eure Fähigkeit zum Planen, eure Tatkraft und die organisatorische Tüchtigkeit der vielerlei Vereinigungen, denen ihr angehört. Ich weiß um den Mut, der euch bei anderen Gelegenheiten aufrechtgehalten hat und der euch auch heute der Versuchung widerstehen läßt, alles aufzugeben. All den vielen Schwierigkeiten zum Trotz habt ihr vor, die landwirtschaftliche Tätigkeit fortzusetzen, denn ihr liebt euren Grand und Boden und seid euch der Bedeutung eurer Arbeit für die ganze Gemeinschaft bewußt. Das ist eine Überzeugung, zu der auch ich euch ermutige. Die Landwirtschaft, eine unbedingt notwendige Hilfsquelle für das menschliche Leben, darf nicht nur nicht aufgegeben, sondern sie muß verstärkt werden. Es müssen ihr immer angemessenere Mittel und Strukturen zugewiesen werden. Auf diesem umfassenden und wichtigen Sektor des wirtschaftlichen und sozialen Lebens muß die Gewohnheit überwunden werden, nur in Notfällen teilweise und vereinzelte Hilfsmaßnahmen zu treffen. Es ist dringend notwendig, im Hinblick auf Entwicklung und Beschäftigung eine organische Planung ins Werk zu setzen, die auch auf die Ansprüche der Jugend Rücksicht nimmt. Damit das möglich ist, müssen alle mitwirken, ihr alle müßt euch zur Verfügung stellen. Eure Präsenz und eure Teilnahme sind nötig, besonders an den Stellen, an denen die zum Wohl eurer Arbeit, eurer Unternehmen und eurer Familien getroffenen Entscheidungen verwirklicht werden. Handelt in jeder Lage im Geist dessen, der eine Pflicht erfüllt und der einen Dienst leistet. Die bewußte und fähige Beteiligung ist in der Tat ein Mittel, zum wirklichen Wachstum und zur tatsächlichen Förderung der ganzen Arbeitswelt beizutragen. Die Teilung der Verantwortlichkeiten ist der wirksame Weg, die Solidarität und den Dienst dem Nächsten gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Im nachsynodalen Schreiben Christifideles laici habe ich daran erinnert: „Um die zeitliche Ordnung im Sinn des Dienstes am Menschen christlich zu inspirieren, können die Laien nicht darauf verzichten, sich in die ,Politik’ einzuschalten, d. h. in die vielfältigen und verschiedenen Initiativen auf wirtschaftlicher, sozialer, gesetzgebender, verwaltungsmäßiger und kultureller Ebene, die der organischen und systematischen Förderung des Allgemeinwohls dienen“ (Nr. 42). <622> <622> Aber es gibt noch einen anderen charakteristischen Zug, der der ländlichen Gemeinschaft der Vergangenheit eigen war und der auch für die jetzigen und die kommenden Generationen einen unschätzbaren Wert darstellen kann. Es handelt sich um die verantwortliche Teilnahme 754 REISEN der Landbevölkerung am kirchlichen Leben: eine bedeutsame Beteiligung, die noch mehr gesteigert und ausgewertet werden sollte. In der christlichen Gemeinschaft kann jeder seine Berufung voll verwirklichen und als gläubiger Mensch seinen Beitrag anbieten zu der Evangelisierung, die das ganze Volk Gottes leistet. Ich weiß, daß ihr eifrig am Pfarrleben teilnehmt, daß ihr euch voll Glauben an den Liturgie-feiem beteiligt und mit Andacht und Freude Maria, die heilige lungfrau, und die heiligen Patrone eurer Dörfer verehrt. Hütet eifersüchtig eure religiösen Überlieferungen. Bereichert und erneuert im Licht des Evangeliums ein so wertvolles kulturelles und christliches Erbe! Verliert nicht eure Identität als Gläubige! Bleibt vielmehr in den Werten verwurzelt, die in der Vergangenheit ganze Generationen geformt haben. Ich denke an die grundlegende Rolle der Familie, an die Achtung vor den alten Menschen, an die Sorge für die Kranken, an die Gastfreundschaft und die Solidarität, die für eure Zone typisch sind. Ich denke vor allem an die christliche Erziehung, an das Gebet in der Familie, an das in euren Dörfern so verbreitete Rosenkranzgebet. Dem materiellen Fortschritt gegenüber, der dazu angetan ist, geistige Bedürfnisse auszulöschen, behauptet eure an menschlicher Erfahrung und christlicher Weisheit so reiche Tradition! Wenn so der Schweiß eurer Stirn die mühsame Landarbeit fruchtbar macht, wird er durch den Gedanken an Gott zur Quelle persönlicher Heiligung, zur Quelle wahren Friedens. Und der Herr, der durch seinen Segen dem Boden Fruchtbarkeit schenkt, läßt es euch nicht an seiner besonderen Hilfe fehlen. Zeigt den Jugendlichen durch euer konsequentes Verhalten, daß der Mensch nur durch Treue zu den Grundsätzen des Evangeliums sein wahres Glück erreichen kann. Bezeugt durch euren Einsatz, daß der Glaube Kraft gibt zu allem, was man im Blick auf das Reich Gottes unternimmt, auch auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet. Wenn ihr euch in dieser Weise verantwortlich in die geistige und apostolische Dynamik der kirchlichen Gemeinschaft einfügt und die speziellen Erfahrungen aus eurem Leben und eurer Arbeit darin einbringt, werdet ihr zum Wachstum des einen Leibes Christi und zum üppigen Aufblühen des einen Weinberges des Herrn beitragen „in dieser herausragenden und dramatischen Stunde der Geschichte am Übergang zum dritten Jahrtausend“ (Christißdeles laici, Nr. 3). Diese Empfindungen und Wünsche vertraue ich der göttlichen Vorsehung an und rufe die Hilfe Gottes auf euch und alle herab, die eure Mühen und eure Hoffnungen teilen, vor allem jetzt zur Zeit der Saat. Euch, euren Familien, euren Alten und euren Kindern erteile ich in Liebe meinen Segen! 755 REISEN Eucharistie mit Würde und Respekt feiern Predigt in Aversa am 13. November 1. „Herr ... Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Es ist dies das Bekenntnis von Simon Petrus, abgelegt in der Nähe von Kafamaum, wo nach dem Johannesevangelium Christus die Einsetzung der Eucharistie ankündigte. Herr, „Du hast Worte des ewigen Lebens“! Im Laufe der Jahrhunderte haben, von Generation zu Generation Millionen von Lippen und Herzen diese Worte des Petrus wiederholt und wiederholen sie an vielen Orten der Erde. Diese gleichen Worte wiederholt heute die christliche Gemeinschaft von Aversa, versammelt mit dem Bischof von Rom, um die Eucharistie zu feiern. Ich bin sehr froh, liebe Brüder und Schwestern, unter euch zu sein, und freue mich, einer Kirche mit sehr alten Traditionen einen Besuch abzustatten, die unter ihren Hirten fähige Meister der Lehre und Treue zum Evangelium zählt. Es gefällt mir besonders, den hl. Guitmondo in Erinnerung zu rufen, der, abgesehen von seinem Beitrag zur Vollendung der Kathedrale, sich auch bemüht hat, ein festes und erhabenes geistiges Gebäude aufzubauen, gegründet auf den Glauben an die Heiligste Dreifaltigkeit und die Eucharistie. Allen entbiete ich den „Kuß des Friedens“ (vgl. 1 Petr 5,14). Ich entbiete ihn eurem Hirten, dem lieben Bischof Giovanni Gazza, den Priestern, den männlichen und weiblichen religiösen Gemeinschaften, die in eurer Diözese arbeiten, und den Söhnen eurer Erde, die als Missionare in anderen Regionen der Welt arbeiten, dem gesamten Volk Gottes, das ein königliches Priestertum bildet, erlöst durch das unschätzbare Opfer Christi. 2. „Du hast Worte des ewigen Lebens“! Wollte der Apostel Petrus vielleicht nur bestätigen, daß Christus die Wahrheit über das ewige Leben verkündet? Das „Wort“ ist in der hebräischen Tradition eine dynamische Realität, eine Kraft, die das bewirkt, was sie ausdrückt. Im Prolog des Johannesevangeliums ist das Wort, „der Logos“, Person, der ewige Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater, Gott von Gott und Licht vom Licht. Die „Worte des ewigen Lebens“ bezeichnen also nicht nur, sondern bewirken die Realität des ewigen Lebens. Jesus spricht am Abend vor seinem Leiden von dieser Realität zu den Aposteln im Abendmahlssaal: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,23).Das ewige Leben ist Gott selbst in der unaussprechlichen Wirklichkeit der ewigen Dreifaltigkeit, die in der Seele des Menschen wohnt. Das ewige Leben ist das Leben Gottes, eingepflanzt in die Seele des Menschen, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. <623> <624> <623> Christus sagt: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten“. Im Grunde des menschlichen Wesens schlägt die Liebe, von der Jesus, der Herr, spricht („wenn jemand mich liebt“), Wurzel durch das Wirken des Heiligen Geistes.Das ewige Leben ist genau diese 756 REISEN Liebe: Teilhabe an der Liebe Gottes, Teilnahme am Wesen Gottes. Die Liebe, von der der hl. Paulus schreibt, daß „sie niemals aufhört“ (vgl. 1 Kor 13,8). Auch wenn sie auf der Erde verbunden ist mit dem Glauben und der Hoffnung, so geht die Liebe nicht unter: nur die Liebe vergeht nicht. Sie ist, um es nochmals mit dem hl. Paulus zu sagen, die Tugend, die „am größten unter ihnen ist“ (1 Kor 13,13). 4. Liebe Brüder und Schwestern, diese Liebe, die „niemals aufhört“ und die die Existenz des Glaubenden umformt, entspringt aus der Eucharistie. Aus gutem Grund habt ihr also in der geistlichen Vorbereitung dieses Besuches, wie auch auf der Ebene der Seelsorge in der Diözese, das eucharistische Geheimnis ins Zentrum der gesamten apostolischen und missionarischen Tätigkeit gestellt. Die Eucharistie ist in der Tat das übernatürliche Ferment, das imstande ist, die Menschheit zu erneuern, und durch sie ist es der Heilige Geist, der die volle und vollkommene Gemeinschaft in der Kirche zeugt und nährt. Und dank des Sakramentes der Liebe geht die Kirche „immerfort den Weg der Buße und Erneuerung ... und verkündet das Kreuz und den Tod des Herrn, bis er wiederkommt“ (Lumen Gentium Nr. 8). Diese Gemeinschaft, die vor allem Geschenk Gottes ist, muß auch hier Heilsverkündigung werden, in eurer Diözese und im fruchtbaren Land von Aversa, einer Umgebung sicherlich reich an menschlicher und geistlicher Lebenskraft, aber in der auch die Zeichen von nicht wenigen Widersprüchen und Schwierigkeiten bemerkbar sind. Die Arbeitslosigkeit, die Unzulänglichkeit der Infrastrukturen und der sozialen Leistungen und alle Problematiken, die mit der schnellen Entwicklung in diesen Jahren verbunden sind, machen das Leben kompliziert und nicht leicht. Unter diesen Umständen besteht das Risiko, daß die Gewalt sich verbreitet und daß immer mehr, besonders junge Menschen, an den Rand gedrängt werden. Vor allem läuft man Gefahr, daß der Glaube und die christlichen Werte ihre Bedeutung im sozialen Gewebe eurer Stadt verlieren. <625> <625> Was ist zu tun, damit das Evangelium Ferment zur Wiederversöhnung und Solidarität wird? Wie läßt sich auch hier die Einheit der Herzen und Gefühle verwirklichen, von der der Apostel im Brief an die Philipper spricht? Die Antwort kommt uns vom eucharistischen Christus: Er ist die Quelle des Lebens und der Liebe. In der Eucharistie ruft Christus euch dazu auf, die Fermente der Wahrheit, der Gerechtigkeit und Güte aufgehen zu lassen, die aus dem Sieg des Auferstandenen hervorgehen, und die negativen Phänomene, die die Gesellschaft verunreinigen und die ihre Verankerung in einer säkularistischen und individualistischen Mentalität haben, zu isolieren. Es gilt, das Bewußtsein von der eigenen Würde und der eigenen Verantwortung wiederherzustellen. So wird die eucharistische Gemeinschaft zur kirchlichen Gemeinschaft; es entsteht geistliche und materielle Solidarität mit den Bedürftigen; man widmet den Armen, den Außenseitern, den Kiemen, den Ungeschickten tatsächlich Aufmerksamkeit; man hat Achtung vor dem Leben selbst, das ein unantastbares Geschenk Gottes ist, der den Menschen geschaffen hat „als sein Abbild und sich ähnlich“ (vgl. Gen 1,26). Die Eucharistie wird so auch zur Feier der Liebe, der Brüderlichkeit, der Freundschaft, des Teilens, der Vergebung und der Förderung eines jeden unseresgleichen. 757 REISEN Liebe Brüder und Schwestern, lebt so die Eucharistie, geht zu Christus, dem Priester und dem Geopferten, in dieser inneren Haltung, mit diesem Herzen, mit diesen Vorsätzen. Eilt vertrauensvoll zu ihm, der unerschöpflichen Quelle der Heiligkeit! Die eifrige Feier der heiligen Messe sei für euch Priester, eingesetzt zu Verwaltern der göttlichen Geheimnisse und Erziehern des euren pastoralen Sorgen anvertrauten Volkes, das Herz eurer ganzen Existenz und eures gesamten seelsorglichen Dienstes. Seid in die Eucharistie verliebt! Feiert sie mit Würde und höchsten Respekt. Aus ihr können die geweihten Menschen den notwendigen Mut schöpfen, um treu ihrer besonderen Berufung zu antworten. In der Eucharistie wird sich jeder Gläubige bewußt, daß er gesandt ist, den Brüdern zu dienen, die Armen zu lieben und die Gesellschaft aufzubauen, in der Gerechtigkeit und Brüderlichkeit regieren. Die christliche Gemeinschaft wird dann zum Werkzeug des Friedens; jenes Friedens, den der Herr ihr als Geschenk und als Sendung anvertraut hat. Christus ist euer Frieden (vgl. Eph 2,14). Geheimnis der Liebe, die nicht stirbt! 6. Am Frieden, den der Herr uns hinterlassen hat, am Frieden, den er uns gegeben hat, nehmen die ganze Gemeinschaft und jeder einzelne Gläubige teil. Wir rufen ihn alle Tage herauf, wenn wir bei der Eucharistiefeier uns gegenseitig das Zeichen des Friedens austauschen. Er wird somit unser Teil, unser Erbe, die Freude, von der das heutige Evangelium spricht: Friede und Freund! Hier sind die Früchte des Lebens nach dem Gebot der Liebe, das Christus verkündet hat. Früchte, die wir schon auf der Erde erfahren und die der Zeit das ewige Leben ankündigen. Die ewige Seeligkeit. Hier sind die Früchte, durch die in gewisser Weise der lebendige Gott, der in uns wohnt, sich offenbart, wie Jesus es angekündigt hat (vgl. Joh 14,23). Durch sie erkennen wir auch, wie die Worte des ewigen Lebens anfangen, sich in uns zu verwirklichen. In diesen Früchten zeigt sich die stärkende „Tröstung“, die „aus der Liebe kommt“ (vgl. Phil 2,1). Aus der Liebe, die niemals ein Ende haben wird! Amen. Über den missionarischen Geist Ansprache beim Besuch des Missionsseminars des Päpstlichen Instituts für die Auslandmission (PIME) in Trentola-Ducenta am 13. November Man feiert den 25. Jahrestag der Verkündung des Konzilsdekrets „Ad gentes“, ein Dekret, das von seinen tiefen Inhalten her an die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils, vor allem an die Konstitution „Lumen Gentium“ gebunden ist. In diesen Dokumenten wiederholen sich die Worte: „Ecclesia est semper et omnis in statu missionis.“ Die Kirche ist immer und überall im Zustand der Mission. Wir können sagen, daß das Zweite Vatikanische Konzil uns die organische Missionarität der Kirche bestätigt und in einem gewissen Sinn ent- 758 REISEN hüllt hat, angefangen von „Lumen Gentium“ bis zum Kapitel „Mysterium Ecclesiae“. Die tri-nitarischen Tiefen sind gewissermaßen ein Ausgangspunkt für die Kirche, die immer im Zustand der Mission ist. Wenn Gott Dreieinigkeit ist, sind es die göttlichen Sendungen des Sohnes und des Heiligen Geistes, Wort und Heiliger Geist. Das Volk Gottes, die Kirche, kann nicht anders, als im Zustand der Mission sein, die in die geschaffenen Wirklichkeiten, in die Geschichte der Menschheit das hineinträgt, was den eigentlichen erlösenden und heilbringenden Kern dieser trinitarischen Sendung Gottes ausmacht. Die theologischen Wurzeln der Missionarität der Kirche sind sehr tief. Aus diesen Wurzeln kommt dann das Bewußtsein, Missionare „in“ der Kirche zu sein. Doch es braucht eine Dichte des Lebens der Kirche; und diese Dichte spüren wir stark in diesem kampanischen Milieu, in dieser Diözese Aversa. Diese Dichte des Lebens der Kirche ist wie ein Boden, auf dem dann das Bewußtsein und der Einsatz der Mission, der Missionare wachsen. Wir befinden uns hier vor dem Grab eines Priesters [Pater Paolo Manna], der mit seinem Leben und mit seinem Werk dieser Missionarität der universalen Kirche, und in besonderer Weise der italienischen Kirche, einen spezifischen Ausdruck gegeben hat. Daher ist die ganze Kirche besonders in Italien Schuldnerin dieses großen Priesters und all jener geworden, die in der Spanne seines missionarischen Projekts, seines Werks, seines Missionsinstituts als Missionare in die Welt gegangen sind und immer noch in die Missionsländer gehen. Einige von ihnen haben bereits ihren missionarischen Weg auf Erden beendet, einige ruhen hier in dieser Kapelle, die bezeichnend ist für eure Institution, das PIME, wie auch für alle Schwester- oder besser gesagt Filialinstitutio-nen, die mit eurem Priesterinstitut Zusammenhängen; Ich denke vor allem an das weibliche Institut, dessen Vertreterinnen sich hier treffen. Man kann hier nicht ankommen, ohne von neuem in diese theologischen, ekklesiologischen Tiefen einzutreten, die das Konzil in unserem Bewußtsein hat aufleben lassen; Es hat unserem Glauben, dem Glauben an die Kirche und ihre Sendung in der Welt, eine neue Dimension gegeben. Aus dieser Vertiefung kommt auch das Gebet, daß die Missionarität der Kirche sich immer mehr durch die verschiedenen missionarischen Berufungen verwirklicht, die in der Welt so notwendig sind und so sehr erwartet werden. Heute sieht man vielleicht mehr denn je, daß die Ernte groß ist. Und man sieht auch, daß die Arbeiter nicht genug sind vor allem in einigen Gebieten, die traditionellerweise Missionsgebiete waren: Ich denke besonders an Lateinamerika - an einige Länder wie Brasilien vor allem - und dann an viele andere Kontinente und Länder, wo das Wort Gottes und das Heilswerk, das sich in diesem Wort ausdrückt, noch nicht bekannt ist oder Schwierigkeiten auf dem Weg antrifft, wie z. B. in den asiatischen Ländern. Liebe Brüder und Schwestern, ich habe versucht, auf diese Weise euch allen diese meine Überlegungen mitzuteilen, die nicht nur Überlegungen sind, sondern zugleich Sorgen, denn dem „munus Petrinus“ (Petrusamt) kommt in spezieller Weise zu, was allen in der Kirche, nicht nur dem ganzen Apostelkollegium der Bischöfe, sondern allen Christen, allen Getauften, den Gefirmten, auch allen Laien zukommt: Dieser große Einsatz, dieser große Anruf kommt ihm zu. Und wir dürfen nie ablassen, vom Herrn der Ernte zu erflehen, daß er Arbeiter sende. Ich wünsche euch eine gute Weiterführung des von eurem Gründer begonnenen und durch viele Beispiele - auch viele zu Märtyrern gewordene Missionare - bestätigten Werkes. Und indem ich euch all dies wünsche, spende ich allen Anwesenden und allen, die im Geist mit euch verbunden sind, meinen Segen. 759 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Friede mit Gott dem Schöpfer -Friede mit der ganzen Schöpfung Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1. In unseren Tagen bemerkt man ein wachsendes Bewußtsein dafür, daß der Weltfriede außer durch den Rüstungswettlauf, die regionalen Konflikte und die noch immer bestehenden Ungerechtigkeiten zwischen den Völkern und Nationen auch durch den Mangel an der gebührenden Achtung gegenüber der Natur, durch die Ausbeutung ihrer Ressourcen und durch die fortschreitende Verschlechterung der Lebensqualität bedroht ist. Eine solche Situation schafft ein Gefühl der Ungewißheit und Unsicherheit, das seinerseits Formen von kollektivem Egoismus, Güterhäufung und eigenmächtigen Handeln begünstigt. Angesichts der verbreiteten Verschlechterung der Umwelt wird sich die Menschheit nunmehr dessen bewußt, daß sie nicht fortfahren kann, die Güter der Erde so zu gebrauchen, wie sie es in. der Vergangenheit getan hat. Die öffentliche Meinung wie die verantwortlichen Politiker sind darüber in Sorge, Wissenschaftler der verschiedenen Fachbereiche erforschen die Ursachen. Es bildet sich so ein ökologisches Bewußtsein, das nicht unterdrückt werden darf, sondern vielmehr gefördert werden muß, so daß es sich weiterentwickelt und ausreift, indem es in konkreten Programmen und Initiativen einen angemessenen Ausdruck findet. 2. Nicht wenige ethische Werte, die für die Entwicklung einer friedlichen Gesellschaft von grundsätzlicher Bedeutung sind, haben eine direkte Beziehung mit der Umweltfrage. Die gegenseitige Abhängigkeit vieler Herausforderungen, denen sich die heutige Welt stellen muß, unterstreicht die Notwendigkeit von koordinierten Lösungen, die in einer kohärenten sittlichen Weltanschauung gründen. Eine solche Sicht stütz sich für den Christen auf die religiösen Überzeugungen, die sich von der Offenbarung, herleiten. Deshalb möchte ich am Anfang dieser Botschaft auf den biblischen Schöpfungsbericht hinweisen und wünschen, daß jene, die unsere Glaubensüberzeugungen nicht teilen, hier ebenfalls nützliche Anregungen für eine gemeinsame Linie in den Überlegungen und Initiativen finden können. I. „Gott sah, daß es gut war“ 3. Auf den Seiten der Genesis, welche die erste Selbstoffenbarung Gottes an die Menschheit enthalten (vgl. Gen 1-3), wiederholen sich wie ein Refrain die Worte „Gott sah, daß es gut war“. Als Gott aber, nachdem er den Himmel und das Meer, die Erde und alles, was sie enthält, erschaffen hatte, Mann und Frau erschafft, ändert sich der Ausdruck in bemerkenswerter Weise: „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ (Gen 1,31). Gott vertraute Mann und Frau die übrige Schöpfung an, und dann - so lesen wir - ruhte er, „nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte“ (Gen 2,2). Die Berufung von Adam und Eva, an der Verwirklichung des göttlichen Planes mit der Schöpfung teilzunehmen, forderte jene Fähigkeiten und Gaben heraus, die die menschliche 763 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Person von jeder anderen Kreatur unterscheidet, und begründete zugleich eine geordnete Beziehung zwischen den Menschen und allem Geschaffenen. Nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen, sollten Adam und Eva ihre Herrschaft über die Erde mit Weisheit und Liebe ausüben (vgl. Gen 1,28). Durch ihre Sünde zerstörten sie jedoch die bestehende Harmonie, das sie sich vorsätzlich dem Plan des Schöpfers widersetzten. Das führte nicht nur zur Entfremdung des Menschen von sich selber, zu Tod und Brudermord, sondern auch zu einer gewissen Auflehnung der Erde ihm gegenüber (vgl. Gm 3,17-19; 4,12). Alles Geschaffene wurde der Vergänglichkeit unterworfen und wartet seitdem in geheimnisvoller Weise darauf, befreit zu werden, um zusammen mit allen Kindern Gottes zur Freiheit und Herrlichkeit zu gelangen (vgl. Rom 8,20-21). 4. Die Christen bekennen, daß sich im Tod und in der Auferstehung Christi das Werk der Versöhnung der Menschheit mit dem Vater vollzogen hat, der „durch ihn alles ... versöhnen [wollte]. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (Kol 1,19-20). Die Schöpfung wurde so erneuert (vgl. Offb 21,5). Über sie, die zuerst der „Sklaverei“ des Todes und der Verderbnis unterworfen war (vgl. Rom 8,21), hat sich ein neues Leben ergossen, während wir „einen neuen Himmel und eine neue Erde [erwarten], in denen die Gerechtigkeit wohnt“ (2 Petr 3,13). So hat der Vater uns „das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es gnädig im voraus bestimmt hat: Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen“ (Eph 1,10). <626> <627> <626> Die biblischen Überlegungen erhellen besser die Beziehung zwischen dem menschlichen Handeln und der Integrität der Schöpfung. Wenn der Mensch vom Plane Gottes, des Schöpfers, abweicht, verursacht er eine Unordnung, die sich unausweichlich auf die übrige Schöpfung auswirkt. Wenn der Mensch nicht mit Gott im Frieden ist, ist die Erde selbst nicht im Frieden: „Darum soll das Land verdorren, jeder, der darin wohnt, samt den Tieren des Feldes und den Vögeln des Himmels; auch die Fische im Meer sollen zugrunde gehen“ (Hos 4,3). Die Erfahrung dieses „Leidens“ der Erde ist auch jenen gemeinsam, die nicht unseren Glauben an Gott teilen. Denn die zunehmenden Verwüstungen in der Natur durch das Verhalten von Menschen, die gleichgültig sind gegenüber den innersten und doch klar erkennbaren Erfordernissen der Ordnung und der Harmonie, die in ihr walten, liegen vor aller Augen. Man frage sich darum mit Sorge, ob es für die hervorgerufenen Schäden noch eine Abhilfe geben kann. Es ist offensichtlich, daß eine geeignete Lösung nicht einfach in einer besseren Verwaltung oder in einem weniger irrationalen Gebrauch der Ressourcen der Erde bestehen kann. Auch wenn man den praktischen Nutzen solcher Maßnahmen anerkennt, scheint es doch notwendig, zu den Ursachen vorzudringen und sich mit der tiefen moralischen Krise insgesamt auseinanderzusetzen, von der die Verschlechterang der Umwelt einer der besorgniserregendsten Aspekte ist. 764 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN II. Die ökologische Krise: ein sittliches Problem 6. Einige Elemente der gegenwärtigen ökologischen Krise enthüllen auf deutliche Weise ihren sittlichen Charakter. Zu ihnen ist an erster Stelle die unterschiedslose Anwendung des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts zu zählen. Viele in jüngster Zeit gemachte Entdeckungen haben der Menschheit unleugbare Vorteile gebracht; ja, sie zeigen sogar, wie edel die Berufung des Menschen ist, verantwortlich am schöpferischen Wirken Gottes in der Welt teilzunehmen. Man muß jedoch feststellen, daß die Anwendung einiger Entdeckungen im industriellen und landwirtschaftlichen Bereich langfristig negative Folgen verursacht. Das hat überdeutliche gezeigt, wie kein Eingriff in einem Bereich des Ökosystems davon absehen kann, seine Folgen in anderen Bereichen und allgemein für das Wohl künftiger Generationen mitzubedenken. Die allmähliche Verminderung der Ozonschicht und der daraus folgende „Serra-Effekt“ haben durch die wachsende Verbreitung der Industrien, der großen städtischen Zusammenballungen und des Energieverbrauchs inzwischen kritische Dimensionen erreicht. Industriemüll, Gasprodukte aus der Verbrennung von fossilen Brennstoffen, unkontrollierte Abholzung, Gebrauch einiger Arten von Unkrautvertilgungs- und Kühlmitteln wie von Treibgas: all das schadet bekanntlich der Atmosphäre und der Umwelt. Daraus leiten sich vielfältige meteorologische und atmosphärische Veränderungen ab, deren Wirkungen von Gesundheitsschäden bis zur möglichen künftigen Überschwemmung niedrig gelegener Landstriche reichen. Während in einigen Fällen der Schaden vielleicht nicht mehr zu beheben ist, kann er in vielen anderen Fällen noch aufgehalten werden. Es ist jedoch notwendig, daß die ganze menschliche Gemeinschaft - einzelne, Staaten und internationale Organisationen - ihre eigenen Verantwortungen ernsthaft wabmimmt. <628> <629> <628> Das tiefste und schwerwiegendste Zeichen dafür, daß der ökologischen Frage moralische Implikationen innewohnen, besteht aber im Mangel an Achtung vor dem Leben, den man in vielen die Umwelt belastenden Verhaltensweisen antrifft. Oft gewinnen Produktionsgründe die Oberhand über die Würde des Arbeiters, und wissenschaftliche Interessen kommen vor dem Wohl der einzelnen Personen, wenn nicht sogar vor dem ganzer Bevölkerungsgruppen. In solchen Fällen ist die Verschmutzung oder die Zerstörung der Umwelt Frucht einer verkürzten und unnatürlichen Sicht, die bisweilen eine echte und direkte Mißachtung des Menschen darstellt. In gleicher Weise werden feine ökologische Gleichgewichte durch eine unkontrollierte Zerstörung von Tier- und Pflanzenarten oder durch eine unvorsichtige Ausnutzung der Ressourcen gestört; und das alles - es empfiehlt sich, daran zu erinnern - gereicht, auch wenn es im Namen des Fortschritts und des Wohlstands geschieht, in Wirklichkeit nicht zum Vorteil der Menschheit. Schließlich kann man nicht ohne tiefe Sorge auf die ungeheuerlichen Möglichkeiten der biologischen Forschung blicken. Vielleicht ist man noch nicht imstande, die durch eine undifferenzierte genetische Manipulation und eine leichtfertige Entwicklung neuer Arten von Pflanzen und Formen von tierischen Leben der Natur zugefügten Störungen richtig abzuschätzen; ganz zu schwei- 765 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen von nicht annehmbaren Eingriffen in die Ursprünge des menschlichen Lebens selbst. Keinem entgeht, wie in einem so heiklen Bereich die Gleichgültigkeit oder die Verweigerung fundamentaler ethischer Normen den Menschen an die Schwelle der Selbstzerstörung bringen. Die Achtung vor dem Leben und, an erster Stelle, vor der Würde der menschlichen Person, ist die fundamentale inspirierende Norm eines gesunden wirtschaftlichen, industriellen und wissenschaftlichen Fortschritts. Die Komplexität des ökologischen Problems ist allen offenkundig. Es gibt jedoch einige Grundprinzipien, die unter Achtung der rechtmäßigen Autonomie und der besonderen Kompetenz derer, die sich dafür einsetzen, die Forschung auf geeignete und dauerhafte Lösungen ausrichten können. Es handelt sich um Prinzipien, die wesentlich sind für die Errichtung einer friedlichen Gesellschaft, welche weder die Achtung vor dem Leben noch den Sinn für die Integrität des Geschaffenen außer acht lassen kann. III. Auf der Suche nach einer Lösung 8. Theologie, Philosophie und Wissenschaft stimmen in der Sicht eines harmonischen Universums überein, d. h. in der Vorstellung eines wirklichen „Kosmos“, ausgestattet mit einer eigenen Integrität sowie einem inneren und dynamischen Gleichgewicht. Diese Ordnung gilt es zu respektieren: Die Menschheit ist berufen, diese Ordnung mit kluger Umsicht zu erforschen, zu entdecken und sie dann so zu gebrauchen, daß ihre Integrität erhalten bleibt. Andererseits ist die Erde wesentlich ein gemeinsames Erbe, deren Früchte allen zugute kommen sollen. „Gott hat die Erde mit allen, was sie enthält, zum Nutzen aller Menschen und Völker bestimmt“, hat das II. Vatikanische Konzil neu betont (Gaudium et spes, Nr. 69). Das schließt direkte Implikationen für unser Problem ein. Es ist nämlich ungerecht, daß einige wenige Privilegierte fortfahren, überflüssige Güter anzuhäufen, indem sie vorhandene Ressourcen verschwenden, wenn gleichzeitig unzählige Menschen im Elend oder auf der Ebene des Existenzminimums leben. Es ist die dramatische Dimension des ökologischen Problems selbst, die uns lehrt, wie sehr die Gier und der Egoismus, sowohl in ihrer individuellen wie kollektiven Ausprägung, der Ordnung des Geschaffenen entgegengesetzt sind, in die auch die gegenseitige Abhängigkeit voneinander eingeschrieben ist. <630> <630> Die Begriffe von Ordnung im Universum und von gemeinsamem Erbe unterstreichen beide die Notwendigkeit eines Verwaltungssystems der Ressourcen der Erde, das auf internationaler Ebene besser zu koordinieren ist. Die Dimensionen der Umweltprobleme überschreiten in vielen Fällen die Grenzen der einzelnen Staaten: ihre Lösung kann somit nicht allein auf nationaler Ebene gefunden werden. Es sind in jüngster Zeit einige verheißungsvolle Schritte auf ein solches internationales Vorgehen festzustellen, aber die vorhandenen Instrumente und Einrichtungen sind für die Entwicklung eines koordinierten Aktionsplanes noch unzureichend. Politische Hindernisse, Formen von .überzogenem Nationalismus und wirtschaftliche Interessen, um nur an einige Faktoren zu erinnern, verlangsamen oder verhindern geradezu die internationale Zusammenarbeit und die Durchführung wirksamer langfristiger Initiativen. 766 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die betonte Notwendigkeit einer konzertierten Aktion auf internationaler Ebene führt gewiß nicht zu einer Verminderung der Verantwortung der einzelnen Staaten. Diese müssen nämlich nicht nur die approbierten Normen zusammen mit den Autoritäten anderer Staaten in die Praxis umsetzen, sondern auch im eigenen Innern eine angemessene sozio-ökonomische Ordnung fördern mit besonderer Aufmerksamkeit für die am meisten verwundbaren Bereiche der Gesellschaft. Jeder Staat hat im Bereich des eigenen Territoriums die Aufgabe, der Verschlechterung der Atmosphäre und der Biosphäre vorzubeugen, indem er unter anderem die Auswirkungen der neuen technologischen oder wissenschaftlichen Entdeckungen aufmerksam kontrolliert und den eigenen Bürgern die Garantie bietet, nicht Umwelt verschmutzenden Faktoren oder Giftmüll ausgesetzt zu sein. Man spricht heute immer nachdrücklicher vom Recht auf eine sichere Umwelt als einem Recht, das in eine den heutigen Erfordernissen angepaßte Charta der Menschenrechte aufgenommen werden muß. IV. Die Dringlichkeit einer neuen Solidarität 10. Die ökologische Krise macht die dringende moralische Notwendigkeit einer neuen Solidarität deutlich, besonders in den Beziehungen zwischen den Entwicklungsländern und den hochindustrialisierten Ländern. Die Staaten müssen sich immer solidarischer zeigen und sich einander ergänzen, indem sie gemeinsam die Entwicklung einer natürlichen, sozial friedlichen und gesunden Umwelt fördern. Man kann z. B. von den weniger industrialisierten Ländern nicht verlangen, auf die eigenen jungen Industrien gewisse restriktive Umweltschutznormen anzuwenden, wenn die Industriestaaten diese nicht selbst zuerst in ihrem Innern anwenden. Ihrerseits dürfen die Länder, die sich auf dem Weg der Industrialisierung befinden, die von anderen Ländern in der Vergangenheit begangenen Fehler moralisch nicht wiederholen, indem sie fortfahren, die Umwelt mit Umwelt belastenden Produkten, exzessiven Abholzungen oder unbegrenzter Ausbeutung nicht regenerierbarer Ressourcen zu schädigen. Im selben Zusammenhang muß man auch dringend eine Lösung für das Problem der Behandlung und der Beseitigung des Giftmülls finden. Kein Plan, keine Organisation wird jedoch imstande sein, die als notwendig erkannten Veränderungen herbeizuführen, wenn die Verantwortlichen der Nationen der ganzen Welt nicht wirklich von der absoluten Notwendigkeit dieser neuen Solidarität überzeugt sind, die die ökologische Krise fordert und die für den Frieden wesentlich ist. Diese Notwendigkeit wird zugleich günstige Gelegenheiten für die Festigung der friedlichen Beziehungen zwischen den Staaten bieten. 11. Man muß auch hinzufügen, daß kein richtiges ökologisches Gleichgewicht erreicht werden wird, wenn die strukturellen Formen der Armut in der Welt nicht direkt angegangen werden. So haben z. B. die ländliche Armut und die Landverteilung in vielen Ländern zu einer Landwirtschaft für den reinen Lebensunterhalt und zu einer Auslaugung der landwirtschaftlichen Anbauflächen geführt. Wenn der Boden nichts mehr hervorbringt, siedeln viele Bauern in andere Gebiete um, was oft den Prozeß unkontrollierter Abholzung verstärkt, oder sie lassen sich in Ballungszentren der Städte nieder, die bereits arm an Strukturen und Dienstlei- 767 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stungen sind. Darüber hinaus sind einige stark verschuldete Länder dabei, ihre natürliche Lebensgrundlage mit der Folge nicht mehr gutzumachender ökologischer Schäden zu zerstören, nur um neue Exportgüter zu gewinnen. Es wäre jedoch nicht annehmbar, in dieser Situation die Verantwortung für die negativen Umweltfolgen nur den Armen anzulasten, die sie verursacht haben. Vielmehr muß man den Armen, denen wie allen anderen die Erde anvertraut ist, helfen, ihre Armut zu überwinden; das verlangt aber eine mutige Strukturreform und neue Muster für die Beziehungen zwischen den Staaten und den Völkern. 12. Es gibt aber noch eine andere große Gefahr, die uns bedroht: den Krieg. Die moderne Wissenschaft verfügt leider schon über die Fähigkeit, die Umwelt für kriegerische Zwecke zu verändern, und ein solcher Eingriff könnte langfristig unvorhersehbare und noch schwerere Folgen haben. Obwohl internationale Verträge den chemischen, bakteriologischen und biologischen Krieg verbieten, ist es eine Tatsache, daß in den Laboratorien die Forschung für die Entwicklung neuer Angriffswaffen fortgesetzt wird, die imstande sind, die natürlichen Gleichgewichte zu verändern. Heute würde jeglicher Krieg auf Weltebene unschätzbare ökologische Schäden verursachen. Aber auch die örtlichen und regionalen Kriege, wie begrenzt sie auch sein mögen, zerstören nicht nur menschliches Leben und die Stmkturen der Gesellschaft, sondern schaden auch dem Grund und Boden, indem sie die Ernten und die Vegetation vernichten sowie Gelände und Gewässer vergiften. Die den Krieg überleben, sind gezwungen, unter viel schwierigeren natürlichen Bedingungen ein neues Leben zu beginnen. Diese vemrsachen für sie wiederum Situationen von großen sozialen Schwierigkeiten mit negativen Konsequenzen auch für die Umwelt. <631> <632> <633> <631> Die moderne Gesellschaft wird für das ökologische Problem keine Lösung finden, wenn sie nicht ihren Lebensstil ernsthaft überprüft. In vielen Teilen der Welt neigt er zu Hedonismus und Konsumismus und bleibt indifferent gegenüber den Schäden, die durch diese verursacht werden. Wie ich schon bemerkt habe, zeigt die Schwere der ökologischen Situation, wie tief die moralische Krise des Menschen ist. Wenn das Gespür für den Wert der Person und des menschlichen Lebens fehlt, interessiert man sich auch nicht mehr für die anderen und für die Erde. Einfachheit, Mäßigung, Disziplin und Opfergeist müssen das Leben eines jeden Tages prägen, auf daß nicht alle gezwungen werden, die negativen Konsequenzen zu tragen, die durch die Gleichgültigkeit von wenigen verursacht worden sind. Darum ist eine Erziehung zur ökologischen Verantwortung dringend notwendig: Verantwortung gegen sich selbst, Verantwortung gegenüber den anderen; Verantwortung gegenüber der Umwelt. Es geht um eine Erziehung, die nicht einfach auf dem Gefühl oder auf einer unbestimmten Augenblicksstimmung beruhen kann. Ihr Ziel darf weder ideologisch noch politisch sein noch kann ihr Ansatz sich auf die Ablehnung der modernen Welt oder auf den vagen Wunsch nach einer Rückkehr zum „verlorenen Paradies“ stützen. Die richtige Erziehung zur Verantwortung beinhaltet eine authentische Bekehrung in der Denk- und Verhaltensweise. Diesbezüglich haben die Kirchen und die anderen religiösen Einrichtungen, die staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen, ja, alle Bereiche der Gesellschaft eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen. Die erste Erzieherin bleibt jedoch die Familie, in der das Kind den Nächsten zu achten und die Natur zu lieben lernt. 768 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 14. Schließlich kann man auch den ästhetischen Wert der Schöpfung nicht außer acht lassen. Der Kontakt mit der Natur ist in sich selbst sehr erholsam, und die Betrachtung ihrer Schönheit schenkt Frieden und innere Ruhe. Die Bibel spricht oft von dem Wert und der Schönheit der Schöpfung, die berufen ist, Gott zu preisen (vgl. z. B. Gen l,4ff.; Ps 8,2; 104,llff.; Weish 13,3-5; Sir 39,16.33; 43,1-9). Vielleicht etwas schwieriger, aber nicht weniger intensiv kann die Betrachtung der vom menschlichen Genius geschaffenen Werke sein. Auch die Städte können eine ihnen eigene Schönheit haben, die die Menschen dazu veranlassen muß, ihre Umgebung zu schützen. Eine gute Städteplanung ist ein wichtiger Aspekt des Umweltschutzes, und der Respekt für die morphologischen Eigenschaften des Geländes ist eine unerläßliche Forderung für jede ökologisch richtige Ansiedlung. Insgesamt darf die Beziehung, die zwischen einer angemessenen ästhetischen Erziehung und der Erhaltung einer gesunden Umgebung besteht, nicht vernachlässigt werden. V. Die ökologische Frage: eine Verantwortung für alle 15. Die ökologische Frage hat heute solche Dimensionen angenommen, daß die Verantwortung alle betrifft. Ihre verschiedenen Aspekte, die ich dargestellt habe, zeigen die Notwendigkeit von koordinierten Anstrengungen, um die entsprechenden Pflichten und Aufgaben der einzelnen, der Völker, der Staaten und der internationalen Gemeinschaft festzulegen. Das geschieht nicht nur im gleichen Schritt mit den Versuchen, den wahren Frieden herzustellen, sondern es bekräftigt und verstärkt auch diese objektiv. Wenn man die ökologische Frage in den umfassenderen Zusammenhang der Sache des Friedens in der menschlichen Gesellschaft stellt, wird man sich besser dessen bewußt, wie wichtig es ist, darauf zu achten, was uns die Erde und die Atmosphäre zu erkennen geben: im Universum besteht eine Ordnung, die respektiert werden muß; die menschliche Person, ausgestattet mit der Möglichkeit freier Entscheidungen, hat eine schwere Verantwortung für die Erhaltung dieser Ordnung, auch im Hinblick auf das Wohl künftiger Generationen. Die ökologische Krise - ich wiederhole es noch einmal - ist ein moralisches Problem. Auch die Männer und Frauen, die keine besonderen religiösen Überzeugungen besitzen, erkennen es aufgrund ihrer eigenen Verantwortung für das Allgemeinwohl als ihre Pflicht an, zur Sanierung der Umwelt ihren Beitrag zu leisten. Um so mehr müssen diejenigen, die an Gott, den Schöpfer, glauben und folglich überzeugt sind, daß in der Welt eine fest umschriebene und zielstrebige Ordnung besteht, sich aufgerufen fühlen, sich mit diesem Problem zu beschäftigen. Die Christen insbesondere stellen fest, daß ihre Aufgaben im Bereich der Schöpfung, ihre Pflichten gegenüber der Natur und dem Schöpfer Bestandteil ihres Glaubens sind. Sie sind sich folglich des weiten Feldes ökumenischer und interreligiöser Zusammenarbeit bewußt, das sich hier vor ihnen auftut. <634> <634> Zum Schluß dieser Botschaft möchte ich mich noch direkt an meine Brüder und Schwestern der katholischen Kirche wenden, um sie an die wichtige Verpflichtung zu erinnern, für die ganze Schöpfung Sorge zu tragen. Der Einsatz des Gläubigen für eine gesunde Umwelt entspringt unmittelbar aus seinem Glauben an Gott, den Schöpfer, aus der Wertung der Fol- 769 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen der Erbsünde und der persönlichen Sünden sowie aus der Gewißheit, von Christus erlöst zu sein. Die Achtung vor dem Leben und vor der Würde der menschlichen Person beinhaltet auch die Achtung vor und die Sorge für die Schöpfung, die berufen ist, mit dem Menschen zusammen Gott zu verherrlichen (vgl. Ps 148 und 96). Der hl. Franz von Assisi, den ich 1979 zum himmlischen Patron der Umweltschützer erklärt habe (vgl. Apostolisches Schreiben Inter sanctos, in: AAS 71(1979) S. 1509f.), bietet den Christen das Beispiel der authentischen und vollen Achtung vor der Integrität der Schöpfung. Als Freund der Armen und geliebt von Gottes Geschöpfen hat er alle - Tiere, Pflanzen, Naturkräfte, auch die Schwester Sonne und den Bruder Mond - eingeladen, den Herrn zu ehren und zu preisen. Vom Poverello von Assisi erhalten wir das Zeugnis, daß wir uns im Frieden mit Gott auf bessere Weise der Aufgabe widmen können, den Frieden mit der ganzen Schöpfung herbeizuführen, der vom Frieden unter den Völkern nicht zu trennen ist. Möge sein begeisterndes Vorbild uns helfen, den Geist der „Brüderlichkeit“ mit allen guten und schönen Dingen, die vom allmächtigen Gott geschaffen sind, immer lebendig zu erhalten, und uns an unsere schwere Pflicht erinnern, sie zu achten und mit Sorgfalt zu hüten im Sinn umfassendster und tiefster menschlicher Brüderlichkeit. Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1989 Joannes Paulus PP. II Der Friede verlangt ein besonderes Verantwortungsbewußtsein Predigt am Hochfest der Gottesmutter Maria und Weltfriedenstag, 1. Januar 1. „Maria aber bewahrte all diese Geschehnisse und bewegte sie in ihrem Herzen“ (Lk2,19). Am 1. Januar schließt die Kirche die Weihnachtsoktav ab mit der Verehrung der Mutterschaft der Jungfrau Maria. Die Worte des Lukasevangeliums heben besonders die innere Dimension dieser ihrer Mutterschaft hervor. Diese Worte sind heute für die Kirche sehr bedeutsam. Im Lauf der Oktav hat die Kirche über das Geheimnis der Geburt des Gottessohnes in Betlehem nachgedacht. Heute erinnert sie an die, die als Erste dieses Geheimnis in ihrem Herzen erwogen hat. Denn wie das II. Vatikanische Konzil lehrt, ist Maria „den Pilgerweg des Glaubens“ dem ganzen Volk Gottes vorangegangen in „Vereinigung mit dem Sohn“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 58), und dieses ihr Vorangehen hat in Betlehem begonnen. Es beginnt im Herzen der Mutter, und dort setzt es sich ununterbrochen fort. Jede Mutter lebt in besonderer Weise von der Erinnerung, ein Kind geboren zu haben. Diese Geburt lebt auch in ihr, der Gottesmutter. Sie bewahrt diese Erinnerung im Herzen. Und was soll man von dieser einzigartigen Geburt denken, in welcher der Sohn Gottes zur Welt kam? 770 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche erinnert sich heute an diese innere Dimension der Mutterschaft, und so verehrt sie gleichzeitig das Geheimnis der Menschwerdung und die außerordentliche Würde der Jungfrau-Mutter. 2. Das Geheimnis der Menschwerdung ist ein neuer Anfang in der Heilsgeschichte. Und es ist auch ein neuer Anfang in der Geschichte des Menschen und der Schöpfung. Der Apostel Paulus bezeichnet diesen neuen Anfang als „die Fülle der Zeit“. „Als die Fülle der Zeit kam, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau ... damit wir das Recht von Söhnen erlangten“ (Gal 4,4-5). Das, was Maria - und was ebenso auch der Kirche - lebendig in Erinnerung bleibt, ist nicht das einmalige, abgeschlossene Ereignis. Die Geburt Gottes ist dem Menschen aller Zeiten offen. In ihr erfüllt sich und formt sich die Annahme als Kinder Gottes, die auf alle Menschen übergeht: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt... Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Job 1,14.12). Die Worte aus dem Prolog des Johannes, die im Lauf der Weihnachtsoktav in Erinnerung gerufen werden, geben Zeugnis für das Andauem des Geheimnisses, das in der Nacht von Betlehem begann. Ja, der Sohn Gottes ist ein einziges Mal Mensch geworden, ein einziges Mal von der Jungfrau Maria geboren worden - aber die göttliche Sohnschaft ist ein fortdauerndes Erbe des Menschen. 3. Von diesem Erbe spricht weiterhin der Apostel Paulus. Es ist das unaufhörlich vom Heiligen Geist geschenkte Erbe die Frucht seines Wirkens in uns. „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater. Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott“ (Gal 4,4-6). Die Kirche bewahrt dieses Erbe. Sie ist seine Hüterin und Verwalterin auf Erden. Daher richtet sie beständig den Blick auf das Geheimnis der Menschwerdung. Und sie möchte es mit den Augen Marias betrachten, teilnehmen an ihrer Erinnerung. Keinem anderen Geschöpf ist Weihnachten so eingeprägt wie ihr. Die Geburt in der Weihnacht ist ja identisch mit ihrer Mutterschaft. Die menschliche Mutterschaft dieser Frau ist zugleich göttliche Mutterschaft. Jener, der von ihr zur Welt gebracht wurde, ist in Wirklichkeit der Gott-Mensch. „Im Glauben und Gehorsam gebar sie - Maria - den Sohn des Vaters auf Erden ... Sie gebar ... einen Sohn, den Gott gesetzt hat zum Erstgeborenen unter vielen Brüdern (Röm 8,29), den Gläubigen nämlich, bei deren Geburt und Erziehung sie in mütterlicher Liebe mitwirkt“, wie das II. Vatikanische Konzil sagt (Lumen Gentium, Nr. 63). <635> <635> Dieser Oktavtag ist also das Fest des göttlichen Erbes, an dem alle Menschen Amteil haben. Die Gotteskindschaft als Geschenk des Heiligen Geistes im Menschen strahlt hinein in das gesamte Erbe des Menschseins, der menschlichen Natur; ja in das gesamte Erbe der Schöpfung. Der Mensch ist nach dem Bild Gottes erschaffen, und er wurde inmitten aller Geschöpfe in die sichtbare Welt gestellt. Wenn die Kirche heute an der Oktav von Weihnachten den Weltfriedenstag begeht, so deshalb, weil darin eine tiefe Logik des Glaubens liegt. Der Friede verlangt ja vom Menschen ein 771 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN besonderes Verantwortungsbewußtsein der ganzen Schöpfung gegenüber. Die Papstbotschaft zum Neuen Jahr „Friede mit Gott, dem Schöpfer - Friede mit der ganzen Schöpfung“ hebt diese Verantwortung besonders hervor. Die Botschaft des Evangeliums vom Frieden erinnert beständig und immer wieder von neuem an das Gebot: „Du sollst nicht töten!“. Nicht einen anderen Menschen töten, nicht töten vom Augenblick seiner Empfängnis im Mutterschoß an - nicht töten! Nicht durch Kampfmethoden das menschliche Dasein auf Erden einschränken: durch Gewaltanwendung, Terrorismus, Krieg und Mittel zur Massenvemichtung. Nicht töten, denn jedes Menschenleben ist gemeinsames Erbe aller Menschen. Und auch: nicht töten, indem du deine natürliche Umwelt auf verschiedene Weise zerstörst. Diese Umwelt gehört ebenfalls zum gemeinsamen Erbe aller Menschen, nicht nur der vergangenen und zeitgenössischen Generationen, sondern auch der zukünftigen. Sei Förderer, nicht Zerstörer des Lebens! Der erste Tag des Neuen Jahres verlangt eine besondere Bezugnahme auf dieses Erbe. Das Erbe der Adoptivkinder Gottes ist eng mit der Friedensforderung verbunden. 5. Heute ist nicht nur der erste Tag des Neuen Jahres 1990, sondern auch des neuen Jahrzehnts. Es ist das letzte Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts und gleichzeitig des zweiten Jahrtausends nach der Geburt Christi. Die Kirche kehrt zurück nach Betlehem, dorthin, wohin die Hirten eilten, und sie „fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag“ (LA 2,16). Im Lauf der Jahre, die eines dem andern folgen, hört die Kirche nicht auf, die Muttergottes zu bitten, ihr besonders nahe zu sein, um des Geheimnisses zu gedenken, das Maria bewahrte und worüber sie in ihrem Herzen nachdachte (vgl. LA: 2,19). An der Schwelle des letzten Jahrzehnts unseres Jahrhunderts und des zweiten Jahrtausends möchten wir besonders Anteil haben an dem mütterlichen Gesammeltsein Marias, die das Geheimnis ihres Sohnes erwägt, des Geborenen, Gekreuzigten und Auferstandenen. In ihm erneuert sich beständig die „Annahme an Kindes Statt“, die Gott allen Menschen gewährt. Alles Erschaffene erwartet sie als irdisches Erbe des Menschen, der zur ewigen Herrlichkeit in Christus berufen ist. Zeichen der Katholizität der Kirche Predigt bei der Bischofsweihe am 6. Januar 1. „Da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar“ (Mt 2,11). Diese Worte aus dem Matthäusevangelium sind wie eine Zusammenfassung des Geheimnisses, welches das griechische Substantiv als „Epiphanie“ bezeichnet. Die Sterndeuter, die aus dem Osten kommen, legen dem Kind in Bethlehem ihre Schätze zu Füßen: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Diese Geschenke sind die Antwort auf das eine, große Geschenk. Das Geschenk aus der Höhe wurde ihnen durch den in der Finsternis aufleuchtenden Stern angekündigt. Die Sterndeuter aus dem Osten folgen dem Stern, und in Jerusalem bitten sie 772 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dann Herodes um Auskunft. Es werden ihnen Erklärungen gegeben, die Prophetenworten entnommen sind. Beharrlich setzen sie ihren Weg fort und gelangen nach Bethlehem, um das Geschenk aus der Höhe entgegenzunehmen. Sie nennen dieses Geschenk den „neugeborenen König der Juden“, während der Prophet ihn als „Fürsten“, den „Hirten des Volkes“ bezeichnet. Er ist jener, den der Vater mit dem Heiligen Geist gesalbt und in die Welt gesandt hat: der Messias. Der eingeborene Sohn, vom Vater gegeben. Die Sterndeuter finden das Kind in den Armen der Mutter: sie finden den Menschensohn. Sie wissen, daß er das Geschenk des Vaters ist. Sie kommen aus der Feme, um es anzunehmen: um das Geschenk anzunehmen, in welchem der Ewige seine Liebe zum Ausdruck bringt: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Die Sterndeuter aus dem Osten sind unter den ersten, die ihn aufnehmen. Sie sind zu Verwaltern der göttlichen Epiphanie bestellt. 2. Liebe Söhne und Brüder, die ihr heute in dieser Basilika des hl. Petrus an den Altar tretet, um die apostolische Handauflegung und die bischöfliche Salbung zu empfangen, eure Berufung besteht nunmehr darin, eben dieses Geschenk anzunehmen: Christus, den in Betlehem geborenen, aufzunehmen, den der Vater in die Welt gesandt hat. Den eingeborenen Sohn, den der Vater aus Liebe zu dieser seiner Welt hingegeben hat, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Im Heiligen Geist werdet ihr die Gabe des Vaters empfangen, den eingeborenen Sohn, der zur Erlösung der Welt Mensch geworden ist. Jesus Christus, gekreuzigt und auferstanden. Jesus Christus, Priester des Neuen und ewigen Bundes, der zur Rechten des Vater sitzt. Liebe Söhne und Brüder! Als Bischöfe der Kirche müßt ihr in besonderer Weise Verwalter der göttlichen Epiphanie sein. 3. Über die Gaben, die die Sterndeuter aus dem Osten dem neugeborenen Kind darbrachten, hatte der Prophet Jesaja folgende Worte gesprochen: „Alle kommen von Saba, bringen Weihrauch und Gold und verkünden die ruhmreichen Taten des Herrn“ (Jes 60,6). Als Jesaja das sagte, hatte er den wunderbaren Zug der Völker vor Augen, der dem über Jerusalem aufgeleuchteten Licht entgegenwandem würde: „Sie alle versammeln sich und kommen zu dir. Deine Söhne kommen von fern, ... der Reichtum des Meeres strömt dir zu, die Schätze der Völker kommen zu dir“ (Jes 60,4-5). <636> <636> Jeder von euch, liebe Söhne und Brüder, trägt seine eigene Gabe zu diesem Altar in der Basilika des hl. Petrus: das Gold, den Weihrauch und die Myrrhe seines eigenen Lebens. Das Geschenk, das in eurem Herzen leuchtet durch das Licht des Geistes der Wahrheit und das heute beim Darbringen der Opfergabe noch weiter ausreift. Eure Gabe soll heute von neuem geweiht und zu einer besonderen Antwort auf das Geschenk der göttlichen Epiphanie in Jesus Christus werden. Epiphanie ist das Fest des Gabenaustauschs. Jeder von euch bringt aber nicht nur seine eigene Gabe. Durch euch ist „die ganze Menschheit mit all ihren Gütern“ (Lumen Gentium, Nr. 11) vertreten. Eure heutige Weihe ist ein Zeichen für die Katholizität der Kirche. Denn „in allen Völkern der Erde wohnt dieses eine Gottesvolk“, und in ihm 773 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „bringen die einzelnen Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu“ (ebd.). Da also jeder von euch seine eigene Gabe bringt und da das, was jeder in sich trägt, „die ganze Menschheit mit all ihren Gütern“, vertritt, wachsen wir alle immer mehr zu der besonderen Gemeinschaft zusammen, die die Kirche als Leib Christi ist, und zugleich geben wir alle dieser Gemeinschaft immer mehr und immer reichere Gestalt. 5. Ich grüße euch, liebe Brüder, und ich grüße die Völker, aus denen ihr kommt: aus Italien, dem Iran, aus Venezuela, Tansania, Polen, Frankreich und von den Philippinen. Eure Nationalitäten zeigen deutlich die Universalität der Kirche, die für das Heil aller Völker der Erde lebt und wirkt. Eure Namen mögen zum Lob Gottes erklingen und den eurer Hirtensorge Anvertrauten zur Ermutigung gereichen: Giovanni Tonucci, Apostolischer Nuntius in Bolivien; Ignace Bedini, lateinischer Erzbischof von Ispahan; Mario Milano, Erzbischof von Sant’ Angelo dei Lombardi-Conza-Nusco-Bisaccia; Giovanni Ceirano, Apostolischer Pro-Nuntius in Papua-Neuguinea; Oscar Rizzato, Titularerzbischof von Viruno und päpstlicher Elemosinier; Ignacio Velasco Garcia, Apostolischer Vikar von Puerto Ayacucho; Paul Razoka, Bischof von Kigoma; Marian Blazej Kruszylowicz, Weihbischof von Stettin-Kamien (Sczecin-Kamien); Pierre Duprey, Sekretär des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen; Domenico D’Ambrosio, Bischof von Termoli-Larino; Edward Dajczak, Weihbischof von Landsberg (Gorzöw) und Benjamin Almoneda, Weihbischof von Daet. Zu meiner Freude darf ich bei dieser Gelegenheit auch Metropolit Damaskinos aus der Schweiz begrüßen, den Seine Heiligkeit, der Ökumenische Patriarch Dimitrios I. gesandt hat, um an diesem bedeutenden Ereignis in unserer Kirche Anteil zu nehmen. Liebe Brüder, die ihr heute berufen wurdet, den bischöflichen Dienst auszuüben, der Sohn Gottes, geboren von der Jungfrau Maria, nehme eure Gaben an, so, wie er die Geschenke der Sterndeuter aus dem Osten angenommen hat, und er helfe euch immer, durch das Licht und die Kraft des Heiligen Geistes allen Menschen, allen Völkern und Nationen der Erde die Gabe offenbar zu machen, die der Vater uns in seinem ewigen Sohn geschenkt hat, damit „jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“. Er helfe euch, Verwalter der göttlichen Epiphanie zu sein. Treue und unermüdliche Verwalter! Die Taufe führt zur Fülle des Lebens Predigt am Fest der Taufe der Herrn, 7. Januar „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ (Mt 3,17). 1. Nachdem wir gestern, liebe Brüder und Schwestern, das Hochfest Epiphanie gefeiert haben, finden wir uns heute wieder zusammen, um an diesem Sonntag des neuen Jahres das Fest der Taufe Jesu im Jordan zu begehen. Mit diesem Geschehen beginnt die öffentliche Sendung des Messias, der sich allen offenbar macht als „der geliebte Sohn des Vaters“, auf 774 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den wir hören, den wir aufnehmen und dem wir folgen sollen. Jesus bleibt bei uns, in jedem von uns, als unser Erlöser. Sein Heil wird uns zuteil durch den Glauben und die Gnade der Taufe, das Ursprungssakrament der Kirche. Im Zusammenhang mit der Liturgie dieses Tages ist es für mich, wie jedes Jahr, wieder aufs neue eine Freude, euch, liebe Eltern, Paten und Patinnen, zur Taufe dieser Kinder zu empfangen, die aus verschieden Regionen Europas kommen. Und es ist auch eine von der Vorsehung gefügte Gelegenheit, die uns über das Sakrament der Taufe nachdenken läßt, die Tür, durch die wir vollgültig in die kirchliche Gemeinschaft eingetreten sind. Die Kirche ist sich bewußt, daß ihre prophetische, priesterliche und königliche Sendung ihren Ursprung in der Taufe hat. Aus ihr entnimmt sie die Vollmacht für die Erfüllung des Auftrags, bei allen Menschen, die ihre missionarische Verkündigung erreicht hat, das von Christus, dem „geliebten Sohn des Vaters“, gewirkte Heil zu bezeugen und es auszubreiten. In der Taufe nimmt der Christ den Erlöser auf und geht in der Kraft des Wassers und des Heiligen Geistes auf dem Weg der Liebe Gottes, von Grund auf neu geworden nach dem Bild dessen, der sich in unserem sterblichen Fleisch offenbart hat. 2. Liebe Brüder und Schwestern, vergeßt nie das Geschenk, das ihr empfangen habt und die hohe Sendung, die euch am Tag eurer Taufe anvertraut wurde. Vor allem vergeßt es nicht, ihr Eltern, Paten und Patinnen dieser Kinder, die von der Güte des himmlischen Vaters dazu berufen wurden, an dem unvergänglichen Erbe der Erlösten teilzuhaben. Mögen diese zarten Geschöpfe, die durch die Kraft des Geistes erneuert werden, in euch immer mutige Zeugen und wirkliche „Väter“ auf dem Weg des christlichen Lebens finden. Das Wasser der Taufe befreit sie heute aus der Sklaverei der Erbsünde und führt sie ein in die Fülle des Lebens Gottes, das in Jesus Christus offenbar geworden ist und seiner Kirche durch das Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung mitgeteilt wurde. Durch die Eingliederung in die Kirche werden diese Kinder lebendige Glieder des Leibes Christi, unsere Brüder im Glauben, mit uns zusammen Erben des Heils und von diesem Augenblick an Teilhaber an unserer gemeinsamen Sendung in der Welt. 3. Die heutige Liturgie stellt uns die Theophanie am Jordan vor Augen. Sie zeigt uns den Messias als den, der den Blinden das Augenlicht, den Gefangenen die Freiheit zurückgibt. Bei dieser Gelegenheit erklärt der Vater feierlich Jesus als seinen „geliebten Sohn“ und bestätigt so den endgültigen Übergang vom Alten zum Neuen Bund: von der Taufe des Johannes - Zeichen der Buße und der Bekehrung in Erwartung der messianischen Verheißungen - zur Taufe Jesu in „Geist und Feuer“ (Lk 3,16). Der Heilige Geist also ist in der Taufe der Christen am Werk: er war es in unserer eigenen Taufe, wie er es nachher in der Taufe dieser Kinder sein wird. Er ist es, der in unserem Geist das offenbarende Wort des Vaters aufs neue vernehmbar macht: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ (Mi 3,17). Er, der Heilige Geist, öffnet die Augen des Herzens für die Wahrheit, für die ganze Wahrheit. Er, der Heilige Geist gibt unserem Leben Antrieb auf dem neuen Weg der Liebe. Er, der Heilige Geist, ist das außerordentliche und unermeßliche Geschenk, das der Vater jedem dieser Täuflinge macht. Er, der Heilige Geist, schenkt uns Versöhnung in der Zärtlichkeit göttlichen Verzeihens und durchdringt uns völlig mit der Kraft der Wahrheit und der Liebe. 775 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Liebe Brüder und Schwestern, die heutige Feier, eine überströmende Ausgießung des Heiligen Geistes, muß uns also mit geistlicher Freude erfüllen und uns zu erneutem Einsatz im christlichen Leben antreiben. Ja, die Taufe ist Leben, das weitergegeben, Licht, das verbreitet werden will. Bekräftigen wir also aufs neue unsere Treue zu Jesus, unserem einzigen Erlöser, der sich heute in der Fülle seiner messianischen Sendung offenbart. „Vater, gewähre uns, deinen Gläubigen - so beten wir im Gebet nach der Kommunion -, daß wir als Jünger auf Christus hören, damit wir uns wirklich deine Kinder nennen können.“ Maria, die Mutter des Erlösers, geleite unsere Schritte im Leben als Christen auf dem Weg der Wahrheit und der Liebe und erlange diesen Kindern, ihren Eltern, den Paten und Patinnen das Geschenk der Beharrlichkeit und der Treue. Amen. Die Ideologien zeigten ihren Mißerfolg Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Kultur am 12. Januar Meine Herren Kardinale, liebe Freunde! 1. Mit Freude heiße ich Sie willkommen. Um Kardinal Paul Poupard und seine Mitarbeiter geschart, reflektieren Sie beim Hl. Stuhl noch einmal über die großen kulturellen Umwandlungen, die die Welt in Bewegung bringen. So helfen Sie der Kirche, die Zeichen der Zeit und die neuen Wege der Inkulturation des Evangeliums und der Evangelisierung der Kulturen besser zu unterscheiden. In dieser Hinsicht ist das soeben vollendete Jahr reich an außergewöhnlichen Ereignissen gewesen, die mit Recht unsere Aufmerksamkeit in diesem letzten Jahrzehnt unseres Jahrtausends noch in Anspruch nehmen. Ein gemeinsames Empfinden scheint heute die große Menschheitsfamilie zu beherrschen. Alle fragen sich, was für eine Zukunft an diesem Übergang von einer Kulturepoche zu einer anderen in Frieden und Solidarität aufzubauen ist. Die großen Ideologien haben vor der harten Prüfung der Ereignisse ihren Mißerfolg gezeigt. Sogenannte wissenschaftliche Systeme sozialer Erneuerung, sogar der Selbsterlösung des Menschen, Mythen der revolutionären Vollendung des Menschen haben sich vor den Augen der ganzen Welt als das erwiesen, was sie waren: tragische Utopien, die einen Rückschritt mit sich brachten, wie ihn die stürmische Geschichte der Menschheit nie zuvor gesehen hat. Unter ihren Brüdern hat die heroische Resistenz christlicher Gemeinschaften gegen den unmenschlichen Totalitarismus Bewunderung erregt. Die Welt entdeckt heute wieder, daß der Glaube an Christus, weit davon entfernt, Opium für die Völker zu sein, der beste Garant und Ansporn für ihre Freiheit ist. <637> <637> Mauern sind gefallen. Grenzen haben sich geöffnet. Aber gewaltige Schranken sind noch aufgerichtet zwischen der Hoffnung auf Gerechtigkeit und deren Erfüllung, zwischen dem Überfluß und dem Elend, indessen neue Rivalitäten entstehen, sobald der Kampf um das Haben die Achtung vor dem Sein in den Hintergrund drängt. Ein irdischer Messiasglaube ist 776 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zusammengebrochen, und in der Welt steigt der Durst nach einer neuen Gerechtigkeit auf. Eine große Hoffnung hat sich erhoben, Hoffnung auf Freiheit, auf Verantwortung, auf Solidarität und geistige Werte. In dieser bevorzugten Stunde, in der wir leben, rufen alle nach einer neuen vollmenschlichen Zivilisation. Diese ungeheure Hoffnung der Menschheit darf nicht enttäuscht werden: Wir alle müssen auf die Erwartungen, die sich auf eine neue menschliche Kultur richten, Antwort geben. Diese Aufgabe erfordert von Ihnen Nachdenken und Vorschläge. Es fehlt nicht an neuen Risiken zu Illusion und Enttäuschung. Die diesseitige Moral hat ihre Grenzen erwiesen und hat sich machtlos gezeigt gegenüber zweifelhaften Experimenten an menschlichen Wesen, die als bloße Laboratoriumsobjekte betrachtet wurden. Der Mensch fühlt sich in radikaler Weise bedroht angesichts von Handlungsweisen, durch die willkürlich über das Recht auf Leben oder den Augenblick des Todes entschieden wird, während die Gesetze des wirtschaftlichen Systems schwer auf seinem Familienleben lasten. Die Wissenschaft offenbart ihr Unvermögen, auf die großen Fragen nach dem Sinn des Lebens, der Liebe, des gesellschaftlichen Lebens und des Todes Antwort zu geben. Und selbst die Staatsmänner scheinen unschlüssig darüber, welche Wege einzuschlagen sind, um diese Welt so brüderlich und solidarisch innerhalb der Nationen wie auch auf kontinentaler Ebene aufzubauen, wie es alle unsere Zeitgenossen durch ihre Wünsche bekunden. Frauen und Männern der Kultur kommt es zu, über diese Zukunft im Licht des christlichen Glaubens nachzudenken, der sie inspiriert. Die Gesellschaft von morgen wird anders sein in einer Welt, die keine unmenschlichen staatlichen Strukturen nicht duldet. Von Osten nach Westen und von Süden nach Norden stellt die in Bewegung geratene Geschichte eine Ordnung in Frage, die vorwiegend auf Gewalt und Furcht beruhte. Diese Öffnung hin zu neuen Gleichgewichten verlangt weise Überlegung und kühnes Vorwärtsschauen. 3. Ganz Europa befragt sich über die Zukunft, da der Zusammenbruch totalitärer Systeme eine gründliche Erneuerung der politischen Handlungsweisen erfordert und stark die geistigen Bestrebungen der Völker wieder auf den Plan ruft. Europa sucht notwendigerweise seine Identität jenseits von politischen Systemen und militärischen Bündnissen neu zu bestimmen. Und es entdeckt sich als einen Kontinent der Kultur, eine Erde, die durchtränkt ist von tausendjährigem christlichem Glauben und zugleich gespeist von einem weltlichen Humanismus, den widersprüchliche Strömungen durchziehen. In diesem Augenblick der Krise könnte Europa versucht sein, sich mit sich selbst zu beschäftigen und momentan die Bande außer acht zu lassen, die es mit der weiten Welt verbinden. Laute Stimmen aus Ost und West fordern es jedoch auf, sich in dieser dramatischen und großartigen Stunde auf die Höhe seiner geschichtlichen Berufung emporzuheben. Ihnen kommt es in Ihrer Stellung zu, ihm zu helfen, seine Wurzeln wiederzufinden und nach dem Maßstab seines Ideals und seines Edelmuts seine Zukunft aufzubauen. Die jungen Menschen, die ich mit Freude auf den Wegen nach Santiago de Compostela getroffen habe, haben gezeigt, daß dieses Ideal in ihnen lebendig ist. 4. Am anderen Ufer des Mittelmeers tritt das gequälte, von Gegensätzen gezeichnete und manchmal ausgehungerte Afrika hervor und proklamiert energisch seine eigene Identität und seinen besonderen Platz im Konzert der Nationen. Die demnächst stattfindende Spezialver- 777 ' BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sammlung für Afrika der Bischofssynode in Gemeinschaft mit der Universalkirche wird diesen Kontinent der Zukunft zeigen lassen, wie das Evangelium in unserer Zeit ein unvergleichliches Ferment der Kultur in der integralen und solidarischen Entwicklung von Menschen und Völkern darstellt. Im Herzen der Kirche bringt Afrika schöpferisch Kultur hervor, verwurzelt in der jahrtausendealten Weisheit der Vorfahren und erneuert durch die Wirkkraft des Evangeliums, dessen Träger die christlichen Gemeinschaften sind. 5. Lateinamerika bereitet sich darauf vor, mit Begeisterung die Fünfhundertjahrfeier seiner Evangelisierung zu begehen. Für 1992 kündigt sich schon die 4. Vollversammlung seiner Bischöfe an, die ganz auf einen neuen Abschnitt der Evangelisierung seiner Völker und Kulturen hingeordnet ist und diesem Kontinent der Hoffnung neuen Antrieb geben wird. Die Zukunft der Gesellschaft wie die der Kirche bewegt sich hier, namentlich bei den Ärmeren, zwischen Angst und Hoffnung. Zwischen Südamerika, das von einem Prozeß der Erneuerung in Anspruch genommen ist, und dem an unvergleichlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten reichen Nordamerika versteht Mittelamerika seine Berufung, am Zusammenfluß und Schmelztiegel von Kulturen zu leben. Die Christen, die im Gesamt des amerikanischen Kontinents die große Mehrheit bilden, haben aufgrund dieser Tatsache eine kulturelle und geistige Berufung nach dem Maß ihrer ungeheuren Möglichkeiten. Der Päpstliche Rat für die Kultur seinerseits wird ihnen zu helfen wissen, in diesem vielversprechenden Prozeß ihren vollen Platz einzunehmen und dabei egoistische Versuchungen und nationalistische Verformungen zu überwinden. Und ich bin glücklich, daß neue Mitglieder zu Ihrem Rat hinzukommen und zur Erfüllung dieser unbedingt notwendigen Aufgabe beitragen. 6. Die Gegensätze, die sich an den ausgedehnten Ufern des Pazifik deutlich zeigen, ziehen die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich. Eine nie dagewesene wirtschaftliche Entwicklung überträgt dieser geographischen Zone eine neue Rolle in der menschlichen Geschichte, mit einem ungeheuren Gewicht in den internationalen Angelegenheiten. Gleichzeitig müht sich in zahlreichen Regionen die Bevölkerung ab, um sich aus unmenschlichem Elend zu befreien. China ist auf der Suche nach einem neuen Geschick, das dem Maß seiner jahrtausendealten Kultur entspricht. Kein Zweifel, daß seine menschlichen Reichtümer und sein Warten auf eine erneute Verbundenheit mit den Kulturen der heutigen Welt dieser nicht neuen Energien zuführen. Ich sehne den Tag herbei, an dem Sie Ihren Dialog der Kulturen und des Evangeliums in einzigartiger Weise durch diesen kostbaren Beitrag werden bereichern können. <638> <638> Liebe Freunde, das sind die Themen, aus denen Ihre Überlegungen Nahrung ziehen am Abend eines Jahrhunderts, das zu viel Grauen und Schrecken gekannt hat und das sich anschickt, nach einer vollen menschlichen Kultur zu streben. Wenn die Zukunft auch ungewiß ist, so haben wir doch die eine Gewißheit, daß diese Zukunft das sein wird, zu dem die Menschen sie in ihrer verantwortlichen Freiheit, unterstützt von der Gnade Gottes, machen. Für uns Christen ist der Mensch, dem wir im Herzen aller Kulturen zu seinem Wachstum verhelfen wollen, eine Person von unvergleichbarer Würde, Bild und Gleichnis Gottes, dieses Gottes, der in Jesus Christus ein Menschenantlitz 778 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN angenommen hat. Der Mensch kann heute unbeständig erscheinen, manchmal von seiner Vergangenheit belastet, beunruhigt wegen seiner Zukunft. Aber es ist auch wahr, daß ein neuer Mensch mit neuer Gestalt sich auf der Weltbühne abzeichnet. Seine Hoffnung besteht zutiefst darin, sich in seiner Freiheit zu festigen, verantwortlich voranzuschreiten und sich für Solidarität einzusetzen. An diesem Scheideweg der Geschichte, die auf der Suche nach Hoffnung ist, erbringt die Kirche den Beitrag der beständig sprudelnden Frische des Evangeliums, das Kulturen schafft, eine Quelle für die Menschheit und zugleich Verheißung der Ewigkeit. Sein Geheimnis der Liebe. Sie ist das erstrangige Erfordernis aller menschlichen Kultur. Und der Name dieser Liebe ist Jesus der Sohn Marias. Liebe Freunde, tragt ihn wie sie, mit Vertrauen auf alle Wege der Menschen, ins Herz neuer Kulturen, die wir in Menschen, mit den Menschen und für alle Menschen aufzubauen haben. Seid überzeugt: die Kraft des Evangeliums ist fähig, durch ihr Ferment der Gerechtigkeit und der Liebe in der Wahrheit und der Solidarität die Kulturen unserer Zeit umzugestalten. Der Glaube, der zur Kultur wird, ist Grund zur Hoffnung. Gestärkt in dieser Hoffnung und glücklich, Sie so am Werk zu sehen, bitte ich den Herrn, Sie zu segnen. Einheit der menschlichen Familie festigen und vervollständigen Ansprache an das Diplomatische Korps am 13. Januar Exzellenzen, meine Damen und Herren! 1. Ihnen allen, den Völkern und Regierungen, die Sie vertreten, sowie Ihren Familien entbiete ich meine herzlichen Glück- und Segenswünsche für das eben begonnene Jahr. Diese Wünsche werden zum Gebet an den, der „Fleisch geworden“ ist und „unter uns gewohnt“ hat (vgl. Joh 1,14), er möge Sie segnen, Ihre Arbeit im Dienst der Verständigung zwischen den Menschen fruchtbar machen und diejenigen unter Ihnen stärken, die Beängstigung und Prüfung erfahren. 2. Den kürzlich beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomaten möchte ich erneut meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, daß ich Sie aufnehmen durfte, und Ihnen sagen, wie sehr meine Mitarbeiter und ich auf ihre Mitarbeit zählen. Erfreut stelle ich auch die Anwesenheit des polnischen Botschafters unter Ihnen fest, der aus einem Land entsandt ist, das nach langer Unterbrechung seine diplomatischen Beziehungen mit dem Hl. Stuhl wiederaufgenommen hat. <639> <640> <639> Sodann ist es mir ein Bedürfnis, Ihrem Doyen, dem Botschafter der Elfenbeinküste, herz- lich zu danken, der sich mit dem gewohnten Feingefühl zu Ihrer aller Sprecher gemacht und Ihre Gedanken und Wünsche zum Ausdruck gebracht hat. Neben den positiven, oft unerwar- 779 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN teten Entwicklungen, die das internationale Geschehen im vergangenen Jahr gekennzeichnet haben, legten Sie, Herr Botschafter, auch Wert darauf, die Anstrengungen zu erwähnen, welche die internationale Gemeinschaft unternommen hat, um Abhilfe aus den Krisen und Situationen der Ungerechtigkeit zu schaffen, unter denen noch heute zu viele Völker, oft die am wenigsten begünstigten, zu leiden haben. Ich danke Ihnen für die warmherzige Würdigung, die Sie dem Wirken der katholischen Kirche und des Apostolischen Stuhls zuteilwerden ließen, die bemüht sind, durch die Ausbreitung der Botschaft des Evangeliums ihren besonderen Beitrag zur Sache der Gerechtigkeit und zur Suche nach Frieden zu leisten. 4. Meine Damen und Herren, Ihre Anwesenheit zeigt deutlich, daß für die Völker, denen Sie angehören, und für ihre Regierungen im Hinblick auf das, was sie unternehmen und erhoffen, und erst recht im Hinblick auf die Probleme und Nöte, die ihren Weg markieren, die Kirche und der Hl. Stuhl keine Fremden mehr sind. Sie wissen es, und Sie sind unmittelbare Zeugen davon: die Anwesenheit der Kirche in der Welt und insbesondere die diplomatische Tätigkeit des Hl. Stuhls möchten dazu beitragen, die Einheit der menschlichen Familie zu festigen und zu vervollständigen. Erinnern Sie sich an das, was diesbezüglich die Pastoralkonstitution Gaudium et spes des Zweiten Vatikanischen Konzils sagt: „Da sie kraft ihrer Sendung und Natur an keine besondere Form menschlicher Kultur und an kein besonderes politisches, wirtschaftliches oder gesellschaftliches System gebunden ist, kann die Kirche kraft dieser Universalität ein ganz enges Band zwischen den verschiedenen menschlichen Gemeinschaften und Nationen bilden. Nur müssen diese ihr Vertrauen schenken und ihre wahre Freiheit zur Erfüllung dieser ihrer Sendung ehrlich zuerkennen“ (Nr. 42). <641> <642> <643> <641> Gerade in Anbetracht dieser Sorge und dieses Interesses am geistigen und materiellen Wohlbefinden aller Menschen hat der Hl. Stuhl mit Genugtuung die großen Umgestaltungen zur Kenntnis genommen, die, vor allem in Europa, kürzlich das Leben mehrerer Völker gezeichnet haben. Der nicht zu unterdrückende Durst nach Freiheit, der hier offenbar geworden ist, hat die Entwicklung beschleunigt, hat Mauern einstürzen und Tore sich öffnen lassen: das alles geschah nach Art eines wirklichen Umsturzes. Und der Ausgangspunkt oder der Treffpunkt war - wie Sie gewiß bemerkt haben - oft eine Kirche. Nach und nach wurden die Kerzen angezündet und bilden eine wahre Lichterprozession, so, als ob sie denen, die sich jahrelang bemüht haben, den Horizont des Menschen auf diese Erde einzugrenzen, sagen wollten, daß er nicht für die Dauer in Ketten gelegt bleiben kann. Vor unseren Augen scheint sich die Neugeburt eines „Europas des Geistes“ zu vollziehen in eben der Linie der Werte und Symbole, die es nach jener „christlichen Tradition gestaltet haben, die alle seine Völker eint“ (vgl. Ansprache an den Kongreß anläßlich der 500-Jahrfeier der Geburt Martin Luthers, 24. 03. 1984). Wenn man nun diese glückliche Entwicklung betrachtet, die so vielen Völkern dazu verhol-fen hat, ihre Identität und ihre gleiche Würde wiederzufinden, sollte man nicht vergessen, daß nie etwas endgültig gesichert ist. Die Nachwehen des vor 50 Jahren ausgebrochenen Weltkrieges mahnen zur Wachsamkeit. Uralte Rivalitäten können immer wieder aufkommen, Konflikte zwischen völkischen Minderheiten können neu aufflammen, Nationalismen sich verschärfen. Darum muß ein Europa, das sich als „Gemeinschaft von Nationen“ versteht, sich 780 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf die Grundlage von Prinzipien festlegen, die 1975 in Helsinki so zweckmäßig von der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) angenommen wurden, 6. Diese Konferenz ließ dann ja auch die grundlegende Überzeugung sich durchsetzen, daß der Friede auf dem Kontinent nicht nur von der militärischen Sicherheit abhängt, sondern auch - und vielleicht vor allem - von dem Vertrauen, das jeder Bürger in sein eigenes Land muß setzen können, und vom Vertrauen zwischen den Völkern. Das Jahr 1989 hatte übrigens begonnen mit der Verabschiedung des Schlußdokumentes der dritten Folgekonferenz von Helsinki am 19. Januar in Wien. Die 35 Teilnehmerstaaten haben einen bedeutenden Text angenommen: durch die konkreten Verpflichtungen, durch das Gleichgewicht, das er zwischen den militärischen, humanitären uud wirtschaftlichen Aspekten der Sicherheit herstellt, hat der Text gut hervorgehoben, daß die Stabilität der Gemeinschaft der europäischen Nationen vor allem auf Werten, an denen alle Anteil haben, und auf einem anspruchsvollen Verhaltenskodex beruht. Dieser Kodex gestattet es den Regierenden eines Landes nicht, sich zu Herren über das Denken ihrer Mitbürger zu machen, noch den stärkeren Nationen, sich gegen die schwächeren unter Mißbilligung von deren Würde durchzusetzen. 7. Warschau, Moskau, Budapest, Berlin, Prag, Sofia und Bukarest — um nur die Hauptstädte zu nennen - sind gleichsam die Etappen eines langen Pilgerweges zur Freiheit. Wir müssen die Völker würdigen, die ihn um den Preis ungeheurer Opfer mutig unternommen und die verantwortlichen Politiker, die ihn gefördert haben. Was an diesen Ereignissen, deren Zeugen wir gewesen sind, bewundernswert war, ist, daß ganze Völker das Wort ergriffen haben, Frauen, Jugend, Männer haben die Angst überwunden. Die menschliche Person hat unerschöpfliche Quellen von Würde, Mut und Freiheit, die sie birgt, an den Tag gelegt. Diese Brüder haben in Ländern, in denen jahrelang eine Partei die Wahrheit befohlen hat, die man glauben müsse, und den Sinn, den man der Geschichte zu geben habe, gezeigt, daß es nicht möglich ist, grundlegende Freiheiten zu ersticken, die dem Leben des Menschen seinen Sinn geben: die Freiheit des Denkens, des Gewissens, der Religion, der Meinungsäußerung, der politische und kulturelle Pluralismus. <644> <644> Möge diesem von den Völkern zum Ausdruck gebrachten Verlangen durch den Rechtsstaat in jeder europäischen Nation entsprochen werden. Die ideologische Neutralität, die Würde der menschlichen Person als Quelle des Rechts, der Vorrang der Person in bezug auf die Gesellschaft, die Respektierung demokratisch gutgeheißener juridischer Normen, der Pluralismus in der Gesellschaftsordnung sind unersetzliche Werte, ohne die man ein gemeinsames, allen zugängliches und auf die Welt hin offenes Haus für Ost und West nicht dauerhaft errichten kann. Es kann keine Gesellschaft geben, die des Menschen würdig ist, ohne Achtung vor den transzendenten und bleibenden Werten. Wenn der Mensch sich zum ausschließlichen Maß von allem macht, ohne Beziehung zu dem, von dem alles herkommt und zu dem diese Welt zurückkehrt, wird er sehr bald zum Sklaven seiner eigenen Zielsetzung. Der Glaubende hingegen weiß aus Erfahrung, daß der Mensch nur dann wahrhaft Mensch ist, wenn er sich von Gott her annimmt und bereit ist, am Heilsplan mitzuwirken, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52). 781 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 9. Für die Westeuropäer, die das Glück hatten, lange Jahre in Freiheit und Wohlstand zu leben, ist nun die Zeit gekommen, ihren Brüdern der Mitte und des Ostens zu helfen, daß sie wieder voll den ihnen im heutigen und zukünftigen Europa gebührenden Platz einnehmen können. Ja, der Augenblick ist günstig, um die Steine der gestürzten Mauern aufzulesen und zusammen das gemeinsame Haus zu bauen. Leider haben die westlichen Demokratien es zu oft nicht verstanden, die vor kurzem um den Preis schwerer Opfer errungene Freiheit zu nutzen. Man kann es nur bedauern, daß in der Führung der sogenannten „entwickelten“ Gesellschaften bewußt Abstand genommen wurde von jedem transzendenten moralischen Hinweis. Neben einem hochherzigen Aufschwung der Solidarität, einer wirklichen Sorge um die Förderung der Gerechtigkeit und einem ständigen Bemühen um wirksame Beachtung der Menschenrechte muß man feststellen, daß es um sich greifende Gegenwerte gibt, wie den Egoismus, den Hedonismus, den Rassismus und den praktischen Materialismus. Die soeben zur Freiheit und zur Demokratie Gelangten sollten nicht von denen enttäuscht werden, die darin schon irgendwie „Veteranen“ sind! Alle Europäer sind von der Vorsehung dazu auf gerufen, die geistigen Wurzeln, die Europa geformt haben, wieder aufzufinden. Damm möchte ich vor dieser berufenen Zuhörerschaft wiederholen, was vor den Parlamentariern des Europarates in Straßburg zu sagen ich im Oktober 1988 Gelegenheit hatte: „Wenn Europa sich selbst treu sein will, muß es alle lebendigen Kräfte dieses Kontinents zu sammeln wissen, indem es die ursprüngliche Eigenart jeder Region achtet, aber in ihren Wurzeln einen gemeinsamen Geist wiederfindet ... Wenn ich den brennenden Wunsch nach einer Intensivierung der Zusammenarbeit mit den anderen Nationen - besonders aus der Mitte und dem Osten Europas -zum Ausdruck bringen, habe ich das Empfinden, die Sehnsucht von Millionen von Männern und Frauen zu beschreiben, die sich in einer gemeinsamen Geschichte miteinander verbunden wissen und auf eine Zukunft in Einheit und Solidarität nach dem Maßstab dieses Kontinents hoffen“ {Ansprache an die parlamentarische Versammlung des Europarates in Straßburg am 8. 10. 1988: O.R. dt, 18. 11. 1988). Meine Damen und Herren, das erhoffen, scheint mir, nicht nur die Europäer, sondern auch die ganze Welt von einem Kontinent, der zugunsten der anderen soviel beigetragen hat. lO.iDarum begrüße ich mit Vertrauen die Bemühungen, die von den Verantwortlichen der Vereinigten Staaten von Amerika und denen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, um Dialog und Frieden besorgt, unternommen wurden. Meine Kontakte mit ihnen haben mir gestattet, festzustellen, daß sie gewillt sind, die internationale Zusammenarbeit auf sicherere Grundlagen zu stellen und dahin zu wirken, daß nunmehr jedes Land als Partner und nicht als Konkurrent betrachtet wird. Das wird nur dann der Fall sein, wenn alle Mitglieder der Gemeinschaft der Nationen, besonders jenen, die, wenn es sich um den Schutz des Friedens handelt, größeres Gewicht und daher mehr Verantwortung haben, sich dafür einzusetzen, daß die Grundsätze des internationalen Rechtes, die so glücklich zur Festigung einer harmonischen Zusammenarbeit zwischen den Staaten beigetragen haben, genauestens respektiert werden. Das neue Klima, das sich zunehmend in Europa gebildet hat, hat die wesentlichen Fortschritte in den Verhandlungen um die nukleare, chemische und konventionelle Abrüstung begünstigt. Das Jahr 1989 könnte wohl das Ende dessen bezeichnen, was man den „kalten 782 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Krieg“ nannte, die Teilung Europas und der Welt in zwei ideologisch entgegengesetzte Lager, des unkontrollierten Rüstungswettlaufs und des Eingeschlossenseins der kommunistischen Welt in eine in sich abgesonderte Gesellschaft. Dank sei Gott dafür, der den Menschen die „Gedanken des Friedens“ eingeben wollte, die Christus, als er in der Weihnacht zu uns kam, in jeden hineingelegt hat als Erbe und als Ferment, das imstande ist, die Welt zu verändern! 11. Diese neue Atmosphäre hat sich glücklicherweise auch weit über Europa hinaus verbreitet. Friedensprozesse haben Fortschritte gemacht, vor allem dank des weitblickenden Wirkens der Organisation der Vereinten Nationen, der ich hiermit gern meine Achtung erweisen möchte. Freie Wahlen haben in Namibia stattgefunden, das bald zu der von der Bevölkerung so sehr erwarteten Unabhängigkeit gelangen möge. Verhandlungen in Angola und Mosambik müssen unterstützt werden, damit der gute Wille aller dazu führe, die noch bestehenden und den Erfolg verzögernden Hindernisse zu entfernen. So wird den grausamen Prüfungen der Bevölkerung, die schon materiell wenig begünstigt ist, ein Ende gesetzt und sie kann besser ihr Geschick selbst in die Hand nehmen. Die politischen und verfassungsmäßigen Reformen, denen die Republik Südafrika entgegenzugehen scheint, müßten immer besser in die Wirklichkeit übersetzt werden und so das Klima des Vertrauens und des Dialogs begünstigen, dessen dringende Notwendigkeit von allen Bevölkerungsgruppen empfunden wird. Auch Burundi scheint auf dem Weg zu sein, der es gestattet, die ethnischen Konflikte, die es bis vor kurzem noch zerrissen haben, endgültig zu überwinden. Ebenso müssen wir auf dem afrikanischen Kontinent das Entstehen der „Westarabischen Union“ zur Kenntnis nehmen, Ausgangspunkt zu einer notwendigen regionalen Zusammenarbeit, die nicht nur den wirtschaftlichen Austausch, sondern auch die regelmäßige Befriedigung der anhängigen Probleme und schließlich günstige Beziehungen zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft fördern sollte. Schließlich stellen, weit entfernt von dort, nämlich in Südamerika, demokratische Wahlen, wie sie unlängst in Chile und in Brasilien stattgefunden haben, eine bedeutsame Etappe auf dem Weg zu mehr Freiheit und Demokratie für die Nationen dieser Region dar, eine Etappe, die andere noch erwarten müssen. <645> <645> Aber ebenso wie das aufsteigende Morgenlicht manche Gebiete schon erhellt, während andere noch im Dunkel der Dämmerung liegen, so ist es auch auf dem internationalen Schauplatz: wenn hier oder dort Fortschritte registriert werden können, so sind doch zahlreiche Länder noch der Unsicherheit und der Prüfung ausgesetzt. Ganz besonders denke ich an den Nahen Osten, der immer noch ein Opfer der Ungerechtigkeit und Gewalt ist. Trotz aller aufgewandten Mühen bleibt die Zukunft des Libanon unsicher. Es ist nunmehr dringend notwendig, daß die Libanesen in den Stand gesetzt werden ... unumschränkt über ihre Zukunft zu entscheiden in Treue zu den Werten der Kultur, die die anziehenden Züge dieses Landes geprägt haben. Der libanesischen Erde sehr nahe, ist die Bevölkerung von Cisjordanien und dem Gazastreifen noch Leiden unterworfen, die kaum mehr annehmbar sind. Wie sollte man da nicht aufs 783 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Neue wiederholen, daß nur der Verhandlungsweg es den beiden in Opposition stehenden Parteien möglich machen wird, die Respektierung ihrer legitimen Wünsche, den sofortigen Frieden und die Sicherheit für die Zukunft zu garantieren? Nachdem der Krieg am Golf zwischen dem Irak und dem Iran beendet ist, bleibt unter anderem noch das Problem der Rückführung der Kriegsgefangenen in ihre Heimat zu lösen, ein menschliches Problem im besonderen Sinn. Da wir eben das Jahresende, eine Gelegenheit zu frohen familiären Begegnungen, gefeiert haben, sollten wir nicht das Los jener, zumeist jungen Menschen vergessen, die noch ohne zu rechtfertigenden Grund von den Ihren femgehal-ten werden. Ein Problem dieser Art bilden auch, noch weiter im Osten, die afghanischen Flüchtlinge, die darauf warten, in ihr Land zurückkehren zu können. Die internationale Gemeinschaft darf ihrer Lage nicht gleichgültig gegenüberstehen, wie übrigens auch nicht jener der Bevölkerung Afghanistans, die täglich unter den verheerenden Auswirkungen eines mörderischen Konflikts zu leiden hat. Auch dort ist es höchste Zeit, daß die betreffenden Parteien ihre Anstrengungen verdoppeln, damit in Achtung vor den rechtmäßigen Bestrebungen aller die immer wieder aufflackernden Feindseligkeiten und die der unschuldigen Zivilbevölkerung zugefügten Leiden ein Ende nehmen. 13. Ein rascher Blick auf das unermeßliche Ostasien stellt uns große Völker mit reichen kulturellen und religiösen Traditionen vor Augen, die noch mehr zum harmonischen Fortschritt des internationalen Lebens müßten beitragen können. Neben positiven, hoffnungsträchtigen Anzeichen bestehen leider auch schmerzliche Situationen. Ich denke an Kambodscha, wo man trotz eines ersten Verhandlungsversuchs immer noch den friedlichen Übergang in eine Zukunft erwartet, die allen Vertrauen einflößt. Wir wollen wünschen, daß eine wirksame internationale Zusammenarbeit die Wiederkehr der furchtbaren Prüfungen verhindert, die ein ganzes Volk hinter sich hat. Sri Lanka wird leider immer noch von Feindseligkeiten aller Art geschüttelt. Sie haben praktisch das ganze vergangene Jahr hindurch zahlreiche Opfer gefordert und bringen den Zusammenhalt einer doch so friedlichen Nation in große Gefahr. Ebenso muß Vietnam erwähnt werden. Ich möchte den diskreten Anzeichen zu einer Öffnung, auch hinsichtlich der Religionsfreiheit, die vor kurzem wahrnehmbar waren, Mut zusprechen. Die Kirche und der Hl. Stuhl sind selbstverständlich zu jedem Dialog bereit, der geeignet ist, die diesbezügliche Lage zu verbessern. Die internationale Gemeinschaft ihrerseits wäre es sich schuldig, dem mutigen vietnamesischen Volk noch weiter aufzuhelfen, damit es immer besser den Platz einnehmen kann, der ihm im Konzert der Nationen zusteht. Und die ernste Frage, die sich durch die Flüchtlinge aus diesem Land stellt, kann auch nur mit Hilfe einer solchen internationalen Solidarität gelöst werden. Schließlich könnte ich diese Region nicht verlassen, ohne das chinesische Volk zu erwähnen. Die ernsten Vorkommnisse vom Juni 1989 haben mich zutiefst beeindruckt, und sogleich habe ich mich ein wenig zur Stimme all derer gemacht, die auf das Schicksal der Menschheit bedacht sind, und habe es nicht versäumt, mit meinem Ausdruck der Trauer zugleich den aufrichtigen Wunsch auszusprechen, daß soviel Leiden nicht umsonst sein, sondern diesem edlen Land zur Erneuerung seines nationalen Lebens gereichen mögen. An der Schwelle des 784 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN neuen Jahres kann ich nicht umhin, wiederum die gleichen Wünsche auszusprechen, überzeugt, daß die Probleme des Friedens heute solche Dimensionen haben, daß sie alle Männer und alle Frauen guten Willens betreffen. Alle Völker der Welt sind in der Tat aufgerufen, in Hochachtung vor der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Freiheit das Werk des Friedens zu wirken. 14. In Mittelamerika haben sich die Perspektiven eines unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen wiederaufgenommenen Friedensprozesses, der so viel Hoffnung geweckt hatte, wieder etwas verwischt. Kürzlich ist El Salvador der Schauplatz von Gewaltakten gewesen, die vor allem die Zivilbevölkerung erschüttert haben. Wir erinnern uns besonders an den barbarischen Mord, der an sechs Ordensmännem aus der Gesellschaft Jesu verübt wurde. Es ist ganz einfach eine Illusion, eine selbstmörderische Illusion, wenn man gesellschaftliche Probleme mit Gewalt lösen will. Darum habe ich mit Erleichterung die Haltung des kürzlichen Gipfeltreffens der Präsidenten der mittelamerikanischen Länder, vergangenen Monat in Costa Rica, zur Kenntnis genommen. Sie haben in passender Weise ihrer tiefen Überzeugung Ausdruck gegeben, „daß es unerläßlich ist, das Gewissen der Völker zu der notwendigen Erkenntnis wachzurütteln, daß zum Erreichen politischer Zwecke und Ziele Gewaltanwendung und Terrorakte zurückzuweisen sind“ (Deklaration von San Isidoio de Coronado, 12. 12. 1989). Die Geißel der Gewalt und des Terrorismus, verschärft durch den schmutzigen Drogenhandel, der ihnen oft zugrundeliegt, hat in Peru und in Kolumbien große Verheerungen angerichtet, so sehr, daß sie das soziale Gleichgewicht dieser Länder in Gefahr gebracht hat. In diesem Klima der Anarchie haben wir den schändlichen Mord an einem Bischof zu beklagen, Msgr. Jesus Jaramillo Monsalve, Bischof der kolumbianischen Diözese Arauca. Und ganz kürzlich ist zu diesen Sorgen noch die Panamakrise hinzugekommen. Auch dort hat die Zivilbevölkerung am meisten gelitten. Es ist zu wünschen, daß das panamaische Volk unverzüglich zu einem normalen Leben zurückfinde in der Würde und der Freiheit, zu denen jedes unabhängige Volk das Recht hat. <646> <646> Wenn wir schließlich diesen Überblick zu Ende führen, ziemt sich noch ein Halt auf dem afrikanischen Kontinent, wo vor allem zwei Völker seit Jahren ein tragisches Los zu erleiden haben. Im Sudan kommen zu den naturbedingten Notlagen die noch schlimmeren des Krieges im südlichen Teil des Landes hinzu. Verwüstete Städte und Abwanderung der Bevölkerung haben ein mitleiderregendes Elend hervorgerufen, wie das der zahlreichen Flüchtlinge. Internationale Hilfe ist offensichtlich dringend notwendig, doch sie kann nur dann sichergestellt werden, wenn der Waffenstillstand beachtet wird in Erwartung einer Wiederaufnahme der Friedensgespräche, die so viel Hoffnung gegeben hatten. Zum Schweigen der Waffen muß die wirksame Beachtung der Grundrechte aller Teile der sudanesischen Gesellschaft hinzukommen, besonders der Minderheiten, zur aktiven Teilnahme am staatlichen Leben, an der Produktion und an der Nutzung der natürlichen Hilfsquellen, und das alles in voller Freiheit ohne Diskriminierung der Rasse oder der Religion. Nicht weniger besorgniserregend ist die Lage der Bevölkerung Äthiopiens. Die katholische Kirche hat es nicht versäumt, ihr durch ihre caritativen Organisationen in Verbindung mit den 785 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Initiativen der Ortsbischöfe und den Bemühungen der Regierungen und der Nichtregierangs-Organisationen zu Hilfe zu kommen. Auch dort haben die dramatischen Auswirkungen der Trockenheit, der Krankheiten und des Hungers die Folgen der internen Konflikte noch verheerender gemacht. Wir wollen hoffen, daß den Einwohnern von Tigre wieder Hilfe gebracht werden kann, wenn man in den nächsten Monaten eine Tragödie von gigantischen Ausmaßen verhüten will. Im übrigen müßten die laufenden Verhandlungen mit Eritrea und Tigre ebenfalls dazu beitragen, der Überzeugung Geltung zu verschaffen, daß dieser Konflikt keinen militärischen Ausgang nehmen darf. Es muß nicht eigens gesagt werden, daß jede Lösung dem legitimen Verlangen des teuren eritreischen Volkes, das schon so viel gelitten hat, Rechnung tragen muß. 16. Exzellenzen, meine Damen und Herren, dies ist das Gefüge aus Schatten und Licht, in das die katholische Kirche auf den Ruf ihres Meisters hin das Zeugnis von Glauben, Hoffnung und Liebe zu tragen hat. Es wird sichtbar durch den guten Willen ihrer bescheidensten Gläubigen, durch die unermüdliche Hingabe ihrer Bischöfe und Priester, den bedingungslosen Einsatz ihrer Ordensmänner und Ordensfrauen. Erst kürzlich konnte ich als Pilger im Femen Osten und auf der Insel Mauritius die überreichen Früchte feststellen, die so viele Arbeiter des Evangeliums durch ihre apostolischen Anstrengungen und ihre apostolische Beharrlichkeit gestern und heute erbracht haben. Gott sei dafür gedankt! Ich habe den glühenden Wunsch, daß in dem neuen Klima der Freiheit, das sich überall anfanghaft auszubreiten scheint, die Gläubigen nicht nur ihren Glauben praktizieren können - gewisse Länder und gewisse Religionen, die in der Mehrheit sind, erlauben es ihnen nicht immer -, sondern daß sie auch aktiv und mit voller Berechtigung am politischen, sozialen und kulturellen Fortschritt der Nationen, denen sie angehören, Anteil haben können. Der Unglaube und die Säkularisation stellen tatsächlich Herausforderungen dar, die alle Gläubigen in ihrer Berufung, den Vorrang Gottes vor allem anderen zu bezeugen, aufgreifen müssen. Damm ist es wichtig, daß, abgesehen von der religiösen Freiheit, die der Staat ihnen sicherstellen muß, die Religionen sich gegenseitig besser kennen und besser Zusammenarbeiten. In dieser Hinsicht konnte ich selbst kürzlich die wohltätigen Wirkungen dieses interkonfessionellen Verständnisses in Indonesien feststellen, wo die Grandsätze des „Pancasila“ es dem Islam und den anderen von den Bewohnern des Landes praktizierten Religionen gestatten, sich in einem harmonischen Dialog zu begegnen, was der gesamten Gesellschaft zugute kommt. Leider ist es nicht immer so. Ich kann nicht mit Schweigen die besorgniserregende Situation übergehen, in der sich die Christen in gewissen Ländern befinden, in denen die islamische Religion in der Mehrheit ist. Ihre geistliche Not wird mir beständig vorgebracht: oft sind sie der Kultstätten beraubt, werden verdächtigt; religiöse, ihrem Glauben entsprechende Erziehung und caritative Tätigkeiten werden ihnen unmöglich gemacht; sie haben das schmerzvolle Empfinden, Bürger zweiter Klasse zu sein. Ich bin überzeugt, daß die großen Traditionen des Islam, wie: das Aufnehmen von Fremden, Treue in der Freundschaft, Geduld angesichts von Widrigkeiten, die Bedeutung, die dem Glauben an Gott beigemessen wird, lauter Grundsätze sind, die es gestatten müßten, unzulässige sektiererische Haltungen zu überwinden. Ich wünsche lebhaft, daß, wenn die muslimischen Gläubigen heute mit Recht in den Ländern christlicher Tradition die wesentlichen Hilfen finden, um den Ansprüchen 786 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihrer Religion nachzukommen, die Christen sich einer vergleichbaren Behandlung in allen Ländern islamischer Tradition erfreuen könnten. Die religiöse Freiheit wüßte sich nicht auf eine bloße Toleranz eingeschränkt. Sie ist eine zivile und soziale Realität, verbunden mit bestimmten Rechten, die es den Gläubigen und ihren Gemeinschaften gestatten, ohne Furcht ihren Glauben an Gott zu bezeugen und all seine Anforderungen zu leben. 17. Nie war der Beitrag der Gläubigen so nützlich wie heute in einer Welt, in der es zahlreiche Menschen gibt, die danach suchen, welchen Sinn die Existenz und die Geschichte haben. Ich bin vor allem davon überzeugt, daß das Zeugnis des Gebetes, des gemeinsamen Lebens in der Kirche und die werktätige Liebe für die Entwicklung dieser Welt ebenso notwendig ist wie der technische Fortschritt oder der wirtschaftliche Wohlstand. Das wollte ich in einer Botschaft an die europäische Ökumenische Versammlung in Basel im vergangenen Mai sagen: „Politische Bündnisse und Verhandlungen sind notwendige Mittel, um zum Frieden zu gelangen, und unser Dank an die, die sich mit Überzeugung, Ausdauer und Hochherzigkeit dafür einsetzen, ist groß. Aber um auf die Dauer fruchtbar zu sein, müssen sie eine Seele haben. Für uns ist das die christliche Inspiration, die ihnen eine Beziehung zu Gott, dem Schöpfer, Erlöser und Heiligmacher, und zur Würde jedes Mannes und jeder Frau geben kann, die nach seinem Bild erschaffen sind.“ Ja, möge überall die Kraft des Heiligen Geistes dieser Menschheit neuen geistigen Schwung verleihen, der sie ihrem Schöpfer nahe bringt! Mögen in unserer Zeit, in der viel nach Rentabilität gefragt wird, in der man sich mit Nachdruck auf Freiheit beruft, nie die Zeichen der Transzendenz, die Aufmerksamkeit gegenüber den Schwächeren und die Respektierung der Bestrebungen anderer fehlen! <647> <647> Das Jahr 1990 eröffnet das Jahrzehnt, das uns an das Ende des zweiten Jahrtausends der christlichen Zeitrechnung führt. Machen wir diese Periode für jeden Menschen, für jedes Volk, für unsere Erde zu einem „Advent“! Bereiten wir die Wege für Gott, der unaufhörlich zu uns kommt, wie in der Weihnacht, um uns mit seinem Leben und seiner Gegenwart zu bereichern. Im Herzen des Menschen bleibt immer ein Platz, den nur Er ausfüllen kann. Mögen wir, jeder an seiner Stelle, in der Erfüllung der uns von der Vorsehung anvertrauten Aufgaben den Menschen dieser Zeit helfen können, immer besser, immer staunender und vertrauensvoller zu entdecken, daß Gott ihr Gut ist! Das sind meine Wünsche für Sie, Exzellenzen, meine Damen und Herren, für Ihre Mitbürger, für die ganze Menschheitsfamilie! Von ganzem Herzen vertraue ich sie dem an, „der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können“ (Eph 3,20). Sein Segen sei mit Ihnen! 787 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Pastoral und Recht in der Kirche Ansprache an den Gerichtshof der Rota Romana zur Eröffnung des Gerichtsjahres am 18. Januar 1. Die feierliche Eröffnung des Gerichtsjahres der Rota Romana bietet mir immer wieder die willkommene Gelegenheit, meine herzlichste Wertschätzung und Ermunterung für die von euch, liebe Brüder, geleistete Arbeit als Richter oder in anderen mit der Rechtspflege verbundenen Aufgaben an diesem Apostolischen Gerichtshof auszusprechen. Wenn ich euch herzlich begrüße, so ist da zugleich ein Zeichen meiner Sorge als Hirte der ganzen Kirche um die Tätigkeit der kirchlichen Gerichtshöfe, denn mir sind die Mühen derer, die sich von Berufs wegen diesem Dienst für das Volk Gottes widmen, wohlbekannt. Ausgehend von den klaren Worten des Herrn Dekans über die Funktion des Richters in der Kirche, scheint es mir passend, ein Thema zu vertiefen, das nach dem II. Vatikanischen Konzil im Mittelpunkt der Gesetzgebung, der Jurisprudenz und der Kanonistik stand. Es geht um die pastorale Dimension des Kirchenrechtes, oder mit anderen Worten um das Verhältnis zwischen Pastoral und Recht in der Kirche. 2. Der pastorale Geist, den das II. Vatikanische Konzil im Zusammenhang mit der Ekklesiologie der Gemeinschaft, wie sie vor allem in der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium dargelegt ist, stark betont hat, kennzeichnet jeden Aspekt des Seins und Wirkens der Kirche. Das gleiche Konzil hat im Dekret über die Priesterausbildung ausdrücklich verfügt, daß bei der Darlegung des Kirchenrechtes dem Geheimnis der Kirche im Sinn der dogmatischen Konstitution De Ecclesia Aufmerksamkeit geschenkt wird (vgl. Optatam totius, Nr. 16). Das gilt erst recht für seine Formulierung wie auch für seine Deutung und Anwendung. Der pastorale Charakter dieses Rechtes bzw. seine Funktion in der Heilssendung der geweihten Hirten und des ganzen Volkes Gottes findet damit seine solide Begründung in der Ekklesiologie des Konzils, nach der die sichtbaren Aspekte der Kirche untrennbar mit den geistlichen verbunden sind und eine einzige komplexe Wirklichkeit bilden, die man mit dem Geheimnis des menschgewordenen Wortes vergleichen kann (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8). Andererseits hat es das Konzil nicht daran fehlen lassen, aus diesem pastoralen Charakter des Kirchenrechtes zahlreiche operative Konsequenzen zu ziehen und konkrete Maßnahmen zu ergreifen, die sicherstellen sollen, daß die Gesetze und die Verwaltung des Kirchenrechtes immer mehr dem Wohl der Seelen gerecht werden (vgl. z. B. Christus Dominus). <648> <648> In dieser Hinsicht denken wir passend ein wenig über eine vielleicht verständliche Zweideutigkeit nach, die aber deswegen nicht weniger Schaden stiften kann und nicht selten die Sicht des pastoralen Charakters des Kirchenrechtes beeinträchtigt. Die Verfälschung besteht darin, daß man nur den mäßigenden und humanitären Aspekten, die unmittelbar mit der rechtlichen Billigkeit verbunden werden können, pastorale Tragweite und Absichten zuschreibt; man meint also, nur die Ausnahmen bei den Gesetzen und das eventuelle Vermeiden von Prozessen und kanonischen Strafen und die schnellere Abwicklung der rechtlichen Formalitäten seien pastoral wirklich bedeutsam. Man vergißt dabei, daß auch die 788 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gerechtigkeit und das strenge Recht - und infolgedessen die allgemeinen Normen, die Prozesse, Strafen und andere typische Ausdrucksformen des Rechtswesens, wenn sie notwendig werden - von der Kirche zum Wohl der Seelen gefordert werden und damit innerlich pasto-rale Wirklichkeiten sind. Nicht zufällig begann der dritte Grundsatz in jener Art Dekalog von Grundsätzen, die von der ersten Versammlung der Bischofssynode im Jahre 1967 gebilligt und dann vom Gesetzgeber übernommen wurden, um die Arbeiten der Redaktion des neuen Codex zu leiten (vgl. Principia quae Codicis Iuris Canonici recognitionem dirigant, in: Communicationes, 1 [1969] 79-80) mit folgenden eindrucksvollen Feststellungen: „Der sakrale und organisch strukturierte Charakter der Gemeinschaft der Kirche macht evident, daß der juridische Zug der Kirche und alle ihre Institutionen auf die Förderung des übernatürlichen Lebens hingeordnet sind. Die juridische Ordnung der Kirche, die Gesetze und Vorschriften, die Rechte und Pflichten, die daraus folgen, müssen daher zum übernatürlichen Ziel beitragen“ (vgl. ebd. 79-80). Mein verehrter Vorgänger Paul VI. hat in seinen umfangreichen und tiefen Lehräußerungen über Bedeutung und Wert des Rechtes in der Kirche das Band zwischen Leben und Recht im mystischen Leibe Christi wie folgt umschrieben: „Ohne rechtliche Ordnung kann das Leben der Kirche nicht existieren, denn ihr wißt gut, daß die Kirche als von Christus eingesetzte geistliche, aber sichtbare Gesellschaft, die sich durch Wort und Sakramente aufbaut und den Menschen das Heil vermitteln will, dieses heilige Recht gemäß den Worten des Apostels braucht: ,Doch alles soll in Anstand und Ordnung geschehen’ (1 Kor 14,40)“ (vgl. Ansprache an die Mitglieder der Päpstlichen Kommission für die Überarbeitung des Kirchenrechtes bei ihrer Vollversammlung, 27. 05. 1977, in: Communicationes, 9[1977] 81-82). <649> <650> <649> Die rechtliche und die pastorale Dimension sind in der hier auf Erden pilgernden Kirche untrennbar eins. Vor allem herrscht unter ihnen eine Harmonie, die vom gemeinsamen Ziel, dem Heil der Seelen, herkommt. Doch noch mehr. Tatsächlich ist die juridisch-kanonische Tätigkeit ihrer Natur nach pastoral. Sie stellt eine besondere Teilnahme an der Sendung Christi als Hirten dar und besteht in der Verwirklichung der Ordnung der Gerechtigkeit, die von Christus selbst gewollt ist, innerhalb der Kirche. Die pastorale Tätigkeit ihrerseits übersteigt zwar weit die rein rechtlichen Aspekte, bewahrt aber immer eine Dimension der Gerechtigkeit. Es wäre nämlich nicht möglich, die Seelen ins Himmelreich zu führen, wenn man von jenem Minimum an Liebe und Klugheit absehen wollte, das im Bemühen besteht, das Gesetz und die Rechte aller in der Kirche treu gewahrt zu sehen. Daraus folgt, daß jede Entgegensetzung zwischen Pastoral und Recht abwegig ist. Es ist nicht wahr, daß das Recht, um mehr pastoral zu sein, weniger rechtlich sein müsse. Gewiß sind alle die zahlreichen Formen jener Flexibilität vor Augen zu halten und anzuwenden, die gerade aus pastoralen Gründen das Kirchenrecht schon immer ausgezeichnet haben. Es müssen aber auch die Forderungen der Gerechtigkeit gewahrt werden, die von solcher Flexibilität übertroffen, aber nie geleugnet werden dürfen. Die wahre Gerechtigkeit in der Kirche, von Liebe belebt und von der Billigkeit ausgeglichen, muß immer ein besonderes Kennzeichen der Pastoral sein. Es kann keine Ausübung echt pastoraler Liebe geben, wenn sie nicht vor allem die pastorale Gerechtigkeit berücksichtigt. 789 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Man muß also versuchen, die Harmonie zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit besser zu verstehen, ein Thema, das der theologischen und der kanonistischen Tradition sehr teuer ist. Eine Rubrik des Dekrets von Meister Gratianus (D. 45, c. 10) sagte: „Der gerechte Richter wahrt die Barmherzigkeit ebenso wie die Gerechtigkeit“. Der hl. Thomas von Aquin aber legt zuerst dar, daß die göttliche Barmherzigkeit nicht gegen die Gerechtigkeit verstößt, wenn sie die Beleidigungen von seiten der Menschen verzeiht, sondern daß sie auf einer höheren Ebene handelt, und dann schließt er: „Daher ist klar, daß die Barmherzigkeit die Gerechtigkeit nicht aufhebt, sondern gleichsam die Fülle der Gerechtigkeit bildet“ (Summa Theologica, I, q.21, a. 8 ad 2). Davon überzeugt, bemüht sich die kirchliche Autorität, ihr eigenes Wirken, auch wenn sie Anfragen zur Gültigkeit des Ehebandes behandelt, den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Barmherzigkeit anzupassen. Sie nimmt also auf der einen Seite von den großen Schwierigkeiten Kenntnis, mit denen Personen zu tun haben, und Familien, die in unglücklicher Ehe leben, und sie erkennt ihr Recht auf besondere pastorale Betreuung an. Sie vergißt aber auf der anderen Seite nicht das Recht, das sie auch haben, nicht durch ein Urteil über die Ungültigkeit ihrer Ehe betrogen zu werden, das zur Existenz einer echten Ehe in Gegensatz steht. Eine solche ungerechte Nichtigkeitserklärung der Ehe fände keine legitime Rechtfertigung durch Berufung auf die Liebe oder die Barmherzigkeit. Denn beide Tugenden können ja nicht von der geforderten Wahrheit absehen. Eine gültige Ehe mag ernste Schwierigkeiten durchmachen, sie kann aber nicht als ungültig betrachtet werden, wenn man nicht der Wahrheit Gewalt antun will und damit das einzig tragfähige Fundament untergräbt, auf dem sich persönliches, eheliches oder soziales Leben aufbauen läßt. Der Richter muß sich daher immer vor der Gefahr hüten, falsch verstandenes Mitleid zu üben, das zur Sentimentalität absinken würde und nur scheinbar pastoral wäre. Wege, die sich von Gerechtigkeit und Wahrheit entfernen, tragen am Ende zur Entfremdung der Menschen Gott gegenüber bei und erreichen das Gegenteil von dem, was man guten Glaubens erreichen wollte. <651> <652> <651> Eine gültige Ehe dagegen verteidigen, bedeutet den Schutz eines unwiderruflichen Geschenkes Gottes an die Ehegatten und ihre Kinder, an die Kirche und an die bürgerliche Gesellschaft. Nur in Achtung vor diesem Geschenk ist es möglich, die ewige Seligkeit und ihre Vorwegnahme in der Zeit zu finden, die mit Gottes Gnade jenen beschieden ist, die sich mit seinem Willen identifizieren, der immer gütig ist, auch wenn er zuweilen anspruchsvoll erscheint. Man muß sich also vor Augen halten, daß der Herr Jesus ungescheut von einem „Joch“ sprach und einlud, es auf sich zu nehmen, wobei er uns aber mit der unbarmherzigen Versicherung tröstete: „Mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht“ (Mt 11,30). Welch bedeutsame Äußerung pastoraler Sorge für Eheleute in Schwierigkeiten liegt darüber hinaus in can. 1676 vor, der keine rein formelle Verfügung ist: „Bevor der Richter eine Sache annimmt und sooft er Hoffnung auf Erfolg sieht, soll er mit seelsorglichen Mitteln die Gatten zu bewegen suchen, ihre Ehe, falls möglich, gültig zu machen und die eheliche Lebensgemeinschaft wiederherzustellen.“ <652> Am pastoralen Charakter des Rechts der Kirche nimmt auch das kanonische Prozeßrecht teil. Hier bleiben die Worte aktuell und wirksam, die Paul VI. in seiner letzten Ansprache an die Rota Romana an euch gerichtet hat: „Wißt wohl, daß das kanonische Recht als solches 790 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und infolgedessen auch das Prozeßrecht als Teil von ihm, mit seinen zugrundeliegenden Motiven zum Plan der Heilsökonomie gehört, weil das Heil der Seelen oberstes Gesetz der Kirche ist“ (Ansprache an den Dekan des Gerichtshofes der Rota Romana, an die Prälaten Auditoren, die Offiziale und Advokaten zu Beginn des Gerichtsjahres, 28. 01. 1978, in: AAS 70[1978] S. 182). Die Institutionalisierung dieses Werkzeuges der Gerechtigkeit, das der Prozeß ist, stellt eine fortschreitende Durchsetzung von Kultur und Achtung vor der Würde des Menschen dar. Dazu hat in nicht unbedeutender Weise auch die Kirche mit ihren kanonischen Prozeß beigetragen. Damit hat sie nicht ihre Sendung zur Liebe und zum Frieden verleugnet, sondern nur ein geeignetes Mittel zu jener Feststellung der Wahrheit an die Hand gegeben, die unerläßliche Voraussetzung einer von der Liebe beseelten Gerechtigkeit und damit auch des wahren Friedens ist. Wohl sollen, wenn möglich, Prozesse vermieden werden. In bestimmten Fällen aber sind sie vom Gesetz als bester Weg zur Lösung von kirchlich sehr wichtigen Fragen, wie z. B. die Existenz einer Ehe, gefordert. Der gerechte Prozeß gehört ferner zum Recht der Gläubigen (vgl. can. 221) und stellt zugleich eine Forderung des öffentlichen Wohls der Kirche dar. Die kanonischen Prozeßnormen sind daher von allen am Prozeß Beteiligten als ebenso viele Äußerungen jener werk-zeuglichen Gerechtigkeit anzusehen, die zur substantiellen Gerechtigkeit hinführt. Im vergangenen Jahr hatte ich euch viel vom Recht auf Verteidigung beim kanonischen Gerichtsurteil zu sagen und ich betonte sein unmittelbares Verhältnis zu den wesentlichen Forderungen der prozessualen Gegenäußerung (vgl. Ansprache an die Rota Romana, 26. 01. 1989, in: O.R. dt., Nr. 12/13, 24. 03. 1989). Auch die weiteren einschlägigen Normen für Ehefälle besitzen ihre juridisch-pastorale Bedeutung. Ich möchte die Aufmerksamkeit besonders auf jene lenken, die die Zuständigkeit der kirchlichen Gerichte betreffen. Der neue Codex hat diese Sache in can. 1673 geregelt und dabei Licht- und Schattenseiten der neueren Erfahrungen berücksichtigt, zugleich eine berechtigte Erleichterung für die zuständigen Gerichte vorgesehen und einige klare Garantien hinzugefügt — die immer genau zu beachten sind - um die Gegenäußerung zum Wohl beider Teile und des öffentlichen Wohles zu schützen. Die Gewährung solcher Garantien wird damit zur Pflicht der Gerechtigkeit und zugleich der recht verstandenen Seelsorge. <653> <653> Ich schließe diese Überlegungen zu einigen Aspekten des umfangreichen Themas der Beziehungen zwischen Pastoral und Kirchenrecht mit dem Wunsch - den ich nicht nur an euch, sondern an alle geweihten Hirten richte - den pastoralen Wert des Rechtes in der Kirche immer klarer zu verstehen und immer besser anzuwenden, damit den Seelen am besten gedient wird. Ich vertraue dieses Anliegen der Fürbitte Marias, des Spiegels der Gerechtigkeit, an und erteile euch als Unterpfand für den ständigen göttlichen Beistand bei eurer anspruchsvollen Arbeit im Dienst der Kirche meinen besonderen Apostolischen Segen. 791 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Den Glauben ohne bittere Polemik verteidigen Ansprache an die Mitarbeiter von „La Civiltä Cattolica“ am 19. Januar Liebe Brüder! 1. Zur glücklichen Vollendung von 140 Lebensjahren eurer Zeitschrift „La Civiltä Cattolica“ empfange ich gern - nun zum zweiten Mal - und begrüße lebhaft das Team der Verfasser, die sie redigieren und die Ordensgemeinschaft, die bei den verschiedenen Phasen der Herausgabe zusammenarbeitet. Ich bin mir des intelligenten und hingebungsvollen Dienstes, den ihr dem Hl. Stuhl und der Kirche leistet, wohl bewußt und möchte vor allem mit euch „dem Vater der Gestirne danken, von dem jedes vollkommene Geschenk kommt“ {Jak 1,17) für die lange und fruchtbare Lebenszeit, die eurer Zeitschrift beschieden war, sowie für die Arbeit, die ihr geleistet habt, mit den Patres Jesuiten, euren Vorgängern, in einer geistigen Verbundenheit, die weit über das Leben der einzelnen Personen hinausreicht. Dann möchte ich euch allen meine persönliche Dankbarkeit aussprechen. Die Arbeit, die ihr leistet, ist hart und schwer, und sie erfordert ständigen Einsatz und nicht geringe Opfer, weil sie größtenteils in der Verborgenheit und anonym geleistet wird. Doch seid gewiß, daß sie von Gott gesegnet und überreich an Früchten ist: sie bietet nämlich einen Dienst an, den der Heilige Stuhl sehr schätzt, und auf den er unter allen Umständen zählen zu können sicher ist. Euer Dienst besitzt auch die Wertschätzung des Publikums, wie die große Zahl der Priester und Laien zeigt, die die Civiltä Cattolica lesen und in ihr nützliche Hinweise finden, um die Ereignisse in der Welt von heute im Licht des Glaubens zu deuten. <654> <654> Die Zeit in der die Civiltä Cattolica nach ausdrücklichem Willen meines Vorgängers Pius IX., der als Flüchtling in Gaeta weilte, das Licht der Welt erblickte, war stark von einem Laizismus und Antiklerikalismus geprägt, die nicht nur der Kirche und dem römischen Papst feindlich gegenüberstanden, sondern auch die Grundlagen der christlichen Kultur selbst bedrohten, weil sie aufs heftigste den katholischen Glauben und die katholische Moral angrif-fen. Eure Zeitschrift entstand mit dem klaren Ziel, die christlichen Werte, Kirche und Papst zu verteidigen. Im Anfang waren Haltung und Stil der Zeitschrift kämpferisch und oft auch scharf polemisch, entsprechend dem damals allgemein herrschenden angespannten, wenn nicht gerade frontal angreiferischen Klima. Heute hat sich die Lage weitgehend gewandelt. Mit dem II. Vatikanischen Konzil möchte die Kirche „einen Dialog, geführt einzig aus Liebe zur Wahrheit“, mit allen Menschen aufbauen, auch mit jenen, die den christlichen Glauben nicht teilen, aber „hohe Güter der Humanität pflegen“ und sogar mit jenen, „die Gegner der Kirche sind und sie auf verschiedene Weise verfolgen“ {Gaudium et spes, Nr. 92). Das bedeutet freilich nicht, es sei nun weniger notwendig geworden, den christlichen Glauben und die christliche Moral gegen die Angriffe des wissenschaftsgläubigen und atheistischen Materialismus, gegen den religionslosen Säkularismus und gegen die, der christlichen Religion und Botschaft oft aggressiv gegenüberstehende Ungläubigkeit zu verteidigen. Die Verteidigung des Glaubens und der Kirche bleibt daher auch heute die erste Aufgabe der Civiltä Cattolica. Diese Aufgabe muß allerdings im Geist der Liebe und des Dialogs erfüllt werden, ohne bittere Polemik, und doch wieder in voller Achtung vor der Wahrheit. 792 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auch heute, und vielleicht vor allem heute bleibt wahr, daß die beste Verteidigung des christlichen Glaubens seine für die Menschen der heutigen Zeit verständliche Darlegung ist. Die christliche Wahrheit besitzt ja eine außergewöhnliche innere Überzeugungs- und Anziehungskraft für aufrichtige und für Gott offene Geister: es ist Sache der Christen, ihn unverkürzt darzulegen in seiner Größe und Schönheit, wie auch in seiner Fähigkeit, auf die höchsten und tiefsten Ansprüche zu antworten. 3. Die Civiltä Cattolica ist keine auf ein bestimmtes wissenschaftliches Gebiet spezialisierte Zeitschrift, sondern eine Zeitschrift für Kultur allgemein und offen für einen breiten Fächer von Problemen, wobei sie besonders auf das kirchlich, sozial und politisch Aktuelle achtet. Ihr spezifischer Charakter besteht in der Perspektive, unter der sie die Probleme aufgreift und die Ereignisse deutet. Es ist eine spezifisch „katholische“ Perspektive in dem Sinn, daß sie Ideen und Ereignisse im Licht der katholischen Lehre betrachtet, wie sie in den Weisungen der Kirche ihren Ausdruck findet, und zwar so, daß der Leser Hilfe empfängt, um die heutige Wirklichkeit christlich bedenken zu können. Das erfordert volle und hochherzige Treue zum Lehramt der Kirche, das die Aufgabe hat, „das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes verbindlich zu erklären“ (Dei Verbum, Nr. 10) und „das sichere Charisma der Wahrheit“ (ebd., Nr. 8) besitzt. In ihrer langen Geschichte hat sich die Civiltä Cattolica gerade durch diese Treue zum lebendigen Lehramt der Kirche ausgezeichnet. Sie hat dessen Lehräußerungen nicht nur bereitwillig angenommen, sondern sich auch bemüht, sie eifrig in der Welt der Kultur zu verbreiten. Ich ermuntere euch, auf dieser Linie zu bleiben, intelligent und zielstrebig bei der Aufgabe, das Denken der Kirche zu verteidigen und zu verbreiten, zumal in Kreisen, die ihr femstehen oder ihr widerstreiten, oft vielleicht mehr aus Unwissenheit dessen, was die Kirche wirklich denkt und sagt, als aus bewußter Opposition gegen sie. Mein Bemühen, vor allem durch Enzykliken und apostolische Reisen geht dahin, die Menschen von heute dazu zu bringen, daß sie „die Pforten für Christus, den Erlöser des Menschen, öffnen“. Ich bin daher der Civiltä Cattolica für die Hilfe dankbar, die sie mir bei dieser Aufgabe leistet, indem sie den päpstlichen Lehräußerungen weiten Raum schenkt, mit genauen Informationen die apostolischen Reisen aufmerksam verfolgt und bemüht ist, die Gesten, die der Papst in Erfüllung seines apostolischen Auftrags vollzieht, in ihrer wahren Bedeutung verständlich zu machen. <655> <655> Die Civiltä Cattolica ist immer in besonderer Weise mit dem Papst und dem Heiligen Stuhl verbunden gewesen: es war ein Band der Liebe und der Treue, das meine Vorgänger von Pius IX. bis zu Paul VI. als wesentliches Kennzeichen eurer Zeitschrift anerkannt haben. Ich wünsche lebhaft, daß dieser Band nicht nur erhalten bleibt, sondern noch stärker wird. Dies fordert von euch ein ständiges Bemühen um Treue zum Heiligen Stuhl und seinen Weisungen, auch wenn das zuweilen Opfer und den Verzicht auf persönliche Urteile und Gesichtspunkte fordern kann. Seid gewiß, daß diese Opfer und Entsagungen, im Geist des Gelübdes des besonderen Gehorsams dem Papst gegenüber, wie es der Gesellschaft Jesu eigen ist, vollzogen, geistliche Früchte zum Wohl der Kirche und für euer Ordensleben bringen wird. 793 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Die katholische Kirche hat in Erfüllung ihres katholischen, d. h. universalen Charakters ihre Präsenz in der Welt ausgeweitet; zumal im Verlauf dieses Jahrhunderts ist sie immer klarer als „Kirche aller“ und als „Kirche für alle“ hervorgetreten. Dies bringt es mit sich, daß sie heute mehr als gestern alle Probleme, die die Welt bedrängen, wenn auch gewiß unter religiöser und moralischer Sicht, aufgreifen muß. Sie muß das moralische Gewissen der Menschheit werden und sich zur Stimme jener machen, die keine Stimme haben oder diese nicht zu Gehör bringen können. In dieser Situation muß sich eine Zeitschrift wie die eure notwendig für die großen Probleme der Welt von heute öffnen: für die sozialen, politischen, wirtschaftlichen, moralischen und religiösen Probleme. Das ökumenische Problem, der Dialog der Kulturen, die Inkulturation des Glaubens, die Probleme der religiösen Gleichgültigkeit, des Säkularismus und des Atheismus, das Problem des Hungers, der Unterentwicklung und der Umwelt müssen Themen sein, mit denen sich eure Zeitschrift beschäftigt, um über sie nach den Hinweisen, die ich besonders in der Enzyklika Sollicitudo rei socialis gegeben habe, nachzudenken und den Menschen, wie ich in der Enzyklika Redemptor hominis gesagt habe, zum „Weg“ der Kirche zu machen. 6. Ich möchte euch schließlich auffordem, der Arbeitsmethode treu zu bleiben, die die Civiltä Cattolica seit ihrem Entstehen ständig gekennzeichnet hat. Vor allem meine ich die eifrige Erforschung der Wahrheit, sei es auf theologischem und philosophischem, sei es auf naturwissenschaftlichem und historischem Gebiet oder auch beim aktuellen Geschehen. Seid überzeugt, daß die beste Verteidigung des Glaubens und der Kirche darin besteht, immer die Wahrheit zu sagen, natürlich in dem Maß, in dem die Wahrheit im Durcheinander der Situationen und im Pluralismus sich widerstreitender Meinungen erfaßt werden kann. Das zweite Kennzeichen eurer Arbeitsmethode muß wissenschaftliche Ernsthaftigkeit sein, die, durch Fachwissen und sorgfältige Forschung gestützt, die Gewähr für eine gesicherte Lehre bietet, die für eure Leser eine Garantie bedeutet. Schon mein Vorgänger Paul VI. sprach den Wunsch aus, die Civiltä Cattolica möge mitten im Wechsel der Ereignisse und im Aufkommen neuer Denkformen, die zuweilen nur vorübergehende Modeerscheinungen sind, ein gültiger Bezugszeitpunkt sein. Auch ich bin der Auffassung, daß die Civiltä Cattolica, die diese Funktion in enger Übereinstimmung mit dem Denken und den Weisungen des Heiligen Stuhles ausübt, dabei bleiben muß. Ich weiß ferner, daß die Arbeit der Redakteure der Civiltä Cattolica institutionell kollegial ist. Was also in der Zeitschrift erscheint, ist Frucht gemeinsamer Überlegung und wird vom ganzen Kollegium verantwortet. Ich wünsche, daß dieser kollegiale Charakter eurer Arbeit beibehalten wird, auch wenn Zusammenarbeiten nicht leicht ist, und wenn ein gewisses Maß von Anonymität, das damit verbunden ist, nicht wenig Opfer fordern kann. Klar ist aber, daß die Kollegialität bei der Arbeit der Zeitschrift größeres Ansehen sichert. Meine Lieben, diese Gedanken wollte ich euch bei diesem für euch bedeutsamen Ereignis vorlegen. Ich vertraue darauf, daß sie euch bei eurer Arbeit Kraft geben und sie auf „die größere Ehre Gottes“ sowie auf den immer noch besseren Dienst an der Kirche und an den Menschen ausrichten, die auf sie als auf die „Säule und Grundfeste der Wahrheit“ schauen (1 Tim 3,15). 794 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich rufe auf euch vom göttlichen Geist reiche Gaben der Weisheit, des Rates und der Stärke bei eurer täglichen Mühe herab und erteile euch als Unterpfand dafür von Herzen meinen Segen. Tatkräftige und beständige Zusammenarbeit Neujahrsansprache an die römische Stadtverwaltung am 20. Januar Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Herren des Stadtausschusses und des Stadtrates von Rom! 1. Das heutige traditionelle und immer willkommene Treffen bietet Ihnen die Möglichkeit, dem Papst Ihre Glückwünsche zum neuen Jahr auszusprechen, und mir, sie von ganzem Herzen zu erwidern. Herr Bürgermeister, ich bin Ihnen dankbar für das noble Grußwort, das Sie, auch im Namen Ihrer Mitarbeiter, an mich gerichtet haben. Mit Genugtuung nehme ich von Ihren guten Vorsätzen Kenntnis, sich dieser geliebten Stadt vollständig zu widmen, die auch aufgrund der einzigartigen Mission, die die Vorsehung ihr zugeteilt hat, einige besonders heikle und umfassende Verwaltungsprobleme aufweist. Dieses Treffen findet nicht nur am Anfang des Jahres statt, sondern auch am Anfang Ihres Verwaltungsauftrags, da Sie erst vor kurzem Dir Amt im Kapitol angetreten haben. Das gibt dem heutigen Anlaß eine besondere Bedeutung, denn der Beginn einer neuen Verwaltungsperiode bringt immer einen größeren Arbeitseinsatz mit sich, um Vorgesetzte Ziele erreichen zu können. Der römische Bischof, der schon seit langer Zeit einen offenen Dialog mit den Verantwortlichen des politischen Lebens der Stadt führt, nimmt die heutige Gelegenheit gerne wahr, um Ihnen seine guten Wünsche zu einer einträchtigen und fruchtbaren Arbeit zu Gunsten der Stadt auszusprechen, in der Hoffnung auf einen materiellen und moralischen Fortschritt, gemäß ihrer historischen Berufung und der Bedeutung, die sie seit Jahrhunderten besitzt. <656> <656> Ich spreche von einem „Dialog“, weil zwischen der kirchlichen und der zivilen Autorität Beziehungen aufgebaut werden müssen, die nicht nur auf einer guten Nachbarschaft beruhen, sondern auf einer tatkräftigen und beständigen Zusammenarbeit, mit Rücksicht auf den jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Diese Beziehungen sollen beide Seiten ermöglichen, einen tatsächlichen Beitrag zur Lösung der zahlreichen Probleme einer MiUionenstadt zu liefern. Die Kirche ist in der Tat weit entfernt davon, sich distanziert oder gar gegnerisch zu verhalten, sie fühlt sich hingegen als aktiver Teil der bürgerlichen Gemeinde, zu deren allseitigen Wohl sie, gestärkt durch ihre Ideale, zusammen mit anderen Gemeinschaften, Einrichtungen und städtischen Organisationen beitragen möchte. In meinem Schreiben Christifideles laici, das ich der „Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt“ gewidmet habe, habe ich meine Überzeugung darüber ausgedrückt, daß „Stil und Mittel zur Verwirklichung einer Politik, die die wahre Entwicklung der Menschen zum Ziel haben will, in der Solidarität [gegeben sind]“ (Nr. 42). Wie ich das schon in der 795 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Enzyklika Sollicitudo rei socialis erwähnt habe, bedeutet diese Solidarität kein „Gefühl vagen Mitleids oder oberflächlicher Rührung wegen der Leiden so vieler Menschen nah oder fern. Im Gegenteil, sie ist die feste und beständige Entschlossenheit, sich für das Gemeinwohl einzusetzen, d. h. für das Wohl aller und eines jeden, weil wir alle für alle verantwortlich sind“ (Nr. 38). 3. Sehr geehrte Herren, das ist die Grundregel, die sich jeder Verwalter im öffentlichen Dienst zu eigen machen muß: zwischen den Bürgern muß eine Solidarität gefördert werden, die die Gesamtheit der Gesellschaftsmitglieder in der Gesamtheit ihrer echten menschlichen Bedürfnisse schützt. Genau diese Solidarität braucht Rom, um seine alten und neuen Probleme angehen zu können, und um zufriedenstellende Antworten auf die Identitätskrise geben zu können, die seine edle Mission beeinträchtigen und sein Aussehen entstellen könnte. Solidarität muß vor allem zwischen den Menschen, den Familien und den Gesellschaftsklassen herrschen, denn ohne einen neuen starken Drang zur Geschlossenheit zwischen den Bürgern kann es keinen wirklichen Fortschritt geben. Solidarität muß auch zwischen den Generationen vorhanden sein, denn jedes Alter kann zum Aufbau eines besseren Zusammenlebens beitragen. Solidarität muß sich ferner zwischen den Bürgern und den Ausländem aufbauen, so daß Rom weiterhin ein Bezugspunkt im Dialog zwischen den Völkern und Kulturen sein kann. Zu guter Letzt muß die Solidarität zwischen den verschiedenen Stadtteilen gefördert werden, d. h. zwischen Zentrum und Stadtrand, und auch zwischen dem Umkreis der Stadt selbst und der weiteren Umgebung und, damit eng verbunden, mit der Provinz und der ganzen Region. <657> <658> <657> Ein starker ziviler Einsatz, der sich an einer solchen Solidarität inspiriert, kann richtungsweisend sein für die Überprüfung und die eventuelle Ausarbeitung der neuen Institutionen, die Sie, Herr Bürgermeister, verwirklichen möchten. Viele sehen sie als notwendig an zu einer wirksameren Regierung Roms, das gleichzeitig Hauptstadt Italiens und Mittelpunkt der Christenheit ist. Doch wie eine verwaltungsmäßige Anpassung, die die Politiker beschließen, auch aussehen mag, sie wird allein nicht ausreichen, um die alten und neuen Schwierigkeiten, unter denen das Stadtleben leidet, zu lösen, falls sie nicht durch sittliche Werte gestützt ist, auf die sich jedes geregelte Zusammenleben aufbaut. Diese Werte haben ihren Ursprung in der Würde des Menschen, der nach dem Bild Gottes erschaffen ist, und in der transzendenten Bestimmung, zu der Gott ihn berufen hat. Die in menschlichen Dingen erfahrene Kirche weiß, daß sie in dieser Hinsicht einen großen Beitrag leisten kann, den sie den immer geltenden Lehren ihres göttlichen Stifters Jesus Christus entnimmt. In einer Gesellschaft, die versucht ist, im Suchen nach materiellen Gütern und in der unterschiedslosen Befriedigung jeglichen Wunsches oder Triebes den obersten Grundsatz für ihre Entscheidungen zu sehen, fühlt sich die Kirche verpflichtet, ihre Gläubigen und alle gutwilligen Menschen an jene religiösen Werte zu erinnern, in denen allein der Mensch eine vollkommene Befriedigung seiner innersten Bestrebungen finden kann. Aufgrund ihrer tausendjährigen kulturellen Tradition, die durch die christliche Offenbarung bereichert und veredelt wurde, muß Rom den Stolz haben, hinter keiner anderen Stadt 796 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zurückzustehen, wenn es sich darum handelt, moralische Werte, denen empfängliche Menschen heute wieder mehr Aufmerksamkeit schenken, fest aufrechtzuerhalten. 5. Die christliche Gemeinschaft, die in der Stadt lebt und arbeitet, will ihre Verantwortung im Einsatz um den moralischen Aufschwung vollkommen übernehmen, von dem es in großem Maß abhängt, jene Ziele der Gerechtigkeit und des Fortschritts zu erreichen, die der Wunsch aller sind. Deshalb ist sie dabei, die pastorale Diözesansynode vorzubereiten, in der sie auf die Probleme der Stadt hören will, um daraus in einer umfassenden und gründlichen Analyse von sozio-religiösem Charakter Erwartungen und Frustrationen, Mißstände und Hoffnungen zu entnehmen und zu der Suche nach Lösungen einen konstruktiven Beitrag leisten zu können. Die anstehenden Probleme sind zahlreich und schwerwiegend. Viele bereits seit Jahren bestehende sind allen gut bekannt: z. B. die Wohnungsnot, ein großes Problem für die jungen Familien und wie ein drohender Schatten, über den Räumungspflichtigen; die Arbeitslosigkeit, die weiterhin vor allem die junge Generation plagt und besonders die Schwächeren trifft; die schmerzvolle Situation der Einsamkeit, des Ausgeschlossenen- und Verlassenseins einer großen Anzahl von Armen, von alten Menschen und Einwanderern; Mängel in der Organisation der sozial-medizinischen Einrichtungen, die von vielen Seiten beklagt werden, aber noch weit davon entfernt sind, ausgeglichen zu sein; die Verkehrsstauungen, die den Verkehr behindern und unter denen die Bürger leiden müssen; die Mängel an urbanen Einrichtungen, die den Bewohnern der Randzonen große Schwierigkeiten bereiten; die fortschreitende Umweltverschmutzung, über die sich die öffentliche Meinung zunehmend beunruhigt; die steigende Kriminalität, vor allem der Jugendlichen ... Und ich spreche nicht von anderen religiösen und moralischen Problemen, die als solche der Kirche große Sorge bereiten, das sie in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen. Die nächste römische Synode wird sich mit all diesen Problemen beschäftigen müssen. Auf jeden Fall ist es wichtig, mit vereinten Kräften schnell und entschlossen zu handeln. Wenn die Stadt für den Menschen da sein soll, darf nichts vernachlässigt oder verschoben werden, was dazu beitragen kann, ihr ein auf den Menschen zugeschnittenes Gesicht zu geben. Nachdem Rom, aufgrund seiner gesellschaftlichen und religiösen Geschichte ein einzigartiges Erbe vorweisen kann, muß es sich dafür einsetzen, seinen Bewohnern und Besuchern Möglichkeiten zu geistlicher Bereicherung und Anregungen zu ethischer und echt menschlicher Entfaltung zu bieten. <659> <659> Sehr geehrte Herren, ich bin sicher, daß Sie in diesen meinen Überlegungen die große Liebe erkennen können, die ich zu dieser Stadt hege, und meinen aufrichtigen Wunsch, zu Ihrer nicht leichten Aufgabe als Verwalter Ihnen einen Beitrag zu leisten. Mit diesem Empfinden wünsche ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern nochmals alles Gute und bitte um den Segen Gottes für alle Bürger und Gäste der Stadt. Ich wünsche Ihnen ein Jahr einträchtiger Zusammenarbeit und geordneten Fortschritts in Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden. 797 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die christliche Botschaft im heutigen Zeitalter der Informatik Botschaft zum 24. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 27. Mai, veröffentlicht am 24. Januar Liebe Brüder und Schwestern! Liebe Freunde! In einem ihrer Eucharistischen Hochgebete wendet sich die Kirche mit folgenden Worten an Gott: „Den Menschen hast du nach deinem Bild geschaffen und ihm die Sorge für die ganze Welt anvertraut. Über alle Geschöpfe sollte er herrschen und allein dir, seinem Schöpfer, dienen“ ( Viertes Hochgebet). Für Männer und Frauen, die so von Gott geschaffen und beauftragt sind, hat damit der gewöhnliche Arbeitstag großen und wunderbaren Sinn, denn die Gedanken, Tätigkeiten und Unternehmungen der Menschen - wie gewöhnlich sie auch sein mögen - werden vom Schöpfer für die Erneuerung der Welt verwendet, um sie nämlich ins Heil zu führen und sie zu einem vollkommeneren Werkzeug für Gottes Ruhm zu machen. Vor fast fünfundzwanzig Jahren haben die Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils sich über die Kirche in der modernen Welt Gedanken gemacht und erklärt, daß Männer und Frauen, die mit ihren gewöhnlichen Beschäftigungen ihren Familien und der Gemeinschaft dienen, ihr Tun als „Weiterentwicklung des Werkes des Schöpfers ... und ihren persönlichen Beitrag zur geschichtlichen Erfüllung des göttlichen Planes“ betrachten dürfen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 34). Bei ihrem Blick auf die Zukunft und beim Versuch, sich den Kontext klarzumachen, in dem die Kirche ihre Sendung durchzuführen berufen ist, konnten die Konzilsväter klar erkennen, daß der Fortschritt der Technik bereits „das Antlitz der Erde selbst umformt und schon an die Bewältigung des planetarischen Raumes geht“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 5). Sie erkannten an, daß zumal Entwicklungen in der Kommunikationstechnik dabei sind, Kettenreaktionen mit unvorhersehbaren Folgen auszulösen. Weit davon entfernt vorzuschlagen, die Kirche solle sich heraushalten oder versuchen, sich vom Hauptstrom dieser Entwicklungen abzukapseln, erblickten die Konzilsväter die Kirche mitten im menschlichen Fortschritt, wie sie die Erfahrungen der übrigen Menschheit aufgreift und sie zu verstehen sucht, um sie im Licht des Glaubens zu deuten. Gottes gläubiges Volk sollte von den neuen Entdeckungen und Techniken zum Wohl der Menschheit und zur Erfüllung von Gottes Plan für die Welt schöpferischen Gebrauch machen. Diese Anerkennung eines raschen Wandels und die Offenheit für neue Entwicklungen haben sich in den folgenden Jahren als zeitgerecht erwiesen, denn das Tempo des Wandels und der Entwicklung beschleunigt sich weiter. Heute denkt und spricht man zum Beispiel von den sozialen Kommunikationen nicht mehr als von bloßen Werkzeugen oder Techniken. Sie werden nun vielmehr als Teil einer sich weiter entfaltenden Kultur gesehen, dessen Auswirkungen wir bisher nur unvollkommen verstehen und deren Möglichkeiten im Augenblick nur zum Teil ausgenützt werden. 798 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hier finden wir die Grundlage für unser Nachdenken an diesem vierundzwandzigsten Weltkommunikationstag. Mit jedem neuen Tag werden Ausblicke früherer Jahre mehr zur Wirklichkeit. Bei diesen Ausblicken sah man die Möglichkeit eines echten Dialogs zwischen voneinander weit entfernten Menschen voraus und einen weltweiten Austausch von Gedanken und Plänen, ein Wachsen der gegenseitigen Kenntnis und des Verständnisses, eine Verstärkung der Brüderlichkeit über viele bisher unüberschreitbare Grenze hinweg (vgl. Communio et progressio, Nr. 181,182). Mit dem Aufkommen von computergesteuerten Telekommunikationen und dem, was als Computer-Beteiligungssysteme bekannt ist, sind der Kirche für die Erfüllung ihrer Sendung weitere Mittel angeboten. Methoden für eine Erleichterung der Kommunikation und des Dialogs zwischen ihren eigenen Mitgliedern können die Bande der Einheit zwischen ihnen stärken. Unmittelbarer Zugang zu Informationen macht es ihr möglich, ihren Dialog mit der heutigen Welt zu vertiefen. In der neuen „Computerkultur“ kann die Kirche die Welt leichter über ihre Glaubensauffassungen informieren und die Gründe für ihre Stellungnahme zu einem bestimmten Thema oder Vorgang darlegen. Sie kann deutlicher die Stimme der öffentlichen Meinung hören und in eine ständige Diskussion mit der sie umgebenden Welt eintre-ten, so daß sie unmittelbar in das gemeinsame Suchen nach Lösungen für zahlreiche dringende Probleme der Menschheit einbezogen wird (vgl. Communio et progressio, Nr. 114ff.). Selbstverständlich muß sich die Kirche auch selber bei ihrer immer dringlichen Aufgabe der Evangelisierung der neuen Möglichkeiten bedienen, die menschliches Forschen mit der Computer- und Satellitentechnik zur Verfügung stellt. Ihre lebenswichtige und dringende Botschaft hat es mit der Kenntnis Christi und dem Weg des Heiles, den er anbietet, zu tun. Dies ist etwas, was sie den Menschen aller Zeiten vor Augen stellen muß, indem sie sie einlädt, sich in Liebe dem Evangelium zuzuwenden, wobei sie immer bedenkt, „daß die Wahrheit nicht anders Anspruch erhebe als Kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt“ (Dignitatis humanae, Nr. 1). Weisheit und Einsichten aus den letzten Jahren lehren uns: „Gott hat zur Menschheit entsprechend der den verschiedenen Zeiten eigenen Kultur gesprochen. In gleicher Weise nimmt die Kirche, die im Lauf der Zeit in je verschiedener Umwelt lebt, die Errungenschaften der einzelnen Kulturen in Gebrauch, um die Botschaft Christi in ihrer Verkündigung bei allen Völkern zu verbreiten und zu erklären“ (Gaudium et spes, Nr. 58). „In unserer Zeit, die von den Massenmedien... geprägt ist, kann bei der ersten Bekanntmachung mit dem Glauben, bei der katechetischen Unterweisung und bei der weiteren Vertiefung des Glaubens auf diese Mittel nicht verzichtet werden ... Die Kirche würde vor ihrem Herrn schuldig, wenn sie nicht diese machtvollen Mittel nützte, die der menschliche Verstand immer noch weiter vervollkommnet. Dank dieser Mittel verkündet die Kirche die ihr anvertraute Botschaft „von den Dächern“ (Evangelli nuntiandi Nr. 45). Gewiß müssen wir dankbar sein für die neue Technik, die uns das Speichern von Informationen in umfangreichen von Menschen künstlich aufgebauten Banken möglich macht, so daß damit ein weiter und augenblicklicher Zugang zum Wissen gegeben ist, das unser menschliches Erbe darstellt, aber auch zur Lehre und Überlieferung der Kirche, den Worten der Heiligen Schrift, den Ratschlägen der großen Meister der Spiritualität, der Geschichte und der Traditionen der Ortskirchen, religiöser Orden und Laieninstitute, sowie zu den Gedanken und 799 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erfahrungen von schöpferischen Geistern und Erfindern, deren Einsichten für die treue Gegenwart eines liebevollen Vaters in unserer Mitte, der Neues und Altes aus seinem Schatze hervorholt (vgl. Mt 13,52), ständig Zeugnis geben. Zumal junge Menschen passen sich bereitwillig der Computerkultur und ihrer Sprache an. Dies ist gewiß ein Grund zur Genugtuung. Wir wollen „den Jugendlichen Vertrauen schenken“ (Communio et progressio, Nr. 70). Sie haben den Vorteil gehabt, mit den neuen Entwicklungen großgeworden zu sein, und sie werden die Pflicht haben, diese neuen Werkzeuge für einen weiter gespannten und intensiveren Dialog unter all den verschiedenen Rassen und Klassen einzusetzen, die auf unserer „kleiner werdenden Erde“ leben. Es liegt an ihnen, Wege zu erkunden, auf denen die neuen Systeme der Datenaufbewahrung und des Datenaustausches bei der Förderung von mehr universaler Gerechtigkeit, für mehr Achtung vor den Menschenrechten, eine gesunde Entwicklung für alle Einzelnen und Völker sowie die für ein voll menschliches Leben wesentlichen Freiheiten helfen können. Ob wir aber jung oder alt sind, gehen wir auf die Herausforderung der neuen Entdeckungen und Techniken ein, indem wir mit ihnen eine moralische Sicht verbinden, die in unserem religiösen Glauben wurzelt, in unserer Achtung vor der Person des Menschen sowie in unserem Willen, die Welt nach Gottes Plan umzugestalten. An diesem Weltkommunikationstag wollen wir um Weisheit beim Gebrauch der Möglichkeiten des Computerzeitalters beten, damit sie der menschlichen und transzendenten Berufung des Menschen dienen und damit den Vater ehren, von dem alle guten Dinge herkommen. Aus dem Vatikan, 24. Januar 1990 Joannes Paulus PP II. Sorge um die Leidenden: Aufgabe der Kirche Botschaft zum Welt-Lepratag am 28. Januar 1. Der jährliche Welt-Lepratag erinnert alle Menschen guten Willens und besonders die Christen wieder daran, daß wirksame Maßnahmen zur Überwindung dieser schweren Krankheit, an der auch heute noch Millionen Menschen leiden, dringend notwendig sind. Die Krankheit ist meistens mit einem Leben in Armut und unzureichender Pflege, in Verlassenheit und einem Randdasein verbunden. Das Evangelium nimmt die Worte des Propheten Jesaja auf (vgl. Jes 35,5) und zeigt uns, wie durch die Macht Jesu Blinde sehend, Taube hörend und Aussätzige rein wurden (vgl. Mt 11,5). Die Apostel ihrerseits waren sich bewußt, einen ausdrücklichen Auftrag ihres Meisters zu erfüllen, wenn sie sich auf ihren Missionswegen um Aussätzige sorgten und sie heilten (vgl. Mt 10,8). Die Kirche hat die Sorge für die Leidenden immer als eine untrennbar zu ihrer Sendung gehörende Aufgabe betrachtet. Seit Jahrhunderten setzt sie sich in allen Teilen der Welt 800 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sowohl für die Pflege der Leprakranken wie auch für die Schaffung von Bedingungen ein, die die Gefahr der Ansteckung mit diesem schlimmen Übel vermindern. 2. Unter den Initiativen, die der Evangelisierung die menschliche Förderung an die Seite stellen, kann die Aufmerksamkeit und Sorge für die Leprakranken noch heute als vorrangig betrachtet werden. An diesem besonderen Tag möchte ich an die Bischöfe, die Priester, die Ordensleute und gottgeweihten Laien und an die zahllosen freiwilligen Helfer erinnern, die aus freien Stücken unter oft schwierigen klimatischen Bedingungen und vielfach in wirklichen Notsituationen den Leprakranken nahe sein wollen, um ihnen beizustehen, ihre Lebensverhältnisse in den Leprosarien menschlicher zu gestalten und in sanitärer Hinsicht der Ausbreitung dieser endemischen Krankheit entgegenzuwirken. Abgesehen von ihnen allen, möchte ich aber auch nicht die Hilfe vergessen, die kirchliche Gemeinschaften in jenen Ländern der Welt leisten, die nicht von diesem Übel betroffen sind: sie zeigen, daß sie sich immer deutlicher des Umfangs und der Schwere des Problems bewußt werden. Mit beispielhafter Großmut unterstützen sie öffentliche und private Initiativen, Institutionen und Organisationen, die sich dem Kampf gegen die Lepra verschrieben haben. Dank dieser konkreten Beweise der Solidarität und der christlichen Caritas ist es gelungen, die Ausbreitung des Übels entscheidend einzudämmen, selbst in den Zonen mit höchster Gefährdung, und man kann, zumindest auf weite Sicht hin, tatsächlich die Möglichkeit eines endgültigen Verschwindens dieser Krankheit sich abzeichnen sehen. Es gibt heute in einem Land keine Probleme mehr, die nicht auch alle anderen zur Verantwortung rufen würden. Das kann man auch von dieser Krankheit sagen. Der heutige Welttag will vor allem daran erinnern, daß man sich nicht vollständig für die Gesundheit eines Volkes einsetzt, wenn man es nicht zugleich für die Gesundheit aller tut. Angesichts des Problems der Leprakranken, der zerstörenden Wirkung dieser Krankheit, die uns heute dank der ausgedehnten und raschen Kommunikationsmöglichkeit überall vor Augen geführt wird, stellt die internationale Solidarität die erste und dringendste Antwort dar. Übrigens müssen die Zahlen, die die Ausbreitung dieses Elends belegen, verglichen mit den bescheidenen Kosten für die Mittel, die nötig wären, um es endgültig zu überwinden, als Skandal für die gesamte internationale Gemeinschaft bezeichnet werden. <660> <660> Es ist also dringend notwendig, Menschen und Institutionen für dieses Problem zu sensibilisieren. In der Tat, „Institutionen sind sehr wichtig und unentbehrlich; doch keine Institution vermag von sich aus das menschliche Herz,... die menschliche Initiative zu ersetzen, wenn es darum geht, dem Leiden des andern zu begegnen. Das gilt für die körperlichen Leiden, aber noch mehr, wenn es sich um die vielfältigen moralischen Leiden handelt; vor allem, wenn die Seele leidet“ (Salvifici doloris, Nr. 29). Es ist also wichtig, das körperliche, moralische und geistige Leiden von Millionen Menschen, die Opfer der Lepra sind, sich in seinem ganzen Umfang zu eigen zu machen. Nach alter biblischer Tradition ist die Heilung vom Aussatz stets mit dem Gedanken an Reinigung verbunden. Es ist, als ob wir daran erinnert werden sollten, daß die Menschheit, wenn sie von dieser Krankheit ganz befreit werden will, sich reinigen müsse von den vielfältigen, den Geist befleckenden Formen des Egoismus und der Gleichgültigkeit gegenüber dem Schmerz anderer. Wenn das Herz eines jeden sich 801 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN großmütiger für die Not seiner Brüder öffnet, bringt uns das sicher dem Augenblick näher, in welchem diese Krankheit endgültig besiegt sein wird. Ja, wenn der außerordentliche Fortschritt der Wissenschaft und der Technik durch die gottgeschenkten Gaben der Intelligenz und der Gnade rückhaltlos in den Dienst des Menschen gestellt wird, dann macht der Mensch sich zum Werkzeug der heilenden Kraft Jesu, des Arztes für Seele und Leib. 4. An diesem Tag, der der Besinnung, dem Gebet und dem Entschluß zu erneutem Einsatz gewidmet ist, wenden sich meine Gedanken mit tiefer Zuneigung all jenen überall in der Welt zu, die am eigenen Leib das Drama der Lepra erleiden. Es kommen mir die Worte in den Sinn, die der Aussätzige an Jesus, den Herrn, richtete, und die tröstende Antwort, die er darauf erhielt: „Wenn du willst, kannst du machen, daß ich rein werde.“ Und Jesus sagte: „Ich will es - werde rein!“ (Mk 1,40.41). Meine lieben Brüder und Schwestern, die ihr an dieser schmerzvollen Krankheit leidet, hört nicht auf, zum Herrn zu beten, und laßt eure Hoffnung nicht erlöschen! Aus dem kostbaren Schrein eures Leidens entspringt, wenn ihr euch mit Vertrauen Gott überlaßt und auf die seligste Jungfrau Maria hofft, eine Quelle der Gnade für die Kirche und die Menschheit. Mögt ihr „in der Liebe den heilbringenden Sinn eures Schmerzes und gültige Antworten auf alle eure Fragen finden können“ (vgl. Salvifici doloris, Nr. 31). Denen aber, die auf verschiedene Weise den Leprakranken dienen, bringt die ganze Kirche ihren Dank zum Ausdruck. Dank ihrer aller gut organisierten und weitgespannten Arbeit empfindet sie noch deutlicher die Pflicht, zu noch umfassenderem und wirksamerem Eingreifen anzuspomen. Das pastorale Wirken der Kirche auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge steht - wie ich schon oft wiederholt habe - unter dem Zeichen der Hoffnung, denn wenn sie dem körperlich leidenden Menschen zu Hilfe kommt, dann will sie damit auch dem Geist Trost schenken und Vertrauen geben. Möge also der Welttag der Leprakranken für alle eine Gelegenheit sein, zu beten und ihren Einsatz konkret zu erneuern. Jeder Sieg über körperliche Übel ist ein Sieg des Geistes, denn er wird durch die Anstrengung des Verstandes, den Einsatz des Willens und den Eifer des Herzens errungen. Gern rufe ich an diesem Tag auf alle von dieser Krankheit Befallenen, auf alle, die im Gesundheitsdienst arbeiten, auf die Schar derer, die unauffällig den Leprakranken dienen, und auf die Institutionen und Organisationen, die gegen die Lepra kämpfen, den besonderen Segen Gottes und den Schutz derer herab, die in Christus, ihrem Sohn, jeden mit mütterlichem Herzen anblickt. Bissau, den 28. Januar 1990 Joannes Paulus PP II. 802 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Licht Christi hilft uns Predigt am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 1. „Ihr Tore, hebt euch nach oben“ (Ps 24,7). Heute führt uns der Psalmist in das Geheimnis des Tempels ein. Es ist der Tempel des Volkes Gottes, der Tempel des Bundes. Der Bund ist von der Gegenwart des Herrn der Heerscharen gebildet. Er ist zugleich die volle Erwartung seines Kommens: des Kommens des Königs der Herrlichkeit. Deshalb sind die Worte des Psalmisten an die Tore gerichtet. An die uralten Pforten des Tempels, durch die der Erwartete, der König der Herrlichkeit, eintreten wird. Diese uralten Pforten bergen die Dimension der Ewigkeit in sich. Der König der Herrlichkeit, der durch die Tore des Tempels in das Heiligtum des Bundes eintreten wird, trägt in sich das Geheimnis des ewigen Planes Gottes, der ein Heilsplan ist. Heute führt uns der Psalmist durch die Tore in den Tempel des Gottes Israels: jenes Gottes, der einst viele Male zu den Vätern gesprochen hat durch die Propheten und der in dieser Endzeit zu uns gesprochen hat durch den Sohn (vgl. Hebr 1,1-2). Siehe, in ihm - dem Sohn - möchte der ewige Gott und Herr des Bundes sich des Geschlechts Abrahams annehmen (vgl. Hebr 2,16). 2. Als am 40. Tag nach seiner Geburt Maria und Josef das neugeborene Kind, dem der Name Jesu gegeben worden war, zum Tempel in Jerusalem bringen, sind alle, die an diesem Ereignis teilnehmen, überzeugt davon, daß es vielmehr „das Geschlecht Abrahams“ - wenn nicht gar er selbst, Abraham, der Vater aller Glaubenden - ist, das in seiner Mitte diesen neuen Sohn des Volkes Gottes, Israels, aufnimmt. Das ist die Bedeutung des Ritus. Doch über die Bedeutung des Ritus hinaus erhebt sich die Stimme des Menschen, desjenigen, der „vom Heiligen Geist geführt“ sich zum Tempel begeben hatte. Simeon wendet sich direkt an den Gott des Bundes, für den der Tempel gebaut worden war, und spricht. Er spricht von der Erfüllung der Erwartung seines ganzen Lebens, die nichts anderes war als die Erwartung des ganzen Volkes des Alten Bundes. Er spricht vom Licht, das „die Heiden erleuchtet“ (Lk 2,32), vom Licht, das die Herrlichkeit für das Volk Gottes ist. Das Licht, das die Krönung der Erwartungen und der Hoffnungen ist; das das Auftun des Tempels ist finden Gott des Bundes durch das Opfer. Der Prophet Maleachi verkündet, daß gerade das Opfer die Erfüllung der Gerechtigkeit sein wird. In ihr wird sich auch die Bestimmung des Tempels erfüllen. Derjenige, der sich selbst in diesem Opfer hingeben wird, wird zum lebendigen Tempel des Bundes. Wird nicht Christus, wenn „seine Stunde“ herannaht, sagen: „Reißt diesen Tempel nieder, in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten“ (Job 2,21)? Und er wird das vom Tempel seines Leibes sagen. Ja! Er selbst wird der lebendige Tempel sein. In ihm wird sich das Ostergeheimnis erfüllen - das heißt das Geheimnis des Übergangs vom Tod zum ewigen Leben in Gott. 3. „Ein Licht, das die Heiden erleuchtet..." (Lk2,32). Das Licht! In diesem Licht hat der Tempel des Volkes Gottes zur Gänze seine Bestimmung gesehen. Christus selbst, der zum Tempel des neuen und ewigen Bundes wurde, enthüllt die 803 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahrheit über den Tempel, welcher vor allem der lebendige Mensch ist. Der ehrwürdige sakrale Bau drückt diese Wahrheit aus. Es ist die Wahrheit über Christus; es ist die Wahrheit über jeden Menschen, der durch Christus zum Tempel wird: „Wißt ihr nicht, daß ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“, wird der Apostel Paulus die ersten Christen in Korinth fragen (1 Kor 3,16). Der Geist Gottes wohnt in euch kraft des Opfers Christi. Dank der Kraft seines Ostergeheimnisses. In diesem Geheimnis gibt Christus uns den Geist, der unser Menschsein neu aufbaut: er baut es als Tempel des lebendigen Gottes. Als Tabernakel der Gemeinschaft mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Das Licht Christi hilft uns, das Geheimnis unseres neuen Menschseins als Frucht der unsichtbaren Gnade der Taufe und der Eucharistie zu verstehen, welche die Speise für das ewige Leben in Gott ist. 4. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr heute in besonderer Eigenschaft an dieser Eucharistie teilnehmt, die ihr aufgrund eurer Ordensprofeß und Weihe an Gott hierher eingeladen wurdet, ihr haltet brennende Kerzen in der Hand als Symbol jenes Lichtes, das Christus ist. Ich spreche hier den Wunsch aus, daß das Fest der Darstellung euch und euren römischen Gemeinschaften eine besondere Gnade bringe. Ich wünsche, diese Gnade des Festes der Darstellung möge alle Brüder und Schwestern in der Ordensberufung erreichen: alle gottgeweihten Menschen in der Welt. Christus, das Licht der Welt, möge euch erleuchten, damit ihr das Geheimnis der Weihe, die ihr in euch tragt, von Grand auf neu verstehen könnt. Dieses Geheimnis ist kraft der Taufe in das Leben eines jeden und einer jeden von euch geschrieben worden als ein besonderes Geschenk des lebendigen Gottes. Als eine besondere Berufung, die der Bräutigam an die Braut richtet. Er selbst ist der Tempel, in dem die Menschheit und die ganze Schöpfung Gott geweiht worden sind. Und jeder und jede von euch ist nach dem Modell Christi, des Erlösers und Bräutigams, ein solcher Tempel. Davon erhält das Zeugnis, das ihr den anderen in der Kirche und vor der Welt gebt, seine Kraft. 5. Er, Christus, euer Bräutigam, das Licht der Welt, ist zugleich Zeichen des Widerspruchs. „Ein Zeichen, dem widersprochen wird“, wie Simeon sagte. Dieses Zeichen ist auch in eure Berufung geschrieben: in den evangelischen Gelübden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams. Diese Gelübde drücken eine besondere Fülle in der Hingabe an Christus aus. Zugleich bedeuten sie auch den Widerspruch gegen die dreifache Begierde, nämlich die Begierde der Augen, die Begierde des Fleisches und das Prahlen mit dem Besitz. Dazu schreibt der Apostel und Evangelist Johannes, daß es „nicht vom Vater, sondern von der Welt“ ist, und fügt hinzu: „Die Welt und ihre Begierde vergeht; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit“ (I Joh 2,16-17). An der Schwelle dieses letzten Jahrzehnts, das dem Jahr 2000 vorausgeht, bitte ich euch, in besonderer Weise Christus zu bezeugen, der der Herr des kommenden Jahrhunderts ist. Ich bitte euch, ihn überall zu bezeugen, an allen Orten des Erdballs. <661> <661> Ich bitte euch, ihn in Rom zu bezeugen, in dieser alten und auf die Apostel zurückgehende Kirche, die sich auf das Kommen Christi durch die Synode vorbereitet. Eure Teilnahme an 804 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Diözesansynode ist sehr wichtig für die Kirche, aber auch für euch, weil sie euch die Rolle zum Bewußtsein bringt, welche die Mitglieder der Ordensgemeinschaften in dieser Kirche von Rom zu spielen gerufen sind, in der Optik der von der Synode vorgeschlagenen Ziele. Was im besonderen verlangt die Synode von euch? Vor allem, daß ihr euer Charisma vertieft und immer authentischer lebt, um die Fähigkeiten und Reichtümer eurer Ordensgemeinschaft in das Leben und die Sendung der Diöze-sangemeinschaft einzubringen, derart, daß die Verschiedenheiten der Gaben und der Funktionen sich gegenseitig ergänzen für die einzige Gemeinschaft und Sendung (vgl. Mutuae relationes, 9b). Daraus geht auch die Pflicht hervor, euch immer mehr als ein wesentlicher, ja lebensnotwendiger Teil der Ortskirche zu fühlen. Dem wird in der Folge ein organischer und aktiver Einsatz im Leben der Diözese entsprechen, vor allem an jenen Orten und in jenen Strukturen, in denen die pastorale Aktion geplant, verwirklicht und geprüft wird. In denke insbesondere an die Pfarreien und an die Organismen kirchlicher Beteiligung. In einem gewandelten sozio-kulturellen Kontext, der einstimmige und kreative Anstrengungen für eine neue Evangelisierung erfordert, wird es gewiß Aufgabe der Ordensmänner und Ordensfrauen sein, ihre freudige Bereitschaft zur Verfügung zu stellen für einen missionarischen Dienst in jenen Situationen und an jenen Orten, wo das Zeugnis und die Verkündigung des Reiches Gottes am dringendsten sind. Und das alles stets in Einklang mit dem besonderen Charisma eurer Ordensfamilien und als Antwort auf die neuen Erfordernisse. <662> <662> Das Fest der Darstellung Jesu, des Sohnes, am 40. Tage nach der Geburt ist auch das Fest der Mutter. Die Worte Simeons über Christus als Zeichen des Widerspruchs betreffen indirekt auch sie. Simeon sagt zu Maria: „Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden. Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk2,35). Liebe Brüder und Schwestern! Ich vertraue euch dem Herzen der Mutter an, auf daß ihr in ihm stets von neuem die Tiefe eurer Berufung zu finden vermögt und ihre Neuheit und evangelische Schönheit immer wieder neu entdecken könnt. Und dich, Mutter Christi, Braut des Welterlösers, bitten wir, daß die Gedanken der Menschen vor deinem Herzen offenbar werden. Daß sie uns stets aus jener Fülle kommen, die Christus ist, Dein Sohn, Licht der Welt. 805 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bruderkrieg sofort beenden Botschaft an den maronitischen Patriarchen von Antiochien, Nasrallah Pierre Sfeir, vom 5. Februar Jetzt erreicht uns hier von neuem seit mehreren Tagen das Echo erbitterter Kämpfe, die einen Teil des libanesischen Volkes dahinraffen. Meine Gedanken gehen spontan und mit heftigem Schmerz zu all jenen, die unter diesem Unglück leiden. Meine Sorge verstärkt sich noch aufgrund der Tatsache, daß diese Auseinandersetzungen Brüder desselben Glaubens gegeneinander stellen und vor allem unschuldige Personen treffen. Ich mache mir die wiederholten Appelle Eurer Seligkeit zu eigen und wende mich im Namen Christi an das Gewissen derer, die diese Kämpfe begonnen haben und weiterführen. Mögen diesem schwergeprüften Volk neue Leiden und dem Libanon ein neues Drama erspart werden, das sogar seine Existenz selbst gefährden könnte! Ich fordere die sofortige Beendigung des Bruderkrieges und bitte Gott, er möge den Verantwortlichen der beiden streitenden Parteien den Mut geben, der Versuchung der Gewalt zu widerstehen, die nie zu einer ehrenhaften Lösung führt, bei der der gute Wille und der Dialog überwiegen. Ich bitte Eure Seligkeit, den trauernden Familien, den vielen Verwundeten und dem ganzen libanesischen Volk meine tiefe und ständige Anteilnahme übermitteln zu wollen. Das Ordensleben ist eine Initiative Gottes Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses über die „Theologie des gottgeweihten Lebens“ am 9. Februar Ehrwürdige Brüder! 1. Gern empfange ich euch und grüße euch herzlich bei Gelegenheit des Kongresses, den die Italienische Bischofskonferenz zu einem wichtigen Thema, nämlich „Die Theologie des gottgeweihten Lebens“ veranstaltet hat. Es gestattet der italienischen Kirche, eins ihrer Lebenselemente zu studieren und tiefer zu ergründen, welche Funktion das gottgeweihte Leben innerhalb des Volkes Gottes besitzt. Das Ordensleben entspringt nicht menschlichen Plänen, sondern einer Initiative Gottes. Es ist also ein Geschenk der Güte des Herrn für das Leben und die Heiligkeit der Kirche (vgl. Lumen Gentium, Nr. 43; 44/d). Dieses Geschenk wird konkret sichtbar in Zeichen, die ebenfalls konkret, transparent sein müssen, um von allen erkannt und verstanden zu werden. <663> <663> „Wenn wir uns fragen“ - so formulierte Paul VI. in seiner Ansprache an die Ordensleute vom 6. November 1976 - „was ihr als Ordensleute für die Kirche seid, liegt die Antwort unmittelbar nahe. Ihr wollt Christus nachfolgen, und für einen jeden von euch gilt wie für jeden einzelnen Ordenschristen in der ganzen Welt .wörtlich’ das Erkennungs- und Identitätszeichen des Wortes Christi: Ihr ... seid mir nachgefolgt (Mt 19,28). Dieses Wort 806 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bestimmt die Echtheit der Nachfolge, die ihr in Freiheit gewählt habt, es ruft euch zu Treue und Konsequenz auf und regt euch zugleich an, ehrlich ohne Kompromisse und Abweichungen in den Fußspuren Christi zu gehen. Weitere Verdeutlichungen einer solchen Nachfolge festzulegen ist schwierig: Wenn Jesus der Meister, ja der einzige Meister ist (vgl. Mt 23,10; Joh 13,13), dann seid ihr als Nachfolger zugleich seine Jünger; wenn Jesus Vorbild eures Lebens, ja das Leben schlechthin ist (vgl. Mt 11,29; Joh 14,6), dann müßt ihr als Nachfolger seine Nachahmer sein; wenn Jesus der Herr ist (vgl. Joh 13,13; Phil 2,11), dann seid ihr als Nachfolger seine Diener. Seid also in Jesus Verliebte, die alles in dieser Welt verlassen haben (vgl. Lk 5,11) und daher die Möglichkeit und die Pflicht haben, in Vereinigung mit ihm euch der Kontemplation und dem Gebet zu widmen“ (InsegnamentiXlV, 1976, S. 914). Ohne jede Selbstsucht oder Verschlossenheit müssen die Ordensleute die Zeichen der Zeit erforschen und die Bedeutung ihrer Präsenz im Innern der Kirche und innerhalb ihrer Institute prüfen. Ihnen obliegt die Pflicht, sich in Treue zum Evangelium im Namen Gottes darzubieten, um für den modernen Menschen, der sich oft als schwach, unsicher und richtungslos erweist und vor allem Licht und Sinn für seine Existenz finden möchte, ein Zeichen der Hoffnung zu sein. Diesem Menschen wird durch euch ein geistiges Vorbild für die christliche Einschätzung des Lebens und der Geschichte geboten. Die Ordensleute sind sich heute der Notwendigkeit ihres Zeugnisses und der Pflicht bewußt, da sie selbst eine Präsenz darstellen müssen, die Zeichen und Prophetie für die Zukunft Gottes ist. Zweifellos bilden die Ordensmänner und Ordensfrauen für die Gesamtkirche und für die Einzelkirchen einen großen Reichtum und eine beachtliche Kraft, vor allem weil sie geistlich unermeßlich viel Gutes getan haben und weiter tun, wobei sie sich von der besonderen Zielsetzung ihrer Institute leiten lassen, aber auch weil sie über zahlreiche Werke und Strukturen zum Wohl der Menschen verfügen. Diese Kraft und dieser Reichtum können und müssen immer wirksamer für das Apostolat nutzbar gemacht werden, und sie können und müssen zugleich lebendige und Leben schenkende Elemente im Gesamt der Diözesanpastoral auf allen Ebenen sein. <664> <665> <664> Wo das ü. Vatikanische Konzil das Ordensleben behandelt, hat es mehrfach das Problem der Einfügung der Ordensmänner und Ordensfrauen in das Leben der einzelnen Diözesen und das ihrer Mitarbeit berührt. Es spricht hier von „der notwendigen Einheit und Eintracht im apostolischen Wirken“ (Lumen Gentium, Nr. 45) und definiert die Ordenspriester als „umsichtige Mitarbeiter des Bischofsstandes“ (Christus Dominus, Nr. 34). Es betont ferner, daß „auch die anderen Ordensleute, Männer wie Frauen, in einer besonderen Weise zur Familie der Diözese gehören. Auch sie leisten der heiligen Hierarchie große Hilfe“ (ebd., Nr. 34/B). Die Ordensleute in Italien sind im allgemeinen tatsächlich schon in die Diözesanpastoral ein-gegliedert und arbeiten verantwortungsbewußt bei den Initiativen des Apostolates in den Diö-zesangemeinschaften mit. Sie sind aktiv nicht nur bei der Durchführung der Pastoralpläne, sondern auch bei ihrer Formulierung beteiligt. Das II. Vatikanische Konzil ist mit einem wahrhaft prophetischen Flügelschlag über die juridischen und allzu irdischen Ansprüche hinweggegangen und wollte in vollem Vertrauen und 807 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit übernatürlichem Mut das ganze Ordensleben als ein Wesenselement der Kirche verstanden und eingeschätzt sehen. Nach der Lehre dieses Konzils wäre das Bild der Kirche wirklich unvollständig, wenn dabei der Ordensstand nicht berücksichtigt würde, und zwar nicht nur als Stand, sondern ebenso als Dienst und Geschenk, als konkretes Element ihres lebendigen Leibes. In diesen Tagen des gemeinsamen Gebetes, des Studiums und der Orientierung werden die Redner den Gehalt der Konzilstexte zum gottgeweihten Leben gründlicher darstellen und dabei auch gut das Dokument Mutuae Relationes berücksichtigen, damit in den verschiedenen italienischen Diözesen die zahlenmäßig noch bedeutsame Präsenz von Ordensmännern und Ordensfrauen einen Beweis und ein Zeichen des apostolischen Eifers bildet sowie eine wertvolle Hilfe zum realistischen Aufgreifen und Lösen der verschiedenen Probleme, die aus dem sozio-kulturellen Zusammenhang des Landes aufsteigen. Ich wünsche daher, daß diese besondere Tagung über das gottgeweihte Leben einen weiteren Schritt kirchlicher Gemeinschaft innerhalb der italienischen Kirche bedeutet, wenn bei den unterschiedlichen Charismen, mit denen der Heilige Geist seine Kirche ausstattet und sie immer besser für die vom Herrn seinen Jüngern anvertraute Sendung brauchbar macht, ihr Ergänzungscharakter neu erkannt wird. 4. Will man den Anforderungen des Ordensberufes voll entsprechen, so braucht es gewiß beständigen Opfergeist. Doch es lohnt sich, diese Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, um hochherzig auf die Aufforderung Jesu: „Folge mir nach!“ (vgl. Mt 19,21) zu antworten. Ich denke, daß diese Fähigkeit zur Hingabe an Jesus auch bei den Männern und Frauen von heute nicht abgenommen hat. Ja, ich bin überzeugt, daß viele, zumal unter den jungen Männern und jungen Frauen, ein tiefes Verlangen nach Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Solidarität in sich tragen, so daß sie möglicherweise bereit sind, sich auf die Erfahrung des Ordenslebens endgültig einzulassen. Zu wünschen ist, daß sie die Einladung Christi anzunehmen und ihr zu folgen wissen. Ich habe schon bei anderen Gelegenheiten darauf hingewiesen, daß das Problem der Berufe für die Kirche, und damit auch für jede Ordensfamilie, grundlegende Dringlichkeit besitzt. Die Dokumente des Konzils und der Zeit nach dem Konzil betonen, daß jede christliche Gemeinschaft sich eifrig um ein Anwachsen der Berufungen zum Ordensstand bemühen muß. Priester und christliche Erzieher sollen den Wert der evangelischen Räte heraussteilen und ihre Hilfe für den Dienst Gottes im Ordensstand anbieten. Es gilt ferner, für die Ausbildung der Jugendlichen, die den Ruf Christi angenommen haben, zu sorgen sie noch sorgfältiger auf ihrem Berufsweg zu begleiten, so daß die Wichtigkeit und Bedeutung des gottgeweihten Lebens in der Kirche sowie die spezifische Spiritualität einer jeden Ordensfamilien besser verstehen können. <666> <666> Zum Wachsen im Beruf trägt das Beispiel der Ordensleute und Priester entscheidend bei, wenn sie Tag für Tag freudig ihre Berufung leben und die übernommenen Pflichten treu erfüllen in demütigem und verborgenem Aufbau des Reiches Gottes. Sie strahlen durch ihr Leben die Freude über die getroffene Entscheidung aus und fordern andere heraus, in ihrem Herzen das Geschenk des Berufes anzunehmen. 808 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Doch kann all das nur gelingen, wenn sich die Ordensleute ihr ganzes Leben hindurch bemühen, ihre geistliche, lehrmäßige und pastorale Ausbildung sorgfältig weiterzuführen, um die vom Konzil gewünschte innere Erneuerung zu erreichen, die das persönliche Verhältnis zu Gott und zu den Mitmenschen kennzeichnet. 6. Maria, Jungfrau des Hörens, ist die erste Gottgeweihte und an seinen Heilsplan Hingege-bene. Sie möge die Gemeinschaft der Kirche Italiens führen bei ihrem Bemühen, die Fragen zu studieren und zu klären und vom Herrn zahlreiche apostolische Arbeiter für diesen seinen Weinberg erwirken. Mit diesem marianischen Wunsch spreche ich allen Ordensleuten Italiens erneut meine Wertschätzung für ihr verdienstvolles Apostolat aus. Möge die Gnade ihres Ordensberufes überreiche Früchte geistlichen Lebens in der Gesamtkirche und in den Ortskirchen Italiens bringen, wo sie täglich ihr kostbares Zeugnis der Liebe zu Gott und den Mitmenschen geben. Von Herzen erteile ich euch allen, die ihr an dieser Tagung teilnehmt, sowie allen Ordensleuten Italiens den Apostolischen Segen. Die Liebe zum Leben fördern Ansprache an die Vollversammlung des Rates für die Pastoral im Krankendienst am 9. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die heutige Begegnung mit euch erhält eine besondere Bedeutung, da sie anläßlich der ersten Vollversammlung dieses Rates stattfindet, der bekanntlich an die Stelle der Päpstlichen Kommission für die Pastoral im Krankendienst getreten ist. Mein herzlicher Gruß geht vor allem an den Präsidenten des Dikasteriums, Erzbischof Fiorenzo Angelini, an die Herren Kardinäle und an die verehrten Mitbrüder im Bischofsamt, die dessen Mitglieder sind. Er erstreckt sich sodann auf den Sekretär, den Untersekretär, die Priester, Ordensleute und Laien, die Berater und die Experten. Alle habt ihr auf großherzige und lobenswerte Weise beigetragen zu der heiklen und weitgespannten Arbeit, die das Dika-sterium in den ersten fünf Jahren seines Bestehens mit großer Effizienz geleistet hat. Darüber freue ich mich lebhaft mit einem jeden von euch. Die in so kurzer Zeit bewältigte Arbeitsmenge bestätigt, wie angebracht, ja wie nötig es ist, daß es unter den zentralen Organen der Kirche auch ein Dikasterium gibt, das sich spezifisch mit der Pastoral in der so weiten und komplexen Welt des Dienstes am Kranken befaßt. Euer Dikasterium, wenn auch „jung“ als Einrichtung und Struktur, ist gerufen, Aufgaben wahrzunehmen, die zu allen Zeiten einen primären und beständigen Platz im Leben der Kirche gehabt haben. „In der Tat hat die Kirche im Laufe der Jahrhunderte den Dienst an den Kranken und Leidenden sehr stark als wesentlichen Teil ihres Auftrags empfunden“, womit sie „dem leuchtenden Beispiel ihres Stifters und Meisters“ gefolgt ist (vgl. Motu proprio Dolen-tium hominum, Nr. 1). 809 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Dieser Päpstliche Rat für die Pastoral im Krankendienst ist nicht nur als Antwort auf eine heute besonders verspürte Dringlichkeit im Leben der Kirche geschaffen worden, sondern auch, um auf eine neue, organischere und durchgreifendere Weise den Bedürfnissen unserer Zeit zu begegnen, den Problemen und den Forderungen, die direkt das Wohl der Person und der Gesellschaft berühren. Denn noch bevor sie ein spezifischer Sektor der globalen oder Gesamtpastoral ist, ist die Sanitätspastoral ein Vorrecht, das die Evangelisierungstätigkeit der Kirche unbedingt begleiten und ergänzen muß. Die vom Fortschritt der Wissenschaft und Technik geöffneten neuen Florizonte, die sogenannte Sozialisierung der Medizin, die zunehmende gegenseitige Abhängigkeit unter den Völkern rücken die Probleme des Krankendienstes und der Gesundheitspflege in den Mittelpunkt des Einsatzes für die Förderung der Menschenrechte, unter denen zweifellos jene grundlegend sind, die den Schutz des Lebens von seiner Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende betreffen. Bereits 1982 habe ich, zu katholischen Ärzten aus der ganzen Welt sprechend, die Dringlichkeit betont, daß die vielfältigen, direkt oder indirekt durch die Kirche geschaffenen und geförderten Institutionen eine neue praktische Ordnung finden, und habe hinzugefügt: „Dürfte doch eine Koordinierung auf Weltebene eine bessere Verkündigung und eine wirksamere Verteidigung eures Glaubens, eurer Kultur, eures christlichen Einsatzes in der wissenschaftlichen Forschung und im Beruf ermöglichen“ (Insegnamenti, 1982, V, 3, S. 674). Das gilt für alle, die in verschiedenen Funktionen und Aufgaben im Krankendienst und der Gesundheitspflege tätig sind und die unter der Leitung des Lehramtes der Kirche der Lehre und dem Beispiel Christi folgen wollen. Denn seit der Zeit, da der Herr Jesus auf dieser Erde lebte, bis zu unseren Tagen wurde die Verkündigung der Frohen Botschaft stets vorbereitet und begleitet von einer vorrangigen Aufmerksamkeit gegenüber den Leidenden, unter deren Gestalt der Herr sich selbst verbergen wollte (vgl. Mt 25,36.40). Es war also angebracht, daß das Zweite Vatikanische Konzil in der dogmatischen Konstitution über die Kirche die Beziehung zwischen Evangelisierung und Sanitätspastoral hervorheben wollte: „Christus wurde vom Vater gesandt, ,den Armen frohe Botschaft zu bringen, zu heilen, die bedrückten Herzens sind’ (Lk 4,18), ,zu suchen und zu retten, was verloren war’ (.Lk 19,10). In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war. Sie müht sich, deren Not zu erleichtern, und sucht Christus in ihnen zu dienen“ (Lumen Gentium, Nr. 8). <667> <668> <667> Die Koordinierung und die Zusammenarbeit auf kirchlicher Ebene und auf jener der Bezie- hungen zwischen den Völkern ist die erste Fracht jener Solidarität, die nicht nur eine menschliche Tugend ist, sondern im Licht des Glaubens danach strebt, „sich selbst zu übersteigen, um die spezifisch christlichen Dimensionen des völligen Ungeschuldetseins, der Vergebung und der Versöhnung anzunehmen. Dann ist der Nächste nicht mehr nur ein menschliches Wesen mit all seinen Rechten und seiner grundlegenden Gleichheit mit allen, sondern wird das lebendige Abbild Gottes, des Vaters, erlöst durch das Blut Jesu Christi und unter das ständige Wirken des Heiligen Geistes gestellt“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 40). Wenn eine solche Zusammenarbeit und Koordinierung im Krankendienst und der Gesundheitspflege ver- 810 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wirklicht sind, wird damit wirklich auch den Schwächsten und Wehrlosesten Stimme verliehen und in allen Menschen das Band neu geknüpft, das sie am tiefsten und fast notwendig vereint: die Liebe zum Leben. Unter diesen allgemeinen Zweck fallen die unterscheidenden Zielsetzungen dieses Dikaste-riums, so wie sie im Motu proprio zu dessen Errichtung formuliert sind (vgl. Dolentium hominum, Nr. 6). Das Bild der Tätigkeit des Päpstlichen Rates in den vergangenen fünf Jahren läßt gut den Eifer, die Hingabe und die Disziplin erkennen, mit der dessen Verantwortliche, Mitglieder und großherzige freiwillige Mitarbeiter - denen meine dankbare Anerkennung und meine aufrichtige Ermutigung gelten - den in diesem Dokument enthaltenen Weisungen entsprochen haben. Der Umfang der geleisteten Arbeit, deren reiche Gliederung, die vielfältigen zu Ende geführten oder begonnenen Initiativen haben drei besondere Verdienste ans Licht gebracht, welche verdienen hervorgehoben zu werden; ich möchte sagen: die gesamtheitliche Sicht der Begriffe Gesundheitswesen und Gesundheit, die sich allmählich durchgesetzt hat, die internationale Perspektive, die eure Aktion angenommen hat, und im Bereich der christlichen Welt die ökumenische Dimension eures Einsatzes. 4. Die gesamtheitliche Sicht der Begriffe Gesundheitswesen und Gesundheit - der eine verstanden als Handeln, Gesetzgebung und Programmierung im Gesundheitsdienst, der andere als physisches, psychisches und spirituelles Wohlsein - schließt eine ganze Menge von Belangen und Aktionen in sich, die weit über die einfache Betreuung und Pflege der Kranken hinausgeht. Umfaßt sie doch den äußerst weiten Bereich der von der Gesundheitserziehung und der vorbeugenden, pflegenden und rehabilitierenden Medizin gestellten Forderungen mit ihren untrennbaren Verflechtungen ethischer, moralischer, spiritueller und sozialer Ordnung. Denn die individuelle Gesundheit und die der politischen Gemeinschaft sind „die notwendige Bedingung und sichere Garantie der Entwicklung jedes Menschen und aller Menschen’“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 44). Mit anderen Worten: wie die Sanitätspastoral aufgerufen ist, die ganze pastorale Aktion der Kirche mit Hoffnung zu versehen, so bedeutet die Sorge für die umfassende Gesundheit des Individuums und der sozialen Gemeinschaft die Berücksichtigung nicht nur der medizinischen Probleme, sondern auch aller Ängste, Fragen und Erwartungen, von denen der leidende Mensch stets berührt ist. Diese und andere Probleme, die im Lauf dieser Vollversammlung behandelt und vertieft wurden, erhalten eine einzigartige pastorale Wichtigkeit. Denn unter den verschiedenen von euch studierten Themen ist auch der Einsatz für die Bildung jener, die zum geistlichen Dienst an den Kranken berufen sind: ein Problem, das eng mit dem Thema der nächsten Bischofssyonde zusammenhängt. Die bildende Funktion, die die Sanitätspastoral für die Kandidaten des Priestertums und des Ordenslebens hat, kann übrigens nie genug betont werden: sie ist für sie eine wahre Schule des Lebens und sicheres Mittel für die persönliche Reifung und für großherzige Entscheidungen, folgt sie doch direkt dem Beispiel Jesu, des Arztes für Seele und Leib. <669> <670> <669> Die internationale Perspektive des Handelns der Kirche war eine tiefe Sorge des Zweiten Vatikanischen Konzils, welches die Christen ausdrücklich aufgefordert hat, mit allen großherzigen Anstrengungen am Aufbau der internationalen Ordnung mitzuarbeiten 811 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (vgl. Gaudium et spes, Nr. 88). Die von eurem Dikasterium erreichten Resultate und das für weitere Fortschritte auf diesem Gebiet Vorausgesetzte bestätigen, daß das Gesundheitswesen und die Gesundheit einzigartige Möglichkeiten der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene bieten. Die Probleme der Gesundheit, verstanden im weitesten Sinn, sind im übrigen niemals den großen Fragen der internationalen Ordnung fremd, wofür zum Beispiel das schwere Umweltproblem zeugt. Schon die bei den von eurem Dikasterium durchgeführten internationalen Tagungen behandelten Themen - von den Medikamenten zur Humanisierung der Medizin, von der Verlängerung und Qualität des Lebens zu AIDS und zur Reflexion über den menschlichen Geist, worüber eine weitere, in Vorbereitung befindliche Tagung ausführlich handeln wird - sind so eng mit dem Problem der Menschenrechte und der fortbestehenden Ungleichheit zwischen den verschiedenen Gebieten der Welt verbunden, daß daraus klar wird: Nichts führt so sehr wie das Recht auf Gesundheit zurück zur Verteidigung des vorrangigen Rechts auf das Leben und seine Qualität, im Kontext der Achtung der nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffenen Person. 6. Die ökumenische Dimension schüeßlich, die bereits bei der Gründung dieses Dikasteriums glücklich in Aussicht gestellt wurde, ließ eure Arbeit kreativ und dynamisch zum Ausdruck kommen, und hat sie von aller Bürokratisierung und Austrocknung femgehalten. Wenn nichts so sehr wie das Bedürfnis nach Gesundheit die Begegnung unter den Menschen fördert, unabhängig von ihrem Stand, ihrer Bildung, Mentalität und Ideologie, so trägt dasselbe Bedürfnis auf christlichem Gebiet wirksam dazu bei, die Begegnung unter den Mitgliedern verschiedener Kirchen und Kirchengemeinschaften im Geist jener ungeteilten Liebe zu fördern, die vor der Welt die wahren Jünger Christi auszeichnet, auszeichnen muß (vgl. Job 13,55; 1 Kor 13,1 ff.). Dieser Geist der Öffnung und des Dialogs hat auch Formen enger und nützücher Zusammenarbeit mit direkt oder indirekt dem Dienst am Kranken gewidmeten Institutionen möglich gemacht, die nicht an die katholische Kirche gebunden, jedoch bereit sind, mit ihr zusammenzuarbeiten, und in vielen Fällen nutzbringend zusammengearbeitet haben. Mit Freude habe ich aus euren Berichten die Unterstützung herausgelesen, die diese ökumenische Dimension durch das tatkräftige Mitwirken der Vertretungen des Hl. Stuhls wie auch des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ und der Caritas in allen Teilen der Welt erfahren hat. <671> <671> Innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft sodann ist und bleibt die Aufgabe eures Dikasteriums kostbar und unersetzlich. Zur Bestätigung dessen erinnere ich gerne an die Schnelligkeit, mit der der Päpstliche Rat bei den Bischofskonferenzen die Ernennung eines mit der Pastoral im Krankendienst beauftragten Bischofs angeregt (und unverzüglich Aufnahme gefunden) hat; an die Erfassung der katholischen Institutionen im Krankendienst, die eben begonnen, bereits zu einem ersten Verzeichnis geführt hat; der massive Einsatz für eine konstante Information über die Weisungen des kirchlichen Lehramts zu den besonders schweren mit der ärztlichen Ethik und der wissenschaftlichen Forschung zusammenhängenden Problemen (diese Information besorgt die in mehreren Sprachen herausgegebene Zeitschrift Dolen-tium hominum. Kirche und Gesundheit in der Welt sowie andere passende Verbreitungsorgane). Ich möchte auch an die zahlreichen Begegnungen in verschiedenen Ländern und auf 812 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allen Ebenen erinnern; an die Förderung der Hilfe für Gebiete und Orte, die - oft komplizierter - medizinischer Geräte bedürfen; an die Anstrengungen, die unternommen wurden, um die Sensibilität der Ortskirchen und Ordensinstitute für die Pastoral im Krankendienst zu vermehren; an die ständige Bereitschaft, mit den anderen Dikasterien der Römischen Kurie Verbindung zu behalten hinsichtlich des Dienstes am Kranken und seinen Problemen. All das stellt einen konkreten Ausdruck jener pastoralen Sorge dar, die dazu beigetragen hat, der Aktion der Kirche Beachtung zu verschaffen und zugleich deren innere Beteiligung an der Pastoral im Krankendienst vermehrt. In allen Teilen der Welt ist die Kirche an der Seite der Leidenden anwesend mit ihren vielfältigen Institutionen, deren Geschichte reich ist an leuchtenden Vorbildern gelebter Heiligkeit, stiller und heroischer Hingabe, mühsamer doch sicherer Errungenschaften. Und es ist nicht ohne Bedeutung, daß die Jahre des Bestehens eures jungen Dikasteriums das Kennzeichen tragen, daß Priester, Ordensleute und Laien zur Ehre der Altäre erhoben wurden, die durch die christliche Liebe die ärztliche Wissenschaft und die Pastoral im Krankendienst ausgezeichnet haben. Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien stellen eine ganz beachtliche Kraft im Krankendienst und der Gesundheitspflege dar. Doch neue Probleme bewegen heute das christliche Gewissen; sie erfordern Weiterbildung sowohl von denen, die in der Kran-kenpastoral tätig sind, als auch von denen, die beruflich in der wissenschaftlichen Forschung und im ärztlichen Dienst arbeiten: dazu vermag euer Dikasterium einen entscheidenden Beitrag zu leisten. <672> <672> Liebe Brüder und Schwestern, Grand zu wachsender Begeisterung bei eurem Einsatz sei euch das Bewußtsein, daß die der Kirche anvertraute Sendung, zu evangelisieren, eng verbunden ist mit der Verkündigung des Evangeliums des Leidens: „Im messianischen Programm Christi, zugleich Programm für das Reich Gottes, ist das Leiden dafür in der Welt, um Liebe zu wecken, um Werke der Nächstenliebe zu veranlassen und die gesamte menschliche Zivilisation in eine Zivilisation der Liebe’ zu verwandeln“ (Salvißci doloris, Nr. 30). In diesem Licht ist euer Diskaterium berufen, zum Zeichen des Auftrags zu werden, den die Kirche hat: dem Menschen in seinem Leiden zu begegnen. Nehmt daher meine herzliche Ermutigung entgegen, eure Arbeit mit unveränderter Hingabe beharrlich fortzusetzen. Ansporn sie euch das Gebet der vielen, vielen, die in ihrem Schmerz sich der grenzenlose Güte des Herrn anvertrauen. Und die seligste Jungfrau, Sitz der Weisheit und Heil der Kranken, Mutter der Liebe und des Schmerzes, Trost aller, die leiden, und Stütze derer, die den Dienst an ihnen versehen, mache euer Wirken reich an Gaben der Güte, des Erbarmens, der hilfsbereiten Zärtlichkeit und unerschöpflichen Großherzigkeit. Mit diesen Wünschen erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen. 813 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Kranken Begegnung mit dem leidenden Christus Predigt bei der Messe mit den Kranken am 11. Februar „Was kein Auge gesehen und kein Gehör gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist; [das ist] das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kor 2,9). 1. Liebe Brüder und Schwestern, zur Fortsetzung einer schon zur Tradition gewordenen Begegnung seid ihr hier in der vatikanischen Basilika zusammengekommen, um den Tag zu feiern, der dem Gedenken der Erscheinungen der Jungfrau Maria in der Grotte von Massabi-elle bei Lourdes geweiht ist. Welch überzeugende Verheißung tragen doch die großartigen Worte des Apostels Paulus in sich! Ja, jeder Christ, aber besonders der Leidgeprüfte blickt mit hoffnungsvollem Herzen auf die Dinge, die „Gott den bereitet hat, die ihn lieben“. Heute abend, liebe Brüder und Schwestern, lädt uns die heilige Jungfrau selbst ein, den Blick, erleuchtet von der „Weisheit, die nicht von dieser Welt ist“ (vgl. 1 Kor 2,6), auf diesen Horizont zu richten. War nicht sie es, die zu dem einfachen Mädchen aus den Pyrenäen sagte: „Ich verspreche dir kein Glück in dieser, sondern in der zukünftigen Welt“? Von dieser Hoffnung gestützt, verstand es die hl. Bernadette, Tag für Tag den Willen Gottes zu erfüllen, nur darauf bedacht, sich voll und ganz der Gesinnung Jesu, des Gekreuzigten, anzugleichen. 2. Den Willen Gottes erfüllen! Ist das nicht die Quintessenz Heiligkeit? Schon das Buch Jesus Sirach erklärte in dem Abschnitt, den wir soeben vernommen haben, gerade diese innere Haltung als Unterscheidungsmerkmal für jedes rechtschaffende Leben: „Wenn du willst, kannst du das Gebot halten; Gottes Willen zu tun ist Treue“ (Sir 15,15). Bernadette Soubirous war „treu“, weil sie es verstand, das „Wollen“, das für das Halten des Gebotes notwendig ist, in sich zur Reife zu bringen. An allem arm, auch an Bildung, besaß sie jedoch die einzige Weisheit, die vor Gott zählt: sie kannte sein Gesetz und war bestrebt, ihm zu folgen. „Lehr mich, Herr - betete sie ständig während ihres kurzen, aber so leiderfüllten Lebens - den Weg deiner Gebote, damit ich ihn bis zum Ende gehe. Gib mir Weisheit, damit ich das Gesetz erfülle und es in meinem Herzen bewahre“ (Antwortpsalm). <673> <674> <673> „hri Herzen“! Ja, im Herzen, liebe Brüder und Schwestern, steht das tiefe Geheimnis der Freiheit auf dem Spiel, wird doch das Herz zum Guten und zum Bösen hingezogen. In seinem Herzen trifft der Mensch seine Entscheidungen, sind „Feuer und Wasser vor [ihn] hingestellt“, wie es weiterhin so anschaulich im Buch Jesus Sirach heißt (Sir 15,16): das Feuer, das brennt und zerstört; das Wasser, dem Leben entspringt. Im Herzen. Das Wort Jesu im Evangelium ist hier sehr klar. Angesichts der legalistischen Deutungen der Schriftgelehrten und der Pharisäer, nach denen die Gerechtigkeit im Einhalten bestimmter formeller Vorschriften bestand, führt Jesus die Frage nach der Moral dorthin zurück, wo sie hingehört: in das Herz des Menschen, oder, wie man später sagen wird, in sein Gewissen. Dieses ist nach der Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils - „der geheimste Kern und das Heiligtum des Menschen, in dem er mit Gott allein ist“ (Gaudium et spes, Nr. 16). 814 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Herzen, lehrt Jesus, wird jene „größere Gerechtigkeit“ verwirklicht, die allein es erlaubt, „in das Himmelreich“ (Mt 5,20) zu kommen. Im Licht dieser Behauptung legt er, wie wir soeben im Evangelium vernommen haben, einige konkrete Richtlinien fest und unterstreicht dabei nachdrücklich die Neuheit im Vergleich zum herkömmlichen Denken: „Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist... Ich aber sage euch ...“ Was sagst du uns, Herr Jesus? Du sagst uns, daß es nicht genügt, nicht zu töten; man darf auch keinen Haß gegen den Bruder hegen. Es genügt nicht, keinen Ehebruch zu begehen; man darf auch nicht wünschen, ihn zu begehen. Es genügt nicht, die vom Gesetz vorgeschriebenen Scheidungsformalitäten einzuhalten; man muß die Scheidungsabsicht selbst ausschließen. Es genügt nicht, keinen Meineid zu schwören; man muß auch eine innere Klarheit pflegen, die ohne Umschweife zum Ausdruck bringt, was „Ja“ und was „Nein“ ist. 4. Die hl. Bernadette hat diese Moral des Herzen hervorragend verstanden, konnte sie sie doch in der Schule jener lernen, die zutiefst in Gottes Geheimnisse eingedrungen war, die „alles, was geschehen war, in ihrem Herzen bewahrte und ... darüber nachdachte“ (vgl. Lk2,19.51). Bernadette schrieb: „O mein Gott, wenn ich nicht mein Blut vergießen und mein Leben für dich hingeben kann, möchte ich zumindest all dem absterben, was dir mißfällt... Mein Jesus, ich lege dich als Siegel auf mein Herz; ruhe dort für immer“ (Carnet denotes intimes, S. 20). Auch heute fühlen alle, die nach Lourdes pilgern und bei der Grotte von Massabielle verweilen, daß diese Lehre sie aufs neue betrifft. Auch heute ist das größte, geheimnisvollste und ununterbrochene Wunder, das sich in Lourdes vollzieht, die Umwandlung des Herzens, dank derer der vorher widerstrebende Wille sich für die Pläne Gottes öffnet und ihre Weisheit verkostet, die nicht von „dieser Welt“ (J Kor 2,6) ist. Viele von euch, liehe Brüder und Schwestern, konnten bereits anläßlich einer Pilgerfahrt nach Lourdes oder zu einem anderen Marienwallfahrtsort diese Erfahrung machen. Mütterlich von der Jungfrau Maria bei der Hand genommen, wurde es ihnen klar, daß ihre Leiden nicht nutzlos waren, da sie eine direkte Teilhabe an der heilenden Kraft vom Sohn Gottes vollbrachten Erlösung waren. Sie entdeckten auf diese Weise die fundamentale Rolle, zu der der Kranke in der Kirche berufen ist, damit sich jene „größere Gerechtigkeit“ verwirkliche, die nicht in äußeren Werken, sondern vielmehr im Herzen ihren Sitz hat, wie es uns Jesus in Erinnerung rief. <675> <675> Aus diesem Grund also wird die Pilgerfahrt zum Marienheiligtum zur Stärkung im Glauben, zum Weg der Bekehrung, zu intensivem Gebet und zur Verbrüderung, zur Möglichkeit des Evangelisierens und zur echten Verkündigung der christlichen Hoffnung. Beim heutigen liturgischen Gedächtnis der heiligen Jungfrau Maria von Lourdes denke ich mit Bewunderung und innerer Bewegung an alle einzelnen Menschen und die Vereinigungen, die sich um die Organisation der Pilgerfahrten und um die geschwisterliche, eifrige und vorbildliche Pflege der Kranken an den Wallfahrtsorten bemühen. Bei dieser traditionellen Begegnung grüße ich insbesondere die Mitglieder der Italienischen Vereinigung für Krankenwallfahrten nach Lourdes und zu den italienischen Marienheiligtümem sowie die Vertreter des Römischen Komitees für Pilgerfahrten. 815 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Anläßlich der Pilgerfahrten nach Lourdes finden sich Kranke, Priester, Betreuer, Ärzte, Krankenpfleger und -träger sowie Krankenschwestern zu einer einzigartigen und erbaulichen Gemeinschaft des Dienstes zusammen. Es ist dies eine der Arten, auf welche „die christliche Gemeinschaft ..., von Jahrhundert zu Jahrhundert in den großen Scharen der Kranken und Leidenden das Gleichnis des guten Samariters aus dem Evangelium neu beschrieben [hat]. Sie hat die heilende und tröstende Liebe Jesu geoffenbart“ (Christifideles laici, Nr. 53). Niemanden kann es entgehen, welche Schule die Bekehrung der geistlichen Erneuerung, des echten und glaubwürdigen christlichen Zeugnisses eine solche Gemeinschaft des Dienstes darstellt, in erster Linie für die Priester und die Gottgeweihten, die in der Krankenpastoral ihre Berufung einer Prüfung unterziehen. Im Kranken begegnen sie dem leidenden Christus, und das entfacht in ihnen neu den Eifer ihrer Hingabe. „Heute stellen auch in den katholischen Krankenhäusern und Kliniken die Laien, Männer und Frauen, die immer stärkere und zuweilen einzige Präsenz dar. Gerade sie, die Ärzte, Krankenpfleger, Pflegehelfer, freiwilligen Helfer sind dazu berufen, in der Liebe zu den Kranken und Leidenden ein lebendiges Abbild Christi und seiner Kirche zu sein“ (ebd.). Dieses kostbare Erbe, das Christus seiner Kirche hinterlassen hat, „darf nie verlorengehen. Es ist durch eine Erneuerung und einen entschiedenen Neuanfang in der Pastoral für die Kranken und Leidenden ständig aufzuwerten und zu bereichern“ (ebd., Nr. 54). 6. Nicht ohne Grund tragen zwei Initiativen meines Pontifikats - das ich seit seinem Beginn auch dem Gebet und der Hilfe der Kranken und Leidenden anvertrauen wollte - das heutige Datum: am 11. Februar 1984 veröffentlichte ich das Apostolische Schreiben Salvifici doloris über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens, und am 11. Februar 1985 errichtete ich mit dem Motu proprio Dolentium hominum den Päpstlichen Rat für die Pastoral im Krankendienst. Dieser Päpstliche Rat, auf den man in allen Teilen der Welt gewartet hatte und der so wohlwollend aufgenommen wurde, schließt heute, nach fünfjährigem Wirken, seine erste Vollversammlung ab. Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, um seinen Präsidenten, Erzbischof Fiorenzo Angelini, seine geschätzten Mitglieder, die Konsultoren, die Experten sowohl als seine - zum Teil ehrenamtlichen - Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu grüßen. Ganz besonders jedoch grüße ich und ermutige ich euch, liebe Kranke, seid ihr doch letzten Endes der Daseinszweck dieser Dienststelle und der zahlreichen Initiativen, die sie im Lauf dieser Jahre ergriffen hat. Für euch flehe ich die Jungfrau Maria an, sie möge euch in allen Lebenslagen helfen, die Augen auf die außergewöhnliche Belohnung zu richten, die „Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1 Kot 2,9). Ihr liebt Gott und mit euch lieben ihn auch alle, die sich um euch annehmen und euch betreuen. Für alle bereitet Gott seinen Lohn vor. Die unbefleckte Jungfrau Maria möge in euch diese Gewißheit neu beleben und euch in den schwierigen Augenblicken eures Lebens beistehen. Amen! 816 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beharrlich Zeugnis geben Grußwort an die Teilnehmer der „Graduate School“ des Ökumenischen Instituts von Bossey am 12. Februar Liebe Freunde! Gern heiße ich Sie, die Teilnehmer der Graduate School des Ökumenischen Instituts von Bossey, bei Gelegenheit Ihrer Pilgerreise nach Rom willkommen. Ich begrüße Sie mit dem Gebet des Apostels Paulus: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen“ (2 Kot 13,13). Sie haben im Verlauf der letzten vier Monate über das Thema nachgedacht: „Der Heilige Geist und das prophetische Zeugnis der Kirche.“ Schon der Name des Heiligen Geistes lenkt unsere Gedanken auf die Wirklichkeit der Kirche, die sichtbare Gemeinschaft derer, die „Gottes Liebe, die in unsere Herzen durch den Heiligen Geist ausgegossen ist“ (Röm 5,5), empfangen haben. Im Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel bekennt die Kirche ihren Glauben an den Heiligen Geist als „Herrn und Lebensspender ... der gesprochen hat durch die Propheten“. Ihre Studien haben Sie gewiß angeregt, Gott für die Fülle seiner Gabe an die Kirche und an einen jeden von Ihnen im besonderen zu preisen. Von Anfang an erfuhr die Gemeinschaft der Christen die Kraft des Heiligen Geistes, und diese Kraft veranlaßte die Apostel und Jünger zum mutigen und beharrlichen Zeugnisgeben für Christus, selbst angesichts gewalttätigen Widerstandes. Das prophetische Zeugnis der Kirche zu aller Zeit ist die Verkündigung des Heilsereignisses Jesu Christi und seines Paschamysteriums, des Mysteriums vom gekreuzigten und auferstandenen Herrn (vgl. Apg 2,14-36). Indem sie für Christus Zeugnis gibt, überzeugt die Kirche die Welt von der Sünde, nämlich von ihrem Ungehorsam, der Männer und Frauen von Gott abwendet. Daher ist ihr Zeugnis immer ein Ruf zu Bekehrung und Reue, zu Friede und Versöhnung. Der Heilige Geist, die Liebe des Vaters und des Sohnes, ist das göttliche Prinzip dieser tiefen Versöhnung und Gemeinschaft. Mögen wir alle als Christi Jünger die Anregungen des Heiligen Geistes beachten, der uns in alle Wahrheit entführt und uns damit Harmonie und Einheit schenkt. Ich freue mich, daß Ihr Romaufenthalt Ihnen Gelegenheit geboten hat, mit Mitgliedern des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen zur Diskussion von Themen zusammenzutreffen. Sie werden die katholische Kirche besser kennengelemt und gewiß auch die Unerschütterlichkeit ihres Einsatzes für das ökumenische Anliegen wahrgenommen haben. Ich bitte den Heiligen Geist in meinen Gebeten, er möge Sie mit seinen Gaben für einen immer wachsenden Dienst an der Einheit und Gemeinsamkeit erfüllen, die Christus von denen, die ihm nachfolgen, wünscht. Möge der gleiche Geist Sie stärken, wenn Sie in Ihre Länder zurückkehren, und Sie zu immer wirksameren Zeugen für die Liebe des Vaters machen. Gott sei mit Ihnen! 817 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Priesterausbildung kostet Einsatz und Anstrengung Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode am 15. Februar Meine Herren Kardinale und ehrwürdigen Brüder im Bischofsamt! 1. Die Vorbereitung auf die 8. ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode befindet sich nunmehr in einer entscheidenden Phase. Darum seid Ihr, die Mitglieder des Rates des Generalsekretariats, mit dem Sekretär, Erzbischof Jan Schotte, noch einmal in Rom zusammengekommen, um die letzten Schritte zu überprüfen, die im Hinblick auf das bevorstehende Ereignis zu tun sind. Seid also willkommen im Namen des Herrn! Gemeinsam wollen wir auf bestmögliche Weise der Kirche dienen, der Mutter und Lehrerin, der wir Leben und Herz, Worte und Werke, Zeit und Kräfte geweiht haben. Es ist nun allgemein bekannt, daß die kommende Synode über die Ausbildung handeln wird, die den Priestern gewährleistet werden soll vom ersten Augenblick an, in dem sich ihre Berufung zeigt, sodann während der Zeit der Vorbereitung auf die Weihe und schließlich während ihres Priesterlebens. Die Aufgabe der Priesterausbildung ist schwierig, sie kostet Einsatz und Anstrengung. Aber sie ist auch begeisternd und macht Freude auf Grund des intensiven Glaubens, der notwendig damit verbunden ist, und der Eigenschaften, die sie voraussetzt: Gottesliebe und Hirtenliebe, Gemeinschaftssinn und Dienstbereitschaft, Aufmerksamkeit auf die Zeichen der Zeit, Anteilnahme an den verschiedenen Verhältnissen der Brüder. Deshalb muß die grundlegende Absicht bei der Übernahme einer solchen Aufgabe die sein, dem ursprünglichen und normativen Vorbild des Guten Hirten vollkommen treu zu sein und, damit verbunden, eine harmonische Integration der menschlichen, christlichen und priesterlichen Identität bei den jungen Berufungen zu fördern. <676> <676> Diesem überaus reichen Thema wird die kommende Synode - die wir mit der Sorgfalt derer vorbereiten, die die Kirche lieben - ihre Arbeiten, ihre Meditation und ihr Gebet widmen. Die Überlegungen der Synode über die Ausbildung der Priester unter den heutigen Verhältnissen finden zu einem Zeitpunkt statt, der zwei Ereignisse in Erinnerung ruft, die es wert sind, unterstrichen zu werden: In diesem Jahr 1990 sind es 25 Jahre sowohl seit der Begründung der Bischofssynode wie auch seit dem Abschluß des n. Vatikanischen Konzils. Das Apostolische Schreiben Apostolica sollicitudo, womit mein Vorgänger ehrwürdigen Andenkens Papst Paul VI. die Bischofssynode errichtete, geht auf den 15. September 1965 zurück, als das n. Vatikanische Konzil noch nicht beendet war. Mit der Schaffung dieses neuen Organs wollte Paul VI. den Erwartungen entsprechen, die bei den Konzilssitzungen erkennbar geworden waren, und so den Wunsch nach Kollegialität und Verbundenheit in pastoraler Liebe, den die Väter als ein tiefes Verlangen geäußert hatten, in die Tat umzusetzen. Am 8. Dezember 1965 nahm dann das II. Vatikanische Konzil seinen Abschluß. Es war für die Kirche auf dem Weg durch die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wirklich ein „neues Pfingsten“ gewesen. Vom Heiligen Geist geführt, hatten die Hirten, die aus allen Teilen der 818 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Welt in Rom zusammengekommen waren, die am besten geeigneten Weisen aufgezeigt, in einer in vielfachem Sinn veränderten Welt den Glauben anzunehmen und zum Ausdruck zu bringen. Auf dieses historische Ereignis müssen das Gedenken und die Dankbarkeit aller Gläubigen gerichtet werden, damit sie innerlich offen bleiben für die immer noch lebendigen und aktuellen Lehren, die der Heilige Geist bei dieser Gelegenheit dem ganzen Gottesvolk gegeben hat. 3. Es geschah nicht ohne eine besondere Anregung von oben, daß der Beschluß gefaßt wurde, die Aufmerksamkeit der kommenden Synode auf das Thema der Priesterausbildung zu richten, denn von der guten Vorbereitung der Priester hängen sowohl ihre persönliche menschliche und christliche Vollkommenheit wie auch die Wirksamkeit ihres Dienstes ab. Das II. Vatikanische Konzil hat der Ausbildung der Priester bekanntlich zwei Dokumente gewidmet: das Dekret über die Priesterausbildung Optatam totius und das über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis. Es handelt sich also nicht nur um ein Zusammentreffen von Daten. Die Wiederkehr der Jahrestage lädt uns ein, einen Zusammenhang hinsichtlich Wert, Eigenschaft und Würde zwischen dem II. Vatikanischen Konzil und der Synode des Jahres 1990 zu sehen. Die Gestalt des Priesters wurde vom Konzil maßgebend beschrieben und vorgestellt. Es hat ihr mit liebevoller Sorgfalt und Klarheit in Diskussion und Studium reichlich Raum gegeben. Wir alle haben den Wunsch, daß auch die kommende Synode über das Thema gründlich, intensiv und mit Liebe reflektiere und auf diese Weise auch unser eigenes Besorgtsein um die zum Ausdruck bringe, welche die ersten Mitarbeiter der Bischöfe sind. Es ist klar und angemessen und es muß so sein, daß diejenigen den ersten Anspruch auf die Gedanken und das Herz der Bischöfe haben, die durch ihre Berufung und Sendung erwählt sind, mit ihnen zusammen „die Last und Hitze des Tages“ zu tragen, nämlich die Last des Hirtenamtes, die ihnen auferlegt ist, eine Last, die nur leicht wird in der Verbundenheit mit dem „Hirten und Bischof der Seelen“ (vgl. 1 Petr 2,25) und in dem brüderlichen Miteinander, dank dessen jeder die Last des anderen mitträgt (vgl. Gal 6,2). Eine solche Berufung empfangen auch jene, die sich in einem besonderen Lebensstand in den Reihen einer Ordenskongregation oder eines Instituts des apostolischen Lebens dem Herrn weihen. Auch sie wissen sich dazu gesandt, auf eigene Weise, getreu ihrem Charisma, die apostolische und missionarische Sorge und die Eindringlichkeit der eschatologischen Erwartung der auf Erden in Glauben und Hoffnung pilgernden Kirche zu bezeugen. <677> <677> Die Aufgabe, die der Synode obliegt, erweist sich als besonders dringlich, wenn man daran denkt, daß die Ausrichtung, die unter den heutigen Umständen der Priesterausbildung ihr Gepräge gibt, dazu bestimmt ist, über die Schwelle des Jahres 2000 hinaus wirksam zu sein. Die Jugendlichen, die heute die Berufung annehmen und sich auf das Priestertum vorbereiten, müssen, wenn sie erwachsen und an Jahren sowie in priesterlicher Hirtenliebe reif geworden sind, als Vorbild für die Herde klar zu erkennen sein. Dies ist das Privileg, dessen wir uns rühmen dürfen, das uns erhebt und begeistert, indem wir im Fluß der Zeit die getreue Gegenwart des Gott-mit-uns wahrnehmen, des Emmanuel, der 819 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nach seinem Willen unaufhörlich jene beruft, die er zur fortdauernden Heilssendung bestimmt, und wir fühlen, daß der Herr der Zeit und der Geschichte dabei unsere aktive Präsenz wünscht. Doch das ist zugleich eine Pflicht und eine Verantwortung. Verantwortung für Männer, die über ihren Weg entscheiden, in einer Haltung des Hörens und des Glaubens; eine Pflicht für Hirten, die dem, was die Herde nötig hat, mehr Aufmerksamkeit widmen als sich selbst, und die darum besorgt sind, den ernsten Herausforderungen der Zeit nie unvorbereitet gegenüberzustehen. 5. Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, ich wollte euch Anteil nehmen lassen an der Sorge, die ich bei einem Problem von solcher Bedeutung für das Leben der Kirche empfinde. Zugleich aber bin ich sicher, mit euch die Freude teilen zu dürfen, bei den nun schon nahe bevorstehenden Arbeiten der Synode im Geist noch einmal den schweren, aber stets begeisternden Weg unserer eigenen Ausbildung zum Priestertum durchlaufen zu können. Auf ihm sind wir von der Liebe des Vaters und des Sohnes im Heiligen Geist geboren worden zu der Hirtenliebe, die uns nun innerlich drängt und zu dem Wunsch antreibt, daß heute andere, wie wir damals, für das „Morgen“ zu wahren Mitarbeitern in unseren Reihen herangebildet werden. Mit diesem Empfinden rufe ich mit dem Beistand der Jungfrau Maria die Fülle der göttlichen Gaben auf eure Arbeit herab und erteile euch als Unterpfand den Apostolischen Segen. Christen und Muslime können Zusammenarbeiten Grußwort an die Delegation der World Islamic Call Society vom 15. Februar Liebe Freunde! Mit Freude heiße ich die Delegation der „World Islamic Call Society“ willkommen, an der Spitze ihren verdienten Generalsekretär Dr. Muhammad Ahmad Sherif, begleitet von Kardinal Arinze und den anderen katholischen Teilnehmern am Dialog über das Thema „Mission und Da’wah“. Der Besuch von Vertretern des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog im vergangenen März in Tripolis und dieser Gegenbesuch der „World Islamic Call Society“ geben uns Hoffnung, daß der gute Wille und die Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen stärker werden. Das Thema Ihrer Diskussion ist aktuell. Da wir an Gott glauben, der die Güte und die Vollkommenheit ist, muß all unser Tun die heilige und aufrechte Natur des Einen widerspiegeln, den wir verehren und dem wir zu gehorchen suchen. Darum muß auch alles, was wir hinsichtlich von Mission und Da’wah tun, auf der Achtung vor der unveräußerlichen Würde und Freiheit der menschlichen Person gegründet sein, die von Gott erschaffen ist und die er liebt. Christen und Muslime, beide sind berufen, das unverletzliche Recht jedes einzelnen auf Freiheit, sowie auf religiösen Glauben und die Ausübung dieses Glaubens zu verteidigen. 820 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Vergangenheit hat es bedauerliche Fälle von Mißverständnissen, Unduldsamkeit und Konflikten zwischen Christen und Muslimen gegeben, und es gibt sie auch heute noch, vor allem unter Verhältnissen, in denen entweder Muslime oder Christen in der Minderheit sind oder in manchen Ländern sich als Gastarbeiter befinden. Als religiöse Führer sind wir dazu berufen, im Geist der Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit und der gegenseitigen Achtung Wege zur Überwindung solcher Schwierigkeiten zu finden. Wenn Sie sich also Gedanken über die geeigneten Mittel machen, wie Mission und Da’wah zu praktizieren sind, dann beschäftigen Sie sich mit einem Thema, das sowohl für religiöse wie für soziale Harmonie bedeutsam ist. Sie haben auch die Schwierigkeiten angesprochen, denen heute die Menschen, die an Gott glauben, begegnen, wenn sie sich bemühen, Gottes Gegenwart und seinen Willensanspruch an die Menschheit zu verkünden. Als Gläubige leugnen wir nicht die echten Wohltaten, die moderne Entwicklungen mit sich gebracht haben, und wir weisen sie nicht zurück; aber wir sind nichtsdestoweniger überzeugt, daß die moderne Gesellschaft ohne Beziehung zu Gott unfähig ist, Männer und Frauen an das Ziel zu führen, für das sie erschaffen wurden. Auch in dieser Hinsicht können Christen und Muslime Zusammenarbeiten und vor der modernen Zivilisation die Gegenwart Gottes und die liebende Vorsehung bezeugen, die unsere Schritte leitet. Gemeinsam können wir verkünden, daß er, der uns gemacht hat, uns dazu berufen hat, in Harmonie und Gerechtigkeit zu leben. Der Segen des Allerhöchsten begleite Sie in Ihrem Bemühen zugunsten von Dialog und Frieden! Flüchtlinge sind die Nächsten der Nächsten Botschaft für die Fastenzeit 1990 vom 8. September 1989, veröffentlicht am 21. Februar Liebe Schwestern und Brüder in Christus! 1. Jedes Jahr darf ich beim Herannahen der Fastenzeit die Gelegenheit wahmehmen, um mich an euch zu wenden und diese gelegene Zeit zu nützen, „diese Tage des Heiles“ (vgl. 2 Kor 6,21), damit alle in besonderer Weise eine Erneuerung in doppelter Weise leben mögen, in der Hinwendung zu Gott und der vertieften Liebe zu den Mitmenschen. Die Fastenzeit ruft uns intensiv auf, eine grundsätzliche Umkehr im Geiste und im Herzen zu machen, um die Stimme des Herrn neu zu hören, der uns einlädt, mit Ihm das Leben neu zu leben; er wünscht auch, daß wir immer mehr alle Leiden der Menschen sehen, die mit uns leben. Dieses Jahr will ich in besonderer Weise euch einladen, ein Problem zu betrachten: die Flüchtlinge, Aussiedler und Ausgewiesenen. Die wachsende Zahl der Flüchtlinge ist eine leidvolle Wirklichkeit in dieser Welt, in der wir leben. Diese Tatsache der Flüchtlinge gibt es nicht nur in einigen Regionen, sondern in allen Kontinenten. „Menschen ohne Heimat“: Das sind die Flüchtlinge; sie suchen eine Aufnahme in anderen Ländern der Erde, die unser gemeinsames Haus ist. Wenigen von ihnen ist es möglich, wieder in ihre Heimat zurückzukehren, aufgrund geänderter politischer Lage. Für viele dauert die leidvolle Situation des Exils an, der Unsicherheit und der sorgenvollen Suche um eine ange- 821 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN messene Lösung für ihre Wohnung, Arbeit und ihr Leben. Unter ihnen sind die Kinder, die Frauen, die Witwen, die oft getrennten Familien; junge Menschen, die frustriert über ihre fehlenden Zukunftsaussichten sind; Erwachsene, die aus ihren Berufen herausgerissen, ihrer materiellen Güter, ihrer Häuser, ihres Vaterlandes und ihrer Heimat beraubt sind. 2. Angesichts der umfassenden und schweren Lage dieses Problems müssen sich alle Glieder unserer Kirche als Jünger Christi angesprochen fühlen, denn Jesus Christus selbst hat das Schicksal eines Flüchtlings ertragen und er war doch der Verkünder des Evangeliums der Liebe. Christus selbst hat in seinen Worten, die die Kirche am Montag der ersten Fastenwoche liest, sich selbst in jedem Flüchtling erkennen und identifizieren wollen: „Ich war obdachlos und ihr habt mich aufgenommen ... ich war obdachlos und ihr habt mich nicht aufgenommen“ (Mt 25,35.43). Diese Worte müssen uns zu einer genauen Gewissenserforschung anleiten über unsere Haltung gegenüber den Flüchtlingen und Ausgewiesenen. Wh treffen sie tatsächlich jeden Tag in so vielen Pfarreien. Sie sind wirklich der Nächste unserer Nächsten geworden. Deshalb bedürfen sie der Liebe, der Gerechtigkeit und der Solidarität aller Christen. 3. An euch, besonders an euch, liebe Mitglieder der Gemeinschaften unserer katholischen Kirche darf ich meine dringende und ermahnende Einladung in dieser Fastenzeit richten, daß ihr alle vorhandenen Möglichkeiten ausschöpft, um den Mitmenschen, also unseren Flüchtlingen beizustehen. Ihr sollt entsprechende Wege der Aufnahme überlegen und verwirklichen, um ihnen die volle Einführung in die Gesellschaft zu ermöglichen und ihnen auf diese Weise ein offenes Herz und einen offenen Geist der Mitmenschlichkeit in Liebe zu zeigen. Die Sorge um die Flüchtlinge muß uns anspomen, die Menschenrechte, die universell anerkannt sind, neu zu bekräftigen und zu unterstreichen und zu fordern, daß sie auch für die Flüchtlinge wirksam in die Tat umgesetzt werden. Wie ich bereits am 3. Juni 1986, anläßlich der Verleihung des Internationalen Friedenspreises Johannes’ XXHI. an das „Katholische Büro für Notstand und Flüchtlinge“ (COERR), an das Rundschreiben Pacem in terris dieses großen Papstes erinnerte, in welchem dargelegt wird, daß die Flüchtlinge ausnahmslos volle Menschenrechte haben, die anerkannt werden müssen, so bestätige ich heute wieder, daß „es gilt, immer wieder jene unveräußerlichen Rechte zu garantieren, die jedem Menschen innerlich geschenkt sind und nicht nur aufgrund von natürlichen Faktoren oder sozialen Situationen zugebilligt werden.“ (Nr. 6). Es handelt sich darum, den Flüchtlingen das Recht zuzustehen, eine Familie zu gründen und sich frei zu versammeln, die Möglichkeit, eine sichere Beschäftigung zu haben, die ihnen würdig ist und als solche auch entsprechend entlohnt wird. Sie haben das Recht auf menschenwürdiges Wohnen, eine entsprechende Schulbildung für ihre Kinder und die Jugend und haben auch Recht auf entsprechende medizinische Betreuung. Alle diese Rechte sind seit 1951 feierlich verabschiedet worden und im Übereinkommen der Vereinten Nationen auch für die Flüchtlinge im Statut niedergelegt; sie wurden 1967 in einem Protokoll bestätigt. <678> <678> Angesichts der so großen Probleme weiß ich die Arbeit der internationalen Organisationen, der katholischen Organisationen und der verschiedenen Bewegungen und Initiativen zu 822 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schätzen, die sich um entsprechende soziale Programme bemühen, und wo so viele Menschen ihren Beitrag leisten und ihre Mitarbeit einsetzen. Ich danke allen und darf Sie ermutigen, mit immer größerer Offenheit diese Anliegen aufzunehmen. Wenn man auch schon viel tut, so wissen wir auch, daß es noch nicht genug ist. Es ist eine Tatsache, daß die Zahl der Flüchtlinge wächst und daß die Möglichkeit der Aufnahme und der Hilfe sich nicht in entsprechender Weise entfaltet. Unsere vorrangige Verpflichtung ist es, daß alle daran teilnehmen, die Hilfe und Unterstützung mit unserem Zeugnis der Liebe durch ständige wirksame caritative Werke zu fördern. Vor allem geht es auch darum, daß es in allen Ländern gelingt, die Bildung und Erziehung der Kinder und der Jugend zum gegenseitigen Respekt, zur Toleranz, zum Geist des Dienstes auf allen Ebenen von privaten und öffentlichen Stellen zu durchdringen. So wird sich die Überwindung vieler Probleme leichter ermöglichen lassen. 5. Und so wende ich mich auch an euch, liebe Schwestern und Brüder, die ihr Flüchtlinge seid: gestaltet euer Leben vereint im Glauben an Gott, in gegenseitiger Liebe und mit einer unerschütterlichen Hoffnung. Die ganze Welt kennt eure Schicksale. Die Kirche ist euch nahe mit der Hilfe, die die Glieder der Kirche euch gerne geben; dabei wissen sie, daß trotz großer Anstrengungen die Hilfe noch zu wenig ist. Um eure Schwierigkeiten zu lindem, ist es notwendig, daß Ihr euren guten Willen und euer Können für gute Lösungen einsetzt. Ihr seid reich mit eurer Kultur und Zivilisation, mit euren Traditionen, mit euren menschlichen und geistigen Werten, und diese alle sind eine wertvolle Hilfe für euch und geben euch die Fähigkeit, ein neues Leben zu beginnen. Leistet auch Ihr, in den Grenzen eurer Möglichkeit, den Beitrag und die gegenseitige Hilfe an den Orten, wo Ihr vorübergehend aufgenommen werdet. Die Kirche begleitet euch und steht euch auf eurem schweren Weg bei. Wir sehen in allen von euch das Angesicht Christi, des Flüchtlings, und erinnern uns, was Er sagte: „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr für mich getan.“ (Mt 25,40) 6. Am Beginn der Fastenzeit erbitte ich den Reichtum der Gnade und des Lichtes, die aus dem Mysterium des Leidens und der Auferstehung des Erlösers Jesus Christus ausstrahlen, damit alle Gläubigen und die kirchlichen und religiösen Gemeinschaften der ganzen Kirche die Erleuchtung und die Kraft finden für die konkreten Werke der Solidarität zum Wohl unserer Flüchtlinge und Ausgewiesenen, die unsere Schwestern und Brüder sind. Mögen dadurch auch sie alle, die Flüchtlinge ganz besonders, gestärkt durch die wirksamen Hilfen und das offene Interesse ihrer Nächsten, selbst wieder Freude und Hoffnung schöpfen auf ihrem mühevollen Lebensweg. Möge Gottes Segen, den ich erbitte, alle begleiten, die sich für dieses Anliegen öffnen und diesen dringenden Appell von mir aufnehmen. Vatikan, 8. September 1989, Fest der Geburt Mariens. Joannes Paulus PP H. 823 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Entscheidung für das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit Predigt beim Besuch der Pfarrei Vitinia am 25. Februar 1. „Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ (Mt 6,33). Liebe Brüder und Schwestern, die Bergpredigt, die uns in der Liturgie dieser ersten Sonntage im Jahreskreis begleitet hat, erreicht heute gewissermaßen ihren Schlußpunkt. „Euch aber muß es zuerst um sein Reich ... gehen“. Mit diesen Worten will Jesus seine Jünger in die Kenntnis dessen einführen, was wirklich zählt und daher die Grundlage des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens bilden muß. Das Reich Gottes! Bereits im Alten Testament angekündigt und in Christus voll geoffenbart, identifiziert es sich mit der Gabe der Gemeinschaft, zu der Gott den Menschen einlädt und die er denen gewährt, die ihn in Wahrheit anerkennen und ihm treu dienen. Eine unentgeltlich dargebotene Gabe, die im Glauben als Keim neuen Lebens anzunehmen ist, den man wachsen lassen soll, bis er zur Reife gelangt, wenn Gott alles in allen sein wird. Eine Erfahrung, in die man in dem Maße eindringt und sie lebt, als man Gott und seinen Willen an die erste Stelle der Ordnung der Werte und der zu erreichenden Ziele setzt. Ein Gut, das zu ersehnen und täglich zu suchen ist, indem man „nach der Gerechtigkeit“ lebt und mit seinem Leben die Oberherrschaft des himmlischen Vaters bezeugt und alle irdischen Ereignisse und Realitäten auf ihn und seinen Plan der Gemeinschaft ausrichtet. 2. Jünger Christi sein bringt daher die Verpflichtung mit sich, mit Mut sich für den Vorrang Gottes und seines Reiches zu entscheiden. Eine Wahl, die den, der sie, vom Heiligen Geist geleitet und erleuchtet, frei trifft, auch alles übrige verwirklichen läßt, nämlich: mit evangelischer Weisheit zu erkennen, was im Leben wirklich zählt, um die Gemeinschaft aufzubauen, und den geschaffenen Gütern wie auch der menschlichen Tätigkeit das rechte, der Optik des Planes Gottes entsprechende Gewicht zu geben. Jesus stellt die Seinen also vor eine radikale Wahl: entweder Gott und sein Reich oder Reichtum, Macht und Erfolg. Wenn man all diese Dinge als absolute Güter betrachtet, werden sie unvermeidlich zu Götzen, und der Mensch wird schließlich zu ihrem Sklaven. Und „wer Sklave der Reichtümer ist, wird auch zum Sklaven dessen, den Christus als den Herrn dieser Welt bezeichnet hat“ (Chrysostomos, in Mt. Om. 21,4). Der Mensch verliert so den vollen Sinn seiner Existenz, ist in sich gespalten und wird zum Urheber von Spaltungen und Ungerechtigkeit in der Gesellschaft, deren Bürger er ist. <679> <680> <679> Die Vorrangstellung Gottes im Leben des Jüngers erfordert von diesem eine innere Haltung, die zur Dynamik des Glaubens selbst gehört: Gott vertrauen und sich seinem Willen und seiner Vorsehung überlassen. Denn Gott ist ein Vater, der seine Kinder liebt und um ihr Wohl besorgt ist, so wie er an all seine Geschöpfe denkt: Er „ernährt die Vögel des Himmels“ und „kleidet die Lilien, die auf 824 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Feld wachsen“, und verleiht ihnen eine Schönheit, eine Pracht, die jene der Fürstenhöfe dieser Welt übertrifft. An der Liebe Gottes zu zweifeln, die weit größer ist als die Zärtlichkeit einer Mutter zu ihrem Kind, ist eine Sünde. „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: ich vergesse dich nicht“ (/es 49,15). Diesem Vertrauen liegt die Gewißheit zugrunde, daß Gott treu ist und stets seine Versprechen hält, daß er über all seine Geschöpfe wacht und jedem von ihnen seine Speise zur rechten Zeit gibt. Er ist treu trotz der Untreue der Menschen und ihres ständigen Abgleitens in den Götzendienst. Er ist der Fels, an den es sich zu klammem gilt, um gerettet zu werden; er ist die Burg, die Hilfe, die es gestattet, nicht zu wanken und zu fallen (vgl. Ps 62,3 bzw. 62,7). 4. Dennoch ist das „Sich nicht Sorgen“, das Jesus von seinen Jüngern verlangt, keineswegs blinder Fatalismus oder passives Erwarten dessen, was der Mensch zum Leben braucht; und auch nicht die Verweigerung des Einsatzes für den Aufbau einer gerechteren und brüderlicheren Welt, um alles dem Wirken Gottes zu überlassen. Ganz im Gegenteil! Der Christ, der sich seiner Verantwortung bewußt ist, lebt, leidet und handelt, als ob alles von ihm abhinge; zugleich jedoch des vergewissernden Wortes seines Meisters eingedenk, bleibt er ruhig und zuversichtlich, als ob alles von Gott abhinge. Er ist daher bereit, alles dem Plan und Willen Gottes hintanzusetzen. Die vorrangige Pflicht, das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu suchen, hebt also die Tätigkeit des Christen für seine volle Verwirklichung, für die ganzheitliche Förderung des Menschen und für die wahre Entwicklung der Gesellschaft nicht auf, sondern verstärkt sie und gibt ihr vollen Gehalt. „Das persönliche und gemeinsame menschliche Schaffen, dieses gewaltige Bemühen der Menschen im Lauf der Jahrhunderte, ihre Lebensbedingungen stets zu verbessern, entspricht als solches der Absicht Gottes ..." (Gaudium etspes, Nr. 34). <681> <682> <683> <681> Liebe Brüder und Schwestern der Pfarrei Vitinia, die Diözesan-Pastoralsynode soll für euch und für die ganze Kirche von Rom ein wichtiger Moment der Kontrolle sein: Es wird also darum gehen, zu untersuchen, ob und wie die Lehre Jesu, die wir soeben gehört haben, von denen, die sich seine Jünger nennen, angenommen und gelebt wird. Jeder wird sich also fragen müssen: Suche ich wirklich vor allem das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, oder gebe ich der Versuchung zum Götzendienst nach, der zum Sklaven macht und Sklaverei um mich entstehen läßt? Ist meine Arbeit und all mein Handeln auf das Vertrauen in Gott gegründet und auf die Errichtung des Reiches Gottes in der Gesellschaft ausgerichtet? Die Synode verlangt von allen zusammen eine Gewissenserforschung in dieser Hinsicht. Wenn diese ernst genommen wird, wird sie neue Entscheidungen und entschiedeneren Einsatz für eine größere Treue zu Gott und seinem Wort reifen lassen und dem evangelischen Zeugnis und folglich einer neuen Evangelisierung einen stärkeren Impuls verleihen. Wir leben heute in einem Klima des Säkularismus, wo es mehr um das Haben als um das Sein geht. Das bewirkt bei vielen einen nie befriedigten Hunger nach Besitz und ein ungezügeltes 825 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hasten nach Reichtum, welcher bisweilen als einziger Faktor betrachtet wird, um in der Gesellschaft zu zählen. Zum anderen läßt die ungeordnete Entwicklung und eine auf die Spitze getriebene Konsumgesellschaft die Überzeugung entstehen, daß einer soviel wert ist, als er produziert und besitzt. Es sind dies die neuen Formen der Sünde des Götzendienstes, die, indem sie Gott vom Horizont des menschlichen Lebens entfernen, dramatische Situationen von Randgruppendasein und Ungerechtigkeit herbeiführen, welche in offenem Widerspruch zum Reich Gottes und zum Plan der Gemeinschaft und Brüderlichkeit stehen, den Christus uns geoffenbart und für den er sein Leben gegeben hat. 6. In diesem Zusammenhang wird die Rolle der Christen in der Menschengemeinschaft entscheidend. Es geht um die Überwindung der verbreiteten Logik des „sich Sorgens“ und der Anhäufung materieller Güter, der Gier nach Erfolg um jeden Preis und nach Macht ohne Skrupel, der Versuchung, gesetzwidrig zu handeln, um immer reicher zu werden. Das ist nur dem möglich, der Gott vertraut und an seine Oberherrschaft und Vorsehung glaubt. Er nimmt den Dingen gegenüber eine Haltung der inneren Freiheit ein: Er gebraucht sie zum Ruhm Gottes und zur Schaffung eines gerechteren und brüderlicheren Zusammenlebens der Menschen und wird nicht von ihnen beherrscht. 7. Eine schwere Gefahr für viele Christen, die in einer pluralistischen Gesellschaft leben, ist der Kompromiß. Formell und ausdrücklich wird Gott nicht vom Horizont der eigenen Interessen entfernt, ja man versucht in gewisser Weise, seinen Namen durch Kulthandlungen und Ehrfurchtsbezeigungen zu achten und zu ehren. Nur möchte man im Leben all das in Einklang bringen mit Entscheidungen und Verhaltensweisen, die anderen Kriterien folgen: denen von Interesse, Reichtum und Macht. Das widerspricht ganz und gar der Botschaft, die wir eben gehört haben. Jesus bekräftigt klar und nachdrücklich: Gott erträgt es nicht, daß Götzen neben ihm existieren. „Ich bin lahwe, dein Gott ... Du sollst neben mir keine anderen Götter haben“ (Ex 20,2-3). Er erträgt keinen bequemen Kompromiß zwischen dem Guten und dem Bösen; er erträgt keine gespaltenen Herzen und Gemeinschaften. Entweder Gott oder das Geld; entweder Gerechtigkeit, die zu Kindern Gottes macht, oder Ungerechtigkeit, die Sünde und Spaltung hervorbringt; entweder das Reich Gottes oder das Reich des Menschen. „Niemand kann zwei Herren dienen ...“ (Mt 6,24). Ein Zeugnis der Treue und der Konsequenz, der Loslösung und des Dienstes ist von allen Christen gefordert, besonders jedoch von denen, die öffentliche Verantwortung im gesellschaftlichen und politischen Leben tragen. Von ihnen ist ein kräftiger Glaube verlangt, der auf der Ebene der Taten nicht verleugnet wird; es ist Durchschaubarkeit bei der Verwaltung der allen gemeinsamen Güter gefordert; moralische Strenge, die keine Kompromisse verträgt, und großherziger Einsatz für das Gemeinwohl, auch wenn er nicht immer verstanden wird. Auch von ihnen erwartet die Synode einen starken und einstimmigen Beitrag zur gesamt-heitlichen Förderung des Menschen, die mit der Evangelisierung eng zusammenhängt. <684> <684> Liebe Brüder und Schwestern in Vitinia! Angesichts so schwieriger und den heutigen Denk- und Handlungsweisen entgegengesetzter Aufgaben könnte euch ein Gefühl der Angst 826 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Entmutigung überkommen. Einen Halt möge euch die Gewißheit bieten, daß die treue Liebe Gottes und seine Vorsehung euch begleiten. Der Papst ist hier unter euch, um euch sein Wort der Ermutigung und der Unterstützung zu bringen. Was für die Menschen unmöglich ist, ist für Gott möglich (vgl. Mt 19,26). Habt also Mut! Ich freue mich, euch bei dieser Eucharistiefeier so zahlreich zu sehen. An euch alle richte ich meinen herzlichen Gruß, mit einem besonderen Gedanken an den Kardinal Generalvikar und an den Weihbischof dieses Sektors, Clemente Riva. Ich grüße auch euren Pfarrer, Mario Bruno, mit den Priestern und dem Diakon, die ihm zur Seite stehen. Ein Wort der Anerkennung richte ich ebenfalls an die Schwestern der beiden in der Gemeinde anwesenden Ordens-institute und ermuntere sie zur Ausdauer in ihrem evangelischen Zeugnis und in der Mitarbeit bei den vielfältigen Tätigkeiten der Pfarrei. Einen besonderen herzlichen Gruß sodann den Laien, die in den Gremien der Pfarrei, den Vereinen, den Gruppen und den Bewegungen tätig sind. Die Gemeinschaft braucht euren großherzigen Beitrag, um einen stärkeren Geist der Solidarität zu erreichen, dank dem sie die Probleme, die sie bedrängen, angehen und lösen kann. Euch braucht die Pfarrei, um der Verkündigung des Evangeliums in den verschiedenen Umgebungen Gehör zu verschaffen und es zu den Gleichgültigen und Fernstehenden zu bringen. Das Vertrauen auf die befreiende Kraft des Wortes Gottes muß neu gefunden werden. Es muß der Welt neu angeboten werden im Setzen nicht auf eigenes Überzeugungsvermögen, sondern auf die erneuernde Kraft, die vom Wort Gottes ausgeht. „Vertrau ihm, Volk, zu jeder Zeit! Schüttet euer Herz vor ihm aus! Bei Gott ist die Macht; Herr, bei dir ist die Huld“ (Ps 62,9.12-13). Ja, die Gnade Gottes ist mit euch, liebe Gläubige von Vitinia. Möge sie stets bei euch bleiben, damit das Reich Gottes und seine Gnade den Höhepunkt eures Denkens bilde und im Mittelpunkt eurer Seele sei, Jünger des Herrn in der Stadt der Menschen! Amen. Förderung des Menschen ist Auftrag für Kirche und Staat Ansprache an die Vertreter des Rats der Provinz Rom am 26. Februar 1. Mit überaus herzlichen Gefühlen empfange und begrüße ich Sie, ehrenwerte Mitglieder des Rats der Provinz Rom, die Sie mich zu Beginn des neuen Jahres besuchen. Die Begegnung mit den für die öffentliche Verwaltung Verantwortlichen bildet stets einen wichtigen Moment, sie zu ermuntern, mutig und großherzig voranzugehen auf dem Weg des Dienstes und der Suche nach Gerechtigkeit und Frieden. Die Verantwortlichkeiten der zivüen Behörden nehmen in der Tat stets an Schwere zu, vor allem in Anbetracht der neuen Herausforderungen in diesem besonderen, von der Vorsehung gefügten Augenblick der Geschichte. Das reifere soziale Bewußtsein, die problematischen 827 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rückwirkungen der Entwicklung, die verstärkte wechselseitige Abhängigkeit der Gemeinschaften, Völker und Kontinente - der Gedanke geht besonders zu den jüngsten Ereignissen im europäischen Osten - fordern seitens derer, die den Staat leiten, Sachlichkeit und Ausgewogenheit sowohl bei der Untersuchung der Lage als auch bei der Suche nach den Lösungen. Sie erfordern aktive Aufmerksamkeit auf die Probleme und moralische Strenge im Handeln, ohne dabei jemals zu vergessen, daß die Politik ihren Sinn und Wert verlieren würde, wenn sie aufhörte, Plan zu einer auf Gerechtigkeit und Solidarität gegründeten Gesellschaft zu sein. 2. Bei Ihrem schwierigen, aber wertvollen Dienst können Sie gewiß auf das Verständnis der Hirten der katholischen Gemeinschaften zählen, die mit den zivilen Behörden Beziehungen gegenseitiger Achtung und des Respekts sowie aktiver Zusammenarbeit unterhalten möchten. Die zahlreichen historischen und kulturellen Bande, die die Provinz Rom mit dem Apostolischen Stuhl verbinden, stellen einen starken Anreiz dar, zwischen diesen beiden Welten ein Klima des Vertrauens und des Dialogs zu schaffen hinsichtlich einer wirksamen Sorge für das Gemeinwohl. Indem ich den Wunsch ausspreche, daß ein solches Einvernehmen stets besser verwirklicht werde, versichere ich Ihnen, daß es seitens der katholischen Kirche nie an der Bereitschaft zum Einsatz fehlen wird, denn die Förderung des Menschen ist Grundbestandteil ihres Evangelisierungsauftrags. Wie schon das Zweite Vatikanische Konzil unterstrichen hat, trägt die Kirche, in der Liebe des Erlösers begründet, „dazu bei, daß sich innerhalb der Grenzen einer Nation und im Verhältnis zwischen den Völkern Gerechtigkeit und Liebe entfalten“. Weiter heißt es dort: „In der Treue zum Evangelium, gebunden an ihre Sendung in der Welt und entsprechend ihrem Auftrag, alles Wahre, Gute und Schöne in der menschlichen Gesellschaft zu fördern und zu überhöhen, festigt die Kirche zur Ehre Gottes den Frieden unter den Menschen“ (Gaudium et spes, Nr. 76). 3. Und gerade im Namen dieser Suche des Gemeinwohls, die unsere Bemühungen vereint, sei es mir gestattet, im Ausblick auf die erweiterten Kompetenzen, die der Provinz aus der Schaffung der Gebietskörperschaft Groß-Rom erwachsen, auf einige Probleme hinzuweisen, die ich bei meinen Pastoralbesuchen in Rom und Umgebung bereits die Gelegenheit hatte, aufzugreifen. Eine Gesellschaft, die mit Hoffnung in die Zukunft blickt, ist vor allem gerufen, sich ernsthaft mit der Lage der Jugend auseinanderzusetzen. Die Jugendlichen haben konkrete Antworten auf ihre Fragen und Sehnsüchte nötig. Ihre Unruhe, die bisweilen in Entfremdung, Irregehen oder Verzweiflung mündet, verrät eine Unzufriedenheit, die nicht allein mit Kon-sumgütem oder leeren Versprechungen gestillt werden kann. Während ich Zufriedenheit über das bereits Erreichte ausdrücke, kann ich nicht umhin, daran zu erinnern, daß Rom nach wie vor eine Stadt ist, die eine hohe Arbeitslosenziffer aufweist. Ich ermutige Sie daher zu erneutem Bemühen, Anstellungsmöglichkeiten für die Jugendlichen, vor allem die weniger begüterten, zu schaffen, sei es durch genossenschaftliche Versuche, sei es durch geschützte Arbeitsplätze in der Landwirtschaft oder aber durch Initiativen für den Umweltschutz. Neben der Jugend ist die Schule ein weiterer Sektor, der vorrangige Beachtung erfordert. Hier gilt es, die Integrationsbemühungen zwischen Schule und Umgebung zu fördern und konkret zu unterstützen, speziell was den Schutz gefährdeter Minderjähriger angeht. 828 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihre spezifische Rolle im Bereich der Fürsorge und Verhütung, Ihr Einsatz zugunsten der sozial schwächsten Kategorien und der nicht integrierten Gruppen können ferner nicht die erhofften Resultate erbringen, wenn Ihr Handeln zur wirksamen Unterstützung der Familien nachläßt bei den schwierigen Aufgaben, die der Rhythmus der modernen Gesellschaft der Familie auferlegt. Denn eine zentrale Rolle spielt in jedem Sozialprogramm die Familie, da diese als primäre Zelle der Gesellschaft den unverzichtbaren Bezugs- und Kontrollpunkt jeder Planung darstellt. Bei Ihrem täglichen Dienst an der Bevölkerung unterstützt Sie der Beitrag der Gläubigen, die für das Wohl des Menschen tätig sind. In ihren mannigfachen Ausdrucksformen arbeitet die Kirche tagtäglich in dieser Richtung und ziemlich oft in Stille. Ihr Eingreifen geschieht Seite an Seite mit den öffentlichen Strukturen auch durch die qualifizierte und anspomende Präsenz von Freiwilligen, die in Vereinen und Bewegungen und speziell bei der Caritas tätig sind, mit der die Provinz seit Jahren eine fruchtbare Zusammenarbeit unterhält. So macht sich dieses Ihnen wohlbekannte Heer von guten Samaritern zur Stimme derer, die keine Stimme haben, und verbreitet den Eifer der Liebe, der im Herzen der Kirche lebt, damit das Evangelium immer mehr zum Ferment der Liebe in einer erneuerten Welt wird. 4. Diesen Überlegungen schließe ich die Ermunterung an, stets mutig für den Schutz des Menschen tätig zu sein. Die Kirche Roms, die mit der Vorbereitung der Diözesansynode beschäftigt ist, ruft alle Gläubigen zu einer mutigen Überprüfung des Lebens auf, um ein einschneidenderes christliches Zeugnis zu geben. Es ist ein Anruf, der auch für die gilt, die öffentliche Verantwortung tragen. „Von ihnen ist - wie ich gestern beim Besuch einer römischen Pfarrei gesagt habe - ein kräftiger Glaube verlangt, der auf der Ebene der Taten nicht verleugnet wird; es ist Durchschaubarkeit bei der Verwaltung der allen gemeinsamen Güter gefordert; moralische Strenge, die keine Kompromisse verträgt, und großherziger Einsatz für das Gemeinwohl, auch wenn er nicht immer verstanden wird“ (Predigt beim Besuch der Pfarrei Vitiniä). In dieser Hinsicht verspreche ich ein besonderes Gebetsgedenken, daß Ihr Verstand erleuchtet werde bei der Suche nach passenden Lösungen für die oft komplexen Probleme, mit denen Sie sich jeden Tag auseinanderzusetzen haben. Mit diesen Gefühlen rufe ich auf Sie, auf Ihre Familien und auf die Einwohner der ganzen Provinz Rom den immerwährenden Segen Gottes herab. 829 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Umwandlung des inneren Menschen Predigt bei der Liturgiefeier in Santa Sabina am Aschermittwoch, 28. Februar 1. „Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider!“ (Joel 2,13). So sagt der Prophet Joel in der ersten Lesung dieses Aschermittwochs. Mit diesen Worten nimmt er Bezug auf die Gewohnheit seiner Zeitgenossen, die als Zeichen der Buße oder der Trauer sich die Kleider zerrissen und den Kopf mit Asche bestreuten. Heute legt die Kirche auch uns am Beginn der hl. vierzig Tage Asche auf. Diese Geste hat auch für unsere Zeit ihre Bedeutung. Die Worte aus dem Buch Genesis, die sie begleiten, sind ganz offensichtlich immer aktuell: „Staub bist du, zum Staub mußt du zurück!“ (3,19). Sie sprechen vom Gesetz des Todes, dem der Mensch und alles Geschaffene unterworfen ist. Im Zusammenhang mit der Liturgie des Aschermittwochs haben diese Worte immer noch „herzzerreißende“ Kraft. 2. Gerade diesen Zweck verfolgt der Prophet Joel. Die Buße (metanoia, Umkehr) zielt vor allem auf Umkehr ab, auf eine Umwandlung des inneren Menschen: „Zerreißt eure Herzen!“. Sicherlich ist Davids Psalm „Miserere“ ein bleibendes Zeugnis für dieses Zerreißen des Herzens. Die Umstände, unter denen dieser Psalm im Herzen und auf den Lippen des königlichen Propheten entstand, sind bekannt. Durch so viele Generationen und Jahrhunderte hin hat der Psalm nichts von seiner Aktualität verloren. Stets ist das Zeugnis für menschliche Sünde und Bekehrung lebendig geblieben: „Denn ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen. Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfällt“ (Ps 50/51,5-6). 3. „Erschaffe mir Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ (Ps 50/51,12). Das „Zerreißen des Herzens“ vollzieht sich im Innern eines jeden Menschen, der Empfinden für das Gute und das Böse hat. Wenn der Mensch sich im Gewissen um das „Zerreißen des Herzens“ bemüht, dann ist bei diesem Bemühen immer Gott dabei. Er handelt. Der Mensch muß vor allem „in seine Kammer gehen“, muß „die Tür zuschließen“. Er muß mit Gott allein bleiben, „der das Verborgene sieht“ (vgl. Mt 6,6). Selbst die Werke der Buße, wie Fasten, Almosen und Gebet erreichen nicht ihr Ziel, wenn diese innere „Verborgenheit“ fehlt, in der Gott den Raum wiedergewinnt, der ihm Vorbehalten ist. Und er handelt. Darin eben besteht das „Zerreißen des Herzens“. <685> <685> Was Gott dem Menschen in dieser Verborgenheit der Fastenzeit zu sagen hat, ist in der Tat eine „herzzerreißende“ Wahrheit. Der Apostel Paulus stellt sie uns genau vor, wenn er im Brief an die Korinther zur Versöhnung mit Gott aufruft: „Laßt euch mit Gott versöhnen! Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit 830 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gottes würden“ (2 Kor 5,20-21). Der Apostel spricht von Christus. Er spricht vom Geheimnis der Erlösung, das sich um den Preis seines Leidens und Sterbens auf Golgotha vollzogen hat. Aber nicht nur davon spricht er. Der Apostel spricht auch von dem, was diesem Geheimnis zugrunde liegt: daß nämlich der Sohn, der gleichen Wesens mit dem Vater ist, Er, der alle Gerechtigkeit Gottes in sich trägt, Er, der in keiner Weise „die Sünde gekannt hat“, um unse-retwillen zur Sünde gemacht wurde: „Der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen“, wie schon viele Jahrhunderte zuvor der Prophet Jesaja vorausgesagt hatte (vgl. 53,6). Dies ist die wirklich herzzerreißende Wahrheit! Im Namen dieser Wahrheit, im Namen Christi ruft der Apostel auf zur Versöhnung mit Gott. 5. Ist der Mensch von heute empfänglich für diese Wahrheit? Hat er sich nicht gegen den Aufruf der Kirche zur Fastenzeit in sich selbst verbarrikadiert? All das, was zu unserer technischen, audiovisiven, anthropozentrischen Zivilisation gehört, versperrt es nicht dem Menschen vielleicht den Zugang zu dieser inneren Kammer und läßt ihn nicht in der „Verborgenheit“ mit Gott allein verweilen? Ist das Menschenherz noch fähig zu diesem heilsamen „Zerreißen“, das ihn durch die Wahrheit und die Gnade wiederherstellt? Die Fastenzeit beginnt! Beten wir für unsere Zeitgenossen! Beten wir füreinander! Am Ende von Gebet und Buße dieser vierzig Tage wird uns „die Freude des Heils“ zuteil. „Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir! Mach mich wieder froh mit deinem Heil“ (Ps 50/51,13-14). Kirche ist in jeder Pfarrei Ansprache an die Pfarrer der Diözese Rom am 1. März Es ist gut, daß dieser erste Tag der Fastenzeit zum Tag der Begegnung mit dem Klerus von Rom geworden ist. Bei diesem Treffen macht sich der Bischof von Rom vor allem die Rolle des Hörenden zu eigen. Das ist sozusagen eine Vorwegnahme der geistlichen Exerzitien, die der Papst in einigen Tagen beginnen wird, eine sehr nützliche Vorwegnahme. Mit großer Aufmerksamkeit und großem Nutzen habe ich alles angehört, was ihr hier in dieser Versammlung vorgebracht habt. Natürlich sind es die Probleme der Synode, der Synode, die sich verwirklicht, die seit einigen Jahren im Gang ist. Die Probleme, die sich auf diesem Weg ergeben, und auch die Probleme, die durch diesen Weg hervorgerufen werden, denn die Synode muß ja ein „gemeinsamer Weg“, ein „gemeinsames Vorangehen“ sein, wie gesagt wurde, und wie es auch in der Bedeutung des griechischen Wortes liegt. Aber sie muß auch eine Provokation sein. Diese Provokation ist gefühlsmäßiger, affektiver Art, und das alles ist gut. Aber sie muß mehr in die Tiefe gehen, um Antwort zu finden. Ganz allgemein gesagt, glaube ich, daß wir noch über die Kirche Roms nachdenken müssen. Auf die Untersuchungen der Synode muß auch eine Provokation folgen, denn diese Kirche Roms ist nicht in vollkommenem Zustand. Wir sind uns alle ihrer Schönheit und Kraft bewußt, aber zugleich auch ihrer Schwäche oder ihrer ver- 831 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schiedenen Schwächen. Das Schlüsselwort, bei dem die Überlegungen der Synode angekommen sind, lautet: „Communio“. Das ist wirklich das Schlüsselwort. Die Synode greift natürlich die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums auf, eine äußerst reiche Ekklesiologie. Fast alle sind überzeugt, daß die Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums sich am passendsten in dem Wort „Communio“ zusammenfassen läßt. Nicht nur, aber doch vor allem in diesem Wort. Das haben z. B. auch die Mitglieder der Außerordentlichen Synode im Jahr 1985, dem 20. Jahr nach dem Konzil, im Schlußdokument festgestellt. Wenn wir nun aber dieses Wort „Communio“ nehmen, dann wird sichtbar, daß das Zweite Vatikanische Konzil, das sich vor allem mit der Kirche beschäftigte, zugleich auch ein tiefschürfend theologisches Konzil war und uns den unbedingt notwendigen Weg gezeigt hat, der die Kirche zu Gott führt, zur Wirklichkeit Gottes, zum Geheimnis Gottes, denn Gott ist „Communio“, Gemeinschaft. Er ist Gemeinschaft, weil er Liebe ist, und weil er Liebe ist, muß er notwendig Gemeinschaft sein. Das ist sein Geheimnis, es ist seine tiefste geoffenbarte Wirklichkeit. Ohne die Offenbarung wäre es nicht möglich, diese Wirklichkeit zu begreifen, daß Gott Gemeinschaft ist. Unsere Brüder der nichtchristlichen Religionen haben auch einen Begriff von Gott, dem „Einzigen“, einen monotheistischen Begriff. Aber sie kennen nicht den Begriff: Gott als Communio. Dieser Gott, der Communio ist, der Schöpfer des Universums ist, ist Schöpfer als Gemeinschaft. Das geht klar aus der göttlichen Offenbarung hervor. Wir begegnen dem Gemeinschaftscharakter in der Schöpfung. Dem Geschaffenen ist sein Geheimnis eingeprägt, das Geheimnis der Gemeinschaft in Gott. Doch Gott kann vor allem, da er Gemeinschaft ist, da er Schöpfer der Welt ist, nicht nur transzendent oder indifferent bleiben - wie es die Auffassung der Aufklärung war. Nach der Auffassung der Kirche und des Christentums ist diese indifferente Transzendenz eine Beleidigung Gottes. Sie steht in Gegensatz zu dem, was er wirklich ist. Wir müssen hinzufügen, daß diese Auffassung, diese Denkweise, die aus dem Zeitalter der Aufklärung stammt, in der heutigen Gesellschaft ziemlich verbreitet ist, wie sie es auch in der Gesellschaft der letzten Jahrhunderte, zumindest im vergangenen Jahrhundert, war. Dieser Gott, der „Communio“ ist, ist auch „Missio“, Sendung. Die Lehre über die Kirche, wie sie das Zweite Vatikanum darlegt, zeigt uns, daß Gott Sendung ist, weil er Gemeinschaft ist. Er ist Schöpfer, weil er in seiner Dreifaltigkeit Sendung ist. Dieser Gott überläßt die Welt nicht sich selbst. Er läßt es nicht zu, daß diese Welt eine von ihm losgelöste Wirklichkeit wird. Wenn er auch ihre Selbständigkeit respektiert, vor allem die Selbständigkeit des Menschen, die Autonomie der menschlichen Freiheit, des freien Willens, die Autonomie, die von ihm, von Gott herkommt. Gott, der Liebe ist, Gott, der Communio ist, macht sie zur Missio, zur Sendung. Die Kirche ist Frucht dieser Sendung. Wir tragen von der Wurzel her diese Wirklichkeit Gottes, der Gemeinschaft und Sendung ist, in uns. So wird Kirche. Kirche in ihrer Universalität und auch in jeder Teildimension. So wird Kirche auch in jeder Pfarrei. Die Kirche in jeder Pfarrei trägt dieses Geheimnis Gottes in sich, der Gemeinschaft und Sendung ist. Sendung, weil er Gemeinschaft ist. Sendung und Gemeinschaft, weil er Liebe ist. Mit dieser Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums müssen wir immer mehr vertraut werden. Diesen Maßstab müssen wir immer mehr an unsere Art, zu denken und zu handeln, legen. Das ist die prophetische Rolle des Zweiten Vatikanischen Konzils für 832 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unsere Generation und für viele kommende Generationen. Wir müssen mit dieser Ekklesiologie leben, denn wenn wir das tun, leben wir mit der geoffenbarten, trinitarischen Theologie und vor allem mit dem Geheimnis der Schöpfung, mit diesem wunderbaren Geheimnis, das das Christentum und die Kirche darstellt, das Geheimnis der Erlösung, das Ostergeheimnis. Nach einem Konzil, das uns einen solchen Reichtum an kirchlicher Lehre geschenkt hat, war eine Synode notwendig, und sie wird an vielen Orten, in vielen Diözesen der Welt gehalten. Die Synode macht sich diesen Reichtum zu eigen, diesen Reichtum des Konzils, um die Kirche mehr zum Leben zu bringen und durch die Kirche das Geheimnis Gottes tiefer ins Leben zu tragen, das Geheimnis der Schöpfung, das Geheimnis der Erlösung und, letzten Endes, um mehr das Geheimnis des Menschen zu leben. Das alles ist vollkommen miteinander verbunden. Es ist eine organische Einheit, und das Zweite Vatikanische Konzil hat es in seinen Dokumenten, seinen Konstitutionen verstanden, sie der Kirche als Lehre zu übergeben. Natürlich, wenn wir dies alles auch wissen und leben, so treffen wir in der menschlichen Wirklichkeit, in einer Stadt wie Rom, in der westlichen Welt, ja in jeder römischen Pfarrei gleichzeitig auf einen entgegengesetzten Prozeß. Man kann diesen Prozeß verschieden benennen. Aber vielleicht ist das Wort „Säkularisation“ das geeignetste, um eine Gegentendenz zur Gemeinschaft, eine Gegentendenz zur Sendung zu bezeichnen. Wir wollen als Kinder dieser Welt in dieser Welt leben, und nicht mehr so, als ob Gott außerhalb der Welt sei, als ob er nicht existiere. Diese entgegengesetzte Tendenz kommt nicht immer klar zum Ausdruck. Es ist kein programmgemäßer Atheismus, oft ist es Agnostizismus. Oft ist es eine Haltung der Bequemlichkeit, denn dieser Gott, der Gemeinschaft ist, der sich durch das Leiden Christi, durch das Kreuz und die Auferstehung Christi geoffenbart hat, ist ein anspruchsvoller Gott. Er will den Menschen, das Heil des Menschen und seine Vollkommenheit. Er will, daß der Mensch Anteil erhalte an seiner Gottheit. Das Programm der Verweltlichung aber will den Menschen von alledem freimachen. Dir genügt die Welt, behauptet es, für dich ist die Welt genug. Das stimmt nicht, antworten wir, das ist nicht wahr, denn am Ende läßt die Welt den Menschen als Leichnam zurück. Was die Säkularisation will, stimmt also nicht, auch wenn es Eindruck macht, wenn es leicht ist. Liebe Mitbrüder, die Kirche in allen ihren Dimensionen, als Weltkirche, Kirche Roms, Teilkirche, Kirche der Diözese, der Pfarrei, Kirche in jeder Dimension, ist - und es könnte nicht anders sein - ein Ort, an dem diese beiden Wirklichkeiten, die Wirklichkeit Gottes, der Gemeinschaft und Liebe, Gemeinschaft und Sendung, Schöpfer und Erlöser ist — und die Wirklichkeit des Menschen, der nur durch Christus sich selbst erkennen kann (eine Wirklichkeit, an die das Zweite Vatikanum erinnert und die es uns vorgestellt hat) -, auf-einandertreffen. Gott einerseits; andererseits die Tendenz, die vom Säkularismus, von der Gleichgültigkeit, vielleicht von einer Aufklärungsmentalität und manchmal auch vom Marxismus herkommt. Das ist unsere Situation, und sie ist nicht leicht. Wir haben eine verantwortungsvolle, anfordemde Aufgabe, und manchmal scheint sie unsere Kräfte zu übersteigen. Aber Christus hat das alles vorausgesehen, und er hat uns versichert, daß er bei uns bleibt bis ans Ende der Welt. Am Ende wird der Sieg ihm gehören, ja er ist bereits sein seit der Auferstehung. Innerhalb dieser Situation ist Christus schon auferstanden, und 833 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Sieg ist sein. Das ist die geschichtliche Wirklichkeit der Welt. Es gibt immer Spannungen, ja zunehmende Spannungen. Aus alledem ergibt sich ein Zweifaches, und es wäre vielleicht nützlich für die Reflexion der Synode. Wir müssen in sehr tiefer Gemeinschaft mit Gott leben, um seine Missio-Communio voranzubringen, seine göttliche, dreifältige Sendung. Wir müssen immer stärker in Gemeinschaft untereinander stehen, eins miteinander, denn das ist die Folge davon, daß wir Gottes Bild und Abbild sind, Folge unserer christlichen Berufung. Das gebietet uns auch die missionarische und pastorale Strategie des Evangeliums. Darum bin ich dem Kardinalvikar, den Weihbischöfen und euch allen sehr dankbar. Die Synode ist auf dem Weg, sie geht voran. Auf welche Art muß sie zur Praxis werden, und ist sie schon Praxis? Schon ihre Einberufung, ihr synodaler Prozeß ist eine Praxis. Wie könnte sie noch mehr zur Herausforderung werden? Es wäre vielleicht von Nutzen, wenn sie noch mehr zur Herausforderung würde, denn viele schlafen. Vor allem aber wirft dieser synodale Prozeß Licht auf das, was eure Alltagsarbeit, eure tägliche priesterliche und seelsorgliche Existenz bildet. Und wenn auch die Synode eine Anstrengung, eine Aufgabe darstellt - wir können sagen ein „Mehr“ - so leistet diese Aufgabe doch auch jedem von uns einen bereichernden Dienst. Sie macht unser schwieriges Leben vielleicht etwas weniger schwierig, denn sie läßt uns zusammen mit dem Volk Gottes vorangehen. Sie stellt die Einheit der Priesterschaft dar, und wir wissen gut, daß die Einheit Kraft bedeutet. Es gilt diese Einheit immer mehr zu fördern, die Einheit des Gottesvolkes, die Einheit der Priester, die Einheit mit unseren Brüdern und Schwestern im gottgeweihten Leben. Die Einheit mit allen unseren engagierten Laien und, nicht zu vergessen, mit unseren Katecheten, den Helfern im Gesundheitsdienst, in der Caritas und in vielem anderen. Ich mache, wenn es mir möglich ist, die Pastoralbesuche in Rom und sehe mehr oder weniger, wie diese Kräfte vorhanden sind und zunehmen. Vielleicht nimmt die Zahl derer, die zur Sonntagsmesse kommen, ab. Andererseits aber nimmt die Zahl derer, die sich zu einem Einsatz zur Verfügung stellen, zu. Wir müssen uns also zu einer noch tieferen Einheit zusammenschließen, zu einer tieferen Einheit mit allen, die die Kirche Roms bilden, die lebendige Kirche. Auch im Hinblick auf diese säkularisierte Welt und wegen dieser Welt ist die Situation ähnlich der nach Pfingsten, nach der Auferstehung und der Himmelfahrt Christi, zur Zeit der Urkirche. Sie ist ihr sehr ähnlich. Natürlich ist der geschichtliche Kontext sehr verschieden. Aber unsere Situation ist sehr ähnlich. Ich danke euch, daß ihr mir zugehört habt und mir Gelegenheit gegeben habt, euch diese meine Gedanken über die Synode und vor allem über den Begriff der Communio, mit dem die Synode arbeitet, darzulegen. 834 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Grundwerte der Familie bedroht Ansprache an den Italienischen Verband Christlicher Familienberatungsstellen am 2. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit Freude habe ich die Einladung zu einer Begegnung mit euch angenommen, die ihr am sechsten nationalen Kongreß des Italienischen Verbandes Christlicher Familienberatungsstellen teilnehmt. An alle und jeden einzelnen richte ich meinen hebevollen und herzlichen Gruß. Meine Hochachtung drücke ich besonders dem kirchlichen Berater Erzbischof Dionigi Tettamanzi von Ancona-Osimo und der nationalen Vorsitzenden, Frau Abgeordnete Ines Boffardi, aus. Die Kirche blickt mit großem Interesse auf die Tätigkeit, die eure Beratungsstellen seit fahren mit professioneller Kompetenz und einem tief menschlichen und christlichen Geist versehen, hat euer Dienst doch die Familie zum Gegenstand, die im lebendigen Bewußtsein der Kirche ein grandlegendes Gut des Menschen darstellt und im Volk Gottes die Würde der „Hauskirche“ innehat. Die Familie, die einerseits dem ewigen und unwandelbaren Plan Gottes entspricht, anderseits jedoch dem Einfluß der zeitbedingten Eigenheiten der verschiedenen Geschichtsepochen unterliegt, trifft in der Gesellschaft und Kultur von heute neben positiven Anstößen auf mannigfache Schwierigkeiten und Gefahren. Aufgrund der wachsenden Anerkennung ihrer personalen und sozialen Werte in der zivilen Gemeinschaft und in der Kirche, erlebt sie heute eine glückliche Zeit. Zugleich aber sind ihre Grundwerte, die Liebe und das Leben, heute vielfach und auf verschiedenen Ebenen schwer bedroht. Zum Glück sind heute für den Schutz und die Förderung der Familie neue Mittel und wertvolle Hilfen verfügbar: darunter die Familienberatungsstellen, vorausgesetzt, daß sie ihre wahre Natur des Dienstes an der Familie respektieren. <686> <686> Das Arbeitsthema eures Kongresses wurde eindrucksvoll mit den Worten formuliert: „Als Person entstehen, als Personen wachsen“. Es ist ein Thema, das die Einstellung der christlichen Beratungsstellen glücklich zum Ausdruck bringt, gilt deren Dienst doch der Person, dem Ehepaar und der Familie: also der „Person in Beziehung“. Tatsächlich ist die Person als solche als lebendige Beziehung zu definieren, als „Ich“ geöffnet auf das „Du“ des anderen, besonders in jener Grundbeziehung, die sich in der Urerfahrung des Lebens als Paar und als Familie verwirklicht. Zwei wesentliche Momente dieser Beziehung habt ihr vertiefen wollen: die Entstehung und das Wachstum. Es ist zweifellos äußerst wichtig, die menschliche und daher typisch personale Dimension des Entstehens und des Wachsens im Kontext einer Kultur zu erfassen und darzulegen, die diesen Momenten des Lebens allzu oft nur unter der Betrachtung von Teil-und oberflächlichen Aspekten entgegentritt. Sei es wegen der Notwendigkeit, die tieferen Ursachen des Unbehagens zu erreichen, von dem die zwischenmenschlichen Beziehungen im Ehepaar und in der Familie gezeichnet sind, sei es wegen der Erfordernisse, eine rechtzeitige und weitgreifende vorbeugende, d. h. die Person erziehende, Tätigkeit zu entwickeln, ist der Dienst der Familienberatungsstellen vor allem auf die humanen, psychologischen, affektiven und beziehungsmäßigen Aspekte der Person ausgerichtet. 835 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In diesem Sinn können eure Familienberatungsstellen in der christlichen Ausrichtung, die sie prägt, den Antrieb zu einer einschneidenderen Aktion für die Globalität und Einheit der Werte und Bedürfnisse der Person finden und gleichzeitig den Anstoß zu einem gänzlich neuen und originellen Beitrag für die Person selbst: wurzelt doch die christliche Ausrichtung in jenem Glauben, der staunend, mit großer Bewunderung die ganze Wahrheit des Menschen erkennt als Wesen, das in Jesus Christus geschaffen, Gott ebenbildlich und ähnlich ist: dem Gott, der Person ist, der Liebe ist, die sich gibt (vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 7). 3. In diesem Licht stellt sich das „Entstehen“ der Person als zutiefst personales Phänomen dar, nicht nur in dem Sinn, daß die Personen der Eltern und des Kindes daran beteiligt sind, sondern auch in dem Sinn, daß sowohl diese wie jenes in ihrer Würde als Personen, die sich geben, auf den Plan gerufen sind. Das menschliche „Entstehen“ ist Frucht und Zeichen einer Gabe der Liebe. Gabe des Mannes an die Frau und der Frau an den Mann. Doch mehr noch Gabe beider miteinander an das Kind, in dessen „neuem Fleisch“ sie ja letztlich „ein Fleisch“ werden. In der Perspektive, die in gewisser Weise von der menschlichen Vernunft erahnt und vom Glauben leuchtend erhellt wird, drückt - im zeitlichen Bereich - die eheliche und elterliche Hingabe die ewige Gabe Gottes, des Schöpfers und Vaters, aus und macht sie sichtbar. Die Eltern sind die Werkzeuge und die bewußten und verantwortlichen Mitwirkenden dieser geheimnisvollen Gabe, welche die Urwurzel ist, aus der jeder Mensch, der auf diese Welt kommt, entspringt. Damit das „Als-Person-Entstehen“ seine ganze Wahrheit enthüllen und verwirklichen kann, ist es daher notwendig, daß sich die Eheleute „in ihrer Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben und zu erziehen“, als „mitwirkend mit der Liebe Gottes, des Schöpfers, und gleichsam als Interpreten dieser Liebe“ wissen (Gaudium et spes, Nr. 50). Daraus geht hervor, daß das Kind von Anfang an und immer in seiner unermeßlichen Personwürde betrachtet und geliebt werden muß, als Wert an sich und für sich, als ein Gut, als eine Gabe. Ja, als eine Gabe, denn dies ist seine tiefe Identität: „Als Frucht ihrer gegenseitigen Liebesschenkung ist es seinerseits ein Geschenk für beide: eine Gabe, die der Gabe entspringt“, wie ich in der Ansprache an das 7. Symposium der europäischen Bischöfe sagte (17. 10. 1989, Nr. 5). <687> <687> Die Perspektive der Gabe, die die Eltern und das Kind auf dieselbe Ebene personaler Würde stellt, wird entscheidend und qualifizierend für alle Probleme, die mit dem Wachstum und der menschlichen Reifung der Personen besonders in ihrem gegenseitigen Verhältnis Zusammenhängen. Alle zwischenmenschlichen Beziehungen, und in besonderer Weise die Beziehungen zwischen den Ehegatten sowie zwischen den Eltern und Kindern, die den anderen gegenüber als grundlegend und sinnbildlich hervortreten, müssen entsprechend der Würde und dem der Person eigenen Zweck verwirklicht werden. Zu dieser Würde sagt das Zweite Vatikanische Konzil einfach, doch mit außerordentlicher Dichte, „daß der Mensch, der auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst wülen gewollte Kreatur ist, sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann“ (Gaudium et spes, Nr. 24). 836 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das „Wachsen als Personen“ bedeutet also, jedem die Mittel und Bedingungen bieten, damit er „sich selbst vollkommen finden kann“, d. h. sich als Person in seiner Würde als „Gabe“ und in seinem Zweck der „Hingabe“ an die anderen verwirklichen kann. Und das ist die erste und grundlegende Aufgabe der Familie, wie ich im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio geschrieben habe: „Ihre erste Aufgabe ist es, die Wirklichkeit ihrer Einheit treu zu leben in dem ständigen Bemühen, eine echte Gemeinschaft von Personen zu bilden“ (Nr. 18). Auch der Dienst der Beratungsstellen kann eine wichtige Hilfe zur besseren Verwirklichung dieser Aufgabe sein, vor allem in den Situationen, in denen die Beziehungen im Paar und in der Familie aufgrund psychologischer, erzieherischer, umweltbedingter und sozialer Schwierigkeiten sich problematisch gestalten und drohen, brüchig zu werden oder sogar ganz auseinanderzugehen. 5. Diese Sicht der Person als „Gabe, die sich zur Gabe macht“ rechtfertigt keineswegs eine privatisierende und verschließende Interpretation der Ehe- und Familienproblematik; im Gegenteil, richtig verstanden, liefert eine solche Sichtweise die Basis und den Antrieb zu einem spezifisch sozialen Engagement. Tatsächlich trägt der daraus hervorgehende menschliche Elan, dadurch, daß er die zwischenmenschlichen Beziehungen im Paar und in der Familie bereichert, positiv zur Humanisierung der ganzen Gesellschaft bei. Diese ihrerseits gewahrt in dieser Sichtweise klare Verantwortungen dem Paar und der Familie gegenüber und versteht, daß sie ihnen die Möglichkeit bieten muß, die charakteristische humanisierende Rolle maximal zu entwickeln. Auch in diesem Sinn habe ich den apostolischen Einsatz der gläubigen Laien in Erinnerung bringen wollen, ein Einsatz, der von euch in den Beratungsstellen Tätigen in privilegierter Form geleistet wird: „Ein umfassender, tiefgehender und systematischer Einsatz, der nicht nur durch die Kultur, sondern auch durch materielle Mittel und durch die gesetzgebenden Organe unterstützt wird, ist erforderlich, damit die Familie ihre Aufgabe als erster Ort der ,Humanisierung’ der Person und der Gesellschaft erfüllen kann. Das apostolische Engagement der Laien geht zunächst dahin, in der Familie das Bewußtsein ihrer Identität als erste Zelle der Gesellschaft und ihrer ursprünglichen Aufgabe in ihr zu wecken. Dadurch soll sie immer mehr zum aktiven und verantwortlichen Protagonisten ihres Wachstums und ihrer Teilnahme am Leben der Gesellschaft werden“ (Christifideles laici, Nr. 40). Ja, meine Lieben, das sind die edlen Aufgaben, die vor euch liegen. Indem ich euch ermuntere, ihnen mit erneutem Schwung nachzugehen, segne ich alle von Herzen. 837 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Kultur galt besondere Aufmerksamkeit Ansprache an die kirchliche Bewegung für kulturelles Schaffen am 3. März Liebe Verantwortliche und Mitglieder des Verbandes katholischer Intellektueller! 1. Es ist mir eine Freude, euch heute, anläßlich eurer IV. Nationalversammlung zu begegnen. Ich begrüße euren Vorsitzenden, den geistlichen Assistenten und alle Verantwortlichen auf nationaler Ebene. Insbesondere grüße ich Bischof Salvatore De Giorgi, neuer Generalassistent der Katholischen Aktion Italiens und somit auch geistlicher Leiter eurer Bewegung. Ich spreche ihm nochmals meine aufrichtigsten Wünsche für die Ausübung seines Amtes unter euch und in der größeren Familie der Katholischen Aktion Italiens aus. Das Thema eurer Versammlung, „Ein Glaube, offen für den Geist und tätig in der Welt“ eignet sich sehr für Menschen, die, wie ihr, dazu berufen sind, sich im weiten und problematischen Bereich der zeitgenössischen Kultur einzusetzen mit einer Haltung, die dem christlichen Glauben entspringt, und die sich stets am kirchlichen Lehramt orientieren, auch aufgrund der Zugehörigkeit zur Katholischen Aktion, die euer Handeln kennzeichnet. 2. Zu allen Zeiten hat die Kirche der Kultur ihre besondere Aufmerksamkeit zugewandt, drückt sie doch die erhabensten Gefühle des Menschen aus und beeinflußt seine Entscheidungen. Darüber hinaus kann ein Christ nicht von einer Konfrontation der Kultur mit den Lehren des Evangeliums absehen. Wie ihr wißt, hat mein Vorgänger Paul VI. im Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi betont, daß die dramatische Situation unserer Zeit sich mehr denn je auf einen Bruch zwischen Evangelium und Kultur zurückführen läßt. Darum rief er die kirchliche Gemeinschaft auf, „alle Anstrengungen zu machen, um die Kultur, genauer die Kulturen, auf mutige Weise zu evangelisieren. Sie müssen durch die Begegnung mit der Frohbotschaft von innen her erneuert werden“ (Nr. 20). Vor allem die Konzilskonstitution Gaudium et spes widmet diesem Thema aufschlußreiche Seiten. Indem sie vor allem einige „Gesichtspunkte für die rechte Pflege menschlicher Kultur“ festlegt, betont sie deren berechtigte Autonomie (Nr. 59) und prangert gewisse kritische Aspekte des heutigen Fortschritts in Wissenschaft und Technik an, besteht jedoch gleichzeitig auf jenen Werten der zeitgenössischen Kultur, die in gewissem Sinn für die Aufnahme der Botschaft des Evangeliums vorbereiten können (Nr. 57). Was das Thema der wechselseitigen Beziehung zwischen Glaube und Kultur betrifft, möchte ich wiederholen, was ich schon bei einer anderen Gelegenheit sagte: „Es gibt eine christliche Qualifizierung der Kultur, und man braucht sich nicht zu scheuen, davon zu sprechen, ist doch der Glaube an Christus nicht einfach ein Wert wie andere, welche von:verschiedenen Kulturen hervorgehoben werden. Für den Christen ist er vielmehr das entscheidende Kriterium für eine Beurteilung aller Werte, wenn auch in voller Respektierung ihres Eigenwertes“ (.Insegnamenti, VII, 1, 1984, S. 261). Der Glaube liegt also keineswegs der Kultur fern, sondern schafft sie vielmehr: dieser Feststellung entspringt die zu verwirklichende Aufgabe und eine Tradition, die es zu erhalten und weiterzugeben gilt. Anläßlich des Katholikentages von Loreto habe ich, was den Einsatz der Kirche in Italien betrifft, zu Mut und Vertrauen aufgefordert: Auch im heutigen Kontext der 838 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Säkularisierung - die in vieler Hinsicht einer Entchristlichung gleichkommt - müssen wir für die Zukunft das Ziel anstreben, daß der Glaube „eine führende Rolle spiele und eine mitreißende Kraft habe oder wiedergewinne“, und zwar aufgrund einer auch öffentlichen Präsenz in der Gesellschaft und in der Absicht, „dahin zu wirken, daß die Gesellschafts-Strukturen all jene ethischen Werte achten oder sie wieder mehr achten lernen, in denen sich die volle Wahrheit über den Menschen widerspiegelt“ (Insegnamenti, VTTT, 1, 1985, S. 1001-1002). 3. Euer kulturelles Engagement als Jünger Christi und Mitglieder einer typisch kirchlichen Bewegung muß demnach für die echten menschlichen Werte aufgeschlossen sein, wo immer sie sich auch finden. Es soll sie zu ihrem göttlichen Ursprung zurückführen, um sie von den Schlacken des Irrtums und der Sünde zu reinigen, damit man mit jenen Menschen, die sie zum Ausdruck bringen, einen kompetenten und ehrlichen Dialog aufhehmen kann. Gerade diese Verpflichtung zum Dialog jedoch fordert von euch die ständige Pflege und Verteidigung der kulturellen christlichen Identität, die euch zu echten und reifen Glaubenden macht und es euch gestattet, im Dialog Früchte für das Evangelium einzubringen. Den Ideen und Vorschlägen gegenüber, die unter dem Vorwand höherer und modernerer Kultur der christlichen Auffassung vom Menschen und von der Gesellschaft widersprechen, verschließt sich der Glaubende nicht nur, sondern er widerlegt sie ohne Zweideutigkeit und betont, daß sie illusorisch und schädlich sind, und das umso mehr, als die Geschichte selbst oft das Trügerische und Unmenschliche vieler Ideologien beweist. 4. Auch heute also darf die christliche Kultur, um wahr und wirksam zu sein, keine Erkenntniskonzepte übernehmen, die von ihrer Struktur her schwach sind, sie muß sich von Unsicherheiten befreien, darf sich nicht von Zweifeln leiten lassen, die nicht nur die Methoden betreffen, und ebenso wenig darf sie sich ausweglosen Problematiken verschreiben. Die Kultur muß zur Wahrheit hinführen. Die Wahrheit über die Dinge und die Geschichte sowie über das Leben des Menschen darf nicht kritiklos hingenommen, sondern muß ehrlich und vertrauensvoll gesucht und mit Mut und Überzeugungstreue gepflegt werden. Ein kulturelles Vorgehen dieser Art wird notwendigerweise auf Christus hingeordnet sein, der die Fülle der Wahrheit, die für unser Heil menschgewordene Wahrheit ist. Alle Träger der Kultur sollten das Faszinierende dieses „itinerarium mentis in Deum“ als den letzten und erhellenden Sinn ihres Engagements empfinden. Eure Kultur muß somit universal ausgerichtet sein: Sie darf sich nicht in einen Sektor einschließen oder auf einige wenige Milieus beschränken, sondern muß, ohne Verzicht auf die verpflichtende wissenschaftliche Kompetenz im eigenen Bereich, imstande sein, den Horizont aller Wirklichkeiten wahrzunehmen, angefangen von den geistlichen und religiösen. Die Synthese von Glauben und Kultur, von Glauben und Leben soll für euch Quelle geistlicher Freude und Ansporn zu einem unablässigen Engagement sein. <688> <688> Diese faszinierende Synthese kommt nicht ohne klare Voraussetzungen zustande. Sie erfordert einen Glauben, der einer echten Reife entspringt, einer Reife, die in der intellektuellen Aufnahme der Gegebenheiten der Offenbarung besteht und vor allem voraussetzt, daß 839 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wir wahrhaft „geistliche“ Menschen sind, von der Weisheit erfüllt, die dem Gebet den Vorrang einräumt und es gestattet, sich mit den Dingen des Herrn im Einklang zu fühlen. Darüber hinaus muß der Glaube innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft gelebt werden, vor allem dann, wenn er alten und neuen ethischen Problemen gegenübersteht. Man darf sich keineswegs von verbreiteten geistigen Strömungen und einem Lebensstil verführen oder ein-schüchtem lassen, die die moralischen Dimensionen und Erfordernisse des Glaubens relativieren und ihn subjektiven Entscheidungen und Interessen unterordnen. Echter Glaube scheut es schließlich auch nicht, in jenen öffentlichen Sektoren der Gesellschaft und der Politik Zeugnis abzulegen, in denen angesichts der Schwierigkeiten des Engagements die Versuchung der Flucht ins Privatleben auftauchen oder dieses Engagement Ein-zelinteressen untergeordnet sein kann. Die Selbsterziehung zu einem Leben des Zeugnisses im gesellschaftlichen und politischen Bereich ist für alle, die sich in erster Linie für eine christlich qualifizierte Kultur entschieden haben, eine unabdingbare Verpflichtung. 6. Liebe Brüder und Schwestern, ein Glaube, der für die Gaben des Heiligen Geistes geöffnet ist und eine evangelisch wirksame Präsenz in der Welt fordern von euch allen ein ständiges Bemühen um Kenntnisse und um Bildung sowie ein Zeugnis, das sich auf das Gebet stützt und von ihm Nahrung empfängt. Dies ist der Weg, der euch, von eurer IV. Versammlung ausgehend, erwartet. Ich wünsche eurer Bewegung, sie möge für unsere Gesellschaft der Sauerteig, das Salz und das Licht sein, von denen das Evangelium spricht und erteile euch allen aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Analphabetentum: eine große Armut Schreiben an den Herrn Generalsekretär der Vereinten Nationen Javier Perez de Cuellar vom 3. März Anläßlich des Internationalen Jahres der Alphabetisierung, das von den Vereinten Nationen beschlossen und zur Durchführung der UNESCO anvertraut wurde, ist mir daran gelegen, das große Interesse des Heiligen Stuhles an dieser Initiative zum Ausdruck zu bringen und ihr die gewünschte Unterstützung zu gewähren. Leider muß man feststellen, daß trotz aller Bemühungen der einzelnen Nationen und der internationalen Organisationen die Zahl der Analphabeten im Steigen begriffen ist, da in vielen Gebieten die Entwicklung des Schulwesens nicht mit dem der Bevölkerung Schritt hält. Anderseits gibt es auch, wenngleich auf weniger sichtbare Weise, in den industrialisierten Ländern Analphabeten, und das nicht nur infolge der Einwanderung von Menschen, die keine Schule besucht haben, sondern auch deshalb, weil viele Jugendliche keine Gelegenheit hatten, sich im Lauf ihrer normalen Ausbildungszeit eine dauerhafte Kenntnis des Lesens und Schreibens anzueignen. Jeder, dem die Möglichkeit versagt wurde, lesen, schreiben und rechnen zu lernen, ist um sein fundamentales Recht auf Bildung gebracht worden und bleibt in seinen Beziehungen zur Gesellschaft ein Benachteiligter. Das Analphabetentum ist eine große Armut, ist oft Syno- 840 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nym von Ausgegrenztsein und ist die Ursache dafür, daß viele Männer und Frauen abseits eines beachtlichen Teiles des kulturellen Reichtums der Menschheit leben und keine Möglichkeit haben, ihre persönlichen Fähigkeiten voll zu entfalten und eine Berufsausbildung zu erwerben. Deshalb begrüße ich dankbar die Bemühungen aller, die einen Teil ihrer Arbeit, im Auftrag der UNESCO oder anderer öffentlicher oder privater Organisationen, der Alphabetisierung widmen. Wenn sie dabei mehr und mehr auf der Qualität dieser Tätigkeit und auf weiterreichender Ausbildung bestehen, erweisen sie dem Menschen einen echten Dienst. Mit der Erarbeitung und der Durchführung eines vollständigen Bildungsprogrammes, das auf der Kenntnis des Lesens und Schreibens beruht, geht die UNESCO deshalb besonders auf die Notwendigkeiten unserer Zeit ein, weil alle Völker, selbst die, deren Kultur sich bisher auf die mündliche Überlieferung beschränkte, zu einem Leben in immer größerer Unabhängigkeit berufen sind, das von der Bedeutung des Zugangs zu wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen geprägt ist. Im Interesse des wahren Wohles des Menschen muß die Einführung in die elementaren Kenntnisse von einer qualitativ hochstehenden Allgemeinbildung begleitet sein, damit die am wenigsten Begüterten in die Lage versetzt werden, die wissenschaftlichen Fortschritte anzunehmen, ohne deshalb die ihrer Kultur eigenen Wesenszüge zu verletzen oder die echten Werte ihrer Tradition geringzuschätzen. Die Alphabetisierung, eine dringende Pflicht für die Menschheit, wird nur dann wirklich ihr Ziel erreichen, wenn sie in ein Programm ganzheitlicher kultureller Entwicklung eingefügt wird. Sie ist der Ausgangspunkt für eine Bildungsarbeit, die ausdauernd, koordiniert und von genügender Dauer sein muß. Viele Regierungen haben für das Internationale Jahr der Alphabetisierung weitreichende Initiativen geplant. Ich fordere sie nachdrücklich auf, in diesem Sinn vorzugehen, kann doch ein wirksamer Kampf gegen die Unwissenheit nur einer gesamtheitlichen Politik und der großmütigen Zusammenarbeit aller entspringen. Was die katholische Kirche betrifft, so nimmt sie seit langer Zeit an den Bemühungen um die Alphabetisierung teil, sowohl in den industrialisierten als auch in den Entwicklungsländern. In ihren Schulen, Universitäten und Kulturzentren möchte sie im Dienst aller stehen, ohne Rücksicht auf Rasse, Hautfarbe oder Religion, um so die empfangenen Reichtümer anderen mitzuteilen. In diesem Internationalen Jahr lade ich alle Katholiken zur Teilnahme an den Initiativen zugunsten der in bildungsmäßiger Hinsicht weniger Begüterten ein. Herr Generalsekretär, ich versichere Sie meiner Unterstützung bei der Erfüllung einer Aufgabe, deren Dringlichkeit die Vereinten Nationen mit Recht betonen, und der die UNESCO den verdienten Vorrang gibt. Aus ganzem Herzen wünsche ich, daß es einer möglichst großen Zahl von Männern und Frauen vergönnt sei, leichter Zutritt zur Kultur zu haben, um so unablässig die geschwisterlichen Beziehungen bereichern zu können. Aus dem Vatikan, 3. März 1990 Joannes Paulus PP II. 841 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gottes Segen für Namibia Glückwunschtelegramm anläßlich der Proklamierung der Unabhängigkeit der südwestafrika-nischen Republik Namibia an den neugewählten namibischen Staatspräsidenten Sam Nunoma vom 11. März Aus Anlaß der Feierlichkeiten zum Zeichen der Unabhängigkeit von Namibia entbiete ich eurer Exzellenz herzliche Glückwünsche. Die Republik Namibia nimmt nun ihren rechtmäßigen Platz in der Völkerfamilie ein, und ich spreche die starke Hoffnung aus, sie möge immer den Segen sozialer Harmonie und einer ganzheitlichen Entwicklung erfahren, die das Wohlergehen all ihrer Bürger fördert. Möge Ihr Land mit tiefem Respekt für die Würde jedes Einzelmenschen und die Rechte aller Gesellschaftsgruppen ständig auf dem Weg der wahren Freiheit und des Wohlstands fortschreiten. Meine herzliche Bitte ist, daß Namibia seinen eigenen Beitrag zum Aufbau von Gerechtigkeit und dauerhaftem Frieden in Afrika und aller Welt leiste. Mit tiefempfundenen Respekt und Hochachtung rufe ich auf eure Exzellenz und alle Ihre Mitbürger den reichen Segen des allmächtigen Gottes herab. Leiden und Hoffnungen mit den Armen teilen Schreiben an den Generalobem des „Kleinen Werkes der Göttlichen Vorsehung“ des sei. Don Orione vom 12. März An den lieben Sohn Don Giuseppe Masiero, Generaloberer des „Kleinen Werkes der Göttlichen Vorsehung“ Vor ungefähr fünfzig lahren, am 12. März 1940, kehrte der selige Luigi Orione, Apostel der Caritas und Vater der Armen, den Namen Jesu anrufend, ins Haus des Vaters zurück. Darum tut die von ihm gegründete „Piccola Opera della Divina Prowidenza“ gut daran, seinen „dies natalis“, den Tag seines Heimgangs, in Erinnerung zu rufen, um Gott Dank zu erweisen und den Willen aller seiner geistlichen Söhne zu bekräftigen, daß sie treu seine Botschaft bewahren wollen. Ich freue mich sehr über diese Initiative, ermutige dazu und segne das Vorhaben, während des ganzen Jubiläumsjahres euch tiefer mit dem Geist und Charisma des Gründers erfüllen zu lassen, um sie an der Schwelle des dritten Jahrtausends zum Motiv für einen erneuten geistlichen und apostolischen Aufschwung zu machen. Wenn man die vielgestaltige caritative Tätigkeit betrachtet, der sich die Söhne und Töchter Don Oriones widmen, und wenn man auch die enorme Menge von wohltätigen Initiativen erwägt, die er persönlich unternommen hat, kann man sich nicht einer gerechten Bewunderung eines so treuen und hochherzigen Dieners der Kirche enthalten. Es ist indessen bedeutsam, sich zu fragen, welches das einigende Charisma war, auf dem sein Werk aufgebaut ist, . und was es von anderen Kongregationen unterscheidet, die in der gleichen geschichtlichen Periode entstanden und ebenfalls dem Dienst an den Armen gewidmet sind. 842 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Um auf diese Frage angemessen antworten zu können, muß man auf die typische geistliche Erfahrung Don Oriones zurückgreifen. Sich ganz den Händen der göttlichen Vorsehung überlassend, empfand er eine glühende Leidenschaft für das Heil der Brüder. Sie ließ ihn auf-schreien: „Seelen! Seelen!“ und trieb ihn auf die Straßen der Welt, um immer und allen Gutes zu tun. Er fühlte sich vom Heiligen Geist berufen, Christus dem Volk wiederzubringen und das Volk wieder zu Christus zu bringen in einer sehr schwierigen Periode der Geschichte, die große soziale und kulturelle Wandlungen mit sich brachte. Zu einer Zeit, in der viele Menschen von materialistischen, zum Evangelium in Gegensatz stehenden Ideologien angezogen waren, wurde Don Orione von einem tiefen „sensus Ecclesiae“ inspiriert. Er setzte darum seiner Kongregation das besondere Ziel, die Kenntnis und die Liebe zu Jesus Christus, zur Kirche und zum Papst zu verbreiten, vor allem unter dem Volk, „Geist und Herz der Kinder des Volkes und die arbeitenden Klassen durch milde und feste Bande mit dem Apostolischen Stuhl zu verbinden, in dem, nach den Worten des Chrysologus, ,der selige Petrus lebt, den Vorsitz führt und dem, der dämm bittet, die Wahrheit des Glaubens schenkt’ (adEut., 2). Und dies soll geschehen durch das Apostolat der Nächstenliebe unter den Geringen und Armen“ (1. Kap. der Konstitutionen). Das war vom ersten Augenblick an die Lehre Don Oriones, der Geist, der das Entstehen seines Instituts geleitet hat. Im übrigen nahm auch die letzte Ansprache an seine Söhne, wenige Tage vor seinem Tode, seine oftmalige Ermahnung nochmals auf: „Ich lege euch ans Herz, demütig und klein zu Füßen der Kirche zu bleiben und zu leben.“ Das war sein geistliches Testament, das er seiner Familie als Erbe hinterließ, damit sie es zur Gänze erfülle und zu Ehren kommen lasse. Er wollte zeigen, daß man bei der Kirche und bei den Armen sein kann. Er stellte fest, daß es in der entchristlichten Gesellschaft nur eine Sprache gibt, die verstanden wird und die Herzen bewegt: die Sprache der Liebe. Er begriff, daß man „der Sache Christi und der Kirche nur mit einer großen, in Leben und Werken offenkundigen Liebe dienen kann. Die Liebe öffnet die Augen für den Glauben und erwärmt die Herzen mit der Liebe zu Gott. Werke der Caritas sind nötig: sie sind die beste Verteidigung des katholischen Glaubens“. In Don Orione bilden also die Liebe zur Kirche und zum Papst und die Liebe zu den Armen die beiden Spitzen der einigen apostolischen Hamme, die verzehrend in seinem grenzenlos weiten Herzen brannte. Es wurde zu Recht hervorgehoben, daß man Don Orione auch ohne die Armen, aber nicht ohne seine glühende Liebe zur Kirche und zu ihrem universalen Hirten begreifen könnte. In Treue zu dieser besonderen Spiritualität geloben die „Söhne der göttlichen Vorsehung“, Priester, Brüder und Eremiten, in ihrer Ordensprofeß zusammen mit den drei Gelübden der Armut, der ehelosen Keuschheit und des Gehorsams noch als viertes das der „besonderen Treue zum Papst“, und die „Kleinen Missionarinnen der Caritas“, sowohl die aktiven Schwestern wie die „Sakramentinerinnen“, fügen, wenn sie nicht zum Zweig der Anbetungsschwe-stem gehören, als viertes Gelübde das der „Caritas“ hinzu. Da es „der Kirche zum Nutzen ist, daß die Institute ihre Eigenart und ihre besondere Aufgabe haben“ (Perfectae caritatis, Nr. 2), ermutige ich euch, meine lieben Schwestern und Brüder, auf diesem Weg weiterzugehen und jeder Versuchung zum Konformismus und zur Anpassung an die Mentalität der Welt zu widerstehen, auch wenn es Opfer kostet. Wirkt aktiv mit 843 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN an der Ausbreitung des Reiches Gottes, vor allem unter den Armen. Stellt euch hochherzig in ihren Dienst, teilt ihre Leiden und ihre Hoffnungen mit ihnen. Seid, wo immer ihr arbeitet, Zeugen der Liebe Gottes, in Demut und Verborgenheit, in absoluter Treue zu den Lehren der Kirche und ganz durchdrungen vom Geheimnis des gekreuzigten und auferstandenen Christus. Als er seiner Ordensfamilie das Wort des Epheserbriefes „Alles in Christus vereinen“ (Eph 1,10) als Wahlspruch und Programm gab, wollte Don Orione Christus zum Herzen der Welt machen, nachdem er ihn zum Herzen seines eigenen Herzens gemacht hatte. Darum muß auch seine Ordensfamilie von seinem mutigen Optimismus erfüllt sein. „Die Völker sind müde — schrieb er—, sie sind enttäuscht. Sie spüren, daß das Leben ohne Gott eitel und leer ist. Stehen wir im Tagesanbruch einer großen christlichen Wiedergeburt? Christus hat Mitleid mit den Volksmengen; Christus will auferstehen, er will seinen Platz wieder einnehmen. Christus schreitet voran: die Zukunft gehört Christus“ (Briefe II, 216). Ich möchte wünschen, daß die Söhne der Göttlichen Vorsehung, die Kleinen Missionsschwestern der Caritas, die Mitglieder der Säkularinstitute, die ehemaligen Schüler und die Freunde des Werkes bereit seien, fest in ihrem Charisma verankert, mit neuem Schwung auf die Herausforderungen unserer Zeit und der kommenden Jahre zu antworten und dabei den Blick stets auf Gestalt und Beispiel des Gründers heften, um sein Leben weiterzuleben. Die Jungfrau Maria, die Mutter der Göttlichen Vorsehung, der Don Orione sein Leben und seine ganze Familie weihte, beschütze euch immer, und euer seliger Gründer helfe euch weiterhin vom Himmel aus. Als Unterpfand dieser Wünsche rufe ich die Fülle himmlischer Gnaden und Gunsterweisc vom Herrn auf euch herab und erteile Ihnen, Herr Generaloberer, und allen Mitgliedern der Familie Don Oriones von Herzen meinen besonderen Apostolisches Segen. Aus dem Vatikan, am 12. März 1990, im fünfzigsten Jahr nach dem Tod von Don Luigi Orione. Joannes Paulus PP II. 844 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Den Durst nach religiöser Wahrheit stillen Graßwort an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel vom 15. März Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Dieses Treffen mit den Mitgliedern und Verantwortlichen des Päpstlichen Rates für die sozialen Kommunikationsmittel anläßlich ihrer Vollversammlung ist mir eine große Freude. Mein besonderer Gruß geht an die neuen Mitglieder, Sie sich freundlicherweise bereit erklärt haben, mit einem Teil ihrer Zeit und ihrer Talente zu der wichtigen Arbeit dieses Rates beizutragen. Wie Sie wissen, wurde dieses Dikasterium auf ausdrücklichen Wunsch der Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils gegründet, in der Überzeugung, daß die modernen sozialen Kommunikationsmittel, bei rechtem Gebrauch „einen wichtigen Beitrag zur Erholung und Bildung des Geistes (leisten); sie dienen ebenso auch der Ausbreitung und Festigung des Gottesreiches“ (Inter mhifica, Nr. 2). Das Vielversprechende, wie auch die Herausforderung der sozialen Kommunikationsmittel verpflichtet heute mehr denn je die menschlichen Gesellschaften und die Kirche selbst zu größerer Aufmerksamkeit und größerem Einsatz auf diesem Gebiet. Das gilt vor allem deshalb, da in der ganzen Welt ein dringendes Bedürfnis nach geistiger, gesellschaftlicher und kultureller Entwicklung zu spüren ist. <689> <689> Die zentral- und osteuropäischen Länder z. B. bieten außergewöhnliche Möglichkeiten, das Wort Gottes mit Hilfe der Medien zu verkünden. Wir müssen versuchen den Hunger und Durst nach religiöser Wahrheit und Bildung derjenigen zu stillen, deren Medien jahrelang den rein christlichen Thematiken nur wenig Freiraum gelassen haben. Zur großen Freude vieler gibt es nun Möglichkeiten, religiöse Nachrichten und Artikel zu drucken und bedeutende religiöse Ereignisse in Rundfunk und Fernsehen zu senden. So können die Medien mit genauen Informationen und öffentlichem Meinungsaustausch den Dialog und die Mitwirkung fördern, die für das demokratische Leben und die gesellschaftliche Entwicklung grundlegend sind. In Westeuropa, wie auch teilweise in Nordamerika, stellen die durch neue Kommunikationsmethoden und Technologien erarbeiteten Änderungen neue Herausforderungen für die Kirche dar. Wie in den vor kurzem von diesem päpstlichen Rat veröffentlichten „Richtlinien für die ökumenische und interreligiöse Zusammenarbeit im Kommunikationswesen“ erwähnt wurde, müssen die Katholiken mit den anderen Christen und allen Gläubigen Zusammenarbeiten, um das Recht religiöser Präsenz in den Medien zu garantieren. Besonders die Ätherwellen sind ein öffentlicher Kredit, bei dem der Privatgewinn dem Interesse des Allgemeinwohls untergeordnet ist. Sie sollten in einer Art genutzt werden, daß sie wirklich zum ganzheitlichen Wohl des Menschen beitragen können. Diesen Monat findet in Fatima ein Treffen zwischen Bischöfen und Medienschaffenden Europas statt, die sich mit einigen dieser Punkte auseinandersetzen werden. Möge ihr Treffen mit der Fürbitte Fatimas ergiebig sein, um die allgemeinen christlichen Wurzeln europäischer Kultur und eine neue Evangelisation dieses Kontinents wiederzuentdecken. 845 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Betrachten wir die Situation Lateinamerikas, so sehen wir, daß dort die Kirche neue Anstrengungen unternimmt, um das Evangelium zu predigen, in der Vorbereitung auf die 500-Jahrfeier der ersten Evangelisation in der westlichen Hemisphäre. Uns wird immer mehr bewußt, daß die Evangelisation dort, wie in Europa und überall, keine Bemühung ist, die, einmal unternommen, keiner Wiederholung bedarf. In der Tat ist die Kirche immer und überall dabei, sich selbst zu evangelisieren, so daß sie, gereinigt und erneuert, ihre Mission erfüllen kann, d. h. das Evangelium leben und es den anderen übermitteln kann. Um diese Aufgabe der Evangelisation zu erfüllen, hat heute die kirchliche Gemeinschaft die Möglichkeit, soziale Kommunikationseinrichtungen zu benutzen, die vor 500 Jahren nicht existierten. Ich stelle mit Freuden fest, daß die lateinamerikanische Kirche konkrete Schritte unternimmt, um einen Computemachrichtensender zu entwickeln, der Informationen über christlichen Glauben und christliche Kultur verbreiten soll. So stellte ich in meiner Botschaft zum diesjährigen Weltkommunikationstag fest: „In der neuen Computerkultur kann die Kirche die Welt besser über ihren Glauben informieren und die Gründe für ihren Standpunkt in jeder gegebenen Situation erklären.“ Wieviel muß und müßte mit schöpferischer Bemühung in den Medien noch unternommen werden, um das lebendige Glaubenszeugnis so vieler lateinamerikanischer Katholiken zu kräftigen und zu vertiefen. 4. Auch in Afrika ist eine Evangelisation durch die Medien dringend erforderlich. Dies hat das Symposium der Bischofskonferenzen von Afrika und Madagaskar (SECAM) dazu angeregt, für nächsten Juli ein besonderes Kontinentaltreffen ausschließlich über dieses Thema zu organisieren. Ich bin zuversichtlich, daß dieses Treffen zu einem verstärkten Bewußtsein und einem wirksameren Einsatz der sozialen Kommunikationsmittel führen wird in der Sendung der Kirche, allen Menschen das Evangelium zu predigen. Die Medien sind auch für die Sondersynode der Bischöfe Afrikas wichtig. Durch ihren kreativen Einsatz können Informationen mitgeteilt und die Mitwirkung der Gläubigen im Hinblick auf dieses große Ereignis kann verstärkt werden. Die Tatsache, daß die Kirche in Asien bei so vielen Völkern eine kleine Minderheit darstellt, ist eine große Herausforderung für den Gebrauch der Medien. Ein größerer Einsatz auf diesem Gebiet könnte die Evangelisation und Vor-Evangelisation sehr gut unterstützen. Ein bevorstehendes Treffen von Vertretern asiatischer Bischöfe, das im Juli in Indonesien statt-fihden soll, wird Gelegenheit bieten, über die Rolle der Kirche in den Medien dieses großen Kontinents nachzudenken. <690> <690> Zum Abschluß möchte ich das Schreiben „Pornographie und Gewalt in den Medien: eine pastorale Antwort“ erwähnen, das letztes Jahr von dieser päpstlichen Kommission veröffentlicht wurde. Das Schreiben wendet sich an öffentliche Beamte, Berufstätige und Familien und gibt Richtlinien und Ermutigung zu gesunden Initiativen und Programmen von Publikationen, Filmen, Femsehübertragungen und Videokassetten. Gleichzeitig fordert es die in diesem Bereich Verantwortlichen dazu auf, alle Gesellschaftsmitglieder, vor allem Frauen und Kinder, vor Mißbrauch zu schützen. Das Schreiben endet mit den Worten des hl. Paulus: „Laß’ dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ (Röm 12,21). In der Tat gibt es in jedem Kommunikationsbereich viel zu tun, 846 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN um das Böse durch das Gute zu besiegen: das betrifft Film, Radio und Fernsehen, wie auch die neue Computerkultur. Da Sie Ihre Bemühungen dieser wichtigen Aufgabe widmen, bete ich, daß der Heilige Geist Ihre Gedanken und Herzen mit Weisheit und Standhaftigkeit erfülle. Ihnen und Ihren Lieben erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Alle Formen des Rassismus bekämpfen Grußadresse an die Vertreter des Amerikanischen Jüdischen Komitees vom 16. März Herr Präsident, sehr geehrte Mitglieder des Amerikanischen Jüdischen Komitees! 1. Shalom! Das ist der Gruß, mit dem ich Sie alle im Vatikan willkommen heiße. Unsere heutige Begegnung erinnert mich an einen ähnlichen Besuch des Amerikanischen Jüdischen Komitees im Jahr 1985, anläßlich des 20. Jahrestags der Konzilserklärung Nostra aetate über die Beziehungen der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen. Diese Erklärung vermittelt weiterhin eine wichtige und zeitgemäße Botschaft und erfüllt uns mit Hoffnung für die Zukunft. Obwohl die katholische Lehre über die Juden und das Judentum im Artikel IV der Erklärung zusammengefaßt sind, finden sich viele ihrer grundlegenden Elemente auch in anderen Konzilsdokumenten. Bezugnahmen auf das gleiche Thema sind in den dogmatischen Konstitutionen über die Kirche und über die göttliche Offenbarung, in der Erklärung über die göttliche Religionsfreiheit, in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute sowie in der Konstitution über die heilige Liturgie anzutreffen. Nach 25 Jahren ist vielleicht jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen, um eine systematische Studie über die Lehren des Konzils zu dieser Frage anzustellen. Wir würden gut daran tun, sie als Fortsetzung unseres Dialogs aufzunehmen. Heute möchte ich mich auf einige allgemeine Bemerkungen beschränken. <691> <691> Nostra aetate spricht von dem Band, „wodurch das Volk des Neuen Bundes geistlich mit dem Stamme Abrahams verbunden ist“ (Nr. 4). Diese Bezugnahme wird durch einen anderen, in der dogmatischen Konstitution über die Kirche enthaltenen Text ergänzt. Dort lesen wir: „Diejenigen,... die das Evangelium noch nicht angenommen haben, sind auf das Gottesvolk auf verschiedene Weise hingeordnet. In erster Linie jenes Volk, dem der Bund und die Verheißungen gegeben worden sind und aus dem Christus dem Fleische nach geboren ist (vgl. Röm 9,4-5), dieses seiner Erwählung nach um der Väter willen so teure Volk: die Gaben und Berufung Gottes nämlich sind ohne Reue (vgl. Röm 11,28-29)“ (Nr. 16). Die Quelle unseres „gemeinsamen geistlichen Erbes“ (vgl. Nostra aetate, Nr. 4) findet sich demnach im Glauben Abrahams, Isaaks und Jakobs. In dieses gemeinsame Erbe können wir die Verehrung der Heiligen Schriften, den Glauben an den einen, lebendigen Gott (vgl. Ex 20,3; Dtn 6,4), die Nächstenliebe (vgl. Lev 19,18) und ein prophetisches Zeugnis für Gerechtigkeit und Frieden einschließen. Auch leben wir auf gleiche Weise in der vertrauenden Erwartung des Kommens des Reiches Gottes und beten, daß Gottes Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. 847 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als Ergebnis all dessen können wir tatsächlich für die Förderung der Würde jedes einzelnen Menschen und für die Wahrung der Menschenrechte, insbesondere für die des Rechtes auf Religionsfreiheit, Zusammenarbeiten. Auch müssen wir vereint alle Formen von rassischer, ethnischer oder religiöser Diskriminierung sowie von Haß - einschließlich des Antisemitismus - bekämpfen. Es befriedigt mich, feststellen zu können, daß im Lauf der letzten 25 Jahre in diesen Bereichen die Zusammenarbeit einen bedeutsamen Umfang erreicht hat und ich hoffe sehr, daß diese Bemühungen fortgesetzt und intensiviert werden. 3. Im Sinn der neuen und positiven Atmosphäre, die sich seit dem Konzil herausgebildet hat, haben die Katholiken und alle Ortskirchen die Pflicht, die Zusammenarbeit von Christen und Juden zu fördern. Als Nachfolger des hl. Petrus bin ich auf besondere Weise um die Kirchen besorgt und daher verpflichtet, diese Ziele in aller Welt zu unterstützen. Gleichzeitig anerkenne ich dankbar die Initiativen, die Sie auf diesem Gebiet ergriffen haben. Ich hoffe, daß Ihr bevorstehendes Treffen in Polen mit der bischöflichen Kommission für den Dialog mit den Juden sehr fruchtbar sein wird. Möge es ein hoffnungsvolles Zeichen echter Verbrüderung zwischen Christen und Juden in Mittel- und Osteuropa sein und somit einen Beitrag zur friedlichen und demokratischen Entwicklung leisten, die dort im Gang ist. Diese Initiative und der ständige Informationsaustausch zwischen Ihrem Komitee und der Kommission des Hl. Stuhls für die religiösen Beziehungen zu den Juden spiegeln unseren gemeinsamen Wunsch nach besserem Verstehen und größerer Harmonie wider. Möge dies unseren beiden Gemeinschaften zum Nutzen gereichen und Frieden und Gerechtigkeit in der Welt fördern, insbesondere im Land der Väter und in Jerusalem, in jenem Land und in jener Stadt, die Millionen von Gläubigen - Juden, Christen und Muslimen - heilig sind. Möge der Tag kommen, an dem alle Nationen „Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen“ schmieden, an dem „man ... nicht mehr Schwert, Volk gegen Volk [zieht], und ... nicht mehr für den Krieg [übt]“ (/es 2,4). Auf Sie alle rufe ich die Fülle des göttlichen Segens herab. Jugenderziehung: Erfüllung des Auftrages Christi Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels der Christlichen Brüder am 29. März Liebe Brüder in Christus! 1. Gerne nehme ich diese Gelegenheit wahr, um die Mitglieder des 27. Generalkapitels der Kongregation der Christlichen Brüder willkommen zu heißen. Meine herzlichen Grüße und besten Wünsche gelten dem neu gewählten Generalsuperior und seinen Assistenten, die jetzt ihre Amtszeit beginnen. Die Christlichen Brüder sind für ihr hochherziges und selbstloses Apostolat in der Jugenderziehung bekannt. Ich bete inständig dafür, daß die Beschlüsse dieses Kapitels dazu beitragen mögen, euch in diesem so notwendigen Dienst an der Kirche zu bestärken. <692> <692> In der Zeitspanne seit dem II. Vatikanischen Konzil war eure Kongregation gezwungen, sich neuen Gegebenheiten anzupassen und einen Neubeginn zu setzen, um ihrer edlen Tradi- 848 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tion auf dem Gebiet der Erziehung im Rahmen der Sendung der Kirche - der Verkündigung des Evangeliums - treu zu bleiben. Um besser auf diese Herausforderung eingehen zu können, war euer 26. Generalkapitel bemüht, die Konstitutionen der Kongregation der Christlichen Brüder auf eine Weise zu revidieren, die den Gegebenheiten des kirchlichen Lebens in unseren Tagen am besten entspricht. Damit schuf es die Grundlagen für die Erneuerung eures Gemeinschaftslebens und der Strukturen, wie sie das Konzil verlangt hatte. Möge nun das jetzige Generalkapitel, das sich mit der Praxis der neuen Konstitutionen im Leben eurer Kongregation befaßte, das innere Wachstum in der Heiligkeit und im Einsatz für eure Berufung fördern, welches das Herz der echten Erneuerung des Ordenslebens ist. Ein wesentlicher Teil dieses Einsatzes wird immer die Treue zum Charisma und zum Beispiel eures Gründers sein, dessen Wunsch, den Armen die adelnde Kraft des Evangeliums mitzuteilen, im hingebungsvollen Leben zahlloser Christlicher Brüder in katholischen Erziehungseinrichtungen in aller Welt reiche Früchte getragen hat. Die Idee und der Eifer des Dieners Gottes Edmund Ignatius Rice blieben feste Bezugspunkte für das Bestreben eurer Kongregation, die ihr von Gott für das Kommen seines Reiches anvertrauten Aufgaben zu erfüllen. Die großmütige Sorge um die Armen und eine unermüdliche Aufopferung für die Erziehung der Jugendlichen nach einer gesunden Lehre und in der Tugend müssen weiterhin jede Schule und jede apostolische Initiative der Christlichen Brüder.kennzeichnen. 3. Ziel einer wahrhaft christlichen Erziehung ist es, wie das Konzil betonte, „die gesamte menschliche Kultur auf die Heilsbotschaft [auszurichten], so daß die Erkenntnis, welche die Schüler allmählich von der Welt, vom Leben und vom Menschen gewinnen, durch den Glauben erleuchtet wird“ (Gravissimum educationis, Nr. 8). Das Evangelium Jesu Christi, das den letzten Sinn jedes menschlichen Lebens und alles menschlichen Tuns offenbart, ist ja der Maßstab des echten Fortschritts im persönlichen Reifungsprozeß und im apostolischen Einsatz. Die Geschichte eurer Kongregation legt ein beredtes Zeugnis für die Überzeugung der Kirche ab, daß die Jugenderziehung eine erstrangige Form der Evangelisierung und somit der Erfüllung des Auftrags ist, den sie von ihrem Herrn empfangen hat. In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Bemerkung meines Vorgängers Papst Paul VI., daß durch die Verkündigung des Evangeliums die Kirche sich selbst evangelisiert (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 15). Kann diese Einsicht, die einem tiefen Verständnis der Natur der pilgernden Kirche in ihrem geheimnisvollen Heranwachsen zur Fülle des Reiches Gottes entspringt, nicht auch auf jene angewandt werden, die sich dem Apostolat der Erziehung der Jugend im Hinblick auf ihr Heranwachsen zur menschlichen Reife widmen? Als Lehrer seid ihr berufen, den Geist und die Herzen der Kinder und Jugendlichen in einem für ihr Leben bedeutsamen Zeitabschnitt zu bilden. Mit Weisheit, Klugheit und großer Geduld seid ihr bestrebt, zu gewährleisten, daß die Entwicklung ihrer Persönlichkeit Hand in Hand gehe mit einem Wachsen der „neuen Schöpfung“ (vgl. 2 Kor 5,17) in ihrem Inneren, zu der sie ihre Taufe gemacht hat (vgl. Gravissimum educationis, ebd.). Wie wesentlich ist zur Erfüllung dieser heiklen Aufgabe die Erkenntnis, daß jeder zuerst die Erfahrung einer Erziehung in der Schule des Evangeliums machen sollte! So gewinnt man ein umfassendes Verständnis der Vaterliebe Gottes, die sich im Leben und in der Lehre Christi offenbart hat, und erfährt die läuternde und erleuchtende Kraft des Geistes, der unseren Herzen eingegossen wurde. 849 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Liebe Brüder, ich spreche die große Hoffnung aus, die Christlichen Brüder mögen die große Tradition der Kompetenz, des Eifers und der Heiligkeit des Lebens hochhalten, die eure Kongregation seit ihrer Gründung gekennzeichnet hat. Ich ermutige euch, das hohe Ideal eurer Berufung neuen Generationen junger Menschen vorzuleben, in der Überzeugung, daß der Herr der Ernte dort Vorsorge treffen wird, wo die Not am größten ist. Auch nehme ich diese Gelegenheit war, um der Dankbarkeit des Hl. Stuhls für die großmütige Art und Weise Ausdruck zu geben, auf welche die Christlichen Brüder im Lauf der Jahre sein Wirken unterstützt haben. Indem ich euch dem liebevollen Schutz der Heiligen Jungfrau Maria, dem Vorbild aller Heiligkeit empfehle, erteile ich euch als Unterpfand der Gnade und des Friedens in unserem Herrn Jesus Christus aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Vatikanischen Archive: ein unschätzbares Erbe für die Kirche und die internationale Gemeinschaft Grußwort an den Vorstand des Internationalen Rates der Archive vom 30. März Herr Kardinal, Meine Damen und Herren! Ich freue mich, Sie anläßlich der Sitzung des Büros des Internationalen Rates der Archive zur begrüßen zu können. Ihre Arbeiten spielen sich in den Räumen der Vatikanischen Archive ab: ich schätze Ihre positive Antwort auf die Einladung des Herrn Kardinal-Archivars der Heiligen Kirche und des Präfekten. Sie, meine Damen und Herren, zeigen damit, daß Sie unsere Archive und die Arbeit, die dort im Dienst der Wissenschaft und der Kultur geleistet wird, achten. Wie Sie wissen, bilden die Vatikanischen Archive ein unstätzbares Erbe für die Kirche, aber man kann sie mit Recht als Erbanteil der internationalen Gemeinschaft betrachten. Denn, um das Wesentliche nur kurz anzudeuten, diese Sammlung von Dokumenten stellt eine Spur von dem dar, was die Kirche im Lauf der Jahrhunderte durchlebt hat, und ist somit ein Zeugnis für den Weg, den Christus selbst mitten durch die menschliche Geschichte geht. Ihr Rat ist darauf bedacht, in zahlreichen Ländern und Institutionen über die Erhaltung und Übermittlung von Archivgut zu wachen, das immer mehr an Bedeutung gewinnt und immer mehr gefährdet wird. Sie stehen komplexen technischen Fragen gegenüber, auf die ich nicht näher eingehen kann. Ich möchte einfach den wesentlichen Nutzen Ihrer Aufgaben unterstreichen. Sie sind nicht Konservatoren von Spuren aus einer abgeschlossenen Vergangenheit. Sie halten die Kontinuität im Gedächtnis der Völker aufrecht. Ohne eine lebendige und gut informierte Erinnerung würden die Völker viel von ihrer Kultur verlieren. Sie bedürfen dieser Erinnerung, um ihre Identität zu leben, um ihre Zukunft aufzubauen und im Zusammenspiel der Nationen ihren speziellen Beitrag zu leisten, insbesondere in einer Zeit, in der der Verlauf der Geschichte von Vorfällen und überstürzten Ereignissen gekennzeichnet ist, deren Bedeutung unsere Generationen zu werten wissen. 850 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich möchte meiner Hochachtung für die ausgezeichnete Tätigkeit Ausdruck geben, die Sie ausüben, und für die Arbeit, die Sie leisten, um die Erhaltung und Nutzung der Archive immer besser zu organisieren. Ich möchte Sie gern 'weiterhin dazu ermutigen, und insbesondere wünsche ich Ihnen zu allgemeinen Nutzen eine glückliche Zusammenarbeit mit den Vatikanischen Archiven. Ihnen allen, wie auch Ihren Angehörigen und Mitarbeitern gelten meine herzlichen Wünsche, und ich bitte den Herrn, Sie zu segnen. Beichte: Vergebung dem einzelnen Ansprache an die Apostolische Pönitentiarie am 31. März Herr Kardinal, hochwürdige Prälaten und Offiziale der Pönitentiarie, verdienstvolle Beichtväter und alle, die an dieser Audienz teilnehmen! 1. Seid willkommen im Haus des Vaters! Nehmt meinen Gruß entgegen und gebt ihn weiter in euren Diözesen und an eure Mitbrüder in den einzelnen Ordensfamilien. Als Bischof von Rom und Nachfolger des Petms empfinde ich es als notwendig, euch Priester, wie auch euch, die ihr euch darauf vorbereitet, bald mit dem Priesteramt betraut zu werden, an die wichtige Pflicht zu erinnern, euch beständig und geduldig dem Dienst der Buße, der Versöhnung und des Friedens zu widmen. Gott hat uns ja „durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen ... Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor5,18-20). <693> <693> Die göttliche Quelle der Vergebung, die für uns die starke Wurzel ist, aus der uns die ausdauernde Kraft erwächst uns dem Dienst des Bußsakramentes zu widmen, ist die Liebe Christi, die Liebe dessen, „der für alle gestorben ist, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“ (2 Kor 5,15). Der Priester ist somit berufen, den geistlich Toten das göttliche Leben wiederzugeben. Priester und Hostie mit Jesus, dem Priester und der Hostie in der Eucharistie, muß er in gleicher Weise dann, wenn er die sakramentalen Beichten hört, Geopferter und Unterpfand der Auferstehung sein. Durch die Handauflegung von seiten des Bischofs wird jeder Priester geweiht und ganz und gar dem Dienst an den ihm anvertrauten Seelen hingegeben. Und da diese Hingabe einem wirklichen und grundlegenden Recht der Gläubigen entspricht, halte ich es für angebracht, noch einmal auf das zurückzukommen, was ich diesbezüglich am 31. Januar 1981 zu den Beichtvätern der römischen Patriarchalbasiliken gesagt habe: „Ich möchte hervorheben, daß die moderne Gesellschaft nicht zu Unrecht sehr auf die unabdingbaren Rechte der Person bedacht ist. Wie wollte man also gerade in jenem geheimnisvollsten und heiligsten Bereich der Persönlichkeit, in dem die Beziehung zu Gott erfahren wird, der menschlichen Person, der Person jedes einzelnen Gläubigen, das Recht auf das persönliche, private Gespräch mit Gott durch Vermittlung des geweihten Amtsträgers verwehren? Warum wollte man den einzelnen Gläubigen, der als solcher vor Gott von Wert ist, der tiefsten und persön- 851 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lichsten Freude dieser ungewöhnlichen Frucht der Gnade berauben?“ (O.R. dt. 11/1981). Gewiß, bei einer bloßen Bußandacht braucht der Priester weniger körperliche und vielleicht auch weniger psychische Kraft einzusetzen, aber wenn er die diesbezügliche, ernst verpflichtende kirchliche Norm verletzt, enthält er dem Gläubigen sein Recht vor und beraubt sich selbst des Verdienstes der Hingabe, die das Zeugnis für den Wert jeder erlösten Seele abgibt. Jede Seele verdient Zeit, Aufmerksamkeit, Großzügigkeit, nicht nur innerhalb des Gemeinschaftsgefüges, sondern auch - und unter theologischem Aspekt möchte ich sagen: vor allem - in sich selbst, in ihrer unübertragbaren Identität und persönlichen Würde und in dem diskreten Bereich, der dem persönlichen, vertrauensvollen Gespräch Vorbehalten ist. 3. In der mit der Lossprechung verbundenen sakramentalen Beichte versöhnt man sich mit Gott und mit der Kirche. Insbesondere dieses letztere Element betrifft die kirchenrechtliche Disziplin hinsichtlich des Bußsakramentes und des inneren Bereichs im allgemeinen, ein Thema, mit dem ihr euch bei euren Treffen mit der Apostolischen Pönitentiarie beschäftigt. Ich fordere euch auf, aufmerksam zu erwägen, daß die kirchliche Rechtsordnung bezüglich der Zensuren, Irregularitäten und anderer Bestimmungen strafrechtlicher oder vorsorgender Natur nicht formalistischem Legalismus entstammt; sie ist im Gegenteil ein Ausdruck des Erbarmens gegenüber den Pönitenten, um ihnen geistliche Heilung zu bringen; darum auch werden die Zensuren „heilend“ genannt. Der Entzug geistlicher Güter kann nämlich ein Antrieb zu Reue und Umkehr sein. Er ist für den Gläubigen, in der Versuchung, eine Mahnung und eine Lehre, das geistliche Erbe, das der Herr uns hinterlassen hat, zu respektieren und in liebender Ehrfurcht anzunehmen, hat er uns doch die Kirche und in ihr die Sakramente zum Geschenk gemacht. Nicht zufällig drückt die Apostolische Pönitentiarie sich in einem an die Beichtväter gerichteten Dokument so aus: „Die höchsten Güter der Kirche müssen der Kirche selbst so sehr am Herzen liegen, und sie sind ihr in der Tat so teuer, daß sie sie nicht nur beständig in der Lehre überliefert und pasto-ralen Eifer für sie aufwendet, sondern sogar auch Rechtsschutz ihnen gegenüber aufbringt, dies vor allem, weil in diesen Gütern die mystische Gemeinschaft der Kirche besteht und in der Verschmähung der höchsten Güter oder dem ihnen zugefügten Unrecht eben diese mystische Gemeinschaft der Kirche leidet.“ <694> <694> Da Ostern schon ganz nah ist, ist es schön, uns an die österliche Bedeutung unserer Liebe zu erinnern, die in der Feier des Bußsakramentes erteilt wird: In der Feier dieses Sakramentes erneuert sich die geistige Auferstehung unserer Brüder und Schwestern, und darum ist es würdig und recht, daß wir uns „freuen,... denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden“ (Lk 15,32). In der Enzyklika Dives in misericordia habe ich zum Ausdruck gebracht, was man die Theologie der Vergebung nennen könnte; aus ihr leitet sich der österliche Charakter des Sakramentes der Wiederversöhnung ab: „Das Paschamysterium ist der Höhepunkt der Offenbarung und Verwirklichung des Erbarmens, das den Menschen zu rechtfertigen und die Gerechtigkeit wiederherzustellen vermag“ (Nr. 7). In diesem Sinne vertraue ich euch der heiligsten Jungfrau an, der Mutter des Erlösers, Mutter der Kirche und Zuflucht der Sünder, und mit väterlichem Wohlwollen erteile ich euch den Apostolischen Segen. 852 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Michelangelo läßt uns staunen Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Studientreffens über „Michelangelo und die Sixtinische Kapelle“ am 31. März Geehrte Herren! 1. Heute staunen diejenigen, die das restaurierte Deckengewölbe der Sixtinischen Kapelle besichtigen, ebenso, wie die damaligen Zeitgenossen staunten, als Papst Julius H. ihnen die Fresken des Michelangelo zeigte. Es ist eine einzigartige ästhetische Empfindung, die unweigerlich ein intensives Gefühl der Freude und der Überraschung weckt, so außergewöhnlich ist das von diesem großen Künstler geschaffene Werk. Das Gemälde des Michelangelo läßt uns staunen und bezaubert uns in der künstlerischen Synthese der Sixtinischen Kapelle. Zugleich leitet es uns dazu an, nach den Ideen des Gesamtwerks zu forschen, von denen es inspiriert wurde: den Ideen, die mit dem katholischen Glauben des Künstlers verbunden waren, und denen, die ihren Ursprung in seinen äußeren Lebensverhältnissen und seinem inneren Leben hatten. Die Gemälde der Sixtinischen Kapelle fassen in der Tat den ganzen Lebensweg des Menschen zusammen, indem sie die hervorspringenden Punkte der Heilsgeschichte betrachten: einen Weg, auf dem die Menschheit in all ihren Ausdrucksformen dargestellt ist: angefangen bei den biblischen Darstellungen der Erzählung der Genesis, der Prophetengestalten, der Vorfahren Christi und anderer bedeutsamer Episoden des Alten Testaments, bis hin zu heidnischen Inhalten, die in den Sibyllen wachgerufen werden, und Dingen, die im Inneren des Menschen liegen und in den komplexen Ausdrücken der ornamentalen und dekorativen Bilder sichtbar gemacht sind. Das ganze drückt sich deutlich in einem Kontext aus, der an ästhetische Formen erinnert, die vermutlich der kulturellen Atmosphäre der damaligen Zeit nicht fremd waren, und der um das mittelalterliche Gedankengut weiß, das die Schönheit definierte als: „integritas, sive perfec-tio; debita proportio, sive consonantia; et iterum claritas: unde quae habent colorem nitidum praeclara dicuntur“ (Hl. Thomas von Aquin, Summa Theologica, I, 39,8). <695> <695> Wenn ich mich zu diesem Anlaß mit Ihnen treffe, möchte ich erneut mein Gefallen an diesem Studiensymposium zum Ausdruck bringen, das genaue Informationen über den Stand der Arbeiten geben und anhand von Dokumenten, genauen Angaben und Gegenüberstellungen die Entscheidungen suchen will, die für die bald folgende Restaurierung der Wand mit dem Jüngsten Gericht die geeignetesten sind. Ich habe nicht die Absicht, auf die technischen Probleme und die Kriterien einzugehen, denen in einem solch’ schwierigen Werk nachgegangen werden muß. Sie wissen sehr wohl, daß die ganze Welt mit großem Interesse auf das blickt, was hier geschieht. Es ist daher richtig, erst nach eingehenden Beratungen vorzugehen, da wir es mit Meisterwerken zu tun haben, die der Weltkultur angehören, und deren Bewahrung und Wiederherstellung im ursprünglichen Glanz die gesamte Menschheit interessiert. Ich möchte Sie in Ihrer Forschung ermuntern und bin allen sehr dankbar, die sich ihr mit Kenntnis und Liebe widmen. 853 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Das Interesse des Heiligen Stuhls an der Kunst kann heute nicht anders sein als das Interesse, das meine Vorgänger bewegte, die im Laufe der Jahrhunderte Mäzene und Förderer großer Werke waren. Mit klarer Intuition haben sie begriffen, daß die Kultur ein Dienst an der Menschheit ist, und daß die Kunst, wie die Wissenschaft und die Philosophie, Bewahrer der ewigen Wahrheit sind. In der Renaissance bemühten sich die Päpste, die sich bewußt waren, daß ihre Epoche eine kulturelle Wende bedeutete, darum, daß sie innerhalb der Kirche Ausdruck fand, und, indem sie Mitarbeiter wählten, die die großen Hauptlinien der kulturellen Komponente jener Jahre ausdrücken sollte, wurden sie zu Förderern der humanistischen Öffnung. 4. In seiner Kunst bringt Michelangelo deutlich das Drama und die komplexe Erfahrung seiner Zeit zum Ausdruck, die geprägt war von schwierigen kirchlichen und politischen Ereignissen und der von der Vorsehung bestimmen geistigen Wiedergeburt, die auch und vor allem von großen Heiligen und Reformatoren bewirkt wurde. Obgleich die beiden Meisterwerke der Sixtinischen Kapelle zeitlich weit voneinander entfernt liegen, sind sie in einer einzigen religiösen Inspiration miteinander verbunden, die die Ängste einer gepeinigten Religiosität widerspiegelt, welche jedoch einer tiefen Hoffnung nicht entbehrt. In dem entsetzten Staunen der „Heiligen“ des Jüngsten Gerichts ist das Bild der Jungfrau neben Christus das Zeichen der Hoffnung und des Vertrauens. Die Frömmigkeit des Michelangelo geht einher mit einem Glauben, der gewiß nicht einfach ist. Doch vermochte er mit einer unerschütterlichen Hingabe an Petrus, dem er seine letzten Anstrengungen an der berühmten Kuppel widmete, ein tiefes Band zwischen der Einzigartigkeit des eigenen Genies und der inspirierenden Idee herzustellen, das heißt mit seinem Grundgedanken über den Wert menschlichen Lebens, das in seinen Anfängen durch das Thema der Schöpfung dargestellt wird, und in seiner Rückkehr zu Gott durch das Jüngste Gericht, das von der imposanten Gestalt Christi als Richter und Erlöser beherrscht wird. Und dies ist eine Botschaft, die auch heute sehr aktuell ist, die uns nachdenken läßt und uns erbaut. Mit diesem Gedanken bringe ich Ihnen allen meine herzlichsten Wünsche zum Ausdruck und erteile Ihnen meinen Apostolischen Segen. 854 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche: ein Zeichen der Einheit Ansprache an die Jugendlichen der Fokolare-Bewegung am 31. März Liebe Jugendliche! 1. Das fünfjährliche Treffen zum „Gen-Fest“ ist im Programm der gesamten neuen Generation der Fokolare-Bewegung eine bedeutungsvolle Etappe. Ich freue mich daher, hier bei euch zu sein. Ich grüße euch und drücke euch meine große Genugtuung über diese Zusammenkunft aus, die durch die Zahl der Teilnehmer und ihre festliche Begeisterung die starke Vitalität eurer Gruppen sowie die blühende und bemerkenswerte Verbreitung der Botschaft der Fokolare in der ganzen Welt bezeugt. Mein Gruß richtet sich auch an eure Freunde, die die Arbeiten dieses Treffens über das Radio oder im Fernsehen verfolgen. 2. Das Thema dieser Veranstaltung verweist euch mit einem aufrichtigen Gefühl der Erwartung auf die Zukunft. Ihr blickt in der Tat nach vom und achtet auf das, was unsere Zeit mit den einzigartigen Umbrüchen, die sie prägen, euch beständig als Zeichen und Botschaften nahebringt. So wollt ihr den Weg erforschen, der eingeschlagen werden muß, um eine „Vereinte Welt“ zu erreichen, in dem Gedanken, daß ein solches Ideal zur geschichtlichen Wirklichkeit werden soll. Dies scheint fürwahr die Perspektive zu sein, die sich aus den zahlreichen Zeichen unserer Zeit ergibt: der Ausblick auf eine vereinte Welt. Dies ist die große Erwartung der Menschen von heute, die Hoffnung und zugleich die große Herausforderung der Zukunft. Wir spüren, daß wir uns, von außergewöhnlicher Beschleunigung angetrieben, zur Einheit hinbewegen. Die Ereignisse, die wir erleben, drängen und vermehren sich, und sie fordern uns dazu heraus, sofort, ohne zu zögern und ohne Trägheit, Antworten zu formulieren, die angemessen und originell sind. Die Kirche blickt auf das Herannahen des dritten Jahrtausends wie auf den Ablauf einer Frist, die sehr stark zu einer erneuten Evangelisierung hindrängt: das soeben begonnene Jahrzehnt ist für die Christen wie ein neuer Advent, ein bedeutungsvoller Abschnitt des unaufhörlichen Weges Gottes in der Geschichte der Menschheit. In eurem Programm habt ihr den Wert der Perspektiven sehr gut erfaßt, die sich uns von Tag zu Tag auftun und uns anregen. Ihr erkennt in ihnen eine prophetische Ankündigung, die für das Gewissen aller zur moralischen Aufforderung von großer Tragweite wird. <696> <697> <696> Man muß aufmerksam sein für die Stimme solcher Botschaften, denn die Gelegenheit, die Gott uns gibt, darf nicht vergeudet werden. Wenn das erwartete und gesuchte Ziel aller Menschen, die guten Willens sind, die Einheit ist, so müßt ihr alle, aber insbesondere ihr Jugendlichen, euch innerlich für jene Gefühle und jene Einstellungen öffnen, die die Bestätigung dieser Einheit fortschreitend fördern können. Von allen ist also erfordert, das eigene Bewußtsein zu Gefühlen respektvollen Zusammenlebens, der Eintracht und Brüderlichkeit zu erziehen, da ohne sie ein wahrer Weg der Einheit und des Friedens nicht möglich ist. Euch jungen Christen ist schließlich die Aufgabe anvertraut, den Beitrag der Kirche zu diesem Werk, das von großer geschichtlicher Bedeutung ist, zu bezeugen. Die Kirche möchte in 855 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Welt ein lebendiges Zeichen der Einheit des ganzen Menschengeschlechts sein, und sie wünscht sich innigst, „der menschlichen Gemeinschaft zu Aufbau und Festigung nach göttlichem Gesetz behilflich zu sein“ (Gaudium et spes, Nr. 42). Wenn zur Errichtung einer „Vereinten Welt“ die Überwindung von Spaltungen, Mißverständnissen, Mißtrauen und Intoleranz nötig ist, so erscheint damit wahrhaftig und notwendig jenes Bild des Menschen, das Christus im Evangelium gezeichnet hat. Die Kirche ist Zeuge und Bürge für dieses Bild. Ihm gilt ihr Dienst. Hört auf sie, denn in ihren Worten werdet ihr das Echo der Lehre Christi hören können. In dieser Lehre ist euer Programm in gewisser Weise bereits ausgesprochen und vorgezeichnet. Ihr Jugendlichen der Fokolare-Bewegung seid im Glauben verwurzelt: „Jeder von euch empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat“ (Eph 4,7). Eure Aufgabe ist es, „in allem zu wachsen, bis ihr ihn erreicht habt. Er, Christus, ist das Haupt“ (Eph 4,15). So zu wachsen, daß die Liebe in euch zunimmt, und daß ihr „Gott nachahmt als seine geliebten Kinder, und einander liebt, weil auch Christus uns geliebt hat, und sich für uns hingegeben hat als Gabe und Opfer, das Gott gefällt“ (Eph 5,1-2). Nur wenn ihr euch in diesem Sinn einsetzt, liebe Jugendliche, könnt ihr wahre Erbauer der Einheit sein. 4. Meine Lieben, enttäuscht diesen Aufruf nicht. Seid euch im Licht des Glaubens bewußt, daß der Weg zu einer einigen Welt, der der Weg des Friedens ist, daß er auf der Errichtung von solidarischen Beziehungen gründet, und die Solidarität hat ihre Wurzeln in der Liebe. Nur wenn sie sich der Liebe öffnen und annehmen, was die Liebe erfordert, werden die Männer und Frauen der im Aufbau begriffenen Welt die stets lauernden Einflüsse des Egoismus zurückweisen und sich ihren Nächsten in brüderlicher Haltung zuwenden können. Ihr wißt bestimmt, wie mühsam der Weg der Liebe ist. Christus selbst erinnert euch vom Kreuz herab daran. Doch ihr wißt auch, wie begeisternd es ist, einen persönlichen Beitrag zur Förderung einer Zivilisation zu leisten, die auf wirklich menschlicher Basis gründet, eine Zivilisation, die sich als wahre Zivilisation der Liebe ausdrückt. <698> <698> Natürlich kann ein solches Ideal nicht Frucht des Zufalls sein, und auch nicht der sozialen, politischen und technischen Automatismen. Es hängt vom guten Willen des Menschen ab, eines jeden Menschen, der fähig ist, die Gesellschaft mit dem eigenen hochherzigen und aufrichtigen Dienst zu bereichern. Die Erfahrung der Geschichte zeigt deutlich, wie riskant es ist, den Illusionen falscher Ideologien zu unterstehen, und wie beharrlich und regelmäßig ihre Verlockungen sowohl auf persönlicher als auch auf gesellschaftlicher und struktureller Ebene immer wieder zurückkehren. Gott verlangt Mare Einstellungen von den Menschen, damit die Liebe im Aufbau der Zukunft ihren geschichtlichen Anteil erhält. Hoffnungen werden nicht enttäuscht, sondern verwirklicht durch Entscheidungen, die sich an der Wahrheit und an den richtigen ethischen Werten inspirieren. Wenn ihr Jugendlichen den Mut habt, euch aufrichtig zu fragen: „Was müssen wir tun, damit nicht die Sünde der allgemeinen Ungerechtigkeit über uns herrscht? Die Sünde der Verachtung des Menschen und die Schmähung seiner Würde trotz der vielen Erklärungen, die alle seine Rechte bekräftigen? Was müssen wir tun? Und weiter: Werden wir es zu tun verstehen?“ (Apostolisches Schreiben an die Jugendlichen der Welt, Nr. 15) - wenn ihr 856 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN euch diese Frage stellen könnt, so werdet ihr euch bewußt, daß Christus selbst euch ruft, ihm zu folgen in wirklich hingebender Liebe, in tatkräftigem Einsatz, in einem Plan zum Dienst an den Brüdern, der den Plan Gottes, des Vaters, widerspiegelt, der aus der Menschheit eine einzige Familie machen möchte. Ich möchte euch wünschen, daß ihr wie die Propheten und die Apostel antworten könnt: „Hier bin ich, Herr, sende mich!“ Und dann werdet ihr erfahren, daß es möglich ist, den großen Werten, die den Menschen heute und von jeher faszinieren, Sinn zu geben, sie konkret und glaubhaft zu verwirklichen: den Frieden, die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Solidarität, die Entwicklung, die Förderung eines jeden Menschen. Der Wert der vereinigten Welt, so wißt ihr sehr gut, verläuft über Christus. In euch allen pulsiert der Wunsch nach wahrer Brüderlichkeit, in euch ist die Gewißheit, daß sie sich in Christus und in der Kraft des Heiligen Geistes verwirklicht; in euch besteht auch die Überzeugung, daß nur das Wort des Evangeliums die Erwartungen der neuen Welt verwirklichen kann. Möge das Wort Christi daher stets auf euren Lippen sein und beständig verkündet werden: die Frohe Botschaft für alle Menschen, denen ihr begegnet und mit denen ihr in Freundschaft arbeitet. 6. Mit diesen Wünschen möchte ich eure Arbeit ermuntern: das wertvolle Erziehungs- und Ausbildungsprogramm, den Eifer, den ihr allen Mitgliedern der Fokolare vermitteln wollt, die klare Erkenntnis des christlichen Ideals. Ich bitte den Herrn, daß er euch reichlich mit seinem Geist beschenke, damit ihr den Mut der Hoffnung habt und den Wert eures Lebens und eurer Berufung im Licht des Wortes Gottes erkennen könnt, das in euch bleibt. Plant eure Zukunft als Apostel einer neuen Welt, die euch und eure Hilfe braucht. Teilt allen eure Zuversicht mit, trotz des Bösen und der Ungerechtigkeiten, die ihr täglich erlebt. Und wenn euch jemand nach dem Warum eures Vertrauens fragt, so antwortet, daß der Bruder eurer Zuversicht Christus ist, er, der „tot war, doch nun in alle Ewigkeit lebt“ (vgl. Offb 1,17). Euch allen und all euren Freunden, die über die ganze Welt verstreut sind, erteile ich meinen Apostolischen Segen. Dialog: ein Akt des Gehorsams Graßwort an die Mitglieder des Katholischen Komitees für kulturelle Zusammenarbeit beim Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen vom 4. April Liebe Freunde vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen! Ich freue mich, euch anläßlich eures Besuches zu begrüßen. Eure Anwesenheit gibt mir Gelegenheit, meinen Dank und den Dank der Kirche zum Ausdruck zu bringen für die Hilfe, die ihr dem Rat zur Förderung der Einheit der Christen leistet bei seiner wichtigen Aufgabe, die katholische Kirche im ökumenischen Dialog mit anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zu vertreten, einem Dialog und einem Prozeß zunehmender Gemeinsamkeit, die nichts weniger ist als ein Akt des Gehorsams Christus selbst gegenüber, der gewollt hat, daß alle, die ihm folgen, eins seien (vgl. Joh 17,21). 857 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Möge dieser Besuch der Stadt, in der die Apostel Petrus und Paulus das äußerste Zeugnis der Treue zu ihrem Herrn gegeben haben, euch helfen, die ganze geistige Bedeutung eures Werkes zu sehen. In einigen Tagen werden wir die großen Geheimnisse des Todes und der Auferstehung des Herrn feiern. Möge es eine Zeit geistlicher Freude und geistlichen Trostes für euch und eure Lieben sein. Gott segne euch und bewahre euch in seiner Liebe! Zeugen des Reiches Gottes Predigt bei der Bischofsweihe am 5. April 1. „Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart“ (Joh 17,6). Den „Namen“, d. h., die Person des Vaters zu offenbaren, ist der Inhalt der Sendung Christi. Der Kenntnis dieses „Namens“ entspringt ja das Heil, denn „das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Joh 17,3). Liebe Brüder und Schwestern, die ihr hier zusammengekommen seid, um an der Weihe dieser neuen Bischöfe der Kirche teilzunehmen: das Letzte Abendmahl, der bevorzugte Augenblick, den Jesus gewählt hatte, um seinen Jüngern das Sakrament seines Leibes und Blutes zu hinterlassen, war auch die Gelegenheit, bei der er ihnen den bedeutsamen Auftrag anvertraute, den Namen des Vaters zu offenbaren, so wie er selbst es getan hatte. In Christus hat sich der Vater als die höchste Liebe kundgetan, da er seinen eingeborenen Sohn in die Welt sandte. Jesus wiederum hat voll und ganz die Liebe des Vaters offenbar gemacht, indem er den Menschen seinen Heilsplan verkündete und sich selbst als Opfer hingab. Dies ist auch die Sendung der Apostel und der Kirche: der Welt den „Namen“ Gottes zu offenbaren und seine Erlöserliebe zu verkünden, durch eine Selbsthingabe, die, wenn nötig, zum Opfer wird. <699> <699> Den „Namen“ des Vaters zu offenbaren ist die Sendung, die Christus heute auch euch, Brüder, anvertraut, die ihr erwählt seid, die Bischofsweihe zu empfangen. Das sagt heute das Wort Gottes zu dir, Erzbischof Edward Nowak, Sekretär der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse; zu dir, Erzbischof Giacinto Berloco, Apostolischer Pro-Nuntius in Simbabwe und Apostolischer Delegat in Mosambik; zu dir, Erzbischof Erwin Josef Ender, Apostolischer Pro-Nuntius im Sudan und Apostolischer Delegat in der Region des Roten Meeres; zu dir, Erzbischof Francesco Gioia von Camerino - San Seve-rino Marche, Kapuziner. Ihr, die ihr durch eine gleiche Ehre vereint seid - die des Dienstes für die Kirche und den Heiligen Stuhl, den ihr bereits seit vielen Jahren treu und opferbereit leistet - ihr seid jetzt gerufen worden, den „Namen“ Gottes - wenn auch in verschiedener Eigenschaft - zu offenbaren und mit der Kraft des Heiligen Geistes das Zeugnis für seine Liebe bis an die Grenzen der Erde zu tragen. Die soeben verkündeten Worte Jesu sind Ausdruck seines Willens, euch am Geheimnis seiner Sendung teilnehmen zu lassen. Deshalb betet er gleichzeitig für euch, damit ihr ihn immer tiefer erkennen könnt, um in seiner Wahrheit zu leben und imstande zu sein, in der Welt den 858 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glauben zu offenbaren. Er hat euch „sein Wort“ gegeben. Kraft eurer Erhebung in den Bischofsrang seid ihr, wie die Apostel „Zeugen“ seines Reiches geworden und werdet eine immer größere Zahl von Menschen zu Christus führen. Mit Christus vereint, betet die Kirche heutefür euch, damit ihr „alle Völker lehren“ und „das Evangelium, allen Geschöpfen verkünden“ könnt. Sie betet, daß ihr, in Fülle Teilhaber am Geheimnis des Lebens und der Sendung Christi sein mögt und so, „in der Wahrheit geheiligt“ (Joh 17,19), für ihn Zeugnis ablegen könnt. 3. Die Antwort auf das Gebet Christi und der Kirche, geliebte Brüder, soll jene sein, die wir soeben im Antwortpsalm ausgerufen haben: „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen, bis zum fernsten Geschlecht laut deine Treue verkünden“ (Ps 88/89,2). Singen will ich, alle Kräfte des Geistes und des Leibes einsetzen; verkünden mit dem Wort, mit der frohen Botschaft, hinauszugehen, mit der Hingabe in jedem Augenblick, um die Menschen in ihrer konkreten, existentiellen Situation zu erreichen; noch mehr jedoch mit der Intelligenz des Glaubens, mit der Macht der Nächstenliebe und mit dem tiefen Vertrauen auf das göttliche Wirken des Geistes, der im Dienst Christi am Werk ist. So werdet ihr die Treue des Herrn verkünden, d. h., seine Absicht, diese Menschheit zu retten und den Menschen unserer Zeit entgegenzugehen, die von dem Wunsch erfüllt sind, die Antworten kennenzulemen, die jenseits des engen Horizonts der irdischen Gegebenheiten liegen. Ihr werdet für jeden Menschen, der nach Gerechtigkeit, Frieden und Liebe hungert, Verkünder der Hoffnung sein. Ihr werdet es verstehen, die Aufmerksamkeit aller, die das Heil suchen, auf das Geheimnis Gottes und Christi zu lenken, und alle zu heilen, „deren Herz zerbrochen ist“ und ihnen „Freudenöl“ zu bringen, das „die Trauernden Zions froh macht“ (vgl. Jes 61,1-3). Ihr werdet die Treue Gottes verkünden, indem ihr kundtut, daß Christus sich im Geheimnis der Erlösung für immer mit dem Menschen vereint hat, mit jedem konkreten Menschen, um ihn von seiner Schuld zu befreien und ihn dem Weg des Heils zu weisen. 4. „Für sie heilige ich mich“ (Joh 17,19), sagt Jesus. Der Bischof fördert die Heiligkeit des Volkes Gottes. Er muß jedoch auch, dem Beispiel Christi folgend, den Weg der persönlichen Heiligung beschreiten: wie Christus sich in der Wahrheit geheiligt hat, indem er mit einem heiligen Leben seine göttliche Sohnschaft zum Ausdruck brachte und unablässig in der Haltung des vollkommenen Gehorsams dem Vater gegenüber handelte, so muß auch jeder Apostel sich in ihm „heilig en“, um durch das Wirken des Heiligen Geistes die anderen zu heiligen. <700> <700> Wir wollen also ewig die Huld des Herrn besingen (vgl. Antwortpsalm), der euch zum Bischofsamt und zu der inneren Erfahrung berufen hat, mit seiner Sendung eins zu sein. Wh wollen die Huld Christi besingen, der euch dazu berufen hat, im Geist seiner Liebe eins zu sein, indem er euch zu Boten der Heiligkeit in seiner Kirche machte und euch die Aufgabe anvertraute, das Volk Gottes der Einheit entgegenzuführen. Wh wollen das Erbarmen Gottes besingen, der euch dazu berufen hat, Erbarmen zu üben und Frieden, Befreiung und Tröstung zu verkünden. 859 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir wollen ewig die Huld des Herrn besingen, der euch zu Lehrern der Wahrheit gemacht hat, indem er euch sein Wort anvertraute, das die erschöpfende Antwort auf die tiefsten Fragen des menschlichen Herzens in sich schließt. Wir werden nun für euch den Heiligen Geist anrufen, damit er das Gebet Christi in euch vollkommen zur Erfüllung bringe: „Heilige sie in der Wahrheit... [ich habe sie] in die Welt gesandt ... ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ (Joh 17,17-19). In deutscher Sprache sagte der Papst: Schließlich darf ich die Geschwister, Verwandten und Freunde unseres Herrn Erzbischofs Erwin Josef Ender sehr herzlich begrüßen. Ihr seid gekommen, um an dem für seine Berufung bedeutenden Einschnitt seines Lebens teilzunehmen. Mein besonderer Gruß gilt euch allen aus seiner Heimatgemeinde Sankt Ludger in Lüdinghausen sowie aus seiner Heimatdiözese Münster, die ihr mit eurem Diözesanbischof den neuen Erzbischof hierher begleitet. In polnischer Sprache sagte der Papst: Herzlich begrüße ich und heiße willkommen all meine Landsleute, die heute an der Bischofsweihe im Petersdom teilnehmen. Vor allem begrüße ich die Familie des neuen Bischofs und alle, die ihm nahestehen. Möge die Erhebung von Msgr. Edward Nowak zur erzbischöflichen Würde und die Übertragung der verantwortungsvollen Aufgaben, die ihm beim Heiligen Stuhl anvertraut sind, als Anerkennung für die Kirche unserer Heimat aufgenommen werden, insbesondere als Anerkennung für die Diözese Przemysl und die Pfarrei Zmigrod, die ihn auf das Priestertum vorbereitet haben. Vor allem begrüße ich den Bischof von Przemysl, der zur Feier der Bischofsweihe hergekommen ist. Militärdienst festigt den Charakter Gruß an die Soldaten der Garnison Rom am 6. April 1. Es freut mich, euch allen meinen herzlichen Gmß zu entbieten, hebe Soldaten der Garnison Rom, die ihr hier zusammengekommen seid, um des Pastoralbesuchs zu gedenken, den ich vor einem Jahr der Militärstadt Cecchignola abstatten konnte, und um diesen zu erwidern. Ich danke für die Worte, die euer Militärordinarius, Erzbischof Giovanni Marra, an mich gerichtet hat, den ich erst vor drei Monaten bemfen habe, die unter euch tätige Kirche Gottes zu leiten. Einen ehrerbietigen Gruß richte ich an General Giuseppe D’Ambrosio, den Befehlshaber der Zentralen Militärregion der Garnison Rom; mit ihm grüße ich die anderen hier anwesenden Generäle und Kommandanten, die Offiziere und Unteroffiziere mit ihren Angehörigen sowie alle Soldaten jeder Waffengattung, jeden Ranges und Grades. Ein weiterer Gruß geht an die lieben Militärkapläne, Priester und Leiter eurer Gemeinden, und auch an die Ordensfrauen, die ihren liebevollen Dienst an den Kranken in den Militär-spitälem leisten. 860 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Erinnerung an meinen Besuch in der Cecchignola am 2. April letzten Jahres und an das mit euch begonnene Gespräch ist mir noch lebhaft im Gedächtnis. Das Gespräch nimmt heute seinen Fortgang, und es erhält eine besondere Bedeutung angesichts des unmittelbar bevorstehenden Tages der Jugend am kommenden Sonntag, da es sich dabei um eine auf Weltebene stattfindende Begegnung zwischen der Kirche und den Jugendlichen handelt. 2. Das Gespräch mit den jungen Soldaten geht also weiter. Gerade in der Cecchignola hatte ich ja festgestellt, daß alle „im Militärdienst eine Probe für den jungen Menschen“ sehen. Jeder von euch macht die Erfahrung, was es heißt, fern von seinen Lieben zu leben und die eigenen Pläne für eine Zeit unterbrechen zu müssen. Der Papst lädt euch ein, darüber nachzudenken, wie diese Probe zu leben ist, um daraus alle die positiven Möglichkeiten zu schöpfen, die sie doch enthält. Die Zeit der Jugend - eure Zeit - ist die wundervolle Zeit der Pläne und Träume, großer Gedanken und großherziger Anwandlungen. Doch sie ist auch Zeit von Frustrationen und herben Enttäuschungen, von bequemem Vergnügen und individualistischer Abkapselung. In diesem Zusammenhang tritt die Probe des Militärdienstes als eine in zweifacher Hinsicht formende Gelegenheit. In erster Linie gewährt euch die Zeit des Militärdienstes — dadurch, daß sie euch vorübergehend den gewohnten Formen des Lebens und den Sicherheit gebenden Gefühlen entzieht -jenen notwendigen kritischen Abstand, eben um zu erproben und zu werten, was an euren vorhergehenden Erfahrungen fruchtbar und was hingegen unproduktiv gewesen ist. Die mit dem Militärleben verbundene Disziplin festigt den Charakter und hilft euch so, eure Pläne von allen unrealistischen Wunschvorstellungen zu befreien, und befähigt euch, eure physischen und moralischen Energien auf hohe und edle Ziele auszurichten, die es wert sind, voll gelebt zu werden. Auch die brüderliche Auseinandersetzung mit anderen Jugendlichen und das freundschaftliche Gespräch mit den Kaplänen über den Sinn der persönlichen Entscheidungen auf dem Gebiet der Gefühle und der beruflichen Arbeit und auch über die gesamte Ausrichtung und die großen Fragen des Lebens tragen bei, die Festigkeit und Reife eurer Persönlichkeit zu prüfen. Ein zweiter Aspekt ist uns vom Zweiten Vatikanischen Konzil ins Licht gerückt worden, dort wo es die, welche dem Vaterland in den Reihen des Heeres dienen, als „Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker“ bezeichnet (Gaudium et spes, Nr. 79). Hier liegt der ganze Sinn des Militärlebens und überhaupt des Wehrdienstes. Man darf nicht vergessen, daß der Dienst der Streitkräfte durch die Gewährleistung der Sicherheit des Vaterlandes seinen Teil dazu beigetragen hat, jene neuen Aussichten auf Frieden und internationalen Dialog zu öffnen, die wir heute mit großer Hoffnung zur Kenntnis nehmen. Doch über die historische Wertung der epochalen Veränderungen die wir heute erleben hinaus, hat die Weisung des Konzils einen sein-wichtigen erzieherischen Gehalt. Militärleben und Wehrdienst sind eine nützliche Übung zur Vorbereitung auf das zivile Leben, ein Training für Aufgaben zum Nutzen der Öffentlichkeit, und erfordern eine Übernahme von Verantwortung gegenüber anderen und gegenüber der nationalen und internationalen Gemeinschaft. Indem ihr euer Leben oder einen Teil davon einsetzt, um die Sicherheit des Vaterlands und die Unabhängigkeit seiner Institutionen, die kollektiven Erinnerungen der Nation und die Freiheit aller zu schützen, lernt ihr Jugend- 861 iBOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehen, die Gemeinschaft als Ort des persönlichen Wachstums neu zu entdecken und eure Freiheit als echte Gabe eurer selbst und als Dienst am Nächsten zu verwirklichen. 3. Diese kostbaren Werte des Militärlebens haben eine besondere Ähnlichkeit mit den Grundzügen eines wahren christlichen Lebens, des Lebens dessen, der Christus begegnet ist und sein Jünger wird. Doch wo begegnet man Christus mit seinem Wort und seinen Sakramenten wenn nicht in der Gemeinschaft der Kirche? Christus lebt in der Kirche, und die Kirche ist das Geheimnis Christi, der in unserer Mitte lebt und wirkt. In der Kirche begegnet man anderen, die wissen, daß sie ohne Jesus kein Heil finden können, und die beschließen, seine Jünger zu werden, und sich ihm gleichgestalten lassen in der Freiheit der Kinder Gottes. Aus der Gemeinschaft mit Christus entsteht die Gemeinschaft der Christen und wächst das Leben der Kirche. Von ihr ist jeder Christ ein lebenswichtiger Teil und in ihr muß er seine ganz persönliche Berufung finden, um zum Heil der ganzen Menschheit beizutragen. Auch hier hängt die Freiheit der persönlichen Verwirklichung von der Fähigkeit zur Selbsthingabe und zum Dienst an der Gemeinschaft ab. 4. Aus diesem Grund, liebe junge Soldaten, lade ich euch zum bevorstehenden Welttag der Jugend ein, die Kirche zu entdecken, eure spezielle Diözesankirche, die Kirche Gottes unter den Soldaten Italiens. „In dieser konkreten Kirche sollt ihr lebendige und fruchtbare Reben sein und bewußt und mitverantwortlich ihre Sendung tragen“ (vgl. Botschaft zum 5. Welttag der Jugend, Nr. 3). Durch euren Erzbischof bin ich informiert, daß die Kirche in der italienischen Militärwelt eine gläubige Aufnahme findet, wie sie der Liebe von Söhnen entspricht, und daß die Präsenz der Kapläne deutlich geschätzt wird. Und ich weiß, daß in dieser Kirche viele Jugendliche den Glauben wiederfinden, und mit dem Glauben den Sinn des Lebens. Jedes Jahr empfangen einige Jugendliche die Taufe. Allen wird die Möglichkeit geboten, regulären Katechesekursen zu folgen, auch zur Vorbereitung auf die Erstkommunion und auf die Firmung. Es wächst in eurem Militärordinariat die Aufmerksamkeit auf die Familienpastoral, sei es als geistliches Angebot für die Familien der Berufssoldaten, sei es als Ehevorbereitung für die jungen Pflichtsoldaten. Nicht unterlassen kann ich, die pastorale Mitarbeit der „Vereinigung zur geistlichen Betreuung der Streitkräfte“ zu unterstreichen und anzuspomen. Jeder von euch kann also seinen Platz in dieser Kirche finden und seine verantwortliche Bereitschaft für die gemeinsame Erbauung zu Verfügung stellen. Ich drücke euch von ganzem Herzen mein Wohlgefallen und meine Ermutigung zu eurem kirchlichen Engagement aus. Zum Zeichen reicher Gaben des Himmels erteile ich euch den Apostolischen Segen, den ich gerne auf eure Angehörigen und alle eure Lieben ausdehne. 862 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Höre auf Christus den Herrn Botschaft an die am Vorabend von Palmsonntag in Notre-Dame in Paris versammelte Jugend vom 7. April Liebe Jugend von Paris! Gott sei gepriesen, der mir die Freude schenkt, an diesem Vorabend des Palmsonntags mit euch zu sprechen! Ich grüße euch sehr herzlich, ihr jungen Leute in Paris. Ihr seid die Zukunft der Hauptstadt; die Ablösung ist sichergestellt! Es ist wichtig, daß ihr von hohen Idealen motiviert seid. Vor zehn Jahren habe ich zum ersten Mal die Jugend Frankreichs im Parc des Princes getroffen ... Ich habe es in lebendiger Erinnerung! Seitdem habe ich euch noch öfter gesehen: in Lourdes, in Lyon, in Straßburg und auch in Compostela und in Rom. Wir alle sind Glieder Christi und Glieder der einen menschlichen Familie. Wir lieben das Leben. Das Leben lieben, das heißt schon spüren, daß wir es von Gott empfangen und daß wir ohne ihn nicht glücklich sein können. Junge Leute von Paris, ich fordere euch auf, die Augen zu öffnen für die unergründlichen Reichtümer des Lebens, das Gott uns schenkt. Wenn wir auf sein Wort hören, wenn wir die Größe der Liebe entdecken, mit der er uns liebt, uns alle, Männer und Frauen jeden Alters und aus allen Rassen, dann wissen wir, daß das Leben wert ist, gelebt zu werden, und wert ist, daß es uns geschenkt wurde! Und das ist es, was wir an diesem Tag feiern, an dem Christus sein Leiden beginnt. Schließt euch ihm an ... Nehmt euch Zeit, über seine Botschaft nachzudenken und mit euren Priestern, euren Gruppenführern, euren Lehrern, in Pfarrgruppen und Schulen, in euren verschiedenen Gemeinschaften und Bewegungen die Bibel zu meditieren. Im Glauben gut geschult und mit Erfahrung im Gebet und im Empfang der Sakramente, werdet ihr die Jüngeren mitreißen können und unter euren Kameraden zu Aposteln werden, denn auch ihr müßt die Frohe Botschaft verkünden! Jesus liebt euch. Einige von euch lädt er sogar ein, ihm in engerer Verbundenheit zu folgen ... Einige unter euch sind berufen, Christus nachzufolgen als Priester, als Ordensmann oder Ordensfrau, um die Verkündigung des Evangeliums fortzusetzen. Warum solltet ihr ihn nicht jetzt und hier fragen: „Herr, was soll ich tun?“ Wir stehen an der Schwelle dieser Heiligen Woche, in der wir die bedeutsamen Abschnitte des Lebens Christi auf seinem Weg zum Tod und zur Auferstehung wieder mit ihm erleben wollen. Ich möchte mich an jeden und jede von euch wenden. Du bist getauft worden, du bist ein für allemal auf diesen Weg gestellt worden, höre auf ihn, der wie ein König in Jerusalem eingezogen ist; höre auf ihn, der auf Golgota wie ein Sklave gekreuzigt wurde. Höre ihn zu deinem Herzen sprechen. Höre ihn, der zu dir sagt: Du bist kostbar in meinen Augen. Für dich habe ich mein Leben hingegeben. „An dich dachte ich in meiner Todesangst; für dich habe ich diese Blutstropfen vergossen“ (Pascal, Pensees, Nr. 553). Dein Leben wird schön, wenn du es einsetzt. Du tust es ja schon, aber du kannst es noch mehr tun. Dein Leben wird schön, wenn du auf meinen Ruf: „Komm, folge mir!“ antwortest. 863 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Jugend, ich lade euch zu Solidarität und Toleranz ein in allem, was ihr tut. Eine Arbeit, ein Werk, irgendwelche gemeinsam unternommenen Initiativen lassen ein Klima des Vertrauens entstehen, das es jedem möglich macht, sich zu entfalten. Wenn ihr alles, was ihr seid, zusammen einsetzt, baut ihr rings um euren Erzbischof, meinen Bruder im Bischofsamt, eine Gemeinschaft auf, die wirklich fest und brauchbar ist. Laßt euch in den Schwierigkeiten eures Schul- und Universitätslebens, verbunden mit jungen Menschen in der ganzen Welt, die ebenfalls schwierige Situationen durchzustehen haben, nicht von Leuten, die Ideologien oder illusorisches Glück verkaufen, überrumpeln und betrügen ... Seid kühn genug, ihnen zu widerstehen; ihr verdient Besseres für euer Leben! Habt keine Angst! Öffnet euer Herz! Seid eurer Berufung als Männer und Frauen würdig, um besser dem zu entsprechen, was Gott von euch erwartet! Spannt alle Kräfte an, um für die Welt eine Zukunft anzubahnen, in der Gott an erster Stelle steht, eine Welt, in der die Menschen, die er liebt, einander brüderlich helfen. Jugend von Paris, Gott, die Quelle der Gerechtigkeit und des Friedens, schenke euch die wahre Freude! Christus bewahre euch in einmütiger Verbundenheit, denn ihr seid die Glieder seines Leibes, der Kirche! Unsere Liebe Frau von Paris möge euch die Wege des Erbarmens und der Liebe auftun! Kirche und Sendung in ihr neu entdecken Botschaft an die Jugendlichen der Welt zum Weltjugendtag 1990 am 8. April, veröffentlicht am 26. November 1989 „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ (Joh 15,5) Liebe Jugendliche! 1. Heute möchte ich euch den nächsten Weltjugendtag ankündigen. Noch ist mir der letzte und vor allem sein Höhepunkt, die unvergeßliche Begegnung in Santiago de Compostela in Spanien, lebendig in Erinnerung. Wie so viele von euch, bin auch ich dorthin gepilgert. Das außergewöhnliche Glaubenszeugnis Tausender von Jugendlichen aus allen Kontinenten war als beeindruckendes Moment der Glaubensverkündigung für die gesamte Kirche von großer Bedeutung. In Santiago hat sie der Welt ihr Jungsein, ihre Freude, ihre Hoffnung und ihre Glaubensbegeisterung bewiesen. Das Ereignis von Santiago war nicht nur für sie selbst, sondern auch - so meine ich sagen zu können - für die gesamte Menschheit ein großes Geschenk, für das ich dem Herrn zu danken nicht müde werde. Ihr erinnert euch sicher noch an das Leitwort des vergangenen Weltjugendtages, das Christus in den Blick rückte. Für dieses Jahr schlage ich euch vor, über die Kirche nachzudenken. Diese Abfolge von Themen ist nicht zufällig, denn die Schrift sagt uns, Christus ist das Haupt der Kirche (vgl. Eph 5,23); sie ist das Geheimnis seiner Präsenz und Wirksamkeit unter uns. Paulus drückt es mit folgenden Worten aus: „Christus ist unter euch, er ist die Hoffnung auf 864 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herrlichkeit“ (Kol 1,27); an anderer Stelle sagt er „Ihr seid der Leib Christi, und jeder einzelne ist ein Glied an ihm“ (1 Kor 12,27). Zum V. Weltjugendtag rufe ich euch auf, die Kirche und eure Sendung als Jugendliche in ihr neu zu entdecken. Die Kirche Christi ist eine faszinierende und wunderbare Realität. Auch 2000jährig bleibt sie doch immer jung, weil der Heilige Geist sie stets erneuert; sie bleibt jung, weil ihre Heilsbotschaft immer neu und aktuell ist; sie bleibt jung auch in ihrem Dialog mit der Jugend: „Die Kirche hat der Jugend viel zu sagen, und die Jugend hat der Kirche viel zu sagen. Dieser gegenseitige Dialog muß offenherzig, klar und mutig sein. Er... wird für die Kirche ... zur Quelle des Reichtums und des Jungseins“ (Christifideles laici, Nr. 46). Mein Wunsch geht dahin, daß der V. Weltjugendtag der Förderung dieses Dialogs auf allen Ebenen des Lebens der Kirche und in eurem persönlichen Leben diene. 2. Unter den vielen Gleichnissen, mit denen in der Bibel das Geheimnis der Kirche angedeutet wird, finden wir auch das Bild vom Weinberg (vgl. Jer 2,21; Jes 5,1-7). Die Kirche ist der Weinberg, den der Herr selbst gepflanzt hat und der Gegenstand seiner besonderen Liebe ist. Im Johannesevangelium erklärt uns Christus das wesentliche Lebensprinzip dieses Weinbergs: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ (Job 15,5). Ich habe diese Worte als Leitwort für den kommenden Weltjugendtag gewählt. Und ich rufe euch allen zu: Seid in der Kirche lebendige Reben! Seid Reben, die reiche Frucht tragen! Lebendige Reben im Weinberg der Kirche sein bedeutet vor allem: leben in Gemeinschaft mit Christus, dem Weinstock. Die Rebzweige können nicht aus sich existieren, sie sind auf den Weinstock angewiesen, der Quelle ihres Lebens ist. Durch die Taufe ist jeder von uns Christus eingegliedert worden und hat als unverdientes Geschenk das neue Leben erhalten. Um lebendige Reben zu sein, müßt ihr eure Taufe leben und Tag für Tag die Gemeinschaft mit dem Herrn vertiefen durch das Hören und Befolgen seines Wortes, die Teilnahme an der Eucharistie und den Empfang des Sakramentes der Versöhnung sowie den persönlichen Dialog mit dem Herrn im Gebet. Jesus sagt: „Wer in mir bleibt, und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Job 15,5). Lebendige Reben im Weinberg der Kirche sein bedeutet auch: sich in den kirchlichen Gemeinden und in der Gesellschaft engagieren. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt dazu sehr klar: „Wie sich im Gefüge eines lebendigen Leibes ein Glied nicht nur passiv verhält, sondern zugleich mit dem Leben des Leibes auch an seinem Tun teilnimmt, so bewirkt auch im Leib Christi, der die Kirche ist, der ganze Leib .gemäß der jedem einzelnen Glied zugemessenen Wirkkraft das Wachstum des Leibes’ (Epb 4,16)“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 2). Wir alle nehmen je nach unserer spezifischen Berufung teil an der Sendung Christi und seiner Kirche, die eine missionarische Gemeinschaft ist. Die Kirche braucht viele Arbeiter. Christus selbst richtet an diesem V. Weltjugendtag an euch seine dringende Einladung: „Geht auch ihr in meinen Weinberg!“ (Mt 20,4). Die Kirche ist eine organische Gemeinschaft, in der jeder seinen Platz und seine Aufgabe hat. Auch ihr Jugendlichen habt einen wichtigen Platz. An dieser Jahrtausendwende weiß die Kirche sich dazu berufen, ihr Engagement für die Weitergabe des Glaubens zu vertiefen. Dafür 865 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN braucht sie euch in besonderer Weise. Sie braucht eure Dynamik, eure Aufrichtigkeit, euer großes Verlangen, zu wachsen; sie braucht die frische Kraft eures Glaubens. Stellt die Talente eurer Jugend ohne Vorbehalt und mit der euch eigenen Großmut in den Dienst der Kirche. Nehmt in ihr die Verantwortung wahr, die euch zukommt. Ihr seid nicht lediglich Gegenstand ihrer pastoralen Sorge, sondern aktive Träger ihrer Sendung (vgl. Christifideles laici, Nr. 46). Die Kirche ist euch anvertraut, ja, ihr selbst seid die Kirche! Andererseits hat auch die Kirche euch Jugendlichen viel zu geben. Gerade in unseren Tagen stehen wir vor einem bedeutsamen Phänomen: Nach einer Phase des Mißtrauens und der Distanzierung entdecken viele Jugendliche die Kirche wieder als sichere und treue Führerin, als unverzichtbaren Ort der Gemeinschaft mit Gott und Kirche als Raum geistlichen Wachstums und Engagements den Schwestern und Brüdern, als Raum geistlichen Wachstums und Engagements. Diese Tatsache spricht für sich; Viele von euch geben sich nicht damit zufrieden, formell der Kirche anzugehören. Sie suchen nach mehr. Priviligierter Ort dieser Neuentdeckung der Kirche und des Engagements für sie sind die Vereinigungen und Bewegungen und die verschiedenen kirchlichen Jugendgruppen. Nicht umsonst spricht man heute von einer „neuen Zeit der Zusammenschlüsse“ in der Kirche (vgl. Christifideles laici, Nr. 29). Sie muß als großer Reichtum und kostbares Geschenk des Heiligen Geistes mit tiefer Dankbarkeit angenommen werden. „Geht auch ihr in meinen Weinberg!“ (Mt 20,4). Der Weinberg der Kirche braucht auch Arbeiter, die ihm mit dem Radikalismus des Evangeliums ihr ganzes Leben weihen. Diese sind berufen, als Priester, Ordensleute oder als gottgeweihte Laien Gott zu dienen. Ich bin sicher, daß viele von euch bei der Betrachtung des Geheimnisses der Kirche in ihrem Herzen die Einladung Christi vernehmen werden: „Geh auch du in meinen Weinberg!“ Solltet ihr diese Stimme als persönliche Aufforderung hören, zögert nicht, dem Herrn euer Ja zu geben; habt keine Angst! Sich ganz dem Dienst Christi und der Kirche zu weihen ist eine wunderbare Berufung, ein großes Geschenk. Christus selbst wird euch helfen, ihm zu entsprechen. <701> <701> Der V. Weltjugendtag wird am Palmsonntag 1990 in euren jeweiligen Diözesen gefeiert. Es gilt, gerade die Diözesankirche neu zu entdecken. Die von Christus gegründete Kirche ist keine abstrakte Realität, keine bloße Idee. Sie nimmt konkrete Gestalt an, z. B. als Diözesankirche, die sich eint um den Bischof, den Nachfolger der Apostel. In diesem Sinn müßt ihr auch eure Pfarrgemeinde neu entdecken, ihr Leben, ihre Nöte und die Gruppen und Gemeinschaften, die in ihr sind und wirken. Tragt die Freude und die Dynamik, die ihr beim Weltjugendtreffen von Santiago und anderen Weltjugendtreffen, bei den internationalen Zusammenkünften eurer Bewegungen und Vereinigungen erlebt habt, in eure Diözesen hinein. Seid dort lebendige und fruchtbare Reben. Tragt bewußt und mitverantwortlich ihre Sendung. Nehmt diese konkrete Kirche mit all ihrem geistlichen Reichtum an; nehmt sie an in eurem Bischof, in den Priestern und Ordensleuten; nehmt sie an in dem Glauben und in der Liebe, die ihr als ihre Töchter und Söhne der Kirche schuldet. Der Weltjugendtag ist also nicht nur ein Fest, sondern auch und vor allem anspruchsvolles geistliches Engagement. Soll er Früchte bringen, muß er in den Diözesen, Pfarrgemeinden, Vereinigungen, Bewegungen und Jugendgruppen unter der Führung der Hirten vorbereitet 866 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN werden. Sucht die Kirche in ihrem Wesen, in ihrer fast 2000jährigen Geschichte und im Hier und Jetzt tiefer zu verstehen. Entdeckt als Jugendliche euren Ort und eure Sendung in ihr. Das Apostolische Schreiben Christifideles laici, das ich 1988 der Berufung und Sendung der Laien in Kirche und Welt gewidmet habe, vermag euch dafür geistliche Wegweisung zu geben. Mögen eure Hirten euch helfen, diese Botschaft tiefer zu erfassen. Die geistliche Vorbereitung und die Feier des kommenden Weltjugendtages möchte ich der besonderen Fürbitte der Gottesmutter anvertrauen. Sie, die wir als Mutter der Kirche verehren, möge euch Meisterin und Führerin sein auf diesem Weg erneuerten Engagements für die Kirche. Von ganzem Herzen erteile ich euch allen meinen Segen. Aus dem Vatikan, am Christkönigsfest, 26. November 1989 Joannes Paulus PP. II Mit Christus in Jerusalem einziehen Predigt am Palmsonntag, 8. April 1. „Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe!“ (Mt 21,9). Heute kommt Jesus nach Jerusalem. Und heute ist der Tag, den die Liturgie eine Woche vor Ostern in Erinnerung ruft. Heute ist der Tag, an dem die Menge Jesus umringt, und unter der Menge sind junge Menschen. Dies ist in besonderer Weise ihr Tag. Dies ist euer Tag, liebe Jugendliche, hier auf dem Petersplatz und zugleich an vielen anderen Orten der Erde, an denen die Kirche die Liturgie des Palmsonntags als euer besonderes Fest feiert. Dieser Tag ist euer Tag. Als Bischof von Rom gehe ich mit euch zusammen Christus bei seinem Einzug entgegen. „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn.“ Zusammen mit euch - und zusammen mit all euren Altersgefährten in allen Teilen der Welt. Im Geist verbinde ich mich auch mit jenen, die das Fest der Jugend an einem anderen Tag des liturgischen Jahres feiern. Ja, die große Menge erstreckt sich über Nationen und Kontinente! Diese Menge umgibt Christus, während er in Jerusalem einzieht, während er seiner „Stunde“ entgegensieht. Während er auf sein Ostergeheimnis zugeht. <702> <702> Nur einmal zog Jesus von Nazaret feierlich zum Osterfest in Jerusalem ein. Und nur einmal erfüllte sich das, was die nächsten Tage bestätigen werden. Aber zugleich geht dieses sein Kommen weiter. Ein für allemal wurde in die Geschichte der Menschheit eingeschrieben, was der hl. Paulus in der heutigen Liturgiefeier verkündet: „Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Damm hat ihn Gott über alle erhöht“ (Phil 2,6-9). 867 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jesus Christus - der Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater - entäußerte sich als Mensch und nahm den Tod am Kreuz auf sich, der, menschlich gesprochen, die größte Schande ist. In dieser Entäußerung wurde Jesus Christus über alles erhöht. Gott selbst hat ihn erhöht und hat die Erhöhung des Sohnes mit der Geschichte des Menschen und der Welt verbunden. In ihm haben die Geschichte des Menschen und der Welt einen göttlichen Maßstab. „Jesus Christus ist der Herr - zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil 2,11). 3. Wir alle, hier auf dem Petersplatz oder an irgendeinem Ort der Erde, ziehen mit Christus in Jerusalem ein, wir bekennen, verkündigen und mfen das fortdauernde Ostergeheimnis Christi aus. Es dauert fort in der Kirche und, durch die Kirche, in der Menschheit und in der Welt. Wir bekennen, verkündigen und rufen aus das Geheimnis dieser Erniedrigung, die erhöht, und dieser Entäußerung, die ewiges Leben schenkt. In diesem Geheimnis, dem Ostergeheimnis Christi, hat Gott sich in seiner Tiefe offenbart. Gott, der die Liebe ist. Und in diesem Geheimnis, dem Ostergeheimnis Christi, wurde der Mensch in seiner Tiefe offenbart. Christus hat dem Menschen den Menschen voll kundgemacht und ihm seine höchste Berufung erschlossen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Die Grenze der menschlichen Existenz verläuft zwischen Erniedrigung, Entäußerung durch den Tod hindurch, und dem nicht zu unterdrückenden Verlangen nach Erlösung, Würde und Ehre. Das ist der Maßstab des menschlichen Daseins. Das ist der Umfang seiner irdischen Ansprüche. Das ist das Empfinden von seiner unaufgebbaren Würde und die Grundlage aller seiner Rechte. Im Ostergeheimnis begibt sich Christus in diesen Maßstab des menschlichen Wesens. Er nimmt dieses ganze Ausmaß der menschlichen Existenz an. Er nimmt es in sich hinein. Er bestätigt es. Und zugleich geht er darüber hinaus. Als er in Jerusalem einzieht, geht er seinem Leiden entgegen, und zugleich geht er dem Leiden aller Menschen entgegen. „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ (Joh 11,25). <703> <703> So also ziehen wir mit Christus in Jerusalem ein. „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn.“ Mit ihm zusammen auf dem Weg sind wir die Kirche, die die Sprache vieler Völker, Nationen, Kulturen und Generationen spricht. In allen Sprachen verkündet sie das gleiche Geheimnis Jesu Christi: das Ostergeheimnis. In dieses Geheimnis ist in besonderer Weise das Maß des Menschen eingeschlossen. In diesem Geheimnis ist es von göttlicher Macht durchdrungen, von der größten Macht, nämlich der Liebe. Wir alle tragen Christus in uns, den „Weinstock“ (vgl. Joh 15,5), aus dem die Geschichte des Menschen und der Welt hervorsproßt. Christus, den fortwährend wirkenden Sauerteig des neuen Lebens in Gott. Gesegnet sei er, der kommt... Hosanna! 868 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wallfahrt ins 3. Jahrtausend Aufruf zum 6. Weltjugendtag 1991 in Tschenstochau am Palmsonntag, 8. April In uns ist noch die Erinnerung wach an das große Treffen in Santiago de Compostela vom vergangenen Sommer, und während heute in allen Diözesen der Welt der 5. Weltjugendtag gefeiert wird, blicken wir bereits auf die nächste Etappe dieser geistlichen Wallfahrt ins dritte Jahrtausend. Deshalb lade ich euch, Jugendliche aller Kontinente, dazu ein, im August 1991 beim Heiligtum der Muttergottes von Tschenstochau, dem Herzen der Geschichte des polnischen Volkes seit mehr als 600 Jahren, zusammenzutreffen, um gemeinsam den 6. Weltjugendtag zu feiern. Thema dieser Begegnung werden die Worte des hl. Paulus an die Römer sein: „Ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht“ (Röm 8,15). In der Zeit, in der wir leben und die von tiefen gesellschaftlichen Umwälzungen gekennzeichnet ist, stellt dieser Geist der Gotteskindschaft das wahre Antriebselement für die Geschichte der Völker und das Leben der Menschen dar. Denn er zeigt die tiefen Wurzeln der Würde des Menschen und die Größe seiner Berufung. Maria lehre uns, als wahre Kinder Gottes, des Vaters, zu leben. Das Priestertum ist ein Dienst Schreiben an alle Priester der Kirche zum Gründonnerstag 1990, vom 12. April 1. Komm, Schöpfer Geist! Mit diesen Worten hat die Kirche am Tag unserer Priesterweihe gebetet. Heute gedenken wir zusammen dieses Weihetages, da wir das Ostertriduum des Jahres des Herrn 1990 beginnen. Wir begeben uns mit Christus und den Aposteln in den Abendmahlssaal, um in cena Domini die Eucharistie zu feiern und jene Wurzel wiederzufinden, die die Eucharistie des Paschafestes Christi und unser sakramentales Priestertum, das wir von den Aposteln ererbt haben, in sich vereint: „Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). Komm, Schöpfer Geist! Während wir an diesem Gründonnerstag zum Ursprung des Priestertums des Neuen und Ewigen Bundes zurückkehren, erinnert sich ein jeder von uns zugleich an jenen Tag, an dem das sakramentale Priestertum als Dienst in der Kirche Christi in der Geschichte seines eigenen Lebens begonnen hat. Die Stimme der Kirche, die an diesem für uns so entscheidenden Tag den Heiligen Geist anruft, nimmt Bezug auf die Verheißung Christi im Abendmahlssaal: „Ich werde den Vater [für euch]) bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit“ (Joh 14,16-17). Der Tröster - der Beistand! Die Kirche ist sich seiner heilenden und heiligenden Gegenwart sicher. Er ist es, „der das Leben gibt“ (Joh 6,63). „Der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht..., den ich 869 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN euch vom Vater senden werde“ (vgl. Joh 15,26). Genau er hat in uns jenes neue Leben gezeugt, das sich das Amtspriestertum Christi nennt und ist. Christus sagt: „Er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden“ (Joh 16,14). Genau so ist es geschehen. Der Geist der Wahrheit, der Beistand, hat von jenem einzigen Priestertum „genommen“, das in Christus ist, und er hat es uns als den Weg unserer Berufung und unseres Lebens offenbart. Es war an jenem Tag, daß jeder von uns sich selbst im Priestertum Christi des Abendmahlssaales als Diener der Eucharistie gesehen hat und mit dem Blick darauf begonnen hat, in diese Richtung zu gehen. Es war an jenem Tag, daß jeder von uns durch das Sakrament dieses Priestertums in sich verwirklicht gesehen hat, gleichsam eingeprägt in seine Seele in der Form eines unauslöschlichen Merkmales: „Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung Melchise-deks“ (Hebr5,6). 2. All das tritt uns jedes Jahr an unserem Weihetag vor Augen, ebenso geschieht es am Gründonnerstag. Denn heute versammeln wir uns in der Liturgie der Chrisammesse am Morgen innerhalb der jeweiligen Priestergemeinschaften mit unseren Bischöfen, um die sakramentale Gnade der Weihe zu bekräftigen. Wir versammeln uns, um vor dem priesterlichen Volk des Neuen Bundes jene Versprechen zu erneuern, die seit dem Tag unserer Weihe den besonderen Charakter unseres Dienstes in der Kirche begründen. Und in der Erneuerung der Versprechen rufen wir den Geist der Wahrheit an- den Beistand, auf daß er uns die erlösende und heiligende Kraft durch jene Worte vermittelt, die die Kirche in ihrem Hymnus fürbittend spricht: „Besuch das Herz der Kinder Dein, erfüll uns all mit Deiner Gnad, die Deine Macht erschaffen hat“. In der Tat! Heute öffnen wir unsere Herzen - jene Herzen, die Er mit seinem göttlichen Wirken neugeschaffen hat. Er hat sie neugeschaffen mit der Gnade der priesterlichen Berufung und ist in ihnen ständig am Werk. Er schafft jeden Tag: Er schafft in uns immer wieder neu jene Wirklichkeit, die das Wesen unseres Priestertums darstellt - die jedem von uns die volle Identität und Authentizität im priesterlichen Dienst verleiht -, die es uns ermöglicht, zu „gehen und Frucht zu bringen“, und dafür sorgt, daß diese Frucht „bleibt“ (vgl. Joh 15,16). Er ist es, der Geist des Vaters und des Sohnes, der uns gestattet, immer tiefer das Geheimnis jener Freundschaft zu entdecken, zu der uns Christus im Abendmahlssaal berufen hat: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte ... Vielmehr habe ich euch.Freunde genannt“ (Joh 15,15). Während nämlich der Knecht nicht weiß, was sein Herr tut, ist der Freund hingegen über die Geheimnisse seines Herrn unterrichtet. Der Knecht kann nur verpflichtet sein zu arbeiten. Der Freund erfreut sich der Erwählung dessen, der sich ihm anvertraut hat - und dem auch er sich anvertraut, vollkommen anvertraut. Heute also bitten wir den Heiligen Geist, daß er beständig unser Denken und unser Herz heimsuche. Seine Heimsuchung ist Bedingung, um mit Christus in Freundschaft verbunden zu bleiben: sie gewährleistet uns auch eine immer tiefere und innigere Erkenntnis des Geheimnisses unseres Herrn und Meisters. An diesem Geheimnis nehmen wir auf einzigartige Weise teil: wir sind seine Herolde und vor allem seine Ausspender. Dieses Geheimnis dringt in uns ein und läßt - ähnlich dem Weinstock - durch uns die Rebzweige des göttlichen Lebens hervorsprießen. Wie sehr sollen wir uns darum nach der Zeit des Kommens dieses 870 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geistes sehnen, der „das Leben gibt“! Wie eng muß unser Priestertum mit Ihm verbunden sein, um „im Weinstock zu bleiben, der Christus ist“ (vgl. Joh 15,5)! 3. Komm, Schöpfer Geist! In einigen Monaten werden diese gleichen Worte des liturgischen Hymnus die Versammlung der Bischofssynode eröffnen, die dem Priestertum und der Priesterausbildung in der Kirche gewidmet ist. Dieses Thema erschien bereits vor drei Jahren am Horizont der vorhergehenden Versammlung der Bischofssynode 1987. Frucht der Arbeiten jener Synode war das Apostolische Schreiben Christifideles laici, das in weiten Bereichen mit großer Zufriedenheit aufgenommen worden ist. Dies war ein Thema, das sich geradezu aufdrängte. Die Arbeiten der Synode, an der eine bemerkenswerte Zahl von katholischen Laien - Männer und Frauen aus allen Kontinenten - teilnahm, erwiesen sich als besonders hilfreich im Hinblick auf die Probleme des Apostolats in der Kirche. Man muß noch hinzufügen, daß auch das Dokument Mulieris dignitatem seine Entstehung den Anregungen dieser Synode verdankt, das in gewisser Weise das Marianische Jahr vervollständigt hat. Aber schon damals erwies sich das Thema des Priestertums und der Priesterausbildung am Horizont der damaligen Arbeiten als gegenwärtig. „Ohne die Priester, welche die Laien auf-rufen können, ihre Aufgabe in der Kirche und in der Welt wahrzunehmen, die bei der Ausbildung der Laien für ihr Apostolat helfen können und diese in ihrer schweren Berufung bestärken, würde ein wesentliches Zeugnis im Leben der Kirche fehlen“. Mit diesen Worten äußerte sich ein verdienter und erfahrener Vertreter der Laien darüber, was dann das Thema der nächsten Synodenversammlung der Bischöfe aus aller Welt werden sollte. Diese Stimme war jedoch nicht die einzige. Die gleiche Notwendigkeit stellt auch das Volk Gottes fest sowohl in den Ländern, in denen das Christentum und die Kirche schon seit vielen Jahrhunderten bestehen, als auch in den Missionsländem, in denen die Kirche und das Christentum erst Wurzel fassen. Wenn man während der ersten Jahre nach dem Konzil in diesem Bereich unter den Laien wie auch den Seelsorgern eine gewisse Verwirrung feststellen konnte, so ist die Notwendigkeit von Priestern heute von allen als selbstverständlich und dringend anerkannt. In dieser Problematik wird auch der Lehre des Konzils Rechnung getragen über die Beziehung zwischen dem „Priestertum der Gläubigen“, das sich aus ihrer durch die Taufe gewirkten grundlegenden Eingliederung in die priesterliche Sendung Christi herleitet - und dem „Amtspriestertum“, an dem - in verschiedenen Abstufungen - die Bischöfe, die Priester und die Diakone teilhaben (vgl. Lumen Gentium, Nr. 10 und 28). Diese Beziehung entspricht der gemeinschaftlichen Struktur der Kirche. Das Priestertum ist nicht eine Einrichtung, die „neben“ oder „über“ dem Laientum besteht. Das Priestertum der Bischöfe, der Priester, wie auch das Amt der Diakone, ist „für“ die Laien da, und gerade deswegen besitzt es einen „dienenden“ Charakter; es ist ein „Dienst“. Dieses hebt von sich aus das „Taufpriestertum“, d. h. das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen, hervor: es unterstreicht dieses und hilft ihm zugleich, sich im sakramentalen Leben zu verwirklichen. Man sieht so, wie das Thema des Priestertums und der Priesterausbildung sich aus der Thematik der vorausgehenden Bischofssynode selbst ergibt. Man sieht ferner, wie dieses Thema in dieser Reihenfolge sowohl überaus berechtigt und folgerichtig als auch äußerst dringend ist. 871 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Möge deshalb das Ostertriduum dieses Jahres, besonders der Gründonnerstag, ein entscheidender Tag für die Vorbereitung der Herbstversammlung der Bischofssynode sein. Während der Vorbereitungsphase, die bereits seit ungefähr zwei Jahren andauert, wurden die Diözesan- und Ordenspriester gebeten, sich aktiv daran zu beteiligen und Anmerkungen, Vorschläge und Schlußfolgerungen einzureichen. Zwar betrifft das Thema die Kirche insgesamt, doch sind es vor allem die Priester des ganzen Erdkreises, die als erste das Recht und zugleich die Pflicht haben, diese Synode als „ihre eigene“ zu betrachten: in der Tat, res nostra agiturl Da all das zugleich res sacra ist, möge sich die Synodenvorbereitung nicht nur auf den Austausch von Überlegungen, Erfahrungen und Anregungen stützen, sondern auch einen sakralen Charakter haben. Es ist daher notwendig, viel für die Arbeiten der Synode zu beten. Vieles hängt von ihnen für den weiteren Emeuerungsprozeß ab, der vom II. Vatikanischen Konzil begonnen worden ist. Es hängt viel in diesem Bereich von jenen „Arbeitern“ ab, die „der Herr für seine Ernte aussendet“ (vgl. Mt 9,38). Im Blick auf das herannahende dritte Jahrtausend seit dem Kommen Christi spüren wir heute vielleicht auf noch tiefere Weise die Größe und die Schwierigkeiten der Ernte: „Die Ernte ist groß“; doch sehen wir zugleich auch das Fehlen der Arbeiter: „Aber es gibt nur wenig Arbeiter“ (Mt 9,37). „Wenig“ bezieht sich nicht nur auf die Anzahl, sondern auch auf die Qualität! Deshalb bedarf es auch der Ausbildung! Von hier gewinnen die folgenden Worte des Herrn entscheidende Bedeutung: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,38). Die Synode, auf die wir uns vorbereiten, muß sich durch das Gebet auszeichnen. Ihre Arbeiten müssen in einer geistlichen Atmosphäre der Teilnehmer vonstattengehen. Das aber allein genügt nicht. Die Arbeiten der Synode müssen auch vom Gebet aller Priester und der ganzen Kirche begleitet werden. Die Gedanken, die ich seit einigen Wochen beim sonntäglichen Angelus vorgetragen habe, zielen darauf ab, ein solches Beten anzuregen. <704> <704> Aus diesen Gründen hat der Gründonnerstag des Jahres 1990 - der Priestertag der ganzen Kirche - auf diesem Weg der Vorbereitung eine grundsätzliche Bedeutung. Von heute an müssen wir den Heiligen Geist anrufen, der das Leben gibt: Komm, Schöpfer Geist! Keine andere liturgische Zeit läßt auf so innige Weise die tiefe Wahrheit um das Priestertum Christi erkennen. Jener, der „ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen ist, mit seinem eigenen Blut, und so eine ewige Erlösung bewirkt hat“ (vgl. Hebr 9,12), der selbst der Priester des neuen und ewigen Bundes ist, „liebte zugleich die Seinen, die in der Welt waren, bis zur Vollendung“ (vgl. Joh 13,1). Das Maß dieser Liebe ist das Geschenk des Abendmahls: die Eucharistie und das Priestertum. Um dieses Geschenk durch die heutige Liturgie versammelt und im Blick auf die Synode, die dem Priestertum gewidmet ist, wollen wir den Heiligen Geist in uns wirken lassen, damit die Sendung der Kirche fortfährt zu reifen nach dem Maß, das Jesus Christus ist (vgl. Eph 4,13). So mögen wir immer vollkommener „die Liebe Christi verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt“ (Eph 3,19). Damit wir in unserem Leben und in unserem prie-sterlichen Dienst in Ihm und durch Ihn „von der ganzen Fülle Gottes erfüllt werden“ (ebd.). 872 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In brüderlicher Wertschätzung und Liebe grüße ich alle Brüder im Priesteramt und erteile ihnen meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am Gründonnerstag, dem 12. April 1990, im zwölften Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP II. Priester Christi, des treuen Zeugen Predigt in der Chrisammesse am Gründonnerstag, 12. April 1. „Gnade sei mit euch und Friede ... von Jesus Christus“ (Offb 1,4.5). Ehrwürdige und liebe Brüder, die ihr zu Bischöfen und Priestern berufen wurdet! Und ihr alle, geliebte Brüder und Schwestern! Bei der Teilnahme an dieser Liturgiefeier am Morgen des Gründonnerstags richten wir die Augen unseres Glaubens auf das Ostergeheimnis Christi, das in den kommenden Tagen des Heiligen Triduums seinen liturgischen Ausdruck findet. Wir richten die Augen unseres Glaubens auf Jesus Christus, den „treuen Zeugen“ (ebd.). Er, der Einzige, der Sohn, der am Herzen des Vaters ruht, hat Zeugnis abgelegt für jenen Gott, den niemand je gesehen hat (vgl. Joh 1,18) noch sehen kann, für Gott, der die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,16). Der „treue Zeuge“ hat als Sohn, der den Vater kennt (vgl. Mt 11,27), Zeugnis für den Vater gegeben. Und das letzte Wort dieses Zeugnisses ist das Heilige Triduum, das Ostergeschehen. In diesem Ereignis hat er, Jesus Christus, sich als „der Erstgeborene der Toten, der Herrscher über die Könige der Erde“ (Offb 1,5) offenbart. <705> <705> Wir alle, liebe Brüder im Bischofsamt und im Priesteramt, die wir von den Aposteln das Sakrament des Heilsdienstes als Erbe empfangen haben, richten in diesen Tagen unsere Augen in besonderer Weise auf Christus, den Herrn. Er ist ja „der treue Zeuge“ unseres Priestertums. Durch seinen Willen und seine Gnade sind wir „Verwalter der Geheimnisse Gottes“ (vgl. 1 Kor 4,1). Unser Priestersein kommt ganz von Ihm. In Ihm gründet unser Priestertum: Er hat durch sein am Kreuz vergossenes Blut die Welt mit Gott versöhnt (vgl. Kol 1,20), er, der Zeuge der unendlichen Majestät des Vaters, der Zeuge der Geschöpflichkeit des Menschen und des Alls. Er allein „kennt den Vater“, und er allein weiß, wie alles dem Vater und Schöpfer unterworfen sein muß, „damit Gott herrscht über alles und in allem“ (vgl. 1 Kor 15,28). Und er allein hat die Macht, zu vergeben und dieses alles und uns Menschen Gott zurückzuerstatten, damit der lebendige Mensch der Ruhm Gottes sei (vgl. Hl. Irenäus, Adv. haer., IV, 20, 7). Nur in ihm besteht die Weisheit des Priestertums. Und das, was uns, liebe Brüder, von den Aposteln überkommen ist - das sakramentale Priestertum des hierarchischen Dienstes -, hat seinen Ursprung ganz in ihm. 873 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heute kommen wir, um in besonderer Weise dafür zu danken, daß er uns Unwürdigen die Teilnahme an seinem Priestertum gewährt hat. Zugleich kommen wir, um für unsere ganze Unwürdigkeit und Sündigkeit um Vergebung zu bitten. Und diese unsere Buße ist voll Vertrauen. 3. Wir feiern die Chrisamliturgie, die Liturgie der heiligen Öle. Sie erinnern uns an unsere Salbung zu Priestern, an die Ausgießung des Heiligen Geistes aus der unbegrenzten Fülle der Erlösung durch Christus, an der uns Anteil geschenkt wurde. Wenn die Liturgie uns an das Geschenk der Priesterweihe erinnert, das wir empfangen haben, dann spricht sie zugleich auch von unserer besonderen Berufung, uns den andern zu schenken. Dazu wurde in der Kirche das Amt der Bischöfe und Priester und auch das der Diakone eingesetzt. Wir wollen heute die Gnade des Sakramentes der Priesterweihe wieder neu in uns wachwerden lassen und unsere Ganzhingabe an Christus in der Ehelosigkeit neu bekräftigen. Dabei beten wir zugleich für alle, die uns von ihm, dem Guten Hirten, anvertraut wurden. Und unsererseits bitten auch wir unsere geliebten Brüder und Schwestern um ihr Gebet, damit es uns gegeben sei, ihnen würdig und fruchtbringend zu dienen und einer des anderen Last trage (vgl. Ga7 6,2). 4. Und Christus, dem treuen Zeugen, ihm, der uns liebt, der uns durch sein Blut von unseren Sünden erlöst hat, der uns zu Königen und zu Priestern vor Gott, seinem Vater, gemacht hat, ihm, dem Erstgeborenen der Toten und Herrscher über die Könige der Erde - ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen (vgl. Offb 1,5-6). Das Heute der Erlösung Predigt bei der Abendmahlsfeier in der Lateranbasilika am 12. April 1. „An diesem Tag, am Vorabend seines Leidens.“ Nur einmal im Jahr spricht der Priester bei der Eucharistiefeier die Worte: „An diesem Tag — das ist heute - am Vorabend seines Leidens.“ „Sooft wir von diesem Brot essen und aus diesem Kelch trinken, verkünden wir, Herr, deinen Tod.“ Auf sakramentale Weise verkünden wir den Tod des Herrn, setzen ihn gegenwärtig und feiern ihn. Aber nur dieses Mal, dieses eine Mal geben wir Zeugnis für den Tag, an dem dieses heiligste Sakrament seinen Ursprung hat. Die abendliche Eucharistiefeier des Gründonnerstags läßt das Letzte Abendmahl auf besondere Weise gegenwärtig werden. Obschon also das „Heute“ der Eucharistie, die damals eingesetzt wurde, dazu bestimmt ist, bis zum Ende der Zeiten fortzudauern, gibt es doch einmal im Jahresrhythmus der Liturgie ein „Heute“, an dem die Einsetzung der Eucharistie gefeiert wird. <706> <706> Die ganze Kirche vereint sich an diesem „Heute“. Die ganze Kirche lebt beständig daraus. In ihm hat sie ihren Ursprung, in ihm wird sie immer wieder neu. In diesem „Heute“ wird die 874 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche sich immer wieder neu der Fülle bewußt, die es nur in Gott gibt und die nur von Gott her in unsere Wirklichkeit herabsteigen kann, um in ihr die endgültige Perspektive der Versöhnung und der Vereinigung mit Gott sichtbar werden zu lassen. 3. Das Letzte Abendmahl. „Jesus wußte, daß seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen“ (Joh 13,1). „An diesem Tag, am Vorabend seines Leidens, das er zum Heil der ganzen Welt auf sich nahm, ... erhob er die Augen zu dir, Gott, seinem allmächtigen Vater, sagte Dank, segnete und brach das Brot, gab es seinen Jüngern und sagte: ,Nehmt und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.’ Nach dem Mahl nahm er den Kelch und sagte: ,Nehmt und trinkt daraus, das ist der Kelch meines Blutes, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.’“ Der Kelch des Neuen und Ewigen Bundes ... 4. Christus ist sich seines Handelns voll bewußt, seines erlösenden Handelns, seines entscheidenden messianischen Handelns. Um dies zu vollbringen, ist er in die Welt gekommen, und indem er es vollbringt, geht er hinüber zum Vater. Dieses sein Tun soll Gegenwart bleiben, es soll in der Geschichte des Menschen gegenwärtig sein, in der Geschichte alles Geschaffenen. Es ist das fortdauernde „Heute“ der Erlösung der Welt. Das immerwährende „Heute“ der Kirche. „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13,1). 5. Die Einsetzung des Sakramentes ging dem Akt der Erlösung, dem Paschaopfer des Leibes und Blutes voraus. Die Einsetzung hat dieses Opfer, diesen Erlösungsakt Christi im sakramentalen „Heute“ der Eucharistie festgehalten, das „Heute“ jenes Heiligen Donnerstags, das „Heute“ des Letzten Abendmahls. <707> <708> <709> <707> Die ganze Kirche, die Gemeinschaft der Jünger und der Gläubigen der ganzen Welt nimmt tiefbewegt an diesem eucharistischen „Heute“ des Letzten Abendmahls teil. Wahrhaftig, „er erwies uns seine Liebe bis zur Vollendung“. <708> Und wir alle, denen mit den Aposteln und nach ihnen das Gebot „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (vgl. 1 Kor 11,24) als Erbe übertragen wurde, wir alle, „Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (vgl. 1 Kor 4,1), Bischöfe und Priester, was können wir an diesem „Heute“ des Gründonnerstags mehr wünschen als einzig und allein das, was der Meister selbst uns durch die Fußwaschung deutlich gemacht hat? „Begreift ihr, was ich an euch getan habe?“ (Joh 13,12). Begreifen wir, was er an uns getan hat? Vor dem eucharistischen „Heute“ des Letzten Abendmahls können wir nur eines wünschen, nämlich das, worin wir uns ganz und gar zum Ausdruck bringen und verwirklichen können: „Auch ihr müßt einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben“ (Joh 13,14-15). <709> Gründonnerstag im Heiligen Triduum 1990. Für das ganze Volk Gottes eine Zeit besonderen Gebetes für die Priester. „Die Ernte ist groß“ (Mt 9,37). „Diesen Schatz tragen wir in zerbrechlichen Gefäßen“ (2 Kor 4,7). „Die Ernte ist groß“! Herr, sende Arbeiter in deine Ernte! Sende ... Amen. 875 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mittler eines neuen Bundes Ansprache nach dem Kreuzweg beim Kolosseum am Karfreitag, 13. April 1. Karfreitag. Beim Kolosseum in Rom sind wir dem „Kreuzweg“ Jesu Christi gefolgt, Station für Station. Dieser Weg führt vom Amtssitz des Statthalters Pilatus durch die Straßen Jerusalems zur Richtstätte von Golgota. Von der Verkündigung des Todesurteils bis zum „Es ist vollbracht!“ (Joh 19,30) am Kreuz. Und dann haben wir auch der Grablegung beigewohnt - denn diese erfolgte am Tag vor dem Sabbat. Sie wälzten einen großen Stein vor den Eingang des Grabes und versiegelten den Eingang. So endete in Jerusalem der Kreuzweg des Jesus von Nazaret. Und so endet er auch hier - am römischen Kolosseum. 2. Hier nun die Worte aus dem Hebräerbrief: „Christus aber ist gekommen als Hoherpriester der künftigen Güter ... und ist ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen ... mit seinem eigenen Blut, und so hat er eine ewige Erlösung bewirkt“ (9,11-12). Und dorthin führt der „Kreuzweg“ Jesu Christi: gekreuzigt und begraben, „ist er ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen, nachdem er eine ewige Erlösung bewirkt hat“. Als Hoherpriester der künftigen Güter. Mit seinem eigenen Blut. Das ist das Blut Christi, der mit einem ewigen Geist sich selbst als makelloses Opfer Gott darbringt. Das ist „das Blut Christi, der unser Gewissen von toten Werken reinigen wird, damit wir dem lebendigen Gott dienen“ (vgl. Hebt 9,14). „Und darum ist er der Mittler eines neuen Bundes; sein Tod hat die Erlösung von den ... Übertretungen bewirkt, damit die Berufungen das verheißene ewige Erbe erhalten“ (Hebr 9,15). 3. Christus - einziger Mittler zwischen Gott und den Menschen. Christus - Hoherpriester. Einziger Priester. <710> <710> Heute, Karfreitag, schweigen die Altäre in den Kirchen der ganzen Welt. Es wird auf ihnen nicht das Blutopfer in den Gestalten von Brot und Wein gefeiert. Wir alle, die wir zum Priestervolk des Neuen Bundes gehören, heften den Blick voll Andacht und Verehrung auf das Kreuz. Wir nähren uns von dem unergründlichen Geheimnis, für das der Mensch keine angemessenen Worte findet. Wir beten es an in der schweigenden Sprache der Liebe. 876 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Alleluia! - Inbegriff der Osterfreude Predigt bei der Feier der Ostemacht am 14. April 1. „Ich verkündige euch eine große Freude: Alleluia!“ (Liturgie der Ostemacht). Diesem Wort gehen wir entgegen durch das Kreuz auf Golgota. Wir gehen ihm entgegen durch das Grab, das mit einem schweren Stein verschlossen und versiegelt wurde, damit kein Mensch wage, es zu schänden, und damit an diesem Ort nur der Tod zurückbleibe und niemals mehr das Leben dorthin zurückkehre. Ja, wir kommen, wir kommen von überall her, um im Tod Christi getauft zu werden (vgl. Röm 6,3). Vor allem ihr, liebe Katechumenen, kommt, ihr, die ihr von der über die ganze Welt verstreuten Gemeinschaft der Kirche in die Petersbasilika eingeladen wurdet. Ihr kommt aus Südkorea, Japan, Hongkong, Singapur, Taiwan, Zaire, USA, England und Portugal. Ihr wißt schon, was es bedeutet, auf den Tod Christi getauft zu werden. Ihr wißt, warum Gott, der der Gott der Lebenden und nicht der Toten ist (vgl. Mk 12,27), diesen Tod gewollt hat; ihr wißt, daß Christus, der gekreuzigte und auferstandene, in das Reich des Todes hinabstieg und am dritten Tag vom Tod erstand. Und so verkündige ich euch eine große Freude: Alleluia! 2. Alleluia! Die Kirche freut sich über eure Taufe. Seit den ältesten Zeiten findet sie nichts, was die Wirklichkeit dieser heiligen Nacht, dieser Ostervigil, stärker sichtbar machen könnte als gerade die Taufe, die ihr in dieser Nacht empfangt. Denn nichts anderes spiegelt den „Zweikampf“ zwischen Tod und Leben, den Durchgang - das heißt: das Pascha - Christi durch den Tod zur Auferstehung besser wider als dieses Sakrament. Nichts auch bringt in inniger Nähe zu Christus, zu seiner Ostemacht, der einzigartigen, messianischen Nacht, durch die sich der Sohn eines Wesens mit dem Vater, in seiner ganzen Wahrheit, seiner ganzen Macht offenbart hat, der Erlöser, welcher „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist (.Joh 14,6). Ja, gerade dieses Sakrament. Gerade die Taufe, die uns in den Tod eintaucht, in seinen Tod. Denn mit ihm im Tod begraben, können wir, so wie er, den Weg eines neuen Lebens gehen. So, wie Christus, der durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde (vgl. Röm 6,4). 3. Die Herrlichkeit des Vaters! Kein menschliches Auge kann diese Herrlichkeit sehen. Kein menschliches Auge war Zeuge jenes Augenblicks, in dem Christus den Tod besiegte, den er auf Golgota „um unserer und der ganzen Welt Sünden willen“ auf sich genommen hatte. Tod, ich werde dein Tod sein! Die Herrlichkeit des Vaters! Die Herrlichkeit Gottes ist es, daß der Mensch lebe (vgl. Hl. Irenäus, Adv. haer., IV, 20,7). Der Mensch aber lebt in Christus. Und nun ist der Augenblick, in welchem das, was er, Christus, gesagt hat, Wirklichkeit wird: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“ (Joh 11,25). <711> <711> So wie ihr, hebe Brüder und Schwestern, die ihr in dieser heiligen Nacht die Taufe empfangt, glaubt, so glauben wir alle mit euch, daß wir teilhaben an dieser Herrlichkeit des Vaters, die 877 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der auferstandene Christus ist. Christus, „von den Toten auferweckt, stirbt nicht mehr; der Tod hat keine Macht mehr über ihn“ (Röm 6,9). Christus - das Ziel unserer Hoffnung ... 5. Wahrhaftig, ich verkündige euch eine Freude, eine große Freude. Die menschliche Sprache kann sie nicht in Worte fassen. Und so singt die Kirche das „Alleluia“, um in dem einen Wort all ihre Osterfreude zum Ausdruck zu bringen. „Ich verkündige euch eine große Freude: Alleluia!“ Christus befreit uns von jeder Knechtschaft Osterbotschaft vor dem Segen Urbi et Orbi am Ostersonntag, 15. April 1. „Ich habe die Welt besiegt!“ (Joh 16,33). Der Grabstein am Fuß von Golgota war weggewälzt. Das Grab leer... Er ist nicht hier. „Er ist auferstanden. Er ist nicht hier“ (Mk 16,6). „Geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus ..." (Mk 16,7). Doch die Frauen hatten, als sie bei Sonnenaufgang zum Grab gingen, eine ganz andere Sorge: ob es ihnen gelingen würde, seinen Leichnam zu salben (vgl. Mk 16,1-8). Danach verlangten vor allem ihre Herzen, die geliebt hatten, Herzen, die bis zum Tod und über die Grenzen des Todes hinaus treu geblieben waren. Sie hatten sehnlichst gewünscht, den ins Grab gelegten toten Leib zu finden. „Er ist auferstanden, er ist nicht hier ... Er geht euch voraus nach Galiläa“ (Mk 16,7). 2. Simon Petrus und Johannes finden im Grab alles so vor, wie die Frauen gesagt hatten. Ihn finden sie nicht. Waren sie vielleicht schon damals in der Lage, sich jener Worte zu erinnern: „Ich habe die Welt besiegt“? „In der Welt seid ihr in Bedrängnis, aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16,33). Ja, die letzten Tage waren für sie eine Zeit schrecklicher Bedrängnis gewesen. Sie waren erschüttert und bestürzt gewesen angesichts der Festnahme in Getsemani, angesichts seiner Verurteilung zum Tod am Kreuz, angesichts seines Todes auf Golgota. Sie hatten eine schreckliche Bedrängnis erfahren. Dachten sie vor dem leeren Grab vielleicht: Er hat die Welt besiegt? <712> <713> <714> <715> <716> <712> Die Welt. Diese Welt, in welcher der Mensch lebt, in welcher der Mensch herrscht, diese Welt scheint letzten Endes den Menschen zu besiegen. Sie besiegt ihn durch den Tod. Aber Christus, der den Tod besiegt hat, hat die Welt besiegt. „O mors, ero mors tua“ (O Tod, ich werde dein Tod sein). Er hat den Tod erlitten, er hat den Tod angenommen, um sich jenseits des Horizonts zu offenbaren, der auf der ganzen Geschichte des Menschen lastet. Mit seinem Tod hat er jenem Tod das Ende bereitet, dessen Anfang die Sünde gewesen war. Die Sünde des Menschen und die Sünde der Welt. „Die Welt“ ist unter der Eingebung der Urlüge im Herzen des Menschen zum Widersacher Gottes geworden. Die Welt, die das Herz des Menschen für Gott öffnen sollte, begann Gott aus dem menschlichen Herzen zu vertrei- 878 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ben. Und obwohl der Versucher von Anfang an wiederholt: „Ihr werdet sein wie Gott“ (vgl. Gen 3,5), vermag diese Welt dem Menschen letzten Endes nichts mehr, nichts anderes zu bieten als den Tod. 4. „Ich habe die Welt besiegt!“ Ist Christus etwa gegen die Welt? Wenn er den Tod besiegt, offenbart er dem Menschen aufs neue die Welt; diese Welt, die Gott aus dem Herzen des Menschen vertreibt, wird von Christus Gott und dem Menschen zurückgegeben als Ort des ersten Bundes, der auch der endgültige Bund sein soll. 5. „In der Welt seid ihr in Bedrängnis, aber habt Mut.“ „Die Welt, der Schauplatz der Geschichte der Menschheit, von ihren Unternehmungen, Niederlagen und Siegen geprägt..." (Gaudium et spes, Nr. 2). Die Welt..., Ort so vieler Bedrängnisse des Menschen, ist „unter die Knechtschaft der Sünde geraten“ (ebd.) und bezeichnet gerade diese Knechtschaft so oft als ihre Freiheit! Die Welt, die durch die Liebe ins Dasein gerufen wurde und vom Schöpfer am Leben erhalten wird, wird von Christus am Kreuz durch die Macht seines Todes befreit und durch seine Auferstehung wieder als der göttliche Kosmos geoffenbart (vgl. ebd.). 6. Mensch unserer Zeit! Mensch, der du in die Welt versunken lebst und dabei glaubst, sie zu beherrschen, während du vielleicht zu ihrer Beute wirst, Christus befreit dich von jeder Knechtschaft, um dich zur Selbstüberwindung anzufeuem, zur konstruktiven und auf das Gute ausgerichteten Liebe, zur anspruchsvollen Liebe, die dich zum Baumeister, nicht zum Zerstörer deiner Zukunft, deiner Familie, deiner Umwelt, der ganzen Gesellschaft macht. 7. Mensch unserer Zeit! Nur der auferstandene Christus kann deine ununterdrückbare Sehnsucht nach Freiheit voll erfüllen! Nach den Schrecken zweier Weltkriege und aller Kriege, die in diesen fünfzig Jahren oft im Namen atheistischer Ideologien Opfer dahingemäht und in vielen Nationen Haß gesät haben, sind nach den Jahren der Diktaturen, die den Menschen seiner Grundfreiheiten beraubt haben, jene wahren Dimensionen des Geistes wiederentdeckt worden, welche die Kirche seit jeher fördert, wenn sie in Christus die wahre Größe des Menschen offenbart. Heute führt das Wiedererwachen der Demokratien zum Dialog und zum Vertrauen zwischen den Völkern, und die Welt begreift wieder, daß der Mensch nicht ohne Gott leben kann, ohne die Wahrheit, die ihn in Ihm befreit (vgl. Joh 8,32). <717> <717> Mensch unserer Zeit! Christus befreit dich vom Egoismus, um dich aufzurufen zum Teilen und zum raschen und freudigen Einsatz für die anderen. Ich bin im afrikanischen Sahel gewesen und habe gesehen, wie der Sand, der sich unerbittlich vorschiebt, die Dörfer zudeckt, die Brunnen versiegen läßt, in den Augen brennt, die Kinder 879 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu Skeletten abmagem läßt, die Kräfte der Jugend lähmt, Verzweiflung, Hunger, Krankheit und Tod verursacht. Tod durch Hunger und Durst. Mensch von heute! Reiche Nationen der Überflußgesellschaft! Bleibt dieser Tragödie gegenüber nicht gleichgültig! Macht euer Gewissen immer stärker, um jenen Völkern zu helfen, die täglich um ihr Überleben kämpfen. Seid überzeugt, wo das Elend herrscht, gibt es keine Freiheit. Die menschliche und christliche Solidarität möge die euer Gewissen anspomende Herausforderung sein, damit jener Sand allmählich der Förderung der Menschenwürde weicht, Brot wachsen läßt, um den Menschen das Lächeln, die Arbeit, die Hoffnung, den Fortschritt wiederzugeben. Ich habe, Gott sei Dank, Freiwillige gesehen, Einzelpersonen, Vereinigungen, Institutionen, Priester, Ordensleute, Laien verschiedener Berufe, die sich für das Wohl der verlassensten und am meisten heimgesuchten Brüder einsetzen und aufopfem. Ich danke ihnen im Namen des gekreuzigten und auferstandenen Christus! 9. Mensch unserer Zeit! Christus befreit dich, weil er dich liebt, weil er sich für dich hingegeben hat (vgl. Gal 2,20), weil er für dich und für alle gesiegt hat. Christus hat die Welt und dich Gott zurückgegeben. Er hat Gott dir und der Welt zurückgegeben. Für immer! „Habt Mut, ich habe die Welt besiegt!“ Mit diesem totalen Vertrauen in die Liebe Christi zu dem Menschen, der in allen Breiten des Erdballs lebt, hofft, leidet und liebt, grüße ich jetzt die verschiedenen Völker und Stämme in ihren eigenen Sprachen und wünsche allen die Freude und den Frieden des auferstandenen Christus. Ängste und Unsicherheit verschwinden Ansprache an UNIV 90 am 15. April „Christus, meine Hoffnung, ist auferstanden.“ 1. Das sind die Worte, liebe Jugendliche, die die Liturgie des Ostersonntags Maria von Magdala in den Mund legt. Die Kirche wird sie in der ganzen Oktav wiederholen. „Ja, wir sind gewiß: Christus ist wahrhaft auferstanden.“ Diese Sicherheit rüttelte die Apostel und die Jünger des Herrn auf, die die radikale Entscheidung der Christusnachfolge erneuerten und sich entschlossen aufmachten, allen Menschen den göttlichen Plan der Erlösung zu verkünden, von dem sie Zeugen gewesen waren. Und in der damalig bekannten Welt ertönten in allen Sprachen die magnalia Dei (vgl. Apg 2,11). Diese ersten Jünger Jesu und die folgenden Generationen von Gläubigen verbreiteten unter den Völkern die Schönheit der christlichen Tugenden, die sie im Heroismus des Alltags unter den anderen Menschen lebten. Sie haben die Welt nicht verlassen; vielmehr spürten sie, daß Gott sie rief, genau an dem Ort, wo sie lebten und arbeiteten, mit Freimut ihre Hoffnung auf den auferstandenen Christus zu bezeugen. 880 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit den Worten des verehrungswürdigen Jose Maria Escrivä können wir sagen: „Es gibt keinen anderen Weg: entweder finden wir den Herrn in unserem normalen Leben oder wir werden Ihn niemals finden“ (Gespräche, 114). Der Herr ruft weiterhin viele zum Priestertum und zu einem Gott geweihten Leben. Aber jetzt, wie zu allen Zeiten, ruft er den größten Teil der Männer und Frauen dazu, daß sie heilig seien und ihm in der Welt dienen, in den Fabriken und Krankenhäusern, in den Universitäten, im Sport, in allen Milieus, wo man eine ehrenhafte, menschliche Arbeit entfalten kann. 2. „Christus ist wahrhaft auferstanden!“ Angesichts dieser Nachricht verschwinden die Ängste und Unsicherheiten, die verhindern, Jesus zu finden und es zu verstehen, daß es sich lohnt, das eigene Leben mit ihm hinzugeben für die Erlösung der Welt. „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir“ (Offb 3,20). Gott respektiert unsere Freiheit und benötigt - er will sie benötigen - eine Hilfe auf Erden, um das Herz der Menschen für sich öffnen zu lassen. Viele bleiben in sich selbst verschlossen, weil sie glauben, daß Christus eine Bedrohung der eigenen Freiheit sei, ein Hindernis auf der sehnsüchtigen Suche nach Glück. Wir wissen jedoch, daß der einzige Weg, um jetzt und für immer wirklich frei und vollkommen glücklich zu sein, darin besteht, die Tore des Herzens für Christus weit aufzureißen: „Du hast mich gerufen, hier bin ich!“ (J Sam 3,5). Ich weiß, daß ihr alle euch entsprechend der Bildung, die ihr in den Zentren der Prälatur Opus Dei angeboten bekommt, ernsthaft darum bemüht, Christus zu suchen und ihn in den Aufgaben, die ihr in der menschlichen Gesellschaft entfaltet, zu lieben. Ihr wißt um die große aktuelle Notwendigkeit einer tiefen und lebendigen geistigen Erneuerung in der Kirche. Ich weiß, daß ich mit der Bereitschaft von euch hier Anwesenden rechnen kann, eifrige Mitarbeiter bei dieser Erneuerung zu sein. Enttäuscht nicht dieses Vertrauen des Nachfolgers Petri; enttäuscht nicht das Vertrauen, das Gott in euch setzt! <718> <718> Werdet zu Trägem dieser frohen Botschaft, indem ihr Seite an Seite mit so vielen Freunden studiert und arbeitet. Durch die Freundschaft werdet ihr allen helfen, die Schönheit des Glaubens an Jesus Christus zu entdecken. Seid mit eurem Leben ein anziehendes und wahrhaftiges Beispiel der christlichen Tugenden, ohne irgendeine auszuschließen, auch nicht jene, die oft vergessen sind oder sogar von einer materialistischen und hedonistischen Kultur lächerlich gemacht werden. Eure Altersgenossen sollen von euch die liebenswerte Forderung der Solidarität lernen, die in unserer Welt heute so notwendig ist. Sagt mit Entschiedenheit euren Freunden und euren Freundinnen, daß sie stolz darüber sein sollen, die Tugend der christlichen Reinheit zu leben, daß sie das wunderbare Geschenk der Jungfräulichkeit lieben; daß sie an eurer Seite immer mehr den Wert der Mäßigkeit und des Verzichts schätzen lernen in einer Welt, die dem Konsum verschrieben ist. Helft euren Freunden, im Sakrament der Versöhnung die herzliche Liebe Jesu, unseres Herrn, zu erfahren und ihn im Geschenk der Eucharistie zu empfangen. Für dieses Jahr geht euer römischer Aufenthalt wieder zu Ende. Der Papst zählt bei der Ausbreitung des Reiches Gottes auf euch, und er stützt sich auch auf euer Gebet für seine Arbeit und für jene seiner Mitarbeiter. Bittet mit Beharrlichkeit die Mutter des Auferstandenen, daß 881 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Herr dem Nachfolger Petri, dem Hirten der Kirche und des ganzen Volkes Gottes, die Stärke gibt, die aus diesem österlichen Ereignis erwächst. „Ja, wir sind gewiß: Christus ist wahrhaft auferstanden.“ Ich erteile euch allen meinen Segen. In spanischer Sprache sagte der Papst: Ich möchte nun die große Gruppe der spanischsprechenden Jugendlichen grüßen, die aus verschiedenen Ländern stammen, aber vor allem aus Spanien. UNIV 90 hat euch für einige Tage des Studiums und der Reflexion zum Thema „Kreativität in der Gesellschaft der neunziger Jahre“ versammelt. Heute hatte die Feier der österlichen Geheimnisse ihren Höhepunkt. Der auferstandene Christus ist es, der unser Leben verändert und uns zu Kindern Gottes macht und zugleich dem Menschen hilft, vollkommen Mensch zu sein. Nur aus dieser tiefen Wirklichkeit heraus ist es möglich, an eine Kreativität zu denken, die wirklich fruchtbar und wirksam ist, gemessen daran, wie jeder Mensch sein Leben dem Herrn widmet und zugleich für das Wohl der anderen arbeitet. Ich sende meine herzlichsten Grüße mit jedem von euch an eure Familien und eure Studienfreunde und -freundinnen. In französischer Sprache sagte der Papst: Ich grüße von Herzen die Teilnehmer französischer Sprache, bei diesem 23. internationalen Studentenkongreß. Liebe Jugendliche, in dieser österlichen Zeit, die zur Erneuerung einlädt, wünsche ich euch, die neuen Wege zu entdecken, um die Botschaft Christi mit dem Enthusiasmus der ersten Christen in der Welt von heute zu verkünden. Der Herr ist wahrhaft auferstanden. Laßt alle Jugendlichen wissen, daß er die Quelle des Lebens und des Glückes ist! In deutscher Sprache sagte der Papst: Einen herzlichen Gruß richte ich am Ende des UNIV-Kongresses an alle Teilnehmer deutscher Sprache. Um Kreativität in der Generation der neunziger Jahre zu fördern, seid ihr aufgerufen, das Leben in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit moralischen Kategorien zu durchdringen, die einem lebendigen Glauben entspringen. Hierzu erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. In englischer Sprache sagte der Papst: An alle hier anwesenden, englischsprechenden Studenten möchte ich meine Ermutigung für eure Anstrengungen ausdrücken, die Gesellschaft dieser letzten Jahre des zweiten Jahrtausends zu erneuern. Um dies zu erreichen, benötigt ihr eine Vertiefung der Widmung eurer christlichen Berufung. Dieses Treffen in Rom soll euch mit dem Wunsch erfüllen, Jesus Christus immer näher zu folgen. Ich rufe auf euch und eure Familien die Gnade und den Frieden des auferstandenen Herrn herab. 882 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf den Spuren des hl. Willibrord Ansprache an die Teilnehmer der Jugendwallfahrt aus dem Großherzogtum Luxemburg am 19. April Liebe Freunde aus dem Großherzogtum! Mit großer Freude empfange ich euch heute, in der Verlängerung des Welt-Jugendtages und des Treffens vom Palmsonntag in Rom, zu dem Tausende von Jugendlichen wie ihr gekommen waren, um mit dem Papst ihren Glauben zu feiern. Meinen herzlichen Gruß entbiete ich eurem Erzbischof, Msgr. Jean Hengen, der euch auf eurer Wallfahrt begleitet. In der Osterwoche, die der Besinnung auf die Tatsache der Auferstehung Christi gewidmet ist, gedenken wir vor allem unserer Taufe: Sie ist der Akt, durch den die Kirche jeden von uns am Tod und am Sieg des Herrn teilhaftig werden ließ. Ihr Jugendlichen befindet euch in der Zeit der Heranbildung: Ich lade euch ein, den lebendigen Christus und seine Botschaft immer mehr zu entdecken; ich lade euch ein, eure Taufverpflichtung zu erneuern und Christus mit noch größerer Tatkraft zu folgen. Ich weiß, daß ihr aktiv am großen liturgischen Gebet der Kirche teilnehmt. So seid ihr durch den Sonntagsgottesdienst an der Feier des Pascha beteiligt: Denn jeden Sonntag kommen die Christen gerne zusammen, um den Sieg des auferstandenen Christus zu vergegenwärtigen, ihm dafür zu danken und an seiner Gegenwart teilzuhaben. Sie messen der Sonntagsliturgie eine große Bedeutung bei, denn sie schöpfen dort ihre geistige Kraft und finden dort den Sinn ihres Daseins. Wie die heiligen Frauen, die Jesus sandte, die Nachricht der Auferstehung zu verkünden, seid auch ihr gerufen, Zeugen Christi zu sein. Bereitet euch auf euer Apostolat als Erwachsene in der Kirche vor. Seid offen für den Herrn, der einlädt, ihm heute wie gestern zu folgen. Sagt wie der von Christus auf dem Weg nach Damaskus ergriffene Paulus: „Herr, was soll ich tun?“ (Apg 22,10). In diesem Jahr, wo Luxemburg besonders den großen Missionar, den hl. Willibrord, ehrt, äußere ich den Wunsch, daß junge Luxemburger in seine Fußstapfen treten, um die Evangelisierung des Landes und Europas, wo das Großherzogtum einen so besonderen Platz ein-nimmt, fortzusetzen. Ich hoffe, daß mehrere unter euch den Ruf des Herrn vernehmen, „ihre Netze zu verlassen“, um ihr Leben dem Priesteramt oder dem Ordensleben zu widmen. Derjenige, den Gott ruft, erhält Tag für Tag die Gnade, um den Weg zu gehen, der für ihn bestimmt ist. „Nur Mut“ also! Ich spreche euch wie allen Jugendlichen mein Vertrauen aus. Ich bete für euch und erteile euch sowie euren Eltern und Erziehern von Herzen meinen Apostolischen Segen. Guten Aufenthalt in Rom und eine schöne Osterzeit! 883 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Menschen sind beweglicher denn je Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog am 26. April Eminenzen, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Dieser mein herzlicher Willkommensgruß gilt allen Teilnehmern an der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog. Eure Entscheidungen fallen in diesem Jahr mit einem besonders bedeutsamen Augenblick in der Geschichte dieses Rates zusammen: mit dem 25. Jahrestag der Veröffentlichung der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils Nostra aetate und auch mit dem der Errichtung des damaligen Sekretariats für die Nichtchristen. Ich teile eure Freude und preise den Heiligen Geist, der die Kirche zu einem umfangreicheren Einsatz für den Dialog und die Zusammenarbeit mit allen Menschen geführt hat, die Gott anbeten. Gleichzeitig ist dies nicht nur eine Gelegenheit, um eurer Geschichte zu gedenken und über all das nachzusinnen, was im Lauf des letzten Vierteljahrhunderts in der Welt vorgefallen ist; noch wichtiger ist ein neuer Blick in die Zukunft, ist diese doch eure erste Vollversammlung seit der Veröffentlichung der Konstitution Pastor Bonus, mit der euer Rat nicht nur seinen neuen Namen, sondern auch eine neue Sendung empfangen hat. Ich möchte mir erlauben, eure Aufmerksamkeit auf einen bedeutsamen Abschnitt in diesem Dokument zu lenken: „Der Rat hat dafür zu sorgen, daß der Dialog mit den Anhängern anderer Religionen auf entsprechende Weise erfolgt und daß verschiedene Formen des Kontakts zu ihnen gepflegt werden. Er unterstützt einschlägige Studien und Begegnungen, die den Zweck verfolgen, der gegenseitigen Kenntnis und Achtung zu dienen und durch die Zusammenarbeit mit anderen die menschliche Würde und geistliche und moralische Werte zu fördern. Er bemüht sich um die Ausbildung jener, die sich mit einem Dialog dieser Art beschäftigen“ (Pastor Bonus, Nr. 160). 2. Ein Blick auf die uns umgebende Welt beweist, daß eure Aufgabe im Lauf der Jahre nicht an Bedeutung verloren, sondern vielmehr gewonnen hat. Überall treten in der heutigen Welt Fragen auf, welche die Beziehungen zwischen Glaubenden verschiedener Religionen betreffen. Die Menschen sind in unseren Tagen beweglicher denn je zuvor. Sie verlassen die Dörfer und Städte, in denen sie geboren wurden und suchen zum Studium, zur Arbeit oder in vielen Fällen auch zur Flucht vor Angst, Hunger und Unterdrückung andere Orte auf. Völker, die einst nie zusammengetroffen wären oder einander nie kennengelemt hätten, müssen jetzt herausfinden, wie sie in einer in rassischer, ethnischer, sprachlicher und religiöser Hinsicht pluralistischen Gesellschaft ein harmonisches und friedliches Leben aufbauen können. Die Herausforderung, der nicht nur Christen, sondern Menschen aller Religionen gegenüberstehen, besteht darin, zu lernen, wie man andere Religionsbekenntnisse und religiöse Verhaltensweisen verstehen, Konflikte friedlich lösen und Achtung und Respekt zwischen jenen schaffen kann, die verschiedene Wege gehen und verschiedene Werte anerkennen. Eine weitere Tatsache, die größere Aufmerksamkeit auf den Dialog nötig macht, ist der nachhaltige Effekt der Mittel der sozialen Kommunikation. Ein Konflikt in irgendeinem Teil der Welt hat auch anderswo sofortige Rückwirkungen. Christen und Anhänger anderer Religio- 884 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen sind aufgerufen, zu gerechten und friedlichen Lösungen beizutragen. Somit gehört die Notwendigkeit richtiger Information und eingehender Studien über andere Religionen zu den Aufgaben der Christen in der heutigen Welt. Wenn wir Christen ferner über die Sendung der Kirche nachdenken, den Namen Gottes überall in dieser Welt bekannt zu machen und seinen Willen dort lieben und befolgen zu lernen, wo er oft verleugnet, ignoriert oder als bedeutungslos betrachtet wird dann können wir die Feststellung machen, daß wir dieser Aufgabe nicht allein gegenüberstehen. Es gibt auch noch andere Glaubende, die auf ihre Art und ihren Überzeugungen entsprechend an Gott glauben, zu ihm beten, von ihm Führung und Trost erwarten und bemüht sind, nach seinem Willen zu leben und die Gesellschaft jenen Werten entsprechend aufzubauen, die er lehrt. Somit haben wir viele Beweggründe, um an die Glaubenden anderer Religionen als Diskussionspartner und Mitarbeiter heranzutreten. 3. Wenn wir über den Auftrag nachdenken, den euer Rat vor 25 Jahren empfangen hat und der vor nicht langer Zeit in Pastor Bonus erneuert wurde, können wir auf die im besagten Dokument angeführten Prioritäten hinweisen, nämlich „die Förderung von Studien und Begegnungen“. Die eigentliche Arbeit eurer Vollversammlung ist das Studium der Beziehungen zwischen dem Dialog mit Menschen anderer Religion und der von Christus gegebenen Weisung, die Frohbotschaft vom Heilswirken des Vaters zu verkünden. Mit der Veröffentlichung solcher Studien, in Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen des Hl. Stuhls und mit den Bischofskonferenzen in aller Welt und auch dank des bereichernden Beitrags zahlreicher Theologen und Experten, leistet ihr der ganzen Kirche einen wertvollen Dienst. Die Beziehung der Kirche zu den anderen Religionen macht noch zahlreiche und eingehende theologische Untersuchungen notwendig. Die Frage, wie Gott das Heil all jener wirkt, die ihn durch die einzige Mittlerschaft Christi anrufen, erfordert ebenso die ständige Aufmerksamkeit der Kirche wie das Wirken des Geistes Christi in den Anhängern anderer Religionen. Auch stellen sich, was Gebet und Gottesdienst unter den Anhängern der verschiedenen Religionen betrifft, theologische und pastorale Fragen. Ich ermutige euch zur Fortsetzung der Reflexion über diese Themen und zu ihrer Fördemng in den theologischen Ausbildungsstätten. <719> <719> Dieser Rat ist jedoch nicht nur mit theologischer Forschung beschäftigt. Er soll der Arm der Kirche - und somit der Arm Christi - sein, der auf persönliche und liebenswürdige Weise alle Menschen mit religiösem Glauben erreicht. Der Dialog ist nicht in erster Linie eine Idee, die durchdacht werden muß, sondern vielmehr eine Lebensweise in positiven Beziehungen zu anderen. Es ist daher wichtig, daß ihr euch durch persönlichen Kontakt und durch Erfahrung die Kenntnis der religiösen Überzeugungen der anderen und das Verständnis für diese Überzeugungen aneignet. Solche Begegnungen sind tatsächlich imstande, ihre Teilnehmer zu bereichern. „Nichts von alledem, was in diesen Religionen wahr und heilig ist, wird von der katholischen Kirche verworfen. Überall werden von ihr jene Handlungs- und Lebensweisen, jene Vorschriften und Lehren aufrichtig ernst genommen, die, wenngleich sie von dem, was sie selber für wahr hält und lehrt, in vielem abweichen, doch nicht selten einen Strahl jener Wahrheit widerspiegeln, die alle Menschen erleuchtet. Unablässig verkündet sie jedoch und muß unablässig verkündigen Christus, der ,der Weg, die Wahrheit und das Leben’ ist 885 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (Joh 14,6), in dem die Menschen die Fülle des religiösen Lebens finden, in dem Gott alles mit sich versöhnt hat“ (Nostra aetate, Nr. 2). Ich fordere euch auf, diese Begegnungen mit Glaubenden anderer Religionen fortzusetzen, in denen ihr gemeinsam Themen überdenkt und besprecht, welche die Aufmerksamkeit aller erfordern. Die Weitergabe menschlicher und geistlicher Werte an die kommenden Generationen; die Rechte und Verantwortungen des Menschen; Möglichkeiten zur Unterstützung der Armen, der Hungernden, der Kranken und Heimatlosen, die um ein menschenwürdiges Leben kämpfen; die Erhaltung der Schöpfung Gottes, dieses ersten Geschenks an die Menschheit; der Einsatz für den Frieden; der Schrei nach Gerechtigkeit: dies sind nur einige der Probleme, die auf dem Weg der Begegnung und der Zusammenarbeit mit anderen gelöst werden müssen. Ich kann es schließlich nicht unterlassen, die ökumenische Dimension der Arbeit eures Rates zu erwähnen. Tatsächlich können ja die Beziehungen zu Menschen anderer Religionen dazu beitragen, die Christen einander näher zu bringen. Ich weiß um eure Zusammenarbeit mit der „Unterabteilung für den Dialog“ beim Weltrat der Kirchen und es ist mir eine Freude, deren Vertreter in eurer Mitte zu begrüßen. 5. Ich flehe Gott an, er möge euch zu euren Bemühungen Geduld und Ausdauer schenken. In dieser österlichen Zeit gedenken wir all dessen, was die Auferstehung Christi von den Toten uns gelehrt hat: wir arbeiten im Glauben, wir leben in der Hoffnung, wir bleiben in seiner Liebe. Die Erfolge müssen sich nicht sofort einstellen. Begnügt euch jedoch nicht mit leichtfertigen Lösungen. Eure geduldigen und ausdauernden Bemühungen müssen den Rhythmus des göttlichen Gärtners widerspiegeln, der die Sonne scheinen läßt, zu einer bestimmten Zeit Regen spendet und zur rechten Zeit die Früchte seiner Arbeit reifen läßt. Möge Gott euch alle segnen! Ein Wegweiser in die Zukunft Ansprache an die Teilnehmer des Akademischen Symposiums anläßlich des 100. Todesjahres von Kardinal John Henry Newman am 27. April Eminenzen und Exzellenzen! Meine Brüder und Schwestern in Christus! 1. Es ist mir eine große Freude, daß mir durch diese Begegnung die Gelegenheit geschenkt wird, sozusagen am Akademischen Symposium teilzunehmen, das von der Internationalen Gemeinschaft „Das Werk“ und vom Zentrum der Newman-Freunde organisiert wurde, um des hundertsten Todesjahres des berühmten Kardinals John Henry Newman zu gedenken. Ich heiße Sie alle willkommen und danke Ihnen, daß Sie durch Ihre Feier die Aufmerksamkeit auf die besondere Stellung lenken, die dem großen englischen Kardinal in der Geschichte der Kirche zukommt. Im Laufe des Jahrhunderts, das seit seinem Tod vergangen ist, hat die Bedeutung dieser außergewöhnlichen Gestalt in keiner Weise abgenommen. Viele seiner 886 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gedankengänge üben gerade in unserer Zeit einen großen Einfluß aus. Das Thema, das Sie für Ihr Symposium gewählt haben, „John Henry Newman - Freund der Wahrheit“, weist auf einen der wichtigsten Gründe hin, warum von Newmans Leben und Werk eine andauernde Anziehungskraft ausgeht. Sein ganzes Leben war ein Bemühen, dem Licht der befreienden Wahrheit (vgl. Joh 8,32) zu folgen. 2. In dieser kurzen Begegnung kann ich nur einiges aus den vielen einflußreichen Gedanken Newmans, durch die er in der Kirche und in der Kultur unserer Zeit weiterwirkt, aufgreifen. Ich möchte in besonderer Weise unterstreichen, daß Newman durch seine aufrichtige Wahrheitssuche auch heute noch für Forscher und Leser, die gerne nachdenken, eine Quelle der Inspiration bedeutet. Ihr Symposium und andere Feierlichkeiten während des Jubiläumsjahres bieten eine gute Gelegenheit, Newmans Charisma tiefer zu verstehen. Es ist eines seiner großen Verdienste, daß er uns zu einer inneren Bereitschaft liebenden Gehorsams gegenüber Gott aufruft. Denn nur so kann die Suche nach der befreienden Wahrheit zum Erfolg führen. Wie dringend braucht unsere moderne Gesellschaft diese Wahrheit! Sie ist sich auch bewußt, wie sehr sie ihr nottut. Vom Augenblick an, in dem Newman im Alter von fünfzehn Jahren die erste „Bekehrungsgnade“ geschenkt wurde, ist ihm das Bewußtsein der Anwesenheit Gottes, die Ehrfurcht gegenüber der geoffenbarten Wahrheit und das Verlangen nach der Heiligkeit des Lebens nie mehr verlorengegangen. Bereits während seines Lebens wurde seine einzigartige Frömmigkeit und sein Beispiel in weiten Kreisen Englands nicht nur von Katholiken, sondern auch von Anglikanern geschätzt. Sein Ruf als Mann Gottes von tiefer Spiritualität und Gelehrsamkeit war einer der Hauptgründe, warum die englischen katholischen Laien Papst Leo Xm. baten, den Gründer des englischen Oratoriums in das Kardinalskollegium aufzunehmen (vgl. Letters and Dianes of John Henry Newman XXIX, Oxford 1961ff., S. 16-85). <720> <721> <720> Newmans intellektueller und geistlicher Pilgerweg war eine mit großem Emst gelebte Antwort auf ein inneres Licht, dessen er sich immer bewußt zu sein schien, nämlich auf das Licht, welches das Gewissen auf alle Bewegungen und Bestrebungen in unserem Leben wirft. Für Newman war das Gewissen ein „Botschafter von Ihm, der in Natur und Gnade hinter einem Schleier zu uns spricht“ (Difßculties of Anglicans, Westminster, Md., H, S. 248). Es führte ihn unausweichlich zum Gehorsam gegenüber der Autorität der Kirche, zuerst in der Anglikanischen Gemeinschaft, dann als Katholik. In seinen Predigten und in seinen Werken spiegeln sich die Erfahrungen wider, wie er sie selbst durchlebt hat. So konnte er seine Hörer mahnen: „Prüft nur euer Denken und Tun, bemüht euch nur zu tun, was ihr als den Willen Gottes erkennt, und ihr werdet ganz bestimmt in alle Wahrheit eingeführt werden; ihr werdet die zwingende Gewalt, die Bedeutung und das ergreifende Gnadengeschenk des christlichen Glaubens erkennen ...“ (Pfarr- und Volkspredigten, VIH, Stuttgart 1956, S. 123-124). Newman suchte nicht um seiner eigenen Ehre willen Erfolg in der Welt. Er hat es auch nicht zugelassen, daß Mißverständnisse, die oft seinen Einsatz begleiteten, ihn von seiner Suche nach der wahren Heiligkeit, welche immer sein bewußtes Ziel war, ablenkten. Während seines Lebens ging ein großer Einfluß von ihm aus und wurde ihm hohe Autorität zuerkannt, 887 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht wegen irgendeines Amtes, das er innehatte, sondern auf Grund der menschlichen und geistlichen Persönlichkeit, die er verkörperte. 4. Das innere Drama seines langen Lebens entfaltete sich aus seinem Verlangen nach Heiligkeit und Vereinigung mit Christus. Es war sein alles überragender Wunsch, den Willen Gottes zu erkennen und zu erfüllen. In einer Zeit intensiven Fragens, ehe er sich zurückzog, um im Gebet seine Entscheidung zum Übertritt in die römisch-katholische Kirche zu überdenken, bat Newman seine Pfarrangehörigen in Littlemore: „Denkt in der kommenden Zeit an einen gewissen Herrn, auch wenn ihr ihn nicht mehr hört, und betet für ihn, daß er in allem den Willen Gottes erkenne und allezeit bereit sei, ihn zu erfüllen“ (vgl. Predigten zu Tagesfragen Stuttgart 1958, S. 446). Dieses Ideal war sein innerer Halt in der schweren Stunde, in der er das große Opfer brachte, und seine geliebte, ihm so vertraute anglikanische Kirche verließ, um in die katholische Kirche überzutreten. Seine Treue auf dem Weg, den Gottes Vorsehung ihn führte und auf dem er stets alles gründlich durchdachte, ließ diese Erfahrung seiner „verborgenen Jahre“, wie er sie nannte, zu einer Quelle der Ermutigung und der Inspiration für die vielen werden, die nach dem „sicheren Hafen nach stürmischen Fahrt“ (Apologia pro vita sua, Mainz 1951, 5. 275) Ausschau hielten. Durch seine Briefe, in denen er geistliche Führung und Rat erteilte, half er unzählig vielen anderen Menschen auf dem Weg der Wahrheit, den er selbst gefunden hatte und der ihn mit so tiefer Freude erfüllte. In diesem Sinn ist der Einfluß Newmans während der letzten hundert Jahre noch gewachsen und blieb nicht mehr auf England beschränkt. Überall in der Welt bezeugen Menschen, daß dieser Meister des Geistes durch seine Werke, sein Beispiel, seine Fürbitte in ihrem Leben zu einem Werkzeug der Vorsehung geworden ist. <722> <723> <722> Im Hinblick auf das heutige kulturelle Klima, und dies gilt besonders für Europa, gibt es noch einen anderen Gedankenkreis Newmans, der besondere Aufmerksamkeit verdient. Ich weise hin auf die Einheit zwischen Theologie und Wissenschaft, zwischen der Welt des Glaubens und der Welt der Vernunft, die von Newman so eindringlich befürwortet wurde. Er lehrte, daß Bildung nicht der Einheit entbehren darf, sondern in einer ganzheitlichen Schau der Dinge verwurzelt bleiben muß. In diesem Sinn schloß er seine Rede vor der Universität Dublin mit diesen treffenden Worten: „Ich wünsche, daß der Verstand mit äußerster Freiheit sich behaupte und die Religion sich gleicher Freiheit erfreue; was ich aber ausbedingen möchte, ist dies, daß sie an ein und demselben Ort sich finden und durch dieselben Personen verwirklicht werden“ (Predigten zu verschiedenen Anlässen, Stuttgart 1961, S. 26). Weist Newman nicht auf den wesentlichen Beitrag hin, den das Christentum zu geben hat, um im Wandel der europäischen Kultur auf dem Fundament einer tieferen Wahrheit und höherer Werte eine neue Zeit aufzubauen? Er schrieb: „Ich möchte jene Trennung der Bildungsstätten aufheben, die alles in Verwirrung bringt, da sie gegensätzliche Beeinflussungen erzeugt. Ich wünschte, daß dieselben Orte und dieselben Menschen zugleich Orakel der Philosophie und Schreine der Frömmigkeit seien ...“ (ebd.). In diesem Bestreben zeigt der englische Kardinal zusammenfassend den Weg auf, den die Kirche zu gehen hat: „Die Kirche 888 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fürchtet kein Wissen, sondern reinigt und läutert alles. Sie unterdrückt kein Element unserer Natur, sondern bildet sie in ihrer Ganzheit“ (Vom Wesen der Universität, Mainz 1960, 5. 226). 6. Noch ein anderer Aspekt des Pilgerweges Newmans, durch den wir ihn als einen geistlichen Zeitgenossen erfahren dürfen, erweist sich in unserer nachkonziliaren Zeit als besonders wertvoll. Das Geheimnis der Kirche blieb während seines ganzen Lebens die große Liebe John Henry Newmans. In dieser seiner Liebe zur Kirche liegt eine tiefe Lehre für die gegenwärtige Zeit. Newmans Werke spiegeln ein überaus klares Bild seiner unerschütterlichen Liebe zur Kirche wider, durch die Gott in jeder Phase der Geschichte unaufhörlich seine Liebe zum Menschen ausgießt. Er hatte eine innere Klarsicht, die ihn befähigte, all die Schwächen im menschlichen Gebäude der Kirche zu sehen; er konnte aber mit gleicher Sicherheit das Mysterium wahmehmen, das jenseits unseres irdischen Blicks liegt. Möge das Gedenken an ihn uns anregen, uns das bedeutsame Gebet, das ihm so natürlich aus dem Herzen floß, selbst anzueignen: „Laß mich nie vergessen, daß Du auf Erden ein eigenes Reich gegründet hast, daß die Kirche Dein Werk, Deine Stiftung und Dein Werkzeug ist, daß wir unter Deiner Leitung, Deinen Gesetzen und Deinem Auge stehen — daß Du es bist, der durch die Kirche spricht. Laß nicht zu, daß mich die Vertrautheit mit dieser wundervollen Wahrheit gegen sie gleichgültig mache - die Schwäche Deiner menschlichen Vertreter lasse mich nicht vergessen, daß Du es bist, der durch sie spricht und handelt!“ (Betrachtungen und Gebete, München 1952, S. 172). <724> <724> Mögen die gleichen Gefühle auch unsere Herzen erfüllen, wenn wir dieses so hervorragenden Mannes der Kirche gedenken. In der lebenslangen Erfahrung Newmans hören wir das Echo der Worte Jesu zu Nikodemus: „Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, daß seine Taten in Gott vollbracht sind“ (Joh 3,21). Ich hoffe, daß Ihr Symposium weitere Studien anregen wird, um die Bedeutung und Aktualität Newmans, dieses „Freundes der Wahrheit“ für unsere Zeit ins Licht zu rücken. Auf Sie und die Newmanforscher und -freunde überall in der Welt flehe ich das Licht des Heiligen Geistes herab, auf daß durch ihren Einsatz die Lehre dieses großen englischen Kardinals noch mehr gekannt und geschätzt werde. Gerne erteile ich Ihnen meinen Apostolischen Segen. 889 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kinder annehmen, die der Herr schenken möchte Ansprache an die Teilnehmer des italienischen Nationalkongresses für Familienpastoral am 28. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich, euch bei Gelegenheit dieses Nationalkongresses für Familienpastoral, veranstaltet von der Italienischen Bischofskonferenz durch die Sonderkommission für die Laien und die Familie und das Büro für Familienpastoral, begrüßen zu können. Euch allen, und besonders dem Vorsitzenden der Kommission, Bischof Fiorino Tagliaferri, und den anderen Mitbrüdem im Bischofsamt, entbiete ich meinen herzlichen Gruß und spreche zugleich meine volle Zufriedenheit aus über den beständigen Einsatz, mit dem sich die italienische Kirche seit Jahren um die Familie und den Schutz des Lebens bemüht. Es ist eine Aufgabe, die sich nie auf den Augenblick des Lebensbeginns allein beschränkt, sondern von dem Bewußtsein gelenkt ist, daß eine wirksame Verteidigung dieses grundlegenden Gutes des Menschen eine Haltung der Hochschätzung und der Liebe voraussetzt, die bereit ist, dem Leben in all seinen Äußemngen zu dienen: von der gebrechlichen Zartheit seines Beginns an, zu den problematischen Situationen des Leidens und Verlassenseins, bis hin zu den Stunden des Alters und zum natürlichen Sterben. Das kürzlich herausgegebene Dokument des italienischen Episkopats: „Evangelisierung und Kultur des menschlichen Lebens“ verdient aufmerksam durchdacht zu werden, denn es bietet nicht nur eine organische Zusammenfassung der kirchlichen Lehre über das Leben im ganzen Verlauf seines irdischen Daseins, sondern gibt auch nützliche praktische Hinweise für die Verbreitung einer echten Kultur des Lebens und eine angemessene christliche Gewissensbildung. <725> <725> Euer Kongreß will über den großen und fundamentalen Beitrag nachdenken, den die Familie ihrer Berufung gemäß zu einem wirksamen Dienst am Leben leisten soll. Ist nicht die Familie der natürliche Ort, an dem das menschliche Leben entsteht, wächst, reift und wieder zur Neige geht? Ihr kommt es also zu, sich in den Dienst jedes Lebens und des ganzen Lebens zu stellen, auch wenn dies schwierige Augenblicke und problematische Aspekte mit sich bringt. Man darf sogar erwarten, daß gerade unter solchen Umständen die Familie eine Art der Reife und Feinfühligkeit an den Tag legen wird, wie es das spezifisch geistige Gefüge ihrer Existenz als Liebesgemeinschaft kennzeichnet. Vor allem wird sich die Familie, wenn sie gesund angelegt ist, hochherzig der Annahme von Kindern öffnen als konkrete Geste der Liebe zum Leben und als deutliche Bezeugung des Vertrauens auf die göttliche Vorsehung, die niemals jene vergißt, die sich ihr ruhig und tatbereit überlassen. Das gilt vor allem für die jungen Familien, die, wenn sie christlich ausgerichtet sind, nicht der ungerechtfertigten Furcht vor dem Kind unterliegen werden. Sie werden viele unbegründete und egoistische Neigungen, die Geburt von Kindern aufzuschieben, zu überwinden wissen in dem Bewußtsein, daß „Kinder die vorzüglichste Gabe für die Ehe sind“ (Gaudium et spes, Nr. 50) und das Zeichen für den Segen des Herrn, der „Freund des Lebens“ ist (Weish 11,26). 890 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das erweist sich als besonders wichtig in einem Augenblick starker Bevölkerungsabnahme, wie sie zur Zeit in Italien festzustellen ist. Die Familien müssen zu einer hochherzigen Liebe zum Leben zurückkehren und sich in seinen Dienst stellen, vor allem dadurch, daß sie mit Verantwortungsbewußtsein, das fest verbunden ist mit frohem Vertrauen, die Kinder annehmen, die der Herr ihnen schenken möchte. Das ist eine Haltung, die, wenn sie konsequent durchgetragen wird, es der Familie auch möglich machen wird, sich auch für die Annahme der zahlreichen Situationen physischer und geistiger Schwierigkeiten zu öffnen, die das Leben mit sich bringen kann. Sie wird sie auch fähig machen, vielen Vergessenen, Kranken und Alten in unserer Gesellschaft Solidarität und konkrete Hilfe entgegenzubringen. 3. Natürlich weitet sich die Verantwortung für die Geburt von Kindern auch aus auf die Pflicht, diese durch eine gesunde und andauernde Erziehung in einem menschlichen und christlichen Leben heranwachsen zu lassen. Die Familie ist die erste und grundlegende Schule der Kinder, und die Eltern sind die ersten und natürlichen Erzieher. Den Kindern helfen, daß sie durch Wort und Beispiel die echten Lebensmotive begreifen lernen und die Schönheit des Daseins, das in seinem ganzen Entwicklungsverlauf ein Geschenk Gottes ist, darin besteht die Erziehungsaufgabe aller Eltern und die Sendung und die Freude jeder Familie. Die Erfüllung dieser Aufgabe ist heute für viele Familien zur Quelle von Schwierigkeiten und Sorgen geworden. Es ist notwendig, daß sie in den Seelsorgern, mit Hilfe der Initiative von Familiengruppen, die mit Eifer und Klugheit in den christlichen Gemeinschaften ins Leben gerufen werden, aufmerksame Unterstützung finden. Diesen kommt es unter anderem auch zu, zum Zweck des Austauschs der verschiedenen Erfahrungen Gelegenheiten zum gegenseitigen Treffen der Eltern zu fördern, damit die gemeinsamen Probleme besser in Angriff genommen werden können. So groß auch die augenblicklichen Schwierigkeiten sein mögen, die Familien dürfen sich nicht von ihrer Verantwortung und ihrer Erziehungsaufgabe dispensiert fühlen, sondern sollen sich in dieser Hinsicht noch eifriger einsetzen in der Gewißheit, daß ihr mehr denn je notwendiges Wirken von Gott gesegnet und durch die Gnade des Ehesakraments, sowie von der Aufmerksamkeit und dem Vertrauen der Kirche unterstützt wird. <726> <726> Die Familien stellen sich nicht nur durch die Annahme des Lebens und durch fortgesetztes erzieherisches Handeln in dessen Dienst, sondern auch durch die gebotene, manchmal vielleicht vernachlässigte Aufgabe, vor allem den heranwachsenden jungen Menschen zu helfen, daß sie die berufliche Dimension jedes Lebens nach dem Plan Gottes auffassen. Auf dieses Ziel hin müssen die christlichen Motivierungen, die der Berufswahl zugrundeliegen, erschlossen werden. Das menschliche Leben kommt zu seiner vollen Erfüllung, wenn es zur Hingabe seiner selbst wird: einer Hingabe, die in der Mutterschaft, in der gottgeweihten Jungfräulichkeit, in der Hingabe an den Nächsten um eines Ideals willen, in der Entscheidung für das Priestertum zum Ausdruck kommen kann. Die Eltern werden dem Leben ihrer Kinder einen wirklichen Dienst erweisen, wenn sie ihnen helfen, aus ihrem Leben eine Gabe zu machen, und wenn sie ihre reifen Entscheidungen achten und mit Freude jede Berufung fördern, auch die zum Ordensleben und Priesterdienst. 891 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Die Kirche bemüht sich, den Familien in ihren oft geplagten Situationen und bei dem oft schwierigen Erziehungswerk immer nahe zu sein. Die Förderung zahlreicher Initiativen zur Unterstützung, wie jener der Familienberater, ist ein Zeichen ihres Vertrauens und der äußerst hohen Bedeutung, die sie der Familie beimißt, deren Zukunft ja die Zukunft der Menschheit ist (vgl. Familiaris consortio, Nr. 86). Es ist aber nötig, daß auch die Gesellschaft und der Staat sich in den Dienst der Familie stellen. Die Anerkennung der unveräußerlichen Rechte, die ihr als natürlicher, auf der Ehe gründenden Gemeinschaft zukommen, muß sich in sozialer und politischer Hinsicht in konkrete Entscheidungen übertragen, die es der Familie erlauben, ihre eigenen Angelegenheiten mit der notwendigen Anerkennung und Unterstützung institutioneller und auch wirtschaftlicher Art in die Hand zu nehmen. Eine politische Gemeinschaft, die sich der fundamentalen Rolle der Familie für ein gesundes und kultiviertes Zusammenleben in der Gesellschaft bewußt ist, weiß jene vielfachen Formen der Unterstützung zu verwirklichen, die von wirklicher Achtung der Familie zeugen und die dieser erlauben, sich in den Dienst des menschlichen Lebens in jeder Notwendigkeit und jeder Dimension zu stellen. 6. Meine Lieben, tragt zu allen, mit denen ihr in eurer seelsorglichen Tätigkeit in Berührung kommt, die Zusicherung, daß der Papst allen Familien nahe ist und innerlich ihre Freuden und Leiden mit ihnen teilt. Daß er wünscht, sie mögen sich wirksam in den Dienst dieses größten Geschenks Gottes zu stellen wissen, das das menschliche Leben ist. Darum ist er auch euch nahe und solidarisch mit euch allen, die ihr in den verschiedenen Formen der Familienpastoral für das Wohl der Familie arbeitet. Ich bitte die italienischen Familien, mit der Kraft, die vom Vertrauen zum auferstandenen Herrn kommt und die aus dem Gebet ihre Nahrung zieht, beispielhafte und mutige Entscheidungen zu treffen, die dem Leben als höchstem Wert folgerichtig entsprechen. Maria, die Gottesmutter, die ihre universale Mutterschaft zu den Füßen des Kreuzes ihres Sohnes zur Vollendung gebracht hat, stärke durch ihre machtvolle Fürbitte jede Familie und jede Mutter auf ihrem Weg. Als Zeichen meiner Liebe und meiner Solidarität erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen. 892 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Religio adäquaten Raum geben Ansprache an die Österreichische CV-Verbindung Bajuvaria am 28. April Liebe Mitglieder der Bajuvaria! Im laufenden Semester begeht Ihr Euer 70. Stiftungsfest. Mit dem Jubiläum, zu dem ich die Bajuvaria aufrichtig beglückwünsche, habt Ihr eine Pilgerreise in die Ewige Stadt verbunden; ich heiße euch herzlich willkommen. Ein Jubiläum bietet immer die Gelegenheit zum Blick zurück und nach vom. Mit Stolz könnt Ihr feststellen, daß hervorragende Vertreter in Kirche, Gesellschaft und Politik Österreichs Mitglieder der Bajuvaria waren und sind. Mit bemerkenswerten Leistungen haben sie sich im Beruf und in ihrem Leben als Christen bewährt. Deswegen ermutige ich Euch, festzuhalten an Euren Bestrebungen und Idealen und mit Zuversicht in Eure Zukunft zu schauen. Mit dem nötigen Emst bei der Verantwortung auf Euren künftigen Beruf werdet Ihr auch Verantwortung übernehmen können, ohne Euch dabei auf Protektion und auf Anlehnung an andere verlassen zu müssen. Unser Glaube lehrt uns, daß wir Menschen nicht selbst das Heil wirken können; es muß von außen kommen. Wir dürfen die Erde nicht nur vom geschlossenen Zirkel „Welt - Mensch -Welt“ betrachten! Die Welt birgt einen ständigen Bezug zum Schöpfer in sich und „unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet“ in ihm. Jede Lehre vom Menschen und der Welt, der der transzendentale Bezug fehlt, läuft in hohem Maße Gefahr, sich zu verabsolutieren und in einer totalitären Ideologie zu enden. Deswegen ermuntere ich Euch eindringlich, Eurem Prinzip „religio“ im Leben den ihm adäquaten Raum zu geben. In Jesus Christus ist das Reich Gottes dem Menschen in vollständiger Weise anvertraut; und in ihm ist das gleiche Reich Gottes dem Menschen als Aufgabe anvertraut. Es ist ihm anvertraut als Gebot der Liebe zu Gott und zum Nächsten; als Gebot der sozialen Liebe. Es ist ihm anvertraut, eine neue Zivilisation und Kultur zu wirken, die basiert auf Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Freiheit. Es ist ihm anvertraut, die Würde einer jeden menschlichen Person - von der Empfängnis bis zum Tod - zu garantieren und zu bewahren. Das Kriterium der Ernsthaftigkeit des Prinzips „religio“ wird sein, inwieweit Ihr Euch als Christen in Familie, Beruf und Gesellschaft bewährt. Das 70. Stiftungsfest möge auch Anlaß zur Besinnung sein, um Euch mit Mut und Zuversicht auf Eure Verantwortung für den Schritt ins dritte Jahrtausend nach Christus vorzubereiten. Euch sowie allen Mitgliedern der Bajuvaria erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 893 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glieder des mystischen Leibes Predigt bei der Seligsprechung von zwölf spanischen Märtyrern und dem dritten Nachfolger des hl. Don Bosco am 29. April 1. „Brannte uns nicht das Herz in der Brust?“ (Lk 24,32). In der Liturgie dieses Sonntags kehrt die Kirche auf den Weg nach Emmaus zurück und gibt uns Gelegenheit, noch einmal auf das ganze Gespräch zu hören, das die beiden Jünger mit dem Meister führten, den sie nicht erkannten. Noch einmal sind wir Zeugen davon, wie sie dann aber beim Brotbrechen zur Erkenntnis kamen. „Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloß?“ (ebd.). Die beiden Emmausjünger nehmen unsere christliche Erfahrung vorweg: Alle Jünger Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen, sind ja im Lauf der Jahrhunderte einen ähnlichen Weg gegangen wie sie - und gehen ihn noch weiterhin. Die ganze Kirche begegnet ihrem Meister und Erlöser auf dem Weg nach Emmaus. Von hier gehen der Glaube und das christliche Zeugnis aus. Von dieser Begegnung strahlt schließlich auch die Heiligkeit aus, die in Christus allen Menschen offenbar geworden ist. 2. Heute möchten wir diese Begegnung mit Christus auf dem Weg nach Emmaus neu lebendig werden lassen. Aus ihr gingen auch die Heiligen und Seligen der Kirche hervor, deren Liste nun durch die von den Bischöfen der betreffenden Diözesankirchen verkündeten neuen Namen bereichert wird. Ihr Lebensweg, auf dem diese Seligen Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, begegnet sind, wurde noch einmal in Erinnerung gerufen. Ihr Herz brannte von einer großen Liebe, jener heroischen Liebe, die bei der Mehrzahl der neuen Seligen durch das Martyrium zum Lebensopfer für Christus wurde. Jeder von ihnen könnte die Worte des Psalmisten aus der ersten, der Apostelgeschichte entnommenen Lesung wiederholen: „Ich habe den Herrn beständig vor Augen. Er steht mir zur Rechten, ich wanke nicht... Du zeigst mir die Wege zum Leben, du erfüllst mich mit Freude vor deinem Angesicht“ (Apg 2,25.28; vgl. Ps 15/16,8.11). In spanischer Sprache sagte der Papst: 3. Die Worte des hl. Petrus in der zweiten Lesung erinnern uns daran, daß das „Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“ (1 Petr 1,19), der Preis war, der für unseren Loskauf und unsere Erlösung bezahlt wurde. Darum ist es tröstlich, festzustellen, daß es in der Geschichte der Kirche so viele Männer und Frauen gegeben hat, die Jesus Christus in dieser erhabenen Geste der Hingabe des Blutes nachgefolgt sind und in harten Verfolgungszeiten seine Zeugen waren. Bei dieser Eucharistiefeier stellt die Kirche einige dieser Christen zur Verehrung und Betrachtung vor. Unter ihnen wollen wir an erster Stelle an die Gemeinschaft von acht Brüdern der Christlichen Schulen in Turön (Asturien) erinnern, die 1934 zusammen mit dem Passionistenpater Inocencio de la Inmaculada dem Tod entgegengeführt wurden, ohne den geringsten Wider- 894 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stand zu leisten. In den Augen der Verfolger waren sie schuldig, ihr Leben der menschlichen und christlichen Erziehung der Kinder jener Bergleute in der katholischen Schule „Unserer Lieben Frau von Covadonga“ gewidmet zu haben. Mit den Brüdern von La Salle traf der Passionistenpater gelegentlich zusammen. So hat es Gott in seiner unergründlichen Vorsehung gefallen, die Mitglieder zweier Kongregationen im Martyrium zu vereinen, die solidarisch für die einzige Sendung der Kirche arbeiteten. Diese Tatsache, welche zufällig scheinen kann, ist in Wahrheit von Bedeutung, da sie uns die Einheit, die gegenseitige Abhängigkeit und die Zusammenarbeit vor Augen führt, die in der Kirche vor allem in unserer Zeit unter den religiösen Kongregationen bestehen muß, um der Herausforderung der neuen Evangelisierung zu begegnen. 4. Zwei Jahre später, 1936, folgt demselben Weg des Martyriums die Ordensfrau der Gesellschaft der heiligen Theresia von Jesus, Maria Mercedes Prat y Prat, die ebenfalls soeben seliggesprochen wurde. Aus großer Liebe zu Gott und zum Nächsten war sie in der Katechese und in einer Sonntagsschule apostolisch tätig. Mehr noch als durch die Klugheit zeichnete Maria Mercedes sich durch die Tugend der Stärke aus, welche sie besonders zeigte, als sie gelassen den Gefahren entgegentrat und die Verfolgung erduldete. Ihre Liebe zum Nächsten bewies sie vor allem, als sie hochherzig denen, die sie erschossen, vergab. 5. Zusammen mit der beispielhaften Gemeinschaft von Turön haben wir heute die Freude, einen weiteren Bruder der Christlichen Schulen seligzusprechen: Jaime Hilario, der 1937 in Tarragona zum Opfer wurde. Der außergewöhnliche Lebensweg dieses Ordensmannes, ein Vorbild als Mensch des Glaubens auf der ständigen Suche nach dem Willen Gottes, offenbart sich auf unvermuteten Wegen. Die Treue, die er von seinen Vorfahren aus großer christlicher Tradition lernte, war eine Konstante seines Lebens. Vom christlichen Beispiel seiner Eltern sind uns bedeutungsvolle konkrete Zeugnisse in den an seine Familie gerichteten Briefen erhalten geblieben. So drückte er sich auf Katalanisch, in seiner heimatlichen Sprache aus: „Mein Vater ist ein vorbildlicher Christ und Beispiel eines rechtschaffenen Bürgers. Er ist untadelig in seinem Verhalten, seinen Worten und Taten ... Meine Mutter war eine Heilige. Sie zeigte in allem Sanftmut und Liebe. Die Erinnerung an meine Mutter beseelt mich, trägt mich, folgt mir und wird mir nie aus dem Gedächtnis schwinden.“ Im Licht dieser Zeugnisse versteht man die Bedeutung besser, die dieser Erzieher und hervorragende Katechet der Rolle der Eltern in der Kinder- und Jugenderziehung zuschrieb. <727> <727> Diese heute zur Ehre der Altäre erhobenen Märtyrer haben als Glieder des mystischen Leibes an ihrem Fleisch in einzigartiger Weise für seinen Leib, die Kirche, ergänzt, was an den Leiden Christi noch fehlt (vgl. Kol 1,24). Sie haben gezeigt, daß sie bereit waren, zu sterben, und daß sie fest darauf hofften, siegreich vom Tod zu erstehen. Auch auf sie können wir jene auf Jesus bezogenen Worte des hl. Petrus anwenden: „Gott aber hat ihn von den Wehen des Todes befreit und auferweckt; denn es war unmöglich, daß er vom Tod festgehalten wurde“ (Apg 2,24). 895 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche hat einmal mehr das Ostergeheimnis verkündet, das sich an diesen Märtyrern erfüllt hat. Mit Christus haben sie gelitten und sind verherrlicht worden. Daher legt die Kirche das Beispiel ihres Lebens und siegreichen Todes den christlichen Gläubigen vor. Zugleich erfleht sie für uns alle ihre Fürsprache vor Gott dem Vater. In italienisch sagte der Papst: 7. Gut verbindet sich mit der Erinnerung an die glorreichen Märtyrer aus Spanien der Name des Priesters Filippo Rinaldi, des dritten Nachfolgers des hl. Johannes Bosco, der als Oberer der Salesianischen Werke in jenem Land von 1892 bis 1901 lebte. Seine Berufung geht zurück auf die Begegnung mit dem Apostel der Jugend, von dem er persönlich auf den Weg der Ausbildung zum Ordensmann und Priester gewiesen wurde. Er ahmte ihn so eifrig in seinen Tugenden und auf seinem geistlichen Weg nach, daß man ihn ein „lebendiges Bild“ Don Boscos nannte. Er brannte vor Liebe zur Kirche und setzte sich für deren erneuernde Anwesenheit unter den Völkern mit einer echt missionarischen Mobilmachung auch unter den Jüngsten ein. Überzeugt von der Bedeutung der Laien, war er besorgt um deren Zusammenschluß und geistliche Formung und richtete sich dabei nach modernen Kriterien. Das Oratorium bei den Schwestern von Maria, der Hilfe der Christen, das unter seiner Leitung stand, wurde so zu einem Zentrum intensiven christlichen Lebens mit religiösen, kulturellen, sozialen Vereinigungen und Freizeitgruppen. Gerade die dort herrschende Atmosphäre eines begeisterten Glaubens war es, die zur Bildung einer Gemeinschaft „geweihten Lebens in der Welt“ führte; sie hat sich heute zu dem wohlgegründeten Laieninstitut der „Helferinnen Don Boscos“ entwickelt. Don Rinaldi war vor allem ein unermüdlicher Förderer der großen Salesianischen Familie in ihren verschiedenen Gruppierungen und setzte sich dafür ein, daß sie sich weiterentwickle als wirksame, gut koordinierte und geschmeidige Kraft zur christlichen Erziehung der Jugend und der verschiedenen Volksschichten. 8. Die Heiligen und Seligen kennzeichnen die immer wieder neuen Abschnitte des Emmausweges und der Begegnung mit Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. Er, der Meister, setzt auf diesem Weg beständig sein Gespräch mit den Jüngern fort. Es handelt sich aber nicht nur um einen Dialog mit ihrem Lehrmeister. Er hat noch eine andere Dimension. Der Meister offenbart sich als Erlöser des Menschen, als Erlöser der Welt. Ihr seid losgekauft, schreibt der Apostel Petrus, „mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“ (vgl. 1 Petr 1,18-19). Auf dem Weg nach Emmaus wird diese Wahrheit den Jüngern klar. Unsere Seligen verkündigen sie durch das Zeugnis ihres Lebens und ihres Todes. Sie verkündigen sie für uns, für die Kirche, für alle. Der Herr läßt uns die Wege des Lebens erkennen, er erfüllt uns durch seine Gegenwart mit Freude (vgl. Apg 2,28). Amen. 896 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eine wachsende Zahl Menschen wartet auf die Organspende Graßwort an eine internationale Gruppe von Urologen vom 30. April Meine Damen und Herren! 1. Es freut mich, in Ihnen eine Gruppe ausgezeichneter Urologen aus verschiedenen europäischen Ländern und aus den Vereinigten Staaten begrüßen zu können. Sie haben an einem Kongreß über Nierenerkrankungen und Nierentransplantation teilgenommen, der vergangene Woche in Bari stattfand. Mein herzlicher Graß gilt allen Anwesenden und besonders Herrn Prof. Kokot von der urologischen Abteilung des Instituts für Innere Medizin an der Schlesischen Schule für Medizin, der in der heutigen Audienz Ihr Sprecher ist. Die Arbeit, die Sie mit Hingabe und fachlicher Tüchtigkeit leisten, begegnet zur Zeit einer ernsten Schwierigkeit. Einerseits rettet die Nierentherapie, vor allem dank des raschen Fortschritts, den die Nierentransplantation gemacht hat, das Leben einer zunehmenden Zahl von Menschen und macht sie fähig, ihre normale Tätigkeit wieder aufzunehmen. Andererseits hängt die Möglichkeit, diese Vorteile zu genießen, von den zur Verfügung stehenden Organen ab, die übertragen werden können. In vielen Fällen sind diese Organe im Bedarfsfall nicht zu erhalten. Es ist eine wachsende Zahl von Menschen zu beobachten, die auf die Organspende warten - sehr oft vergeblich warten -, welche ihnen neue Hoffnung und das Leben schenken könnte. Da überdies die mögliche Erhältlichkeit der Organe mit Kosten verbunden ist, die sich die meisten Menschen nicht leisten können, wird dieses Warten um so bedrückender. Und so ergeben sich Schwierigkeiten im Hinblick auf den organischen, wie auf den seelischen Bereich. Es wird zu keiner Lösung kommen ohne einen neuen Sinn für menschliche Solidarität, die der Liebe entspringt und die, nach dem Beispiel Christi, Männer und Frauen zu großen Opfern im Dienst für andere anregen kann. <728> <728> Die Kirche hat die Sorge für die Kranken stets zu einem ihrer Hauptanliegen gemacht. Was den speziellen Fall von Nierenerkrankungen angeht, so lädt sie die Verantwortlichen katholischer Institutionen ein, das allgemeine Bewußtsein für den Bedarf an Organspendern zu schärfen und dabei sowohl den von der Wissenschaft erreichten Fortschritt wie auch die Notwendigkeit in Betracht zu ziehen, alle ungerechtfertigten Risiken auszuschließen. Wer an unseren Herrn Jesus Christus glaubt, der sein Leben zur Rettung aller hingegeben hat, sollte in dem dringenden Bedürfnis nach rechtzeitiger Erhältlichkeit von Organen zur Nierentransplantation einen Aufruf zu Edelmut und brüderlicher Liebe erkennen. Ein verstärktes Bewußtsein sollte auch der Ausgangspunkt zum Erarbeiten einer Reihe von Richtlinien sein, um sowohl den Nutzeffekt auf nationaler und internationaler Ebene als auch den rechtzeitigen Zugang zur chirurgischen Behandlung und die Ausbreitung dieser schätzenswerten Wohltat in allen Bevölkerangsschichten zu sichern. Auf diesem Gebiet besteht die Kirche darauf, daß alles mit höchster Achtung vor den fundamentalen Prinzipien des natürlichen Sittengesetzes und der christlichen Ethik geschehe. 897 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sehr geschätzte Forscher und Wissenschaftler, Sie sind sich der Bedeutung und der Dringlichkeit dieses Problems aus Erfahrung aus erster Hand bewußt. Ich möchte Sie ermutigen, und ich bete, daß der Segen Gottes sie begleite und das edle Werk unterstütze, dem Sie Ihr Leben gewidmet haben. Die Sendung ist weitreichend, die Aufgabe ist schwierig Ansprache an das Generalkapitel der Salesianer Don Boscos am 1. Mai Liebe Teilnehmer am Generalkapitel der Salesianer Don Boscos! 1. Es ist mir eine Freude, bei einer so wichtigen Gelegenheit, im festlichen Licht der Erhebung eures Mitbruders Filippo Rinaldi zur Ehre der Altäre, mit euch zusammenzutreffen. Vorgestern war es mir ja vergönnt, ihn seligzusprechen. Ich begrüße euch sehr herzlich und danke für den warmen Empfang, der mir durch euch, die Vertreter der salesianischen Familie, zuteil geworden ist. Mein Gruß gilt in erster Linie dem lieben Don Egidio Viganö, der für eine weitere Amtszeit zum Generaloberen gewählt wurde. Mit ihm begrüße ich eure gesamte Kongregation. Eurem Vertrauen, das in seiner Wiederwahl zum Leiter eures Instituts zum Ausdruck gekommen ist, schließen sich meine herzlichen Wünsche an, auf daß er, gemeinsam mit seinen Mitarbeitern im neuen Generalat, die ebenfalls von diesem Kapitel gewählt wurden, sein Wirken ebenso erfolgreich wie bisher fortsetzen könne. <729> <729> Es war mir daran gelegen, euch hier in eurem Haus zu begegnen, um euch konkret meine persönliche Ermutigung und die tiefe Dankbarkeit der Kirche auszusprechen, der ihr so eifrig dient. Alle wissen ja um die zahlreichen Aktivitäten der Salesianer, die nunmehr in allen Teilen der Welt verbreitet sind. Die Werke und die modernen Strukturen, auf denen euer Apostolat beruht, sind verschiedenartig, doch beseelt sie alle der gleiche Geist, jenes spezifische Charisma, das euch auszeichnet und das ihr von Don Johannes Bosco, dem Heiligen der Jugend, geerbt habt. Im Mittelpunkt eurer Aufmerksamkeit müssen daher immer die Jugendlichen - Hoffnung der Kirche und der Welt - stehen, auf die alle mit Freude und Erwartung blicken. Sowohl in den reicheren Nationen als auch in den ärmeren Ländern steht ihr immer in ihrem Dienst und schenkt den Schwachen und Ausgegrenzten eure besondere Aufmerksamkeit. Allen bringt ihr die Hoffnung des Evangeliums, damit es ihnen helfe, mutig an das Leben heranzutreten und den Versuchungen des Egoismus und der Mutlosigkeit zu widerstehen. Seit für die Jugendlichen Väter und Brüder, wie Don Bosco es euch gelehrt hat. Seid darauf bedacht, den ganzen Erziehungsprozeß auf das religiöse Ziel des Heils hinzuord-nen. Diese „realistische Pädagogik der Heiligkeit“, die euren Gründer kennzeichnet, bringt die ständige Verpflichtung mit sich, den euch anvertrauten Jungen zu helfen, damit sie ihre Herzen für die absoluten Werte öffnen, indem sie ihre Existenz und die Ereignisse der 898 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geschichte „der Tiefe und dem Reichtum des Geheimnisses entsprechend“ (Iuvenum Patris, Nr. 15) interpretieren. Eure Sendung ist weitreichend und eure Aufgabe schwierig, doch blickt die Kirche vertrauensvoll auf eure Kongregation und ermutigt euch, auf diesem Weg weiterzuschreiten. Seid Erzieher im Glauben und erforscht im Vertrauen auf Gott in diesem besonderen historischen Augenblick, in dem wir leben, die Zeichen der Zeit! 3. Mit Freude und Dankbarkeit gegen Gott stelle ich fest, daß euer Generalkapitel gerade diese vielschichtige und heikle Thematik bespricht und nach entsprechenden Kriterien für seine Beurteilung sowie nach den notwendigen praktischen Leitlinien sucht. Ihr habt eine gute Wahl getroffen: die Jugenderziehung ist eines der großen Anliegen der neuen Evangelisierung und es ist angezeigt, daß ihr heute, in voller Treue zu eurem Charisma und zur gesamten Lehre der Kirche, die geeigneten Wege und die entsprechende Ausdrucksweise für diese Aufgabe sucht. Ich möchte diese erfreuliche Begegnung ausnützen, um einige fundamentale Werte hervorzuheben, die meiner Meinung nach für euch, die ihr die erzieherische Sendung der Kirche den Jugendlichen gegenüber interpretiert, besonders aktuell sind. Vor allem möchte ich als grundlegendes Element die Kraft der einigenden Synthese hervorheben, die der seelsorglichen Liebe entspringt. Sie ist Frucht der Macht des Heiligen Geistes, der die lebensnotwendige Untrennbarkeit von Gottverbundenheit und Hingabe an den Nächsten, Innerlichkeit und apostolischem Wirken, betendem Herzen und schaffenden Händen gewährleistet. Zwei große Heilige, Franz von Sales und Johannes Bosco, haben für diese wunderbare „Gnade der Einheit“ Zeugnis abgelegt und sie in der Kirche fruchtbar werden lassen. Jede kleine Untreue dieser Gnade gegenüber öffnet den Aktivismen oder Intimismen einen Zugang, die für die Kongregationen des tätigen Lebens eine drohende Gefahr darstellen. Die geheimen Reichtümer hingegen, welche diese „Gnade der Einheit“ in sich trägt, sind die ausdrückliche, im ganzen Leben der beiden Heiligen erprobte Bestätigung dafür, daß die Einheit mit Gott die Quelle der tatkräftigen Nächstenliebe ist. Je intensiver ein Salesianer das Geheimnis Gottes betrachtet - des unendlich erbarmungsvollen Vaters, des Sohnes, der sich hochherzig zum Bruder machte, und des Heiligen Geistes, der als Erneuerer machtvoll in der Welt gegenwärtig ist -, desto mehr fühlt er sich von diesem unergründlichen Geheimnis gedrängt, sich ganz für die Jugendlichen einzusetzen, für ihre menschliche Reifung und für ihr Heil. <730> <730> Ein anderer wichtiger Aspekt ist die originelle Pädagogik eures Gründers, nämlich die „evangelisierende Erziehung“ der Jugendlichen. Er war in diesem Sinn wirklich ein „Genie des Herzens“, ist es doch nicht einfach, die Initiativen der seelsorglichen Nächstenliebe im kulturellen Bereich der Erziehung zusammenzufassen: dazu sind eine Haltung und eine eigene Kompetenz erforderlich, die auch pädagogisches Fachwissen einschließt. Es handelt sich um eine Aufgabe, die anziehend wirken soll. Sie muß ständig mit Christus, dem neuen Menschen konfrontiert werden in einen klaren, tiefen Glauben, der Tag für Tag durch die Eucharistie genährt wird und in den Opfern des gewöhnlichen täglichen Lebens zum Ausdruck kommen muß. 899 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Hier stehen wir gleich vor einem anderen hohen Wert, den wir bereits erwähnt haben: es geht darum, in den Jugendlichen eine authentische Spiritualität zu wecken. Spiritualität bedeutet lebendige Teilnahme an der Macht des Heiligen Geistes, die uns im Sakrament der Taufe geschenkt und in der Firmung vollendet wurde. Die Jugendlichen müssen um das neue Leben wissen, das sie mit diesen Sakramenten empfangen haben, müssen wissen, daß ihm die Kraft zur persönlichen Synthese von Glauben und Leben entspringt, die denen gelingt, die in sich die Gaben des Geistes pflegen. Wie notwendig ist heute für die Kirche eine Erziehung der Jugendlichen zur Freundschaft mit Christus und Maria, zur Begeisterung für das Leben, zu großmütigem Einsatz im Dienst der Mitmenschen, oder, anders ausgedrückt, zu einer konkreten Spiritualität, die sie zu Trägem der Evangelisierung und zu Gestaltern einer neuen Gesellschaft macht! 6. Liebe Salesianer Don Boscos, blickt stets auf euren heiligen Gründer und auf die dem Evangelium gemäße Genialität seiner pädagogischen Methode, um unter den Jugendlichen sein kostbares Vermächtnis zu neuer Blüte zu bringen! Seine erzieherische Botschaft muß „weiter vertieft, angepaßt und ebenso intelligent wie mutig erneuert werden, gerade wegen der gewandelten sozio-kulturellen, kirchlichen und seelsorglichen Verhältnisse“ (Iuvenum Patris, Nr. 13). Ich rufe auf euch den ständigen Schutz Marias, Hilfe der Christen und Mutter der Kirche, herab: möge sie für euch, wie sie es für den heiligen Johannes Bosco war, die Lehrmeisterin und Führerin, der Stern der neuen Evangelisierung sein. Euch, euren Mitbrüdem und allen Mitgliedern der großen salesianischen Familie spende ich aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Massenmedien heute mehr denn je einsetzen Ansprache an die Mitglieder des Aufsichtsrates der Päpstlichen Missionswerke am 4. Mai 1. Ich heiße euch alle herzlich willkommen. Besonders begrüße ich den Präsidenten des Aufsichtsrates der Päpstlichen Missionswerke, Erzbischof Jose Sanchez und danke ihm für die EinleitungsWorte; mit ihm begrüße ich die hier anwesenden Bischöfe, die Generalsekretäre und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sowie euch alle, die Nationaldirektoren der verschiedenen Ortskirchen, deren Missionseinsatz ihr darstellt und deren treibende Kraft ihr seid. <731> <731> Diese Generalversammlung bietet euch vor allem die Gelegenheit, über Aspekte und Probleme des weltweiten Missionsauftrags der Kirche nachzudenken, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Missionsdienst stehen, zu dem ihr in euren Ortskirchen beauftragt seid. Dieses Jahr beschäftigt ihr euch eingehend mit einem Thema, das für die missionarische Animation und Zusammenarbeit von großer Wichtigkeit ist: „Die sozialen Kommunikationsmittel für die Belebung der Päpstlichen Missionswerke“. 900 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jeder weiß, welches Gewicht und welche Wirksamkeit heute die Massenmedien auf dem Gebiet der Gedankenverbreitung und der öffentlichen Meinungsbildung haben. In meiner Ansprache am vergangenen 15. März an die Vollversammlung des Päpstlichen Rats für die sozialen Kommunikationsmittel habe ich die Rolle, die die modernen Kommunikationsmittel für die Evangelisierung in unterschiedlichen kontinentalen und nationalen Situationen haben, hervorgehoben. „Heute mehr denn je - sagte ich, um den Einsatz der Kirche auf diesem Sektor zu motivieren -, verpflichtet das Vielversprechende, wie auch die Herausforderung der sozialen Kommunikationsmittel, die menschlichen Gesellschaften und die Kirche selbst zu größerer Aufmerksamkeit und größerem Einsatz auf diesem Gebiet. Dies gilt besonders angesichts einer in aller Welt verspürten dringenden Notwendigkeit geistiger, gesellschaftlicher und kultureller Entwicklung.“ Es besteht kein Zweifel daran, daß auch die Päpstlichen Werke heute in den sozialen Kommunikationsmitteln eine sichere und einprägsame Weise sehen, um das Missionswerk der Kirche bekannt und beliebt zu machen. Im Hinblick darauf, daß die Menschen unseres Zeitalters den Wert von Zeugnis und Erfahrung sehr schätzen, bilden Leben und Apostolat der Missionare eine frische Informationsquelle, die die Massenmedien mit guten und gültigen Argumenten bereichern kann. Auf diese Weise vollzieht sich die missionarische Animierung im Einklang mit den psychologischen und sozialen Situationen, die die zeitgenössische Zivilisation und Kultur in der heutigen Gesellschaft hervorrufen. Daher wird durch sie auch der Einsatz der Gläubigen, ihren Beitrag für die Bedürfnisse der Missionen zu leisten, begünstigt. Deswegen hoffe ich, daß ihr vor allem die missionarische Presse fördern werdet, die die erzieherische und anregende Gegenwart des Missionsapostolats und der jungen Kirchen, die dessen Frucht sind, in die christlichen Gemeinschaften und in die Familien bringt. Ferner solltet ihr euch des Rundfunks zu bedienen wissen, der die Botschaft des Evangeliums, die Hoffnung und Liebe bringt, auch zu den abgelegensten und ärmsten Gebieten und Völkern dringen läßt. Weiterhin ist es sehr zweckmäßig, ein wahres Bild der Weltmission durch Dokumentär- und Filmberichte zu verbreiten, denn sie ist das Bild der neuen Menschheit, die in Christus ihren Ursprung und ihr Vorbild hat: „diese, von brüderlicher Liebe, Lauterkeit und Friedensgeist durchdrungene Menschheit, nach der alle verlangen“ {Ad gentes, Nr. 8). <732> <732> Eure Überlegungen bei der diesjährigen Vollversammlung können zweifellos das Thema der Bischofssynode im kommenden Oktober nicht ignorieren: die Ausbildung der Priester in den heutigen Verhältnissen. Die Päpstlichen Werke, die in der Kirche entstanden sind, um in Gliedern des Gottesvolkes missionarischen Geist und kirchliche Zusammenarbeit zu entwickeln, werden dieses Ergebnis mit Erfolg erreichen, wenn die Hirten der christlichen Gemeinden die Gläubigen durch Wort und Beispiel zur tätigen Missionsliebe erziehen. Der Dienst der missionarischen Animation, den ihr sowohl in den Seminaren unter den Priesterkandidaten als auch unter der Priesterschaft ausübt, ist wertvoller denn je und verdient Ermutigung und Unterstützung. Ich bin sicher, daß ihr der Missionsdimension in der Priesterausbildung gebührende Beachtung schenken werdet. Sie beginnt bereits in den Seminarjahren, in denen sie besonders durch das Studium der Missiologie das geistliche Leben und die Pastoralvorbereitung der zukünftigen Priester prägen soll, und wird weiterhin in der Ausübung des Priesteramtes vertieft. 901 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Die Missionsausbildung des Klerus darf aber nicht die unerläßliche Arbeit der missionarischen Bewußtseinsbildung und des missionarischen Einsatzes der Gläubigen vergessen lassen oder sie vernachlässigen, angefangen vom Jugendmissionswerk im zarten Kindesalter bis hin zum wertvollen Beitrag der Alten und Kranken durch den Missionsbund der Kranken und den Kranken-Missionstag an Pfingsten. Fördert dieses Anliegen mit zuversichtlicher Ausdauer und in dem Bewußtsein, daß Priester-, Ordens- und Missionsberufungen aus christlichen Familien kommen und daß auch die Laien, die an der Missionsarbeit hauptsächlich im Rahmen des Christlichen Freiwilligen Dienstes mitwirken, ständig zahlreicher werden. 5. Die jüngsten Ereignisse, die den Kirchen Mittel- und Osteuropas ihre Freiheit zurückgegeben haben, wie auch andere wichtige kirchliche Begebenheiten, ebenso wie die Sondersynode der Bischöfe für Afrika und die eben erst angekündigte der europäischen Bischöfe und die 500-Jahrfeier der Evangelisierung in Lateinamerika, eröffnen der Kirche und ihrem Verkündigungsauftrag neue Möglichkeiten und neue Herausforderungen. Ich danke euch für den Eifer und die Treue, mit der ihr das Amt ausübt, das euch durch das Vertrauen eurer Bischöfe übertragen wurde, und ich bitte euch, die Aussichten für die Evangelisierung, die der Herr am Vorabend dieses dritten Jahrtausends nach der Geburt Christi, des Erlösers und Retters aller Menschen, durch die unvorhersehbare Weisheit und Macht seines Geistes in der Menschheit hervorruft, sorgfältig zu studieren und in die Tat umzusetzen. Möge euch ständig der trostspendende Schutz der Mutter des Herrn begleiten, der ich jeden von euch wie auch eure Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen anvertraue, während ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen erteile. Zeuge einer neuen Geschichte Beileidstelegramm an den Metropoliten der russischen orthodoxen Kirche Filaret zum Tod von Patriarch Pimen vom 5. Mai Voll Trauer vernehme ich die Nachricht vom Tod Seiner Heiligkeit Patriarch Pimen, und ich möchte Ihnen meine tiefempfundene Anteilnahme aussprechen. Inständig empfehle ich dem Herrn den Hirten, den er zu sich gerufen hat; ihm hatte er die Freude geschenkt, mit seinem ganzen Volk die Tausendjahrfeier der Taufe der Kiewer Rus’ zu erleben und unter dem Wirken der Gnade den Anbruch einer neuen Geschichte der Kirche, aber auch der Gesellschaft und der Kultur seines Landes zu sehen: einer Geschichte, die in den Jahrhunderten durch das mitunter äußerste Lebenszeugnis so vieler Söhne und Töchter der russischen orthodoxen Kirche Früchte getragen hat. In der Überzeugung, daß unser gemeinsamer Herr uns einlädt, die tiefe Bedeutung dieser Ereignisse im fügsamen Gehorsam zu seinem Willen zu verstehen, den er uns durch sie kundtut, wiederhole ich den Ausdruck meines Mitgefühls und versichere Sie meines Gebetes für Sie, die Bischöfe, den Klerus und das ganze Volk der Gläubigen Ihrer Kirche. 902 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Öffnet Euer Herz für Christus Botschaft zum 27. Weltgebetstag der geistlichen Berufe am 6. Mai 1990 vom 4. Oktober 1989 Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Gläubige in aller Welt! 1. Da der jährliche Weltgebetstag um Berufungen näherrückt, den die Weltkirche gewöhnlich am 4. Sonntag nach Ostern begeht, möchte ich mit euch auf die tröstliche Verheißung Jesu zurückkommen: „Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten. Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,19-20). Am kommenden 6. Mai wird sich die ganze Kirche im Namen des Herrn vereinen, um vom „Herrn der Ernte“ das Geschenk gottgeweihter Berufungen zu erflehen. Priester, Diakone, Ordensmänner und Ordensfrauen, Pfarrgemeinden, Gruppen, Verbände und Bewegungen werden an den himmlischen Vater gemeinsam die Bitte richten, er möge seine Kirche mit neuen Berufungen bereichern. Ich bin zuversichtlich, daß dieser Chor von Betenden reich erhört wird. Doch muß ich auch daran erinnern, daß zum Gebet das persönliche und gemeinsame Bemühen hinzutreten muß, Berufungen zu fördern. Wir dürfen nicht vergessen, daß der Ruf des Herrn normalerweise durch das Beispiel und Wirken der Menschen vermittelt wird zumal jener, die in der Kirche bereits die freudenvolle Erfahrung der Nachfolge Christi machen. Gerade wegen dieses Bemühens, und auch im Hinblick auf die nächste Bischofssynode mit dem Thema „Die Ausbildung der Priester in den heutigen Verhältnissen“, möchte ich die Aufmerksamkeit des ganzen Volkes Gottes, vor allem jener, die darin als Erzieher und Lehrer besondere Verantwortung tragen, auf die Wichtigkeit der Pflege des geistlichen Lebens beim Entstehen und Wachsen der Berufungen hinlenken. Es kann nämlich kein Reifen eines Berufes geben, es sei denn innerhalb des Ganzen eines entschiedenen und ausgeprägten geistlichen Weges, denn nur ein echtes geistliches Leben bildet jenes „gute Erdreich“ (Mt 13,23), das dem „Samen“ der Berufung Aufnahme und Wachstum bis zur vollen Entfaltung möglich macht. <733> <733> Die grundlegende Berufung des Menschen besteht im Erreichen der vollen Gemeinschaft mit Gott. Er ist nämlich als „Bild und Gleichnis Gottes“ geschaffen (vgl. Gen 1,26-27; 9,6; Weish 2,23; Sir 17,3; 1 Kor 11,7) und in Christus berufen, fortschreitend ein Verhältnis inniger Verbundenheit mit seinem Schöpfer und eine kindliche Liebe zu ihm zu entfalten. Um diese Berufung leben zu können, wurde der Mensch des göttlichen Lebens teilhaftig gemacht, das auch dank seines persönlichen Bemühens in ihm wächst und in ihm jenen Prozeß der Heiligung in Gang setzt, der ihn zu einer „neuen Schöpfung“ macht (2 Kor 5,17; Gal 6,15), so daß er immer mehr befähigt wird, die Geheimnisse Gottes aufzunehmen und zu erkennen (vgl. 1 Kor 2,9 -14; 6,17; Röm 8,14-16; Gal 4,6) sowie sich voll mit seinem Lie-besplan zu identifizieren. Der Ort aber, wo dieses Leben aufbricht und unter Anregung des Heiligen Geistes allmählich wächst und reif wird, ist die Kirche, der die Taufe den Christen als Glied einfügt. 903 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Die Berufung zu einer besonderen Weihe an Gott sind die Weiterführung der Berufung durch die Taufe: sie nähren sich, wachsen und erstarken durch ernsthafte und beständige Pflege des in der Taufe empfangenen göttlichen Lebens und fuhren unter Einsatz aller Mittel, die die volle Entfaltung des inneren Lebens fördern, zu Entscheidungen, die ganz der Verherrlichung Gottes und dem Dienst an den Brüdern und Schwestern gewidmet sind. Diese Mittel sind: - das Hören des Wortes Gottes, das auch für die Entscheidungen zu einer immer radikaleren Nachfolge Christi Licht schenkt; - die aktive Teilnahme an den Sakramenten, zumal an dem der Eucharistie, dem unersetzlichen Mittelpunkt des geistlichen Lebens, der Quelle und Nahrung für sämtliche Berufungen; - das Sakrament der Buße, das die ständige Bekehrung des Herzens fördert, den Weg persönlicher Treue zum Plan an Gott läutert und das Band der Vereinigung mit Christus stärkt; - das persönliche Gebet, das ein ständiges Leben in der Gegenwart Gottes möglich macht, sowie das liturgische Gebet, das jeden Getauften in das öffentliche Gebet der Kirche einbezieht; - die geistliche Führung als wirksames Mittel zur Erkenntnis des Willens Gottes, dessen Erfüllung die Quelle geistlicher Reife ist; - die kindliche Liebe zur allerseligsten Jungfrau, ein besonders bezeichnender Aspekt für das geistliche und der Berufung entsprechende Wachstum eines jeden Christen; - schließlich das aszetische Bemühen, denn die Entscheidungen bei einer Berufung erfordern oft Entsagung und Opfer, die nur eine gesunde und ausgewogene aszetische Pädagogik fördern kann. 4. Ich lade daher die christlichen Erzieher ein - Eltern, Lehrer, Katecheten, Führungskräfte christlicher Gruppen und Leitungsgremien von Verbänden und Bewegungen - alle Mühe aufzuwenden, damit die Kinder und Jugendlichen ständige und sorgsame Anleitung für die Entfaltung des Samens göttlichen Lebens erhalten, den sie mit der Taufe als Gabe empfangen haben. Bei allem erzieherischen Bemühen soll immer das geistliche Leben den ersten Platz einnehmen; es sollen ferner die Mittel aufgezeigt und erklärt werden, die seine volle Entfaltung fördern. Ich ermahne ferner die Verantwortlichen der christlichen Gemeinschaften, an erster Stelle die Hirten, die Herde Gottes zu weiden, indem sie diese an den echten Quellen des Gnadenlebens nähren. Ganz besonders wende ich mich an die für die Heranbildung der Berufungen zu einer besonderen Weihe an Gott Verantwortlichen - die Rektoren der Seminare, die Spirituale, die Lehrkräfte und alle, die an dieser heiklen Aufgabe beteiligt sind - und bitte sie, alle Sorgfalt aufzuwenden, damit das geistliche Leben der Berufenen bei der Ausbildung einen bevorzugten Platz einnimmt. <734> <734> Schließlich möchte ich mich noch an euch persönlich wenden, liebe Jungen und Mädchen, Heranwachsende und Jugendliche. Öffnet euer Herz für Christus und geht ihm entgegen, sättigt euch an seinen Quellen. Er bietet euch ein Wasser, das euren Durst nach Wahrheit, Freude, Glück und Liebe stillt; ein 904 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wasser, das euren Durst nach dem Unendlichen und Ewigen befriedigt, denn das Wasser, das er schenkt, wird in euch „zur sprudelnden Quelle, deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (.loh 4,14). Hört auf Christus: er öffnet eure Herzen für die Hoffnung. Folgt Christus nach: er ist das „Licht der Welt“, und wer ihm „nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (loh 8,12). Entdeckt neu die Schönheit der christlichen Berufung und bekräftigt eure Taufversprechen; erneuert den Vorsatz, „als neue Menschen“ zu leben (Röm 6,4), indem ihr mit Christus wie die Reben mit dem Weinstock vereint bleibt (vgl. Joh 15), um viel Frucht zu bringen. Werdet persönlich für die Bedürfnisse der Kirche aufgeschlossen, gelehrig für die Anregungen der göttlichen Gnade, hochherzig und eifrig in der Antwort auf einen eventuellen Ruf des Herrn, der euch zu seiner näheren Nachfolge in einem Leben gänzlicher Hingabe, zur Liebe zu Gott und zum Dienst am Nächsten einlädt. 6. Und nun beten wir gemeinsam: 0 Geist der Wahrheit, der du am Pfingstfest zu uns gekommen bist, um uns in der Schule des Göttlichen Wortes zu bilden, erfülle in uns die Sendung, für die dich der Sohn gesandt hat. Erfülle jedes Herz mit deiner Gegenwart und wecke in vielen Jugendlichen das Sehnen nach dem, was im Leben wahrhaft groß und schön ist, das Verlangen nach der Vollkommenheit im Sinn des Evangeliums und den Eifer für das Heil der Seelen. Stütze die „Arbeiter in der Ernte“ und schenke ihren Bemühungen auf dem Weg des Guten geistliche Fruchtbarkeit. Mach unsere Herzen gänzlich frei und rein und hilf uns, in Fülle die Nachfolge Christi zu leben, um als dein höchstes Geschenk einmal die Freude ohne Ende zu verkosten. Armen! Mit diesen guten Wünschen erteile ich den Apostolischen Segen von Herzen euch, verehrte Brüder im Bischofsamt, den Priestern und Diakonen, den Ordensmännem und Ordensfrauen sowie allen gläubigen Laien, zumal den Jugendlichen, die hochherzig die Stimme Jesu hören, der sie zu seiner Nachfolge entlädt. Aus dem Vatikan, am 4. Oktober 1989, im elften Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP n. 905 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eine historische Stunde Europas Ansprache an die Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz am 17. Mai 1. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (1 Kot 1,3). Ich wende mich an euch mit dem Gruß und Wunsch, der dem Apostel Paulus teuer war, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt für die Kirchen in Italien, um vor euch die tiefe Verbundenheit auszusprechen, die mich mit euch in kollegialer Solidarität und in der gemeinsamen pastoralen Sorge für die geliebte italienische Nation verbindet. Ich grüße Kardinal Poletti, den Präsidenten eurer Konferenz, und Msgr. Ruini, den Sekretär, wie auch die beiden neuen Vizepräsidenten, Kardinal Piovanelli und Msgr. Saldarini. Mit Freude begrüße ich einen jeden von euch und rufe auf eure Personen, sowie auf das Amt und die Sendung, die euch anvertraut sind, die Fülle des Geistes herab, der uns die Geheimnisse Gottes erkennen läßt und uns gelehrig und bereit macht, seine Wege zu gehen (vgl. 1 Kor 2,10-11). Die jährliche Begegnung des Papstes mit den zu ihrer Vollversammlung vereinten italienischen Bischöfen ist eine Stunde intensiver und familiärer Gemeinschaft innerhalb des dicht besetzten Kalenders der Versammlungsarbeiten. Wir wollen alle gemeinsam unsere Sorgen und die Aufgaben des apostolischen Dienstes in die Hände des Herrn legen und im Licht, das von Ihm kommt, den vollen Sinn des vor uns liegenden Weges bedenken. 2. Dieser Weg ist heute von den großen Neuerungen und Aufgaben gekennzeichnet, die die Völker und Kirchen Europas im Osten, aber auch im Westen betroffen haben. Die Botschaft „zur christlichen Erneuerung Europas und Italiens“, die der ständige Rat eurer Konferenz am vergangenen 18. Januar veröffentlicht hat, sowie das für die kommende Soziale Woche gewählte Thema „Die Katholiken Italiens und die neue Jugend Europas“ bezeugen euer hohes Bewußtsein von der Wichtigkeit dieser Aufgabe und der Frage, die sie enthält. Nachdem die Mauer gefallen ist, die Brudervölker teilte, und der Betrug einer Ideologie offenbar geworden ist, die die Zukunft der Menschheit im Zeichen der Leugnung Gottes aufbauen wollte, ist Europas Kultur fast gezwungen, aufgrund der geschichtlichen Erfahrung und kraft des heroischen Zeugnisses der christlichen Gemeinschaften angesichts des Totalitarismus neu zu entdecken, daß der Glaube an Christus Triebkraft und Garant für Kultur und Freiheit ist. Es eröffnen sich damit neue Möglichkeiten für Europa, sich seiner christlichen Wurzeln bewußt zu werden und heute wie morgen den Lebenssaft aus diesen Wurzeln fruchtbar werden zu lassen. Zugleich aber werden die großen Probleme der Neugestaltung des christlichen Geflechts der menschlichen Gesellschaft und vor allem die der kirchlichen Gemeinschaften deutlich (vgl. Christifideles laici, Nr. 34). Die Herausforderungen der Säkularisierung und des praktischen Materialismus, wenn auch nicht mehr des ideologischen, sind den ost- und westdeutschen Ländern, wenn auch in unterschiedlicher Form, gemeinsam. Gemeinsam brauchen sie auch alle ein neues und großangelegtes Bemühen um ihre Evangelisierung. Daher habe ich im Heiligtum von Velehrad in Mähren, wo das Andenken an die hl. Cyrillus und Methodius in Ehren gehalten wird, die gemeinsam mit dem hl. Benedikt Patrone Europas sind, eine besondere Bischofssynode für Europa angekündigt. So können wir, in Kollegialität und pastoraler Liebe versammelt, aufmerksamer diese für Europa und die Kirche 906 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN historische Stunde überdenken und entsprechende Entschließungen für den einzuschlagenden Weg daraus ableiten. In Velehrad habe ich dazu gesagt: „Als demütige Diener der Wahrheit Gottes, des Herrn der Geschichte, wollen wir unsere Augen öffnen, um zu sehen, unsere Ohren, um zu hören und unsere Herzen, um den weisen Plan Seiner Vorsehung in Liebe anzunehmen.“ 3. Liebe Brüder, ich erwarte mir von den Bischöfen und den Einzelkirchen Italiens viel für die gemeinsame Aufgabe, die diese Bischofssynode wird in Angriff nehmen müssen. Die Fülle der Gaben, die den geistigen Reichtum der italienischen Kirche bilden, ihre bleibende Fähigkeit, den Menschen nahe zu sein und ihre Erfahrung mit den für eine demokratische und pluralistische Gesellschaft typischen Problemen, vor denen der christliche Glaube in Auseinandersetzung mit der Säkularisierung, einem hinterhältigen Konsumismus und dem moralischen Subjektivismus steht, sind ebensoviele Talente, die sie im Rahmen jener besseren gegenseitigen Kenntnis und jener gegenseitigen Hilfe und Bereicherung fruchtbar zu machen berufen ist, welche immer mehr den gemeinsamen Weg der Kirche in Europa kennzeichnen müssen. Auch die soziale und öffentliche Präsenz der Christen, die in Italien eine große und lebendige Tradition hat, muß immer kräftigeren europäischen Atem gewinnen. Das missionarische Bemühen und die Solidarität mit den Ländern der dritten und vierten Welt, die glücklicherweise bei den Katholiken Italiens fest verwurzelt sind, darf in keiner Weise abgeschwächt oder aufgeschoben werden, weil sich in Europa ein neuer Horizont öffnet. Im Gegenteil, die Kirchen Europas sind aufgerufen, ihre Zusammenarbeit für die von Unterentwicklung bedrängten Völker zu verstärken und immer besser miteinander abzustimmen und dabei auch den jungen Kirchen zu helfen. Wir müssen uns nämlich bewußt sein, daß die Echtheit unserer moralischen Überzeugungen an den Fronten der konkreten Solidarität und der Gerechtigkeit auf Weltebene erprobt wird und sich hier auch die Zukunft in unserer Kultur entscheidet. 4. Diese Versammlung beschäftigt euch mit vielfältigen Bereichen pastoraler Verantwortung. Ich nenne kurz einige besonders bedeutsame. Der erste ist die Katechese, die eine grundlegende Verpflichtung der ganzen Kirche bildet, und für die zumal die Hirten wesentlich verantwortlich sind. Erst recht wenn heute eine starke Tendenz da ist, jede Wahrheit und jeden Wert als relativ und provisorisch zu betrachten, wird die organische und systematische Hinführung zum Glauben als eigentliche Substanz der Katechese zur klaren Priorität und bekommt zentrale Bedeutung. Daher muß sowohl die Prüfung des Entwurfs eines Katechismus oder Handbuchs der katholischen Lehre, wie es die außerordentliche Bischofssynode von 1985 gewünscht hat, durch eure Vollversammlung, als auch die Überarbeitung der Katechismen eurer Bischofskonferenz für eure gemeinsame Arbeit Vorrang haben. <735> <735> Bei dieser Versammlung legt ihr auch wichtige Richtlinien für den Weg eurer Bischofskonferenz in den nächsten Jahren fest, indem ihr die Aufgabe der verschiedenen bischöflichen Kommissionen neu umschreibt. Deren neuen Präsidenten meinen herzlichen Gruß! Die Erarbeitung und Vertiefung der in den verschiedenen Bereichen der Seelsorge neu aufkommenden Probleme, wie auch die Zusammenstellung von Vorschlägen und Initiativen, mit denen man ihnen sachgerecht begegnen kann, sind nun dem Studium und der Arbeit der 907 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bischöflichen Kommissionen anvertraut, die damit ein wesentliches Element im Leben der Konferenz bilden. 6. Ein weiteres Thema eurer Arbeit in diesen Tagen ist die komplexe Materie des Unterhalts des Klerus und in weiterem Rahmen die Verteilung der Gelder, die der Kirche nun nach Entscheidung der Bürger kraft der neuen Konkordatsbeschlüsse zufließen. In diesen Jahren wurde ein langer und nicht leichter Weg zurückgelegt, um auf neuen und sowohl der Lehre des II. Vatikanischen Konzils als auch den Verfügungen des neuen Kodex des Kirchenrechts mehr entsprechenden Grundlagen, aber auch gemäß der demokratischen Form des italienischen Staates das Problem der für Leben und Tätigkeit der Kirche notwendigen Finanzen zu lösen. Nun sind die italienischen Katholiken und alle Bürger, die den von der Kirche angebotenen Dienst schätzen, aufgerufen, in freier und bewußter Entscheidung ihr jene Mittel zu sichern, die einen angemessenen, wenn auch bescheidenen Unterhalt der Priester sowie das Funktionieren der für das religiöse Leben notwendigen Strukturen sicherstellen, angefangen mit dem Bau von Kirchen in den Randzonen der Städte, die oft noch keine besitzen. Ferner sollen diese Mittel die Initiativen der Caritas in Italien und in der Dritten Welt unterstützen, welche ja das konkrete Zeichen der christlichen Brüderlichkeit sind und ein in den Mitteln bescheidener, aber in den Ergebnissen großartiger Weg, um Leben und Hoffnung dorthin zu tragen, wo tatsächlich die Würde der menschlichen Person verleugnet wird. 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, wir nähern uns rasch dem Ende dieses Jahrhunderts, das so viele Ereignisse und Wandlungen erlebt hat, von historischen Tragödien als traurige Frucht der Sünde geprägt war, aber auch und trotz allem von den wunderbaren Werken der Vorsehung Gottes erhellt wurde. Nahe ist damit das große Jubiläum des Beginns des dritten christlichen Jahrtausends. Der Weg der Kirche in Italien, in Europa und in der Welt muß immer mehr von der Verkündigung, dem Zeugnis und der Nachfolge Jesu Christi, des einzigen Erlösers des Menschen, geprägt sein. Er muß also in kindlicher Gemeinschaft mit der seligsten Jungfrau Maria verlaufen, die uns in der Gnade des Glaubens vorangeht und uns „als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes“ voranleuchtet (Lumen Gentium, Nr. 68). In dieser Hoffnung erteile ich einem jeden von euch und euren Kirchen von Herzen meinen Segen. 908 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Familienpastoral und Priesterausbildung Ansprache an den Päpstlichen Rat für die Familie am 17. Mai Meine Herren Kardinale, liebe Freunde! 1. Gern begrüße ich hier die Teilnehmer an der achten Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie, und ich danke dem Herrn Kardinal Gagnon, der mir eure Arbeiten vorgestellt hat. Ihr habt das Thema „Die Ausbildung des Priesters und die Familienpastoral“ gewählt, entsprechend den Überlegungen der kommenden Bischofssynode. Gewiß ist dieser Aspekt des priesterlichen Dienstes von größter Wichtigkeit, denn in der Gesellschaft wie in der Kirche spielt die Familie für die Entfaltung des Menschen eine wesentliche Rolle. In der Kirche aber wird die Würde der Familie durch das Sakrament der Ehe bekräftigt, die die Gemeinschaft der Eheleute heiligt und die Gründung einer christlichen Familie weiht. Im Verlauf der letzten Jahrzehnte haben zahlreiche christliche Eheleute lebendiger die Notwendigkeit und das Bedürfnis empfunden, neu die Größe der Berufung zu erfassen, die ihnen durch ihre Ehe geschenkt ist, sowie die Reichtümer ihrer wunderbaren Sendung zum Wohl der Gesellschaft und der Kirche zu erkennen. Im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils, das den Ort der Laien in der Kirche sowie die Berufung aller zur Heiligkeit ins Licht gerückt hat, haben viele Priester in den letzten Jahren die Familien in diesem Sinn zu unterstützen und zu führen verstanden. Nun geht es darum, die Familienpastoral zu überdenken und ihre Vorbereitung auch mehr strukturell und konkret in den Plan der priesterlichen Ausbildung einzufügen. 2. Während bestimmte Aspekte der priesterlichen Tätigkeit tatsächlich nur Personen mit bestimmtem Alter, mit bestimmter Berufsausbildung, oder in bestimmten Kulturen und Situationen betreffen können, hat es die Familienpastoral hingegen mit allen Lebensaltern gläubiger Christen zu tun. „Jede Hilfe, die dieser grundlegenden Zelle der Menschheitsfamilie gewährt wird, wird vielfältig wirksam, weil sie sich in der Zeit auswirkt und dank des erzieherischen Wirkens, das über die Eltern die Kinder und durch diese die Kindeskinder erreicht, dauerhafte Folgen hat“ (Ansprache vom 1. März 1984, Nr. 1). Die Notwendigkeit dieser Vorbereitung der Priester für die Familienpastoral wird noch dringlicher spürbar, wenn man das Ziel des ganzen Dienstes und Lebens der Priester betrachtet: „Die Verherrlichung Gottes, des Vaters, in Christus“. Sie besteht nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil darin, „daß die Menschen die in Christus vollendete Tat Gottes bewußt, frei und dankbar annehmen“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 2). Die vom Konzil angeregte Erneuerung des christlichen Lebens hängt großenteils vom pastoralen Eifer der Diener des Herrn ab. Im Familienleben aber vervielfältigen sich die Bemühungen um ein rascheres Kommen des Reiches Gottes unter den Menschen. Wenn Ehegatten hochherzig ihre Liebe leben, können sie authentisch die Frohbotschaft bezeugen, weil sie aus ihrem täglichen Leben ein Werkzeug des Apostolats und den Rahmen für eine erste Verkündigung des Wortes Gottes an ihre Kinder machen. 909 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Dienst an den Ehegatten und ihren Familien bildet einen wichtigen Teil des Dienstes der Priester als Mitarbeiter des Bischofs, der „die erste Verantwortung für den pastoralen Dienst an den Familien in der Diözese“ trägt (Familiaris consortio, Nr. 73). In dieser österlichen Zeit, die die Menschen an den Akt der Versöhnung und an den Friedensschluß in Christus erinnert, empfindet man deutlicher die Notwendigkeit, den Ehebund der Gatten und das ganze daraus erfließende Familienleben mit dem Licht des Herrn zu erhellen und ihn mit seiner erlösenden Kraft zu durchdringen. Die Aufgabe der Priester besteht darin, den christlichen Familien zu helfen, ihr ganzes Leben hindurch das Geheimnis der bräutlichen Liebe Christi und seiner Kirche zu betrachten: sie erfüllen dann, was das Zweite Vatikanische Konzil mit den Worten angeregt hat: „Die christliche Familie - entsteht sie doch aus der Ehe, die das Bild und die Teilhabe an dem Liebesbund Christi und der Kirche ist - soll die lebendige Gegenwart des Erlösers in der Welt und die wahre Natur der Kirche allen kundmachen, sowohl durch die Liebe der Gatten, in hochherziger Fruchtbarkeit, in Einheit und Treue, als auch in der bereitwilligen Zusammenarbeit aller ihrer Glieder“ (Gaudium et spes, Nr. 48). 3. Die Bildung des Priesters muß notwendig von einem vertieften Verständnis des Geheimnisses Christi ausgehen und darin fortschreiten. Das priesterliche Wirken in der Familienpastoral hat seine Wurzeln in einer Kenntnis des in Jesus Christus offenbarten Planes Gottes, die zum persönlichen Eigentum geworden ist, und es setzt zugleich ein echtes Verständnis der Natur der Kirche voraus. Die Lehre über Ehe und Familie, die der Priester zu übermitteln hat, gehört nicht nur in den Bereich der Spekulation; sie überträgt zugleich die Weisheit, mit der der normale Beistand des Heiligen Geistes die Gläubigen zu ihrem Wachstum in der Kirche nährt. In dieser Perspektive denkt das Lehramt der Kirche, das sich für unsere Zeitgenossen vor allem in der Enzyklika Humanae vitae und in dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio ausgesprochen hat: in der Wahrheit des Geheimnisses Christi müssen wir mithelfen, daß die im Herzen des Menschen niedergelegte Wahrheit entdeckt, entfaltet und erhoben werden kann, die Wahrheit, die bereits in der ehelichen Beziehung von Mann und Frau gegeben ist. So müssen wir zum Beispiel den Eheleuten klar machen, daß das, „was die Kirche zur verantworteten Elternschaft lehrt, nichts anderes ist als der ursprüngliche Plan, den der Schöpfer in die Menschennatur des Mannes und der Frau, die heiraten, eingeprägt hat und den der Erlöser wieder aufzurichten gekommen ist“ (Ansprache vom 1. März 1984, Nr. 2). Wenn die Hirten des Neuen Bundes die volle Wahrheit über die Liebe in Ehe und Familie vorlegen, wissen sie, daß es nicht genügt, das neue Gesetz, welches das Verhalten eines jeden erhellt, vorzutragen; sie müssen zugleich für die Gnade aufgeschlossen machen, die die in der Begehrlichkeit begründete Schwäche heilt. Daher fordert die pastorale Liebe der Familie gegenüber eine ständige Verfügbarkeit, die von der Kirche ausgeteilten Reichtümer der sakramentalen Gnade anzubieten, ohne irgendwie die Größe und Würde des Sakramentes, das den Eheleuten eigen ist, anzutasten, und durch das sie unter den Menschen die von Gott kommende Liebe präsent machen. <736> <736> Ihr alle aber, die ihr das Geschenk ehelicher Liebe erhalten habt, müßt wissen, daß mit der Großherzigkeit eurer gegenseitigen Liebe und der eurer Kinder, die Vereinigung Christi mit seiner Kirche in eurem Leben fruchtbar wird. Ihr seid für eure Hirten das klare und lebendige 910 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeugnis für das Geheimnis des Christentums; ihr helft ihnen, daß sie ebenfalls unermüdlich Zeugen der Erlösungskraft Christi sind und ebenso geduldig wie liebevoll den Eheleuten, die ihnen ihre Schwierigkeiten anvertrauen, zu raten wissen. Ehesakrament und christliches Priestertum, das sind die beiden Sakramente, die das Wohl der Kirche und der Gesellschaft aufbauen. Es sind zwei Formen der Teilhabe am Geheimnis Christi, die sich innerhalb der christlichen Existenz gegenseitig verstärken, in Treue zum Charisma, das jedem zum Wohl des ganzen Volkes Gottes eigen ist. Ich hoffe, daß die von eurem Rat angestellten Überlegungen zumal für jene Priester nützlich sein werden, die Verantwortung für die Familienpastoral übernehmen. In vertrauensvoller Zusammenarbeit sollen sie sich gemeinsam mit den engagierten fachkundigen Laien bemühen, gemäß ihrer sich gegenseitig ergänzenden Aufgabe der Familie zu dienen. Es ist gut, daß die Priester schon während ihrer Ausbildung auf diese Form der Verantwortung durch eine menschliche Kultur vorbereitet werden, die ihre Theologie durch die Erfahrung gemeinsamer Arbeit mit Eheleuten bereichert, ferner durch ein geistliches Leben, das allein aus ihnen glaubwürdige Zeugen machen kann. Meine Herren Kardinäle und liebe Freunde, ich wünsche eurer Arbeit und eurem Apostolat die Ausstrahlungskraft, die vom Beistand des Heiligen Geistes herkommt. Ich ermuntere euch und verbinde meine guten Wünsche für einen jeden von euch mit meinem Apostolischen Segen. Viele brachten persönliche Opfer Ansprache bei der Audienz an über hundert Priester aus der DDR am 18. Mai Liebe Schwestern und Brüder! Mit großer Freude begrüße ich euch in der Ewigen Stadt und danke euch für eure guten Wünsche und die Versicherung eures Gebets. Ich bin mir dabei bewußt, daß erstmals seit vierzig Jahren Gläubige aus eurem Land in großer Zahl und auf normalem Weg zu den Stätten der heiligen Apostel Petrus und Paulus pilgern können. Jahrzehntelang habt ihr unter konsequenter Leitung meiner treuen Mitbrüder im Bischofsamt die Freiheit für die Kirche und euer Land erhofft. Viele von euch haben, weil sie bewußte Christen sein wollten, persönliche Opfer gebracht und unter beruflicher Benachteiligung gelitten. Bei meinem Besuch 1975 in Erfurt konnte ich mich persönlich von der Standhaftigkeit der Katholiken in der DDR überzeugen. In den Wochen der Umwälzungen in eurem Land ist wiederholt gesagt worden: „Das Gebet hat die Veränderungen herbeigeführt.“ Es hat sich offensichtlich erfüllt, was uns der Herr im Evangelium aufgetragen hat: „Wenn ihr mich um etwas in meinem Namen bittet, werde ich es tun“ (Joh 14,14). Der Herr hat eure und unsere Bitten erhört. Christus, unserem Herrn, bittend vertrauen, das heißt die Welt verändern. Unsere Antwort auf Gottes vielfältige Gaben kann nur Dank sein. „Dankt für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus gehört“ (1 Thess 5,18), mahnt uns der Apostel Paulus. 911 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Indem wir danken, erfüllen wir unsere vornehmste Aufgabe, anerkennen wir, daß Gott der Geber aller guten Gaben ist und der Herr der Welt. Gott zu danken heißt aber auch sich zu vergegenwärtigen, daß das Wichtigste im Leben Geschenk, Gnade ist. Alle menschlichen Absicherungen und Mauern erweisen sich vor der Macht Gottes als vergänglich und überwindbar. Gott hört die Bitten „seiner Kinder“, erfüllt sie und lenkt alles zum Guten. Viel Neues und Unbekanntes habt ihr in letzter Zeit erfahren und wird noch in den nächsten Monaten und Jahren auf euer Leben und das eurer Gemeinden zukommen. Neue Aufgaben werden euch Zuwachsen und neue Möglichkeiten. Der Apostel Paulus sagt: „Prüft alles, und behaltet das Gute!“ (1 Thess 5,21). In diesen Tagen vor Pfingsten wollen wir besonders um die Gabe der Unterscheidung der Geister bitten. Haltet auch fest an der Lehre der Kirche, die uns Prüfsteine unseres Handelns gibt. Denn mit der Lehre der Kirche leben heißt, sich in schwierigen Situationen für das Gute zu entscheiden. Ich wünsche euch allen bereichernde Tage in Rom und erteile euch und euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Der Mensch und seine Umwelt Ansprache an die Teilnehmer einer Studienwoche der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 18. Mai Meine Damen und Herren! 1. Es ist mir eine besondere Freude, die hervorragenden Männer und Frauen der Wissenschaft willkommen zu heißen, die an der Studienwoche der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften zum Thema: „Die tropischen Wälder und die Erhaltung der Arten“ teilgenommen haben. Das von Ihnen behandelte Thema ist von größter Bedeutung. Es ist das unleugbare Verdienst der Wissenschaftler, daß der Wert der verschiedenen biologischen Arten der tropischen Ökosysteme mehr und mehr Verständnis und Beachtung findet. Dennoch ist das Ausmaß der Zerstörung dieser biologischen Arten auf der ganzen Erde ein wirklich sehr ernstes Problem: sie bedroht nämlich auch zahllose andere Lebensformen. Selbst die Qualität des menschlichen Lebens ist aufgrund seiner Abhängigkeit vom dynamischen Zusammenspiel mit anderen Arten von einer Herabsetzung bedroht. <737> <737> Die tropischen Wälder verdienen unsere Aufmerksamkeit, unser Studium und unseren Schutz. Sie leisten nicht nur einen wesentlichen Beitrag zur Regulierung der klimatischen Bedingungen der Erde, sondern verfügen auch über die verschiedensten Arten von Lebewesen, deren Schönheit unsere besondere Bewunderung wachruft. Darüber hinaus sind so manche Pflanzen und Mikroorganismen dieser Wälder imstande, eine grenzenlose Zahl komplexer Substanzen aufzusaugen, welche die Herstellung von Medikamenten und Antibiotika wesentlich erleichtern. Andere Pflanzen sind wertvolle Nahrungsquellen oder Werkzeuge für die genetische Verbesserung eßbarer Pflanzen. 912 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leider vernichtet die Geschwindigkeit, in der diese Wälder zerstört oder umgestaltet werden, den Reichtum ihrer biologischen Arten so rasch, daß es für viele von ihnen unmöglich bleibt, ihren potentiellen Wert für den Menschen zu untersuchen. Ist daher nicht anzunehmen, daß diese planlose Zerstörung der tropischen Wälder es den künftigen Generationen unmöglich macht, aus den Reichtümem dieser Ökosysteme in Asien, Afrika und Lateinamerika Nutzen zu ziehen? Soll eine Auffassung von Entwicklung, die hauptsächlich auf Gewinn abzielt, weiterhin das Leben der Eingeborenen unmöglich machen, die in diesen Wäldern leben? Soll ein Mangel an Weitsicht weiterhin die dynamischen Prozesse der Erde, der Zivilisation und des menschlichen Lebens selbst schädigen? 3. Wenn ein unberechtigtes Profitstreben manchmal für die Abholzung der tropischen Ökosysteme und die Zerstörung der ihnen eigenen biologischen Arten verantwortlich ist, so ist es nicht minder wahr, daß ein verzweifelter Kampf gegen die Armut diese wichtigen Rohstoffquellen unseres Planeten zu zerstören droht. Während daher gewisse Formen industrieller Entwicklung manche Länder veranlaßten, die Ausdehnung ihrer tropischen Wälder dramatisch herabzusetzen, haben die Auslandsschulden andere zu einer unklugen Verwaltung ihrer Hartholzreserven gezwungen, um auf diese Weise die Schulden zu verringern. Ebenso ist der Versuch, Acker- und Weideland zu gewinnen, manchmal ein mißlungener Beweis dafür, daß auch zur Erreichung guter und sogar notwendiger Ziele ungeeignete Mittel verwendet werden können. In diesem Fall kann die Lösung eines dringenden Problems ein anderes verursachen, das nicht weniger schwerwiegend ist. Als wichtigste Ursache für die Zerstörung der Tropenwälder wird oft die Bevölkerungszunahme angeführt. Auch hier ist es wesentlich, festzustellen, daß das demographische Wachstum keine rein statistische Angelegenheit ist: vielmehr handelt es sich um eine kulturelle und zutiefst ethische Frage. Tatsächlich „ist es auch nicht erwiesen, daß jegüches Bevölkerungswachstum unvereinbar sei mit einer geordneten Entwicklung“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 35). Die Kirche verurteilt nicht nur alle Unterdrückung - einschließlich der wirtschaftlichen —, der die Menschen vor allem in den ärmeren Ländern zum Zweck der Zustimmung zu Programmen der Geburtenkontrolle ausgesetzt sind, sondern sie betont auch unermüdlich die Freiheit der Ehepaare, entsprechend der Gesetze der Moral und ihrer religiösen Überzeugungen hinsichtlich der Kinder selbst zu entscheiden (vgl. ebd. und Familiaris consortio, Nr. 30). <738> <738> Jede Art von Leben sollte als Schöpfung Gottes, der alles „gut“ (vgl. Gen 1,31) erschaffen hat, geachtet, gefördert und geliebt werden. Gerade der dem menschlichen Leben eigene Wert jedoch rät und verpflichtet uns, sorgfältig zu untersuchen, wie wir die anderen geschaffenen Arten verwenden. Der Mensch ist zweifellos berechtigt, sich der übrigen Schöpfung zu bedienen, hat ihm doch der Schöpfer selbst neben den Tieren „alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten“ übergeben, damit sie ihm zur Nahrung auf dieser Erde dienen (vgl. Gen 1,29-30). Diese Gabe ist jedoch, ebenso wie der Auftrag „über die Erde zu herrschen“ (vgl. Gen 1,26), zwei Beschränkungen unterworfen, die Gott, der Schöpfer, selbst festgelegt hat. Die erste ist der Mensch selbst. Er darf sich der Natur nicht zu seinem eigenen Schaden, zum Schaden seiner Mitmenschen und der zukünftigen Generationen bedienen. Deshalb muß 913 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jeder Plan und jede Verwirklichung der Entwicklung unbedingt auf die ethische Dimension Rücksicht nehmen. Die zweite Beschränkung sind die geschaffenen Wesen selbst, oder, mit anderen Worten, der Wille Gottes, wie er in ihrer Natur zum Ausdruck kommt. Der Mensch kann mit den ihn umgebenden Geschöpfen nicht tun, was er will, sondern sollte, ganz im Gegenteil, sie „hüten“ und „pflegen“ (vgl. Gen 2,15). Schon die Tatsache, daß Gott der Menschheit die Pflanzen zu essen und den Garten zu bebauen gab, beinhaltet die Notwendigkeit, Gottes Willen zu achten, wenn wir mit seinen Geschöpfen zu tun haben. Sie sind uns anvertraut, nicht einfach zur Verfügung gestellt. Wir sind Verwalter, nicht selbständige Herren. Deshalb schließt die Verwendung der Geschöpfe moralische Verpflichtungen in sich (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 34 und die Botschaft zum Weltfriedenstag 1990, Nr. 6ff.). Der ökologische Einsatz ist nicht nur eine Frage der Sorge um die Bewohner der Natur und ihre Umgebung; er ist vielmehr eine moralische Frage und fällt daher unter die Verantwortung des Menschen im Rahmen der Pläne Gottes. In diesem Zusammenhang kann man das Wohl des Menschen letzten Endes im Begriff „Friede mit Gott, dem Schöpfer, Friede mit der gesamten Schöpfung“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 1990) zusammenfassen. Die Arbeit von Wissenschaftlern, wie Sie es sind, wird heute immer wichtiger. Ein intensives Informations- und Erziehungsprogramm ist erforderlich. Ihre Studien und Forschungen können insbesondere zur Förderung eines bewußten moralischen Einsatzes beitragen, der heute dringender den je zuvor ist. Ich bin überzeugt, daß die Beschlüsse Ihres Seminars ebenso wie Ihre persönliche Arbeit und Ihr verantwortungsbewußter Einsatz als Männer und Frauen der Wissenschaft eine große Hilfe für die Erreichung dieses Zieles darstellen. Auf diese Weise wird die gegenwärtige ökologische Krise, besonders ernst im Fall der tropischen Wälder, zur Gelegenheit für die Erneuerung des Bewußtseins werden, das der Mensch von seinem wahren Platz in dieser Welt und seiner Beziehung zur Umwelt hat. Das geschaffene All wurde der Menschheit nicht zum selbstsüchtigen Mißbrauch, sondern zur Ehre Gottes anvertraut und diese ist, wie der hl. Irenäus vor vielen Jahrhunderten sagte, „der lebende Mensch“ (Adv. haer., IV, 20,7). Ich ermutige Sie und rufe auf Sie den reichen Segen des allmächtigen Gottes herab. 914 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirchlich-sozialer Wohnungsbau dient der Familie Ansprache an die Vertreter der Siedlungswerke der Bistümer Bamberg, Berlin und Regensburg am 19. Mai Meine Herren Prälaten, liebe Schwestern und Brüder aus Bamberg, Berlin und Regensburg! Das vierzig- beziehungsweise dreißigjährige Jubiläum eurer kirchlichen Wohnungs- und Siedlungsuntemehmen habt ihr mit einer Pilgerreise nach Rom verbunden; ich heiße euch in der Ewigen Stadt sehr herzlich willkommen. Eure Einrichtungen, die St.-Josef-Stiftung Bamberg, das Petrus-Werk Berlin und das Katholische Wohnungsbau- und Siedlungswerk der Diözese Regensburg wurden in einer Zeit großer Not mit dem Auftrag gegründet, durch Wohnungs- und Städtebau Dienst an bedürftigen Menschen zu leisten. Es ging in den Anfangsjahren vor allem darum, nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs den Vertriebenen und Flüchtlingen aus den Ostgebieten wieder eine Heimat zu geben. Diese Initiative hat in dem genannten Zeitraum reiche Frucht getragen. Es konnten bisher zahlreiche Sozialwohnungen, Eigentumswohnungen und Familienheime gebaut sowie Wohnheimplätze für Studenten, Schwestern und ältere Menschen und eine Vielzahl an Kindertagesstätten, Kindergärten und sonstigen Sozialeinrichtungen geschaffen werden. Zum Selbstverständnis kirchlich-sozialer Wohnungsbauarbeit gehört es, daß sie zugleich der Familien- und Sozialpolitik dient. Mit der Errichtung von Wohnungen und Wohnheimplätzen habt ihr nicht nur einen Beitrag geleistet, mit dem ihr die zweite Rangstelle innerhalb der Diözesan-Siedlungswerke in der Bundesrepublik einnehmt, sondern in Umfang, Vielfalt und Zweckbestimmung auch beispielgebend im Dienst am Mitmenschen gewirkt. Euch allen - insbesondere aber den Vorständen der einzelnen Einrichtungen - danke ich auch im Namen all jener, die Nutznießer eurer Einrichtungen und eurer Fürsorge waren und sind, aufrichtig und herzlich. Alle diese Unternehmungen waren zu ihrer Zeit Pionierleistungen, die Mut und Einsatz erforderten und zunächst auch mit Unsicherheiten verbunden waren. Ein solches Jubiläum rückt aber zugleich auch zukünftige Aufgaben in den Blick. Als Antwort auf Probleme der Randgruppen in eurem Lande und um beim Aufbau auf dem Gebiet der heutigen DDR dahingehend mitzuwirken, daß die Familien wieder zusammen und in menschenwürdigen Wohnungen leben können, ist die weitere kirchlich-soziale Wohnungsbauarbeit Aufgabe der Zukunft. Heute ist ein vielfach begründeter Wohnungsmangel festzustellen. Familien brauchen auch in unserer Zeit ein Heim, das bezahlbar ist, wenn möglich als Eigentum. Junge brauchen ältere Menschen, um gegenseitig zu lernen, Nächstenhebe im Mit- und Füreinander zu praktizieren. Im Umgang zwischen Gesunden und Behinderten lernen alle, Lebensfreude zu empfinden und Dankbarkeit zu bekunden. Bei jedweder Aufgabenstellung aber geht es immer darum: menschlich zu bauen, damit aus der Wohnung ein Zuhause wird und aus dem Wohnort Heimat. Möge euch die Feier eures Jubiläums und das gemeinsame Bedenken der Wurzeln unseres Glaubens hier in Rom jene Kraft schenken, diese Aufgaben zu sehen und ebenso mutig anzu- 915 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gehen, wie dies vor vierzig Jahren der Fall war - zum Segen für die Familien, Kinder, für die Studierenden und vor allem auch für die älteren Menschen in Eurer Gesellschaft. Dazu erteile ich Euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Zeuge und Verteidiger der Hoffnung Predigt bei der Seligsprechung von Pier Giorgio Frassati am 20. Mai 1. „Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben ... den Geist der Wahrheit“ (Job 14,15). In der Osterzeit, während wir uns allmählich Pfingsten nähern, werden diese Worte immer aktueller. Jesus sprach sie im Abendmahlssaal am Tag vor seinem Leiden, während er von den Aposteln Abschied nahm. Sein Fortgang - das Fortgehen des geliebten Meisters durch den Tod und die Auferstehung - macht den Weg frei für einen anderen Beistand (vgl. Joh 16,7). Der Heilige Geist wird kommen: er wird kommen gerade wegen des rettenden Hinscheidens Christi, durch das die neue erbarmende Gegenwart Gottes unter den Menschen ermöglicht und begonnen wird. Der Geist der Wahrheit, den die Welt nicht sieht und nicht kennt, gibt sich hingegen den Aposteln zu erkennen, „weil er in ihnen bleiben und in ihnen sein wird“ (vgl. Joh 14,17). Und davon werden am Pfingsttag alle Zeugnis geben. 2. Pfingsten ist jedoch nur der Anfang, denn der Geist der Wahrheit kommt, um „für immer“ bei der Kirche zu bleiben (vgl. Joh 14,16) in dem unaufhörlichen Sich-Emeuern durch zukünftige Generationen. Und darum sind die Worte des Apostel Petrus nicht nur an die Menschen seiner Zeit, sondern an uns alle und an unsere Zeitgenossen gerichtet: „Haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt“ (1 Petr 3,15). In unserem Jahrhundert hat Pier Giorgio Frassati, den seligzusprechen ich heute im Namen der Kirche die Freude habe, in seinem Leben diese Worte des hl. Petrus verkörpert. Die Kraft des Geistes der Wahrheit in Einheit mit Christus hat ihn zu einem modernen Zeugen der Hoffnung gemacht, die aus dem Evangelium und aus der im Herzen des Menschen wirkenden Heilsgnade erwächst. Er ist so der lebendige Zeuge und der mutige Verteidiger dieser Hoffnung im Namen der jungen Christen des 20. Jahrhunderts geworden. <739> <740> <739> Der Glaube und die Nächstenliebe, die wahren Antriebskräfte seines Lebens, regten sein Tun und Wirken an in der Umwelt, in der er lebte, in der Familie, der Schule, der Universität und Gesellschaft; sie verwandelten ihn in einen frohen begeisterten Apostel Christi, in einen leidenschaftlichen Jünger seiner Botschaft und seiner Liebe. 916 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Geheimnis seines apostolischen Eifers und seiner Heiligkeit ist in dem asketischen und geistlichen Weg zu suchen, den er ging; im Gebet, in der immerwährenden auch nächtlichen eucharistischen Anbetung; in seinem Durst nach dem Wort Gottes, das er in den Bibeltexten erforschte; in der gelassenen Annahme der Lebens- und auch Familienschwierigkeiten; in der mit lauterer Selbstdisziplin und kompromißlos gelebten Keuschheit; in der täglichen Vorliebe für die Stille und das normale Leben. Gerade in diesen Faktoren können wir die tiefe Quelle seiner geistlichen Lebenskraft entdecken. Denn Christus teilt seinen Geist durch die Eucharistie mit; durch das Hören seines Wortes wächst die Bereitschaft, die anderen anzunehmen, und durch die Hingabe an den Willen Gottes im Gebet reifen die großen Lebensentscheidungen. Nur indem er den in seinem Herzen gegenwärtigen Gott anbetet, kann der Getaufte jedem Rede und Antwort stehen, „der nach der Hoffnung fragt“, die ihn erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). Und der junge Frassati weiß das, er versucht es, er lebt es. In seinem Leben verschmilzt der Glaube mit der Liebe: fest im Glauben und tätig in der Liebe, denn der Glaube ohne Werke ist nutzlos (vgl. Jak 2,20). 4. Gewiß bietet der Lebensstil von Pier Giorgio Frassati, eines jungen, lebensvollen Menschen, beim oberflächlichen Hinschauen nichts Außergewöhnliches. Aber ebendies ist die Einmaligkeit seiner Tugend, die zum Nachdenken anregt und zur Nachfolge anspomt. In ihm verschmelzen harmonisch der Glaube und das tägliche Geschehen so sehr, daß die Verbundenheit mit dem Evangelium sich in liebende Sorge für die Armen und Bedürftigen immer mehr umsetzt bis zu den letzten Tagen der Krankheit, die zu seinem Tod führen sollte. Der Sinn für das Schöne und die Kunst, die Leidenschaft für den Sport und die Berge, das Augenmerk für die Probleme der Gesellschaft hindern ihn nicht an der ständigen Beziehung zum Absoluten. Ganz eingetaucht in das Geheimnis Gottes und ganz dem ständigen Dienst am Nächsten hingegeben: so kann man sein Erdenleben zusammenfassen! Seine Berufung als Laienchrist entfaltete sich durch sein vielfältiges Engagement in Vereinigungen und in der Politik in einer Gesellschaft im Umbruch, die der Kirche gleichgültig und manchmal feindlich gegenüberstand. Pier Giorgio konnte mit diesem Geist Impulse geben für die verschiedenen katholischen Bewegungen, denen er mit Begeisterung anhing, vor allem aber der Katholischen Aktion und der FUCI, in denen er einen wahren Übungsplatz christlicher Formung und ein günstiges Feld für sein Apostolat fand. Er bemühte sich, Jesus zu lieben und ihn in den Brüdern und Schwestern zu sehen, denen er auf seinem Lebensweg begegnete oder die er suchen ging an den Orten des Leidens, der Verlassenheit und am Rand der Gesellschaft; ihnen wollte er die Wärme seiner menschlichen Solidarität und den übernatürlichen Trost des Glaubens an Christus spüren lassen. Er starb jung; nach einem kurzen, an geistlichen Früchten überaus reichen Leben ging er heim „ins Vaterhaus, um Gott Lob zu singen“. <741> <742> <743> <741> Die heutige Feier lädt uns alle ein, die Botschaft anzunehmen, die Pier Giorgio Frassati den Menschen unserer Zeit, vor allem euch Jugendlichen mitteilt, die ihr den Wunsch habt, einen konkreten Beitrag zur geistlichen Erneuerung dieser unserer Welt zu leisten, die manchmal aus Mangel an Idealen scheinbar daniederliegt und zu zerfallen droht. 917 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Er verkündet durch sein Beispiel, daß das im Geist Christi, im Geist der Seligpreisungen geführte Leben „selig“ ist; und nur wer „Mensch der Seligpreisungen“ wird, kann den Brüdern und Schwestern Liebe und Frieden mitteilen. Er betont, daß es sich wirklich lohnt, alles zu opfern, um dem Herrn zu dienen. Er bezeugt, daß die Heiligkeit für alle möglich ist und daß nur die Revolution der Liebe in den Herzen der Menschen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft entzünden kann. 6. „Jauchzt vor Gott, alle Länder der Erde! ... Wie ehrfurchtgebietend sind deine Taten“ (Ps 66,1-3). Die Psalmverse, die in der heutigen Sonntagsliturgie erklingen, sind wie ein lebendiges Echo der Seele des jungen Frassati. In der Tat, man weiß, wie sehr er die von Gott geschaffene Welt geliebt hat. „Kommt und seht die Taten Gottes!“ (Ps 66,5). Auch das ist eine Aufforderung, die aus seinem jungen Herzen kommt und sich besonders an die Jugendlichen richtet. „Staunenswert ist sein Tun an den Menschen“ (ebd.). Staunenswert ist sein Tun an den Menschen! Es ist notwendig, daß menschliche Augen -junge Augen, empfängliche Augen - die Taten Gottes in der äußerlichen und sichtbaren Welt zu sehen verstehen. Es ist notwendig, daß die Augen der Seele sich von dieser äußerlichen und sichtbaren zur inneren und unsichtbaren Welt kehren. So können sie dem Menschen jene Räume des Geistes enthüllen, in denen sich das Licht des Wortes widerspiegelt, das jeden Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9). In diesem Licht ist der Geist der Wahrheit am Werk. 7. Seht den „inneren“ Menschen! Als solcher steht Pier Giorgio Frassati vor uns. Tatsächlich scheint sein ganzes Leben die Worte zusammenzufassen: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,23). Er ist der vom Vater geliebte „innere“ Mensch, denn er hat viel geliebt! Er ist auch der Mensch unseres Jahrhunderts, der moderne Mensch, der Mensch, der viel geliebt hat! Ist denn die Liebe nicht das Notwendigste für unser 20. Jahrhundert, an seinem Beginn und an seinem Ende? Ist es vielleicht nicht wahr, daß nur das bleibt und nie seine Gültigkeit verliert: die Tatsache, daß es „geliebt hat“? <744> <744> Er ist jung aus dieser Welt geschieden, aber er hat ein Zeichen für das ganze Jahrhundert hinterlassen, und nicht nur für unser Jahrhundert. Er hat diese Welt verlassen, aber in der österlichen Kraft seiner Taufe kann er vor allen, besonders allen jungen Generationen von heute und morgen wiederholen: „Ihr aber seht mich, weil ich lebe und weil auch ihr leben werdet“ (Joh 14,19). Diese Worte wurden von Jesus Christus gesprochen, während er von den Aposteln Abschied nahm, bevor er sein Leiden begann. Gern vernehme ich sie aus dem Mund des neuen Seligen als überzeugende Aufforderung, in Christus, durch Christus zu leben. Und es ist eine immer - auch heute - gültige Einladung vor allem für die Jugend von heute. Amen. 918 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mitverantwortung für die Kirche Ansprache an Mitglieder des Schweizerischen Studentenvereins am 21. Mai Liebe Mitglieder und Freunde des Schweizerischen Studentenvereins! Mein herzlicher Willkommensgruß gilt euch allen in der Ewigen Stadt. Ihr habt mit eurem Romaufenthalt ein Seminar zum Thema „Die Kirche an der Jahrtausendwende“ verbunden. Damit bringt ihr zum Ausdruck, daß euch die Kirche und eure Mitverantwortung für die Kirche ein Anliegen sind. Das „sentire cum Ecclesia“ darf sich nicht in ostkirchlichen Grabenkämpfen verzetteln, sondern muß bewußt die großen künftigen Aufgaben im Zusammenhang mit der Rechristianisierung Europas im Auge haben. Euer Engagement kann sich dabei gut an jenem Erbe der Kirche orientieren, das in euren Statuten zitiert wird. Helft mit, daß das große Erbe kirchlicher Lehrverkündigung in eurem Heimatland erhalten bleibt und gestärkt wird. Ihr seid nämlich dazu berufen, in der religiösen Erziehung an den Schulen, in der Ausbildung für die pastoralen Dienste in euren Diözesen, im täglichen Leben eurer Gemeinden den kirchlichen Glauben wachzuhalten und zu stützen. Euer Verbindungsleben möge dafür ein sichtbares Zeichen und Beispiel sein. Auch in der Gemeinschaft des Studentenvereins wollt ihr dazu beitragen, christliche Normen und Werte zu verwirklichen und so Zeugnis abzulegen. Darin möchte ich euch bestärken, gegenseitig, füreinander, aber auch für andere Zeugen des Glaubens zu sein. Der hl. Paulus ermahnt uns: „Hat einer die Gabe des Dienens, dann diene er. Wer zum Lehren berufen ist, der lehre; wer zum Trösten und Ermahnen berufen ist, der tröste und ermahne“ (Röm 12,7-8). Ihr seid Studenten und bereitet euch lernend und forschend auf euren Beruf vor oder habt euer Studium bereits abgeschlossen und steht im aktiven Berufsleben. Groß sind die Herausforderungen an den menschlichen Geist und für vielfältige Probleme der heutigen Gesellschaft gilt es Lösungen zu suchen. Diese Probleme werden aber nur gelöst werden können, wenn der Schöpfer und Erhalter der Welt nicht ausgeklammert wird. Menschliches Forschen und Lernen wird nur dann fruchtbar sein, wenn es vom Geist Gottes getragen wird. In der Gemeinschaft der Glaubenden lernend und forschend die Welt zu begreifen versuchen läßt wesentliches nicht aus dem Blick kommen: daß Gott der Herr dieser Welt ist. Unser Herr ermahnt uns auch: „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt“ (Lk 9,25)? Es gilt sich immer wieder daran zu erinnern, daß beruflicher Erfolg und Karriere nicht die Grundbestimmung des Menschen sind. Der Wert des Menschen ist schon allein dadurch gegeben, daß er Geschöpf Gottes ist. Und dieser Wert ist unüberbietbar. In diesen Tagen vor Pfingsten erbitte ich euch die Gaben des Heiligen Geistes und erteile euch und euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen Apostolischen Segen. 919 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Europa muß wieder ein Europa des Geistes werden Botschaft zum 90. Deutschen Katholikentag in Berlin vom 23. Mai Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! Liebe Schwestern und Brüder! Zur Eröffnungsfeier des 90. Katholikentages in Berlin gilt Dir, lieber Bruder Georg Ster-zinsky, als dem Oberhirten der gastgebenden Diözese Berlin mein herzlicher Gruß. Ebenso gilt mein aufrichtiger Gruß Deinen Mitbrüdern im Bischofsamt und euch allen, Schwestern und Brüder, vor allem den zahlreichen jungen Menschen, die ihr in der Gemeinschaft des Glaubens aus allen Teilen Deutschlands und den benachbarten Ländern zu diesem Katholikentag gekommen seid. Besonders grüße ich alle Berlinerinnen und Berliner; betrachtet es als besonderes Geschenk Gottes, daß der erste Katholikentag nach der Öffnung der Mauer und nach den großen politischen Umwälzungen in eurem Land in der Stadt Berlin stattfinden kann. Gern nehme ich an eurer Freude teil. Es ist nicht ohne Bedeutung, daß am Ende des letzten Deutschen Katholikentages in Aachen euer damaliger Berliner Bischof, Joachim Kardinal Meisner, die Einladung zum nächsten Treffen dieser Art nach Berlin ausgesprochen hat. Seitdem haben Entwicklungen von historischer Tragweite stattgefunden, wie wir sie damals in diesem Ausmaß und für diesen Zeitpunkt nicht erahnen konnten. Sie haben diese Stadt in die Mitte der Aufmerksamkeit der ganzen Welt gerückt. Eure Stadt Berlin ist erneut ein Symbol der Hoffnung geworden. Der Fall von Mauern sowie der Sturz gefährlicher Götzenbilder und einer unfrei machenden Ideologie haben gezeigt, daß grundlegende Freiheiten, die dem menschlichen Leben Sinn verleihen, auf Dauer nicht unterdrückt oder gar erstickt werden können. Die Freiheit des Denkens, des Gewissens und der Religion gehören zu den unveräußerlichen Grundrechten menschlicher Existenz, und sie sind eine wesentliche Voraussetzung, um das „gemeinsame Haus“ Europa zu bauen, das - in Rückbesinnung auf christliche Traditionen - entscheidend wieder ein „Europa des Geistes“ werden muß. Trotz aller Komplexität im sozialen, kulturellen und ökonomischen Bereich kann auf Dauer kein Staat und keine Gesellschaft auf ein transzendentes moralisches Fundament verzichten. Dies gilt für westliche wie für östliche Gesellschaften: weder der dialektische noch der praktische Materialismus können für den Menschen heute Grundlage der Hoffnung sein. Worauf also sollen wir unsere Hoffnung bauen? Der letzte Berliner Katholikentag vor zehn Jahren stand unter dem Motto „Christi Liebe ist stärker“. Die Liebe, die Christus auf die Erde gebracht hat, ist unsere Hoffnung. Dieser Hoffnung können wir nur zum Durchbruch verhelfen, wenn wir versuchen, dem Willen Gottes in Gegenwart und Zukunft je neu gerecht zu werden. Theologie und Verkündigung dürfen sich nicht nach dem Wind von Modeerscheinungen richten, sondern müssen sich ihrer missionarischen Aufgabe sicher sein. Die Laien müssen erneut in Glaubensfragen und im daraus sich ergebenden ethischen Lebensvollzug Zeugnis ablegen, das auf einer zutiefst geistlichen Dimension beruht; das im Getümmel von geistigen Irrungen und Verwirrungen für das persönliche und gesellschaftliche Leben eine Verankerung des Denkens und Verhaltens aus dem christlichen Glauben heraus ermöglicht. 920 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Mitgliedschaft in katholischen Verbänden und Organisationen allein reicht nicht; das Kriterium kann nicht gesellschaftliches Engagement und gesellschaftliche Nützlichkeit sein. Unsere persönliche Glaubensbereitschaft ist gefragt; und sie kann nur geweckt werden aus einem zutiefst spirituellen Leben. Laßt euch nicht vereinnahmen von rein gesellschaftlichen und politischen Interessen! Sucht aus eurer Verantwortung als Christen heraus zuerst die Auseinandersetzung mit Verhaltensweisen und Mentalitäten, die es zu korrigieren gibt, und in zweiter Linie erst mit Strukturen! Dann hat das Motto dieses Katholikentags „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“ seinen Sinn für unser Leben als einzelne und als Gesellschaft. Räumen wir dem Willen Gottes Macht und Recht auf dieser Erde ein! Nur wenn dieser Wille Gottes zum Wegweiser unseres Denkens und Wirkens auf dieser Erde wird, werden wir nicht dem trügerischen Schein verfallen, sondern der Wahrheit dienen, werden nicht zerstören, sondern aufbauen, nicht uns im Kreis bewegen, sondern zum wahren Fortschritt beitragen. „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“, das heißt, daß wir uns als Mitarbeiter für das Reich Gottes in Dienst nehmen lassen. Dann können wir als Christen unsere Verantwortung für die Zukunft wahrnehmen und in Ehrfurcht vor allem, was Gott geschaffen hat, mit den Gütern dieser Welt umgehen. Die Zukunft Europas muß uns allen ein Herzensanliegen sein. Nur ein Europa, das um seine geistigen Wurzeln weiß, kann zusammenfinden und sich noch stärker den Problemen der Dritten und Vierten Welt widmen. Als Kirche müssen wir wieder die Kraft und den Elan finden, um Kultur, Erziehung und das soziale Umfeld zu durchdringen. Kirche will sich nicht in die Politik einmischen, aber sie muß die Werte zur Geltung bringen, die ein Volk braucht, um die Zukunft bauen zu können. Als Kirche müssen wir es verhindern, daß der Mensch nach der Überwindung marxistischer Entfremdung sich im Konsumismus und Materialismus verliert. Der geistige Wieder- und Neuaufbau Europas muß uns alle interessieren. Und die Kirchen in den einzelnen Ländern müssen sich hierfür gegenseitig helfen. Deswegen ist mir die Sondersynode der europäischen Bischöfe ein großes Anliegen; und ich fordere jetzt schon besonders auch die Laien auf, ihren Beitrag dieser gewaltigen Aufgabe nicht zu versagen, sondern ihre Verantwortung aus einem wirklich personalen Glauben heraus wahrzunehmen. Wir alle dürfen die uns gegebene Chance nicht verspielen. Ihr seid in Berlin zusammengekommen. Versucht in diesen Tagen, modellhaft jene Gemeinschaft zu sein, die auf Werten und Grundsätzen basiert, die eure Zukunft wahrhaft zu tragen und Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit wahrhaft zu schaffen vermögen. Dazu mögen euer Gebet, eure Gottesdienste, eure Arbeit, euer Zeugnis und eure Gespräche einen Beitrag leisten. In diesen Tagen weiß ich mich mit euch allen, mit den Katholiken in ganz Deutschland sowie mit allen Christen in Ost und West vereint im Gebet um die erneute Herabkunft des Heiligen Geistes. Daß wir mit seiner Hilfe den Willen des Vaters, der wie im Himmel so auf Erden waltet, erkennen und tun, erteile ich euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 23. Mai 1990 Joannes Paulus PP n. 921 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schluß mit Krieg und Gewalt! Botschaft an die Christenführer, die sich beim Sitz des maronitischen Patriarchen Nasrallah Sfeir in Beirut versammelt haben, vom 27. Mai Eure Seligkeiten, liebe Brüder im Bischofsamt, alle hochgeachteten Verantwortlichen der christlichen Kirchen des Libanon! 1. Über euer Treffen in Kenntnis gesetzt, möchte ich euch vor allem zum Ausdruck bringen, wie sehr mich diese Initiative mit Genugtuung erfüllt. Euer Treffen macht ja die geistige Einheit und Solidarität der christlichen Autoritäten des Landes sichtbar und ist ein Symbol für die Einigkeit, die nicht nur unter den Christen, sondern auch unter allen Söhnen und der Töchtern der nationalen Gemeinschaft herrschen muß. Ich weiß, daß ihr unter der Führung des Heiligen Geistes gemeinsam über ein geeignetes Vorgehen nachdenken wollt, das bewirken könnte, euren Söhnen und Töchtern und allen Bürgern des Libanon weiteres Leid zu ersparen. 2. Ich fühle mich, liebe Brüder, mit euch solidarisch auf eurem Weg. Ich fühle mich mit all denen in eurem Land verbunden, die von Angst heimgesucht oder von der Versuchung zur Verzweiflung bedroht sind. Wir machen uns den Ausruf des Psalmisten zu eigen: „Ich rief zum Herrn in meiner Not, und er hat mich erhört“ (Ps 120,1). Und wir erwarten sehnlichst den gesegneten Tag, an dem die Waffen endgültig schweigen werden, den Verletzten Pflege zuteil wird, die Toten würdig beerdigt werden und jeder jenes Mindestmaß an Ruhe finden kann, das ihm erlaubt, sich wieder ein Heim aufzubauen, sein tägliches Brot zu verdienen und seine Kinder geziemend zu erziehen. Und das alles ohne befürchten zu müssen, daß wiederum blinde Gewalt aufbricht und das Ergebnis so vieler beharrlicher und oft heroischer Anstrengungen zunichte macht. Wenn ich mich mit dieser audiovisuellen Botschaft an euch wenden wollte, so tue ich es, um euch zu sagen, wie sehr es mein Verlangen ist, unter euch zu sein. Könnte ich doch nur diese furchtbaren Bilder von Blut und Zerstörung aus den Augen der Kinder löschen! Könnte ich doch allen Eltern und Angehörigen, die Kinder und Erwachsene zu versorgen haben, welche durch Verletzungen nicht mehr gutzumachende Behinderungen davongetragen haben, meine Anteilnahme zum Ausdruck bringen! Und wie gerne möchte ich mit euch beten, daß der Herr aus allen Herzen jedes Haßgefühl, jedes Sinnen auf Gewalt und Rache wegnehme! <745> <746> <747> <748> <745> Die Bevölkerung des Libanon, die schon viel zu sehr gelitten hat, dürfte nicht mehr länger Geisel und Opfer nationaler, regionaler oder internationaler politischer Berechnungen sein. Zusammen mit euch, den Verantwortlichen der christlichen Gemeinschaften im Libanon, flehe ich Gott in seiner unendlichen Barmherzigkeit an, er möge den Christen die Kraft geben, im Libanon von heute für die Werte des Evangeliums Zeugnis zu geben. Die Kämpfe, die sich seit Monaten im christlichen Teil des Landes abspielen, gereichen mir zu tiefstem Schmerz. Kein politischer Plan, keine Selbstverteidigung kann die unerhörte Gewalt recht- 922 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fertigen, die sich weiterhin blind auf Häuser, Hospitäler, Schulen und Kirchen stürzt und eine ganze Bevölkerung in die Verzweiflung und zur Auswanderung treibt. 4. Allen Libanesen in Nord und Süd, in Ost und West wiederhole ich mit der Entschiedenheit, die mir mein Hirtenamt auferlegt, daß der Gebrauch der Waffen niemals die Probleme des Libanon lösen wird. Gewalt und Haß können nicht die Grundlagen sein, auf denen der Libanon der Zukunft bestehen kann. Ich bin überzeugt, daß alle Libanesen den Wunsch haben, einen Libanon Wiedererstehen zu sehen, der seiner geschichtlichen Berufung als Land des Dialogs und des Zusammenlebens verschiedener Kulturen und Religionen treu ist. Für diesen Libanon müssen wir uns unaufhörlich einsetzen ohne die Hoffnung aufzugeben. Wie ich bereits gesagt habe, ist der Libanon mehr als ein Land: er ist ein Auftrag! Christen des Libanon, unter der Führung eurer verehrten Hirten werdet ihr den Weg der inneren Bekehrung aufzunehmen und Trennungen zu überwinden wissen. Ihr werdet es verstehen, eurem Nächsten Vertrauen zu schenken und das größte Gebot in die Tat umzusetzen, das der Herr uns am Vorabend seines Leidens hinterlassen hat;,Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (Joh 15,12). 5. Im Glauben an den einen Gott wenden wir uns auch mit aufrichtigem und unparteiischem Herzen an die Libanesen der anderen Gemeinschaften. Liebe Freunde, die ihr zur islamischen Religion gehört, wir wissen, daß ihr eurem Land gegenüber die gleichen Gefühle hegt wie eure Landsleute christlichen Glaubens und daß ihr, wie jeder Mensch, im tiefsten Innern auch Sinn habt für den Menschen und seine Würde. Wir vertrauen also darauf, daß diese Gefühle der Brüderlichkeit, die stets jene vereinen müssen, die an den gleichen Gott glauben, zum loyalen Dialog beitragen mögen, der allein fähig ist, die nationale Einheit wieder zu verstärken, die für das Überleben des einen gemeinsamen Heimatlandes unbedingt notwendig ist. 6. Mit den Hirten der christlichen Gemeinschaften des Libanon möchte ich mich jetzt an die ganze Welt wenden, und dabei umarme ich von Herzen die Söhne und Töchter des erschöpften und Prüfungen aller Art ausgesetzten Libanon. Mit ihnen und in ihrem Namen bitte ich um Rücksicht, Solidarität und Achtung für ihre Würde und ihr Leiden. Kein materielles und strategisches Interesse könnte die mangelnde Teilnahme rechtfertigen, die das Land zu oft erfahren hat. Mehr als einmal habe ich es schon gesagt: Es ist moralisch nicht annehmbar, den Schwächeren leiden zu lassen. <749> <749> Eure Seligkeiten, meine Brüder im Bischofsamt, Libanesen guten Willens, wer immer ihr seid, wo immer ihr seid, wir müssen zusammen sagen: Schluß mit dem Krieg! Schluß mit der Gewalt! Es ist genug des Leides! Es ist noch Zeit, daß alle sich wieder fassen und jeder seine Verantwortlichkeiten übernimmt. Im Namen der Liebe, die ich zu jedem von euch hege, bitte ich euch inständig, den Dialog wieder aufzunehmen, eure Furcht zu überwinden und weiterhin euren Libanon zu lieben! Gott wird es nicht zulassen, daß ihr im Stich gelassen werdet! 923 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mehr denn je erfüllt mich der Wunsch, euer Land zu besuchen und mit eigenen Augen den Beginn des Wiederaufbaus eines befriedeten und harmonischen Libanon zu sehen. Herr, vernichte die Keime der Lüge und des Verderbens! Hilf uns, Trennungsmauem niederlegen und eine Stadt erbauen, in der alle einig sind! Von Herzen meinen Apostolischen Segen! Sich im fairen und korrekten Wettkampf begegnen Ansprache bei der Einweihung des Olympia-Stadions in Rom am 31. Mai Liebe Sportfreunde! 1. In einigen Tagen wird dieser Sportplatz - wie viele andere in verschiedenen italienischen Städten - in den Mittelpunkt des Interesses der Fußballbegeisterten der ganzen Welt rücken: er wird der Ort des Festes der Jugend, des Festes des Sports sein. Herzlich danke ich Herrn Joao Havelange, Präsident des Internationalen Fußballverbands (FIFA), Herrn Arrigo Gattai, Präsident des Italienischen Olympischen Komitees, Herrn Abgeordneten Franco Carraro, Bürgermeister von Rom, für die freundlichen Worte, die sie an mich gerichtet haben. Einen ehrerbietigen Graß richte ich an den Herrn Präsidenten des Ministerrats und alle anwesenden Vertreter der Behörden. Ein besonders herzlicher Graß geht an all euch Sportfreunde, die ihr die an den Weltmeisterschaften teilnehmenden Nationen vertretet, an euch leitende Angestellte und Arbeiter, die ihr zur Erneuerung des Stadions beigetragen habt. Zusammen mit dem Kardinalvikar grüße ich euch, Jugendliche der Stadt Rom, die ihr bei einer so bedeutsamen Veranstaltung nicht habt fehlen wollen. Mein Gedanke geht auch zu allen, die diese Zeremonie über Radio und Fernsehen in vielen Teilen der Welt verfolgen. Alle grüße ich mit Zuneigung. <750> <750> Gerne habe ich die an mich gerichtete Einladung angenommen, zur Eröffnung der Fußballweltmeisterschaften dieses umgebaute und erweiterte Olympia-Stadion zu segnen. Meine Gegenwart möchte einmal mehr die pastorale Sorge der Kirche der Welt des Sports gegenüber zum Ausdruck bringen. In den nächsten Tagen werden hier wie auf den anderen Spielfeldern viele Menschen aus allen Kontinenten Zusammenkommen. In der Begeisterung für den Sport finden sie einen Verständigungsfaktor, der sie einander näherbringt und sie Beziehungen fairen Wettkampfes und aufrichtiger Freundschaft herstellen läßt. Das sind Werte, denen gegenüber die Kirche nicht gleichgültig bleiben kann: denn sie sind eng verbunden mit der Botschaft universaler Brüderlichkeit, die sie verkündet. Die verschiedenen Mannschaften werden in den nächsten Tagen gerufen sein, eine äußerst ansprachsvolle Herausforderung anzunehmen: zu erreichen, daß jedes Spiel zu einer Begegnung der Fairneß, der Entspannung und der Freundschaft wird. Dieser Einsatz betrifft nicht nur die Spieler auf dem Feld sondern alle Sportfreunde. Der Wert einer solchen Fußballveranstaltung besteht ja grundsätzlich darin, daß sie so vielen, der Kultur und Nationalität nach verschiedenen Menschen die Gelegenheit bietet, sich in fairem und korrektem Wettkampf zu 924 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN begegnen, sich kennen und schätzen zu lernen und miteinander sich zu vergnügen, ohne der Versuchung des Individualismus und der Gewalt nachzugeben. Der Sport ist gewiß eine der populärsten menschlichen Tätigkeiten, und er kann auf das Verhalten der Menschen, vor allem der Jugendlichen, einen großen Einfluß ausüben; dennoch ist auch er Gefahren und Mißverständnissen ausgesetzt und bedarf daher einer Ausrichtung, eines Haltes und einer Führung, um seine Möglichkeiten im Positiven auszudrücken. „Der Sport steht im Dienst des Menschen, und nicht der Mensch im Dienst des Sportes“, so liest man in dem Manifest, das von zahlreichen Athleten am 12. April 1984 anläßlich ihres internationalen Jubiläums gerade in diesem Stadion unterzeichnet wurde. „Der Sport - so fährt das Dokument fort - ist Lebensfreude, Wunsch, sich in Freiheit auszudrücken, Streben, sich vollkommen zu verwirklichen; ist fairer und hochherziger Wettkampf, Ort der Begegnung, Band der Solidarität und Freundschaft“. 3. Ja, außer einem Fest des Sports können die Fußballweltmeisterschaften ein Fest der Solidarität unter den Völkern werden. Das setzt jedoch voraus, daß die Wettkämpfe als das betrachtet werden, was sie im Grunde sind: ein Spiel, bei dem der bessere siegt, und zugleich eine Gelegenheit des Dialogs, des Verständnisses, der gegenseitigen menschlichen Bereicherung. Es ist daher nötig, die Gefahren, die den modernen Sport bedrohen, zu erkennen und zu überwinden: von der zwanghaften Suche nach Verdienst bis zur Vermarktung fast aller seiner Aspekte, von der übertriebenen Betonung des Spektakulären bis zum sportlichen und technischen Überperfektionismus, von der Anwendung des Doping bis zu anderen Formen des Betrugs und der Gewalt. Nur wenn er seine Aufgabe und seine Möglichkeiten der Erziehung und Sozialisierung wirksam zurückgewinnt, kann der Sport eine bedeutsame Rolle wahmehmen und für seinen Teil dazu beitragen, den Hoffnungen Halt zu geben, die in diesem Jahrhundert vor dem Anbruch des dritten christlichen Jahrtausends die Herzen der Menschen, vor allem der Jugendlichen, bewegen. <751> <752> <751> An den Baustellen, die in den verschiedenen Städten für den Ausbau der Stadien sowie auch für die Bereitstellung neuer Strukturen angelegt wurden, waren tausende von Technikern und Arbeitern mit großem Fleiß und Einsatz am Werk. Leider haben im Laufe der Arbeiten einige den Tod gefunden. Ich richte mein Gebet der Fürbitte für die Opfer an den Herrn und spreche, den so schwer getroffenen Angehörigen meine aufrichtige Teilnahme an ihrem Schmerz aus. Auch die Betrachtung dieser „Menschenkosten“, liebe Sportfreunde, möge meinen Wunsch bekräftigen, daß die unternommenen Anstrengungen und die dafür gebrachten Opfer die Fußballweltmeisterschaften „Italia 90“ für die Landsleute sowie alle Menschen zu einem Moment des Wachsens in der Brüderlichkeit werden lassen. Die Aufmerksamkeit auf das Sportschauspiel, das in diesen Tagen die Meinung der Weltöffentlichkeit in Beschlag nehmen wird, darf die dringenden Probleme und großen Erwartungen der Menschheit nicht vergessen lassen. Sie soll vielmehr in allen die Überzeugung mehren, daß es durch die Konzentration der lebendigen Kräfte und die Koordinierung der Bestrebungen in einer Generalmobil- 925 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN machung, wie dieser möglich ist, den großen Herausforderungen unserer Zeit erfolgreich zu begegnen: dem Kampf gegen den Hunger, der Verwirklichung des Friedens, dem Aufbau einer Welt, in der jeder Mensch aufgenommen, geliebt und gewertet wird. Euch allen vertraue ich diesen meinen Wunsch an, der zu eindringlicher Ermutigung und zuversichtlichem Gebet wird. 5. An dieser Stelle kann ich nicht umhin, einen besonderen Gruß an euch, Athleten aus so vielen Ländern zu richten, die ihr bei den kommenden Weltmeisterschaften die eigentliche Hauptrolle spielt. Auf euch blicken die Sportbegeisterten in jedem Winkel der Erde. Seid euch eurer Verantwortung bewußt! Nicht nur der Meister im Stadion zählt, sondern der Mensch in der Vollständigkeit seiner Person, der zu einem Modell für Millionen Jugendliche werden muß, welche Leitbilder brauchen und nicht Idole. Sie brauchen Männer, die ihnen den Geschmack am Schwierigen, den Sinn für Disziplin, den Mut zur Ehrlichkeit und die Freude an der Selbstlosigkeit zu vermitteln wissen. Euer konsequentes und hochherziges Zeugnis kann sie anspomen, den Problemen des Lebens mit ebensolchem Engagement und Enthusiasmus zu begegnen. Es ist bedeutsam, daß einige typische Ausdrücke der Sportsprache - wie zum Beispiel auswählen, trainieren, sein Leben einer Disziplin unterwerfen, der Ermüdung beharrlich widerstehen, sich einem anfordemden Führer anvertrauen, die Spielregeln ehrlich annehmen - den Jüngern Christi nicht unbekannt sind. Auch das christliche Leben erfordert nämlich ein systematisches geistliches Training, denn der Christ wie „jeder Wettkämpfer ... lebt völlig enthaltsam“ (1 Kot 9,25). <753> <753> Liebe Athleten, von allen Enden der Welt seid ihr nach Rom gekommen, dem antiken Sitz der Caesaren und ewig lebendigen Zentrum der Christenheit. Die Ewige Stadt stellt euch das Erbe ihrer klassischen Erinnerungen und ihrer christlichen Werte zur Verfügung. Wißt hin-zuhören auf die hohe menschliche und religiöse Botschaft, die von so vielen Denkmälern und geschichtsträchtigen Spuren an euch ergeht. Seid keine zerstreuten Gäste, unfähig, die tausend Stimmen zu vernehmen, die von moralischer Größe sprechen und vor allem von christlichem Heldentum, das nicht selten durch das höchste Zeugnis des Blutes zum Ausdruck gebracht wurde! Der Papst ist hier unter euch, um dieses erneuerte Stadion zu segnen, vor allem aber ist er hier, um eure Aufmerksamkeit auf die Schätze zu lenken, die zwanzig Jahrhunderte christlicher Geschichte mit dem Beitrag ganzer Generationen von Gläubigen in dieser Stadt angehäuft haben. Euer Auge wird die Spuren davon zu erkennen wissen in sakralen und profanen Bauten, in den Namen von Straßen und Plätzen, in Worten, die in Stein gehauen sind, oder die von den Lippen der Gläubigen kommen, die auch heute die Kirchen Roms bevölkern. Liebe Jugendliche, ihr bildet die frischesten Kräfte, die die Nationen, denen ihr angehört, zu dieser sportlichen Begegnung entsandt haben. Seid stolz auf diese Wahl, verspürt aber auch die Verantwortung, euer Land würdig zu vertreten, indem ihr fair untereinander die Gabe eures Enthusiasmus für das Leben und alles, was es edel und groß macht, austauscht. Vergeßt nicht, daß es auf der Welt nichts Edleres und Größeres gibt, als das was Jesus Christus, das für die ewige Rettung des Menschen fleischgewordene Wort Gottes, uns gebracht hat. 926 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In seinem Namen drücke ich den Wunsch aus, daß der Aufenthalt in Rom, dem Sitz des Petrus und Zentrum der Kirche, jeden von euch den Schätzen der Wahrheit und des Lebens naheführe, die das Evangelium für die Menschen von heute und von morgen bewahrt. Derselbe sportliche Einsatz, zu dem ihr euch aufmacht, helfe euch, die höheren Ziele anzustreben, zu denen euch der Wettkampf des Lebens beruft. Mit diesen Gefühlen bitte ich Gott, daß er seinen Blick allen zuwende, die an diesem hochherzigen und fairen Wettkampf teilnehmen und Eintracht und Freundschaft um sich her verbreiten. Der Segen des allmächtigen Herrn sei in euren Herzen und erfülle sie mit Frieden und Freude. Vollkommener Ablaß zur Vierhundertjahrfeier der Geburt des heiligen Ignatius Botschaft an P. Petrus Johannes Kolvenbach, Generaloberer der Gesellschaft Jesu, vom 1. Juni Zur größeren Ehre Gottes und zum Heil der Seelen hat die Güte des Schöpfers nach ihrem wunderbaren Ratschluß in sehr schwierigen Zeiten der Kirche eine einzigartige Hilfe gewährt, als sie durch den hl. Ignatius von Loyola die Gesellschaft Jesu ins Leben rief und die Geistlichen Übungen in ihrer vollkommenen Form überall unter der gläubigen Bevölkerung verbreitete. Das fünfhundertste Gedächtnis der Geburt dieses Heiligen ist nahe. Zur Feier dieses Gedächtnisses preisen wir Gott und erbitten auf die Fürsprache des hl. Ignatius neue Gaben des Heils, um eifrig nach dem ewigen Leben zu streben. Damit die Geschenke der göttlichen Freigebigkeit reichlich und in weitem Umfang von der Kirche ausgeschöpft werden, ordnen wir an, daß bei den Feierlichkeiten, welche die Gesellschaft Jesu zu Ehren ihres Gründers vom 27. September 1990 bis zum 31. Juli 1991 veranstaltet, an den Orten und zu den Bedingungen, die nachstehend bezeichnet werden, ein besonderer Ablaß gewonnen werden kann. Ein vollkommener Ablaß wird unter den gewöhnlichen Bedingungen (Empfang des Bußsakraments, Kommunionempfang und Gebet nach der Meinung des Papstes) allen Christgläubigen gewährt, die am Tag der feierlichen Eröffnung und des Abschlusses des Gedenkjahres folgende Orte besuchen: In Spanien: im Geburtshaus des hl. Ignatius das „Loyola-Heiligtum“ oder das anschließende Oratorium, das den Namen der „Bekehrung“ trägt, oder in Manresa die Kirche des hl. Ignatius „ad Specum“; in Rom: entweder die Kirche vom hl. Namen Jesu oder, unweit davon, die Räume, die man als „Came-rette“ bezeichnet, oder die Kirche des hl. Ignatius; sodann in dem Ort „La Storta“ in der sub-urbikarischen Diözese Porto-Santa Rufina die Kapelle des hl. Ignatius; an anderen Orten der Erde, Spanien und Italien nicht ausgeschlossen, jene Kirchen, die von den zuständigen Höheren Obern nach Beratung mit dem jeweiligen Ortsordinarius und Abwägen des seelsorglichen Nutzens und der Möglichkeit des Zutritts der Gläubigen bestimmt werden. Ebenso kann an allen genannten Orten ein vollkommener Ablaß von den einzelnen Gläubigen einmal im Jahr an einem freigewählten Tag gewonnen werden, wenn sie dort die hl. Geheimnisse mitfeiem 927 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN oder das Gebet des Herrn und das Glaubensbekenntnis in Andacht beten; jedesmal aber von Pilgern, wenn sie in Gruppen kommen. Gegeben in Rom, beim Grab des hl. Petrus und unter dem Siegel des Fischerrings, am 1. Juni 1990, im zwölften Jahr unseres Pontifikates. Joannes Paulus PP II. Eins in der Gemeinschaft - offen für die Sendung Predigt in der Messe am Pfingstfest, 3. Juni 1. „Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen ... dring bis auf der Seele Grund!“ (Pfingstsequenz) Liebe Brüder und Schwestern, wir wollen uns das Gebet zu eigen machen, mit dem heute die ganze Kirche um das Kommen des Tröstergeistes fleht, der sie in der Wahrheit „eins“ machen und sie mit dem Feuer der Liebe entzünden will, damit sie in alle Welt gehe und das Evangelium vom Heil verkünde. Wir wollen es uns zu eigen machen, wir, Kirche Gottes hier in Rom, zusammengerufen beim Grab des Petrus, um auf dem bereits begonnenen Weg der Synode neuen Auftrieb zu erhalten. Wir sind uns bewußt, daß wir uns hier mit Maria, der Mutter Christi und der Kirche zusammengefunden haben und dabei geistig verbunden sind mit jenem ersten und ursprünglichen Ort, an dem sich die größten Geheimnisse unserer Erlösung vollzogen haben. Dieser Ort ist der Abendmahlssaal in Jerusalem. Dort ist ja gewissermaßen die Kirche geboren, beim Letzten Abendmahl, am Vorabend des Leidens Christi. Sie ging hervor aus der Eucharistie, die die zerstreuten Kinder Gottes vereint, um so aus ihnen ein Herz und eine Seele zu machen. Dort erschien auch, am Abend des Ostertages, der Auferstandene den Aposteln, zeigte ihnen seine Hände und seine Seite mit den Malen seines Opfers, „hauchte sie an und sprach zu ihnen: Empfanget den Heiligen Geist“ (vgl. Joh 20,19-20.22), um so eine neue Menschheit ins Leben zu rufen, die Kirche, damit sie ihn in der Wahrheit erkenne und ihn in Treue allen Menschen verkünde. Und schließlich brachte - fünfzig Tage nach der Auferstehung - Christus der Herr dort auch das Ostergeheimnis zur Vollendung: er erfüllte die Verheißung und goß im Zeichen des Feuers den Geist aus, damit durch das Wirken der Apostel und der Jünger die Kirche, aus Kreuz und Auferstehung Christi ins Leben getreten, als Zeichen und Werkzeug des universalen Heils sichtbar werde. So ist die erste Offenbarung des Heiligen Geistes an den Abendmahlssaal in Jerusalem gebunden. Und ebenso ist die volle Offenbarung des Geistes am Pfingstfest mit diesem Ort verbunden, das Ereignis, dessen die Kirche am heutigen Hochfest gedenkt. 928 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ja, „heute sind die fünfzig Tage zur Erfüllung gekommen, alleluia. Heute erscheint, gleich Feuer, der Heilige Geist den Jüngern. Mit Gaben und Charismen ausgestattet, sendet er sie aus über die ganze Welt zum Zeugnis für das Evangelium. Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet, alleluia“ (2. Vesper des Pfingstfestes, Ant. zum Magnifikat). 2. Für uns, die wir hier versammelt sind, hat das Pfingstfest dieses Jahres eine ganz besondere Bedeutung. 1986 wurde um Mitternacht die Synode der Kirche von Rom eröffnet mit dem Ziel, die christliche Gemeinschaft in dieser Stadt, am Sitz des Nachfolgers Petri, neu anzuregen, daß sie sich für die Gabe des Geistes öffne, um glaubwürdiger „Communio“ und „Mis-sio“, Gemeinschaft und Sendung zu leben, in Übereinstimmung mit den Weisungen des II. Vatikanischen Konzils und als Antwort auf die einzigartige Berufung, die die Vorsehung ihr übertragen hat im Hinblick auf eine neue und kraftvollere Verkündigung des Evangeliums in einem gewandelten sozio-kulturellen Kontext. Das alles, damit „das Reich Gottes komme“ und der Erlösungsplan sich voll verwirkliche am Ende dieses Jahrhunderts, an dem die Menschheit dem 3. Jahrtausend des christlichen Zeitalters entgegengeht. Ich danke dem Herrn Kardinalvikar für seine Worte zu Beginn dieser Eucharistiefeier, in denen er in großen Linien den von der Synode in diesen vier Jahren zurückgelegten Weg und das, was noch zu tun bleibt, gezeichnet hat. Den ersten Abschnitt dieses Weges, der dazu bestimmt war, die Situation der Stadt und den pastoralen Zustand der Diözese besser kennenzulemen, kann man nun als abgeschlossen betrachten. Es haben sich Probleme und Aufgaben im Hinblick auf die Gemeinschaft und auf die Neu-Evangelisierung ergeben. Ein weiteres Aufgabengebiet hat sich aufgetan. Viele Hoffnungen sind aufgetaucht. Interessante Perspektiven für die Erneuerung zeichnen sich ab. Die fünfzehn Vorbereitungskommissionen haben ein umfassendes Material zum Studium, zur Überprüfung und als Antriebshilfe für das kirchliche Leben in seinen verschiedenen Sektoren und für einen neuen missionarischen Dienst ausgearbeitet. Nun muß dieses Material vertieft, angepaßt und in praktische Richtlinien übersetzt werden mit dem aktiven Beitrag all derer, die sich als anteilnehmende und verantwortliche Glieder der Kirche betrachten und denen die Zukunft des Menschen und das christliche Gesicht dieser Stadt am Herzen liegen. Die Natur der Synode selbst erfordert diese Beteiligung. Sie ist ja eine „Konvergenz der Wege“, um gemeinsam der vollen Verwirklichung des Planes entgegenzugehen, den Gott in der Geschichte in die Tat umgesetzt haben will. Die Kirche in Rom muß sich, wo immer sie in Erscheinung tritt, vollständig eingefügt wissen in diese schwierige und entscheidende Arbeit, von der der glückliche und fruchtbare Ausgang der Diözesan-Pastoralsynode abhängt. Ihr vor allem, liebe Brüder und Schwestern, die ihr hier zusammengekommen seid, um mit mir zusammen den Heiligen Geist anzurufen, spürt die Verantwortung, euren Beitrag für die endgültige Vorbereitung dieses wichtigen Ereignisses zu leisten, auf das sich so viele Hoffnungen gerichtet haben. Der Bischof von Rom grüßt euch mit besonderer Zuneigung und möchte euch danken für das, was ihr in dieser Hinsicht bereits geleistet habt und noch leistet. Zugleich möchte er euch ermutigen, mit neuer Begeisterung in dieser Initiative fortzufahren, die, wenn sie auch das Werk Gottes ist, doch ebenso die Aufgabe für jeden von uns darstellt. 929 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Ja, liebe Brüder und Schwestern, dazu ruft und drängt euch der Heilige Geist, an dem ihr durch die Ostersakramente Anteil erhalten habt, damit ihr Bauleute einer Kirche seid, die ganz Gemeinschaft und ganz Sendung ist. „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe allein einen einzigen Leib aufgenommen ... und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt“ (J Kot 12,13). Der Heilige Geist wurde euch ja im Sakrament der Wiedergeburt, der Taufe, geschenkt, nicht nur um euch in Christus einzugliedem, sondern um euch in das Geheimnis der Kirche einzuführen und euch zu befähigen, allen die Wundertaten Gottes zu verkündigen. Durch den gleichen Geist wurdet ihr bestätigt als Söhne im Sohn durch das Sakrament der Firmung, um Zeugen des Auferstandenen und Erbauer einer neuen Menschheit zu sein. Deshalb werden wir nachher die damals übernommenen Verpflichtungen erneuern:. Von diesem Geist möchten wir schließlich auch getränkt werden, wenn wir in der Eucharistie, die wir feiern, den Leib und das Blut des Herrn empfangen, damit das Feuer der Liebe unser Leben umgestalte und zu allen Menschen gebracht werde, um sie durch das Licht der Wahrheit und die Kraft der Liebe zu erneuern. Genau das will die Synode von uns! 4. Unsere Synode, liebe Brüder und Schwestern, muß in den Ostersakramenten ihr wahres Fundament und im Abendmahlssaal von Jerusalem ihren beständigen Bezugspunkt finden: von dort strömt der Geist aus, die sprudelnde Quelle der „Communio“ und der „Missio“ in der Kirche. Ziel der Synode ist die ständig neue Wiedergeburt zum „Leben im Geist“, Wiedergeburt dieser sehr alten apostolischen Kirche, die in Rom weiterlebt und weiterwandert, um das Evangelium auch den Menschen von heute zu verkündigen, die es oft vergessen zu haben scheinen oder es geradezu ignorieren. Gehen wir darum in den Abendmahlssaal, um mit Maria zusammen zu beten und den Tröstergeist zu empfangen, so, wie es die Apostel und die Urgemeinde in Jerusalem getan haben. „Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen, und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe!“ Komm und mach’ aus der Kirche, die in Rom ist, einen einzigen Leib! Hilf den Gläubigen, die in dieser Stadt leben, mit Wort und Werk bekennen, daß Jesus Christus allein der Herr ist! Mache sie fähig, allen die Frohe Botschaft vom Gottesreich zu verkünden! Ja, liebe Brüder und Schwestern, geht und bringt mit dem Licht und der Kraft des Heiligen Geistes den Sauerteig des Evangeliums in alle Wirklichkeiten und Bereiche, in denen die Menschen von heute leben und arbeiten! Wir müssen tatsächlich aus dem Abendmahlssaal hinausgehen, wie die Apostel es am Pfingsttag taten, um zu bezeugen, daß Christus auferstanden ist, daß er lebt und mit dem Menschen geht, und daß man nur in ihm gerettet werden kann. Auch Rom ist heute, wie Jerusalem am Pfingsttag, eine Stadt, in der verschiedene Sprachen zu hören und Vertreter verschiedener Kulturen und Zivilisationen anzutreffen sind. Auch heute muß man sich dafür einsetzen, daß in dieser Vielgestaltigkeit menschlicher Erfahrungen die Einheit in der Wahrheit zustandekommt, in jener Wahrheit, für die der Heilige Geist 930 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeugnis gibt. So wird es allen gegeben sein, weiterhin die großen Werke zu vernehmen, die Gott vollbringt, um den Menschen Anteil an seinem eigenen Leben zu geben und ein einziges neues Volk aus ihnen zu machen. 5. Liebe Brüder und Schwestern, am Pfingstfest an diesem gleichen Ort versammelt, an dem vor nunmehr vier Jahren der synodale Weg begonnen hat, wollen wir mit Glaube und innerer Verfügbarkeit des Herzens auf die Worte hören, die Christus im Abendmahlssaal an die Apostel gerichtet hat: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch ... Empfangt den Heiligen Geist!“ (Joh 20,21-22). „Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen“ (J Kor 12,4-6). Die Kirche ist eins in der Communio, aber offen für die Missio! Darum wollen wir den Heiligen Geist aufnehmen, um den Plan Gottes in die Tat umzusetzen. Dieser Plan ist einer, aber in der Vielgestaltigkeit und Komplexität der einem jeden anvertrauten Gaben und Aufgaben. Die Römische Synode ist - wie zahlreiche andere in der Vergangenheit und auch in unserer Zeit - ein Zusammenkommen von vielen Menschen und vielen Wegen, um zu entdecken, was zur Einheit des Volkes Gottes und der Menschheit hilfreich sein kann. Die Synode muß in ihrem Teilbereich eine Bestätigung der Einheit des Leibes Christi sein, der die Kirche ist, damit die Kirche immer mehr und immer besser Zeichen und Werkzeug der Einheit und des Heils für das Menschengeschlecht sei. Darum wird unsere Anrufung des Heiligen Geistes heute zu einem Aufschrei: Komm! Komm Heiliger Geist! Komm! Dringe deinen Gläubigen bis auf den Grund der Seele! Tu dich durch diese unsere Synode jedem auf eine besondere Weise kund zum gemeinsamen Nutzen (vgl. 1 Kor 12,7).. Damit Gott alles in allen sei. Amen. Das Christentum gehört zur Geschichte Europas Ansprache an die Mitglieder der Tagung zur Vorbereitung der Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa 5. Juni Liebe Brüder im Episkopat! 1. „In allen Völkern der Erde wohnt dieses eine Gottesvolk, da es aus ihnen allen seine Bürger nimmt, Bürger eines Reiches freilich nicht irdischer, sondern himmlischer Natur. Alle über den Erdkreis verstreuten Gläubigen stehen mit den übrigen im Heiligen Geiste in Gemeinschaft... Kraft dieser Katholizität bringen die einzelnen Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu, so daß das Ganze und die einzelnen Teile zunehmen aus allen, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle in Einheit Zusammenwirken“ (Lumen Gentium, Nr. 13). As es diese, dem Volk Gottes eigene Dynamik der Gemeinschaft hervorhob, versäumte es das II. Vatikanische Konzil nicht, darauf hinzuwei- 931 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sen: „Die Kirche ... ist dessen eingedenk, daß sie mit jenem König sammeln muß, dem die Völker zum Erbe gegeben sind (vgl. Ps 2,8)“ (ebd.). 2. Am vergangenen 22. April wurde eine Sonderversammlung der Bischofssynode für Europa angekündigt. Es geschah in Velehrad in Mähren während des Papstbesuches in der Tschechoslowakei, der nach vielen Jahren der Abschließung unter den totalitären Härten des marxistischen Systems endlich möglich wurde. Die oben zitierten Worte aus der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium zeigen in gewisser Weise das tiefste Motiv für jede Versammlung der Bischofssynode auf, auch jener, die in Velehrad angekündigt wurde. Die Kirche besitzt in ihrem Inneren eine Dynamik der Gemeinschaft, die auf vielen Ebenen Wirklichkeit wird. Letztlich ist sie Anteil und Widerschein jener heiligen Gemeinschaft, die Gott selbst im Geheimnis der Dreifaltigkeit bildet: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Synode hat ihre Wurzeln in der Gemeinschaftsstruktur des Bischofskollegiums. Wegen der pastoralen Berufung eines jeden einzelnen und aller zusammen macht das Bischofskollegium in seinem Inneren das besondere Anliegen der Apostel lebendig, „mit jenem König zu sammeln, dem die Völker zum Erbe gegeben sind“. Die Bischofssynode ist eine besondere Institution, in der dieses Anliegen seinen kollegialen Ausdruck und seine Erfüllung findet. Die in Velehrad gegebene Ankündigung einer besonderen Bischofssynode für Europa zeigt das besondere Motiv dieser Initiative, ein Motiv, das sich sehr wohl historisch nennen darf, nicht nur im Sinn der Menschheitsgeschichte, sondern auch im Sinn des göttlichen Kairos, der schon jetzt zu dieser Geschichte gehört. 3. Was in den letzten Jahren und zumal in den letzten Monaten auf dem europäischen Kontinent geschehen ist, vor allem in Zentral- und Osteuropa, erscheint dem, der tiefer blickt, als eine historische Wende in unserem 20. Jahrhundert. Es zeichnet sich eine neue Situation im Leben der Völker ab. Zusammengebrochen ist die Spaltung in zwei auf gegensätzlichen sozio-ökonomischen und ideologischen Grundsätzen beruhende Blöcke, eine Spaltung, die sich als Folge des Zweiten Weltkrieges ergehen hatte. Für die Länder Zentral- und Osteuropas bedeutet dies in gewissem Sinn ein Hervorkommen aus den Katakomben, und in jedem Fall aus einer Situation mehr oder weniger radikaler Verletzung der Rechte der Person, insbesondere des Rechtes auf religiöse Freiheit und Gewissensfreiheit. Da die Kirche, insofern sie Gemeinschaft von Personen und Gemeinschaft in Christus ist, jenen gegenseitigen „Austausch der Gaben“ mit sich bringt, von dem Lumen Gentium spricht, ergeben sich in der neuen Situation für sie zwei Hauptfragen. Die eine betrifft die Vergangenheit (die 50 Jahre des gespaltenen Europas) und lautet etwa: Welches sind die besonderen Gaben, die die Kirchen östlich des „eisernen Vorhangs“ den Kirchen des europäischen Westens mitbringen, und umgekehrt? Welchen Wert besitzen ihre Erfahrungen für die Kirche als Ganzes? Die zweite gilt der Zukunft: Wie müssen wir diesen gegenseitigen Austausch der Gaben weiter entfalten für die Sendung der Kirche in Europa und für die Evangelisierung des Kontinents an der Schwelle des dritten Jahrtausends? <754> <754> Das Christentum reicht auf dem europäischen Kontinent bis in die Zeit der Apostel zurück. Nach der Apostelgeschichte überschritt die Verkündigung des Evangeliums die Grenzen zwi- 932 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Asien und Europa vor allem durch das Wirken des heiligen Paulus. In der Folge verließ der Apostel Petrus Jerusalem und lenkte seine Schritte über Antiochien nach Rom, wo später als Gefangener auch Paulus eintraf. Von dieser Zeit an wurde Rom Sitz der Apostel, und es begann von dort aus die große Evangelisierung in Europa, die man in einem bestimmten Sinn als „erste“ bezeichnen darf. Sie dauerte bis fast zum Ende des 14. Jahrhunderts. Das letzte Volk, das zusammen mit seinem Souverän die Taufe empfing, war Litauen. Die Evangelisierung hatte neben dem Zentrum in Rom und den mit ihm verbundenen (zum Beispiel Irland und England) ein zweites wichtiges Zentrum im Osten, in Konstantinopel. Wenn das ganze erste Jahrtausend, bereits in der Periode der Verfolgungen und dann nach ihrem Aufhören, die Zeit der geeinten Christenheit darstellt, muß man schließen, daß diese Einheit trotz der örtlichen Spannungen vor allem das Verhältnis zwischen Westen und griechischem, später byzantinischem Osten betraf. Von großer Bedeutung war die Entwicklung der Kirche in Kleinasien und Afrika, das heißt, im Mittelmeerraum. Doch muß man die Hauptkraft der Evangelisierung Europas der Bipola-rität Rom-Byzanz zuschreiben, die sich während des ganzen ersten Jahrtausends innerhalb der Einheit der Kirche aufrechterhielt. Erst im Laufe des 11. Jahrhunderts erfolgte die praktische Spaltung zwischen Osten und Westen. Seit dieser Zeit ist die Evangelisierung Europas mit dem Makel der Spaltung behaftet, die trotz löblicher Bemühungen zu ihrer Überwindung bis heute anhält. Im Gefolge der bekannten reformatorischen Bestrebungen gegenüber der Kirche kam es später auch zur Spaltung im Westen. Das christliche Europa wurde ein kirchlich geteiltes Europa - und das dauert bis heute an. Der Bruch wurde sogar noch tiefer wegen der Unterordnung unter die Staatsgewalt, die das Prinzip „Cuius regio, eius religio“ auferlegte. Dieses Prinzip bedeutet die Leugnung des Rechtes auf religiöse Freiheit, ein Recht, dessen sich die Gesellschaft erst später voll bewußt wurde (obwohl es in einigen Teilen Europas, wie z. B. im polnischen Staat, in Litauen und Ruthenien immer geachtet wurde). Mit der Entdeckung Amerikas beginnt die koloniale Ausdehnung Europas, zumal unter den Völkern des atlantischen Ozeans. Das geschah nicht ohne deutliche Auswirkungen für die Evangelisierung. Dies brachte nämlich den Stempel der Spaltung auch für beide Teile des amerikanischen Kontinents mit sich. Während Südamerika heute mehrheitlich katholisch ist, ist Nordamerika im Prinzip protestantisch. Die gleiche Aufspaltung zeigt sich auch bei der Kolonisierung Afrikas und des Femen Ostens. Im Verlauf der Geschichte hat der europäische Kontinent bei der Evangelisierung der Welt eine erstrangige Rolle gespielt. Während diese Evangelisierung aber den neuen Völkern den Glauben an Christus brachte, tmg sie zugleich die Spaltung unter den Christen in sie hinein, obwohl alle bemfen sind, Glieder des einen Leibes Christi zu sein, der die Kirche ist. Wenn wir nun das Thema der neuen Evangelisierung auf der besonderen Bischofssynode für Europa behandeln, müssen wir uns diese Wirklichkeit vor Augen halten. Das Bemühen um die Einheit der Christen hat sich durch die ökumenische Bewegung schrittweise Bahn gebrochen, und das H. Vatikanische Konzil wollte es bekanntlich zu einem vorrangigen Anliegen bei der Erneuerung der katholischen Kirche machen. 933 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Vor Augen halten müssen wir uns ferner den historischen Prozeß der Entfaltung der Kultur (und der Kulturen) auf dem europäischen Kontinent, zumal den der humanistischen Kultur. Nach einer recht weit verbreiteten Meinung war diese Entfaltung besonders nachhaltig und eng verbunden mit den Grundelementen des jüdisch-christlichen Denkens, die auf die biblischen Quellen zurückgingen. Sie war ferner mit den Klassikern der antiken Philosophie, zumal der griechischen verbunden, und das alles hatte auf dem Gebiet der Wissenschaft und Technik seine Auswirkungen. Für die Lebensgestaltung und für deren Grundlage, das Recht, steht die europäische Kultur aber vor allem in der Schuld des alten Rom: Im staatlichen Bereich als Schuldnerin des „ius romanum“, im kirchlichen Bereich als Schuldnerin des „ius canonicum“. Diese kurzen Hinweise auf die Entwicklung der europäischen Zivilisation lassen deutlich den christlichen Westen - in Europa und später in Amerika - von der asiatischen Zivilisation unterscheiden, die historisch älter ist als die europäische, und auch von der Zivilisation der muslimischen Völker. Was die Entwicklungslinien der humanistischen Kultur angeht, garantierten die metaphysischen und erkenntnistheoretischen Voraussetzungen, die allgemein angenommen waren, viele Jahrhunderte lang eine theozentrische Sicht der Wirklichkeit. Diese besaß - zumal im Raum der christlichen Tradition - offensichtlich auch eine kosmologische und anthropologische Dimension. Zur Verstärkung der mit dieser Sicht der Wirklichkeit gewonnenen Sicherheit trugen nicht nur die theologischen Erkenntnisse bei, sondern auch die philosophischen, wenigstens solange im Zentrum des philosophischen Bemühens die Objektivität des „Seins“ stand. Bekanntlich erfolgte seit der Zeit des Descartes eine Verlagerung dieses Zentrums zur subjektiven Erkenntnis hin, und wir alle sind Zeugen der Folgen dieser Verlagerung. Die Philosophie ist vor allem Erkenntnistheorie geworden, und im Mittelpunkt der Wirklichkeit befindet sich folgedessen der Mensch als Erkenntnissubjekt, aber er steht dort allein. Auch der Kosmos und vor allem die sichtbare und erfahrbare Welt ist mit der Entwicklung der Naturwissenschaften ein selbständiger Bereich menschlichen Wissens geworden. Wenn noch für Newton, den man den Vater der modernen Naturwissenschaft genannt hat, diese Erkenntnis im Rahmen der Religion und der Offenbarung verblieb, hat die Weiterentwicklung der Naturwissenschaften die menschlichen Geister allmählich daran gewöhnt, die Welt in sich selbst zu betrachten, „als ob es Gott nicht gäbe“. Die am Anfang methodische Hypothese der Nichtexistenz Gottes führte im Laufe der Zeit zum Gedanken, Gott sei eine Hypothese. Diese Denkrichtungen haben sich in der Form des verbreiteten Agnostizismus zumal bei den Wissenschaftlern durchgesetzt. Einen weiteren Schritt bedeutet der Atheismus, der vom philosophischen Standpunkt aus seinen radikalsten Ausdruck im' dialektischen Materialismus gefunden hat. In der dieser Denkrichtung eigenen philosophischen Sicht bildet die Religion eine Form der Entfremdung des Menschen, der sich selbst den Gottesgedanken schafft, sich damit aber um etwas beraubt, was sein Gut und Eigentum ist. Er entfremdet sich, weil er auf das Erbe alles dessen, was wahrhaft menschlich ist, verzichtet. Der Marxismus ist die extremste Form dieses Denkprozesses, der das europäische Bewußtsein (und nicht nur dieses) im 19. und 20. Jahrhundert geprägt hat. Der philosophische Positivismus stellt gewiß keine derart extreme Form des Atheismus dar; doch schließt auch er die menschliche Erkenntnis in die Grenzen des rein Empirischen ein und leugnet die Möglichkeit einer rationalen Begründung des Gottesgedankens und damit der Religion. 934 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Inzwischen haben sich zahlreiche Europäer, besonders aus der Schicht der Gebildeten, daran gewöhnt, die Wirklichkeit so zu betrachten, „als ob es Gott nicht gäbe“. Sie haben sich auch daran gewöhnt, aus dieser Sicht zu handeln. Der erkenntnistheoretische Subjektivismus und der Immanentismus halten (zumal seit der Zeit von Kant) gleichen Schritt mit einer Haltung der Autonomie in der Ethik. Der Mensch selbst wird zur Quelle des moralischen Gesetzes, und nur dieses Gesetz, das der Mensch sich selbst gibt, bildet für sein Gewissen und sein Verhalten den Maßstab. 6. Das hier entworfene Bild ist natürlich eine Zusammenfassung: es erwähnt notwendig eine Reihe von selbst wichtigen Strömungen innerhalb dieses Prozesses nicht, die zur Entwicklung der modernen europäischen Kultur in ihrer theoretischen und praktischen Ausprägung beigetragen haben. Selbstverständlich bietet Europa von diesem Standpunkt aus kein einheitliches Bild. Man kann bei ihm Zonen unterscheiden, die von den oben aufgezeigten Prozessen mehr oder weniger beeinflußt sind, und Zonen, in denen eine mehr oder weniger fortgeschrittene Säkularisierung stattgefunden hat, bei welcher der theoretische und noch mehr der praktische Materialismus nicht fehlen. Im Kontext der geschilderten Vorgänge bleibt das Christentum auf dem europäischen Kontinent ständig präsent, und es ist in den einzelnen Menschen, -Kreisen oder Gesellschaften mehr oder weniger tief verwurzelt. Tatsächlich besitzt es ja innerhalb der Geschichte Europas ein echtes Bürgerrecht, denn es hat dank seiner uralten Präsenz zur Bildung der Kultur und des Bewußtseins der verschiedenen Nationen seinen Beitrag leisten können. Die immanentistischen und säkularistischen Strömungen im Denken und Handeln sind auch nicht nur etwas später Eingedrungenes. Sie haben sich unter dem Druck der Entfaltung einer Kultur als Ausdruck einer Zivilisation entwickelt, bei der die Erfolge der Wissenschaft und der Technik dem Menschen einen immer ausgeprägteren Sinn für sein Herrsein und indirekt auch für seine Unabhängigkeit gegenüber Dem vermittelt haben, der Ursprung und Ziel alles Geschaffenen ist. Es bildet ein Problem für sich, wie weit dieser Sinn für Unabhängigkeit aus einer spezifischen „Engführung“ der Prozesse des Denkens und Willens entstanden ist, und wie weit er der heute zu beobachtenden Selbstbeschränkung des Menschen auf die immanente Dimension (also auf die Welt) zugrundeliegt. Offenbar findet der Mensch in der Größe der im Bereich der sichtbaren Welt erreichten Erfolge sowie in der Fülle der Errungenschaften, die Wissenschaft und Technik zugänglich gemacht haben, ein scheinbar befriedigendes Alibi. Er gibt sich mit dem zufrieden, was er von der Welt im Verlauf des irdischen Lebens erhalten kann. Es scheint ihm so, als ob die Welt ihm diene, ohne ihn seinerseits von ihr abhängig zu machen. Und das genügt dem Menschen. Es ist, als hätte er seine Hinfälligkeit und sein Bedürfnis nach Transzendenz vergessen. Er spürt nicht mehr das Verlangen, sich für das Reich zu öffnen, das „nicht von dieser Welt“ ist (vgl. Joh 18,36). Er scheint auch nicht die Wahrheit der Worte zu erfahren: „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“ (2 Kor3,17). <755> <755> Die tragische Folge der Ereignisse, die sich in unserem Jahrhundert, zumal seit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, nacheinander abgespielt haben, hat vielleicht etwas dazu beigetragen, das Herz des Menschen für jene Freiheit zu öffnen, die vom Geist herkommt, jene Freiheit, zu der uns Christus befreit hat (vgl. Gal 5,1). 935 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Krieg mit seiner maßlosen Grausamkeit, die in der planmäßigen Vernichtung der Juden, aber auch der Zigeuner und anderer Gruppen von Personen ihren wildesten Ausdruck gefunden hat, hat dem Menschen in Europa die andere Seite einer Kultur enthüllt, die er als jeder anderen überlegen anzusehen geneigt war. Gewiß hat er auch Bereitschaft zur Solidarität und zum heroischen Opfer für eine gerechte Sache sichtbar gemacht, doch diese lichtvollen Aspekte der Kriegserfahrung sind offensichtlich vom Ausmaß des Bösen und der nicht nur materiellen, sondern auch und vor allem moralischen Zerstörung fast zugedeckt worden. Vielleicht ist noch kein Krieg im Verlauf der Geschichte mit einem derartigen Zertreten des Menschen, seiner Würde und seiner grundlegenden Rechte einhergegangen. Ein Echo solcher Herabwürdigung und sogar Verzweiflung im Gefolge dieser Erlebnisse kann man in der nach dem Krieg oft gestellten Frage vernehmen: Wie kann man nach Auschwitz noch weiterleben? Gelegentlich wurde auch die andere Frage gestellt: Kann man nach Auschwitz noch von Gott sprechen? Und doch wissen wir heute, daß Auschwitz nicht das Ende war. Der braune Totalitarismus der nationalsozialistischen Macht wurde völlig besiegt. An seiner Stelle blieb aber in einem Teil Europas ein anderer Totalitarismus als Vormacht unter den Siegern. Es begann die Geschichte des nach den Entscheidungen der Siegermächte in Jalta geteilten Europa. Die Einzelheiten dieser Geschichte lassen sich nur schwer darlegen, man könnte aber kurz sagen, daß sich westlich vom „Eisernen Vorhang“ nach dem wirksamen Wiederaufbau aus den Zerstörungen des Krieges schnell der Prozeß demokratischer Entwicklung auf Grundlage der Anerkennung eines Systems der Menschenrechte vollzogen hat, wie sie die Organisation der Vereinten Nationen schon im Jahr 1948 verkündet hat. Östlich dieser Linie aber wuchs der Totalitarismus des marxistischen Staates, der zwar mit Worten die gleichen Menschenrechte verkündete, praktisch aber ihre radikale Leugnung war. Lange Zeit hindurch verbarg das Klima der Konfrontation und des , Jealten Krieges“ zwischen den Supermächten, vor allem im Osten, was sich hinter dem Anspruch einer Supermacht verbarg. Erst gegen Ende der achtziger Jahre kam diese Wirklichkeit mit der Ankündigung der „perestroika“ ans Licht, mit dem Neuaufbau eines Systems, der sich als notwendig erweist, um die wachsende Krise, die vor allem, doch nicht nur wirtschaftlicher Natur ist, zu meistern. Innerhalb der Nationen, die durch die Entscheidung von Jalta der östlichen Supermacht als „Alliierte“, in Wirklichkeit aber als „Satelliten“ unterstellt worden waren, war der Widerstand bereits in den voraufgehenden Jahrzehnten erwacht, um sich in neuerer Zeit deutlicher, zumal in Polen zu zeigen, aber dann auch in Ungarn und der Tschechoslowakei. Diese stark in den europäischen Überlieferungen verwurzelten Nationen erhoben immer nachhaltiger und wirksamer ihre Ansprüche gegenüber dem totalitären System des Staates. Ihr Vorgehen stützte sich auf die Unverletzlichkeit der Menschenrechte. Einen zentralen Platz unter diesen nahm aber das Recht auf Gewissens- und Religionsfreiheit ein. Das Jahr 1989 ging mit einer Reihe von Umwälzungen in den Ländern des sogenannten kommunistischen Blocks zu Ende. Die marxistischen Parteien haben ihre absolute Macht verloren, und die freien Wahlen bestätigen in diesen Gesellschaften, daß die Menschen jene Formen des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens mißbilligen, die ihnen aufgezwungen waren. All dies erfolgt auf dem Weg einer friedlichen Revolution - die von der „Solidarnosc“ in Polen schon 1980 begonnen hatte, ohne Blutvergießen, mit Ausnahme 936 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von Rumänien. Der Demokratisierungsprozeß geht in allen Ländern dieser Region weiter, mit Ausnahme - wenigstens bis jetzt - von Albanien. Eine Folge dieser Wandlungen besteht darin, daß der Gemeinschaft der Gläubigen, also der Kirche, die Rechte zurückgegeben werden, deren sie im System des marxistischen Totalitarismus systematisch beraubt worden war. Das Ausmaß dieser Beraubung war von Land zu Land verschieden. Gemeinsam war jedoch die Voraussetzung, von der man ausging: die Religion mußte als Element der Entfremdung verschwinden, um die Befreiung des Menschen möglich zu machen. Man kann feststellen: die Erfahrung der nun zu Ende gegangenen Periode hat genau das Gegenteil bewiesen: die Religion und die Kirche haben sich bei der Befreiung des Menschen aus einem System totaler Unterjochung als wirksamste Faktoren erwiesen. 8. Im Licht dieser Ereignisse müssen die Christen ihrerseits aufmerksam überlegen und sich fragen, ob und in welchem Maße die Unterdrückung der Rechte der Kirche nicht manchmal mit einer ungenügenden Evangelisierung einherging. Man kann sich also fragen, ob es zum Beispiel in der Katechese bei denen, die sie erteilten, und bei denen, die sie erhielten, Lücken gegeben hat. Ebenso müssen die Kinder der Kirche überlegen, wie es um die Integrität ihres christlichen Glaubens steht, wie wirksam sie, auch im öffentlichen Leben, von allen Forderungen eines konsequenten Lebens aus dem Glauben Zeugnis geben. Wichtig bleibt nämlich, daß in den wieder frei gewordenen Nationen die völlig legitime Betonung der staatlichen und patriotischen Aspekte nicht losgelöst wird von einer Festigung der Werte des christlichen Glaubens und der christlichen Moral beim einzelnen und in der Gemeinschaft. Das grundlegende Kriterium, an dem sich das Nachdenken und die Formulierung geeigneter Antworten orientieren müssen, wird die Treue zum Menschen in seiner unveräußerlichen Würde sein müssen, der Würde, die ihm zukommt, weil er nach dem Bild und Gleichnis Gottes erschaffen und neu geschaffen ist. Ich betone das, denn wenn man den Menschen in seiner historischen Wirklichkeit entsprechend verstehen will, muß man ihn zugleich in der Schöpfungs- und Erlösungsordnung betrachten. Dann leuchtet seine Würde in ihrem vollen Reichtum auf und zeigt sich in seiner Herrschaft über die geschaffenen Dinge, die er nach den Absichten des Schöpfers ausübt, aber auch in der gegenseitigen Gemeinschaft zwischen Menschen und Völkern, nicht nur im Namen der gleichen Menschennatur, sondern auch und vor allem in Namen der gleichen Berufung, in Christus die eine große Familie der Kinder Gottes zu bilden. <756> <756> Kehren wir abschließend zu den beiden Fragen zurück, die ich zu Anfang gestellt habe. Es sind Fragen, die uns betreffen, die wir hier als Bischöfe und Hirten der Kirche auf dem europäischen Kontinent versammelt sind. Die erste gilt der Vergangenheit, zumal den letzten 50 Jahren und lautet: Welche charakteristischen Gaben können die Kirchen im Westen, im Zentrum und im Osten Europas heute gegenseitig austauschen, da die Lage auf unserem Kontinent sich sichtbar wandelt? Welche Bedeutung haben die gemachten Erfahrungen für die Einzelkirchen und für die universale Kirche? Welche Bedeutung haben sie vom ökumenischen Standpunkt aus und vielleicht auch für den Dialog mit den anderen Religionen und mit den der Religion entfremdeten Kreisen? 937 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die zweite Frage gilt der Zukunft: Wie müssen wir dieses gegenseitige Beschenken vom Standpunkt der Sendung der Kirche in Europa und in der Welt aus entfalten? Also vom Standpunkt des ständigen Dienstes für das Reich Gottes durch eine neue Evangelisierung aus, die die Einzelkirchen mit ihren rechtmäßigen Überlieferungen fördert und zugleich ihr Band mit dem Stuhle Petri verstärkt, „welcher der gesamten Liebesgemeinschaft vorsteht, die rechtmäßige Verschiedenheit schützt und zugleich darüber wacht, daß die Besonderheiten der Einheit nicht nur nicht schaden, sondern ihr vielmehr dienen“ (Lumen Gentium, Nr. 13). Diese Fragen umschreiben die Thematik der kommenden besonderen Synode. Und sie bekräftigen gewissermaßen, daß es zweckmäßig war, sie einzuberufen. Wir alle, liebe ehrwürdige Brüder, brauchen den gegenseitigen Kontakt, der uns deutlicher erkennen läßt, was der Heilige Geist durch die Erfahrungen einer jeden Einzelkirche des europäischen Kontinents der Kirche sagt. Dies betrifft auch die Ostkirchen, die in jüngster Zeit ihre volle öffentliche Tätigkeit in den betreffenden Ländern wieder aufnehmen konnten. Es betrifft insbesondere unsere orthodoxen und protestantischen Brüder, deren Präsenz bei unserer Sondersynode für Europa sehr willkommen sein wird. Auch sie haben ja die gleichen Erfahrungen gemacht und stehen vor den gleichen Aufgaben, die mit dem Dienst am Evangelium verbunden sind. Wir möchten erkennen, was der Geist Christi uns durch die Erfahrungen der Vergangenheit sagt, und zugleich verstehen, welchen Weg er uns für die Zukunft zeigt. Seit fast 2000 Jahren gehört das Christentum zur Geschichte des europäischen Kontinents. Nun stehen wir vor dem Beginn des dritten Jahrtausends nach Christus, und gerade heute, da das Leben der Nationen Europas eine neue Form anzunehmen beginnt, darf unsere Präsenz nicht fehlen. „Wachet und betet..." (Mt 26,41). Wir müssen uns sehr konzentrieren und im Gebet vereinigen, um innerlich als einzelne und als Gemeinschaft aufgeschlossen zu werden für das Wort, das der Heilige Geist den Kirchen sagt. Wir müssen „wachen und beten“ und die hll. Patrone Europas: Benedikt, Cyrillus und Methodius sowie alle Heiligen des Kontinents anrufen; „wachen und beten“ unter dem besonderen Schutz der heiligen Gottesmutter, der die christlichen Völker Europas immer eine tiefe Verehrung entgegengebracht haben, wie die zahllosen ihr geweihten Heiligtümer bezeugen; „wachen und beten“, um das, was der Geist den Kirchen sagt, anzunehmen und zu befolgen, um so alle, die der Herr uns anvertraut hat, zur Freude jenes „Erbes der Heiligen“ hinzuführen, für das der Geist „der erste Anteil“ ist (vgl. Eph 1,18.14). 938 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Priester: Diener und Ausspender der Liebe Predigt bei der Priesterweihe am Dreifaltigkeitssonntag, 10. Juni 1. „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.“ Der heutige Sonntag bringt in besonderer Weise das zum Ausdruck, was das Eigentliche im Leben der Kirche ist: die Verherrlichung Gottes, dessen, „der ist und der war und der kommt“ (Offb 1,8); Die Verherrlichung Gottes in seiner transzendenten Majestät und zugleich im undurchdringlichen Geheimnis seiner Gottheit. Die Verherrlichung der absoluten Heiligkeit, das heißt: der Heiligsten Dreifaltigkeit. Er, der „da ist“ (vgl. Ex 3,14), ist ein Einziger in der vollkommenen Einheit der Gottheit. Er ist Einer als Dreifaltigkeit: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Gott, der alles erschafft, alles belebt, alles heiligt und allen alles gibt. Gott, in dem wir leben, uns bewegen und sind (vgl. Apg 17,28). 2. Dieser Gott im undurchdringlichen Geheimnis seines Lebens ist Gott, „der kommt“. Das Hochfest der Heiligsten Dreifaltigkeit gibt Zeugnis für Gott, der zu seinem Volk, in seine Mitte, kommt. Er kommt auf die Bitte des Mose, wie es das Buch Exodus in Erinnerung ruft, aber vor allem kommt er deshalb, weil es so sein ewiger Wille ist. Er bleibt ja nicht verschlossen in der Vollkommenheit seiner Gottheit, vielmehr wird sein inneres Leben für die Geschichte des Universums, für die Geschichte des Menschen zur Heilsökonomie. In sich selbst ist er die Liebe: im Überströmen seiner Vaterschaft hat er „so sehr die Welt geliebt“. Er hat sie so sehr geliebt, „daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3,16). Gott gibt sich selbst in seinem Sohn. Was der göttliche Meister nach dem Johannesevangelium zu Nikodemus sagt, spricht der Apostel Paulus im zweiten Brief an die Korinther aus: „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ (2 Kor 13,13): Gott also, in dem wir leben, Gott, von dem wir das Leben haben, von dem wir das ewige Leben haben. Er selbst ist dieses ewige Leben, er ist das Leben und die Ewigkeit. Als der Vater uns seinen Sohn, den Einziggeborenen, geschenkt hat, hat er uns berufen, an diesem Leben teilzunehmen. Wir nehmen daran teil durch den Sohn, durch den die Welt am Kreuz erlöst wurde. Wir nehmen daran teil durch den Heiligen Geist und sein heiligendes Wirken, zu welchem das Opfer Christi den Weg in die Geschichte der Welt, in die Geschichte unserer Seelen geöffnet hat. <757> <757> Liebe Schwestern und Brüder, habt das alles vor Augen, insbesondere ihr, die ihr heute in dieser Petersbasilika das Sakrament des Priestertums Christi empfangen werdet, ihr, die ihr auf die Stimme des Heiligen Geistes in euch, die euch zum Priesterdienst in der Kirche ruft, Antwort gegeben habt. Habt das alles vor Augen, ihr, die ihr durch die Priesterweihe berufen seid, den Menschen die Erlösung zu verkünden, die Jesus Christus gewirkt hat. Vergeßt nie, daß ihr erwählt wurdet, 939 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN um eure Brüder und Schwestern unter der Führung des Tröstergeistes auf dem Weg der Treue zum Evangelium zu leiten. Haltet in eurem Herzen daran fest, daß ihr in so viele Teile der Welt gesandt seid, um in dem neuen Leben die erbarmende Liebe des Vaters zu bezeugen. Dank der Handauflegung werdet ihr nun zu Dienern und Ausspendem dieser Liebe und dieses Erbarmens bestellt. Damit ihr aber die Sendung, die euch heute anvertraut wird, in ihrer ganzen Tiefe erfüllen könnt, müßt ihr mit den Augen des Glaubens das Geheimnis des lebendigen Gottes voll und ganz annehmen. Es muß euch mit dem Charakter des Priestertums als Siegel des Heiligen Geistes tief eingeprägt bleiben. Ihr werdet aus der Tiefe dieses unaussprechlichen göttlichen Geheimnisses geboren: aus der Liebe des Vaters, aus der Gnade Jesu Christi, aus der Gabe der Einheit im Heiligen Geist. Der Ursprung eures Priestertums ist in der Heiligsten Dreifaltigkeit. In das Herz eines jeden von euch ist in besonderer Weise die Wahrheit des Sohnes eingeprägt, den der Vater zur Erlösung der Welt hingegeben hat. Lebt jeden Tag diese Wahrheit. Lebt sie immer intensiver. Laßt diese Wahrheit immer tiefer alle Tage eures priesterlichen Dienstes durchdringen. Lebt von dieser Wahrheit, und teilt dieses Leben auch den anderen mit. „Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein“ (2 Kor 13,11). Durch euren Priesterdienst und das Zeugnis eures Lebens möge der Herr stets inmitten seines Volkes sein. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, der eine Gott! Ihm sei die Ehre in Ewigkeit. Amen. Christus selbst ist das Leben Predigt bei der Eucharistiefeier am Fronleichnamsfest vor der Lateranbasilika, 14. Juni 1. Die Wüste ist ein Raum, in dem es dem Menschen an Speise und Trank fehlt. Ein Raum, in dem das Leben in Gefahr ist. Denn wenn es an Speise und Trank fehlt, ist der Mensch vom Tod bedroht. Das Volk des Alten Bundes wandert, von Mose geführt, durch die Wüste. Gott leitet es auf diesem Weg vierzig Jahre lang nach Ägypten ins Land der Verheißung. Er leitet es, um es auf die Probe zu stellen, um zu erkennen, wie es um das Herz des Volkes bestellt ist (vgl. Dtn 8,2). Mose sagt: „Durch Hunger hat er [der Bundesgott] dich gefügig gemacht und hat dich dann mit dem Manna gespeist... Er wollte dich erkennen lassen, daß der Mensch nicht nur von Brot lebt, sondern daß der Mensch von allem lebt, was der Mund des Herrn spricht“ (Dtn 8,3). Die Wüste und das Manna führen uns ein in das Geheimnis der Eucharistie. <758> <758> Der Mund Gottes spricht das Wort, das Wort des Lebens, das Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat (vgl. Joh 1,14), das Wort des Lebens, das in alle Wüsten hineingegangen ist, in denen der Mensch unterwegs ist, dorthin, wo es an Speise und Trank fehlt. Doch wir leben nicht nur vom Brot, sondern auch vom Wort Gottes. Dann ist Wüste überall dort, wo der Mensch - auch im größten Überfluß an Brot und allen anderen zeitlichen Gütern -sich nicht vom Wort des lebendigen Gottes nährt. 940 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Mensch kann also zur Wüste werden und ebenso die Familie, die Gesellschaft. Auch eine Stadt, ja selbst ein ganzes Land kann sich in eine solche Wüste verwandeln. Die Liturgie vom heutigen „Hochfest des Leibes Christi“ stellt uns das Bild der Wüste vor Augen, damit wir besser begreifen, was unser Weg auf der Welt und durch die Geschichte für einen Sinn hat, damit uns unsere Verantwortung besser klar wird, in dieser unserer Stadt zu leben. 3. Das Wort, das von Gott kommt, erreicht seine Fülle in Gott selbst. Es ist das Wort, das, in Einheit mit dem Heiligen Geist, eines Wesens mit dem Vater ist. Es ist das Wort ewigen Lebens, denn Gott ist das Leben und die Ewigkeit. Das Wort ist für uns Fleisch geworden, die wir unterwegs sind durch die Wüste, aus dem Aufenthalt der Sklaven hin zum Land des Ewigen Bundes. Das Wort, das Heisch wurde, sagt: „Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht eßt und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch“ (Joh 6,53). Dieses Leben, dieses irdische Leben, in welchem ihr auf dem Weg seid, wird sich dann in eine Wüste verwandeln, und seine Frucht in euch wird der Tod sein. Weiter sagt Jesus Christus: „Wer mein Heisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag“ (Joh 6,56). Darum vermag das Leben des Menschen auch in der Wüste den Horizont des Todes zu überschreiten. Der Mensch kann in dem Wort, das ewiges Leben schenkt, seine Bleibe haben: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm“ (Joh 6,56). Wie ist dieses Bleiben in Christus von Leben erfüllt! Christus selbst ist das Leben, das den Tod besiegt, den Tod, der in der Wüste unvermeidlich ist. In diesem göttlichen Wort des Lebens tut sich also für jeden von uns die Hoffnung auf das Leben, die Gewißheit des Lebens auf. Christus, der den Tod durchschritten hat, ruft aus: „Ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag“ (Joh 6,54). Das ist der Ruf dessen, der „die Auferstehung und das Leben“ ist (vgl. Joh 11,25). <759> <759> Seht „das Brot, das vom Himmel herabkommt“ (vgl. Joh 6,50-51.58). Das Manna in der Wüste war noch nicht dieses Brot, doch es kündigte es an und war ein Zeichen dafür. Unsere Väter aßen das Manna, und sie sind gestorben (vgl. Joh 6,58), wie alle Menschengenerationen dahinsterben, auch wenn sie sich am materiellen Brot sattessen und allen Überfluß an zeitlichen Gütern genießen können. Ja dieser Überfluß kann nicht nur die Wüste der Welt nicht in das Land des Ewigen Bundes verwandeln, sondern er kann manchmal die Wüste sogar noch größer machen, die geistliche Todeszone noch ausweiten. Heute möchte die Kirche in Rom allen diese eucharistische Speise zeigen: der Stadt und dem Erdkreis. Darum werden wir am Ende der Messe in der eucharistischen Prozession durch die Straßen Roms gehen. „Preiset, Lippen, das Geheimnis dieses Leibs voll Herrlichkeit!“ 941 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lebensschutz ist nicht nur eine Frage der Kirche Ansprache an die Mitglieder des Oberlandesgerichts Graz am 15. Juni Sehr geehrter Herr Oberlandesgerichtspräsident! Meine sehr geehrten Mitglieder des Oberlandesgerichts! Anläßlich Ihres Besuches in Rom darf ich Sie im Vatikan sehr herzlich willkommen heißen. Ihre berufliche Stellung und Ihre Rolle im Hinblick auf gesamtgesellschaftliche Verantwortung lassen in Ihnen ständig neu bewußt werden, wie entscheidend es heute ist, daß die Laien ihre spezifischen Aufgaben im öffentlichen Leben bewußt wahmehmen müssen. Im Apostolischen Schreiben Christißdeles Laici habe ich deswegen auch betont, daß „das In-der-Welt-Sein und In-der-Welt-Handeln für die Laien nicht nur eine anthropologische und soziologische Gegebenheit darstellen, sondern auch und vor allem eine spezifisch theologische und kirchliche. In der Welt offenbart Gott ihnen seinen Willen und ihre besondere Berufung“ (Nr. 15). Gerade in Ihrer Tätigkeit ist es Ihre beständige Aufgabe, der unverletzlichen Würde der menschlichen Person zu ihrem Recht zu verhelfen. „Die personale Würde ist das kostbarste Gut, das der Mensch besitzt, und aufgrund dessen er die ganze materielle Welt an Wert transzendiert“ (Christißdeles Laici, Nr. 37). Der Mensch kann deswegen nicht als Objekt betrachtet und behandelt werden, und zwar vom Anfang seiner Existenz an. So muß auch der Schutz des ungeborenen Lebens von diesem anthropologischen und philosophischen Ansatz her verstanden werden. Dies ist nicht nur eine Frage der Theologie und der Kirche. Es ist in der Tat ein schmerzlicher Widerspruch, daß man in einer Zeit, in der man so sehr für den Schutz der Schwächeren und Rechtlosen eintritt, gerade denen diesen Schutz verweigert* die sich selber am wenigsten schützen können. Darauf haben übrigens auch zu Recht die österreichischen Bischöfe in ihrem jüngst veröffentlichten Sozialhirtenbrief hingewiesen, ebenso wie auch auf die neue soziale Frage, die sicher auch für Sie, meine sehr geehrten Mitglieder des Oberlandesgerichts, bei Ihrer künftigen Arbeit ein entscheidendes Anliegen darstellen wird. Die heutigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen kreisen keineswegs bloß um Kapital und Arbeit. Es sind vielmehr ganz neue Fragen aufgetaucht, die dringend einer Lösung bedürfen. Dazu gehören die verschiedenen Formen der neuen Armut mit all ihren Implikationen, der Randgruppen, der wachsenden Gruppe der alten Menschen sowie Fragen der Natur und der Umwelt. Ein weiteres-.Anliegen wird die Erhaltung und Wiedergewinnung des Sonntags darstellen. Sowohl von seiten der Wirtschaft als auch von seiten der Freizeitindustrie erwächst dem Sonntag Bedrohung. Er ist nicht nur von religiöser Relevanz, sondern er ist auch als universeller Kulturwert zu betrachten. Unsere Gesellschaft läuft Gefahr, nicht nur diesen Kulturwert aus materiellen Erwägungen preiszugeben. Die geistig-sittliche Erneuerung Europas ist nach dem Zusammenbruch der marxistisch-leninistischen Ideologie von fundamentaler Bedeutung für den ganzen Kontinent. Gesetzgebung und Rechtsprechung haben einen entscheidenden Beitrag zu leisten, um eine Basis zu schaffen, die das Wertsystem, das vom Christentum her geprägt ist, als tragfähig erscheinen läßt. 942 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Damit Sie Ihre hohen Aufgaben und die von der Gesellschaft in Sie gesetzten Erwartungen auch in Zukunft mit Mut und Zuversicht erfüllen, erteile ich Ihnen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Zeugnis für die Kirche abgelegt Ansprache an Pilger aus Wittichenau/Görlitz am 16. Juni Liebe Schwestern und Brüder! Zu eurem kurzen Besuch in der „Ewigen Stadt“ heiße ich euch herzlich willkommen. Zum allergrößten Teil habt ihr zum ersten Mal die Möglichkeit, euer Land zu verlassen und euch an die Stätte zu begeben, die die Apostelfürsten Petrus und Paulus als Zentrum der Christenheit auserwählt hatten. Trotz großer Schwierigkeiten habt ihr über Jahrzehnte hinweg dem Nachfolger des heiligen Petrus unbeirrbar die Treue gehalten. Euer Zeugnis für den Glauben und für die Kirche habt ihr trotz beruflicher und gesellschaftlicher Benachteiligungen und Diskriminierungen in einem atheistischen und antikirchlichen System abgelegt. Es gilt nun, euren Beitrag als Christen zum Aufbau einer Gesellschaft zu leisten, die die unverletzlichen Rechte des Menschen respektiert und fördert sowie der Kirche den nötigen Freiraum zugesteht, innerhalb dessen sie ihren Beitrag leisten kann zur Verwirklichung von Wertvorstellungen, die für die Zukunft eines humanen Gemeinwesens sowie des Stellenwertes der Einzelperson Bestand haben. Wenn ein neues Europa zu seinen geistigen Wurzeln, die einst prägend und für seine Bedeutung tragend waren, zurückkehren will, bedarf es vor allem des Einsatzes und des Gebetes der Glaubenden. Nur durch euer Beispiel, das ihr in Familie, Beruf und Gesellschaft lebt, kann die Welt verändert werden; nur durch euer Beispiel könnt ihr beweisen, daß der Materialismus letztlich keine tragende Grundlage für die Zukunft von Menschen und Völkern sein kann. Angesichts der großen Aufgaben, die vor euch liegen, ermutige ich euch, zusammen mit euren Bischöfen und Priestern das Werk der Neuevangelisierung Europas in eurer Heimat anzugehen. Hierzu erteile ich euch allen sowie euren lieben Angehörigen in der Heimat von Herzen meinen Apostolischen Segen. 943 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus will unsere Nahrung sein Predigt beim Fronleichnamsgottesdienst in Orvieto am 17. Juni 1. „Jerusalem, preise den Herrn, lobsinge Zion, deinem Gott!“ (Ps 147,12). Die ganze Kirche singt das Lob Jerusalems, denn dort, in der heiligen Stadt, hat Gott das verwirklicht, was er für das auserwählte Volk und, mit dem Volk des Alten Bundes, für alle Menschen vorbereitet hatte. Dort — im Abendmahlssaal von Jerusalem - hat sich ereignet, was der Apostel im ersten Brief an die Korinther so beschreibt: „Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?“ (1 Kor 10,16). Tatsächlich! Im Abendmahlssaal, am Vorabend seines Erlösertodes am Kreuz, tat Jesus, was er vorhergesagt hatte: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch für das Leben der Welt... Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm“ (Joh 6,51.56). 2. „Heilige Kirche, preise deinen Herrn!“ Der Abendmahlssaal von Jerusalem, in dem das heiligste Sakrament des Leibes und Blutes Christi unter den Gestalten von Brot und Wein eingesetzt wurde, hat sich auf die ganze Kirche ausgedehnt. Er ist jetzt überall dort, wo sich die christliche Gemeinde versammelt, sei es in einem großartigen Bauwerk, sei es in einer bescheidenen Kapelle in einem Missionsland: in jedem Fall ist dort der Abendmahlssaal. Und überall preist die Kirche ihren Herrn für das Geschenk der Eucharistie, dank dessen er in unserer Mitte geblieben ist: er hat sich zur Speise der Menschen gemacht, für das ewige Leben. Das Hochfest, das wir heute feiern, ist ein besonderer Ausdruck dieses Lobes. <760> <760> Mein brüderlicher Gruß gilt dem Hirten der Diözese, Bischof Deciö Lucio Grandoni, dem ich für die herzlichen Worte danke, die er in euer aller Namen an mich gerichtet hat. Mit ihm möchte ich die hier anwesenden Bischöfe Umbriens begrüßen und ebenso die anwesenden Autoritäten, die Priester und Ordensleute, die Kranken, die durch ihr Leiden auf besondere Weise mit dem eucharistischen Opfer verbunden sind, die Jugendlichen und euch alle, liebe Brüder und Schwestern. Wir wollen mit dieser Begegnung gemeinsam unseren Dank anläßlich des siebenhundertsten Jahres der Gründung des Domes eurer Stadt aussprechen, hat doch mein Vorgänger Nikolaus IV. am 13. November 1290 dessen Grundstein gesegnet. Obwohl sein Bau nicht direkt in Zusammenhang mit dem Hochfest des Leibes und Blutes Christi steht, das 1264 von Papst Urban IV. mit der Bulle Transiturus eingesetzt wurde, und auch nicht mit dem Wunder von Bolsena, das sich ein Jahr vorher ereignet hatte, ruft hier das Korporale von Bolsena, das in einer eigens errichteten Kapelle sorgsam aufbewahrt wird, das eucharistische Geheimnis nachdrücklich ins Gedächtnis. 944 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Stadt Orvieto ist seither in aller Welt dank dieses wunderbaren Zeichens bekannt, das alle an die erbarmende Liebe Gottes erinnert, der sich für die auf Erden pilgernde Menschheit zur Speise und zum Trank des Heils gemacht hat. Eure Stadt bewahrt und nährt die unauslöschliche Flamme des Kultes, der diesem großen Geheimnis entgegengebracht wird. 4. Kirche von Orvieto, lobe deinen Herrn! Wir stehen Christus gegenüber, der unter schlichten materiellen Gestalten wahrhaft gegenwärtig ist. Christus-Brot, Christus-Wein: wahre Speise und wahrer Trank für den nach dem Unendlichen hungernden und dürstenden Menschen. Nur er, Christus, kann das Ewigkeitssehnen des menschlichen Herzens stillen; nur er, Christus, ist die rückhaltlose Erfüllung all seines Verlangens und sicheres Unterpfand der Unsterblichkeit. Nur Christus ist „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6) für alle, die sein Fleisch essen und sein Blut trinken. Wie die im Abendmahlssaal versammelten Apostel haben auch wir heute teil an diesem Brot unvergänglichen Lebens, und wir vereinen unseren Lobpreis mit dem der Gläubigen in aller Welt. Staunend, in Andacht anbetend, stehen wir vor dem großen Geheimnis unseres Glaubens und verkünden freudig unsere Dankbarkeit für das erhabene Geschenk, mit dem der Erlöser seine Kirche bereichert hat. 5. Wie dringend empfindet der Mensch den Hunger nach echtem Brot! Wie verwirrend ist aber, was ihm in dieser Hinsicht von allen Seiten angeboten wird! Der eine möchte ihm das Brot dieser oder jener Ideologie reichen, während ihm ein anderer die Suche danach als unnütz und vergeblich ausreden will. Beide sind sich jedoch einig in der Meinung, der Mensch sei berufen, sein Schicksal nur innerhalb des Horizonts irdischer Werte zu gestalten. Christus hingegen wollte sich unter den Gestalten von Brot und Wein verbergen, um uns daran zu erinnern, daß diese Nahrung existiert und daß sie, obwohl in Raum und Zeit angesiedelt, über diese Dimensionen hinausragt, um die Ewigkeit zu berühren: „Ich bin das wahre Brot, das vom Himmel herabgestiegen ist. Wer von diesem Brot ißt, wird in Ewigkeit leben.“ Nur die Eucharistie kann also der Existenz vollen Sinn und echten Wert verleihen. Jesus hat sich zu unserer geistlichen Nahrung gemacht, um die erhabene Würde des Menschen zu verkünden, um seine Rechte und seine berechtigten Ansprüche geltend zu machen und ihm das Geheimnis des endgültigen Sieges über das Böse und der ewigen Gemeinschaft mit Gott mitzuteilen. So führt uns das heutige Fest mit seiner eindrucksvollen Feier diese erhabene Botschaft vor Augen und drängt uns, ihre innere Einladung zur Bekehrung und zum Dienst, zur Liebe und zur Verzeihung anzunehmen. Es fordert uns auf, im Leben wirklich nachzuahmen, was wir in der Liturgie feiern. Vergeßt es nie: Christus, der unter den verwandelten Gestalten unsere Speise ist, ist der gleiche, der uns in den Ereignissen des täglichen Lebens entgegentritt; er ist im Armen, der seine Hand ausstreckt; im Leidenden, der uns um Hilfe anfleht; im Bruder und in der Schwester, die von uns Verfügbarkeit erbitten und unsere Aufnahmebereitschaft erwarten. Er ist im Menschen: in jedem Menschen, auch im kleinsten und hilflosesten. Welch tiefes Geheimnis des Lebens! Welch unerschöpfliches Geheimnis der Liebe! 945 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Alle, die wir vom gleichen Brot essen, sind „ein Leib“ (1 Kor 10,17), so viele verschiedene Menschen werden zu einer einzigen Familie. Die Liturgie des Fronleichnamsfestes erinnert uns an die Verpflichtung, im Leben für die gemeinsame Zugehörigkeit zum gleichen Herrn Zeugnis abzulegen, nähren wir uns doch alle an der gleichen geheimnisvollen Quelle des ewigen Lebens. Die Eucharistie entspringt der Liebe und dient der Liebe, dem immer gültigen Gebot des Neuen Bundes. All das, liebe Brüder und Schwestern, sollt ihr vor Augen haben, um in angemessener Weise die Siebenhundertjahrfeier eurer Kathedrale begehen zu können. Ich fordere euch nachdrücklich auf, dieses Jubiläum zur Förderung des ersehnten Wachstums der ganzen Diözese im christlichen Leben und zu einer echten Erneuerung der Katechese, der Liturgie und des missionarischen und apostolischen Geistes auszunützen. Seid stets der besonderen Verpflichtung eurer kirchlichen Gemeinschaft eingedenk, für die Verehrung der heiligsten Eucharistie Zeugnis abzulegen und ihre Wirkungen in der Gemeinsamkeit des Empfindens und Lebens offenbar werden zu lassen. Ich vertraue diesen Auftrag eurer ganzen Diözese Orvieto-Todi an, zwei alten Bischofssitzen, die heute unter der Führung eines einzigen Hirten zusammengeschlossen sind. Ich lade euch ein, die zahlreichen Gaben, die der Heilige Geist euch verliehen hat, in der Einheit einer Ortskirche zusammenströmen zu lassen: Priester, Ordensleute und Laien, um den Diözesanbi-schof geschart, der Zeichen und Träger der Einheit ist. Jeder Teil eurer Ortskirche soll der möglichen Versuchung zu Individualismus und der Trennung widerstehen und sich den Aufbau einer zusammenhaltenden, fest in der Wahrheit und der Liebe verankerten Kirche unter der Führung des Bischofs zum Ziel setzen. Die Eucharistie, die Jesus euch schenkt, sei das tägliche Brot dieses unerläßlichen Zusammenhalts, die Stütze dieses solidarisch beschrittenen Weges. <761> <761> Aber „wie kann er uns sein Fleisch zu essen gehen?“ {Job 6,52). So fragten sich an dem Tag, an dem er in der Nähe von Kafamaum die Eucharistie versprach, die zahlreichen Zuhörer Jesu. Viele verließen ihn damals, obwohl sie Zeugen der wunderbaren Brotvermehrung und anderer Zeichen geworden waren. Jesus fragte die Apostel: „Wollt auch ihr Weggehen?“ (Joh 6,67). Und Simon Petras antwortete: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes“ (Joh 6,69). In aller Welt lebt die Kirche von der Eucharistie. In diesem Sakrament sind alle Worte des Lebens zu einer erlösenden Synthese zusammengefaßt. Sie werden Speise für die Seelen, und gerade dank dieser Speise kommt der durch die zahlreichen Wüsten der Zeit pilgernde Mensch dem ewigen Jerusalem näher. Wenn sich daher der vergängliche Leib mit Unsterblichkeit bekleidet (vgl. 1 Kor 15,53), wird er die Macht des Leibes und Blutes Christi in ihrer Fülle kundtun. So ist es! Im Leib und im Blut Christi ist schon der Anfang der Herrlichkeit und des Lebens beschlossen. Herrlichkeit und Leben, das wird unser künftiges und ewiges Erbe sein. Für immer! Denn „der Ruhm Gottes ist der lebende Mensch“ (hl. Irenäus, Adv. haer., IV, 20,7). 946 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Gewissen besitzt seine Rechte, weil es seine Pflichten hat Botschaft an den Erzbischof von Birmingham zum 100. Todestag von John Henry Kardinal Newman vom 18. Juni 1. Beim Herannahen des ersten Jahrhunderts seit dem Tode von John Henry Newman und als Antwort auf Ihre liebenswürdige Einladung verbinde ich mich gern mit den Feierlichkeiten, die dieses Ereignis nicht nur in England, sondern in zahlreichen Ländern der ganzen Welt auszeichnen. Das Andenken an das edle Leben des großen Kardinals und sein umfangreiches Schrifttum scheinen auch heute noch Geist und Herz zahlreicher Menschen mit einer Frische und Eindringlichkeit anzusprechen, die im Verlauf eines Jahrhunderts kaum schwächer geworden sind. Die Jahrhundertfeier fällt zusammen mit dem Beginn einer Zeit tiefgreifender Wandlungen in der Welt. Diese Zeit hat mit neuen Aussichten für echte Freiheit begonnen und mit Zeichen eines neuen Bewußtseins der Notwendigkeit, das Leben des Einzelnen und der Gesellschaft auf der soliden Grundlage der unverbrüchlichen Achtung vor der menschlichen Person und ihrer unveräußerlichen gottgegebenen Würde aufzubauen. Für alle suchenden Geister der heutigen geschichtlichen Stunde hat Newman eine zeitgerechte Botschaft. 2. Newmans langes Leben erweist ihn als glühenden Sucher nach Wahrheit, und seine weitere Laufbahn bestätigt seine einzigartige Einstellung, die in seinen Worten zum Ausdruck kommt: „Mein Verlangen ging dahin, die Wahrheit zu meinem festesten Freund zu haben und keinen anderen Feind als den Irrtum“ (The Via Media, London 1911, vol. 1, S. XII-XIII). Auch in Zeiten der Trübsal und des Leidens blieb er zuversichtlich in dem Wissen, daß die Zeit für die Wahrheit arbeitet. Newmans Suchen nach Wahrheit führte ihn zum Suchen nach einer Stimme, die mit der Autorität des lebendigen Christus zu ihm sprach. Sein Beispiel stellt einen bleibenden Aufmf an alle aufrichtigen Gelehrten und Jünger der Wahrheit dar. Er fordert sie auf, weiter die tieferen und grundlegenderen Fragen nach dem Sinn des Lebens und der ganzen menschlichen Geschichte zu stellen; sich nicht mit einer Teilantwort auf das große Geheimnis des Menschen selbst zu begnügen; die intellektuelle Ehrlichkeit und den moralischen Mut zu besitzen, das Licht der Wahrheit anzunehmen, was auch immer für persönliche Opfer das fordern mag. Vor allem ist Newman ein ausgezeichneter Führer für all jene, die erfassen, daß der Schlüssel, der Brennpunkt und das Ziel aller menschlichen Geschichte in Christus zu finden ist (vgl. Gaudium et spes, Nr. 10) und in Vereinigung mit ihm in jener Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, die seine heilige Kirche ist, durch die er allen Wahrheit und Gnade mitteilt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8). <762> <763> <762> Eng verbunden mit diesem Aufruf ist John Henry Newmans Lehre von der Bedeutung des Gewissens als eines Weges zum Erreichen der Wahrheit. Seine Lehre über das Gewissen ist wie seine Lehre im ganzen subtil und ganzheitlich und sollte in ihrer Darlegung nicht zu sehr vereinfacht werden. Er geht von der Grundaussage aus, daß das Gewissen nicht einfach ein 947 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sinn für Richtigkeit, Selbstachtung oder guten Geschmack ist, geformt durch die allgemeine Kultur, die Erziehung und soziale Gewöhnung. Es ist vielmehr das Echo der Stimme Gottes im Herzen des Menschen, der Puls des göttlichen Gesetzes, der in jeder Person schlägt und mit fragloser Autorität den Maßstab für richtig und falsch angibt. Das innere Licht des Gewissens bringt den Menschen in Kontakt mit der Wirklichkeit des persönlichen Gottes. In einem seiner Bücher schrieb Newman: „Meine Natur empfindet die Stimme des Gewissens als die einer Person. Gehorche ich ihr, empfinde ich Befriedigung; gehorche ich nicht, empfinde ich Unbehagen - gleich dem, das ich empfinde, wenn ich einen verehrten Freund erfreue oder beleidige ... Zum Echo gehört eine Stimme, zu einer Stimme der Sprecher: und diesen Sprecher liebe und verehre ich“ (Callista London 1910, S. 314-315). Noch mehr, nach Newman bringt der religiöse Gehorsam gegenüber seiner inneren Stimme den Menschen zum Ausschauen nach einer göttlichen Offenbarung, führt ihn von Licht zu Licht und am Ende zum christlichen Glauben. „Gehorsam gegenüber dem Gewissen führt zum Gehorsam gegenüber dem Evangelium, das keineswegs etwas ganz anderes ist, sondern die Erfüllung und Vervollkommnung jener Religion, die schon das natürliche Gewissen lehrt“ (Parochial and Plain Sermons, London 1908, S. 202). 4. Eins der bleibenden Verdienste von Kardinal Newman ist nämlich sein Ringen um die Klarstellung und Befestigung des lebenswichtigen Prinzips, daß die geoffenbarte Religion mit ihren Gehalt an Lehre und Moral Träger objektiver Wahrheiten ist, die mit Sicherheit erkannt und leicht und mit Freude bejaht werden können (vgl. Dei Verbum, Nr. 5). Nur wenige vertraten das volle Recht des Gewissens so wie er; wenige Schriftsteller argumentierten so überzeugend für seine Autorität und Freiheit, doch ließ er seine Lehre durch keinerlei Subjektivismus oder Relativismus abschwächen. Aus diesem Grund lehrte er, daß das Gewissen, obwohl es vor jeder Ausbildung im menschlichen Herzen vorhanden ist, dem Christen doch die Pflicht auferlegt, es, angeleitet von einer Autorität, zu informieren und zu bilden, um es zur Reife und Vollkommenheit zu führen. Wenn es sich selbst überlassen und unbeachtet bleibt, kann das Gewissen ein Gegenbild seiner eigenen heiligen Macht und zu einer Art von Selbstvertrauen und Vertreter des subjektiven Urteils einer Person werden. Newmans Worte sind hier völlig klar und für immer gültig: „Das Gewissen besitzt seine Rechte, weil es seine Pflichten hat“ (Difßculties feit by Angli-cans, London 1910, Vol. II, S. 250). <764> <764> Weil er dem Licht seines Gewissens folgte, legte Newman einen Weg des Glaubens zurück, den er kraftvoll und klar in seinen Schriften beschrieben hat. Nachdem er die erste Hälfte seines Lebens in hochherzigem Dienst für die Kirche von England verbracht hatte, die er tief liebte, verbrachte er die zweite Hälfte im Dienst der katholischen Kirche und zeigte dabei die gleiche Aufrichtigkeit und unverbrüchliche Loyalität. Die Gedanken und Überzeugungen, die zu seiner Konversion führten, besaßen ihre Grundlagen und Anregungen in den Schriften der Väter der Kirche, die zum gemeinsamen Erbe aller Christen gehören. Ich habe oft betont, daß die Christen zusammen ihr gemeinsames Glaubenserbe neu entdecken müssen, wenn wir die Wiedervereinigung der Jünger Christi in der Einheit erleben wollen, für die Er gebetet hat. Dieser Prozeß kann erheblich durch Beachtung des Werkes Newmans gefördert werden. 948 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Für ihn war es kennzeichnend, daß er der einmal erkannten Wahrheit fest anhing, während er stets bereit war, sein Verständnis der Glaubensaussagen zu entfalten und zu vertiefen. Wir können ferner hinzufügen, daß er die Treue zur Wahrheit mit einer Haltung der Achtung und Offenheit für die Gedanken und das Zeugnis jener verband, mit denen er sonst nicht überein-stimmte. In seiner Person und in seinem Werk beleuchtet Kardinal Newman daher den Weg der Ökumene, den wir im Gehorsam zum Willen Christi eingeschlagen haben (vgl. Joh 17,21). Sein Leben und sein Zeugnis bieten uns heute eine lebenswichtige Quelle für das Verständnis und die Fortsetzung der ökumenischen Bewegung, die sich im Jahrhundert nach seinem Tod so reich entfaltet hat. 6. Ich hoffe fest, daß die jetzige Hundertjahrfeier in den Herzen vieler Menschen, die nach Wahrheit und echter Freiheit dürsten, ein neues Bewußtsein von den Lehren gewinnen, die sie aus Leben und Schriften dieses hervorragenden englischen Priesters und Kardinals schöpfen können. Ein Mann von derart eindeutiger Loyalität und Aufrichtigkeit wird unbedingt viele andere anregen und für das Ideal gewinnen, dem er treu gedient hat. Nicht alle sind einverstanden mit den bedeutsamen Entscheidungen, die er traf, oder mit den religiösen Grundsätzen, auf die er sich berief; doch alle bezeugen klar den geistigen Einfluß, den sein Beispiel auf andere ausübte. Einige nannten ihn ihren Führer auf den Wegen der Heiligkeit; andere waren beeindruckt von der stillen Kraft seiner bescheidenen und zurückgezogenen Lebensweise; wieder andere fanden in seiner einfachen Darlegung der Wahrheit Trost und Frieden; alle aber waren von seinem lebenslangen Gebet und Studium sowie von seiner gläubigen Vertrautheit mit den Dingen „von droben“ ergriffen (Kol 3,1). Bis zum heutigen Tag bleibt Newman für viele in dieser aufgewühlten Welt ein Bezugspunkt. Sie blicken auf ihn als auf einen Mann mit großem natürlichen Talent, das er aber gänzlich in den Dienst Gottes und der Kirche stellte. Sein bemerkenswertes Leben ohne leeren Schein und Ehrgeiz, in Gebetsvereinigung mit dem Unsichtbaren versenkt, und dabei doch lebhaft interessiert für die Probleme seiner Zeit in Kirche und Gesellschaft, regt weiterhin an, erhebt und erbaut. Möge aus dem Feiern zum 100. Jahrestag überreiche Gnade und geistliche Kraft strömen für die Kirche in England, für Ihre Erzdiözese sowie für die Mitglieder der englischen Kongregation des Oratoriums vom hl. Philipp Neri, das John Henry Newman gegründet hat. Abschließend benutze ich diese Gelegenheit, alle Freunde von Kardinal Newman in der ganzen Welt zu grüßen und ihnen meinen Apostolischen Segen zu erteilen. Aus dem Vatikan, 18. Juni 1990 Joannes Paulus PP. H 949 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Pfarrei ist die Familie Gottes Ansprache an die Pilger der Pfarrei Stinatz/Diözese Eisenstadt am 21. Juni Lieber Herr Bischof! Lieber Herr Pfarrer! Liebe Kinder und Jugendliche! Liebe Schwestern und Brüder der Pfarrei Stinatz! Ihr begeht in diesem Jahr das zweihundertjährige Jubiläum des Bestehens eurer Pfarrei. Geistlicher Höhepunkt der Festlichkeiten ist eure Rompilgerfahrt zu den Gräbern der Apostelfürsten Petrus und Paulus, unter deren besonderem Schutz eure Pfarrei steht. Während dieses Aufenthalts in der „Ewigen Stadt“ seid ihr auch zum Nachfolger Petri gekommen, um - wie es euer verehrter Herr Bischof schon des öfteren formuliert hat - euch im Glauben stärken zu lassen und eure Treue zu bekunden. Ich danke euch und heiße euch von Herzen willkommen. Wenn an Christen die Frage gestellt wird, was Kirche ist, denken viele zuerst an eine konkrete Gemeinschaft, an ihre Pfarrei. Neben der Familie ist die Pfarrei der Ort, an dem Menschen erstmals mit Glaube, Christus und Kirche in Verbindung kommen. Die Pfarrei stellt gleichsam die Kirche am Ort dar. Deshalb nimmt sie im Leben der Gläubigen einen wichtigen Platz ein. Gerade das Zweite Vatikanische Konzil mit seinem Kirchenbild gibt der Pfarrei einen neuen und hohen Stellenwert. Dies habe ich auch in meinem Apostolischen Schreiben „Christifideles Laici“ zum Ausdruck gebracht, nämlich: die Bedeutung der Pfarrei im Leben jedes Christgläubigen. Die Pfarrei ist nicht nur eine Struktur, ein Gebiet oder ein Gebäude, sondern sie ist „die Familie Gottes, als von einem Geist durchdrungene Gemeinde von Brüdern“ (Lumen Gentium, Nr. 28). Sie ist nicht nur auf einer Rechtsstruktur, sondern, weil sie eucharistische Gemeinschaft ist, in einer theologischen Einheit begründet. Das ist auch das Band, die lebendige Verbindung, die communio mit der ganzen Kirche. So kann ich nur noch einmal die Worte Papst Pauls VI. in Erinnerung rufen, die er über die Pfarrei gesagt hat: „Wh sind einfach davon überzeugt, daß diese altüberkommene und geschätzte Struktur der Pfarrei eine unverzichtbare und höchst aktuelle Sendung hat; ihr kommt es zu, die erste Gemeinschaft des christlichen Volkes zu bilden; sie versammelt das Volk und führt es in die liturgische Feier ein; sie beschützt und belebt den Glauben in den Menschen unserer Zeit; sie bietet ihnen den Unterricht über die heilbringende Lehre Christi; sie verwirklicht in der Haltung und in der Tat die demütige Liebe in den guten und brüderlichen Werken“ (Ansprache an den römischen Kiews, 24. Juni 1963, in: AAS 55[1963] S. 674). Wenn ihr in die Geschichte eurer Pfarrei blickt, werdet ihr feststellen, daß sich all das auch bei euch durch die Pfarrei und in der Pfarrei ereignet hat. Als Minderheit von Kroaten konntet ihr in einem Gebiet mit deutscher Mehrheit, wenn auch mit manchen Schwierigkeiten und Problemen verbunden, gerade durch die Pfarrei dem von euren Vätern überlieferten Erbe die Treue halten, nämlich zu Glaube, Sprache und Volkstum. Das sollt ihr auch auf eurem weiteren Weg als Pfarrei stets im Auge behalten und gleichsam als heilige Verpflichtung betrachten. In diesem Zusammenhang möchte ich euch noch einmal bewußt jene Worte ans Herz legen, die ich euch anläßlich meines letzten Pastoralbesuches in Österreich beim großen und grenzüberschreitenden Fest in Trausdorf zugerufen habe: 950 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In kroatischer Sprache sagte der Papst: „Liebe kroatische Brüder. Jahrhundertelang repräsentierte der christliche Glaube den Geist ihrer kroatischen Kultur. Auch in Zukunft wird er eine starke Stimme in dieser Kultur haben. Die ersten Gebete, die sie gehört und wiederholt haben, fanden ihren Ausdruck in der kroatischen Sprache ihrer Vorväter. Auch die ersten geistigen Lieder hörten sie in dieser Sprache. Bewahren sie den Glauben ihrer Vorväter. Schämen sie sich nicht dieses Glaubens. Bewahren und entwickeln sie die Kultur ihrer Vorväter in Dankbarkeit. Sie ist ein Geschenk für ihr Land und für die Kirche in ihrem Land.“ (vgl. Predigt in Trausdorf, 24. 06. 1988, in: DAS 1988, S. 600-606) In deutscher Sprache fuhr der Papst fort: Allen in eurer Pfarrei, die sich darum in besonderer Weise in der Vergangenheit bemüht haben und auch heute bemühen, ob Priester, Lehrer oder andere Verantwortliche, ja jedem Einzelnen von euch, der auf diesem Gebiet Verantwortung spürt und übernimmt, spreche ich meinen Dank aus. Als Christ hat jeder gemäß seiner Berufung die Pflicht und den Auftrag, dort, wo er steht, das Wort Gottes in die verschiedenen Bereiche des menschlichen Lebens zu tragen. Nehmt diese Aufgabe im Alltagsleben eurer Pfarrei stets gemeinsam mit eurem Bischof und eurem Pfarrer wahr. Seid treue Zeugen Christi in dieser Welt und seid als christliche Pfarrgemeinde „ein Herz und eine Seele“, in der jeder von euch entsprechend seiner Gaben am Aufbau des Reiches Gottes mitarbeitet. Dabei mögen euch eure Pfarrpatrone, die Apostelfürsten Petrus und Paulus, stets Vorbild und Fürsprecher sein. Euch alle aber, die ihr hier anwesend seid, aber auch eure Lieben zu Hause, vor allem die Kinder, Alten und Kranken sowie die Zukunft eurer Pfarrei empfehle ich dem besonderen Schutz der Gottesmutter, die ihr oft und gerne als „Kraljica Hrvatov“ (Königin der Kroaten) anruft und verehrt, und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Leiden des Libanon lindern Ansprache an die Mitglieder der Vereinigung der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen (ROACO) am 21. Juni Liebe Mitglieder und Freunde der Vereinigung der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen! 1. Mein herzlicher Willkommensgruß gilt euch allen und insbesondere Kardinal Simon D. Lourdusamy, dem Präfekten der Kongregation für die Orientalischen Kirchen und Präsidenten der Vereinigung der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen (ROACO), kürzlich mein Sonderbeauftragter in Luxemburg bei den Feierlichkeiten, die in Echternach das 1250. Jahr nach dem Tod des hl. Willibrord abgeschlossen haben. 951 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kardinal Lourdusamy wird sich bald auch ins Heilige Land begeben. Als Vertreter des Hl. Stuhls wird er am Hochfest der Apostel Petrus und Paulus den Vorsitz führen bei der Einweihung der Gedächtnisstätte für den hl. Petrus, die von der Kustodie des Heiligen Landes in Kafarnaum, an der Stelle der „Domus Petri“, des Hauses Petri, errichtet wurde. Diese Ereignisse sind bedeutsam, beweisen sie doch das Bangen, mit dem die Kirche das Schicksal des Landes verfolgt, das durch die Gegenwart des Herrn geheiligt und in gewissem Sinn der geistliche Reichtum der Christen in aller Welt geworden ist. Darum besuchen sie nicht nur die heiligen Stätten, sondern wollen auch zum Unterhalt der christlichen Gemeinde der Region beitragen. Es ist eine Gemeinde, die im Lauf der Jahrhunderte zahlreiche Prüfungen und schmerzliche Ereignisse über sich ergehen lassen mußte, so daß sie geschwächt ist und der moralischen und materiellen Hilfe bedarf. Sie verdient diese Hilfe auch wirklich, da ihre Mitglieder an den Leiden Christi teilhaben und ihren christlichen Namen durch das Zeugnis eines lebendigen Glaubens und einer im Geist des Evangeliums gelebten Armut ehren. Damit aber diese christliche Gemeinde überleben kann, müssen die Christen in aller Welt sich großmütig erweisen und sie warmherzige Solidarität erfahren lassen. 2. Was nun die Situation betrifft, die sich in letzter Zeit im Heiligen Land und insbesondere in Jerusalem herausgebildet hat, so habe ich kürzlich die Katholiken eingeladen, sich die Lage dieser Bevölkerung zu Herzen gehen zu lassen und gemeinsam mit ihr „nach Lösungen zu suchen, die der Gerechtigkeit und der Wahrung der Menschenrechte entsprechen“, und zu beten, daß der Herr der im wahren Sinn des Wortes „heiligen“ Stadt, die den drei monotheistischen Religionen teuer ist, den Frieden schenke (vgl. L’Osservatore Romano, dt., 4. 5. 1990, S. 3). Auch ihr sollt Verkünder dieses meines Aufrufs zum Frieden und für die Gerechtigkeit im Heiligen Land - unter voller Achtung der Rechte aller einzelnen und Gemeinschaften - sein. Macht das Land Jesu zum Mittelpunkt eures karitativen Wirkens in dem Bewußtsein, daß es neben der „Geschichte des Heils“ auch eine „Geographie des Heils“ gibt. Was den vielgeprüften Libanon betrifft - ein oft in der Heiligen Schrift erwähntes und von Jesus besuchtes Land, dem auch ich einen Besuch abstatten möchte so weiß ich, daß euer Wirken zur Linderung der zahlreichen Leiden dieser edlen Nation beiträgt, besorgt darum, daß der Libanon wiederum „seiner geschichtlichen Berufung als Land des Dialogs und des Zusammenlebens verschiedener Kulturen und Religionen treu“ sein kann (Botschaft an die Patriarchen, Bischöfe und Vorsteher der christlichen Kirchen im Libanon, L ’Osservatore Romano, dt., 1. 6. 1990, S. 3). <765> <765> Ich kann es nicht unterlassen, auf Osteuropa hinzuweisen, wohin euer karitatives Wirken ebenfalls gerichtet ist. Ich vertraue darauf, daß die kürzlich dort erfolgten Umwälzungen dazu dienen werden, allen ihre Würde wiederzugeben und das offene Bekenntnis des Glaubens zu fördern. Macht die Wünsche der Bischöfe, die sich zu Beginn dieses Monats im Vatikan zur Vorbereitung der Sondersitzung der europäischen Bischöfe versammelt haben, zu den euren. Am Ende dieser Sitzung wandten sie sich mit einer Botschaft „an die ganze Kirche, damit in Gebet und Buße, mit der Fürsprache Marias die Bitte um Treue zur Wahrheit, um die Unterscheidung der Zeichen der Zeit und die Gemeinschaft in der Einheit des Glaubens, der Liebe 952 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und der göttlichen und menschlichen Hoffnung durch die irdischen Ereignisse hindurch aufsteige zu Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, dem Herrn der Geschichte“ (vgl. L’OsservatoreRomano, 9. 6. 1990, S. 2). 4. Im Gedenken an das eindrucksvolle Zeugnis ungezählter Märtyrer und Bekenner des christlichen Glaubens in unserer Zeit - insbesondere in Osteuropa - fordere ich euch auf, weiterhin diese Brüder und Schwestern beim Wachstum im Glauben und in der christlichen und historischen Identität zu unterstützen. In diesem edlen Engagement, für das ich euch nochmals aus ganzem Herzen danke, komme euch die Muttergottes zu Hilfe, und alle Heiligen mögen euch mit ihrer Fürbitte beistehen. Aus ganzem Herzen erteile ich euch meinen Apostolischen Segen. Ein Hauptproblem für die Nachfolge: Säkularisierung und Materialismus Botschaft an die Delegierten der fünften Vollversammlung der Vereinigung der Asiatischen Bischofskonferenzen vom 23. Juni An meine lieben Brüder im Bischofsamt, die Delegierten der fünften Vollversammlung der Vereinigung der Asiatischen Bischofskonferenzen! 1. Mit großer Freude wende ich mich an Euch, die Ihr Euch in Bandung, Indonesien, zur fünften Vollversammlung der FABC zusammengefunden habt. Durch Euch grüße ich herzlich alle Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien der Kirche in Asien. Mit den Worten aus dem ersten Petrusbrief bete ich: „Gnade sei mit euch und Friede in Fülle“ (1,2). Als Hirten der Kirche, die aufgerufen sind, die „Zeichen der Zeit“ zu lesen, wollt Ihr auf Eurer Versammlung das Thema besprechen: „Herausforderungen, die sich der Kirche in Asien nach 1990 stellen: ein Ruf, der Antwort fordert.“ Nach einem Vorstudium, das Ihr mit wachem Pastoralempfinden durchgeführt habt, möchtet Ihr jetzt auf gemeinsame Probleme eine gemeinsame Antwort geben. Als universaler Hirte der Kirche möchte auch ich mein Herz im Geist kollegialer Zuneigung und Mitsorge öffnen, um zusammen mit Euch über den irdischen Pilgerweg der Kirche in Asien nachzudenken. Ich biete Euch meine brüderliche Ermunterung und Unterstützung an in der vertrauensvollen Hoffnung, daß Eure Versammlung klare und konkrete Leitlinien aufweisen wird, aus denen Eure Ortskirchen Anregung und Kraft für die Zukunft entnehmen können. <766> <766> Welches sind die Herausforderungen, denen sich das Volk Gottes in Asien bei seinem Bemühen, Christus in der Welt von heute nachzufolgen, gegenüber sieht? Ein Hauptproblem sind Säkularisierung und Materialismus, zwei verschiedene, aber miteinander verbundene Phänomene, die mehr und mehr in das Denken der einfachen Menschen in deren Streben nach einem besseren Leben eindringen, und die gleichermaßen durch Regierungsprogramme 953 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und kulturelle Einrichtungen Eingang finden. Ich teile Eure Sorge, daß junge Asiaten, vor allem jene in besser entwickelten Ländern, in zunehmenden Maß dazu neigen, Erfolg und materiellen Besitz zum Maßstab des Glückes zu machen. Im Hinblick auf die reichen und alten geistlichen Traditionen Asiens wäre es wirklich tragisch, wenn es den Menschen dieses Kontinents infolge zunehmender Mißachtung der transzendenten und religiösen Dimensionen des Lebens nicht mehr gelänge, sich als Menschen in ihrer Person voll und echt zu verwirklichen. Eine andere ernste Herausforderung ergibt sich aus der Tatsache, daß viele Länder Asiens noch unter dem unterdrückenden Einfluß des Kommunismus stehen und folglich die menschliche Freiheit entbehren. In Länder, die von der Tradition her als Stätten der Harmonie galten, hat der Kommunismus eine erschreckende Disharmonie gebracht. Sie verhindert die ungebrochene menschliche Entwicklung dadurch, daß sie den Bruch mit der Tradition gebietet, ja oft ihn gewaltsam auferlegt, und unterwirft zahlreiche Menschen harten Leiden, auch dem Hunger, durch unrealistische Wirtschaftspläne und falsch gesetzte Prioritäten, wie etwa kostspielige Aufrüstung. Ein weiterer Grund zu ernster Sorge ist die Verletzung der Menschenrechte in gewissen Teilen Asiens. In diesem Zusammenhang sehen wir bei einigen die Tendenz, das Streben jener, die auf die Anerkennung der unveräußerlichen Menschenrechte bedacht sind, als etwas der örtlichen Kultur Fremdes beiseitezuschieben. Die Frage der Menschenrechte bringt uns dazu, die Zeichen religiöser Intoleranz zur Kenntnis zu nehmen, die in einigen asiatischen Ländern zu erkennen sind. Unter dem Druck bestimmter Gruppen haben z. B. gewisse Regierungen in Nationen, in denen es viele Anhänger des Islam gibt, Haltungen eingenommen, die sich nicht mit jener Toleranz vereinbaren lassen, die ein Teil der ehrwürdigen islamischen Tradition sind. Manchmal wurden Versuche zu Gesetzesänderungen unternommen und Maßnahmen ergriffen, die effektiv die Rechte religiöser Minderheiten bestreiten. Die unnachgiebigen Haltungen einiger, die anderen Religionen keinen Raum lassen, erkennen nur das als echt asiatisch an, was innerhalb der eigenen religiösen Kategorien Ausdruck finden kann. Das bedauernswerte Phänomen der Intoleranz ist aber nicht auf irgendeine einzelne religiöse Tradition beschränkt. Schließlich ist die weitverbreitete Armut ein besonders alarmierendes Problem, das die Kirche nicht übersehen kann. Während manche Asiaten die Wohltaten der technischen Entwicklung erfahren, sind andere zu modernen Formen der Sklaverei gezwungen. Ich denke dabei an die Ausbeutung von Arbeitern, den Ausschluß zahlreicher Menschen von den Gütern einer fortgeschrittenen Gesellschaft, den Mangel an sozialer Hilfe, ferner Analphabetentum, Drogenmißbrauch und andere „künstliche Paradiese“, an weitverbreitete Spielleidenschaft und Gewalt, an Korruption in den großen Städten und die inhumanen Lebensbedingungen, die Millionen von Menschen in den wimmelnden Randbezirken der Städte erfahren müssen. Zu diesen vielen sozialen Übeln müssen wir noch die unkontrollierte Ausbeutung natürlicher Hilfsquellen zählen und die Umweltverschmutzung auf Geheiß einflußreicher wirtschaftlicher Interessen, zum Schaden der technologisch am wenigsten fortgeschrittenen Völker. <767> <767> Liebe Brüder, Eure tiefe pastorale Sorge um die schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen, unter denen so viele Euch anvertraute Menschen leben müssen - Bedingungen, 954 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die nicht auf leichte Lösungen ansprechen, und oft durch Mißstände und Ungerechtigkeiten aufgezwungen, die in einigen Fällen schon zu bleibenden „Strukturen“ der Gesellschaft geworden sind - Eure tiefe Sorge um all dieses ist für Euch schon Ansporn genug, Euren Einsatz hinsichtlich der Aufgabe der Evangelisierung zu erneuern. Als Bischöfe wißt Ihr, daß Eure Hauptaufgabe nicht nur darin besteht, das Böse anzuprangem, sondern auch darin, eine, Botschaft der Umkehr und der Hoffnung zu verkünden. Als Männer des Glaubens seid Ihr fest davon überzeugt, daß die Kraft des Evangeliums zur Überwindung des Bösen in einem lebendigen Menschen ihre Wurzel hat, welcher der Erlöser der Welt ist. Wie das II. Vatikanische Konzil sagt, „klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Christus ist jener „vollkommene Mensch“ (ebd.), der sich in gewissem Sinn mit jedem Menschen verbunden und in allen Kindern Adams - gleich, welcher Nation oder Kultur -jene Gottebenbildlichkeit wiederhergestellt hat, die die Sünde entstellt hatte. Ebenso ist es das Licht Christi, das Euch fähig macht, angesichts großer Ungerechtigkeiten unerschrocken die Würde und die fundamentalen Rechte eines jeden Menschen zu verkünden. Es ist die in Christus offenbarte Liebe Gottes, die Euch dazu bringt, mutig die Soziallehre der Kirche auf die. wirklichen Lebensverhältnisse der Völker Asiens anzuwenden und einen weiteren sozialen Fortschritt und eine umfassendere materielle und kulturelle Entwicklung zu fördern. Es ist. Dienst für Christus, der eure erzieherischen und karitativen Werke aufrechthält und der noch mehr Eure Gläubigen dazu auffordert, dem Beispiel von Menschen wie Mutter Teresa von Kalkutta zu folgen in dienender Hilfe für die Notleidenden und Unterdrückten. Ihr wißt zugleich, daß die Suche nach Sinn und Wohlbefinden auch eine Suche nach Rettung sein muß. Die Rettung, die Euch als Bischöfen ein Anliegen ist, ist jene, die von Christus errungen wurde und angeboten wird: die Erlösung des ganzen Menschen, eine vollständige und universale, einzigartige und absolute, volle und alles umfassende Rettung. Der christliche, Apostel ist nicht bloß em Sozialarbeiter, nochist der christliche Glaube eine bloße Ideologie oder ein humanistisches Programm. Die Kirche muß immer und überall bestrebt sein, die Menschen zur Verwirklichung ihrer ewigen Berufung in Christus zu führen, eine Berufung zur persönlichen Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott. Auch dann, wenn sie sich im Werk der menschlichen Entwicklung einsetzen, sollten Christen immer der Worte des hl. Paulus eingedenk sein: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor9,16). <768> <768> Am Vorabend des dritten christlichen Jahrtausends ist ein immer stärkerer Einsatz für die Evangelisierung Gebot für alle Ortskirchen Asiens, die, wenn sie auch klein sind, sich in ihrem Zeugnis für das Evangelium als dynamisch und stark erwiesen haben. Sie sind besonders dazu aufgefordert, die Frohe Botschaft dort zu verkünden, wo verschiedene Religionen und Kulturen Zusammentreffen, an den Kreuzungspunkten von sozialen, politischen und wirtschaftlichen Kräften in unserer heutigen Welt. Im Licht dieser grundlegenden Pflicht ist Eure Versammlung eine Gelegenheit, neue Wege zu suchen, um in Euren Ortskirchen das Bewußtsein von der Notwendigkeit der Erstevangelisierung zu verstärken. Wenn die Kirche auch mit Freude das anerkennt, was immer sich in den religiösen Traditionen des Buddhismus, des Hinduismus und des Islam an Wahrem und Heiligem als ein Widerschein jener Wahrheit vorfindet, die alle Menschen erleuchtet, so mindert das doch nicht ihre 955 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Pflicht, noch ihren Entschluß, unbedingt Jesus Christus zu verkündigen, welcher „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist (Joh 14,6; vgl. Nostra aetate, Nr. 2). Wir sollten nicht vergessen, was Papst Paul VI. in dieser Hinsicht lehrte: „Weder die Achtung und Wertschätzung, noch die Vielschichtigkeit der aufgeworfenen Fragen können für die Kirche eine Aufforderung darstellen, eher zu schweigen als Jesus Christus vor den Nichtchristen zu verkünden“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 53). Die Tatsache, daß die Anhänger anderer Religionen Gottes Gnade empfangen und durch Jesus Christus auch unabhängig von den gewöhnlichen Mitteln, die er dazu gegeben hat, gerettet werden können, macht damit nicht den Ruf zu Glauben und Bekehrung rückgängig, die Gott für alle Völker will (vgl. Ad gentes, Nr. 7). Es ist ein Widerspruch zum Evangelium und zur Natur der Kirche selbst, zu behaupten - wie einige es tun -, die Kirche sei nur ein Weg unter vielen Wegen der Erlösung, und ihre Sendung gegenüber Anhängern anderer Religionen bestünde lediglich darin, diesen zu helfen, bessere Anhänger dieser Religionen zu sein. 5. Die Sendung des Volkes Gottes, liebe Brüder, ist zweifacher Art: Zeugnis für Christus zu geben und für das, „was im Himmel ist, wo Christus zur Rechten Gottes sitzt“ (Kol 3,1), und ein Sauerteig der Liebe und Güte in den Angelegenheiten dieser Welt zu sein, bis Christus in Herrlichkeit wiederkommt. Heute möchten Laien in immer größerer Zahl an dieser Sendung Anteil nehmen und tun es in wachsender Verantwortung. Wir begrüßen dieses Zeichen der Zeit und erkennen die unverzichtbare Rolle von Laien, Männern und Frauen, bei der Ausbreitung der Frohen Botschaft an. Als Hirten und Führer der Gläubigen in Asien werdet ihr es notwendig finden, auf die Wünsche der Laien zu antworten, indem Ihr ihrer Anteilnahme mehr Raum gebt in Übereinstimmung mit der Unterscheidung der Rollen, die in einem Beschluß aus der apostolischen Zeit ihre Grundlage hat, als nämlich die Apostel unter dem Wirken des Heiligen Geistes sagten: „Es ist nicht recht, daß wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen ... Wh wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben“ (Apg 6,2.4). So können die Priester, wenn sie von vielen zusätzlich erforderlichen Verwaltungsarbeiten frei werden, Beispiele für eine tiefe Spiritualität und Zeugen für transzendente Werte werden, die in Gebet und Kontemplation zum Ausdruck kommen, und sie können der Gegenwart Gottes im Leben derer, denen sie dienen, eine beständigere Aufmerksamkeit widmen. In Übereinstimmung mit ihrem besonderen Dienst sollten Priester vor allem aktiv sein in der christlichen Formation der Laien, deren unersetzliche Berufung in der Heiligung der Welt in all ihren zeitlichen Wirklichkeiten besteht. Laien, Männer und Frauen, sind dazu berufen, in der Öffentlichkeit mutig ihrer christlichen Überzeugung Ausdruck zu geben im Dienst des Gemeinwohls. Gebildete Christen leiden aber oft unter dem Zwiespalt, im beruflichen Bereich Experten, aber religiös nicht entsprechend unterrichtet zu sein. Dennoch bezeugt die Geschichte der Evangelisierung, in Korea und Vietnam z. B. ebenso wie im alten Rom selbst, die ausgezeichnete Evangelisierungsarbeit, die von Gliedern der Laienschaft geleistet wurde. Die Kirche in Asien ist heute zunehmend gesegnet mit dem tiefen Glauben und der ansteckenden Begeisterung von Laien in allen möglichen Lebensstellungen, die der Mission der Kirche erfolgreich und überzeugend dienen, oft aber in diskreter und unaufdringlicher Weise. 956 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Beziehung zwischen Priestern und Laien ist vor allem ein Verhältnis der gegenseitigen Ergänzung. Die Kirche in Asien ist jenen mutigen und selbstlosen Missionaren, Männern und Frauen, die die Kirche auf Eurem Kontinent aus Liebe zu Christus eingepflanzt und gestützt haben, ungeheuren Dank schuldig. Da vor allem die Anzahl der Priester abnimmt, besteht die Versuchung, zu meinen, die zunehmende Beteiligung der Laien könne ein Ersatz für den priesterlichen Dienst sein, vor allem dort, wo es wenige Berufungen gibt. Doch diese Denkweise engt das Werk der Evangelisierung ein und läßt die Kirche von innen her verarmen. Priester sind für das Weiterleben und die Fruchtbarkeit der Kirche und ihrer Sendung absolut und wesentlich notwendig. Ich bitte euch daher dringend, alle Anstrengungen zu unternehmen, um weiterhin die Berufungen zum Priestertum unter Euren Gläubigen zu fördern, in dem Vertrauen, daß Gott auf ein so bedeutungsvolles Bemühen seinen Segen herabgießen wird. Wie die Erfahrung einiger Eurer Ortskirchen gezeigt hat, dient die Beteiligung einer dynamischen und aktiven Laienschaft - weit davon entfernt, Priesterberufungen zu vermindern - vielmehr dazu, diese zahlreicher zu machen. Liebe Brüder, ich teile zutiefst Eure Überzeugung, daß diese Stunde für die Kirche in Asien von großer Bedeutung ist. Euer sehnsüchtiges Hoffen, daß Eure Ortskirchen wachsen mögen, ist auch meine eigene Hoffnung, und täglich trage ich sie im beständigen Gebet für Euch alle vor den Herrn der Ernte. Möge Euer Treffen in Bandung der Szene in der Apostelgeschichte gleichen, als die Apostel vor Pfingsten versammelt waren. Sie „verharrten einmütig im Gebet, zusammen mit... Maria, der Mutter Jesu“ (Apg 1,14). Möge sie, die die Mutter der Kirche ist, ein weiteres Ausgießen der Gaben des Heiligen Geistes auf Euch alle erwirken! Nehmt dies als Ausdruck meiner geistigen Verbundenheit mit Euch und als Ermutigung in Euren pastoralen Verantwortlichkeiten. Nehmt meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am Fest des Unbefleckten Herzens Marias, 23. Juni 1990 Joannes Paulus PP. n Der Mensch ist nicht Maß aller Dinge Ansprache beim Besuch im Priesterkolleg Santa Maria dell’ Anima am 24. Juni Liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt! Liebe Schwestern und Brüder! Mit großer Freude habe ich die Einladung angenommen, das Priesterkolleg Santa Maria dell’ Anima sowie die Pfarrgemeinde deutschsprachiger Katholiken in Rom zu besuchen und mit euch allen das Hochfest der Geburt Johannes des Täufers zu begehen. Mein herzlicher Gruß gilt den Vertretern der Deutschen und der Österreichischen Bischofskonferenz, dem Herrn Rektor und den Priestern des Kollegs sowie den Repräsentanten der Länder, deren Katholiken hier ihre geistliche Heimat finden; ferner den Mitgliedern des Ver- 957 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN waltungsrates der Anima-Stiftung und allen Gläubigen der deutschsprachigen Gemeinde mit ihrem Herrn Kuraten. Das heutige Fest stellt uns die überragende Gestalt Johannes des Täufers vor Augen, den Gott berufen hat, Christus den Weg zu bereiten. Mit seinem Wirken sollte die Zeit des Heils, die Zukunft Gottes anbrechen. Unser Blick geht zum Bild des Giulio Romano über dem Hochaltar dieser Kirche: es stellt die heilige Familie dar, dazu den noch kleinen Johannes den Täufer, den Apostel Jakobus und den Evangelisten Markus, diese aber als erwachsene’Männer. Johannes der Täufer weist mit seiner linken Hand,lebhaft auf das Jesuskind hin, das in seiner kindlichen Schwäche dargestellt ist. Auf die Frage der Verwandten und Nachbarn von Elisabeth und Zacharias: „Was wird wohl aus diesem Kind werden?“ scheint uns das Bild eine Antwort zu geben: Johannes der Täufer weist mit seiner ganzen Gestalt den neben ihm stehenden Besucher Jakobus auf Jesus hin; das Bewußtsein seiner Kleinheit beugte ihn tief: Ich bin nicht wert, ihm, der nach mir kommt, aber vor mir ist, die Schuhriemen aufzulösen. Dieses Wort hat nichts mit falscher Demut zu tun. Dazu ist der Täufer zu gerade und zu nüchtern. Er hat die menschliche Ohnmacht sicher besser erkannt als die meisten Menschen. Der Bußprediger, der die Menschen von innen her erfaßt, der sie in ihrem Festgefahrensein erschüttert und sie umgestaltet, der sie aus der Oberflächlichkeit rein diesseitiger materialistischer! Haltung herausreißt, er gehört noch dem Alten Bunde an, er ist nur Wegweiser zum Reiche Gottes; und dieses Reich Gottes ist nahe, hört man die Stimme des Rufers in der Wüste. Die Demut des Täufers ist echt. Gott aber hat die Kleinheit des Täufers überhört mit der Größe der übertragenen Aufgabe, ja, er hatte ihn schon im Mutterschoß zu sich emporgehoben; denn noch ehe er geboren war, war er „wiedergeboren“ aus dem Geiste Christi. Menschliche Größe ist ein Nichts im Vergleich zum Kleinen, der an Gottes Größe und Heiligkeit teilhaben darf. Für uns Priester ist Johannes ein Vorbild. Er sucht nichts für sich, sondern alles für den, auf den er hinweist. Das Kind stellt gleichsam schon das uns im vierten Evangelium überlieferte Wort dar: „Er muß wachsen, ich aber abnehmen“ (Joh 3,30). Johannes sollte die Menschen zu Jesus hinführen und Zeugnis ablegen. Ihr, liebe Priester des Animakollegs, wohnt hier, um in Rom eure Studien weiterzuführen oder eine Spezialausbildung zu absolvieren. Ihr kehrt nach Abschluß des Studiums in eure Heimatdiözesen zurück, um euch in besonderer Weise in den Dienst eurer Bischöfe zu stellen. Auch ihr sollt, bestärkt und bereichert durch eure Zeit in Rom, Zeugnis ablegen. Beim Betreten eurer Kirche stoßen wir auf viele Spuren und Glaubenszeugnisse der Geschichte der verschiedenen Volksstämme, die einst das ehemalige Heilige Römische Reich deutscher Nation bildeten. Papst Pius IX. hat am 25. November 1860 das damals neu gegründete Priesterkolleg besucht. Wir finden ferner das: Grab des für lange Zeit letzten Papstes, der nicht italienischer Herkunft war, des Niederländers Hadrian VI. „Was wird wohl aus unserem guten Werk werden?“, so haben sich möglicherweise auch die Stifter von Santa Maria dell’ Anima Johannes Peters und seine Frau Katharina aus Dordrecht im 14. Jahrhundert gefragt, als sie ein „Hospiz für Personen der deutschen Nation“ gründeten. Durch-Gottes Gnade und die Hilfe und Mitarbeit vieler großmütiger Menschen ist aus den kleinen Anfängen ein ansehnliches Werk geworden, das zahllosen Pilgern Obdach und 958 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hilfe geboten hat. Santa Maria dell’ Anima ist heute noch das Zentrum der deutschsprachigen Katholiken, das in der weit auseinanderstrebenden Stadt Rom die Gläubigen zusammenzuführen sucht, um ihnen Halt zu geben und sie zum Zeugnis für Christus aufzurufen und zu stärken. Johannes und seine Lebensgeschichte ist wie ein Transparent, auf dem ein Name und eine Wahrheit angezeigt wird. Es bleibt dunkel, solange nicht dahinter eine Lichtquelle entzündet wird. So sagt auch das Evangelium von Johannes: „Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis geben von dem Licht“ (Joh 1,8). Gottes Licht ist entscheidend in seinem Leben und Auftrag. Dank seines Lichtes sollen wir sehend werden, um den Willen Gottes zu erkennen. Dieser ist oft gegen unseren eigenen Wunsch und gegen unseren eigenen Willen. Bei der Namensgebung für den neugeborenen Johannes anläßlich der Beschneidung sollte die Tradition maßgebend sein; er sollte nach seinem Vater benannt werden. Aber Elisabeth entschied anders. Sie kannte den Willen Gottes und gab ihrem Kind den Namen „Johannes“, das heißt „Gott erweist sich gnädig“. Warum sollte das nur damals so sein? Wir alle können im Leben die Macht und Güte Gottes erfahren, wenn wir ihm vertrauen und ernsthaft versuchen, seinen Willen zu tun. Das aber erfordert von uns Demut und das Bewußtsein, daß der Mensch nicht das Maß aller Dinge ist. Wir dürfen uns nicht selbst als Maßstab allen Denkens, aller Moral und allen Rechtes betrachten. Wir erliegen nur allzu leicht dem Bewußtsein, daß alles machbar ist, Himmel und Erde, ja sogar der Mensch selbst, und zwar nach unserem eigenen Bild und Gleichnis. Was dem Menschen heutzutage jedoch abgeht, ist eine Haltung der Demut, denn zu keiner Zeit war der Mensch tiefer in die Untermenschlichkeit gesunken als heute. Wie kann er zum Beispiel das Leben gerade dann, wenn es seines Schutzes am meisten bedürfte, geringschätzen? Menschsein muß zur Tragödie werden, wenn der Mensch immer wieder versucht, aus eigener Kraft sich über sich selbst in Gottes Höhe zu erheben. Dem folgt notwendigerweise der Sturz in die Tiefe. Gott selbst muß kommen und uns erlösen. Und er kam in dem, auf den Johannes verwiesen hat: Seht, das Lamm Gottes, das hinwegnimmt die Sünde der Welt. Christus allein kann den Höhenflug des Menschen tragen und erhöhen, weil er ihn in Gottes Höhe holt. Er allein kann die wahre Größe verleihen und verleiht sie gern dem Niedrigen, der sich selbst verleugnet und ihm nachfolgt. Nicht gegen Gott, sondern in Gott hat des Menschen Größe Gültigkeit und Ewigkeit. Was die Stifter von Santa Maria dell’ Anima nicht voraussehen und erwarten konnten, ist eingetreten: durch die Gnade Gottes ist aus dem kleinen Samenkorn ein großer Baum geworden, der durch die Jahrhunderte gewachsen ist. Das Priesterkolleg wie auch die Gemeinde mögen auch in Zukunft mutig und kraftvoll Zeugnis able-gen von Christus. Mögen die vielen Priester, die hier zur Zeit ihrer Studien gelebt haben, auch weiterhin das geistliche und kirchliche Leben ihrer Heimat befruchten. Mögen die vielen Pilger aus dem Norden und der Mitte Europas in der „Ewigen Stadt“ ihre Heimat finden. Möge auch weiterhin die deutschsprachige Gemeinde in Rom, die hier ihr Zentrum hat, blühen und gedeihen. Das gewähre auf die Fürsprache der heiligen Gottesmutter der Allmächtige und gütige Gott. Amen. 959 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Versöhnung: eine der Hauptaufgaben der Kirche Ansprache an die Bischöfe der ukrainisch-katholischen Kirche am 25. Juni 1. „Die Huld des Herrn ist nicht erschöpft, sein Erbarmen ist nicht zu Ende“ (Klgl 3,22). Gestattet, liebe Brüder, die ihr hier zusammengekommen seid, daß ich mich mit meinen Worten zuerst an die barmherzige göttliche Vorsehung wende. Gott selbst verdanken wir diese Begegnung, die heute im Hause des Nachfolgers Petri beginnt. Zum ersten Mal seit nahezu einem halben Jahrhundert treffen sich hier alle Bischöfe der katholischen Kirche des byzantinisch-slawischen Ritus, die seit fast vierhundert Jahren ihre Sendung unter dem Gottesvolk in der alten Rus’, das heißt nach heutigem Sprachgebrauch in der Ukraine erfüllt: in Galizien (Land Halitsch) und in den Gebieten Transkarpatiens, zusammen mit den Bischöfen der Diaspora, die unter den Emigranten in Amerika, Australien und Westeuropa tätig sind. Diese Kirche ist heute zusammen mit ihrem Kardinal-Erzbischof, dem Großerzbischof von Lemberg, hier in diesem Haus anwesend und beschäftigt sich mit Themen, die Anliegen aller sind. Die Huld des Herrn ... Wir danken dem Herrn, daß die Tausendjahrfeier der Taufe der Rus’ für diese Kirche in ihrem Ursprungsland eine neue Situation eingeleitet hat. Bedeutende Umwandlungen moralischer und sozialer Natur haben dazu geführt, für die Katholiken des orientalischen Ritus und für ihre Kirche, die mit dem Sitz des Petrus in Einheit verbunden ist, das Recht auf Religionsfreiheit anzuerkennen. So tritt die Gemeinschaft des Gottesvolkes, die im Jahre 1946 als illegal erklärt wurde, nunmehr aus den Katakomben hervor. Jene Entscheidung ist der Grund für unermeßliches Leid gewesen, durch die Hirten und die Gläubigen am Kreuz Christi teilgenommen haben. Heute gedenken wir mit höchster Verehrung aller jener, die in dieser langen Zeit der Prüfung Zeugnis gegeben haben für ihren Glauben an Christus und seine Kirche. Im Geist sind sie mitten unter uns. Wir glauben, daß ihr Opfer und ihr Gebet uns die Gnade dieses Augenblicks, dieses neuen Anfangs erwirkt haben. Zugleich schauen wir auf Christus, den Gekreuzigten, der am Höhepunkt seines Leidens den Vater bat: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Diesen erlösenden Flehruf suchen wir zum Ruf unserer Herzen zu machen: Christus, der durch das Blut seines Kreuzes alle Menschen mit dem Vater versöhnt hat (vgl. Kol 1,20), sei auch für uns die Versöhnung mit den Brüdern in der Zeit, in der wir leben. <769> <769> Diese Versöhnung heute, am Ende des zweiten Jahrtausends nach der Geburt des Erlösers, ist eine der Hauptaufgaben der Kirche. Beim Zweiten Vatikanischen Konzil hat die Kirche erneut mit tiefer Bewegung die Worte des Testaments gelesen, das im Abendmahlssaal ausgesprochen wurde. Der Flehruf: Vater, ich bitte, „alle sollen eins sein“ (Joh 17,21) ist für uns und für viele unserer getrennten Brüder im Osten und im Westen zum Ansporn geworden, nach der Einheit der Kirche zu suchen, die im Lauf der Jahrhunderte verlorenging. Eine der Früchte des Konzils ist gerade die intensive ökumenische Tätigkeit, das heißt, das Werk, das auf die Wiederherstellung der Einheit der seit Jahrhunderten in Ost und West gespaltenen Christen abzielt. 960 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Osten geht die bestehende Trennung sozusagen durch das Zentrum eurer Geschichte. Zur Zeit der Taufe der Rus’ von Kiew, im Jahr 988, war die Kirche noch geeint. Die Spaltung kam ein Jahrhundert später. Aber hier muß unterstrichen werden, daß die Kirche von Kiew die Jahrhunderte hindurch beständig eine mögliche Annäherung und Versöhnung gesucht hat: Die Union von Brest im Jahr 1596 hat den Weg dazu eingeschlagen. Das letzte Ökumenische Konzil erlegt uns neue Verpflichtungen gegenüber unseren orthodoxen Brüdern in Konstantinopel, Moskau, Athen und anderswo auf. Der Apostolische Stuhl und die ganze Kirche fühlen sich zu diesem ökumenischen Dialog mit der ganzen Orthodoxie solidarisch verpflichtet. Er ist auch eine grundlegende Aufgabe für die Kirche des ukrainischen Ritus. Das Zweite Vatikanische Konzil hat ja erneut die Existenz und die Besonderheit aller mit dem Sitz des Petrus verbundenen orientalischen Kirchen bestätigt. Wenn das Konzil ihre liturgischen und hierarchischen Gesetze erneut bestätigt, so unterstreicht es aber zugleich auch die besondere Aufgabe dieser Kirchen, die Einheit aller Christen, besonders der östlichen, zu fördern, so daß sie eine Brücke zur Einheit bilden (vgl. Orientalium Ecclesiae, Nr. 24). Eine Brücke also und nicht etwa ein Hindernis! An diesen Grundsatz hat sich der Apostolische Stuhl jedesmal gehalten, wenn er bei den Autoritäten der Sowjetunion für die Wiederherstellung des Rechts auf das Dasein und die Tätigkeit eurer Kirche in eurem Vaterland eingetreten ist. 3. Diese Themen werden eingehend in den Berichten dargestellt, die für unsere Zusammenkunft erarbeitet wurden. Zuerst aber möchte ich noch einmal daran erinnern, daß im Jahr 1980 die Apostel der Slaven, die hll. Kyrill und Method, zu Patronen Europas erklärt wurden. So sind sie zusammen mit dem hl. Benedikt, dem Patron des Abendlandes, Mitpatrone unseres Kontinents. Die Ereignisse der letzten Jahre und vor allem die der letzten Monate sind dabei, der katholischen Kirche und ihren Gliedern in den einzelnen Ländern Mittelosteuropas ihre Rechte zurückzuerstatten. Der Kontinent, der nach dem Zweiten Weltkrieg künstlich geteilt war, ist daran, seine organische Einheit und seinen Zusammenhalt wiederzugewinnen. Wh wissen, daß es sich um die Einheit aus zwei verschiedenen Traditionen in der Kultur und auch in der Kirche handelt. Diese Traditionen - die östliche, deren Wortführer die Slavenapostel sind, und die westliche, deren Patron der hl. Benedikt ist, - müssen einander wieder näher kommen. Der grundlegende Raum für diese Annäherung ist das Christentum. Die katholische Kirche fühlt sich verantwortlich für die Zukunft Europas. Beweis dafür ist die in Velehrad in Mähren angekündigte Synode der europäischen Bischöfe, wofür die Vorbereitungsarbeiten schon angelaufen sind. Auch die Kirchen Galiziens, der Ukraine, der Gebiete Transkarpatiens und Rumäniens sind zur Mitarbeit eingeladen. Ich möchte diese einleitenden Worte beschließen, indem ich alle der mütterlichen Fürbitte der Muttergottes anvertraue. Im Geist bin ich oft zu ihren Heiligtümern in euren Ländern gepilgert. Danken wir Gott, daß diese Gebetswallfahrt uns alle, liebe und ehrwürdige Brüder, „ad limina Apostolorum“ zusammengeführt hat. 961 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Tod ist zur Befreiung geworden Predigt am Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus, 29. Juni 1. „Der Herr hat mich all meinen Ängsten entrissen“ (vgl. Ps 34,5). In der heutigen Liturgie nimmt die Kirche diese Psalmworte auf. Aus ihnen spricht das besondere Zeugnis der Apostel, die, obschon sie dem Martyrium der Kreuzigung und der Enthauptung entgegengingen, im Herzen keine Furcht empfanden. Es handelt sich sicher nicht um eine „stoische Indifferenz“, die illusorisch wäre: angesichts des Todes kann der Mensch nicht unempfindlich bleiben, handelt es sich doch um die äußerste Erprobung. Wenn die Apostel Petrus und Paulus ihr gegenüber dennoch in Frieden blieben, wenn sie frei von aller Furcht dem Martyrium entgegengingen, dann offenbart diese Haltung die volle Reife des Willens und des Herzens, von der Gnade unterstützt, von der Kraft Gottes selbst, der Macht des gekreuzigten und auferstandenen Christus. Die Apostel wiederholen es: Der Herr hat mich befreit, er hat mich im Glauben erkennen lassen, daß der Tod, der, menschlich betrachtet, Schrecken erregt, in Gott zu wahrer Befreiung wird. Petrus und Paulus gehen dem Tod entgegen, sie gehen dem Martyrium in der Stadt Rom, der Hauptstadt des Weltreichs, entgegen. Furcht und Bangen haben sie hinter sich gelassen. Sie haben den Schrecken überwunden, einen Schrecken, der anders ist als jener, den der Tod erregt, und gerade deshalb fühlen sie sich jetzt auch frei von Todesfurcht. 2. Simon Petrus war ein mutiger Mann. Wenigstens glaubte er es zu sein. Er war bereit, sich ins Wasser zu werfen, um Christus zu begegnen; und um ihn zu verteidigen, war er bereit, in Getsemani auf Malchus einzuschlagen. Er hatte zum Meister gesagt: „Und wenn alle an dir Anstoß nehmen - ich niemals!“ (Mt 26,33). Er hat gewiß Anwandlungen von Mut verspürt, doch mehr als einmal war er über sich selbst enttäuscht, weil diese, wenn auch hochherzigen Anregungen sich als ungenügend erwiesen. Am klarsten zeigte sich das gerade in der Nacht, in der Jesus gefangengenommen und vor Gericht geführt wurde. Dort, im Hof des Hohenpriesters, mußte Petrus mit Bedauern die schmerzliche Feststellung machen, daß er noch nicht von Furcht frei war, von einer sehr erbärmlichen Furcht. Der Herr aber hat ihn befreit. Die Apostelgeschichte erzählt uns, daß Petrus, als er im Gefängnis des Herodes war, schon zum Tod hätte verurteilt werden sollen. Doch die Macht Gottes bewahrte ihn und entriß ihn „dem Rachen des Löwen“ (vgl. Apg 12,11; 2 Tim 4,17), denn es war ihm ein weiter Weg apostolischen Dienstes vorgezeichnet: von Jerusalem nach Antiochien und dann nach Rom. <770> <771> <770> Doch dies war nicht die größte Angst, von der Petras befreit wurde. Hier berühren wir noch nicht das, was seine größte „Befreiung“ war. Es zeigte sich, daß Simon, der Sohn des Jona, eine besondere Geisteskraft besaß, als er, und zwar als einziger unter den Zwölfen, bei Cäsa-rea Philippi Christus die Antwort gab: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ (Mt 16,16). „Du bist der Messias ..." 962 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gleich darauf kündigte Christus sein Leiden und seinen Kreuzestod an, gleichsam als wollte er erklären, was sein Messias-Sein und seine besondere Sendung bedeuteten. Petrus widersprach, er wollte das nicht annehmen. Sicherlich wollte er es deshalb nicht annehmen, weil er seinen Meister liebte; doch vor allem wollte er es nicht, weil er sich nicht dazu verstand, einen gekreuzigten Messias anzunehmen, einen Messias, der so radikal dem Bild entgegengesetzt war, das er sich innerhalb von ihm gemacht hatte. „Der Sohn des lebendigen Gottes“: zum Tod verurteilt, gekreuzigt - das war eine Sicht des Messias, die über seine persönlichen Vorstellungenhinausging. Sie ging auch über seinen Glaubensmut hinaus. Wie ihm auch später im Hof des Hohenpriesters dieser Mut schwand. Aber nachdem der auferstandene Christus dem Petras seine dreimalige Verleugnung verziehen hat, sehen und hören wir Petrus am Pfingstfest in Jerusalem von der größten Angst seines Lebens befreit. Der Herr hat ihn befreit. Von da an bildet die menschliche Furcht vor dem Tod, sei es zur Zeit des Herodes in Jerusalem, sei es zur Zeit des Nero in Rom, für den Apostel keine Gefahr mehr. Er hat jetzt die Gnade der Stärke erhalten, die alle menschliche Furcht überwindet: „Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ (Mt 16,17). 4. Paulus von Tarsus schreibt im Brief an Timotheus: „Der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft“ (2 Tim 4,17). Die Geschichte seiner Bekehrung ist uns allen bekannt. Wir wissen, was geschah. Und wie dann der Herr ihm nahe war und ihm Kraft gab und so die Verkündigung des Evangeliums, das dazu bestimmt war, von allen Heiden gehört zu werden, durch das Wirken des Paulus zustande kam (vgl. ebd.). Wir wissen, wie das geschah. Wir wissen in allen Einzelheiten um das Geschehen vor den Toren von Damaskus. Saulus war gewiß ein mutiger und entschlossener Mann. Er folgte seinen Überzeugungen und ging bis auf den Grand, kühn und selbstsicher, ganz anders als Petras. Aber auch diese seine Sicherheit wurde, wenn auch auf andere Weise, vom Herrn besiegt, vom gekreuzigten und auferstandenen Christus, den Saulus in seinen Jüngern und Nachfolgern verfolgte. Eine andere Furcht ergriff seine Seele, eine heilsame Furcht. Wahrhaftig: „Furchtbar ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen!“ Es ist „furchtbar“ und zugleich Quelle des Heils. In seinem anschließenden Leben als Apostel hat es an Ängsten, Befürchtungen und Gefahren nicht gefehlt, aber Paulus wurde von allem Schrecken befreit. Er wurde auch befreit von der letzten Angst, daß er „nunmehr geopfert“ werde und „die Zeit seines Aufbruchs nahe war“ (vgl. 2 Tim 4,6). Jetzt ist er frei und geht Christus entgegen: „Schon jetzt liegt für mich der Kranz der Gerechtigkeit bereit, den mir der Herr, der gerechte Richter ... geben wird, aber nicht nur mir, sondern allen, die sehnsüchtig auf sein Erscheinen warten“ (2 Tim 4,8). <772> <772> Es ist mir eine besondere Freude, die von Metropolit Bartholomäus von Chalkedon angeführte Delegation zu begrüßen. Mein gebebter Bruder, der Ökumenische Patriarch Dimitrios I., hat sie zum Fest der hl. Petras und Paulus hierher gesandt. Eure Anwesenheit, geliebte Brüder, zeigt einmal mehr, wie groß die gemeinsame Sehnsucht unserer beiden Kirchen nach der Wiederherstellung der vollen Einheit ist. Von Herzen wünsche ich, dieses ökumenische 963 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bemühen möge sich immer mehr vertiefen und uns dem so sehr ersehnten Tag entgegenführen, an dem wir endlich den Herrn mit einer einzigen Stimme loben und gemeinsam die Eucharistie feiern können. Ein weiterer Grund zur Freude ist die Anwesenheit von neuen Metropoliten, die aus allen Teilen der Welt gekommen sind, um das Pallium gerade hier, am Grab des Apostels Petras, entgegenzunehmen. Das Pallium ist bekanntlich das Symbol einer besonderen Verbundenheit mit dem Apostolischen Stuhl. Es ist ein Ehrenabzeichen, aber auch ein Aufruf zu wahrer Treue gegenüber dem Nachfolger des Petras, zur hochherzigen Hingabe des Hirten für das Wachsen der Kirche und das Heil der Seelen. Möge eure Liebe zu Christus und zu seiner Kirche nie abnehmen, und mögt ihr stets zu jeder Prüfung bereit sein nach dem leuchtenden Beispiel der Apostelfürsten! 6. Die Kirche in Rom begibt sich heute zusammen mit den Christen überall auf Erden im Geist auf die Wallfahrt zu den Stätten des Martyriums und des Todes der Apostel Petras und Paulus, des endgültigen Zeugnisses, das sie für den gekreuzigten und auferstandenen Christus abgelegt haben. Es ist ein Zeugnis, das sie vor „der Stadt und dem Erdkreis“ gegeben haben. Die Kirche ist auf der Pilgerfahrt, sie ist auf dem Weg zur endgültigen Befreiung von der Furcht, von jeder Furcht, sie ist unterwegs zu der unerschrockenen Stärke, die den schwachen Menschen von der Liebe Gottes geschenkt wird. „Die vollkommene Liebe vertreibt die Furcht“ (1 Joh 4,18). Heute eilt die Kirche zu den Gräbern der Apostel, sie geht zu den heiligen Petrus und Paulus, um die Kraft zu erhalten, die der Liebe entspringt, und um in ihrer ganzen irdischen Existenz zu erstarken. Stark zu werden von der Geburt bis zum Sterben. In der Kraft, die alle menschliche Schwäche der Kirche stützt! In der Stärke des Felsens, in der Kraft Christi, des gekreuzigten und auferstandenen, gegen den die Pforten der Hölle nichts vermögen (vgl. Mt 16,18). Amen. 964 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dialog überwindet Hindernisse Ansprache an die Delegation des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel am 29. Juni Liebe Brüder! „Gnade mit euch und Friede in Fülle“ (1 Petr 1,2): das wünsche ich Ihnen, die Sie im Namen meines geliebten Bruders, Seiner Heiligkeit des Patriarchen Dimitrios I., und der Kirche von Konstantinopel gekommen sind, um die Freude der Kirche von Rom zu teilen, welche die heiligen Apostel Petrus und Paulus feiert. Es ist wohltuend, bei dieser Gelegenheit beisammen zu sein, feiern doch unsere Kirchen mit gleichem Eifer diese ruhmreichen Zeugen Christi. Die Sendung der heiligen Apostel Petrus und Paulus zur Verkündigung des Evangeliums ist Ausdruck der Universalität der Kirche: Petms war die Evangelisierung der Beschnittenen und Paulus die der Unbeschnittenen anvertraut worden, wie der Brief an die Galater berichtet (vgl. Gal 2,7). Somit wird klar ausgesagt, daß alle dazu berufen sind, sich in Christus zu vereinigen. In unseren Tagen hat der Herr unsere Hoffnung erneuert, eines Tages die Unterschiede überwinden zu können, die noch immer zwischen uns bestehen. Infolgedessen empfängt die den heiligen Aposteln anvertraute Sendung, die wir ererbt haben, neuen Ansporn, zur Ehre Gottes und für das Heil der Welt. Wir fühlen uns daher gedrängt, niemals unsere Mühen zu sparen, um eine vollständige Wiederversöhnung im Glauben und in der Liebe zustandezubringen. Der theologische Dialog der katholischen Kirche mit den orthodoxen Kirchen ist eine dieser Mühen. Er macht seit zehn Jahren Fortschritte und sollte uns eine Überwindung der neu aufgetretenen Hindernisse erlauben. Ich denke an bestimmte Folgen der großen Umwälzungen, die kürzlich das Leben zahlreicher Völker Mittel- und Osteuropas gekennzeichnet haben. In diesen Gebieten haben unsere Kirchen eine größere Freiheit wiedergefunden. Somit haben sich dem Dialog und der Zusammenarbeit unter ihnen neue Möglichkeiten aufgetan. Man muß jedoch auch zugeben, daß es in manchen dieser Gebiete zu neuen Spannungen zwischen unseren Gemeinden gekommen ist. Deshalb habe ich die Initiative meines geliebten Bruders, Seiner Heiligkeit des Patriarchen Dimitrios I., sehr geschätzt, hat er doch vor einigen Wochen Seine Eminenz den Metropoliten Bartholomäus von Chalkedon - der heute Ihre Delegation führt - und Seine Eminenz den Metropoliten Athanasios von Heliopolis beauftragt, mit uns über die eventuellen Rückwirkungen dieser Spannungen auf den Verlauf unseres Dialogs zu sprechen. Es ist uns deutlich zum Bewußtsein gekommen, daß, wenn wir die praktischen Probleme, die wir aus der Vergangenheit übernommen haben, gemeinsam lösen wollen, unser Meinungsaustausch mehr denn je in Klarheit und Achtung für das Gewissen aller fortgesetzt werden muß. Ich bitte Sie, Seiner Heiligkeit dem Patriarchen Dimitrios I. meine brüderlichen Grüße zu überbringen. Ich danke ihm dafür, daß er Sie zum Zeichen der Liebe, die unsere Kirchen in der gemeinsamen Verehrung der Apostel Christi verbindet, hierher gesandt hat. Ich bitte den Herrn, er möge durch die Fürbitte der heiligen Petras und Paulus den Tag unserer vollen Gemeinschaft Tasch herbeiführen und uns „fröhlich in der Hoffnung“ (Rom 12,12) bewahren. 965 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brief an alle Bischöfe, Priester und Gläubigen der Kirche zur 1400-Jahrfeier der Wahl des hl. Gregor des Großen zum Papst vom 29. Juni Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne und Töchter, Gruß euch und Apostolischen Segen! Die bevorstehende 1400-Jahrfeier der Wahl des hl. Gregor des Großen zum Bischof von Rom ist ein bedeutungsvolles Ereignis, das von allen Gläubigen der Kirche und zumal von den Bischöfen und Priestern bedacht zu werden verdient. Einige unter den hervortretenden Zügen an seiner einzigartigen Persönlichkeit, die kraft ihrer Beispielhaftigkeit bis heute beeindrucken, obwohl zwischen seiner Zeit und der unseren viele Jahrhunderte liegen, sind folgende: der Ehrentitel „der Große“, den ihm die Geschichte zugeschrieben hat; das ganz ausgesprochen pastorale Empfinden, das als oberster Bezugspunkt und unaufgebbare Pflicht über seine Sorgen und Aufgaben als Staatsmann, die ihm ebenfalls zugefallen waren, immer den Vorrang behielt; und schließlich die Entsendung von Augustinus und seinen Mönchen zu den Angeln, um dort die ebenso schwierige wie fruchtbare Aufgabe der Evangelisierung zu übernehmen. Die Gestalt Gregors steht uns in ihren menschlichen und priesterlichen Zügen weiter vor Augen und weckt unsere Bewunderung. Trotz des gewandelten, um nicht zu sagen neuen sozio-kulturellen Klimas von heute bietet sie ein nachdrückliches Zeugnis für die Treue zum Evangelium und eine mächtige Anregung für unseren Eifer und unseren Gedankenreichtum als Seelenhirten. SERVUS SERVORUM DEI (Diener der Diener Gottes): bekanntlich hat er dieser Formulierung seit der Zeit, da er Diakon war, den Vorzug gegeben und sie in nicht wenigen seiner Briefe verwendet. Sie wurde dann später zum traditionellen Titel und geradezu zur Definition der Person des Bischofs von Rom. Es steht im übrigen fest, daß er in aufrichtiger Demut sein Amt in diesem Sinn ausübte, gerade wegen seiner universalen Aufgabe in der Kirche Christi, daß er sich immer als obersten und ersten Diener betrachtete und erwies - als Diener der Diener Gottes, als Diener aller nach dem Beispiel Christi selbst, der ausdrücklich betont hat, er sei nicht gekommen, „um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hin-zugeben als Lösegeld für viele“ (Mt 20,28). Er hatte ein sehr tiefes Bewußtsein von seiner Würde, die er nur sehr zögernd übernahm, nachdem er sich vergeblich bemüht hatte, ihr zu entgehen, verborgen zu bleiben; sehr klar war er sich aber zugleich seiner Verpflichtung zum Dienen bewußt. Für sich selbst verstand er dies so, und er sorgte auch dafür, daß die anderen es in gleicher Weise verstanden: Jede Autorität, zumal in der Kirche, ist wesentlich Dienst. Eine solche Auffassung von seinem bischöflichen Amt und entsprechend von jedem pastora-len Dienst, läßt sich in dem Wort „Verantwortung“ zusammenfassen: wer immer ein kirchliches Dienstamt ausübt, muß für das, was er tut, nicht nur den Menschen, nicht nur den ihm anvertrauten Seelen „antworten“, sondern auch und an erster Stelle Gott und seinem Sohn, in 966 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dessen Namen er jedesmal dann handelt, wenn er die übernatürlichen Schätze der Gnade aus teilt, die Wahrheiten des Evangeliums verkündet sowie Leitungs- und Regierungsaufgaben erfüllt. Diese Auffassung, die ein waches Bewußtsein persönlicher Verantwortung ist, finden wir nicht nur in der Arbeit bestätigt, die er in den Jahren seines Pontifikats geleistet hat, sondern auch in seinen Schriften, zumal in dem Buch, das die Jahrhunderte hindurch bis heute ein unvergleichlicher Text für Seelsorger geblieben ist und bleibt und auch nachdrücklich von nicht wenigen Synoden und Konzilien empfohlen wurde. Wenn gewisse Aussagen der „Regula pastoralis“ des hl. Gregor wohlbekannt wind, wie zum Beispiel jene: „Die Kunst aller Künste ist die Seelenführung“, wie könnte man dann die mahnenden strengen Worte, die ihnen voraufgegangen und folgen, vergessen: „Wie kommen manche dazu, den seelsorglichen Lehrauftrag ohne Vorbereitung zu übernehmen? ... Manche, die nie die Gesetze des Geistes kennengelemt haben, scheuen sich oft nicht, sich als Seelenärzte anzubieten.“ Und weiter: „Niemand richtet in der Kirche größeren Schaden an, als wer einen heiligen Namen trägt oder eine heilige Weihe besitzt, aber unehrenhaft handelt“ (vgl. Reg. Past. I, Kap 1 u. 2). Fünfundzwanzig Jahre nach Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils, das als Antwort auf die Anliegen der modernen Zeit weder verkürzend noch oberflächlich geurteilt, sondern eine klare operative Entscheidung gefällt hat, und das als „pastoral“ bezeichnet wurde - nämlich als ausdrücklich im Dienst des Evangeliums vom Heil stehend -, nach diesem Konzil also wäre es sehr nützlich und ratsam, dieses wahrhaft goldene Buch erneut in die Hand zu nehmen, um ihm Weisungen, die heute noch gültig sind, und praktische Hinweise pastoraler Erfahrung zu entnehmen und sozusagen die tieferen Geheimnisse einer Kunst zu erlernen, die man unbedingt erst keimen muß, wenn man sie später ausüben möchte. Die von Gregor mit glücklichem pastoralem Weitblick gewollte Aussendung von Missionaren zur „gens Anglorum“, die dann vom Mönch Augustinus durchgeführt wurde, bietet mir Anlaß zu einem ökumenischen Gedanken, den ich nicht nur den Gläubigen der katholischen Kirche, sondern auch den Brüdern und Schwestern der anglikanischen Gemeinschaft vortragen möchte. Wie ergriffen lesen wir im Geschichtswerk des hl. Beda des Ehrwürdigen die Seiten, die der Ankunft des Dieners Gottes Augustinus und seiner Mönche in Britannien und der ständigen Sorge gewidmet sind, mit der der Papst in Rom sie selbst und ihre Aufgabe mit liebevollen und wachsamen Augen begleitet hat! „Ihr unternehmt eine gefahrvolle und mühsame Pilgerfahrt mit ungewissem Ausgang.“ Die Missionare hatten sogar schon daran gedacht, sie zu unterbrechen, nahmen sie aber nach dem ermunternden Wort des Mannes, der sie gesandt hatte, mutig wieder auf, da er sie aufforderte, das schon begonnene Werk „mit allen Kräften und mit allem Eifer“ weiterzuführen. Mit Gottes Hilfe war dem Unternehmen ein glücklicher Erfolg beschieden, und die Insel wurde in friedlicher Weise für das Reich Christi gewonnen. So erklärt sich dann auch die dankbare und liebevolle Erwähnung, die im gleichen Buch der Tod des Heiligen findet: „Mit gutem Recht - so heißt es dort—können und müssen wir ihn als unseren Apostel betrachten. Denn er machte aus unserer Nation, die zuvor den Götzen verfallen war, eine Kirche Christi, und man darf auf sie wohl das Wort des Apostels (vgl. 1 Kor 9,2) anwenden. Mag er auch für andere kein Apostel gewesen sein, so ist er es doch für uns. Wir sind im Herrn das Siegel seines Apostolates“ (vgl. Historia eccles. gen-tis Anglorum, I, Kap. 23ff.; II, Kap. 1). 967 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieses heilige „Siegel“ gilt bis heute weiter, und zwar nicht nur aus den angegebenen historischen Gründen und Verhältnissen, sondern zugleich wegen der vielfältigen Verbindungen, die nach der schmerzlichen Trennung geblieben sind, und es kann daher weiter wirksam werden und uns drängen, in Liebe und Wahrhaftigkeit die gesegneten Wege der Einheit und des brüderlichen Verstehens fortzusetzen. Auf Gregor schauen mit gleicher Bewunderung und Verehrung Anglikaner und Katholiken, die auf dem begonnenen Weg der ökumenischen Suche in dieser Gestalt einen eifrigen Hirten erblicken und erneut sein Wort hören können, das sie anregt, ermuntert und stärkt. Es sind ferner drei Dinge zu nennen, die die Botschaft dieses großen Papstes für unsere Zeit noch aktueller machen. Wie er als römischer Bürger und Angehöriger einer der ältesten und berühmtesten Familien für die Bedürfnisse der Stadt Rom besonders aufgeschlossen war, so veranlaßten ihn seine Berufung als Christ und seine Sendung als Papst, unermüdlich auch für das Wohl der ganzen Kirche zu sorgen. Dieses vielfältige Bemühen bildet einen klaren Hinweis für drei bevorstehende kirchliche Ereignisse, die ich bereits angekündigt habe: die Synode der Diözese Rom, die schon weit vorangekommen ist; die demnächst stattfindende Bischofssynode über die Ausbildung der Priester in der Welt von heute und die besondere Versammlung der Synode der Bischöfe Europas. Möge die Erinnerung an den großen Seelsorger den Eifer seines Nachfolgers erhalten und den Einsatz seiner Mitarbeiter, der Pfarrer und aller anderen anregen, die als Priester, Ordensleute und Laien direkt mit der seelsorglichen Arbeit in Rom und seinem ganzen Territorium beschäftigt sind. Möge sie ihnen Weitblick und Mut zum Aufgreifen der schweren Probleme im Bereich von Religion, Moral und Spiritualität schenken, die mit dem Wachstum der Stadt, mit dem kulturellen Wandel und ferner mit den Problemen des Staates und der Verwaltung verbunden sind. Was er für „sein“ Rom in recht schwierigen Zeiten getan hat, ermuntert uns zu weiterem Eifer und zur Vervielfältigung unserer Kräfte, zur guten Koordinierung und Leitung der Initiativen, die schon ergriffen sind oder noch ergriffen werden müssen, damit auch in der modernen Weltstadt Rom das Antlitz des christlichen Roms unverändert hervorleuchtet. Beim Thema der Synode im Oktober sind wir alle überzeugt: das Zurückgreifen auf den hl. Gregor als Lehrer des pastoralen Lebens wird sich für die Ausbildung der Priester als unwandelbar gültig und recht nützlich erweisen. Seine Lehre umfaßt nämlich auch und empfiehlt besonders eine entsprechende und sorgfältige Vorbereitung auf die Ausübung der „Kunst“ der Seelsorge; sie sieht ebenso vor und empfiehlt die Fähigkeit, sich an die verschiedenen Situationen anzupassen und gründlich die inneren und äußeren, persönlichen und umweltbezogenen Voraussetzungen kennenzulemen, unter denen die Hirten ihre Arbeit zu verrichten haben; vor allem betont sie und erinnert daran, daß die Seelenführung mit all ihren Aufgaben und Sorgen, nicht nur nicht das innere Leben stören oder gar auflösen darf, vielmehr aus diesem entspringen muß. Aus diesem Zentrum, nämlich aus dem Herzen des Hirten, das vom Licht des Glaubens erleuchtet und von der Flamme der Liebe erfüllt ist, steigt jede gute Initiative auf. Von ihm inspiriert und an ihm ausgerichtet muß daher auch das Bemühen um die Ausbildung des künftigen Priesters sein, denn nur so kann dieser, einmal für die seelsorgliche Arbeit verfügbar, ein guter Hirt seiner Herde werden. 968 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die besondere Synode der europäischen Bischöfe - ich hatte bereits mehrfach Gelegenheit, dies zu betonen - muß auf zweit Hauptfragen eine Antwort suchen: die eine gilt der Vergangenheit und den besonderen Gaben, die die Kirchen Ost- und Westeuropas bisher gegenseitig austauschen konnten und weiter austauschen können (vgl. Lumen Gentium, Nr. 13); die andere gilt der Zukunft, wie wir diesen gegenseitigen Austausch der Gaben für die neue Evangelisierung des Kontinents fördern und entwickeln können. Auf alle diese drei Ereignisse rufe ich den besonderen Schutz des hl. Gregors des Großen herab. Er möge gemeinsam mit der Schar der heiligen Hirten der Kirche von Rom mir, und mit mir all jenen zur Seite stehen, die in den verschiedenen über die Welt zerstreuten Kirchen mit mir die Verantwortung für die Seelsorgearbeit tragen, auf daß wir die neuen Erfordernisse und die neuen Probleme erkennen und die sich bietenden Möglichkeiten ausnützen, um auf sie zu antworten, sowie Mittel und Methoden anbieten, um die Kirche schon jetzt auf das dritte christliche Jahrtausend vorzubereiten. Dabei soll die ewig währende Botschaft vom Heil unversehrt bleiben, die wir als unvergleichlichen Schatz der Wahrheit und Gnade den kommenden Generationen weiterzugeben haben. Möge das, wenn auch der Zeit nach weit zurückliegende Beispiel des großen Papstes unsere Bemühungen unterstützen und sie zum Aufbau und zur Entwicklung der Kirche Christi wirksam machen! Mit meinem Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 29. Juni, dem Hochfest der hll. Petrus und Paulus, im Jahre 1990, dem zwölften meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. H Erneuerung nur durch das Evangelium Apostolisches Schreiben an die Ordensleute Lateinamerikas zum 5. Jahrhundert der Evangelisierung der Neuen Welt vom 29. Juni Liebe Ordensmänner und Ordensfrauen Lateinamerikas! Einführung 1. Die Wege des Evangeliums im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts, das in das dritte Jahrtausend des Christentums einmündet, führen durch das nahe bevorstehende Jahr 1992, in welchem wir auf fünf Jahrhunderte seit Beginn der Evangelisierung der Neuen Welt zurückblicken. Die Kirche hat sich in Lateinamerika auf die Feier dieses Ereignisses mit einer neunjährigen Novene des Gebetes, der Überlegungen sowie apostolischer und kultureller Initiativen vorbereitet. Diese Novene wurde von mir in der Stadt Santo Domingo am 12. Oktober 1984 eingeleitet, wo ich als Bischof von Rom den Vertretern der Episkopate und des Volkes Gottes aus allen Ländern Lateinamerikas das Kreuz der 500-Jahrfeier überreicht habe. 969 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Kreuz ist Zeichen unserer Erlösung und will an den Beginn der Evangelisierung und der Taufe eurer Völker erinnern. Dieses Kreuz wurde in eure Länder eingepflanzt und lädt euch nun ein, jene gänzliche Erneuerung in Christus durchzuführen, der der lateinamerikanische Kontinent sich vereint mit der ganzen Kirche und Menschheitsfamilie widmen muß. Nur wenn man vom Evangelium Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen ausgeht, läßt sich die ersehnte Erneuerung der Herzen und der sozialen Strukturen erreichen. Daher braucht Lateinamerika wie die anderen Kontinente für seine Völker und Kulturen eine neue Evangelisierung. Neu muß diese Evangelisierung in ihrem Schwung, in ihren Methoden und Ausdrucksformen sein.1 Zu diesem Zweck bereitet sich die Kirche Lateinamerikas unter Führung ihrer Bischofskonferenzen und mit Hilfe der CELAM auf die IV. Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopates vor, der, so Gott will, im Jahre 1992 in Santo Domingo stattfinden wird. Dort sollen die Weisungen von Medellin (1968) und Puebla (1979) gemäß den unausweichlichen pastoralen Notwendigkeiten der Gegenwart weitergeführt und vertieft werden, immer im Blick auf die neue Evangelisierung des Kontinents, die tief in die Herzen der Menschen und in die Kulturen der Völker eindringen soll. 2. In diesem besonderen historischen und kirchlichen Kontext richte ich dieses Apostolische Schreiben an jeden Ordensmann und jede Ordensfrau, die in Lateinamerika für die Sache Christi und seiner Kirche lebt und arbeitet. Ich möchte mich ferner - je nach der besonderen Berufung und dem Charisma eines jeden - an die Mitglieder der Säkularinstitute sowie der Gesellschaften des apostolischen Lebens wenden, deren Präsenz und Wirken heute auf dem Kontinent sehr wertvoll geworden sind. Das Werk der Evangelisierung war großenteils Frucht eures missionarischen Dienstes. Im gleichen Maß, wie sich die Begegnung mit den Völkern vollzog, die in den neu entdeckten Gebieten lebten, empfanden die Ordensleute Europas nämlich in ihren Herzen den drängenden Ruf, den Worten des Meisters zu folgen: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,19-20). Dies war tatsächlich der Imperativ, der zahlreiche Söhne und Töchter der Kirche veranlaßt hat, sich auf den Weg in die neue Welt zu machen, um den Völkern und Stämmen, die bis dahin unbekannt waren, entgegenzugehen. Das Leben der gottgeweihten Personen, Männer und Frauen, bot für den Samen des Missionsberufes immer ein fruchtbares Erdreich. Die Liebe Christi drängte sie (vgl. 2 Kor 5,14). Sie spürten den apostolischen Eifer eines Paulus: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde“ (1 Kor 9,16). Wenn sich daher neue Möglichkeiten der Evangelisierung eröffnen, sprossen in der Kirche auf Antrieb des Geistes auch immer Missionsberufungen auf. <773> <773> Auch in unseren Tagen stellen die Ordensmänner und Ordensfrauen auf dem lateinamerikanischen Kontinent eine erstrangige evangelisierende und apostolische Kraft dar. Die Präsenz des gottgeweihten Lebens bildet ein enormes Potential an Personen und Gemeinschaften, Charismen und Institutionen, ohne das man das ins einzelne gehende Wirken der Kirche in allen Gegenden, das Angebot des Evangeliums für sämtliche Situationen des Menschen, 970 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Entfaltung der Werke der Barmherzigkeit, das Bemühen um eine Prägung der Kulturen, die Verteidigung der Menschenrechte und die integrale Förderung der Menschen wie auch die Anregung und Führung der christlichen Gemeinschaften selbst in den entferntesten Gegenden nicht verstehen könnte. Daher habe ich angesichts der bevorstehenden Gedenkfeier zum 5. Jahrhundert der Evangelisierung das Bedürfnis verspürt, euch meine Gedanken und Wünsche mitzuteilen, wie ich es schon vorher für alle religiösen Gemeinschaften des kontemplativen Lebens getan habe2, denn ihr Ordensmänner und Ordensfrauen sollt in dieser Stunde der Gnade und der schwerwiegenden Verantwortung für die Zukunft Christus und der Kirche mit euren besten Kräften antworten. Ich möchte nun mit euch allen gemeinsam über die Vergangenheit, die gegenwärtigen Anliegen und die Aufgaben für die Zukunft nachdenken, und ich bin sicher, daß eure Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus die Aufnahme und Durchführung dieser Weisungen für eine Erneuerung eures gottgeweihten Lebens und ein entschiedenes Eingreifen bei der Evangelisierung begünstigen wird. So werdet ihr in enger Verbindung mit euren Hirten selbstlose Diener und Dienerinnen des Evangeliums Christi sowie eurer Brüder und Schwestern, zumal der Jugendlichen und der Armen in Lateinamerika sein, die von euch das leuchtende Zeugnis eines Lebens nach dem Evangelium erwarten, denn dies ist das erste und grundlegende Apostolat der Ordensleute in der Kirche. /. Ein Blick auf die Vergangenheit: Die Ordensleute bei der sogenannten „Erstverkündigung “ in der Neuen Welt Der Beginn der Evangelisierung 4. Es ist nun nicht meine Absicht, die Geschichte der Anfänge der Evangelisierung des Kontinents abzuschreiten, und erst recht möchte ich kein Urteil über das damals Geschehene abgeben. Wohl bietet die 500-Jahrfeier eine gute Gelegenheit zu gründlichem historischem Studium, um ein ausgewogenes Urteil und eine objektive Bilanz für jene einzigartige Initiative zu erreichen, die immer im Rahmen ihrer Zeit und mit einem deutlich kirchlichen Bewußtsein gesehen werden muß. Ich möchte aber die im Ganzen positive Bewertung des Wirkens der ersten Verkünder des Evangeliums wiederholen, die großenteils Mitglieder von religiösen Orden waren. Viele hatten in schwierigen Verhältnissen zu arbeiten, und sie mußten praktisch neue Methoden der Evangelisierung für Völker und Stämme anderer Kulturen erfinden. Der Fortgang der Evangelisierung war nach Ort und Zeit ungleichmäßig, sowohl was die Intensität des Einsatzes als auch die Tiefe des Eindringens in die verschiedenen Bereiche der Gesellschaft Latemamerikas angeht. Während nämlich bestimmte Gebiete bereits fast vollständig christianisiert waren, machten sich andere erst allmählich für den langsamen Aufbau der Ortskirche bereit. Ja, in einigen Gebieten war es nicht leicht, eine klare Grenze zwischen der solide begründeten Kirche und den Missionsgebieten zu ziehen. 971 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit einer gewissen Häufigkeit wurde die Taufe gespendet, ohne eine entsprechende Katechese über die Geheimnisse unseres Glaubens vorauszuschicken, mit anderen Worten ohne vorher die notwendige Evangelisierung zu leisten. Doch ist festzustellen, daß wir bei der Bewertung der Tätigkeiten der Missionare der damaligen Zeit nicht pastorale Kriterien und Verfahrensweisen von heute anwenden dürfen, an die man vor 500 Jahren noch nicht denken konnte. Anderseits müssen wir auch gewisse Mängel von damals feststellen, um uns besser der Notwendigkeit bewußt zu werden, das begonnene Werk weiterzuführen und dabei die Irrtümer zu vermeiden und die Lücken auszufüllen, denn die Evangelisiemng ist eine ständige Aufgabe der Kirche aller Zeiten und Orte, bis der Herr wiederkommt, um endgültig sein Reich aufzurichten. Verteidiger der Rechte der Eingeborenen 5. Gewiß hatten die Missionare des Evangeliums Schwierigkeiten verschiedener Art zu meistern, die in menschlichen Verhaltensweisen begründet waren und ihre apostolische Arbeit hemmten, in einigen Fällen auch ernsthaft behinderten. Zahlreiche Missionare sahen sich durch ihre Treue zum Evangelium nämlich verpflichtet, ihre Stimme prophetisch gegen die Mißbräuche der Kolonisatoren zu erheben, die ihr eigenes Interesse auf Kosten der Rechte der Menschen verfolgten, die sie doch hätten achten und als Brüder lieben müssen. Als ich im Jahre 1979 zum erstenmal nach Lateinamerika kam, habe ich diese Herolde des Evangeliums gerühmt, „jene Ordensleute, die zur Verkündigung Christi, des Erlösers, herkamen, die Würde der Eingeborenen verteidigt und ihre unveräußerlichen Rechte verkündet, ihre integrale Förderung vertreten und sie jene Brüderlichkeit gelehrt haben, die sie als Menschen und Kinder Gottes, des einen Herrn und Vaters auszeichnen sollte“3. Unter diese „furchtlosen Kämpfer für die Gerechtigkeit, die den Frieden predigten“, wie sie das Dokument von Puebla nennt4, müssen wir Antonio de Montesino rechnen, Bartolome de Las Casas, Juan de Zumärraga, Toribio de Benavente „Motolim'a“, Vasco de Quiroga, Juan del Valle, Julian Garces, Jose de Anchieta, Manuel da Nöbrega und viele andere, die mit tiefem kirchlichem Empfinden die Eingeborenen gegen die Eroberer und Herrscher verteidigt haben, einige bis zur Hingabe ihres Lebens, wie es bei Bischof Antonio Valdivieso der Fall war. Andere Ordensleute haben von Spanien aus die Arbeit ihrer Brüder und Missionare unterstützt. Unter ihnen haben sich Francisco de Vitoria und Domingo de Soto ausgezeichnet, denn sie haben die Grundelemente der Rechte der Eingeborenen aufgezeigt und für das künftige internationale Völkerrecht sichere Wege eröffnet. Liebe ohne Grenzen 6. Das wertvollste Zeugnis der ersten Missionare war ihre historische Liebe zu Christus, die sie zur unbegrenzten Hingabe für den Dienst an ihren einheimischen Brüdern und Schwestern bereit machte. Was konnten sie beim Verlassen ihrer Familien und ihrer Heimat und beim Antreten einer Reise, die normalerweise keine Rückkehr versprach, auch anderes suchen? Der Glaube drängte sie, sich in das große Abenteuer zu stürzen; ein Glaube gleich dem des 972 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Abraham, der auf den Ruf des Herrn antwortete und seine Heimat und sein Vaterhaus verließ (vgl. Gen 12,1-4). In der Hingabe dieser Ordensleute an die Predigt und den Aufbau des Reiches Christi spiegelt sich wie in einem lebendigen Buch das Echo der Worte des Apostels wider: „Da ich also von niemand abhängig war, habe ich mich für alle zum Sklaven gemacht, um möglichst viele zu gewinnen ... Den Schwachen wurde ich ein Schwacher, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben“ (1 Kor 9,19.22-23). Die Kirche unter den Eingeborenen 7. Einige Pioniere der Evangelisierung wollten von Anfang an unter den Eingeborenen leben, um ihre Sprache zu erlernen und sich an ihre Gewohnheiten anzupassen. Andere förderten die Heranbildung von Katechisten und Mitarbeitern, die ihnen als Dolmetscher dienten, während sie ihrerseits ihre Sprache zu erlernen und ihre Geschichte und Kultur zu verstehen suchten, wie es die ersten Geschichtsschreiber der Evangelisierung, darunter Bernardino de Sahagün, bezeugen. In diesem Zusammenleben mit den Eingeborenen wurden viele Missionare Bauern, Schreiner, erbauten Häuser und Tempel, gaben in Schulen Unterricht und lernten so die einheimische Kultur kennen. Sie wurden damit Förderer ursprünglicher Handwerke, die sich dann bald in den Dienst des Glaubens und des christlichen Gottesdienstes stellten. Die Kirche dankt dem Herrn, daß er in den Orden und in den Ordensinstituten so zahlreiche Missionsberufungen geweckt hat, die zu Trägem des christlichen Glaubens und einer großen Liebe zu den Eingeborenen wurden. Obwohl diese bestimmte Aspekte der neu zu ihnen kommenden Kultur nicht übernahmen, so weckte doch die Präsenz der Missionare in ihnen eine wirkliche Öffnung für die Heilsbotschaft. Dies geht auf die Tatsache zurück, daß sich unter ihren Glaubensüberzeugungen und Sitten das fand, was die Kirchenväter „Samenkörner des Wortes“ nannten, Strahlen von seinem Licht, die in Geist und Herz dieser Völker präsent waren und darauf warteten, durch die Predigt des Wortes und die Ausgießung des Heiligen Geistes befruchtet und bereichert zu werden. Früchte der Predigt des Evangeliums 8. Dies bewirkte die Bekehrung einer großen Zahl von Eingeborenen zum Christentum, weil die Gnade Gottes sie antrieb und die Frohbotschaft ihre Überzeugungskraft ausübte. So prägte das Evangelium Glauben und Leben der Eingeborenen in Lateinamerika und brachte echte geistliche und menschliche Werte hervor. Auf meinen apostolischen Reisen habe ich selbst oft diese Werte des lateinamerikanischen Christentums feststellen können. Inmitten von Licht und Schatten - mehr Licht als Schatten, wenn wir an die bleibenden Früchte des christlichen Glaubens und Lebens auf dem Kontinent denken - läßt uns daher die erste Aussaat des Wortes des Lebens unter so vielen Mühen und Opfern an die Worte des Apostels denken, die das Motto so vieler Missionare waren: „Wir wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben“ (1 Thess 2,8). 973 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Viele von diesen Samenkörnern bringen weiter in den religiösen Werten der Mehrheit des Kontinentes der Hoffnung Frucht, zumal in der Volksfrömmigkeit, mit der die Geheimnisse unseres Glaubens begangen werden. Die Früchte der ersten Evangelisierung festigten sich im Verlauf der Jahrhunderte und sind heute für den Katholizismus des lateinamerikanischen Volkes kennzeichnend, der auch durch seinen tiefen Sinn für Gemeinschaft, sein Verlangen nach sozialer Gerechtigkeit, seine Treue zum Glauben der Kirche, seine tiefe marianische Frömmigkeit und seine Liebe zum Nachfolger des Petrus glänzend dasteht. Fünf Jahrhunderte evangelisierender Präsenz 9. Die anfängliche Evangelisierung galt vor allem den eingeborenen Völkern, die in einigen Gegenden eine beachtlich entwickelte Kultur besaßen. In jedem Fall ging es um die Durchführung einer Inkulturation des Evangeliums. In dem Maß, wie sich dann später die Zahl der Einwanderer aus Europa vermehrte, mußte sich die Evangelisierung der Missionare einer gemischten Gesellschaft zuwenden, aus der die heutige Gesellschaft Lateinamerikas mit ihrer reichen Verschiedenheit an Rassen, Überlieferungen und Gewohnheiten hervorgegangen ist. Die christliche Kultur wurde nicht nur in ihren menschlichen Empfindungen und in den verschiedenen Formen der Volksfrömmigkeit bleibend geprägt, sondern auch in den vielfältigen Ausdrucksformen der kolonialen sakralen Kunst, in der sich außerordentlich begabte einheimische Künstler hervortaten, von denen die Mehrzahl freilich anonym blieb. Auf dem langen und nicht leichten Weg der Kirche in Lateinamerika, der von herausragenden historischen Ereignissen - nicht nur zur Zeit der Kolonisation, sondern auch bei der Unabhängigkeitsbewegung sowie den neueren politischen Ereignissen dieses Jahrhunderts -gekennzeichnet war, haben die Ordensinstitute eine sehr wichtige Rolle gespielt. Diese haben mit der örtlichen Hierarchie bei der Festigung der Evangelisierung und dem Aufbau kirchlicher Institutionen zusammengearbeitet, aber auch bei der Förderung einheimischer Berufungen und dem Aufblühen neuer Charismen des gottgeweihten Lebens, die in der eigenen Kultur entstanden und verwurzelt blieben, und sie übernahmen mit ihnen immer neue apostolische Aufgaben. Zeugnis der Heiligkeit 10. Bei diesem kurzen historischen Durchblick muß ich unbedingt ein entscheidendes Element als reife Frucht der Evangelisierung nennen, nämlich die Heiligkeit zahlreicher Söhne und Töchter der lateinamerikanischen Kirche. In ihr sind echte Vorbilder der Heiligkeit aufgestanden, die sie mit ihrem Beispiel leiten und mit ihrer Fürbitte anregen. Viele von diesen Seligen gehören verschiedenen Ordensinstituten an. Einige, die zumal aus Spanien kamen, weihten ihr Leben und ihre missionarische Arbeit diesen Ländern, und man darf sie mit Recht zu den lateinamerikanischen Heiligen rechnen. Andere, und zwar der Großteil, waren eingeborene Kinder eures Volkes und gehörten den verschiedensten sozialen Schichten an. Wir haben sie am Anfang der Evangelisierung, in den späteren Jahrhunderten und fast bis in unsere Tage; einige von ihnen waren sogar Gründer neuer Ordensfamilien. 974 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gern greife ich aus diesem bewundernswerten Chor der Heiligen und Seligen als Beispiele des gottgeweihten Lebens Petrus Claver heraus, Franziscus Solanus und Luis Beiträn, Juan Maclas, Rosa von Lima, Martin de Porres, Felipe de Jesus, Mariana de Jesus Paredes, Miguel Febres, Roque Gonzales und seine Gefährten im Martyrium, Petrus vom hl. Joseph Betancurt, Ezequiel Moreno, Ana von den Engeln Monteagudo, Teresa von den Anden und Miguel Pro. Diese und andere Heiligen sind der kostbarste Reichtum des Christentums in der Neuen Welt, Vorbilder und Anregung für die kommenden Generationen von Ordensmännem und Ordensfrauen, die nie vergessen dürfen, daß sie zu einem persönlichen und gemeinschaftlichen Zeugnis für die Heiligkeit der Kirche berufen sind. Errichtung der Hierarchie 11. Mit der Erinnerung an die erste Evangelisierung und an ihre überreichen Früchte christlichen Lebens müssen wir die bedeutsame Arbeit der Ordensleute für den Aufbau der kirchlichen Hierarchie in Erinnerung rufen. Tatsächlich hat man sich neu darauf besonnen, daß eine gewisse Zeit hindurch der Großteil der Hirten der ersten Bischofssitze des Kontinents Ordensleute waren. Diese haben dann für die Gründung der kirchlichen Gemeinschaften in der Neuen Welt einen entscheidenden Beitrag geleistet. Unter diesen Hirten können wir Fra Pedro Suärez von Deza nennen, der den Bau der ersten Kathedrale auf eurem Kontinent in die Hand nahm; dann die Pioniere der mexikanischen Hierarchie, Fra Juan von Zumärraga und Fra Juliän Garces, die den Ehrentitel „Beschützer der Indios“ erhielten; Fra Jerönimo Loaysa, Förderer der ersten Synoden von Lima, die für die Evangelisierung und für die Einpflanzung der Kirche in Amerika von großer Bedeutung waren. Nicht zu vergessen ist freilich, daß unter diesen ersten Hirten sich auch hervorragende Gestalten aus dem spanischen Weltklerus befanden, darunter der hl. Toribius von Mogrovejo, Erzbischof von Lima und Patron der Bischöfe von Lateinamerika. Von der Vergangenheit her in die Gegenwart schauen 12. Dieser rasche geschichtliche Überblick über das kirchliche Leben Lateinamerikas weckt in mir ein Gefühl tiefer Dankbarkeit gegen den Herrn für die Arbeit so vieler Ordensmänner und Ordensfrauen, die den Samen des Evangeliums Christi ausgestreut haben. Zugleich möchte ich euch alle, hebe Ordensleute, herzlich auffordem, der Hochherzigkeit und Hingabe dieser ersten Verkünder des Evangeliums nachzueifem. Gerade weil Lateinamerika auch mitten in den Schwierigkeiten der heutigen Zeit dem katholischen Glauben im Herzen seiner Menschen treu bleibt, richtet die ganze Kirche ihren Blick auf diesen Kontinent der Hoffnung. Und weil vielerorts die Ordensmänner und Ordensfrauen unter den Seelsorgekräften, die die Lebenskraft der kirchlichen Gemeinschaften aufrechterhalten, eine qualifizierte Mehrheit bilden, hängt die Verwirklichung dieser Hoffnung der Kirche großenteils von ihnen ab. 975 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN II. Die Anliegen der Gegenwart: Gottgeweihtes Leben und kirchliche Gemeinschaft Treue zum Zweiten Vatikanischen Konzil 13. Der Heilige Geist, der „durch die Kraft des Evangeliums sich die Kirche allezeit verjüngen läßt, erneuert sie immerfort und geleitet sie zur vollkommenen Vereinigung mit ihrem Bräutigam“5. Er hat das Volk Gottes providentiell durch die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils für eine bessere Erfüllung seiner apostolischen Sendung in der Welt von heute gegen Ende des zweiten Jahrtausends mitten in allen neuen und anspruchsvollen Situationen, in denen wir leben, vorbereitet. Daher müssen alle, die die geoffenbarte Wahrheit lieben und die Dringlichkeit der apostolischen Aufgabe in der heutigen Welt spüren, ihren Blick auf das Lehramt der Kirche richten und in Befolgung der Weisungen des Konzils getreu die Ansprüche des Evangeliums Christi für die heutige Zeit zu erkennen suchen, ohne sich von Ideologien verwirren zu lassen, die der Offenbarung fremd sind. Das Zweite Vatikanische Konzil hat vor allem in der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium die Lehre über die Kirche dargelegt und uns aufgefordert, sie auch als Volk Gottes, das auf das himmlische Jerusalem hin unterwegs ist6, zu betrachten. Zugleich hat es die hierarchische Natur und Struktur der Kirche als Ausdruck der apostolischen Nachfolge herausgestellt, die in ihr so, wie ihr göttlicher Stifter sie gewollt hat7, verwirklicht ist. Das Dienstpriestertum führt innerhalb der hierarchischen Verfassung der Kirche das Werk der Heiligung weiter, was sich auch in einer Haltung der Dienstbereitschaft zeigt, die Christus zum obersten Vorbild hat und dazu beiträgt, die ganze Kirche in der Gemeinschaft des Glaubens, des Gottesdienstes und des Lebens zu erhalten. Die Bischöfe üben als Nachfolger der Apostel diesen Dienst ebenfalls aus durch ihre gegenseitige Gemeinschaft und Kollegialität unter der Vollmacht des römischen Bischofs, der Nachfolger des Petrus ist und direkt von Christus den Primat empfangen hat8. Der kirchliche Sinn des Volkes Gottes 14. Das Volk Gottes in Lateinamerika empfindet tief die Gemeinschaft der Kirche, den Gehorsam und die Liebe gegenüber ihren Hirten, wie auch eine kindliche Zuneigung zum Papst. All dies erklärt seine jahrhundertealte Treue zum überkommenen Glauben, aber auch sein Bewußtsein, ein aktiver Teil der universalen Kirche zu sein. Fest in seinen Glaubensüberzeugungen verwurzelt, hat es den Angriffen des Laizismus widerstanden und dafür bei nicht wenigen seiner Kinder heroische Beweise bis zum Martyrium erbracht. Der dringende Aufruf zu einer neuen Evangelisierung des Kontinents hat zum Ziel, den Glauben zu vertiefen und ihn immer mehr in den Gewissen und im sozialen Leben zu verankern. Daher müssen die Ordensleute ihre volle Treue zu den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils wahren und konsequent ihre Gemeinschaft mit den Hirten als Zeugnis für eine vollkommene Übereinstimmung innerhalb der Kirche zur Erbauung des Volkes Gottes zum Ausdruck bringen. 976 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die kirchliche Dimension des gottgeweihten Lebens 15. Gerade dieses Konzil wollte Berufung und Sendung der Ordensinstitute wie auch die Identität eines jeden gottgeweihten Menschen, der zur Heiligkeit berufen ist, im Geheimnis der Kirche verankern. Die Theologie des Ordenslebens, wie sie in der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium und im Dekret Perfectae caritatis wie auch in zahlreichen weiteren Dokumenten des Lehramts aus der Zeit nach dem Konzil dargelegt ist, hat in Lateinamerika wohlwollende Aufnahme gefunden, was sich auch in schöpferischen Leistungen gezeigt hat. Auch das Dokument von Puebla hat die positiven Tendenzen des gottgeweihten Lebens in Lateinamerika innerhalb der Sendung der Kirche aufgegriffen, zumal im Hinblick auf die Gemeinschaft und die Beteiligung an der Evangelisierung9. Leider hat es dennoch bei diesem Punkt nicht an Abweichungen und allzu radikalen und einseitigen Haltungen gefehlt, die bei einigen Gelegenheiten den Sinn für die Kirche verdunkelt haben. Es ist nun nicht meine Absicht, hier die Lehren des Lehramtes der Kirche über das gottgeweihte Leben, wie sie vom Zweiten Vatikanischen Konzil in den eben erwähnten Dokumenten vorgelegt wurden, ausdrücklich zu wiederholen. Diese Lehräußerungen des Konzils sind in den letzten 25 Jahren von meinen Vorgängern in zahlreichen Ansprachen, Botschaften und in einigen Dokumenten von besonderer Wichtigkeit ausführlich entfaltet worden, wie im Apostolischen Schreiben Papst Paul VI. Evangelica testiücatio vom 29. Juni 197110. Meinerseits habe ich im Heiligen Jahr der Erlösung an alle Ordensleute der Welt das Apostolische Schreiben Redemptionis donum gerichtet11. Auch die Kongregation für die Institute des gottgeweihten Lebens und für die Gesellschaften des apostolischen Lebens hat dazu kürzlich eine Instruktion mit dem Titel „Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten“ veröffentlicht. Dieses Dokument bietet ebenso wie die oben erwähnten genaue Hinweise für die persönliche Ausbildung und das Gemeinschaftsleben der Ordensleute, die kraft ihrer persönlichen Weihe an Gott voll in der Kirche im Einsatz stehen und in eurem konkreten Fall die ständige Verpflichtung zur Evangelisierung in Lateinamerika erfüllen. In diesen Dokumenten werden auch Identität und Echtheit des gottgeweihten Lebens sowie seine kirchliche Dimension dargestellt. Darauf möchte ich eingehen und besonders an eure Arbeit als Boten des Evangeliums denken. Nachfolge Christi und Weihe an Gott im Ordensstand 16. Die Identität und Echtheit des Ordenslebens ist durch die Nachfolge Christi und die Weihe an ihn durch die Profeß der evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams gekennzeichnet. Darin kommt die gänzliche Hingabe an den Herrn zum Ausdruck und die Gleichgestaltung mit Ihm in seiner Hingabe an den Vater und an die Mitmenschen. Die Nachfolge Christi im gottgeweihten Leben setzt eine besondere Gelehrigkeit für das Wirken des Heiligen Geistes voraus, ohne die die Treue zur eigenen Berufung ohne Inhalt bleiben würde. Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, der Herr des Lebens und der Geschichte, muß das lebendige und ständige Ideal aller gottgeweihten Menschen sein. Von seinem Wort 977 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN leben sie, in seiner Begleitung gehen sie ihren Weg, seine Präsenz in ihrem Inneren ist ihre Freude, und sie nehmen an seiner Heilssendung teil. Seine Person und sein Geheimnis bilden die Botschaft und das wesentliche Zeugnis eures Apostolats. Es kann keine Einsamkeit geben, wenn er Herz und Leben erfüllt. Es können auch keine Zweifel an der eigenen Identität und Sendung aufkommen, wenn wir sein Geheimnis und seine Gegenwart unter den Menschen verkünden, mitteilen und inkamieren. Alle Ordensleute müssen diese Vereinigung mit Christus ständig durch das Hören seines Wortes erneuern, ferner durch die Feier seines Paschamysteriums in den Sakramenten - zumal in denen der Versöhnung und der Eucharistie - wie auch in eifrigem Gebet. Nur so könnt ihr echte Verkünder des Evangeliums sein, die den geistlichen Bedürfnissen des Volkes Gottes entsprechen können mit einem Herzen voll Mitgefühl, aus dem die gleichen Empfindungen wie bei Christus aufsteigen. Paschamysterium und evangelische Räte 17. Tatsächlich besitzen die evangelischen Räte eine tief österliche Dimension, weil sie eine Gleichgestaltung mit Christus, mit seinem Tod und seiner Auferstehung voraussetzen. Daher müssen sie auch in der Haltung Christi gelebt werden, der „sich entäußerte“ (kenosis) und gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,5-8). Zugleich werden wir aber auch der Freude des neuen Lebens teilhaftig, zu dem wir berufen sind, um so in allem dem Heilswillen des Vaters zu entsprechen. Die Profeß der evangelischen Räte macht euch also zu Zeugen der Auferstehung des Herrn und der umgestaltenden Kraft seines Pfingstgeistes. Zur Ganzhingabe des gottgeweihten Menschen gehört wie bei Jesus von Nazaret ein inneres Band zwischen den drei evangelischen Räten, so daß das Wachsen und Reifen in der Praxis des einen zugleich die anderen fruchtbar macht; umgekehrt gefährdet der Mangel an Treue in einem der Räte die Gediegenheit und Echtheit der anderen. Nicht wahrhaft arm nach dem Vorbild und Maßstab Christi ist also, wer nicht unverkürzt die Keuschheit und den Gehorsam lebt; nicht reinen Herzens ist, wer keine Armut praktiziert und nicht mit Freude freiwilligen Gehorsam lebt; nicht dem Plan des Vaters und den Erfordernissen des Reiches ist gehorsam, wer nicht mit reinem und ungeteiltem Herzen die Loslösung von den irdischen Dingen erwählt. Mit der Ganzhingabe des eigenen Lebens aus Liebe zu Gott sind die Ordensleute beredte Zeugen für den Primat und die bleibende Geltung der Botschaft des Evangeliums, die die Idole dieser Welt, Macht, Reichtum und Vergnügen, dem Gericht unterwirft. Die Ordensleute erweisen so in sich selber jene Reife, die man durch die Hingabe der eigenen Freiheit in den ausschließlichen Dienst für Gott und die Mitmenschen gewinnt. Hier möchte ich euch an das erinnern, was ich in der Enzyklika Redemptor hominis gerade im Gedanken an die gottgeweihten Menschen geschrieben habe: „Menschliche Reife bedeutet den vollen Gebrauch des Geschenkes der Freiheit, das wir vom Schöpfer in dem Augenblick erhalten haben, in dem er den ,nach seinem Bild und Gleichnis’ erschaffenen Menschen ins Dasein gerufen hat. Dieses Geschenk findet seine volle Entfaltung in der vorbehaltlosen Hingabe der eigenen menschlichen Person an Christus im Geist bräutlicher Liebe und mit Christus an alle, zu denen er Männer und Frauen sendet, die ihm durch die evangelischen Räte ganz geweiht sind“12. 978 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahre Freiheit und echte Befreiung 18. Diese reife Menschlichkeit von Ordensmännem und Ordensfrauen braucht der lateinamerikanische Kontinent heute, wenn Jesus Christus in Wort und Leben verkündet und so eine neue Menschheit nach dem Geist der Seligpreisungen aufgebaut werden soll. Die Geschichte der letzten 500 Jahre bezeugt die Treue zahlreicher Ordensleute, die dazu beigetragen haben, das Erbe der Erstverkündigung lebendig zu erhalten und zu bereichern. Man darf nicht vergessen, daß all jene, die sich dem Dienst der Kirche durch die evangelischen Räte und im Geist der Seligpreisungen geweiht haben, wirksam zum Werk der Evangelisierung beitragen, denn sie stützen die Predigt des Wortes durch die Kraft ihres eigenen Zeugnisses. Wichtig ist daher, daß dieses Zeugnis nicht durch verkürzende Deutungen des Evangeliums und deren Einfluß entstellt wird, denn so könnte der wahre Gehalt seiner Botschaft und auch das gottgeweihte Leben selbst geschädigt werden und in die Gefahr geraten, vor der schon der Herr gewarnt hat, daß das Salz nämlich schal wird und seinen Geschmack verliert (vgl. Mt 5,13). In den letzten Jahren hat die Kongregation für die Glaubenslehre angesichts gewisser Strömungen, die eine besondere Hermeneutik der Offenbarung - mit schwerwiegenden Auswirkungen auf Leben und Sendung der Kirche und auch auf das Ordensleben, wie es bei einigen Formen der Theologie der Befreiung der Fall ist — vorgelegt hatten, zwei Dokumente veröffentlicht, Libertatis nuntius (1984) und Libertatis conscientia (1986), um die Leitlinien des Denkens der Kirche über die echte Freiheit und die wahre Befreiung im Sinn des Evangeliums aufzuzeigen. Diese beiden Instruktionen sind nicht nur in sich selbst gültig, sie erweisen sich zugleich als wahrhaft prophetisch, denn sie haben zur Entlarvung trügerischer ideologischer Utopien und politischer Anbiederungen, die mit Lehre und Sendung Christi und seiner Kirche nichts zu tun haben, beigetragen. Das Wort des Herrn, das uns zur vollen Freiheit der Kinder Gottes beruft, fordert uns weiter zur Treue auf: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen“ (Joh 8,31-32). Nur Jesus Christus befreit. Nur in seiner Liebe, die wir erfahren und weiterschenken, finden wir zu echter Befreiung. Die bevorzugte Option für die Arrmen 19. In diesem Zusammenhang muß notwendig erneut die richtige Bedeutung der bevorzugten Option für die Armen betont werden, die weder exklusiv sein noch jemanden ausschließen darf; es ist eine besonders natürliche Option für all jene, die nach dem evangelischen Rat der Armut leben und berufen sind zur Liebe, zum Annehmen der Armen, um ihnen „ mit den innersten Gesinnungen Jesu Christi“ zu dienen13. Wie bereits das Dokument von Puebla bemerkt hat, wurde in letzter Zeit bei den Ordensleuten Lateinamerikas die bevorzugte Option für die Armut sehr deutlich empfunden14. Zahlreiche Ordensleute leben gemäß dieser bevorzugten Option im echten Geist des Evangeliums, stark von den Worten des Herrn motiviert und zugleich in konsequenter Treue zum Geist 979 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihres eigenen Instituts. So sind Ordensmänner und Ordensfrauen in den Randzonen präsent, unter den Eingeborenen, aber auch bei den Alten und Kranken, in den zahllosen Elendsituationen, die Lateinamerika durchzumachen und durchzuleiden hat, wie z. B. die neuen Formen der Armut, die sich vor allem bei den Jugendlichen finden, wenn diese dem Alkohol und der Droge verfallen. Durch die Ordensleute wird die Kirche zur Dienerin an ihren am meisten notleidenden Brüdern und Schwestern, in deren vom Schmerz gekennzeichneten Zügen sie die Züge des leidenden Christus, ihres Herrn erkennt, der uns anspricht und uns das Endgericht vor Augen stellt, bei dem wir nach unserer Liebe gerichtet werden15. Theologale Tugenden und gottgeweihtes Leben 20. Doch hat es Fälle gegeben, wo eine irrige Deutung des Problems vom Marxismus her zu einem falschen Begriff und einer anormalen Praxis der Option für die Armen und des Armutsgelübdes geführt haben. Weil man nicht mehr an der Armut Christi Maß nahm und diese aus ihrem Umfeld, nämlich dem theologalen Leben loslöste, verlor sie ihre Kraft. Das gottgeweihte Leben muß daher fest in den theologalen Tugenden verankert sein, damit der Glaube nicht dem Blendwerk der Ideologien weicht; damit die christliche Hoffnung nicht mit Utopien verwechselt wird und die universale Liebe, die sogar die Feindesliebe einschließt, nicht der Versuchung zur Gewaltanwendung unterliegt. Es hat nicht an Fällen gefehlt, wo diese Option zu einer Politisierung des gottgeweihten Lebens geführt hat, Eintreten für bestimmte Parteien und Gewaltanwendung nicht ausgeschlossen. Dabei wurden die Menschen und die religiösen Institutionen für Ziele mißbraucht, die der Sendung der Kirche fremd sind. Wir müssen uns daher notwendig an das erinnern, was die Instruktion Libertatis conscientia ausgeführt hat: „Die Option, die den Armen den Vorzug gibt, ist weit davon entfernt, ein Zeichen von Partikularismus und Sektarismus zu sein; sie offenbart vielmehr, wie universal Sein und Sendung der Kirche sind. Diese Option schließt niemanden aus. Das ist der Grund, warum die Kirche diese Option nicht mit Hilfe von einengenden soziologischen und ideologischen Kategorien zum Ausdruck bringen darf; sie würden aus dieser vorrangigen Zuwendung eine parteiische Wahl konfliktbetonter Art machen“16. Das Salz darf seinen Geschmack nicht verlieren! Das Ordensleben kann nicht darauf verzichten, lebendiges Zeugnis vom Himmelreich, wie es den Armen verheißen ist, zu sein. Jesus macht darauf aufmerksam: „Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten“ (Mt 5,13). Es kann manchmal geschehen, daß das Volk Gottes bei den gottgeweihten Personen nicht die gewünschte Unterstützung findet, weil diese vielleicht in ihrem Leben nicht genügend den starken Sinn für Gott zeigen, den sie weitergeben müßten. Solche Situationen können bewirken, daß viele arme und einfache Menschen wie es leider geschieht - eine leichte Beute der Sekten werden, in denen sie einen religiösen Sinn für ihr Leben suchen, den sie vielleicht nicht bei denen finden, die ihn eigentlich mit vollen Händen anbieten sollten. 980 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Förderung der sozialen Solidarität 21. Diese ganze Problematik ist weit davon entfernt, das Eintreten für Gerechtigkeit und Freiheit zu behindern; sie zeigt vielmehr, daß die Kirche in Lateinamerika mit der kräftigen Unterstützung der Ordensleute sich bemühen muß, die bevorzugte Option für die Armen richtig zu verstehen und durchzuführen. Die sozio-ökonomische Lage einiger Nationen Lateinamerikas macht tiefe Sorge. Weil die Kirche diese Wirklichkeit in vollem Umfang kennt, will sie das Bewußtsein der Bürger mit dem Evangelium und der katholischen Soziallehre erhellen. Sie begünstigt mit ihrer Verkündigung des Evangeliums die integrale Förderung der Menschen und wendet sich daher an die Laien, zumal an jene, die an der Spitze der verschiedenen staatlichen Stellen stehen, damit sie Förderer einer echten sozialen Gerechtigkeit werden. Hier hat die Kirche zahlreiche Institutionen für die am meisten Notleidenden und in ihnen ein Klima herzlichen Willkommens geschaffen, um den Menschen zugleich den Weg der christlichen Hoffnung zu eröffnen. Um zahlreiche Lücken in weiten Kreisen der Bevölkerung auszufüllen, rechnen die Hirten der Kirche in Lateinamerika mit der unschätzbaren Zusammenarbeit vieler von euch Ordensleuten, die ihr auf so vielen verschiedenen Gebieten bereits das Apostolat ausübt. Bei eurer Präsenz unter den Menschen seid ihr für die Anregung zahlreicher kirchlicher Gemeinschaften und zumal für die religiöse und moralische Bildung der Laien verantwortlich; euch ist zumal die christliche Erziehung der Jugend durch euren Unterricht und durch eure Katechese anvertraut. Ihr alle müßt daher den rechten Sinn für soziale Gerechtigkeit wecken, der von der Bruderliebe als unerläßlicher Grundlage ausgeht, damit jedes Land im Rahmen des Gemeinwohls weiter in Frieden und Harmonie wachsen und so eine allen zugute kommende kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung erreichen kann. Auf diese Weise wird der Kontinent der Hoffnung immer mehr zu einer echten Gemeinschaft von Brudemationen. Neu die Bande der kirchlichen Gemeinschaft festigen 22. Das Zweite Vatikanische Konzil hat den tief kirchlichen Sinn des gottgeweihten Lebens herausgestellt, der sich in einer aufrichtigen Gemeinschaft und Zusammenarbeit mit den Hirten der Kirche äußern muß. Die Geschichte der Erstverkündigung zeigt überreich den Beitrag der Ordensleute bei der Aufrichtung und Festigung der kirchlichen Hierarchie auf dem lateinamerikanischen Kontinent. Auch heute sind zahlreiche Bischöfe dieser Kirche für ihren pastoralen Dienst aus den Ordensleuten genommen. Die Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten sind im allgemeinen zufriedenstellend. Man könnte sagen, daß sie durch die Weisungen des Hl. Stuhls und dank des guten gegenseitigen Verständnisses zwischen den Organen der Gemeinschaft und Zusammenarbeit, wie sie zwischen den Diözesen und den Ordensinstituten geschaffen wurde, positive Anregungen erhalten haben17. Doch hat es in bestimmten Situationen auch nicht an Mißverständnissen und heftigen Gegensätzen gefehlt, die nicht einer echten Ekklesiologie der Gemeinschaft entsprechen, Frieden und Eintracht stören und die Aufgabe der Kirche, das Evangelium zu verkünden, negativ beeinflussen. 981 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Tatsache, daß sich die Ordensinstitute einer berechtigten Autonomie ihres Lebens erfreuen, von der der Codex des Kirchenrechts spricht18, darf keinen Vorwand für eine apostolische Tätigkeit am Rande der Hierarchie oder gar für das Ignorieren ihrer pastoralen Weisungen abgeben. Es wäre gegen die Natur der Kirche und des gott ge weihten Lebens selbst, wenn die Ordensleute und ihre Institutionen eine Art parallele Funktion mit einer parallel laufenden Pastoral oder in einem parallelen Lehramt beanspruchen würden. Es wäre auch eine falsche Vorstellung, wenn man meinen würde, die Ordensleute wären wegen ihrer kirchlichen Berufung mit einer prophetischen Rolle betraut, die die Hirten der Kirche nicht besäßen, und man könnte so das Charisma des gottgeweihten Lebens der Hierarchie, das prophetische Wirken der Ordensleute aber der Sendung der Bischöfe und dem prophetischen Charakter der Berufung der Laien entgegensetzen. Diese Tendenzen oder Haltungen finden in einer richtigen Ekklesiologie des Ordenslebens keinerlei mögliche Rechtfertigung. Sie stehen im Gegenteil in klarem Widerspruch zur Natur des gottgeweihten Lebens, das ein Leben der Gemeinschaft und der Einheit ist. Sie entsprechen ebensowenig dem Geist der Gründer, die das Empfinden, Kirche zu sein und mit der Kirche zu denken, immer als sicheres Unterscheidungsmerkmal bewahrt und in vollkommener Gemeinschaft mit ihren Hirten gewirkt haben; sie passen auch nicht zu einer richtigen Auffassung der apostolischen Sendung der Ordensleute, die ja keine andere sein kann als der Aufbau des Reiches und seine Ausbreitung innerhalb des Rahmens kirchlicher Einheit. Affektive und effektive Verbundenheit von Bischöfen und Ordensleuten 23. In jeder Ekklesiologie der Gemeinschaft, die sich an der Lehre des Konzils ausrichtet19, ist die Förderung einer gediegenen und organischen affektiven und effektiven Verbundenheit von Ordensleuten und Bischöfen entscheidend wichtig. Die Autonomie der Ordensleute, auf die ich angespielt habe, hat ihre Grundlage in ihrem Gehorsam gegen den Papst und den Hl. Stuhl, als Ziel aber ein besseres und hochherzigeres Mitwirken bei seiner Sorge um das Wohl aller Kirchen. Außerdem setzt diese Autonomie in jedem Fall auf pastoralem Gebiet die geschuldete Unterwerfung unter die Bischöfe voraus20. Nun kann aber das Mitwirken der Ordensleute bei der Sorge für alle Kirchen nicht ohne organische Gemeinschaft mit dem pastoralen Dienst der Bischöfe und ohne Gehorsam gegenüber ihren Verfügungen für den Gottesdienst, die Evangelisierung und Katechese erfolgen, wie es das Kirchenrecht vorschreibt. Es ist also klar, daß die pastoralen Initiativen der Ordensleute und ihrer Koordinationsorgane auf diözesaner, nationaler oder übernationaler Ebene unzweideutig und ohne Vorbehalte eine vollkommene Gemeinschaft mit den Hirten der Kirche in ihrer jeweiligen Zuständigkeit sichtbar machen müssen, weil die Bischöfe „rechtmäßige Lehrer und Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit“ sind und daher „bezüglich der Glaubensunterweisung sowohl in den Studienzentren als auch bei der Verwendung der Medien für die Glaubensvermittlung“ verantwortlich über die Ordensleute wachen müssen, z. B. über ihre Veröffentlichungen und ihre Verlage21. Je größer aber der Einfluß ist, den die Ordensleute bei der Verbreitung der Lehre haben können, desto verantwortlicher müssen sie sich um die integrale Übermittlung der Wahrheit und 982 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Gemeinschaft mit der Hierarchie bemühen und jede mögliche Verwirrung der Gläubigen bzw. Entstellung der geoffenbarten Wahrheit vermeiden. Alle müssen sich daher bemühen, jede Entfremdung zwischen Bischöfen und Ordensleuten zu vermeiden, weil das der ganzen Verkündigung des Evangeliums schweren Schaden zufügen kann. Ich bitte daher die einen wie die anderen, immer mehr die Bande der Gemeinschaft zu festigen und mit entsprechenden Mitteln das gegenseitige Kennenlemen sowie aufrichtige Wertschätzung untereinander und das Zeugnis der Einheit zu fördern; die Bischöfe müssen das unermeßliche Geschenk des gottgeweihten Lebens mit aller Verschiedenheit seiner Charismen wertschätzen und fördern, ohne zu vergessen, daß sie zugleich Förderer der Treue zum Ordensberuf im Geist eines jeden Instituts sein müssen22. Ich bitte ebenso die Ordensleute, die im Dienst der Kirche in Gemeinschaft zu leben berufen sind, sie mögen sich um die lebendige Aufrechterhaltung der Gemeinschaft und Zusammenarbeit mit den Bischöfen und die notwendige Achtung vor ihrer Autorität in der Seelsorge bemühen. Dieser Geist erneuerter Gemeinschaft zwischen Bischöfen und Ordensleuten in Lateinamerika wird eines der Themen zum Studium und Überlegen bei der IV. Generalversammlung des lateinamerikanischen Episkopates sein, die für 1992 vorbereitet wird. Das erfordert sowohl die große Zahl der Ordensmänner und Ordensfrauen, die auf dem Kontinent leben, als auch die unerläßliche Präsenz ihrer Charismen, Institutionen und neuen Berufungen, die für das Werk der Evangelisierung notwendig sind. Ohne den hochherzigen Beitrag des gottgeweihten Lebens kann die große Aufgabe einer neuen Aussaat des Evangeliums nicht erfüllt werden. III. Die Aufgaben der Zukunft: Die Ordensleute bei der neuen Verkündigung des Evangeliums Im Dienst des Reiches 24. Die Feier des V. Jahrhunderts seit Beginn der Evangelisierung Amerikas drängt uns in besonderer Weise zu einer neuen Verkündigung der Heilsbotschaft Christi an die Männer und Frauen unserer Zeit. Wie es das nachsynodale Apostolische Schreiben Christiüdeles laici formuliert hat, muß „die Kirche heute auf dem Gebiet der Evangelisierung einen großen Schritt nach vorne tun und in eine neue historische Etappe ihrer missionarischen Dynamik eintreten“23. Im gleichen Dokument habe ich gerade im Blick auf Lateinamerika geschrieben: „In anderen Gebieten und Ländern dagegen sind bis heute die traditionelle christliche Volksfrömmigkeit und -religio-sität lebendig erhalten; dieses moralische und geistliche Erbe droht aber in der Konfrontation mit komplexen Prozessen vor allem der Säkularisierung und der Verbreitung der Sekten verlorenzugehen. Nur eine neue Evangelisierung kann die Vertiefung eines reinen und festen Glaubens gewährleisten, der diese Tradition zu einer Kraft wahrer Befreiung zu machen vermag. Es ist 983 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit Sicherheit notwendig, überall die christliche Substanz der menschlichen Gesellschaft zu erneuern. Voraussetzung dafür ist aber die Erneuerung der christlichen Substanz der Gemeinden, die in diesen Ländern und Nationen leben“24. Die Ordensleute, die die ersten Verkünder des Evangeliums gewesen sind - und in einer so bedeutsamen Weise zur lebendigen Aufrechterhaltung des Glaubens auf dem Kontinent beigetragen haben - können sich diesem Aufruf der Kirche für eine neue Verkündigung des Evangeliums nicht entziehen. Die unterschiedlichen Charismen des gottgeweihten Lebens machen die Botschaft Jesu lebendig, präsent und aktuell für jede Zeit und jeden Ort, auch durch die Worte und das Zeugnis der Gründer, die im Verlauf der Geschichte der Kirche den erhabenen Reichtum des Geheimnisses und des Dienstes Christi zum Ausdruck gebracht haben, „wie er auf dem Berg in der Beschauung weilt oder wie er den Scharen das Reich Gottes verkündigt oder wie er die Kranken und Schwachen heilt und die Sünder zum Guten bekehrt oder wie er die Kinder segnet und allen Wohltaten erweist, immer aber dem Willen des Vaters gehorsam ist, der ihn gesandt hat“25. Deswegen erhofft sich die Kirche bei der neuen Verkündigung des Evangeliums von den Ordensleuten einen ständigen und entscheidenden Antrieb, weil sie, jeder nach seinem Charisma, berufen sind, „Christi frohe Botschaft in der ganzen Welt zu verbreiten“26. Die Dringlichkeit der neuen Evangelisierung in Lateinamerika, die seine katholischen Wurzeln, seine Volksfrömmigkeit, seine Überlieferungen und Kulturen mit neuem Leben erfüllen soll, macht es notwendig, daß die Ordensleute heute wie gestern - in enger Gemeinschaft mit ihren Bischöfen - weiter in vorderster Front der Predigt stehen und immer vom Evangelium des Heiles Zeugnis geben. Dazu möchte ich einige weitere Hinweise anbieten, die euch in eurem gottgeweihten Leben im Dienste des Reiches als Ermutigung und Anregung dienen können. Ausgehen von einer tiefen Gotteserfahrung 25. Eines der Merkmale, die das gottgeweihte Leben in Lateinamerika in den letzten Jahrzehnten ausgezeichnet haben, ist das Suchen nach einer echten Gotteserfahrung, die gleichsam ein neuer Name für die Kontemplation ist. Sie geht von der Betrachtung des Wortes Gottes aus und führt über das persönliche und gemeinschaftliche Gebet zur Entdeckung der Gegenwart des göttlichen Wirkens im Leben, wobei man zugleich diese Erfahrung mit dem ganzen Volk Gottes teilt. Das Dokument von Puebla hat dieses Suchen aufgegriffen und darauf hingewiesen: „Es gibt gewisse Anzeichen, die auf den Wunsch nach Verinnerlichung und Vertiefung des Glaubenserlebnisses hindeuten. Sie beruhen auf der Feststellung, daß ohne Kontakt zum Herrn eine überzeugende und nachhaltige Evangelisierung nicht möglich ist“27. Wie viele von euch bezeugen, hat nicht selten der einfache, aber tiefe Glaube des Volkes euch selber evangelisiert und euch die Notwendigkeit des Gebetes und einer tiefen Gotteserfahrung bewußt gemacht. Daher soll die persönliche und die gemeinschaftliche Betrachtung des Wortes des Lebens immer ein Blick in jene Tiefen sein, die zur Verkündigung des Evangeliums nach dem Beispiel Jesu anregen, dessen apostolische Tätigkeit ständig von jenem Dialog mit dem Vater begleitet war, aus dem seine Lehren voll ewigen Lebens herkamen. Ausgehend von einer tiefen Gotteserfahrung das Evangelium verkünden, gemeinsam Licht und Unterscheidungskraft angesichts der Probleme des täglichen Lebens suchen, das garan- 984 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tiert eine wirksame und durchschaubare Predigt des Evangeliums vor den Männern und Frauen unserer Zeit; dies wird eine echte Verkündigung und Bezeugung des Wortes des Lebens sichern, das gläubig aufgenommen und in der Gemeinschaft der Kirche erfahren wird (vgl. 1 Joh 1,1-3). Im Geist der Gründer 26. Liebe Ordensleute, ebenso wie sie es zu ihrer Zeit taten, würden eure Gründer auch in unseren Tagen dem Dienst Christi ihre besten apostolischen Kräfte widmen und darauf ihren tiefen Sinn für die Kirche richten, ihre schöpferischen pastoralen Initiativen und ihre Liebe zu den Armen, aus der so viele kirchliche Werke hervorgegangen sind. Die gleiche Hochherzigkeit und Selbstverleugnung, die eure Gründer bestimmten, muß auch euch, ihre geistlichen Söhne und Töchter antreiben, die Charismen lebendig zu halten, und sie mit der gleichen Kraft des Geistes, der sie geweckt hat, weiter anzureichem und anzupassen, ohne daß sie ihren ursprünglichen Charakter verlieren. So sollt ihr euch in den Dienst der Kirche stellen und den Aufbau seines Reiches zur Vollendung führen. Lateinamerika ist während der letzten 500 Jahre gewiß ein Schmelztiegel vieler Charismen des gottgeweihten Lebens gewesen, die anderswo entstanden, aber in diesen Ländern inkarniert und gefestigt worden sind. Zugleich war es auch eine Wiege für neue Ordensinstitute, die der geistlichen Erfahrung seiner Kinder und den apostolischen Bedürfnissen des Kontinentes entsprachen. Dieser ganze Reichtum an Energien und Charismen, mit dem Gott diesen Kontinent gesegnet hat, müßte passend so eingesetzt werden, daß er in eine immer mehr inkarnierte Seelsorge einmündet. Hier ist gewiß die geistliche und apostolische Beteiligung aller Gottgeweihten durch die gemeinsamen Dienst- und Koordinierungsorgane sehr wichtig, wenn bei der neuen Evangelisierung eine größere Wirksamkeit erzielt werden soll. Daher ihre Verantwortung und Verpflichtung, immer in Gemeinschaft mit der Hierarchie gemäß den Normen und Weisungen des Hl. Stuhls vorzugehen. In enger Zusammenarbeit mit den Priestern und Laien 27. Die neue Evangelisierung erfordert ferner eine enge Zusammenarbeit der Ordensleute mit den Diözesanpriestem, die ihre Seelsorge als eifrige Mitarbeiter der Bischöfe hingebungsvoll und hochherzig anbieten. Ebenso müßt ihr mit den Laien, mit ihren Verbänden und Bewegungen Zusammenarbeiten, von denen einige heute große Lebenskraft besitzen. Ihr Ordensleute müßt nämlich aufgrund eurer eigenen Identität das Beispiel einer erneuerten geistlichen Gemeinschaft mit den übrigen in der Pastoral tätigen Kräften bieten und eine apostolische Zusammenarbeit fördern, die die jeweilige Verantwortung eines jeden in der Kirche Berufenen achtet und stärkt. Die Kraft der Verkündigung des Evangeliums hat ihre Wurzel ja im Zeugnis aller Jünger Christi für die Einheit (vgl. Joh 17,21-23); daher müssen sich Priester, Ordensleute und Laien gegenseitig auf ihrem geistlichen und pastoralen Weg unterstützen und das Beispiel echter christlicher Brüderlichkeit sichtbar machen28. 985 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Evangelisierung der Kultur 28. Es ist das Anliegen der neuen Evangelisierung, daß die Heilsbotschaft ins Herz der Menschen und der Strukturen des sozialen Lebens eindringt. Das wollte ich in meiner Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika hervorheben. Es ist eine Tatsache, daß die Orden und Ordenskongregationen seit den Anfängen der Predigt der Botschaft Christi auf dem Kontinent immer Förderer der Kultur gewesen sind; sie sind es auch wegen der Verschiedenheit ihrer Charismen, wegen ihrer apostolischen Werke und ihrer Präsenz innerhalb der lateinamerikanischen Gesellschaft. Tatsächlich üben die Ordensleute ihre Tätigkeit in allen Bereichen des Schulwesens aus, von der Volks- und Mittelschule bis zur Berufsschule und zur Universität; auch in der Katechese, angefangen bei der für Kinder bis zu der für Erwachsene, suchen sie die Laien apostolisch zu formen; sie sind präsent im Herzen der großen Hauptstädte, aber auch in den Randsiedlungen und unter den Ureinwohnern, deren Kultur sie studieren und deren Rechte sie verteidigen. Ich bin sicher, daß ihr Ordensleute in Lateinamerika euren Platz an der vordersten Front dieser neuen verantwortungsvollen Verkündigung des Evangeliums zu finden wissen werdet, so daß diese mit ihrer Kraft als Heilsbotschaft den ganzen kulturellen Reichtum der Völker und Stämme des Kontinents in einer solidarischen und aussichtsreichen Kultur der Liebe einbeziehen kann. Tragt also dazu bei, eine Kultur aufzubauen, die immer für die Werte des Lebens, für die Originalität der Botschaft des Evangeliums und für die Solidarität unter den Menschen offen ist. Es soll eine Kultur des Friedens und der Einheit sein, wie sie Christus vom Vater für alle, die an ihn glauben, erbeten hat. In dem Maß also, wie ihr Ordensleute eurem eigenen Charisma treu bleibt, werdet ihr zugleich die Kraft zu apostolischer Kreativität finden, die euch bei der Predigt und Inkulturation des Evangeliums leiten kann. Ich bin voll Zuversicht, daß die ersehnte kulturelle und soziale Umgestaltung eures Kontinentes mit eurem hochherzigen Beitrag weiter vorankommt. Tatsächlich ist die Geschichte der Erstverkündigung in Lateinamerika für alle ein unübersehbarer Aufruf, bei der unternommenen Arbeit auszuhalten, und sie bietet zugleich einen Grund zu lebendiger christlicher Hoffnung. Evangelisierung ohne Grenzen 29. Bevor ich diese Überlegungen zur neuen Evangelisierung dieses Kontinents abschließe, möchte ich auf eine Aufgabe zu sprechen kommen, die schon bei vielen von euch eine gewisse apostolische Unruhe geweckt hat: die Notwendigkeit und Bereitschaft nämlich, auch jenseits eurer Grenzen zu evangelisieren. Seit der Ankunft des Evangeliums hat Lateinamerika in hochherziger Gastfreundschaft zahlreiche Ordensmänner und Ordensfrauen anderer Nationen aufgenommen, die diese Länder zu ihrer geistigen und Adoptivheimat gemacht haben. Viele von ihnen haben sich voll und ganz mit euren Kirchen und euren Völkern identifiziert und die universale Tragweite des Ordensberufes bewiesen. Ich möchte daran erinnern, daß einige von ihnen, wie weitere einheimische Ordensleute mit ihrem eigenen Blut ihre Treue zum Evangelium und ihre Hingabe an die Ärmsten besiegelt haben, deren Rechte sie verteidigten oder die sie auf ihrem Weg begleite- 986 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten. Für sie alle danke ich Gott dem Vater, der ständig neue Berufungen zur Nachfolge Christi erweckt. Ich hege daher die beste Hoffnung, daß Lateinamerika gerade zur Förderung der Aufgaben bei der neuen Verkündigung des Evangeliums ebenso gastfreundlich alle jene willkommen heißt, die sich zur Arbeit in diesem Teil des Weinbergs des Herrn berufen fühlen. Auf der anderen Seite ist es eine unausweichliche Forderung für alle Institute, wenn möglich noch großmütiger als in früheren Zeiten eine Berufungspastoral und eine entsprechende Ausbildung der Kandidaten für das gottgeweihte Leben zu fördern, so daß Lateinamerika über neue Verkündiger des Evangeliums verfügen kann, wie es sie nach Zahl und Qualität für seine eigene Zukunft braucht. Außerdem ist die Stunde gekommen, da ihr, gottgeweihte Männer und Frauen Lateinamerikas, immer mehr in den übrigen Kirchen der Welt mit einer Dynamik präsent werdet, die keine Grenzen kennt, und daß ihr hochherzig, auch „aus eurer Armut“ heraus für die Sendung der Kirche zur Verkündigung des Evangeliums in anderen Nationen Hilfe anbietet, wo diese eine Erstverkündigung oder eine neue Verkündigung des Evangeliums brauchen. Diese Gegenseitigkeit wird als Beweis der christlichen und missionarischen Dynamik der Kirchen, in denen ihr arbeitet, zugleich den Beweis für die Reife eines Kontinentes bieten, der seit fünf Jahrhunderten evangelisiert, nun seinerseits innerhalb der universalen Kirche auch ein evangelisierender Kontinent sein möchte. Abschluß 30. Liebe Brüder und Schwestern: zum Abschluß dieses Briefes, den ich vor der bevorstehenden Feier des 5. Jahrhunderts seit Beginn der Evangelisiemng Amerikas an euch richten wollte, danke ich dem Herrn für alles Gute, das im Verlauf dieser fünf Jahrhunderte durch die Ordensfamilien in der Gesellschaft und in der Kirche geleistet worden ist, die auf diesem Kontinent als Pilgerin unterwegs ist. Ich danke auch einem jeden einzelnen von euch Ordensmännem und Ordensfrauen sowie einer jeden eurer Gemeinschaften wie auch den Mitgliedern der Säkularinstitute und der Gesellschaften des apostolischen Lebens für eure Hingabe und euer Apostolat im Dienste Christi, der Kirche und der Gesellschaft. Gemeinsam mit dem gesamten Episkopat und dem Volk Gottes in Lateinamerika hegt der Papst die lebendige Hoffnung, daß euer Dienst bei der neuen Verkündigung des Evangeliums gemäß den Bedürfnissen der Gegenwart und der Zukunft weiter fruchtbar und von Gott gesegnet sein wird. Ich wünsche sehnlichst, daß die Feier dieses 5. Jahrhunderts zu einer günstigen Gelegenheit für die Erneuerung des echten Ideals des Ordenslebens wird, das außerdem an zahlreichen und echten Berufungen fruchtbar sein möge, denn auch in Lateinamerika „ist die Ernte groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“ (Mt 9,37). Bitten wir also gemeinsam „den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,38). 31. Unserer Lieben Frau von Guadalupe, „der ersten Verkünderin des Evangeliums in Lateinamerika“30, empfehle ich die Wünsche und Hoffnungen, die ich euch in diesem Brief anvertraut habe. Sie ist wirklich der „Stern der Evangelisierung“, die Evangelisiererin eures 987 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Volkes. Ihre mütterliche Nähe hat der Predigt der Christusbotschaft und der Brüderlichkeit der lateinamerikanischen Nationen und ihrer Bewohner entscheidenden Antrieb gegeben. Die Marienverehrung war immer während dieser fünf Jahrhunderte eine Garantie für die Treue zum katholischen Glauben. Möge sie weiter eure Schritte lenken und euer Bemühen um die Verkündigung des Evangeliums fruchtbar machen. Für alle Ordensmänner und Ordensfrauen ist Maria das lebendigste Vorbild und zugleich die vollkommenste Ausprägung der Nachfolge des Herrn und der Weihe an ihn: als die arme und gehorsame Jungfrau, von Gott erwählt und vollkommen der Sendung ihres Sohnes hingegeben. In ihr, der Mutter der Kirche, erstrahlen zugleich alle Charismen des Ordenslebens. Möge die Jungfrau des Magnificat, in deren Loblied ihre Treue zu Gott und ihre Solidarität mit den Hoffnungen ihres Volkes widerklingt, euch in der Treue zu eurer Weihe an Gott erhalten und euch zu hochherzigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen Christi und seiner Kirche bei der neuen Verkündigung der Evangelisierung machen! Euch allen, liebe Ordensmänner und Ordensfrauen, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gegeben zu Rom bei St. Peter am 29. Juni, dem Hochfest der Apostel Petras und Paulus im Jahre 1990, dem zwölften meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Anmerkungen 1 Johannes Paul II., Ansprache an CELAM, Puerto Principe vom 9. März 1983; vgl. die Eröffnung der Jahresnovene in Santo Domingo III, 4 vom 12. Dezember 1984; die Ansprache an die Päpstliche Kommission für Lateinamerika Nr. 5, vom 7. Dezember 1989; An den Päpstlichen Rat für Kultur vom 12. Januar 1990. 2 Johannes Paul II., Botschaft an die Klausurschwestem Lateinamerikas, 12. Dezember 1989. 3 Johannes Paul II., Ansprache in Santo Domingo am 25. Januar 1979. 4 Puebla 8. 5 Vaticanum II, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 4 6 Vgl. ebd., Nr. 9. 7 Vgl. ebd., Kapitel III. 8 Vgl. ebd., Nr. 22. 9 Vgl. Puebla, 721-776. 10 AAS 63(1971) S. 497-526. "AAS 76(1984) S. 113-546. 12 Vgl. Redemptor hominis, Nr. 21. 13 Vgl. Vaticanum II. Perfectae caritatis, Nr. 13. 14 Vgl. Puebla, 733-735. 15 Vgl. hl. Johannes vom Kreuz, Detti di luce e amore, 57. 16 Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Libertatis conscientia, Nr. 68. 17 Vgl. Kongr. für die Ordensleute und Säkularinstitute und Kongregation für die Bischöfe, Mutuae relationes, Nr. 52-67, vom 14. Mai 1978. 18 CIC, can. 586. 19 Vgl. Kongr. für die Ordensleute und Säkularinstitute und Kongregation für die Bischöfe: Mutuae relationes, Nr. 94-97, vom 14. Mai 1978. 988 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 20 Vgl. Vaticanum II, Christus Dominus, Nr. 35. 21 Vgl. Kongr. für die Institute des gottgeweihten Lebens und die Gesellschaften des apostolischen Lebens, Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten, Nr. 96, vom 2. Februar 1990. 22 Vgl. ebd. 23 Christifideles laici, Nr. 35. 24 Ebd., Nr. 34. 25 Vaticanum n, Lumen Gentium, Nr. 46. 26 Vgl. Vaticanum II, Perfectae caritatis, Nr. 25. 27 Puebla, 726. 28 Vgl. Christifideles laici, Nr. 61. 29 Nr. 5, vom 7. Dezember 1989. 30 Johannes Paul II., Ansprache bei der Ankunft in Mexiko-Stadt Nr. 4, 6. Mai 1990. 989 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Dienst an Gott und den Menschen Schreiben an die Franziskusschwestem von Vierzehnheiligen vom 1. Juli Sehr geehrte Frau Generaloberin! Liebe Franziskusschwestem von Vierzehnheiligen! Eure Kongregation feiert heute ihr einhundertjähriges Bestehen. Zu diesem festlichen Anlaß übermittle ich Euch allen sowie den Wohltätern Eurer Gemeinschaft von Herzen meine aufrichtigen Glück- und Segenswünsche. Euer Dienst an Gott und den Mitmenschen während der vergangenen einhundert Jahre war gekennzeichnet durch das Gebet und das hingebungsvolle Zeugnis, das Ihr und die Schwestern Eurer Kongregation im Sinn des hl. Franziskus abgelegt habt. Christus ist das Ziel und das Maß des Lebens aller Gläubigen. Aber er will darüber hinaus Menschen für das Zeugnis seines Dienstes und seiner ungeteilten Nachfolge. Zeuge sein heißt: für den Einen da sein, „der sich selber zum Lösegeld für alle hingab als der Mensch Christus Jesus“ (1 Tim 2,4-6). Christus will, daß diese Zeugen nicht umschauen, wenn sie einmal die Hand an den Pflug gelegt haben. Sinn und Recht des Ordensberufes wurzelt in der Menschwerdung Gottes, in der Selbstentäußerung Christi bis zum Tod am Kreuz, in der Mitteilung seines Geistes als Ruf und Auftrag an Menschen seines Willens. In der Erkenntnis Christi und seines Willens hat Eure Berufung ihren Ursprung, und seine Liebe trägt Euer Leben. Denn er hat Euch gerufen, ihm im Leben nach den evangelischen Räten strenger zu folgen. Ihr folgt ihm in opferwilliger Bereitschaft. Ihr folgt ihm in Freude, indem ihr „Gott in eurem Herzen Psalmen, Hymnen und Lieder singt, wie sie der Geist eingibt“ (Kol 3,16). Und Ihr folgt ihm in Treue, indem Ihr es als Ehre anseht, um seines Namens willen Schmach zu erleiden (vgl. Apg 5,52). Euer schwesterliches Leben macht Eure Teilnahme an der Sendung Christi wirksam. Euer Leben in einer Ordenskommunität ist der erste konkrete Ausdruck der Nächstenliebe. Die Forderungen nach Selbstaufopferung und hochherzigen Dienst werden beim Aufbau der schwesterlichen Gemeinschaft erfüllt. Die Liebe, die Euch in der Gemeinschaft verbindet, wird in der Folge zur Kraft, die Euch in Eurer Sendung für die Kirche stärkt. Ihr seid eine Gemeinschaft, die sich an der Regel des hl. Franziskus orientiert. Kennzeichnend für diesen großen Heiligen sind seine Freude an Gottes Schöpfung, seine kindliche Einfachheit, sein missionarischer Eifer und sein Wunsch, das Kreuz Christi voll und ganz zu teilen. Bleibt dem ursprünglichen Charisma treu, das Gott dem hl. Franziskus zur Bereicherung der Kirche geschenkt hat. Dem Willen von Pater Natili und Pater Jakob Schauermann entsprechend bildet Ihr eine sozial-caritativ tätige Gemeinschaft, seid aber heute in weitere Betätigungsfelder eingespannt: Ihr dient als Krankenschwestern und Altenpflegerinnen, seid im erzieherischen und im Medienbereich tätig, helft aktiv in der Seelsorge mit wie auch in der Verwaltung und in der Wirtschaftsführung. Außerdem steht Ihr im Dienst der Wallfahrer und der Gläubigen, die durch Exerzitien die Nähe zu Gott suchen, sowie in der missionarischen Tätigkeit in Peru. Gott möge Euch Eure großherzige Solidarität mit der Weltkirche reich vergelten. 990 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn Ihr in Eurem Dienst fortfahrt, denkt an den Rat des hl. Paulus: „Tut eure Arbeit gern, als sei sie für den Herrn und nicht für die Menschen“ (Kol 3,23). Das Maß Eurer Wirksamkeit wird immer der Grad Eurer Liehe zu Jesus Christus sein! Liebe Schwestern! Euer Zeugnis für Christus und Euer Dienst sind für mich Grund zur Ermutigung und Freude. Gott schenke Euch allen ein langes Leben! Möge er viele andere zur Nachfolge Christi im Ordensleben berufen! Maria, die Mutter der Kirche und das Vorbild gläubiger Ganzhingabe, möge Euch die Freude und Tröstung ihres Sohnes erwirken. Hierzu erteile ich Euch und allen Wohltätern Eurer Gemeinschaft meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 1. Juli 1990 Joannes Paulus PP. n Das Kreuz - besonderes Zeichen Litauens Predigt im Litauischen Kolleg am 2. Juli 1. „Wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, [sind] auf seinen Tod getauft worden ... Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus ... von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben.“ (Röm 6,3-4). Vor vier Jahren haben wir ein großes Gedächtnis begangen: 600 Jahre seit der Taufe Litauens. Gefeiert wurde es in Litauen mit allen Gläubigen dieser Nation; gefeiert wurde es aber auch „ad limina Apostolorum“, in der Petersbasilika. In der Feier dieses großen Gedächtnisses hat nicht nur Rom sich mit der Kirche in Litauen vereinigt, sondern alle Kirchen, besonders die des europäischen Kontinents. An diesem bewegenden Tag war es uns gegeben, der geistlichen Dynastie des hl. Kasimir, des Patrons Litauens, einen neuen Seligen hinzuzufügen: Georg Matulaitis, Erzbischof und Neugründer der Kongregation der Marianer. Und wie viele weitere Zeugen des Kreuzes und der Auferstehung müßte man aufgrund ihres Martyriums mit dazuzählen! Es gibt viele „Heilige“, deren Namen allein Gott kennt und die den Gläubigen unbekannt bleiben. <774> <774> In Litauen gibt es einen einzigartigen und besonderen Ort: den Hügel der Kreuze. Ein Wald von Kreuzen, großen und kleinen, wächst auf diesem Hügel. Es ist nicht gelungen, sie auszureißen. Sie wachsen immer wieder neu. Heute wachsen sie besonders zahlreich. Unlängst hat Kardinal Vincentas Sladkevicius mit allen Bischöfen und einer großen Zahl von Gläubigen bei einem Gottesdienst in der Kathedrale zum Gedenken an die schmerzlichen Ereignisse an diesem heiligen Ort zum gekreuzigten Jesus gefleht, daß er die Tage harter Prüfung abkürze, der das litauische gläubige Volk weiterhin unterworfen ist. Möge der Herr ihnen diese Gnade gewähren und dem Kreuz zum Siege verhelfen. 991 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Kreuz ist zum besonderen Zeichen Litauens geworden: der Menschen, der Familien, der Gemeinschaften und der ganzen Gesellschaft. Das Kreuz bringt uns den Tod Christi und unsere Erlösung in Erinnerung. Daher ist das Kreuz eng mit dem Geheimnis der Taufe verbunden, wie der hl. Paulus sagt. An der Schwelle unseres Lebens werden wir mit Christus in seinen Tod getaucht. Vor Jahrhunderten wurden eure Vorfahren durch die Taufe in den Erlösungstod Christi getaucht. Und diese Taufe, dieses Eintauchen in den Tod, ist belebend: Mit Christus treten wir in das neue Lehen ein. Dieses Leben hat seinen Ursprung in der Auferstehung. Das Volk, das so beständig und eifrig zu diesem Hügel pilgert, um dort Kreuze aufzustellen, ist dasselbe Volk, das an das Leben glaubt! „Wohl dem Volk, das dich als König zu feiern weiß! Herr, sie gehen im Licht deines Angesichts“ (Ps 89,16). 3. Indem wir das Opfer Christi feiern, vereinigen wir uns heute mit dem Pascha-Mysterium unseres Erlösers. In diesem eucharistischen Opfer finden wir das ganze Erbe des Kreuzes und der Auferstehung Christi wieder. Wir möchten daher mit dem „lauten Schrei“ unseres Erlösers die Stimme all unserer Brüder und Schwestern in Litauen und außerhalb seiner Grenzen vereinen. Der Herr hat Litauen bereits eine große Gnade gewährt, insofern als die Stimme dieser kleinen, aber edlen Nation in der Lage ist, sich überall Gehör zu verschaffen. Flehen wir den Gekreuzigten darum an, daß die litauischen Katholiken unter den anderen kirchlichen Gemeinschaften Mitteleuropas in Ruhe und Frieden leben können; daß die Jugendlichen einwilligen, Jesus auf der Via Crucis zu folgen, bereit, der Kirche - sei es als Priester, sei es als Laien - zu dienen. 4. Die Eucharistie macht das Pascha-Mysterium Christi gegenwärtig. Für uns Menschen wird sie zum höchsten Ausdruck unseres Pilgerwegs des Glaubens. Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns daran erinnert, daß dem Volk Gottes auf diesem Pilgerweg die Muttergottes vorangeht. Litauen wird „Marienland“ genannt, und das zu Recht, denn die Verehrung des litauischen Volkes für die Gottesmutter war stets außerordentlich, und die heilige Mutter Gottes war diesem Volk immer nahe. An vielen Orten des Landes befinden sich ruhmreiche Marienheiligtümer, welche durch die Fürsprache der Heiligsten Jungfrau Quellen göttlicher Gnade sind. Ganz bekannte Marienheiligtümer sind die in Vilnius (Ausros Vartai-Ostrobrama), Siluva, Pivasiunai, Kalvaria und weitere. Von den vielen Marienliedem wird eines als Nationalhymne angesehen. Und so lautet die erste Strophe dieses Liedes: „Maria, Maria, blendendweiße Lilie! Du erstrahlst am Himmel hoch. Mach die Knechtschaft weniger schwer. Komm der Menschheit zu Hilfe. Rette uns vor dem grausamen Feind!“ 992 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Ursachen des Flüchtlingsaufbruchs erkennen Ansprache an die Teilnehmer der Generalversammlung der Katholischen Internationalen Kommission für die Migration am 5. Juli Herr Präsident, Herr Generalsekretär, Meine Damen und Herren! 1. Bei Gelegenheit eurer Generalversammlung in Rom heiße ich euch gerne willkommen, da ihr gemeinsam die Verantwortung der internationalen katholischen Kommission für die Migration tragt. Ich grüße euch herzlich und danke eurem Präsidenten für seine ergebenen Worte und die Vorstellung eurer Arbeiten. Ihr prüft gemeinsam das Aktionsprogramm eurer Organisation, die sich seit ihrer Einrichtung vor etwa vierzig Jahren mit alten Problemen und neuen dringenden Bedürfnissen konfrontiert hat. Zweifellos ist das internationale Klima in vielen Regionen derzeit weniger gespannt, doch es gibt immer noch zahlreiche Migranten und Flüchtlinge, die brüderliche Aufmerksamkeit und wirksame Hilfe brauchen, zumal von seiten der Gemeinschaft der Katholiken. Im Verlauf der Jahre ist euer Betätigungsfeld immer größer geworden. Zu den alten Migrantenströmen sind die zuweilen gewaltsamen Vertreibungen von Menschen gekommen, die gezwungen wurden, sich in der Feme eine Zuflucht zu suchen, weil sie ihr Heimatland nicht freiwillig verlassen wollten. Solche Situationen, die sich oft dramatisch zuspitzen, betreffen Millionen von Menschen auf allen Kontinenten. Man kann sich daher denken, daß trotz des hochherzigen Wirkens eurer Organisation und der bereits erzielten Ergebnisse noch viel für die Migranten und Flüchtlinge zu tun bleibt. Das bedeutet zugleich die Erkenntnis, wie wertvoll und dringend die Aufgabe der internationalen katholischen Organisation bleibt. Dies führt auf der einen Seite zur Bekräftigung der Wichtigkeit eurer Institution und auf der anderen zur Aufforderang, euch weiter einzusetzen und dazu ständig eure Methoden und die Mittel für eure Arbeit anzupassen. <775> <775> Angesichts der Fortdauer und des Anwachsens der Schwierigkeiten, auf die die Migranten und Flüchtlinge stoßen, hat die Kirche neue Initiativen ergriffen, um zur Betreuung dieser Personengruppen beizutragen. Auch in der Kurie selbst wurden Dikasterien geschaffen, deren Ziel die Förderung und Koordinierung der pastoralen Initiativen und Hilfsprogramme ist, die in der Kirche auf diesem Gebiet begonnen worden sind. Ich nenne besonders den Päpstlichen Rat der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs und den Päpstlichen Rat „Cor Unum“. In diesem Geist wurden eure Statuten kürzlich überarbeitet: sie enthalten jetzt auch den Hinweis, mit den Organisationen des Hl. Stuhls, zumal mit denen, die für die gleichen Bereiche zuständig sind, bewußt zusammenzuarbeiten. Es geht darum, die der katholischen Welt verfügbaren Menschen und Mittel möglichst gut einzusetzen und die Gefahr zu vermeiden, daß man sie doppelt einsetzt und Energien verschwendet. Auf örtlicher Ebene müssen die Aktionen natürlich in Übereinstimmung mit den Weisungen der Bischöfe durchgeführt und entfaltet werden. Hier wird die beste Politik für die internationale katholische Kommission für die Migrationen darin bestehen, die Aktivitäten und 993 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Initiativen der Ortskirche zu unterstützen, statt andere parallel dazu zu orientieren. So kann sie sich zugleich in das Bemühen für verschiedene Gruppen von Migranten und Flüchtlingen einschalten, zumal bei den jungen Laien wie auch bei den Mitgliedern anderer religiöser Gemeinschaften. 3. In den Grenzen dieser kurzen Begegnung möchte ich einige Aspekte der Probleme ansprechen, vor denen ihr steht. Wenn man von Migranten oder Flüchtlingen spricht, muß man sich natürlich nach den Ursachen ihres Aufbruchs fragen. Und ich weiß, daß eure Aufmerksamkeit sich oft auf die Länder richtet, aus denen sie kommen. Man trifft dann nicht nur auf gewaltsame Auseinandersetzungen, sondern auch auf die Gewaltsituation der Armut und Unterentwicklung als Ursachen des Exils. Gerade hier bekommt das Überlegen und Wirken der Kirche seine praktische Tragweite und setzt ein Maximum an wirksamer Solidarität voraus. Es geht nämlich darum, wenn es möglich ist, den Männern und Frauen und den Familien zu helfen, daß sie auf ihrer Scholle würdig und in Frieden leben können. Das wieder bezieht zahlreiche natürliche, soziale, wirtschaftliche und politische Faktoren ein, die nur von den unmittelbar Betroffenen gemeistert werden können. Doch brauchen sie oft genug wirtschaftliche oder technische Hilfe, wenn die Entwicklung, ich betone das ausdrücklich, gleichen Schritt mit der unverbrüchlichen Achtung vor der Würde ihrer Personen, Familien, Überlieferungen, Gesundheit und des Rechtes halten soll, zu leben und Leben weiterzugeben. Ein Gesamtblick auf diese Probleme läßt verstehen, daß die wohlhabenden Länder ihnen nicht gleichgültig gegenüberstehen dürfen, vielmehr ihren Teil an Verantwortung für die Ungleichgewichte übernehmen müssen, unter denen die ärmeren Länder leiden; daß sie zur Abschwächung der schreienden Ungleichheiten beitragen müssen, die ebensoviele Anlässe zu einer sogar heimlichen Migration sind, selbst wenn man sie nicht wünscht. Die Organe für Koordination und Beurteilung können eine entscheidende Rolle spielen, damit das Bewußtsein vom menschlichen Ausmaß der Probleme und der Dringlichkeit ihrer Lösung lebendiger wird. 4. Mehr direkt führt eure Berufung euch zur Beschäftigung mit den Migranten und Flüchtlingen in den Ländern, in denen sie Aufnahme finden oder zuweilen gerade noch geduldet werden. Für viele unserer Brüder verwandelt sich die Migration, die einmal im Zeichen der Hoffnung stand, in einen Weg voller Schwierigkeiten und bitterer Enttäuschungen. Die Grenzen schließen sich vor ihnen, die Gesetze werden schärfer bis zur unendlich schmerzlichen Zurückweisung. Sie halten die Familien getrennt und schaffen echte Staatenlosigkeit. Sind sie aber zuweilen heimlich in ein Land gekommen, sehen die Immigranten sich ausgebeutet, denn ihre Arbeit wird schlecht bezahlt: und ihre Lebens- und Arbeitsverhältnisse bleiben lange Zeit unsicher. Ich erinnere hier an das, was mein Vorgänger Paul VI. über die eingewanderten Arbeiter gesagt hat: „Ihnen gegenüber muß unbedingt eine enge, nationalistische Haltung überwunden werden, um ihnen einen Status zu gewähren, der das Recht auf Auswanderung anerkennt und ihre Isolierung überwindet, ihre berufliche Ausbildung erleichtert und ihnen Unterbringung in angemessenen Wohnungen sichert, in denen sie gegebenenfalls mit ihren Familien leben können“ (Brief Octogeshna adveniens, 1971, Nr. 17). Man muß noch wiederholen, daß sich das Recht für Migranten oder Flüchtlinge und jedes andere Menschenwesen nicht vor allem auf die juridische Zugehörigkeit zu einer bestimmten 994 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaft gründet, sondern vorgängig dazu auf ihre Personenwürde. In diesem Geist führt ihr alle zusammen, die gegen Diskriminierungen aller Art kämpfen, weil diese ja in Wirklichkeit der positiven sozialen Berufung des einzelnen Menschen und den Menschengruppen widersprechen. Welches auch immer die Motive für die Vertreibung von Personen sein mögen, es ziemt sich, ihnen nicht nur die Mittel für ihren Unterhalt zu gewähren, sondern auch in eine konstruktive Partnerschaft mit ihnen einzutreten. Eine erste notwendige Hilfe führt dann Migranten oder Flüchtlinge dazu, ihre Eingliederung in das Aufhahmeland selber in die Hand zu nehmen, oder wenn das möglich ist, ihre Rückkehr in das Ursprungsland vorzubereiten. In jedem Fall muß man ihnen gesundheitliche Betreuung, Bildungs- und Berufsmöglichkeiten verschaffen, so daß sie ihre Fähigkeiten entfalten können, ohne das kulturelle Erbe und die Traditionen zu zerstören, die sie zu bewahren wünschen. 5. Die hier in großen Zügen erwähnten Anliegen werden von zahlreichen Menschen und den verschiedenen Organisationen geteilt, die an dieser dringenden menschenfreundlichen Tätigkeit Interesse zeigen. Alle sind dafür verantwortlich, zur Schaffung eines sozialen Netzes beizutragen, das die Aufnahme von Migranten und Flüchtlingen und die Solidarität mit ihnen fördert. Die Katholiken müssen hier ein beispielhaftes Zeugnis geben: die Offenbarung des Evangeliums mit ihrem Licht und ihrem Anspruch zeigt ihnen klar, daß sie berufen sind, sich aktiv an diesen Aufgaben zu beteiligen. Katholiken, die sich in den Dienst der Migranten und Flüchtlinge stellen, dürfen nicht vergessen, daß sie Jünger dessen sind, den man in den Zügen des barmherzigen Samariters erkennt, und der uns selbst versichert, daß er sich mit den Armen und Fremden identifiziert (vgl. Lk 10,29-37; Mt 25,35.43). Jene, die diesen Aspekt der Heilsbotschaft aufrichtig annehmen, werden es weder an Mut noch an der notwendigen Ausdauer fehlen lassen, um in der Aufnahme der Fremden Fortschritte zu machen. Es muß zur Bekehrung des Herzens eines jeden kommen, und auch zur Bekehrung der Gemeinschaften selbst. Diese Bekehrung wird dann Wirklichkeit, wenn man verstanden hat, daß der Dienst an den Mitmenschen nicht ein „gutes Werk“ von irgendwie zweitrangigem Wert ist, sondern eng verbunden bleibt mit dem persönlichen Verhältnis des Christen zu seinem Herrn, dem Guten Hirten, der sein Leben hin-gibt, damit nur eine Herde sei (vgl. Toh 10,14-18). Selbstloser Einsatz ist eine Voraussetzung dafür, daß der Leib Christi sich in der Einheit und Verschiedenheit seiner Glieder aufbaut, im gleichen Geist und unter dem gleichen Herrn, dem Sohn Gottes, der durch seinen Tod und seine Auferstehung die ganze Menschheit mit dem Vater versöhnt. Liebe Freunde, ich ermuntere euch zur Erfüllung eurer Aufgaben. Möge der Herr euch erleuchten und stärken! 995 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Objektiv über die Kirche informieren Ansprache an die Delegation der Vereinigung katholischer Journalisten Belgiens am 6. Juli Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der glücklichen Stunde ihrer Gründung war die Vereinigung der katholischen Journalisten Belgiens dem Nachfolger Petri und den Organen des Apostolischen Stuhls, die ihn im Dienst für die Ortskirchen unterstützen, eine Hilfe, und Ihr jährlicher Besuch wurde von meinen Vorgängern, wie auch von mir, immer sehr geschätzt. Die Aushändigung des Ergebnisses Ihrer bedeutsamen Kollekte, die Sie unter den Lesern und den Herausgebern Ihrer Schriften veranstaltet haben, ist ein tröstliches Zeichen für die Freigiebigkeit der Katholiken Belgiens und ihrer Verbundenheit mit der Kirche Christi. Sie alle zusammen, meine Damen und Herren, fahren fort, die „mirabilia“, die wunderbaren Geschehnisse der Urkirche und der zwanzig Jahrhunderte, die darauf folgten, zu berichten. Es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen meine herzliche Anerkennung auszudrücken und mich dabei der Worte des Apostels Paulus zu bedienen, die er an die Gemeinde von Korinth richtete, um ihr das bewundernswerte Beispiel der mazedonischen Gemeinden zu zeigen: „Brüder, wir wollen euch jetzt von der Gnade erzählen, die Gott den Gemeinden Mazedoniens erwiesen hat. Während sie durch große Not geprüft wurde, verwandelte sich ... ihre tiefe Armut in den Reichtum ihres selbstlosen Gebens. Ich bezeuge, daß sie nach Kräften und sogar über ihre Kräfte spendeten, ganz von sich aus, dabei baten sie uns flehentlich um die Gunst, zur Hilfeleistung für die Gläubigen in Jerusalem beitragen zu dürfen“ (2 Kor 8,1-5). In den folgenden Zeilen ermuntert Paulus die Christen von Korinth, daß auch sie ihre hochherzige Initiative bis zu Ende durchführen und, ihren Möglichkeiten entsprechend, freudig ihren Beitrag geben mögen. In dem Resultat Ihrer Kollekte von 1990 erkenne ich wiederum die Großherzigkeit Belgiens und seiner Christen. Als ein Land, das vielfach Prüfungen durchzustehen hatte, ist Ihre Nation auf der menschlichen wie auf der kirchlichen Ebene stets aufnahmefreudig und hilfsbereit. Flüchtlinge aus Ungarn und anderen Ländern Zentraleuropas - eine Folgeerscheinung der großen Konflikte dieses Jahrhunderts - haben bei Ihnen eine Gastfreundschaft gefunden, die sie nicht vergessen können. Ebenso bleibt der Geschichte Abbe Joseph Cardijn, der spätere Kardinal, in Erinnerung, der mit so glühendem Eifer gegen das Elend ankämpfte, das der erste Weltkrieg im Gefolge hatte, vor allem in gewissen städtischen Gebieten. Außerdem hat Ihr Land der Welt und der Kirche den großen Apostel der Leprakranken, P. Damian De Veu-ster, geschenkt, der viele Ihrer Landsleute in seinen Spuren nach sich gezogen hat. Und es ist ja bekannt, daß auch die „Hilfe für die Kirche in Not“ von Ihrem Land ausgegangen ist. Bleiben Sie als Söhne und Töchter des edlen Belgiens und der katholischen Kirche dieser großen und schönen Tradition treu, die Sie aus Bescheidenheit „Jahresspende an den Papst“ nennen. Leisten Sie weiterhin, in Übereinstimmung mit Ihren Bischöfen, Bildungsarbeit an den Lesern Ihrer katholischen Zeitungen und Zeitschriften! Wenn Sie sie objektiv über das Leben der ganzen Kirche informieren, führen Sie sie hin zu einem dem Evangelium entsprechenden Mittragen der immer schwereren Lasten des Nachfolgers Petri und des Apostoli- 996 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Stuhles in Rom, die zur Anregung und Unterstützung der Einzelkirchen berufen sind, besonders jener, deren Leben und Wirken schwierigen Bedingungen unterworfen ist. Möge Ihre Freude ebenso groß sein wie das Maß der Anstrengungen, die Sie alle aufgewandt haben! Noch einmal sage ich der großen Familie der „Etrennes pontificales“ von ganzem Herzen Dank! Auf alle ihre Glieder rufe ich die Fülle des göttlichen Segens herab. In flämischer Sprache sagte der Papst: Ich möchte nicht unterlassen, auch in Flämisch meinen herzlichsten Dank auszusprechen für die hochherzige Spende von seiten der Vereinigung katholischer Journalisten Belgiens und der Leser der belgischen katholischen Presse. Ich bitte Gott, er möge alle dafür überreich belohnen, und ich verspreche Urnen mein besonderes Gebet für die Anliegen der im Goldenen Buch Verzeichneten. Von Herzen erteile ich allen gütigen Spendern den Apostolischen Segen. Die Harmonie zwischen Mensch und Universum bewahren Grußwort an die Teilnehmer am dritten Sommerkurs für Astronomie, veranstaltet von der Vatikanischen Sternwarte, vom 7. Juli Liebe Freunde! 1. Es ist mir eine große Freude, Sie alle, Studierende, Fakultätsangehörige und Personal der Vatikanischen Sternwarte, anläßlich des dritten Sommerkurses in Astronomie, den die Vatikanische Sternwarte veranstaltet, zu begrüßen. Es ist in der Tat hochinteressant, bei wissenschaftlichen astronomischen Untersuchungen beteiligt zu sein. Teleskope, die bereits in Betrieb gesetzt sind oder bald auf den Weltraum hin in Betrieb gesetzt werden, lassen wahrscheinlich die Grenzen zwischen dem bekannten und dem noch unbekannten Universum in einem Maß verschieben, das weit über das hinausgeht, was sogar Sie als junge Wissenschaftler sich vorstellen können. Die Geheimnisse des Universums, die diese Geräte nur anfanghaft freilegen körnen, werden zweifellos einen bedeutenden Einfluß auf Ihr ganzes Berufsleben ausüben. Zu der gleichen Zeit, zu der sich diese wunderbaren technologischen Entwicklungen im Weltraum abspielen, sind hier auf der Erdoberfläche mehrere Forschungszentren, die zu einigen der besten astronomischen Standorte der Welt Zugang haben, mit der Konstruktion großer Teleskope nach neuen Technologien beschäftigt, die es uns ermöglichen werden, mit unserem Blick so weit in das Universum vorzudringen, wie zum Beispiel mit Hilfe des Hubble Weltraumteleskops, wenn auch nicht ganz so, wie dieses. <776> <776> Wenn ich von großen Teleskopen auf der Erdoberfläche spreche, möchte ich Ihnen wiederholen, was ich bereits zu den für die Konstruktion des Teleskops der „Fortgeschrittenen Vatikanischen Technologie“ Verantwortlichen gesagt habe, des Teleskops, das dieses Jahr 997 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf dem Mount Graham in Arizona aufgebaut werden soll. Ich tue es, weil ich weiß, daß’ in Ihrer beruflichen Laufbahn kluge Entscheidungen von Ihnen gefordert werden, wenn es sich darum handelt, zur tieferen Erforschung unseres weiten Weltenraums über den Gebrauch von Hilfsquellen auf unserem kleinen Planeten Erde zu entscheiden. Im vergangenen Jahr sagte ich zu den Gründern der „Gesellschaft der Vatikanischen Sternwarte“: „Dieses neue Teleskop wird das erste in einer Reihe von Instrumenten sein, die es Wissenschaftlern ermöglichen werden, zehnmal weiter in den Weltraum hinein zu sehen, als es je zuvor möglich war. Um so wirksam wie möglich funktionieren zu können, müssen diese Fernrohre auf abgelegenen Gebirgen errichtet werden, von denen viele als ökologische Zonen geschätzt sind. Ich weiß, daß Sie als Wissenschaftler die Natur lieben und respektieren. Darum suchten Sie in Ihrem Bemühen, an die äußersten Grenzen des Universums Maß zu legen, so wenig wie möglich in die natürlichen Prozesse auf der Erde einzugreifen, auf diesem kleinen, aber kostbaren Teil des Weltalls, von dem aus Sie Ihre Beobachtungen anstellen“ (Ansprache an die Begründer der „Gesellschaft des Vatikanischen Observatoriums“, 19. 6. 1989). In unserer Zeit spürt man immer mehr die Notwendigkeit, die Harmonie zwischen der Menschheit und dem Universum zu bewahren. Das ist einer der Gründe, die mich veranlaßt hatten, dem diesjährigen Weltfriedenstag das Thema zu geben: „Frieden mit dem Schöpfer, Frieden mit seiner Schöpfung“. Ich fordere Sie als Wissenschaftler, die ihre berufliche Laufbahn in der Forschung eben aufnehmen, auf, im Frieden mit der Schöpfung zu bleiben, die das Objekt Ihrer Studien ist. 3. Erfolgreiche wissenschaftliche Arbeit hängt letzten Endes von der menschlichen Vernunft ab, die nicht nur die Werkzeuge schafft, sondern es auch verstehen muß, weisen Gebrauch davon zu machen. Die Werkzeuge selbst sind im allgemeinen der bevorrechtete Besitz technologisch fortgeschrittener Nationen. Aber die Intelligenz ist der bevorrechtete Besitz keiner einzelnen Nation. Ihrer edler Anwesenheit hier ist ein Beweis für diese Tatsache: Sie, fünfundzwanzig Studierende, kommen aus zweiundzwanzig verschiedenen Nationen, verstreut über die Kontinente Asien, Afrika, Europa, Süd- und Nordamerika. Sie sind hier, weil Sie mit der Intelligenz gesegnet sind und die Motivierung und Disziplin besitzen, die zur wissenschaftlichen Forschung erforderlich sind. Ihre Intelligenz ist sowohl eine Gabe wie eine Herausforderung, und ich freue mich, daß dieser Kurs Ihnen Gelegenheit gibt, einerseits die Gabe weiter zu entfalten, anderseits die Herausforderung in den Blick zu fassen. Lassen Sie mich zum Schluß noch der Hoffnung Ausdruck geben, daß Sie sich nicht nur über das freuen werden, was Sie hier gelernt haben, sondern auch über die Tatsache, daß sie es gemeinsam lernen konnten. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem edlen Unternehmen. Auf Sie alle, die heute hier anwesend sind, und auf Ihre Lieben rufe ich Gottes überreichen Segen herab. 998 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Wahrheit macht frei Predigt beim Heiligtum von Barmasc (Aostatal) am 15. Juli 1. „Das Wort, das meinen Mund verläßt, kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe“ (Jes 55,11). Wie der Regen die Erde tränkt, so gibt Gott mit seiner Gnade dem von Sünde und Tod niedergedrückten Menschen die Kraft zurück. Gott ist treu und hält stets das gegebene Wort. Keiner Macht wird es gelingen, der unwiderstehlichen Gewalt seines Erbarmens Zügel anzulegen. Liebe Brüder und Schwestern, die Worte des Deuterojesaja, die wir in der ersten Lesung gehört haben, unterstreichen in bezeichnender Weise die Verheißung, die Jahwe dem bekümmerten und verwirrten Israel erneut zuspricht. Sie richten sich als Aufruf zur Hoffnung und Antrieb zum Vertrauen auch an uns. Sie richten sich an den Menschen unserer Zeit, der nach Glück und Wohlbefinden dürstet und nach Wahrheit und Frieden auf der Suche ist, aber mit Bedauern die Enttäuschung des Mißerfolgs erfährt. Die Worte des Propheten sind eine Aufforderung, zu glauben, daß Gott jede Situation zu ändern vermag, auch die dramatischste und verwickeltste. Denn wer könnte seinem Handeln widerstehen? Wird Er, der allmächtig und gütig ist, uns denn unserer Gebrechlichkeit überlassen oder uns zum Spielball unserer Untreue werden lassen? 2. In den biblischen Texten dieses 15. Sonntags im Jahreskreis erscheint uns der Allmächtige voll Zärtlichkeit und Aufmerksamkeit, freigiebig bietet er der Menschheit die Gaben des Heiles an. Mit Geduld begleitet er das Volk, das er sich erwählt hat; treu führt er die Jahrhunderte hindurch die Kirche, „das neue Israel, das auf der Suche nach der kommenden und bleibenden Stadt in der gegenwärtigen Weltzeit einherzieht“ (Lumen Gentium, Nr. 9). Er spricht und handelt, er schenkt ohne Maß und ohne es sich gereuen zu lassen, er greift in unser tägliches Leben ein, auch wenn wir schwach sind und seiner frei geschenkten, großmütigen Liebe nicht entsprechen. Der Mensch aber hat die erschreckende Möglichkeit, die göttliche Initiative auszuschlagen und seine Liebe zurückzuweisen. Unser „Ja“, die freie Zustimmung zu seinem Angebot des Lebens, ist unbedingt notwendig, damit der Heilsplan sich in uns vollziehen kann. 3. Denken wir auch über das Gleichnis vom Sämann nach. Er hilft uns, die Wirklichkeit der Vorsehung besser zu begreifen und weise das Gewicht der Verantwortung abzuwägen, die jeder im Hinblick auf das Reifen der Saat des Wortes trägt, die reichlich in unser Herz ausgesät wurde. Der Same, von dem wir sprechen, ist das Wort Gottes, es ist Christus, das Wort des lebendigen Gottes. Es ist ein Same, der in sich fruchtbar und wirksam ist, hat er doch in der unerschöpflichen Quelle der dreifältigen Liebe seinen Ursprung. Doch es hängt von uns ab, ihn Furcht bringen zu lassen, es hängt davon ab, wie jeder von uns ihn aufnimmt. Oft zerstreuen zu viele Interessen den Menschen; zahllose Ansprüche kommen von überallher auf ihn zu, und es fällt ihm schwer, unter so vielen Stimmen jene eine der Wahrheit zu unterscheiden, der Wahrheit, die frei macht. 999 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir müssen, liebe Brüder und Schwestern, ein von Dornengestrüpp und Steinen gesäubertes Erdreich werden, sorgfältig umgebrochen und aufgelockert. Es hängt von uns ab, jenes gute Erdreich zu sein, in dem „das Wort Frucht bringt, hundertfach oder sechzigfach oder dreißigfach“ (Mt 13,23). Wie groß also ist die Verantwortung des Gläubigen! Wie zahlreich sind die Gelegenheiten für den, der dieses Geheimnis aufnimmt und es bewahrt! Selig, wer sich ganz für Christus öffnet, den Samen, der das Leben fruchtbar macht! Liebe Brüder und Schwestern, ich fordere euch auf, im Verlangen nach Gott zu wachsen; ich ermutige euch, hochherzig die Einladung anzunehmen, die heute die Liturgie an uns richtet. Mögt ihr immer den Anregungen der Gnade entsprechen und überreiche Früchte der Heiligkeit bringen. 4. Ich bin allen dankbar, die es mir möglich gemacht haben, die Eucharistie bei diesem Hei-ligtum von Barmasc zu feiern. Ich danke dem Bischof von Aosta, Ovidio Lari, eurem geliebten Oberhirten; ich grüße die Bischöfe, die als Gäste hier weilen, und ich danke ihnen; achtungsvoll grüße ich alle anwesenden Autoritäten, den Herrn Präsidenten der Regionalregierung und den Herrn Bürgermeister von Ayas. Im Geist umarme ich euch alle, die ihr euch so zahlreich zu dieser Eucharistiefeier zusammengefunden habt. Den Hintergrund unserer Versammlung bildet dieses bezaubernde Alpental von Ayas, von dem Bach durchflossen, der von den majestätischen Gletschern des Monte Rosa kommt. Vom Monte Zerbion schaut die Statue der Muttergottes segnend auf uns herab. Nicht weit von hier erhebt sich als höchster Gipfel der Monte Cervino, der vor 125 Jahren, drei Tage nach der Eroberung durch den Engländer Edward Whymper und die schweizerischen und französischen Führer, vom italienischen Abhang her von der Seilschaft erreicht wurde, die ausnahmslos aus dem Aostatal stammte, nämlich Jean-Antoine Bich, Jean-Augustin Meynet und Rev. Ame Gorret, alle von Valtoumenche. Alles trägt dazu bei, den Blick zum Himmel zu erheben, alles lädt uns ein, Maria, die Muttergottes anzurufen, die so treu dem Willen des Allerhöchsten entsprochen hat. In diesem eindrucksvollen Heiligtum, das in der Zeit vor dem 17. Jahrhundert erbaut wurde, wird die Muttergottes unter dem Titel von der „Guten Hilfe“ verehrt. Seit alten Zeiten strömen hier die Gläubigen zahlreich zusammen. Sie beten um Regen und günstige Witterung für die Felder und sind gewiß, erhört zu werden. Auch wir teilen heute dieses Vertrauen. Aber außer dem Regen, der das Land erfrischt, brauchen wir einen anderen, noch wichtigeren Regen, die „sprudelnde Quelle, deren Wasser ewiges Leben schenkt“ (Job 4,14). Wenn es an diesem übernatürlichen Wasser fehlt, wird das Herz des Menschen zur trockenen, unfruchtbaren Wüste. Dann geht man das Risiko des geistigen Todes ein. 5. Die Schöpfung, „der Vergänglichkeit unterworfen“ (Röm 8,20), ruft, daß sie nach Christus dürstet. Sie ruft nach dem Frieden, weiß aber nicht, wo sie ihn ganz finden kann. Wer wird dieses steinige und domenreiche Land in ein fruchtbares Feld umwandeln können, wenn nicht der Regen und der Schnee, die aus der Höhe kommen? „Virgo potens, erige pauperem - mächtige Jungfrau, richte den Armen auf!“ Das war das Motto von Msgr. Obert, Missionar und dann Bischof in Indien, dessen hundertster Geburts- 1000 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tag in diesem Jahr begangen wird, und dessen ehemalige Wohnung sich wenige Meter von hier befindet. Es ist wahr: die hl. Jungfrau richtet den Armen auf, der auf sie vertraut. Sie hilft Tag für Tag dem Christen, den Schritten Jesu nachzufolgen, für ihn alle körperlichen und geistigen Fähigkeiten einzusetzen und so die Mission zu erfüllen, die jeden Christen durch die Taufe anvertraut wurde. So wird der Glaubende zusammen mit Christus auch seinerseits ein Same des ewigen Lebens zum Heil der Brüder. 6. „Die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes“ {Röm 8,19). Die Menschheit ruft nach Hilfe und sucht Sicherheit. Wir alle haben den Regen des Erbarmens nötig, alle trachten wir nach Früchten der Liebe. Gott sendet weiterhin den Saaten der Erde seinen Segen, und er wird gewiß das begonnene Werk zu Ende führen. Das erhebende Panorama, das wir hier betrachten, spricht uns von seiner ewigen Treue. Es spricht uns auch vom Reichtum seiner Gaben. Im Schweigen dieser Gipfel offenbart sich Gott aus der Höhe, er, der „den Irrenden das Licht seiner Wahrheit zeigt, damit sie auf den rechten Weg zurückkehren können“ (Gabengebet). Er zeigt uns Jesus Christus, sein ewiges Wort. Er zeigt ihn uns und bietet ihn uns in der Eucharistie an. Er bietet uns ihn an durch die Hände Marias, seiner Mutter und unserer Mutter. Jungfrau von der Guten Hilfe, bitte für uns! Amen. Der Mensch: Pilger zum Absoluten Ansprache an die Jugendlichen des Aostatals am 15. Juli Das erste Wort, das mir in den Sinn kam, war weder italienisch noch französisch. Es war lateinisch: „Petra autem erat Christus.“ Der hl. Augustinus sagt, so erkläre sich auch der Name Petras. „Petrus a petra.“ „Petra erat Christus“, und von daher kommt der Name des Petrus. Doch ich weiß, warum mir dieses Wort in den Sinn kam, aber ich habe sofort an die Berge gedacht, denn alles findet sich hier in dieser wunderbaren Gegend: das Aostatal, das Gebirge, vor allem der Mont Blanc, dann auch der Gran Paradiso und viele andere. Nun sind aber die Berge, besonders dieses Hochgebirge, Gesteine. Da gibt es Wiesen, Wälder, Grün. Aber über dem Grün erhebt sich Felsen. Und das bringt uns in unserer Überlegung weiter. Wenn das Gebirge, wenn Christus Felsen ist, dann heißt das, er lädt uns zum Aufstieg ein. Der Mann, die Frau, jeder von uns ist zu einem Aufstieg berufen. Das menschliche Leben ist ein Aufstieg. Das empfinden vor allem die Jugendlichen. Sie unternehmen gern Bergbesteigungen. Aber es gibt noch einen anderen Aufstieg. Sein Name ist Christus. Es gibt einen inneren Anstieg, einen Anstieg zum „Mehr“: mehr menschlich sein, mehr Christ sein, mehr Christus nahekommen, dem Felsen, dem Berg, dem Gipfel. Und seht ihr, so glaube ich, daß das Eigentliche meiner Gedanken bei unserem Treffen sich in diesen Worten findet, die ich eingangs angeführt habe. Ich wünsche allen Jugendlichen, 1001 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß sie diesen Aufstieg lieben. Oft sagt man, der Mensch sei der Pilger zum Absoluten. Pilger, das heißt: jemand, der auf dem Weg ist. Pilger zum Absoluten. Das „Absolute“ ist etwas abstrakter und doch zutiefst realistisch. Christus ist ein Ausdruck des Absoluten. Wir sind Pilger Christi, des göttlichen Absoluten, das seinen Ausdruck gefunden hat und immer seinen Ausdruck findet in Christus. So wünsche ich denn allen diesen Aufstieg, diese Pilgerfahrt. Und ich danke euch für diese Begegnung, die auch ein Aufstieg war, weil sie ein Gebet war. Das ganze Programm unseres Treffens war ein Gebet. Zu Beginn haben wir das Wort Gottes angerufen, dann haben wir schweigend über dieses Wort nachgedacht. Wir haben auch unsere Gebete vor Gott hingetragen und unsere Lieder und schließlich auch unseren Chor, diesen Chor, den ich schon ein-oder zweimal und auch heute wieder bewundern konnte. In französischer Sprache sagte der Papst: Ich danke euch für eure Lieder. In italienischer Sprache sagte der Papst: Und wir haben auch die folkloristische Gruppe, eine Gruppe aus dem Aostatal, bewundert. In französischer Sprache sagte der Papst: Und ebenso ein Gebet, denn es ist ein Ausdruck der Güte, die aus dem Geist des Menschen kommt, und es ist der Ausdruck unseres transzendenten Geistes, der Gott entgegengeht, dem absoluten Gott. Gott - das heißt nicht nur das Wahre, nicht nur das Gute, sondern auch das Schöne. Durch das Schöne also, durch die Kunst, die Lieder, die Tänze und anderes kommt man Gott näher und drückt auch das Gebet aus. In italienischer Sprache sagte der Papst: Ich möchte für das Gebet danken, das wir miteinander gefeiert haben, das wir in der Freude gefeiert haben, weil ja das Gebet immer ein Kontakt, eine Begegnung mit Gott ist, der in Christus, unserem Freund, unser Vater ist, und mit dem Heiligen Geist. Und das alles macht zur Freude bereit. Ich danke euch für dieses Treffen, und ich wünsche euch, daß dieses Treffen im Gebet auch Früchte des Gebets in eurem jugendlichen Leben tragen. Es sind Jugendliche hier, wie euer Bischof, der Bischof von Aosta sagte, Jugendliche von neun Monaten bis zu 90 Jahren. Eine gute Zusammensetzung also! Ja, ich möchte dem Bischof von Aosta noch einmal versichern, daß wir uns hier wirklich in einer angenehmen Gesellschaft befinden. Wir alle zusammen bilden sie. Alle seine Diöze-sanen, alle seine Jugendlichen aus der Diözese Aosta. Einige aber möchte ich besonders nennen, wie zum Beispiel die Gruppe, die im Herzen Jesu besonders bevorzugt ist: die Behinderten nämlich. Dann eine Gruppe Alpinisten, Schüler der Militärschule Alpina von Aosta, die zu besuchen ich schon im Jahr 1986 die Freude hatte. Ferner eine Gruppe Schüler der Militärakademie von Modena, die zu einer einmonatigen Ausbildung in Aosta sind, sowie eine kleine Gruppe von Jugendlichen, die am kommenden 1. August von Turin zum Heiligtum nach Tschenstochau reisen im Hinblick auf den Tag der Jugend im nächsten Jahr. 1002 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Um aber eurem Bischof zu wiederholen, daß wir uns wirklich in einer angenehmen Gesellschaft befinden, möchte ich darauf hinweisen, daß wir von Kindern umgeben sind, von euren Kindern, und die sind wirklich eine liebe Gesellschaft, waren sie doch auch von Jesus so sehr bevorzugt. Eure Jugendgemeinschaft hätte niemand besseren als Gesellschaft für den Papst und für euren Bischof finden können als diese kleinen Mädchen und Buben. Ich danke euch also für dieses Jahr. Für nächstes Jahr läßt sich noch nichts prophezeien. „Niemand ist ein Prophet in seinem eigenen Land.“ Was aber nicht besagen will, man dürfe nicht den Glauben an die Dreiheit hochhalten, wie ihn euer Bischof und wir alle hochhalten. So also möchte ich im Namen dieses dreifältigen Glaubens, im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit euch jetzt, zusammen mit eurem Bischof, euch allen, die ihr hier anwesend seid, einen Segen geben. Von Herzen Dank! Gott und dem Nächsten dienen Predigt beim Gottesdienst mit Bediensteten in Castel Gandolfo am 22. Juli Sehr geehrter Herr Direktor, liebe Mitarbeiter und Bewohner der Päpstlichen Villen! 1. Ich freue mich sehr, heute morgen, wie jedes Jahr, mit euch um den Altar des Herrn versammelt zu sein, euch von Herzen zu begrüßen und zu Beginn meines Sommeraufenthaltes in Castel Gandolfo diese heilige Messe für euch darzubringen. Gern nehme ich die Gelegenheit wahr, um allen für den Arbeitseinsatz zu danken, den ihr hier leistet, und ich bitte den Herrn, euch alles reichlich zu vergelten. Eure Überzeugung, im Dienst des Hl. Stuhls und daher für die Kirche und für den Papst zu arbeiten, wird gewiß euren christlichen Glauben, verbunden mit der Praxis der Sakramente und der sich daraus ergebenden Konsequenzen im Leben, immer mehr vertiefen. <777> <777> Die Liturgie dieses Sonntags ruft, wie ihr gehört habt, alle zu ernsthaftem Nachdenken auf: Das Gleichnis von der guten Saat und vom Unkraut, das Jesus selbst erklären wollte, bringt in der Tat die wahre und einzige Bedeutung der menschlichen Geschichte zum Ausdruck. Jesus bestätigt offen, daß es Böswillige, die „Söhne des Bösen“ gibt, die im Lauf der Zeit Unkraut säen. Diese dramatische, schlimme Saat vollzieht sich unter unseren Augen ebenso wie in der Vergangenheit. Die Freiheit ist ohne Zweifel ein positiver Wert, welcher der Person des Menschen, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes erschaffen ist, ihre Würde gibt. Er hat die Freiheit, Gott und den Nächsten zu erkennen und zu lieben, Gott und dem Nächsten zu dienen, und so die ewige und grenzenlose Glückseligkeit zu verdienen. Aus dem negativen Gebrauch der Freiheit wächst das Unkraut, das nicht aus dem Ackerboden ausgerissen werden darf, weil die Freiheit nicht weggenommen werden soll. Darin besteht wirklich das Drama und das Geheimnis der menschlichen Geschichte! Gott hat den Menschen als freien Menschen erschaffen, um ihn seiner Natur und seiner göttlichen Seligkeit würdig zu 1003 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN machen. Auf dem Acker der Geschichte müssen wir „gute Saat“ sein, müssen von der Freiheit positiven und konstruktiven Gebrauch machen, entsprechend dem Plan des Schöpfergottes und den heilbringenden Weisungen des Sittengesetzes. 3. Dieses Gleichnis und auch die anderen Lesungen der heutigen Liturgie sagen uns, daß das Gute und das Böse, die gute Saat und das Unkraut auf dem Boden der Geschichte bis zu ihrem Ende Zusammenleben und gedeihen. Die Geschichte wird ihr Ende haben, das ist gewiß, und wann wird die endgültige Trennung vollzogen zwischen denen, die gute Saat sein wollten und denen, die sich hingegen dafür entschieden haben, Unkraut zu sein und zu säen: „Die Ernte - sagt Jesus - ist das Ende der Welt; die Arbeiter bei dieser Ernte sind die Engel. Wie nun das Unkraut aufgesammelt und im Feuer verbrannt wird, so wird es auch am Ende der Welt sein: Der Menschensohn wird seine Engel aussenden, und sie werden aus seinem Reich alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben, und werden sie in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt. Dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen. Dann werden die Gerechten im Reich ihres Vaters wie die Sonne leuchten“ (Mt 13,39-43). Das sind sehr starke und ernste Worte, aber auch sehr tröstliche, und sie müssen zum Nachdenken anregen: wir sind Geschöpfe Gottes und müssen uns demütig seinem Willen unterwerfen. 4. Im Ablauf der Geschichte, praktisch also während der Zeit unseres Daseins, müssen wir unsere Mühe darauf verwenden, gute Saat zu sein! Gewiß, das Unkraut, das überall verbreitet ist, macht Eindruck und erschreckt. Aber Jesus betont auch, daß das Himmelreich, am Anfang klein wie ein Senfkorn, herangewachsen und zu einem großen Baum geworden ist: zum Baum der Kirche und der Gnade, die alle zur Wahrheit einlädt und alle aufnimmt. Das Himmelreich ist ferner wie der Sauerteig, eingeknetet in die Masse des Mehlteigs; es erhält das Gute lebendig und macht, daß es die Seelen durchdringt. Wie weitverbreitet und mächtig das Unkraut auch am Werk sein mag, wir dürfen nie verzagen, denn das Reich Gottes ist unter uns und in unseren Seelen durch die heiligmachende und sakramentale Gnade, durch das wahre und bleibende Lehramt der Kirche, die uns führt und uns erleuchtet, durch das Beispiel der Heiligen und durch die guten Anregungen, die der Herr selbst uns zukommen läßt. Auf dem Acker der Geschichte gute Saat sein und gute Saat säen, das ist eine große Würde und ein hohes Ideal. Es macht das Leben schön und des Einsatzes wert, schenkt frohen Mut und Begeisterung, tröstet und stärkt, vor allem in schwierigen Augenblicken und bei bedeutenderen Entscheidungen. 5. Das Gleichnis von der guten Saat und vom Unkraut macht das Drama und das Geheimnis der Geschichte offenbar, in der der freie schöpferische und erlösende Wille Gottes handelt und ebenso der freie Wille des Menschen. In den Schwierigkeiten und Verwicklungen des Lebens „nimmt sich - wie der hl. Paulus schreibt - der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ (Röm 8,26-27). Wir wollen die heiligste Jungfrau, unsere himmlische Mutter, um ihre Hilfe und um gute Anregungen bitten, damit wir den Erwartungen Gottes entsprechen und daß die Saat der 1004 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gnade und der Freiheit, die er in unser Herz gesät hat und weiterhin sät, sich fruchtbringend entfalte. Ich wünsche euch und euren Familien, daß ihr immer offen seid für das Wort Gottes und es aufnehmt, und daß ihr in der Welt frohe und emsige Zeugen des Evangeliums seid. Das erbitte ich für euch in diesen Tagen, an denen ich die Freude habe, hier zu sein, im Kontakt mit eurer Arbeit, umgeben von eurer Liebenswürdigkeit und Herzlichkeit. Migrantenseelsorge - eine erstrangige Pflicht Botschaft zum Welttag der Migranten vom 25. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zum Welttag der Migranten möchte ich mit euch über ein Problem nachdenken, das zunehmend Besorgnis erregt, nämlich die Gefahr, der viele Auswanderer ausgesetzt sind, durch Sekten und neue religiöse Bewegungen, die sich ständig vermehren, ihren christlichen Glauben zu verlieren. Einige dieser Gruppen nennen sich christlich, andere orientieren sich an orientalischen Religionen, wieder andere sind von Ideologien - meist revolutionären - unserer Zeit abhängig. 2. Wenn es auch schwierig ist, in dem, was sie beinhalten, für alle eine gemeinsame Linie herauszufinden, so ist es doch möglich, eine gemeinsame Tendenz zu umreißen. In diesen Bewegungen wird das Heil meistens als Vorrecht einer Minderheit betrachtet, geführt von überlegenen Persönlichkeiten, die glauben, in bevorzugter Beziehung zu einem Gott zu stehen, dessen Geheimnisse sie allein zu kennen beanspruchen. Auch die Suche nach dem Heiligen zeigt verschwommene Umrisse. Für einige handelt es sich um einen höheren Wert, nach welchem der Mensch strebt, ohne ihn aber je erreichen zu können, für andere liegt es in der Welt der Magie, und man sucht sich seiner zu bemächtigen, und es sich zu Diensten zu machen. 3. Die Sekten und die neuen religiösen Bewegungen stellen heute an die Kirche eine beachtliche seelsorgliche Herausfordemng, sowohl durch das geistliche und soziale Unbehagen, in das sie ihre Wurzeln senken, als auch durch die religiösen Ansprüche, mit denen sie auftre-ten. Diese Ansprüche, herausgelöst aus dem Zusammenhang der katholischen Lehre und Tradition, führen oft zu Schlußfolgerungen, die von ihrem Ursprung weit entfernt sind. Der Mil-leniarismus zum Beispiel ruft die Thematik der christlichen Eschatologie und die damit zusammenhängenden Fragen der Bestimmung des Menschen wach; das Verlangen, auf politische oder wirtschaftliche Fragen Antworten religiösen Charakters zu geben, ist ein Anzeichen für die Tendenz, den rechten Sinn für Gott zu manipulieren und in eine Haltung zu verfallen, die tatsächlich Gott aus dem menschlichen Leben ausschließt; der beinahe aggressive Eifer, mit dem einige nach neuen Anhängern suchen, indem sie von Haus zu Haus gehen oder Vorübergehende an den Straßenecken anhalten, ist eine sektiererische Nachahmung des apostolischen und missionarischen Eifers. Die Aufmerksamkeit, die dem einzelnen gewidmet 1005 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wird, und die Bedeutung, die seinem Beitrag für die Sache und die Entwicklung der religiösen Gruppe beigemessen wird, ist ein abwegiger Ausdruck für die aktive Rolle, die die Gläubigen als lebendige Glieder am Leibe Christi spielen sollen in ihrer Berufung, für die Ausbreitung des Gottesreiches zu wirken, und es verrät sich in solchem Verhalten außerdem das Bedürfnis, das eigene Leben aufzuwerten, indem man sich im Hinblick auf die Gruppe, der man angehört, für nützlich hält. 4. Bei der Ausbreitung der Sekten und der neuen religiösen Bewegungen gibt es strategische Sektoren, auf die sie ihre Kräfte besonders konzentrieren, und zu diesen gehört jener der Migranten. Aufgrund ihrer sozialen und kulturellen Entwurzelung und ihrer mißlichen Lage fallen die Auswanderer aufdringlichen und aggressiven Methoden leicht zur Beute. Aus dem sozialen Leben ihrer Heimat ausgeschlossen, als Fremde in der Gesellschaft, in die sie sich eingefügt haben, und oft gezwungen außerhalb einer objektiven Ordnung zu bleiben, die ihre Rechte schützt, bezahlen die Auswanderer ihre Hilfsbedürftigkeit und ihren Wunsch, aus dem Randdasein, in das sie eingeschlossen sind, hinauszukommen, mit dem Aufgeben ihres Glaubens. Das aber ist ein Preis, den zu fordern oder anzunehmen jeder Mensch, der die Menschenrechte respektiert, sich hüten müßte. Es wird nicht nur die Menschenwürde des Auswanderers angegriffen, sondern auch das positive und geachtete Eingefügtsein in das soziale Milieu, das ihn aufnimmt. Und bei denen, die die Pflicht hätten, dem Auswanderer aus dem inneren Schock und der Orientierungslosigkeit herauszuhelfen, die er beim Zusammenstoß mit einer seiner eigenen Kultur fremden Welt erlitten hat, zeigt es sicher nicht von Redlichkeit und Feingefühl, wenn sie auf den Migranten in seiner Verlegenheit zugehen, um ihn zu umgarnen und sich zum Werkzeug machen. 5. Die schwierige Lage und die Unsicherheit, das sind die schwachen Punkte, die die neuen religiösen Bewegungen bei den Migranten ausnutzen. Auf sie suchen sie sich in ihrer Strategie und bei ihren Annäherungsversuchen zu stützen. Sie kommen mit einem Aufgebot von Aufmerksamkeiten und Diensten, das den Auswanderer dazu führen soll, seinen Glauben aufzugeben und sich einer neuen Religion anzuschließen. Sie präsentieren sich als die einzigen Hüter der Wahrheit, versichern dem Migranten, daß seine Religion falsch ist und verlangen von ihm einen plötzlichen und unmittelbaren Kurswechsel. Es entgeht niemand, daß es sich hier um eine wirkliche moralische Aggression handelt, deren belästigender und ausdauernder Aufdringlichkeit man sich auf höfliche Weise nicht leicht entziehen kann. 6. Die Lehre der Sekten und der neuen religiösen Bewegungen, liebe Auswanderer, steht in Gegensatz zur Lehre der katholischen Kirche. Sich ihnen anzuschließen, würde daher bedeuten, von dem Glauben abzufallen, in dem ihr getauft und erzogen seid. Wenn das Evangelium uns mahnt, einfältig wie die Tauben zu sein, so fordert es auch auf, klug und vorsichtig wie Schlangen zu sein. Mit der gleichen Wachsamkeit, die ihr auf eure materiellen Angelegenheiten verwendet, um nicht auf die Betrügereien derer hereinzufallen, die vielleicht von euch profitieren wollen, müßt ihr euch auch hüten, daß ihr denen nicht ins Garn geht, die es auf euren Glauben abgesehen haben. „Gebt acht, daß euch niemand irreführt“, mahnt der Herr. „Viele werden unter meinem Namen auftreten ... und sie werden viele irreführen. ... Wenn 1006 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dann jemand zu euch sagt: Seht, hier ist der Messias!, oder: Seht, dort ist er!, so glaubt es nicht! Denn es wird mancher falsche Messias und mancher falsche Prophet auftreten!“ (Mt 13,5-6.21-22). Und weiter: „Hütet euch vor den falschen Propheten; sie kommen zu euch wie harmlose Schafe, in Wirklichkeit aber sind sie reißende Wölfe. An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Mi 7,15-16). 7. Andere Gründe, die dazu führen können, die Angebote solcher neuen religiösen Bewegungen anzunehmen, sind die mangelnde Konsequenz im Leben mancher Christen hinsichtlich ihrer Taufverpflichtungen und der Wunsch nach einem intensiveren religiösen Leben, das man in einer Sekte anzutreffen hofft, wenn die eigene Gemeinde es daran fehlen läßt. Doch das ist eine Täuschung. Aus dem oben angedeuteten inneren Unbehagen kommt man nur heraus durch eine wahre Bekehrung im Sinn des Evangeliums und nicht, indem man sich kritiklos Gruppen dieser Art anschließt und religiöse Riten übernimmt, die unter tönenden Worten die Trägheit des Herzens verbergen. Es ist also eine ernsthafte geistliche Erneuerung, eine konsequente Treue zum Willen Gottes, zur Nachfolge Christi nötig. Hingegen hieße es den rechten Weg verlieren, wenn man einer einzelnen, ungereimten Vorschrift folgen wollte, von der angeblich Leben oder Tod abhingen. 8. Die Kirche ist dazu aufgerufen, sich den Migranten gegenüber aufnahme- und dienstbereit zu erweisen. Ihre Entwurzelung und die Unempfindlichkeit, mit der die Umgebung gegen sie reagiert, können sie wirklich an den Rand der Gesellschaft verbannen. Gerade deshalb muß die Kirche sich intensiver einsetzen, wachsamer sein, klug und einfühlsam alle zweckmäßigen Initiativen ins Spiel bringen, um solchen Tendenzen entgegenzuwirken und den daraus folgenden Gefahren entgegenzuarbeiten. Es ist ihre bleibende Aufgabe, dazu beizutragen, daß alles zunichte wird, was menschlicher Egoismus gegen die Schwächsten aufrichtet. 9. Der katholische Auswanderer findet sich, wohin immer er kommen mag, als zugehöriger Teil der Ortskirche. Er ist ein mitwirkendes Glied in ihr, mit allen daraus folgenden Pflichten und Rechten. Die Aufnahme, die die Ortskirche ihm bietet, ist für diese ein Zeugnis und eine Probe ihrer Katholizität. Es gibt keine Fremden in der Kirche. Durch die Taufe gehört der Christ ja mit vollem Recht zur christlichen Gemeinde seines Wohnsitzes. Sie muß diese Zugehörigkeit geltendmachen, nicht so sehr, um Rechte zur Geltung zu bringen, sondern um den Geringen zu dienen. Die schwierige Situation des Auswanderers läßt das Herz weit und aufnahmebereit werden und drängt dazu, dem, was er braucht, mit größter Aufmerksamkeit zu entsprechen. Die schwierige Lage, auf die die Sekten und die religiösen Bewegungen es abgesehen haben, um den Migranten vom Glauben wegzulocken, muß für die Kirche ein Grand sein, die Aufmerksamkeit und die Hilfsbereitschaft ihm gegenüber zu einer erstrangigen Aufgabe werden zu lassen. Angebote, die er oft mit dem Verzicht auf seinen Glauben bezahlt, müssen ihm von der Kirche mit besorgter Teilnahme frei geschenkt weiden, in der Freude, dadurch Christus selbst dienen zu können. Wie in Christus die Liebe des Vaters transparent wird, so muß in der Kirche das Bild der Zärtlichkeit des Erlösers aufscheinen. Daraus ergibt sich ganz klar, daß die Gemeinde, in die der Migrant kommt, aufnahmebereit und der Liebe fähig sein muß. Nie möge eine an Christus glaubende Gemeinschaft eine trübe 1007 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Miene zeigen wie jemand, der sich in seinen täglichen Aufgaben und Plänen gestört fühlt, sondern man soll ihr die Freude darüber ansehen, daß sie Christus begegnet ist, den sie erwartet und den sie im Fremden erkannt hat. 10. Der Einsatz zur Förderang des Migranten ist nur ein Teil des pastoralen Dienstes. Nicht weniger bedeutsam ist die christliche Formung durch die Verkündigung der Glaubenswahrheiten und jener letzten Wirklichkeiten, auf die die christliche Hoffnung hinzielt. Der Migrant hat ein Recht darauf, und die Kirche hat die Pflicht, ihm auch in dieser Hinsicht entgegenzukommen. Es handelt sich nicht um eine gewöhnliche Pastoral wie die bei den Gläubigen im allgemeinen, sondern um eine spezifische Pastoral, angepaßt an die Situation der Entwurzelung, typisch für den Migranten, der fern der Gemeinde seiner Herkunft leben muß; eine Pastoral, die seine Sprache und vor allem seine Kultur berücksichtigen muß, in der er seinen Glauben zum Ausdruck bringt; eine Pastoral, die, wie es die Apostolische Konstitution Exsul familia verlangt, „im rechten Verhältnis stehen muß zu dem, was die Migranten brauchen, und nicht weniger wirksam als die Pastoral, deren sich die Gläubigen der Diözese erfreuen“ (I., 1. Teil). 11. Der Glaube ist einer, doch die Art, ihn zu leben, kann nach den verschiedenen kulturellen Überlieferungen verschieden sein. Er kann nur übermittelt und entwickelt werden durch die vielfältigen Kanäle der menschlichen Kultur. Wollte man dieses Erfordernis übersehen und den Migranten zwingen, seinen Glauben in Formen zu leben, die er nicht als seine eigenen empfindet, so würde das bedeuten, ihn an den Rand zu drängen, mit den Folgen und den Gefahren, die daraus für den Glauben entstehen. Das gilt nicht nur für die einzelnen Menschen, sondern auch für die Gruppen, denn für den Glauben ist die Gemeinschaftsdimension und die Anwesenheit von völkischen Gruppen, in denen jeder leben und sich ausdrücken kann, unverzichtbar. 12. Es gibt verschiedene Mittel, deren die Kirche sich bedient, um dieser pastoralen Forderung zu entsprechen. Unter diesen ist sicherlich die bedeutendste und am meisten empfohlene die Personal-Pfarrei. Die Apostolische Konstitution Exsul familia beurteilt sie positiv. „Alle kennen den Nutzen, den solche Pfarreien, die eifrig von den Migranten besucht werden, den Seelen und den Diözesen gebracht haben, und alle schätzen sie mit Recht sehr“ (I., 3. Teil). Aus Untersuchungen in Ländern mit einer langen Tradition der Einwanderung hat sich ergeben, daß die Personal-Pfarreien mehr als andere Initiativen dazu beigetragen haben, den Glauben der Migranten vor vielen Gefahren, mit denen sie in Berührung kommen, zu schützen. Völkische Gemeinschaften, die sich mit der Zeit entwickelt haben, tragen beachtlich zur Erneuerung und Festigung der aufnehmenden Ortskirche bei. So läßt sich bestätigen, daß eine kluge Einordnung der Emigrantenpastoral für die Ortskirche dazu beiträgt, die Lehre Christi ihren objektiven Möglichkeiten nach voll und ganz zu leben. 13. Liebe Migranten! „Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig, seid stark!“ (1 Kor 16,13). Die Aufforderung des Apostels Paulus ist das Echo der Mahnung des Herrn, der dazu auffordert, das Leben auf dem festen Felsen aufzubauen, der er selbst ist. Von Jesus 1008 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus, dem Sohn Gottes, wird das Heil zugesichert. Nur wer in ihm fest verwurzelt ist, kann Früchte bringen, die der Abnutzung durch alle Moden, einschließlich jener der religiösen Sekten, standhalten. Die Dankbarkeit für das Geschenk Gottes, die sich in der Antwort eines konsequenten christlichen Lebens ausdrückt, zieht noch andere Gaben der Gemeinschaft mit Gott und zum treuen Ausharren in euren christlichen Aufgaben auf euch herab. „Wer mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren“ (Joh 14,21), und „wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluß haben“ (Mt 25,29). Je weiter ihr auf dem Weg des christlichen Lebens voranschreitet, desto besser schützt ihr euch vor den Gefahren, die euren Glauben bedrohen. Die Jungfrau Maria, die ihr schon in eurer Kindheit in euren Familien kennen und lieben gelernt habt, und zu der ihr gewiß in schwierigen Augenblicken oft eure Zuflucht genommen habt, möge über euch wachen und euch helfen, mit Mut, Treue und Beharrlichkeit auf dem Weg der christlichen Vollkommenheit voranzugehen, den ihr in der Taufe begonnen habt. Ich segne euch alle von ganzem Herzen im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Aus dem Vatikan, am 25. Juli 1990, im zwölften Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Vorbehaltlos für das Reich Gottes einsetzen Worte an die Schweizer Garde in Castel Gandolfo am 29. Juli Auch mit Euch, liebe Freunde von der Schweizer Garde, die Ihr in diesen Wochen Dienst in Castel Gandolfo tut, teile ich die Freude dieser Eucharistiefeier. Das Hören auf das Wort Gottes und die Feier der heiligen Eucharistie verlangen von uns immer neu gläubige Bereitschaft, uns Seinem Ruf zu öffnen und Seine Gnade in uns wirksam werden zu lassen. Als ermunterndes Beispiel, Leben und Wirken ganz an Gottes Anspruch auszurichten, stellt uns die Heilige Schrift heute den jungen Salomon vor Augen, der den Herrn nicht um „Reichtum und Ehre“, sondern um ein „hörendes Herz“ bittet, damit er „das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“ (1 Kön 3,9). Denn nicht aus eigener Vollkommenheit kann es dem Menschen gelingen, sich von der „Sklaverei und Verlorenheit“ (Röm 8,21) zu befreien; allein mit Hilfe des Geistes Gottes können wir unsere Schwachheit besiegen und unser Leben und unseren Dienst freudig und vorbehaltlos für den Aufbau des Reiches Gottes einsetzen. Bitten wir den Herrn, er möge auch unser Hoffen und Beten erhören und in seinem Geist bei Gott dem Vater für uns eintreten. 1009 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fundament der Gesellschaft Jesu ist die Treue zur Kirche Botschaft zum Ignatianischen Jahr, das am 27. September begonnen hat und auf 500 Jahre seit der Geburt des heiligen Ignatius sowie 450 Jahre seit der päpstlichen Bestätigung der Gesellschaft Jesu zurückschaut, vom 31. Juli An den hochwürdigsten Herrn P. Peter-Hans Kolvenbach Generaloberer der Gesellschaft Jesu 1. Mit lebhafter Genugtuung habe ich vernommen, daß Sie bei Gelegenheit des 500. Jahrestages seit der Geburt des hl. Ignatius von Loyola und dem 450. Jahrestag seit der Bestätigung der Gesellschaft Jesu durch Papst Paul III. in der Bulle Regimini militantis Ecclesiae vom 27. September 1540 ein „Ignatianisches Jahr“ verkündet haben. Es soll beginnen am 27. September 1990 und am 31. Juli 1991 schließen, zur Erinnerung an den Tag, an dem Ihr heiliger Gründer im Jahr 1556 in Rom, in seinem kleinen Zimmer neben der Kapelle „Unserer Lieben Frau von der Straße“ starb. Gern habe ich auch zur Kenntnis genommen, daß diese so wichtigen Ereignisse nicht nur mit Kundgebungen nach außen, sondern auch und vor allem mit einer Erneuerung des Ordenslebens und des apostolischen Eifers der Gesellschaft Jesu begangen werden sollen, sowie mit dem festen Willen, das, was der hl. Ignatius getan und zu tun empfohlen hat, immer besser zu erfüllen. Angesichts der engen Bande, die die Gesellschaft Jesu mit dem Apostolischen Stuhl verbinden, vereinige ich mich im Geist mit diesen Feierlichkeiten und ermutige die festen Vorsätze, die ich mit meinem Gebet begleite. <778> <778> Das Jahresgedächtnis der Geburt des hl. Ignatius läßt vor unserem Geist den Weg auf-leuchten, den er als Pilger, wie er sich zu nennen liebte, zurückgelegt hat, geleitet von seinem Meister, dem Herrn der Geschichte und des Geschickes der Menschen, um so aus einem tüchtigen Ritter im Dienst eines irdischen Herrn der heroische Ritter des Königs der Ewigkeit, Jesus Christus, zu werden. Die Verwundung, die er in Pamplona davontrug, die lange Zeit der Genesung in Loyola, die Lektüre sowie die Überlegungen und Meditationen unter dem Einfluß der Gnade und die verschiedenen inneren Zustände, die er im Geist durchmaß, bewirkten in ihm schrittweise eine radikale Bekehrung: von den Träumen nach einem weltlichen Leben zur vollen Weihe an Christus, die zu Füßen der Madonna von Monserrat erfolgte und in der Einkehr von Manresa zur Reife kam. Der Pilger begab sich in das Land seines Herrn. Doch der göttliche König wollte Ignatius nicht in Jerusalem zurückhalten. Die Studienjahre in Barcelona, Alcalä, Salamanca und Paris ließen ihn die Notwendigkeit einer gediegenen geistlichen und intellektuellen Vorbereitung für ein wirksames Apostolat erkennen, das er unter Mitarbeit anderer durchführen wollte, die vom gleichen übernatürlichen Geist erfüllt und lehrmäßig ebenso vorgebildet waren. Darum scharte er in Paris die ersten Gefährten um sich. Mit ihnen legte er am 15. August 1534 in der 1010 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kapelle des Montmartre die Gelübde der Keuschheit und der Armut ab, zusammen mit der Verpflichtung, ins Heilige Land zu gehen, um dort das Apostolat auszuüben. Doch damals, im Jahre 1537, liefen in Venedig keine Schiffe ins Heilige Land aus, weil ein Krieg die Meereswege unpassierbar machte. Ignatius gehorchte daher dem Herrn, der ihn mit seinen Gefährten in Rom an der Seite des Papstes haben wollte. Dieser nahm sie in seinen Dienst auf, so daß die entstehende Gesellschaft Jesu sich vor allem auf das Fundament der Treue zur Kirche gründete. Ignatius, der so sehr danach verlangt hatte, im Heiligen Land zu bleiben, um „den Seelen zu helfen“, indem er ihnen das Geheimnis der Menschwerdung verkündete, feierte seine erste hl. Messe in Rom in der Weihnachtsnacht 1538 vor der Krippenreliquie in der Basilika Santa Maria Maggiore. 3. Der treue Gehorsam der Gesellschaft Jesu gegenüber dem Nachfolger des Apostels Petrus in all ihrem Wirken wurde klar in der erwähnten Bestätigungsbulle Regimini militantis Ecclesiae vom Jahre 1540 ausgesprochen und vollständig in die Bulle Exposcit debitum Julius m. vom 21. Juli 1550 aufgenommen, in der erklärt wird, daß alle, die in der Gesellschaft Jesu Profeß ablegen „außer der gewöhnlichen Verpflichtung zu den drei Gelübden sich durch ein weiteres, besonderes Gelübde binden. Kraft dieses Gelübdes sind wir verpflichtet, alles das, was der derzeitige Papst und seine Nachfolger, die künftigen Römischen Päpste, zum Nutzen der Seelen und zur Verbreitung des Glaubens befehlen, und wohin auch immer sie uns senden mögen, sofort und ohne irgendein Ausweichen oder eine Entschuldigung, soweit es von uns abhängt, auszuführen.“ Diesem Gelübde getreu hat die Gesellschaft Jesu durch ihr Apostolat in Europa vor allem die Ausbreitung des Protestantismus aufgehalten sowie die Dekrete des Konzils von Trient durchgeführt. Auf den anderen Kontinenten, von den fernsten Gegenden Ostasiens bis zu den gerade neu entdeckten Ländern Amerikas, hat sie durch Predigt- und Lehrtätigkeit sowie bewundernswerte soziale Leistungen und mit allen möglichen weiteren Formen des Apostolates den Glauben verbreitet. Diese Treue der Jesuitenpatres zum Apostolischen Stuhl bei der Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben trug ihnen auch Schwierigkeiten und Angriffe von seiten der Feinde der Kirche ein, die sogar die Aufhebung der Gesellschaft erreichten. Diese blieb aber nach der wundersamen Fügung der Vorsehung in Weißrußland erhalten und erstand durch Entscheidung Pius VII. seligen Andenkens neu, der das Schifflein Petri, wie er in der Bulle Sollicitudo omnium ecclesiarum vom 7. August 1814 schrieb, angesichts der zahlreichen Stürme nicht länger der wertvollen Hilfe derart tüchtiger Ruderer berauben wollte. Die Gesellschaft nahm ihr apostolisches Wirken in Predigt und Lehrtätigkeit, wissenschaftlicher Forschung und sozialem Engagement, Missionstätigkeit sowie der Betreuung der Armen, Leidenden und Randexistenzen wieder auf. Heute greift sie ebenso klug wie tatkräftig auch das tragische Problem der Vertriebenen und Flüchtlinge auf. Sie ist bemüht, durch gebührendes Unterscheiden den Dienst am Glauben mit der Förderung der Gerechtigkeit in Übereinstimmung mit dem Evangelium zu verbinden. Mein Vorgänger Papst Paul VI. konnte mit Recht feststellen: „Wo immer in der Kirche, auch in schwierigsten und wichtigsten Bereichen wie bei den Auseinandersetzungen mit den Ideologien und in den sozialen Kämpfen, die brennenden Anliegen des Menschen und die blei- 1011 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bende Botschaft des Evangeliums aufeinandertrafen und -treffen, dort fanden und finden wir die Jesuiten“ (Ansprache vom 3. Dezember 1974: AAS 66[1974] S. 718). Viele Söhne des hl. Ignatius hat die Kirche zur Ehre der Altäre erhoben. Unzählbar aber sind jene, die mit ganzem Einsatz im Weinberg des Herrn gearbeitet haben. Die Vergangenheit der Gesellschaft Jesu ist gewiß ruhmvoll. Möge die Erinnerung daran für alle eine Anregung zu hochherziger Erneuerung des apostolischen Eifers sein, immer in Treue zum Vorsatz, den Nachfolger des Petrus zu lieben und ihm zu Diensten zu sein. 4. Der apostolische Eifer, der den hl. Ignatius erfüllte und der von ihm der Gesellschaft im hochherzigen Dienst für die Kirche seit nunmehr 450 Jahren eingeflößt wurde, erklärt sich aus dem inneren Geist, der den heiligen Gründer und seine geistlichen Söhne belebte und ihr apostolisches Wirken erfolgreich machte. Im zehnten Abschnitt der Konstitutionen, wo es um die Weise geht, die Gesellschaft zu erhalten und zu entfalten, damit sie ihr Ziel erreicht, schrieb der hl. Ignatius, daß „die Mittel, die das Werkzeug Gottes ausrüsten und bereit machen, sich von seiner göttlichen Hand leiten zu lassen, wirksamer sind als jene, die es für die Menschen bereit machen ... denn die inneren Haltungen müssen die äußeren Verhaltensweisen im Hinblick auf das angestrebte Ziel wirksam machen“. Bevor er sie in den Konstitutionen festlegte, lebte der hl. Ignatius diese Wahrheit seit der Zeit von Manresa, unmittelbar nach seiner Bekehrung. Lange Stunden des Gebetes füllten seinen Tag aus und dazu einen Teil der Nacht. Hier geschah unter dem Einfluß der Gnade und unter dem Antrieb besonderer mystischer Gaben seine innere Umwandlung, die in dem wunderbaren Büchlein der „Geistlichen Exerzitien“ zum Ausdruck kommt, und er war der Erste, der diese Übungen machte, so daß er ein wahrhaft geistlicher Mensch wurde. In den folgenden Jahren mußte er wegen seiner Studien und dann wegen seiner apostolischen Tätigkeit die Zeit für das tägliche Gebet einschränken, wir wissen aber, daß er diesem stets in seinem Tagewerk angemessenen Raum gab. Aus dem, was uns in seinem Geistlichen Tagebuch erhalten blieb, geht nämlich hervor, daß er als Generaloberer der Gesellschaft sich jeden Morgen eine bestimmte Zeit für das Gebet und die Feier der hl. Eucharistie nahm, der gewöhnlich zwei Stunden Gebet folgten, in denen er nicht gestört werden wollte. Die Feier der Eucharistie bildete den Mittelpunkt seines Gebetes. Es war die besondere Zeit für seinen innersten Austausch mit Gott, der oft von mystischen Gaben begleitet war. In die Eucharistiefeier nahm er seine Anliegen und Sorgen mit, die ihm bei der Leitung der Gesellschaft nicht erspart blieben; hier empfing er Erleuchtungen und Anregungen, die ihn bei der getreuen Durchführung der Pläne Gottes leiteten. Es ist also natürlich, daß er nach dieser der Eucharistiefeier und dem Gebet gewidmeten Zeit den ganzen Tag in ständiger Vereinigung mit Gott zubrachte. Er erfuhr seine Gegenwart und sah Gott in allen Dingen, in allen Ereignissen, die ihn froh oder traurig machten. Das haben jene bezeugt, die mit ihm zu tun hatten, und sie stellten die unglaubliche Leichtigkeit fest, mit der er sich im Drang der Geschäfte geistlich zu sammeln, Urteile zu formulieren und Entscheidungen in übernatürlichem Licht zu fällen wußte. Er verwirklichte das, was P. Hieronymus Nadal in einem für die ignatianische Spiritualität kennzeichnenden Ausdruck zusammenfaßte: „in der Aktion kontemplativ sein.“ 1012 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Der hl. Ignatius war nicht nur ein Mann des Gebetes, sondern zugleich ein Lehrer des Gebetes, um auch die anderen dahin zu führen, „im Wirken kontemplativ zu sein“. Der einzuschlagende Weg ist der in seinen Geistlichen Exerzitien beschriebene. Hier spiegelt sich seine persönliche Erfahrung wider, und ihrer bediente er sich bei der Formung der anderen, angefangen bei seinen ersten Gefährten. Er wollte daher, daß jeder, der um Zulassung zur Gesellschaft bat, zunächst einen Monat lang geistliche Exerzitien machte, um so der Spiritualität eines jeden ein gediegenes Fundament zu geben. Im ganzen Verlauf seines Ordenslebens ist der Jesuit daher auf gerufen, jeden Tag eine angemessene Zeit dem persönlichen Gebet und der Teilnahme an der Eucharistiefeier zu widmen, die, wie schon für den hl. Ignatius, die unerläßliche tägliche Nahrung für das geistliche Wachstum bildet. Der hl. Ignatius schrieb keine langen Gebete vor; er betonte vielmehr, wie schon in den Geistlichen Exerzitien, die Abtötung, die man soweit wie möglich in allen Dingen suchen muß, weil die Beherrschung der Leidenschaften die Vereinigung mit Gott im Gebet erleichtert. Von daher erklärt sich auch die Wichtigkeit, die er der täglich zweimal vorzunehmenden Gewissenserforschung beimaß, um eine immer größere Reinheit des Herzens zu erlangen, die für die Vereinigung mit Gott bereit macht. Die Söhne des hl. Ignatius sind nicht nur für den eigenen geistlichen Fortschritt zu diesem Ideal aufgerufen, sondern auch, um selber Lehrer des Gebetes zum Nutzen der anderen zu werden. Die ignatianischen Exerzitien und allgemein die ignatianische Spiritualität haben sich in der Kirche immer großer Wertschätzung erfreut, wie verschiedene päpstliche Dokumente bezeugen, angefangen von der ersten Approbation der Exerzitien im Breve Pastoralis Officii von Paul HI. (31. Juli 1548) bis zu der Enzyklika Menti nostrae von Pius XI. (20. Dezember 1929), und wie zahllose Männer der Kirche und Laien bestätigen, die diesen geistlichen Übungen den Beginn oder einen neuen Aufschwung ihres geistüchen Lebens verdanken. Daher also das besondere Bemühen der Söhne des hl. Ignatius, dieses kostbare Werkzeug der Heiligung, das die Vorsehung der Gesellschaft zum Wohl des Volkes Gottes geschenkt hat, nicht verkümmern zu lassen. Darum ermuntere ich die Initiativen, die auf diesem Gebiet durch Studien und vertiefende Kurse derzeit ergriffen werden, um auf die heutigen Fragen und Bedürfnisse angemessen zu antworten. 6. Die Feier der ignatianischen Gedenkjahre fällt auch mit dem 25. Jahrestag seit dem Abschluß des II. Vatikanischen Konzils zusammen, dessen Durchführung mein pastorales Anliegen ist. Daher ist es mir ein besonderes Bedürfnis, euch an den besonderen Auftrag zu erinnern, den ihr von meinem Vorgänger Paul VI. erhalten habt, „dem Atheismus kraftvoll und mit vereinten Kräften zu widerstehen“. Er ist eine „schreckliche Gefahr, die die Menschheit bedroht“ (AAS 57[1965] S. 514). Dieser Auftrag verpflichtet euch gerade in den neuen Situationen, die durch den Zusammenbruch der atheistischen Ideologien entstanden sind. Wie ich euch schon bei einer anderen Gelegenheit gesagt habe, „erwartet die Kirche heute von der Gesellschaft einen wirksamen Beitrag zur Durchführung des n. Vatikanischen Konzils, wie sie zur Zeit des hl. Ignatius und später sich mit allen Mitteln dafür eingesetzt hat, das Konzil von Trient bekanntzumachen und durchzuführen und in ganz besonderer Weise den Römischen Päpsten bei der Ausübung ihres höchsten Lehramtes zu helfen“ (AAS 74[1982] S. 557). Ich habe mei- 1013 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nerseits diese Erwartung bei Gelegenheit der Eröffnung eurer 33. Generalkongregation bekräftigt und euch aufgefordert „immer größere Aufmerksamkeit den Initiativen zuzuwenden, welche das n. Vatikanische Konzil besonders ermutigt hat, wie dem Ökumenismus, dem tieferen Studium der Verhältnisse zu den nichtchristlichen Religionen und dem Dialog der Kirche mit den Kulturen“ (Der Apostolische Stuhl, 1983, S. 1065). 7. Bei der Verwirklichung dieser hochherzigen Bemühungen möge euch der mütterliche Schutz der seligsten Jungfrau Maria helfen, die den Weg eures Gründers unterstützt und erleuchtet hat. Die persönliche Erfahrung des hl. Ignatius, die Lehren der Geistlichen Exerzitien und der Konstitutionen sowie die Vorgehensweise der Gesellschaft sind tatsächlich nichts anderes als „ein Weg zu Gott“ (Formel des Institutes, 1), „der Weg zum größeren Dienst und Lob Christi, unseres Herrn“ (Konst. 618), der „Weg des Pilgers“, der mit der Gnade des Heiligen Geistes die Sendung des Herrn in der Kirche unserer Tage weiterfuhrt. Darf man sich also darüber wundem, daß der hl. Ignatius diesen Weg des Lebens unter den Augen der seligsten Jungfrau entworfen hat? Auf die Fürbitte der „Madonna della Strada“, in deren Kapelle in Rom sich die Gläubigen zum Gebet am Grab des Pilgers, des hl. Ignatius, versammeln, möge die in der ganzen Welt verbreitete Gesellschaft Jesu unablässig ihrer apostolischen Sendung treu bleiben, „vor allem anderen Gott vor Augen zu haben und dann die Form dieses seines Institutes“, der Sendung zu hochherzigem Einsatz „unter dem Banner des Kreuzes für den Herrn und seinen Stellvertreter auf Erden“ (Formel des Instituts, 1). Als Unterpfand überreicher himmlischer Gnaden erteile ich Ihnen und allen hochverdienten Mitgliedern der Gesellschaft Jesu meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 31. Juli 1990, dem Gedenktag des hl. Ignatius von Loyola. Joannes Paulus PP. II Paul VI. und die Priesterberufung Einleitende Worte zur Messe für Papst Paul VI. in Castel Gandolfo am 6. August Liebe Brüder und Schwestern! Wir kommen zusammen, um in der Eucharistiefeier am Jahrestag seines Todes für die Seele meines verehrten Vorgängers Papst Paul VI. zu beten. Zwölf Jahre sind nun vergangen seit jenem Abend des 6. August 1978, dem Fest der Verklärung des Herrn, als Paul VI. nach einem erbaulichen Todeskampf hier in Castel Gandolfo starb. Allen, die ihn gekannt haben, uns, die wir uns in Gedanken an die Jahre erinnern, die seinem Pontifikat von der Vorsehung bestimmt waren, uns allen bleibt das Andenken an ihn ins Herz geprägt. Je mehr die Zeit vergeht, desto lebhafter kommt uns seine Leidenschaft für das Evangelium zum Bewußtsein, seine hochherzige, brennende Sehnsucht, der Sache Christi und dem Heil 1014 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Seelen zu dienen. Paul VI. machte die Sorgen und Ängste des Menschen seiner Zeit zu seinen eigenen, so sehr, daß er qualvoll darunter litt. Mit Liebe und Weitblick führte er die Kirche durch die Fluten eines Zeitalters totaler Umwälzung. Auch heute noch vertrauen wir ihn der Barmherzigkeit des Allerhöchsten an, damit ihm der kostbare Lohn zuteil werde, der den treuen Dienern verheißen ist. Und während wir uns zu seinem Gedächtnis im Gebet sammeln, möchte ich eine der pastoralen Sorgen, die er stark empfunden hat, in Erinnerung rufen, nämlich die Ausbildung der Priester. Die kommende Bischofssynode gibt uns den Anlaß dazu. Das Problem der Berufung, so betonte er, „geht den ganzen lebendigen Organismus der Braut Christi an, denn die Berufungen sind ein sichtbares Zeichen für sie, sie sind die Garantie für ihre Lebenskraft, die Sicherheit für ihre Zukunft“. Und im Hinblick auf die Seminare fügte er hinzu: „Man wird mit aller Kraft der Atmosphäre des Konformismus mit der Welt, dem Nachlassen des Gebetsgeistes und der Kreuzesliebe entgegenarbeiten müssen, wie er leider in nicht wenige Seminare einzudringen sucht, wenn wir nicht erleben wollen, daß alle großmütigeren Anstrengungen auf diesem so erlesenen und für die Kirche so lebenswichtigen Gebiet aufs Spiel gesetzt werden“ (Insegnamenti di Paolo VI, XI, 1973, S. 1132; 1136). In diesem Sinn lade ich alle zur Teilnahme an der Eucharistie, der unerschöpflichen Quelle unseres christlichen Zeugnisses, ein. Das große Zeichen des Sieges Predigt am Hochfest der Aufnahme Marias in den Himmel in Castel Gandolfo, 15. August 1. „Der Mächtige hat Großes an mir getan“ (Lk 1,41). Die christliche Gemeinde wiederholt jeden Tag mit Maria das „Magnificat“, aber heute tut sie es auf besonders festliche Weise. Auch unsere Pfarrei Castel Gandolfo nimmt mit der ganzen Kirche an diesem großen liturgischen Fest teil. Zusammen mit Maria kommen wir nicht nur an die Schwelle des Hauses von Zacharias, wohin sie sich nach der Verkündigung begab, um Elisabet zu besuchen, sondern an die Schwelle des Geheimnisses ihrer Aufnahme in den Himmel. „Maria ist in den Himmel aufgenommen, es frohlocken die Engel. Halleluja!“ (Halleluja-Ruf zum Evangelium). Aufnahme in den Himmel - ein Geheimnis des glorreichen Rosenkranzes; Aufnahme in den Himmel - ein Geheimnis Gottes, kundgeworden in jener, die unter den Menschen in einzigartiger Weise auserwählt wurde. Ja, der Allmächtige hat wahrhaft Großes in ihr gewirkt! Sie war vom Beginn ihres Daseins an „voll der Gande“, so hatte sie der ewige Vater in seinem Plan erdacht, weil sie Mutter des menschgewordenen Gottessohnes sein sollte. <779> <779> Heute schaut die Kirche wiederum auf dieses unaussprechliche Geheimnis, das uns so überreich den Bund Gottes mit der Menschheit und die göttliche Mutterschaft Marias in Erinnerung ruft. Sie richtet ihren Blick auf die Mutterschaft der heiligen Jungfrau und verehrt ihre 1015 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auserlesene Schönheit. Die Jahrhunderte hindurch waren schöpferische Menschen fasziniert von der leuchtenden Schönheit der Jungfrau, die durch das Wirken des Heiligen Geistes zur Mutter Gottes geworden ist. Wieviele Maler, Bildhauer, Schriftsteller, Dichter und Komponisten haben mit ihren künstlerischen Talenten versucht, die Schönheit Marias in der Geschichte der Menschheit aufleuchten zu lassen! Und wieviele Denker und Theologen suchten tiefer in das Geheimnis derer einzudringen, die „voll der Gnade“ und „in den Himmel aufgenommen“ ist! 3. Doch jedem menschlichen Ausdrucksmittel ist eine Grenze gesetzt. Die Schönheit der Mutter Gottes hat ihren Ursprung in Gott; sie ist mehr innere als äußere Schönheit. Der Psalmist, der in der heutigen Liturgie von der königlichen, bezaubernden Schönheit Marias kündet, scheint auf deren geheimnisvollen Ursprung hinzuweisen, wenn er ausruft: „Vergiß dein Volk und dein Vaterhaus! Der König verlangt nach deiner Schönheit“ (Ps 44/45,11-12). Ist dies nicht ein Hinweis darauf, daß die bezwingende Schönheit der Jungfrau aus Gott stammt? Ja, sie kommt von Gott selbst, aber sie gehört gleichzeitig auch unserer Welt, denn sie kommt ganz und gar von ihrem Sohn, dem ewigen Wort, das Mensch wurde. Das Schöne, menschlich Anziehende in Maria betrachten wir schon in der Grotte von Betlehem und als sie nach Ägypten flieht, um das Kind vor den grausamen Plänen des Herodes zu retten; es wird sichtbar im Haus zu Nazaret und in Kana in Galiläa. In besonderer Weise aber leuchtet es auf, als Maria auf Golgota „nicht ohne göttliche Absicht“ zu den Füßen des gekreuzigten Erlösers „stand“, wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt (Lumen Gentium, Nr. 58). Ja! Die göttliche Schönheit Marias, der Tochter Sion, gehört zutiefst zu unserer Menschenwelt. Sie ist in der Heilsgeschichte mitten in das Leben eines jeden von uns eingeschrieben. 4. Am heutigen Fest leuchtet sie in der Verkündigung der Kirche ganz besonders auf. Die „Frau“ der Offenbarung des Johannes, die „Frau, mit der Sonne bekleidet“, ist ein „großes Zeichen“, das, nach der Vision des Johannes, am Himmel erscheint, aber für die Erde bestimmt ist. Dieses „große Zeichen“ beherrscht nicht unangefochten den Horizont der Menschheitsgeschichte. „Ein anderes Zeichen“ steht ihm gegenüber: der „feuerrote Drache“, der nicht nur der Erde Schaden zuzufügen versucht, sondern vor allem die Frau und ihren Sohn angreift, wie es schon von Anfang an im Buch Genesis verkündet worden war. Die Liturgie des Hochfestes der Aufnahme Marias in den Himmel erinnert uns deshalb daran, daß der Mensch auf Erden zwischen dem Guten und dem Bösen steht, zwischen der Gnade und der Sünde. Der Sieg des Lichtes und der Gnade ist das Ergebnis eines Kampfes. So geschieht es im Leben des Menschen, im Leben eines jeden von uns, so geschieht es auch in der Geschichte, die von den Völkern, von den Nationen und von der ganzen Menschheit geschrieben wird. 5. Gerade darum ist Maria, die in den Himmel Aufgenommene, ein in die Tiefe dringendes, vielsagendes Zeichen. Ein wirkliches Zeichen, das, während es auf das Reich Gottes hin-weist, das sich in der Ewigkeit ganz verwirklicht, unaufhörlich die Wege weist, die zu dieser Ewigkeit Gottes hinführen. Auf all diesen Wegen kann jeder Mensch Maria begegnen. Ja sie kommt sogar jedem von uns entgegen, wie sie sich auf den Weg machte zum Haus des Zacharias, um Elisabet zu besu- 1016 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen. Und überall ist es jedem vergönnt, bei ihr zu verweilen. Jeder hat die Möglichkeit, sie jeden Tag an seinem eigenen irdischen Leben teilnehmen zu lassen, das manchmal so schwierig ist: „Wer bin ich, daß die Mutter meines Herrn zu mir kommt? ... Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen“ (Lk 1,43.42). Ja! Gott hat „auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut. Von nun an preisen mich selig alle Geschlechter. Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (Lk 1,48-49). Amen. Ex Corde Ecclesiae Apostolische Konstitution über die Katholischen Universitäten vom 15. August, veröffentlicht am 25. September Einleitung 1. Aus dem Herzen der Kirche hervorgegangen, hat sich die Katholische Universität in den Strom der Tradition eingefügt, die mit den ersten Anfängen der Universität als Institution begonnen hat. Seither war sie immer wie ein herausragendes Zentrum schöpferischer Kraft und Wissensverbreitung zum Wohl und Nutzen des Menschengeschlechtes. Aufgrund ihrer Aufgabe widmet sich die Universität als Universitas magistrorum et scholarium der Forschung und der Lehre sowie der Bildung der Studierenden, die mit ihren Lehrern in der gleichen Liebe zur Wissenschaft frei verbunden sind. Mit den anderen Universitäten gemeinsam ist ihr das gaudium de verdate, welches dem heiligen Augustinus so teuer war, jene Freude nämlich, die Wahrheit auf allen Gebieten der menschlichen Erkenntnis zu suchen, zu entdecken und weiterzugeben. <780> Ihre hervorragende Aufgabe besteht darin, in der „geistigen Arbeit selbst zwei Ordnungen der Wirklichkeit existentiell zu verbinden, die man allzuoft einander entgegenzustellen geneigt ist, als handelte es sich um Gegensätze: die Suche nach der Wahrheit und die Gewißheit, die Quelle der Wahrheit bereits zu kennen“. <781> <782> <780> Ich selbst habe mehrere Jahre hindurch die wohltuende Erfahrung dessen gemacht, wodurch ich auch innerlich bereichert wurde, was die Eigenart universitären Lebens ausmacht: leidenschaftliches Forschen nach der Wahrheit und hochherziges Teilhabenlassen der jungen Studierenden und all jener, die lernen, streng methodisch zu denken, um recht zu handeln, und so der menschlichen Gesellschaft besser dienen zu können. Daher möchte ich allen von Herzen bezeugen, wie hoch ich die Katholische Universität schätze und wie sehr ich zugleich die Arbeit lobe, die dort in den verschiedenen Bereichen der menschlichen Erkenntnis geleistet wird. Besonders möchte ich hier auch meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, daß mir der Herr bei meinen häufigen apostolischen Reisen sehr oft die Begegnung mit den katholischen Universitätsgemeinschaften in den verschiedenen Kontinenten der Welt gestattet hat. Sie sind für mich ein lebendiges und hoffnungsvolles 1017 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeichen der Fruchtbarkeit des christlichen Geistes im Herzen einer jeden menschlichen Kultur. Sie geben mir begründete Hoffnung auf ein neues Erblühen der christlichen Kultur unter den so vielfältigen und reichen Gegebenheiten dieser sich verändernden Zeit, die vor großen Herausforderungen steht, die aber auch Trägerin so großer Verheißungen unter dem Wirken des Geistes der Wahrheit und der Liebe ist. Meine Wertschätzung und meine Dankbarkeit möchte ich ferner all den zahllosen katholischen Dozenten in nicht-katholischen Universitäten aussprechen. Ihre im Licht des christlichen Glaubens gelebte akademische und wissenschaftliche Aufgabe muß für das Wohl der Universität, in der sie arbeiten, als wertvoll angesehen werden. Ihre Präsenz ist in der Tat ein ständiger Ansporn zu vorurteilsfreier Suche nach der Wahrheit und nach der Weisheit, die von oben kommt. 3. Vom Beginn meines Pontifikats an habe ich mich bemüht, meinen engsten Mitarbeitern, den Kardinälen, der Kongregation für das Katholische Bildungswesen, wie auch jenen Männern und Frauen, die im Bereich der Kultur in der ganzen Welt arbeiten, meine feste Überzeugung mitzuteilen: Das Gespräch, das die Kirche mit den verschiedenen Kulturen der heutigen Zeit führt, ist der lebendige Ort, „auf dem das Schicksal der Kirche und der Welt am Ende dieses unseres Jahrhunderts entschieden wird“.4 Denn es gibt nur eine einzige Kultur: Die Kultur des Menschen, die vom Menschen ausgeht und für den Menschen da ist. <783> Die Kirche, die nach einem von meinem Vorgänger Papst Paul VI. vor der UNO gebrauchten Wort „Expertin in Menschlichkeit“ <784> ist, erforscht mit Hilfe ihrer Katholischen Universitäten und mit Hilfe von deren humanistischem und wissenschaftlichem Erbe die Geheimnisse des Menschen und der Welt, und durchdringt sie im Lichte der ihr geschenkten Offenbarung. <783> In Verbindung mit der unvoreingenommenen Suche der Wahrheit erhält auch die Bezie- hung von Glaube und Vernunft Licht und Sinn. „Intellege ut credas, crede ut intellegas“.9 4. Es liegt in der Ehre und Verantwortung einer Katholischen Universität, sich ohne Vorbehalt der Sache der Wahrheit zu widmen. Dies ist die ihr eigene Weise, der Würde des Menschen und zugleich der Sendung der Kirche zu dienen. Die Kirche ist zutiefst davon überzeugt, „daß die Wahrheit ihre wirkliche Bundesgenossin ist ... und daß Erkenntnis und Vernunft treue Dienerinnen des Glaubens sind“. Ohne den Erwerb nützlichen Wissens zu vernachlässigen, zeichnet sich vielmehr die Katholische Universität aus durch ihre freie Erforschung der ganzen Wahrheit über die Welt, über den Menschen und über Gott. Denn gerade unsere Zeit bedarf dringend jenes uneigennützigen Dienstes, der darin besteht, den Sinn der Wahrheit zu verkünden, die ein grundlegendes Gut ist, ohne das Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde zugrunde gehen. Aufgrund einer gewissen Art von universalem Humanismus widmet sich die Katholische Universität voll und ganz der Erforschung aller Aspekte der Wahrheit in ihrer wesentlichen Verbindung mit der höchsten Wahrheit, die Gott ist. Furchtlos und mit Begeisterung läßt sie sich auf alle Wege des Wissens ein, im Bewußtsein, daß der ihr vorausgeht, der selbst „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ <785> ist, der Logos. Sein Geist der Einsicht und der Liebe ermöglicht es dem Menschen, durch seine Vernunft die letzte Wirklichkeit zu finden, die sein Ursprung und Ziel ist, und die allein fähig ist, in Fülle jene Weisheit zu schenken, ohne welche die Zukunft der Welt gefährdet wäre. <785> Nach der Veröffentlichung der Apostolischen Konstitution Sapientia Christiana für die Kirchlichen Universitäten und Fakultäten," erscheint es angebracht, auch für die Katholischen Universitäten ein entsprechendes Dokument zu verfassen, gleichsam als eine „Magna Charta“, auf die sie sich in Zukunft beziehen können. Diese „Magna Charta“ umfaßt eine lange und fruchtbare Erfahrung der Kirche im universitären Bereich, sie ist offen für die in den kommenden Jahren zu leistende hoffnungsvolle Arbeit, die mutigen Erfmdungsgeist und strenge Treue erfordert. 1018 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Weisung des heiligen Augustinus gilt auch für die Katholischen Universitäten. Sie sind eingeladen, mutig den Reichtum von Offenbarung und Natur zu erforschen. Das gemeinsame Bemühen von Vernunft und Glaube läßt die Menschen die Fülle ihres Menschseins finden, die nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen und nach der Sünde auf noch wunderbarere Weise in Christus wiederhergestellt und dazu bestimmt ist, im Lichte des Geistes zu leuchten. 6. Die Katholische Universität schafft durch die Begegnung zwischen dem unerforschlichen Reichtum der heilbringenden Botschaft des Evangeliums und der Vielfalt und Größe der Bereiche menschlicher Erkenntnis, in die sie diese Botschaft einbringt, die Möglichkeit, daß die Kirche ein Gespräch von einmaliger Fruchtbarkeit mit allen Menschen jedweder Kultur führen kann. Denn der Mensch lebt ein menschenwürdiges Leben nur aufgrund seiner Kultur; und wenn er seine Fülle in Christus findet, ist auch nicht daran zu zweifeln, daß das Evangelium, wenn es ihn erreicht und ihn in all seinen Dimensionen wiederherstellt, auch für die Kultur, von der der Mensch lebt, fruchtbar ist. 7. In der Welt von heute, die so sehr gezeichnet ist durch den rapiden Fortschritt in Wissenschaft und Technik, werden Gewicht und Dringlichkeit der Aufgaben der Katholischen Universität immer größer. Die Errungenschaften von Wissenschaft und Technik bringen einerseits ein ungeheures Wachstum der Wirtschaft und der Industrie mit sich, andererseits verlangen sie eine dementsprechende Sinnforschung, um sicherzustellen, daß die neuen Errungenschaften zum wahren Wohl der einzelnen Menschen und der ganzen menschlichen Gemeinschaft insgesamt verwendet werden. Wenn schon diese Sinnforschung Aufgabe einer jeden Universität ist, ist die Katholische Universität umso mehr dazu berufen, dieser Anforderung zu entsprechen. Ihr christlicher Geist läßt sie in die eigenen Studien die sittliche, geistige und religiöse Perspektive einbringen und die Ergebnisse von Wissenschaft und Technik aus der Sicht der ganzen menschlichen Person werten. Daher sind die Katholischen Universitäten aufgemfen zu ständiger Erneuerung, einmal weil sie Universitäten sind, zum anderen weil sie katholisch sind. Denn „auf dem Spiel steht der Sinn der wissenschaftlichen Forschung und der Technik, des sozialen Zusammenlebens und der Kultur, doch noch tiefer betrachtet, die Bedeutung des Menschen selbst.10 Solche Erneuerung verlangt ein klares Bewußtsein davon, daß schon aufgrund ihres katholischen Charakters die Universität besser in der Lage ist, die Wahrheit unparteiisch zu erforschen; ein Forschen, das den verschiedenartigsten Einzelinteressen weder untergeordnet noch von ihnen abhängig ist. <786> <787> <786> Nach der Veröffentlichung der Apostolischen Konstitution Sapientia Christiana für die Kirchlichen Universitäten und Fakultäten," erscheint es angebracht, auch für die Katholischen Universitäten ein entsprechendes Dokument zu verfassen, gleichsam als eine „Magna Charta“, auf die sie sich in Zukunft beziehen können. Diese „Magna Charta“ umfaßt eine lange und fruchtbare Erfahrung der Kirche im universitären Bereich, sie ist offen für die in den kommenden Jahren zu leistende hoffnungsvolle Arbeit, die mutigen Erfmdungsgeist und strenge Treue erfordert. <787> Dieses Dokument wendet sich namentlich an die Leiter der Katholischen Universitäten, an die akademischen Gemeinschaften und außerdem an alle, die sich um die Universitäten bemühen, vor allem an die Bischöfe, an die Ordensgemeinschaften und kirchlichen Institu- 1019 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tionen sowie an die zahlreichen Laien, die an jenem hohen Dienst der höheren Bildung beteiligt sind. Anliegen ist, daß „gleichsam der christliche Geist bei dem gesamten Bemühen um die Förderung einer höheren Kultur öffentlich, stets und universell präsent [sei]. Die Studenten dieser Anstalten sollen zu Menschen herangebildet werden, die in ihrer Wissenschaft bestens bewandert, wichtigen Aufgaben im öffentlichen Leben gewachsen und Zeugen des Glaubens in der Welt sind“. 10. Außer an die Katholischen Universitäten wende ich mich auch an die zahlreichen katholischen Institutionen der höheren Bildung. Ihrem Wesen und ihrer Zielsetzung nach ist ihnen gemeinsam, daß sie einige oder alle Aufgaben einer Universität wahmehmen und so ihren Beitrag leisten für Kirche und Gesellschaft, sei es durch ihre eigenen Forschungen, sei es durch Bildung oder durch Vorbereitung für einen Beruf. Wenngleich dieses Dokument namentlich die Katholischen Universitäten betrifft, so will es doch alle Institutionen der höheren Bildung umfassen, deren Ziel es ist, Geist und Kultur des Menschen mit der Botschaft des Evangeliums Christi zu durchdringen. Mit größtem Vertrauen und ebensolcher Hoffnung ermutige ich alle Katholischen Universitäten, ihre so unersetzliche Aufgabe weiterhin zu erfüllen, die von Tag zu Tag immer notwendiger erscheint für die Begegnung der Kirche mit den sich fortentwickelnden Wissenschaften und mit den vielfältigen Kulturen unserer Zeit. Gemeinsam mit meinen Mitbrüdem im Bischofsamt, die mit mir an der pastoralen Aufgabe teilhaben, möchte ich Euch allen meine feste Überzeugung kundtun: Ohne Zweifel ist die Universität eines der besten Mittel, das die Kirche der heutigen Zeit anzubieten hat, die sichere Erkenntnis und Weisheit sucht. Weil der Kirche die Verpflichtung obliegt, allen Menschen die Frohe Botschaft zu bringen, darf sie niemals aufhören, sich um diese Institution zu kümmern. Durch Forschung und Lehre helfen ihr die Katholischen Universitäten dabei, in einer zeitgemäßen Weise die neuen und alten Schätze der menschlichen Kultur zu erforschen, „nova et vetera“ nach Jesu Wort. 11. Schließlich wende ich mich an die gesamte Kirche in der Überzeugung, daß die Katholischen Universitäten für ihr Wachstum wie auch für die Entfaltung der christlichen Kultur und des menschlichen Fortschritts unverzichtbar sind. Deswegen ist die ganze kirchliche Gemeinschaft eingeladen, den Katholischen Institutionen der höheren Bildung Hilfe zu leisten und sie zu unterstützen bei dem Bemühen, sich zu entfalten und zu erneuern. Vor allem jedoch ist sie aufgerufen, die Rechte und die Freiheit dieser Institutionen in der weltlichen Gesellschaft zu schützen, sie finanziell zu unterstützen, vor allem in den Nationen, wo es besonders nötig ist, und Hilfe zu gewähren bei der Gründung neuer Katholischer Universitäten, wo immer es erforderlich ist. Von Herzen wünsche ich, daß diese Weisungen, die sich auf die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils und auf die Vorschriften des Codex Iuris Canonici stützen, es den Katholischen Universitäten und den übrigen Hochschuleinrichtungen erlauben, ihre unverzichtbare Aufgabe zu erfüllen, gerade jetzt, wo mit dem neuen Jahrtausend eine neue Gnadenzeit sich eröffnet. 1020 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Teil I: Charakter und Auf gäbe A. Charakter einer Katholischen Universität 1. Wesen und Ziel 12. Jede Katholische Universität ist als Universität eine akademische Gemeinschaft, die in strenger und kritischer Methode zum Schutz und zur Förderung der menschlichen Würde und zugleich des Kulturerbes ihren Beitrag leistet durch Forschung und Lehre und durch die verschiedenen Dienste, die sie den örtlichen, nationalen und internationalen Gemeinschaften zu deren Nutzen erbringt. Sie besitzt jene institutioneile Autonomie, die notwendig ist, damit sie ihre Aufgaben wirksam erfüllen kann, und sie gewährleistet ihren Mitgliedern die akademische Freiheit unter Wahrung der Rechte des Individuums und der Gemeinschaft innerhalb des Anspruchs der Wahrheit und des Gemeinwohls. <788> <788> Die Katholische Universität ist deshalb der Ort, an dem Wissenschaftler die Tiefe der 13. Weil es die Zielsetzung einer Katholischen Universität ist, angesichts der großen Fragestellungen in Gesellschaft und Kultur in institutionalisierter Form das Christliche im universitären Bereich präsent zu machen, <789> muß diese Universität als Katholische Universität durch folgende Wesensmerkmale geprägt sein: Wahrheit der Dinge mit den einer jeden akademischen Disziplin eigenen Methoden erfor- „1. christliche Inspiration nicht nur der einzelnen Mitglieder, sondern der ganzen Univer-sitätsgemeinschaft als solcher; 2. ein kontinuierliches Bemühen um Reflexion im Lichte des katholischen Glaubens über den immerfort wachsenden Schatz des menschlichen Wissens, zu dem sie ihren Teil mit den ihr eigenen Studien beizutragen sucht; 3. Treue gegenüber der christlichen Botschaft, so wie sie von der Kirche übermittelt wird; 4. institutionalisierte Verpflichtung, dem Volk Gottes und der Menschheitsfamilie zu dienen auf ihrem Weg zu jenem alles transzendierenden Ziel, das dem Leben seinen Sinn gibt.“ <790> schen und so zur Bereicherung des Schatzes menschlichen Wissens beitragen. Jede Disziplin wird in geordneter systematischer Weise betrieben, und die verschiedenen Disziplinen stehen in einem Gespräch miteinander und bereichern sich so gegenseitig. 14. „Im Licht dieser Eigenschaften ist offenkundig, daß eine Katholische Universität aufgrund ihrer als Institution eigenen Verpflichtung in Lehre, Forschung und anderen Diensten, die allen Universitäten gemeinsam sind, die Inspiration und das Licht der christlichen Botschaft einbezieht. In einer Katholischen Universität prägen und durchdringen daher katholische Ideale, Haltungen und Grundsätze die vielfältige Tätigkeit der Universität, wobei ihre eigene Natur und Autonomie genau respektiert werden. Kurz gesagt: Die Katholische Universität versteht sich als eine Gemeinschaft von Dozenten und Studenten aus den verschiedenen Bereichen menschlichen Wissens und zugleich als eine akademische Institution, in der das Katholische in lebendiger Weise gegenwärtig ist“. <791> <791> Weil jedes Wissen im Dienst der menschlichen Person stehen soll, ist an einer Katholi- 1021 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Solche Forschung ist nicht nur den Männern und den Frauen bei der unaufhörlichen Suche nach Wahrheit eine Hilfe, sie ist vielmehr auch das heute so sehr notwendige Zeugnis für das Vertrauen, das die Kirche auf den inneren Wert von Wissenschaft und Forschung setzt. Die Forschung an einer Katholischen Universität umfaßt deshalb notwendigerweise: a) das Bemühen um Integration des Wissens; b) den Dialog zwischen Glaube und Vernunft, c) die ethische Verantwortung; d) die theologische Perspektive. 16. Die Integration des Wissens bleibt eine stets zu vervollkommnende Aufgabe. Zudem macht die in unseren Tagen angewachsene Fülle des Wissens, zu der die fortwährend zunehmende Aufsplitterung des Wissens selbst innerhalb der einzelnen akademischen Disziplinen hinzukommt, diese Aufgabe immer schwieriger. Aber die Universität selbst, und vor allem die Katholische Universität „muß eine ,lebendige Einheit’ von Organen sein, die sich der Erforschung der Wahrheit widmen ... Es gilt daher eine solche höhere Synthese zu fördern, denn nur darin findet jener Durst nach Wahrheit Befriedigung, der tief im Herzen des Menschen lebendig ist“. <792> <793> Die Universitätsdozenten werden ständig bemüht sein, mit Hilfe von Beiträgen der Philosophie und Theologie den Platz und die Bedeutung der einzelnen Disziplinen zu bestimmen im Rahmen eines Menschen- und Weltbildes, das vom Evangelium und folglich vom Glauben an Christus, den „Logos“ und das Zentrum der Schöpfung und der Menschheitsgeschichte, erleuchtet ist. <792> Weil jedes Wissen im Dienst der menschlichen Person stehen soll, ist an einer Katholi- schen Universität die Forschung immer mit der Sorge um die ethischen und moralischen Inhalte verbunden, welche die Methoden und die Ergebnisse in sich bergen. Wenn diese 17. Die Katholische Universität, die diese Integration des Wissens fördern will, muß sich besonders dem Dialog zwischen Glaube und Vernunft widmen, damit tiefer erfaßt werden kann, wie Glaube und Vernunft in der einen Wahrheit Zusammenkommen. Wenn auch jede akademische Disziplin die eigene Integrität und Forschungsmethode wahrt, so wird durch diesen Dialog doch hervorgehoben, daß die methodische Forschung in allen Wissensbereichen - vorausgesetzt, sie geht wirklich in wissenschaftlicher Weise und gemäß den Normen der Sittlichkeit vor - „niemals in einen echten Konflikt mit dem Glauben kommen [kann], weil die Wirklichkeiten des profanen Bereichs und die des Glaubens in demselben Gott ihren Ursprung haben“. <794> Diese lebendige Wechselwirkung zweier verschiedener Ordnungen der Erkenntnis der einen Wahrheit führt zu einer größeren Liebe der Wahrheit selbst und trägt zu einem breiteren Verständnis des Sinns des menschlichen Lebens und des Ziels der göttlichen Schöpfung bei. Sorge auch mit jeder Art von Forschung verbunden ist, so ist sie besonders drängend im Bereich der wissenschaftlichen und technologischen Forschung: „Wir müssen überzeugt sein vom Vorrang der Ethik gegenüber der Technik, vom Primat der Person gegenüber den 1022 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 19. Auf der Suche nach einer Synthese des Wissens wie auch im Dialog zwischen Glaube und Vernunft kommt der Theologie eine besonders bedeutende Stellung zu. Sie leistet auch einen Beitrag für alle anderen Disziplinen, die sich der Sinnfrage stellen, und zwar nicht nur indem sie ihnen hilft zu prüfen, auf welche Weise deren Ergebnisse den Menschen und die Gesellschaft beeinflussen, sondern indem sie auch eine Perspektive und eine Orientierung bereitstellt, die in deren eigenen Methoden nicht enthalten sind. Andererseits befruchtet der Austausch mit diesen anderen Disziplinen und ihren Ergebnissen auch die Theologie selbst, indem er ihr ein besseres Verständnis der heutigen Zeit ermöglicht und die theologische Forschung den Anforderungen der Gegenwart näherbringt. Im Blick auf dieses der Theologie eigene Gewicht unter den akademischen Disziplinen muß jede Katholische Universität eine theologische Fakultät oder wenigstens einen Lehrstuhl für Theologie haben. 20. Wegen der engen Beziehung zwischen Forschung und Lehre ist es erforderlich, daß die bereits aufgezählten Postulate auch die gesamte Lehre beeinflussen. Die einzelnen Disziplinen werden zwar in systematischer Weise und gemäß den ihnen eigenen Methoden vermittelt, doch hilft die Interdisziplinarität, die durch den Beitrag der Philosophie und Theologie befruchtet ist, den Studierenden, sich eine organische Sicht der Wirklichkeit zu erwerben und die ständige Sehnsucht nach Entfaltung des Geistes zu hegen. Bei der Vermittlung des Wissens zeigt sich, daß sich die menschliche Vernunft in ihrer Reflexion immer neuen Fragestellungen öffnet und daß die erschöpfende Antwort auf diese letztlich von oben durch den Glauben gegeben wird. Außerdem sind die moralischen Inhalte einer jeden Disziplin als wesentlicher Bestandteil bei deren Vermittlung zu werten, und dies, damit der gesamte Bildungsprozeß letztlich auf die volle Entfaltung der Persönlichkeit ausgerichtet sei. Schließlich bietet die katholische Theologie, in voller Treue zu Schrift und Überlieferung und kirchlichem Lehramt gelehrt, eine klare Kenntnis der Grundsätze des Evangeliums, wodurch der Sinn des menschlichen Lebens betont und ihm eine neue Würde verliehen wird. Durch Forschung und Lehre sollen die Studenten in den verschiedenen Disziplinen so gebildet werden, daß sie in jenem Bereich der Wissenschaft, in dem sie sich dem Dienst an Gesellschaft und Kirche widmen werden, eine wirkliche Sachkenntnis erwerben und gleichzeitig auch in der Lage sind, ihren Glauben vor der Welt zu bezeugen. 2. Universitätsgemeinschaft 21. Ihre Ziele verfolgt die Katholische Universität auch, wenn sie sich darum bemüht, eine wirklich menschliche und vom Geist Christi durchdrungene Gemeinschaft zu bilden. Die Quelle ihrer Einheit entspringt der gemeinsamen Hingabe an die Wahrheit, der Hochschätzung der menschlichen Würde und letztlich der Person und Botschaft Christi, der dieser Institution die ihr eigene Qualität gibt. Aufgrund dieser Prägung wird die Universitätsgemeinschaft vom Geist der Freiheit und der Liebe durchdmngen und durch gegenseitige Achtung, durch ehrlichen Dialog und durch Schutz der Rechte eines jeden einzelnen gekennzeichnet. Ihren Mitgliedern verhilft sie zur vollen Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Die Mitglieder suchen umgekehrt als einzelne, entsprechend ihrer Stellung und ihrer Fähigkeit, die Einheit zu fördern, und sie tragen dazu bei, die Entscheidungen zu fällen, welche die Gemeinschaft selbst betreffen, sowie auch den katholischen Charakter dieser Institution zu wahren und zu stärken. 1023 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 22. Die Universitätslehrer haben sich ständig um Fortbildung zu bemühen und Inhalte, Gegenstände und Ergebnisse jeder Disziplin in ein zusammenhängendes Weltbild einzuordnen. Die christlichen Dozenten sind aufgerufen, Zeugen und Lehrer echt christlichen Lebens zu sein, das die erreichte Verschmelzung von Glaube und Kultur, von entsprechender beruflicher Kompetenz und christlicher Weisheit offenbart. Alle Dozenten sollen durchdrungen sein von den hohen akademischen Zielen und von den Grundsätzen eines echt menschlichen Lebens. 23. Die Studierenden werden aufgerufen, sich eine Bildung anzueignen, die den hohen Rang der humanistischen und kulturellen Entfaltung mit der spezifischen Berufsausbildung verbindet. Diese Entfaltung muß so beschaffen sein, daß die Lernenden sich ermutigt fühlen, ihr ganzes Leben lang die Suche nach der Wahrheit und nach deren Sinn fortzusetzen, weil nämlich „der menschliche Geist so gebildet werden [muß], daß die Fähigkeit des Staunens, der eigentlichen Wesenserkenntnis, der Kontemplation, der persönlichen Urteilsbildung und das religiöse, sittliche und gesellschaftliche Bewußtsein gefördert werden“. Dadurch werden sie fähig und geeignet, sich eine echte christliche Lebensweise zu erwerben, oder, wenn sie diese vielleicht schon erreicht haben, zu vertiefen. Sie müssen sich des Ernstes ihres Berufes bewußt sein und Freude darüber empfinden, daß sie morgen qualifizierte Führer sein werden und Zeugen für Christus an ihrem jeweiligen Arbeitsplatz. 24. Die verantwortlichen Leiter und Verwaltungsbediensteten einer Katholischen Universität haben ständig das Wachstum der Universität und der Universitätsgemeinschaft durch echte Pflichterfüllung im Geist des Dienens zu fördern. Einsatz und Zeugnis der nichtakademischen Mitarbeiter sind ebenfalls unverzichtbar für den Charakter und das Leben der Universität. 1024 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 26. Den Universitätsgemeinschaften vieler katholischer Institutionen gehören Kollegen und Mitglieder aus anderen Kirchen, kirchlichen Gemeinschaften oder Religionen an, aber auch Kollegen, die sich zu keinem Glauben bekennen. Diese Männer und Frauen können aufgrund ihrer Erfahrung dem Fortschritt der verschiedenen akademischen Disziplinen oder der Durchführung anderer Aufgaben in der Universität nützen. 3. Katholische Universität in der Kirche 27. Als Universität steht jede Katholische Universität mit der Kirche in einer unabdingbaren Verbindung, die ihrer Natur nach zum spezifischen Wesen dieser Institution gehört. Als Katholische Universität nämlich nimmt sie unmittelbar teil am Leben der Teilkirche, an der sie ihren Sitz hat. Insofern sie jedoch zugleich als akademische Institution in die internationale Gemeinschaft der Institutionen für Lehre und Forschung eingebunden ist, hat sie auch am Leben der Gesamtkirche Anteil und baut es mit auf; aus diesem Grund geht sie eine besondere Bindung an den Heiligen Stuhl ein wegen des Dienstes der Einheit, den dieser für die ganze Kirche zu erfüllen gehalten ist. Aus dieser Verbindung mit der Kirche erwachsen als Konsequenzen: Treue der Universität als Institution zur christlichen Botschaft, Anerkennung der Autorität des kirchlichen Lehramts in Glaubens- und Sittenfragen und Gehorsam ihm gegenüber. Die katholischen Mitglieder der Universitätsgemeinschaft ihrerseits sind zur persönlichen Treue gegenüber der Kirche bemfen mit allen Folgen, die sich daraus ergeben. Von den nichtkatholischen Mitgliedern wird die Beachtung des katholischen Charakters der Institution gefordert, in der sie arbeiten, während die Universität anderseits deren Religionsfreiheit achtet. 28. Die Bischöfe haben die besondere Verpflichtung, die Katholischen Universitäten zu fördern und sie aufmerksam zu begleiten und ihnen in der Bewahrung und Stärkung ihrer katholischen Identität beizustehen, auch gegenüber der staatlichen Autorität. Das wird in angemessener Weise erreicht, wenn feste personelle und pastorale Bindungen zwischen den Universitäten und den kirchlichen Autoritäten geschaffen und beibehalten werden, die durch gegenseitiges Vertrauen, enge Zusammenarbeit und kontinuierlichen Dialog charakterisiert sind. Wenn sich auch die Bischöfe nicht unmittelbar in die innere Leitung einmischen, so dürfen sie dennoch „nicht als von außen her wirkend angesehen werden, sondern als Teilhaber am Leben der Katholischen Universität“. <795> <796> <797> <795> Indem die Kirche „die rechtmäßige Eigengesetzlichkeit der Kultur und vor allem der Wis- senschaften“ bejaht, anerkennt sie zugleich auch die akademische Freiheit der einzelnen Wissenschaftler in ihrer eigenen Disziplin gemäß den Grundsätzen und Methoden der betreffenden Wissenschaft innerhalb des Anspruchs der Wahrheit und des Gemeinwohls.28 Auch die Theologie hat als Wissenschaft in der Universität ihren rechtmäßigen Platz neben den übrigen Disziplinen. Sie hat, wie es ihr zusteht, ihre spezifischen Grundsätze und ihre eigene Methode, die sie als Wissenschaft definieren. Insofern sie an diesen Grundsätzen fest-halten und die entsprechende Methode anwenden, erfreuen sich auch die Theologen derselben akademischen Freiheit. 1025 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Bischöfe mögen die schöpferische Arbeit der Theologen anregen. Die Theologen dienen nämlich der Kirche durch Forschung, die gemäß einer der Theologie eigenen Methode durchgeführt wird. Sie streben danach, den Sinn der christlichen Offenbarung, wie er von Schrift und Überlieferung sowie kirchlichem Lehramt weitergegeben wird, besser zu erfassen, tiefer zu entfalten und wirksamer kundzumachen. Sie erforschen auch Wege, auf welchen die Theologie Licht in die einzelnen Probleme der Kultur unserer Zeit bringen kann. Weil die Theologie die geoffenbarte Wahrheit zu verstehen sucht, deren authentische Interpretation den Bischöfen der Kirche anvertraut ist, <798> gehört es zugleich wesentlich zu den Grundsätzen und zur Methode der Forschung und der Lehre dieser akademischen Disziplin, daß die Theologen die Autorität der Bischöfe respektieren und der katholischen Lehre anhangen müssen entsprechend dem Grad der Verbindlichkeit, in der sie gelehrt wird. <799>.Das Gespräch zwischen Bischöfen und Theologen ist wegen der je eigenen, aber aufeinander bezogenen Aufgabe beider Seiten äußerst notwendig; das gilt ganz besonders heute, wo Forschungsergebnisse durch die sozialen Kommunikationsmittel so rasch und allseitig verbreitet werden. <800> <798> Indem die Kirche „die rechtmäßige Eigengesetzlichkeit der Kultur und vor allem der Wis- senschaften“ bejaht, anerkennt sie zugleich auch die akademische Freiheit der einzelnen Wissenschaftler in ihrer eigenen Disziplin gemäß den Grundsätzen und Methoden der betreffenden Wissenschaft innerhalb des Anspruchs der Wahrheit und des Gemeinwohls.28 Auch die Theologie hat als Wissenschaft in der Universität ihren rechtmäßigen Platz neben den übrigen Disziplinen. Sie hat, wie es ihr zusteht, ihre spezifischen Grundsätze und ihre eigene Methode, die sie als Wissenschaft definieren. Insofern sie an diesen Grundsätzen fest-halten und die entsprechende Methode anwenden, erfreuen sich auch die Theologen derselben akademischen Freiheit. B. Dienst und Auftrag der Katholischen Universität 30. Grundlegender Auftrag der Universität ist das ständige Suchen nach Wahrheit durch Erforschen, Bewahren und Verbreiten von Wissen zum Wohl der Gesellschaft. An diesem Auftrag nimmt die Katholische Universität durch ihre Eigenart und ihre eigene Zielsetzung teil. 1. Dienst an Kirche und Gesellschaft 31. Durch Lehre und Forschung leistet die Katholische Universität der Kirche eine unverzichtbare Hilfe: sie bildet Männer und Frauen aus, die - geprägt durch die christlichen Grundsätze und befähigt, ihre christliche Berufung in reifer Weise und verantwortlich zu leben - Aufgaben in der Kirche und Gesellschaft übernehmen können. Darüberhinaus kann die Katholische Universität durch die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Forschung der Kirche helfen, auf die Probleme und Anforderungen der Zeit zu antworten. <801> <801> Die Katholische Universität ist wie jede andere Universität in die menschliche Gesellschaft eingebunden. Um der Kirche einen immer besseren Dienst leisten zu können, ist sie aufgerufen - freilich immer im Bereich ihrer Kompetenz - ein noch wirksameres Instrument des kulturellen Fortschrittes für den einzelnen wie für die Gesellschaft zu sein. Ihre Forschungstätigkeit muß daher das Studium der schwerwiegenden Fragen unserer Zeit umfassen, wie z. B. die Würde des menschlichen Lebens, die Förderang der Gerechtigkeit für alle, die Qualität der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse, den Schutz der Natur, die Suche nach Frieden und politischer Stabilität, die gerechtere Verteilung der Güter der Welt und eine neue wirtschaftliche und politische Ordnung, damit sie besser dem allgemeinen Wohl der einzelnen Nationen und der Gemeinschaft aller Nationen dient. Die universitäre Forschung wird dahin zielen, die Wurzeln und die Ursachen der schwierigen Probleme unserer Zeit unter Beachtung vor allem der ethischen und religiösen Dimensionen von Grand auf zu erforschen. 1026 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn es erforderlich ist, muß die Katholische Universität den Mut haben, auch unbequeme Wahrheiten zu sagen, die der öffentlichen Meinung nicht gefallen mögen, die jedoch notwendig sind, das wahre Wohl der Gesellschaft zu schützen. 33. Ausdrücklich und vor allem anderen müssen die Werte und die in Gesellschaft und moderner Kultur vorherrschenden Normen unter christlichem Aspekt bedacht und erwogen werden, aber auch der heutigen Gesellschaft jene ethischen und religiösen Grundsätze verkündet werden, die dem menschlichen Leben seinen vollen Sinn geben. Dies ist ein weiterer Beitrag, den die Universität für die Entwicklung jener echten christlichen Anthropologie leisten kann, die ihren Ursprung von der Person Christi nimmt und die bewirkt, daß die Dynamik der Schöpfung und Erlösung die Wirklichkeit und die richtige Lösung der Lebensfragen beeinflußt. 34. Im Hinblick auf die Förderung der sozialen Gerechtigkeit ist die christliche Gesinnung des Dienstes am Mitmenschen für jede Katholische Universität von besonderer Bedeutung und muß von den Dozenten geteilt und bei den Studenten entwickelt werden. Die Kirche setzt sich entschieden für die umfassende Entwicklung eines jeden Mannes und einer jeden Frau ein. <802> Das Evangelium, in der kirchlichen Soziallehre ausgelegt, ruft nachdrücklich zur Förderung des Fortschritts der Völker auf, „vor allem derer, die dem Hunger, dem Elend, den endemischen Krankheiten, der Unwissenheit zu entrinnen suchen; derer, die umfassend an den Früchten der Zivilisation teilnehmen und ihre menschlichen Fähigkeiten wirksamer zur Geltung bringen wollen, die sich entschieden ihrer volleren Entfaltung zuwenden“. Jede Katholische Universität nimmt die Verantwortung wahr, einen konkreten Beitrag zu leisten zum Fortschritt der Gesellschaft, in der sie wirkt: sie kann zum Beispiel Wege suchen, auf welchen die universitäre Bildung all jenen zugänglich gemacht wird, die aus ihr Nutzen ziehen könnten, besonders den Armen oder den Mitgliedern von Minderheitsgruppen, denen diese Bildung herkömmlicherweise vorenthalten wurde. Es ist überdies Sache der Katholischen Universität, nach Möglichkeit den Fortschritt der Entwicklungsländer zu fördern. <802> Die Katholische Universität ist wie jede andere Universität in die menschliche Gesellschaft eingebunden. Um der Kirche einen immer besseren Dienst leisten zu können, ist sie aufgerufen - freilich immer im Bereich ihrer Kompetenz - ein noch wirksameres Instrument des kulturellen Fortschrittes für den einzelnen wie für die Gesellschaft zu sein. Ihre Forschungstätigkeit muß daher das Studium der schwerwiegenden Fragen unserer Zeit umfassen, wie z. B. die Würde des menschlichen Lebens, die Förderang der Gerechtigkeit für alle, die Qualität der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse, den Schutz der Natur, die Suche nach Frieden und politischer Stabilität, die gerechtere Verteilung der Güter der Welt und eine neue wirtschaftliche und politische Ordnung, damit sie besser dem allgemeinen Wohl der einzelnen Nationen und der Gemeinschaft aller Nationen dient. Die universitäre Forschung wird dahin zielen, die Wurzeln und die Ursachen der schwierigen Probleme unserer Zeit unter Beachtung vor allem der ethischen und religiösen Dimensionen von Grand auf zu erforschen. 35. In ihrem Bemühen um eine Antwort auf diese komplexen Probleme, die so viele Aspekte des menschlichen Lebens und der Gesellschaft berühren, wird die Katholische Universität auf die Zusammenarbeit unter den verschiedenen akademischen Disziplinen drängen, die bereits ihren eigenen Beitrag in der Suche nach Lösungen leisten. Weil überdies die einzelnen Institutionen unter begrenzter finanzieller und personeller Ausstattung leiden, ist vorrangig gefordert, daß die Katholischen Universitäten sich selbst zu gemeinsamen Forschungsprojekten zusammenfinden und auch mit anderen privaten oder öffentlichen Institutionen Zusammenarbeiten. Unter diesem Gesichtspunkt, wie auch bezüglich anderer spezifischer Tätigkeitsbereiche einer Katholischen Universität, ist die Bedeutung anzuerkennen, die den verschiedenen nationalen und internationalen Vereinigungen der Katholischen Universitäten zukommt. Unter ihnen ist in besonderer Weise die Aufgabe der Internationalen Vereinigung der Katholischen Universitäten (Foederatio Intemationalis Studiorum Universitatum Catholicarum) zu erwähnen, die vom Heiligen Stuhl errichtet ist, der von ihr eine fruchtbare Zusammenarbeit erwartet. 1027 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 36. Durch Programme der ständigen Weiterbildung der Erwachsenen, durch Ausbildung von Dozenten zum Dienst in der Beratung, durch Einsatz der neuen Kommunikationsmittel und auf vielfältige andere Weise kann die Katholische Universität erreichen, daß die wachsende Summe des menschlichen Wissens und ein von Tag zu Tag besser werdendes Glaubensverständnis einer größeren Zahl von Menschen zur Verfügung steht. Auf diese Weise werden die Dienste der Universität über den eigentlich akademischen Bereich hinaus ausgeweitet. 37. Im Dienst an der Gesellschaft wird die akademische, kulturelle und wissenschaftliche Welt in der Umgebung der Katholischen Universität der natürliche bevorzugte Gesprächspartner sein. Wünschenswert sind angemessene Formen des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen den Katholischen Universitäten und den anderen Universitäten einer Nation zugunsten der Entwicklung und der Verständigung zwischen den Kulturen sowie zum Schutz von Natur und Umwelt durch ein internationales ökologisches Bewußtsein. Zusammen mit den anderen privaten und öffentlichen Institutionen dienen die Katholischen Universitäten durch die höhere Bildung und durch die Forschung dem allgemeinen Wohl. Unter den verschiedensten Arten von Institutionen, die notwendig sind zum freien Ausdruck der kulturellen Verschiedenheit, stellen sie eine Form dar, und sie bemühen sich, den Sinn für Solidarität in Gesellschaft und Welt zu fördern. Mit vollem Recht erwarten sie daher von der weltlichen Gesellschaft und von den öffentlichen Autoritäten Anerkennung und Schutz ihrer institutionellen Autonomie und ihrer akademischen Freiheit. Darüber hinaus haben sie das Recht auf die für die Gewährleistung ihrer Existenz und Entwicklung notwendige wirtschaftliche Hilfe. 2. Universitätsseelsorge 38. Die Universitätsseelsorge ist jene Aktivität der Universität, die den Mitgliedern der Universitätsgemeinschaft Gelegenheit bietet, das akademische Studium und außerakademische Bereiche mit den religiösen und sittlichen Grundsätzen und so das Leben mit dem Glauben zu verbinden. Die Universitätsseelsorge macht die Sendung der Kirche in der Universität wirksam und ist daher wesentlicher Bestandteil ihrer Tätigkeit und ihrer Struktur. Eine Universitätsgemeinschaft, die den katholischen Charakter der Institution zu fördern sucht, ist sich dieser seelsorglichen Dimension bewußt und achtet auf die Möglichkeiten und Mittel, mit denen sie alle ihre Tätigkeiten beeinflussen kann. 39. Als natürlichen Ausdruck ihres katholischen Selbstverständnisses weiß die Universitätsgemeinschaft auch, den Glauben im Alltag lebendig zu machen in bedeutenden Augenblicken der Besinnung und des Gebetes. So werden den katholischen Mitgliedern dieser Gemeinschaft gute Möglichkeiten geboten, sich in ihrem Leben katholische Lehre und katholische Lebensweise anzueignen. Sie werden nämlich ermutigt zur Teilnahme an den Sakramenten, vor allem am Sakrament der Eucharistie als dem vollkommensten Akt gemeinsamen Gottesdienstes. Jene akademischen Gemeinschaften, in denen nicht wenige Mitglieder verschiedenen Kirchen, kirchlichen oder religiösen Gemeinschaften angehören, werden deren Initiativen zu Meditation und Gebet respektieren, um deren Glauben zu schützen. 1028 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 40. Die Universitätsseelsorger werden die Professoren und Studenten auch einladen, sich stärker ihrer Verpflichtung gegenüber den geistig oder körperlich Behinderten bewußt zu werden. Nach dem Vorbild Christi mögen sie sich in besonderer Weise um die Armen kümmern und um jene, die unter Ungerechtigkeit im wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder religiösen Bereich zu leiden haben. Diese Verpflichtung kommt in erster Linie innerhalb der akademischen Gemeinschaft zum Tragen, sie kann aber auch außerhalb derselben erfüllt werden. 41. Die Universitätsseelsorge ist eine unverzichtbare Aufgabe, durch die die katholischen Studenten in Erfüllung ihres Taufversprechens zu tätiger Teilnahme am Leben der Kirche vorbereitet werden können. Sie kann ferner dazu beitragen, die Hochschätzung der Ehe und des familiären Lebens zu nähren und zu mehren, geistliche Berufungen für Priestertum und Ordensleben zu wecken, das christliche Engagement der Laien anzuregen und jedweden Einsatz mit dem Geist des Evangeliums zu durchdringen. Ein Einvernehmen zwischen der Universitätsseelsorge und den Institutionen, die unter der Leitung des Bischofs oder mit dessen Billigung in der Teilkirche arbeiten, wird zum allgemeinen Nutzen dienlich sein. 42. Verschiedene Vereinigungen und Bewegungen des geistlichen und apostolischen Lebens, hauptsächlich aber jene, die eigens für die Studenten gegründet sind, können von großem Einfluß sein auf das Wachstum der pastoralen Aspekte des Universitätslebens. 3. Kultureller Dialog 43. Ihrem Wesen gemäß fördert die Universität die Kultur durch ihre Forschung, sie hilft, die Kultur des Ortes den nachfolgenden Generationen durch ihre Lehre zu vermitteln, und pflegt sie durch die ihr eigenen Bildungsangebote kulturelle Initiativen. Sie ist für alle menschliche Erfahrung offen, bereit zum Dialog und bereit, aus jeder Kultur selbst zu lernen. An diesem Prozeß beteiligt sich die Katholische Universität dadurch, daß sie die reiche kulturelle Erfahrung der Kirche einbringt. Im Bewußtsein dessen, daß die menschliche Kultur für Offenbarung und Transzendenz offen ist, ist die Katholische Universität der primäre und spezifische Ort für einen fruchtbaren Dialog zwischen Evangelium und Kultur. 44. Die Katholische Universität steht der Kirche gerade durch einen solchen Dialog bei, indem sie ihr hilft, zu einer besseren Kenntnis der verschiedenen Kulturen zu kommen, zwischen deren positiven und negativen Aspekten zu unterscheiden, deren echte menschliche Beiträge anzunehmen und jene Mittel zu entwickeln, durch welche sie den Menschen einer bestimmten Kultur den Glauben verständlicher machen kann. Wenn es wahr ist, daß das Evangelium nicht mit einer bestimmten Kultur gleichgesetzt werden kann, sondern daß es vielmehr alle Kulturen übersteigt, ist es auch zutreffend, daß „das Reich, das das Evangelium verkündet, von Menschen gelebt (wird), die zutiefst an eine Kultur gebunden sind, und [daß] die Errichtung des Gottesreiches nicht darauf verzichten [kann], sich gewisser Elemente der menschlichen Kultur und Kulturen zu bedienen“. „Ein Glaube, der sich am Rande des Menschlichen und damit der Kultur vollzöge, wäre ein unzuverlässiger Glaube gegenüber der Fülle dessen, was das Wort Gottes offenbart und enthüllt, ein geköpfter Glaube, ja geradezu ein Glaube im Prozeß der Selbstauflösung“. 1029 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 45. Die Katholische Universität soll immer mehr die Kulturen der heutigen Welt beachten wie auch die kulturellen Traditionen innerhalb der Kirche, um einen ständigen und fruchtbaren Dialog zwischen dem Evangelium und der heutigen Gesellschaft zu fördern. Unter den Kriterien, welche den Wert einer jeden Kultur kennzeichnen, haben Vorrang: das Gespür für die menschliche Person, ihre Freiheit und ihre Würde; das Gespür für ihre Verantwortung und ihre Offenheit für das Transzendente. Mit der Achtung der Person ist das hohe Gut der Familie verbunden, Urzelle jeder menschlichen Kultur. Die Katholischen Universitäten sollen bemüht sein, die Strömungen und Widersprüche der heutigen Kultur zu unterscheiden und gut zu gewichten, um sie so für die volle Entfaltung der Personen und die umfassende Entwicklung der Völker fähig zu machen. Es wird besonders empfohlen, durch geeignete Untersuchungen den Einfluß zu erforschen, welchen die moderne Technologie und vor allem die Medien auf die Personen, die Familie, die Institutionen und auf die Kultur insgesamt ausüben. Die überkommenen Kulturen sind in ihrem ursprünglichen Wesen zu schützen, indem man ihnen hilft, die Werte dieser Zeit anzunehmen, ohne ihr Erbe preiszugeben, das ein Gut der ganzen Menschheitsfamilie ist. Universitäten in Gegenden mit alter kultureller Tradition haben die Kulturen dieser Orte mit dem fruchtbaren Beitrag der jüngeren Kulturen umsichtig in Einklang zu bringen. 46. Ein Bereich von besonderem Interesse für die Katholische Universität ist der Dialog zwischen dem christlichen Denken und den modernen Wissenschaften. Diese Aufgabe erheischt Menschen, die in den einzelnen Disziplinen besonders ausgewiesen und zugleich hinreichend theologisch gebildet und fähig sind, die epistemologische Fragestellung auf der Ebene des Verhältnisses von Glaube und Vernunft zu behandeln. Diese Aufgabe bezieht sich sowohl auf die Naturwissenschaften, wie auch auf die Humanwissenschaften, die neue und komplexe philosophische und ethische Probleme stellen. Der christliche Forscher muß aufzeigen, wie die menschliche Vernunft durch die höhere, vom Evangelium stammende Wahrheit bereichert wird: „Der Verstand wird dadurch niemals beeinträchtigt, sondern im Gegenteil ange-spomt und gestärkt durch die innere Erkenntnisquelle einer tieferen Einsicht in das Wort Gottes, durch die Hierarchie der Werte, die sich aus ihm ergibt... Die Katholische Universität trägt auf ihre Weise dazu bei, den Vorrang des Geistes sichtbar zu machen, der sich unter Gefahr der Selbstaufgabe niemals darauf einlassen kann, sich gänzlich etwas anderem zu widmen als der Erforschung der Wahrheit“. 47. Neben dem kulturellen Dialog kann die Katholische Universität unter Beachtung ihrer eigenen Zielsetzung, unter Berücksichtigung des verschiedenen religiös-kulturellen Kontextes und in Befolgung der von der rechtmäßigen kirchlichen Autorität erlassenen Weisungen dem ökumenischen Dialog von Nutzen sein, um die Suche nach der Einheit aller Christen und den Dialog zwischen den Religionen dadurch zu fördern, daß sie hilft, die den übrigen Religionen eigenen geistlichen Werte zu erkennen. 4. Evangelisierung 48. Primäre Aufgabe der Kirche ist es, das Evangelium so zu verkündigen, daß die Verbindung von Glaube und Leben sicher bewahrt wird sowohl in den einzelnen Menschen wie im 1030 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN soziokulturellen Kontext, in dem die Menschen leben, arbeiten und einander begegnen. „Evangelisierung besagt für die Kirche, die Frohbotschaft in alle Bereiche der Menschheit zu tragen und sie durch deren Einfluß von innen her umzuwandeln und die Menschheit selbst zu erneuern ... Für die Kirche geht es nicht nur darum, immer weitere Landstriche oder immer größere Volksgruppen durch die Predigt des Evangeliums zu erfassen, sondern zu erreichen, daß durch die Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien, die bestimmenden Werte, die Interessensbereiche, die Denkgewohnheiten, die Quellen der Inspiration und die Lebensmodelle der Menschheit, die zum Wort Gottes und zum Heilsplan im Gegensatz stehen, umgewandelt werden“. 49. Jede Katholische Universität leistet ihrem eigenen Wesen gemäß der Kirche eine große Hilfe beim Werk der Evangelisierung. Es handelt sich um ein lebendiges Zeugnis auf institutioneller Ebene, das Christus und seiner Botschaft geleistet wird, und das so notwendig ist in den durch den Säkularismus geprägten Kulturen oder wo Christus und seine Botschaft noch nicht bekannt sind. Nebst dem werden alle Aktivitäten einer Katholischen Universität mit dem Evangelisierungsauftrag der Kirche harmonisch verbunden: Forschung, im Licht der christlichen Botschaft, welche die neuen Errungenschaften den einzelnen Menschen sowie der Gesellschaft zugutekommen läßt; Bildung im Kontext des Glaubens, welche die Menschen zu vernünftigem und kritischem Urteil fähig macht und sie der hohen Würde der menschlichen Person bewußt werden läßt; Berufsausbildung, welche die ethischen Werte und die Bereitschaft zum Dienst an den einzelnen Menschen sowie an der Gesellschaft miteinbe-zieht; Dialog mit der Kultur, der zu einem besseren Verständnis des Glaubens führt; theologische Forschung, welche hilft, den Glauben in neuer Sprache auszudrücken. „Gerade weil sich die Kirche immer mehr ihrer Heilssendung für die gesamte Welt bewußt wird, möchte sie mit diesen Einrichtungen in enger Verbindung stehen; denn bei der Verbreitung der wahren Botschaft Jesu Christi sollen sie präsent sein und wirksam mitarbeiten“. Teil II: Allgemeine Normen Art. 1 — Natur dieser Allgemeinen Normen § 1. Diese Allgemeinen Nonnen fußen auf dem Codex Iuris Canonici, dessen weitere Ausführung sie sind, und auf zusätzlichen Gesetzen der Kirche, unbeschadet des Rechts des Heiligen Stuhls, seine Autorität einzusetzen, wenn es erforderlich sein sollte. Sie gelten für alle Katholischen Universitäten und katholischen Hochschuleinrichtungen in der ganzen Welt. § 2. Die Bischofskonferenzen und die anderen Organe der Katholischen Kirche müssen die Allgemeinen Normen an den einzelnen Orten und in den einzelnen Regionen in Übereinstimmung mit dem Codex Iuris Canonici und den zusätzlichen kirchlichen Gesetzen anwenden, unter Berücksichtigung der Statuten der betreffenden Universität oder Institution und - wo es geschehen kann und opportun ist - auch des weltlichen Rechts. Nach Überprüfung 1031 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN durch den Heiligen Stuhl gelten die örtlichen und regionalen „Verordnungen“ für alle Katholischen Universitäten und katholischen Hochschuleinrichtungen der Region, ausgenommen die Kirchlichen Universitäten und Fakultäten, die nämlich, ebenso wie die Kirchlichen Fakultäten, die zu einer Katholischen Universität gehören, den Normen der Apostolischen Konstitution Sapientia Christiana unterstehen. § 3. Eine Universität, die vom Heiligen Stuhl, von einer Bischofskonferenz oder von einem anderen Organ der Katholischen Hierarchie oder von einem Diözesanbischof errichtet oder anerkannt ist, muß diese Allgemeinen Normen und ihre örtlichen und regionalen Anwendungsbestimmungen den sich auf ihre Leitung beziehenden Instrumenten einfügen und ihre geltenden Statuten sowohl an die Allgemeinen Normen wie an deren Anwendungsbestimmungen anpassen und sie der rechtmäßigen kirchlichen Autorität zur Genehmigung vorlegen. Auch die übrigen, nicht in den zuvor erwähnten Formen eingerichteten Universitäten haben im Einvernehmen mit der kirchlichen Autorität des Ortes diese Allgemeinen Normen und deren örtliche oder regionale Anwendungsbestimmungen auf sich zu beziehen und sie den sich auf ihre Leitung beziehenden Instrumenten einzufügen und - soweit es geschehen kann - ihre geltenden Statuten sowohl an diese Allgemeinen Normen wie auch an deren Anwendungsbestimmungen anzupassen. Art. 2 - Wesen einer Katholischen Universität § 1. Eine Katholische Universität ist wie jede Universität eine Gemeinschaft von Studierenden, welche die verschiedenen Gebiete des menschlichen Wissens behandelt. Sie widmet sich der Forschung, der Lehre und verschiedenen Dienstleistungen, die ihrer kulturellen Aufgabe entsprechen. § 2. Eine Katholische Universität durchdringt als Katholische Universität ihre Forschung und Lehre und die übrigen Aufgaben mit den katholischen Zielen, Grundsätzen und Haltungen und handelt danach. Sie ist an die Kirche gebunden entweder durch eine bestimmte konstitutive und satzungsmäßige Bindung oder aufgrund einer institutionellen Verpflichtung, welche die für sie Verantwortlichen übernommen haben. § 3. Jede Katholische Universität muß ihren katholischen Charakter verdeutlichen entweder durch die Erklärung ihrer Aufgabe oder durch ein anderes geeignetes öffentliches Instrument, sofern nicht etwas anderes von der zuständigen kirchlichen Autorität gebilligt ist. Sie muß, besonders durch ihre Struktur und ihre Ordnungen, Möglichkeiten vorsehen, um jenen Charakter zum Ausdruck zu bringen und zu wahren gemäß § 2. § 4. Die katholische Lehre und die katholische Disziplin müssen sich auswirken auf alle Tätigkeiten der Universität, wobei jedoch die Gewissensfreiheit einer jeden Person voll zu beachten ist. Jeder öffentliche Akt der Universität muß mit ihrem katholischen Wesen über-einstimmen. § 5. Eine Katholische Universität besitzt die nötige Autonomie, das ihr eigene Wesen zu entfalten und ihre Aufgabe zu erfüllen. Die Forschungs- und die Lehrfreiheit ist anzuerkennen 1032 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und zu wahren je nach den Grundsätzen und Methoden einer jeden Disziplin, wenn nur die Rechte der einzelnen Person und die der Gemeinschaft geschützt werden innerhalb des Anspruchs der Wahrheit und des Gemeinwohls. Art. 3 - Errichtung einer Katholischen Universität § 1. Eine Katholische Universität kann errichtet und anerkannt werden vom Heiligen Stuhl, von einer Bischofskonferenz oder von einem anderen Organ der Katholischen Hierarchie oder von einem Diözesanbischof. § 2. Mit Zustimmung des Diözesanbischofs kann eine Katholische Universität auch von einem Ordensinstitut oder von einer anderen öffentlichen juristischen Person eingerichtet werden. § 3. Eine Katholische Universität kann von anderen Personen, Geistlichen oder Laien, eingerichtet werden. Eine solche Universität kann als Katholische Universität nur gelten mit Billigung durch die zuständige kirchliche Autorität gemäß den Bedingungen, welche die Parteien vereinbart haben. § 4. In den Fällen von § 1 und § 2 müssen die Statuten von der zuständigen kirchlichen Autorität genehmigt werden. Art. 4 - Universitätsgemeinschaft § 1. Die Verantwortung für den Schutz und die Stärkung des katholischen Charakters der Universität kommt vor allem der Universität selbst zu. Wenngleich diese Verantwortung insbesondere den Autoritäten der Universität (einschließlich, wo es sie gibt, des Großkanzlers und/oder des Verwaltungsrates oder eines anderen gleichwertigen Organs) obliegt, betrifft sie, wenn auch nicht in demselben Maß, auch alle Mitglieder der Universitätsgemeinschaft. Daher ist es erforderlich, daß für die Universität geeignete Personen, hauptsächlich Professoren und Verwaltungsbedienstete, gewonnen werden, die bereit und in der Lage sind, diesen Charakter zu fördern. Der Charakter einer Katholischen Universität ist vornehmlich gebunden an die Qualität der Professoren und an die Beachtung der katholischen Lehre. Sache der rechtmäßigen Autorität ist es, gemäß den Vorschriften des Codex Iuris Canonici über diese beiden grundlegenden Bedingungen zu wachen. § 2. Die Professoren und alle Verwaltungsbediensteten sind zum Zeitpunkt ihrer Ernennung über den katholischen Charakter der Institution und über dessen Folgen in Kenntnis zu setzen, ebenso über ihre Verpflichtung, diesen Charakter zu fördern oder, wenigstens, zu beachten. § 3. Auf eine Weise, die den verschiedenen akademischen Disziplinen entspricht, sind die katholische Lehre und die katholische Sittenordnung sowohl in der Forschung wie in der Unterweisung von allen katholischen Dozenten getreu anzunehmen und von den übrigen zu 1033 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN beachten. Insbesondere die katholischen Theologen haben im Bewußtsein dessen, daß sie einen Auftrag der Kirche wahmehmen, dem Lehramt der Kirche als dem authentischen Interpreten von Schrift und Überlieferung treu zu sein. § 4. Dozenten und Verwaltungsbedienstete, die anderen Kirchen, kirchlichen Gemeinschaften oder Religionen angehören, und jene, die sich zu keinem religiösen Glauben bekennen sowie alle Studenten sind verpflichtet, den katholischen Charakter der Universität anzuerkennen und zu beachten. Damit der katholische Charakter der Universität oder der Hochschuleinrichtung nicht gefährdet wird, muß jedenfalls vermieden werden, daß die nichtkatholischen Dozenten die Mehrheit in der Institution bilden, die katholisch ist und katholisch bleiben muß. § 5. Die Bildung der Studenten muß die akademische und berufliche Reife verbinden mit der Prägung durch die sittlichen und die religiösen Grundsätze und mit der Kenntnis der Soziallehre der Kirche. Die Studienordnung für einen jeden Beruf muß eine angemessene ethische Bildung für den Beruf vorsehen, auf den sie vorbereitet. Außerdem muß erreicht werden, daß alle Studierenden Vorlesungen über die katholische Lehre hören können. Art. 5 - Katholische Universität in der Kirche § 1. Jede Katholische Universität muß Gemeinschaft halten mit der Gesamtkirche und mit dem Heiligen Stuhl; eng muß sie mit der Teilkirche verbunden sein, mit den Diözesan-bischöfen der Region oder der Nation, wo sie tätig ist. Entsprechend dem ihr als Universität eigenen Charakter hat die Katholische Universität zu dem der Kirche übertragenen Werk der Evangelisierung ihren Beitrag zu leisten. § 2. Pflicht eines jeden Bischofs ist es, das Gedeihen der Katholischen Universitäten seiner Diözese zu fördern; er hat das Recht und die Pflicht, für Schutz und Stärkung ihres katholischen Charakters zu sorgen. Wenn bezüglich dieser notwendigen Bedingung Probleme entstehen, hat der Ortsbischof die Maßnahmen zu treffen, die zu ihrer Lösung nötig sind, im Einvernehmen mit den rechtmäßigen akademischen Autoritäten und im Einklang mit den festgelegten Verfahren und - wenn es erforderlich sein sollte - mit Hilfe des Heiligen Stuhls. § 3. Zu bestimmten Zeiten muß eine jede Katholische Universität, von der Art. 3 §§ 1-2 handelt, der zuständigen kirchlichen Autorität über die Universität und ihre Tätigkeiten berichten. Die übrigen Katholischen Universitäten müssen über diese Angelegenheiten den Bischof der Diözese informieren, in welcher sich der Hauptsitz der Institution befindet. Art. 6 - Universitätsseelsorge § 1. Die Katholische Universität hat die Seelsorge der Mitglieder der Universitätsgemeinschaft zu fördern und vor allem das geistliche Wachstum derer, die sich zum katholischen Glauben 1034 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bekennen. Jene Wege sind zu bevorzugen, welche der Vollendung der menschlichen und der beruflichen Bildung durch die religiösen Werte im Lichte der katholischen Lehre dienen, so daß die Erkenntnis des Verstandes mit der religiösen Dimension des Lebens verbunden wird. § 2. Eine hinreichende Zahl geeigneter Personen - Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, Laien - ist zu bestellen, die für die Universitätsgemeinschaft die spezifische Seelsorge leisten, die in Übereinstimmung und in Zusammenarbeit mit der Seelsorge in der Teilkirche unter der Leitung oder Approbation des Diözesanbischofs auszuüben ist. Alle Mitglieder der Universitätsgemeinschaft sind einzuladen, sich in die Universitätsseelsorge einzubringen und an deren Vorhaben mitzuwirken. Art. 7 - Kooperation § 1. Zur besseren Bewältigung der Probleme der heutigen Gesellschaft und zur Stärkung des katholischen Charakters der Institutionen ist es nötig, in Forschung und Lehre und bei den übrigen Tätigkeiten der Universität die regionale, nationale und internationale Zusammenarbeit aller Katholischen Universitäten, auch der Kirchlichen Universitäten und Fakultäten zu fördern. Diese Kooperation ist gleichermaßen zu fördern zwischen den Katholischen Universitäten und den anderen Universitäten und Forschungs- und Lehreinrichtungen, sowohl den öffentlichen wie den privaten. § 2. Die Katholischen Universitäten haben sich, wenn es möglich ist, in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der katholischen Lehre, an den öffentlichen Planungen und an den Projekten der nationalen und internationalen Institutionen zu beteiligen, die sich um Gerechtigkeit, Entwicklung und Fortschritt bemühen. Übergangsbestimmungen Art. 8 - Diese Konstitution tritt mit dem ersten Tag des akademischen Jahres 1991 in Kraß. Art. 9 - Die Durchßihrung der Konstitution ist der Kongregation für das Katholische Bildungswesen übertragen, deren Aufgabe es sein wird, die dazu notwendigen Normen zu erlassen. Art. 10 - Aufgabe der Kongregation für das Katholische Bildungswesen wird es sein, wenn es im Laufe der Zeit die Umstände erfordern, Änderungen vorzuschlagen, die in diese Konstitution einzufügen sind, damit die Konstitution den neuen Anforderungen der Katholischen Universitäten stets angepaßt ist. Arrt. 11 - Teilkirchliche Gesetze oder Gewohnheiten, die gegenwärtig in Geltung sind und dieser Konstitution zuwiderlaufen, werden aufgehoben. Ebenso werden aufgehoben die bis zum heutigen Zeitpunkt vom Heiligen Stuhl physischen und juristischen Personen gewährten Privilegien, die dieser Konstitution widersprechen. 1035 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schluß Die Aufgabe, welche die Kirche mit großer Hoffnung den Katholischen Universitäten anvertraut, hat kulturelle und religiöse Bedeutung von größtem Gewicht, da sie die Zukunft der Menschheit betrifft. Die Erneuerung, die von den Katholischen Universitäten gefordert wird, soll diese fähiger machen, den Auftrag zu erfüllen, Christi Botschaft den Menschen, der Gesellschaft und den Kulturen zu überbringen: „Jede menschliche - individuelle und gemeinschaftliche - Wirklichkeit ist ja von Christus erlöst worden: Die Menschen sind erlöst mit all ihrem Tun, dessen erhabenster und den Menschen eigenster Ausdruck die Kultur ist. Das Heilswirken der Kirche im Rahmen der Kulturen vollzieht sich in erster Linie durch die Vermittlung der Personen, der Familien und der Erzieher ... Unser Erlöser Jesus Christus bietet sein Licht und seine Hoffnung allen Männern und Frauen an, welche die Wissenschaft und die Künste, die Literatur und die zahllosen, von der modernen Kultur entwickelten Bereiche pflegen. Alle Kinder der Kirche müssen sich daher ihrer Sendung bewußt werden und entdecken, wie das Evangelium die vorherrschenden Mentalitäten und Werte durchdringen und erneuern kann, welche die verschiedenen Kulturen und die ihnen entspringenden Meinungen und Haltungen inspirieren“. Voller Hoffnung übergebe ich dieses Dokument allen Männern und Frauen, die auf vielfache Weise die schwere Aufgabe der katholischen höheren Bildung versehen. Geliebte Brüder und Schwestern, meine Ermutigung und mein Vertrauen begleiten Euch bei Eurer harten täglichen Arbeit, die von Tag zu Tag größer, drängender, notwendiger wird für die Evangelisierung, für die Zukunft der Kultur und der Kulturen. Kirche und Welt brauchen Euer Zeugnis und Euren sachkundigen, frei und verantwortungsbewußt geleisteten Einsatz. Gegeben zu Rom bei St. Peter am 15. August 1990, dem Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel, im zwölften Jahr meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. H Anmerkungen 1 Vgl. Alexander rv., Schreiben an die Universität von Paris vom 14. April 1255, Einleitung: Bullarium Diplomatum, t. HI, Augustae Taurinorum 1858, S. 602. 2 Augustinus, Bekenntnisse 10,23,33: „Glückseliges Leben ist ja Freude an der Wahrheit. Und Freude an dir, mein Gott, der du ,die Wahrheit bist, meine Erleuchtung, du Heil meines Angesichts, mein Gott’“ Ps 26,1 und 41,12: PL 32, 793-794; vgl. Thomas von Aquin, Über das Übel 9, 1: „Es ist nämlich dem Menschen naturgemäß, daß er nach Erkenntnis der Wahrheit strebt“. 3 Johannes Paul II., Ansprache an das „Institut Catholique“ in Paris vom 1. Juni 1980: Insegnamenti di Giovanni Paolo R, IE, 1(1980) S. 1581; O.R. dt., 10(1980) Nr. 25 vom 20. Juni 1980, S. 5. 4 Johannes Paul n., Ansprache an die Kardinale vom 9. November 1979: Insegnamenti di Giovanni Paolo II., II, 2(1979) S. 1096; vgl. Ansprache an die UNESCO in Paris vom 2. Juni 1980: Insegnamenti di Giovanni Paolo R, III, 1(1980) S. 1636-1655. 1036 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5 Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Universität Coimbra vom 15. Mai 1982: Insegnamenti di Giovanni Paolo II., V, 2(1982) S. 1692. 6 Vgl. Paul VI., Ansprache an die Vertreter der Nationen vom 4. Oktober 1965: Insegnamenti di Paolo VI., 111(1965) S. 508. 7 John Henry Cardinal Newman, The Idea of a University, London, 1931, S. XI. 8 Job 14,6. 9 Vgl. Augustinus, Seimo 43, 9: PL 38, 258. Vgl. auch Anselm, Proslogion, cap. I: PL 158, 227. Johannes Paul II., Ansprache an den Internationalen Kongreß über die Katholischen Universitäten vom 25. April 1989, Nr. 3: O.R., 26. April 1989; O.R. dt, 19(1989) Nr. 30/31 vom 28. Juli 1989, S. 18f. 11 Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Sapienda Christiana, über die Kirchlichen Universitäten und Fakultäten vom 15. April 1979: AAS71(1979) S. 469-521. EI. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die christliche Erziehung, Gravissimum educationis, Nr. 10: AAS 58(1966) S. 737. 13 Mt 13,52. 14 Vgl. La „Magna Charta“ delle Universitä Europee, „Principi fondamentali“. Dieses Dokument wurde am 18. Sep-tember 1988 in Bologna/Italien herausgegeben. 15II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 59: AAS 58(1966) S. 1080. Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis, Nr. 10: AAS 58(1966) S. 737. Institutionelle Autonomie heißt, daß die akademische Leitung innerhalb der Institution ist und (ver)bleibt. „Akademische Freiheit“ ist die all jenen, die in Lehre und Forschung tätig sind, gegebene feste Zusage, innerhalb ihres besonderen Wissenschaftsbereichs und gemäß den je eigenen Methoden dieses Bereichs die Wahrheit zu suchen, wohin auch immer die Analyse und die Evidenz sie führen, und gleichermaßen die Ergebnisse solcher Forschung zu lehren und zu veröffentlichen unter Beachtung der oben genannten Kriterien und des Schutzes der Rechte des einzelnen und der Rechte der Gemeinschaft innerhalb des Anspruchs der Wahrheit und des Gemeinwohls. 16 Der Begriff „Kultur“ wird in diesem Dokument in doppeltem Sinn verwendet, nämlich in humanistischem und in sozial-historischem Sinn. „Unter Kultur im allgemeinen versteht man alles, wodurch der Mensch seine vielfältigen geistigen und körperlichen Anlagen ausbildet und entfaltet; wodurch er sich die ganze Welt in Erkenntnis und Arbeit zu unterwerfen sucht; wodurch er das gesellschaftliche Leben in der Familie und in der ganzen bürgerlichen Gesellschaft im moralischen und institutionellen Fortschritt menschlicher gestaltet; wodurch er endlich seine großen geistigen Erfahrungen und Strebungen im Lauf der Zeit in seinen Werken vergegenständlicht, mitteilt und ihnen Dauer verleiht — zum Segen vieler, ja der ganzen Menschheit. Daraus folgt, daß die Kultur des Menschen notwendig eine geschichtliche und eine gesellschaftliche Seite hat und darum der Begriff der Kultur meist das Gesellschaftliche und das Völkische mitbezeichnet“ (II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 53: AAS 58[1966] S. 1075). ' L ’Universite Catholique dans le monde moderne. Document final du 2eme Congres des Delegues des Universites Catholiques, Romae, 20-29 Novembris 1972, 1. 18 Ebd. 19 Johannes Paul II., Ansprache an den Internationalen Kongreß über die Katholischen Universitäten vom 25. April 1989, Nr. 4: O.R. vom 26. April 1989; O.R. dt, 19(1989) Nr. 30/31 vom 28. Juli 1989, S. 18f.; vgl. auch II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 61: AAS 58(1966) S. 1081-1082. Auch Kardinal Newman bemerkt: Die Universität „erklärt, allen an ihr gepflegten Disziplinen, den ihnen eigenen Platz und den ihnen eigenen Bereich zu gewähren; die Rechte für den gegenseitigen Bezug festzulegen; die wechselseitigen Beziehungen zwischen den einzelnen und allen Disziplinen zu fördern“ (Newman, The Idea ofa University, London, 1931, S. 457). 20II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 36: AAS 58(1966) S. 1054. Einigen Wissenschaftlern haben wir folgendes zu bedenken gegeben: „Wenn Wissenschaft und Glaube zwei unterschiedliche Erkenntnismethoden darstellen, die in ihren Vorgehensweisen unabhängig voneinander sind, so müssen sie sich letztlich beim Erkennen der ganzen Wirklichkeit, die ihren Ursprung in Gott hat, zusammenfinden“. (Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer des Konvents über die „Wissenschaft Galileis“, 9. Mai 1983, Nr. 3: AAS 75[1983] S. 690; vgl. auch O.R. dt, 13[1983] Nr. 21 vom 27. Mai 1983, S. 9). 1037 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 21 Johannes Paul II., Ansprache an die UNESCO in Paris vom 2. Juni 1980, Nr. 22: Insegnamenti di Giovanni Paolo U., III, 1(1980) S. 1654. Am Ende dieser Stelle habe ich Worte aus der Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften vom 10. November 1979 wiederholt. 22 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis, Nr. 10: AAS 58(1966) S. 737. 23II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 59: AAS 58(1966) S. 1080. Kardinal Newman beschreibt die betreffende Zielsetzung wie folgt: „Es wird eine Geisteshaltung geprägt, die ein Leben lang anhält und deren Kennzeichen sind: Freiheit, Gerechtigkeitsgefühl, Ruhe, Maß und Weisheit“ (Newman, The Idea ofa University, London, 1931, S. 101-102). 24 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostolisches Schreiben Christifideles Laici vom 30. Dezember 1988, Nr. 44: AAS 81(1989) S. 479. 25II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 31: AAS 57(1965) S. 37-38; vgl. n. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Apostolat der Laien Apostolicam actuositatem, passim: AAS 58(1966) S. 837ff.; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 43: AAS 58(1966) S. 1061-1064. 26 Vgl. n. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 2: AAS 58(1966) S. 930-931. 27 Johannes Paul II., Ansprache an die katholischen Hochschullehrer in der „Xavier University of Louisiana“ in New Orleans vom 12. September 1987, Nr. 4: AAS 80(1988) S. 764 (vgl. auch O.R. dt, 17[1987] Nr. 40 vom 2. Oktober 1987, S. 14). 28II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 59: AAS 58(1966) S. 1080. 29 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 8-10: AAS 58(1966) S. 820-822. 30 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 25: AAS 57(1965) S. 29-31. 31 Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen vom 24. Mai 1990. 32 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 27-34; AAS 80(1988) S. 547-560. 33 Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, Nr. 1: AAS 59(1967) S. 257. 34 „Da also diese universitären Bildungsstätten so glücklich verbreitet sind, erscheint es durchaus nützlich, daß deren Dozenten und Studenten sich zu gemeinsamer Vereinigung zusammenschließen, die, gestützt auf die Autorität des Papstes als des Vaters und Lehrers aller, in gegenseitigem Meinungsaustausch und mit vereinten Kräften das Licht Christi wirksamer verbreiten und ausbreiten soll“ (Pius XII., Apostolisches Schreiben Catholicas Studiorum Uni-versitates zur Errichtung der Internationalen Vereinigung der Katholischen Universitäten [Foederatio Intemationalis Studiorum Universitatum Catholicarum, FIUC]: AAS 42[1950] S. 386). 35 Der Codex Iuris Canonici umschreibt die Aufgaben des Bischofs gegenüber den Studenten der Universitäten wie folgt: „Der Diözesanbischof hat angelegentlich für die Seelsorge der Studenten zu sorgen, auch durch Errichtung einer Pfarrei oder wenigstens durch auf Dauer dazu bestellte Priester, und er hat dafür zu sorgen, daß bei den Universitäten, auch den nichtkatholischen, katholische Universitätszentren bestehen, die den Studenten Hilfe, vor allem geistliche, bieten“ (CIC, c. 813). 36 „In gleicher Weise nimmt die Kirche, die im Lauf der Zeit in je verschiedener Umwelt lebt, die Errungenschaften der einzelnen Kulturen in Gebrauch, um die Botschaft Christi in ihrer Verkündigung bei allen Völkern zu verbreiten und zu erklären, um sie zu erforschen und tiefer zu verstehen, um sie in der liturgischen Feier und im Leben der vielgestaltigen Gemeinschaft der Gläubigen besser Gestalt werden zu lassen“ (II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 58: AAS 58[1966] S. 1079). 37 Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 20: AAS 68(1976) S. 18; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 58: AlAS 58(1966) S. 1079. 38 Johannes Paul II., Ansprache in Medellin, Kolumbien, an die Vertreter von Kultur und Wissenschaft vom 5. Juli 1986, Nr. 3: AAS 79(1987) S. 99 (vgl. O.R. dt., 16[1986] Nr. 30 vom 25. Juli 1986, S. 15); vgl. auch II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 58: AlAS 58(1966) S. 1079. 39 Paul VI., Ansprache an die Delegierten der Internationalen Vereinigung der Katholischen Universitäten (FIUC) vom 27. November 1972: AlAS 64(1972) S. 770 (vgl. O.R. dt, 3[1973] Nr. 4 vom 26. Januar 1973, S. 6). 1038 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 40 Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 18-19: AAS 68(1976) S. 17-18. 41 Paul VI., Ansprache an die Präsidenten und Rektoren der Universitäten der Gesellschaft Jesu vom 6. August 1975, Nr. 2: AAS 67(1975) S. 533 (vgl. O.R. dt, 5[1975] Nr. 36 vom 5. September 1975, S. 4). Am 25. April 1989 habe ich in der Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses über die Katholischen Universitäten folgendes hinzugefügt (Nr. 5): „In einer Katholischen Universität treffen also die Sendung der Kirche zur Evangelisierung und die Sendung zur Forschung und zum Lehren zusammen und ergänzen sich gegenseitig“; vgl. O.R. vom 26. April 1989; (O.R. dt, 19[1989] Nr. 30/31 vom 28. Juli 1989, S. 18). 42 Vgl. vor allem das Kapitel des CIC: „Katholische Universitäten und andere Hochschuleinrichtungen“ (CIC, cc. 807-814). 43 Bischofskonferenzen sind in der Lateinischen Rituskirche eingerichtet. Die übrigen Rituskirchen haben andere Organe der Katholischen Hierarchie. 44 Vgl. CIC, c. 455, § 2. 45 Vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Sapientia Christiana über die Kirchlichen Universitäten und Fakultäten vom 15. April 1979: AAS 71(1979) S. 469-521. Kirchliche Universitäten und Fakultäten sind jene Institutionen, die das Recht haben, akademische Grade in der Autorität des Heiligen Stuhls zu verleihen. 46 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 2: AAS 58(1966) S. 930-931. 47 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 57 und 59: AAS 58(1966) S. 1077-1080; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die christliche Erziehung Gra-vissimum educationis, Nr. 10: AAS 58(1966) S. 737. 48 Sowohl die Verfassung (Grundordnung) einer solchen Universität als auch die Bedingungen, gemäß denen sie als Katholische Universität gelten kann, müssen den vom Heiligen Stuhl, von der Bischofskonferenz oder von einem anderen Organ der Katholischen Hierarchie erlassenen Leitnormen (Rahmenordnung) entsprechen. 49 Can. 810 CIC umschreibt die diesbezüglichen Pflichten der zuständigen Autorität: „§ 1. Aufgabe der nach den Statuten zuständigen Autorität ist es, dafür zu sorgen, daß in katholischen Universitäten als Dozenten berufen werden, die sich, außer durch wissenschaftliche und pädagogische Eignung, durch Rechtgläubigkeit und untadeliges Leben auszeichnen, und daß sie unter Einhaltung des in den Statuten festgelegten Verfahrens aus ihrem Amt abberufen werden, wenn die geforderten Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind. — § 2. Die Bischofskonferenzen und die beteiligten Diözesanbischöfe haben die Pflicht und das Recht, darüber zu wachen, daß in diesen Universitäten die Grundsätze der katholischen Lehre getreu beachtet werden“. Vgl. auch Art. 5 § 2 der Allgemeinen Normen dieser Konstitution. 50 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 25: AAS 57(1965) S. 29; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verbum, Nr. 8-10: AAS 58(1966) S. 820-822; vgl. CIC, c. 812: „Wer an einer Hochschule eine theologische Disziplin vertritt, muß einen Auftrag der zuständigen kirchlichen Autorität haben“. 51 Vgl. CIC, c. 811 § 2. 52 Für die Universitäten von denen Art. 3 §§ 1-2 handelt, sind diese Verfahren festzulegen in den von der kirchlichen Autorität zu genehmigenden Statuten. Für die übrigen Katholischen Universitäten sind sie von den Bischofskonferenzen oder den anderen Organen der Katholischen Hierarchie festzusetzen. 53 Vgl. CIC, c. 820; vgl. Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Sapientia Christiana über die Kirchlichen Universitäten und Fakultäten vom 15. April 1979, Verordnungen Art. 49: AAS 71(1979) S. 512. 54 Johannes Paul II., Ansprache an den Päpstlichen Rat für die Kultur vom 13. Januar 1989, Nr. 2: O.R. vom 14. Januar 1989 (O.R. dt, 19[1989] Nr. 5 vom 3. Februar 1989, S. 9, Nr. 2 Abs. 1). 1039 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zum 50. Jahrestag der Gründung von Taize Botschaft an den Prior der Mönchsgemeinschaft von Taize, Bruder Roger, vom 17. August In diesen Tagen, an denen Sie mit Ihren Mitbrüdem und zahlreichen Jugendlichen den fünfzigsten Jahrestag Ihrer Ankunft in Taize feiern, schließe ich mich Ihrer Danksagung an. Als Sie noch allein waren, führte Sie der Herr durch den Ruf einer armen, von der Einsamkeit geprüften Frau dazu, sich im Dorf Taize niederzulassen. Sie erkannten den Herrn auch dann, als Flüchtlinge und Opfer des Krieges, der in Europa wütete, an Ihre Türe pochten und sich Ihrer brüderlichen Aufnahme erfreuen konnten. Gleichzeitig drängte sich Ihnen die Notwendigkeit auf, Ihre Tage mit der Lebenskraft des Gebetes und der Betrachtung des Wortes Gottes zu erfüllen. Ich preise den Herrn, wenn ich der bescheidenen Anfänge der Gemeinschaft von Taize gedenke und sehe, was heute von ihr ausgeht, damit sich alle Christen versöhnen zur vollen Gemeinschaft im „Glauben, der den Heiligen ein für allemal anvertraut ist“ (Jud 3), und damit sie zum Sauerteig des Vertrauens und des Friedens unter den Völkern werden. An diesem fünfzigsten Jahrestag der Gründung werden wir an die Hoffnung und die Gewißheit erinnert, daß dort, wo der Arme aufgenommen wird und das Gebet den Glauben nährt, Christus, von dem Ströme lebendigen Wassers ausgehen (vgl. Joh 7,38), Gemeinschaften der Liebe und des Glaubens erweckt, die Einheit ausstrahlen. Bei meinem Besuch im Taize im Jahr 1986 brachte ich meine Liebe und mein Vertrauen zu Ihrer Gemeinschaft zum Ausdruck und legte die Erfordernisse dar, denen sie gegenübersteht, um den Willen Gottes immer besser zu erkennen und zu erfüllen. Diese Botschaft ist mir gleichsam als persönlicher Brief erinnerlich, den ich an Sie und an jeden einzelnen Ihrer Brüder richtete. Möge Gott Sie und Ihre Mitbrüder segnen und möge sein Friede, der alles Verstehen übersteigt, Ihre Herzen und Gedanken in Christus Jesus bewahren (vgl. Phil 4,7). Aus dem Vatikan, 17. August 1990 Joannes Paulus PP. H 1040 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Klares und sicheres Urteilsvermögen Schreiben zum 900. Jahrestag der Geburt des hl. Bernhard von Clairvaux vom 20. August An die geliebten Söhne Polykarp Zakar, Generalabt des Zisterzienserordens, und Ambrosius Southey, Generalabt des Zisterzienserordens strengerer Observanz Geliebte Söhne, Gruß und Apostolischen Segen! 1. Der heilige Abt Bernhard von Clairvaux hat durch seine Schule der Liebe, seinen pastora-len Eifer, die Fülle seiner Lehre, seine honigfließende Beredsamkeit und weitere große Gaben, die ihn auszeichneten, auf einzigartige Weise die Kirche erleuchtet und Menschen aller Zeiten an sich gezogen. Er zieht auch heute noch die Menschen an. Mit Recht werden daher zur 900. Wiederkehr des Tages, da dieses edle Reis aus dem Boden Burgunds das Licht der Welt erblickte, zu seinem Andenken Feiern veranstaltet, Kongresse abgehalten und Schriften veröffentlicht: unter diesen zahlreichen lobenswerten Bemühungen soll unsere Stimme nicht fehlen, denn auch wir möchten diesen hervorragenden Mann rühmen und einige Dinge nennen, die er auch unserer Zeit zu sagen hat. 2. Viele Menschen halten heute nämlich angesichts der Ergebnisse des Fortschritts, der sie zugleich zahlreichen Stürmen aussetzt, sie den weiterverbreiteten sogenannten Materialismus erfahren und die Verlockungen von Sekten erleben läßt, nach echt geistlichen Fundamenten Ausschau. Den heiligen Bernhard zeichnete ein klares und sicheres Urteilsvermögen aus, und er sah die erhabensten Wahrheiten, die er aus dem Schatz der Heiligen Schriften und den Werken der Väter schöpfte, gleichsam leibhaftig vor sich. Vom Geist des Gebetes erfüllt, legte er sie in einer zu Herzen gehenden Sprache vor. In treuer Anhänglichkeit an die alte Tradition des heiligen Benedikt sprach der Abt von Clairvaux offen aus, daß Gehorsam und Demut der Weg der Rückkehr zu Gott ist, von dem wir uns durch Ungehorsam und Stolz entfernt haben. Er versuchte, diese Lehre weiter zu entfalten und das innere Band zwischen dem Streben nach Wahrheit und der Übung der Demut aufzuzeigen. Immer wieder betonte er, daß die Rückkehr zu Gott ohne echte Selbsterkenntnis nicht möglich ist, und daß man Gott so lange nicht erkennt, wie zur Selbsterkenntnis nicht die Erkenntnis der Wahrheit über den Nächsten hinzukommt. Der Mensch muß also vor allem bei sich selbst einkehren, um sich nach seiner wirklichen Lage, nämlich als Sünder vor Gott, zu verstehen, und da er einsieht, daß er diese Lage mit allen anderen Menschen teilt, hat er keinen Grund, sich seiner selbst oder anderer Dinge zu rühmen. Erkennt er aber die Wahrheit über sich selbst und den Nächsten an und stellt sich gläubig unter das Wort Gottes, erfährt und empfängt er auch Gottes Barmherzigkeit und Güte, denn in dieser dreifachen Erkenntnis der Wahrheit öffnet sich ihm zugleich der Weg zur dreifachen Liebe: zu Gott, zu sich selbst und zum Nächsten. Der heilige Bernhard lehrt, daß die Erkenntnis der Wahrheit über sich selbst, den Nächsten und Gott gleichen Schritt hält und so die dreifache Liebe im Herzen aufbricht und wächst. 1041 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn der Mensch nämlich bei sich selbst einkehrt und Buße tut, erfaßt er seine Pflicht, Gott wiederzuheben, der ihn durch Christus aufgesucht und erlöst hat, ferner die Pflicht, seine Liebe zu allen Menschen nachzuahmen. Der Mensch kann die Gnade des barmherzigen Gottes nicht empfangen, wenn er nicht auch sich selbst gegenüber Barmherzigkeit übt und die Sünde meidet, zugleich aber, von Barmherzigkeit zum Nächsten bewogen, seinen Schöpfer und Erlöser nachahmt, der sich so liebenswürdig dem Menschengeschlechte zuneigt. Dies ist in etwa der Kern der geistlichen Lehre des heiligen Bernhard, der zugleich zeigt, daß die monastische „Schule der Liebe“ die er begründet hat, auch für unsere Zeit volle Geltung besitzt. Wenn wir nämlich die Rückkehr zu Gott in dieser Weise verstehen, können wir zugleich erfassen, daß die Wiederaufrichtung der Würde des Menschen, die Reinigung des persönlichen Lebens und die Pflicht zur Selbst- und Nächstenliebe aus der gleichen Quelle der Liebe zu Gott hervorgehen. 3. Wenn der heilige Abt von Clairvaux auch ein Leben abseits von der Welt führte, so folgte er auf seinem Weg zu Gott doch keineswegs einem sogenannten Individualismus, und er hatte auch gar nicht die Absicht, sich von der Gesellschaft der Menschen zu trennen. Denn er war sich immer des Ratschlusses Gottes bewußt, der die Erlösung des Menschen im Schoß einer Gemeinschaft und durch ihre Vermittlung ins Werk setzte und alle, die er retten möchte, mit sich und untereinander verbindet. Daher wollte der heilige Bernhard weder in Worten noch im Verhalten eine Verachtung der in Sünde und Eitelkeit verlorenen, sich selbst überlassenen Welt bekunden, ebensowenig mißachtete er die Verpflichtungen gegenüber dem Nächsten und die echte Verbundenheit mit ihm. Denn wenn der Mutter Kirche Gefahr drohte, verließ er gern den Frieden seines Klosters, und nahm zu ihrer Hilfe schwere Mühen auf sich. Daher bildete das Leben des Abtes von Clairvaux ein Beispiel für jene Einheit, die Christen jeder Berufung und jedes Standes anstreben müssen, nämlich die Einheit zwischen ihrem inneren Leben, das an erster Stelle steht, sowie der Arbeit und Tätigkeit nach außen, die sie im Dienst Christi für das Gemeinwohl der ganzen Kirche und der Ortskirche auf sich nehmen müssen. Was zumal die Ordensleute angeht, hat der heilige Bernhard seit langem gewissermaßen die Aussage des II. Vatikanischen Konzils vorweggenommen: „Daher müssen die Mitglieder aller Institute, da sie zuerst und einzig Gott suchen, die Kontemplation, durch die sie ihm im Geist und im Herzen anhangen, mit apostolischer Liebe verbinden, die sie dem Erlösungswerk zugesellt und zur Ausbreitung des Reiches Gottes drängt“. Darüber schreibt der honigfließende Lehrer, wie man ihn nennt, in seinem Werk „De consi-deratione“, das er an Papst Eugen III., seinen früheren Schüler richtete, sehr passend: „Wenn du ganz für alle dasein willst wie der, der allen alles geworden ist, so empfehle ich dir Menschlichkeit, freilich im Vollsinn des Wortes. Wie kann sie aber umfassend sein, wenn du dich selbst ausschließt? Sollen alle etwas von dir haben und aus deinem Herzen wie aus einer öffentlichen Quelle schöpfen, während du selbst durstig beiseite stehst? ... Trink mit den anderen auch selbst aus deinem Brunnen ... Denk also daran, wenn nicht immer und recht oft, so doch zuweilen dir dich selbst aufzusparen“. Er lehrte also, daß der Seeleneifer und der Dienst für die Menschen aus der „consideratio“, das heißt aus dem Gebet, der Betrachtung und der Kontemplation entspringen müsse. 1042 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Unsere Zeit wird nicht selten als Zeitalter der Laien bezeichnet, denn es werden zahlreiche Bemühungen hervorgehoben, den Laien in der Kirche ihrem Stand entsprechende Aufgaben zuzuweisen. Mit nicht viel weniger Recht kann die Zeit, in der der heilige Bernhard lebte, so genannt werden. Denn dem Bemühen der Kirche, sich aus den Bindungen der Feudalherrschaft zu lösen, trat eine Laienbewegung zur Seite, die heilige Kreuzzüge unternahm. Im 12. Jahrhundert predigten auch Laien das Wort Gottes und begannen bekanntlich in der Poesie und in den Lehrfächern ihre Stimme zu erheben; und die religiöse Bewegung der Bauleute, die herrliche Kirchen errichteten, kann als erste Arbeiterbewegung Europas gelten. Wie schon angedeutet, mußte der Abt von Clairvaux das Schweigen seines Klosters oft verlassen, um sich in das Leben der Laien einzufügen, öffentliche Angelegenheiten zu erledigen und vor allem den Frieden unter Königen und Fürsten, zwischen Königen und Städten zu vermitteln. Wie es in seiner ersten Lebensbeschreibung heißt, „wirkte er unter den Gebildeten als Gebildeter, unter den einfachen als einfacher Mensch und den geistlich Aufgeschlossenen bot er die ganze Fülle der Vollkommenheit und Weisheit dar. Allen paßte er sich an, weil er alle für Christus gewinnen wollte“. Daß Kleriker und Laien einen einzigen Leib bilden, lehrte er ausdrücklich: „Da der Herr vorschreibt: wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallt, ergibt sich, daß ohne dieses doppelte Bemühen der Gläubigen [Laien] und der Wächter [Kleriker] weder eine Stadt, noch eine Braut, noch die Schafe sicher sein können. Gib ruhig das Unterscheiden auf, denn sie sind eins!“ <803>. <803> In der Zeit, da der heilige Bernhard auf Erden lebte, begann sich das intellektuelle Leben Europas zu wandeln und zu erneuern. Da man nämlich den Menschen selber sozusagen in den Mittelpunkt stellte und mehr und mehr erforschte, begann jene Geistesströmung, die später als Humanismus bezeichnet wurde, und die auch heute noch Einfluß ausübt. Der Lehrer von Clairvaux kannte die Bestrebungen und Forschungen seiner Zeit sehr gut, und er verstand vollkommen diese neue Lust am Menschen, lehnte sie aber keineswegs einfach verurteilend ab. Nach seiner Auffassung ist es Sache der Laien, gemeinsam mit den Klerikern die Kirche aufzubauen, und sie tun das vor allem, wenn sie sich im Gehorsam üben und Werke der Barmherzigkeit, vor allem der leiblichen, vollbringen. Er sagt nämlich, an die Laien gewandt: „Gehorcht dem Bischof, euren übrigen Vorgesetzten und den Lehrern der Kirche. Pflegt eifrig die Gastfreundschaft, denn dadurch haben viele Gott gefallen ... Nehmt in den Fremden den Herrn der Engel auf, nährt ihn in den Armen, bekleidet ihn in den Nackten, besucht ihn in den Darbenden und kauft ihn in den Gefangenen frei“ <804>. Er sprach vom Menschen, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen ist, als von einem „herrlichen Geschöpf17, „Gottes fähig“8 und daher auch in der Lage, Gottes Größe zu erfassen9. Zugleich schildert er ihn freilich als elend, arm, schwach und klein. Christus aber hat den ganzen Menschen ins Heil geführt und nicht nur seine Seele, sondern auch seinen Leib zum ewigen Leben berufen. Obwohl also der Abt von Clairvaux den Orden der Mönche sehr hochschätzte - er stellte ihn den Kleriker- und Laienorden als dritten an die Seite — so besaß er doch als Seelenhirte eine ebenso große Hochschätzung für die Laien in der Kirche, weil er überzeugt war, daß alle, welchem Stand sie auch angehören mögen, dem gleichen ewigen Glück entgegenstreben. 1043 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der heilige Bernhard setzte sich daher offen für die Würde des Menschen ein und rief aus: „O wunderbare Herablassung Gottes in seiner Suche nach dem Menschen, o große Würde des Menschen, der so gesucht wurde!“. Er zeigt damit, wie sich aus der Betrachtung der Würde des Menschen, die in Erschaffung und Erlösung offenbar wird, gleichsam aus einer doppelten Quelle der echte christliche Humanismus herleitet. Er bejaht nämlich, daß die Gott-ebenbildlichkeit in uns auch nach der Sünde geblieben ist, und daß Gott, um den Menschen zu retten, Mensch geworden ist. Damit wahrt der heilige Bernhard in seiner theologischen Lehre sowohl die Würde als auch die Verfallenheit des Menschen und vermeidet die Gefahr eines falschen sogenannten Anthropozentrismus. Für diesen christlichen Humanismus bietet die Christologie des heiligen Bernhard das entsprechende Fundament, in der er sogar sehr nachdrücklich lehrt, in Christus sei der ganze Mensch angenommen worden. Solange wir nämlich auf dieser Erde leben, steht uns wegen unserer Lage als Menschen der Zugang zu Gott nur nach dem Gesetz der Menschwerdung offen. Wenn hier der „ausgezeichnete Lehrer“ feststellt, er sehe Christus noch nicht in der Form, in der er dem Vater gleich ist, und könne daher auch nicht „Gott bei Gott“ erblicken, so fügt er doch hinzu: „Ich verkünde ihn in meiner Menschlichkeit den Menschen wenigstens als Menschen“. In diesen Worten liegt der ganze Gehalt des echten Humanismus: die Anerkennung sowohl der Grenzen, als auch die erhabene Befähigung und Würde des Menschen, der im Paradies, Gott in Freundschaft verbunden, geschaffen wurde und nun dank Gottes Herablassung zu einer noch viel innigeren Vereinigung berufen wird, zu einer Vereinigung, die alle Gedanken und Erwartungen des Menschen übersteigt. 6. Aus dem oben Gesagten ergibt sich schnell, daß in den Werken des heiligen Bernhard die Christologie den ersten Platz einnimmt und auch für unsere Zeiten bedeutsam ist. Die unermeßliche Weisheit und das ewige Wort Gottes stieg zu uns herab als „Wort in Kindesgestalt“. So wollte er in der Form eines kleinen Kindes für uns geboren und hingegeben werden, weil auch wir nur als Kinder ins Reich Gottes gelangen können. Damit ruft Christus der Herr schon vom ersten Augenblick seines Lebens an den Menschen zur Demut auf, und er geht, gehorsam geworden bis zum Tod, uns voran, damit auch wir allen Versuchen zum Stolz widersagen. Die geistliche Lehre des heiligen Bernhard wird besonders durch die Verehrung der Menschheit Christi bestimmt. Mit diesem Schwerpunkt der Lehre bleibt aber immer der Glaube an den verherrlichten Christus verbunden, der von den Toten auferstanden nicht mehr stirbt und, auch seiner Menschheit nach in die Herrlichkeit des Vaters eingegangen, ständig bei uns bleibt. Daher wird in der geistlichen Schule des heiligen Bernhard die Erforschung des irdischen Lebens lesu nie vom Glauben an das ewige Wort getrennt, das Mensch geworden ist, in der Herrlichkeit des Vaters bleibt, bei uns aber ebenso durch die Gnade als Bräutigam der Kirche und der Seele gegenwärtig ist und seine Braut zur innigsten Vereinigung mit ihm beruft und hinführt. Daher wird der Abt von Clairvaux mit Recht als Lehrer der mystischen und bräutlichen Liebe zu Christus bezeichnet. <805> <806> <805> Es wundert also nicht, daß der heilige Bernhard, der in dieser Weise von Christus denkt und spricht, auch seiner Mutter Maria eine glühende Liebe entgegenbringt und mit allem 1044 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eifer ihr Lob anstimmt. Obwohl seine Schriften über Maria nicht sehr umfangreich sind, so besitzt doch die darin enthaltene Lehre kein geringes Gewicht, da der honigfließende Lehrer die einzigartige Aufgabe der Gottesgebärerin in der Heilsordnung mit größter Klarheit darlegt. Die Vermittlung der Gnaden, die Maria wegen ihrer Gottesmutterschaft zugeschrieben wird, hört bei ihr auch später nicht auf, sie bleibt vielmehr ihre einzigartige Aufgabe für das Heil von uns allen. Der heilige Bernhard beschreibt daher Maria mit Recht als ein überfließendes Gefäß, das immer voll ist und im Überfluß sich ergießt, so daß die Gnaden uns in ständigem Fluß erreichen. Die Kirche aber schaut in unserer Zeit, die von Ängsten, Schwierigkeiten und Sorgen erfüllt ist, in besonderer Weise auf Maria, da wir uns nun dem Beginn des dritten Jahrtausends nähern. Wir wollen innig zu Maria beten, sie möge gnädig den Völkern und den einzelnen Menschen zu Hilfe kommen. Wenn wir sie aber loben und anrufen, kann uns der „treue Bernhard“ Führer sein, der nach der poetischen Formulierung von Dante Alighieri im „Paradies“ dem Dichter an die Seite tritt und Maria voll Staunen mit den Worten anredet: „O Jungfrau und Mutter, Tochter deines Sohnes, unter allen Geschöpfen das erhabenste und demütigste“. So hoffen wir, daß aus den Feiern zum Andenken an den Geburtstag dieses überaus frommen Herold Mariens vor 900 Jahren für die an Christus Glaubenden, zumal aber für euch, die ihr den Spuren eines solchen Vaters folgt, sich überaus reiche Früchte ergeben. In aufrichtiger Liebe umfange ich daher euch alle, die Mönche und Nonnen beider von ihm abstammenden Orden, und erteile euch als Unterpfand himmlischer Gnaden im Herrn von Herzen den Apostolischen Segen. Gegeben zu Rom in St. Peter, am 20. August 1990, dem 12. Jahr meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. II Anmerkungen 1 Vgl. Regel des hl. Benedikt, Prolog, 1. 2 Perfectae caritatis, Nr. 5. 3 V, 6: ed. Cisterc. 3, p. 400. 4 Bemardi vita, prima auctore Gaufrido, 3: PL 185, 306. 5 Super cantica, s. 74, 8: ed. Cisterc. 2, p. 259. 6 Ep. 242 ad Tolosanos: ed. Cisterc. 8, p. 129. 7 Ad clericos de conv., 8,15: ed. Cisterc. 4, p. 89. 8 Super cantica, 27,10: ed. Cisterc. 1, p. 189, 9 Vgl. In ps. Qui habitat, 17,6: ed. Cisterc. 4. pp. 490-491. 10 In Adventu s. 1,7 4, p. 166. 11 Super cantica, 22,3: ed. Cisterc. 1, p. 131. 12 Vgl. Enzyklika Redemptoris Mater. AAS LXXIX (1987), S. 361-433, Nr. 3. 13 Stundengebet zur Müttergottes am Samstag, zur Lesehore, vgl. Dante Alighieri, Paradies, Gesang 33,1-2. 1045 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN An die Liebe geglaubt Predigt in der Eucharistiefeier für den verstorbenen Kardinal Dadaglio am 24. August „Um Mitternacht erhob sich der Ruf: Seht, der Bräutigam kommt, geht ihm entgegen!“ Meine Herren Kardinäle, verehrte Mitbrüder im Bischofsamt und im Priestertum, sehr geehrte Behördenvertreter, Verwandte und Freunde, liebe Brüder und Schwestern! 1. Der freudige Ausruf des Evangeliums überrascht uns fast in dieser Liturgiefeier, die wir begehen und die uns traurig stimmt: unser geliebter Kardinal Luigi Dadaglio hat uns plötzlich verlassen, und wir, die wir gewohnt waren, ihn voll von Lebenskraft und Initiativen, einfach und freundlich in seinem Verhalten zu sehen, und begabt mit der Fähigkeit, mit seinen Gesprächspartnern sofort ein herzliches Verhältnis herzustellen, wir können uns ihn kaum in der Regungslosigkeit des Todes vorstellen. Menschliche Trauer lastet selbstverständlich auf unseren Herzen. Dennoch paßt dieser freudige Ruf sehr gut zu diesem unserem Bruder, und er findet ein tröstliches Echo in unseren Herzen. Kardinal Dadaglio erwartete trotz seiner eifrigen Teilnahme an so vielen Aktivitäten friedvoll die Begegnung mit Christus. So schrieb er am 2. Februar des Vorjahres, am Fest der Darstellung des Herrn, da er sich seinem fünfundsiebzigsten Lebensjahr näherte und das Ende seines irdischen Daseins herankommen sah, in seinem geistlichen Testament: „Für alle ist die Zukunft ungewiß und der, der ,sicut für et latro’ [wie ein Dieb und Räuber] kommen soll, kann bereits nahe sein ... Ich erwarte in Ruhe den Tag der Begegnung mit dem himmlischen Vater und vertraue darauf, daß mir alle Unvollkommenheit und Vergehen, die ihre Ursache in der menschlichen Schwäche haben, dank seines grenzenlosen Erbarmens vergeben werden.“ Gott zutiefst für alle empfangene Gnaden dankend und den Päpsten dankbar für das ihm erwiesene Wohlwollen erwartete er im Frieden die Begegnung mit Gott, indem er jenen Glauben bekannte und lebte, der stets sein Leben und sein pastorales Wirken geleitet hatte. <807> <807> So eilte er also „dem Bräutigam entgegen“, als ihn der Herr plötzlich am Morgen des 22. August, dem Gedächtnistag Maria Königin, zu sich rief; er trug das Licht des Glaubens angezündet mit sich, nach einem der Liebe Gottes, dem Dienst des Evangeliums, der Kirche und den Seelen gewidmeten Leben. Der verstorbene Kardinal hatte wirklich ein ereignisreiches Leben hinter sich. Am 28. September 1914 in Sezzadio, in der (italienischen) Provinz Alessandria geboren, trat er in das Seminar von Acqui ein und wurde 1937 zum Priester geweiht. Nach einer Zeit des Wirkens in der Pfarrseelsorge wurde er von seinem Bischof nach Rom geschickt, wo er 1942 das Doktorat „in Utroque Iure“ (beider Rechte) erwarb und in den Dienst des vatikanischen Staatsse-kreteriats trat. In seinem kirchlichen Amt hat er zahlreiche bedeutsame Etappen durchlaufen, die alle hohe Ansprüche an ihn stellten. Er konnte dabei seine diplomatischen Fähigkeiten, aber vor allem seine tiefe menschliche und priesterliche Einfühlungsgabe an den Tag legen. Sein Weg im Dienst des Heiligen Stuhles führte ihn an die Nuntiaturen und Delegationen Haitis und der Dominikanischen Republik, der Vereinigten Staaten und Kanadas, Australiens 1046 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Kolumbiens. Nach Venezuela entsandt, empfing er am 28. Oktober 1961 die Ernennung zum Apostolischen Nuntius und am 8. Dezember die Bischofsweihe. Während seines Aufenthaltes in Venezuela gelang ihm nicht nur die Errichtung neuer Diözesen, sondern auch der Abschluß eines Vertrages zwischen dem Heiligen Stuhl und der Regierung, der dem dort seit mehr als einem Jahrhundert geltenden System des „kirchlichen Patronats“ ein Ende setzte. 1967 versetzte Paul VI. Erzbischof Dadaglio an die Apostolische Nuntiatur in Madrid: es waren in dieser großen Nation gerade tiefgreifende politische und soziale Umwälzungen im Gang, und der Nuntius unterhielt und intensivierte dank seiner Erfahrung, seines einnehmenden Charakters und seiner angeborenen Ausgeglichenheit die Beziehungen zu allen Bereichen des religiösen und bürgerlichen Lebens, förderte den Dialog und setzte sich mit allen Mitteln für die evangelisierende und friedenstiftende Sendung der Kirche ein. 1980 wurde er als Sekretär der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst nach Rom berufen; er behielt diese Aufgabe bis zum April 1984, als ich ihn zum Großpönitentiar ernannte, bei. Im Konsistorium vom 25. Mai 1985 nahm ich ihn in das Kardinalskollegium auf und ernannte ihn 1986 zum Erzpriester der Patriarchalbasilika Santa Maria Maggiore. Als Vorsitzender des Zentralkomitees für das Marianische Jahr bemühte sich Kardinal Dadaglio nachdrücklich um die Intensivierung der Marienverehrung und widmete sich nachher mit der ihn kennzeichnenden Begeisterung umfangreichen Restaurationsarbeiten an der Liberianischen Basilika (Santa Maria Maggiore). Zum Aufbringen der Mittel, die für die Wiederherstellung der ältesten Marienkirche Roms in ihrem ursprünglichen Glanz erforderlich waren, rief er verschiedene internationale Initiativen ins Leben. 3. Das war nun seine wichtigste Aufgabe geworden: unerschrocken und mutig wie immer, kümmerte er sich nach dem Verlassen der Apostolischen Pönitentiarie mit jugendlicher Energie um seine Basilika, vom Wunsch beseelt, diese verehrungswürdige Kirche zu einem blühenden Zentrum marianischer Spiritualität zu machen. Und gerade am Fest Maria Königin, der Gottesmutter, der seine kindliche Verehrung galt, rief ihn der Herr zu sich in den Himmel: „Ich war der vom Heim empfangenen Berufung treu und habe eifrig und opferbereit im Dienst des Apostolischen Stuhles gearbeitet, mit Rechtschaffenheit und Liebe, für das Wohl der Kirche und der Menschheit“, schrieb er höchst einfach und aufrichtig in seinem geistlichen Testament. Wer immer ihn gekannt hat, kann die Wahrheit dieser Worte bezeugen und daher, vertrauensvoll seiner gedenkend, die Worte des hl. Paulus wiederholen: „Weder Tod noch Leben,... noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Rom 8,38-39). Auch dieser unser Bruder mußte manchmal den Kelch der Bitternis und des Leidens trinken, verstand es jedoch, diese Schwierigkeiten zu überwinden, da er aus der Liebe Gottes und der Verehrung der Jungfrau Maria die Kraft schöpfte, um den Frieden des Herzens zu bewahren. 4. Seines christlichen und priesterlichen Zeugnisses eingedenk, bringen wir jetzt vor dem letzten Abschied in Trauer und Hoffnung für ihn das eucharistische Opfer dar. Lieber Kardinal Dadaglio, immer so eifrig bei den verschiedenen Aufgaben und immer bestrebt, die Kirche und den Papst zu lieben und zu verehren! Jedes Leben und jeder Tod tra- 1047 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen eine Botschaft in sich: was können und müssen wir aus der Erfahrung dieses unseres Bruders lernen? In einer oft verwirrten und verstörten Welt hat er stets ein Beispiel tiefen Glaubens gegeben, getragen von einer nüchternen und ernsten Frömmigkeit, und hat allen gegenüber eine Strategie des Dialogs und des Friedens gepflegt. Zutiefst vom grenzenlosen Erbarmen Gottes überzeugt, das alle Probleme und Ängste übersteigt, war er bemüht, inmitten seiner Brüder und Schwestern für dieses Erbarmen Zeugnis abzulegen. Er war überzeugt davon, daß es in erster Linie notwendig ist, die Menschen zu lieben und zu verstehen, ihren Bedürfnissen entgegenzugehen, einfühlsam und hilfsbereit zu sein. Welchen Weg auch immer die historischen Ereignisse einschlagen mögen, die Menschen bedürfen nicht der bitteren und bedrückenden Kritik, sondern der Güte und der Liebe! Er verkündete und bezeugte das Vertrauen auf Gott und den Mut der Liebe! Dies ist die Botschaft, die wir vernehmen und mitnehmen sollen, während wir im lebhaften Gedenken an diesen heiteren und freundlichen Menschen unseren Weg fortsetzen. Im Januar 1983, als er zwei junge Männer zu Diakonen weihte und das Wort des hl. Johannes „credidimus caritati“ (wir haben an die Liebe geglaubt) kommentierte, sagte er zu ihnen: „Wir haben an die Liebe geglaubt; der Apostel sagt nicht: wir haben an die Wunder geglaubt ..., sondern ,an die Liebe’ Jesu. Die Menschen werden auch euch glauben, wenn ihr euren Brüdern und Schwestern in Liebe begegnet. Denkt stets daran: die Liebe, eine Gabe des Heiligen Geistes, ist das Kennzeichen für den, der Gott auf Erden vertritt.“ Denken auch wir jetzt daran, während wir für ihn beten und seine Seele dem Erbarmen dessen empfehlen, dessen Allmacht ihren erhabensten Ausdruck in der Verzeihung findet. Das Recht des Menschen auf Leben Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Kongresses der Vereinigung „Omnia Homini“ am 25. August Sehr geehrte Herren! 1. Mit großer Freude empfange ich Sie anläßlich des in L’Aquila von der Vereinigung „Omnia Homini“ veranstalteten internationalen Kongresses. Ich begrüße sie herzlich und danke Herrn Prof. Carlo Casciani für die vortreffliche Adresse, in der er Ihre Gedanken und Empfindungen zum Ausdruck gebracht hat. Er berief sich dabei auf Begriffe und Motivierungen, die zutiefst im menschlichen Bestreben wurzeln und als solche auch in der Lehre der Kirche genaue und glaubwürdige Bestätigung finden. Die Aufmerksamkeit für die grundlegenden Probleme der menschlichen Existenz, vor allem in Form von wissenschaftlichem Forschen nach angemessenen Lösungen, verdient stets große Hochschätzung. Der Wissenschaft im allgemeinen und der medizinischen Wissenschaft im besonderen kommt dann ein solcher Adel, ein solches Ansehen zu, daß sie das Herz des Forschers öffnen, den Schöpfer des Lebens zu erkennen und zu betrachten. 1048 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Die Themen, die Sie, meine Herren, an diesen Studientagen behandeln, beziehen sich auf das gmndlegende Recht des Menschen, auf das Lehen und dessen Qualität, von der Empfängnis an bis zu seinem natürlichen Tod, im Rahmen der Achtung vor der Umwelt, die immer mehr so gestaltet werden soll, daß sie für den Menschen geeignet ist, sich voll darin zum Ausdruck zu bringen, nicht nur in seiner Individualität, sondern auch in seinen zunehmenden zwischenpersönlichen und sozialen Beziehungen. Das menschliche Leben steht in engster Beziehung zur Umwelt, zum natürlichen Lebensraum, der jedoch nicht immer auch nur den hauptsächlichsten Notwendigkeiten entspricht. Im übrigen läßt sich nicht verbergen, daß der wissenschaftliche und technologische Fortschritt, während er einerseits bis zum Übermaß und in vielfacher Richtung bessere Bedingungen geschaffen hat, andererseits auch ebenso offensichtliche Ursachen und Nebenursachen für eine Umweltschädigung hervorgebracht hat, die irreparabel werden kann. Das ökologische Problem hat bereits solche Ausmaße angenommen, daß es nicht nur aufmerksames Nachdenken erfordert, sondern vollen Einsatz sowohl auf wissenschaftlicher Ebene wie auf jener der politischen Entscheidungen. An der Wurzel dieses dramatischen Problems steckt nicht selten eine Auffassung von der Welt und vom Menschen, die sich aus tiefsitzendem Egoismus herleitet. Die Wiederherstellung des Umwelt-Gleichgewichtes wird nur gelingen durch die Rückkehr zu dem ursprünglichen Konzept der Herrschaft des Menschen über die Umwelt. In der ersten Enzyklika meines Pontifikats habe ich daran erinnert: „Der zentrale Sinn dieser ,Herrschaft’ des Menschen über die sichtbare Welt, die ihm vom Schöpfer als Aufgabe anvertraut worden ist, besteht im Vorrang der Ethik vor der Technik, im Primat der Person über die Dinge, in der Überordnung des Geistes über die Materie“ (Redemptor hominis, Nr. 16). Das ökologische Problem betrifft also gleichzeitig die Natur und den Menschen, und man kann nicht zu einem geeigneten Umweltschutz gelangen, ohne zugleich eine angemessene „Ökologie des Geistes“ zu fördern. Nur in dieser erweiterten Sicht wird das, was zur Wiederherstellung des Umweltgewichts im Dienst des menschlichen Lebens geplant wird, die erwünschten Ziele voll erreichen können. Es wird daher von Bedeutung sein, daß wissenschaftliche Kongresse und Versammlungen sich im Licht der motivierten Überzeugung bewegen, daß der technologische Fortschritt entweder auf den Fortschritt der Zivilisation, das heißt, eines Lebens nach den Maßstäben der menschlichen Person und ihrer Würde, hinge-ordnet ist, oder aber, daß er sich, wie es bereits geschieht, gegen den Menschen wendet. 3. In diesem Zusammenhang stellen sich die Themen der Würde und der Rechte des Lebens des Ungeborenen und das der Würde des Todes, die beide von Ihrem Kongreß behandelt wurden. Die Entschiedenheit, mit der die Kirche auf göttliches Geheiß die vollen und unangetasteten Rechte des Ungeborenen verteidigt und verkündigt, entspricht einer Forderung, die im Begriff des Lebens selbst verwurzelt ist. '„Das menschliche Leben ist geheiligt, denn von seinem Anfang an trägt es das schöpferische Wirken Gottes in sich, und es bleibt für immer in einer besonderen Beziehung zum Schöpfer, seinem Ziel. Gott allein ist der Herr des Lebens, von seinem Anfang an bis zu seinem Ende. Niemand hat das Recht, und unter keinen Umständen darf jemand das Recht beanspruchen, 1049 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ein unschuldiges menschliches Leben unmittelbar zu zerstören“ (Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die Achtung vor dem werdenden menschlichen Leben, Nr. 5). Die gleiche Achtung fordert die Kirche vor dem Leben dessen, der sich seinem Ende nähert, und vor allem vor dem Leben der Kranken in ihrer letzten Phase. Niemals gebührt so, wie in der Nähe des Todes und im Tod selbst, dem Leben Anerkennung und Hochschätzung. Das Leben muß voll respektiert und geschützt und es muß ihm Beistand geleistet werden, auch in dem Menschen, der seinen natürlichen Abschluß erlebt. Wenn der Kranke auch von der Wissenschaft als unheilbar erklärt ist, so darf er doch nie als unempfänglich für das Heil betrachtet werden. Die Haltung vor dem Menschen in seiner Todeskrankheit ist oft der Prüfstein für die Haltung der Gerechtigkeit, der Liebe, des Herzensadels, der Verantwortung und der beruflichen Fähigkeit der Menschen im Gesundheitsdienst, vorab der Ärzte. Die positive Interpretation des Leidens bildet oft eine entscheidende Hilfe für den, der es zu tragen hat, und wird zu einer bedeutsamen Lehre für das Leben dessen, der sich am Bett des Kranken bemüht, ihm sein schweres Leiden zu erleichtern. 4. Zu Recht spricht das Thema des Kongresses von der Würde des Todes. In diesem geheimnisvollen Geschehen, das alle Menschen auf Erden gleichermaßen betrifft, begreift man erst den vollen Sinn des Lebens: „Preise niemand glücklich vor seinem Tod - heißt es im Buch Sirach -, denn erst an seinem Ende erkennt man den Menschen“ (Sir 11,28). Wer könnte besser als der Christ diese allgemeine Situation in ihrer ganzen Tragweite begreifen? Im erlösenden Tod Christi besitzt er den Schlüssel für das Verständnis des eigenen Todes und begreift dessen ganzen Wert im Hinblick auf das Ziel der vollen Wiederherstellung seines Daseins. Der Tod Christi hat jedem menschlichen Tod eine neue Sakralität verliehen und hat eine weitere Motivierung abgegeben für das Verbot, den Tod nach Willkür schneller herbeizuführen durch Interventionen mit dem Charakter der Euthanasie. Die Meinung der Kirche über die Euthanasie ist Ihnen gewiß bekannt. Ihre diesbezügliche Lehre muß in einer Wissenschaft Bestätigung finden, die das Leben in seinem grenzenlosen Reichtum und seiner transzendenten Bestimmung beschützt (vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur Euthanasie, 5. Mai 1980: AAS 72 (1980) S. 542-572). Mein Wunsch ist, daß Ihre Studientage, die den Beitrag so vieler namhafter Wissenschaftler und Gelehrten sehen, auf der Ebene des Denkens, der Forschung und der Praxis dazu beitragen mögen, die Hochachtung vor der Größe und Würde des Lebens sowohl wie des Todes zu vermehren. Empfangen Sie mit diesem Wunsch und durch die Vermittlung der Heiligsten Jungfrau meinen Segen für Sie und alle Ihre Arbeiten. 1050 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Christentum: der zur Wirklichkeit gewordene Bund Predigt zum Fest Unserer Lieben Frau von Jasna Göra in Castel Gandolfo am 26. August 1. „Große Mutter des Gottmenschen! Mutter und Jungfrau, von Gott verherrlicht, Maria! Königin der Welt und Königin Polens!“ Wir haben die Pflicht, heute der Gelöbnisse und Versprechen von Jasna Göra zu gedenken. Sie wurden anläßlich des 300. Jahrestages der Gelöbnisse des Königs Johann Kasimir in der Kathedrale von Lwow (Lemberg) ausgesprochen. Dieser 300. Jahrestag fiel gerade in das Jahr 1956, und da der Primas Polens, Kardinal Stefan Wyszynski, noch im Gefängnis war, sprach er diese Worte durch die Stimme des gesamten, im Heiligtum von Jasna Göra versammelten Episkopats aus. Das Jahr 1956 ist als wichtiges Datum in der modernen Geschichte Polens vermerkt. Es war in gewisser Hinsicht der erste Meilenstein auf dem Weg, den die Nation zur Wiederherstellung ihrer Souveränität in einem von den Prinzipien des marxistischen Totalitarismus beherrschten Staates beschreiten mußte. Dieses Jahr wird als das der Ereignisse von Poznan und dann des „polnischen Oktobers“ in die Geschichte eingehen. Wir dürfen es auch heute, nachdem die soziopolitische Lage Polens eine radikale Umwandlung erfahren hat, nicht vergessen. Wir dürfen nicht die Gelübde vergessen, die uns auf den Eintritt in das zweite christliche Jahrtausend vorbereitet haben. Das Christentum ist der zur Wirklichkeit gewordene Bund, den Gott in Christus, in seinem Kreuz und seiner Auferstehung mit der Menschheit geschlossen hat. Gott hat diesen Bund mit jedem Menschen, jedem Volk und jeder Nation geschlossen. Maria ist die erste Dienerin dieses Bundes. Deshalb wurde Jasna Göra zum Schauplatz unserer Gelübde von 1956, ist es doch die geistliche Hauptstadt Marias in unserer Heimat. <808> <808> Wir müssen ständig auf dieses Gelübde zurückkommen, ebenso wie die früheren Generationen auf die Gelübde von Johann Kasimir zurückkamen. Wir müssen stets aufs neue unser Gewissen hinsichtlich aller Verpflichtungen erforschen, die darin enthalten sind. Sie sind fundamental, da sie das Leben der Nation betreffen und auf das Gesetz Gottes gegründet sind, das zugleich das in das menschliche Gewissen eingeschriebene Gesetz ist. Dieses Gesetz wird sowohl von den Glaubenden als auch von den Nichtglaubenden gelesen, und nur dieses Sittengesetz kann eine solide Grundlage für die Struktur des Staates und des gesellschaftlichen Lebens bilden. Die Achtung für die menschliche Gewissensfreiheit ist nichts anderes als die Achtung für dieses Gesetz, ohne das die Gewissen erkranken und es keine gesunde Gesellschaft geben kann. In der Zeit der Unterdrückung und der Einschränkungen durch den Totalitarismus erinnerte die Kirche alle daran, daß das Sittengesetz die für den Widerstand und für die Verteidigung der Menschenwürde erforderliche Kraft in sich schließt. Das Gelübde von Jasna Göra enthält auch die „Polnische Charta der Menschenrechte“, die das Recht des Menschen auf Leben vom ersten Augenblick seiner Existenz an betont: „Wir alle werden das keimende Leben beschützen ... wir werden das Geschenk des Lebens als die größte Gnade des Vaters alles Lebens und als den kostbarsten Schatz der Nation betrachten.“ 1051 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich danke dir, Mutter des polnischen Lebens, für alle, die das Leben der Ungeborenen verteidigen. Dies ist das erste, das fundamentale Recht des Menschen. Die Mißachtung dieses Rechtes stellt das ganze System der Menschenrechte von den Wurzeln her infrage, handelt es sich doch hier um das Recht des hilflosesten Menschen, der seine Sicherheit und seine Stütze in den Menschenrechten und in der staatlichen Rechtsprechung finden muß, ebenso wie ihn auch das Gebot Gottes „du sollst nicht töten“ verteidigt. O Mutter, gib meinen Landsleuten ein rechtes, der Wahrheit treues Gewissen. Behüte sie vor Abweichungen und vor dem moralischen Relativismus. Behüte sie vor einer falschen Auffassung von Freiheit und vor dem verheerenden moralischen Permissivismus. „Wir versprechen dir, die Unauflöslichkeit der Ehe hochzuhalten, die Würde der Frau zu verteidigen und an der Schwelle des Hauswesens der Familie zu wachen, damit dort das Leben der Polen in Sicherheit sei“ (Text des Gelübdes). Welche Gesellschaft, welche Regierung, welches Parlament kann bestreiten, daß es sich hier um wesentliche Rechte des Menschen handelt! Es handelt sich um ein System reifer und verantwortungsbewußter Freiheit, Vorbedingung für das Gemeinwohl der Gesellschaft. 4. „Wir versprechen dir ... dem Gemüt und den Herzen der Kinder den Geist des Evangeliums und der Liebe zu dir einzuflößen und das Gesetz Gottes und die christlichen und vaterländischen Traditionen zu bewahren. Wir versprechen dir, die junge Generation in der Treue zu Christus zu erziehen, sie gegen Frevel und Verirrung zu verteidigen und mit väterlicher Wachsamkeit zu beschützen.“ In der denkwürdigen Chronik der Ereignisse von Poznan im Juni 1956 lesen wir, daß die gegen die Unterdrückung protestierenden Arbeiter u.a. die Wiedereinführung des Religionsunterrichtes in der Schule forderten. Wie bekannt, wurde dieser Unterricht letzten Endes aufgrund eines aufgezwungenen Gesetzes aus der Schule verbannt. Die Katechese ist jedoch immer die erste Antwort auf das Gebot Christi: „Geht zu allen Völkern ... lehrt sie“ (Mt 28,19-20). Und der Apostel schreibt: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor9,16). Dieser kraftvolle Ruf hallt in allen Jahrhunderten und allen Generationen wider. „Nirgends auf der Welt kann man Christus aus der Geschichte des Menschen ausschließen ... ohne ihn ist es unmöglich, die Geschichte Polens bis in ihre Wurzeln zu verstehen ... Ohne Christus ist der Mensch unfähig, sich selbst restlos zu verstehen“. Ich erlaube mir, an diese auf dem Siegesplatz in Warschau im Jahr 1979 ausgesprochenen Worte zu erinnern. Wie bekannt, wurde vierzig Jahre lang an der systematischen Ausmerzung dieser Auffassung aus der Seele des Volkes gearbeitet, wobei man sich u.a. der Schule bediente. Dieses Experiment darf nicht fortgesetzt werden. Ich danke dem polnischen Episkopat für seine Initiativen auf diesem Gebiet, die hoffentlich Verständnis finden. Auch hoffe ich, daß die wertvollen, bei der außerschulischen Katechese gesammelten Erfahrungen - viele heben sie besonders hervor - der Bereicherung eines zukünftigen Religionsunterrichtes dienen werden. 5. „Wir versprechen, den Kampf gegen Faulheit, Gedankenlosigkeit, Verschwendung, Trunksucht und Zügellosigkeit aufzunehmen. Wir versprechen, uns um die Tugenden zu bemühen ...: um Treue, Gewissenhaftigkeit, Fleiß, Sparsamkeit, Selbstlosigkeit und gegenseitige Achtung, Nächstenliebe und Gerechtigkeit.“ 1052 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Worte des Gelübdes von Jasna Gora im Jahr 1956 haben ihre Gültigkeit noch nicht verloren, ganz sicher nicht. Heute, am 26. August 1990, stehen wir an der Schwelle ihrer neuen Aktualität. Sie sind aktuell unter neuen Bedingungen und auf neue Weise, sind heute mehr als damals Voraussetzung für unsere gesellschaftliche Reife. Sie sind die Bedingung dafür, daß wir unseren Platz in Europa einnehmen, in einem Europa, das nach der Überwindung der in Jalta verhängten Trennungen den Weg zur internationalen Einheit sucht. Bei der Überwindung dieser Trennungen hat Polen eine, man kann wohl sagen, Pionierrolle gespielt, vor allem hinsichtlich jenes Teiles von Europa, der in Jalta hinter dem „Eisernen Vorhang“ gelassen wurde. Es ist angezeigt, hier alle aufeinanderfolgenden Daten in Erinnerung zu rufen: 1956, 1968, 1970, 1976 und schließlich 1980 ... bis 1989. In dieser letzten Phase entstand „Solidarnosc“, dessen Überleben auch die Unterdrückungsmaßnahmen des Kriegszustandes nicht verhindern konnten. „Solidarnosc“ wurde der polnische Weg zur Entfernung vom marxistischen Totalitarismus; sein Name war der Beweis für die Überwindung des Grundsatzes vom Klassenkampf. In der Gewerkschaft und in der mit dem Namen „Solidarnosc“ verknüpften Bewegung fanden sich die Kräfte der Arbeitswelt in Industrie und Landwirtschaft zusammen, denen sich auch die Milieus der Intellektuellen und der höheren Berufe anschlossen (das Jahr 1968 bewies die besondere Notwendigkeit eines solchen Zusammenschlusses). Letzten Endes waren die Bemühungen um die Entfernung vom Totalitarismus von Erfolg gekrönt. Es ist bedeutsam, von diesem Augenblick an „Solidarnosc“ als die Fortsetzung des polnischen Weges zu betrachten: des Weges zum Aufbau einer wahrhaft bürgerlichen Gesellschaft und eines wahrhaft bürgerlichen Staates nach den Prinzipien einer gesunden Demokratie, wobei gleichzeitig alles Ungesunde vermieden werden muß, von wo immer es auch komme. Wir haben das Recht, in Europa zu sein und uns inmitten der anderen Nationen unserer eigenen Identität gemäß und nach den Grundsätzen zu entfalten, die wir selbst in dieser schwierigen Phase der Geschichte erarbeitet haben, und das umso mehr, als auch die anderen ihren Blick auf diesen polnischen Weg richten - manchmal einen kritischen, aber oft einen hoffnungsvollen Blick. Europa, ja, die ganze Menschheit wurde durch diese Aufteilung in zwei einander entgegengesetzte Blöcke vor ein ungeheures Dilemma gestellt. Wir können ohne jede Übertreibung sagen, daß Polen zur Lösung dieses Dilemmas Hand angelegt hat. Und darin liegt kein Grund für Eigenlob oder Überheblichkeit. Wir wiederholen mit dem Evangelium: „Unnütze Knechte sind wir; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan“ (Li 17,10). 6. Heute ist das Fest der Muttergottes von Jasna Gora und vielleicht offenbart kein anderer Tag im ganzen Jahr so sehr die einzigartigen Züge der polnischen Seele. Die Geschichte hat bestätigt, daß wir fähig sind, Vertrauen zu haben, besonders in schwierigen Augenblicken; das gilt für die Verteidigung von Jasna Gora im 16. Jahrhundert so wie in unserem Jahrhundert für das „Wunder an der Weichsel“. Und das bestätigen auch die letzten Jahrzehnte. Das Sich-An vertrauen spricht die Sprache der inneren Aufgeschlossenheit, der transzendenten Dimension der Menschheit. In ihm spiegelt sich die Überzeugung von der Existenz einer Ordnung wider, in der schließlich das Gute den Sieg davontragen wird. „Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ (Röm 12,21). 1053 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nach Jasna Gora kommen wir mit diesem jahrhundertealten Erbe unseres Vertrauens auf die Mutter Gottes und Mutter der Menschen, einem Erbe ganzer Generationen. Heute müssen wir ihr diese neue Phase des polnischen Lebens und der Existenz der ganzen Gesellschaft anvertrauen. Auch diejenigen, die in ihr besondere Verantwortungen tragen. Gleichzeitig jedoch müssen wir ihr unsere gemeinsame Verantwortung anvertrauen, um alle - jeder und jede einzelne und alle gemeinsam - zu ihrer Übernahme fähig zu werden. Dieses Uns-Anvertrauen beweist, daß wir dem Bund treu bleiben wollen, den Gott mit der ganzen Familie der Nationen - und mit uns in Jesus Christus, dem Sohn der Jungfrau von Nazaret, in seinem Kreuz und seiner Auferstehung geschlossen hat. Das Uns-Anvertrauen bestimmt die endgültige Dimension unserer irdischen Pilgerfahrt; es verpflichtet den, der sich anvertraut, verpflichtet ihn alle Tage. Bitten wir Unsere Liebe Frau von Jasna Göra um die Kraft, die von diesem Uns-Anvertrauen ausgeht und auf unsere Existenz als Polen ausstrahlt. „Sei mit uns zu jeder Zeit“ (Lied). Dank für beredtes Lebenszeugnis Glückwünsche an Mutter Teresa vom 26. August Im Gebet Gott dankend für das beredte Zeugnis Ihrer Gottweihe und Ihrer lebenslangen Hingabe im Dienst an den Ärmsten der Armen, möchte ich Sie meiner innigsten und besten Wünsche zu Ihrem 80. Geburtstag versichern. Ich vertraue Sie dem mütterlichen Schutz des unbefleckten Herzens Marias, der Königin des Himmels, an, auf daß Sie freuderfüllt das vom Herrn in Ihnen begonnene Werk der Liebe wachsen und in selbstloser Sorge für alle Kinder Gottes ohne Unterschied sich ausbreiten sehen. Als Zeichen meiner geistigen Verbundenheit erteile ich Ihnen und allen Mitgliedern der Familie der Missionare der Nächstenliebe gerne meinen Apostolischen Segen. Eine neue Generation der Jünger Christi Ansprache an die Meßdiener Europas am 30. August Liebe Freunde! 1. Ich freue mich sehr, daß ich heute abend euch, die ihr mich mit so viel Freude empfangt, hier begrüßen kann. Ich danke Bischof Raffin, dem Präsidenten der Internationalen Mini-strantenvereinigung, daß er euch vorgestellt und zum Ausdruck gebracht hat, was ihr empfindet. Ich sehe, daß ihr aus zahlreichen Nationen kommt und daß eure Fahnen ein einziges, großes, tausendfarbiges Symbol bilden: das ist wirklich ein Sinnbild der „Kinder der gleichen Stadt“, die durch Jesus verbunden sind, wie ihr es gesungen habt. Euer gemeinsames Gebet, euer Gotteslob, die Begeisterung, die ihr miteinander teilt, die Bande, die ihr brüderlich unter den 1054 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jugendlichen Europas knüpft, das alles läßt euch bei dieser Wallfahrt intensiv das Geheimnis der Kirche erleben. Über eure Verschiedenheit hinaus entdeckt ihr euch als Glieder eines einzigen Leibes, dessen Haupt Christus ist. Ihr seid zum Grab des hl. Petrus gekommen, des Apostels, dem Christus seine Kirche anvertraut hat. Er hat im Namen seiner Brüder bekannt, daß Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes. Trotz aller Schwierigkeiten folgte er weiterhin seinem Meister, der „Worte des ewigen Lebens hat“ (vgl. Mt 16,16; Joh 6,68). Vom Pfmgsttag in Jerusalem an bis nach Rom, dieser Stadt, in die er die Kirche fest eingepflanzt hat und in der er treu gewesen ist bis zum Martyrium, bezeugte er vor den Menschen, daß der Herr auferstanden ist. Da auch ich berufen bin, meine Brüder im Glauben zu stärken (vgl. Lk 22,32), übermittle ich euch den Appell des Petrus: Seid bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15)! Morgen werdet ihr am Grab des Völkerapostels Paulus sein. Voll glühender Leidenschaft, die wunderbaren Taten Gottes zu verkünden, ist er über die Straßen der Welt gezogen, um von Stadt zu Stadt Gemeinden der Kirche zu gründen, geeint durch die „Liebe, die in unsere Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist“ (Röm 5,5). In der Basilika, die dem hl. Paulus geweiht ist, werdet ihr die Eucharistie feiern, das Mahl, in dem der Herr uns das Brot des Lebens und den Kelch des Heils gibt, seinen Leib und sein Blut, ja selbst sein Leben, diese wunderbaren Gaben der Verbundenheit, die aus uns allen einen einzigen Leib machen (vgl. 1 Kor 10,16-17)! Meine Freunde, auf diesem Platz, mitten unter euch, sind die Statuen von Petrus und Paulus aufgerichtet. Rings um diese großen Gestalten versammelt, seid ihr jetzt die Gruppe der Jünger des gleichen Herrn, ihr seid ein Teil der Universalkirche, seid eine neue Generation von Dienern der Botschaft des Evangeliums, der Frohen Botschaft. Ihr seid auch die Diener des Altares Christi, der das Zentrum der ganzen Gemeinschaft ist, in der unermeßlichen Versammlung der Nationen, wie in der bescheidensten Kapelle. <809> <809> Die Kirche, hebe Ministranten, lebt seit den Tagen der Apostel vor allem dort, wo sich die Gläubigen mit den Bischöfen und Priestern um den Tisch des Herrn versammeln, um das Wort der frohen Botschaft zu hören und die heilige Eucharistie miteinander zu feiern. Denn „die Feier des eucharistischen Opfers ist Mitte und Höhepunkt des ganzen Lebens der christlichen Gemeinde“ (II. Vatikanisches Konzil, Christus Dominus, Nr. 30). Gerade hier also erschließt sich uns in vielfältiger Weise der Reichtum der Gegenwart unseres Herrn. Denn in der versammelten Gemeinde selbst, in seinem sündenvergebenden Zuspruch an die Gläubigen, in dem in Lesung und Evangelium verkündeten Wort Gottes und schließlich in ganz besonderer Weise in den eucharistischen Gestalten von Brot und Wein ist der Herr wirklich gegenwärtig und unter uns. Ihr, liebe Ministranten, habt bei der Feier der Liturgie, diesem zentralsten Geschehen im Leben der Kirche, eine besondere Aufgabe. Ihr helft dabei mit, daß für die Gemeinde, die beim sonntäglichen Gottesdienst im Namen Christi um den Altar versammelt ist, durch einen würdigen Vollzug die Tiefe und der Reichtum der Eucharistie erfahrbar und für das Leben fruchtbar wird. Dabei seid vor allem auch ihr selbst gerufen, euch vom „Wort des lebendigen Gottes“ treffen zu lassen, um euch dann, gestärkt durch den Empfang des Leibes Christi, im Alltag als überzeugte Christen zu bewähren. 1055 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Teure junge Freunde! Euer Dienst an der Kirche, euer Ehrendienst findet seinen Höhepunkt im Dienst am Altar zur Feier der Eucharistie. Sie ist das größte Sakrament, das alle Gläubigen in der Kirche zusammenbringt und sie zu einem Volk macht, zum Gottesvolk. In eben dieser Einheit seid ihr hier in Rom zusammengekommen und habt dieser Verbundenheit Ausdruck gegeben durch die Flaggen der verschiedenen Länder, aus denen ihr kommt; sie sind zusammen ein großes, farbenprächtiges Bild. Möge euer Dienst an der Kirche bewirken, daß ihr euch in eurem ganzen Leben mit großer Begeisterung entsetzt für die Einheit und den Frieden unter allen Menschen und für den Aufbau der Liebe in eurem Vaterland. 4. Herzlich grüße ich die ungarischen Ministranten. Wenn ihr bei der heiligen Messe dient oder in der Kirche helft, begegnet ihr Christus selbst und gebt Zeugnis für das Evangelium. Seid hochherzig und ausdauernd in diesem edlen kirchlichen Dienst, der euch auch hilft, im Glauben zu wachsen. Wer von euch die Berufung zum Priestertum oder zum Ordensleben spürt, nehme diese große Auszeichnung mit maßloser Freude an. Zusammen mit euch segne ich alle ungarischen Meßdiener, eure Eltern, Verwandten und das ganze magyarische Volk. Die große Herrin der Ungarn möge über eure Heimat wachen! Gelobt sei Jesus Christus! 5. Der Dienst am Altar, den ihr, liebe Ministranten italienischer Sprache, in den einzelnen Kirchen leistet, darf euch nicht von der Gemeinde trennen oder isolieren, sondern er muß euch vereinen und euch Gelegenheit geben zu noch größerer Übereinstimmung mit allen, die in den liturgischen Feiern im Namen Christi Zusammenkommen (vgl. Mt 18,20). Eure Beteiligung am Dienst des Altares fordert von euch, daß ihr in lebendiger und brüderlicher Beziehung zu allen bleibt und daß ihr den religiösen Dienst im Glaubensgeist über den Kirchenraum hinaus fortsetzt. Ihr seid immer Christen und müßt die Gewohnheit haben, euren Lebensstil vom Wort Gottes, das ihr hört, und von der eucharistischen Kommunion, die ihr empfangt, inspirieren zu lassen. Diese beiden Quellen, das Wort und der Leib Christi, sind die Nahrung auf dem Weg der Gläubigen; sie machen auch euch zu Zeugen eines lebendigen, aufrichtigen, tiefen Glaubens. Aus dem liturgischen Dienst entspringt also ein geistlicher Reichtum, der sich überall im täglichen Leben widerspiegelt: in eurer Familie, unter den Freunden, den Schulgefährten, den Spiel- und Sportkameraden und morgen auch in dem Beruf, den ihr zum Wohl des Nächsten ausübt. Seid von jetzt an schon darauf bedacht, an dem Auftrag teilzunehmen, Christus zu verkündigen, von ihm zu sprechen. Schaut auf das Verhalten der Apostel, und laßt euch wie sie von dem glühenden Wunsch leiten, Jesus den Menschen bekanntzumachen. Ihr, die ihr Christus schon kennt und liebt, sprecht von ihm zu euren Freunden! Sprecht aufrichtig, mutig und überzeugend von Jesus. Die tiefe Liebe zu ihm, eurem Freund und Vertrauten, soll euch die Kraft zu euren Worten geben. Und laßt das Ideal, das ihr euch vor Augen gestellt habt, immer wieder von Jesus her Anregung finden. Es wird der Augenblick kommen, in dem auch ihr lebhaft das Verlangen empfindet, den Herrn zu fragen: „Was muß ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ (Mk 10,17). Das heißt: Was verlangst du, Herr Jesus, von mir, damit mein Leben Sinn und Wert habe? Eine sehr wichtige Frage, die aus dem Wort Gottes und den Sakramenten eine 1056 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zutreffende Antwort wird vernehmen können. Wenn die innere Antwort des Heiligen Geistes dahin lautete, daß ihr euch Christus im Priestertum für den Dienst der Evangelisierung und der Rettung der Seelen weihen sollt, seid hochherzig und habt Vertrauen! Die Priesterberufung ist ein Zeichen besonderer, bevorzugender Liebe Christi und daher eine Quelle einzigartiger Freude. Jesus wollte seine Jünger nicht mehr Knechte nennen, sondern er nannte sie Freunde und wollte, daß sie seine Freunde seien (vgl. Joh 15,15). Wahrer Friede ist ein Geschenk Ansprache bei der Audienz für österreichische Offiziersanwärter am 13. September Liebe Angehörige der Militärakademie! Es ist mir eine besondere Freude, euch, die Fähnriche des Jahrgangs Banfield der Theresianischen Militärakademie in der Wiener Neustadt, zu dieser Begegnung willkommen zu heißen. Ein besonderer Gruß gilt dem hochwürdigsten Herrn Militärordinarius Bischof Kostelecky, der euch hierher begleitet hat. Ihr habt den Entschluß gefaßt, vor dem Abschluß eurer Ausbildung eine Wallfahrt zu den Gräbern der Apostel zu unternehmen und euren weiteren Dienst als Offiziere unter den besonderen Segen Gottes zu stellen. Die Theresianische Militärakademie ist eine traditionsreiche Stätte der Ausbildung für den Offiziersnachwuchs, und viele ihrer Absolventen haben Bedeutendes für ihr Land geleistet. Auch euer Bemühen ist es, gemäß den Verhältnissen unserer heutigen Zeit, ein waches Gespür für die große Verantwortung zu entwickeln, die ihr zu übernehmen habt. Dabei ist euch bewußt, daß der Friede unter den Völkern ein so hohes Gut ist, den es mit allen menschenmöglichen Kräften zu wahren und zu fördern gilt. So ist auch eure erstrangige Verantwortlichkeit der Einsatz für den Frieden. Denn, so habe ich in einer Ansprache an die Rekruten der Alpinen Militärschule in Aosta im Jahre 1986 gesagt, „die moralische Grundlage des Militärstandes liegt in der Forderung, die geistigen und materiellen Güter der nationalen Gemeinschaft, des Vaterlandes zu verteidigen.“ Wie uns allzu oft schmerzlich vor Augen geführt wird, ist dauerhafter Friede stets gefährdet und übersteigt die Kräfte des menschlich Machbaren. Wahrer Friede ist vielmehr Geschenk und göttliche Verheißung, um den wir in geistiger Aufrichtigkeit immer neu zu ringen haben. Ohne die Weisheit von oben kann der Frieden, die Saat der Gerechtigkeit (vgl. Jak 3,17), nicht wachsen und zur Blüte kommen. So ermuntere ich euch von Herzen, liebe Fähnriche, euch als Offiziere eurer hohen Verantwortung für den wichtigen Beitrag zur Sicherung des Friedens stets bewußt zu bleiben und diesen Dienst wahrzunehmen aus der Kraft eures christlichen Glaubens. Zu Beginn der Ausbildung haben manche von euch in Lourdes die Gottesmutter um ihren Schutz und Beistand angerufen. So möge sie, die Königin des Friedens, euch auch weiterhin mit ihrer Fürsprache nahe sein. Gern erteile ich euch und euren Angehörigen in der Heimat von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1057 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gesalbt und gesandt Ansprache zum Abschluß der internationalen Priesterexerzitien im Vatikan am 18. September 1. „Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet“ (Lk 4,20). Auch unser inneres Auge, liebe Brüder im Priestertum, ist auf Jesus von Nazaret gerichtet: Er, erfüllt vom Heiligen Geist, ist „der allererste und größte Künder des Evangeliums gewesen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 7), er ist das Vorbild schlechthin, ja die unerschöpfliche Quelle, aus der Tag für Tag die Sendung der Kirche und aller ihrer Glieder zur Evangelisierung entspringt. Jesus stellt sich und seine Mission als eine vom Heiligen Geist ausgehende Sendung vor: „Der Geist des Herrn ruht auf mir“ (Lk4,18). Es sind prophetische Worte des Jesaja, und er erklärt, daß sie sich nun an ihm erfüllen: „Da begann er ihnen darzulegen:,Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt’“ (Lk 4,21). Der Heilige Geist ist die Kraft und die ständige Dynamik in Jesu, des Herrn, eigenem Evangelisierungsauftrag. Derselbe Geist steht an der Wurzel jeder Evangelisierung, die sich in der Geschichte vollzieht: „Ohne das Wirken des Heiligen Geistes wird die Botschaft Christi nicht ausgebreitet“, hat Paul VI. in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi geschrieben (Nr. 75). 2. „Der Geist des Herrn ... hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Lk 4,18). Die Prophezeiung des Jesaja erläutert sodann, worin diese Nachricht besteht. Sie ist Ankündigung der Befreiung von vielen Formen der Versklavung, die auf den einzelnen Menschen lasten und ganze Völker unterdrücken. Versklavungen, die mit wirtschaftlich-sozialen Situationen, aber auch mit Kulturen und Ideologien verbunden sind, die den Menschen und seine Würde als Person nicht respektieren. Der Messias ist gekommen, „den Gefangenen die Entlassung zu verkünden und den Blinden das Augenlicht; die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen“. Die Befreiung aber, die zu verkünden der Messias gekommen ist, betrifft auch die radikalste Versklavung, die der Mensch erfahren kann, jene'des moralisch Bösen, der Sünde: Jesus ist gesandt, „ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen“ (LL4,19). Die Situation, in der der heutige Mensch lebt, liebe Brüder, ist von einem weitverbreiteten und komplexen Zustand der Versklavung auf moralischem Gebiet gekennzeichnet. Die Sünde verfügt heute über weit mächtigere und verfänglichere Mittel, die Gewissen zu unterwerfen, als in der Vergangenheit. Die ansteckende Gewalt schlechter Darbietungen und Beispiele kann sich der Kanäle bedienen, die mit großer Überzeugungskunst operierend, von der ganzen vielgestaltigen Skala der Massenmedien angeboten werden. So kommt es dazu, daß Modelle abwegigen Verhaltens immer mehr der öffentlichen Meinung aufgedrängt werden, und zwar nicht nur so, als ob es sich dabei um etwas Rechtmäßiges handle, sondern sogar so, als ob solche Verhaltensweisen kennzeichnend seien für ein offenes und reifes Gewissen. So wird ein feines Netz psychologischer Einstellungen gewoben, die leicht zu hemmenden Fesseln für die wahre Entscheidungsfreiheit werden können. Das Evangelium Christi muß heute 1058 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von der Kirche auch im Hinblick auf diese modernen Fesseln, die den Menschen in seiner angeborenen Freiheit hemmen, als Quelle der Befreiung und des Heils verkündet werden. Wenn die Kirche diese Aufgabe erfüllt, so tut sie nichts anderes, als daß sie, die ihrem Bräutigam Christus als Braut verbunden ist, am Evangelisierungsauftrag ihres Herrn teilnimmt und ihn in der Zeit fortsetzt. Auch die Kirche kann wiederholen: „Der Geist des Herrn ruht auf mir,... er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe.“ 3. Jesus hat sich bei seiner Evangelisierung nicht darauf beschränkt, die Befreiung zu verkünden, sondern er hat den Unterdrückten die Freiheit wiedergegeben. Wenn er das tun konnte, so deshalb, weil er selbst diese Freiheit ist, die der Welt verkündet und geschenkt wurde. Er ist die „radikale“ Freiheit, weil er selbst in Person das Heil ist; er ist die Gnade, die rettet und die das Herz „neu“ macht. Und er ist das Fundament und die Zusammenfassung aller abgeleiteten Freiheiten, jener Freiheiten, die die persönliche Würde jedes Menschen zum Ausdruck bringen und sie bestätigen. Diese Würde findet ihre volle Erfüllung in dem Geschenk der „Freiheit der Kinder Gottes“. Jesus bewirkt diese Freiheit des Heils durch das Geschenk des Heiligen Geistes: der Geist ist für die Kinder Gottes die Quelle des Heils und der Freiheit, der gleiche Geist, von dem Christus sagt, daß er selbst von ihm erfüllt sei. „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt...“ Zuerst die Salbung, dann die Sendung. Eine Salbung für die Sendung. Jesus ist vom Vater erwählt: er ist der Auserwählte im Vollsinn. Der Geist „salbt“ ihn im reinsten Schoß der Jungfrau-Mutter, er erfüllt ihn mit Heiligkeit, macht ihn zum geheiligten Eigentum Gottes, zu dem, der Gott gehört und dem göttlichen Heilsplan. In Jesus, dem „großen Propheten“ erfüllt sich ganz und endgültig das Wort, das der Herr an Jeremia richtete: „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen, noch ehe du aus dem Mutterschoß hervorkamst, habe ich dich geheiligt, zum Propheten für die Völker habe ich dich bestimmt“ (/er 1,5). 4. So geschieht es den Aposteln, so der Kirche: sie empfangen die Gabe des Heiligen Geistes als Gabe der Heiligung und als Ursprung und Antrieb zur Mission. In Evangelii nuntiandi schrieb Paul VI.: „Erst nachdem der Heilige Geist am Pfingstfest auf sie herabgekommen war, brachen die Apostel zu den Grenzen der Erde auf, um mit dem großen Evangelisierungswerk der Kirche zu beginnen. Petrus deutet dieses Ereignis als die Verwirklichung der Weissagung des Joel: ,Ich werde meinen Geist ausgießen.’ Petrus ist vom Heiligen Geiste erfüllt, um vor dem Volk von Jesus, dem Sohn Gottes, zu sprechen. Auch Paulus wird ,vom Heiligen Geiste erfüllt’, ehe er sich dem apostolischen Dienst hingibt; ebenso Stephanus, als er für das Diakonat erwählt wird und später zum Blutzeugnis. Der Geist, der Petrus, Paulus oder die Zwölf sprechen läßt und ihnen die Worte eingibt, die sie verkünden sollen, kommt auch ,auf die, die das Wort hören’, herab“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 75). 5. Eine Salbung für die Sendung. Für uns Priester bedeutet das alles einen Aufruf zur Rückkehr zu den sakramentalen Wurzeln unseres Priestertums. Das Weihesakrament hat uns gesalbt mit sakramentalem Charakter und uns geheiligt mit der Gabe des Geistes. Es hat uns 1059 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Anteil geschenkt an der Salbung und Heiligung Jesu selbst. Die Gabe der Heiligkeit ermöglicht und erfordert beständige Heiligung. Aus der durch das Sakrament übermittelten ontologischen Heiligkeit ergibt sich die Aufgabe zur moralischen Heiligkeit. Gerade dieses Bemühen um Heiligung aufgrund der mitgeteilten Heiligkeit muß an der Basis unserer Evangelisierungsaufgabe stehen. Wir sind also aufgefordert, aufmerksamer die zahlreichen und tiefen Verbindungen wahrzunehmen, die zwischen unserer täglichen Aufgabe priesterlicher Heiligung und unserer Evangelisierungsarbeit bestehen. 6. Das erste verbindende Band kann so formuliert werden: Die Heiligung ist eine Bedingung, die Gott selbst gestellt hat um einer besseren Wirksamkeit der Evangelisierung willen. Gewiß, das Evangelium Gottes hat eine objektive Wirkung, die ihm wesentlich eigen ist, weil es Gottes Wort und nicht Menschenwort ist. Aber als Gott freie und verantwortliche Menschen als Mitarbeiter im Heilswerk annahm, wollte er, daß auch von ihnen die mehr oder weniger große Wirkung dieses Heilswerkes abhinge. Ein zweites Band schließt sich an das erste an: die übernatürliche Kraft des Evangelisie-mngswerkes besteht in der Gabe des Heiligen Geistes, in der „Heiligkeit durch Heiligung“. Wie oft empfinden wir unsere ganze Armut, Unzulänglichkeit und Unfähigkeit gegenüber der außerordentlichen Mission, die der Herr uns anvertraut. Wir machen die gleiche Erfahrung wie der junge Jeremia: „Ach, mein Gott und Herr, ich kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung“ (/er 1,6). Aber die Gabe des Geistes, die uns heiligt, läßt auch uns die tröstenden Worte vernehmen, die der Herr an seinen Propheten richtete: „Aber der Herr erwiderte mir: ,Sag nicht: Ich bin noch so jung. Wohin ich dich auch sende, dahin sollst du gehen, und was ich dir auftrage, das sollst du verkünden. Fürchte dich nicht vor ihnen, denn ich bin mit dir, um dich zu retten’“ (Jer 1,7-8). Hier liegt das Fundament unseres Vertrauens, auf das sich unser Optimismus stützt. Nichts kann ihn in die Brüche gehen lassen, denn nichts ist stärker als Gott. Wenn wir uns im Glauben an ihn festklammem, läßt er auch unser Herz das hören, was er zum Apostel Paulus sagte: „Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit“ (2 Kor 12,9). An diesem Punkt kommt ein drittes Band zum Vorschein, und es ist das tiefste: Die Heiligung selbst wird zur Evangelisierung. Gerade diese „Heiligkeit durch Heiligung“ wird zur Verkündigung Christi, ja zum Mitteilen der Gabe, die Christus selbst ist. Denn das Evangelium ist ja nicht in erster Linie eine Reihe von Wahrheiten, die Jesus verkündet hat, sondern es ist Er selbst in Person, Er, der Weg, die Wahrheit und das Leben. Nur, wer Christus besitzt, weil er nach ihm verlangt und ihn liebt, steht innerlich in beständiger und fortschreitender lebendiger Verbindung mit ihm, er wird zum Zeugen und daher zum glaubwürdigen Verkünder des Evangeliums. 7. „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn er hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich ... ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ Das „Gnadenjahr des Herrn“ muß in unser aller Herzen den Takt angeben: nur so wird es für die Geschichte dieser unserer Menschheit den Takt angeben können, wenn das dritte Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung beginnt. 1060 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche - Kriminalität und Gefängnis Ansprache an die Gefangenenseelsorger am 18. September Liebe Brüder! 1. Ich freue mich außerordentlich, euch anläßlich eurer Versammlung über das Thema „Kirche, Kriminalität und Gefängnis“ zu treffen. Ich danke dem Vorsitzenden eures internationalen Ausschusses, Msgr. Cesare Curioni, für die freundlichen Worte, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich begrüße euch alle herzlich, und danke jedem von euch für das schwierige Apostolat, das ihr in den Gefängnissen ausübt, ein Apostolat, das euch täglich in Kontakt mit Menschen bringt, die im Geiste verletzt und nicht selten an den Rand der Gesellschaft verbannt sind. Wie der barmherzige Samariter seid ihr aufgerufen, dem gepeinigten Dasein so vieler unserer Brüder zu Hilfe zu kommen. Ihr seid daher in der Lage, die Realität und die Ausdruckskraft der Worte der Bibel in all ihrer Fülle aufzunehmen, die sich auf das geknickte Rohr und den glimmenden Docht beziehen (vgl. Mt 12,20). Täglich trefft ihr Menschen, die harten Prüfungen ausgesetzt sind, die Gefahr laufen, das Vertrauen in sich selbst und in die Gesellschaft zu verlieren. Ihnen bietet ihr durch den Trost der Freundschaft die christliche Hoffnung, die aus der Hingabe an die unendliche Liebe Gottes entspringt. Ihnen verkündet ihr das Evangelium Christi und die Freiheit, die zu bringen er gekommen ist, um das menschliche Joch der Unsicherheit und der Angst aufzuheben, das Joch der Verbannung von Menschen an den Rand der Gesellschaft (vgl. Gal 5,1). 2. Im Laufe eures internationalen Treffens, an dem Vertreter aller Kontinente und Exponenten des katholischen Volontariats teilnehmen, das in den Gefängnissen der verschiedenen Nationen tätig ist, untersucht ihr, wie die Bedingungen in den Gefängnissen konkret ausse-hen, und, die verschiedenen pastoralen Erfahrungen miteinander verbindend, entwerft ihr Programme für euer weiteres Vorgehen. Insbesondere habt ihr die Absicht, über die Rolle nachzudenken, die die christliche Gemeinschaft in bezug auf dieses Problem einnehmen kann. Die Christen müssen dazu bereit sein, die Häftlinge aufzunehmen, wenn sie nach Abbüßen der Strafe in die Freiheit zurückkehren. Sie müssen die Aufgabe seiner tatsächlichen Wiedereingliederung in die Gesellschaft übernehmen und ihn mit geeigneten Initiativen unterstützen. Außerdem muß der Seelsorger innerhalb der Strafanstalten selbst auf die wirksame und qualifizierte Mitarbeit anderer Personen zählen können, die ihm mit konkreter sozialer und geistiger Tätigkeit zur Seite stehen. Ich ermuntere euch, liebe Brüder, in eurem wertvollen Apostolat fortzufahren, immer neue Formen des pastoralen Einsatzes zu suchen und dabei auch die Unterstützung der freiwilligen Laien in höchstem Maße zu schätzen. Mögen eure Bemühungen außerdem stets vom Wunsch und dem Vorsatz geleitet werden, den Menschen, denen eure Aufmerksamkeit gilt, zu helfen, daß sie umkehren und sich Christus anvertrauen. Seid darum Apostel der göttlichen Barmherzigkeit und Zeugen seiner Vorsehung: auch aus dem Bösen kann Gott Gutes hervorgehen lassen. 3. Außerdem betrachtet ihr es als wesentlich für eure prophetische Mission, jenen Teil der christlichen Botschaft zu verbreiten, der dazu ermahnt, das Böse durch das Gute zu besiegen, 1061 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und ihr erinnert auch diejenigen an diese paradoxe Wahrheit, die wenig Vertrauen in die Menschen haben. Gewiß darf es keine Barmherzigkeit geben, wenn dabei die Wahrheit und die Gerechtigkeit zu Schaden kommt, doch wird der Weg der Liebe und des Verzeihens dem Evangelium am meisten gerecht, da er uns mit Christus vereint, der die Menschheit erlöst hat, indem er sich selbst am Kreuz opferte und so „in seiner Person die Feindschaft getötet“ (Eph 2,16) hat. Möget ihr, liebe Seelsorger, durch die Beharrlichkeit und die Geduld eurer Bereitschaft vor allen anderen glaubwürdige Zeugen für diese Liebe sein. Nährt eure Arbeit am innigen und fortwährenden Gebet. Und vermittelt den christlichen Gemeinschaften, in denen ihr lebt, jene pastorale Sorge, damit sich das Reich Gottes auch im schmerzvollen Dasein jener ausbreiten kann, die eingeschlossen sind. Vertraut Maria, der Trösterin der Betrübten, eure Tätigkeit an und ruft sie oft voll Vertrauen an. Ich bitte euch inständig, den Gefangenen, denen ihr begegnet, und ihren Familien meinen lieben Gruß zu übermitteln, der bestärkt wird durch ein besonderes Gedenken beim Herrn. Euch und den Freiwilligen, die mit euch gemeinsam tätig sind, sowie denjenigen, denen euer Amt gilt, erteile ich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Pfadfindertum ein ausgezeichnetes Erziehungserlebnis Ansprache an die Leiter der Internationalen Pfadfinderbewegung am 20. September Liebe Freunde! Ich freue mich, diese illustre Gruppe willkommen zu heißen, mit dem Generalsekretär und den Mitgliedern des Weltkomitees der Pfadfinderbewegung, den Vertretern der Internationalen Konferenz der Katholischen Pfadfinderbewegung und der Katholischen Italienischen Pfadfinderbewegung (AGESCI). Im Einklang mit meinen Vorgängern, die bei vielen Gelegenheiten die edlen Ziele und die weltweiten Leistungen eurer Bewegung gepriesen haben, die Lord Baden-Powell vor kaum mehr als 80 Jahren ins Leben rief, versichere ich euch meiner ganz persönlichen Anerkennung des Pfadfinderwesens als eines ausgezeichneten Erziehungserlebnisses und einer Form von sozialem und religiösem Einsatz. Ich bin glücklich zu hören, daß heute über 16 Millionen junge Menschen aller Rassen, Religionen und Kulturen und aus allen Kontinenten innerhalb der Strukturen eurer Bewegung an Pfadfindertätigkeiten beteiligt sind. Angesichts der wechselnden politischen und sozialen Umstände der heutigen Zeit findet ihr neue Gelegenheiten für eine erneuerte Präsenz eurer Bewegung in den Zentral- und Osteuropäischen Ländern. Ebenso macht ihr beachtliche Fortschritte in Asien, Afrika und Lateinamerika, während es in vielen Ländern, in denen das Pfadfinderwesen bereits eine starke Tradition hatte, zahlreiche Jugendliche anzieht. Ich beglückwünsche euch zu eurer Aufopferung und eurer Dynamik, womit ihr dieser Sache dient, und möchte euch auch dazu ermuntern, weiterhin die hohen Ideale und herausfordernden Programme zu persönlicher Entfaltung, Freundschaft, Brüderlichkeit und Hilfsbereitschaft hochzuhalten, die eure Bewegung bei den Jugendlichen so beliebt macht. 1062 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Pfadfinderwesen bedeutet vor allem Erziehung ... Die Mitglieder der Bewegung erfahren dies als ein Heranwachsen zu persönlicher Reife und sozialem Verantwortungsbewußtsein. Sie lernen, mit großem Einsatz für das Allgemeinwohl ihren Platz im Leben einzunehmen. Sie lernen, sich derer anzunehmen, die weniger Glück haben. In ihnen wächst der brennende Wunsch, eine Kultur des Guten Willens aufzubauen; sie erlernen die Offenheit und die Harmonie der menschlichen Beziehungen, das Akzeptieren von Pflichten; einschließlich der grundlegendsten aller Pflichten: die Liebe zum Schöpfer und das gehorsame Befolgen seines Willens. Das Pfadfinderwesen ist eine Bewegung, die Millionen von jungen Männern und Frauen helfen kann, für eine Zivilisation des „Seins“ zu arbeiten, die im Gegensatz zu der Zivilisation des „Habens“ steht, die in so vielen Gesellschaften solch alarmierende Symptome wie Selbstsucht, Frustration, Verzweiflung und sogar Gewalt als Lebenskonzept hervorbringt. Der wahre Wert eurer Bewegung liegt in der Vermittlung jenes Humanismus, der durch gutes Urteilsvermögen, Charakterstärke, geistige Vervollkommnung und Beharrlichkeit auf der Suche nach Wahrheit und Güte zum Ausdruck kommt. Der Erfolg der Pfadfindermethode hat sicher viel mit der Art und Weise zu tun, durch die junge Menschen dazu angehalten werden, selbst diese Eigenschaften durch Tätigkeiten, die ihrem Alter entsprechen, zu entdecken und zu leben. Der spontane und offene Stil des Pfadfinderlebens im Rahmen von Selbstdisziplin und einem klaren Verhaltenskodex macht diese Tätigkeiten für die von Natur aus enthusiastisch und freigebig veranlagte lugend besonders attraktiv. Das Interesse für christliche Werte war ein wesentlicher Bestandteil des ursprünglichen Pfadfinderprogramms, das Baden-Powell erdacht hatte. Es ist eben diese Offenheit gegenüber der religiösen Dimension des Lebens, die denmenschlichen und ethischen Werten, die die Bewegung zu vermitteln versucht und für die Pfadfinderleiter und -leiterinnen berufen sind, beispielhafte Zeugen zu sein, Gestalt und Richtung gibt. Es ist wahr, daß die Kirche besonders durch die Tätigkeit der Internationalen Katholischen Konferenz ein spezielles Interesse am Wohlergehen der Pfadfinder und Pfadfinderinnen hat. Aber ich möchte euch versichern, daß sie der gesamten Pfadfinderbewegung große Achtung entgegenbringt und davon überzeugt ist, daß Zusammenarbeit und Austausch zwischen allen Teilorganisationen ein wichtiger Schritt zur weiteren Stärkung und zum Erfolg der Bewegung als ein gültiges Erziehungserlebnis ist. Liebe Freunde, ich möchte euch gegenüber meine Gefühle der Hochachtung und der Ermutigung erneut zum Ausdruck bringen. Ihr und die Mitglieder eurer Bewegung habt guten Gmnd, auf die Pfadfindertraditionen der Selbsterziehung und der Selbsthingabe im Dienst an Gott und dem Nächsten, die ihr übernommen habt, stolz zu sein. Ich rufe den Segen Gottes auf euch herab, während ihr bemüht seid, euch den vielen Problemen zu widmen, mit denen eure Organisation heute konfrontiert wird, und der Herausforderung entgegentretet, die hohen Ideale des Pfadfindertums beizubehalten. 1063 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Meer des Friedens zwischen Orient und Okzident Botschaft an das vierte internationale Gebetstreffen in Bari vom 21. September An den ehrwürdigen Bruder Francis Kardinal Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog Zum vierten internationalen Gebetstreffen für den Frieden, das in den kommenden Tagen unter dem Thema „Ein Meer des Friedens zwischen Orient und Okzident“ in Bari stattfindet, möchte ich den Vertretern der christlichen Gemeinschaften und denen der großen Weltreligionen, sowie auch allen, die an diesem bezeichnenden Ereignis teilnehmen, meine herzlichen Grüße und guten Wünsche senden. Wie das Konzil betont, „sind alle Christen eindringlich aufgerufen, die Wahrheit in der Liebe zu tun (Eph 4,15) und sich mit allen wahrhaft friedliebenden Menschen zu vereinen, um den Frieden zu erbeten und aufzubauen“ (Gaudium et spes, Nr. 78). Dieser Aufforderung getreu, wollte die Gemeinschaft S. Egidio die in den vergangenen Jahren angestellten Überlegungen weiterführen und hat auch den derzeitigen internationalen Kongreß organisiert. Im vergangenen Jahr wurde in Warschau der 50. Jahrestag seit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs begangen. Bei dieser Gelegenheit hat sich im Chor ein Schrei nach Frieden erhoben: „Nie wieder Krieg!“ Durch die Straßen der Stadt hallte nicht der Marschschritt der Besatzungstruppen, vielmehr der ruhige und freundliche Schritt der Pilger, Männer und Frauen aus verschiedenen Religionen, die aus der ganzen Welt hergekommen waren, ohne jede Art von Macht, wenn nicht jene der Erinnerung, die nachdenklich macht und im Gebet für den Frieden zum Ausdruck kommt“ (Botschaft zum 1. September 1989). Die Wallfahrt des Friedens und des Gebetes von Warschau erreicht nun die Stadt Bari, die zwischen Orient und Okzident liegt und gleichsam dem Süden der Erde zugewandt. Mit dieser Initiative soll das geduldige und beständige Wirken für das Suchen und den Aufbau des Friedens bekräftigt werden, ein Wirken, das sich seit den dunklen Zeiten des letzten Konflikts vorbereitet hat und für die Zukunft eine Wiederholung des Rückgriffs auf die Waffen verhüten möchte. Zu diesem Bemühen, das jede Kriegsdrohung beseitigen und eine für volle Solidarität offene Gesellschaft aufbauen möchte, wurde von meinen Vorgängern immer wieder ermuntert. Glücklicherweise sind die wiederholten Aufrufe nicht ohne Antwort geblieben, denn sehr viele Männer und Frauen haben ihr Leben der Förderung des Friedens gewidmet. Wie ich in Assisi bei Gelegenheit des Weltgebetstages für den Frieden im Oktober 1986feststellen konnte, kommt aus verschiedenen religiösen Welten weiterhin ein überzeugtes „Ja“ zu einer so edlen Sache, verbunden mit dem Willen, zu ihrer Verwirklichung im Geiste echter Solidarität beizutragen. Die Chronik der letzten Monate ist reich an unerwarteten und überraschenden Ereignissen und tiefreichenden Wandlungen in den Beziehungen der Völker. Man kann wohl sagen, daß zu diesem Prozeß sozialer und politischer Wandlungen wirksam der Chor des Gebetes beigetragen hat, das sich aus allen Teilen der Welt zum Himmel erhoben hat. Stark ist auch das 1064 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bewußtsein, daß nur die vertrauensvolle Hinwendung zum Allmächtigen den Menschen Gedanken des Friedens eingeben und für die ganze Menschheit die Voraussetzungen für einen vollen und dauerhaften Frieden schaffen kann. Dieses Bewußtsein ist noch in den letzten Tagen deutlicher hervorgetreten, da die Menschheit mit tiefem Bangen die Ereignisse im Persischen Golf und die dort aufgetretene schwere Spannung verfolgt. Die Gläubigen wissen, daß sie mit noch größerem Eifer ihr Gebet zu Gott erheben müssen, damit er jene erleuchtet, die die Geschicke der Völker in Händen halten, und sie zum Suchen nach ausgewogenen Lösungen für die dort gegebenen Probleme antreibe, so daß der Stern des Friedens wieder hell leuchtet „über den hart geprüften Völkern des Persischen Golfs und denen des ganzen Vorderen Orients, vor allem über denen, die im Libanon und in Palästina schon so viel mitgemacht haben“ (Angelus vom 26. 8. 1990). Mit vollem Recht erheben daher die Teilnehmer an einem so bedeutsamen Kongreß, der an den Gestaden des Mittelmeers stattfindet, einem Meer, das im Verlauf der Jahrhunderte Begegnungen und Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Völkern erlebt hat, wo aber auch tiefreichende Strömungen des Friedens Zusammentreffen, ihr Gebet, auf daß der Friede wie ein Ozean werde, der jedes Land mit seinem heilsamen Einfluß umspült, die Konflikte in den Wogen des Verständnisses untergehen läßt, sowie Einzelmenschen und Nationen, die sich gleichgültig oder feindlich gegenüberstehen, miteinander versöhnt. Wie ich bei meiner kürzlichen Afrikareise betont habe, muß eine wachsende Verständigung zwischen Ost und West von einer wachsenden Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd zum Aufbau einer gerechten und friedvollen Welt begleitet sein. „Wir müssen notwendig jetzt für die Menschheit eine Ära des Friedens auf der Grundlage der Gerechtigkeit und der Achtung vor den Rechten der einzelnen und der Nationen schaffen“ (Angelus vom 10. 9. 1990). Mögen die Herzen Widerstand leisten gegen die Gewaltanwendung als Mittel der Selbstbehauptung und sich für die Achtung und Annahme von ihresgleichen öffnen. Vor allem kann immer und überall Gott angerufen werden, der jedes Bemühen fruchtbar macht und durch seine Vorsehung den Lauf der Geschichte erneuert. Das Gebet möge wie eine Woge des Friedens die Kontinente überfluten, damit die Gefühle des Hasses und der Gewalttätigkeit und alle Rachepläne verschwinden, um überall Wahrheit und Liebe triumphieren zu lassen. In diesem Sinn richte ich gern an Sie, Herr Kardinal, und an alle, die an der Tagung teilnehmen, meine herzlichen, vom Gebet begleiteten guten Wünsche für ihren vollen Erfolg. Aus dem Vatikan, Freitag, 21. September 1990, dem Fest des hl. Apostels Matthäus. Joannes Paulus PP. n 1065 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kinder der Welt schreien nach Liebe Botschaft an den UN-Generalsekretär Javier Perez de Cuellar anläßlich des Welt-Gipfeltreffens zum Schutz der Kinder vom 22. September „Wie junge Ölbäume sind deine Kinder rings um deinen Tisch“ (Ps 128,3). Diese schlichten Worte des Psalmisten sprechen von Kindern als einem großen Segen Gottes und einer Quelle tiefer Freude für die Familie. Bestimmt von dieser positiven Sicht des menschlichen Lebens begrüßt der Hl. Stuhl das Welt-Gipfeltreffen für die Kinder als einen wichtigen Ausdruck und eine Bekräftigung des wachsenden Bewußtseins, das die öffentliche Meinung und die Staaten für die Notwendigkeit erkennen lassen, noch vielmehr zu tun, um das Wohlergehen der Kinder unserer Welt zu sichern, die Rechte des Kindes zu erklären und diese Rechte durch kulturelle und gesetzgeberische Initiativen zu schützen. Der Schutz dieser Rechte muß getragen sein von der Achtung vor dem menschlichen Lebens als einem eigenständigen Wert, unabhängig von Geschlecht, völkischem Ursprung, sozialem und kulturellem Status sowie politischer oder religiöser Überzeugung. Da ich an diesem Gipfeltreffen nicht persönlich teilnehmen kann, richte ich meine wärmsten Grüße an Sie, Herr Generalsekretär, sowie an die anwesenden hohen Staatsoberhäupter und Regierungsvertreter. Im Vertrauen darauf, daß die Errungenschaften des Menschengeschlechtes ein Zeichen für Gottes Größe und die Erfüllung seines geheimnisvollen Planes sind, rufe ich von Herzen Gottes Licht und Weisheit auf ihre Überlegungen herab. Gern spreche ich die Wertschätzung der katholischen Kirche für alles das aus, was unter Führung der Vereinten Nationen und ihrer besonderen Organe geschehen ist und weiter geschieht, um das Überleben, die Gesundheit, den Schutz und die integrale Entwicklung der Kinder sicherzustellen, der Schutzlosesten unter unseren Brüdern und Schwestern, der unschuldigsten und hilfsbedürftigsten Söhne und Töchter unseres gemeinsamen Vaters im Himmel. Der Hl. Stuhl hat mit seinem unmittelbaren Beitritt zu der von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. November 1989 angenommenen Konventionen über die Rechte des Kindes die 2000jährige Tradition der katholischen Kirche weitergeführt, jenen zu dienen, die materielle oder geistliche Hilfe brauchen, zumal die schwächeren Mitglieder der menschlichen Familie, und unter ihnen haben die Kinder immer besondere Aufmerksamkeit erfahren. Im Kind von Bethlehem betrachten Christen die Einmaligkeit, die Würde und Liebesbedürftigkeit eines jeden Kindes. Im Beispiel und in der Lehre ihres Gründers hat die Kirche den Auftrag erhalten, sich der Bedürfnisse der Kinder besonders anzunehmen (vgl. Mk 10,14); in christlicher Sicht wird unser Umgang mit den Kindern zum Maßstab für unsere Treue zum Herrn selbst (vgl. Mt 18,5). Die Kirche empfindet lebhaft die unermeßliche Last des Leidens und der Ungerechtigkeit, die die Kinder der ganzen Welt zu tragen haben. In meinem eigenen Dienstamt und auf meinen pastoralen Reisen werde ich zum Zeugen für die herzzerreißenden Schreie von Millionen von Kindern auf jedem Kontinent. Sie sind am verwundbarsten, weil sie am wenigsten in der Lage sind, ihre Stimme zu Gehör zu bringen. Mein Beitrag zu diesem Gipfeltreffen, Herr Generalsekretär, soll vor dieser mächtigen Versammlung den oft wortlosen, aber nicht weni- 1066 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ger berechtigten und nachdrücklichen Aufruf verstärken, den die Kinder der Welt an jene richten, die die Mittel zur Verfügung haben und dafür verantwortlich sind, für sie bessere Vorkehrungen zu treffen. Die Kinder der Welt schreien nach Liebe. In diesem Fall meint Liebe die wirkliche Sorge des einen Menschen für den anderen; das Gute, das jeder dem anderen aufgrund unserer gemeinsamen Menschennatur schuldig ist. Ein Kind kann weder physisch noch psychologisch und geistig überleben ohne die Solidarität, die uns alle für alle verantwortlich macht, und diese Verantwortung wird besonders intensiv in der sich selbst hingebenden Liebe der Eltern für ihre Nachkommen. Der Hl. Stuhl mißt besondere Bedeutung der Tatsache bei, daß die Konvention die unersetzliche Rolle der Familie für das Wachstum und Wohlergehen ihrer Mitglieder anerkennt. Die Familie ist die erste und lebenswichtige Zelle der Gesellschaft, weil sie dem Leben dient und weil sie die erste Schule für die sozialen Tugenden ist, die das treibende Prinzip für die Existenz und die Entwicklung der ganzen Gesellschaft bilden. Das Wohlergehen der Kinder in unserer Welt hängt daher großenteils von den Maßnahmen ab, die die Staaten ergreifen, um den Familien bei der Erfüllung ihrer natürlichen lebenspendenden und erzieherischen Aufgaben zur Seite zu stehen und ihnen zu helfen. Die Kinder der Welt schreien nach mehr Achtung vor ihrer unveräußerlichen individuellen Würde und ihrem Recht auf Leben vom ersten Augenblick der Empfängnis ab, auch angesichts von schwierigen Verhältnissen oder persönlichen Nachteilen. Jeder Mensch trägt, unabhängig davon, wie klein oder — utilitaristisch betrachtet — scheinbar unwichtig er sein mag, das Bild und Gleichnis des Schöpfers an sich (vgl. Gen 1,26). Eine Politik oder Maßnahmen, die diese einzigartige angeborene Würde nicht anerkennen, können nicht zu einer gerechteren und menschlicheren Welt führen, weil sie sich gegen die Grundwerte richten, die objektive moralische Kategorien begründen und für vernunftgemäße moralische Urteile und rechtes Handeln die Grundlage bilden. Die internationale Konvention über die Rechte des Kindes stellt eine Zusammenfassung der Prioritäten und Verpflichtungen dar, die als Bezugspunkt und Anregung zum Eingreifen zugunsten der Kinder überall in der Welt dienen kann. Der Hl. Stuhl ist dieser Konvention gern beigetreten und unterstützt sie in dem Sinn, daß die daraus abgeleiteten Ziele, Programme und Aktionen die moralischen und religiösen Überzeugungen jener achten, denen sie gelten, zumal die moralischen Überzeugungen von Eltern bezüglich der Weitergabe des Lebens, und es darf kein Druck für den Einsatz von moralisch unannehmbaren Mitteln ausgeübt werden. Auch ist die Freiheit bei der Gestaltung des religiösen Lebens und der Erziehung ihrer Kinder zu wahren. Kinder, die lernen müssen, daß sie ihren Mitmenschen zu helfen haben, müssen auch die Wirklichkeit der gegenseitigen Hilfeleistung innerhalb der Familie selbst kennenlemen, wo tiefe Achtung für alles menschliche Leben herrscht, ob es ungeboren oder schon geboren ist, und wo Mutter und Vater gemeinsam verantwortliche Entscheidungen über die Ausübung ihrer Elternschaft treffen. Während des internationalen Jahres des Kindes 1979 hatte ich Gelegenheit, zur Generalversammlung der Vereinten Nationen zu sprechen. Ich wiederhole heute mit neuem Nachdruck die Überzeugung und Hoffnung, die ich damals ausgesprochen habe: „Kein Land der Erde und kein politisches System kann an die eigene Zukunft denken, es sei denn im Blick auf diese neuen Generationen, die von ihren Eltern das vielfältige Erbe der 1067 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werte, Pflichten und Bestrebungen der Nation, der sie angehören, und der ganzen Mensch-heitsfamilie empfangen. Sorge für das Kind, auch vor seiner Geburt und vom ersten Augenblick seiner Empfängnis an und dann die ganzen Jahre seiner Kindheit und Jugend hindurch, ist der beste und grundlegende Test für das Verhältnis eines Menschen zum anderen. Welchen besseren Wunsch kann ich daher für jede Nation und die ganze Menschheit, zumal für alle Kinder, aussprechen als den für eine bessere Zukunft, in der die Achtung vor den Menschenrechten volle Wirklichkeit werden wird“ (Ansprache an die Vereinten Nationen, 2. 10. 1979, Nr. 21). Möge der allmächtige Gott dieses Gipfeltreffen anleiten, eine solide juridische Grundlage für das Erreichen dieser Wirklichkeit zu legen! Aus dem Vatikan, 22. September 1990. Joannes Paulus PP. II Zeuge für die Hoffnung auf Einheit Grußadresse an den griechisch-orthodoxen Patriarchen von Alexandrien, Parthenios III., vom 24. September Eure Seligkeit! Für einige Stunden sind Sie hier als Pilger zu den Gräbern der hll. Apostel Petrus und Paulus und als Gast der Kirche von Rom und ihres Bischofs, des Nachfolgers Petri. Ich danke Ihnen für diesen Besuch und heiße Sie aus ganzem Herzen willkommen. Ich bin wirklich glücklich darüber, Sie zu empfangen und mich persönlich mit Ihnen zu unterhalten. Seit langen Jahren setzen Sie sich mit großer Liebe und viel Mut für die heilige Sache der Einheit der Christen ein. Wie ihnen bekannt ist, weiß ich mich als Bischof von Rom mit einem Dienst besonderer und einzigartiger Liebe für dieses Anliegen betraut, das der Inhalt des Gebetes Christi am Abend vor seinem Leiden war. Zu der sakramentalen Brüderlichkeit, die uns im gleichen Bischofsamt eint, und zu den Gefühlen brüderlicher Liebe, die ich für Sie hege, kommt noch so etwas wie eine Verwandtschaft des Herzens hinzu, die zwischen uns ein unzerstörbares Vertrauen und eine feste Hoffnung aufkommen läßt. Seit der Begründung der gemischten Kommission des Dialogs zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche waren Sie ein besonders aktives und überzeugtes Mitglied dieser Kommission. Heute sind Sie als Patriarch Ihrer Kirche ein treuer und entschlossener Animator der Kommission. Mit Gottes Gnade hat sie schon Früchte gezeitigt in dem, was unsere gemeinsame sakramentale Auffassung von der Kirche betrifft, ebenso die Beziehungen zwischen dem Glauben und den Sakramenten und die apostolische Sukzession, die grundlegend ist für die Heiligung und die Einheit des Volkes Gottes. Wenn wir diese Fortschritte im theologischen Denken auch dankbar annehmen, so dürfen wir es doch nicht an unseren Anstrengungen fehlen lassen, damit sie Einfluß auf das konkrete Verhalten unserer 1068 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaften gewinnen. Es fehlt bei den Katholiken und den Orthodoxen des griechischen Patriarchats von Alexandrien nicht an Gelegenheiten, das, was sie schon eint, zu bezeugen und zum Dienst an den Völkern, unter denen sie im Mittleren Osten und in mehreren Ländern Afrikas leben, zusammenzuarbeiten. Auf dem Weg zur Wiederherstellung voller gegenseitiger organischer Verbundenheit begegnen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche aber auch Schwierigkeiten, die nicht nur theologischer Art sind. Ich bin überzeugt, und ich hatte auch schon Gelegenheit, es zu sagen: Nur der durch das Gebet unterstützte und in der Liebe gelebte Dialog kann diese Schwierigkeiten überwinden helfen. Mehr denn je müssen wir uns die Ermahnung des hl. Paulus an die Römer zu Herzen nehmen: „Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan, übertrefft euch in gegenseitiger Achtung! Laßt nicht nach in eurem Eifer, laßt euch vom Geist entflammen und dient dem Herrn! Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!“ (Röm 12,10-12). Eure Seligkeit, nicht nur im Dialog mit der katholischen Kirche, sondern auch innerhalb der Orthodoxie und bei internationalen und regionalen ökumenischen Instanzen sind Sie der unermüdliche Zeuge für die Hoffnung auf die Einheit, und Sie suchen auch das Gespräch mit den Gläubigen anderer Religionen und mit allen Menschen guten Willens. Sie wissen, wie auch ich bei meinem Dienst im Rom und auf meinen Pastoraireisen durch die Welt die gleichen Ziele verfolge, damit die Menschheit ihren Herrn erkenne, sein Evangelium annehme und sich des Friedens und des ewigen Heiles erfreue. Ihre Kirche ist heute weniger zahlreich, aber in den Augen des Herrn und unseren eigenen Augen ist eine Kirche nicht zunächst groß aufgrund der Anzahl ihrer Gläubigen, sondern durch die Kraft ihres Glaubens, ihren missionarischen Schwung und das Zeugnis ihrer Heiligen und ihrer Märtyrer. Durch Sie, Seligkeit, grüße ich in aufrichtiger Liebe auch die Bischöfe, Priester und alle Gläubigen der Schwesterkirche des griechisch-orthodoxen Patriarchats von Alexandrien; sie haben ihren Platz in meinem Gebet und in meinem Herzen. Unsere heutige Begegnung ist wirklich eine Begegnung in der Liebe Christi, und ich möchte gern diese brüderliche Botschaft beschließen, indem ich den großen Patriarchen Athenagoras I. von Konstantinopel zu Wort kommen lasse: „Wir richten unsere Gedanken hin auf den großen und heiligen Augenblick, in welchem wir Bischöfe des Ostens und des Westens am gleichen Altar die gemeinsame Eucharistie feiern und den Kelch des Herrn erheben werden. Diese Stunde läßt vielleicht noch auf sich warten. Aber die Stunde der Liebe ist schon da, es ist die gegenwärtige Stunde“ (Tomos Agapis, 26. Oktober 1967, Nr. 193, S. 441). 1069 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Größere Aufmerksamkeit für Kinder Appell vor UN-Weltgipfel vom 26. September Am kommenden Sonntag, 30. September, wird am Sitz der Vereinten Nationen in New York ein Weltgipfel der Staatsoberhäupter und Regierungschefs abgehalten, der zum ersten Mal und ausschließlich den Kindern gewidmet ist. Ziel ist es, ihre unveräußerlichen Rechte zu bekräftigen, die zahlreichen und schweren Probleme, die sie betreffen, in Angriff zu nehmen und ihre ganzheitliche Entwicklung entsprechend der Würde der menschlichen Person zu gewährleisten. Die Kirche hat immer mit höchster Aufmerksamkeit die Probleme der Kindheit, die mit denen der Familie und der Mütter eng verbunden sind, unter ihren humanitären und moralischen Aspekten verfolgt; sie war vor allem zugunsten der ärmsten und verlassensten Kinder ununterbrochen tätig, die die Bevorzugten des Erlösers waren. Da ich der Bitte um meine persönliche Teilnahme an der Versammlung nicht entsprechen kann, wird der Heilige Stuhl durch eine offizielle Delegation unter Führung des Kardinalstaatssekretärs vertreten sein. Ich möchte euch heute auffordem - und durch euch lade ich alle Gläubigen der Kirche, vor allem die Eltern und Erzieher ein -, diese Gelegenheit wahrzunehmen, um ihre Haltung in bezug auf die Kinder zu überprüfen und ihren moralischen, geistlichen und religiösen Bedürfnissen immer größere Aufmerksamkeit zu schenken. Die neue Gesellschaft kann ohne gesunde Familie nicht auf gebaut werden Ansprache an die Teilnehmer der „n. Europäischen Konferenz der Familie“ am 28. September Sehr geehrte Damen und Herren! 1. Seien Sie herzlich willkommen zu dieser Sonderaudienz, die Ihrem ausdrücklichen Wunsch entspricht und die auch ich sehr begrüße; sie bildet den Abschluß des Studientreffens zum Thema „Erwartungen der Familie in Verbindung mit dem Aufbau Europas“. Ich begrüße den Arbeitsminister der Italienischen Republik, die mit Familienfragen beauftragten Minister und Staatssekretäre der europäischen Staaten, den Präsidenten der Kommission für Soziale Fragen sowie andere hier anwesende Mitglieder des Europarates. Mit ganz besonderem Wohlwollen wende ich mich an den Präsidenten des Verbandes der Familieneinrichtungen der Europäischen Gemeinschaft (COFACE), der dieses Studientreffen angeregt hat, an die Leiter und Vertreter der Familieneinrichtungen der Europäischen Gemeinschaft sowie mit besonderer Freude an diejenigen, die aus den östlichen Ländern unseres Kontinents kommen. Weiterhin richte ich mit Freuden einen Gruß an den Präsidenten der „Union Internationales des Organismes Familieux“ (Internationale Union der Familieneinrichtungen) und an die Prä- 1070 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sidentin des Eltemverbandes, der in Italien sehr gute Arbeit leistet, indem er sich insbesondere mit den Rechten und Pflichten der Familie im Bereich der Schule und der politischen Planung befaßt. 2. Die Anwesenheit einer so zahlreichen Abordnung von Experten aus allen Teilen Europas auf dieser Tagung gibt Anlaß zu Freude und großer Hoffnung. Die zwingenden Gründe, die Sie zu diesem Treffen veranlaßt haben, um eine solidarische Aktion in allen Ländern zu vereinbaren, sind Anzeichen für den Weg ohne Umkehr auf dem sich unser Kontinent befindet, hin zu einer stets tieferen Integration. Dies ist ein Grund zur Zuversicht für jene, die mit Sorge die Schwierigkeiten sehen, denen die Familie in der heutigen Welt ausgesetzt ist. In dieser Hinsicht ist das Thema, an dem Sie sich messen wollen, bezeichnend. Die Familie ist beim Aufbau der neuen Gesellschaft ganz gewiß von grundlegender Bedeutung. Es ist daher gut, sich nach den Aussichten, nach den Hoffnungen und selbstverständlich auch nach den Aufgaben zu fragen, die ihr im Rahmen der kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Realitäten der heutigen Staatsgemeinschaften zukommen. Eine ernsthafte Antwort kann nur auf der Basis einer aufmerksamen Analyse der konkreten Daten, im Zusammenhang mit den sozialen Strukturen und den Arbeits- und Produktionstätigkeiten sowohl auf industrieller als auch auf landwirtschaftlicher Ebene, gegeben werden. Die Öffnung der Grenzen wird einem intensiven Dialog und Erfahrungsaustausch zugute kommen, die für die Festigung der neuen Physiognomie des Kontinents entscheidend sein werden; dies kann natürlich nicht ohne beachtliche Auswirkungen auf das Leben aller geschehen. Die Strukturen, die am stärksten das soziale Leben prägen, werden betroffen sein; die Schule, die einer neuen Planung bedarf, die Arbeitsverbände und die Gewerkschaften, die aufgerufen sind, ihren Horizont zu erweitern, und insbesondere die Familie. Sie bleibt in der Tat immer „eine Art Schule reich entfalteter Humanität“, wo „die verschiedenen Generationen Zusammenleben und sich gegenseitig helfen ... die Rechte der einzelnen Personen mit den anderen Notwendigkeiten des gesellschaftlichen Lebens zu vereinbaren“ (Gaudium et spes, Nr. 52). 3. Dies gilt ganz besonders für die jungen Generationen, die in der Familie das natürliche Milieu für ihren Reifeprozeß finden. Die Jugendlichen von heute werden die europäischen Bürger von morgen sein. In gewisser Hinsicht leben sie sogar schon jetzt in der Dimension einer erweiterten menschlichen Gemeinschaft ohne Grenzen. Viele unter ihnen suchen bereits jetzt im Hinblick auf die Zukunft nach Berufen und Erfahrungen, nach wissenschaftlichem und kulturellem Austausch, bereit zu einer über nationale Grenzen hinausgehenden Zusammenarbeit. Mit Natürlichkeit, mit Respekt für das Anderssein, mit ausgeprägtem Sinn für Toleranz, mit Optimismus und Zuversicht verfolgen sie das Projekt eines geeinten Europas, als dessen Bürger sie sich ideell bereits fühlen. Es ist klar, daß all das unbekannte Forderungen an die Familie richtet, die beweisen muß, diesen neuen Aufgaben gewachsen zu sein. In der Tat werden die großen Möglichkeiten, die die Zukunft in Aussicht stellt, von nicht unbedeutenden Risiken begleitet. Es handelt sich um fundamentale Werte, von denen die Eigenschaften der zukünftigen europäischen Gemeinschaft, deren Bau man beabsichtigt, abhängen. Die Familie darf nicht allein gelassen werden, und schon gar nicht an der Erfüllung ihrer Pflichten, die ihr verfassungsgemäß zustehen, 1071 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gehindert werden. Nur wenn jeder einzelne, die Vereinigungen, die Parteien, die öffentlichen Einrichtungen, jeder auf dem Gebiet seiner Kompetenz, sich der Probleme annehmen, an denen sich die Familie heute messen muß, besteht die Hoffnung auf eine positive Lösung. Die Kirche ihrerseits wird es nicht versäumen, ihren Einsatz auf einem so lebenswichtigen Sektor zu intensivieren. Im Bewußtsein, daß „das Wohl der Gesellschaft und ihr eigenes mit dem der Familie eng verbunden ist“,... „fühlt sie um so stärker und drängender ihre Sendung, allen den Plan Gottes für Ehe und Familie zu verkünden, um deren volle Lebenskraft und menschlich-christliche Entfaltung zu sichern und so zur Erneuerung der Gesellschaft und des Volkes Gottes beizutragen“ (Familiaris consortio, Nr. 3). 4. Eine Gesellschaft, in der die Familie angeschlagen ist, hat keine Zukunft. Daher wird das neue Europa, das wir uns alle erhoffen, gut daran tun, diese grundlegende Zelle der Menschheit hinsichtlich ihrer authentischen Traditionen, die zutiefst von christlichen Werten durchtränkt sind, sorgfältig zu schützen und zu fördern. In dieser Perspektive erbitte ich für Sie alle, für die Nationen, deren Vertreter Sie sind, und für die Arbeit Ihrer Vereinigungen den Schutz des höchsten Gottes, des Schöpfers aller Menschen und der Familie, der in Barmherzigkeit ein Gesetz der Weisheit und der Heiligkeit gegeben hat, das im Herzen jedes Menschen geschrieben steht. Möge der Herr Ihren Einsatz für den Aufbau eines gesunden und frohen Familienlebens, genährt von einem ständigen Strom der Zuversicht und der Liebe, unterstützten. Ihnen allen gilt mein Segen. Auf die Fragen und Bedürfnisse der Welt eingehen Ansprache an die Mitglieder des internationalen Rates für Katechese am 28. September Herr Kardinal, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt und im Priestertum, liebe Mitglieder des internationalen Rates für die Katechese! 1. Gern richte ich an euch alle einen herzlichen Gruß: an die Mitglieder des internationalen Rates für die Katechese (COINCAT) sowie an die Vorgesetzten und Offiziale der Kongregation für den Klerus. Ich danke besonders Kardinal Antonio Innocenti für die eben gesprochenen Worte. <810> <810> Das Thema, das ihr bei dieser eurer Vollversammlung gründlicher bedenken wolltet, ist von lebenswichtigem Interesse: „Katechese für das Leben in einer pluralistischen und säkularisierten Welt“. Sehr passend müht ihr euch darum, die Gesellschaft, in der wir leben, kennenzulemen, um die am besten angemessene Sprache zu finden, die bleibende Botschaft des Evangeliums zu übermitteln. Davon hängt nämlich, wenigstens zum Teil, ihre Aufnahme und Wirksamkeit ab. 1072 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unter den Schwierigkeiten, denen die Katechese heute begegnet, habt ihr den Säkularismus und den übertriebenen Pluralismus betont, wie sie für die zeitgenössische Kultur typisch sind. Wegen einer verbreiteten Säkularisierung können die Christen nämlich ihre eigene Identität verlieren, während das Phänomen des Pluralismus, wenn es nicht gut verstanden wird, die Einheit und Integrität des Glaubens bedroht und die Gemeinschaft innerhalb der Kirche zerbrechen kann. Auf der anderen Seite tragen beide Erscheinungen - der Weltcharakter und der Pluralismus -Möglichkeiten zum Wachsen und Reifen des Glaubens in sich, wenn sie den Anstoß zu einem besseren Nachdenken über das grundlegende Verhältnis Gottes zur Welt bilden. Dies geschieht, wenn die religiöse Sicht des Lebens von einem gesunden Weltcharakter begleitet ist und das Verhältnis zwischen der Pluralität der Erfahrungen und einem loyalen und unbedingten Ja zu Christus durch die liebende, treue und aktive Zugehörigkeit zu seiner einen Kirche besiegelt wird. 3. Liebe Brüder, ich danke euch für den wertvollen Beitrag, den ihr durch den internationalen Rat für Katechese leistet für die Ausbildung von Katechisten und Pastoralassistenten, unter besonderer Berücksichtigung der neuen Generationen. Gestattet mir nun, eurer Aufmerksamkeit wenigstens kurz einige Gedanken vorzulegen. - Die Wahrheit des Glaubens, der von der Kirche vorgelegt und durch die Aussaat des Evangeliums verkündet wird, muß verschiedenes Erdreich berücksichtigen: Sie muß also auf die Fragen und Bedürfnisse der Welt eingehen, nicht mit einem mechanischen Überstülpen der religiösen Botschaft, sondern durch Erziehung des Herzens, das angeregt wird, sich für das göttliche Geheimnis zu öffnen. - Um aber illusorische Erwartungen zu vermeiden und keinen täuschenden Kompromissen zu verfallen, müssen der Katechist, der Pastoralassistent und der Missionar deutlich mit dem hl. Paulus bekennen: „Wh haben den gleichen Geist des Glaubens, von dem es in der Schrift heißt: ,Ich habe geglaubt, darum habe ich geredet’. Auch wir glauben, und darum reden wir“ (2 Kor 4,13). Sie müssen sich also voll bewußt sein, daß sie das Wort verkündigen, weil sie glauben, etwas Wahres und Gültiges mitzuteilen, und es in überzeugender Weise zu übermitteln suchen, belebt von einem Geist der Achtung und der Liebe im Sinn des Evangeliums, auch wenn der Adressat nicht zu hören scheint oder gleichgültig bleibt. Die Glaubensbotschaft selbst enthält die Fähigkeit, Fragen anzuregen und die innere Aufmerksamkeit der Gesprächspartner zu wecken. - Außerdem scheint die pluralistische und säkularisierte Welt, der vielen Worte müde und aufgeschlossener für das persönliche Zeugnis, besonders auf die Sprache der Liebe, der Bejahung des anderen und der Solidarität, zumal den Armen und den am meisten an den Rand gedrängten sozialen Gruppen gegenüber, zu achten. Die Katechese muß das unbedingt berücksichtigen. Sie kann nicht darüber hinwegsehen, daß wir durch den Dienst an den Armen und die Aufmerksamkeit für jede Form des Randdaseins konkret die Liebe Gottes verkünden und die Glaubenden mitten ins Herz der Botschaft des Evangeliums führen. Diese ist nämlich ein Wort der Barmherzigkeit und der Erneuerung für jeden Menschen, ferner wirksamer Sauerteig der Versöhnung und Solidarität für die ganze Menschheit. 4. Liebe Brüder, seid voll Vertrauen bei eurer zuweilen mühsamen Arbeit, denn Gott bleibt immer seinen Verheißungen treu. 1073 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Seid beharrlich im Gebet; eure Augen sollen auf die himmlische Mutter des Erlösers schauen; sie möge euch als „Vorbild der Katechisten“ (Katechismus von Trient, Kap. VIII, 73) behüten und euch bei der heiklen euch anvertrauten Sendung helfen. Der Herr möge die Ergebnisse dieser eurer Versammlung reichlich segnen und zumal einem jeden von euch und den Gemeinschaften, aus denen jeder kommt, zur Seite stehen. In diesem Sinn erteile ich allen meinen Apostolischen Segen. Lehrmeister und Zeugen des Friedens Predigt während der Messe zum Gedächtnis an die verstorbenen Vorgänger am 28. September 1. Uns vereint um den Altar des Herrn das jährliche Gedenken an den gottseligen Tod meiner verehrten Vorgänger, der Päpste Paul VI. und Johannes Paul I. Das Zeugnis ihres Lebens und das Echo ihres fruchtbaren Dienstes an der Kirche sind in unser aller Gedächtnis nicht ausgelöscht. Vor allem möchte ich bei dieser Gelegenheit ihr beständiges Eintreten für den Frieden unterstreichen. Beide waren Lehrmeister und Zeugen des Friedens, und mit allen Mitteln sind sie auch unerschrockene Verteidiger und aktive Baumeister des Friedens gewesen. „Unsere Berufung ist es - so sagte Paul VI. bei seinem Besuch am Sitz der UNO -, nicht nur einige Völker, sondern alle Völker zur Verbrüderung zu führen“ (AAS 57 (1965) S. 800). Und in der Enzyklika Populorum progressio wandte er sich mit folgenden Worten an die Verantwortlichen der Nationen: „Ihr habt die Pflicht, eure Völker zu einer wirksameren weltweiten Solidarität zu mobilisieren.“ In dieser Perspektive wünschte er in väterlicher Besorgnis, daß an die Stelle der gefährlichen militärischen Blockbildungen eine „freundschaftliche, friedliche, selbstlose Zusammenarbeit zu einer solidarischen Entwicklung der Menschheit“ träte (Nr. 84). 2. Mit nicht weniger Klarheit erklärte Johannes Paul I. zu Beginn seines kurzen Pontifikats seinen festen Vorsatz, den Frieden zu fördern, und in diesem Sinn haben sich uns die Worte seiner ersten Rundfunkbotschaft an die katholische Welt eingeprägt. „Wir wollen alle lobenswerten und guten Initiativen unterstützen - so bekräftigte er -, die den Frieden in dieser aufgewühlten Welt wahren und fördern können: alle guten, gerechten und ehrenhaften Menschen aufrichtigen Herzens rufen wir auf, der blinden Gewalt innerhalb der Nationen Einhalt zu gebieten und im internationalen Leben die Menschen zu gegenseitigem Verständnis zu führen“ (vgl. Wort und Weisung, 1978, 27. August, S. 39). 3. Das geistige Erbe beider, ihre tiefbekümmerten Ermahnungen sind von besonderer Aktualität in diesem Augenblick, in welchem die Menschheit von der Gefahr eines Krieges bedroht ist und mörderische Gewalt um sich greift. Wir wissen es alle nur zu gut. Das friedliche Zusammenleben der Menschen steht auf dem Spiel; unsere eigene Zukunft steht auf dem Spiel. Bei der Eucharistiefeier zum Gedenken an die beiden großen Päpste wollen wir, wenn wir Gott bitten, ihnen den ewigen Lohn zu schenken, ihn zugleich auch für die Welt um den Frieden anrufen, und dabei vertrauen wir auf ihre Fürbitte beim Herrn, dem Friedensfürsten. 1074 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Thomas — ein Erbe der Väterüberlieferung Ansprache an die Teilnehmer am IX. internationalen Thomistenkongreß am 29. September Meine Herren Kardinäle, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt und im Priestertum, liebe Brüder und Schwestern! 1. Herzlich grüße ich euch alle und bin besonders dem Herrn Kardinal Luigi Ciappi dankbar, der eure Empfindungen so passend zum Ausdruck gebracht hat. Dann möchte ich meine Freude darüber aussprechen, daß der von der Päpstlichen Akademie St. Thomas veranstaltete 9. internationale Thomistenkongreß zum Generalthema seiner Arbeiten die Gestalt und die Bedeutung des hl. Thomas als „Doctor humanitatis“ gewählt hat, wie ich selbst ihn bei meiner Ansprache zum Abschluß des vorhergehenden Kongresses von 1980 bezeichnet habe. Tatsächlich verdient der hl. Thomas diesen Titel aus mehreren Gründen, die man eurem umfangreichen und wohlgeordneten Programm entnehmen kann und die in euren Vorträgen und Mitteilungen herausgestellt wurden. Es sind vor allem: die Betonung der Würde der menschlichen Natur, die der engelgleiche Lehrer so deutlich hervorhebt; seine Auffassung von der Heilung und Erhebung des Menschen auf eine höhere Ebene wahrer Größe kraft der Menschwerdung des Wortes; die genaue Formulierung des vervollkommnenden Charakters der Gnade als Schlüsselprinzip seiner Sicht der Welt und der Ethik der menschlichen Werte, die er ausführlich in der Summa entfaltet hat; die Wichtigkeit, die Thomas der menschlichen Vernunft bei der Erkenntnis der Wahrheit und der Behandlung der moralischen und ethischsozialen Fragen beimißt. <811> <811> Dies sind die edelsten Elemente der echten „humanitas“ in der zugleich kulturellen und geistigen Bedeutung des Wortes, die weit über die im übrigen durchaus achtenswerten „humanae litterae“ hinausragt, die mancher Vertreter des nachmittelalterlichen Humanismus später den „litterae divinae“ entgegenzustellen versucht hat. Doch eine solche Entgegensetzung hat kein Daseinsrecht, da doch seit den Zeiten der Väter schon die zum Christentum bekehrten gelehrten Schriftsteller ihre volle Wertschätzung der griechischen und lateinischen Kultur bewiesen haben, die sie in ihren Studien, in ihrer Predigt und in ihren Bibelkommentaren mit den heiligen Büchern zu versöhnen versuchten. Der hl. Thomas war als Erbe der Überlieferung der Väter zweifellos ein „Doctor Divinitatis“, wie die Theologie als Lehre von Gott, oder nach der Formulierung des Thomas als „sacra doctrina“ bezeichnet wurde (vgl. I, q.l aO.lff.). Doch aufgrund seiner Auffassung vom Menschen und von der menschlichen Natur als substantielle Einheit von Seele und Leib, ferner aufgrund des weiten Raumes, den er den Fragen über den Menschen in der Summa und in anderen Werken gibt, wegen der Vertiefung und oft entscheidenden Klärung dieser Fragen kann man ihm sehr wohl auch den Titel „Doctor humanitatis“ zuschreiben, in enger Verbindung mit einer wesentlichen Beziehung zu den grundlegenden Voraussetzungen und der ganzen Struktur der Gotteswissenschaft. Er fügt nämlich seine Ausführungen über den Menschen in die über Gott, den Schöpfer, ein (vgl. I, q. 75ff.), insofern der Mensch ein Werk der 1075 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hände Gottes ist und in sich das Bild Gottes trägt, weil er ferner von Natur aus zu einer immer volleren Ähnlichkeit mit Gott hinstrebt (vgl. I, q. 93). Gemäß dieser theologischen und theozentrischen Dimension seiner Anthropologie fügt der hl. Thomas in den II. Teil der Summa auch die gesamte Ethik und die Moraltheologie ein, weil diese den motus rationalis creaturae in Deum bedenkt und regelt (vgl. I, q. 2, prol.), und zwar auf Ebene des freien Tuns und einer bewußten Entscheidung. Von daher ergibt sich der weisheitliche Charakter sowohl seiner Metaphysik als auch seiner Theologie (vgl. I, q.l, a.6), aber auch der seiner Ethik als Wissenschaft von der Ausrichtung der menschlichen Akte im Hinblick auf die „ewigen Gründe“ (vgl. I, q. 1, aa.4,6; II-II, q. 9, a.3; q. 45, a.3). Dieser Charakter fehlt der säkularisierten Ethik und ihrer tatsächlichen Bindung an bewußt areligiöse oder irreligiöse philosophische Prinzipien im Rahmen einer Lebensauffassung des Sollens und auch der Bestimmung des Menschen, die man heute gewöhnlich laizistisch nennt. Dies ist eine ziemlich zweideutige Kennzeichnung, die zahlreichen Mißverständnissen und unklaren Auffassungen über das Verhältnis von Religion auf der einen Seite sowie dem Denken, der Ethik, den modernen Wissenschaften vom Menschen und von der Welt auf der anderen Seite zugrundeliegt. Eine solche Auffassung befriedigt schon auf der Ebene des Begriffs der Natur nicht, weil diese von vornherein als von Gott geschaffene auf ihren Ursprung hinstrebt. Gerade auf diesen springenden Punkt, der im Raum des Christentums zum Verhältnis von Vernunft und Glauben wird, hat die Anthropologie des hl. Thomas entscheidendes Licht geworfen und tut es weiterhin. 3. Bekanntlich unterstreicht der hl. Thomas den übernatürlichen Charakter des Glaubens: dieser übersteigt die natürliche Intelligenz als „von Gott eingegossenes Licht“ zur Erkenntnis der Wahrheit, die über die Möglichkeiten und Bedürfnisse der reinen Vernunft hinausgeht (vgl. II-II, q. 6, a. 1). Und doch handelt es sich nicht um einen irrationalen Akt, vielmehr um eine lebensmäßige Synthese, in der der entscheidende Faktor zweifellos der göttliche ist, denn er bewegt den Willen, der von Gott geoffenbarten Wahrheit anzuhangen, weil Gott an Intelligenz souverän, absolut unfehlbar und heilig ist. Doch der Glaubensakt schließt auch seine Vernünftigkeit ein, weil der Glaubende sich auf die historische Evidenz der Tatsache der Offenbarung stützen und ferner die metaphysische und theologische Voraussetzung richtig werten kann, daß sich Gott weder zu irren noch die Menschen zu täuschen vermag. Der Glaube enthält ferner seine eigene Vernünftigkeit oder Intelligi-bilität, weil er ein Akt des menschlichen Verstandes ist (vgl. II-II, q. 4, a.2) und auf seine Weise sowohl beim Forschen als auch bei der Zustimmung das Denken einsetzt (vgl. II-II, q. 2, a.l). Der Glaubensakt entspringt also der freien Entscheidung des vernunftbegabten und bewußt handelnden Menschen als rationabile obsequium („wahrer und angemessener Gottesdienst“ (Rom 12,1), und er stützt sich auf ein höchst überzeugendes Motiv, nämlich die Autorität Gottes als die Wahrheit, das Gute, die Heiligkeit, die alle mit seinem subsistierenden Sein zusammenfallen. Der letzte Grund des Glaubens, der die gesamte christliche Anthropologie und Ethik begründet, ist die „höchste und erste Wahrheit“ (vgl. I, q. 16, a.5), Gott als unendliches Sein, für das „Wahrheit“ nur ein anderer Name ist. Mit dem Glaubensakt gibt sich also die menschliche Vernunft nicht auf, und sie erniedrigt sich auch nicht, entfaltet vielmehr ihre höchste intellektuelle Größe in der Demut, mit der sie die unermeßliche Größe Gottes anerkennt und bejaht. 1076 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Wenn es heute tatsächlich eine Krise der Ethik gibt, dann hängt das mit der Abschwächung des Sinns für die Wahrheit in Verstand und Gewissen zusammen, die den Bezug zur letzten Grundlegung der Wahrheit verloren haben. Vergeblich versucht man eine Enthüllung der Wirklichkeit oder sucht Ausflüchte gegenüber diesem zentralen Punkt der Krise: ohne Gott gibt es kein Fundament für das Geschaffene mehr, ohne die erste Wahrheit wird die letzte Begründung der menschlichen Wahrheiten verdunkelt und damit der Wert der Kultur aufs Spiel gesetzt, die zwar reich an philosophischen, wissenschaftlichen und literarischen usw. Errungenschaften ist, aber nicht mehr den ganzen Menschen widerspiegelt, unterstützt und befriedigt. Da ferner historisch gesehen der Bezug zur ersten Wahrheit im Glauben erfolgt, in dem man die göttliche Offenbarung annimmt, setzt die Ablehnung der Offenbarung den Menschen gefährlichen Fehlem und hrtümern über das Dasein Gottes aus, zu dem die natürliche Vernunft sonst von sich aus gelangen kann. Bei der gegenwärtigen Verfassung der Menschheit, die sowohl in der Erkenntnisordnung wie in der praktischen Ordnung die Folgen der Erbsünde zu tragen hat, ist die Gnade tatsächlich notwendig, um auf der einen Seite das, was die Vernunft von Gott erkennen kann, voll zu erfassen und auf der anderen das eigene Verhalten folgerichtig den Ansprüchen des Naturgesetzes anzupassen (vgl. DS 300f.). Daraus folgt, daß die verschiedenen Aspekte des menschlichen Lebens ihr gediegenstes Fundament und die sicherste Garantie ihrer Echtheit in der übernatürlichen Ordnung finden: zumal Liebe und Freundschaft (vgl. I, q. 1, a. 8 ad 2), soziales Verhalten und Solidarität, Recht und juridisch-politische Ordnung und an der Spitze von allem die Freiheit, die auf keinem Gebiet wirklich ohne Grundlegung in der Wahrheit gegeben ist. 5. Es ist daher das ständige und vertiefte Studium der philosophischen, theologischen, ethischen und politischen Lehre zu wünschen und auf jede Weise zu fördern, die der hl. Thomas den katholischen Schulen als Erbe hinterlassen hat und die die Kirche sich ohne weiteres zu eigen gemacht hat, zumal das, was die Natur, ihr Vermögen, die Vervollkommnungsfähigkeit, die Berufung und Verantwortung des Menschen im persönlichen und sozialen Bereich angeht, wie sich auch aus den Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ergibt (vgl. Dekret Optatam totius, Nr. 16; sowie die Erklärung Giavissimum educationis, Nr. 9 mit den Anmerkungen). Die Tatsache, daß in den Texten des Konzils und in denen der Zeit nach dem Konzil nicht die bindende Verpflichtung der Verfügung über den hl. Thomas als „Führer bei den Studien“, dem man zu folgen hat, betont wurde, - Pius XI. hat in der Enzyklika Studiorum ducem dem hl. Thomas diesen Titel verliehen - wurde von nicht wenigen als Erlaubnis gedeutet, die Lehre des alten Meisters aufzugeben, um sich auf den verschiedenen Gebieten der „doctrina sacra“ Kriterien des Relativismus und Subjektivismus zu öffnen. Zweifellos wollte das Konzil die Entwicklung der theologischen Studien ermuntern und ihren Vertretern einen berechtigten Pluralismus sowie eine gesunde Freiheit der Forschung zugestehen, freilich unter der Bedingung des treuen Festhaltens an der geoffenbarten Wahrheit, wie sie in der Heiligen Schrift enthalten, in der christlichen Tradition übermittelt und vom Lehramt der Kirche amtlich erklärt wird, von den Vätern und Kirchenlehrern aber, und zumal vom hl. Thomas, theologisch vertieft wurde. 1077 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Was seine Funktion als Führer bei den Studien angeht, so hat es die Kirche vorgezogen, dies nicht juridisch einzuschärfen, sondern sich auf die Reife und Weisheit jener zu verlassen, die sich mit dem Wort Gottes in dem ehrlichen Wunsch beschäftigen wollen, immer tiefer seinen Gehalt zu erarbeiten und kennenzulemen und ihn anderen weiterzugeben, zumal den jungen Menschen, die bei ihnen studieren. 6. Hier denken wir passend an einen Aspekt der Methode und des Verhaltens des hl. Thomas, den mein Vorgänger Benedikt XIV. herausgestellt hat, als er in der Apostolischen Konstitution Sollicita acprovida vom 10. Juli 1753 schrieb: „Der engelgleiche Fürst der Schulen ... hat notwendigerweise die Meinungen von Philosophen und Theologen bekämpft, die er im Namen der Wahrheit widerlegen wollte, doch es steigert die Verdienste eines so großen Kirchenlehrers noch mehr, daß er es nie in verächtlichem, verletzendem oder demütigendem Ton gegenüber einem Gegner tat; er hat sie vielmehr alle mit großer Güte und Achtung behandelt. Wenn ihre Worte nämlich etwas Hartes, Zweideutiges oder Dunkles enthielten, versüßte er es und erklärte es in einer nachsichtigen und wohlwollenden Weise. Und wenn die Sache der Religion und des Glaubens ihm die Zurückweisung ihrer Ideen gebot, so tat er es derart bescheiden, daß das Abweichen von ihnen ihm nicht weniger Lob einbrachte als die Betonung der katholischen Wahrheit. Wer sich rühmt, auf einen derart hervorragenden Lehrer zurückzugreifen und wir freuen uns, daß es sehr viele sind, denn das liegt in unserem Interesse und entspricht unserer ganz besonderen Verehrung für ihn, soll ihn sich als Beispiel der Mäßigung im Ausdruck und seine liebenswürdige Art des Verhaltens bei den Auseinandersetzungen mit den Gegnern vor Augen halten. Wer aber nicht zu seiner Schule gehört, möge sich bemühen, auch seinerseits diese Methode zu übernehmen ...“ (24). 7. Ich mache mir diese weisen Empfehlungen von Papst Benedikt XIV. zu eigen und dehne sie aus auf das ganze weite sozusagen weltumfassende Gebiet der Beziehungen zu den Kulturen und Religionen, wenn es um das heute mehr denn je notwendige Bemühen um die Evangelisierung der Welt geht. Gewiß muß diese nach dem Auftrag Jesu Christi selbst erfolgen (vgl. Mt 28,19). Das Konzil zunächst und dann mein Vorgänger Paul VI. in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi haben erklärt, in welchem Verhältnis die Predigt des Evangeliums zu den Kulturen steht, und ich selbst habe, angefangen mit meiner ersten Enzyklika Redemptor hominis, die Notwendigkeit des Eindringens in den Bereich der Kulturen, ja sozusagen in die Seele der Völker betont. Damit entsteht das Problem der sogenannten „Inkulturation“ der Botschaft des Evangeliums, und wir erfahren zweifellos jeden Tag neu, wie komplex und schwierig zu lösen, aber auch wie unbedingt dringend es ist. Gerade von der Methode des hl. Thomas her kann der Zugang zu den Philosophien und Kulturen Licht empfangen, um sie klar zu erkennen und ihre Werte zu übernehmen, die Katechese und die christliche Predigt anzupassen an ihre Eigenarten und Rhythmen sowie an ihre geschichtliche Art, an die Wirklichkeit heranzutreten, um deren tiefere Ursachen und letzten Gründe zu erfassen. 8. Der hl. Thomas konnte gewiß nicht eine derart weite, komplexe und ausgeprägte kulturelle und religiöse Welt vorausahnen, wie wir sie heute kennen, er konnte daher auch keine kon- 1078 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kreten Lösungen für die gewaltige Menge spezifischer Probleme vorlegen, die uns heute aufgetragen sind. Da aber sein Hauptanliegen darin bestand, in der universalen Wahrheit verankert zu bleiben, die objektiv gegeben und zugleich transzendent ist, um ihr selbstlos zu dienen und sie überall zu suchen, auch wenn ihm nur ihr Widerschein begegnete, weil er überzeugt war: „Was immer jemand an Wahrem sagt, das kommt vom Heiligen Geist“ (vgl. PL 191,1651; 17, 258; I-II, q. 109, a.l, ad 1), hat er doch eine Methode missionarischen Vorgehens entworfen, die im wesentlichen noch heute gilt, auch auf der Ebene der ökumenischen und interreligiösen Beziehungen, ganz abgesehen von der Auseinandersetzung mit allen alten und neuen Kulturen. Die ausdrückliche und klare Bezugnahme des engelgleichen Lehrers auf den Heiligen Geist, auch bei diesem ekklesiologischen und missionarischen Thema, ist höchst aktuell. Ich habe wiederholt in meinen verschiedenen Dokumenten darauf hingewiesen. Ich bin überzeugt, daß die vom Heiligen Geist belebte Kirche auf dem Weg zu einer neuen und reicheren Phase ihrer Beziehungen zu allen Gruppen von Menschen auf sämtlichen Ebenen, zumal auf geistigem und religiösen Gebiet ist, gerade in unserer Zeit, die Paul VI. „furchterregend und wunderbar zugleich“ nannte. Aber es ist eine Tatsache, daß sie im Bewußtsein der Möglichkeiten und Risiken, die ein solcher Weg mit sich bringt, ihren Söhnen mit mütterlichem Nachdruck weiter jenen demütigen und großen „Führer bei den Studien“ empfiehlt, als der sich die Jahrhunderte hindurch der hl. Thomas von Aquin erwiesen hat. Allen erteile ich von Herzen meinen Segen. Der Priester wird im Dienen Christus ähnlich Predigt zur Eröffnung der achten Weltbischofssynode am 30. September 1. „Mein Sohn, geh und arbeite heute im Weinberg!“ (Mt21,28). So sagt der Vater heute im Gleichnis zu seinen Söhnen. So spricht er zu denen, die er in der Kirche zum priesterlichen Dienst beruft. Geh und arbeite in meinem Weinberg! Liebe Brüder im Bischofsamt und im Priesteramt und ihr alle, die ihr euch zu dieser achten Vollversammlung der Bischofssynode zusammengefunden habt, um über das Thema: „Die Priesterausbildung heute“ zu beraten, wir wollen uns an dieses Wort des Weinbergbesitzers halten, der heute auch uns ruft. Dieses Wort ertönt an vielen Orten der Erde, in vielen Völkern und Nationen, in vielen Kirchen. Der Weinberg des Herrn ist von weltweiter Ausdehnung, und überall, wo der von Gott erschaffene und von Christus erlöste Mensch lebt, überall, wohin der Geist des heiligen Pfingstfestes gelangt, ist diese Stimme zu hören: Geh und arbeite in meinem Weinberg! Die Jungen und die Alten hören diese Stimme. Sie ist immer ein persönlicher Anruf: Der Herr ruft beim Namen, so, wie er die Propheten und die Apostel berief. Zugleich ist es ein Ruf mitten in der Gemeinschaft: in der Kirche und für die Kirche. Jeder Priester wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt (vgl. Hebr 5,11). 1079 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Bei dieser Synode wollen wir uns auf das Thema der Priesterausbildung konzentrieren. Worin besteht diese Ausbildung? Man kann sagen, sie ist eine Antwort auf den Ruf, den der Herr des Weinberges ergehen läßt. Die erste, die unmittelbare Antwort besteht in der Bereitschaft, auf dem Weg der Berufung voranzugehen, während die indirekte, stufenweise, globale Antwort jene ist, die während des ganzen Lebens und mit dem ganzen Leben gegeben wird. Wir wollen dem verborgenen Sinn dieser Antwort nachgehen. Sie ist einfach und zugleich sehr verflochten, so, wie vieles im Menschen verflochten ist, wie die verschiedenen Umstände seiner Existenz komplex sind, die inneren, wie auch jene, die sich aus den Verhältnissen der Zeit und des Ortes ergeben: die Gegebenheiten der Geschichte, der Umwelt und der Kultur. Wie kommt es, daß der erste Sohn, der - wie die Parabel sagt - gerufen wurde, „ja“ sagt und dann nicht in den Weinberg arbeiten geht, der andere dagegen sagt „nein“ und geht dann doch? Warum geschieht das? Und was ist zu tun, damit der Sohn dann, wenn der Herr des Weinberges ruft, ein reifes und beständiges „Ja“ zur Antwort gibt? 3. Der hl. Paulus schreibt: „Solche Gesinnung habt untereinander, wie sie auch in Christus Jesus war“ (Phil 2,5). Man kann sagen, daß diese Worte eine Definition der Priesterausbildung enthalten. Der Priester ist der Mensch, der diese Gesinnung in ganz besonderer Weise in sich tragen muß. Diese Gesinnung bestimmt das Wesen seiner Priesterberufung. Jeder von uns verwirklicht sich selbst, sein Menschsein, seine Persönlichkeit, indem er Anteil nimmt an der Gesinnung, die in Christus Jesus war und weiterhin in ihm ist. Denn diese Gesinnung hat ja nicht nur eine historische Dimension, sondern sie ist immer lebendig und belebend: sie ist in der Kraft des Heiligen Geistes am Werk, durch sein Wirken im Menschen und in der Gemeinschaft. 4. Der Apostel beschreibt diese „Gesinnung, wie sie in Christus Jesus war“, und seine Beschreibung ist beides zu gleicher Zeit, Hymnus und Kerygma: er verkündigt das Geheimnis Christi! In diesem Geheimnis sind Menschwerdung und Erlösung miteinander verbunden, heilbringende Entäußerung und heilbringende Erhöhung. Christus ist der wesensgleiche Sohn des Vaters; er „entäußerte sich und wurde ein Sklave“ (Phil 2,7). Er war Gott und wurde Mensch, und als Mensch „erniedrigte er sich“ (Phil 2,8). Das Maß dieser Erniedrigung ist der Tod am Kreuz, menschlich betrachtet der entehrendste Tod. In diesem Tod war Christus „gehorsam“, um den Ungehorsam des Menschen zu überwinden. Hier stoßen wir auf die fundamentalen Tiefen der menschlichen Existenz und des menschlichen Lebens. Christus ist die Offenbarung dieser Tiefe. Er ist der Einzige, der aus der Knechtschaft der Sünde zur Befreiung in Gott führen kann. Seine Erhöhung am Kreuz wird zum Beginn und zum Fundament der Erhöhung in Gott. Wir alle sind berufen, an dieser Erhöhung teilzuhaben. Diese Berufung tut sich kund in den Worten: Geh und arbeite im Weinberg deiner Erlösung! Geh und arbeite! Jesus Christus ist der Herr dieses Weinbergs. Geh und arbeite: bleibe bei ihm zur Ehre Gottes, des Vaters. 5. Dieser Ruf ist an jeden Menschen gerichtet. In der Kirche hat er sakramentale Gestalt. Der erste Augenblick der Berufung ist die Taufe. In ihr ist bereits das Priestertum der Gläubigen 1080 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN enthalten. Das Amtspriestertum als Sakrament hat in ihr seine Quelle, und es ist in besonderer Weise mit der Eucharistie verbunden, in der das Geheimnis des Kreuzes und der Erhöhung Christi (das Ostergeheimnis) sich erneuert und zum Wohl der Kirche und der Welt gegenwärtig gesetzt wird. 6. Die Priesterberufung hat eine pastorale Dimension. In seinem Dienen wird der Priester Christus ähnlich, der vorausverkündigt wurde als jener, der „die Irrenden auf den rechten Weg weist, die Demütigen nach seinem Recht leitet, die Gebeugten seinen Weg lehrt“ (Ps 25/24,8-9). Er lehrt durch das Wort des Evangeliums und bestätigt durch seinen messia-nischen Dienst, daß er seine Schafe kennt, und daß diese ihm folgen (Halleluiavers zum Evangelium, vgl. Joh 10,27). Vor allem aber lehrt er durch das Wort seines Kreuzes und seiner Erniedrigung. In ihm zeigt er den Weg, der, einzig und allein, zur Erhöhung des Menschen in Gott führt. Die Priesterausbildung bereitet die neuen Jünger des Herrn und die Nachahmer des Guten Hirten vor. 7. Wenn wir zu Beginn dieser Synodenversammlung miteinander die heiligste Eucharistie feiern, dann ist es für uns alle eine Quelle tiefster Freude, zu wissen, daß alle Gemeinschaften der Kirche, die über die Welt hin verbreitet sind, sich mit uns im Gebet vereinen: auch jene, die hier nicht durch ihre Bischöfe vertreten sein können. Ein Gedenken herzlicher Zuneigung gilt in erster Linie unseren Brüdern in China, sodann den Delegierten der Bischofskonferenzen von Vietnam und Laos. Sie sind noch nicht in unserer Mitte anwesend, wir wünschen und hoffen aber, daß sie es im Verlauf der Arbeiten der Synode werden sein können. Meinen herzlichen und brüderlichen Gruß möchte ich an alle Synodenteilnehmer richten, die hier zusammengekommen sind: Bischöfe und Priester, Auditoren und Auditorinnen, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien aus den verschiedenen kirchlichen Bereichen in allen Kontinenten; Experten, die den Synodenvätem die Arbeiten ihrer besonderen Kompetenz zur Verfügung stellen; an alle, die in verschiedenen Eigenschaften zum guten Ablauf der Synodenarbeit Hilfe leisten, vor allem an die Mitglieder des Generalsekretariats und die Gruppe junger Priester und Seminaristen, die sich zur Verfügung gestellt haben und großmütig ihre wertvollen Dienste leisten. Sie alle heiße ich willkommen und gebe meiner Freude darüber Ausdruck, jetzt, da sich die Aufmerksamkeit und die Hoffnung der Kirche einem so lebenswichtigen Thema zuwendet, wie es das der Ausbildung der Priester ist. Ich danke euch für eure Anwesenheit und gebe meinem Wunsch Ausdruck, daß eure Arbeiten so reiche Früchte tragen mögen, wie sie die kirchlichen Gemeinschaften erwarten. Es tröstet mich, wie schon gesagt, die Gewißheit, daß wir bei diesem Ereignis unterstützt werden durch das Gebet der ganzen Kirche. Der Vater sagt nicht „nein“ auf das Gebet seiner Kinder hin. Er schenkt ihnen den Beistand des Heiligen Geistes, der unbedingt notwendig ist, um dieser bedeutsamen Aufgabe entsprechen zu können. Doch die Gesinnung, die in Christus Jesus ist, muß sich mit derjenigen, die in uns ist, treffen: die Gesinnung Christi muß die unsere werden. 1081 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Durch unsere Arbeiten muß jener „Zuspruch aus Liebe“ (vgl. Phil 2,1) vernehmbar werden, der über die Berufung und das Leben der Priester in der Kirche und in der Welt entscheidet. Der Herr muß uns wachend finden (vgl. Lk 12,37). Christus „ist der Herr - zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil 2,11). Amen. Würdigung der Einheit Deutschlands Telegramm an Bundespräsident Dr. Richard von Weizsäcker vom 3. Oktober Der feierliche Augenblick, in dem die Einheit Deutschlands in freier Selbstbestimmung wirksam wird, ist mir ein willkommener Anlaß, der geschätzten deutschen Nation und allen Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft meine besten Glück- und Segenswünsche zu übermitteln. Den Bürgern, die von der friedlichen Durchsetzung der Freiheit überzeugt waren und daran beständig festgehalten haben, wünsche ich auch in Zukunft Frieden und Wohlergehen sowie die Bewahrung und Fortentwicklung des großen geistlichen Erbes und der hohen menschlichen und christlichen Ideale, die über Jahrhunderte hinweg ihre Nation ausgezeichnet haben. In der Überzeugung, daß das deutsche Volk zum vertrauensvollen Zusammenleben mit allen europäischen Völkern und zur Solidarität mit den Nationen der Welt auch in Zukunft seinen Beitrag leisten wird, erbitte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Bundespräsident, sowie allen Bürgern in Ihrem Land aus Anlaß des ersehnten Tages der deutschen Einheit Gottes reichsten Segen. Durchdrungen vom Wort des Evangeliums Predigt bei der Seligsprechung von Giuseppe Allamano und Annibale Maria di Francia am 7. Oktober 1. „Daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt“ (Joh 15,16). In der Liturgie des heutigen Sonntags kehrt das Bild vom Weinstock wieder. Das Matthäusevangelium nimmt in der Tat das Lied vom Weinberg Jesajas wieder auf, das Lied der Liebe Gottes zu seinem Weinberg, das heißt, seinem auserwählten Volk. Es ist das Lied der Liebe, die nicht, wie es sich gehörte, erwidert wird. Der Evangelist stellt fest, daß sich die Arbeiter im Weinberg das Recht über den Weinberg angeeignet haben, und als der Sohn des Besitzers kommt, nehmen sie ihn nicht als Erben auf, sondern töten ihn. Dieses Bild des Weinbergs ist besonders ausdrucksstark und muß zum Nachdenken anregen. Eindringlich sind auch die Worte des Psalms: „Gott der Heerscharen, wende dich uns wieder zu! Blicke vom Himmel herab, und sieh auf uns! Sorge für diesen Weinstock und für den Garten, den deine Rechte gepflanzt hat“ (Ps 80/79,15-16). 1082 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Der Sohn - der Eckstein - nahm, obwohl ihn die Bauleute verworfen haben (vgl. 1 Petr2,6-7), dennoch.vollständig das Erbe des Weinbergs Gottes an. Durch sein Kreuzesopfer und die Macht seiner Auferstehung nahm er es endgültig an. In diesem Zusammenhang sagt Christus zu den Aposteln: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt“ (Joh 15,16). Dies sind Worte, die Zeugnis ablegen für das Wiedererstehen des Weinbergs Gottes; sie legen Zeugnis ab für die Erlösung. Auch die Apostel sind vom Sohn, dem Erlöser, ausgesandt, damit der Weinberg durch ihren Dienst ständig erneuert wird. Sie sind gesandt, Frucht zu bringen, um das Erbe Gottes zu bekräftigen. Ihr Dienst als Arbeiter im Weinberg wird Frucht bringen aus der Fülle der Gabe, die von Gott kommt: von Gott selbst! 3. Nach ihnen, nach den Aposteln, folgen andere, und sie machen sich auf den Weg durch die Geschichte, von einer Generation zur anderen, um das Erbe Gottes zu bestätigen und Frucht zu bringen, wie die beiden neuen Seligen, deretwegen die Kirche heute feiert. In der zweiten Lesung des heutigen Sonntags stellt der Apostel Paulus, nachdem er einige Ermahnungen gegeben hat, sein Beispiel als Lebensprogramm vor. „Was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut!“ (Phil 4,9). Er kann die Gläubigen dazu einladen, seine „Nachahmer“ zu sein, da er zuerst Nachahmer Christi ist (vgl. Phil 3,17). In jeder Epoche erweckt Gott in der Kirche bestimmte Menschen, damit sie Vorbilder für das Volk Gottes seien. Zu dieser Schar gehören die Priester, die heute seliggesprochen wurden: Giuseppe Allamano und Annibale Maria di Francia. 4. Der selige Giuseppe Allamano folgte seinem Onkel, dem heiligen Giuseppe Cafasso, in der Leitung des kirchlichen Konvikts der „Consolata“ nach; er eiferte seiner Liebe zu den Priestern und der Sorge für ihre geistliche, intellektuelle und pastorale Ausbildung nach und bildete sie gemäß der Anforderungen der Zeit weiter. Er scheute nichts, damit unzählige Scharen von Priestern voll von der Gabe ihrer Berufung ergriffen würden und ihrer Aufgabe gewachsen seien. Er selbst gab das Beispiel und verband seinen Eifer um Heiligung mit der Aufmerksamkeit für die geistlichen und sozialen Nöte seiner Zeit. In ihm war die tiefe Überzeugung verwurzelt, daß „der Priester vor allem ein Mann der Liebe“ ist, „dazu bestimmt, so viel Gutes wie möglich zu tun“, die anderen „mit dem Beispiel und dem Wort“ zu heiligen, mit der Heiligkeit und dem Wissen. Die seelsorgliche Liebe - so sagte er - erfordert, daß der Priester „einen glühenden Eifer um das Heil der Brüder hat, ohne Grenzen und Zögern in seiner Selbsthingabe“. 5. Der Kanoniker Allamano fühlte die Worte Christi direkt an sich gerichtet: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Um mitzuhelfen, der christlichen Gemeinschaft einen solchen Schwung zu geben, gründete er, obwohl er immer als Diözesanpriester aktiv blieb, zuerst das Institut der Missionare und dann das der Missionarinnen der Consolata, damit die Kirche immer mehr „eine fruchtbare Mutter von Kindern“ und ein „Weinberg“ würde, der Früchte des Heils hervorbringt. In dem Augenblick, da er unter die Seligen aufgenommen wird, erinnert uns Giuseppe Allamano daran, daß wir die von Gott empfangenen Gaben mit den Brüdern und Schwestern aller 1083 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rassen und aller Kulturen teilen müssen, wenn wir unserer christlichen Berufung treu bleiben wollen, und daß wir mutig und konsequent Christus jedem Menschen verkündigen müssen, dem wir begegnen, besonders denen, die ihn noch nicht kennen. 6. Dasselbe Feuer der Liebe zum Herrn und zu den Menschen kennzeichnete das ganze Leben und Werk des seligen Annibale Maria di Francia. Seit seiner Jugend war er vom Wort des Evangeliums tief beeindruckt: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9,37-38; Lk 10,2) und setzte seine ganze Kraft für diese edle Aufgabe ein. Das Wissen um die Menge der Menschen, die das Evangelium noch nicht erreicht hatte, und um die nicht ausreichende Zahl von Verkündern der Frohen Botschaft wurde seinem Apostel-und Priesterherzen zur Qual. Darum gründete er zwei Ordensfamilien: die Rogationisten und die Töchter vom Göttlichen Eifer, und er förderte zahlreiche Initiativen, um unter den Gläubigen die Notwendigkeit bewußt zu machen, intensiv für Berufungen zu beten. Er selbst besaß eine tiefe Liebe zu seinem Priesteramt; er lebte es konsequent und pries im Volk Gottes die Größe dieser Aufgabe. Oft wiederholte er, daß die Kirche, um ihre Aufgabe zu erfüllen, „viele heiligmäßige Priester nach dem Herzen Gottes“ braucht. Er spürte es als ein Problem von grundlegender Bedeutung und legte Nachdruck darauf, daß Gebet und geistliche Ausbildung den ersten Platz in der Priesterausbildung einnähmen. Andernfalls - schrieb er - „werden alle Mühen der Bischöfe und Seminarrektoren für eine bloß künstliche Ausbildung der Priester aufgewandt...“ (Scritti, Bd. 50, S. 9). Für ihn war jede echte Berufung die Frucht der Gnade und des Gebets, vorrangig vor allem notwendigen Bemühen erzieherischer und organisatorischer Art. 7. Mit dem Gebet für die geistlichen Berufe verband er eine konkrete Aufmerksamkeit für die spirituellen und materiellen Bedürfnisse der Priester und der Seminaristen. Wo immer einer Not abgeholfen werden mußte - ob es sich um Kinder ohne Familie handelte, um Mädchen in ernsten Gefahren, um beschauliche Klöster in materiellen Schwierigkeiten - immer war er im rechten Augenblick mit Liebe zur Stelle. Allen war er Vater und Wohltäter, stets bereit, persönlich zu bezahlen, und dabei half und stützte ihn die Gnade. Seine Botschaft an uns ist aktuell und dringlich. Das Erbe, das er seinen Söhnen und Töchtern hinterließ, ist verpflichtend. Möge das von ihm begonnene Werk weiterhin reiche Früchte zum Wohl der ganzen christlichen Gemeinschaft bringen, und möge der Herr auf seine Fürsprache der Kirche heiligmäßige Priester nach dem Herzen Gottes gewähren! 8. Die neuen Seligen erstrahlen als Vorbilder priesterlicher Heiligkeit. Als solche stellt sie die Kirche heraus, während die 8. Generalversammlung der Bischofssynode in vollem Gange ist, die zur Überprüfung der wichtigen Frage der Priesterausbildung in unserer Zeit zusammengerufen wurde. Muß man diese Fügung der Vorsehung nicht unterstreichen? Während die Synodenväter nach den am besten geeigneten Lösungen für ein so lebenswichtiges Problem suchen, weisen unsere Seligen klar die Richtung, die einzuschlagen ist. Ihre Existenz und ihre beispielhaften apostolischen Erfahrungen bringen Licht in das Suchen der Synode. Sie wiederholen, daß die Welt heute wie damals heiligmäßige Priester braucht, die zum Herzen des modernen Men- 1084 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen sprechen können, damit es sich dem Geheimnis des lebendigen Gottes öffne. Daß sie hochherzige Apostel braucht, die bereit sind, freudig im Weinberg des Herrn zu arbeiten. 9. „Daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt“! In der Liturgie kehrt der Aufruf an die Arbeiter im Weinberg Gottes wieder, der Ruf an die, die vom Sohn und Erlöser als Apostel ausgesandt worden sind. Der Ruf an alle, die Christus weiterhin zu allen Zeiten und an allen Orten ruft und sendet, wie er jene beiden Priester gerufen und gesandt hat, die die Kirche heute zur Ehre der Altäre erhoben hat: den seligen Giuseppe Allamano, den seligen Annibale Maria di Francia. Außerordentlich war ihre Sendung. Eine Sendung, die eine hohe geistige Reife verlangte. Den Heiligen und Seligen mangelt diese Reife nicht, dank des Geistes der Wahrheit, den Christus seiner Kirche hinterlassen hat. Dank des Geistes der Wahrheit bricht sich die Gewißheit Bahn, daß die Welt Gottes ist. Dank seiner versteht man, daß die Erde ein Weinberg ist, den sich der Mensch nicht aneignen darf; die Erde ist ihm anvertraut worden mit der Aufgabe, sie zu bestellen und zu vervollkommnen. Vom Geist der Wahrheit gehen dieses Bewußtsein und diese Gewißheit aus: ein Bewußtsein und eine Gewißheit voller Liebe zum Schöpfer und zum Geschaffenen, zu Gott und zum Menschen. Danken wir für alle, die Christus, der Sohn und Erlöser, weiterhin auswählt, damit sie hingehen und Frucht bringen. Und möge diese Fracht „das Antlitz der Erde erneuern“ (vgl. Ps 104,30)! Amen. Verkünder der befreienden Botschaft Ansprache an die Neupriester des Collegiums „Germanicum et Hungaricum“ und deren Angehörige am 12. Oktober Am 10. Oktober wurdet ihr, liebe Neupriester, durch die Handauflegung des Hochwürdigsten Herrn Bischofs von Mainz zu Priestern geweiht. Wenn ich euch, eure Eltern und Angehörigen sowie die Hausleitung des Pontificio Collegiums Germanicum et Hungaricum während der Zeit der Bischofssynode zum Thema „Die Priesterausbildung heute“ empfange, bietet sich in besonderer Weise die Gelegenheit, über das Priestertum nachzudenken. Ihr wurdet im „Ignatianischen Jahr“ der Gesellschaft Jesu in der Kirche San Ignazio geweiht. Auch in eurer geistlichen Ausbildung ist der hl. Ignatius für euch wichtig geworden. In La Storta hatte dieser große Heilige, der mit seinen Mitbrüdem die Beschlüsse des Trienter Konzils gerade in den deutschen Landen verbreitete, die Vision, in der ihm, „dem Pilger“, der kreuztragende Christus sagte: „Ich will, daß du uns dienst.“ Erinnert euch immer wieder daran, gleich welchen Dienst ihr in euren Heimatdiözesen oder in der Weltkirche übernehmen werdet: die Priesterweihe macht euch zu Verkündern der befreienden Botschaft Jesu Christi und zu Dienern der Freude am Volk Gottes. Die Priesterweihe ist nicht der Endpunkt eines langen Ausbildungsweges, vielmehr habt ihr durch euer „Adsum“ zum Ausdruck gebracht, daß ihr euch auf einen Weg macht, der Weg der „Kirche in der Welt von heute“ ist. 1085 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieser Weg erfordert von euch nicht nur eine ständige intellektuelle Weiterbildung, sondern ebenso ein kontinuierliches menschliches und spirituelles Wachstum. Ihr, liebe Neupriester, habt den Ruf Christi gehört: „Ich will, daß du uns dienst.“ Eure Angehörigen haben euch durch ihr begleitendes Gebet geholfen, diesen Ruf mit einem freien und frohen Ja zu beantworten. Mit eurer Priesterweihe habt ihr einen entscheidenden Schritt in eurem Leben getan. Ich erbitte euch Gottes Segen, daß ihr den Weg Jesu Christi weitergeht: in geistlicher Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Heiligen Petrus, mit euren Bischöfen und euren Mitbrüdem sowie mit dem ganzen Volk Gottes. Dazu erteile ich euch und allen Anwesenden von Herzen meinen Apostolischen Segen. Der Jugend Vorbilder der Heiligkeit vor Augen stellen Schreiben an den Generalobem der Kongregation vom Leiden Jesu Christi, P. Orbegozo Jauregui Jose Augustin, vom 16. Oktober 1. Nachdem sie am 2. Mai d.J. den 50. Jahrestag der Kanonisation der hl. Gemma Galgani begangen hat, gedenkt die Kongregation vom Leiden Jesu Christi heute, am 16. Oktober, der hundert Jahre seit der Geburt der hl. Maria Goretti. Am 2. November geht ferner das Jahrhundert seit dem Tod des seligen Pio Campidelli zu Ende. Es sind bedeutsame Ereignisse, die zu einer Vertiefung in die geistliche Botschaft einladen, die diese echten Zeugen Gottes hin-terlassen haben. Daher vereinige ich mich gern mit der Freude dieser Ordensfamilie bei Gelegenheit so glücklicher Ereignisse, in dem Bewußtsein, daß sie einen guten Anlaß für eine entsprechende Katechese, zumal für die Welt der Jugend, bieten. <812> <812> Die hl. Gemma Galgani (1878-1903) nahm auf mystische und einzigartige Weise am Leiden Christi teil und war glücklich, sich als „Keim aus seinen Wunden“ zu fühlen. Sie brannte vor Liebe zum Gekreuzigten und bot sich als Opfer für die Bekehrung der Sünder an. Die hl. Maria Goretti (1890-1902), Jungfrau und Märtyrerin, widerstand dank der gediegenen christlichen Bildung, die sie in Familie und Pfarrei empfangen hatte, jeder Nachstellung und zog den Tod einem Verlust ihrer Jungfräulichkeit vor. Die Passionisten, die ihren Heiligsprechungsprozeß betreut haben, versehen mit Eifer den Dienst am Heiligtum von Nettuno, wo ihre sterblichen Überreste aufbewahrt werden. Pio Campidelli (1868-1889) war Mitglied des Passionistenordens, und ich hatte die Freude, ihn 1985 seligsprechen zu dürfen. Er leuchtete hervor durch seine heroische Treue zum Evangelium, die in der Erfüllung der täglichen Pflichten und im immer bereitwilligen Dienst am Nächsten zum Ausdruck kam. Zu dieser Schar echter Apostel Christi gesellt sich der hl. Gabriel von der schmerzhaften Mutter (1838-1862), dessen hundertfünfzigster Geburtstag vor etwa zwei Jahren begangen wurde. Er stammte aus Umbrien und verbrachte sein kurzes Leben in den Abruzzen, wo sich das ihm geweihte Heiligtum befindet, das Ziel zahlreicher Pilger ist. Am 30. Juni 1985 durfte auch ich vor seiner Urne verweilen und dann eine große Schar von Jugendlichen an den Hän- 1086 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen des majestätischen Bergmassivs des Gran Sasso d’Italia treffen. Als Sohn des Gouverneurs von Assisi und glänzender Tänzer ließ Gabriel alles hinter sich, um Passionist zu werden, denn er hatte verstanden, daß einzig die Liebe zu Christus, dem Gekreuzigten, und zu seiner schmerzhaften Mutter den Menschen von seiner Traurigkeit und seinem Unglück auf dieser Erde befreien kann. Diese jungen Menschen, die sich so hochherzig Christus hingegeben haben, bilden leuchtende Beispiele nicht nur für die Ordensfamilie, der sie sich angeschlossen hatten, sondern auch für all jene, die sich von der Spiritualität der Passion des Herrn anregen lassen, und für jeden Christen. Ich vertraue also darauf, daß die Patres Passionisten diese providentielle Gelegenheit ergreifen, um der Jugend unserer Tage solche aktuellen Vorbilder der Heiligkeit vor Augen zu stellen und ihnen die unveränderlichen Forderungen der Nachfolge Christi vorzulegen. 3. Aus der Passion, dem Geheimnis des Heils, entspringt die Energie der Liebe. Das Leiden des Herrn lädt die Gläubigen ein, sich wie Jesus gänzlich und ausschließlich dem Vater hinzuschenken, damit sich sein Plan der Barmherzigkeit für die ganze Menschheit erfüllt. Aus der Passion erfließt die Anregung zu einem anderen Lebensstil, der die Jungen und Mädchen von heute nicht uninteressiert lassen kann, da sie doch so nach Wahrheit und Gemeinschaft dürsten und nach echten und dauerhaften Gehalten verlangen, die sie sich in ihrem Leben zu eigen machen können. Auch wenn sie die christliche Botschaft ablehnen oder ihr gegenüber gleichgültig bleiben, können die Jugendlichen doch nicht ihr Verlangen nach dem Transzendenten und ihr Suchen nach dem Absoluten verbergen. Ihnen muß daher klar das Heil verkündet werden, stets begleitet vom Zeugnis eines konsequenten und frohen Lebens. Die Erzieher aber müssen immer bereit sein, sie anzuhören und sie geduldig, wenn auch mit der notwendigen Festigkeit, einen geistlichen Weg führen, der ihrem Alter entspricht. Unter den Prioritäten der neuen Evangelisierung ist die Aufmerksamkeit für die Welt der Jugendlichen zu betonen und eine erneuerte Pastoral, die sie direkt einbezieht. Alle müssen sich notwendig tief der Dringlichkeit dieser Aufgabe bewußt sein. „Der Mensch ohne Gott kann sich selbst nicht begreifen noch ohne Gott sich selbst verwirklichen. Jesus Christus ist vor allem darum in die Welt gekommen, um einem jeden von uns dies bewußt zu machen. Ohne ihn würde diese grundlegende Dimension der Wahrheit vom Menschen allzu leicht im Dunkel versinken“ (Brief an die Jugendlichen in der Welt zum Internationalen Jahr der Jugend 1985, Nr. 4). Gemma Galgani, Pio Campidelli, Maria Goretti und Gabriel von der schmerzhaften Mutter zeigen konkret, daß Gott das höchste Gut ist und das Herz des Menschen gänzlich zu erfüllen vermag. Sie bezeugen, daß es neben dem Sakrament der Ehe als kostbarem Weg der Heiligung der Eheleute andere Berufungen gibt, wie den priesterlichen Dienst und die verschiedenen Formen des gottgeweihten Lebens, die alle eine endgültige und kompromißlose Übergabe seiner selbst an den Herrn verlangen. Sie weisen zumal auf den Wert des Zölibates und der Jungfräulichkeit um des Himmelreiches willen hin. In diesem Licht erscheint eine entsprechende Katechese angebracht, die die Wichtigkeit der Tugend der Reinheit bei der Formung des Christen und zumal bei der Erziehung der Jugendlichen und der Heranwachsenden herausstellt. Vor allem dank einer affektiven Reife, die sich vom Gebet nährt, dank des Opfergeistes und der Offenheit für die anderen ist es möglich, zu echter, innerer Freiheit 1087 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und zu voller Liebesfähigkeit zu gelangen. Daher soll niemand mutlos werden, der für die Erziehertätigkeit verantwortlich ist, und er soll diese Werte immer wieder betonen und dabei den Jugendlichen das, wenn auch hohe, Ideal der gänzlichen Treue zu Christus vor Augen führen, der uns „durch den Tod seines sterblichen Leibes versöhnt, um uns heilig, untadelig und schuldlos vor sich treten zu lassen“ (Kol 1,22). 4. Viele halten heute die materiellen Güter, wie z. B. Reichtum, Vergnügen und Erfolg, für absolut und endgültig mit der Folge, daß, wenn diese Güter verblassen, sie orientierungslos, enttäuscht und entmutigt dastehen. Einige Jugendliche flüchten sich dann ins künstliche Paradies der Droge, oder sie überlassen sich der Verzweiflung und geben zuweilen sogar der Versuchung zum Selbstmord nach. Erneut bieten Gemma Galgani, Maria Goretti, Pio Campidelli und Gabriel von der schmerzhaften Mutter mit ihrem Leben ein Beispiel dafür, wie man derart hinterhältigen Versuchungen widerstehen kann. Sie zeigen, daß Freude und Frieden Frucht der täglichen treuen Nachfolge Christi bis nach Golgota sind, auch wenn es Opfer, sogar erhebliche Opfer kostet. Wer heute in vertrauensvoller Hingabe das Kreuz umfaßt, dem fehlen nie Mut und Kraft, selbst wenn das höchste Opfer, nämlich das des Lebens, gefordert würde, wie es bei der zwölfjährigen Maria Goretti der Fall war. Vom Gekreuzigten geht die Fähigkeit aus, das eigene Leben für die Brüder und Schwestern hinzuschenken; von dort entspringen Freude und innerer Friede. Das Kreuz ist die konkrete Schule der Liebe und Solidarität; es treibt zum Einsatz für die Förderung der schwächeren Mitmenschen, zur Versöhnung und zum Verzeihen. 5. Aus ganzem Herzen danke ich dem Herrn, vereint mit der ganzen Familie der Passionisten, für die Großtaten, die er in diesen jungen Aposteln des Kreuzes Christi gewirkt hat, und ich lade alle ein, die im Verlauf des ganzen Jahres 1990 an sie gedacht haben und weiterhin an sie denken, sich noch mehr in ihre Persönlichkeit und in ihre Botschaft zu vertiefen. Ich erhebe mein inniges Gebet zum Allmächtigen, daß sich viele weitere Jugendliche an diesen Vorbildern ein Beispiel nehmen. Die schmerzhafte Mutter aber möge denen zur Seite stehen, die zur Nachfolge Christi entschlossen sind; sie möge sie stützen und erleuchten bei den anspruchsvollen Lebensentscheidungen; sie möge sie ermuntern, jeden Tag das eigene Kreuz zu tragen (vgl. Lk 9,23). So wird es möglich sein, neue Wundertaten in der Kirche zu erleben, und auch die geistliche Familie der Passionisten wird, wie in der Vergangenheit, ein reiches Aufblühen der Berufungen erleben. Als Unterpfand dieser Wünsche erteile ich endlich Ihnen, den Ordensmännem und Ordens-ffauen Ihrer Kongregation, und allen, die aus dieser Spiritualität Anregung schöpfen, einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 16. Oktober 1990 Joannes Paulus PP. n 1088 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Anstrengungen für bessere internationale Zusammenarbeit begrüßt Glückwunschtelegramm an Michail Sergejewitsch Gorbatschow zur Verleihung des Friedens-Nobelpreises vom 16. Oktober Seiner Exzellenz, Herrn Michail Sergejewitsch Gorbatschow, Präsident der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Moskau In diesem Augenblick, wo Ihnen der Friedens-Nobelpreis 1990 zuerkannt wird, lege ich großen Wert darauf, Ihnen meinen herzlichen Glückwunsch zukommen zu lassen und mich all denen anzuschließen, die Ihre Anstrengungen im Hinblick auf eine bessere internationale Zusammenarbeit begrüßen, bei der Vertrauen und Sicherheit der Menschheit gestatten, gelassener der Zukunft entgegenzublicken. Indem ich Gott, dem Herrn der Geschichte, die Sehnsucht unserer Zeitgenossen nach mehr Gerechtigkeit und Frieden anvertraue, erneuere ich Ihnen den Ausdruck meiner höchsten Wertschätzung und meine besten Wünsche für Ihre Aufgabe. Aus dem Vatikan, den 16. Oktober 1990 Joannes Paulus PP. H Frieden und Versöhnung für den Libanon Botschaft an den maronitischen Patriarchen von Antiochien vom 19. Oktober Seiner Seligkeit Nasrallah Pierre Sfeir, Patriarch der Maroniten von Antiochien, Bkerke’ Libanon Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für die feinfühlenden Wünschen, die Sie zum Jahrestag des Beginnes meines Pontifikats an mich gerichtet haben, sowie für das Gebet der maronitischen Familie. Bei dieser Gelegenheit möchte ich Ihrer Seligkeit und durch Sie allen Libanesen ohne Unterschied noch einmal sagen, wie sehr ich jedem von ihnen in diesen Augenblicken, die sie durchleiden müssen, nahe bin. Ich denke besonders an die Vorkommnisse, die erst kürzlich Tod und Zerstömng angerichtet haben. Für die Familien, die Tote zu beklagen haben, für die Verwundeten und für alle, die durch diese traurigen kriegerischen Ereignisse und deren beklagenswerte Folgen geprüft wurden, flehe ich das Erbarmen und den Trost des Herrn an. Mögen Eure Seligkeit Ihren Landsleuten aller Gemeinschaften versichern, daß ihr Land beständig im Herzen des Papstes ist und daß es in der internationalen Tätigkeit des Heiligen Stuhles einen Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit bildet. 1089 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Von diesen Empfindungen erfüllt, höre ich, nicht auf, Gott zu bitten, er möge allen die Gnade des Friedens und der Versöhnung schenken, damit unverzüglich die Befriedung der Geister und der gemeinsame Wille, miteinander die aufzubauende Zukunft in den Blick zu nehmen, zu einer schnellen Normalisierung des internationalen Lebens beitragen. Schließlich möchte ich mich wiederum an alle Verantwortlichen wenden und an alle, die noch in der Lage sind, selbstlos und wirksam zu handeln: ich bitte sie inständig, den Libanesen zu helfen, daß sie ihre Rivalitäten und den Groll der Vergangenheit überwinden könne. Zugleich hoffe ich sehnlichst, daß alles ins Werk gesetzt wird, damit dieses souveräne Land baldigst von jeder fremdem militärischen Anwesenheit frei sein kann. So werden Ihre Landsleute, wenn sie verantwortlich entscheiden können, besser imstande sein, das Vertrauen in die nationalen Institutionen wiederzugewinnen und mutig eine Gesellschaft wiederaufzubauen, die ihrer geschichtlichen Berufung treu ist. Das ist der Weg, der den Libanesen erlauben wird, die Würde und die Freiheit wiederzufinden, die die Konflikte und die Verletzung der Souveränität ihres Landes zu oft verletzt haben. In Liebe meinen Apostolischen Segen Aus dem Vatikan, am 19. Oktober 1990 Joannes Paulus PP. II Jeder Priester ist ein Missionar Botschaft zum Weltmissionssonntag am 21. Oktober 1990 vom 3. Juni Liebe Brüder und Schwestern! In diesem Jahr wird der Weltmissionssonntag während der Bischofssynode über die Ausbildung der Priester in der Welt von heute begangen. Jeder weiß um die Wichtigkeit dieses Themas für die ganze Kirche und ihre Sendung zur Evangelisierung. Die Kirche existiert, um zu evangelisieren: wenn dies ihre spezifische Aufgabe ist, müssen alle in ihr ein lebendiges Bewußtsein ihrer eigenen Verantwortung für die Verbreitung des Evangeliums haben. In Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus und unter seiner Autorität ist vor allem das Bischofskollegium für die Verkündigung des Evangeliums verantwortlich, mit dem in besonderer Weise die Priester Zusammenarbeiten. „Das Amt Christi, des Hirten und Hauptes, üben sie ... aus, [wenn sie] die Familie Gottes sammeln.“ Sie machen ferner „die Gesamtkirche an ihrem Orte sichtbar“ (Lumen Gentium, Nr. 28). Die Geistesgabe der heiligen Weihe „rüstet sie ... für die alles umfassende und universale Heilssendung ,bis an die Grenzen der Erde’, denn jeder priesterliche Dienst hat teil an der weltweiten Sendung, die Christus den Aposteln aufgetragen hat“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 10). Daher sollen sich alle Priester „zutiefst bewußt sein, daß ihr Leben auch dem Dienst an den Missionen geweiht ist“ (Ad gentes, Nr. 39): jeder Priester ist seiner Natur und Beru- 1090 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fung nach missionarisch. Wie ich schon 1979 im ersten Brief zum Gründonnerstag geschrieben habe, ist „die pastorale Berufung der Priester groß und nach der Lehre des Konzils sogar universal: sie richtet sich auf die ganze Kirche und ist daher auch missionarisch“. Ebenso habe ich in der Ansprache vom April 1989 an die Mitglieder der Kongregation für die Evangelisierung der Völker zunächst daran erinnert, daß „jeder Priester in besonderer Weise Missionar für die Welt“ ist, und dann habe ich alle Priester der Kirche aufgefordert, „sich konkret dem Heiligen Geist und dem Bischof zur Verfügung zu stellen, um zur Predigt des Evangeliums auch über die Grenzen ihres Landes hinaus ausgesandt zu werden“. In der heutigen Botschaft möchte ich einen anderen Aspekt der heutigen Mission unterstreichen, der die jungen wie die alten Kirchen betrifft: die Evangelisierung der Nichtchristen innerhalb einer Diözese oder Pfarrei ist eine erstrangige Pflicht des betreffenden Hirten. Daher sollen sich die Priester persönlich bemühen und die Gläubigen mit heranziehen, um das Evangelium jenen zu predigen, die noch außerhalb der Gemeinschaft der Kirche stehen. Der Großteil der Priester widmet sich der missionarischen Aufgabe in einer Einzelkirche, sei es durch die Sorge für die dort gegebenen missionarischen Situationen, sei es durch Heranbildung und Anregung der Gemeinden, sich an der universalen Sendung der Kirche zu beteiligen. Zur Hinführung der künftigen Priester zum missionarischen Geist gehört, daß sich der Priester überall, wo er weilt, als Pfarrer der ganzen Welt und im Dienst der ganzen missionarischen Kirche fühlt und tätig ist. Er ist der geborene Animator und der Erstverantwortliche für die Weckung des Missionsbewußtseins bei den Gläubigen. Wiederum sagt das Dekret Adgentes (vgl. Nr. 39), das ich bei der Gelegenheit des 25. Jahrestages seiner Veröffentlichung gern erwähne, den Priestern klar, was sie tun müssen, um in den Gläubigen die Liebe zu den Missionen zu wecken: sie sollen unter den Gläubigen ein möglichst lebendiges Interesse für die Evangelisierung der Welt wachrufen und erhalten; sie sollen den christlichen Familien einprägen, daß es notwendig und eine Ehre ist, Missionsberufungen bei ihren Söhnen und Töchtern zu pflegen; sie sollen in den Jugendlichen den Missionseifer nähren, damit aus ihrer Mitte künftige Boten des Evangeliums hervorgehen; sie sollen alle zum Gebet für die Missionen anleiten und - gleichsam als Bettler für das Heil der Seelen - die Gläubigen auch zu hochherzigen Spenden von Geld und Mitteln anregen. Doch wenn sie ein derart weites Herz besitzen und eine so weitgespannte seelsorgliche Tätigkeit ausüben wollen, brauchen sie eine gediegene missionarische Ausbildung, für die vor allem das Seminar während der Jahre der Vorbereitung der künftigen Priester sorgen muß. Wichtig ist, daß in den Programmen der theologischen Studien die Missiologie einen bedeutenden Platz einnimmt. So ausgebildet, werden die Priester ihrerseits die christlichen Gemeinden zu echtem missionarischem Einsatz heranbilden können. Wünschenswert wäre auch, daß sie als eine einzige Priesterschaft mit ihrem Bischof Gelegenheit hätten, bei Tagungen missionarische Fragen gemeinsam zu besprechen, und daß sie Kongresse und Tage für Spiritualität mit missionarischer Thematik besuchen könnten. Neben den Initiativen der Bischöfe für die ständige missionarische Weiterbildung ihrer Priester darf man nicht vergessen, daß allen Christen gediegene und bewährte Wege missionarischer Anregung offenstehen in der Missionsunion des Klerus und der Ordensleute sowie in den anderen Päpstlichen Missionswerken: Missio, Apostel Petrus-Werk und Missionswerk der Kinder. Jede dieser Organisationen hat ihr eigenes Wirkungsfeld für die missionarische 1091 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zusammenarbeit, und alle wollen dahin wirken, daß die Gläubigen bei dieser Zusammenarbeit aktiv mitmachen. Was die Päpstliche Missionsunion des Klerus und der Ordensleute angeht, die vom ehrwürdigen Paolo Manna gegründet wurde, so möchte ich sie, wie es schon meine Vorgänger getan haben, erneut lebhaft als Weg zum Zeugnis und zur Liebe für die Missionen empfehlen. Daher möchte ich das bekräftigen - und die kommende Bischofssynode wird mir dazu Gelegenheit bieten - was Papst Paul VI. ehrwürdigen Andenkens in seinem Apostolischen Schreiben Graves et increscentes vom September 1976 ausgeführt hat: „Die Missionsunion hat als ,Seele’ der Päpstlichen Missionswerke zu gelten ... sie soll diesen helfen, daß sie ihrerseits Schulen missionarischer Bildung seien, daß sie bekannt werden und bei ihren Initiativen und Zielsetzungen Unterstützung finden.“ Der Weltmissionssonntag muß für alle ein wichtiger, jährlich wiederkehrender Termin werden, zumal für die Missionswerke, die ein wertvolles Werkzeug des Nachfolgers Petri und des Bischofskollegiums für die Ausbreitung des Evangeliums sind. Hervorheben möchte ich ferner, daß dieser Tag auf eine ausdrückliche Bitte des Päpstlichen Werkes für die Glaubensverbreitung zurückgeht, der Pius XI. im Jahre 1926 entsprochen hat. Diesem Werk fließen alle Gaben der Gläubigen zu, die an diesem Tag in der Welt gesammelt werden; und mit diesen Gaben werden die jungen Kirchen substantiell bei ihrem Wirken unterstützt: angefangen mit der Ausbildung der Seminaristen, über die der Katechisten, den Bau von Kirchen und Seminarien, bis zum täglichen Brot für die Missionare. Die Nöte, denen die Missionare abhelfen müssen, sind wirklich zahlreich, und daher müßte der Beitrag jener, die ihnen helfen können, hochherzig und beständig sein. Wie sollte man nicht bereitwillig und freudig ihrem Aufruf entsprechen, der die Jugendkraft der Kirche sichtbar macht? Unter den Formen menschlicher Solidarität zeichnet sich die Missionsliebe durch ihr ermutigendes Hoffnungspotential aus: die Mission ist die Zukunft der Kirche. Ich gebe diese Botschaft am Pfingstfest auf den Weg, dem Tag, an dem mit der Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel die Mission der Kirche begann. Diese evangelisierende Tätigkeit geht inzwischen seit zweitausend Jahren im Auf und Ab von Erfolgen und Schwierigkeiten, von Aufnahme und Ablehnung weiter; doch ist die missionarische Verkündigung immer mit der Kraft des Heiligen Geistes erfolgt, der der Erstbeweger der Evangelisierung ist (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 75). Bei den Pastoralbesuchen in den jungen Kirchen, die ich seit Beginn meines Dienstes als universaler Hirte durchführe, konnte ich die wunderbaren Wirkungen feststellen, die der Glaube an Christus und die Kraft des Geistes in den aus der Verkündigung der Missionare entstandenen Gemeinden hervorbringt, und die zuweilen sogar durch das Zeugnis des Martyriums bekräftigt wurden. Auch in den Ländern Afrikas, die ich im letzten Januar besucht habe, hat mich diese Lebenskraft des christlichen Glaubens mitten in der überwältigenden Armut jener Länder überrascht. Ich halte es daher für meine Pflicht, meinen Aufruf an die Wohlstandsländer und an die internationalen Organisationen zu erneuern, damit sie mit hochherziger Solidarität den wachsenden Bedürfnissen dieser Länder zu Hilfe kommen, unter denen sie, ebenso wie ein so großer Teil des afrikanischen Kontinents zu leiden haben. Der missionarische Weg der Kirche ist an der Schwelle des dritten Jahrtausends trotz der erwähnten Prüfungen und Schwierigkeiten voll Hoffnung. Wenn wir an den „neuen missio- 1092 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN narischen Advent“ denken, den die Kirche erwartet, müssen wir die Grundzüge des missionarischen Wirkens bekräftigen und verdeutlichen und in allen einen bewußteren und intensiveren apostolischen Geist wecken. Ich fordere alle zu inständigem Gebet zum Herrn der Ernte auf, er möge Arbeiter zur Verkündigung der Frohbotschaft vom Heil in Christus senden. Doch richte ich diese missionarische Aufforderung besonders an die Jugendlichen. Mögen sie sich für den Missionsberuf zur Verkündigung des Evangeliums offen halten! Zum Abschluß dieser Überlegungen betrachten wir die seligste Jungfrau Maria und beten zu ihr, der Königin der Missionen. Mein Herz erhebt sich zu dem innigen Gebet: sie, die bei der Hochzeit von Kana ihren Sohn bat und von ihm das erste Wunder erlangte; sie, die an seiner Seite stand, als er sich für unser Heil am Kreuze hingab; sie, die mit den Jüngern im Abendmahlssaal anwesend war, als sie einmütig um die Ausgießung des Geistes beteten; sie, die von Anfang an den heroischen Weg der Missionare begleitet hat, möge heute und immer alle ihre Söhne und Töchter anregen, ihrem mütterlichen Beispiel der Sorge und Solidarität mit den Missionaren unserer Zeit zu folgen. Im Namen dieser liebenswürdigen Mutter erteile ich euch allen, liebe Brüder und Schwestern, zur Stärkung den Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 3. Juni, am heiligen Pfingstfest des Jahres 1990, im zwölften Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. n Aufbau geistiger Mauern in Europa verhindern Ansprache bei der Audienz für die Schönstätter Marienschwestem am 23. Oktober Liebe Schönstätter Marienschwestem! Euren vierten Generalkongreß wollt ihr mit einer Romwallfahrt abschließen, um das Grab des Apostelfürsten zu besuchen und dem Nachfolger des heiligen Petrus erneut eure Treue zu bekunden. Ich heiße euch herzlich willkommen und darf meiner besonderen Freude darüber Ausdruck verleihen, daß zum ersten Mal auch Schwestern aus Polen, der Tschechoslowakei und dem östlichen Teil des vereinigten Deutschland in eurer großen Gemeinschaft weilen dürfen. Ihr habt mit eurem Glauben, der der Freiheitsbeschränkung und teilweise der Verfolgung ausgesetzt war, Tag für Tag gleichsam den Ernstfall erfahren müssen. Euer Bekennermut während der Zeit staatsatheistischer Herrschaft möge eingebracht werden in die missionarische Arbeit der ganzen Gemeinschaft. Ihr repräsentiert alle Provinzen und stellt so ein beredtes Zeugnis eures weltweiten Einsatzes für das Reich Gottes dar. Dabei sollt ihr euch dessen bewußt sein, daß eine Evangelisierung der Gesellschaft, in der ihr lebt und arbeitet, nur über Personen erfolgen kann. Die Welt kann nur so weit christlich sein, als wir bereit sind, Gesellschaft und Kultur von innen her mitzu- 1093 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN prägen. Ihr könnt den Menschen zeigen, daß es außer materiellen Werten noch andere gibt, die das Leben wirklich froh machen. Die Mauern in Europa sind zwar gefallen, aber wir müssen verhindern, daß neue geistige Mauern in Europa und in der Welt aufgebaut werden. Dies aber verlangt eure Bereitschaft zur Mitverantwortung in der Kirche, auch im Sinne der marianischen Sendung eures Gründers Pater Josef Kenntenich. Gestern wurde das erste Schönstattheiligtum auf römischem Boden feierlich eingeweiht; es trägt den Titel „Cor Ecclesiae“. Damit wollt ihr bekunden, daß die Gottesmutter das Herz der Kirche ist und als Herz der Kirche wirkt. Die Mutter der Kirche will ihre Liebesmacht zur Geltung bringen, sie will als Erzieherin wirken und so den neuen Menschen und die neue Gemeinschaft formen. In unbeirrbarer Treue zur Kirche hatte der Gründer seinen Gehorsam bewiesen. Das Wort „dilexit ecclesiam“, das sein Leben, Lieben und Gehorchen bestimmte, wünschte er als Inschrift auf seinem Grabstein. Dieses Wort gilt den Mitgliedern des Institutes als Testament. Ihr habt euch das „dilexit ecclesiam“ des Gründers zu eigen gemacht und wollt wie er euch einsetzten für die Kirche. Ihr tut es in der marianischen Gebundenheit und Haltung, die ihn auszeichnete und die er dem Institut einprägte. Vor 25 Jahren bekundete der Gründer vor dem Nachfolger des heiligen Petrus seine Treue. Er gab ihm das Versprechen, daß er mit seiner Gründung mithelfen wolle, daß die Säkularinstitute fruchtbar werden für die Kirche. Das Institut der Schönstätter Marienschwestem ist von den sechs Säkularinstituten das älteste und größte, es ist zugleich das tragende und versteht sich als Seele des Schönstattwerkes. Mit seinen verschiedenen Lebensformen sollt ihr Bindeglied sein zwischen den Orden und den Laien in der Welt. Mit eurem Treueversprechen stellt ihr euch erneut in den Dienst Mariens und verpflichtet euch aufs neue auf das „dilexit ecclesiam“ des Gründers. Für die tagtäglich je neue Verwirklichung eurer Ziele und mit der Versicherung meines Gebetes für euren Beitrag zur Erfüllung der nachkonziliaren Sendung der Kirche erteile ich euch und allen Mitgliedern des Schönstattwerkes von Herzen meinen Apostolischen Segen. Ein Zeichen der Verbundenheit mit dem Papst Ansprache bei der Eröffnung der Ausstellung über den hl. Ignatius in der Vatikanischen Bibliothek am 23. Oktober Meine Herren Kardinäle, ehrwürdige Brüder, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Vor allem danke ich dem Generalobem der Gesellschaft Jesu, P. Peter-Hans Kolvenbach, für die edlen Worte, mit denen er mir seine Empfindungen anläßlich meiner Anwesenheit bei der Eröffnung der Ausstellung über den hl. Ignatius hier in der Apostolischen Vatikanischen Bibliothek zum Ausdruck gebracht hat. Diese Ausstellung über den hl. Ignatius in Rom wird zu Beginn des Ignatiusjahres eröffnet, das fünfhundert Jahre nach der Geburt des hl. Ignatius von Loyola und vierhundertfünfzig Jahre nach der Gründung der Gesellschaft Jesu begangen wird. Es nahm am vergangenen 27. September seinen Anfang zur Erinnerung an jenen 27. September 1540, an dem mein Vorgänger, Paul III., die Gesellschaft Jesu approbierte. 1094 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Die Ausstellung, die heute eröffnet wird, ist ein sichtbares Zeichen für das tiefe Band, das Ignatius und die Gesellschaft Jesu mit Rom und mit dem Papst verbindet. In den Gründungsdokumenten der Gesellschaft heißt es, daß Ignatius und seine ersten Gefährten, die aus verschiedenen Nationen und Reichen kamen, nicht wußten, in welches Land sie gehen sollten, ob zu den Gläubigen oder zu den Ungläubigen. Um hinsichtlich des vom Herrn bestimmten Weges keine falsche Wahl zu treffen, machten sie das Versprechen oder Gelübde, dem Heiligen Vater selbst die Aufgabe zu überlassen, ihnen ihre Bestimmung zu geben in Übereinstimmung mit ihrer Absicht, zur größeren Ehre Gottes in die ganze Welt zu gehen. Die ersten Gefährten lebten ganz nach dieser Formel; sie waren sich bewußt und empfanden sich als „Männer der Kirche“, persönlich und als Gemeinschaft, wie die Jünger um Petrus, verantwortlich für den Dienst an einer hierarchisch gegliederten Kirche. Diese Verbundenheit mit dem Papst wurde, vom hl. Ignatius an bis heute, immer als ein Prinzip betrachtet, das den Daseinszweck der Gesellschaft Jesu darstellt. In den Konstitutionen heißt es: „Alle Gefährten sollen wissen, daß sie nicht nur zu Beginn ihrer Profeß, sondern während ihres ganzen Lebens jeden Tag sich in ihrem Geist vergegenwärtigen müssen, daß die Gesellschaft insgesamt und jeder einzelne in ihr im Dienst Gottes kämpft in vollem Glaubensgehorsam gegenüber unserem heiligen Herrn, dem Papst, und den anderen römischen Päpsten, seinen Nachfolgern.“ 3. Doch Ignatius war auch mit der Stadt Rom durch besondere Bande verbunden. Die Ausstellung ist bemüht, einen Aspekt der Tätigkeit des Ignatius zu zeigen, der ein wenig im Schatten geblieben ist, nämlich sein Einfluß auf das städtische Leben der Zeit Durch diese Ausstellung wird deutlich gemacht, wie die nach seiner Konzeption ins Leben gerufene Gesellschaft Jesu den Anforderungen einer Welt entsprach, deren natürlicher und kultureller Horizont ebenso im Wandel begriffen war wie die Beziehungen der Kirche zur Welt, und wie dringend sie die Not derer empfand, die durch diese Zeitverhältnisse an den Rand gedrängt wurden. Im 16. Jahrhundert konnten sich, wie heute, die Gesellschaft Jesu und der Papst als „Nachbarn“ im natürlich-räumlichen, wie im geistlichen Sinn des Wortes betrachten. So ist es ganz gerechtfertigt, daß die Apostolische Vatikanische Bibliothek als Ort für diese interessante Ausstellung gewählt wurde. Ich freue mich, daß die Ausstellung, die wir heute eröffnen, die Gestalt des hl. Ignatius und das von ihm in der Stadt Rom und für die Stadt Rom vollbrachte Werk besser bekannt werden läßt. Und es ist überdies mein Wunsch, sie möge ein Zeichen sein für den Einsatz aller Jesuiten in der ganzen Welt, das Werk ihres Gründers im Dienst für die Kirche und für das Heil der Welt fortzusetzen in allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens, vor allem in denen, die das Licht des Evangeliums am meisten nötig haben. 1095 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Codex ein nützliches Ordnungsinstrument Ansprache bei der Vorstellung des Codex für die mit Rom verbundenen orientalischen Kirchen während der 28. Generalversammlung der Synode am 25. Oktober Verehrte Brüder, Kardinäle, Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe, sehr geehrte Rektoren und Dekane der Päpstlichen Universitäten und der anderen Institute höherer kirchlicher Studien und der Fakultäten des Kanonischen Rechts in Rom, liebe Söhne und Töchter! 1. Mit tiefer Dankbarkeit und wahrer Freude danke ich Gott, dem Spender alles Guten und aller himmlischer Gnaden, daß er mir heute die besondere Gelegenheit gegeben hat, mit dieser von mir so sehr gewünschten Zusammenkunft die Präsentation des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium zu feiern, den ich am vergangenen Donnerstag, 18. Oktober, dem Fest des Evangelisten Lukas, promulgiert habe, in der zuversichtlichen Hoffnung, daß damit die katholischen orientalischen Kirchen mit der Hilfe Gottes und unter dem mütterlichen Schutz der Allerseligsten Jungfrau Maria noch leuchtender auf ihrem Weg fortschreiten, um in den Herzen der ihnen angehörigen Gläubigen das Reich Gottes zu errichten. Wir erflehen sein Kommen jedesmal, wenn wir in dem Gebet des Vater unser, das unser Herr Jesus Christus uns lehrte, sprechen: „Adveniat Regnum tuum“. Herr Jesus, der allen katholischen orientalischen Kirchen gemeinsame Codex, der zum ersten Mal in der Geschichte der Kirche von deinem Stellvertreter, dem Diener deiner Diener promulgiert wurde, möge ein würdiges Werkzeug dazu sein! 2. Es ist mir höchst willkommen, daß ich diesen Codex anläßlich der Zusammenkunft einer Bischofssynode habe promulgieren können und ihn präsentieren kann im Laufe einer ihrer Generalkongregationen, vor euch, verehrte Brüder, die ihr wahrhaft, wenn auch in je besonderer Weise, alle Kirchen des Orients und des Okzidents vertretet, die, sich gleicher Würde erfreuend, in gleicher Weise der pastoralen Leitung des Papstes anvertraut sind (vgl. Orientalium Ecclesiarum, Nr. 3); vor euch, die ihr gerufen seid, mir zu helfen mit eurem Rat nicht nur bei „Bewahrung und Wachstum von Glaube und Sitte“, sondern auch „bei Wahrung und Festigung der kirchlichen Disziplin“ (CIC, c. 342). 3. Der die universale Kirche repräsentierende Charakter, den diese ehrenwerte Versammlung genießt, gibt mir die Gewißheit, daß durch die Präsentation des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium in einer deren Generalkongregationen mein brennender Wunsch in Erfüllung geht, daß dieser von der ganzen katholischen Kirche gut aufgenommen wird, sowohl von den orientalischen Kirchen, für die er vom 1. Oktober des kommenden Jahres an Rechtskraft erhält, als auch vom gesamten Episkopat der lateinischen Kirche in der ganzen Welt, und daß er zum disziplinären Gut der universalen Kirche gehörig angesehen wird, gleich dem Codex iuris canonici, der im nicht fernen Jahre 1983 promulgiert wurde und für die lateinische Kirche Rechtskraft besitzt. Beide Codices beziehen nämlich ihre Kraft aus derselben Sorge des Stellvertreters Christi, die ganz darauf ausgerichtet ist, in der universalen Kirche jene „tran-quillitas ordinis“ zu begründen, die - wie ich diesbezüglich in den beiden apostolischen Pro-mulgativkonstitutionen der beiden Codices zum Ausdruck bringen wollte - der Liebe, der 1096 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gnade und dem Charisma den Vorrang gibt, und dadurch zugleich deren organische Entfaltung im Leben sowohl der kirchlichen Gesellschaft als auch der Einzelpersonen, die ihr angehören, erleichtert. 4. Als ich den Codex des Kanonischen Rechts für die lateinische Kirche promulgierte, war mir bewußt, daß nicht alles getan war, um in der universalen Kirche eine solche Ordnung zu errichten. Es fehlte eine Neuordnung der Römischen Kurie, und es fehlte, man kann sagen seit vielen Jahrhunderten, ein Codex, der das gemeinsame Recht aller katholischen orientalischen Kirchen enthält, ein Codex, der nicht nur deren rituelles Erbe widerspiegelt und dessen Bewahrung gewährleistet, sondern auch und vor allem deren Lebenskraft, Wachstum und Stärke bei der Erfüllung der ihnen anvertrauten Sendung wahrt, sichert und fördert (vgl. Ori-entalium Ecclesiarum, Nr. 1). Es wurde aller Einsatz und jede Anstrengung daran gesetzt, um so schnell wie möglich diese beiden Lücken zu schließen. Die Neuordnung der Römischen Kurie wurde mit der Apostolischen Konstitution Pastor Bonus vom 28. Juni 1988 besorgt, die - wie bereits beschlossen - den offiziellen Ausgaben beider Codices hinzugefügt werden muß, da sie ein die universale Kirche betreffendes Gesetz ist. Was den gemeinsamen Codex für die katholischen orientalischen Kirchen betrifft, ist man während dieser achten ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode ans Ziel gelangt. Tatsächlich ist erst jetzt die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil begonnene Erneuerung der gesamten Disziplin der katholischen Kirche zu Ende geführt worden. Gott sei dafür gedankt! Wahr ist aber auch, daß die Promulgation des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium den Anfang eines Weges anzeigt, den wir in unserer zuversichtlichen Hoffnung uns leuchtend und fruchtbar wünschen. Wir sprechen ebenfalls den schon im Monat Juni 1986 ausgedrückten Wunsch aus, daß im soeben promulgierten Codex die ehrwürdigen Kirchen des Orients „nicht nur ihre Traditionen und ihre Disziplin erkennen können, sondern auch und vor allem ihre Rolle und Sendung bei der Zukunft der universalen Kirche und bei der Ausdehnung der Dimensionen des Reiches Christi, des Allherrschers“ (AAS 79 [1987] S. 195-196) und daß er wirklich ein „vehi-culum caritatis“ im Dienst der Kirche ist. 5. Den Dingen auf den Grund gesehen, scheint es mir nicht abwegig, zu unterstreichen, daß auch die Codices, die die kirchliche Disziplin regeln, wenn sie auch in zahlreiche Canones und Paragraphen gegliedert sind, als ein besonderer Ausdruck des Gebots der Liebe betrachtet werden müssen, das Jesus, unser Herr, uns beim Letzten Abendmahl übergeben hat. Das Zweite Vatikanische Konzil bezeichnet es da, wo es vom messianischen Volk spricht, als das im Grund einzige Gesetz für dieses Volk, das zum Haupte Christus hat und dem die Würde und die Freiheit der Kinder Gottes eignet. Diesem Volk ist das Reich Gottes bestimmt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 9). Im Licht und auf der Grundlage dieses Gesetzes wurden die drei erwähnten „Gesetzeskörper“ erarbeitet, unter der ständigen Sorge dessen, der als Bischof der Kirche von Rom „in der Liebe den Vorsitz führt“, um den Ausdruck des hl. Ignatius von Antiochia zu gebrauchen, in der Liebe, die alle Kirchen in Liebe eint. 6. Es freut mich, den neuen gemeinsamen Codex der katholischen orientalischen Kirchen dieser ehrenwerten Versammlung vorzustellen, auch aus dem Grund, da diese selbst es war, die 1097 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in unserer gemeinsamen Sorge für das Wohl der universalen Kirche im Schlußbericht der Außerordentlichen Synode 1985 nicht nur den Wunsch aussprach, ein Kompendium der ganzen katholischen Lehre bereitzustellen, auf das die Katechismen oder Kompendien aller Teilkirchen Bezug nehmen müssen, sondern auch das „desiderium celeriter perficiendi Codi-cem Iuris Canonici pro Ecclesiis orientalibus secundem traditionem earundem Ecclesiarum et normas Concilii Vaticani II“. Gerne nahm ich dieses „Desiderium“ der Bischofssynode auf und unterstrich dieses auch in besonderer Weise in meiner Schlußansprache an die genannte Synode (AAS 78 [1986] S. 435), denn es lag mir in der Tat zutiefst am Herzen. 7. Wir können Gott dankbar sein, daß eine der damals aufgestellten Prioritäten in diesen Tagen ihre Erfüllung gefunden hat. Dagegen ist es schwierig, all denen zu danken, die an der Ausarbeitung des Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium mitgearbeitet haben, denn der Weg war lang und begann schon, als Pius XI. in der Audienz für Kardinal Luigi Sincero am 3. August 1927 die Dringlichkeit einer Kodifizierung des orientalischen Kirchenrechts anerkannte. Seitdem sind 63 Jahre vergangen, und der Entstehungsweg des Codex war lang, wie in der Praefatio beschrieben wird. Ich richte jedoch an dieser Stelle ein dankbares Gedenken an die verehrten Kardinale Pietro Gasparri, Luigi Sincero, Massimo Massimi und Pierre Aga-gianian, die bis Mitte 1972 bei der Leitung der orientalischen Kodifizierung aufeinander folgten, und an Kardinal Acacio Coussa, der vor seiner Erhebung zum Kardinal viele Jahre lang diesem Werk seine fleißige und wertvolle Arbeit widmete; ich erinnere mit demselben dankbaren Gedenken an Kardinal Joseph Parecattil, der bis zu seinem Tod die Revision des orientalischen Codex leitete, und an Msgr. Ignace Clement Mansourati, der in der ersten Phase der Arbeiten Vizepräsident war. Ich danke den beiden nachfolgenden, sehr verdienten Vizepräsidenten, Msgr. Myroslaw Stephan Marusyn, der in der Zwischenphase der Arbeiten seinen Beitrag zu diesem Werk leistete, und Msgr. Emilio Eid, der die Last und die Ehre hatte, dieses Unternehmen zur glücklichen Vollendung zu bringen. Ich erinnere mit Dankbarkeit an P. Ivan Zuzek SJ, der bei der Revision des Codex von Anfang an bis heute das Amt des Sekretärs innehatte. Ich danke auch allen Kardinälen, Patriarchen, Erzbischöfen und Bischöfen, die in echt kollegialem Geist zum guten Gelingen des Werkes beigetragen haben, sowie allen Konsultoren, Experten und Mitarbeitern im Büro der Kommission, die mit großer Hingabe daran beteiligt waren. Unter den Konsultoren danke ich in besonderer Weise den Angehörigen des Professorenkollegiums der Fakultät für Kirchenrecht des Päpstlichen Orientalischen Instituts, das auch als solches wertvolle Mitarbeit geleistet hat, und dem hochverehrten Professor Dr. Carl Gerold Fürst, zusammen mit dem von ihm geleiteten „Institut für Kirchenrecht“ der Universität Freiburg im Breisgau für den wertvollen Beitrag bei der Koordination des gesamten Codex. 8. Ich stelle dieser für die Weltkirche so repräsentativen Versammlung den Codex vor, der die allen katholischen orientalischen Kirchen gemeinsame kirchliche Disziplin regelt, und betrachte ihn gleichzeitig als integrierenden Teil des einzigen „Corpus iuris canonici“, der sich aus den drei genannten, im Lauf von sieben Jahren promulgierten Dokumenten zusammensetzt. Vor diesem „Corpus“ kommt wie von selbst die Anregung, an den Kirchenrechtsfakultäten möge ein passendes vergleichendes Studium beider Codices vorangetrieben wer- 1098 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den, wenn diese Fakultäten auch je nach ihren Statuten das Studium des einen oder des anderen zum Hauptgegenstand haben. Die Kirchenrechtswissenschaft, die voll den von diesen Fakultäten verliehenen akademischen Graden entspricht, kann in der Tat auf ein solches Studium nicht verzichten. Auch im Hinblick auf die Priesterausbildung verdienen jene Initiativen Lob, wie zum Beispiel Informationskurse oder Studientage, die eine bessere Kenntnis dessen fördern, was die legitime „in unum conspirans varietas“ des Schatzes der Riten der katholischen Kirche bildet. 9. Was ich gerade gewünscht habe, wird mir auch von der Sorge diktiert, die mir als Oberstem Hirten der Kirche Christi in besonderer Weise gegenüber jenen Gläubigen der orientalischen Kirchen obliegt, die außerhalb der Territorien wohnen, in denen die Patriarchen, Großerzbischöfe, Metropoliten und die anderen Oberhäupter von Kirchen „sui iuris“ gültig die Gewalt ausüben können, die ihnen nach der Norm des festgelegten Rechts von der höchsten Autorität der Kirche und als eine Teilhabe an ihr übertragen worden ist. Für viele dieser Gläubigen hat man gesorgt, indem man eigene kirchliche Zirkumskriptionen, wie Eparchien und Exarchien, errichtete, die von Bischöfen oder anderen vom Heiligen Stuhl ernannten und ihm direkt verantwortlichen Hierarchen regiert werden; andere jedoch sind der Hirtensorge der lateinischen Ordinarien anvertraut. Es war immer und überall der dringliche Wunsch der Päpste, daß alle diese Gläubigen - um die Worte des II. Vatikanischen Konzils zu gebrauchen - „auf der ganzen Welt ihren eigenen Ritus pflegen und nach besten Kräften bewahren“ (Ori-entalium Ecclesiarum, Nr. 4). Der Heilige Stuhl hat besonders durch das beharrliche Wirken der wohlverdienten Kongregation für die orientalischen Kirchen sein Möglichstes getan und wird es immer tun, damit diese Gläubigen überall auf der Welt günstige Voraussetzungen dafür finden, dem eben geäußerten Wunsch zu entsprechen, und er vertraut darauf, daß auch alle Ordinarien, deren Hirtensorge sie anvertraut sind, an dieser Fürsorglichkeit teilhaben. Denn sie müssen sich bewußt sein, daß sie damit der Weltkirche einen wesentlichen Dienst leisten, daß sie Zeugnis ablegen für ihre Sorge um das, was dem Menschen am kostbarsten und seinem Wesen am nächsten ist, nämlich jener Kultur des Herzens entsprechend leben zu können, in die ihn der Schöpfer vom Mutterleib an hineingestellt hat, und daß ein solches Wirken wahrhaft dem entspricht, was das Seelenheil erfordert. 10. Wenn jedes Gesetz, nach dem bekannten Ausspruch des heiligen Thomas von Aquin, „ordinatio rationis ad bonum commune et ab eo, qui curam communitatis habet, promulgata“ (La - Il.ae, Q CX, art. 4, ad 1) ist, so trifft das vor allem und in hervorragender Weise auf die Canones zu, die die kirchliche Disziplin regeln. Es handelt sich dabei im wahrsten Sinne des Wortes um „sacri canones“, wie der ganze Orient sie immer genannt hat in dem sicheren Glauben, daß all das heilig ist, was die Heiligen Hirten, die mit der von Christus verliehenen und unter der Führung des Heiligen Geistes ausgeübten Gewalt bekleidet sind, zum Wohl der Seelen derer festlegen, die durch die Taufe geheiligt, die eine und heilige Kirche bilden. Wenn es auch in beiden Codices viele „leges mere ecclesiasticae“ (rein kirchliche Gesetze) gibt, wie es ein Kanon in beiden Codices ausdrückt (can. 1490; CIC, c. 11), die deswegen vom rechtmäßigen Gesetzgeber durch andere ersetzt werden können, so ist der Grund für ihr 1099 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vorhandensein doch „sakral“, und auch wenn sie der menschlichen „ordinatio rationis“ zuzurechnen sind, wurden sie doch nicht nur nach vielem Nachdenken, sondern auch unter unablässigem Gebet der ganzen Kirche formuliert. Große Weisheit darf man bei jeder der Vorschriften des Codex voraussetzen. Denn sie sind lange und aus jedem Blickwinkel studiert worden unter der Mitarbeit der gesamten Hierarchie der orientalischen Kirchen und im Licht der fast zweitausendjährigen Tradition, die von den ersten „sacri canones“ bis zu den Dekreten des II. Vatikanischen Konzils bestätigt wird. 11. Möge dieser Codex also in seiner Gesamtheit wie auch in jedem seiner Canones von der ganzen Kirche frohen Herzens und in dem Vertrauen angenommen werden, daß seine Beobachtung jene himmlischen Gnaden für alle orientalischen Kirchen erwirken wird, durch die diese auf der ganzen Welt immer mehr aufblühen werden. Das ist ein Anruf, der insbesondere für jene in ihm enthaltenen Normen gilt, die wiederholt im Zentrum meiner Aufmerksamkeit standen und die schließlich so, wie sie im Codex stehen, beschlossen wurden, weil der Papst sie für notwendig hält für das Wohl der Gesamtkirche und um ihre rechte Ordnung und die fundamentalsten und unverzichtbarsten Rechte des von Christus erlösten Menschen zu wahren. 12. Zu diesen Normen gehören jene, die die auf ein bestimmtes Territorium bezogene Gewalt der Oberhäupter der orientalischen Kirchen „sui iuris“ betreffen, wie auch jene, die sich auf den einmütigen Willen der Eltern hinsichtlich dessen beziehen, was das Ritenerbe ihrer Kinder angeht. Glaubt daran, daß der „Herr der Herren“ und der „König der Könige“ es niemals gestatten wird, daß die eifrige Beobachtung dieser Gesetze dem Wohl der orientalischen Kirchen schade. Auf jeden Fall möchte ich zum ersten Problem das wiederholen, was ich bei der letzten Vollversammlung den Mitgliedern der Kommission mitteilte, die den Codex vorbereitet hat. Jetzt, da der Codex promulgiert ist, werde ich mich freuen, die von den Synoden erarbeiteten, ausführlichen und klar auf die Normen des Codex bezogenen Vorschläge zu studieren, von denen man meint, es wäre zweckmäßig, wenn sie durch ein „ius speciale“ und „ad tempus“ spezifiziert würden. Die Verfahrensweise dafür wird übrigens in einem einschlägigen Canon des Codex mit der Klausel, die sich auf das „ius a Romano Pontifice appro-batum“ bezieht, angezeigt. Eine ähnliche Klausel ist auch dem Canon angefügt, der sich mit dem gemeinsamen Willen der Ehegatten bei der Wahl des Ritus für ihre Kinder beschäftigt; sie zeigt das Verfahren und setzt geeignete Hilfsmittel in Kraft, wann immer sich dies für die Bewahrung der Blüte der orientalischen Kirchen in den Gebieten, in denen sie in der Minderheit sind, als wirklich notwendig erweisen sollte. Ich habe jedoch großes Vertrauen darauf, daß die zuständigen Organe in jeder Region, wie die Bischofskonferenzen und die Interrituellen Versammlungen, es verstehen werden, nicht nur das friedliche Zusammenleben der Gläubigen der verschiedenen Riten zu gewährleisten, sondern auch unter Wahrung der Vielfalt der Formen eine einzige Familie der Kinder Gottes zu schaffen, die einander lieben, wie Jesus uns geliebt hat. Und ich vertraue auch darauf, daß alle Kirchen „sui iuris“ zu der Überzeugung gelangen, daß ihr Überleben, die Verteidigung ihrer eigenen Identität, ihr Wachstum und ihr Image in der Welt von heute nicht gefährdet werden, wenn „das Herz, das Gewissen, das Verhalten und die Sitten“ ihrer Gläubigen den tiefsten menschlichen und christlichen 1100 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werten und der „wechselseitigen Unterwerfung der Ehegatten in der Furcht Christi“ (Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, Nr. 24,4) entsprechen. 13. Am Ende dieser meiner Präsentation des allen katholischen orientalischen Kirchen gemeinsamen Codex, muß ich mein achtungsvolles Denken auch allen orthodoxen Kirchen zuwenden. Auch ihnen möchte ich den neuen Codex präsentieren, der von Anfang an auf Prinzipien des echten Ökumenismus konzipiert und ausgearbeitet wurde, vor allem aber in der großen Wertschätzung, die die katholische Kirche für sie als in „fast voller Gemeinschaft“ mit der Kirche von Rom stehende „Schwesterkirchen“ besitzt, wie sich Paul VI. ausdrückte, und in Hochachtung vor ihren Hirten als denen, denen „ein Teil der Herde Christi anvertraut worden ist“. In dem Codex gibt es keine Norm, die nicht den Weg zur Einheit aller Christen förderte, und es gibt klare Vorschriften für die katholischen orientalischen Kirchen, wie diese Einheit zu fördern sei „precibus imprimis, vitae exemplo, religiosa erga antiquas traditiones Ecclesiarum orientalium fidelitate, mutua et meliore cognitione, collaboratione ac fratema rerum animorumque aestimatione“ (Can. 903). Diese Normen gestatten gar nichts, was auch nur von ferne den Anschein von Aktionen oder Initiativen haben könnte, die nicht mit dem übereinstimmen, was die katholische Kirche im Namen des Erlösers des Menschen mit lauter Stimme über die Grundrechte jeder menschlichen Person und jedes Getauften und die Rechte jeder Kirche nicht nur auf ihre Existenz, sondern auch auf ihren Fortschritt, ihre Entwicklung und ihre Blüte verkündet. Während sich alle Katholiken an diese Vorschriften halten müssen, vertraue ich darauf, daß sich überall eine vollkommene Gegenseitigkeit in der Achtung vor solch fundamentalen menschlichen und christlichen Werten bildet, und daß der ökumenische Dialog unter Brüdern, die einander lieben, fruchtbar sein werde bis zu dem Tag, den wir nahe hoffen, an dem wir in der vollen Gemeinschaft aller orientalischen Kirchen an demselben Altar am Leib und Blut Christi teilhaben können in jener Einheit, um die er selbst beim Letzten Abendmahl zu seinem Vater gebetet hat. Möge der neue Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium ein nützliches und wirksames Ordnungsinstrument für das Leben der orientalischen Kirchen sein, damit sie aufblühen für das Heil der Seelen und die Ausbreitung des Reiches Christi zur größeren Ehre Gottes. Die Ausbildung ist schöpferische Teilhabe Predigt in der Eröffnungsmesse des akademischen Jahres am 26. Oktober 1. „Ein einziger Gott, der in allen ist“ (vgl. Eph 4,6). Seit fast vier Wochen sind die Arbeiten der Bischofssynode über das Thema „Priesterausbildung“ im Gang. Dieses Thema, diese Sitzungsperiode der Synode haben in gewissem Sinn etwas gemeinsam mit der heutigen Eröffnung des akademischen Jahres. Wir alle kennen ja die Bedeutung der Seminare und der Universitäten für die Ausbildung, die Erziehung und das Wissen der Priester. Wenn wir heute, wie jedes Jahr, zum Semesterbeginn der Päpstlichen Hochschulen Roms versammelt sind, dann kann uns die Bischofssynode ein Motiv sein, uns mit allen Einrichtungen der Kirche zusammenzufinden, die der Priesterausbildung dienen. 1101 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Ein einziger Gott, der in allen am Werk ist und in allen gegenwärtig ist. Die Eröffnung unseres Studienjahres wird zum Gebet. Wir möchten zur Begegnung mit Gott kommen, der in allen am Werk ist. Dieses Handeln Gottes ist vor allem schöpferisch. Wir stehen vor ihm, dem Schöpfer und Vater. Als Gott den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis erschuf, stellt er ihn vor verschiedene Aufgaben. Er vertraute ihm die Aufgabe an, die Welt zum Wohl des Menschen und zu ihrer „Humanisierung“ umzugestalten, und gab ihm zugleich den Auftrag, wirklich Mensch zu sein. Die Umgestaltung der Welt und die Gestaltung des Menschen gehen Hand in Hand. Die eine und die andere wurzeln im schöpferischen Handeln Gottes. In ihm haben sie ihren Anfang. 3. „Ein Gott und Vater aller, der über allem ist, handelt durch alle und ist in allen“ (vgl. Eph 4,6). Dieses Handeln Gottes ist erlösendes Tun. Nicht nur schöpferisch, sondern auch erlösend. Die Erlösung ist ins Herz der Schöpfung vorgedrungen, um dieses Herz vom Verderben zu befreien, von der Sünde, und ihm den göttlichen Rhythmus wiederzugeben. Gerade darum hat das Konzil daran erinnert, daß Christus dem Menschen den Menschen offenbart hat (vgl. Lumen Gentium, Nr. 22). Er hat ihm die Würde offenbart, die der Mensch von Anfang an besitzt und zu der er unaufhörlich gerufen wird. „Ich, der ich um des Herrn willen im Gefängnis bin, ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging“ (Eph 4,1). Diese Worte führen uns an das Tiefste und Wesentliche der menschlichen, christlichen und priesterlichen Ausbildung heran. Die Ausbildung ist schöpferische Teilnahme am erlösenden Wirken Gottes. Sie bedeutet: mit Seele und Herz in die Schule Jesu Christi gehen: „demütig, friedfertig und geduldig, in Liebe einander ertragend“ (vgl. Eph 4,2). Mit diesen Worten läßt der Apostel erkennen, wie er Jünger Christi ist, und wie jeder Jünger sein soll. 4. „Das Aussehen der Erde und des Himmels könnt ihr deuten. Warum könnt ihr dann die Zeichen dieser Zeit nicht deuten?“ (Lk 12,56), fragt der Evangelist. Die Frage ist heute noch aktueller als sie es damals war, als das Evangelium geschrieben wurde. Der heutige Mensch kennt gewiß die Wirklichkeit des Universums in viel vollkommenerer Weise. Doch zugleich weiß er oft diese Zeit nicht zu „deuten“, diesen göttlichen kaiios in der Geschichte. Er erkennt nicht das schöpferische und nicht das erlösende Handeln Gottes. Und so entgeht seinem Versuch das rechte Maß der Gestaltung und der Umgestaltung. „Wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist“ (Eph 4,4). 5. Der Beginn unseres Studienjahres wird zum Gebet. Es ist das eucharistische Gebet, in dem das erlösende Wirken Gottes fortdauert und sich erneuert als Sakrament des Leibes und Blutes Christi. In diesem Sakrament ist der Heilige Geist am Werk, den die Apostel als Anfang des neuen Gottesvolkes empfangen haben. Der Heilige Geist. Der helfende Tröstergeist. Der Geist der Wahrheit. Er, der „alles ergründet“ (vgl. 1 Kor 2,10). Er kennt die Tiefen Gottes und erneuert das Antlitz der Erde. 1102 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das schöpferische und erlösende Handeln Gottes, der Hauch des Geistes, „der das Leben gibt“: das sind die Quellen unserer Existenz und des menschlichen Verhaltens. Neigen wir uns tief vor dieser Quelle lebendigen Wassers, um aus ihr zu schöpfen. Bitten wir den Geist der Wahrheit, damit wir in unserem Verhalten uns des Rufes würdig zeigen können, der an uns erging! Amen. Fragen der Berufung in ihrer Ganzheit anpacken Ansprache zum Abschluß der Bischofssynode am Ende der 30. Generalversammlung am 27. Oktober Mit Freude erfülle ich in Gemeinschaft mit euch allen, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, meine Pflicht, dem Herrn vor allem für die Einrichtung der Synode, dann aber auch für den Verlauf und die Tätigkeit dieser VIII. Ordentlichen Generalversammlung Dank zu sagen. 1. Denn 25 Jahre trennen uns von der von Papst Paul VI., meinem Vorgänger verehrten Andenkens, bei der letzten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils getroffenen Entscheidung, die Bischofssynode einzurichten. Diese Entscheidung war wahrhaft ein Akt der Vorsehung. In dem vergangenen Vierteljahrhundert haben wir seine Wirksamkeit verspüren und seine Vorzüge schätzen lernen können. Die Bischofssynode entspricht den Bedürfnissen der Kirche, wenn der Nachfolger des Petrus unter Mithilfe seiner Brüder im Bischofsamt in einer komplexen und ständigen Wandlungen unterworfenen Situation die Aufgaben seiner apostolischen Sendung als universaler Hirte erfüllen muß. Auf diese Weise bildet die Synode eine Aktualisierung und eine Illustration der kollegialen Natur des Ordo der Bischöfe (vgl. Lumen Gentium, Nr. 22-23; und Nota Praevia, Christus Dominus, Nr. 4-10), deren sich das Zweite Vatikanische Konzil sozusagen neu bewußt geworden ist. Verglichen mit denen eines Konzils sind die Kompetenzen einer Synode von ihrer Natur her mehr begrenzt. Dafür ist ihre Organisation leichter. Die gegenwärtige Weltsituation erfordert zuweilen eine Präsenz und ein Handeln der Repräsentanten des Kollegiums, das als Nachfolger des Apostelkollegiums den Auftrag erhalten hat, die Kirche zu lehren und zu regieren. Die Synode ist in der Lage, diesen Erfordernissen zu entsprechen. Alle, und der Papst an erster Stelle, sind wir uns bewußt, daß es der Synode zu danken ist, wenn eine gewisse Anzahl entscheidender Probleme angepackt werden und eine kollegiale Antwort gefunden werden konnte, in der die Kirche selbst in ihrer weltweiten Dimension ihre Stimme zu Gehör brachte. Andererseits steht die Synode bei den so unterschiedlichen Bedingungen, in denen die Kirche Christi heute ihren Auftrag erfüllt, im Dienst der Einheit der Kirche, des Mysteriums der Gemeinschaft, das in sich das Geheimnis der Dreifaltigkeit Gottes selbst widerspiegelt. Die Synode ist eine einzigartige Erfahrung der Gemeinschaft der Bischöfe in der Universalität, die den Sinn für die Weltkirche, die Verantwortlichkeit der Bischöfe für die Weltkirche und ihren Auftrag in affektiver und effektiver Gemeinschaft um Petrus stärkt. 1103 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dank der Einrichtung der Synode ist es möglich, in periodischen Abständen die Stimme der verschiedenen Teilkirchen hörbar zu machen und die Erfahrungen der Brüder im Bischofsamt anzuhören, wie es auf dieser Synode geschehen ist, an der zum ersten Mal Repräsentanten einiger Länder des Ostens teilgenommen haben. 2. Von ihrem Wesen her übt die Synode eine beratende Funktion aus. Doch kann ihr in bestimmten Fällen beschließende Gewalt vom Papst übertragen werden, dem die Ratifizierung dieser Beschlüsse zukommt (vgl. Apostolica sollicitudo, und CIC, c. 343). Die Erfahrung der vorangegangenen Synoden erläutert uns den Sinn dieser Unterscheidung zwischen beratend und beschließend. Die ausgedehnte Konsultation, die die synodale Institution bei jeder ihrer Versammlungen gestattet hat, ist nie ohne Früchte geblieben, auch nicht auf der Ebene der Entscheidungen. Aufgrund ihrer Arbeitsstruktur sind die Synoden nicht in der Lage, sofort ein Dokument zu veröffentlichen, das Beschlußcharakter erreicht. Trotzdem inspiriert sich das nachsynodale Dokument an dem, was gemeinsam programmiert worden ist, und man könnte sagen, es enthält dies. Man kann also behaupten, daß die Vorschläge der Synode indirekt die Bedeutung von Entscheidungen erlangen. Denn wenn der Papst nach einer Synode das ihr entsprechende Dokument veröffentlicht, wird er sich bemühen, den ganzen Reichtum der Überlegungen und der Diskussionen, die zu den „Propositiones“ der Synode geführt haben, wie auch soweit möglich die Meinung der Synodenversammlung zum Ausdruck bringen. 3. Während der Arbeiten dieser VIII. Ordentlichen Generalversammlung der Bischofssynode hat uns der Heilige Geist gestattet, einem Anliegen von größter Bedeutung für das Leben der Gesamtkirche zu dienen: der Priesterausbildung. Das ist der zweite Grund, der uns zu danken drängt. Das Thema dieses Jahres ist die Antwort auf ein Ersuchen, das bei der Synode 1987 über die Berufung und Sendung der Laien erhoben wurde. Tatsächlich haben viele Laien auf die enge Verbindung zwischen dem Thema des Jahres 1987 und dem dieses Jahres hingewiesen; ich erinnere wenigstens an die Stimme des Herrn Patrick Reagan. Je mehr sich das Laienapostolat entfaltet, desto stärker spürt man das Bedürfnis nach heiligmäßigen Priestern und gut ausgebildeten Priestern. So spricht das Leben des Volkes Gottes selbst die Lehre des II. Vatikanischen Konzils über die Beziehung zwischen dem allgemeinen Priestertum und dem Dienst- oder hierarchischen Priestertum aus. Denn im Mysterium der Kirche hat die Hierarchie Dienstcharakter (vgl. Lumen Gentium, Nr. 10). Je mehr das Verständnis der den Laien eigenen Sendung vertieft wird, desto mehr tritt das hervor, was dem Priester eigen ist. 4. So hat das Leben der Kirche selbst den Weg gewiesen, um aus der Krise der Identität des Priesters herauszugelangen. Diese Krise war in den Jahren unmittelbar nach dem Konzil entstanden. Ihr Grand war ein irriges, zuweilen sogar bewußt tendenziöses Verständnis der Lehre des Konzils. Hier liegt ohne Zweifel auch eine der Ursachen für die große Zahl von Verlusten, die die Kirche damals erlitt, Verluste, die den pastoralen Dienst und die Berufungen zum Priestertum, besonders die missionarischen Berufungen schwer getroffen haben. Es ist, als sei die Synode dahin gelangt, neue Hoffnung nach diesen schmerzlichen Verlusten einzuflößen, als sie durch so viele Beiträge, die wir in dieser Aula gehört haben, die Tiefe der 1104 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN priesterlichen Identität wiederentdeckte. Diese Beiträge haben das Bewußtsein von dem spezifischen ontologischen Band geoffenbart, das den Priester mit Christus, dem Hohenpriester und Guten Hirten, vereint. Diese Identität liegt der Natur der Ausbildung zugrunde, die im Blick auf das Priestertum und dann das ganze Priesterleben lang erteilt werden muß. Das war der eigentliche Zweck der Synode. 5. Doch bevor ich diesen Punkt weiter ausführe, möchte ich bei einem Problem stehenbleiben, das unsere ganze Aufmerksamkeit auf sich ziehen muß, weil die Zukunft zu einem guten Teil davon abhängt: ich möchte über das Problem der Berufungen sprechen. Während dieser Synode hat uns das unmittelbar dafür zuständige Dikasterium in diesem Punkt aufgeklärt. Es ist notwendig, das Problem in seiner Ganzheit analytisch und synthetisch anzupacken und dabei, wenn nötig, wissenschaftliche Studien zu Hilfe zu nehmen. Wir können, das stimmt, insgesamt eine gewisse Zunahme der Berufungen feststellen. Doch ihre Verteilung ist sehr unterschiedlich: auf der einen Seite leidet man unter einem dramatischen Mangel an Berufungen, auf der anderen Seite treten sie im Überfluß auf. Das führt zu Fragen: Was charakterisiert die Berufungen? Woher kommen sie? Von welchen Faktoren hängen sie ab? Was suchen die jungen Menschen im Priestertum? Viele Synodenväter und einige Auditoren haben an die dringende Notwendigkeit der Arbeit für die Berufungen erinnert; einige haben uns über die ermutigenden Resultate informiert, die sie erhalten haben. Doch die erste Antwort, die die Kirche gibt, besteht in einem Akt des totalen Vertrauens auf den Heiligen Geist. Wir sind zutiefst überzeugt, daß diese vertrauensvolle Hingabe nicht enttäuschen wird, wenn wir dazu der empfangenen Gnade treu bleiben. Wir dürfen nicht aufhören, diese Gnade beharrlich zu erbitten, wie uns Christus lehrt: „Bittet also den Herrn der Ernte“ (Mt 9,38). Das Gebet um Berufungen muß ständig ermuntert und verstärkt werden. Das ganze Volk Gottes muß sich dazu verpflichtet fühlen. Der Priestermangel ist gewiß die Betrübnis jeder Kirche. Aber ist er nicht auch eine Aufforderung zur Gewissenserforschung? Wir müssen uns die Frage stellen: Hängt das vielleicht mit der Tatsache zusammen, daß wir unsererseits den Heiligen Geist betrübt haben (vgl. Eph 4,30)? 6. Es stimmt, daß sich andere, ernste Fragen erheben, wenn der Priestermangel auf tragische Weise wahrgenommen wird, wie zum Beispiel angesichts des besorgniserregenden Phänomens der Offensive einiger Sekten. Einige haben sich gefragt, ob es unter solchen Umständen nicht angebracht wäre, an die Weihe von viri probati zu denken. Diese Lösung darf nicht in Betracht gezogen werden, man muß dem Problem mit anderen Mitteln begegnen. Wie bekannt, wird die Möglichkeit, sich auf die viri probati zu berufen, zu oft im Rahmen einer systematischen Propaganda gegen den Priesterzölibat angewandt. Diese Propaganda trifft auf die Unterstützung und die Komplizenschaft einiger Massenmedien. Man muß also ohne Zögern andere Lösungen für dieses besorgniserregende pastorale Problem suchen. Müßte sich nicht vielleicht jeder Bischof und mit ihm seine ganze Diözese tiefer des gemeinsamen Auftrags bewußt werden, der ihm bei der Evangelisierung der ganzen 1105 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Welt zukommt? Das II. Vatikanische Konzil hat nach Fidei donum an die Erfordernisse der „umfassenden Liebesgemeinschaft“ erinnert (Lumen Gentium, Nr. 23.) Es wird also die Verstärkung der Hilfe ermutigt werden, die die an Priestern reichen Diözesen denen leisten, die zu wenige haben. Angesichts der ernsten Bedrohung, die unter anderem einige Sekten darstellen, wird man aufpassen müssen, daß die Gemeinden von Gläubigen, in denen zur Zeit aufgrund des Fehlens einer ausreichenden Zahl verfügbarer Priester nicht jeden Sonntag die Messe gefeiert werden kann, durch das Anhören des Wortes Gottes, den Empfang der heiligen Kommunion, das Gebet und die brüderliche Einheit leben und sich stärken können. 7. Die Synode hat ohne Möglichkeit von Mißverständnissen die Entscheidung zum Priesterzölibat, wie sie dem lateinischen Ritus eigen ist, bekräftigt. Diese Entscheidung, die aus einer fernen Vergangenheit stammt, offenbart eine tiefe spirituelle und theologische Intuition, die in der sakramentalen Weihe zum Amtspriestertum die Grandlage eines Geschenkes, eines frei empfangenen und von der Kirche beglaubigten Charismas erkennt: das Geschenk der Keuschheit im Zölibat im Blick auf eine ausschließliche und freudige Hingabe der Person des Priesters an sein Amt des Dienstes und an seine Berufung als Zeuge des Reiches Gottes. Ist es nicht vielleicht bezeichnend, daß viele Synodenväter bei diesem Punkt der Zölibatsverpflichtung die Ausübung der anderen Evangelischen Räte an die Seite gestellt haben? Die Synode hat mit der unzweideutigen Bestätigung des Priesterzölibates und der Vertiefung seiner Motive im Namen der ganzen Kirche einen großartigen Akt des Glaubens an die Gnade des Heiligen Geistes geleistet. Wir wissen doch, daß der Heilige Geist es ist, der die Kirche leitet. 8. Die Synode wendet sich sodann mit Aufmerksamkeit den Problemen der Ausbildung zu, sei es der Ausbildung zum Priestertum, sei es der ständigen Weiterbildung, die den Priester sein ganzes Leben lang begleiten muß. Die Überlegungen der Synode haben zu einer Reihe wertvoller Vorschläge geführt. So wurde die Notwendigkeit einer umfassenden Ausbildung unterstrichen, die keinen Aspekt vernachlässigt: menschliche Bildung, lehrmäßige, geistliche, pastorale Ausbildung, die den oftmals schwierigen Umständen Rechnung trägt, in denen der Priester sein Amt ausüben muß. Die Zeugnisse der Hirten der Kirchen, die in der jüngsten Vergangenheit eine lange Verfolgung ertragen mußten, haben dazu beigetragen, in den Erörterungen etwas von der Schwere und auch vom Vertrauen in die Vorsehung Gottes spürbar zu machen; dieser Hauch der Hoffnung ist sicherlich eine der Gnaden dieser Synode. In Feindseligkeit und äußerster Armut verläßt Gott seine Kirche nicht. Eine Art beachtlicher Einmütigkeit verwirklichte sich hinsichtlich der Erfordernisse einer gründlichen geistlichen Ausbildung. Gleichzeitig wurde die Notwendigkeit unterstrichen, die Lehrer und Erzieher gut auszubilden, angefangen bei den Spiritualen. Es muß hinzugefügt werden, daß im Gleichklang mit der geistlichen Ausbildung auch die lehrmäßige Ausbildung Gegenstand der Sorge der Bischöfe sein muß. Der Theologieprofessor hat die Aufgabe, die Glaubenslehre zu unterrichten, die der Glaube der Kirche ist. Er muß selbst ein Mann des 1106 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glaubens sein, der mit dem Beispiel verkündet. Er muß den Jugendlichen, die ihm anvertraut werden, die Liebe zur Kirche vermitteln, die selbst ein Geheimnis des Glaubens ist, sowie die gefügige Annahme des Wortes des Lehramtes. 9. Die Reflexion, die die übermäßige Einsamkeit einiger Priester betraf, wie auch die Anforderungen der ständigen Weiterbildung war Anlaß, über die Lehre zu meditieren, die das II. Vatikanische Konzil hervorgehoben hatte, die Lehre bezüglich der Wirklichkeit des Presbyteriums (vgl. Lumen Gentium Nr. 28; Presbyterorum ordinis, Nr. 7-8). Die Bischöfe und die Priester werden eingeladen, diese Wirklichkeit zu leben, die Quelle einer reichen Spiritualität und einer fruchtbaren pastoralen Arbeit ist. 10. Die erwähnten Probleme betreffen die Gesamtkirche. Die Reflexion muß fortgesetzt werden nach den Richtlinien, die von der Synodenversammlung erarbeitet worden sind, um in den unterschiedlichen Situationen der Ortskirchen angewandt zu werden. Diese Fortführung ordnet sich normalerweise in die Logik der Synodenarbeit ein. Diese wird nicht Früchte bringen, wenn nicht in den anschließenden Verwirklichungen, die durch sie inspiriert und geleitet sind. 11. Es ziemt sich, und ich wünsche es, meine Dankbarkeit allen zum Ausdruck zu bringen, die am guten Ergebnis dieser Synode mitgewirkt haben: - den Synodenvätem, - den Mitarbeitern und den Auditores, - den drei Delegierten Präsidenten und Erzbischof Schotte, dem Generalsekretär der Synode, - dem Generalrelator, dem Besonderen Sekretär und seinen Mitarbeitern, - dem Rat des Generalsekretariats, der nach der letzten Synode die achte Versammlung vorbereitet hat, - allen, die die Arbeiten der Väter vorbereitet haben und die sich am Fortgang der Sitzungen beteiligt haben, damit alles glücklich gelingen konnte. - In erster Linie den Männern und Frauen, die mit ihrem Gebet und ihren Opfern die Synode begleitet haben. Morgen vertrauen wir bei der Eucharistiefeier dem Vater durch den Sohn im Heiligen Geist die erhofften Auswirkungen der Synode an. Wir werden ihn anrufen, damit er diese Arbeiten im Leben der Universalkirche und aller Ortskirchen in der Welt fruchtbar werden lasse. Denn von Ihm, von Ihm allein, dem Vater des Lichts, kommt „jede gute Gabe und jedes vollkommene Geschenk“ (Jak 1,17). 1107 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Liebe - Zentrum der Priesterausbildung Predigt zum Abschluß der Achten Weltbischofssynode am 28. Oktober 1. „Gratias agamus Diese Worte stammen aus der Mitte der Liturgie, die wir gerade feiern. Eucharistie heißt in der Tat Danksagung. „Gratias agamus Domino Deo nostro“. Dies sind die Worte, die der Zelebrant ausspricht... aber leiht er sie sich nicht von Christus selbst? „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde“ (Mt 11,25). Christus dankt Gott für seine Vaterschaft. Er dankt Gott für sein Gottsein. Man kann nie aufhören, Gott für seine Vaterschaft und dem Vater für sein Gottsein zu danken. Dieser Dank übersteigt alles, was die menschliche Sprache ausdrücken kann. Es bleibt allein die Eucharistie, die, als einzige, in angemessener Weise diesen Dank ausdrücken kann, der auf den Lippen des Menschen entsteht, der aber vor allem im Herzen des Sohnes entsteht, der eines Wesens mit dem Vater ist: Gott von Gott! Wir danken, weil Er die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8) und weil er zugleich der ist, der „die Welt geliebt hat“ (vgl. Joh 3,16). Ja. Die Welt existiert nicht nur, sondern sie existiert aus Liebe. Sie existiert nicht nur, sondern sie ist auch geliebt. „Herr, du mein Fels, meine Burg, mein Retter; mein Gott, mein Felsen, auf den ich mich flüchte; mein Schild und mein Schutz, mein mächtiges Heil“ (Ps 18/17,3). 2. „Gratias agamus ...“. Diese Worte stammen aus der Mitte der Liturgie selbst. Mehr noch, sie sind das Herz, das in ihr schlägt. Und dies ist das Herz des Sohnes. „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Die Eucharistie ist das Zeichen, sie ist das Sakrament dieser Gabe des Vaters, die der Sohn ist; für uns Menschen und zu unserem Heil... ist er Mensch geworden, und durch das wirken des Heiligen Geistes wurde er von der Jungfrau Maria geboren. Die Eucharistie ist zugleich die Gabe des Sohnes. Nur der Sohn konnte dem Vater alles geben, indem er die gesamte Geschichte des Menschen durchlief, das Drama der Sünde und des Todes, mit der Macht seines Todesopfers am Kreuz. Nur der Sohn konnte dem Vater das Geschenk seiner selbst an die Menschen zurückgeben. Und nur der Sohn konnte dem Menschen das Geschenk des Vaters wiedergeben - das seinen Ausdruck in der Menschheit selbst hat. Nur Christus konnte den Menschen dem Menschen zurückgeben. Und indem er das tat, konnte er auch den Menschen dem Menschen offenbaren, wie wir in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes lesen (Nr. 22). Er hat den Menschen dem Menschen geoffenbart mit den Worten des Evangeliums, aber vor allem durch das Wort seines Todes und seiner Auferstehung. 3. Das Wort dieser Offenbarung bleibt im Heiligen Geist gegenwärtig, der der Trost des Menschen und der Kirche ist. Gegenwärtig bleiben das Wort des Evangeliums und die Macht der Eucharistie. Es ist Er, der Geist, der als Liebe vom Vater und vom Sohn ausgeht, der bestän- 1108 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dig aus der Erlösung Christi „schöpft“ und sie uns überliefert. Er überliefert sie als Wahrheit und als Leben. Wenn wir als Menschen, die am Priestertum Christi - dem einzigen Priestertum - teilhaben, die Eucharistie „in persona christi“ feiern, dann wirkt in uns und im ganzen Volk Gottes jener unsichtbare Austeiler der Gaben: der Geist der Wahrheit und des Lebens, den der Vater uns im Namen des Sohnes gegeben hat. 4. „Gratias agamus Domino Deo nostro“. Liebe Brüder, während dieser vier Wochen haben wir in unserer Synodengemeinschaft gearbeitet, stellvertretend für den Episkopat der gesamten Kirche. Das Thema unserer Arbeiten war die Priesterausbildung in der Kirche. Unsere Gedanken und unsere Herzen sind erfüllt von den Erfahrungen, die wir gemeinsam gemacht haben und von den Vorschlägen, mit denen ihr nun kurz vor der Abreise steht. Der Bischof von Rom dankt allen für diesen besonderen Dienst, dessen Früchte - nach eurem Wunsch - für die ganze Kirche im nachsynodalen Schreiben Ausdruck finden werden. Im Gedenken an all dies feiern wir diese Eucharistie. Im Nachdenken über das Thema Priesterausbildung sprechen wir die Worte des Dankes aus: „Gratias agamus Domino Deo nostro“. 5. Sind diese Worte nicht vielleicht zugleich ein wesentlicher Schlüssel zum Verständnis des Themas, das wir besprochen haben? Die Priesterausbildung, die „ihre Mitte und ihren Höhepunkt“ in der Eucharistie findet: empfängt sie nicht aus der Eucharistie ihren „Lebenssaft“? Die Eucharistie feiern, die Eucharistie leben bedeutet: beständig - und immer mehr - den Schlüssel für all das entdecken, was das priesterliche Leben und den priesterlichen Dienst angeht, wie auch den Inhalt und die Rangordnung der Werte, die ihm zueigen sind. Diese „Rangordnung der Werte“, als Grundlage der Priesterausbildung: entdecken wir sie nicht in diesem einen Satz „Gratias agamus“? Durch die Danksagung offenbaren sich immer mehr die grundlegenden und endgültigen Inhalte, die die Wahrheit und das Leben sind. Sie sind genau die Inhalte, deren Form die ganze priesterliche Existenz bekleiden muß, damit Zeugnis für Christus abgelegt und dem Nächsten gedient werden kann. 6. „Ich liebe dich, Herr, meine Kraft. Herr, mein Fels, meine Burg, mein Befreier“ (Ps 18/17,2-3). Die heutigen Lesungen erinnern an die Forderungen des ersten und größten Gebots der Liebe und an das zweite, das dem ersten ähnlich ist (vgl. Mt 22,38-39). Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten sind das Zentrum der christlichen Erziehung. In besonderer Weise das Zentrum der Priesterausbildung. Auf welche Weise muß das Wort dieses Gebots, das Wort „Liebe“ die Wahrheit und das Leben unserer Berufung „bekleiden“?. Dies kann nur durch die Offenbarung des Guten verwirklicht werden, durch die Offenbarung der Gabe des Vaters in Christus. Durch die Offenbarung der Gabe, die jeder Mensch und die 1109 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganze Schöpfung in Christus ist. Durch das Wirken des Heiligen Geistes, der uns dies alles lehrt... nicht mit Worten, sondern durch die Kraft der inneren Gnade. Es ist notwendig, daß dieses Wirken beständig mit der Eucharistie zusammenkommt, mit den Worten „Gratias agamus“. Die Danksagung und die Liebe schlagen im selben Rhythmus. Ihre Quelle ist das menschliche Herz, das mit Christus vereint ist, dem Priester des gesamten Universums, dem Priester der Geschichte des Menschen und unserem Meister. Die Wissenschaft steht im Kontext der menschlichen Kultur Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften am 29. Oktober Herr Präsident, meine Herren Kardinäle, Exzellenzen! 1. Mit ganz besonderer Freude empfange ich heute die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, die sich zum Studium des Themas: „Die Wissenschaft im Kontext der menschlichen Kultur“ in Vollversammlung zusammengefunden hat. Ich habe die Freude, zwölf neue Mitglieder in dieser Akademie zu empfangen, die den Päpsten so viel bedeutet und die mein Vorgänger Pius XI. den „wissenschaftlichen Senat des Hl. Stuhls“ nannte. Ich heiße Sie persönlich willkommen, und ich beglückwünsche Sie sehr herzlich. Ich danke Ihnen auch schon für die kostbare Mitarbeit, die Sie der Akademie leisten, und für Ihren Beitrag zu deren Ausstrahlung. Wie Sie wissen, hat Pius XI. 1936 die Päpstliche Akademie der Wissenschaften wirklich wiederbegründet und ihr einen bemerkenswerten Impuls gegeben, und die folgenden Päpste haben sie beständig ermutigen wollen. Mein eigenes Empfinden verbindet sich mit ihrer tiefen Überzeugung von der entscheidenden Rolle, die Kultur und Wissenschaft in unserer Zeit zu spielen berufen sind, und von der Fruchtbarkeit eines vertrauensvollen Dialogs zwischen der Kirche und der Wissenschaft. Demzufolge ist es mein lebhafter Wunsch, die Akademie möge sich ihrer eigenen Natur nach und entsprechend den Anforderungen der zeitgenössischen Kultur, in der sich das lebhafte Verlangen der Menschheit nach Brüderlichkeit und nach einer aufrichtigeren Ausübung der Solidarität ausdrücken, weiter entwickeln. Das Thema Ihres jetzigen Treffens, „Die Wissenschaft im Kontext der menschlichen Kultur“ bestätigt Ihre Absicht, die wissenschaftliche Strenge mit der interdisziplinären Forschung zu verbinden, um die der Akademie erwiesenen Dienste noch zu erweitern. Diese Orientierung entspricht den Erwartungen des Zweiten Vatikanischen Konzils, das der Wissenschaft, der Forschung und allen Dimensionen der Kultur besondere Aufmerksamkeit gewidmet hat. Erinnern wir uns daran, daß dieses Konzil sich der Kultur gegenüber klar ausgesprochen hat, wie es die Pastoralkonstitution Gaudium et spes (Nr. 53) bezeugt. Diese Perspektive erweist 1110 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich als sehr nützlich zur Analyse Ihres Themas. Die anthropologischen Dimensionen der Kultur, die das Konzil sichtbar macht, gehen ja unmittelbar Ihre Untersuchungen an. 2. Die Kultur steht in Beziehung zum Wachstum des menschlichen Daseins, durch die Entwicklung seiner Talente und seiner intellektuellen, moralischen und geistigen Fähigkeiten. Wer sähe also nicht den hervorragenden Beitrag der Wissenschaften zum Fortschritt der Kultur des Geistes? Nicht nur die Gelehrten, sondern unsere Zeitgenossen insgesamt empfangen ihre Bildung im Licht der wunderbaren Fortschritte der Wissenschaft. Sie hat den Geist und die Mentalität unserer Zeitgenossen zutiefst geformt. Neben den mathematischen, physikalischen und Naturwissenschaften und ihren technischen Anwendungen muß man gewiß auch den ansehnlichen Beitrag der menschlichen Wissenschaften sowie den der ethischen und religiösen anerkennen. Die Gesamtheit dieser Disziplinen bildet fortschreitend das gemeinsame kulturelle Erbe. Der Fortschritt der Wissenschaft - das muß man mit tiefer Bewunderung anerkennen — ergibt sich erst, nachdem man sich ihr lange und ernsthaft gewidmet hat, als Frucht einer Askese und Redlichkeit, die die Ehre des wahren Gelehrten sind. Jeder Forscher konzentriert sich methodisch auf den Teil der Wirklichkeit, die er seiner Spezialisierung entsprechend erforscht. In Ihren bestimmten Disziplinen und Ihren präzisen Untersuchungen tragen Ihre Studien als Studien anerkannter Spezialisten erheblich dazu bei, die moderne Kultur durch die Exaktheit der Analysen wie auch durch die Versuche zur Synthese zu bereichern. Wenn ich die Liste der Akademiemitglieder durchsehe, stelle ich mit Freude fest, daß fast alle wissenschaftlichen Disziplinen ehrenvoll darin vertreten sind. Erstmals haben sich Spezialisten der Epistemologie Ihnen angeschlossen. Möge ihr Beitrag die epistemologischen Studien noch verstärken, die Ihre Statuten als eines der Ziele der Akademie darstellen (vgl. Art. 2). 3. Die Sinnforschung wird in der Tat immer mehr zu einer von der wissenschaftlichen Kultur nicht zu trennenden Forderung. Es werden grundlegende Fragen gestellt über das Wie und das Warum der wissenschaftlichen Erkenntnis. Da sich die Disziplinen mehr und mehr spezialisieren, fragen sie zugleich nach dem Sinn der sich anhäufenden Erkenntnisse, nach der Verbindung zwischen dem Wissen und der fast unbegrenzten Fassungskraft der menschlichen Intelligenz. Am Anfang wächst die wissenschaftliche Kultur durch das Aneinanderrei-hen vieler einzelner Studien. Allmählich bildet sich auf einem bestimmten Gebiet ein Mosaik des Wissens. Dieses Mosaik verlangt interpretiert und analysiert zu werden in einer Weise, daß es neuen Anforderungen verstandesmäßiger Anerkennung entspricht, die jede bestehende Disziplin stellt. Ist es nicht ein Zeichen der Reife für eine Wissenschaft, wenn sie sich über sich selbst und über ihre Beziehungen innerhalb des allgemeineren Rahmens der Wissenschaft befragt? Gestatten Sie mir wiederum zu sagen, daß Ihre speziellen Untersuchungen, die sich in der epistemologischen Reflexion über die Bedeutung der Wissenschaft fortsetzen, von der Kirche sehr geschätzt werden. Ihre Studien zeugen vom Bemühen der menschlichen Vernunft, die Wirklichkeit eingehender zu erforschen und die Wahrheit in all ihren Dimensionen zu entdecken. Das ist ein notwendiger und dringender Dienst. Entgegen den wissenschaftsfeindlichen und irrationalen Strömungen, die die heutige Kultur bedrohen, müssen die 1111 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gelehrten selbst die Gültigkeit der wissenschaftlichen Forschung und ihre ethische und soziale Berechtigung aufweisen. Die Vernunft zu verteidigen ist die erste Anforderung jeder Kultur. Die Gelehrten werden in diesem Kampf keine bessere Verbündete finden als die Kirche. Für die Kirche gibt es ja in der Tat nichts Grundlegenderes, als die Wahrheit zu erkennen und sie zu verkünden. Die Zukunft der Kultur hängt davon ab. Daran habe ich kürzlich die katholischen Universitäten in der Apostolischen Konstitution Ex coide Ecclesiae (1990) erinnert: „Denn gerade unsere Zeit bedarf dringend jenes uneigennützigen Dienstes, der darin besteht, den Sinn der Wahrheit zu verkünden, die ein grundlegendes Gut ist, ohne das Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde zugrunde gehen“ (Nr. 4). Das ist die erste Sendung der Kirche, denn sie ist die Dienerin dessen, der sich als den Weg, die Wahrheit und das Leben bekannt hat. Die Kirche macht sich beständig zum Anwalt des Menschen, der fähig ist, die volle Wahrheit anzunehmen. Ebenso ermutigt sie die Forschung, die alle Ordnungen der Wahrheit untersucht; ist sie doch überzeugt, daß sich alle an einem Punkt zusammenfinden zur Ehre des einen Schöpfers, der selbst die höchste Wahrheit und das Licht aller Menschen ist, derer von gestern, wie derer von heute und von morgen. 4. Das führt uns zu einem anderen Aspekt der Kultur, wie er vom Zweiten Vatikanischen Konzil erwogen wurde: Die Kultur wird von unseren Zeitgenossen als eine soziale und historische Wirklichkeit verstanden. Die gesamte Welt der Wissenschaft nimmt lebhaft zur Kenntnis, daß sie sich kritisch mitten in die Entwicklung der zeitgenössischen Kultur hineinstellen muß; denn nunmehr appellieren die Menschen unserer Zeit mit lauter Stimme an die Vertreter der Wissenschaft und erinnern sie angesichts der Forderungen nach Frieden, nach Entwicklung aller Völker und nach Schutz des menschlichen Lebens und der Natur an ihre Verantwortlichkeiten. Dieses neue Bewußtsein der großen Öffentlichkeit hinsichtlich dessen, was die Verantwortung der Gelehrten betrifft, ist ein charakteristischer Zug der modernen Kultur. Und das ist ein klarer Hinweis für die Päpstliche Akademie der Wissenschaften. Mit Genugtuung stelle ich fest, daß Sie Ihre Arbeiten schon deutlich in diesem Sinn orientiert haben. Ohne irgendwie Ihre besonderen Disziplinen zu vernachlässigen, haben Sie in der letzten Zeit mehrere Projekte organisiert, die die gegenseitigen Beziehungen zwischen der Wissenschaft und der zeitgenössischen Kultur unterstreichen. Sie haben methodisch komplexe wissenschaftliche und ethische Probleme untersucht, wie die Entwicklung, den Frieden, die Folgen des Nuklearkrieges, die Umwelt, die Ernährung, die Bioethik, die Lebensqualität, die Gesundheit, den Sinn des Todes, die Beziehungen zwischen der Wissenschaft und der modernen Welt, die Verantwortung der Wissenschaft. Sie haben mutig Studien über die wissenschaftlichen Erfahrungen der Vergangenheit unternommen und insbesondere über den Fall Galilei, ein Problem, das ich ohne Vorbehalte in jeder Hinsicht zu überprüfen gebeten habe. Alle diese Untersuchungen setzen ein sehr umfassendes Verständnis der untersuchten Problematik voraus. Sehr oft erreichen dabei die empirischen, historischen und epistemolo-gischen Aspekte eine philosophische und theologische Dimension. Damit entsprechen Sie einem der Ziele, die in Ihren Statuten formuliert sind (Art. 3), wenn sie verlangen, daß die wissenschaftlichen und technischen Probleme in Verbindung mit der menschlichen Entwicklung untersucht und die moralischen, sozialen und geistlichen Fragen dank Ihres Beitrages gründlicher geprüft werden. 1112 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Meiner Ermutigung anläßlich Ihrer Fünfzigjahrfeier entsprechend wußten Sie das Feld Ihrer Forschung zu erweitern und haben sich mit anderen Organismen des Hl. Stuhls, wie den Dikasterien, den Universitäten und kulturellen Einrichtungen verbunden. Ich spreche Ihnen auch weiterhin Mut zu, diese fruchtbare Zusammenarbeit fortzusetzen. 5. Aus ganzem Herzen also ermuntere ich die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, ihre Tätigkeit auf den beiden bereits vorgezeichneten Linien weiterzuentfalten, nämlich durch Fortsetzung von qualifizierten Spezialstudien und Inangriffnehmen von interdisziplinären Forschungen. Diese beiden Spuren müßten die Akademie beständig dazu anhalten, ihr Handeln neu zu überprüfen und sich der tiefgreifenden Umwandlungen bewußt zu bleiben, die unsere heutige Welt kennzeichnen. Insbesondere möchte ich Ihre Aufmerksamkeit erneut auf die dringenden Probleme der integralen menschlichen Entwicklung und der brüderlichen Solidarität unter den Völkern lenken. Alles läßt vermuten, daß die Menschheit an einen historischen Wendepunkt gelangt. Dank der Wissenschaft und der modernen Techniken hat die sofortige Kommunikation zwischen allen Teilen der Welt es der Gemeinschaft der Völker ermöglicht, sich besser kennenzulemen und hat überall einen unermeßlichen Wunsch nach Freiheit und Würde wachwerden lassen. Die Männer und Frauen der Wissenschaft werden in dem gemeinsamen Bemühen unserer Generation, die Erde bewohnbarer, fruchtbarer und brüderlicher zu machen, eine erstrangige Rolle zu spielen haben. Die zu erfüllende Aufgabe kann utopisch erscheinen und einen gewissen Fatalismus hervorrufen. Wir müssen kraftvoll diesem Irrtum und dieser Versuchung entgegenwirken. Es ist, im Gegenteil, die Stunde gekommen, mit allen Menschen und allen Gruppen guten Willens ein Bündnis zu schließen. Wir müssen die lebendigen Kräfte der Wissenschaft und der Religion zusammenschließen, um unsere Zeitgenossen darauf vorzubereiten, daß sie die große Herausforderung der integralen Entwicklung aufgreifen, und das setzt Kompetenzen und Qualitäten sowohl intellektueller und technischer wie ethischer und geistlicher Art voraus. Ihr Beitrag, Männer und Frauen der Wissenschaft, ist unverzichtbar und dringend. Ich fordere Sie auf, diese Problematik mit all Ihren Talenten und all Ihrer Energie zu erforschen. So wird die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, dessen bin ich sicher, ein beispielhaftes Zeugnis vor der ganzen Gemeinschaft der Wissenschaft geben. 6. Schließlich steht der tiefe Sinn Ihrer eigenen Berufung als Gelehrte in der heutigen Gesellschaft zur Debatte. Wozu dient Ihre Wissenschaft? Wie trägt sie zum menschlichen Fortschritt, zur Kultur, im höchsten Sinn verstanden, bei? Wenn ich diese Frage stelle, übersehe ich nicht den unverzichtbaren Wert der grundlegenden Forschung. Vor der modernen Wissenschaft, die soviel Bewunderung erregt, aber auch so viele Befürchtungen weckt, fragt sich die Kirche zusammen mit euch und lädt die besten Geister ein zur Antwort auf die Fragen, die die Zukunft der Kultur und des Menschen selbst betreffen. Ich vertraue euch an, was ich kürzlich auch zu den katholischen Universitäten sagte: „Auf dem Spiel steht der Sinn der wissenschaftlichen Forschung und der Technik, des sozialen Zusammenlebens und der Kultur, doch noch tiefer betrachtet, die Bedeutung des Menschen selbst“ (Ex corde Ecclesiae, Nr. 7). 1113 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN So erscheint mir also, meine Damen und Herren, das Thema, das Sie in diesem Jahr behandeln: „Die Wissenschaft im Kontext der menschlichen Kultur“, sehr gut entsprechend und verheißungsvoll. Sie haben nicht eine Gelegenheitswahl getroffen, sondern es ist ein Programm, das weiterhin methodisch erforscht werden muß. Im übrigen wollten Sie auch die Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Rat für die Kultur weiter vertiefen, und dazu haben Sie meine volle Ermutigung. 7. Vom Beginn meines Pontifikates an habe ich erklärt, daß der Dialog der Kirche mit der Kultur einen entscheidenden Einsatz für die Zukunft der Menschheit darstellt. Mehr als einmal habe ich diese Überzeugung wiederholt, und ich habe alle Institutionen der Kirche aufgerufen, ihr Handeln im Bereich der Kulturen müsse immer klarer, kraftvoller und fruchtbarer werden. Ich weiß, daß die Päpstliche Akademie der Wissenschaften hinsichtlich der ihr zugrundeliegenden Natur und ihrer Besonderheit ihre Sendung neu bewerten will. Ihre Bemühungen und Ihre Arbeiten in diesem Sinn finden meine volle Unterstützung. Sehen Sie zu, worin Ihre Programme, Ihre Methoden und Ziele überprüft werden könnten, damit sie immer besser den Bedürfnissen und Wünschen der heutigen Kultur wie auch den wiederholten Wünschen des Hl. Stuhls entsprechen. Diese Überprüfung möge geschehen in Verbindung mit den entsprechenden Neugestaltungen, die alle Päpstlichen Akademien in gleicher Weise werden vornehmen müssen, in einem Geist wissenschaftlicher Strenge und zugleich interdisziplinärer Zusammenarbeit. Nach 50 Jahren hervorragenden Dienstes, den sie der Welt der Wissenschaft und dem Hl. Stuhl geleistet hat, kann die Päpstliche Akademie der Wissenschaften mit neuer Entschlossenheit, den kulturellen Herausforderungen einer neuen Epoche zu entsprechen, in die Zukunft blicken. Das ist mein Wunsch für die Akademie und für jeden von Ihnen. Nochmals meinen herzlichen Dank! Ich rufe über Sie den Segen des Allmächtigen herab, der die Wahrheit und die Liebe ist. Das Sterben ist ein Teil des Aufstiegs Predigt auf dem römischen Friedhof Campo Verano am Allerheiligenfest, 1. November 1. „Bis wir den Knechten unseres Gottes das Siegel auf die Stirn gedrückt haben“ (Offb 7,3). Gott hat die Geschichte des Menschen auf Erden mit dem Evangelium der acht Seligpreisungen gesiegelt. Er hat sie gesiegelt mit dem Blut des Lammes. Dieses Siegel ist allen aufgedrückt, die über diese Erde gehen. Alle, die ins Grab hinabsteigen, tragen das Siegel der Erschaffung und der Erlösung an sich. Dieser römische Friedhof und alle Friedhöfe der Welt, die heute besucht werden, geben Zeugnis für das Gesetz des Todes. Oft denken wir nur an dieses, aber wir dürfen nicht das Gesetz des Siegels Gottes vergessen. 1114 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott hat den Menschen nicht nur nach seinem Bild und Ebenbild erschaffen, sondern er hat ihn in seinem ewigen Sohn erschaffen. In ihm heißen wir Kinder Gottes. In ihm werden wir Kinder Gottes und sind es wirklich. Uns ist das Siegel der Erlösung aufgeprägt. Allen! Mit diesem Siegel gehen wir durch die Welt, „leben wir, bewegen wir uns und sind wir“ (vgl. Apg 17,28). Und mit ihm steigen wir hinab ins Grab. 2. Kraft des Siegels Gottes, mit dem unsere menschliche Existenz gezeichnet ist, sind wir eingeladen, hinaufzusteigen, „den Berg des Heim zu besteigen“ (vgl. Ps 23/24,3). Auch unser Sterben ist ein Teil dieses Aufstiegs. Wir leben und sterben im Licht der acht Seligpreisungen. Wahrhaft unerforschlich sind die Wege dieses Aufstiegs durch den Tod hindurch, der die körperliche Verwesung mit sich bringt. Doch diese Wege sind eingeschrieben im Ewigen Wort, das der Sohn des ewigen Vaters ist. Und das Blut des Lammes, mit dem jeder von uns bezeichnet wurde, ist nicht umsonst vergessen worden. Darum soll kein Mensch, der auf dieser Erde lebt, aufhören, das Angesicht Gottes zu suchen, und die Aussicht auf den Tod soll ihn nicht betrüben und ängstigen. 3. „Was wir sein werden, ist noch-nicht offenbar geworden“ (1 Joh 3,2), schreibt der hl. Johannes. Es ist noch nicht offenbar geworden! Ja, die Zeit, in der der Mensch auf dieser Erde lebt, ist die Zeit des Ersehnens und des Eningens, die Zeit des Suchens nach dem Angesicht Gottes mit Hilfe des Evangeliums von den acht Seligpreisungen und durch den Anteil am Blut des Gotteslammes, damit dieses Siegel deutlicher und klarer werde. „Was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, daß wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird, denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1 Joh 3,2). 4. Der Tod ist eine offensichtliche und sichere Tatsache. Jeder Friedhof bestätigt diese Gewißheit. Der Mensch hält ein an seiner Grenze. Die fortgegangen sind, die einem entrissen wurden, prägt man sich in der Erinnerung ein, weiter kann man nicht gehen. Aber die Kirche hält nicht ein, sie geht weiter. Durch die Gräber und Friedhöfe der ganzen Welt führt sie und stützt sie die Hoffnung des Gottesvolkes mit dem Licht des fürbittenden Gebetes, das eine Verbindung zwischen uns und den Seelen der verstorbenen Gläubigen hersteilen kann. Die Kirche läßt uns mit den Worten der Liturgie sprechen: „Gib ihnen die ewige Ruhe.“ „Schenke ihnen deinen Frieden.“ „Das ewige Licht leuchte ihnen.“ Es ist das Licht, in dem wir Gott von Angesicht zu Angesicht schauen. Das Licht der Herrlichkeit, wenn'wir ihm ähnlich werden, nicht nur als Geschöpfe dem Schöpfer ähnlich, sondern auch als Kinder dem Vater ähnlich. Als Söhne im ewigen Sohn! Die Kirche betet so, weil sie so glaubt und so hofft. Wahrhaftig: uns ist das Siegel des lebendigen Gottes aufgeprägt! Amen! 1115 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Apotheker - Mittler zwischen dem Arzt und dem Kranken Ansprache an die Internationale Vereinigung katholischer Apotheker zu deren 40. Gründungsjubiläum am 3. November Herr Präsident, meine Damen und Herren und liebe Freunde! 1. Mit Freude empfange ich Sie hier, die Sie zum vierzigsten Jahresgedächtnis der Gründung der Internationalen Vereinigung katholischer Apotheker hergekommen sind. Ich danke Ihrem Präsidenten Dr. Edwin Scheer für den herzlichen Gruß, den er soeben an mich gerichtet hat, sowie für die von ihm zum Ausdruck gebrachte feste Entschlossenheit Ihres Verbandes, mutig den Zweckbestimmungen zu entsprechen, die von seinen Gründern aufgestellt wurden. Vier Jahrzehnte zunehmender Tätigkeit bestätigen schon in sich selbst den Wert Ihrer Institution. 2. Die Kirche betrachtet, wie Sie wissen, die Aufmerksamkeit gegenüber den Kranken als einen bevorzugten Aspekt ihrer Sendung. In besonderer Weise der geistlichen Unterstützung verpflichtet, könnte sie deswegen doch nicht die körperliche Gesundheit unbeachtet lassen. Hat sie nicht oft sogar etwas aus Ihrer Sprache entlehnt, wenn sie von „heilsamer Gnade“ spricht oder die Tugenden und geistlichen Werte als „Heilmittel“ bezeichnet? Die außerordentliche Entwicklung der Wissenschaft und Praxis der Medizin, der Sorge für die Kranken von seiten der Gesellschaft sowie der vorbeugenden Medizin bringen eine ebenso beträchtliche Entwicklung der Pharmakologie mit sich. Aufgrund dieser Tatsache sieht der Apotheker, der stets einen vermittelnden Dienst zwischen dem Arzt und dem Kranken ausübte, das Feld seiner Vermittlungsfunktion sich ausweiten. Ihr Pflichtbewußtsein bringt Sie dazu, immer mehr über die menschlichen, kulturellen, ethischen und geistigen Dimensionen Ihrer Aufgabe nachzudenken. Die Beziehung zwischen dem Apotheker und dem, der Heilmittel braucht, geht ja in der Tat weit über ihre kommerziellen Aspekte hinaus, denn sie erfordert eine verschärfte Wahrnehmung der persönlichen Probleme des Betreffenden und ebenso der fundamentalen ethischen Aspekte der Dienste, die dem Leben und der Würde der menschlichen Person erwiesen werden. 3. Wie ich zu wiederholten Malen Gelegenheit hatte zu unterstreichen, können Apotheker um Mittel gebeten werden, die nicht therapeutischen Zwecken dienen, sondern geeignet sind, den Gesetzen der Natur zum Schaden der Würde der Person entgegenzuwirken. Es ist also klar, daß der Verkauf von Medikamenten - ihre Abgabe wie ihr Gebrauch - von einem rigorosen Moralkodex gelenkt werden muß, der sorgfältig zu beobachten ist. Der Respekt vor diesem Verhaltenskodex setzt die Treue zu bestimmten unantastbaren Prinzipien voraus, die die Sendung der Getauften und die Pflicht des christlichen Zeugnisses besonders aktuell machen. Das alles verlangt von seiten des Apothekers immer wieder reifliche Überlegung. Die Formen des Angriffs auf das menschliche Leben und auf seine Würde werden zahlreicher, insbesondere unter Zuhilfenahme von Medikamenten, während diese doch niemals direkt oder getarnt gegen das Leben angewandt werden dürfen. Darum hat der katholische Apotheker die 1116 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Pflicht - in Übereinstimmung übrigens mit den unveränderlichen Prinzipien der natürlichen Ethik, die im Gewissen des Menschen verankert sind ein aufmerksamer Berater für diejenigen zu sein, die Heilmittel kaufen, ganz zu schweigen von der moralischen Hilfe, die er allen leisten kann, die beim Kauf eines Erzeugnisses auch einen Rat, einen Grund zur Hoffnung, eine Wegweisung von ihm erwarten. 4. Bei der Abgabe von Medikamenten darf der Apotheker weder im Namen von ehernen Marktgesetzen noch im Namen einer nachsichtigen Gesetzgebung die Forderungen seines Gewissens verleugnen. Der legitime und notwendige Gewinn muß stets der Beachtung des Sittengesetzes und der Treue zum Lehramt der Kirche untergeordnet sein. In der Gesellschaft müßten die katholischen Apotheker zu erkennen sein, die kompetent und zugleich treue Zeugen sind, sonst verlören berufliche Einrichtungen und Fachverbände, in denen sie sich zusammenschließen, ihr Daseinsrecht. Für den katholischen Apotheker ist die Lehre der Kirche über die Achtung vor dem Leben und der Würde der menschlichen Person von ihrer Empfängnis an bis zu ihren letzten Augenblicken ethischer und moralischer Natur. Sie darf keinen Meinungsänderungen unterworfen oder nach fluktuierenden Ansichten angewandt werden. Da die Kirche sich der Neuheit und Komplexität der Probleme bewußt ist, die durch den Fortschritt von Wissenschaft und Technik gestellt werden, läßt sie öfter ihre Stimme vernehmen und gibt dem Gesundheitspersonal, zu dem auch die Apotheker gehören, klare Hinweise. Zu diesen Weisungen stehen, ist sicher eine schwierige Pflicht, die Sie in Ihrer täglichen Arbeit konkret zu beobachten haben, aber es handelt sieh für den katholischen Apotheker um grundsätzliche Orientierungen, auf die er nicht verzichten darf. 5. In der Ausübung Ihres Berufes sind Sie aufgefordert, sich dem Verbraucher von Medikamenten gegenüber als Nächster zu erweisen: er ist für Sie der Nächste, den Sie, nach dem Bild des Barmherzigen Samariters, nicht nur in der Abhängigkeit von seinen unmittelbaren Bedürfnissen sehen, sondern als einen Bruder, der mehr als einer bloß materiellen Hilfe bedarf. Das Evangelium spricht von einer heilenden Macht, die von der Person Christi ausging. Kranke und Behinderte kamen zu ihm als zu dem, der Leib und Seele zu heilen wußte. Aufgrund Ihres Berufes und kraft Ihres christlichen Glaubens sind Sie aufgerufen, in diesem Geist zu handeln. Das war die Idee Ihrer Gründer, die wir heute mit Bewunderung und Dankbarkeit in Erinnerung rufen. Ihre Vereinigung hilft Ihnen, sich Ihre spezifischen Aufgaben klar bewußt zu machen. Die Kirche braucht Ihr Zeugnis, das sich unter anderem dadurch ausdrücken kann, daß Sie sich vor der staatlichen Autorität dafür einsetzen, daß in der Gesetzgebung der geheiligte und unantastbare Charakter des Lebens anerkannt wird sowie all das, was zur Verbesserung der physischen, psychologischen und geistigen Bedingungen beitragen kann. 6. Von ganzem Herzen rufe ich auf Ihre Vereinigung und auf Ihre Familien, sowie auf Ihre tägliche Arbeit die Unterstützung des Segens Gottes herab. Die heiligste Jungfrau, die Mutter der Güte und der Weisheit, leite Sie auf dem Weg des Glaubens und in dem Dienst, den Sie dem Leben erweisen! 1117 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeichen der Heiligen: Die Liebe zu Gott aus ganzem Herzen Predigt bei der Seligsprechung von Marthe Aimee Le Bouteiller, Louise Therese de Mon-taignac de Chauvance, Maria Schininä und Elisabetta Vendramini am 4. November 1. „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht“ (Joh 15,5). Der gute Lehrer spricht in Gleichnissen. Heute erinnert uns die Liturgie an das Gleichnis vom wahren Weinstock und den Reben. Aus dem Text des Evangeliums geht hervor, daß Christus dieses Gleichnis im Abendmahlssaal nach der Einsetzung der Eucharistie erzählt hat, als er im Begriff war, durch das Pascha seines Todes und seiner Auferstehung zum Vater zu gehen. Von diesem Augenblick an haben die Worte Christi: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch“ (Joh 15,4) eine besondere Bedeutung gewonnen. Sie wollen auch sagen: Bleibt in mir durch die Eucharistie, bleibt in mir durch das Geheimnis des Erlösungsopfers. „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht.“ 2. Es ist die Frucht des Gottesreiches. Es ist die Fracht der Heiligkeit. Im Lauf so vieler Generationen haben die Heiligen in vollem Sinn die Wahrheit und die Macht dieser Worte bezeugt. Sie haben in der Tat überreiche Fracht gebracht, denn die Heiligen sind in Christus geblieben, im wahren Weinstock. Heute fügen wir zu der Zahl derer, über deren heiliges Leben die Kirche sich freut, die Namen von folgenden Dienerinnen Gottes hinzu: - Marthe Aimee Le Bouteiller, - Louise Therese de Montaignac de Chauvance, - Maria Schininä, - Elisabetta Vendramini. Von nun an wird die Kirche sie zum großen Trost der Gemeinschaften, aus denen sie kommen, als Selige verehren dürfen. 3. „Du bist mein Herr; mein ganzes Glück bist du allein“ (Ps 15/16,2). Diese Worte des Psal-misten, die die Liturgie des Tages uns auf die Lippen legt, fassen gut das Verlangen nach einer unendlichen Vertrautheit mit Gott zusammen, wie es Schwester Marthe Le Bouteiller empfand. Von dem Wunsch erfüllt, sich ganz dem Herrn und den anderen hinzugeben, trat sie in die von der hl. Marie-Madeleine Postei gegründete Kongregation ein und führte bei ihren täglichen Arbeiten in Küche und Keller, in der Landwirtschaft und auf den Feldern ein Leben der Gottverbundenheit. Nach einem beliebten Grundsatz der Gründerin: „Tun wir so viel Gutes wie nur möglich, so verborgen wie nur möglich“, verrichtete sie „die kleinen Dinge groß“. Schwester Marthe wußte in ihrem verborgenen Leben mit Christus die Seele ihres Apostolates der Güte zu finden: „Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Fracht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5). Sehr verbunden mit der heiligen Gründerin und der seligen Placida Viel, vollbrachte die „gute Schwester Marthe“ ihre bescheidenen Aufgaben mit einer Liebe, die Bewunderung erregt. 1118 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Möge diese neue Selige die jungen Generationen von heute und morgen dazu bringen, die Freude der Hingabe seiner selbst an den Herrn kn geweihten Ordensleben zu entdecken! Möge sie ihnen helfen, den Vorrang des geistlichen Lebens zu begreifen, um am Aufbau der Kirche teilzunehmen und fruchtbar im Dienst der Menschen zu arbeiten! Unsere Zeitgenossen haben es nötig, auf ihrem Weg Gesichtern zu begegnen, auf denen das echte Glück geschrieben steht, das die Gottverbundenheit in sich birgt. Schwester Marthe wußte als echte Barmherzige Schwester die Liebe Gottes auszustrahlen. Ihr äußerst einfaches Leben hinderte die Schwestern nicht, in ihr eine wirkliche geistliche Autorität anzuerkennen. Sie hat zur Ehre des Vaters Frucht gebracht: „Mein Vater wird dadurch verherrlicht, daß ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet“ (Joh 15,8). 4. In der zweiten Lesung dieser Messe fordert der hl. Paulus auf, das Wort Gottes anzunehmen „nicht als Menschenwort, sondern - was es in Wahrheit ist - als Gottes Wort... jetzt ist es in euch, den Gläubigen, wirksam“ (1 Thess 2,13). In diesem Geist hat sich Louise-Therese de Montaignac de Chauvance, die Gründerin der Oblatinnen vom Herzen Jesu, seit ihrer Jugend vom Evangelium und auch von den Psalmen durchdringen lassen, diesen wunderbaren Gebeten, reich an Offenbarungen über Gott und den Menschen. Die Kirche ist sehr darauf bedacht, sie uns jeden Tag in der Feier des göttlichen Offiziums anzubieten. Das Hören auf das Wort Gottes und der Empfang der Sakramente, vor allem der Eucharistie, helfen Louise-Therese, daß sie ein lebendiger Zweig bleibt, dem entsprechend, was Jesus uns im Evangelium sagt: „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch“ (Joh 15,4). „Seit meiner ersten Kommunion bin ich immer unter dem göttlichen Wirken geblieben“, gesteht sie. Als Tochter der Kirche und Frau in der Kirche will sie „dem Herrn dienen, der Kirche dienen, beides ist eins“. Von glühendem apostolischen Geist erfüllt und gestützt von einer lebenerfüllten Frömmigkeit zum Herzen Jesu macht sie sich in enger Verbundenheit mit ihrem Bischof, mit den Priestern ihrer Pfarrei und den gläubigen Laien ans Werk. Sie gründet die Oblatinnen, die aufgrund ihrer Verbundenheit mit Christus und ihrer Verbundenheit untereinander dazu berufen sind, Ferment der Einheit zu sein. Nach der eben zu Ende gegangenen Bischofssynode, die der bedeutenden Frage der Priesterausbildung gewidmet war, ist es geziemend, bei dem heutigen feierlichen Anlaß der eifrigen Sorge zu gedenken, die Louise-Therese zeigte, um zur Vermehrung der Priesterberufungen beizutragen. Als Antwort auf die Bedürfnisse der Kirche in ihrer Zeit sucht sie junge Menschen heranzubilden, die offen sind für den Anruf Gottes, und ihnen eine solide grundlegende Unterweisung zu geben, um ihnen zu helfen, auf den Anruf zu antworten. Mögen auch wir es verstehen, Berufungen zu wecken und sie zur Reife zu bringen! Möge diese Liturgie der Seligsprechung unseren missionarischen Schwung erneuern, damit wir dort, wo der Herr uns zur Arbeit für sein Reich ruft, „nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben“ (1 Thess 2,8). Wir wollen miteinander die selige Louise-Therese de Montaignac de Chauvance bitten, uns zu helfen, daß wir „die Liebe des Herzens Jesu erkennen und die Menschen unaufhörlich daran erinnern“, wie sie es während ihres ganzen Lebens so gut zu tun wußte. 1119 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Der geistliche Weg der seligen Maria Schininä vom Heiligsten Herzen wurde angeregt von einem tiefen Durchdrungensein von der Liebe Gottes, wie sie sich im Symbol des Herzens Jesu enthüllt. Um dieser Liebe zu entsprechen, betonte sie in ihrer Spiritualität die Kontemplation, die Anbetung und die Sühne. Des Luxus und der entleerten Formen in ihrem adeligen Haus überdrüssig, begann sie ein Leben, das ganz dem Dienst an den Armen gewidmet war nach dem Beispiel Jesu, der sich in seiner Liebe zu den Menschen zum barmherzigen Samariter jeder menschlichen Gebrechlichkeit machte. Für die Selige waren Arme die Kranken und die Alten, die Unwissenden, die der Unterweisung Bedürftigen, die Grubenarbeiter der Pech- und Schwefel werke, die Gott nicht kannten und Katechismusunterricht nötig hatten, die Gefangenen, denen die Selige zu Ostern geistliche Exerzitien gab, die öffentlichen Sünderinnen, die sich für ihre liebevollen Initiativen sehr empfänglich zeigten. Nach den Plänen der Vorsehung wird die Seligsprechung Maria Schininäs nach dem Abschluß der Bischofssynode über die Priesterausbildung gefeiert. Die Selige war eine starke Stütze für zahlreiche Priester, denen sie Dienste erwies und die sie als Diener der Versöhnung und der Eucharistie verehrte. Wieviele Priester wurden von ihr in ihrer Berufung geistlich gefördert und während des Seminarlebens auch wirtschaftlich unterstützt! Dieses Zeugnis heroischer Liebe im Geist des Evangeliums ist die Frucht, die die selige Schininä in der Kirche und in der Gesellschaft bringen konnte, weil sie innerlich mit dem Herrn verbunden blieb. Ihr Charisma bleibt lebendig und aktuell, weil es providentiell in den tausend Formen des Apostolates ihrer Töchter präsent und wirksam ist: in den Schwestern vom heiligsten Herzen Jesu. 6. Auch die Gestalt der seligen Elisabeth Vendramini fügt sich in die geistliche Dynamik ein, deren Kernpunkt die tiefe Verbundenheit mit Jesus ist und die Liebe zu den Armen, die auf so vielen Seiten des Evangeliums die Hauptpersonen sind. Die Worte des Herrn „Ich habe Mitleid mit diesen Menschen; sie sind schon drei Tage bei mir und haben nichts zu essen“ (.Mk 3,2) hatten sich seit früher Jugend tief in das Herz der seligen Elisabeth eingeschrieben, als sie die starke Anregung verspürte, sich ganz Christus und dem Dienst an den Armen zu weihen. Ohne zu zögern, ließ sie die Annehmlichkeiten des Familienlebens und des Gesellschaftslebens hinter sich, um sich verlassenen jungen Mädchen und den Bedürftigen in den ärmsten Randsiedlungen zu widmen. In diesem ihrem Werk holte Elisabeth sich Anregung und Kraft aus der Höhe und aus ihrem starken Gebetsgeist. Als Ordensfrau mit feinstem kontemplativen Empfinden versenkte sie sich in die Betrachtung der Heiligsten Dreifaltigkeit. Ihr entnahm sie die Dynamik der Menschwerdung des Wortes und gelangte dann zum Lob und zur Bewunderung des armen und gekreuzigten Christus, den sie in den so sehr geliebten Armen erkannte und dem sie in ihnen diente. Vom Himmel aus ermuntert Elisabeth heute alle, die ihren Brüdern und Schwestern an Leib und Seele wirksam helfen wollen, aus dem Glauben an Gott und der Nachfolge Christi Kraft zu schöpfen. Darin zeigte sie sich als fruchtbarer Sproß der franziskanischen Spiritualität. Sie ahmte vor allem das arme Leben, den festen und schlichten Glauben des hl. Franziskus nach und seine Liebe zum gekreuzigten Christus. 1120 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die selige Vendramini lehrt uns auch, daß dort, wo der Glaube sich stark und fest zeigt, auch der Elan der Nächstenliebe kühn ist. Je feiner das Empfinden für Christus ist, um so feiner und einsatzfreudiger ist das Empfinden für die Bedürfnisse der Brüder und Schwestern. 7. „Du sollst... lieben“ (Dtn 6,5). Wir haben die Gestalten der neuen Seligen betrachtet. In jeder von ihnen hat das erste und größte Gebot des Evangeliums Gestalt angenommen: die Liebe zu Gott aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und mit aller Kraft (vgl. Mk 12,30) und die wirksame Liebe zum Nächsten. Die Liebe, die — gerade in diesen Seligen - die weiblichen, mütterlichen Züge hat, wie es im ersten Brief an die Thessalonicher hervorgehoben wird. Gerade in der Kraft dieser Liebe sind sie in Christus geblieben und Christus in ihnen. Und sie haben viele Frucht gebracht. Heute freut sich die Kirche, weil die selige Marthe, die selige Therese, die selige Maria und die selige Elisabeth mit dieser Frucht den himmlischen Vater verherrlicht haben. Das ist der Ruhm der Gemeinschaft der Heiligen. Die lebenspendende Herrlichkeit für die Kirche auf Erden. Diese Ordensfrauen sprechen zu uns von der Liebe Christi, von der Liebe, die den Weinstock und die Rebzweige verbindet. Und darum rufen sie gemeinsam mit ihm: „Bleibt in der Liebe!“ (vgl. Joh 15,10). Amen. Die Deutschen beweisen: Ein neues Deutschland ist erstanden Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des neuen Botschafters der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl am 8. November Sehr geehrter Herr Botschafter! Für die sehr herzlichen Worte, mit denen Sie die Überreichung Ihres Beglaubigungsschreibens als neuer außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl begleitet haben, danke ich Ihnen aufrichtigst. Zu Ihrem Amtsantritt heiße ich Sie im Vatikan sehr herzlich willkommen und beglückwünsche Sie zu Ihrer ehren- und verantwortungsvollen Aufgabe. Mein Dank gilt auch seiner Exzellenz, dem Herrn Bundespräsidenten, sowie der Bundesregierung für die Übermittlung ihrer sehr freundlichen Grüße. <813> <814> <815> <813> Unsere heutige erste Begegnung steht, wie Sie selbst betont haben, unter dem Eindruck der politischen Ereignisse der letzten Monate und der Herstellung der Einheit Deutschlands am <815> Oktober dieses Jahres, die nicht zuletzt dank der Mitwirkung der Kirchen in Ihrem Land zustande kam. Es ist mir eine besondere Freude, in Ihnen den ersten Repräsentanten des vereinigten Deutschlands begrüßen zu dürfen. Dieses ist ein Datum mit schweren, aber zugleich auch mit freudigen und hoffnungsvollen Gedanken, da es nicht nur um Deutschland geht, sondern auch um Europa in Ost und West und schließlich um die Welt, Nord und Süd. 1121 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es war eigentlich der Zweite Weltkrieg, der am 3. Oktober zu Ende ging und der vielen bewußt werden ließ, was Schicksal und Schuld in allen Völkern und bei allen Menschen bedeutet. Wir denken an die Millionen von Menschen, die zum größten Teil völlig unschuldig in diesem Krieg umgekommen sind: Soldaten, Zivilisten, Frauen, alte Menschen und Kinder, Menschen verschiedener Nationalitäten und Religionen. In diesem Zusammenhang ist auch die Tragödie der Juden zu nennen. Die schwere Hypothek des Mordes am jüdischen Volk muß für alle Christen ein bleibender Bußruf sein: damit wir jede Form des Antisemitismus überwinden und daraus eine neue Beziehung zu unserem Brudervolk aus dem alten Bund gewinnen. „Im Bewußtsein des Erbes, das sie mit den luden gemeinsam hat, beklagt die Kirche, die alle Verfolgungen gegen irgendwelche Menschen verwirft, nicht aus politischen Gründen, sondern auf Antrieb der religiösen Liebe des Evangeliums, alle Haßausbrüche, Verfolgungen und Manifestationen des Antisemitismus, die sich zu irgendeiner Zeit und von irgendjemandem gegen die luden gerichtet haben“ (Nostra aetate, Nr. 4). Schuld sollte nicht niederdrücken und selbstquälerischen Gedanken Raum geben, sondern muß immer Ausgangspunkt einer Erneuerung sein. Das deutsche Volk und seine Regierungen haben in den vergangenen vierzig lahren bewiesen, daß ein neues Deutschland entstanden ist, das sich, wie Sie in Ihrer Ansprache bereits betont haben, von dem Bestreben leiten ließ, ein vertrauensvolles Zusammenleben in Frieden und Wohlstand auf gesamteuropäischer Ebene zu fördern. Sie taten dies auch aus der Verantwortung für die 17 Millionen Bürger aus den östlichen Teilen Ihres Landes, die bis vor kurzem nicht am wirtschaftlichen Aufschwung und an der Freiheitsentwicklung der Nachkriegsjahre teilnehmen konnten. Aus dem Vertrauen heraus, das die Bundesrepublik Deutschland nach dem Krieg in der Welt gewonnen hat, wird Ihr Land in Zukunft seine Bedeutung Verantwortung gegenüber den unmittelbaren Nachbarn, gegenüber Europa und der ganzen Völkerfamilie wahmehmen. Mit großer Genugtuung darf ich feststellen, daß Ihre Regierung wiederholt deutlich zum Ausdruck gebracht hat, sie werde bei aller Sorge um den Wiederaufbau des östlichen Teiles Ihres Landes sowie um Mittel- und Osteuropa auch weiterhin ihre Verantwortung gegenüber der Dritten Welt wahmehmen. <816> <816> Der Umbruch in Europa stellt auch die Frage nach den geistigen Triebkräften, die unsere Geschichte bestimmen. Die totalitären Ideologien sind nunmehr auf Dauer diskreditiert. Der Neuaufbau ist nicht leicht. Die materielle Not ist groß, die seelische Verwüstung aber noch größer. Dies stellt insbesondere auch die Kirchen vor neue Aufgaben; und jede Neu-Evange-lisierung wird diesem Tatbestand Rechnung zu tragen haben. Die nationale Motivation aus dem 3. Oktober sollte auch aus der Anerkennung kommen, daß Gott die unabdingbare Grundlage im Leben des einzelnen Menschen wie der Völker ist. Das System der sozialen Marktwirtschaft, das Ihr Land, vor allem auch unter Berücksichtigung der sozial schwächeren Schichten, über all die fahre hinweg ständig ausgebaut und verbessert hat, sowie eine in vielen Stürmen bewährte demokratische Staatsorganisation haben sich als erfolgreich erwiesen. Die regulierte und kanalisierte Mitbestimmung aller Bürger hat den ideologischen Kampf gewonnen, der das 20. lahrhundert erschütterte. Der Kampf wurde gewonnen auf friedlichem und evolutivem Weg, was den Stellenwert des demokratischen Systems nur noch steigert. 1122 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Ziel des Einsatzes einer Gerechtigkeit für alle war das Verdienst der Gewerkschaften und der kirchlichen Sozialbewegung seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts. Dies kann ich mit Genugtuung feststellen, auch im Hinblick auf das bevorstehende hundertjährige Jubiläum der Enzyklika Rerum Novarum Papst Leo XE. Der Neuaufbau in einem Teil Ihres eigenen Landes sowie in Mittel- und Osteuropa beansprucht gegenwärtig viele Kräfte. Das darf jedoch nicht davon abhalten, das soziale Gefüge weiter wachsam zu beobachten und entschieden für die Erhaltung von Grundwerten in der Gesellschaft, wie sie im Abendland geprägt worden sind, einzutreten. Der Schutz des Lebens, des geborenen und des ungeborenen, ist ein hohes Gut, das nicht aus vordergründigen Erwägungen preisgegeben werden darf. Es geht hierbei nicht um die Durchsetzung kirchlicher Interessen, sondern um ein Grund- und Menschenrecht und damit letztlich um ein grundlegendes Fundament des politischen und gesellschaftlichen Systems. Die Kultur einer Gesellschaft wird sich entscheidend daran messen lassen müssen, wie weit sie ihre alten und kranken Menschen sowie die Kinder und das ungeborene Leben zu schützen und zu fördern in der Lage ist. 3. „Die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit“ zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Heiligen Stuhl haben Sie, sehr geehrter Herr Botschafter, in Ihrer Ansprache zu Recht betont. Auch von meiner Seite aus bekräftige ich gern den Wunsch nach einer weiteren Entfaltung und Vertiefung der gegenseitigen Beziehungen. Wenn in den Konzilsdokumenten und im kanonischen Recht die Bereitschaft der Kirche zur Kooperation mit dem Staat zum Ausdruck gebracht wird, so ist der ausschlaggebende Beweggrund in jedem Fall die Sorge um das Wohl der Menschen, die zugleich Bürger des Staates und Glieder der Kirche sind. Der persönlichen und gesellschaftlichen Berufung desselben Menschen zu dienen können Staat und Kirche „zum Wohl aller Menschen um so wirksamer leisten, je mehr und besser sie rechtes Zusammenwirken miteinander pflegen“ (Gaudium et spes, Art. 76 Abs. 3). Das Reichskonkordat und die Länderkonkordate stellen ein freundschaftliches Einvernehmen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Bundesrepublik Deutschland in allen Angelegenheiten von gegenseitigem Interesse sicher. In diesem Zusammenhang darf ich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, daß das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, das im übrigen wesentlich von Christen ausgearbeitet und durchgesetzt wurde, und die Bestimmungen, die aus dem Verhältnis Kirche und Staat resultieren, auch in den wieder erstandenen Bundesländern ihre Wirksamkeit entfalten können, die mit der Bundesrepublik Deutschland vereinigt wurden. Es geht insbesondere darum, daß der Staat innerhalb einer vielstimmigen pluralistischen und weitgehend säkularisierten Gesellschaft auch der Stimme der Kirche zum Wohle der ganzen Gesellschaft Gehör verschafft. Denn gerade darin besteht der diakonische Auftrag der Kirchen an der Gesellschaft, daß sie diese mit ihrer Sendung und den humanisierenden Impulsen des Evangeliums sowie ihren ethischen Ansprüchen fördert. In der Überzeugung von einer weiteren fruchtbaren und verantwortungsbewußten Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche, für die freundschaftliche diplomatische Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Heiligen Stuhl eine wertvolle Voraussetzung darstellen, erbitte ich Ihnen und Ihren Mitarbeitern in der Botschaft für Ihre wichtige Aufgabe sowie Ihrer werten Familie Gottes Segen und Beistand. 1123 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einzig ist die Macht des Gekreuzigten und Auferstandenen Predigt zum Abschluß des Jubiläumsjahres des hl. Willibrord am 8. November 1. „Macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28,19). Die Liturgie führt uns nach Galiläa, auf den Berg, auf dem Christus diese Worte sprach. Sie sind von einer besonderen Macht erfüllt. Der Herr sagt: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde“ (Mt 28,18). Es ist die Macht des Gottessohnes. Es ist die Macht des Erlösers der Welt. Die Zeichen dieser Macht sind die Wunden, die an seinen Händen, an seinen Füßen und in seinem Herzen nach der Kreuzigung zurückgeblieben sind. Es ist die endgültige, letztgültige Macht. Sie betrifft das ewige Geschick des Menschen, dem die Erde für die Zeit des Reifens und der Bewährung anvertraut wurde. Keine menschliche Macht geht über diese Zeit hinaus. Einzig die Macht Christi: des Gekreuzigten und Auferstandenen. Kraft dieser Macht sendet er die Apostel: „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). 2. Während dieses Jahres war eure Nation in besonderer Weise eingeladen, über diese Worte des Erlösers nachzudenken. Dreizehn Jahrhunderte sind vergangen seit der Zeit, da die Heilsbotschaft Christi zu euren Vorfahren kam und zum Anfang eurer christlichen Geschichte wurde. Während dieses Jahres hat die Kirche in Holland in Dankbarkeit des hl. Willibrord gedacht, der von der Vorsehung zum Boten der Frohen Botschaft in eurer Mitte bestimmt war. Er war euer Apostel. „Wie willkommen sind ... die Schritte des Freudenboten, der den Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König“ (Jes 52,7). Diese Worte des Jesaja bekunden nach soviel Jahrhunderten die Freude der Kirche und der Nation, die die Botschaft des Heils angenommen hat. Diese Worte bringen Dankbarkeit zum Ausdruck. 3. Mit diesen Worten des Propheten halten die des Apostels im Brief an die Hebräer Schritt: „Denkt an eure Vorsteher, die euch das Wort Gottes verkündet haben“ (Hebr 13,7). Das Gedächtnis des Begründers der Kirche in den Niederlanden hat die Verdienste seiner Person als Christ, als Mönch, als Missionar, als Bischof und als Heiliger hervorgehoben. Er hat alles verlassen, um den Glauben an Christus zu verbreiten, um die Frohe Botschaft zu unbekannten Völkern zu bringen: die Botschaft vom Ursprung, vom Sinn, von der Bestimmung der Existenz des Menschen auf der Erde; die Botschaft von der vollkommenen und ewigen Seligkeit, die Gott für alle bereithält und die schon jetzt Freude und Glück schenkt: „Jetzt lebt er glücklich im Namen Gottes im Jahre 728 nach der Geburt unseres Herrn Jesus Christus“, hat der hl. Willibrord von sich selbst geschrieben. 4. „Durch ihn also laßt uns Gott allezeit das Opfer des Lobes darbringen“ (Hebr 13,15). Das haben unzählige Christen auch in den Niederlanden im Lauf der Jahrhunderte getan, und sie tun es noch heute. „Vergeßt nicht, Gutes zu tun und mit den andern zu teilen; denn an solchen Opfern hat Gott Gefallen“ (Hebr 13,16). 1124 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das tun auch heute ungezählte Laien, Mitarbeiter in der Seelsorge, und Hunderttausende von Freiwilligen in den Pfarreien und den verschiedenen Organisationen. Im Namen des Herrn dankt die Kirche ihnen dafür und sie ermutigt sie von Herzen. „Gehorcht euren Vorstehern, und ordnet euch ihnen unter“ (Hebr 13,17). Das Zeugnis der Laien werde immer in gegenseitiger Übereinstimmung und in der Einheit mit der kirchlichen Autorität gegeben nach dem Beispiel des hl. Willibrord, der sich der Einheit zuliebe zweimal nach Rom begab. 5. In der Geschichte der Kirche in den Niederlanden haben zahlreiche Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen ihr Leben der Frohen Botschaft geweiht, und das tun sie auch heute. Wieviele Berufe hat die Kirche des hl. Willibrord gekannt! Das war so bemerkenswert, daß mein verehrter Vorgänger Paul VI. einmal behaupten konnte, in einer Kirche, die soviel für den Glauben bedeutet hat und aus der so viele Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Missionare hervorgegangen sind, müsse es ein neues Wachstum und eine neue Blüte geben. Mögen die Berufungen zum Priestertum aufblühen! Die Kirche kann ohne den Dienst der Priester, der Verkünder des Gotteswortes und Spender der Sakramente, nicht leben. Mögen auch die Berufungen zum Ordensleben aufblühen! Das Zeugnis, das insbesondere die Ordensfrauen durch ihren hochherzigen Einsatz in den verschiedenen Bereichen des kirchlichen und sozialen Lebens geben, ist unbedingt notwendig für die Kirche. Sie bringt ihre lebhafte Hochschätzung für das Ordensleben zum Ausdruck und ermutigt nachhaltig dazu. 6. „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Jesus Christus! In der Gestalt Christi, der unvergänglich ist, müssen wir beständig die Quelle unserer christlichen Identität suchen und finden. Jesus Christus! „Denkt an die, die euch das Wort Gottes verkündet haben! Ahmt ihren Glauben nach! Laßt euch nicht durch mancherlei fremde Lehren irreführen“ (vgl. Hebr 13,7.9). Mehr noch: „Erzählt bei den Völkern von seiner Herrlichkeit, bei allen Nationen von seinen Wundem!“ (vgl. Antwortpsalm 95/96,2-3). „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit!“ Ist es möglich, in ihm unfehlbar und beständig, von Jahrhundert zu Jahrhundert und von Jahrtausend zu Jahrtausend die Quelle unserer christlichen Identität zu finden? Ja! Es ist möglich! Er selbst versichert es uns. Er sagt: „Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). 1125 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Geheimnis des Leidens macht oft ratlos Ansprache an französische Ärzte der Lourdes-Pilgerfahrten am 9. November Meine Damen und Herren! Ihre Pilgerfahrt nach Rom gibt mir Gelegenheit, in Ihnen Gläubige im Dienst Unserer Lieben Frau von Lourdes zu empfangen. Ich freue mich, daß ich Sie willkommen heißen darf und danke Ihrem Präsidenten für die im Namen Ihrer Vereinigung der für die Krankenpilgerfahrten nach Lourdes verantwortlichen Ärzte an mich gerichteten Worte. Jedes Jahr ist es mir, wie Sie wissen, ein Anliegen, das Fest Unserer Lieben Frau von Lourdes mit den in St. Peter versammelten Kranken zu feiern, denn ich kann nicht vergessen, daß sie am Ufer des Gave die Bevorzugten der mütterlichen Zärtlichkeit Marias sind. So ist es auch natürlich, daß ich mich den Ärzten verbunden fühle, die die Kranken zur Heiligen Jungfrau von Lourdes begleiten. Ihre Aufgabe bei denen, die kommen und ihre Leiden der Mutter des Erlösers anvertrauen wollen, stellt Sie mitten in das Geheimnis des Menschen hinein, dort, wo es am meisten beunruhigend ist; aber Sie sind auch Zeugen dessen, was es an Edelstem birgt. In Prüfung und Verzicht kommen viele Kranke und Behinderte zu einer verborgenen Größe und zu einer Lebensqualität, die, das dürfen wir wohl sagen, unsere Bewunderung erregt, selbst dann, wenn alles sie zu quälen und zu erschöpfen scheint. Männern und Frauen nahe, die mit dem Leiden konfrontiert und zu einer einzigartigen geistlichen Erfahrung berufen sind, stellt Ihr Bemf als Arzt Sie gewissermaßen an den Verbindüngspunkt der beiden Liebesgebote: es handelt sich einerseits darum, der Liebe Gottes zu antworten mit einer Liebe, die trotz der düsteren Präsenz des Leidens treu bleibt, und andererseits darum, die Bruderliebe konkret zu leben in der Nachfolge Christi, der diese Treue der Liebe zum Schöpfer offenbar macht durch die heilbringende Hingabe seines ganzen Seins. Auf diesen beiden Ebenen besteht der Reichtum Ihrer Erfahrung in einem echten Austausch: Sie bringen den Kranken Sorge und Hilfe entgegen, und diese entgegnen ihrerseits damit, daß sie Ihnen Anteil geben an ihrem Gottsuchen und der besonderen Beschaffenheit ihrer Beziehungen zu den andern. Sicherlich würde niemand von uns sagen, eine solche Verbundenheit sei immer ohne Schatten. Oft steht man ratlos vor dem Geheimnis des Leidens, man ist versucht, sich aufzulehnen, beunruhigt darüber, daß die ärztliche Kunst so wenig erreichen kann, man ist gehemmt, weil es schwerfällt, die Hoffnung zu teilen. Aber wenn ein solcher Lebensweg auch lang und dunkel erscheinen mag, so ist die Wallfahrt doch lichtvoll. Die Gnade von Lourdes ist die Nähe Marias, es ist ihr schlichter Aufruf zur Bekehrung des Herzens, es ist die fast fühlbare Gegenwart ihrer mitleidenden Liebe. Durch die mütterliche Vermittlung der Mutter Christi kommt das Geheimnis der Erlösung, kommt die umgestaltende Liebe, die ihr Sohn gezeigt hat, in größere Nähe. Maria hilft die Geschenke der Gnade annehmen: Wieviele Menschen bringt sie doch dazu, die Verzeihung Gottes zu erfahren, die Versöhnung, die er allein bewirken kann, den inneren Frieden! Manchmal bestätigt ein Zeichen die Heilung des Menschen. Sie haben die Aufgabe, es anzuerkennen, das, was Illusion sein kann, zu zerstreuen, das, was von der Kirche als Wirkung der 1126 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN barmherzigen Macht Gottes anerkannt werden kann, zu bestätigen. Ihre Kompetenz läßt Sie zurückhaltend bleiben, denn Klugheit ist geboten. Aber die gewissenhafte ärztliche Prüfung der offensichtlichsten Fälle ist unbedingt notwendig für die geistliche Unterscheidung, die den kirchlichen Hirten obliegt. Vor zwei Jahren hatte ich Gelegenheit, mich bei einem Kolloquium darüber zu äußern, als die Mitglieder der internationalen Kommission von Lourdes sich bei der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse versammelt hatten. Heute habe ich die Freude, den neuen Direktor des Büros zur Feststellung von Heilungen unter Ihnen zu begrüßen. Meine Damen und Herren, der Rahmen dieser Begegnung erlaubt mir nur eine kurze Unterhaltung. Zum Schluß möchte ich Sie ganz einfach ermutigen, in Ihrer Vereinigung die gemeinsamen Überlegungen und das gemeinsame Gebet fortzusetzen. Vertiefen Sie miteinander den Geist dieses spezifischen Apostolates, das Sie über die Zeiten der Anwesenheit in Lourdes hinaus durch bleibende geistliche und freundschaftliche Bande mit den kranken Pilgern verbindet. Von ganzem Herzen vertraue ich Ihre Sendung Unserer Lieben Frau von Lourdes an. Mit Ihnen zusammen rufe ich ihre helfende Fürsprache für Ihre Kranken an. Und um Sie und Ihre Kollegen und Angehörigen auf dem Weg zu stärken, erteile ich Ihnen meinen Apostolischen Segen. Friede ist nur dort, wo Gott ihn schafft Ansprache beim Empfang für 70 Priester und Mitarbeiter in Pfarreien aus den neuentstandenen Bundesländern im Osten am 9. November Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst! Liebe Schwestern und Brüder! Zu eurem Besuch im Vatikan heiße ich euch herzlich willkommen. Für viele von euch ist es der erste Besuch in Rom, nachdem euer Land und eure Kirche die Freiheit wiedererlangt haben. Was euch bisher versagt war, ist nun selbstverständlicher Ausdruck eurer Verbundenheit mit dem Nachfolger des Heiligen Petras geworden: die Pilgerfahrt nach Rom. Die Trennung Deutschlands ist überwunden und die Einschränkungen und Behinderungen kirchlichen Lebens sind aufgehoben. Ihr und die euch anvertrauten Gläubigen haben durch Gebet und erhebliche persönliche Opfer dazu beigetragen, daß die Grenzen und Mauern in eurem Land und in Europa gefallen sind. Dies bedeutet aber, daß ihr erneut in die Pflicht genommen seid, die nicht geringen Schäden aus der Vergangenheit zu beheben. Manchen von euch ist vermutlich erst in den letzten Monaten so recht deutlich geworden, was Mißbrauch der Macht eigentlich bedeutet: Wo die Macht Gottes in Frage gestellt wird und der Mensch oder eine Ideologie zum Maß aller Dinge erhoben werden, wird der Mensch unmenschlich; das Vertrauen wird zerstört, Gottes Schöpfung wird rücksichtslos ausgebeutet und der Herrschaft von Lüge und Gewalt wird zum Durchbruch verholfen. Die seelischen Schäden, unter denen viele Menschen leiden, sind möglicherweise noch gar nicht in vollem 1127 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Umfang abzusehen. Deswegen ermuntere und ermutige ich euch, die Frohe Botschaft von der Vergebungsbereitschaft Gottes und von seiner Liebe, die alles Begreifen übersteigt, zu verkünden. Denn Frieden wird es nur dort geben, wo Gott ihn schafft. Was viele als Errungenschaft der neuen Gesellschaft preisen, hat manche eurer Landsleute aber auch unverschuldet in Not gebracht; sie wurden arbeitslos, viele sind den neuen Anforderungen noch nicht gewachsen oder wurden zum Spielball wirtschaftlicher Interessen. Ihnen gilt es zu verkünden, daß der Wert eines Menschen nicht im Alter oder in der Qualität der Arbeit und der Ausbildung begründet ist, sondern in der Tatsache, daß Gott ihn angenommen hat. Gott hat zu jedem Menschen sein „Ja“ gesagt: dies macht den Wert des Menschen aus. Das kostbare Gut der Freiheit ist auch als Geschenk Gottes zu begreifen. Von der durch die Veränderungen in eurem Land wiedergewonnenen Freiheit muß mit hohem Verantwortungsbewußtsein Gebrauch gemacht werden. Der Apostel Paulus mahnt uns: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und laßt euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen“ (Gal 5,1). Dazu erteile ich euch sowie allen euch anvertrauten Menschen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Alles wahrhaft Menschliche steht auf dem Spiel Ansprache an das Generalkapitel der „Töchter von Maria, Hilfe der Christen“ am 9. November 1. Herzlich willkommen in dieser Audienz, liebe „Töchter von Maria, Hilfe der Christen“, die ihr nun das 19. Generalkapitel eurer Kongregation abschließt. Ihr vertretet ein großes Institut, das auf fünf Erdteilen tätig ist. Aus einer ansehnlichen Zahl von Frauen bestehend, widmet es sich dem Dienst der Kirche für jene neue Evangelisierung, deren die heutige Welt so sehr bedarf. In diesen Tagen wolltet ihr über den spezifischen Aspekt eurer Sendung im Rahmen der sale-sianischen Familie nachdenken. Das Thema des Kapitels, „Die Erziehung der weiblichen Jugend: der Beitrag der ,Töchter von Maria, Hilfe der Christen’ zu einer neuen Evangelisierung in den verschiedenen Kulturen“ bringt die von euch erworbene Überzeugung zum Ausdruck, daß in der gegenwärtigen Stunde der Präsenz der Frau besondere Bedeutung zukommt. Gleichzeitig bezeugt es euren gemeinsamen Willen, in Kirche und Gesellschaft mutig eurer Aufgabe als Ordensfrauen nachzukommen, die sich, gemäß der spezifischen Pädagogik der vom hl. Johannes Bosco und von der hl. Domenica Mazzarello gegründeten Gesellschaft, der Jugenderziehung widmen. In der Geschichte der salesianischen Familie sind bereits zahlreiche Früchte der Heiligkeit unter Erziehern, Erzieherinnen und vor allem unter Jungen und Mädchen herangereift. Jetzt ist es an euch, die ihr zur Fortführung des salesianischen Charismas berufen seid, zum neuen Aufblühen der Heiligkeit junger Menschen in allen Teilen der Welt euren Beitrag zu leisten. 1128 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das erwartet die Kirche von euch! Das ist die Aufgabe eures Instituts, darauf bedacht, sich in den Dienst einer neuen Evangelisierung zu stellen, welche die Menschheit des dritten Jahrtausends zu Christus führen muß. 2. In diesem Augenblick epochaler Umwälzungen steht vor allem die Bekräftigung oder das Verschwinden der Sensibilität des Menschen für alles wahrhaft Menschliche auf dem Spiel. Diese Tatsache erfordert selbstverständlich von euch bemerkenswerte Anstrengungen, damit die kommenden Generationen sich ihrer Berufung bewußt werden und imstande sein werden, jene Aufgaben zu erfüllen, welche ihnen die Geschichte Vorbehalten hat. Auch müssen sie verstehen lernen, worin der „Genius“ der Frau besteht, und worin ihre Würde im Zeugnis für die wahre Ordnung der Liebe bestehen muß, die ihre Berufung in Kirche und Welt ausmacht (vgl. Apostolisches Schreiben Mulieris dignitatem, Nr. 30). 3. Die Sendung, die sich euch darstellt, soll euch nicht zu hoch erscheinen. Sie ist zweifellos schwierig und erfordert hochherzige Hingabe, ein tiefes Innenleben, die Aufnahme des Wortes Gottes und seiner Pläne sowie kühne und überzeugungstreue Initiativen. Gott, der Vater, hat euch für ein Leben auserwählt, das eure Taufe rückhaltloser verwirklicht; er hat euch durch die Gabe des Heiligen Geistes zur Nachfolge des keuschen, armen und gehorsamen Christus berufen, „zur Ehre Gottes, im Dienst der Evangelisierung der weiblichen Jugend und gemeinsam mit ihr auf dem Weg der Heiligkeit“ (Konstitutionen, Art. 5). Das Ziel eures heiligen Gründers, „gute Christen und ehrliche Bürger heranbilden“, ist für euch ein klarer Wegweiser und eine Antwort auf die Erwartungen diesen Augenblicks. Auf diese Art und Weise werdet ihr dazu beitragen, daß in den verschiedenen sozio-kulturel-len Kontexten, in denen eure Kommunitäten leben, eine klare und starke Frauenstimme den ursprünglichen Willen Gottes für den Menschen zum Ausdruck bringt und auf der Notwendigkeit besteht, die ethische Dimension der Kultur zu gewährleisten (vgl. Christißdeles laici, Nr. 51). In der heutigen, in rascher Umgestaltung begriffenen Gesellschaft, in der die wirtschaftliche, wissenschaftliche und technologische Entwicklung oft beunruhigende Anzeichen des Todes hervorruft, kann die immer hochherzigere Präsenz von jungen Frauen, die sich mit eurer Hilfe und ihrer spezifischen Sensibilität im bürgerlichen Leben einsetzen, eine Wende zu einer humanistischen Kultur bedeuten. 4. Was den kirchlichen Bereich betrifft, so sollt ihr weiterhin den euch anvertrauten Jugendlichen helfen, im Licht des Glaubens verstehen zu lernen, was wirklich ihrer Personenwürde und ihrer Berufung entspricht. Helft ihnen, zwischen dem Guten und all dem zu unterscheiden, was sie, auch im Namen der Freiheit und des Fortschritts, für den moralischen kulturellen, und gesellschaftlichen Verfall verantwortlich machen könnte. Die christliche Frau hat in diesem Augenblick der Geschichte die unaufschiebbare Pflicht, hier ihre Unterscheidung zu treffen, die ein Zeichen ihrer Teilnahme am Prophetenamt Christi und seiner Kirche ist. Diese Unterscheidung „besteht nicht nur in der Bewertung der Wirklichkeiten und der Geschehnisse im Licht des Glaubens; sie schließt auch Entscheidung und Verpflichtung zum konkreten Engagement in Kirche und Gesellschaft ein“ (Christifideles laici, Nr. 51). 1129 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Im Herzen von Don Boscos Erziehungssystem begegnen wir der Mütterlichkeit Marias. Sie ist in der salesianischen Familie die lebendige Erinnerung an die „großen Dinge“, die der Herr zu jeder Zeit in der Geschichte gewirkt hat und weiterhin wirkt, insbesondere in den schwierigen Augenblicken tiefgreifender kultureller Wandlungen. Wenn ihr im Blick auf sie die ethische Herausforderung aufgreift, die sich aus dem derzeitigen sozio-kulturellen Kontext ergibt, müßt ihr Wege der Erziehung finden, welche die Mädchen zur Entdeckung ihrer Berufung zur Heiligkeit führen, d. h., zum Vorrang der Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen in der Gesellschaft und der Kirche von heute. So seid also auch ihr berufen, mit der Hilfe Mariens ein neues Kapitel der Heilsgeschichte zu schreiben. Es soll euer Anliegen sein, stets im Geist des Magnificat zu leben. Seid immer für den Schrei der Armen empfänglich, und schenkt eure Aufmerksamkeit den zahlreichen Formen neuer Armut unter der Jugend und den Frauen. Seid in eurem Wirken gerecht, und legt Zeugnis für die Solidarität ab, so werdet ihr zur Entwicklung einer echten Kultur des Lebens nach dem Plan Gottes beitragen. Maria, die Hilfe der Christen, die Mutter und Erzieherin aller Christen, möge weiterhin in eurem Leben gegenwärtig sein und den Weg eures Instituts begleiten, ganz besonders in diesem Augenblick, der besondere Anforderungen stellt. Don Bosco und eure heilige Gründerin mögen euch vom Himmel aus beistehen. Auch ich spende euch aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen, in den ich gerne all eure Mitschwestem sowie die Schülerinnen eurer Ordensfamilie einschließe. Dienst für friedliches Zusammenleben Ansprache an die Akademie der Luftwaffe von Pozzuoli am 12. November 1. Ich bin ihnen dankbar, Herr Generalstabschef der Militärakademie, für die edlen Worte, die Sie zu diesem Anlaß an mich gerichtet haben. Sie verdeutlichen die hohen Zielsetzungen der Luftwaffenakademie. Ich danke dem Militärbischof Giovanni Marra für seinen herzlichen Willkommensgruß. Mein Gruß richtet sich an den Kommandanten dieser Militärakademie, an die Offiziere, die Dozenten und zivilen Mitarbeiter, an die Unteroffiziere, die Soldaten der Luftwaffe und Offiziersanwärter sowie ihre Familien. Gerne ergreife ich die Gelegenheit, um ebenfalls meine hohe Wertschätzung über den Opfergeist und das Engagement der vielen Piloten auszudrücken, die in dieser Schule ausgebildet wurden und denen ich während meiner Apostolischen Reisen in Italien begegnet bin. Bei vielen Gelegenheiten konnte ich ihre hohe Fachkenntnis schätzen, die stets mit freundlicher Bereitschaft verbunden war, und ich möchte diesen Augenblick benutzen, um ihnen von ganzem Herzen zu danken für jedes Zeichen der Aufmerksamkeit, das meiner Person immer entgegengebracht wurde. <817> <817> Mit lebendigem Interesse habe ich dem zugehört, was hinsichtlich der Absichten gesagt wurde, an denen sich die Ausbildungsarbeit dieser Akademie inspiriert, und ich stelle mit 1130 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zufriedenheit die große Bedeutung fest, die den moralischen Werten im Fundament des gesamten Ausbildungsgebäudes zugewiesen wird. Ich vertraue, daß auch ihr, liebe Offiziersanwärter und Soldaten der Luftwaffe, ganz von der Zweckmäßigkeit einer derartigen Ausrichtung überzeugt seid und ihrer konkreten Verwirklichung mit großzügigem Schwung nachkommt. Euer Dienst, liebe junge Menschen, ist ebenso heikel wie bedeutend. Es ist ein Dienst für das friedliche Zusammenleben, für die Verteidigung des geistigen und moralischen Erbes des Vaterlandes. Es ist darüber hinaus ein Dienst, der darauf gerichtet ist, eine Menschheit im Dialog aufzubauen, die imstande ist, die Rechte jeder Person zu schützen und zu fördern. Eure Berufung, für den Aufbau einer friedlichen und solidarischen Welt zusammenzuarbeiten, ist hier wirksam unterstrichen durch die Anwesenheit von Offiziersanwärtern aus unterschiedlichen Nationen. Ihr wißt, daß euer Handeln darauf gerichtet sein muß, in allen Situationen auf beste Weise dem Gemeinwohl förderlich zu sein. Euer Eingreifen wird heute erfordert für Hilfeleistungen in Fällen von öffentlichen Unglücken. Diese sorgende und rechtzeitige Hilfe verlangt eine technische Vorbereitung und hohe Bereitschaft zu Risiko und Opfer. Zu Hilfe eilen bedeutet, imstande sein, die richtige Hilfe im richtigen Moment im Geist der Brüderlichkeit und Liebe bieten zu können. Dies setzt eine ernste und vertiefte Vorbereitung voraus, gestützt durch eine gründliche Erziehung zu Respekt und Zusammenarbeit. Zu diesem Zweck ist es notwendig, sich in Selbstlosigkeit und grundlegendem Verständnis für Disziplin zu üben auf der Grundlage innerer moralischer Integrität. Es sind Werte, die ihr als Offiziersanwärter während eures Aufenthalts in dieser Akademie reifen zu lassen berufen seid. Es gilt, alle euch zur Verfügung gestellten Mittel auszunützen. Diese Werte müssen euch dann während eures ganzen Lebens begleiten. 3. Die heutige Gesellschaft ist gekennzeichnet durch die Begegnung der Völker und deren gegenseitiges Zusammenwirken. Nur wenn ihr innerlich von eurer Berufung zum Frieden überzeugt seid, nur wenn ihr euch vor der Gewalt hütet und, sofern es möglich ist, vor dem Rückgriff auf die Macht, werdet ihr zum Aufbau einer wirklich solidarischen Menschheit beitragen können, die die Rechte jeder Person respektiert. In den kulturellen Wurzeln der Völker, besonders jener der alten christlichen Tradition, sind die Werte der Liebe und des Dienstes am Menschen lebendig. Sie gründen in der ewigen Botschaft des Evangeliums, nach der jeder Mensch Bruder ist, weil er Sohn des einzigen Vaters ist. Gerade diese Überzeugung des Glaubens kann heute jedem das Bewußtsein geben, einer einzigen Familie von Nationen anzugehören, Nationen, die dazu bestimmt sind, mitverantwortlich für das zukünftige Geschick der Erde zu wirken und deshalb berufen, die Lanzen in Pflugscharen umzuschmieden (vgl. Jes 2,4). 4. Ich sage dies zu euch, liebe Offiziersanwärter und Soldaten der Luftwaffe dieser Akademie, weil niemand mehr als der moderne Pilot das Bewußtsein der Überwindbarkeit der Grenzen und geographischen Räume hat, das Bewußtsein der wechselseitigen Abhängigkeit zwischen den einzelnen Nationen und Gebieten und der Erfordernis von Solidarität auf allen Ebenen für ein geordnetes und fruchtbares Zusammenleben auf dem einen Planeten. 1131 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich rufe auf alle den Schutz der Gottesmutter von Loreto herab, die ihr als himmlische Patronin verehrt. Ich weiß, daß zu ihrer Ehre die Kapelle in diesem Institut unlängst restauriert wurde: Ich freue mich über diese Geste der Frömmigkeit. Möge die Gottesmutter euch auf allen Flügen beistehen und eure Herzen und eure Projekte erleuchten! Allen hier Anwesenden, all euren Familien und euren Lieben erteile ich meinen Segen. Ausbildung ist schöpferische Teilnahme Ansprache an der Päpstlichen Lateran-Universität am 15. November 1. Die Neugestaltung einiger Teile der Päpstlichen Lateran-Universität, 50 Jahre nach ihrer Errichtung, bietet mir Gelegenheit zu diesem Besuch, um allen meinen Dank auszusprechen, die zur Fertigstellung dieser Arbeiten mit hochherzig gespendeten reichen Mitteln beigetragen haben, um dieses Studienzentrum zu entfalten und bessere Räumlichkeiten für die intellektuelle und geistliche Ausbildung von Priestern und Laien zu schaffen, die aus der ganzen Welt herkommen. Ich grüße euch alle, Dozenten, Alumnen, Verwaltungskräfte und alle übrigen, die in verschiedener Weise durch ihre Mitarbeit zum guten Funktionieren dieses Institutes beitragen. Ich grüße besonders den Kardinal-Großkanzler, Ugo Poletti, sowie den Rector magnificus, Msgr. Pietro Rossano, die sich mit großem Eifer für die Förderung dieser Umbauarbeiten eingesetzt haben. Die Erneuerung des materiellen Bauwerkes steht gewiß im Dienst der „Geistlichen Universität“, wie Papst Pius XI. bei der Einweihung dieses Zentmms vor einem halben Jahrhundert formuliert hat. Dieser glückliche Ausdruck meines Vorgängers ruft die Mahnung des hl. Paulus an die Bewohner von Ephesus in den Sinn: „Erneuert euren Geist und Sinn! Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,23-24). Jeder Ausdruck dieses Textes: sich erneuern, Geist, Sinn, neuer Mensch, Gerechtigkeit, Heiligkeit und Wahrheit enthält ein Studien- und Bildungsprogramm. Zusammengenommen geben diese Worte das Ziel an, dem euer geistiger Weg und euer Bildungsbemühen entgegenführen. <818> <818> Um die Hauptleitlinien des kulturellen Schaffens, das vom christlichen Glauben ausgeht, sicherzustellen, habe ich vor kurzem die Konstitution Ex corde Ecclesiae herausgegeben, eine Art Magna Charta für den Weg der katholischen Universitäten. In diesem Dokument habe ich betont: „Unsere Zeit bedarf dringend jenes uneigennützigen Dienstes, der darin besteht, den Sinn der Wahrheit zu verkünden, die ein grundlegendes Gut ist, ohne das Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenwürde zugrunde gehen. Aufgrund einer gewissen Art von universalem Humanismus widmet sich die katholische Universität voll und ganz der Erforschung aller Aspekte der Wahrheit in ihrer wesentlichen Verbindung mit der höchsten Wahrheit, die Gott ist“ (Nr. 4). 1132 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im weiten Rahmen der katholischen Universitäten zeichnen sich die kirchlichen Universitäten und zumal die päpstlichen in Rom durch die besondere Aufgabe aus, nämlich sich gerade dem Studium des Wortes Gottes zu widmen, um es in all seinen Bedeutungshorizonten zu verstehen, es in seiner wirksamen Dynamik immer neu vorzulegen und seine Inkarnation in Kultur und Leben eines jeden Menschen zu erleichtern, damit es wie „eine Leuchte für unsere Füße und Licht für unsere Pfade“ (vgl. Ps 119,105) sei. Wenn die ganze Kirche, wie das II. Vatikanische Konzil in der Konstitution Der Verbum sagt, „Gottes Wort voll Ehrfurcht hört und voll Zuversicht verkündet“ (Nr. 1), dann muß das zumal an den kirchlichen Universitäten geschehen. Der erste theologische Ort, an dem man die Weisheit berührt, ist die Offenbarung, doch ist ein theologischer Ort analog auch die Geschichte der Kirche und in ihrer Weise sind es auch die Erfahrungen der Menschen in der Welt, die uns umgibt. 3. Wahrlich groß ist eure Aufgabe bei der menschlichen, christlichen und priesterlichen Ausbildung der Alumnen. Kürzlich habe ich bei der hl. Messe zur Eröffnung des neuen akademischen Jahres der Päpstlichen Hochschulen gesagt: „Ausbildung ist eine schöpferische Teilnahme am erlösenden Handeln Gottes. Sie ist ein Eintreten in die Schule Jesu Christi mit Herz und Geist“ (O.R., 28. 10. 1990). Schauen wir auf unser vergangenes Leben, dann bewahren wir alle die Erinnerung an die eine oder andere Dozentengestalt, die auf unsere intellektuelle und geistliche Entwicklung starken Einfluß gehabt hat. Die Ausbildung geschieht im persönlichen Kontakt mit Lehrern, deren Wort von der Weisheit und vom Vorbild des Lebens geprägt ist, das sie führen. Sie tragen sehr viel zum geistigen Wachsen und Reifen der Alumnen bei. Wenn das aber für alle Schulen und Universitäten der Welt gilt, dann erst recht für die Universitäten der Kirche, wo Objekt des Lehrens und Forschens hauptsächlich „das den Menschen gesandte Wort des Heils“ ist (vgl. Apg 13,26). Ziel der Theologie ist nämlich die fortschreitende Einführung in das Verständnis des Wortes Gottes, damit es Weisheit des Lebens wird und nach einem schönen Wort des hl. Paulus „in euch, den Gläubigen, seine Wirksamkeit entfalten kann (energeitai)“ (1 Thess 2,13). In diesem Licht gewinnt die Funktion des Dozenten bei der Übermittlung der Wahrheiten des Glaubens höchste Wichtigkeit. Wenn an den anderen Universitäten der Unterricht vor allem auf die Heranbildung von Forschem und Fachleuten abzielt, so ist hier im theologischen Bereich alles darauf angelegt, „damit das Wort des Herrn sich [unter den Menschen] ausbreitet und verherrlicht wird“ (2 Thess 3,1). Daraus folgt, daß eure Aufgabe hauptsächlich die Heranbildung von Priestern und Laien ist, die in der Lage sind, das Evangelium unter die Menschen und in die Kulturen hineinzutragen und dort zu bezeugen. Wie ich schon bei meinem Besuch hier vor etwa drei Jahren ausgeführt habe, wollen eure Studien euch zu Vermittlern und Wegbereitern der Begegnung des Weges Gottes zu den Menschen und des Weges des Menschen zu Gott in der Wahrheit machen. Heute sind die Menschen mehr denn je Pilger des Wortes Gottes, und sie suchen es ständig, zuweilen tastend, nach einem Ausdruck des hl. Paulus in der Rede auf dem Areopag (vgl. Apg 17,27). Sie sind ja für die Begegnung mit der Wahrheit und dem Guten, den letzten Zielen für Geist und Herz des Menschen, geschaffen. 1133 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eure Studien rufen euch zu dieser höchsten Aufgabe auf. Ihr müßt euch auf die Feier dieser Begegnung der Menschen mit der Wahrheit und dem Guten vorbereiten. Dies ist die begeisternde Aufgabe eures Lebens. Bedenkt aber, daß ihr Alumnen morgen nur dann gute Lehrer sein werdet, wenn ihr heute gute Studenten seid. Doch dazu ist von beiden Seiten, von Lehrenden und Lernenden, eine verantwortliche Zusammenarbeit gefordert. Universitätsausbildung geschieht nicht mechanisch durch bloßes Besuchen der Schule und das Lesen von Büchern. Notwendig ist, daß ihr Dozenten jeden Tag in euch den freudigen Willen zum Lehren, und ihr Alumnen den eifrigen Willen zum Lernen erneuert. Es geht um ein intelligentes Einüben und beharrliches Mühen, in das kreativ das Wirken des Geistes Gottes eingreift, den ihr Tag für Tag anrufen sollt. Der Heilige Geist, der bei der Erschaffung der Welt waltete und die Schriften inspiriert hat, der am Ursprung der Kirche steht und ihre Sendung in der Welt leitet, um sie „in alle Wahrheit einzuführen“ (vgl. Joh 16,13), ist der gleiche, der Geist und Herz der Menschen für das Verständnis der geistlichen Dinge öffnet. „Keiner kennt die Dinge Gottes, nur der Geist Gottes“, und „keiner kennt die Dinge des Menschen, außer dem Geist des Menschen, der in ihm ist“ (vgl. 1 Kor 2,11). 4. Deswegen haben wir unsere Begegnung mit dem Gesang der Anrufung des Heiligen Geistes begonnen. In seinem Namen erkläre ich dieses akademische Jahr für eröffnet und erteile euch meinen Segen. Dialog und Verständnis fördern Grußwort an die Verantwortlichen des „Britischen Rates für Christen und Juden“ . - am 16. November Exzellenz, geehrte Besucher! Gern heiße ich Sie als Mitglieder des Britischen Rates für Christen und Juden im Vatikan willkommen, und ich begrüße Sie mit dem freudigen Wort, das uns allen viel bedeutet: Shalom! Frieden ist vor allem anderen ein Geschenk Gottes: die Fülle der Erlösung für die Menschheit und die ganze Schöpfung. Dieser Friede, der heute so ernsthaft gefährdet ist, hat zugleich als etwas zu gelten, das für die vernunftbegabte und moralische Natur des Mannes und der Frau wesentlich ist, da sie ja nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sind. Auf der menschlichen Ebene erfordert der Friede Gerechtigkeit und Barmherzigkeit und schließt sie ein, und er gipfelt in der Liebe zu Gott und zum Nächsten, die der Inbegriff der Lehre der Torah und der Propheten ist. 1134 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dazu sagt Jesus Christus selbst: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben. Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen!“ (Mt 5,17). Wahrhaft groß ist das geistüche Erbe, das die Christen und das jüdische Volk gemeinsam haben (vgl. Nostra aefate, Nr. 4)! Daher ist in der Zeit nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Zusammenarbeit zwischen Christen und Juden immer intensiver geworden, und ich bin sehr froh darüber, daß wichtige Kontakte, wie die kürzlichen Tagungen in Prag, weitergehen. Beim dreizehnten Treffen des internationalen katholisch-jüdischen Verbindungskomitees wurden die Themen des Antisemitismus und der Shoah ebenso angesprochen wie die umfassendere Frage der Menschenrechte. Es wurde mit Recht anerkannt, daß der Antisemitismus ebenso wie jede andere Form des Rassismus „eine Sünde gegen Gott und die Menschheit“ und als solche von allen abzulehnen und zu verurteilen sind. In einem erneuerten Geist der Zusammenarbeit haben katholische und jüdische Delegierte neue Richtlinien für ihr gemeinsames Bemühen ausgearbeitet, die Menschenrechte zu verteidigen sowie Freiheit und Würde der Menschen zu schützen, wo sie fehlen oder gefährdet sind, und einen verantwortlichen Umgang mit der Umwelt zu fördern. Ich möchte den Britischen Rat für Christen und Juden aus ganzem Herzen ermuntern, sein Wirken für die Förderung des freundschaftlichen Dialogs, des brüderlichen Verständnisses und des Austauschs geistlicher Werte fortzusetzen, sowohl auf nationaler Ebene wie beim internationalen Rat für Christen und Juden, zu dem Sie gehören. Endlich möchte ich bei dieser Gelegenheit erneut die Trauer, aber auch die Hoffnung aussprechen, die ich mit der Bevölkerung des Heiligen Landes, dem Land unserer Väter im Glauben, teile. Mit euch und mit allen, die Erben des Glaubens Abrahams sind - und ich denke dabei auch an unsere islamischen Brüder und Schwestern -, stimme ich in das Gebet des Psalmisten ein: „Erbittet für Jerusalem Frieden! Wer dich liebt, sei in dir geborgen. Friede wohne in deinen Mauern, in deinen Häusern Geborgenheit!“ (Ps 122,6-7). Gebe Gott, daß der Fortschritt hin zum Frieden im Heiligen Land nicht mehr lange auf sich warten läßt! Sucher der Wahrheit Gottes Ansprache an Vertreter des Rates von Kastilien und Leon zum 400. Gedenktag des Todes des hl. Johannes vom Kreuz am 16. November 1. Recht gerne heiße ich herzlich die Mitglieder der Kommission willkommen, die der Rat von Kastilien und Leon aus Anlaß der Vierhundert-Jahr-Feier des Todes des hl. Johannes vom Kreuz ernannt hat. Lebhaft danke ich zugleich den hier Anwesenden für ihren Besuch, der mich mit Freude an die unvergeßlichen Stunden der Reise zurückdenken läßt, die ich im Jahre 1982 durch das Gebiet eurer autonomen Gemeinschaft, zumal durch Avila, Segovia und Salamanca, machen durfte. Bei dieser Gelegenheit durfte ich der hl. Teresa von Jesus und dem hl. Johannes vom Kreuz Ehre erweisen, zwei Kastiliem, die Weltbedeutung erlangt haben, Kirchenlehrer sind, mit 1135 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihrer Heiligkeit und Lehre das Volk Gottes erleuchten sowie mit der Verbreitung ihrer geistlichen Botschaft und ihrer menschlichen und literarischen Qualitäten in der ganzen Welt die edle Sprache und Geschichte des Landes, in dem sie geboren wurden, berühmt machen. Wenige Jahre nach der Vierhundert-Jahr-Feier des Todes der hl. Teresa von Jesus hat die Vorsehung mir beschieden, auch die Vierhundert-Jahr-Feier des Todes des hl. Johannes vom Kreuz feiern zu dürfen, dem ich mich besonders verbunden fühle wegen des geistlichen Einflusses, den ich von meiner Jugend an und durch die Studien erfuhr, die ich über ihn während meiner Universitätszeit gemacht habe. Bei dieser Jubiläumsfeier vereinige ich mich geistig mit den geliebten Söhnen und Töchtern Spaniens, die nach Fontiverso, seinem Geburtsort, nach Ubeda, wo er starb, und nach Sego-via pilgern, das sein Grab hütet. Weil ich um die Bedeutung weiß, wie diese Jahrhundert-Feiern für die spanische Kirche, für Kastilien und Leon und für den Karmel Teresas besitzen, habe ich als meinen Sondergesandten den Herrn Kardinal Angel Suquia Goicoechea, Erzbischof von Madrid und Präsident der Spanischen Bischofskonferenz, ernannt, der mich bei der offiziellen Eröffnung der Vierhundert-Jahr-Feier in Segovia vertreten soll. 2. Die Veranstaltungen, die das Programm dieser Feierlichkeiten vorsehen, entsprechen sehr gut dem Sinn einer neuen Präsenz des hl. Johannes vom Kreuz in der Welt von heute als Botschafter der für den Menschen und Christen bleibenden Werte. „In deinen Fußstapfen“, so singt dieser mystische Dichter, hat er seinen Lebensweg im Suchen nach Gott durchlaufen und seine Präsenz in der Schöpfung und in den Geschöpfen entdeckt. „In seinen Fußstapfen“ - nach dem, was Johannes vom Kreuz in seinen Schriften hinterlassen hat - soll nun die Kirche in Spanien und zumal das Volk von Kastilien und Leon einem Weg folgen, der wie ein heller Stern das persönliche und das Familienleben, die Kultur und das Zeugnis der Christen in der Gesellschaft erhellt. Johannes vom Kreuz, der Lehrer des Glaubens, ist zugleich ein Führer auf den Pfaden des Lebens. Sein tiefes und abgewogenes Wort weist den Menschen auf die ganze Fülle seiner Würde und die hohe Aufgabe hin, sich dem Geheimnis menschlichen Daseins im menschlichen Bemühen um den Glauben zu nähern und die Dunkelheit in der Synthese der Liebe zu Gott und zum Nächsten zu überwinden, da wir, wie der Heilige schön formuliert: „schließlich für diese Liebe geschaffen worden sind“ (Geistlicher Gesang, B, 29,3). Es wäre unmöglich, den hl. Johannes vom Kreuz ohne seinen lebendigen Glauben verstehen zu wollen, indem sich die tiefe Religiosität seiner Heimat, die kontemplative Veranlagung von deren Menschen und der sprichwörtliche Edelmut des Kastiliers vereinten, der immer nach der Wahrheit sucht und sie mit der Schlichtheit seiner nüchternen Sprache bekennt. Daher lädt Johannes vom Kreuz auch heute noch, in einer Zeit zahlreicher Zweideutigkeiten, dazu ein, Sucher nach der Wahrheit und Pilger auf dem Glaubensweg zu sein. Er lädt dazu ein, Männer und Frauen zu sein, die die Wahrheit Gottes über alles menschliche Bemühen hinaus an die Spitze stellen. 3. Das Suchen nach der Wahrheit über Gott und den Menschen hindert den Christen nicht, sich für die Welt, die ihn umgibt, zu öffnen. Hier können wir feststellen, daß Johannes vom Kreuz ein Vorbild des Dialog führenden Christen ist, ein Mensch mit umfassender kulturel- 1136 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ler Bildung, der gut jene Offenheit widerspiegelt, die den Männern und Frauen seiner kasti-lischen Heimat in dem Goldenen Zeitalter Spaniens eigen war, in dem er lebte. Daher besitzt der Heilige von Fontiveros universales Format, wie die Verbreitung seiner Schriften zeigt, die in tille Hauptsprachen übersetzt sind und von den verschiedensten Gesichtspunkten des menschlichen Wissens, der religiösen und humanistischen Kultur aus studiert und erforscht werden. Gerade die Welt der Kultur ist Adressat einer der Botschaften des hl. Johannes vom Kreuz, zumal für sein Vaterland. In unseren Tagen besteht die Gefahr einer Trennung von Glauben und Kultur, wobei man die Welt der modernen Kultur den Werten und der Sprache des Glaubens gegenüber für undurchlässig hält, als ob zwischen beiden ein unüberbrückbarer Graben bestünde. Andererseits besteht heute auch die Gefahr - die viele auch in der Gesellschaft Spaniens feststellen - als echte kulturelle Werte alle möglichen Verhaltensweisen anzusehen, die keineswegs der Würde der Person entsprechen und Haltungen aufzwingen möchten, die der christlichen Auffassung des Lebens femstehen und niemals echt menschlich sein können. Solche Haltungen entsprechen nicht eurer echtesten kulturellen Überlieferung, die andere und unvergängliche Werte und menschliche Reichtümer besitzt. Dies zeigt das kulturelle Programm, das in Kastilien und Leon rühmlichen Ausdruck in der Ausstellung „Die Zeitalter des Menschen“ gefunden hat, die so viel Anklang findet. Es sind Zeitalter des Menschen, die das Zeichen Gottes tragen und unauslöschliche Spuren in der Kultur eures Landes und eurer Volksgruppen hinterlassen haben. 4. Die Gelegenheit, die die Vierhundert-Jahr-Feier des Todes des hl. Johannes vom Kreuz euch bietet, möge zur Festigung eurer christlichen Wurzeln beitragen sowie euer Bewußtsein und Zeugnis als Glaubende stärken, damit der kastilische Geist, den er verkörpert, sich tief im individuellen und sozialen Leben, in Bildung und Kultur auswirkt. Johannes vom Kreuz, der Sänger der Schönheit Gottes und Zeuge für einen Gott, der den Menschen so groß macht, daß er ihm an seinem eigenen Leben Anteil gibt, geht euch voran und regt euch mit seinem Beispiel an. Seine Gestalt ist ein Erbe der ganzen Menschheit, zumal auf dem Gebiet der Spiritualität und der Kultur. Folgt dem Weg „in seinen Fußstapfen“, damit dieses Erbe an Glauben und Wissen, wie es zumal die Menschen von Kastilien und Leon übernommen und sich zu eigen gemacht haben, neu lebendig inkarniert wird. Ich ermuntere euch zu euren Aufgaben, aus dieser Jahrhundert-Feier eine Gelegenheit zu geistlichem Wachstum werden zu lassen, die bei allen Spaniern die Bande der Liebe festigen möge, der Liebe, nach der wir am Ende unseres Lebens gerichtet werden, und ich erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1137 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vom Schmerz geht eine Botschaft für das Leben aus Ansprache an die Repräsentanten des Verbandes freiwilliger Rrankenhauskräfte (FEDERAVO) sowie an die Mitglieder der Vereinigung katholischer Sanitätskräfte (ACOS) am 17. November 1. Mein herzlicher Willkommensgruß gilt euch allen, den Vertretern des Verbandes freiwilliger Krankenhauskräfte (FEDERAVO), und euch, den Mitgliedern der Vereinigung katholischer Sanitätskräfte (ACOS). Einen besonderen Gruß richte ich an Erzbischof Fiorenzo Ange-lini und die Verantwortlichen der beiden Gruppen, und ich spreche meine lebhafte Genugtuung aus für die hochherzige Tätigkeit eurer Organisationen im Dienst an den Kranken. 2. Vor allem möchte ich den Freiwilligen im Krankenhausdienst meine Wertschätzung aussprechen und ihnen erneut danken für ihre edlen Absichten, die die Wichtigkeit, Nützlichkeit und Dringlichkeit von Freiwilligen im Krankenhausdienst bestätigen. Liebe Brüder und Schwestern, auch heute noch sichert eure Präsenz an den Stätten der Wiederherstellung und Pflege der Gesundheit einen freundschaftlichen Hilfsdienst, da ihr den Kranken während ihres Krankenhausaufenthaltes mehr menschliche Wärme schenkt, mit ihnen einen brüderlichen Dialog führt und ihnen konkrete Hilfe zum Kampf gegen den Schmerz und zumal gegen das moralische Leiden des Verlassenseins und der Vereinsamung anbietet. Daher will die Eigenartigkeit eures Dienstes die ohne Entlohnung geleistete Betreuung sein. Er ist zugleich autonom, unabhängig von Einzelinteressen und Ideologien. Wenn ihr eure Arbeit auch umsonst anbietet, so leistet ihr doch eine fachkundige und beständige Hilfe. Zugleich werden noch andere Tugenden von euch gefordert: nämlich Diskretion, Treue, Aufmerksamkeit, Bereitwilligkeit und Wirksamkeit eures Einsatzes, dazu die Fähigkeit, auch die unausgesprochenen Probleme des Kranken zu erkennen, ferner Demut, Heiterkeit, Entschlossenheit, Pünktlichkeit und die Fähigkeit, den Kranken in all seinen Bedürfnissen zu achten. Ihr möchtet den Freiwilligen, der sich eurem Verband anschließt, als Freund betrachten und greift damit auf ein Wort des Evangeliums zurück: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage“ (Joh 15,14). Dies wird auch im Zusammenhang mit den modernen Behandlungstechniken deutlich, die sich zwar auf immer vollkommenere und überraschendere Apparaturen stützen, aber deswegen noch keineswegs die Präsenz und das Tun von hochherzigen Menschen entbehrlich machen, die herkommen, um jene, die von schwerer Krankheit betroffen sind, zu stärken und aufzurichten durch ihre persönliche Zuwendung, ihre Offenheit, Feinfühligkeit und ihre christliche Einstellung. 3. Ferner wünsche ich euch, den Mitgliedern des Verbandes katholischer Krankenhauskräfte, die ihr in Rom das Thema: „Gesundheitsdienst und Kultur der Gesundheit“ studiert, daß dieser Kongreß euch auf eine hochherzige Zusammenarbeit mit all denen vorbereitet, die in den Krankenhäusern für die Kranken tätig sind, und euch vor allem hilft, mögliche Schwierigkeiten in den Beziehungen zu anderen leichter zu überwinden. 1138 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Haltet Augen und Herzen offen für die große Lehre des Leidens. Von den Stätten der gesundheitlichen Versorgung und des Schmerzes geht eine Botschaft für das Leben aller aus, wie kein anderer Lehrstuhl sie bieten kann. Der leidende Mensch erfaßt besser die Notwendigkeit und den Wert des göttlichen Geschenks der Erlösung und des Glaubens. Möge euer Bemühen, zu helfen und den tieferen Sinn des Schmerzes zu verstehen sowie dem Kranken moralische und christliche Kraft zu schenken, euren Dienst zu einem äußerst wertvollen Apostolat machen. Erweckt in euch immer neu das Bewußtsein, daß im Kranken Christus, der Sohn Gottes, anwesend ist, der kam, um zu heilen und gesund zu machen, und der dazu die Gestalt der Schwächsten und am meisten Leidenden annahm. Arbeitet mit den Priestern, den Ordensmännem und Ordensfrauen sowie mit allen Freiwilligenorganisationen zusammen, die sich an den Werten des christlichen Glaubens ausrichten. 4. Euch allen aber, den Verantwortlichen von FEDERAVO und ACOS, sage ich: seid Zeugen für das Geheimnis des Leidens Christi und verkündigt durch euer Zeugnis die Hoffnung der Auferstehung. Diese bewußte Sendung möge euren Dienst unterstützen und euch stärken zu den Opfern, die er mit sich bringt. Eure Familienangehörigen und Freunde und alle, die euch nahestehen, möchte ich lebhaft ermuntern. Ich mfe den Schutz der seligen Jungfrau, „Heil der Kranken“ auf alle herab und erteile euch meinen Apostolischen Segen. Freizeit - Zeit zum Leben gestalten Ansprache an die Teilnehmer des IV. Weltkongresses für die Pastoral des Tourismus am 17. November Liebe Brüder im Bischofsamt, meine Damen und Herren, liebe Freunde! 1. Voll Freude empfange ich euch bei Gelegenheit des 4. Weltkongresses für die Pastoral des Tourismus. Gern begrüße ich die Bischöfe an der Spitze, die in dieser Pastoral engagierten Priester und Laien sowie auch die Fachkräfte, die mit ihrem gründlichen Wissen eure Überlegungen verdienstvollerweise gefördert haben. Einen besonderen Gruß richte ich an die Beobachter der anderen unter euch anwesenden christlichen Gemeinschaften, denn mancherorts tragen ökumenische Initiativen zum Zeugnis für das Evangelium bei, sowohl bei den Menschen in ihrer Freizeit ebenso wie bei den arbeitenden Menschen. Daß sich der Heilige Stuhl für die Realitäten der Freizeitgestaltung und des Tourismus interessiert, beweist schon die Existenz des Päpstlichen Rates der Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs. Die Apostolische Konstitution Pastor bonus weist ihm nämlich als Aufgabe die Sorge dafür zu, „daß die aus Gründen der Frömmigkeit, des Studiums oder der Erholung unternommenen Reisen, die moralische und religiöse Bildung der Gläubigen fördern“ (Art. 151). 1139 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Die Kirche kann diesen neuen Aspekt im Leben der Menschen nicht übersehen, der sich vor allem in den industrialisierten Ländern entfaltet, nämlich die Freizeit, von der ein bedeutsamer Teil dem Tourismus gewidmet ist. Mit Recht wolltet ihr daher eure Arbeiten dieser „freien“ Zeit widmen, die oft als „Zeit zum Leben“ bezeichnet wird. Was die Zeit bedeutet, das hängt ab vom Gebrauch, den der Mensch von ihr macht. Für viele gewinnt nunmehr die freie Zeit subjektiv größere Bedeutung als jene, die der Arbeit gewidmet ist. Man muß daher auf die Verwendung dieser Zeit achten. Sehr schnell können Tätigkeiten, die geradezu für notwendig gehalten werden, auch Anpassungswünsche und die Versuchung, „in Verblendung und Begierde“ (Eph 4,22) zu leben, neue Abhängigkeitsformen schaffen und die Entfaltung der Personen behindern. So besteht das Ziel einer Pastoral der Freizeit darin, den Menschen besonders zu helfen, daß sie von dieser Freiheit guten Gebrauch machen. Erinnern wir uns an die Ruhe des Schöpfers am siebten Tag, nach Vollendung seines Werkes, das gut war. Es gilt im Lebensrhythmus die Bedeutung dieser Ruhe neu zu entdecken, das absichtslose Betrachten der Wunder der Schöpfung, das persönliche Verhältnis zum Schöpfer, der sich uns offenbart und uns zusammenführt. Die freie Zeit ist zugleich eine Zeit des Heiles und eine zu wahrende Zeit, damit sie für die volle Entfaltung des persönlichen und des Familienlebens verfügbar wird, frei auch für den Dienst an der Gemeinschaft der Menschen durch Tätigkeiten, die man im Verbands-, im caritativen und politischen Leben im vielfältigen Dienst an seinen Mitmenschen und für die Kirche übernehmen kann. Sie kann eine Zeit frohmachender Betrachtung des Werkes Gottes sein, eine Zeit des Dankens für die Früchte der Erde und für die Ergebnisse der Arbeit der Menschen, eine Zeit der Gemeinschaft und des Friedens unter Brüdern und Schwestern, die eins sind in ihrer gemeinsamen Berufung als Kinder Gottes, des Schöpfers und Erlösers. 3. Im Rahmen einer christlichen Gestaltung der Freizeit als „Zeit zum Leben“ dürfen wir nicht das umfangreiche Gebiet des Tourismus übersehen, dem die Überlegungen eures Kongresses gelten. Jedes Jahr erleben wir, wie die Scharen von Menschen zunehmen, die einmal etwas anderes kennenlernen möchten, von dem sie Entspannung, Erneuerung und Bereicherung erwarten. Und Millionen Menschen sind es, die im Dienst der Freizeitgestaltung der Touristen arbeiten. Die einen wie die anderen haben ein Recht auf seelsorgliche Betreuung durch die Kirche. Oftmals hat der Heilige Stuhl den bedeutenden Anteil anerkannt, den der Tourismus an der Begegnung der Menschen hat, an der kulturellen Bereicherung und der Entwicklung der gegenseitigen Kenntnis, die ihn zu einem Element des Friedens unter den sich immer weniger fremd gegenüberstehenden Völkern macht. Selbst die mit Recht angeprangerten unerträglichen Auswüchse bestimmter Formen von Reisen wollen nicht den Tourismus als solchen verurteilen. Man kann die Bemühungen der internationalen Organisationen um eine Einschränkung der negativen Auswirkungen einer schlecht kontrollierten Ausdehnung dieser Industrie nur begrüßen. Tatsächlich darf die Schöpfung nicht ausgeplündert werden; man darf die Überlieferungen und Kulturen der Völker nicht mißachten; der Mann, die Frau und auch das Kind dürfen nicht als Objekte benutzt werden, denn dabei wird ihre unveräußerliche Würde aufs Spiel gesetzt. 1140 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Alle betroffenen Hirten gemeinsam, jene der Ursprungsländer der Reisenden und jene der Aufnahmeländer sind dafür verantwortlich, ihre Christen über die komplexen Vorgänge in der Tourismusindustrie aufzuklären, sowie über die ökologischen, wirtschaftlichen, soziologischen und moralischen Auswirkungen. Wenn die Freude am Reisen gemeistert wird, kann diese ein wichtiges Element der Zusammenarbeit und der Solidarität unter den Völkern werden, die davon auf verschiedene Weise ihren Nutzen haben. Die aufmerksame und achtungsvolle Reise der einen sowie die offenherzige Gastfreundschaft der anderen können bloße touristische Kenntnisnahme zu echter Begegnung werden lassen. 4. Notwendig ist beim Reisenden ferner ein offener und sozusagen wohlwollender Blick, ein gebildeter Blick, der das Gute zu entdecken weiß und die Schönheit erlebt, der das Wahre sowohl in den erhabensten Kunstwerken als auch im täglichen Leben der besuchten Völker erkennt. Euer pastorales Direktorium sagt dazu: „Gewöhnlich bringt der Tourismus die geistige Bildung dessen zum Ausdruck, der ihn praktiziert“ (21). Man könnte hinzufügen: er trägt zur geistigen Bildung dessen bei, der ihn pflegt. Schön ist das, was ihr durch einen organisierten Empfang in den Heiligtümern, den „Gedenksteinen“ der Kirche, durchführen wollt. Ihr tragt damit zur Bildung des Blickes bei, der zugleich ein Erwecken der Seele für die Wirklichkeiten des Geistes ist und den Besuchern hilft, sich auf die Quellen des Glaubens zurückzubesinnen, der diese Gebäude geschaffen hat und die aus lebendigen Steinen erbaute Kirche der christlichen Gemeinschaften sichtbar macht. 5. Für die Christen gibt es ferner eine besondere Form der Reise und des Tourismus, nämlich den Entschluß, einmal Wallfahrtswegen zu folgen, Wegen also, auf denen man Gott entgegengehen möchte. Es ist gut, daß das christliche Volk irgendwie auch physisch erfahren kann, daß es auf dieser Erde keine feste Stätte hat, daß es aufbrechen und sich frei machen kann, um das „was droben ist“ (Kol 3,1), zu suchen. Ich weiß, daß der erste Weltkongreß für die Pasto-ral der Heiligtümer und Wallfahrten vorbereitet wird; er wird den Wert sichtbar machen, den die Kirche diesen Wegen zu Gott und diesen Hochburgen geistlicher Erfahrungen beimißt. 6. Nach diesem Kongreß wird eure seelsorgliche Arbeit weitergehen. Richtet eure Augen auf den Diakon Philippus (vgl. Apg 8,26-40). Der Geist befiehlt ihm, einen wenig befahrenen Weg zur Begegnung mit dem hohen Beamten aus Äthiopien aufzusuchen. Er spricht mit diesem Mann, hört sich seine Fragen an, erklärt und bespricht sie ausführlich. Und er verkündet „die Frohbotschaft von Jesus“, dann führt er ihn zur Taufe, bevor der Geist ihn auf einen anderen Weg entführt. Philippus kann durch seine Aufmerksamkeit, die die Gläubigen zum Hören amegt, ein Vorbild für eure Pastoral sein. Er führt sie zur Hochachtung vor anderen, zum brüderlichen Leben und erschließt ihnen die Möglichkeit einer Verkündigung des Evangeliums selbst in der Flüchtigkeit unvorhergesehener Begegnungen. Ich wünsche euch: geht euren Weg in Freude weiter! Ich empfehle eure Arbeiten dem Herrn und segne aus ganzem Herzen euch selbst und alle eure Mitarbeiter. 1141 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Leiden ist ein Geheimnis Ansprache an die Teilnehmer der 5. Internationalen Konferenz des Päpstlichen Rates für die Pastoral im Krankendienst am 17. November 1. Diese Begegnung, geehrte Herren, findet hei Gelegenheit der 5. Internationalen Konferenz statt, die der Päpstliche Rat für die Pastoral im Krankendienst zum Thema „Der menschliche Geist“ veranstaltet hat. Sie bietet mir eine willkommene und kostbare Gelegenheit, das lebhafte Interesse zum Ausdruck zu bringen und zu bekräftigen, mit dem die Kirche die Probleme um das Gesundheitswesen und die Gesundheit begleitet. Euch gelten daher mein Beifall und meine Ermunterung, euch Wissenschaftlern, Ärzten und Forschem, euch Studenten und Seelsorgern, die ihr mit leidenschaftlichem Einsatz euch dem Studium des ebenso edlen wie unergründlichen Themas des menschlichen Geistes widmet. Der Glaube, der die vernunftgemäßen Motive erhellt, hilft uns, in ihm eine der erhabensten Bestätigungen für den göttlichen Ursprung des Menschen zu finden. Es ist für euch ein Anlaß, stolz darauf zu sein, und für uns alle ein Grand zum Staunen, wenn wir an die großen und gewaltigen Errungenschaften denken, die in diesem lahrhundert in der fortschreitenden Erkenntnis der menschlichen Psyche erzielt worden sind. Das grenzenlose Gebiet der neurologischen Wissenschaften von der Neurobiologie zur Neurochemie, von der Psychosomatik zur Psycho-Neuro-Endokrinologie bietet der Forschung die Möglichkeit, vorzudringen bis an die Schwelle des Geheimnisses, das der Mensch selbst ist. Dieses Geheimnis hat der hl. Augustinus wunderbar in den bekannten Worten zum Ausdruck gebracht: „Ich bin mir selbst zur Frage geworden“ (Factus sum mihimetipsi quaestio) (Soliloquia II, 34). <819> <819> Gerade wenn er die unermeßliche Größe des menschlichen Geistes betrachtet, betet der Psalmist: „Seh’ ich, o Gott, den Himmel, das Werk deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigst: Was ist der Mensch, daß du an ihn denkst, des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, hast ihn mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt. Du hast ihn als Herrscher eingesetzt über das Werk deiner Hände, hast ihm alles zu Füßen gelegt“ (Ps 8,4-7; vgl. Ijobl,llf.). Deswegen verbindet christliches Denken beständig und folgerichtig die Erhabenheit des menschlichen Geistes mit einem besonderen Eingreifen Gottes (vgl. Gen 1,26). „Gott, unser Schöpfer und Vater erklärt Laktanz dazu , hat dem Menschen Bewußtsein und Verstand gegeben, damit darin deutlich wird, daß wir von Ihm gezeugt sind, der selbst Intelligenz, Bewußtsein und Vernunft ist“ (De opificio Dei, 1,1-2). Und ist es nicht so, daß der Mensch gerade dank der Kraft seines Geistes zu Gott gelangt? Übersteigt er die Grenzen des Universums, dann trifft er nicht nur mit Sicherheit auf Gott; er kann auch in Gemeinschaft mit ihm treten im Gebet, das nach dem schönen Wort des hl. Johannes von Damaskus, ascensus men-tis in Deum: „ein Aufstieg des Geistes zu Gott“ ist (De fide orthodoxa, 111,24). Und weiter: Wegen seiner Gottebenbildlichkeit ist der Mensch nach einem Wort des Zweiten Vatikanischen Konzils „die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur“ (Gaudium et spes, Nr. 24), so daß „alles auf Erden auf den Menschen als seinen Mittel- und Höhepunkt hinzuordnen ist“ (ebd., Nr. 12). Die volle Ausprägung des menschlichen Geistes, 1142 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seiner Funktionen und Fähigkeiten, besteht daher in seinem Recht und zugleich seiner Pflicht, die Schöpfung und sich selbst nach den vom Schöpfer gewollten Zielen zu beherrschen (vgl. Gen 1,28). Der Geist ist also auf der einen Seite in der Lage, Gott zu erreichen, und auf der anderen Herr der Schöpfung: dies sind seine beiden unvergleichlich wertvollen Gaben, durch die er über alle anderen geschaffenen Wirklichkeiten des sichtbaren Universums erhoben ist. 3. Die neurologischen Wissenschaften, geehrte Professoren, sind also das ausgewählte Gebiet Ihrer gelehrten Forschungen, die täglich - so darf man wohl sagen - neue Horizonte eröffnen, aber sie dürfen nicht von diesen wesentlichen und unverzichtbaren Forderungen absehen. Will man mit anderen Worten den Geist studieren, darf man nicht die gesamte Wahrheit über den Menschen in seiner kompakten Einheit des physischen und geistigen Seins beiseite lassen; auch wenn Sie im Bereich des Experimentes bleiben, darf Ihre Forschung nicht diese zweite und entscheidende Dimension ignorieren. Der Versuch, Denken und freies Wollen des Menschen rein mechanistisch und materialistisch zu erklären, führt unausweichlich zur Leugnung der Person und ihrer Würde, und deren Folgen haben bereits auf die Geschichte der Menschen in der Vergangenheit und auch in unserer Zeit schwere und tragische Schatten geworfen. Heute spricht man von „künstlicher Intelligenz“ und denkt dabei an die außerordentlichen Möglichkeiten der „elektronischen Gehirne“. Man muß freilich immer bedenken, daß der Informatik und Kybernetik die Tatsache höheren Ranges, nämlich die Intelligenz des Menschen, zugrundeliegt, die gerade wegen ihres geistigen Charakters und bei ihrer daraus nicht möglichen Reduktion auf bloß physisch-chemische Phänomene beim Verstehen auch in Freiheit urteilt, beim Begreifen auch wählen kann und beim Erkennen ihre letzte Bestimmung ahnt. Der hl. Augustinus schreibt dazu: „Gott hat der menschlichen Seele den Geist geschenkt; in ihm schlafen sozusagen beim Kind Vernunft und Intelligenz noch, fast als wären sie nicht vorhanden; mit wachsendem Alter aber müssen sie erwachen und sich entwickeln, damit der Geist in der Lage sei, Wissen und Kenntnis zu erwerben, mit denen er die Wahrheit erfassen und das Gute lieben kann“ (De Civitate Del, XXII, 24). Doch für das rechte Reifen und die harmonische Entwicklung des menschlichen Geistes und damit für die volle geistige Gesundheit des Subjektes sind auch die sozialen Beziehungen von großer Bedeutung. Vermittelndes Element einer positiven Synthese zwischen Geist und sozialem Leben ist nun aber die Liebe. Ohne Liebe ist die menschliche Intelligenz steril und kalt, und schließlich trocknet sie aus. Nach einem Wort des Apostels Paulus „wird der Glaube in der Liebe wirksam“ (Gal 5,6). Der interdisziplinäre Dialog auf höchster Ebene, der Austausch von Kenntnissen und Erfahrungen, die konstruktiven Hypothesen, die Sie im Verlauf dieser für die verschiedenen Wissenschaften, die das Studium des menschlichen Geistes betreiben, so repräsentativen Tagung formuliert haben, können nur eine größere individuelle und soziale Aufgeschlossenheit für die weite und komplexe mit diesem Thema verbundene Problematik zur Folge haben. Mit konvergierenden Beiträgen der modernen Pharmakologie, der Medizin, der Psychologie und Psychiatrie sind Therapien mit verlockenden Resultaten und immer ausgedehnterer 1143 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Anwendungsmöglichkeit aufgezeigt worden. Auch für die mit der weithin feststellbaren Verlängerung des Lebens verbundenen Probleme hat es in den letzten Jahren zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit des menschlichen Geistes sehr bedeutende pharmazeutische und psychotherapeutische Erfolge gegeben. Dieses lobenswerte Bemühen der Wissenschaft wird umso reichere Früchte bringen, je lebendiger die Überzeugung bleibt, daß der göttliche Ursprung des Menschen die gesamte Menschheitsfamilie aufgrund des Bandes der gegenseitigen Liebe zu einer Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern macht. Unzählige Beweise, die auch wissenschaftlich eindeutig bestätigt sind, zeigen, welch einzigartige Hilfe die Liebe leisten kann, wenn es um Vorbeugung und Therapie zur Überwindung nicht weniger geistiger Störungen geht, die oft von Mängeln in der Gestaltung des eigenen Lebens und vom falschen oder fehlenden Verhältnis zu den Mitmenschen herrührten und überwunden werden konnten. 4. Angesichts der Geisteskrankheiten haben die verschiedenen Kulturen in der Vergangenheit und manchmal auch heute noch oft negativ reagiert und den Geisteskranken isoliert und an den Rand der Gesellschaft verwiesen. Dieses Drama wird vor allem von denen schmerzlich erlebt, die sich der eigenen Krankheit bewußt sind oder ihrer Verschlimmerung machtlos gegenüberstehen und dann ihre Einsamkeit umso bitterer erfahren, je mehr die Leistungskultur vorherrscht und eine Mentalität, die dem Leiden jeglichen Wert abspricht. Sie belastet den Geisteskranken zuweilen auch noch damit, verlacht und geringgeschätzt zu werden. Und wie könnte man hier den immer umfangreicheren Kreis der Personen vergessen, die wegen ihres längeren Lebens ihre Situation tatsächlicher Schwäche und geringerer Lebhaftigkeit des Geistes mit der von voll oder halb Geisteskranken verwechselt sehen? Es muß vor allem klar sein, daß die Geisteskranken für sich selbst, für die Gesellschaft und zumal für die Kirche ebenso Kranke sind wie jene, die von irgendeiner anderen Krankheit betroffen sind. Und wenn es im übrigen wahr bleibt, daß das hohe Alter selbst eine Krankheit ist, so besitzen die Alten doch noch Gaben und Fähigkeiten und restliche Energien, die auch Frucht ihrer Erfahrung sind und für die jüngeren sozialen Gruppen einen echten Reichtum darstellen. 5. Wenn ich mich nun den gebührenden Formen der Betreuung zuwende, möchte ich die Dringlichkeit wirksamer vorbeugender Maßnahmen betonen. Gerade die medizinische Wissenschaft erkennt ein sehr enges Verhältnis zum Beispiel zwischen dem Hervortreten oder der Verschlimmerung einiger Krankheiten und geistigen Störungen und der heutigen Wertkrise an. Dies bestätigt, um nur ein Beispiel zu erwähnen, der Zusammenhang zwischen Aids, Drogenabhängigkeit und ungeordneter Ausübung der Sexualität. Wie könnte man ferner schweigen von den ständigen Angriffen auf die Ordnung und das Gleichgewicht des Geistes durch soziale Leitbilder, die dazu führen, den Menschen als Werkzeug zu gebrauchen, und seine Freiheit bedrohlich einschränken? Nicht wenige Geisteskrankheiten sind ferner oft bedingt - und nach dem Ausweis unwiderleglicher Statistiken weit verbreitet - durch lange bestehende und nicht überwundene Situationen des Elends, der Unterernährung, des Fehlens von hygienisch-sanitären Diensten und der Umweltverschmutzung usw. Und wenn diese unerträglichen Situationen endlich bewußt 1144 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN werden, fehlen leider die Strukturen und das Personal, um die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen, auch die wirksame Therapie, um allgemein eine Betreuung zu sichern, die der Würde der menschlichen Person gerecht wird. 6. Ich appelliere daher mit allem Nachdruck an die öffentlichen Stellen, die Wissenschaftler und Forscher, an die Soziologen und alle Menschen guten Willens, sich doch gemeinsam dafür einzusetzen, daß der Umfang und die Kompliziertheit des Problems der Geisteskranken mehr bekannt und dann auch durch gesetzgeberische Maßnahmen wirksame Möglichkeiten zum Eingreifen geschaffen werden, in voller Achtung vor der Unversehrtheit und Würde des Kranken. Die Kirche, die alle Leidenden in gleicher Gesinnung und mit gleich liebevoller Sorge betrachtet, lädt dazu ein, bevorzugt denen beizustehen, die wegen ihrer besonderen Krankheiten am meisten Gefahr laufen, an den Rand gedrängt und isoliert zu werden. Diese Einladung gilt besonders den Orden sowie den männlichen und weiblichen Kongregationen, die aufgrund des Charismas ihrer Institution Geisteskranke, und zumal die schweren Fälle, betreuen. Ich nenne sie eigens und danke ihnen für all das Gute, das sie auf diesem Gebiet wirken, und ich ermuntere sie, mit neuem Eifer bei diesem delikaten und zugleich sehr edlen Dienst auszuhalten. Die gleiche Wertschätzung und Anerkennung spricht die Kirche den Priestern aus, die sich diesem Apostolat widmen, den Verbänden und Freiwilligengruppen, den kirchlichen Bewegungen und allen, die einen wahrhaft christlichen Entschluß fassen und diese verdienstvolle Aufgabe übernehmen. Alle im Gesundheitswesen Tätigen, Ärzte, Krankenpflegepersonal und Freiwillige, können diesen schweren Dienst als besondere Gelegenheit betrachten, durch die Medizin die Größe ihres beruflichen Tuns und ihrer Aufgabe zu rühmen. Ein besonderes Wort der Wertschätzung und Verbundenheit richte ich an jene Familien, die durch die Geisteskrankheit eines ihrer Verwandten auf eine harte Probe gestellt werden und die ihn liebevoll betreuen. Oft leben sie in bescheidener Zurückhaltung und doch mit ungewöhnlicher Seelenstärke und meistern so die schmerzliche Lage. Die heilige Jungfrau möge diese kostbare Form der Solidarität zu einem Geschenk für die ganze Kirche und Menschheit machen. Die christliche Liebe, die sich im Dienst am körperlich oder geistig Leidenden erweist, verbindet mit Jesus Christus, der in seiner Menschwerdung das Dasein eines Knechtes wählte, an den Rand gedrängt und verachtet war (vgl. Phil 2,7). 7. Wenn das Leiden ein Geheimnis ist, so gilt das besonders dann, wenn es die edelsten Fähigkeiten des Menschen, vor allem seinen Geist erfaßt. Wenn wir uns vor diesem Geheimnis neigen, sind wir zugleich eingeladen, daraus für unser Leben zu lernen und uns bereit zu machen, „durch das Leiden Gutes zu wirken und dem Gutes zu tun, der leidet“ (Apostolisches Schreiben Salvißci doloris, Nr. 30). Jede Krankheit greift direkt oder indirekt den menschlichen Geist als Zentrum des Empfindens und Verstehens der menschlichen Person an. Gestatten Sie mir, geehrte Herren, daß ich mich in lebhaftester Verbundenheit an alle jene wende, die durch physische Beeinträchtigung oder infolge ihres fortgeschrittenen Alters oder im Endstadium einer Krankheit vielfältige Erfahrungen machen, die zum Teil in schwerster Form auch ihre geistigen Fähigkeiten 1145 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schwächen. Ich möchte wünschen, daß Ihre Studien und Forschungen über diesen edelsten Teil des Menschen immer die Person in ihrer Gesamtheit im Auge behalten, denn nichts an ihr kann gänzlich gerettet werden, wenn das Ziel nicht die Gesamtheit ihres Seins ist. Mit diesem Wunsch rufe ich von Herzen auf Sie alle die Hilfe des allmächtigen Herrn herab und lade Sie ein, die in diesen Tagen gemachte Erfahrung als positive und ermutigende Gelegenheit anzusehen, Ihre gegenseitigen Verbindungen neu zu stärken, Ihre Beiträge zu koordinieren und Ihre Kräfte im Dienst am leidenden Menschen zu vereinen. Die heilige Jungfrau möge als „Sitz der Weisheit“ und „Heil der Kranken“ Ihrer aller tägliche Arbeit stets begleiten, auf die ich durch ihre Fürbitte den Segen himmlischer Gaben herabrufe. Liebe, nicht Haß muß den Ton angeben Botschaft an die Bischöfe von Angola vom 18. November Liebe Brüder im Bischofsamt! In großer Freude und Dankbarkeit möchte ich mich mit dem ganzen Volk von Angola, und zumal mit allen Katholiken dieser geliebten afrikanischen Nation verbinden bei Gelegenheit der Feierlichkeiten zum 5. Jahrhundert seit der ersten Evangelisierung Angolas, die am kommenden 18. November ihren Höhepunkt finden. Dank den Fügungen der göttlichen Vorsehung fallen diese Gedenktage als Ereignisse von besonderer Bedeutung für die Geschichte der Kirche in eurem Land und für die ganze Nation zusammen mit der Vorbereitung sämtlicher Völker auf den Beginn des dritten Jahrtausends der christlichen Ära. Auf der einen Seite gelten daher meine Freude und Dankbarkeit dem Wachstum des Glaubens infolge der Ausbreitung der Evangelisierung in eurem Land. Daher denkt an die Mahnung des Apostels Paulus: „Ihr habt Jesus Christus als Herrn angenommen. Darum lebt auch in ihm! Bleibt in ihm verwurzelt und auf ihn gegründet, und haltet an dem Glauben fest, in dem ihr unterrichtet wurdet“ (Kol 2,6-7). Da unser Blick andererseits dem Ende des Jahrhunderts zugewandt ist, muß die Erinnerung an fünf Jahrhunderte der Evangelisierung Angolas auch die Vorbereitung eines „für den Herrn bereiten Volkes“ (Lk 1,17) auf die Herausforderungen einer neuen Zeit einschließen. Dies muß eine Zeit der Achtung vor der Würde eines jeden und der Einheit sein; eine Zeit des Fortschritts aller Kulturen in menschlichem und brüderlichem Geist. Für all das spreche ich euch hier meine besten Wünsche aus, damit das Volk von Angola den Frieden findet, den es verdient, und auf den es ein Recht hat. Ich weiß sehr wohl, daß es nicht leicht ist, als Menschen so zusammenzuleben, daß die Liebe und nicht Haß oder Gleichgültigkeit den Ton angibt; doch wir müssen uns überzeugen, daß es unter den Menschen keinen Frieden geben kann, wenn nicht zugleich der Friede in die Herzen einkehrt, der die Enge des menschlichen Geistes erleuchtet und den Egoismus sowie die gegenseitige Abneigung überwindet. 1146 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zugleich ist uns Christen aufgrund unseres freien Ja zum Aufruf der göttlichen Gnade die Liebe aufgetragen, und wir bemühen uns trotz unserer Schwäche, die Welt einiger und brüderlicher zu machen, indem wir Gerechtigkeit üben, ausgeweitet durch die Gnade der Liebe, damit alle Menschen den einen wahren Gott kennen und lieben lernen. Gerade deswegen möchte ich alle Menschen guten Willens des geliebten Landes Angola auf-fordem, Erbauer des Friedens zu sein: seid Erbauer einer glücklichen Zukunft für eure Familien und für den menschlichen und geistigen Fortschritt, in Übereinstimmung mit den sozio-kulturellen Überlieferungen, die bei euch schon eine jahrhundertealte Geschichte haben. Daher bitte ich den allmächtigen Gott, euch sein Licht zu senden, das alle erleuchtet, und daß alle sich auch von ihm erleuchten lassen als Voraussetzung für die Bildung eines geeinten Volkes, wie es dem Willen des Schöpfers entspricht. Auf die Fürbitte unserer himmlischen Mutter, der Königin des Friedens, rufe ich auf alle meine Brüder im Bischofsamt und ihre Diözesen, auf alle Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen und das ganze gläubige Volk den Schutz des Allerhöchsten herab und erteile euch aus ganzem Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, den 18. November 1990, im zwölften Jahr meines Pontifikates. Joannes Paulus PP. II Nicht mutlos angesichts des Hungers und Elends werden Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ am 19. November Herr Kardinal, Liebe Brüder im Bischofsamt, Liebe Freunde! 1. Wenn ich euch bei Gelegenheit eurer Vollversammlung empfange, begrüße ich besonders gern die neuen Mitglieder und Berater von „Cor Unum“, die kürzlich ernannt wurden. Ich danke ihnen, daß sie ihr Fachwissen und ihre eifrige Arbeit in den Dienst eines Dikasteriums stellen wollen, dessen Aufgabe mir am Herzen liegt. Die von meinem Vorgänger Paul VI. im Jahre 1971formulierten Ziele bleiben aktuell. Der Heilige Stuhl zählt auf euren Rat, damit bei der Wirksamkeit der Christen in der Welt die Priorität der Caritas als Kennzeichen immer konkretere Tragweite bekommt. Es ist sehr nützlich, daß ihr euch um die Harmonisierung der Kräfte und Initiativen der zahlreichen katholischen Hilfsorganisationen bemüht, die die praktische Übung der Caritas im Volk Gottes anregen. Informationsaustausch und ständige Konzentration machen euch den Bischöfen und auch denen verfügbar, die öffentliche Funktionen ausüben, um sie mit den katholischen Hilfsorganisationen in Verbindung zu bringen. Ihr könnt auch nützlich mit den analogen Organisationen anderer Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften Zusammenarbeiten und 1147 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN damit ein Zeugnis der Treue zum Evangelium geben, das die Welt von allen Jüngern Christi erwartet. Da ihr auch in der Lage seid, im Fall von Naturkatastrophen oder anderen dringenden Notlagen einzugreifen, seid ihr ebenfalls beauftragt, direkt die Caritas des Papstes durchzuführen. Ich danke euch für eure Hochherzigkeit in der Erfüllung eurer Aufgaben. 2. Eure Überlegungen greifen erneut ein grundlegendes aktuelles Thema auf: „Solidarität und Entwicklung, eine Antwort vom Evangelium her auf das Problem des Hungers“. Meinerseits beschränke ich mich auf einige Bemerkungen, um die Wichtigkeit eines Problems zu betonen, dessen Umfang unermeßlich bleibt, und das die Menschheit nur zögernd mit der gebotenen vollen Energie aufgreift. Macht man sich genügend lebhaft die paradoxen weiterbestehenden Situationen klar, daß in bestimmten Gebieten Überfluß an Gütern und deshalb an Nahrungsmitteln herrscht, während in anderen Gebieten Hunger und Elend wüten? Wir wissen, daß die Ursachen nicht nur naturbedingt sind; die Weltmeinung müßte die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Faktoren besser einschätzen, die Situationen allzuoft tödlicher Not schaffen oder aufrechterhalten. Ohne auf allzu summarische Erklärungen zurückzugreifen, darf man nicht die geheimnisvolle Rolle der Sünde der Menschen bei den schrecklichen Verstößen gegen die Solidarität verschweigen, unter denen ein so großer Teil der Menschheit leidet. Man müßte notwendig eine objektive Analyse der Ursachen des Hungers vornehmen, aber einem kirchlichen Organ wie dem euren kommt es zu, zu zeigen, bis zu welchem Punkt das Bewußtsein der Menschen berührt wird, wenn man internationale oder im Inneren eines Landes ausgebrochene Konflikte beobachtet, die Trümmer und Tod säen. Die wirtschaftlichen Mechanismen dürften keine kalten Ungeheuer sein, die den lebenswichtigen Bedürfnissen ganzer Völker unzugänglich sind. Ob es sich um Angelegenheiten der Außenverschuldung, Regelung der Märkte oder Anpassungsprogramme handelt, berücksichtigt man dabei wirklich genügend das Los der Ärmsten, das doch höchste Priorität haben müßte? Wenn man die Wälder und Bodenflächen ausbeutet, um davon einen unmittelbaren Vorteil zu haben,, kümmert man sich dann zugleich darum, den kommenden Generationen eine fruchtbare und gastliche Erde zu hinterlassen? Angesichts der Schwere des Hungers und des Elends muß man klar sehen, darf aber nicht mutlos werden. Die Bodenschätze der Erde und vor allem die Möglichkeiten der Menschheit sind erheblich. Wenn ein echter Geist der Solidarität und Liebe das Handeln bestimmt, darf man hoffen, und es sind wahre Wunder möglich. Die verschiedenen caritativen Organisationen, die ihr vertretet, bezeugen das. Zahlreiche konkrete Projekte, die ich zumal auf meinen Reisen kennengelemt habe, veranlassen mich, euch zu ermuntern und euch um die unermüdliche Weiterführung eurer Aufgabe als fachkundige Agenten der Entwicklung und als Botschafter zu bitten, die zur Solidarität anregen und für die Liebe aufwecken. 3. Eure Arbeit beschränkt sich nicht auf das Verteilen materieller Güter, wie notwendig das auch sein mag. Ihr habt zugleich auf allen Ebenen Erziehungsarbeit zu leiten: in eurer unmittelbaren Umgebung, im Bereich einer jeden Nation und auf internationaler Ebene. Jung und alt müssen erkennen, daß Solidarität gegenüber den Ärmsten aus diesen keine bloßen Betreuungsobjekte machen darf, vielmehr „allen Völkern erlaubt, selber die Gestalter ihres 1148 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geschickes zu sein“ (Populorum progressio, Nr. 65). Zu echter Solidarität gehört die Offenheit für das Geschenk, das ich in jedem Fall vom anderen empfangen kann, wie arm er auch zunächst erscheinen mag. Das Ganze wird zu einem Austausch zwischen Partnern, die sich gegenseitig in ihrer Würde achten. Vor Gott, dem Schöpfer und Erlöser, wird es zu einer echten Form der Gemeinschaft, zu der wir alle aufgerufen sind. 4. Ich möchte mich nicht bei der Schilderang der großen Besorgnisse aufhalten, die das Thema eurer Überlegungen weckt, ich möchte euch auch nicht weiter an eure Aufgaben erinnern. Es scheint mir aber am Platz, hier die lebhafte Dankbarkeit auszusprechen, die die Arbeit so zahlreicher regierungsamtlicher oder nicht regierungsamtlicher Organisationen in mir weckt, die auf verschiedensten Ebenen, mit unterschiedlichen Mitteln und Methoden doch alle am gemeinsamen Kampf gegen den Hunger und seine bösen Folgen beteiligt sind. Und ich danke aus ganzem Herzen dem Rat „Cor Unum“ und den Organisationen, die hier vertreten sind, für ihre Hingabe und ihren aus dem Evangelium stammenden Geist. Vom christlichen Standpunkt aus kann man an den meisten Stellen bei zahlreichen Männern und Frauen mit großer Fachkenntnis und persönlicher Selbstlosigkeit das Sichtbarwerden echter Liebe feststellen. Im Gründungsakt von „Cor Unum“ zitierte Papst Paul VI. folgende Feststellung des hl. Ambrosius: „Das christliche Volk muß sich durch einen Dienst auszeichnen, der dem Wort des Herrn an seine Jünger entspricht: ,Wer unter euch der Erste sein will, der sei der Diener aller’ (Mt 20,27). Die Liebe aber macht ihn dazu fähig“ (Amons officio, 15. Juli 1971). Danken wir dem Herrn für alle seine Söhne und Töchter, denen er es verliehen hat, die Wege zu einem brüderlichen Dienst zu zeigen, der von seiner Liebe getragen ist! Greift auf die Quellen der unermeßlichen Liebe Gottes zurück und gießt sie über unsere Brüder und Schwestern in der ganzen Welt aus! So werdet ihr selber, zugleich mit euren Mitarbeitern und den Freunden, die im gleichen Sinn tätig sind, den Mut zum Weitermachen finden, ohne jemals aufzugeben. Es ist sicher, längere Zeit hindurch den Schwung der Solidarität gegenüber Partnern beizubehalten, die von scheinbar unüberwindlichen Schwierigkeiten umgeben sind. Möge die mütterliche Mittlerschaft Marias euch Halt geben! Möge euch Gott neuen Eifer für zähes weiteres Bemühen schenken! Und der Segen des Vaters aller Barmherzigkeit mache euch auf dem Weg der Liebe stark und ausdauernd! 1149 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die kirchlichen Bewegungen sind ein kostbares Gut Ansprache an die XIII. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Laien am 23. November Meine Herren Kardinäle, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Freunde! 1. Bei der 13. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Laien sind zum erstenmal auch zahlreiche Mitglieder anwesend, die erst vor wenigen Monaten ernannt wurden. Gern heiße ich euch bei dieser Gelegenheit recht herzlich willkommen. Ich danke euch, daß ihr die Arbeit übernommen habt, die nun diese Zusammenarbeit mit dem Hl. Stuhl zusätzlich zu euren sonstigen Verpflichtungen erfordert. Ihr könnt sicher sein, daß eure Verfügbarkeit wertvoll ist, denn sie gestattet eurem Rat die Erfüllung seiner Aufgabe, die gläubigen Laien aus allen Teilen der Welt und aus allen Bereichen kirchlichen Engagements zu hören. 2. Eure Versammlung findet 25 Jahre nach Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils statt. Es ist nicht unnütz, das zu betonen, weil ihr ja über die Aufgabe der Laien nachdenkt, die dieses Konzil gerade so nachdrücklich hervorgehoben hat. Es ist gut, im Abstand von einem Vierteljahrhundert einen Gesamtblick auf die Arbeit dieses Konzils zu werfen. Es hat in einer bemerkenswerten Synthese das Bewußtsein der Kirche von ihrer eigenen Natur und Sendung ausgesprochen; oder es hat vielmehr das Licht zurückgestrahlt, das Christus, der Erlöser, auf das Antlitz des Menschen, auf die Verfaßtheit des Menschen und die Gemeinschaft der Jünger wirft, die mit ihm in einem lebendigen Leib, erfüllt mit seinen Gaben und von seinem Geiste belebt, vereint sind. Dort findet ihr den unersetzlichen Ausgangspunkt für jedes Nachdenken über das Leben der gläubigen Laien in der Kirche und über ihre Beteiligung an der gemeinsamen Sendung, die vom Erlöser allen Getauften anvertraut worden ist. Doch es ist klar, daß wir 25 Jahre nach dem II. Vatikanum ohne Unterlaß den Weg der Evangelisierung neu aufnehmen müssen in den vielfältigen Formen, die diese heute annehmen muß, um der Sendung treu zu sein, die der Herr seinen Jüngern bis zum Ende der Zeiten aufgetragen hat, und um uns in der richtigsten und nützlichsten Weise an unsere Brüder und Schwestern zu wenden. Das Konzilsdekret Ad gentes hat die Notwendigkeit der Erstverkündigung in den ausgedehnten Teilen der Menschheit betont, die sie noch nicht erreichen konnte. In vielen anderen Gebieten aber ist eine neue Evangelisierung ins Werk zu setzen, um den Glauben neu lebendig zu machen, um der Errichtung des Bauwerks neuen Schwung zu geben, der vom Herrn unter seinen Jüngern gewünschten Einheit näherzukommen und auf die Erwartungen des oft orientierungslos gewordenen Menschen zu antworten. Zu Beginn meines Dienstes als Nachfolger des Petrus habe ich es ausgesprochen und möchte es heute vor euch wiederholen: „Die grundlegende Aufgabe der Kirche in allen Epochen und besonders in der uns-rigen ist es, den Blick des Menschen, das Bewußtsein und die Erfahrung der ganzen Menschheit auf das Geheimnis Christi zu lenken und auszurichten, allen Menschen zu helfen, mit dem tiefen Geheimnis der Erlösung, die sich in Jesus Christus ereignet, vertraut zu 1150 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN werden“ (Redemptor hominis, Nr. 10). Sucht daher die Wege zu finden, auf denen sich die gläubigen Laien in einer immer heiligeren und missionarischeren Weise an den großen Aufgaben der Kirche beteiligen können. 3. Betrachtet man die zahlreichen Verbände der Gläubigen, die mit dem Päpstlichen Rat für die Laien Beziehungen unterhalten, kommt die Verschiedenheit der Berufungen und Vorgehensweisen sofort in den Blick. Das stellt einen großen Reichtum für die Kirche dar. Ausgehend vom universalen Aufruf zur Heiligkeit, zur Gemeinschaft und Sendung zeigen die einen wie die anderen ihre geistliche und apostolische Großherzigkeit auf tausend Weisen. Wie bei der Liturgiefeier, die um den gleichen Herrn und sein Erlösungsopfer Männer und Frauen aller Lebensstände und Berufungen vereint, bilden die spezifischen Tätigkeiten der Laien ein einziges gemeinsames Werk. Zur Sicherstellung der Einheit mitzuhelfen, ist gewiß eine eurer Hauptaufgaben. Auf der einen Seite fügt sich das Engagement der gläubigen Laien in den allgemeinen Rahmen der Einzelkirchen ein; sie nehmen am Leben der Diözesen und Pfarreien teil, übernehmen ihre Verantwortung in den Pfarrgemeinderäten, den caritativen Diensten, in Apostolatsgruppen oder im Erziehungswesen; und es ist gut, daß der Wert ihrer Arbeit auf all diesen Gebieten klar anerkannt wird. Auf der anderen Seite vereinen Verbände die Gläubigen nach verschiedenen Gesichtspunkten der sozialen Zugehörigkeit, einer besonderen Spiritualität, einer eigenen Apostolatsmethode oder nach Bildungswegen und dem Stil des Gemeinschaftslebens. Die große Zahl der kirchlichen Bewegungen, oft erst in letzter Zeit gegründet, bedeutet für die Kirche ein kostbares Gut. Euer Rat hat besonders die Aufgabe, in Verbindung mit den betreffenden Bischöfen die notwendigen Unterscheidungen zu treffen, um die Ausbreitung jeder Bewegung gemäß ihrer Berufung und zugleich die brüderliche Einheit aller zu sichern. Das Apostolische Schreiben Christifideles laici hat diese Grundsätze, an denen man die Berechtigung der Verbände von Gläubigen erkennen kann, „Kriterien der Kirchlichkeit“ genannt; eure Überlegungen zu diesem Thema werden sie gut verständlich machen, um sie zugleich zum Wohl der Personen und zum Fortschritt der Evangelisierung anzuwenden. 4. Der umfassende Überblick, den ihr euch im Verlauf eurer Tagung verschafft, wird euch zweifellos auch die zahlreichen Bereiche betrachten lassen, in denen gläubige Laien ihre Überzeugungen zum Ausdruck bringen und Zeugnis geben müssen, gerade weil sie im eigentlichen Sinne Weltmenschen sind. Es sind sozusagen Welten, die wir durch die christliche Botschaft gern erhellt sehen würden. Ich denke an die Welt der Familie, die der Kultur, an die Welt der Wirtschaft, die der Reisenden und der Verantwortlichen in den Unternehmen, an die Welt der Wissenschaft und der Technik und die der sozialen Kommunikation. Ich begnüge mich mit diesen Hinweisen; einige Probleme werden vom Standpunkt des Hl. Stuhls aus durch besondere Dikasterien verfolgt. Aber es ist gut, daß ihr einen Gesamtblick auf die christliche Präsenz in der Welt unserer Zeit werft, denn ihr wißt, welchen Stellenwert ihr das 2. Vatikanum gegeben hat. Hier geht es wirklich darum, „hinaus in die ganze Welt zu gehen und das Evangelium allen Geschöpfen zu verkünden“ (vgl. Mk 16,15; Mt 28,19), die Kirche in allen Lebensbereichen zu verwurzeln und die Liebe in einer Weise auszustrahlen, die keine Grenzen kennt. 1151 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Liebe Freunde, am Ende meiner notwendigerweise kurzen Ausführungen möchte ich euch erneut dafür danken, daß ihr euch an der Sendung des Hl. Stuhls beteiligt. Wir befinden uns hier an einem einmaligen Treffpunkt. Die Dikasterien haben Aufgaben der Unterscheidung, zuweilen müssen sie auch die Rolle von Schiedsrichtern spielen, aber sie sollen auch Initiativen ergreifen und anregen. In diesem Zusammenhang möchte ich die glückliche Tätigkeit eures Rates hinsichtlich der Jugendlichen hervorheben, zumal für die Welttage, die bereits Früchte getragen haben, wie ihr selbst bezeugen könnt. Ich ermuntere euch zur Fortführung eurer Überlegungen und Aktionen, um die Kraft und die Universalität der Sendung der gläubigen Laien in der ganzen Kirche zu bestätigen in der Einheit und der Verschiedenartigkeit des einen Leibes Jesu Christi. Ich spreche euch meine herzliche Verbundenheit aus, vertraue euch Maria, der Mutter der Kirche, der Jungfrau der Erwartung und der Hoffnung, an. Auf euch, auf eure Familien und auf alle, mit denen ihr zusammenarbeitet, rufe ich aus ganzem Herzen den Segen des Herrn herab. Barmherzigkeit und Verzeihen überwinden blinde Gewalt Botschaft an die Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe der katholischen Kirche des Libanon vom 24. November Eure Seligkeiten und liebe Brüder im Episkopat! Anläßlich des jährlichen Treffens der Versammlung der katholischen Patriarchen und Bischöfe des Libanon möchte ich euch die Zusicherung geben, daß ich geistig in eurer Mitte bin und in diesem für die euch anvertrauten Gemeinschaften so entscheidenden Augenblick an euren Hirtensorgen intensiv Anteil nehme. Die Gläubigen eurer Kirchen wurden schweren Prüfungen unterworfen, und viele von ihnen haben, gedrängt durch ein Gefühl der Unsicherheit, aus Furcht oder besorgt um das Los ihrer Familien, das Land verlassen oder wollen es verlassen. Andere sind ratlos, und da sie sehen, daß die Zukunft sehr unsicher ist, können sie leicht der Entmutigung erliegen oder, was noch schlimmer wäre, der Versuchung, auf die zerstörende Gewalt zurückzugreifen. Manche schwere Sorgen quälen euch, ich weiß es; aber ich bin sicher, daß ihr, der Verantwortung eures Amtes treu, in eurer väterlichen Sorge und mit der Hilfe der Priester und Ordensleute es verstehen werdet, die geistliche Anregung, die seelsorglichen Prioritäten und die Koordinierung der verschiedenen Tätigkeiten, die mehr als je notwendig sind, sicherzustellen. Zusammen mit euch rufe ich den Herr an, damit er euch die Kraft und die Gnade gibt, eure geistlichen Söhne und Töchter zu trösten und zu stärken im Glauben an Christus. Er ist der Ursprung, von dem die Bekehrung der Herzen ausgeht, der den Seelen den Frieden gibt und sie vor allem spüren läßt, daß sie zu einer einzigen Kirche gehören, die um ihn geschart ist. Das wird nicht nur die Uneinigkeiten, die der Krieg und die durch die politischen Wahlen 1152 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geschaffenen Gegensätzlichkeiten verursacht haben, leichter überwinden lassen, sondern auch eine stärkere Hoffnung für die Zukunft wecken können. Mit eurer Hilfe und angesichts eures Zeugnisses werden die Gläubigen eurer Kirchen das große Gebot der Liebe in die so anfordemde Praxis des täglichen Lebens zu übertragen wissen: durch Barmherzigkeit und Verzeihen werden sie den Groll, den die blinde Gewalt des Krieges hervorgerufen hat, überwinden können und sich für einen respektvollen Dialog mit allen öffnen, vor allem mit denen unter ihren Landsleuten, die anderen geistlichen Familien angehören; sie werden mitfühlend und solidarisch sein im Hinblick auf die Menschen, die durch die schmerzlichen Umstände, in denen sie sich befinden, am härtesten geprüft sind. Ich teile mit euch die Überzeugung, daß nur diese geistliche Kraft und dieser gute Wille es vermögen werden, daß das Land mehr und mehr zu einer normalen Situation zurUckkehrt und daß der Libanon von Grund auf eine Neugeburt erlebt und offen ist für einen Pluralismus, in dem alle Einwohner, Christen und Nichtchristen, sich voll und ganz als verantwortliche Bürger fühlen können. Den katholischen Laien des Libanon eröffnet sich heute ein unermeßliches Feld zur Betätigung im Hinblick auf den Beitrag zum moralischen Wiederaufbau des Landes und die Anbahnung besserer Zeiten für ihre Heimat. Eure Versammlung wird ohne Zweifel Orientierungen herausgeben, die den Katholiken eurer Nation als Anleitung zu ihrem Apostolat von großem Nutzen sein werden. Ich vertraue meinerseits eure Arbeiten dem mütterlichen Schutz Unserer Lieben Frau von Harissa an, und ich rufe sie mit euch an, sie möge allen, den Hirten und den Gläubigen, das notwendige Licht und die nötige Kraft erlangen, um den dringenden apostolischen Anforderungen der gegenwärtigen Stunde entsprechen zu können. Mit meinem Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 24. November 1990 Joannes Paulus PP. H Berufung zum Ordensleben ist ein Charisma Schreiben an die Teilnehmer der Generalversammlung des Ordens der Minimiten vom 24. November Liebe Brüder! 1. Mit freudigem Herzen empfange und grüße ich euch. Ein besonderer Gruß gilt P. Ales-sandro M. Galuzzi, dem Generalsuperior eures Ordens, und ich danke ihm für die ergebenen Wünsche, die er in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ihr weilt in Rom zu eurer Generalversammlung, die ein besonders aktuelles Problem, nämlich das der Berufungen behandeln soll. Mit Recht liegt es euch und allen sehr am Herzen, die sich um die Zukunft der Kirche und der Ordensinstitute Sorge machen. 1153 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die heutige Begegnung bietet mir die Gelegenheit, euch den herzlichen guten Wunsch auszusprechen, daß eure Zusammenkunft reiche Früchte bringen möge. In diesem Sinn verspreche ich euch auch ein besonderes Gebet. 2. Lebhaft denken wir noch an die kürzlich stattgefundene Bischofssynode, die ganz der Berufung, dem Dienst und der Ausbildung der Priester galt. Gewiß kommt ihr auf sie zurück, wenn ihr das Problem der Berufungen für euren Orden in seiner Gesamtheit behandelt. Die Berufung zum Ordensleben ist ein Charisma, das die Lebenskraft der Gemeinschaft der Christen steigert, denn es geht hier um die gänzliche und ausschließliche Hingabe der Person an Gott sowie an den Dienst für die Mitmenschen. Die Vielfalt der Institute des gottgeweihten Lebens unterstreicht also diesen besonderen geistlichen Reichtum der Kirche und nimmt gewissermaßen das Reich Gottes vorweg. Jede Ordensfamilie fügt sich nämlich in die Dynamik der Kirche mit ihrem eigenen besonderen charismatischen Beitrag ein. Euer Orden hat die Aufgabe, die Rolle der Buße auf dem Weg der Bekehrung zu bezeugen, und darum betont er die Mittel der Askese und der Abtötung. Eure Berufung erweist sich damit als wichtiger Dienst am Menschen, der den Weg der Sünde verlassen möchte, um zum Herrn der Barmherzigkeit zurückzukehren. Mit eurem von der Buße geprägten Lebensstil bildet ihr einen ständigen Hinweis auf die bleibenden Werte des Evangeliums als Heilsbotschaft für jede Epoche und für jede Person. Christus verlangt von euch, für diese Botschaft mutige Zeugen zu sein. Achtet daher immer auf die Stimme des Bruders, der um Hilfe ruft. Flößt ihm Hoffnung ein, damit er zu den Quellen der Gnade und der Freude zurückkehren kann; geht dem Sünder entgegen und nehmt voll Liebe jeden auf, der in Gott seinen Frieden sucht. 3. Wißt euer besonderes Charisma der Buße zu leben, indem ihr euch als Diener des Sakramentes der Versöhnung anbietet. Der Mensch braucht die Gnade, um zum Frieden seines Herzens zu gelangen. Er sucht einen Priester, der bereit ist, ihn anzuhören; er möchte sich bei ihm aussprechen, um ihm die Last seiner Sünde anzuvertrauen und sich so mit Gott zu versöhnen. Ihr seid als Minimiten dazu berufen, Diener der Buße zu sein. Macht euch daher stets bereit, hochherzig diesen Dienst zu leisten und euren Mitmenschen zu helfen, die Schönheit des Evangeliums zu entdecken, wenn man es konsequent lebt. Ihr seid die geistlichen Söhne des hl. Franz von Paola, dessen Gebeine ich 1984 bei meiner Pastoraheise nach Kalabrien verehren durfte. Wenn ihr seinem Beispiel folgt und seinen Weg zu dem euren macht, werdet ihr mit neuer Freude zahlreiche Möglichkeiten entdecken, auch heute euer besonderes Charisma zu leben, indem ihr den Kiemen und Armen dient. Der hl. Franz bot als echter Zeuge für das Evangelium in Demut, Einfachheit und Liebe in sich selbst ein Bild der Kirche an, das den Bedürfnissen derer entsprach, die zu ihr ihre Zuflucht nehmen. Enttäuscht auch ihr niemals die Erwartungen der Einfachen und Armen; sucht in eurem Dienst immer, sie zu bevorzugen, weil der Herr sie geliebt und sie als „selig“ im Gottesreich bezeichnet hat (vgl. Mt 5,3). 4. Die täglich gelebte Berufung der Minimiten betont diese besondere Aufmerksamkeit für die auf dem Gebiet der Caritas Bedürftigen. Wenn ihr den Kleinen nahesteht - wie es ja euer 1154 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Name Minimiten von euch verlangt - werdet ihr das Evangelium besser verstehen und euer Leben im Streben nach Heiligkeit verbringen. Sie nimmt von der Vereinigung mit Gott ihren Ausgang und mündet in der Liebe zu den Mitmenschen. Ich ermuntere euch, eure Berufung voll zu leben. Ihr werdet sehen, daß die Früchte nicht fehlen werden. Macht in der Kirche durch euer Leben das Evangelium der Buße und des Ver-zeihens präsent. Bei eurer Generalversammlung habt ihr euch um das Herausarbeiten eurer charismatischen Identität bemüht und deren bleibende Aktualität betont. Die Wirksamkeit eures Dienstes hängt nun von dem Mut ab, mit dem ihr der ehrwürdigen Überlieferung eures Ordens treu bleibt, wenn auch hochherzig verfügbar, das zu übernehmen, was die gewandelten Verhältnisse der heutigen Gesellschaft erfordern. Ihr seid die Erben des mehrere Jahrhunderte alten Gutes, das euch der hl. Franz hinterlassen hat: übersetzt es täglich in euer persönliches Lebenszeugnis. Mit diesem Wunsch rufe ich den Schutz Marias, der Mutter der Kirche, auf eure Versammlung und eure Anliegen herab und erteile von Herzen eurer ganzen Ordensfamilie einen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 24. November 1990 Erzieher sein, erfordert sehr viel Ansprache an die Missionarinnen der Schule am 24. November Meine Herren Kardinäle, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Missionarinnen der Schule, liebe Brüder und Schwestern! 1. „Vereint, um zu danken und das Licht Christi in der Welt leuchten zu lassen.“ Im Zeichen dieser Worte wolltet ihr euch um den Papst versammeln, um den 100. Jahrestag der Geburt der Mutter Luigia Tincani und das Jubiläum zweier von ihr gegründeter Kulturinstitute zu feiern, das der Pädagogischen Hochschule „Maria Ss. Assunta“ für die Ausbildung von Lehrkräften und das des Universitätszentrums „Regina mundi“. Ich richte einen herzlichen Gruß an die Herren Kardinäle und Bischöfe, die an dieser Begegnung teilnehmen wollten. Ich danke für seine Anwesenheit auch Herrn Giulio Andreotti, dem Ministerpräsidenten der italienischen Regierung. Insbesondere begrüße ich Sr. Anna Maria Balducci, die Generaloberin der Missionarinnen der Schule, und ich danke ihr herzlich für die ergebenen Worte, die sie in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich freue mich, daß ich hier die Freunde, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Schülerinnen und Schüler aller Schul- und Kulturinstitute empfangen kann, die von Mutter Tincani und ihren geistlichen Töchtern gefördert oder geleitet werden. Im Geiste umarme ich auch die Vertreterinnen und Vertreter der in Pakistan und Indien eröffheten Schulen. Mein herzliches Willkommen gilt euch allen, Männern und Frauen, die ihr von Berufs wegen eifrig in der Welt der Familie, in Kultur und Politik und in den Lebensbereichen der Kirche tätig seid. Ihr bildet eine große geistliche Familie, die sich an der Gestalt von Mutter Tincani ausrichtet und sich in ihren Idealen wiedererkennt. Sie lassen sich zusammenfassen als Liebe zur Wahrheit (cari- 1155 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tas veritatis), wie ihr sie in der Kultur der Jugendlichen aufspüren und ihr einprägen möchtet, zumal durch die Schule. 2. Die heutige Feier vereint euch alle in einer festlichen Gemeinschaft: um gemeinsam zu danken! Ihr wollt der heiligen Dreifaltigkeit danken, daß sie der Kirche eine edle und starke Frauengestalt wie Luigia Tincani geschenkt hat und sie durch ihr Werk so zahlreiche gute Initiativen begründen ließ, wie vor allem eine Ordensfamilie, die den Samen des Evangeliums in der Gesellschaft ausstreuen möchte, angefangen beim mittleren und höheren Schulwesen und bis zu den Universitäten, wo immer die Jugend sich für das Leben vorbereitet und bildet. Eure Gründerin hat dem Herrn und der Kirche treu zu dienen gesucht und ist dabei den Spuren des Dominikanerordens gefolgt, um sich dem Erkennen und der Verbreitung der Wahrheit zu widmen, verstanden als in Gott subsistierend und von ihm ausstrahlend. Von der hl. Katharina von Siena, die sie als Patronin ihrer Ordensgründung wählte, hat sie für das entstehende Institut die Leidenschaft für die Kirche, die Liebe zum Papst, die Hingabe an die Wahrheit und das Streben zu übernehmen versucht, das Licht Gottes in der Welt zu verbreiten. In einer bezeichnenden Weisung für die Novizinnen heißt es 1942: „Unsere Vereinigung ist ausdrücklich für die Evangelisierung der Allerärmsten, d. h. der seelisch Armen, der an Wahrheit Armen, entstanden. Daher ist für uns die Pflicht besonders wichtig, die Intelligenz zu pflegen, um sie in Studium und Gebet dem Lichte Gottes und später in der Lehrtätigkeit dem Dienst der Menschen zu weihen.“ 3. Ich weiß, daß die Päpste, meine verehrten Vorgänger von Pius XI., der eurer Vereinigung den Titel „Missionarinnen der Schule“ gab, bis zu Paul VI., der eurer Gründerin in vieler Hinsicht beistand, die Pläne von Mutter Tincani und die Wege ihres Wirkens, von den Anfängen im Jahre 1922 in Gubbio, bis zu den späteren Gründungen in Rom, Italien und Asien: nämlich in Pakistan und Indien, bis zu den jüngsten Gründungen in Europa, nämlich in Holland, Polen und der Tschechoslowakei bekräftigt und ermuntert haben. Als sie in ihrer Berufung reifte und die Grundlinien für ihre geistliche Familie entwarf, gingen die Kirche und die christliche Kultur in Italien durch besonders schwierige Jahre. Öffentlich den Glauben bekennen bedeutete oft, sich gewalttätigen Angriffen von seiten derer auszusetzen, die dem Christentum und sogar der Glaubensfreiheit widerstreitende Ideologien vertraten. Heute hat sich die Lage in vielem gewandelt, aber deswegen ist der Weg der Wahrheit und der Förderung des Menschen nach dem Plan Gottes nicht weniger schwer geworden. Aufgrund eines in der Gesellschaft verbreiteten Klimas von Säkularismus und Materialismus erleben wir den gefährlichen Zusammenbruch zahlreicher menschlicher und christlicher Werte. Dessen Opfer sind vor allem die Jugendlichen, die kaum anregende Vorbilder finden, die sie über die Mittelmäßigkeit des Alltäglichen hinausheben und ihnen Freude an den echten und großen Idealen einflößen. Auch in den heutigen sozialen Verhältnissen kann euer Institut daher für seinen apostolischen und missionarischen Eifer ein weites Betätigungsfeld finden. 4. Der von Mutter Tincani ausgestreute und von Gott gesegnete Samen hat in wenigen Jahrzehnten einen Baum von erheblichen Dimensionen hervorgebracht. Ihr, liebe Schwestern, 1156 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stellt heute eine große Schar dar, die das von eurer Gründerin begonnene Werk weiterführt. Ihr seid Menschen, die ihr Leben der menschlichen und christlichen Bildung der Jugendlichen weihen, um ihr geistiges Wachstum zu fördern. Das Programm einer christlich ausgerichteten Paideia (Pädagogik) ist in der heutigen Gesellschaft besonders dringend, die zumal in der Schule nicht selten orientierungslos erscheint. Auch vor euch wiederhole ich, was ich kürzlich den Dozenten und Studenten der Päpstlichen Universitäten Roms gesagt habe: „Ausbildung ist eine Teilnahme am Erlösungswirken Gottes; man geht dabei mit Geist und Herz in die Schule Jesu Christi.“ Doch um fähige und verantwortliche Erzieherinnen und Erzieher zu werden, muß man in die Schule Christi gehen, und ihr wißt, wieviel Disziplin, Studium, Aggiomamento und erprobtes Fachwissen das erfordert. Auf diesem Weg leuchten euch Wort und Beispiel eurer geistlichen Mutter voran: so geht entschlossen den von ihr vorgezeichneten Weg weiter. Als „Mitarbeiter Gottes“ für das Werk des Evangeliums (vgl. 1 Kor 3,9), nährt euer Tun mit dem Gebet und dem Hören auf den inneren Meister. „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“, hat der Herr gesagt (Joh 15,5); doch Maria versichert, daß „für Gott nichts unmöglich“ ist (Lk 1,37). Ahmt die Mutter des Erlösers nach, die jedem, der sie anruft, zu Hilfe kommt. Von eurer Gründerin geliebt und beständig verehrt, ist Maria in jeder von euren Gemeinschaften präsent, und zumal in den beiden Instituten, an die ihr heute mit Freuden denkt: im Universitätsinstitut „Maria Ss. Assunta“ und im Universitätszentrum „Regina mundi“. Der Jungfrau und Mutter Christi, dem Sitz der Weisheit, empfehle ich auch euch alle und erteile euch von Herzen meinen besonderen Segen. Kerntruppen von Glaubenden schaffen Ansprache an die dritte Nationalversammlung der Cursillos für christliches Leben am 24. November 1. Mit großer Freude empfange ich euch alle, liebe Brüder und Schwestern, die ihr zur Teilnahme an der dritten Nationalversammlung der Cursillos für christliches Leben nach Rom gekommen seid. Ich grüße die anwesenden verehrten Brüder im Bischofsamt, die diözesanen Koordinatoren, die für ein bestimmtes Gebiet Verantwortlichen und die Mitglieder der inter-diözesanen Arbeitsgruppe, welche die Gemeinschaftsstrukturen eurer Bewegung bilden. Herzlich umarme ich einen jeden von euch Priestern, Ordensmännem, Ordensfrauen und Laien, die ihr euren Beitrag für die Evangelisierung leistet und euch in den Dienst der Pasto-ral der Diözese stellt. Ihr habt dringend gewünscht, in die Arbeiten dieses Tages möchte auch eine Begegnung mit dem Nachfolger des Petrus eingeschlossen werden, um erneut euren festen Willen zu betonen, der Kirche zu dienen, jede Weisung des Lehramtes anzunehmen und euch seinen pasto-ralen Weisungen anzugleichen. Ihr bemüht euch ja, immer mit der Gemeinschaft der Kirche in Übereinstimmung zu bleiben und in enger Verbindung mit ihr zu arbeiten. Eure besondere 1157 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sendung besteht im Evangelisieren der Gesellschaft, indem ihr die Gewissen bildet und die Umgebung, in der ihr lebt, mit dem Geist des Evangeliums durchdringt. 2. Der euch so vertraute Ausdruck „Ultreya“ ruft das eindrucksvolle Bild des christlichen Lebens als Pilgerweg der inneren Bekehrung und als geistliche Pilgerreise wach. Er unterstreicht, daß euer Leben als Gläubige in der anspruchsvollen Nachfolge Christi besteht, der von uns verlangt, immer noch über unsere Pläne und Bestrebungen hinauszugehen. Jesus lädt uns ein, uns selbst zu verleugnen, das Kreuz auf uns zu nehmen und ihm nachzufolgen (vgl. Mt 16,26). Nur so wird man ein „neuer Mensch“ und lebendiger Sauerteig für eine neue Welt. Die Menschheit braucht Apostel des Evangeliums, Apostel, die der Treue zu Christus nichts vorziehen; Männer und Frauen, die die Wahrheit verkünden und mit der Folgerichtigkeit ihres Verhaltens die Freude vermitteln, dem göttlichen Erlöser begegnet zu sein; Menschen, die von Gott zu reden verstehen und ihren Zeitgenossen, die von einer Flut von oberflächlichen Reizen überspült und von einer den Menschen oft entwürdigenden Konsummentalität verwirrt werden, seine Liebe zu bezeugen wissen. 3. Hier liegt also eure Aufgabe innerhalb der Kirche, liebe Brüder und Schwestern: Kem-gruppen von Glaubenden zu schaffen, die die Heilsbotschaft überall hintragen und das Gewicht ihre Meinung nicht durch Druck, sondern durch die Glaubwürdigkeit ihres Zeugnisses zur Geltung bringen. Es geht darum, wie ihr selbst häufig wiederholt, dieser unserer Welt ein Rückgrat zu geben, für die Gesellschaft ein christliches Rückgrat aufzubauen. Ja, ihr selbst müßt dieses geistige Rückgrat sein, damit das Evangelium zur tragenden Struktur der vom Geist erneuerten Menschheit werden kann. Doch wenn ihr eine derart heikle Aufgabe übernehmen wollt, müßt ihr vor allem eure Berufung neu entdecken und sie täglich durch die persönliche Begegnung mit der Gnade und Barmherzigkeit Gottes vertiefen. Ihr müßt euch nähren durch unablässiges Gebet, so daß ihr wahre Anbeter des Vaters und eifrige Schüler seines Wortes seid. Der treue und häufige Empfang der Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie ist für euch unerläßlich, wenn ihr beharrlich auf dem Weg der Heiligung bleiben wollt. Die Augen eures Geistes müssen ständig auf Christus und den Tabernakel gerichtet sein, denn vom Geheimnis der Eucharistie bekommt ihr das Licht und die Kraft, die zum Fortschritt auf dem Weg der Heiligkeit notwendig sind. In dieser Sicht erweisen sich ferner die Seelenführung und die regelmäßige Teilnahme an den Gemeinschaftstagen, an den Einkehrtagen und geistlichen Exerzitien, wie auch an anderen Bildungsveranstaltungen, die von eurer Bewegung vorgesehen sind, als sehr nützlich. Ihr werdet dann erfahren, wie überraschend der Heilige Geist wirkt und welche Freude das Eingreifen der Gnade Gottes schenkt, die das Dasein des Glaubenden umwandelt. 4. „Christus rechnet mit mir; ich rechne mit ihm“. Dieser kurze Ausdruck faßt schön die euch anvertraute missionarische Aufgabe zusammen. Alles fließt euch von ihm zu; er verlangt von euch freilich gänzliche Verfügbarkeit, um durch euch wirksam handeln zu können. Seid daher gelehrige Werkzeuge seiner Liebe, seine unerschrockenen Zeugen und seine demütigen Dienerinnen und Diener. Die lebendige Botschaft, die ihr empfangen habt, müßt ihr wei- 1158 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ter verbreiten: ja ihr selbst müßt eine lebendige Verkündigung des Evangeliums sein. Bekennt daher, erfüllt vom Geist der Hoffnung und missionarischen Eifers, laut eure Treue zu Christus und bleibt nie hinter seinen Erwartungen zurück. Bekennt sie laut mit eurem Leben, in eurer täglichen Pflichterfüllung. Ihr wißt, wie hinreißend die Arbeit für das Reich Gottes ist, und kennt zugleich gut den geistlichen Durst des menschlichen Herzens. Im Apostolischen Schreiben Chiistifideles laici habe ich gesagt: „Der Kirche ist eine anspruchsvolle und herrliche Aufgabe anvertraut, nämlich die einer neuen Evangelisierung, deren die heutige Welt dringend bedarf. Die Laien haben lebendigen und verantwortlichen Anteil an ihr“ (Nr. 64). Dies ist also die apostolische Aufgabe, die auch euch in diesen Jahren von großer historischer Bedeutung offensteht. Die Kirche bittet euch, Werkzeuge der Versöhnung und der Brüderlichkeit zu sein und unter allen, die in eurer Nähe leben, Freundschaft zu verbreiten. Sie bittet euch, zu einem neuen Aufblühen der Welt beizutragen, die so weithin zu einer Wüste des Egoismus und der Sünde geworden ist. 5. Liebe Brüder und Schwestern, in den Cursillos für christliches Leben seid ihr in den drei Tagen des Kurses intensiv der Liebe Gottes begegnet und habt die praktischen Forderungen kennengelemt, die sich daraus ergeben. Nun beginnt der von euch so genannte vierte Tag, der praktisch das ganze Leben über andauert. An diesem langen Tag aber bzw. jeden Tag eures Lebens müßt ihr treu, wachsam und beharrlich sein. Bei jeder Gelegenheit sollt ihr euch gegenseitig durch euer Beispiel und eure brüderliche Hilfe unterstützen und ermuntern, unablässig beten und dem himmlischen Vater jedes Leid und jede Prüfung aufopfem. Ist es nicht tröstlich zu wissen, daß aus allen Nationen der Welt, in denen eure Bewegung verbreitet ist, sich durch eure bewußte Verbundenheit untereinander eine ganze Gebetskette zum Himmel erhebt? Wenn eine solche geistliche Solidarität Gewohnheit wird, bildet sie eine wertvolle Hilfe, daß ein jeder der eigenen Berufung treu bleiben kann. Ich ermuntere euch, in eurer Begeisterung und Hochherzigkeit weiter zu wachsen und vertraue einen jeden von euch und eure ganze Bewegung Maria, der Mutter Christi und der Kirche, an. Sie möge euch führen und stützen: Maria möge euch immer in ihren Schutz nehmen! In ihrem Namen erteile ich allen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Wichtiger und schwieriger Auftrag Schreiben der Ernennung zum Pro-Staatssekretär an Erzbischof Angelo Sodano vom 1. Dezember Nachdem ich den Rücktritt des Herrn Kardinal Agostino Casaroli vom Amt des Staatssekretärs angenommen hatte und dessen Nachfolger wählen mußte, dachte ich an Sie, ehrwürdiger Mitbruder, als eine Persönlichkeit, die für die Übernahme des wichtigen und schwierigen Auftrags besonders vorbereitet ist. Die Gaben des Verstandes und des Herzens, die bewiesene Klugheit in der Bewertung der menschlichen Geschicke, das lebendige Gespür für die pastoralen Zielsetzungen des Wirkens 1159 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Kirche in der Welt, die weite Erfahrung — gesammelt in den langen Jahren des Dienstes beim Hl. Stuhl, in den verschiedenen päpstlichen Vertretungen und im Staatssekretariat, insbesondere als Sekretär für die Beziehungen mit den Staaten - machen Sie geeignet für ein neues und schweres Amt, der den, der es ausübt, unmittelbar mit den täglichen Sorgen des Nachfolgers Petri verbindet. Deshalb vertraue ich Ihnen die Aufgabe des Pro-Staatssekretärs an und möchte Ihnen damit einerseits dankbare Hochschätzung zum Ausdruck bringen für die bisher meinen Vorgängern und mir persönlich geleisteten Dienste; anderseits möchte ich Ihnen volles Vertrauen in ihre Fähigkeiten bekunden, die sie besitzen, um die neuen Aufgaben in angemessener Weise durchzuführen. Tatsächlich bin ich gewiß, in Ihnen einen wertvollen Mitarbeiter zu finden, der die schwere Arbeit mittragen und unterstützen kann, die „die Sorge für alle Gemeinden“ (2 Kor 11,28) mit sich bringt. Während ich ein besonderes Gebet an den Herrn richte, damit er Ihnen beistehe mit dem Licht und der Kraft seiner Gnade, um ihre zukünftige Tätigkeit vorwegzunehmen, zu begleiten und mit Früchten zu krönen, erteile ich Ihnen von Herzen als Zeichen lebhafter Zuneigung den Apostolischen Segen. Aus dem Apostolischen Palast, am 1. Dezember 1990. Joannes Paulus PP. II Kardinal Casaroli: eine Quelle der Anregung Ansprache beim Amtswechsel im Staatssekretariat am 1. Dezember 1. Vor über einem Jahr, einige Tage vor Vollendung seines 75. Lebensjahres, hat der liebe und verehrte Kardinal Agostino Casaroli mir schriftlich seinen Rücktritt vom Amt des Staatssekretärs angeboten. Er tat das in einem vornehm zurückhaltenden Brief, der völlig dem bei ihm gewohnten Stil entsprach. Er schrieb damals, er habe sich zu diesem Schritt entschlossen „nicht nur im Gehorsam gegen eine Vorschrift des Kirchenrechts, sondern im Bewußtsein der Gründe, die dahinter stehen: das Abnehmen der Kräfte, das sich nach einem bestimmten Alter immer mehr bemerkbar macht“. Und er fügte hinzu: „Was immer Eure Heiligkeit zu entscheiden belieben, werde ich in froher Bereitschaft als Zeichen des Willens Gottes annehmen zum größeren Wohl der Kirche und um dem Hl. Stuhl einen möglichst guten Dienst zu leisten.“ Auch wenn ich diese Haltung voller Losgelöstheit und Verfügbarkeit bewundert habe, glaubte ich doch, nicht gleich auf die Mitarbeit eines so weisen und erfahrenen Mannes verzichten zu können, und ich habe daher Kardinal Casaroli gebeten, auf seinem Posten zu bleiben, bis mir eine andere Verfügung möglich wäre. Er gehorchte wie immer, ohne zu zögern, und führte seinen Dienst mit gewohntem Eifer und unveränderter Gelöstheit des Geistes weiter. 1160 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Gern erkenne ich diese Ihre Verdienste, Herr Kardinal, öffentlich an, wenn ich nun nach reiflichem Überlegen und Gebet entschieden habe, Ihren Amtsverzicht anzunehmen. Wie ich Ihnen bei dieser Gelegenheit schrieb, habe ich mich im Verlauf der letzten Monate zwar an den Gedanken gewöhnt, auf Sie und Ihre Mitarbeit verzichten zu müssen, doch empfinde ich bei meiner Entscheidung sehr wohl den Verlust. Ich kenne Sie ja schon seit vielen Jahren, und unsere erste Begegnung liegt über 20 Jahre zurück, da Sie als enger Mitarbeiter von Papst Paul VI. entscheidende Schritte unternahmen, um die Lage der Kirche hinter dem sogenannten „Eisernen Vorhang“ zu verbessern. In Polen haben diese Bemühungen wichtige Früchte gebracht und die kirchliche Normalisierung für den westlichen und den nördlichen Teil des Landes ermöglicht. Im Verlauf der Zeit konnte ich dann immer besser Ihre Qualitäten als Mensch und als Priester kennenlemen, wenn ich Ihr intensives Wirken als Verantwortlicher des Rates für die öffentlichen Angelegenheiten verfolgte. Ich lernte Ihren lebendigen Sinn für die Kirche kennen, der in Verbindung mit einem ebenfalls ausgeprägten Sinn für den Menschen Ihr Wirken stets getragen und bestimmt hat. Ich empfand es daher als natürlich, als Gott mich in seiner Vorsehung auf den Sitz des Petrus berufen wollte und nach wenigen Monaten Kardinal Villot starb, mich an Sie zu wenden und Sie zu bitten, als engster Mitarbeiter bei meinem Dienst und als erster Berater mir zur Seite zu stehen. Ich denke nun an die große Hilfe zurück, die ich im Verlauf dieser Jahre von Ihnen empfing, in denen Kirche und Welt derart weitreichende Ereignisse und Umwälzungen erlebten. Ich konnte stets mit den Hinweisen und Empfehlungen rechnen, die Sie in aufrichtiger Liebe zu Christus und zur Kirche mir als loyaler, intelligenter und ergebener Mitarbeiter angeboten haben. Für all das danke ich Ihnen, Herr Kardinal, und vereint mit Ihnen danke ich dem Herrn für das Gute, das er in der Kirche und der Welt durch Ihr Wirken in diesen arbeitsreichen und fruchtbaren Amtsjahren vollbracht hat. 3. Sodann möchte ich jetzt die Ernennung des neuen Verantwortlichen für das Staatssekretariat öffentlich bekanntgeben. Nach reiflicher Überlegung und nicht ohne innig um Licht von oben gebetet zu haben, bin ich zum Entschluß gekommen, für dieses Amt Msgr. Angelo Sodano zu berufen, bisher im Staatssekretariat Sekretär der Abteilung für die Beziehungen zu den Staaten. Ich habe Msgr. Sodano meine Entscheidung in einem Dokument mitgeteilt, das ich nun vorlese. Monsignor Sodano aber bekommt als Nachfolger im Sekretariat für die Beziehungen zu den Staaten Msgr. Jean Louis Tauran, der in diesem wichtigen Bereich der Tätigkeit des Hl. Stuhls bereits gute Erfahrung besitzt. Die Gestalt von Kardinal Casaroli und seine Hingabe im Dienst für den Hl. Stuhl wird für Msgr. Sodano und Msgr. Tauran gewiß eine Quelle der Anregung sein, wenn sie nun eine Aufgabe weiterführen, die von der tiefen Überzeugung getragen ist, im Dienst jenes Liebes-planes zu stehen, den Gott durch die Kirche in der Geschichte der Welt unermüdlich weiterführt. 1161 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Militärdienst ist keine verlorene Zeit Ansprache an die Soldaten der italienischen Marine am 4. Dezember 1. Am Fest der hl. Barbara, eurer himmlischen Patronin, empfange ich euch gern, liebe Matrosen Italiens, hier in der Vatikanischen Basilika, die über dem Grab des hl. Petrus, des Fischers, eines mit dem Meer vertrauten Mannes errichtet ist. Ich grüße alle militärischen Autoritäten, die anwesend sind. Ich grüße den Chef des Generalstabs, Admiral Filippo Ruggiero, und mit ihm alle Angehörigen der Kriegsmarine: die Kommandanten, Admiräle, Offiziere und Unteroffiziere sowie die Matrosen aller Grade und Abteilungen, auch die „Solini Blu“ der verabschiedeten Matrosen. Besonders begrüße ich euren Erzbischof Giovanni Marra, den Ordinarius für das italienische Militär, die Militärkapläne, die Schwestern der Marinehospitäler sowie die freiwilligen Schwestern vom Italienischen Roten Kreuz, die Vertreter des Verbandes „Für die geistliche Betreuung der Streitkräfte“ (PASFA), die Katecheten, die Mitglieder der örtlichen und zonalen Pastoralräte, die sich in den letzten Jahren innerhalb des Ordinariates für das Militär gebildet haben. 2. Diese zahlreichen Vertretungen zeigen deutlich, daß die Marine einen beachtlichen Teil innerhalb einer noch größeren Familie, nämlich der Kirche Gottes, unter dem italienischen Militär bildet. Mit der Apostolischen Konstitution Sptituali militum curae aus dem Jahre 1986 hat euer Ordinariat nämlich den juridischen Rang einer Diözese und daher die pastorale Gestalt einer Teilkirche erhalten. Gemeinsam mit allen Brüdern, die ihr ganzes Leben oder einen Teil davon dem Dienst für das Vaterland widmen, bildet ihr eine diözesane Kirche, die entstanden ist, um eure besonderen Lebensverhältnisse mit der Gnade Gottes auszurüsten. Liebt diese junge Kirche, die eure Diözese ist; laßt in ihr die geistlichen Gaben zusammenströmen, die ihr in euren Heimatpfarreien empfangen habt; entfaltet den Sinn für eure Zugehörigkeit zur Kirche und eure tätige Mitverantwortung, indem ihr hochherzig bei ihren Initiativen für eure Bildung und für das Apostolat mitmacht. Wenn ihr eine immer intensivere kirchliche Gemeinschaft fördert, führt ihr die Neuevangelisierung in euren Lebensverhältnissen durch: das Evangelium muß nämlich klar und konsequent bezeugt werden, wenn es mit neuer Wirksamkeit eure unsicheren oder zerstreuten Kameraden erreichen und sie zur Fülle eines menschlichen und christlichen Lebens aufrufen soll. 3. Die Kriegsmarine erfüllt die Aufgabe, die Sicherheit und Verteidigung der nationalen Gemeinschaft und ihres Landes zu sichern, wie es Recht und Pflicht eines jeden Staates ist. Über die täglichen Aufgaben im Dienst der sicheren Seefahrt und die Erhaltung der Umwelt hinaus hat sie sich durch ihr rechtzeitiges Eingreifen zur Hilfe bei Naturkatastrophen verdient gemacht. Sie hat in diesen Jahren ferner wertvolle Dienste für ein friedliches internationales Zusammenleben geleistet durch ihre Hilfsaktionen für Flüchtlinge und ihren Einsatz zur Sichemng des Friedens. Eure Schiffe sind derzeit auch im Persischen Golf präsent. Das gemeinsame 1162 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bangen um die Männer und Frauen, die in diesem Gebiet leben, wird zum innigen Gebet zum Herrn, dem Fürsten des Friedens, damit die Spannung im ganzen Vorderen Orient abgebaut wird und man die Lösung der Gegensätze im Dialog sucht. 4. Ich richte ein besonderes Wort an die Jugendlichen, die ihren Militärdienst bei der Kriegsmarine ableisten. Betrachtet diese Zeit nicht als verloren und unfruchtbar, meine Lieben. Es gibt keinen Abschnitt im Leben ohne Sinn, wenn man die Verhältnisse zur eigenen Bildung und persönlichen Erfahrung positiv auszunützen weiß. Ihr könnt immer ideale und moralische Orientierung für euer Leben finden oder festigen. In der Sprache der Matrosen könnte man sagen, daß es sich um eine gute Zeit zur Kursbestimmung für ein echtes Wachstum als Mensch und Christ handelt. Ihr sollt als Jugendliche wissen, daß die militärische Umgebung, in der ihr euch nun befindet, auch ein Raum für christliches Zeugnis und Evangelisierung ist. Arbeitet in enger Verbindung mit eurem Militärkaplan und der christlichen Gemeinschaft, die sich um ihn bildet. Ich fordere euch auf, die Möglichkeiten des Apostolats, die die Welt des Militärs euch bietet, nicht zu mißachten. In den alten Dokumenten der christlichen Überlieferung wird die Kirche oft als Schifflein Petri dargestellt, das sich nach den Koordinaten des Evangeliums Jesu richtet. Ihr befindet euch auf diesem Schiff, folgt also vertrauensvoll dem Kurs der Kirche, und laßt euch nicht von leichten Auswegen täuschen, die am Ende enttäuschen. Nehmt aktiv die pastoralen Angebote an, die euch an den Stätten und Orten eurer Ausbildung verfügbar gemacht werden. Dort werdet ihr den Sinn des Lebens und die Freude am Glauben finden. Ein Beispiel sei euch die hl. Barbara, eure Patronin, die ihren christlichen Glauben mit der Hingabe ihres Lebens bezeugt hat. 5. Liebe Matrosen, schaut auf Maria, wenn es gilt, Unsicherheiten und Gefahren bei der Schiffahrt eures Lebens zu überwinden. Seefahrer rufen sie als „Stern des Meeres“ an. Ihrem mütterlichen Schutz und der Fürbitte der hl. Barbara empfehle ich euch alle und eure Lieben. Immer begleite euch mein Apostolischer Segen. Die Rechte der Völker im Heiligen Land respektieren Ansprache an eine katholisch-jüdische Gruppe anläßlich des 25. Jahrestages der Konzilserklärung Nostra aetate am 6. Dezember Eminenzen, Exzellenzen, sehr geehrte Besucher! 1. Als Delegierte des Internationalen Jüdischen Komitees für Interreligiöse Gespräche und Mitglieder der Kommission für religiöse Beziehungen zu den Juden sind Sie zusammengekommen, um den 25. Jahrestag seit dem Erscheinen der Erklärung Nostra aetate des Zweiten Vatikanischen Konzils zu begehen. Was Sie feiern, ist in Wirklichkeit nichts anderes als das göttliche Erbarmen, das Christen und Juden dazu führt, einander bewußt zu werden, in Achtung, Zusammenarbeit und Solidarität zusammen zu leben. Wir wissen, daß wir die gleiche 1163 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hoffnung und die Abraham und seinen Nachkommen gegebenen Verheißungen teilen, und ich bin wirklich erfreut, daß ich Sie in diesem Hause willkommen heißen darf! „Baruch ha-ba be-Shem Adonai!“ „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn!“ (Ps 118/117,26). 2. Das kurze, aber bedeutsame Dokument Nostra aetate nahm in der Arbeit des Konzils eine wichtige Stelle ein. Nach einem Vierteljahrhundert hat es nicht an Bedeutung verloren. Seine Stärke und sein bleibendes Interesse verdankt das Dokument der Tatsache, daß es zu allen Völkern und über alle Völker aus einer religiösen Perspektive spricht, einer Perspektive, die unter den zahlreichen Dimensionen der menschlichen Person, welche das Abbild des Schöpfers ist (vgl. Gen 1,26), die tiefste und geheimnisvollste darstellt. Die universale Offenheit der Erklärung Nostra aetate aber ist verankert in einem ausgesprochenen Sinn für die absolute Einzigartigkeit, mit der Gott ein bestimmtes Volk erwähnt, „sein Volk“, Israel dem Fleische nach, das schon „Kirche Gottes“ genannt wird (Lumen Gentium Nr. 9; vgl. Neh 13,1; Num 20,4; Dtn 23,lff.), und sie ist ganz in dieser Richtung orientiert. Wenn also die Kirche über ihre Sendung und ihre Natur nachdenkt, so ist damit wesentlich verbunden ihre Reflexion über den Stamm Abrahams und die Natur des jüdischen Volkes (vgl. Nostra aetate, Nr. 4). Die Kirche ist sich des Zeugnisses der Heiligen Schrift voll bewußt, daß das jüdische Volk, diese Gemeinschaft des Glaubens und Hüterin einer jahrtausendealten Tradition, einen ureigenen Teil des Geheimnisses der Offenbarung und der Erlösung darstellt. In unserer Zeit haben viele katholische Autoren über dieses „Geheimnis“, das jüdische Volk, geschrieben, so z. B. Geremia Bonomelli, Jacques Maritain und Thomas Merton. Und so denkt die Kirche weiterhin nach über das Geheimnis dieses Volkes, vor allem durch ihre Bibelwissenschaftler und Theologen, aber auch durch die Arbeit von Schriftstellern, Künstlern und Katecheten, und sie sucht ihre Gedanken darüber tiefer zum Ausdruck zu bringen. Ich freue mich sehr, daß die Kommission für religiöse Beziehungen zu den Juden sich intensiv einsetzt für Studien zu diesem Thema in theologischem und exegetischem Kontext. 3. Wenn wir die jüdische Tradition betrachten, wird deutlich, welch eine tiefe Verehrung Sie der Heiligen Schrift entgegenbringen, der Midrasch und vor allem der Thora. Sie leben in besonderer Verbindung mit der Thora, der lebendigen Lehre des lebendigen Gottes. Mit Liebe studieren Sie in der Talmud-Thora und setzen Sie mit Freude ins Leben um. Was sie über Liebe, über Gerechtigkeit und über das Gesetz lehrt, wird wiederholt in den Propheten - Nevi’im -, und die Geschichte der Erlösung ist enthalten in den historischen Büchern - den Ketuvim. Gott, seine heilige Thora, die Liturgie der Synagoge, Familienüberlieferungen, das Land der Heiligkeit, das alles sind gewiß Merkmale, die Ihr Volk vom religiösen Standpunkt aus kennzeichnen. Und es sind Dinge, welche die Grundlage für unseren Dialog und unsere Zusammenarbeit bilden. Im Zentrum des Heiligen Landes, sozusagen seinen verehrten Mittelpunkt bildend, liegt Jerusalem. Es ist eine Stadt, die drei großen Religionen heilig ist, den Juden, den Christen und den Muslimen. Schon ihr Name ruft den Gedanken an den Frieden wach. Ich möchte Sie bitten, täglich verbunden zu sein im Gebet um Gerechtigkeit und die Respektierung der fundamentalen menschlichen und religiösen Rechte der drei Völker, der drei Glaubensgemeinschaften, die dieses geliebte Land bewohnen. 1164 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Kein Dialog zwischen Christen und Juden kann die schmerzliche und schreckliche Erfahrung der Shoah übersehen. Beim Treffen in Prag im September dieses Jahres hat das Jüdischkatholische Internationale Verbindungskomitee eingehend die religiösen und historischen Dimensionen der Shoah und des Antisemitismus besprochen, und es kam zu Schlußfolgerungen, die für die Fortsetzung unseres Dialogs und unserer Zusammenarbeit von großer Bedeutung sind. Es ist meine Hoffnung, daß diese weithin anerkannt werden und daß die Vorschläge, die dann formuliert werden, überall Anwendung finden, wo immer menschliche und religiöse Rechte verletzt werden. Gott gebe, daß das 25. Gedenkjahr seit der Herausgabe von Nostra aetate für uns und für die Welt der geistlichen und moralischen Erneuerung frischen Antrieb geben. Möge es vor allem die Frucht der Zusammenarbeit in der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden erbringen. Im Babylonischen Talmud lesen wir: „Die Welt ruht auf einer einzigen Säule, nämlich dem gerechten Menschen“ (Hagigah 12b). Im Evangelium sagt Jesus Christus zu uns, daß die Friedensstifter selig sind (vgl. Mt 5,9). Mögen Gerechtigkeit und Frieden unsere Herzen erfüllen und unsere Schritte hinlenken zur Fülle der Erlösung für alle Völker und für das ganze Universum. Gott möge unser Gebet erhören! REDEMPTORIS MISSIO Enzyklika über die fortdauernde Gültigkeit des missionarischen Auftrags vom 7. Dezember Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne und Töchter, Gruß und Apostolischen Segen! Einleitung 1. Die Sendung Christi, des Erlösers, die der Kirche anvertraut ist, ist noch weit davon entfernt, vollendet zu sein. Ein Blick auf die Menschheit insgesamt am Ende des zweiten Jahrtausends zeigt uns, daß diese Sendung noch in den Anfängen steckt und daß wir uns mit allen Kräften für den Dienst an dieser Sendung einsetzen müssen. Der Geist ist es, der dazu ermuntert, die Großtaten Gottes zu verkünden: „Ich kann mich deswegen nicht rühmen; denn ein Zwang liegt auf mir. Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (J Kot 9,16). Im Namen der ganzen Kirche fühle ich die Verpflichtung, diesen Ruf des Apostels Paulus erneut aufzugreifen. Seit dem Beginn meines Pontifikates habe ich mich entschlossen, bis an die äußersten Enden der Erde zu reisen, um dieser missionarischen Verantwortung Ausdruck zu verleihen. Gerade der unmittelbare Kontakt mit den Völkern, die Christus nicht kennen, hat mich von der Dringlichkeit einer solchen Aktivität, der diese Enzyklika gelten soll, noch mehr überzeugt. Das Zweite Vatikanische Konzil wollte das Leben und die Tätigkeit der Kirche in Anpassung an die Bedürfnisse der heutigen Welt erneuern. Es hat die missionarische Aufgabe, deren Dynamik es auf die trinitarische Sendung selbst gründete, in den Vorder- 1165 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN grund gestellt. Der missionarische Impuls ist mithin zutiefst in der Natur des christlichen Lebens verwurzelt und gibt auch der ökumenischen Bewegung ihre Stoßrichtung: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17,21). 2. Das Konzil hat schon reiche missionarische Früchte getragen. Es entstanden Ortskirchen mit eigenen Bischöfen, mit Klerus und Laienaposteln. Die christlichen Gemeinden werden immer intensiver in das Leben der Völker eingebunden. Die Verbindung der Kirchen untereinander bringt einen lebhaften Austausch geistlicher und materieller Güter mit sich. Das kirchliche Leben ist im Begriff, sich durch den Verkündigungsauftrag an die Laien zu verändern. Die Ortskirchen öffnen sich für die Begegnung, für den Dialog und für die Zusammenarbeit mit Mitgliedern anderer christlicher Kirchen und Religionen. Es zeigt sich insbesondere ein neues Bewußtsein: der Sendungsauftrag gilt für alle Christen, für alle Diözesen und Pfarreien, für die kirchlichen Institutionen und Vereinigungen. In diesem „neuen Frühling“ des Christentums kann jedoch nicht eine negative Tendenz übersehen werden, der mit diesem Schreiben begegnet werden soll: die eigentliche Sendung ad gentes scheint nachzulassen, was gewiß nicht den Weisungen des Konzils und den damit zusammenhängenden Aussagen des Lehramtes entspricht. Innere und äußere Schwierigkeiten haben den missionarischen Schwung im Hinblick auf die Nicht-Christen erlahmen lassen. Diese Tatsache muß allen, die an Christus glauben, zu denken geben. In der Geschichte der Kirche ist die Befolgung des missionarischen Auftrages immer ein Zeichen kraftvollen Lebens gewesen, wie die Nachlässigkeit diesem gegenüber Zeichen einer Glaubenskrise ist.1 Fünfundzwanzig Jahre nach Beendigung des Konzils und nach der Veröffentlichung des Dekretes über die missionarische Tätigkeit der Kirche Ad gentes, fünfzehn Jahre nach dem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi von Papst Paul VI. ehrwürdigen Angedenkens möchte ich in Fortführung des Lehramtes meiner Vorgänger2 zu dieser Frage die Kirche zu einer Erneuerung des missionarischen Eifers einladen. Das vorliegende Dokument hat eine innere Zielrichtung: die Erneuerung des Glaubens und des christlichen Lebens. Durch die Mission wird die Kirche tatsächlich erneuert, Glaube und christliche Identität werden bestärkt und erhalten neuen Schwung und neue Motivation. Der Glaube wird stark durch Weitergabe! Die neue Evangelisierung der christlichen Völker findet Anregung und Halt im Einsatz für die sich weltweit betätigende Mission. Aber was mich noch mehr zur Betonung der Dringlichkeit der missionarischen Verkündigung bewegt, ist die Tatsache, daß diese vorrangig den Dienst ausmacht, den die Kirche jedem Menschen und der ganzen Menschheit von heute erweisen kann. Die Menschheit hat zwar erstaunliche Errungenschaften aufzuweisen, aber sie scheint den Sinn für letzte Wirklichkeiten und für das Dasein selbst verloren zu haben. „Christus, der Erlöser, macht — wie ich in meiner ersten Enzyklika schrieb - dem Menschen den Menschen selbst voll kund. Der Mensch, der sich selbst bis in die Tiefe verstehen will, muß sich Christus nahen. Die Erlösung, die durch das Kreuz erfolgt ist, hat dem Menschen endgültig seine Würde und den Sinn seiner Existenz in der Welt zurückgegeben.“3 Es gibt auch noch andere Leitgedanken und Beweggründe: vielen Anfragen soll durch ein solches Schreiben eine Antwort gegeben werden; Zweifel und Unklarheiten bezüglich der 1166 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mission ad gentes sollen beseitigt werden; diejenigen Schwestern und Brüder, die sich der missionarischen Tätigkeit widmen, und jene, die ihnen dabei behilflich sind, sollen in ihrem Einsatz bestärkt werden; die Missionsberufe sollen gefördert werden; die Theologen sollen ermutigt werden, die verschiedenen Aspekte der Mission zu vertiefen und systematisch darzulegen; an den Gedanken der Mission im eigentlichen Sinn soll erinnert werden, indem die Ortskirchen, insbesondere die jungen, Missionare schicken und aufnehmen; den Nicht-Christen, besonders den Behörden jener Länder, denen die missionarische Tätigkeit gilt, soll versichert werden, daß letztere nur ein Ziel hat, nämlich dem Menschen zu dienen, indem man ihm die in Jesus Christus erschienene Liebe Gottes aufzeigt. 3. Ihr Völker alle, öffnet eure Tore für Christus! Sein Evangelium tut der Freiheit des Menschen, der anderen Kulturen gebührenden Achtung, allem Positiven in jeder Religion keinen Abbruch. Wenn ihr Christus aufnehmt, öffnet ihr euch dem endgültigen Wort Gottes, jenem gegenüber, in dem Gott sich restlos zu erkennen gab und uns den Weg zu ihm gewiesen hat. Die Zahl jener, die Christus nicht kennen und nicht zur Kirche gehören, ist ständig im Wachsen; seit dem Ende des Konzils hat sie sich sogar beinahe verdoppelt. Diese ungeheure Zahl von Menschen wird vom Vater, der für sie seinen Sohn gesandt hat, geliebt; die Dringlichkeit der Mission für sie liegt klar auf der Hand. Andererseits bietet unsere Zeit der Kirche auf diesem Gebiet neue Möglichkeiten: der Zusammenbruch von Ideologien und oppressiven politischen Systemen; die Öffnung der Grenzen und das Entstehen einer dank der wachsenden Informationsangebote sich einenden Welt; die Durchsetzung bei den Völkern jener evangelischen Werte, die Jesus in seinem Leben verkörpert hat (Friede, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, Sorge für die Kleinen); eine fortschreitende Seelenlosigkeit in Wirtschaft und Technik läßt die Suche nach der Wahrheit über Gott, über den Menschen, über den Sinn des Lebens besonders dringlich erscheinen. Gott öffnet der Kirche die Horizonte einer Menschheit, die für den Samen des Wortes der Frohbotschaft leichter empfänglich ist. Ich halte die Zeit für gekommen, da alle kirchlichen Kräfte für die neue Evangelisierung und für die Mission ad gentes einzusetzen sind. Keiner, der an Christus glaubt, keine Institution der Kirche kann sich dieser obersten Pflicht entziehen: Christus muß allen Völkern verkündet werden. Kapitel I: Jesus Christus, alleiniger Erlöser 4. „Die grundlegende Aufgabe der Kirche in allen Epochen und besonders in der unsrigen ist es - so rief ich in der ersten programmatischen Enzyklika in Erinnerung - den Blick des Menschen, das Bewußtsein und die Erfahrung der ganzen Menschheit auf das Geheimnis Christi zu lenken“.4 Die weltweite Sendung der Kirche kommt aus dem Glauben an Jesus Christus, wie es im Bekenntnis des Glaubens an den dreieinigen Gott heißt: „Ich glaube an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn. Er ist aus dem Vater geboren vor aller Zeit... Für uns Menschen und um unseres Heiles willen ist er vom Himmel herabgestiegen. Er hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist, aus Maria, der Jungfrau, und ist Mensch geworden.“5 1167 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Ereignis der Erlösung ist das Heil aller begründet, „denn jeder ist vom Geheimnis der Erlösung betroffen, mit jedem ist Christus für immer durch dieses Geheimnis verbunden“.6 Allein im Glauben kann die Sendung verstanden werden, auf ihn hin ist sie gegründet. Und dennoch fragen sich einige, auch im Hinblick auf die Veränderungen in der modernen Welt und der Verbreitung neuer theologischer Ideen: Ist die Mission unter den Nicht-Christen noch aktuell? Wird sie vielleicht durch den Dialog unter den Religionen ersetzt? Ist die Förderung im Bereich des Menschlichen nicht eines ihrer Ziele, das genügt? Schließt nicht die Achtung vor dem Gewissen und vor der Freiheit jeden Bekehrungsversuch aus? Kann man nicht in jeder Religion gerettet werden? Warum also Mission ? „Keiner kommt zum Vater außer durch mich" (Joh 14,6) 5. Wenn wir zu den Ursprüngen der Kirche zurückgehen, so finden wir dort die klare Aussage, daß Christus der alleinige Erlöser von allen ist, jener, der allein Gott auszusagen und zu ihm zu führen vermag. Den jüdischen religiösen Behörden, die die Apostel wegen der durch Petrus gewirkten Heilung am Gelähmten befragen, erwidert dieser: „Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, den ihr gekreuzigt habt und den Gott von den Toten auferweckt hat, steht dieser Mann gesund vor euch ... In keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,10.12). Diese Aussage hat universale Bedeutung, weil für alle - Juden wie Heiden - das Heil nur von Jesus Christus kommen kann. Die von Christus gewirkte Universalität des Heiles wird im ganzen Neuen Testament bezeugt. Paulus anerkennt im auferstandenen Christus den Herrn: „Und selbst wenn es im Himmel oder auf der Erde sogenannte Götter gibt - und solche Götter und Herren gibt es viele -, so haben doch wir nur einen Gott, den Vater. Von ihm stammt alles, und wir leben auf ihn hin. Und einer ist der Herr: Jesus Christus. Durch ihn ist alles, und wir sind durch ihn“ (1 Kor 8,5-6). Der einzige Gott und der alleinige Herr stehen im Gegensatz zur Vielheit von „Göttern“ und „Herren“, die vom Volk angenommen waren. Paulus reagiert gegen den Polytheismus der religiösen Umwelt seiner Zeit und stellt das Charakteristische des christlichen Glaubens heraus: Glaube an einen einzigen Gott und an einen einzigen, von Gott gesandten Herrn. Im Johannesevangelium umfaßt diese Universalität des Heiles Christi die Aspekte seiner Sendung von Gnade und Wahrheit, von Heil und Offenbarung: Das Wort ist das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet (vgl. Joh 1,9). Und weiter: „Niemand hat Gott je gesehen. Der einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18; vgl. Mt 11,27). Die Offenbarung Gottes wird endgültig und ist vollendet durch das Wirken seines eingeborenen Sohnes: „Gott, der viele Male und auf vielerlei Weise einst zu den Vätern gesprochen hat durch die Propheten, hat in dieser Endzeit zu uns gesprochen durch den Sohn, den er zum Erben des Alls eingesetzt und durch den er auch die Welt erschaffen hat“ (Hebr 1,1-2; vgl. Joh 14,6). In diesem endgültigen Wort seiner Offenbarung hat Gott sich in vollendetster Weise der Welt zu erkennen gegeben: er hat der Menschheit mitgeteilt, wer er ist. Und diese endgültige Selbstoffenbarung Gottes ist der tiefste Grund, weshalb die Kirche 1168 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihrer Natur nach missionarisch ist. Sie kann nicht davon abstehen, das Evangelium, d. h. die Fülle der Wahrheit, die Gott uns über sich selbst zur Kenntnis gebracht hat, zu verkünden. Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen. „Einer ist Gott, einer auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle, ein Zeugnis zur vorherbestimmten Zeit, als dessen Verkünder und Apostel ich eingesetzt wurde - ich sage die Wahrheit und lüge nicht als Lehrer der Heiden im Glauben und in der Wahrheit“ (1 Tim 2,5-7; vgl. Hebr 4,14-16). Die Menschen können demnach mit Gott nicht in Verbindung kommen, wenn es nicht durch Jesus Christus unter Mitwirkung des Geistes geschieht. Durch seine einzigartige und universale Mittlertätigkeit, weit entfernt davon, Hindernis auf dem Weg zu Gott zu sein, ist er der von Gott selbst bestimmte Weg. Et ist sich dessen voll bewußt. Andere Mittlertätigkeiten verschiedener Art und Ordnung, die an seiner Mittlerschaft teilhaben, werden nicht ausgeschlossen, aber sie haben doch nur Bedeutung und Wert allein in Verbindung mit der Mittlerschaft Christi und können nicht als gleichrangig und notwendiger Zusatz betrachtet werden. 6. Es widerspricht dem christlichen Glauben, wenn man eine, wie auch immer geartete, Trennung zwischen dem Wort und Jesus Christus einfuhrt. Johannes sagt klar, daß das Wort, das am Anfang bei Gott war, dasselbe ist wie jenes, das Heisch geworden ist (vgl. Job 1,2.14). Jesus ist das fleischgewordene Wort, eine einzige und unteilbare Person. Man kann auch nicht Jesus von Christus trennen oder von einem „Jesus der Geschichte“ sprechen, der vom „Christus des Glaubens“ verschieden wäre. Die Kirche kennt und bekennt Jesus als „den Christus, den Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16): Christus ist kein anderer als Jesus von Nazareth, und dieser ist das für das Heil aller menschgewordene Wort Gottes. In Christus „wohnt wirklich die ganze Fülle Gottes“ (Kol 2,9) und „aus seiner Fülle haben wir alle empfangen“ (Joh 1,16). Der „einzige Sohn, der am Herzen des Vaters ruht“ (Joh 1,18), ist „der geliebte Sohn, durch den wir die Erlösung haben“ (Kol 1,13-14). Im Heilsplan Gottes ist das Wort nicht zu trennen von Christus: „Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Frieden gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (Kol 1,19-20). Gerade diese Einzigartigkeit Christi ist es, die ihm eine absolute und universale Bedeutung verleiht, durch die er, obwohl selbst Teil der Geschichte, Mitte und Ziel der Geschichte selbst ist:7 „Ich bin das Alpha und das Omega, der erste und der letzte, der Anfang und das Ende“ (Off 22,13). Wenn es also möglich und nützlich ist, die verschiedenen Aspekte des Geheimnisses Christi ins Auge zu fassen, so darf man dennoch nie seine Einheit außer acht lassen. Während wir darangehen, die von Gott jedem Volk zugeteilten Gaben aller Art, insbesondere die geistigen, zu entdecken und zu bewerten, können wir solche Jesus Christus, der im Zentrum des göttlichen Heilsplanes steht, nicht absprechen. Wenn „der Sohn Gottes sich in seiner Menschwerdung mit jedem Menschen vereinigt“, so „müssen wir festhalten, daß der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein“.8 Es ist Gottes Absicht, „in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist“ (Eph 1,10). 1169 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Glaube an Christus ist ein Angebot an die Freiheit des Menschen 1. Die Dringlichkeit missionarischer Tätigkeit geht aus der von Christus gebrachten und von seinen Jüngern gelebten grundlegenden Erneuerung des Lebens hervor. Dieses neue Leben ist Gabe Gottes. Von seiten des Menschen ist erforderlich, sie einzulassen und ihr zum Wachstum zu verhelfen, wenn er sich selbst entsprechend seiner ganzheitlichen Berufung nach dem Bild Christi verwirklichen will. Das ganze Neue Testament ist ein Loblied auf das neue Leben des Menschen, der an Christus glaubt und in seiner Kirche lebt. Das von der Kirche bezeugte und verkündete Heil in Christus ist Selbstmitteilung Gottes: „Es ist die Liebe, die nicht nur das Gute hervorbringt, sondern am Leben Gottes selbst, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, teilhaben läßt. Wer liebt, den drängt es ja, sich selbst zum Geschenk zu machen.“9 Gott bietet dem Menschen dieses neue Leben an. „Kann man Christus und all das, was er in die Geschichte des Menschen einbrachte, verwerfen? Natürlich kann man. Der Mensch ist frei. Doch eine prinzipielle Frage: Darf man? Und: In wessen Namen darf man?“10 8. In der modernen Welt neigt der Mensch dazu, sich auf die horizontale Dimension einzuengen. Aber was wird aus dem Menschen ohne Öffnung auf das Absolute hin? Die Antwort liegt innerhalb des Erfahrungsbereiches jedes Menschen, sie ist aber auch eingeschrieben in die Geschichte der Menschheit mit dem im Namen von Ideologien und politischen Regimen vergossenen Blut, die „eine neue Menschheit“ ohne Gott aufbauen wollten.11 Im übrigen gibt das Zweite Vatikanische Konzil jenen eine Antwort, denen die Erhaltung der Gewissensfreiheit ein Anliegen ist: „Die menschliche Person hat das Recht auf religiöse Freiheit. Diese Freiheit besteht darin, daß alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang, sowohl von seiten Einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen, wie jeglicher menschlichen Gewalt, so daß in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat oder öffentlich, als einzelner oder in Verbindung mit anderen innerhalb der gebührenden Grenzen nach seinem Gewissen zu handeln.“12 Verkündigung und Zeugnis für Christus verletzen die Freiheit nicht, wenn sie mit Achtung vor dem Gewissen erfolgen. Der Glaube verlangt die freie Zustimmung des Menschen. Aber er muß angeboten werden, weil „alle Menschen das Recht haben, den Reichtum des Geheimnisses Christi kennenzulemen, worin, nach unserem Glauben, die Menschheit in unerschöpflicher Fülle alles das finden kann, was sie suchend und tastend über Gott, über den Menschen und seine Bestimmung, über Leben und Tod und über die Wahrheit in Erfahrung zu bringen sucht. Darum ist die Kirche darauf bedacht, ihren missionarischen Elan lebendig zu erhalten, ja ihn im geschichtlichen Augenblick unserer heutigen Zeit noch zu verstärken.“13 Es ist aber auch, wiederum mit dem Konzil, zu sagen, daß die Menschen, „weil sie Personen sind, d. h. mit Vernunft und freiem Willen begabt und damit auch zu persönlicher Verantwortung erhoben, alle - ihrer Würde gemäß — von ihrem eigenen Wesen gedrängt und zugleich durch eine moralische Pflicht gehalten werden, die Wahrheit zu suchen, vor allem jene Wahrheit, welche die Religion betrifft. Sie sind auch dazu verpflichtet, an der erkannten Wahrheit festzuhalten und ihr ganzes Leben nach den Forderungen der Wahrheit zu ordnen.“14 1170 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche als Zeichen und Werkzeug des Heiles 9. Als erste kann die Kirche von der Wohltat des Heiles Nutzen ziehen. Christus hat sie sich mit seinem Blut erworben (vgl. Apg 20,28) und sie als seine Mitarbeiterin im universalen Heilswerk eingesetzt. Wirklich, Christus lebt in ihr, ist ihr Bräutigam, wirkt ihr Wachstum und vollbringt durch sie seine Sendung. Das Konzil hat immer wieder ausführlich die Rolle der Kirche für das Heil der Menschheit betont. Während die Kirche anerkennt, daß Gott alle Menschen liebt und allen die Möglichkeit gibt, ihr Heil zu wirken (vgl. 1 Tim 2,4),15 glaubt sie doch, daß Gott Christus als einzigen Mittler eingesetzt hat und daß sie selbst als Sakrament umfassenden Heiles bestellt ist:16„Zu dieser katholischen Einheit des Gottesvolkes ... sind alle Menschen berufen. Auf verschiedene Weise gehören ihr zu oder sind ihr zugeordnet die katholischen Gläubigen, die anderen an Christus Glaubenden und schließlich alle Menschen überhaupt, die durch die Gnade Gottes zum Heil berufen sind.“17 Man muß diese beiden Wahrheiten zusammen gegenwärtig haben, die tatsächlich gegebene Möglichkeit des Heiles in Christus für alle Menschen und die Notwendigkeit der Anwesenheit der Kirche für dieses Heil. Beide tragen bei zum Verständnis des einen Heilsgeheimnisses. So können wir der Barmherzigkeit Gottes und unserer Verantwortung gewahr werden. Das Heil, das immer Gabe des Geistes ist, erfordert die Mitarbeit des Menschen, sowohl zur Erlangung des eigenen Heiles wie des Heiles anderer. So hat Gott es gewollt, darum hat er die Kirche bestellt und sie in den Heilsplan eingesetzt. „Dieses mes-sianische Volk - sagt das Konzil - ist von Christus als Gemeinschaft des Lebens, der Liebe und der Wahrheit gestiftet. Es wird von ihm auch als Werkzeug der Erlösung angenommen und als Licht der Welt und Salz der Erde in alle Welt gesandt.“18 Das Heil ist ein Angebot an alle Menschen 10. Die Universalität des Heiles bedeutet nicht, daß es nur jenen gilt, die ausdrücklich an Christus glauben und in die Kirche eingetreten sind. Wenn das Heil für alle ist, muß es allen zur Verfügung stehen. Aber es ist klar, daß es heute, wie dies früher der Fall war, viele Menschen gibt, die keine Möglichkeit haben, die Offenbarung des Evangeliums kennenzulemen und sich der Kirche anzuschließen. Sie leben unter sozio-kulturellen Bedingungen, die solches nicht zulassen. Oft sind sie in anderen religiösen Traditionen aufgewachsen. Für sie ist das Heil in Christus zugänglich kraft der Gnade, die sie zwar nicht förmlich in die Kirche eingliedert — obschon sie geheimnisvoll mit ihr verbunden sind -, aber ihnen in angemessener Weise innerlich und äußerlich Licht bringt. Diese Gnade kommt von Christus, sie ist Frucht seines Opfers und wird vom Heiligen Geist geschenkt: sie macht es jedem Menschen möglich, bei eigener Mitwirkung in Freiheit das Heil zu erlangen. Darum erklärt das Konzil nach der zentralen Aussage über das österliche Geheimnis: „Das gilt nicht nur für die Christgläubigen, sondern für alle Menschen guten Willens, in deren Herz die Gnade unsichtbar wirkt. Da nämlich Christus für alle gestorben ist und da es in Wahrheit nur eine letzte Berufung des Menschen gibt, die göttliche, müssen wir festhalten, daß der Heilige Geist allen die Möglichkeit anbietet, diesem österlichen Geheimnis in einer Gott bekannten Weise verbunden zu sein.“19 1171 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Wirkönnen nicht schweigen“ (Apg 4,20) 11. Was ist nun bezüglich der schon erwähnten Einwände gegen die Mission ad gentes zu sagen? Bei aller Achtung für andere Überzeugungen und andere Auffassungen müssen wir vor allem, ohne Überheblichkeit, unseren Glauben an Christus, den alleinigen Erlöser der Menschen, zum Ausdruck bringen; den Glauben, den wir ohne irgendein Verdienst unsererseits von oben empfangen haben. Wh sagen mit Paulus: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht: es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt“ (Röm 1,16). Die christlichen Glaubenszeugen aller Zeiten - auch unserer Zeit - gaben und geben ihr Leben, um diesen Glauben vor den Menschen zu bekennen, aus der Überzeugung heraus, daß jeder Mensch Jesus Christus braucht, der die Sünde und den Tod besiegt und die Menschen mit Gott versöhnt hat. Christus hat sich als Sohn Gottes bezeichnet, der in enger Verbindung mit dem Vater als solcher von den Jüngern anerkannt wurde und sein Wort durch Wunder und durch die Auferstehung von den Toten als wahr erwiesen hat. Die Kirche bietet den Menschen das Evangelium an, ein prophetisches Dokument, das Antworten gibt auf die Fragen und Anliegen des Menschenherzens und immer „gute Nachricht“ ist. Die Kirche kann nicht davon Abstand nehmen zu verkünden, daß Jesus gekommen ist, um das Antlitz Gottes zu offenbaren und durch Kreuz und Auferstehung für alle Menschen das Heil zu verdienen. Auf die Frage warum Mission ? antworten wir mit dem Glauben und der Erfahrung der Kirche: sich der Liebe Christi öffnen bedeutet wahre Befreiung. In ihm, und in ihm allein, werden wir befreit von jeder Entfremdung und Verirrung, von der Sklaverei, die uns der Macht der Sünde und des Todes unterwirft. Christus ist wahrhaft „unser Friede“ (Eph 2,14), und „die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5,14), die unserem Leben Sinn und Freude gibt. Die Mission ist eine Frage des Glaubens, sie ist ein unbestechlicher Gradmesser unseres Glaubens an Christus und seine Liebe zu uns. Die Versuchung heute besteht darin, das Christentum auf eine rein menschliche Weisheit zu reduzieren, gleichsam als Lehre des guten Lebens. In einer stark säkularisierten Welt ist „nach und nach eine Säkularisierung des Heiles“ eingetreten, für die man gewiß zugunsten des Menschen kämpft, aber eines Menschen, der halbiert und allein auf die horizontale Dimension beschränkt ist. Wir unsererseits wissen, daß Jesus gekommen ist, um das umfassende Heil zu bringen, das den ganzen Menschen und alle Menschen erfassen soll, um die wunderbaren Horizonte der göttlichen Kindschaft zu erschließen. Warum Mission ? Weil uns, wie dem heiligen Paulus, „die Gnade geschenkt wurde, den Heiden den unergründlichen Reichtum Christi zu verkündigen“ (Eph 3,8). Das neue Leben in ihm ist die „gute Nachricht“ für den Menschen aller Zeiten: alle Menschen sind dazu gerufen und dazu bestimmt. Alle suchen es in der Tat, wenn auch manchmal verschwommen, und haben das Recht, die Bedeutung eines solchen Geschenkes kennenzulemen und es zu erlangen. Die Kirche, und in ihr jeder Christ, kann dieses neue Leben und dessen Reichtum weder verbergen noch für sich allein zurückhalten, da dies alles von der göttlichen Güte gegeben wurde, um allen Menschen mitgeteilt zu werden. Über den äußeren Auftrag des Herrn hinaus steht zugunsten der Mission auch das tiefe Bedürfnis des Lebens Gottes in uns. Jene, die in die katholische Kirche eingegliedert sind, können sich als bevorzugt empfinden, sind deswegen aber gleichzeitig um so mehr verpflichtet, den Glauben und das christliche Leben zu bezeugen als Dienst an den Brüdern und 1172 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schuldige Antwort an Gott, eingedenk dessen, „daß ihre ausgezeichnete Stellung nicht den eigenen Verdiensten, sondern der besonderen Gnade Christi zuzuschreiben ist; wenn sie ihr im Denken, Reden und Handeln nicht entsprechen, wird ihnen statt Heil strengeres Gericht zuteil.“20 Kapitel II: Das Reich Gottes 12. „Gott, der voll Erbarmen ist, wurde uns von Jesus Christus als Vater geoffenbart: sein Sohn selbst hat ihn uns in sich kundgetan und kennengelemt“.21 Dies schrieb ich zu Beginn der Enzyklika Dives in miseiicordia, um zu zeigen, wie Christus die Offenbarung und Verkörperung der Barmherzigkeit des Vaters ist. Das Heil besteht darin, an das Geheimnis des Vaters und seiner Liebe zu glauben und es anzunehmen. Diese Liebe zeigt sich und wird Gabe in Jesus durch den Geist. So vollendet sich das Reich Gottes, das schon im Alten Bund vorbereitet, durch Christus und in Christus verwirklicht und von der Kirche allen Nationen verkündet wurde. Diese wirkt und betet darum, daß es sich in vollkommener und endgültiger Weise verwirklichen möge. Das Alte Testament bezeugt, daß Gott sich ein Volk erwählt und geformt hat, um seinen Plan der Liebe zu offenbaren und zu verwirklichen. Aber zugleich ist Gott Schöpfer und Vater aller Völker, er trägt Sorge für alle, sein Segen gilt allen (vgl. Gen 12,3), mit allen hat er einen Bund geschlossen (vgl. Gen 9,1-17). Israel macht die Erfahrung der Existenz eines persönlichen Gottes und Erlösers (vgl. Dtn 4,37; 7,6-8; Jes 43,1-7) und wird so Zeuge und Verkünder inmitten der Völker. Im Laufe seiner Geschichte wird sich Israel bewußt, daß seine Erwählung weltumfassende Bedeutung hat (vgl. z. B. Jes 2,2-5; 25,6-8; 60,1-6; Jer 3,17; 16,19). Christus bewirkt die Anwesenheit des Reiches 13. Jesus von Nazareth bringt den Plan Gottes zur Vollendung. Nachdem er in der Taufe den Heiligen Geist empfangen hat, tut er seine messianische Berufung kund: er durchwandert Galiläa, „er verkündet das Evangelium Gottes und spricht: ,Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe; kehrt um und glaubt an das Evangelium’“ (Mk 1,14-15; vgl. Mt 4,17; Lk 4,43). Die Verkündigung und Errichtung des Reiches Gottes sind Gegenstand seiner Sendung: „Dazu bin ich gesandt worden“ (Lk4,43). Aber da ist noch mehr: Jesus ist selbst die „gute Nachricht“, wie er schon am Anfang der Sendung in der Synagoge seiner Heimat betont, indem er die Worte Jesajas über den Gesalbten, der vom Geist des Herrn gesandt ist, auf sich selbst bezieht (vgl. Lk 4,14-21). Da Christus also die „gute Nachricht“ ist, besteht kein Unterschied zwischen Botschaft und Verkünder, zwischen Wort, Handeln und Sein. Seine Kraft, das Geheimnis der Wirkung seines Handelns liegt in der völligen Identität mit der Botschaft, die er bringt: er sagt die „gute Nachricht“ an, nicht nur in dem, was er spricht und tut, sondern in dem, was er ist. Jesu Tätigkeit wird beschrieben im Zusammenhang mit seinen Wanderungen durch sein Land. Der Horizont seiner Sendung vor Ostern ist mit Israel umschrieben. Mit Jesus ist jedenfalls etwas Neues von entscheidender Bedeutung gegeben. Die eschatologische Realität wird nicht auf ein fernes Ende der Welt verlegt, sie ist schon nahe und beginnt sich zu verwirk- 1173 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liehen. Das Reich Gottes ist nahe (vgl. Mk 1,15), man soll bitten, daß es komme (vgl. Mt 6,10), der Glaube sieht es bereits am Werk in den Zeichen, wie sie vorhanden sind in den Wundem (vgl. Mt 11,4-5), in den Dämonenaustreibungen (vgl. Mk 3,13-19), in der Verkündigung der Frohbotschaft an die Armen (vgl. Lk4,18). In der Begegnung Jesu mit den Heiden wird klar, daß der Zugang zum Reich durch den Glauben und durch Bekehrung (vgl. Mk 1,15) ermöglicht wird, und nicht einfach durch völkische Zugehörigkeit. Das Reich, das Jesus bringt, ist das Reich Gottes. Jesus selbst macht offenbar, wer dieser Gott ist, dem er zutraulich den Namen „Abba“, Vater, gibt (vgl. Mtl4,36). Gott, wie er insbesondere in den Gleichnissen erscheint (vgl. Lk 15,3-32; Mt 20,1-6), ist den Nöten und Leiden jedes Menschen gegenüber offen: er ist ein liebender Vater, voll Mitleid, er verzeiht und gewährt ungeschuldet die erbetene Gnade. Der heilige Johannes sagt uns, daß Gott die Liebe ist (vgl. 1 Joh 4,8.16). Jeder Mensch ist demnach eingeladen, „sich zu bekehren“ und zu „glauben“ an die barmherzige Liebe, die Gott für ihn hat: das Reich wird in dem Maße wachsen, in dem jeder Mensch lernt, sich in inniger Vertrautheit des Gebetes an Gott wie an einen Vater zu wenden (vgl. Lk 11,2; Mt 23,9) und indem er sich bemüht, seinen Willen zu erfüllen (vgl. Mt 7,21). Besonderheiten und Erfordernisse des Reiches 14. Jesus offenbart nach und nach die Besonderheiten und Erfordernisse des Reiches durch sein Wort, durch sein Handeln und überhaupt durch seine Person. Das Reich Gottes ist für alle Menschen bestimmt, da alle dazu berufen sind, darin eingegliedert zu werden. Um diesen Aspekt hervorzuheben hat Jesus sich insbesondere jenen zugewandt, die am Rande der Gesellschaft existieren. Er gab ihnen bei seiner Verkündigung der frohen Botschaft den Vorzug. Am Anfang seiner Tätigkeit verkündete er, daß er gesandt sei, den Armen eine gute Nachricht zu bringen (vgl. Lk4,18). Allen, die Opfer von Ablehnung und Verachtung geworden sind, erklärt er: „Selig die Armen“ (Lk 6,20); darüberhinaus ermöglicht er diesen Randexistenzen eine Erfahrung der Befreiung, indem er bei ihnen ist und mit ihnen Mahl hält (vgl. Lk 5,30; 15,2), sie als gleichwertig und als Freunde behandelt (vgl. Lk 7,34), sie merken läßt, daß sie von Gott geliebt sind, und auf diese Weise offenbart er sein grenzenlos zartfühlendes Herz gegenüber den Bedürftigen und Sündern (vgl. Lk 15,1-32). Befreiung und Heil im Reich Gottes betreffen die menschliche Person in ihrer physischen wie geistigen Dimension. Zwei Tätigkeiten Jesu sind für seine Sendung bezeichnend: heilen und vergeben. Die zahlreichen Heilungen zeigen sein großes Mitleid angesichts menschlichen Elendes; sie tun aber auch kund, daß es im Reich weder Krankheit noch Leid geben wird und daß seine Sendung von Anfang an darauf abzielt, die Menschen davon zu befreien. In der Sicht Jesu sind die Heilungen auch Zeichen für das geistliche Heil, die Befreiung von der Sünde. Wenn Jesus Krankenheilungen vollbringt, so ruft er zum Glauben, zur Bekehrung, zum Verlangen nach Verzeihung (vgl. Lk 5,24). Ist der Glaube da, so will die Heilung mehr erreichen: sie führt zur Heilssituation (vgl. Lk 18,42-43). Die Befreiung von Besessenheit und Dämonen, äußerstes Übel und sichtbarer Ausdruck der Sünde und der Auflehnung gegen Gott, ist Zeichen dafür, daß „das Reich Gottes zu euch gekommen ist“ (Mt 12,28). 1174 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 15. Das Reich ist darauf angelegt, die Beziehungen unter den Menschen zu verändern und verwirklicht sich schrittweise insofern sie lernen einander zu lieben, einander zu vergeben und einander zu dienen. Jesus nimmt das ganze Gesetz auf und gibt ihm im Gebot der Liebe seine Mitte (vgl. Mt 22,34-40; Lk 10,25-28). Bevor er von den Seinen scheidet, gibt er ihnen ein „neues Gebot“: „Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben“ (Joh 13,14; vgl. 15,12). Die Liebe, mit der Jesus die Welt geliebt hat, findet ihren höchsten Ausdruck in der Hingabe seines Lebens für die Menschen (vgl. Joh 3,16). Darum ist die Natur des Reiches die Gemeinschaft aller Menschen untereinander und mit Gott. Das Reich bezieht alle ein: die einzelnen, die Gesellschaft, die ganze Welt. Für das Reich wirken bedeutet Anerkennung und Förderung der göttlichen Dynamik, die in der Geschichte der Menschheit anwesend ist und sie umformt. Das Reich aufbauen bedeutet arbeiten zur Befreiung vom Übel in allen seinen Formen. Das Reich Gottes ist letztlich die Offenbarung und Verwirklichung seiner Heilsabsicht in ganzer Fülle. Im Auferstandenen kommt das Reich zur Vollendung und wird durch ihn verkündet 16. Indem Gott Jesus von den Toten erweckte, hat er den Tod besiegt, und in ihm hat er sein Reich in endgültiger Weise eingesetzt. Während seines Erdenlebens ist Jesus Prophet des Reiches und nach seinem Leiden, seiner Auferstehung und Himmelfahrt hat er Anteil an der Macht Gottes und an seiner Herrschaft über die Welt (vgl. Mt28,28; Apg2,36; Eph 1,18- 21). Die Auferstehung gibt der Botschaft Christi, seinem Handeln und seiner ganzen Sendung universale Bedeutung. Die Jünger erkennen, daß das Reich in der Person Jesu schon anwesend ist und daß es im Menschen und in der Welt mittels einer geheimnisvollen Verbindung mit ihm nach und nach eingerichtet wird. Nach der Auferstehung predigen die Jünger vom Reich, indem sie verkünden, daß Jesus gestorben und auferstanden ist. Philippus verkündet in Samaria „das Evangelium vom Reich Gottes und vom Namen Jesu Christi“ (Apg 8,12). Paulus verkündet in Rom „das Reich Gottes und trug ungehindert und mit allem Freimut die Lehre über Jesus Christus, den Herrn, vor“ (Apg 28,31). Die ersten Christen verkünden „das Reich Christi und Gottes“ (Eph 5,5; vgl. Offb 11,15; 12,10) oder einfach „das ewige Reich unseres Herrn und Retters Jesus Christus“ (2 Petr 1,11). In der Verkündigung über Jesus Christus, mit dem das Reich identisch ist, findet die Verkündigung der frühen Kirche ihre Mitte. Wie damals, so gilt es auch heute, die Verkündigung über das Reich Gottes (Inhalt des Kerygmas Jesu) und die Verkündigung des Ereignisses Jesus Christus (Kerygma der Apostel) zu verbinden. Beide ergänzen sich und beleuchten einander. Das Reich in seiner Beziehung zu Christus und zur Kirche 17. Heute spricht man viel vom Reich, aber nicht immer im Gleichklang mit kirchlichem Denken. Es gibt Auffassungen über Heil und Sendung, die man „anthropozentrisch“ in einem verkürzten Sinn dieses Begriffes nennen könnte, insofern sie auf die irdischen Bedürfnisse des Menschen ausgerichtet sind. In solcher Sicht wird das Reich eher zu einer rein irdischen und säkularisierten Wirklichkeit, in der Programme und der Kampf für sozio-ökonomische, 1175 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN politische und kulturelle Befreiung den Ausschlag geben, aber der Horizont bleibt der Transzendenz gegenüber verschlossen. Ohne zu leugnen, daß auch auf dieser Ebene Werte zu fördern sind, bleibt diese Auffassung doch innerhalb der Grenzen des Reiches, in dem der Mensch um seine echten und tiefen Dimensionen gebracht wird und allzu leicht einer der rein irdischen Fortschrittsideologien verhaftet bleibt. Das Reich Gottes aber ist nicht von dieser Welt, es ist nicht von hier (vgl. Joh 18,36). Es gibt sodann jene Ansichten, die eindeutig den Akzent auf das Reich legen und sich als „Reich-zentriert“ bezeichnen. Sie wollen das Bild einer Kirche entwerfen, die nicht an sich selbst denkt, die vielmehr ganz damit befaßt ist, Zeugnis vom Reich zu geben und ihm zu dienen. Sie ist eine „Kirche für die anderen“, so sagt man, wie Christus der „Mensch für die anderen“ ist. Man beschreibt die Aufgabe der Kirche so, als sollte sie in zwei Richtungen gehen; einerseits soll sie die sogenannten „Werte des Reiches“, wie Friede, Gerechtigkeit, Freiheit, Brüderlichkeit fördern; andererseits soll sie den Dialog unter den Völkern, Kulturen, Religionen begünstigen, damit sie sich gegenseitig bereichern und der Welt helfen, sich zu erneuern und immer mehr den Weg auf das Reich hin zu gehen. Neben positiven Aspekten bieten diese Auffassungen oft negative Seiten. Insbesondere übergehen sie die Person Christi mit Schweigen: das Reich, von dem sie sprechen, gründet sich auf eine „Theozentrik“, weil - wie sie sagen - Christus von jenen nicht verstanden werden kann, die nicht den christlichen Glauben haben, während verschiedene Völker, Kulturen und Religionen in einer einzigen göttlichen Wirklichkeit, wie immer diese genannt werden mag, sich wiederfinden können. Aus dem gleichen Grund geben sie dem Geheimnis der Schöpfung den Vorzug, das sich in der Verschiedenheit der Kulturen und religiösen Anschauungen widerspiegelt, sagen aber nichts über das Geheimnis der Erlösung. Darüberhinaus erliegt das Reich, wie sie es verstehen, der Gefahr, die Kirche an den Rand zu drängen oder sie unterzubewerten, als Reaktion auf eine vermeintliche „Ekklesiozentrik“ in der Vergangenheit, und weil sie die Kirche als bloßes Zeichen betrachten, das im übrigen nicht frei ist von Zweideutigkeiten. <820> <820> Dies ist aber nun nicht das Reich Gottes, wie wir es von der Offenbarung her kennen: es kann weder von Christus noch von der Kirche losgelöst werden. Wie schon gesagt, hat Christus das Reich nicht nur verkündet, in seiner Person ist es anwesend und kommt in ihr zur Vollendung. Dies nicht nur durch seine Worte und seine Taten: „Vor allem wird dieses Reich offenbar in der Person Christi selbst, des Sohnes Gottes und des Menschensohnes, der gekommen ist, ,um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für die vielen’ (Mk 10,45)“.22 Das Reich Gottes ist nicht eine Anschauung, eine Doktrin, ein Programm, das man frei ausarbeiten kann, es ist vor allem eine Person, die das Antlitz und den Namen Jesu von Nazareth trägt, Abbild des unsichtbaren Gottes.23 Wenn man das Reich von der Person Jesu trennt, hat man nicht mehr das von ihm geoffenbarte Reich Gottes, man verkehrt schließlich entweder den Sinn des Reiches, das ein rein menschliches oder ideologisches Objekt zu werden droht, oder man verfälscht die Identität Christi, der nicht mehr als der Herr, dem alles unterzuordnen ist, erscheint (vgl. 1 Kor 15,27). Ebenso kann man das Reich nicht von der Kirche loslösen. Gewiß, sie ist nicht selbst Ziel, da sie auf das Reich Gottes hingeordnet ist, dessen Wirklichkeit sie keimhaft und zeichenhaft 1176 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN darstellt und dessen Werkzeug sie ist. Aber bei aller klaren Unterscheidung zwischen Kirche einerseits und Christus und Reich andererseits bleibt die Kirche doch untrennbar mit beiden verbunden. Christus hat die Kirche, seinen Leib, mit der Fülle der Heilsgüter und -mittel ausgestattet; der Heilige Geist wohnt in ihr, gibt ihr Leben mit seinen Gaben und Charismen, heiligt, leitet und erneuert sie ständig.24 Daraus resultiert eine besondere und einzigartige Beziehung, die der Kirche eine spezifische und notwendige Rolle zuweist, obschon sie das Werk Christi und des Geistes nicht auf ihre sichtbaren Grenzen einengt. Von hier aus ergibt sich auch das besondere Band zwischen Kirche und Reich Gottes und Christi, „das anzukündigen und in allen Völkern zu begründen sie die Sendung hat“.25 19. In dieser Gesamtschau kann die Wirklichkeit des Reiches verstanden werden. Es macht gewiß die Förderung der menschlichen Güter und Werte erforderlich, die man passend als „evangelisch“ bezeichnen kann, weil sie aufs engste mit der frohen Botschaft verbunden sind. Aber diese Förderung, die auch der Kirche am Herzen liegt, soll nicht losgelöst werden von und nicht in Gegensatz gebracht werden zu ihren anderen grundlegenden Aufgaben, wie die Verkündigung Christi und seines Evangeliums, die Gründung und Entwicklung der Gemeinschaft, wodurch ein lebendiges Bild des Reiches unter den Menschen entsteht. Man soll nicht befürchten, auf diese Weise einer gewissen Form der „Ekklesiozentrik“ zu verfallen. Paul VI., der die Existenz „eines in die Tiefe reichenden Bandes zwischen Christus, Kirche und Evangelisierung“26 feststellt, hat ebenso gesagt, daß die Kirche „sich nicht selbst Ziel ist, daß sie sich aber eifrig bemüht, ganz Christus zu gehören, in ihm und für ihn zu sein, und ganz auf der Seite der Menschen zu stehen, unter ihnen und für sie dazusein“.27 Die Kirche im Dienst für das Reich 20. Die Kirche ist tatsächlich und konkret für den Dienst am Reich da. Sie ist es insbesondere mit der Verkündigung, die zur Bekehrung aufruft: dies ist der erste und grundlegende Dienst für das Kommen des Reiches in den einzelnen und in der menschlichen Gesellschaft. Das eschatologische Heil nimmt schon jetzt im neuen Leben in Christus seinen Anfang: „Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben“ (Joh 1,12). Die Kirche dient dem Reich sodann, indem sie auf der Welt die „evangelischen Werte“ der Seligpreisungen bekanntmacht, die authentischer Ausdruck des Reiches sind und die den Menschen helfen, Gott mit seinem Vorhaben einzulassen. Es ist also wahr, daß die Wirklichkeit des Reiches in Ansätzen sich auch jenseits der Grenzen der Kirche in der gesamten Menschheit finden kann, insofern diese die „evangelischen Werte“ lebt und sich der Tätigkeit des Geistes öffnet, der weht, wo und wie er will (vgl. Joh 3,9); es ist aber auch zu sagen, daß diese zeitliche Dimension des Reiches unvollständig bleibt, wenn sie nicht zusammen mit dem Reich Christi ausgesagt wird, das in der Kirche anwesend und auf die eschatologische Vollendung ausgerichtet ist.28 Die vielfältigen Aspekte des Reiches Gottes29 schwächen die Grundlagen und Ziele der missionarischen Tätigkeit nicht, sie bestärken und erweitern sie vielmehr. Die Kirche ist Sakrament des Heiles für die ganze Menschheit, und ihre Tätigkeit beschränkt sich nicht auf jene, 1177 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die die Heilsbotschaft annehmen. Sie ist treibende Kraft auf dem Weg der Menschheit auf das eschatologische Reich hin, ist Zeichen und Förderin der evangelischen Werte unter den Menschen.30 Für das Einschlagen dieses Weges der Hinwendung zum Plan Gottes liefert die Kirche ihren Beitrag durch ihr Zeugnis und ihre Tätigkeit, durch Dialog, durch Förderung im menschlichen Bereich, durch Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden, für Erziehung und für Pflege der Kranken, durch Sorge für die Armen und Kiemen, wobei sie die transzendentale und geistliche Wirklichkeit im Auge behält, die auf das eschatologische Heil vorbereitet. Die Kirche dient schließlich dem Reich auch durch ihre Fürbitte, denn dieses ist seiner Natur nach Gabe und Werk Gottes, wie die Gleichnisse im Evangelium und das Gebet, das Jesus uns selbst gelehrt hat, in Erinnerung bringen. Wir müssen es erbitten, aufnehmen und in uns und in der Welt zum Wachsen bringen; wir müssen aber auch darin mitarbeiten, daß es von den Menschen angenommen wird und wächst, bis Christus „das Reich dem Vater übergibt und Gott über alles und in allem herrscht“ (1 Kor 15,24.28). Kapitel III: Der Heilige Geist als Vorkämpfer für die Mission 21. „Auf dem Höhepunkt der messianischen Sendung Jesu wird der Heilige Geist im österlichen Geheimnis ganz als göttliche Person gegenwärtig: als derjenige, der das Heilswerk, das im Kreuzesopfer gründet, fortführen soll. Zweifelsohne wird dieses Werk von Jesus Menschen anvertraut: den Aposteln, der Kirche. Doch bleibt der Heilige Geist in diesen Menschen und durch sie der transzendental Handelnde bei der Verwirklichung dieses Werkes im Geiste des Menschen und der Weltgeschichte“.31 Der Heilige Geist ist wahrlich die Hauptperson für die ganze kirchliche Sendung: sein Werk leuchtet großartig auf in der Mission ad gentes, wie es in der ersten Kirche bei der Bekehrung des Kornelius aufscheint (vgl. Apg 13), für die Entscheidungen bei aufkommenden Problemen (vgl. Apg 15), für die Auswahl von Ländern und Völkern (vgl. Apg 16,6ff.). Der Geist wirkt durch die Apostel, gleichzeitig aber auch in den Hörem: „Durch sein Wirken nimmt die Frohe Botschaft Gestalt im Gewissen und Herzen der Menschen an und breitet sich in der Geschichte aus. In all diesen Dimensionen macht der Heilige Geist lebendig“.32 Die Sendung im Geist „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8) 22. Wenn die Evangelisten von Begegnungen des Auferstandenen mit den Aposteln berichten, schließen sie alle mit dem messianischen Auftrag: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Damm geht zu allen Völkern ... Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,18-20; vgl. Mk 16,15-18; Lk24,46-49; Joh 20,21-23). Diese Sendung ist Sendung im Geist, wie aus dem Text bei Johannes klar hervorgeht: Christus sendet die Seinen in die Welt, wie der Vater ihn gesandt hat, und darum gibt er ihnen den Geist. Lukas seinerseits verbindet das Zeugnis, das die Apostel für Christus geben sollen, eng mit dem Wirken des Geistes, das sie befähigen wird, den empfangenen Auftrag zu verwirklichen. 1178 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 23. Die verschiedenen Formen des Missionsauftrages enthalten Gemeinsamkeiten und charakteristische Akzente; zwei gemeinsame Elemente finden sich aber in allen Fassungen. Vor allem die universale Dimension der den Aposteln übertragenen Aufgabe: „Alle Völker“ (Mt 28,19); „die ganze Welt, allen Geschöpfen“ (Mk 16,15); „alle Völker“ (Lir 24,47); „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). An zweiter Stelle ist zu nennen die vom Herrn gegebene Zusicherung, daß sie bei dieser Aufgabe nicht allein sein werden, sondern daß sie die Kraft und Ausrüstung erhalten werden, um ihre Sendung auszuführen. Das ist die Gegenwart und die Macht des Geistes und die Gegenwart Jesu: „Sie zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei“ (Mk 16,20). Was die unterschiedlichen Akzente für den Missionsauftrag betrifft, so stellt Markus die Sendung als Ausrufung oder Kerygma dar: „Verkündet das Evangelium“ (Mk 16,15). Ziel des Evangelisten ist es, den Leser dazu zu bringen, das Bekenntnis des Petrus zu wiederholen: „Du bist der Messias“ (Mk 8,29) und wie der römische Hauptmann in Gegenwart des am Kreuz gestorbenen Jesus zu sagen: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (Mk 15,39). Bei Matthäus liegt der missionarische Akzent auf der Gründung der Kirche und der Unterweisung (vgl. Mt 28,19-20; 16,18): bei ihm also macht der Auftrag deutlich, daß die Verkündigung des Evangeliums durch eine spezifisch kirchliche und sakramentale Unterweisung ergänzt werden muß. Bei Lukas wird die Sendung als Zeugnis dargestellt (vgl. Lk24,48; Apg 1,8), das besonders die Auferstehung betrifft (vgl. Apg 1,22). Der mit der Sendung Beauftragte ist aufgerufen, an die verwandelnde Kraft des Evangeliums zu glauben und das zu verkünden, was Lukas gut zur Darstellung bringt, nämlich die Hinwendung zur Liebe und Barmherzigkeit Gottes, zur Erfahrung einer umfassenden Befreiung, die bis auf den Grund allen Übels reicht, die Sünde. Johannes ist der einzige, der ausdrücklich vom „Auftrag“ spricht, einem Wort, das mit „Mission“ gleichbedeutend ist und die Sendung, die Jesus den Seinen aufträgt, unmittelbar mit jener verbindet, die er selbst vom Vater empfangen hat: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20,21). Jesus spricht zum Vater: „Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt“ (Joh 17,18). Die ganze Bedeutung der Sendung im Johannesevangelium kommt im Hohenpriesterlichen Gebet zum Ausdruck: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Joh 17,3). Letzter Sinn der Sendung.ist es, Anteil zu geben an der Gemeinschaft, die zwischen Vater und Sohn besteht. Die Jünger sollen die Einheit untereinander leben, sie sollen im Vater und im Sohn „bleiben“, damit die Welt erkennt und glaubt (vgl. Joh 17,21-23). Dies ist ein bezeichnender missionarischer Text. Er läßt begreifen, daß man Missionar zuallererst ist durch das, was man ist, als Kirche, die zutiefst die Einheit der Liebe lebt, bevor man es ist durch das, was man sagt oder tut. Die vier Evangelien weisen also bei der grundsätzlichen Einheitlichkeit der Darstellung der Mission Unterschiede auf, die verschiedene Erfahrungen und Situationen in den ersten christlichen Gemeinden widerspiegeln. Sie ist auch Frucht des dynamischen Antriebs durch denselben Geist; sie weist auch darauf hin, auf die verschiedenen missionarischen Charismen und die unterschiedlichen menschlichen Verhältnisse zu achten. Aber alle Evangelisten betonen, daß die Sendung der Jünger ein Mitwirken mit der Sendung Christi ist: „Seid gewiß, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Die Sendung gründet sich demnach nicht auf menschliche Fähigkeit, sondern auf die Macht des auferstandenen Herrn. 1179 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Geist hat die führende Rolle bei der Sendung 24. Die Sendung der Kirche ist, wie die Jesu, Werk Gottes oder, wie Lukas oft schreibt, Werk des Geistes. Nach der Auferstehung und Himmelfahrt Jesu machen die Apostel eine intensive Erfahrung, die sie umwandelt: Pfingsten. Die Ankunft des Heiligen Geistes macht aus ihnen Zeugen und Propheten (vgl. Apg 1,8; 2,17-18). Sie sind beseelt von einer unaufdringlichen Kühnheit, die sie anleitet, anderen ihre Erfahrungen mit Jesus und die Hoffnung, die sie erfüllt, mitzuteilen. Der Geist macht sie fähig, für Jesus „freimütig“ Zeugnis abzulegen.33 Als die Verkünder der Botschaft aus Jerusalem hinausziehen, übernimmt der Geist noch mehr die Führerrolle, sei es in der Auswahl der Personen oder der zu beschreitenden Wege in der Mission. Sein Wirken zeigt sich insbesondere im Anstoß zur Mission, die nach den Worten Christi von Jerusalem aus sich über ganz Judäa und Samaria bis an die äußersten Enden der Erde ausbreitet. Die Apostelgeschichte bietet sechs zusammenfassende Berichte von „Missionsreden“, die in den Anfängen der Kirche an die Juden gerichtet sind (vgl. Apg 2,22-39; 3,12-26; 4,9-12; 5,29-32; 10,34-43; 13,16-41). Diese Reden können als Modelle gelten, die von Petrus und Paulus gehalten wurden. Sie verkünden Jesus, rufen zur „Bekehrung“, d. h. Jesus soll im Glauben aufgenommen werden und vom Geist soll man sich in ihn umwandeln lassen. Paulus und Barnabas werden vom Geist zu den Heiden gedrängt (vgl. Apg 13,46-48), was nicht ohne Spannungen und Probleme vor sich geht. Wie sollen die bekehrten Heiden ihren Glauben an Jesus leben? Sind sie an die jüdische Tradition gebunden und an das Gesetz der Beschneidung? Beim ersten Konzil, das um die Apostel Mitglieder verschiedener Kirchen versammelt, wird eine Entscheidung gefällt, die als vom Geist stammende anerkannt wird: es ist nicht nötig, daß ein Heide sich dem jüdischen Gesetz unterwirft, um Christ zu werden (vgl. Apg 15,5-11). Von da an öffnet die Kirche ihre Tore und wird das Haus, in das alle eintreten und sich zu Hause fühlen können, indem sie die eigene Kultur und die eigene Tradition beibehalten, sofern diese nicht im Gegensatz zum Evangelium stehen. 25. Die Missionare sind dieser Linie gefolgt und halten sich stets die Erwartungen und Hoffnungen, die Sorgen und Leiden, die Kultur der Menschen gegenwärtig, um ihnen das Heil in Christus zu verkünden. Die Reden in Lystra und Athen (vgl. Apg 14,11-17; 17,22-31) werden als Muster der Evangelisierung bei den Heiden angesehen: Paulus kommt mit den Kulturen und religiösen Werten verschiedener Völker ins Gespräch. Den Bewohnern von Lyka-onien, die eine kosmische Religion praktizierten, bringt er religiöse Erfahrungen in Erinnerung, die sich auf den Kosmos beziehen; mit den Griechen spricht er über Philosophie und zitiert ihre Dichter (vgl. Apg 17,18.26-28). Der Gott, den er ihnen offenbaren will, ist in ihrem Leben schon anwesend: er hat sie nämlich geschaffen und leitet geheimnisvoll die Völker und die Geschichte (vgl. Apg 14,16-17); dennoch sollen sie, um den wahren Gott zu erkennen, ihre falschen, von ihnen selbst verfertigten Götter verlassen und sich für jenen öffnen, den Gott gesandt hat, um ihrer Unwissenheit abzuhelfen und die Erwartung ihres Herzens zu erfüllen (vgl. Apg 17,20.30). Dies sind Reden, die als Beispiele für die Inkulturation des Evangeliums gelten können. 1180 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unter dem Drängen des Geistes öffnet sich der christliche Glaube mit Entschiedenheit gegenüber den „Völkern“, und das Zeugnis von Christus gelangt zu den wichtigsten Zentren des östlichen Mittelmeeres, um dann nach Rom und den äußersten Westen zu kommen. Der Geist drängt dazu, immer weiter zu gehen, nicht nur im geographischen Sinne, sondern auch dazu, ethnische und religiöse Barrieren zugunsten einer wahrhaft universalen Mission zu überwinden. Der Geist erweist die Kirche insgesamt als Missionskirche 26. Der Geist drängt die Gruppe der Glaubenden dazu, „Gemeinde zu bilden“, Kirche zu sein. Nach der ersten Verkündigung von Petrus am Pfingsttag und den Bekehrungen, die darauf folgten, bildet sich die erste Gemeinde (vgl. Apg 2,42-47; 4,32-35). Es ist in der Tat eines der wichtigsten Ziele der Mission, das Volk zum Hören der Frohbotschaft, zur brüderlichen Gemeinschaft, zum Gebet und zur Eucharistie zu versammeln. „Brüderliche Gemeinschaft“ (koinonia) leben bedeutet, „ein Herz und eine Seele“ haben (Apg 4,32), eine Gemeinschaft unter allen humanen, spirituellen und materiellen Gesichtspunkten aufbauen. Wahrhaft christliche Gemeinde ist auch um die Teilung der irdischen Güter bemüht, damit es keine Notleidenden gebe und alle „je nach Bedarf“ Zugang zu diesen Gütern haben (Apg 2,45; 4,35; 11,27-30). Die ersten Gemeinden, in denen „die Freude und die Einfachheit des Herzens“ vorherrschten (Apg 2,46), besaßen eine dynamische und missionarische Offenheit: „Sie waren beim ganzen Volk geschätzt“ (Apg 2,47). Mission bedeutet noch vor aller Aktivität Zeugnis und Ausstrahlung.34 27. In der Apostelgeschichte gibt es Hinweise darauf, daß die Mission, die sich zunächst an Israel und dann an die anderen Völker wandte, sich auf mehreren Ebenen entfaltet. Da sind zuallererst die Zwölf, die vereint unter der Leitung des Petrus die Frohe Botschaft verkünden. Da ist weiter die Gemeinde der Gläubigen, die mit ihrer Art zu leben und zu handeln den Herrn bezeugt und die Heiden bekehrt (vgl. Apg 2,46-47). Weiter gibt es Sonderbeauftragte, die für die Verkündigung des Evangeliums bestimmt werden. So sendet die christliche Gemeinde von Antiochien ihre Mitglieder in die Mission: nach Fasten, Gebet und Eucharistiefeier stellt sie fest, daß der Geist Paulus und Barnabas für die Sendung ausgewählt hat (vgl. Apg 13,1-4). Die Mission ist also in ihren Anfängen als Aufgabe der Gemeinde, als Verantwortung der Ortskirche angesehen worden. Die Gemeinde braucht „Missionare“, um sich auszubreiten. Neben diesen Ausgesandten gab es auch solche, die spontan die ihr Leben verändernde Neuheit bezeugten und die die im Entstehen begriffenen Gemeinden mit der Apostolischen Kirche in Verbindung brachten. Die Apostelgeschichte gibt uns zu verstehen, daß es in der Mission ad gentes am Anfang der Kirche zwar Missionare „auf Lebenszeit“ gibt, die sich ihr aufgrund einer speziellen Berufung widmen, daß die Mission aber gleichzeitig als eine ganz selbstverständliche Frucht des christlichen Lebens, als Auftrag an jeden Gläubigen angesehen wurde, durch seine Lebensführung und wenn möglich durch ausdrückliche Verkündigung ein persönliches Glaubenszeugnis zu geben. 1181 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Geist ist zu jeder Zeit und an jedem Ort gegen wärtig und am Werk 28. Der Geist zeigt sich in besonderer Weise in der Kirche und in ihren Mitgliedern; jedoch ist seine Gegenwart und sein Handeln allumfassend, ohne Begrenzung durch Raum und Zeit.35 Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert an das Wirken des Geistes im Herzen jedes Menschen, durch „die Samen des Wortes“, auch durch religiöse Anregungen, durch Anstrengungen allen menschlichen Handelns, sofern es auf die Wahrheit, auf das Gute, auf Gott ausgerichtet ist.36 Der Geist gibt dem Menschen „Licht und Kraft, um auf seine höchste Berufung zu antworten“; durch den Geist „kann der Mensch im Glauben zum Betrachten und Verkosten des Geheimnisses des Göttlichen Heilsplanes gelangen“; überdies „müssen wir annehmen, daß der Heilige Geist allen die Möglichkeit bietet, mit dem Ostergeheimnis in Berührung zu kommen in einer Weise, die nur Gott kennt“,37 in jedem Fall weiß die Kirche, „daß der Mensch, vom Geist Gottes angespomt, vom Problem der Religion nicht völlig unberührt bleiben“ und „daß er immer den Wunsch haben wird, wenigstens in Umrissen zu erkennen, was der Sinn seines Lebens, seines Tuns, seines Todes sei“.38 Der Geist steht also am Ursprung der Existenz und Glaubensfrage jedes Menschen, die sich ihm nicht nur in bestimmten Situationen, sondern aus der Struktur seines Daseins selbst stellt.39 Die Gegenwart und das Handeln des Geistes berühren nicht nur einzelne Menschen, sondern auch die Gesellschaft und die Geschichte, die Völker, die Kulturen, die Religionen. Der Geist steht ebenso am Ursprung edler Ideale und guter Initiativen der Menschheit auf deren Wege: „In wunderbarer Vorsehung lenkt er den Weg der Zeiten und erneuert er das Gesicht der Erde“.40 Der auferstandene Christus „wirkt im Herzen der Menschen in der Kraft seines Geistes, indem er nicht nur den Wunsch nach einer zukünftigen Welt weckt, sondern dadurch auch jene großmütigen Gedanken inspiriert, reinigt und festigt, durch die die Menschheitsfamilie das eigene Leben menschlicher zu gestalten und die ganze Welt diesem Ziele unterzuordnen versucht“.41 Und nochmals: es ist der Geist, der „die Samen des Wortes“ aussät, die in den Riten und Kulturen da sind und der sie für ihr Heranreifen in Christus bereit macht.42 29. So leitet uns der Geist, der „weht, wo er will“ (Joh 3,8), der „in der Welt wirkte, noch bevor Christus verherrlicht wurde“,43 der „das Universum, alles umfassend, erfüllt und jede Stimme kennt“ (Weish 1,7), dazu an, unseren Blick zu erweitern, um so sein zu jeder Zeit und an jedem Ort vorhandenes Wirken in Betracht zu ziehen. Es ist ein Aufruf, den ich selbst wiederholt gemacht habe44 und der mich bei den Begegnungen mit den verschiedensten Völkern geleitet hat. Das Verhältnis der Kirche zu anderen Religionen ist bestimmt von einem doppelten Respekt: „dem Respekt vor dem Menschen bei seiner Suche nach Antworten auf die tiefsten Fragen des Lebens und vom Respekt vor dem Handeln des Geistes im Menschen“.45 Die Begegnung zwischen den Religionen in Assisi wollte unmißverständlich meine Überzeugung bekräftigen, daß „jedes authentische Gebet vom Heiligen Geist geweckt ist, der auf geheimnisvolle Weise im Herzen jedes Menschen gegenwärtig ist.“46 Es ist derselbe Geist, der bei der Menschwerdung, im Leben, im Tode und bei der Auferstehung lesu mitgewirkt hat und der in der Kirche wirkt. Er ist nicht eine Alternative zu Christus, er füllt nicht eine Lücke aus zwischen Christus und dem Logos, wie manchmal ange- 1182 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nommen wird. Was immer der Geist im Herzen der Menschen und in der Geschichte der Völker, in den Kulturen und Religionen bewirkt, hat die Vorbereitung der Verkündigung zum Ziel47 und geschieht in bezug auf Christus, das durch das Wirken des Geistes fleischgewordene Wort, „um Ihn zu erwirken, den vollkommenen Menschen, das Heil aller und die Zusammenführung des Universums“.48 Das universale Wirken des Geistes darf andererseits nicht getrennt werden von der Eigenart des Wirkens am Leib Christi, der die Kirche ist. Denn es ist immer der Geist, der wirkt, sei es, daß er die Kirche belebt und sie zur Verkündigung Christi drängt, sei es daß er seine Gaben auf alle Menschen und Völker ausbreitet und sie entfaltet, indem er die Kirche durch den Dialog anleitet, diese Gaben zu entdecken, zu fördern und anzunehmen. Jede Gegenwart des Geistes muß mit Achtung und Dankbarkeit aufgenommen werden. Seine Unterscheidung ist aber eine Aufgabe der Kirche, der Christus seinen Geist gegeben hat, um sie zur vollen Wahrheit zu führen (vgl. Joh 16,13). Die Missionstätigkeit steht erst in den Anfängen 30. In unserer Zeit, mit einer Menschheit in Bewegung und auf der Suche, braucht es einen neuen Anstoß zur Missionstätigkeit der Kirche. Die Horizonte und die Möglichkeiten der Mission weiten sich aus, und wir Christen sind aufgerufen zu apostolischem Mut, der auf das Vertrauen in den Geist gegründet ist. Er ist die Hauptfigur der Mission! Zahlreich sind in der Geschichte der Menschheit die Zeitenwenden, die zu einer missionarischen Dynamik anregen. Die Kirche hat, geführt vom Geist, darauf immer mit Großmut und Weitblick geantwortet. Es gab dabei gute Ergebnisse. Vor kurzem wurde die Tausendjahrfeier der Evangelisierung Rußlands und der Slawischen Völker begangen. Derzeit bereiten wir die Feier des fünfhundertsten Jahrestages der Evangelisierung Amerikas vor. In der letzten Zeit gab es auch festliche Jahrhundertfeiern im Gedenken an die ersten Missionen in verschiedenen Ländern Asiens, Afrikas und Ozeaniens. Heute sieht die Kirche sich mit anderen Herausforderungen konfrontiert; sie muß zu neuen Ufern aufbrechen, sei es in ihrer Erstmission ad gentes, sei es in der Neuevangelisierung von Völkern, die die Botschaft von Christus schon erhalten haben. Heute wird von allen Christen, von den Ortskirchen und von der Weltkirche derselbe Mut verlangt, der die Missionare der Vergangenheit bewegt hat, und dieselbe Verfügbarkeit, um die Stimme des Geistes zu hören. Kapitel TV: Das unbegrenzte Ausmaß der Mission ad gentes 31. Jesus der Herr sendet seine Apostel zu allen Menschen, zu allen Völkern und in alle Gegenden der Welt. Mit den Aposteln erhielt die Kirche eine weltweite Sendung, die keine Grenzen kennt und die das Heil in seiner ganzen Fülle betrifft, entsprechend jener Fülle des Lebens, die die Ankunft Christi gebracht hat (vgl. Joh 10,10): die Kirche wurde „ausgesandt, um die Liebe Gottes allen Menschen und allen Völkern der Erde zu offenbaren und weiterzugeben“.49 1183 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist ein- und dieselbe Mission mit demselben Ursprung und demselben Ziel; aber innerhalb von ihr gibt es verschiedene Aufgaben und Tätigkeiten. Vor allem ist es die Missionstätigkeit, die wir unter Berufung auf das Konzilsdekret als Missio ad gentes bezeichnen. Es handelt sich dabei um eine wesentliche und nie abgeschlossene Haupttätigkeit der Kirche. Denn die Kirche „kann sich der dauerhaften Sendung, allen das Evangelium zu bringen, die Christus, den Erlöser der Menschen, noch nicht kennen - es sind Millionen und Abermillionen von Männern und Frauen - nicht entziehen. Das ist die ganz spezifische Missionsaufgabe, die Jesus seiner Kirche anvertraut hat und täglich anvertraut“.50 Ein komplexes und in Bewegung geratenes religiöses Bild 32. Wir befinden uns heute vor einer stark veränderten und schillernden religiösen Situation: die Völker sind in Bewegung; soziale und religiöse Wirklichkeiten, die früher klar definiert waren, entwickeln sich zu komplexen Situationen. Man denke dabei nur an einige Phänomene wie die Verstädterung, die Massenwandemngen, die Flüchtlingsbewegung, die Ent-christlichung von Ländern mit alter christlicher Tradition, an den deutlich erkennbaren Einfluß des Evangeliums und seiner Werte in Ländern mit größtenteils nichtchristlicher Mehrheit, an das Umsichgreifen von Messianismen und religiösen Sekten. Es geht eine Umwälzung von sozialen und religiösen Situationen vor sich, die es schwer macht, gewisse kirchliche Unterscheidungen und Kategorien, an die man gewöhnt war, konkret anzuwenden. Schon vor dem Konzil sagte man von einigen Hauptstädten oder christlichen Ländern, sie seien „Missionsländer“ geworden. Die Situation hat sich in den darauffolgenden Jahren sicher nicht gebessert. Andererseits hat die Missionstätigkeit in allen Teilen der Welt reiche Früchte gebracht; deshalb gibt es tief verwurzelte, zum Teil so gefestigte und gereifte Kirchen, daß sie sowohl für die Bedürfnisse der eigenen Gemeinden als auch für die Aussendung von Personal zur Evangelisierung in anderen Kirchen und Gebieten gut gerüstet sind. Dies im Kontrast zu Gebieten der alten Christenheit, deren Neuevangelisierung notwendig geworden ist. Inzwischen fragen sich nicht wenige, ob man noch von spezifischer Missionstätigkeit oder von abgrenzbaren Bereichen sprechen könne, oder ob man nicht zugeben müsse, daß es nur eine einheitliche Missionssituation und folglich auch nur eine einheitliche, überall gleiche Sendung gebe. Die Schwierigkeit, diese komplexe und veränderliche Realität in bezug auf den Auftrag zur Evangelisierung zu deuten, zeigt sich bereits im „Missionsvokabular“: es gibt zum Beispiel ein gewisses Zögern im Gebrauch der Ausdrücke „Missionen“ und „Missionare“; sie werden als überholt und von negativen historischen Resonanzen belastet angesehen. Man zieht es vor, zur Kennzeichnung des Wirkens der Kirche generell das Hauptwort „Mission“ in der Einzahl und als Eigenschaftswort „missionarisch“ zu verwenden. Diese Not weist auf eine tatsächliche Veränderung hin, die auch positive Aspekte hat. Die sogenannte Rückkehr oder „Wiederbeheimatung“ der Missionen in die Sendung der Kirche, das Einfließen der Missiologie in die Ekklesiologie und die Einbindung beider in den trinita-rischen Heilsplan haben die Missionstätigkeit selbst neu aufatmen lassen; sie wird nicht als eine Aufgabe am Rande der Kirche begriffen, sondern eingebunden in das Herz ihres Lebens; sie wird als wesentliche Verpflichtung des gesamten Volkes Gottes verstanden. Man muß 1184 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich jedoch vor der Gefahr hüten, die sehr verschiedenen Situationen auf die gleiche Stufe zu stellen und die Mission sowie die Missionare ad gentes zu reduzieren, wenn nicht gar verschwinden zu lassen. Die Feststellung, daß die ganze Kirche eine Missionskirche ist, schließt nicht aus, daß es eine spezifische Mission ad gentes gibt; so wie die Feststellung, daß alle Katholiken Missionare sein sollen, nicht ausschließt, sondern im Gegenteil erfordert, daß es aufgrund einer spezifischen Berufung „Missionare ad gentes und auf Lebenszeit“ geben soll. Die Mission „ad gentes“ behält ihren Wert 33. Die Unterschiede in der Tätigkeit im Rahmen der einen Mission der Kirche ergeben sich nicht aus Gründen, die in der Sache selbst, also in der Sendung liegen, sondern aus den unterschiedlichen Umständen, in denen die Mission sich entfaltet51. Wenn man die heutige Welt unter dem Gesichtspunkt der Evangelisierung betrachtet, kann man drei Situationen unterscheiden. Zunächst jene Situation, an die sich die Missionstätigkeit der Kirche wendet: an Völker, Menschengruppen, sozio-kulturelle Zusammenhänge, in denen Christus und sein Evangelium nicht bekannt sind oder in denen es an genügend reifen christlichen Gemeinden fehlt, um den Glauben in ihrer eigenen Umgebung Fuß fassen zu lassen und anderen Menschengruppen verkündigen zu können. Das ist die eigentliche Mission ad gentes? Sodann gibt es christliche Gemeinden, die angemessene und solide kirchliche Strukturen besitzen, die eifrig sind im Glauben und im Leben, die mit ihrem Zeugnis vom Evangelium in ihre Umgebung ausstrahlen und die Verantwortung für die Weltmission spüren. In ihnen entfaltet sich die Seelsorgstätigkeit der Kirche. Schließlich gibt es eine Situation dazwischen, vor allem in Ländern mit alter christlicher Tradition, aber manchmal auch in jüngeren Kirchen, wo ganze Gruppen von Getauften den lebendigen Sinn des Glaubens verloren haben oder sich gar nicht mehr als Mitglieder der Kirche erkennen, da sie sich in ihrem Leben von Christus und vom Evangelium entfernt haben. In diesem Fall braucht es eine „neue Evangelisierung“ oder eine „Wieder-Evangelisierung“. 34. Die spezifische Missionstätigkeit oder die Mission ad gentes wendet sich an „die Völker und die Gruppen, die noch nicht an Christus glauben“, an „jene, die fern von Christus sind“, bei denen die Kirche noch nicht Wurzeln geschlagen hat“53 und deren Kultur noch nicht vom Evangelium beeinflußt ist.54 Sie unterscheidet sich von den anderen kirchlichen Tätigkeiten, weil sie sich an Gruppen und Umfelder wendet, die aufgrund des Fehlens oder des Ungenü-gens der evangelischen Verkündigung und der kirchlichen Präsenz nicht christlich sind. Sie hat den Charakter eines Werkes der Verkündigung Christi und seines Evangeliums, des Aufbaus der Ortskirche, der Verbreitung der Werte des Reiches Gottes. Die Besonderheit dieser Mission ad gentes ergibt sich aus der Tatsache, daß sie sich an „Nicht-Christen“ wendet. Es ist deshalb zu vermeiden, daß diese „ausgesprochen missionarische Aufgabe, die Jesus seiner Kirche anvertraut hat und täglich neu anvertraut“,55 innerhalb der umfassenden Sendung des ganzen Volkes Gottes zu einer abgewerteten Wirklichkeit und folglich vernachlässigt oder vergessen wird. Anderseits sind die Grenzen zwischen der Seelsorge der Gläubigen, der Neu-Evangelisierung und der ausgesprochen missionarischen Tätigkeit nicht eindeutig bestimmbar und es ist 1185 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN undenkbar, zwischen ihnen Barrieren oder scharfe Trennungen zu machen. Doch darf die Kraft nicht verlorengehen für die Verkündigung und Gründung von neuen Kirchen unter Völkern oder Menschengruppen, wo es sie noch nicht gibt. Denn die erste Aufgabe der Kirche ist ihre Sendung zu allen Völkern und bis an die Grenzen der Erde. Ohne die Mission ad grntes wäre die missionarische Dimension der Kirche selbst ihres ursprünglichen Sinnes und ihrer gezielten Umsetzung beraubt. Ebenfalls zu beachten ist eine reale und wachsende gegenseitige Abhängigkeit zwischen den verschiedenen Sendungsaufträgen der Kirche: jede von ihnen hat Einfluß auf die andere, regt sie an und hilft ihr. Die missionarische Dynamik schafft einen Austausch zwischen den Kirchen und ist auf die Außenwelt ausgerichtet, mit positiven Einflüssen in jeder Hinsicht. Die Kirchen mit alter christlicher Tradition zum Beispiel, die sich mit der spannenden Aufgabe der Neu-Evangelisierung befassen, begreifen besser, daß sie gegenüber den Nicht-Christen in anderen Ländern und Kontinenten nicht missionarisch wirken können, wenn sie sich nicht ernsthaft um die Nicht-Christen im eigenen Haus kümmern: die Missionsbereitschaft nach innen ist ein glaubwürdiges Zeichen und Anreiz für jene nach außen und umgekehrt. Trotz Schwierigkeiten allen Völkern 35. Die Mission ad gentes steht vor einer ungeheuren Aufgabe, die keineswegs im Schwinden ist. Im Gegenteil, sie scheint ein noch viel weiteres Blickfeld vor sich zu haben, sowohl unter der zahlenmäßigen Rücksicht der demographischen Zunahme als auch unter der sozio-kulturellen Rücksicht des Entstehens neuer Beziehungen, neuer Kontakte und sich verändernder Situationen. Der Auftrag zur Verkündigung Jesu Christi bei allen Völkern ist sehr umfangreich und im Vergleich zu den menschlichen Kräften der Kirche unverhältnismäßig groß. Die Schwierigkeiten scheinen unüberwindbar und könnten entmutigen, wenn es sich um ein rein menschliches Unterfangen handelte. In einigen Ländern ist den Missionaren die Einreise verboten; in anderen ist nicht nur die Evangelisierung verboten, sondern auch die Konversion und sogar der christliche Kult. Noch anderswo bestehen Hindernisse kultureller Art: die Vermittlung der evangelischen Botschaft erscheint irrelevant oder unverständlich; Bekehrung wird als Verleugnung des eigenen Volkes und der eigenen Kultur angesehen. 36. Es gibt im Volk Gottes auch interne Schwierigkeiten, die noch viel schmerzlicher sind. Schon mein Vorgänger Papst Paul VI. hat an erster Stelle hingewiesen auf „das Fehlen des Eifers, was umso schlimmer ist, weil es von innen kommt; dies zeige sich in der Müdigkeit, in der Enttäuschung, in der Bequemlichkeit, in mangelndem Interesse und vor allem im Fehlen der Freude und der Hoffnung“.56 Große Hindernisse für die Missionsbereitschaft der Kirche bilden auch die früheren und gegenwärtigen Spaltungen unter den Christen,57 die Ent-christlichung in christlichen Ländern, das Zurückgehen der Berufe zum Apostolat, die abstoßenden Zeugnisse von Gläubigen und christlichen Gemeinden, die in ihrem Leben nicht dem Modell Christi folgen. Eine der schwerwiegendsten Ursachen des geringen Interesses für den Missionseinsatz ist jedoch eine Denkweise der Gleichgültigkeit, die leider auch unter Christen weit verbreitet ist und die ihre Wurzeln in theologisch nicht richtigen Vorstellungen 1186 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hat. Diese Denkweise ist durchdrungen von einem religiösen Relativismus, der zur Annahme führt, daß „eine Religion gleich viel gilt wie die andere“. Wir können hinzufügen - wie derselbe Papst sagte -, daß es auch „Alibis gibt, die von der Evangelisierung ablenken. Am gefährlichsten sind sicher jene, von denen man sich einbildet, sie fänden in dieser oder jener Lehre des Konzils einen Anhaltspunkt“.58 Ich lege diesbezüglich den Theologen und den Fachleuten der christlichen Presse lebhaft nahe, den eigenen Dienst für die Mission zu verstärken und den tiefen Sinn ihres wichtigen Dienstes auf dem rechten Wege des „sentke cum ecclesia“ zu entdecken. Die inneren und äußeren Schwierigkeiten dürfen uns nicht untätig oder zu Pessimisten machen. Was hier - wie in jedem Bereich des christlichen Lebens - zählt, ist das Vertrauen, das aus dem Glauben kommt, aus der Überzeugung also, daß nicht wir die Hauptpersonen der Mission sind, sondern Jesus Christus und sein Geist. Wir sind nur Mitarbeiter; und wenn wir alles getan haben, was uns möglich ist, müssen wir sagen: „Wir sind unnütze Diener. Wir haben getan, was zu tun uns aufgetragen war“ (Lk 17,10). Bereiche der Mission ad gentes 37. Die Mission ad gentes kennt kraft des weltumspannenden Auftrages Christi keine Grenzen. Man kann jedoch verschiedene Bereiche umreißen, in denen sie sich entfaltet, sodaß man ein reales Bild der Situation erhält. a) Gebietsbezogene Bereiche: Die Missionstätigkeit ist normalerweise in bezug auf genau umrissene Gebiete definiert worden. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die gebietsbezogene Dimension der Mission ad gentes anerkannt;59 sie ist auch heute noch wichtig und hat den Zweck, die Verantwortung, die Zuständigkeit und die geographischen Handlungsräume abzugrenzen. Es ist zwar wahr, daß einer Weltmission eine Weltperspektive entsprechen muß: die Kirche kann in der Tat keine Grenzen und politischen Hindernisse akzeptieren, die ihre Missionspräsenz eingrenzen. Aber es ist auch wahr, daß die Missionstätigkeit ad gentes, die von der Seelsorge der Gläubigen und der Neu-Evangelisierung der Nicht-Praktizierenden verschieden ist, in klar abgegrenzten Gebieten und bei bestimmten Menschengruppen ausgeübt wird. Man darf sich nicht täuschen lassen von der starken Zunahme der jungen Kirchen in letzter Zeit. In den diesen Kirchen anvertrauten Gebieten, besonders in Asien, aber auch in Afrika, in Lateinamerika und in Ozeanien gibt es ausgedehnte, nicht evangelisierte Zonen. In einer Reihe von Nationen sind ganze Völker und Kulturen von großer Bedeutung noch nicht von der Glaubensverkündigung und von der Ortskirche erfaßt.60 Auch in traditionell christlichen Ländern gibt es Gegenden, Menschengruppen und nicht evangelisierte Bereiche, die der speziellen Leitung der Mission ad gentes anvertraut sind. Es ist also auch in diesen Ländern nicht nur eine Neu-Evangelisierung, sondern in einigen Fällen eine erstmalige Evangelisiemng geboten.61 Die einzelnen Situationen sind jedoch nicht gleichgeartet. Auch wenn man dazu steht, daß die Aussagen bezüglich der missionarischen Verantwortung der Kirche nicht glaubwürdig sind, wenn sie nicht vom ernsthaften Einsatz einer Neu-Evangelisierung in den Ländern mit christlicher Tradition begleitet sind, wird man die Situation eines Volkes, das Christus nie ken- 1187 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nengelemt hat, nicht gleichsetzen können mit jener eines anderen Volkes, das ihn kennenge-lemt, angenommen und dann abgelehnt hat und das dennoch in einer Kultur mit zum großen Teil evangelischen Prinzipien und Werten weiterlebt. Es sind dies in bezug auf den Glauben zwei grundverschiedene Ausgangsbedingungen. Deshalb gilt das geographische Kriterium weiterhin als eine Richtlinie zur Absteckung der Grenzen, nach der sich - auch wenn nicht sehr genau und immer vorläufig - die Missionstätigkeit richten muß. Es gibt Länder und geographische sowie kulturelle Räume, in denen einheimische christliche Gemeinden fehlen; anderswo sind diese Gemeinden so klein, daß sie kein eindeutiges Zeichen der Präsenz des Christentums sein können; oder es fehlt ihnen an Dynamik, in ihrer Umgebung das Evangelium zu künden, oder sie gehören Volksminderheiten an, die nicht in die vorherrschende nationale Kultur eingebettet sind. Vor allem auf dem asiatischen Kontinent, auf den sich das Hauptaugenmerk der Mission ad gentes richten sollte, bilden die Christen nur eine kleine Minderheit, auch wenn man dort manchmal nennenswerte Konversions-Bewegungen und beispielhafte Formen christlicher Präsenz feststellen kann, b) Neue Soziale Welten und Phänomene: Die raschen und tiefgreifenden Umwälzungen, die heute die Welt, besonders die südliche Hälfte, charakterisieren, haben einen starken Einfluß auf das Bild der Mission: wo zuerst menschlich und sozial stabile Verhältnisse herrschten, ist heute alles in Bewegung geraten. Man denke zum Beispiel an die Verstädterung und an das massive Anwachsen der Städte, vor allem dort, wo der Bevölkerungsdruck am stärksten ist. Derzeit lebt in vielen Staaten schon mehr als die Hälfte der Bevölkerung in einigen wenigen Großstädten, in denen sich die Probleme des Menschen oft verschlimmern, gerade wegen der Anonymität, in die die Massen sich eingetaucht fühlen. In der Neuzeit erfolgte die Missionstätigkeit überwiegend in verlassenen Gebieten, fernab von zivilisierten Zentren und in Gebieten, die aufgrund der Kommunikationsschwierigkeiten, der Sprache und des Klimas unzugänglich waren. Heutzutage verändert sich das Bild der Mission ad gentes zusehends: zu den bevorzugten Orten müßten die Großstädte werden, in denen neue Gewohnheiten und Lebensstile, neue Formen der Kultur und der Kommunikation entstehen, die ihrerseits wieder die Bevölkerung beeinflussen. Es stimmt, daß „die Wahl für die Geringsten“ dazu führen muß, diejenigen Menschengruppen am wenigsten zu vernachlässigen, die am meisten am Rande stehen und isoliert sind. Es stimmt aber auch, daß man Einzelnen und kleinen Gruppen nicht das Evangelium verkünden kann, wenn man diejenigen Zentren vernachlässigt, in denen sozusagen eine neue Menschheit mit neuen Entwicklungsmodellen heranwächst. Die Zukunft der jungen Nationen nimmt ihren Ausgang in den Städten. Wenn man von der Zukunft spricht, darf man die Jugend nicht vergessen, die in zahlreichen Ländern mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmacht. Wie erreicht die Botschaft Christi die nichtchristliche Jugend, die die Zukunft ganzer Kontinente bildet? Die herkömmlichen Mittel der Pastoral reichen offensichtlich nicht mehr aus. Es braucht Vereine und Institutionen, Gruppen und Jugendhäuser, kulturelle und soziale Initiativen für die Jugend. Das ist das Betätigungsfeld, auf dem sich die modernen kirchlichen Bewegungen in breitem Ausmaße entfalten können. Zu den großen Veränderungen der Gegenwart gehören die Aus- und Einwanderer, durch die ein neues Phänomen entsteht: zahlreiche Nichtchristen kommen in Länder mit alter christli- 1188 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eher Tradition; es ergibt sich die Gelegenheit zu neuen Kontakten und kulturellem Austausch; die Kirche sieht sich zu ihrer Aufnahme, zu Dialog, zu Hilfe, mit einem Wort, zu Brüderlichkeit herausgefordert. Unter den Einwanderern nehmen die Flüchtlinge einen ganz eigenen Platz ein und verdienen volle Aufmerksamkeit. Es sind inzwischen viele Millionen auf der ganzen Welt und es werden immer mehr. Sie sind geflüchtet vor politischer Unterdrückung und unmenschlichem Elend, vor Hungersnot und Trockenheit in katastrophalen Ausmaßen. Die Kirche muß sie im Umfeld ihrer apostolischen Sorge aufnehmen. Schließlich muß an die oft unerträglichen Situationen der Armut erinnert werden, die es in vielen Ländern gibt und die oft am Ursprung des Massenauszugs stehen. Die Gemeinschaft der Gläubigen in Christus weiß sich von diesen unmenschlichen Situationen herausgefordert. Die Verkündigung Christi und des Reiches Gottes muß für diese Völker zu einem menschlichen Instrument der Erlösung werden. c) Kulturbereiche oder moderne Areopage: Nachdem Paulus an zahlreichen Orten gepredigt hat, kam er nach Athen und begab sich auf den Areopag; dort verkündet er das Evangelium in einer Sprache, die für diese Umgebung geeignet und verständlich war (vgl. Apg 17,22-31). Der Areopag stellte damals das Kulturzentrum des gebildeten Volkes von Athen dar; er kann heute als Symbol für neue Bereiche aufgefaßt werden, denen das Evangelium zu verkünden ist. Ein solcher erster Areopag der neuen Zeit ist die Welt der Kommunikation, die die Menschheit immer mehr eint und - wie man zu sagen pflegt - zu einem „Weltdorf1 macht. Die Mittel der sozialen Kommunikation spielen eine derartig wichtige Rolle, daß sie für viele zum Hauptinstrument der Information und Bildung, der Führung und Beratung für individuelles, familiäres und soziales Verhalten geworden sind. Vor allem die neuen Generationen wachsen in einer davon geprägten Welt auf. Vielleicht ist dieser Areopag etwas vernachlässigt worden. Man bevorzugt im allgemeinen andere Hilfsmittel für die Verkündigung des Evangeliums und für die Bildung, während die Massenmedien der Initiative einzelner oder kleiner Gruppen überlassen werden und in der pastoralen Planung erst an untergeordneter Stelle Eingang finden. Die Einbeziehung der Massenmedien hat jedenfalls nicht nur den Zweck, die Botschaft des Evangeliums vielen zugänglich zu machen. Es handelt sich um eine weitaus tiefere Angelegenheit, da die Evangelisierung der modernen Kultur selbst zum großen Teil von ihrem Einfluß abhängt. Es genügt also nicht, sie nur zur Verbreitung der christlichen Botschaft und der Lehre der Kirche zu benutzen; sondern die Botschaft selbst muß in diese, von der modernen Kommunikation geschaffene „neue Kultur“ integriert werden. Es ist ein komplexes Problem, da diese Kultur noch vor ihren Inhalten aus der Tatsache selbst entsteht, daß es neue Arten der Mitteilung in Verbindung mit einer neuen Sprache, mit neuen Techniken und mit neuen psychologischen Haltungen gibt. Mein Vorgänger Papst Paul VI. sagte, daß „der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ohne Zweifel das Drama unserer Zeit ist“.62 Das weite Feld der heutigen Kommunikation bestätigt dieses Urteil voll und ganz. Es gibt noch viele andere Areopage der modernen Welt, an denen sich die Missionstätigkeit der Kirche orientieren muß. Da ist zum Beispiel der Einsatz für den Frieden, die Entwicklung und Befreiung der Völker; da sind Menschen- und Völkerrechte, vor allem jene der Minderheiten; da sind die Fördemng der Frau und des Kindes. Der Schutz der Schöpfung ist ebenfalls ein Bereich, der im Lichte des Evangeliums zu erhellen ist. 1189 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es sei weiters an den überaus weitläufigen Areopag der Kultur, der wissenschaftlichen Forschung und an die internationalen Beziehungen erinnert, die alle einen Dialog begünstigen und zu neuen Projekten zugunsten des Lebens führen. Man muß sich aufmerksam und engagiert in diesen modernen Instanzen einbringen. Die Menschen fühlen sich wie Seeleute auf der stürmischen See des Lebens, aufgerufen zu immer größerer Einheit und Solidarität. Lösungen für die existentiellen Probleme können nur unter Mitwirkung aller studiert, diskutiert und experimentiert werden. Dazu erweisen sich internationale Organismen und Zusammenkünfte in vielen Sektoren des menschlichen Lebens, von der Kultur bis zur Politik, von der Wirtschaft bis zur Forschung als immer wichtiger. Die Christen, die in dieser internationalen Dimension leben und arbeiten, sollen sich ihre Pflicht, das Evangelium zu bezeugen, vor Augen halten. 38. Unsere Zeit hat zugleich etwas Dramatisches und Faszinierendes an sich. Während die Menschen einerseits dem materiellen Erfolg nachzulaufen und sich immer mehr im konsu-mistischen Materialismus einzutauchen scheinen, zeigt sich auf der anderen Seite die ängstliche Suche nach Sinn, das Bedürfnis nach Innerlichkeit, die Sehnsucht nach dem Erlernen neuer Formen der Konzentration und des Gebetes. Nicht nur in den religiös geprägten Kulturen, sondern auch in den säkularisierten Gesellschaften wird die geistliche Dimension des Lebens als Heilmittel gegen Entmenschlichung gesucht. Dieses sogenannte Phänomen der „Rückkehr zur Religion“ ist nicht ohne Zweideutigkeit, enthält aber auch eine Einladung. Die Kirche besitzt ein unschätzbares geistliches Gut, das sie der Menschheit anbieten kann: es ist Christus, der sich als „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ bezeichnet (Joh 14,16). Es ist der christliche Weg der Begegnung mit Gott, mit dem Gebet, mit der Askese, mit der Entdeckung des Lebenssinnes. Auch das ist auf dem Areopag zu verkündigen. Treue zu Christus und Förderung der Freiheit des Menschen 39. Alle Formen der Missionstätigkeit sind gekennzeichnet vom Bewußtsein, die Freiheit des Menschen zu fördern, indem ihm Jesus Christus verkündigt wird. Die Kirche muß Christus treu sein, dessen Leib sie ist und dessen Sendung sie fortsetzt. Sie „folge demselben Weg, der von Christus gegangen wurde, dem Weg der Armut, des Gehorsams, des Dienstes und seines Opfers bis zum Tod, aus dem er dann auferstand und als Sieger hervorging“.63 Die Kirche hat also die Pflicht, alles daranzusetzen, um ihre Sendung in der Welt zu entfalten und alle Völker zu erreichen; und sie hat auch das Recht, das ihr zur Verwirklichung seines Planes von Gott gegeben wurde. Die religiöse Freiheit, manchmal noch begrenzt oder vergewaltigt, ist Voraussetzung und Garantie für alle Freiheiten, die das Gemeinwohl der Menschen und der Völker sichern. Es bleibt zu hoffen, daß die wahre religiöse Freiheit allen und überall gewährt wird. Die Kirche setzt sich für dieses Ziel in verschiedenen Ländern ein, vor allem in Ländern mit katholischer Mehrheit, wo sie einen größeren Einfluß hat. Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein Problem der Mehrheits- oder Minderheitsreligion, sondern vielmehr um ein unverrückbares Recht jedes Menschen. Anderseits wendet sich die Kirche an den Menschen im vollen Respekt vor seiner Freiheit.64 Die Mission bezwingt die Freiheit nicht, sondern begünstigt sie. Die Kirche schlägt vor, sie 1190 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN drängt nichts auf. Sie respektiert die Menschen und Kulturen, sie macht Halt vor dem Heiligtum des Gewissens. Vor denen, die sich unter den verschiedensten Vorwänden der Missionstätigkeit widersetzen, wiederholt die Kirche: Öffnet Christus die Türen! Ich wende mich an alle Teilkirchen, an die jungen und an die alten. Die Welt findet immer mehr zusammen, der Geist des Evangeliums muß zur Überwindung von kulturellen und nationalistischen Barrieren führen und jedes Sich-Verschließen zu vermeiden suchen. Schon Papst Benedikt XV. ermahnte die Missionare seiner Zeit, sie würden „ihre eigene Würde verlieren, wenn sie mehr an ihre irdische Heimat als an jene des Himmels dächten“.65 Dieselbe Aufforderung gilt heute für alle Ortskirchen: Öffnet den Missionaren die Türen, denn „jede Ortskirche, die sich bewußt von der Weltkirche trennen wollte, würde ihre Rückbindung an den Plan Gottes verlieren und in ihrer kirchlichen Dimension verarmen“.66 Die Aufmerksamkeit dem Süden und dem Orient zuwenden 40. Die Missionstätigkeit stellt auch heute noch die größte Herausforderung für die Kirche dar. Während wir uns dem Ende des zweiten Jahrtausends des Erlösungswerkes nähern, wird es immer deutlicher, daß jene Völker, zu denen noch keine erste Verkündigung von Christus gedrungen ist, die Mehrheit der Menschen bilden. Die Bilanz der Missionstätigkeit in der Neuzeit ist sicher positiv: die Kirche ist in allen Kontinenten verwurzelt, ja die Mehrheit der Gläubigen und der Ortskirchen lebt heute nicht mehr im alten Europa, sondern in jenen Kontinenten, die von den Missionaren für den Glauben geöffnet wurden. Es bleibt aber die Tatsache, daß die „äußersten Enden der Erde“, denen das Evangelium zu bringen ist, sich immer mehr entfernen. Die Feststellung Tertullians, wonach „das Evangelium auf der ganzen Welt und bei allen Völkern verkündet worden ist“,67 ist recht weit von ihrer konkreten Verwirklichung entfernt. Die Mission ad gentes steht noch in ihren Anfängen. Neue Völker treten in Erscheinung; auch sie haben das Recht auf die Verkündigung des Heiles. Der Bevölkerungszuwachs im Süden und im Orient, in nicht-christlichen Ländern, läßt ständig die Zahl jener Menschen anwachsen, die die Erlösung in Christus nicht kennen. Die missionarische Aufmerksamkeit muß also auf jene geographischen Gebiete und auf jene kulturellen Umfelder gelenkt werden, die außerhalb des Einflusses des Evangeliums geblieben sind. Alle, die an Christus glauben, sollen die apostolische Verantwortung als einen integrierenden Teil ihres Glaubens spüren, anderen die Freude und das Licht zu vermitteln. Diese Verantwortung muß gewissermaßen zum Hunger und Durst werden, den Herrn bekanntzumachen, sobald sich der Blickwinkel auf die weiten Teile der nichtchristlichen Welt ausweitet. 1191 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kapitel V: Wege der Mission 4L „Missionstätigkeit ist nichts anderes und nichts weniger als Kundgabe oder Epiphanie und Erfüllung des Planes Gottes in der Welt und ihrer Geschichte, in der Gott durch die Mission die Heilsgeschichte sichtbar vollzieht“.68 Welchen Wegen folgt nun die Kirche, um zu diesem Ergebnis zu kommen? Mission ist eine einzige, aber komplexe Wirklichkeit, die sich in verschiedenen Formen entfaltet, unter denen einige in der gegenwärtigen Situation der Kirche und der Welt von besonderer Wichtigkeit sind. Die erste Form der Evangelisierung ist das persönliche Zeugnis 42. Der Mensch unserer Zeit glaubt mehr den Zeugen als den Lehrern,69 mehr der Erfahrung als der Lehre, mehr dem Leben und den Taten als den Theorien. Das Zeugnis des christlichen Lebens ist die erste und unersetzbare Form der Mission. Christus, dessen Sendung wir fortsetzen, ist der „Zeuge“ schlechthin (Off 1,5; 3,14) und das Modell christlichen Zeugnisses. Der Heilige Geist begleitet den Weg der Kirche und läßt sie teilnehmen am Zeugnis, das er von Christus gibt (vgl. Joh 15,26-27). Die erste Form des Zeugnisses ist das Leben des Missionars, der christlichen Familie und der kirchlichen Gemeinschaft.; diese Form läßt eine neue Verhaltensweise erkennen. Der Missionar, der trotz aller Grenzen und menschlichen Schwächen in Einfachheit nach dem Modell Christi lebt, ist ein Zeichen Gottes und der transzendenten Wirklichkeit. Dieses Zeugnis können und müssen jedoch alle in der Kirche geben, indem sie sich bemühen, den göttlichen Meister nachzuahmen; ein Zeugnis, das in vielen Fällen die einzig mögliche Form ist, Missionar zu sein. Das evangelische Zeugnis, das die Welt am ehesten wahmimmt, ist jenes der Aufmerksamkeit für die Menschen und der Liebe zu den Armen und den Kleinen, zu den Leidenden. Der Geschenkcharakter dieses Verhaltens und dieser Aktivitäten, die sich abgrundtief von dem in jedem Menschen vorhandenen Egoismus unterscheiden, führt zu gezielten Fragen nach Gott und dem Evangelium. Auch der Einsatz für den Frieden, die Gerechtigkeit, die Menschenrechte und die menschliche Entfaltung ist ein evangelisches Zeugnis, wenn er Zeichen der Aufmerksamkeit für die Menschen ist, ausgerichtet auf die Gesamtentfaltung des Menschen. 43. Der Christ und die christliche Gemeinde sind tief verwurzelt im Leben der jeweiligen Völker; sie sind Zeugen des Evangeliums auch in der Treue zu ihrer Heimat, zu ihrem Volk, zu ihrer Landeskultur, immer jedoch in der Freiheit, die Christus gebracht hat. Das Christentum ist offen für eine weltweite Brüderlichkeit, weil alle Menschen Söhne und Töchter desselben Vaters und Geschwister in Christus sind. Die Kirche ist aufgerufen, ihr Zeugnis von Christus zu geben, indem sie mutig und prophetisch Position ergreift gegen die Korruption der politischen und wirtschaftlichen Macht; indem sie selbst weder Ruhm noch materielle Güter sucht; indem sie ihre Güter für den Dienst an den Ärmsten verwendet und zur Einfachheit des Lebens in Christus einlädt. Die Kirche und die Missionare müssen auch ein Zeugnis der Demut geben, bezogen vor allem auf 1192 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich selbst. Diese Demut drückt sich auf persönlicher und gemeinschaftlicher Ebene aus in der Fähigkeit zur Gewissenserforschung, um in den eigenen Verhaltensweisen das auszubes-sem, was unevangelisch ist und das Angesicht Christi entstellt. Die Erst-Verkündigung Christi, des Erlösers 44. Die Verkündigung hat in der Mission jederzeit Vorrang. Die Kirche darf sich dem ausdrücklichen Auftrag Christi nicht entziehen; sie darf den Menschen die „gute Nachricht“, daß sie von Gott geliebt und gerettet sind, nicht vorenthalten. „Die Evangelisierung wird - als Basis, Zentrum und zugleich Höhepunkt ihrer Dynamik - immer auch eine klare Aussage enthalten, daß in Jesus Christus ... jedem Menschen das Heil angeboten ist, als Geschenk der Gnade und Barmherzigkeit Gottes selbst“.72 Alle Formen der Missionstätigkeit haben diese Verkündigung zum Ziel; sie führt in das in der Zeit verborgene und in Christus enthüllte Geheimnis ein und enthüllt es (vgl. Eph 3,3-9; Kol 1,25-29). Christus ist das Herzstück der Mission und des Lebens der Kirche, der Angelpunkt der gesamten Evangelisierung. In der komplexen Wirklichkeit der Mission spielt die erstmalige Verkündigung eine zentrale und unersetzbare Rolle, weil sie eine Einführung ist „in das Geheimnis der Liebe Gottes, die zu einer engen persönlichen Beziehung in Christus ruft“73 und den Weg zur Bekehrung öffnet. Der Glaube erwächst aus der Verkündigung. Jede kirchliche Gemeinschaft beginnt mit und lebt aus der persönlichen Antwort jedes einzelnen Glaubenden auf diese Verkündigung.74 So wie die ganze Heilsökonomie auf Christus ausgerichtet ist, so ist die Verkündigung seines Geheimnisses das Ziel jeder Missionstätigkeit. Die Verkündigung hat Christus, den Gekreuzigten, Gestorbenen und Auferstandenen zum Gegenstand: durch ihn ereignet sich die volle und echte Befreiung vom Bösen, von der Sünde und vom Tod; in ihm schenkt Gott das „neue Leben“, ein göttliches und ewiges Leben. Das ist die „gute Nachricht“, die den Menschen und die Geschichte der Menschheit verändert und auf deren Kenntnis alle Völker ein Recht haben. Diese Verkündigung hat im Kontext des Lebens der Menschen und der Völker, die sie erhalten, zu geschehen. Sie muß weiter aus der Haltung der Liebe und der Wertschätzung des Hörenden heraus erfolgen, in einer konkreten und den Umständen angepaßten Sprache. In ihr ist der Geist am Werk und stellt eine Gemeinschaft zwischen dem Missionar und den Hörenden her, die dadurch möglich ist, daß sowohl der eine als auch die anderen durch Christus mit dem Vater verbunden sind.75 45. Verkündigung als Geschehen in Einheit mit der ganzen kirchlichen Gemeinschaft ist niemals eine rein persönliche Angelegenheit. Der Missionar ist da und wirkt kraft eines erhaltenen Auftrages; auch wenn er allein ist, ist er durch ein unsichtbares, aber enges Band mit der Missionstätigkeit der ganzen Kirche verbunden. Die Hörer erkennen früher oder später hinter ihm die Gemeinde, die ihn gesandt hat und die ihn unterstützt. Die Verkündigung ist vom Glauben beseelt, der beim Missionar Enthusiasmus und Eifer hervorruft. Wie schon gesagt wurde, bezeichnet die Apostelgeschichte diese Haltung mit dem Wort Parresfa, das heißt: mit Offenheit und Freimut sprechen. Dieser Begriff wird auch bei Paulus verwendet: „Im Vertrauen auf unseren Gott haben wir den Mut gehabt, euch trotz harter Kämpfe das Evangelium von Gott zu künden“ (1 Thess 2,2). „Betet... auch für mich, daß 1193 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott mir das rechte Wort schenkt, wenn es darauf ankommt, mit Freimut das Geheimnis des Evangeliums zu verkünden, als dessen Gesandter ich im Gefängnis bin. Bittet, daß ich in seiner Kraft freimütig zu reden vermag, wie es meine Pflicht ist“ (Eph 6,18-20). Der Missionar geht bei der Verkündigung Christi unter Nicht-Christen von der Überzeugung aus, daß sowohl bei den einzelnen als auch bei den Völkern durch das Wirken des Geistes schon eine - wenn auch unbewußte - Erwartung da ist, die Wahrheit über Gott, über den Menschen, über den Weg zur Befreiung von Sünde und Tod zu erfahren. Die Begeisterung bei der Verkündigung Christi kommt von der Überzeugung, auf diese Erwartung antworten zu können, sodaß der Missionar sich weder entmutigen läßt noch von seinem Zeugnis abgeht, auch wenn er seinen Glauben in einer feindseligen oder gleichgültigen Umgebung zu bekennen hat. Er weiß, daß der Geist des Vaters in ihm spricht (vgl. Mt 10,17-20; Lk 12, 11-12) und kann mit den Aposteln wiederholen: „Zeugen dieser Ereignisse sind wir und der Heilige Geist“ (Apg 5,32). Er weiß, daß er nicht eine Menschenweisheit verkündet, sondern das „Wort Gottes“, das eine ihr eigene innere und geheimnisvolle Kraft besitzt (vgl. Röm 1,16). Den besten Beweis dafür bildet das Geschenk des Lebens, bis zur Annahme des Todes als Zeugnis des Glaubens an Jesus Christus. Seit jeher kennt die Geschichte des Christentums zahlreiche und unverzichtbare „Märtyrer“ d. h. Zeugen auf dem Weg des Evangeliums. Auch in unserer Zeit gibt es sie in großer Zahl: Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, Laien und oft unbekannte heldenhafte Menschen, die ihr Leben als Zeugen des Glaubens hingeben. Sie sind an erster Stelle Verkünder und Zeugen. Bekehrung und Taufe 46. Die Verkündigung des Wortes Gottes hat die christliche Bekehrung zum Ziel, das heißt die volle und ehrliche Zugehörigkeit zu Christus und seinem Evangelium durch den Glauben. Die Bekehrung ist ein Geschenk Gottes, ein Werk der Dreifaltigkeit: es ist der Geist, der die Herzen öffnet, damit die Menschen an den Herrn glauben und „ihn bekennen“ können (vgl. 1 Kor 12,3): Jesus sagt zu dem, der sich ihm im Glauben nähert: „Niemand kann zu mir kommen, wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zu mir führt“ (Joh 6,44). Die Bekehrung ist von Anfang an ein voller und radikaler Glaubensausdruck, der weder Grenzen noch Einhalt kennt und das Geschenk Gottes voll und ganz annimmt. Zugleich jedoch setzt sie mit Bestimmtheit einen dynamischen und dauerhaften Prozeß in Gang, der das ganze Leben lang dauert und der einen ständigen Übergang vom „Leben nach dem Fleisch“ zu einem „Leben nach dem Geist“ erfordert (vgl. Röm 8,3-13). Sie bedeutet, die Heilswirklichkeit Christi durch persönliche Entscheidung annehmen und sein Jünger werden. Die Kirche ruft alle zu dieser Bekehrung auf, nach dem Beispiel Johannes des Täufers, der den Weg für Christus bereitete, „indem er Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden predigte“ (Mk 1,4), und nach dem Beispiel Christi selbst, „der, nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, wieder nach Galiläa ging und dort das Evangelium Gottes verkündete mit den Worten: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,14-15). Heute steht der Aufruf zur Bekehrung, den die Missionare an Nicht-Christen richten, zur Diskussion oder wird verschwiegen. Man sieht darin einen Akt des „Proselitismus“; man sagt, es 1194 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN genüge, den Menschen zu helfen, mehr Mensch zu werden oder der eigenen Religion treuer zu sein; man sagt, es genüge, Gemeinschaften ins Leben zu rufen, die fähig seien, für Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden und Solidarität einzutreten. Aber man vergißt dabei, daß jeder Mensch das Recht hat, von der „guten Nachricht“ Gottes zu hören, der sich in Christus offenbart und schenkt; so erst kann der Mensch seine eigene Berufung voll verwirklichen. Die Größe dieses Geschehens klingt in den Worten Jesu an die Samaritanerin an: „Wenn du wüßtest, worin die Gabe Gottes besteht“ und in dem unbewußten, aber brennenden Verlangen der Frau: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich nicht mehr Durst habe“ (Joh 4,10.15). 47. Die Apostel luden, bewegt vom Heiligen Geist, alle zur Änderung des Lebens, zur Bekehrung und zum Empfang der Taufe ein. Sofort nach dem Pfingstereignis spricht Petrus in überzeugender Weise zu der Menge: „Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder? Petrus antwortete ihnen: Kehrt um und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden. Dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen“ (Apg 2,37-38). Und er taufte an jenem Tag ungefähr dreitausend Menschen. Ein anderes Mal spricht Petrus nach der Heilung eines Gelähmten zu der Menge und wiederholt: „Kehrt also um und tut Buße, damit eure Sünden getilgt werden!“ (Apg 3,19). Die Bekehrung zu Christus ist eng mit der Taufe verbunden: diese Verbindung besteht nicht nur wegen der Praxis der Kirche, sondern aufgrund des Willens Christi und seines Aussendungsauftrags, alle Völker zu seinen Jüngern zu machen und sie zu taufen (vgl. Mt 28,19); sie besteht auch aus einem inneren Zusammenhang heraus, um die Fülle des neuen Lebens in ihm zu erhalten: „Amen, Amen, ich sage dir - spricht Jesus zu Nikodemus -: wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes eingehen“ (Joh 3,5). Die Taufe schafft uns- in der Tat neu zum Leben als Kinder Gottes. Sie verbindet uns mit Jesus Christus und salbt uns im Heiligen Geist. Die Taufe ist nicht einfach die Besiegelung der Bekehrung, gleichsam ein äußerliches Zeichen der Bestätigung; sie ist vielmehr das Sakrament, das diese Neugeburt im Geist bezeichnet und bewirkt, das reale und unlösbare Bande mit der Trinität knüpft und die Getauften zu Gliedern Christi und seiner Kirche macht. An all das muß erinnert werden, da nicht wenige gerade dort, wo sich die Mission ad gentes entfaltet, dazu neigen, die Bekehrung zu Christus von der Taufe zu trennen, letztere als nicht notwendig zu bezeichnen. Es ist wahr, daß in bestimmten Gegenden soziologische Aspekte bezüglich der Taufe zu beobachten sind, die den wahren Sinn des Glaubens eher verdunkeln. Das rührt von verschiedenen historischen und kulturellen Faktoren her, die - wo sie noch vorhanden sind - zu beseitigen sind, damit das Sakrament der geistlichen Neugeburt in seiner vollen Bedeutung erscheine. Dieser Aufgabe müssen sich die lokalen kirchlichen Gemeinschaften widmen. Es ist auch wahr, daß nicht wenige Menschen zugeben, innerlich Christus und seiner Botschaft verpflichtet zu sein; aber sie wollen es nicht im Sakrament sein, weil sie aufgrund ihrer Vorurteile oder der Schuld von Christen die wahre Natur der Kirche als Geheimnis des Glaubens und der Liebe nicht zu erfassen vermögen.77 Ich möchte diese Menschen ermutigen, sich Christus voll zu öffnen und sie daran erinnern, daß - wenn sie die Faszination Christi spüren — er selbst die Kirche als den „Ort“ gewollt hat, an dem man ihm 1195 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tatsächlich begegnen kann. Gleichzeitig lade ich die Gläubigen und die christlichen Gemeinden ein, Christus mit ihrem neuen Leben glaubhaft zu bezeugen. Sicher, jeder Bekehrte ist ein Geschenk auch an die Kirche und bedeutet für sie eine schwere Verantwortung; nicht nur, weil er im Katechumenat auf die Taufe vorbereitet und dann durch religiöse Unterweisung begleitet werden muß, sondern auch weil er, speziell als Erwachsener, mit neuer Energie die Begeisterung des Glaubens mitbringt und den Wunsch, in der Kirche selbst ein gelebtes Evangelium vorzufinden. Es wäre für ihn eine Enttäuschung, wenn er, der in die kirchliche Gemeinschaft eingetreten ist, dort ein müdes, freudloses, nicht emeue-rungsbereites Leben anträfe. Wir können nicht die Bekehrung predigen, wenn wir uns nicht selbst jeden Tag bekehren. Bildung von Ortskirchen 48. Bekehrung und Taufe gliedern in die Kirche ein, wo sie schon besteht, oder erfordern die Bildung neuer Gemeinden, die Jesus als Herrn und Heiland bekennen. Dies ist Teil des Heilsplans Gottes, dem es gefallen hat, „die Menschen nicht bloß als einzelne zur Teilhabe an seinem Leben zu rufen, sondern sie zu einem Volk zu bilden, in dem seine Kinder, die verstreut waren, in eins versammelt werden sollen“.78 Die Mission ad gentes hat das Ziel, christliche Gemeinden zu gründen und Kirchen zu entfalten bis zu ihrer vollendeten Reifung. Dies ist ein Hauptanliegen und bestimmt das missionarische Handeln in dem Maße, daß es nur dann als erfüllt gelten kann, bis es gelingt, neue Ortskirchen zu errichten, die im lokalen Umfeld angemessen ihre Funktion wahmehmen. Davon ist im Dekret Ad gentes ausführlich die Rede, und nach dem Konzil unterstrich die theologische Entwicklung, daß das Mysterium der Kirche in jeder Teilkirche enthalten ist, sofern sie sich nicht isoliert, sondern in Gemeinschaft mit der Gesamtkirche bleibt und ihrerseits missionarisch wird. Es handelt sich dabei um ein großes und langwieriges Unternehmen. Und es ist schwierig, genau die Phasen anzugeben, in denen das missionarische Handeln im engeren Sinn aufhört und in normale Seelsorge übergeht. Einige Punkte jedoch müssen klar bleiben. 49. Es ist vor allem notwendig, zu versuchen, überall christliche Gemeinden zu errichten, die „Zeichen der Gegenwart Gottes in der Welt“80 sein und sich zu Kirchen entwickeln sollen. Trotz der großen Zahl der Diözesen gibt es weite Gebiete, in denen Ortskirchen entweder völlig fehlen oder angesichts der Weite des Territoriums oder der Bevölkerungsdichte bzw. -Vielfalt unzureichend sind. Die kirchengeschichtliche Phase der plantatio Ecclesiae ist nicht abgeschlossen; sie ist vielmehr bei vielen Menschengruppen erst zu beginnen. Die Verantwortung für eine solche Aufgabe tragen sowohl die Gesamtkirche als auch die Teilkirchen, das gesamte Volk Gottes wie die verschiedenen missionarischen Kräfte. Jede Kirche - auch jene, die aus Neubekehrten besteht - ist ihrer Natur nach missionarisch, hat das Evangelium empfangen und trägt es weiter. Der Glaube erweist sich immer als Geschenk Gottes, das in Gemeinschaft (Familie, Pfarreien, Vereinigungen) gelebt werden und im Zeugnis des Lebens und des Wortes nach außen strahlen soll. Das Verkünden des Evangeliums durch die christliche Gemeinde - zunächst in ihrem eigenen Gebiet und schließlich auch anderswo - ist Teilhabe an der allgemeinen Mission und so das deutlichste Zeichen für die 1196 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Reife des Glaubens. Es bedarf einer radikalen Umkehr der Geisteshaltung, um Missionar zu werden - das gilt für Personen wie für Gemeinden. Der Herr ruft uns unaufhörlich, aufzubrechen aus unserer Selbstverfangenheit, um mit den anderen zu teilen, was wir haben, beginnend mit dem Kostbarsten: dem Glauben. An diesem missionarischen Auftrag sind alle kirchlichen Organe, Bewegungen, Pfarren und apostolische Werke, zu messen. Nur indem sie missionarisch wird, kann die christliche Gemeinschaft innere Spaltungen und Spannungen überwinden und ihre Einheit sowie Glaubenskraft wiederfinden. Die missionarischen Kräfte, die von anderen Kirchen und Ländern ausgehen, müssen in Verbindung mit den Ortskirchen wirken für die Entwicklung der christlichen Gemeinschaft. Besonders kommt es ihnen zu - stets gemäß den Weisungen der Bischöfe und in Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen vor Ort - die Verbreitung des Glaubens und die Ausbreitung der Kirche in nichtchristlichem Umfeld voranzutreiben, auf die Ortskirchen im missionarischen Geist einzuwirken, damit die pastorale Sorge immer ausgerichtet sei auf jene für die Mission ad gentes. Jede Kirche mache sich die Sorgen Christi, des Guten Hirten, zu eigen, der sich der eigenen Herde annimmt, aber zugleich auch sorgt um alle „anderen Schafe, die nicht aus diesem Stall sind“ (Joh 10,16). 50. Diese Sorge bildet Motiv und Antrieb für eine erneute ökumenische Aufgabe. Die bestehenden Bindungen zwischen ökumenischer und missionarischer Aktivität machen es notwendig, zwei Begleitfaktoren in Betracht zu ziehen. Zum einen muß man anerkennen, daß „die Spaltung der Christen ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen ist und vielen den Zugang zum Glauben verschließt“.81 Die Tatsache, daß die frohe Botschaft der Versöhnung von den untereinander gespaltenen Christen verkündet wird, vermindert ihre Zeugniskraft; daher muß dringend für die Einheit der Christen gearbeitet werden, damit die missionarische Aktivität überzeugender wirkt. Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, daß eben diese Anstrengungen um die Einheit schon aus sich ein Zeichen der Versöhnung darstellen, die Gott unter ihnen wirkt. Zum anderen darf nicht übersehen werden, daß all jene, die die Taufe in Christus empfangen haben, untereinander eine gewisse, wenn auch unvollkommene Gemeinschaft bilden. Darauf gründet die vom Konzil gegebene Ausrichtung: „Die Katholiken sollen mit den von ihnen getrennten Brüdern, gemäß den Richtlinien des Dekretes über den Ökumenismus, brüderlich Zusammenarbeiten im gemeinsamen Bekenntnis des Glaubens an Gott und an Jesus Christus vor den Heiden, soweit dies vorhanden ist, ebenso im Zusammenwirken in sozialen und technischen sowie kulturellen und religiösen Dingen, wobei man jeden Anschein von Indifferentismus und Verwischung sowie ungesunder Rivalität vermeiden muß“.82 Das ökumenische Bemühen und das mit der Lehre Christi übereinstimmende Zeugnis von Christen, die verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften angehören, haben schon reiche Früchte getragen. Aber es wird immer dringlicher, daß sie Zusammenarbeiten und gemeinsam Zeugnis ablegen in dieser Zeit, in der christliche und außerchristliche Sekten Verwirrung stiften. Die Ausbreitung dieser Sekten stellt eine Bedrohung für die katholische Kirche und für alle kirchlichen Gemeinschaften dar, mit denen sie einen Dialog führt. Wo immer es möglich ist und gemäß den örtlichen Umständen, wird die Antwort selbst eine ökumenische sein können. 1197 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Kirchliche Basisgemeinden“ - Verkünder des Evangeliums 51. Die kirchlichen Basisgemeinden (bekannt auch unter anderen Namen) wachsen rasch in den jungen Kirchen. Sie werden von den Bischöfen und deren Konferenzen mitunter als pastorale Priorität gefördert und bewähren sich als Zentren der christlichen Ausbildung und missionarischen Ausstrahlung. Es handelt sich dabei tun Gruppen von Christen, die sich auf familiärer Ebene oder in begrenztem Umkreis treffen, um zu beten, die Heilige Schrift zu lesen, das Glaubenswissen zu vertiefen und menschliche und kirchliche Probleme im Hinblick auf ein gemeinsames Engagement zu besprechen. Sie sind Zeichen für die Lebendigkeit der Kirche, Hilfe für die Ausbildung und bei der Verkündigung des Evangeliums und wertvoller Ausgangspunkt für eine neue Gesellschaft, die gegründet ist auf die „Zivilisation der Liebe“. Solche Gemeinden gliedern und prägen die Pfarrgemeinde, mit der sie stets verbunden bleiben. Sie wurzeln in städtischen und ländlichen Schichten und werden Sauerteig des christlichen Lebens, der Aufmerksamkeit für die Vernachlässigten und des Engagements für die Umwandlung der Gesellschaft. In ihnen erfährt der einzelne Christ Gemeinschaft, fühlt sich selbst als aktives Element und wird angeregt, an der Aufgabe für alle mitzuwirken. Auf diese Weise sind die Basisgemeinden Hilfe zur ersten und zur vertieften Verkündigung des Evangeliums und Ursprung neuer Dienste. Getrieben von der Liebe Christi, bieten sie auch Hilfe an, wie man Spaltungen, Stammesegoismen und Rassismen überwinden kann. Jede Gemeinschaft, die christlich sein will, muß in der Tat in Christus gründen und in ihm leben, im Hören des Wortes Gottes, im Gebet, das seine Mitte in der Eucharistie hat, in der Gemeinschaft, die einig ist in Herz und Sinn, und im Teilen untereinander, entsprechend den Bedürfnissen der Mitglieder (vgl, Apg 2,42-47). Jede Gemeinde - daran erinnerte Paul VI. - muß in Einheit mit der Teil- und Gesamtkirche leben, in aufrichtiger Gemeinschaft mit den Hirten und dem Lehramt; dabei bemüht sie sich, missionarisch zu wirken und jede ideologische Abschließung oder Instrumentalisierung zu vermeiden.83 „Da die Kirche Gemeinschaft ist, sind die neuen Basisgemeinden, die wirklich in Einheit mit der Kirche leben, ein wahrer Ausdruck der Gemeinschaft und Mittel, um eine noch tiefere Gemeinschaft zu bilden. Daher geben sie Grund zu großer Hoffnung für das Leben der Küche“.84 Das Evangelium in den Kulturen der Völker lebendig werden lassen 52. Bei ihrer Mission unter den Völkern trifft die Kirche auf verschiedene Kulturen und wird in den Prozeß der Inkulturation eingebunden. Diese hat als Erfordernis den gesamten geschichtlichen Weg der Kirche geprägt, ist aber heute besonders wichtig und dringlich. Der Prozeß der Einfügung der Kirche in die Kulturen der Völker verlangt viel Zeit. Es handelt sich ja nicht nur um eine äußere Anpassung, denn Inkulturation „bedeutet die innere Umwandlung der authentischen kulturellen Werte durch deren Einfügung ins Christentum und die Verwurzelung des Christentums in den verschiedenen Kulturen“.85 Sie ist also ein tiefgreifender und umfassender Prozeß, der sowohl die christliche Botschaft als auch die Betrachtung und die Praxis der Kirche betrifft. Es handelt sich aber auch um einen schwierigen Prozeß, da die Eigenart und Vollständigkeit des christlichen Glaubens auf keine Weise geschmälert werden dürfen. 1198 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Durch die Inkulturation macht die Kirche das Evangelium in den verschiedenen Kulturen lebendig und führt zugleich die Völker mit ihren Kulturen in die Gemeinschaft mit ihr ein86 und überträgt ihnen die eigenen Werte, indem sie aufnimmt, was in diesen Kulturen an Gutem ist, und sie von innen her erneuert.87 Ihrerseits wird die Kirche durch die Inkulturation immer verständlicheres Zeichen von dem, was geeigneteres Mittel der Mission ist. Dank dieses Handelns der Ortskirchen wird die Gesamtkirche selbst in ihren verschiedenen Lebensbereichen an Ausdrucksformen und Werten bereichert, wie etwa in der Verkündigung des Evangeliums, im Kult, in der Theologie, in der Caritas. Sie lernt das Mysterium Christi tiefer kennen und auszudrücken und wird zu ständiger Erneuerung angeregt. Diese Themen waren Gegenstand des Konzils und der folgenden lehramtlichen Äußerungen. Ich habe mich während meiner Besuche bei den jungen Kirchen wiederholt darauf bezogen.88 Die Inkulturation ist ein langsamer Weg, der das gesamte missionarische Leben begleitet und die verschiedenen Mitarbeiter der Mission ad gentes einbezieht: die christlichen Gemeinden im Zuge ihrer Entwicklung, die Seelsorger, die Verantwortung für Beurteilung und Anregung dieses Bemühens tragen.89 53. Die Missionare, die aus anderen Kirchen und Ländern kommen, müssen sich in die sozio-kulturelle Welt derer, zu denen sie gesandt sind, einfügen und die begrenzenden Prägungen der eigenen Herkunft überwinden. Sie müssen die Sprache der Gegend, in der sie arbeiten, lernen, die bezeichnendsten Ausdrucksformen jener Kultur kennen und deren Werte in unmittelbarer Erfahrung entdecken. Nur in dieser Kenntnis werden sie den Völkern in glaubhafter und fruchtbarer Weise Kunde vom verborgenen Geheimnis geben (vgl. Röm 16,25-27; Eph 3,5). Sie sollen sicherlich ihre eigene kulturelle Identität nicht verleugnen, sondern die Umgebung, in der sie wirken, verstehen, schätzen, fördern und mit dem Evangelium durchwirken. So bringen sie sich in die Lage, wirklich mit der neuen sozio-kulturellen Welt in Dialog treten zu können. Der Lebensstil, den sie dabei annehmen, soll Zeichen für das Zeugnis des Evangeliums und der Solidarität mit den Menschen sein. Die sich entfaltenden christlichen Gemeinden werden vom Evangelium inspiriert. So können sie ihre eigene christliche Erfahrung immer besser in origineller Art und Weise zum Ausdruck bringen, harmonisch mit den eigenen kulturellen Traditionen, doch immer in Einklang mit den objektiven Erfordernissen des Glaubens selbst. Vor allem in Hinblick auf die heikleren Bereiche der Inkulturation sollen deshalb die Teilkirchen desselben Gebiets untereinander90 und mit der gesamten Kirche Zusammenarbeiten in der Überzeugung, daß nur ein Bemühen um die Gesamt- wie die Teilkirche sie fähig macht, den Schatz des Glaubens in die berechtigte Verschiedenheit seiner Ausdrucksformen zu übersetzen.91 So bieten die Gruppen, die das Evangelium angenommen haben, die Elemente für eine „Übersetzung“ der Botschaft des Evangeliums92 im Bewußtsein des positiven Beitrages, den es im Laufe der Jahrhunderte gegeben hat dank der Kontaktpflege des Christentums mit den verschiedenen Kulturen, aber ohne die Gefahren der Entfremdung zu vergessen, die des öfteren aufgetreten sind.93 54. Diesbezüglich bleiben einige Hinweise von grundlegender Bedeutung. Die Inkulturation in ihrem recht verstandenen Prozeß muß sich von zwei Prinzipien der „Vereinbarkeit mit dem Evangelium und der Gemeinschaft mit der Gesamtkirche“94 leiten lassen. Die Bischöfe als 1199 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hüter des Glaubensgutes tragen Sorge für die Glaubenstreue und die unterscheidende Beurteilung,95 wofür ein wohlausgewogenes Gleichgewicht erforderlich ist. Es besteht nämlich die Gefahr des unkritischen Übergangs von einer Form der kulturellen Entfremdung zu deren Überbewertung, die eine Hervorbringung des Menschen und damit von der Sünde gezeichnet ist. Auch sie muß „geheilt, erhoben und vollendet“96 werden. Ein solcher Prozeß muß schrittweise vor sich gehen, damit er wirklich Ausdruck der christlichen Erfahrung der Gemeinde sein kann. „Das christliche Mysterium bedarf einer Zeit der Reife im Geist eures Volkes - sagte Paul VI. in Kampala - damit seine natürliche Stimme noch klarer und freier sich harmonisch erheben kann im Chor aller Stimmen der gesamten Kirche“.97 Schließlich muß die Inkulturation das ganze Volk Gottes und nicht nur einige Experten einbeziehen; denn es ist bekannt, daß das Volk über den ursprünglichen Glaubenssinn nachdenkt, was nie aus dem Blick verloren werden soll. Diese muß zwar angeleitet und angeregt, darf aber nicht erzwungen werden, um keine negativen Reaktionen der Christen hervorzurufen. Sie hat Ausdruck des gemeinschaftlichen Lebens und nicht ausschließliche Fracht gelehrter Forschung zu sein, muß also in der Gemeinschaft selber reifen. Die Bewahrung der traditionellen Werte ist ein Erfolg gereiften Glaubens. Der Dialog mit den Brüdern aus anderen Religionen 55. Der interreligiöse Dialog ist Teil der Sendung der Kirche zur Verkündigung des Evangeliums. Wenn er als Methode und Mittel zur wechselseitigen Kenntnis und Bereicherung verstanden wird, steht er nicht in Gegensatz zur Mission ad gentes, sondern hat vielmehr eine besondere Bindung zu ihr und ist sogar Ausdruck davon. Diese Mission richtet sich ja an jene Menschen, die Christus und sein Evangelium nicht kennen und ganz überwiegend anderen Religionen angehören. In Christus ruft Gott alle Völker zu sich und will ihnen die Fülle seiner Offenbarung und Liebe mitteilen. Er macht sich auf vielfältige Weise gegenwärtig, nicht nur dem einzelnen, sondern auch den Völkern im Reichtum ihrer Spiritualität, die in den Religionen ihren vorzüglichen und wesentlichen Ausdruck findet, auch wenn sie „Lücken, Unzulänglichkeiten und Irrtümer“98 enthalten. Das Konzil und die folgenden lehramtlichen Äußerungen haben all das ausführlich unterstrichen und dabei immer daran festgehalten, daß das Heil und die Fülle der Offenbarung von Christus kommt und der Dialog nicht von der Verkündigung des Evangeliums enthebt ” Im Lichte der Heilsökonomie sieht die Kirche keinen Gegensatz zwischen der Verkündigung Christi und dem interreligiösen Dialog, sondern weiß um die Notwendigkeit, beide im Bereich der Mission ad gentes aneinander zu fügen. Es ist jedoch angebracht, daß diese beiden Elemente sowohl ihre enge Bindung als auch ihre Unterscheidung wahren, damit sie weder verwechselt noch mißbraucht werden und auch nicht als austauschbar gelten. Ich habe jüngst den Bischöfen Asiens geschrieben: „Wenn auch die Kirche gerne alles anerkennt, was in den religiösen Traditionen des Buddhismus, des Hinduismus und des Islam wahr und heilig ist - Wiederspiegelungen jener Wahrheit, die alle Menschen erleuchtet - so mindert dies doch nicht ihre Pflicht und Entschlossenheit, ohne Zögern Jesus Christus zu verkünden, der ,der Weg, die Wahrheit und das Leben’ ist... Die Tatsache, daß die Anhänger anderer Religionen auch außerhalb der normalen Wege, die Christus festgelegt hat, die 1200 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gnade Gottes empfangen und durch Christus erlöst werden können, nimmt den Aufruf zum Glauben und zur Taufe nicht zurück, die Gott für alle Völker will“.™ Christus selbst hat in der Tat, „indem er die Notwendigkeit des Glaubens und der Taufe ausdrücklich lehrte, zugleich auch die Notwendigkeit der Kirche bekräftigt, in die die Menschen durch die Taufe wie durch eine Tür eintreten“.101 Der Dialog muß geführt und realisiert werden in der Überzeugung, daß die Kirche der eigentliche Weg des Heiles ist und daß sie allein im Besitz der Fülle der Heilsmittel ist.102 56. Der Dialog entsteht nicht aus Taktik oder Eigeninteresse, sondern hat Gründe, Erfordernisse und Würde eigener Art. Er kommt aus dem tiefen Respekt vor allem, was der Geist, der weht, wo er will, im Menschen bewirkt hat.'03 In ihm beabsichtigt die Kirche, „die Saatkörner des Wortes“104 und die „Strahlen der Wahrheit, die alle Menschen erleuchtet“105 zu entdecken - Saatkörner und Strahlen, die sich in den Personen und in den religiösen Traditionen der Menschheit finden. Der Dialog gründet auf der Hoffnung und der Liebe und wird im Geist Frucht bringen. Die anderen Religionen stellen eine positive Herausforderung für die Kirche dar; sie regen sie sowohl dazu an, die Zeichen der Gegenwart Christi und des Wirkens des Geistes zu entdecken und anzuerkennen, als auch dazu, die eigene Identität zu vertiefen und die Gesamtheit der Offenbarung zu bezeugen, dessen Wahrerin sie zum Wohl aller ist. Daraus entsteht jene Geisteshaltung, die diesen Dialog im Zusammenhang mit der Mission ad gentes beleben soll. Der Dialogpartner muß seinen eigenen Traditionen und religiösen Überzeugungen entsprechen und offen sein, um die des anderen zu verstehen, ohne Vortäuschungen einerseits und Sperren anderseits, sondern im Geist der Wahrheit, Demut und Loyalität, im Wissen darum, daß der Dialog jeden bereichern kann. Dabei darf es keine Verzichtserklärungen und keine falsche Friedfertigkeit geben. Es braucht das gegenseitige Zeugnis für einen gemeinsamen Fortschritt auf dem Weg der religiösen Suche und Erfahrung. Dies dient zugleich der Überwindung von Vorurteilen, Mißverständnissen und Intoleranz. Der Dialog zielt auf die innere Läuterung und Umkehr, der geistlich fruchtbar sein wird, wenn er sich wirklich vom Geist leiten läßt. 57. Dem Dialog öffnet sich ein weites Feld, und er kann vielfältige Formen und Ausdrucksweisen annehmen: vom Gedankenaustausch zwischen Experten der religiösen Traditionen oder deren offiziellen Vertretern bis zur Zusammenarbeit für die ganzheitliche Entwicklung und die Wahrung der religiösen Werte, vom Mitteilen der entsprechenden spirituellen Erfahrungen bis zum sogenannten „Dialog des Lebens“, in dem die Gläubigen verschiedener Religionen einander im Alltag die eigenen menschlichen und religiösen Werte bezeugen und einander helfen, diese zu leben und so eine gerechtere und brüderlichere Gesellschaft zu schaffen. Alle Gläubigen und christlichen Gemeinschaften sind gerufen, diesen Dialog zu führen, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Dazu ist der Beitrag der Laien unersetzlich. Sie können „durch das Beispiel ihres Lebens und ihr Handeln zu einer Verbesserung der Beziehungen zwischen den Anhängern verschiedener Religionen beitragen“.106 Einige von ihnen werden auch in Wissenschaft und Forschung ihren Beitrag dazu leisten können.197 Ich weiß, daß nicht wenige Missionare und christliche Gemeinschaften im schwierigen und oft unverstandenen Weg des Dialogs die einzige Möglichkeit sehen, aufrichtig für Christus 1201 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeugnis abzulegen und den Menschen großzügig zu dienen, und möchte sie ermutigen, in Glauben und Liebe auch dort auszuharren, wo ihre Bemühungen weder Gehör noch Antwort finden. Es steht uns nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. Der Dialog ist ein Weg zum Reich Gottes und wird sicherlich Frucht bringen, auch wenn Zeiten und Fristen dem Vater Vorbehalten sind (vgl. Apg 1,7). Die Entwicklung fördern durch die Formung des Gewissens 58. Die Mission ad gentes erfolgt auch heute zum Großteil in jenen Regionen der südlichen Hemisphäre, wo der Einsatz für die ganzheitliche Entwicklung und die Befreiung von jeder Unterdrückung besonders dringlich ist. Die Kirche hat es seit jeher verstanden, bei den Völkern, denen sie das Evangelium gebracht hat, den Fortschritt anzuspornen, und auch heute werden die Missionare mehr als in der Vergangenheit von Regierungen und internationalen Experten als Förderer der Entwicklung anerkannt. Oft ernten sie Bewunderung für die beachtlichen Ergebnisse, die sie mit dürftigsten Mitteln erzielt haben. In der Enzyklika Sollicitudo rei socialis habe ich festgestellt, daß „die Kirche keine technischen Lösungen für die Unterentwicklung als solche anzubieten hat“, aber „den ersten Beitrag zur Lösung des dringenden Problems der Entwicklung leistet, wenn sie die Wahrheit über Christus, über sich selbst und über den Menschen verkündet und sie auf die konkrete Situation anwendet“.108 Die Konferenz der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla hat betont, daß „der beste Dienst am Mitmenschen die Verkündigung des Evangeliums ist, die ihn in die Lage versetzt, sich als Kind Gottes zu verwirklichen, ihn von Ungerechtigkeiten befreit und ihn ganzheitlich fördert“.109 Es ist nicht Aufgabe der Kirche, direkt auf der wirtschaftlichen, technischen oder politischen Ebene bzw. der des materiellen Beitrags zur Entwicklung tätig zu werden. Es geht ihr wesentlich darum, den Völkern nicht „Mehr Haben“ anzubieten, sondern „Mehr Sein“, indem sie durch das Evangelium die Gewissen aufrüttelt. „Der wahre menschliche Fortschritt muß auf einer immer umfassenderen Verwirklichung des Evangeliums gründen“. Die Kirche und ihre Missionare fördern die Entwicklung auch durch ihre Schulen, Krankenhäuser, Druckereien, Universitäten, landwirtschaftlichen Musterbetriebe. Doch ereignet sich die Entwicklung eines Volkes in erster Linie weder durch Geld noch durch materielle Hilfe und auch nicht durch technische Strukturen, sondern vielmehr durch die Formung der Gewissen, durch das Reifen der Einstellungen und Gebräuche. Der Mensch ist Hauptfigur der Entwicklung, nicht das Geld und nicht die Technik. Die Kirche bildet die Gewissen, sie offenbart den Völkern den Gott, den sie suchen, aber nicht kennen, die Größe des von Gott nach seinem Bild geschaffenen und geliebten Menschen, die Gleichheit aller Menschen als Kinder Gottes, die Herrschaft über die geschaffene Natur als Dienst des Menschen und die Pflicht, sich für die Entwicklung jedes und aller Menschen einzusetzen. 59. Mit der Botschaft des Evangeliums bietet die Kirche eine befreiende Kraft und fördert die Entwicklung, gerade weil sie zu einer Bekehrung von Herz und Sinn führt. Sie hilft, die Würde jeder Person zu erkennen, befähigt zur Solidarität, zum Engagement und zum Dienst an den Brüdern. Sie führt den Menschen in den Plan Gottes ein, der die Errichtung jenes Rei- 1202 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ches der Gerechtigkeit und des Friedens vorsieht, das schon in diesem Leben seinen Anfang nimmt. Die biblische Sicht der „neuen Himmel“ und der „neuen Erde“ (vgl. Jes 65,17; 2 Petr 3,13; Apg 21,1) hat in die Geschichte Ansporn und Ziel für das Voranschreiten der Menschheit eingefügt. Die Entwicklung des Menschen kommt von Gott - im Vorbild Jesu, des Gott-Menschen - und sie muß zu Gott führen."1 Deshalb besteht eine enge Verbindung zwischen der Verkündigung des Evangeliums und der Förderung des Menschen. Der Beitrag der Kirche und ihres Werkes der Evangelisierung zur Entwicklung der Völker betrifft nicht nur die südliche Hemisphäre, um dort materielle Armut und Unterentwicklung zu bekämpfen, sondern auch die nördliche, die einer durch „Überentwicklung“112 verursachten moralischen und spirituellen Armut ausgesetzt ist. Eine gewisse areligiöse Modernität, die heute in einigen Teilen der Welt herrscht, gründet in der Meinung, es genüge, alle reich zu machen und den ökonomisch-technischen Fortschritt fortzusetzen, um den Menschen mehr Mensch werden zu lassen. Aber eine seelenlose Entwicklung kann den Menschen nicht befriedigen. Der übermäßige Wohlstand ist schädlich wie die übermäßige Armut. Der Norden hat ein solches „Entwicklungsmodell“ erfunden und verbreitet es in den Süden, wo der religiöse Sinn und die menschlichen Werte, die dort gegenwärtig sind, in einer Welle des Konsumismus unterzugehen drohen. „Gegen den Hunger: das Leben ändern“. Dieses in kirchlichen Kreisen entstandene Motto zeigt den reichen Völkern den Weg, um Brüder der Armen zu werden: die Rückkehr zu einem einfacheren Leben, das ein Entwicklungsmodell begünstigt, das die ethischen und religiösen Werte berücksichtigt. Die Mission bringt den Armen Ansporn und Erleuchtung für die wahre Entwicklung. Die neue Verkündigung des Evangeliums unter den Reichen muß unter anderem das Bewußtsein schaffen, daß der Zeitpunkt gekommen ist, wirklich Brüder der Armen zu werden in der gemeinsamen Umkehr zur ganzheitlichen Entwicklung, die offen ist auf das Absolute hin.113 Die Liebe - Ursprung und Maßstab der Mission 60. „Die Kirche auf der ganzen Welt - so habe ich während meines Besuches in Brasilien gesagt - will die Kirche der Armen sein. Sie will die ganze Wahrheit ausschöpfen, die in den Seligpreisungen enthalten ist, vor allem in der ersten:,Selig, die arm sind vor Gott’... Sie will diese Wahrheit lehren und sie verwirklichen wie Jesus, der gekommen ist, um zu wirken und zu lehren“.114 Die jungen Kirchen leben meist unter den Völkern, die von ziemlich verbreiteter Armut geplagt sind, und bringen diese Sorge oft als den bestimmenden Teil ihrer Mission zum Ausdruck. Die Konferenz der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla erinnert an das Beispiel Jesu und schreibt: „Die Armen verdienen bevorzugte Aufmerksamkeit, wie auch immer die moralische und persönliche Lage sei, in der sie sich befinden. Sie sind nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen, um seine Kinder zu sein, doch ist dieses Bild oft verdüstert und sogar geschändet. Daher nimmt sich Gott ihrer Verteidigung an und liebt sie. Daraus folgt, daß sich die Mission zuerst an die Armen richtet, und die Verwirklichung des Evangeliums unter ihnen ist aufs vorzüglichste Zeichen und Beweis der Mission Jesu“.114 Die Kirche, in Treue zum Geist der Seligpreisungen, ist auch gerufen, mit den Armen und Unterdrückten aller Art zu teilen. Ich rufe daher alle Jünger Christi und alle christlichen 1203 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaften - von den Familien bis zu den Diözesen, von den Pfarren bis zu den Ordens-gemeinschaften - dazu auf, ihr Leben im Sinne der Solidarität mit den Armen aufrichtig umzugestalten. Zugleich danke ich den Missionaren, die mit ihrer liebevollen Gegenwart und ihrem demütigen Dienst in Schulen, Gesundheitszentren, Leprastationen, Häusern für behinderte und alte Menschen, Institutionen für die Förderung der Frau und ähnlichem für die ganzheitliche Entwicklung der Person und der Gesellschaft arbeiten. Ich danke den Priestern, Ordensleuten und Laien für ihre Hingabe und ermutige die freiwilligen Mitarbeiter der privaten Organisationen, die sich diesen Werken der Nächstenliebe und der menschlichen Förderung widmen. Es sind in der Tat Werke der Nächstenliebe, die Zeugnis ablegen für die Seele jeglicher missionarischen Aktivität: die Liebeab, die Beweggrund der Mission ist und bleibt und zugleich „das einzige Kriterium, nach dem zu handeln oder zu unterlassen, zu ändern oder zu bewahren ist. Sie ist das Prinzip, das alles Handeln leiten, und das Ziel, auf das es sich ausrichten muß. Was mit Blick auf die Liebe oder inspiriert von ihr geschieht, ist nie zu gering und immer gut“.116 Kapitel VI: Die Verantwortlichen und Mitarbeiter der Seelsorge in den Missionen 61. Es gibt kein Zeugnis ohne Zeugen und keine Mission ohne Missionare. Jesus hat Menschen als seine Zeugen und Apostel auserwählt und ausgesandt, damit sie an seiner Mission mitwirkten und sein Heils werk fortsetzten: „Ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1,8). Die Zwölf sind die ersten Arbeiter der universalen Mission: Die Apostel stellen ein „kollegiales Subjekt“ der Mission dar; sie sind von Jesus erwählt, bei ihm zu bleiben, und „zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“ (Mt 10,6) gesandt. Diese Kollegialität verhindert nicht, daß in der Gruppe einzelne Persönlichkeiten hervorragen, wie etwa Jakobus, Johannes und vor allem Petrus, dessen Person von solcher Bedeutung ist, daß sie den Ausdruck „Petrus und die anderen Apostel“ rechtfertigt (Apg 2,14.37). Dank ihm öffnet sich der Horizont für die universale Mission, in der im weiteren Paulus hervorragt, der nach dem Willen Gottes zur Mission unter den Heiden gerufen und gesandt wurde (vgl. Gal 1,15-16). In der ersten Phase des missionarischen Aufbruchs finden wir neben den Aposteln andere, demütige Mitwirkende, die nicht vergessen werden dürfen; es sind das Personen, Gruppen und Gemeinden. Ein typisches Beispiel einer Ortskirche ist die Gemeinde von Antiochien, die das Evangelium annimmt und es weiterträgt, indem sie ihre Missionare zu den Heiden sendet (vgl. Apg 13,2-3). Die Urkirche lebt die Mission als gemeinsame und gemeinschaftliche Aufgabe, kennt aber „besondere Gesandte“ oder „Missionare, geweiht für die Heiden“, wie Paulus und Barnabas. 62. Was von den Anfängen des Christentums an für die universale Mission unternommen wurde, behält seine Gültigkeit und Dringlichkeit bis zum heutigen Tag. Die Kirche ist ihrer Natur nach missionarisch, da der Auftrag Christi nicht bedingt und äußerlich ist, sondern das Herz der Kirche betrifft. Daraus folgt, daß die gesamte und jede einzelne Kirche zu den Völ- 1204 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kern gesandt ist. „Damit der missionarische Eifer unter ihren Landsleuten gedeihe“, sollen sie daran teilhaben, daß die jungen Kirchen selber „möglichst bald tatsächlich an der universalen Mission der Kirche teilnehmen und Missionare aussenden, die in aller Welt das Evangelium verkünden, selbst wenn sie im eigenen Bereich noch unter Priestermangel leiden“.117 Viele handeln schon danach, und ich ermutige sie lebhaft zum Weitermachen. In dieser wesentlichen Verbundenheit der Gesamtkirche mit den Teilkirchen entfaltet sich die wahre und volle Missionstätigkeit. „In einer Welt, die durch schrumpfende Entfernungen immer kleiner wird, müssen sich die kirchlichen Gemeinschaften untereinander zusammenschließen, Energie und Mittel austauschen und sich gemeinsam einsetzen für die eine und gemeinsame Aufgabe, das Evangelium zu verkünden und zu leben ... Die sogenannten jungen Kirchen ... brauchen die Kraft der alten, während diese das Zeugnis und die Energie der jüngeren nötig haben, sodaß die einzelnen Kirchen aus dem Reichtum der anderen Kirchen schöpfen können“.118 Die Erstverantwortlichen der Missionsarbeit 63. Wie der auferstandene Herr dem Apostelkollegium mit Petrus an der Spitze den Auftrag zur Weltmission übertragen hat, so liegt diese Verantwortung vor allem auf dem Kollegium der Bischöfe mit dem Nachfolger Petri an deren Spitze.119 Im Bewußtsein dieser Verantwortung sehe ich es in den Begegnungen mit den Bischöfen als meine Pflicht an, sowohl in bezug auf die Neuevangelisierung als auch auf die Weltmission, sie mit ihnen zu teilen. Ich habe mich über die Straßen der Welt auf den Weg gemacht, „um das Evangelium zu verkünden, um ,die Brüder im Glauben zu stärken’ , um die Kirche zu trösten, um dem Menschen zu begegnen. Es sind Reisen des Glaubens ... Es sind darüber hinaus Gelegenheiten zu einer Wanderkatechese, zur Verkündigung der frohen Botschaft und des apostolischen Lehramtes im vollen Umfang, auf allen Ebenen und rund um den ganzen Erdkreis“,#F# 120 Die Mitbrüder im bischöflichen Amt sind mit mir unmittelbar für die Evangelisierung der Welt verantwortlich, sei es als Mitglieder des Bischofskollegiums, sei es als Hirten ihrer Ortskirchen. Dazu erklärt das Konzil: „Die Sorge, das Evangelium überall auf Erden zu verkündigen, geht die ganze Körperschaft der Hirten an. Ihnen allen zusammen hat Christus den Auftrag gegeben“.121 Es betont auch, daß die Bischöfe „nicht nur für die bestimmte Diözese, sondern für das Heil der ganzen Welt die Weihe empfangen“ haben.122 Diese kollegiale Verantwortung hat praktische Auswirkungen. So muß „die Bischofssynode ... unter den Obliegenheiten von allgemeiner Bedeutung der Missionstätigkeit als der wichtigsten und heiligsten Aufgabe der Kirche besondere Aufmerksamkeit schenken“.123 Die gleiche Verantwortung spiegelt sich - in verschiedenem Maß - in den Bischofskonferenzen und in deren Einrichtungen auf kontinentaler Ebene wider. Deshalb haben sie einen eigenen Beitrag zum Missionseinsatz anzubieten.124 Auch die Pflicht zur Mission eines jeden Bischofs als Oberhirte einer Ortskirche ist groß. Ihm fällt die Aufgabe zu, „als Haupt und einigendes Zentrum des diözesanen Apostolates die Missionstätigkeit voranzutreiben, zu lenken und zu koordinieren ... Überdies möge er Sorge tragen, daß die apostolische Tätigkeit nicht auf die schon Bekehrten beschränkt bleibe, sondern daß ein angemessener Anteil der Mitarbeiter und der Mittel für die Evangelisierung der Nichtchristen bestimmt werde“.125 1205 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 64. Jede Ortskirche muß sich großzügig den Bedürfnissen der anderen öffnen. Die Zusammenarbeit der Kirchen in echter Gegenseitigkeit, die sie bereit macht, zu geben und zu empfangen, ist auch eine Quelle der Bereicherung für alle und betrifft die verschiedenen Bereiche des kirchlichen Lebens. In dieser Hinsicht bleibt die Erklärung der Bischöfe von Puebla vorbildlich: „Endlich ist die Stunde für Lateinamerika gekommen ... sich über seine Grenzen hinaus ad gentes zu wenden. Gewiß, wir selbst haben noch Bedarf an Missionaren, aber wir müssen etwas von unserer Armut geben“.' Mit diesem Geist lade ich die Bischöfe und die Bischofskonferenzen ein, großzügig zu verwirklichen, was in den „Richtlinien“ vorgesehen ist, die die Kongregation für den Klerus für die Zusammenarbeit der Ortskirchen und für eine bessere Verteilung des Klerus in der Welt erstellt hat.127 Die Sendung der Kirche ist umfassender als die „Communio zwischen den Kirchen“; sie muß sich über die Hilfe für die Neuevangelisierung hinaus auch und vor allem von ihrem ausgesprochenen Missionscharakter bestimmen lassen. Ich appelliere an alle Kirchen, an die jungen und die alten, daß sie diese meine Sorge teilen, indem sie sich um eine Zunahme der Missionsberufe und die Überwindung der verschiedenen Schwierigkeiten bemühen. Missionare und Institute ad gentes 65. Unter den Arbeitern in der Missionspastoral nehmen - wie in der Vergangenheit - immer noch jene Menschen und Institutionen einen Platz von grundlegender Bedeutung ein, denen das Dekret Ad gentes ein besonderes Kapitel mit dem Titel „Die Missionare“ widmet.128 Diesbezüglich drängt sich eine gründliche Reflexion auf, die vor allem die Missionare selbst betrifft. Sie könnten durch die Veränderungen in den Missionen dazu verleitet sein, den Sinn ihrer eigenen Berufung nicht mehr zu verstehen und nicht mehr zu wissen, was die Kirche heute von ihnen eigentlich erwartet. Bezugspunkt sind jene Worte des Konzils: „Obwohl jedem Jünger Christi die Pflicht obliegt, nach seinem Teil den Glauben auszusäen, beruft Christus der Herr aus der Schar der Jünger immer wieder solche, die er selbst will, damit sie bei ihm seien und er sie zur Verkündigung bei den Völkern aussende. Deshalb regt er durch den Heiligen Geist, der seine Gnadengaben, wie er will, zum allgemeinen Nutzen austeilt, im Herzen einzelner die Berufung zum Missionar an und erweckt gleichzeitig im Herzen der Kirche Institute, welche die Pflicht der Verkündigung des Evangeliums, die der gesamten Kirche obliegt, auf sich nehmen“.129 Es handelt sich also um eine „besondere Berufung“, die nach dem Beispiel der Apostel geformt ist. Sie zeigt sich in der Ganzheit des Einsatzes für den Dienst der Evangelisierung: es ist ein Einsatz, der die ganze Person und das Leben des Missionars einbezieht und von ihm eine grenzenlose Hingabe der Kräfte und der Zeit verlangt. Die mit einer solchen Berufung beschenkt sind, „gehen, von der rechtmäßigen Autorität gesandt, in gläubigem Gehorsam zu jenen, die fern von Christus sind, und sie widmen sich ausschließlich dem Werk, das sie als Diener des Evangeliums übernommen haben“.130 Die Missionare sollen stets darüber nach-denken, wie sie der ihnen geschenkten Gabe entsprechen können und ihre theologische und apostolische Weiterbildung pflegen. 1206 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 66. Weiter müssen die Missions-Institute alle notwendigen Hilfsquellen nützen, indem sie ihre Erfahrung und Kreativität in Treue zu ihrem ursprünglichen Charisma zur Entfaltung bringen, um die Kandidaten angemessen vorzubereiten und sicherzustellen, daß ihre Mitglieder ihre geistlichen, moralischen und physischen Energien erneuern.131 Sie sollen sich als lebendiger Teil der kirchlichen Gemeinschaft fühlen und mit ihr geeint arbeiten. Denn, „jedes Institut ist für die Kirche geboren und dazu angehalten, diese mit seinen eigenen Merkmalen, entsprechend einem besonderen Geist und einer besonderen Sendung zu bereichern“. Über diese Treue zum ursprünglichen Charisma haben die Bischöfe selbst zu wachen.132 Die Missions-Institute sind im allgemeinen aus den Kirchen mit alter Tradition hervorgegangen und sind - historisch betrachtet - Werkzeuge der Kongregation Propaganda Fide zur Ausbreitung des Glaubens und zur Gründung neuer Kirchen gewesen. Sie nehmen heute in steigender Zahl Kandidaten aus den jungen Kirchen auf, die sie selber gegründet haben, während neue Institute gerade in den Ländern entstanden sind, die früher nur Missionare erhalten haben, heute aber solche aussenden. Diese doppelte Tendenz ist zu begrüßen. Sie erweist die Gültigkeit und die Aktualität der spezifischen Berufung zur Mission dieser Institute, die noch immer „absolut notwendig“ sind:133 nicht nur wegen des missionarischen Wirkens ad gentes aus ihrer Tradition heraus, sondern auch wegen der Belebung der Mission sowohl in den Kirchen des alten Christentums als auch in jenen viel jüngeren. Die besondere Berufung der Missionare auf Lebenszeit behält ihre volle Gültigkeit: Sie verkörpert das Beispiel des missionarischen Einsatzes der Kirche, die immer auf die radikale und ganzheitliche Hingabe angewiesen ist, auf neue und kühne Impulse. Die Missionare und die Missionarinnen, die ihr ganzes Leben dem Zeugnis des Auferstandenen unter den Völkern geweiht haben, sollen sich deshalb nicht von Zweifeln, von Unverständnis, Zurückweisung und Verfolgung einschüchtem lassen. Sie sollen die Gnade ihres besonderen Charismas wachrufen und ihren Weg mit Mut wieder aufnehmen, in dem sie die niedrigsten und schwierigsten Posten im Geist des Glaubens, des Gehorsams und in Gemeinschaft mit den eigenen Hirten bevorzugen. Diözesanpriester für die Weltmission 67. Als Mitarbeiter des Bischofs sind die Priester kraft des Weihesakramentes aufgerufen, die Sorge für die Mission mit ihm zu teilen. „Die geistliche Gabe, die die Priester in der Weihe empfangen haben, bereitet sie nicht auf eine begrenzte und enge Sendung vor, sondern auf eine umfassende und allgemeine Heilssendung im weitesten Sinn, ,bis an die äußersten Grenzen der Erde’; denn jeder priesterliche Dienst hat an der weltumfassenden Sendung Anteil, die Christus den Aposteln anvertraut hat.“134 Infolgedessen muß schon die Ausbildung der Kandidaten für das Priestertum das Ziel haben, ihnen „jenen wahrhaft katholischen Geist zu vermitteln, der sie daran gewöhnt, über die Grenzen der eigenen Diözese, der Nation oder des Ritus hinauszuschauen, um so auf die Bedürfnisse der Weltmission einzugehen und überall für die Verkündigung des Evangeliums bereit zu sein“.135 Alle Priester müssen ein missionarisches Herz und eine missionarische Mentalität haben. Sie müssen offen sein für die Bedürfnisse der Kirche und der Welt; sie müssen auch die Fernstehenden beachten und vor allem die nichtchristlichen Gruppen in ihrer eigenen Umgebung. Im Gebet und besonders im eucha-ristischen Opfer mögen sie die Sorge der ganzen Kirche für die ganze Menschheit mittragen. 1207 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Besonders die Priester, die sich in Gebieten einer christlichen Minderheit befinden, sollten von einzigartigem Eifer und missionarischem Engagement bewegt sein: der Herr vertraut ihnen nicht bloß die Seelsorge für die christliche Gemeinde an, sondern auch und vor allem die Evangelisierung jener Mitbürger, die nicht zu seiner Herde gehören. Sie „werden sich dem Heiligen Geist und dem Bischof ganz konkret zur Verfügung zu stellen versuchen, um zur Verkündigung des Evangeliums jenseits der Grenzen ihres Landes ausgesandt zu werden. Das erfordert von ihnen nicht bloß eine ausgereifte Berufung, sondern auch eine ungewöhnliche Fähigkeit, sich vom eigenen Vaterland, dem eigenen Volk und der eigenen Familie loszulösen, sowie eine besondere Eignung, sich mit Klugheit und Ehrfurcht in die Kulturen ein-zuleben.136 68. In der Enzyklika Fidei Donum hat Papst Pius XII. mit prophetischer Sicht die Bischöfe ermutigt, einige ihrer Priester für einen zeitweiligen Dienst den Kirchen Afrikas freizustellen, indem er die schon vorhandenen Initiativen approbierte. 25 Jahre später wollte ich die große Neuerung dieses Dokumentes unterstreichen, „das die territoriale Dimension des priesterli-chen Dienstes überwinden und ihn der ganzen Kirche zuzuweisen half“.'37 Heute bestätigen sich die Gültigkeit und die Fruchtbarkeit dieser Erfahrung: in der Tat, die sogenannten Fidei-Donum-Priester machen in einzigartiger Weise das Band der Einheit zwischen den Kirchen offenbar. Sie leisten für die bedürftigen kirchlichen Gemeinden einen kostbaren Beitrag und erfahren ihrerseits von ihnen Frische und Lebendigkeit des Glaubens. Freilich ist es nötig, daß der Missionsdienst des Diözesanpriesters gewissen Kriterien und Bedingungen entspricht. Man sollte Priester schicken, die aus den Besten ausgewählt wurden und die für die besondere Arbeit, die sie erwartet, geeignet und richtig vorbereitet sind.138 Sie müssen sich in die neue Umgebung der Kirche, die sie aufnimmt, mit offenem und brüderlichem Geist ein-fügen und unter der Autorität des Bischofs mit den Ortspriestem ein einziges Presbyterium bilden.139 Ich wünsche mir, daß der Geist des Dienstes bei den Priestern der alten Kirche wachse und auch bei denen der jüngeren Kirchen weiter gefördert werde. Die missionarische Fruchtbarkeit der Weihe 69. Die Berufungen der Institute des geweihten Lebens gehören zum unerschöpflichen und vielfältigen Reichtum des Geistes. Ihre Mitglieder sind von dem Augenblick an, wo sie sich kraft ihrer Weihe dem Dienst der Kirche anbieten, zum Auftrag verpflichtet, ihre Arbeit in besonderer Weise als Missionsarbeit zu leisten, in einem dem Institut entsprechenden Stile.140 Die Geschichte bestätigt die großen Verdienste der Ordensfamilien bei der Ausbreitung des Glaubens und der Bildung neuer Kirchen: von den alten monastischen Einrichtungen zu den mittelalterlichen Orden bis zu den neuzeitlichen Kongregationen. a) Dem Konzil folgend, lade ich die Institute des kontemplativen Lebens ein, Kommunitäten bei den jungen Kirchen zu errichten, um „unter den Nicht-Christen ein herrliches Zeugnis der Majestät und der Liebe Gottes wie auch der Einheit in Christus zu geben“.141 Diese Anwesenheit in der nichtchristlichen Welt ist überall wohltuend, besonders in jenen Gegenden, wo die Religionen das kontemplative Leben in der Askese und bei der Suche des Absoluten besonders hochschätzen. 1208 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN b) Die Institute des aktiven Lebens verweise ich auf das überaus weite Feld der tätigen Liebe, der Verkündigung des Evangeliums, der christlichen Erziehung, der Kultur und der Solidarität mit den Armen und Benachteiligten, mit den Randgruppen und Unterdrückten. Diese Institute mögen sich - unabhängig davon, ob sie einen direkt missionarischen Zweck anstreben oder nicht - nach ihren Möglichkeiten und ihrer Verfügbarkeit fragen, ihre eigene Arbeit auszuweiten auf die Verbreitung des Reiches Gottes hin. Dieses Anliegen wurde in jüngster Zeit von nicht wenigen Instituten aufgegriffen. Aber ich möchte, daß es um eines authentischen Dienstes willen noch besser beachtet und verwirklicht werde. Die Kirche muß die großen Werte des Evangeliums, deren Trägerin sie ist, bekannt machen. Niemand bezeugt diese Werte wirksamer als der, der ein geweihtes Leben in Keuschheit, Armut und Gehorsam, in der Ganzhingabe an Gott und in voller Verfügbarkeit gelobt, um den Menschen und der Gesellschaft nach dem Beispiel Christi zu dienen.142 70. Ein besonderes Wort der Anerkennung richte ich an die Missionsschwestem, deren jungfräuliches Leben für das Reich vielfältige Früchte einer geistlichen Mutterschaft trägt. Gerade die Sendung ad gentes bietet ihnen ein überaus weites Feld, „sich aus Liebe voll und ungeteilt hinzugeben“.143 Das Beispiel und der Arbeitseifer einer ehelos gebliebenen Frau, die ihr Leben der Liebe zu Gott und dem Nächsten, insbesondere dem Ärmsten, geweiht hat, ist als Zeichen des Evangeliums für jene Völker und Kulturen unentbehrlich, wo die Frau noch einen weiten Weg bezüglich ihrer menschlichen Förderung und Befreiung zurücklegen muß. Ich wünsche mir, daß viele junge, christliche Frauen es anziehend finden, sich Christus großzügig anzubieten und daß sie aus ihrer Weihe die Kraft und die Freude schöpfen, ihn unter jenen Völkern zu bezeugen, die ihn noch nicht kennen. Alle Laien sind kraft der Taufe Missionare 71. Die Päpste der jüngeren Zeit haben die Bedeutung der Rolle der Laien in der Missionsarbeit sehr hervorgehoben.144 In der Apostolischen Exhorte Christißdeles laici habe auch ich „die ständige Sendungsaufgabe, das Evangelium denen zu verkünden, die Christus, den Erlöser des Menschen, noch nicht kennen - und das sind Millionen und Abermillionen von Männern und Frauen“ — sowie die entsprechende Verpflichtung der gläubigen Laien ausdrücklich behandelt.145 Es ist die Sendung des ganzen Volkes Gottes; auch wenn die Gründung einer neuen Kirche die Eucharistie und daher den priesterlichen Dienst erfordert, ist die Mission, die sich ja in verschiedenen Formen entfaltet, durchaus eine Aufgabe aller Gläubigen. Die Teilnahme der Laien an der Ausbreitung des Glaubens seit den ersten Zeiten des Christentums steht sowohl auf der Ebene der einzelnen Gläubigen und Familien als auch auf der ganzen Gemeindeebene eindeutig fest. Schon Papst Pius XII. rief dies in Erinnerung, als er in seiner ersten Missionsenzyklika auf die bewegte Geschichte der Laienmission aufmerksam machte.146 In der Neuzeit hat es nicht an der aktiven Mitarbeit von Laien-Missionaren gefehlt. Wie könnten wir die wichtige Rolle vergessen, die diese gespielt haben? Wie ihre Arbeit in den Familien, in den Schulen, im politischen, sozialen, kulturellen Leben und vor allem ihrer Unterweisung in der christlichen Lehre? Im Gegenteil, wir müssen - zu ihrer großen Ehre -anerkennen, daß eine Reihe von Kirchen nur dank des Wirkens der Laien-Missionare und -Missionarinnen entstehen konnte. 1209 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Zweite Vatikanum hat diese Tradition bestätigt. Es hat den missionarischen Charakter des ganzen Volkes Gottes erläutert, besonders das Apostolat der Laien.147 Und es hat den besonderen Beitrag unterstrichen, den sie in der Missionsarbeit zu leisten berufen sind.148 Daß alle Gläubigen diese Verantwortung mittragen, ist nicht nur eine Frage der apostolischen Wirksamkeit, sondern ist eine Pflicht und ein Recht, das in der Taufwürde gründet, wodurch „die gläubigen Laien ihren bestimmten Anteil haben an dem dreifachen Amt Jesu Christi — dem priesterlichen, prophetischen und königlichen“.149 Sie sind daher „allgemein verpflichtet und haben das Recht, sich sowohl als Einzelne als auch in Vereinigungen dafür einzusetzen, daß die Heilsverkündigung von jedem Menschen an jedem Ort erkannt und angenommen werde; diese Verpflichtung bindet sie noch mehr in jenen Situationen, in denen die Menschen das Evangelium nicht hören und Christus nicht kennen können, es sei denn durch ihre Vermittlung“.150 Außerdem haben sie wegen ihres ihnen eigenen weltlichen Charakters die besondere Berufung, „das Reich Gottes zu suchen, indem sie sich mit den zeitlichen Dingen befassen und sie auf Gott hin ausrichten“.151 72. Die Bereiche missionarischer Präsenz und Wirksamkeit der Laien sind sehr breit gestreut. „Das erste Feld ... ist die weite und komplizierte Welt der Politik, der sozialen Wirklichkeit, der Wirtschaft ...“152 auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene. Innerhalb der Kirche bieten sich verschiedene Arten des Dienstes, der Funktionen, der Ämter und Formen der Hinführung zum christlichen Leben an. Ich denke dabei an eine Neuheit in der jüngsten Zeit in nicht wenigen Kirchen: an die große Entfaltung von „kirchlichen Bewegungen“, die von einer starken missionarischen Kraft geprägt sind. Wenn sie sich in Demut in das Leben der Ortskirchen einfügen und von Bischöfen und Priestern herzlich in die Diözesan- und Pfarr-strukturen aufgenommen werden, bilden diese Bewegungen ein wahres Gottesgeschenk für die Neuevangelisierung und die Missionsarbeit im eigentlichen Sinn des Wortes. Ich empfehle daher, sie zu propagieren und einzubeziehen, um vor allem unter den Jugendlichen dem christlichen Leben und der Evangelisierung aus einer pluralistischen Sicht der Vereins- und Ausdrucksformen wieder neue Kraft zu verleihen. In der Missionstätigkeit müssen die verschiedenen Formen des Laientums aufgewertet und deren Natur und Zielrichtung beachtet werden: missionarische Laienverbindungen, christliche Organe des internationalen freiwilligen Dienstes, kirchliche Bewegungen, Gruppen und Vereine verschiedener Art, sie alle seien in der Mission adgentes und in der Zusammenarbeit mit den Ortskirchen engagiert. Auf diese Weise wird das Wachstum „jenes reifen und verantwortlichen Laientums“ begünstigt, dessen „Formung in den jungen Kirchen als wesentliches und unverzichtbares Element der Plantatio Ecclesiae angesehen wird“.153 Die Atrbeit der Katecheten und die Verschiedenheit der Ämter 73. Zu den Laien, die Verkündiger werden, zählen vorrangig die Katecheten. Das Missions-Dekret definiert sie als „jene lobwürdige Schar, die sich um das Missions werk unter den Völkern sehr verdient gemacht hat... Von apostolischem Geist bewegt, leisten sie unter großen Opfern einen einzigartigen und unersetzbaren Beitrag zur Ausbreitung des Glaubens und der 1210 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche“.154 Nicht ohne Grund haben die Kirchen von altersher die Zahl der Katecheten vermehrt und die Katechese intensiviert, wenn sie eine neue Evangelisierung begannen. „Es sind die Katecheten in den Missionsgebieten, die in ganz besonderer Weise diesen Titel ,Katecheten’ verdienen. Heute blühende Kirchen hätten ohne sie nicht aufgebaut werden können“.155 Auch bei der Vermehrung der kirchlichen und außerkirchlichen Dienste bleibt das Katecheten-Amt mit seinem ihm eigenen Charakter immer wichtig: die Katecheten sind spezialisierte Arbeiter, direkte Zeugen, unersetzbare Verkündiger. Sie bilden die Grundkraft der christlichen Gemeinden, besonders in den jungen Kirchen. Ich habe dies auf meinen Missionsreisen schon öfters gesagt und festgestellt. Der neue Kodex des Kirchenrechts anerkennt ihre Aufgaben, Qualitäten und Erfordernisse.156 Man darf jedoch nicht vergessen, daß die Arbeit der Katecheten wegen der gegenwärtigen kirchlichen und kulturellen Veränderungen immer schwieriger und anspruchsvoller wird. Deshalb gilt weiterhin, was schon das Konzil angeregt hat: es braucht eine sorgfältigere theoretische und pädagogische Vorbereitung, die ständige spirituelle und apostolische Erneuerung, und es ist notwendig, den Katecheten „einen angemessenen Lebensstandard und eine soziale Sicherheit zu garantieren“.157 Es ist auch wichtig, die Errichtung und Stärkung von regionalen, nationalen und internationalen - von den Bischofskonferenzen approbierten — Katecheten-Schulen zu fördern, die offiziell von letzteren anerkannte Titel verleihen können.158 74. Neben den Katecheten sind die anderen Formen des Dienstes für das Leben der Kirche und für die Mission zu erwähnen und die übrigen Personengruppen: die Förderer des Gebets, des Gesanges und der Liturgie, die Leiter kirchlicher Basisgemeinden und Bibelrunden, die Beauftragten der Caritas, die Verwalter der Kirchen-Einkünfte, die Leiter verschiedener apostolischer Vereinigungen, die Religionslehrer in den Schulen. Alle gläubigen Laien sollen der Kirche einen Teil ihrer Zeit widmen, indem sie ein überzeugtes Glaubensleben führen. Die Kongregation für die Evangelisierung der Völker und die übrigen Strukturen der Missionstätigkeit <821> <821> Die Verantwortlichen und die Mitarbeiter der Missionspastoral sollen sich in der Gemeinschaft vereint fühlen, die den mystischen Leib kennzeichnet. Dafür hat Christus beim Letzten Abendmahl gebetet: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so seien auch sie in uns eins, damit die Welt glaube, daß du mich gesandt hast“ (Job 17,21). Der Grund der Fruchtbarkeit der Mission besteht genau darin. Aber die Kirche ist auch eine sichtbare und organische Gemeinschaft; deshalb macht die Mission auch eine äußere und geordnete Einheit mit verschiedener Verantwortung und Ämtern erforderlich, in der Weise, daß alle Glieder „in voller Einmütigkeit ihre Kräfte auf den Aufbau der Kirche richten“.15’ „Es ist Aufgabe der Missions-Kongregation, in der ganzen Welt das Werk der Evangelisierung der Völker und der Zusammenarbeit in der Mission zu leiten und zu koordinieren, unter Wahrung des Rechts der Kongregation für die orientalischen Kirchen“.160 Das heißt, „es ist 1211 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihre Aufgabe, sich um Missionare zu bemühen und sie entsprechend der Vordringlichkeit der Bedürfnisse zu verteileneinen organischen Aktionsplan auszuarbeiten, Leitlinien und entsprechende Prinzipien für die Evangelisierung zu erlassen und den Anfangsimpuls zu setzen“.16' Ich kann diese weisen Bestimmungen nur bestätigen: um die Mission adgentes neu zu beleben, ist ein Animations-, Leitungs- und Koordinierungs-Zentrum nötig, das ist die Kongregation für die Evangelisierung. Ich lade die Bischofskonferenzen und ihre Organe, die Höheren Ordensoberen, die Kongregationen und Institute, die Laien-Organe, also alle, die in der Missionsarbeit engagiert sind, ein, mit der genannten Kongregation verläßlich zusammenzuarbeiten. Sie besitzt die nötige Autorität, um die Missionsarbeit und Zusammenarbeit auf Weltebene zu programmieren und zu leiten. Eben diese Kongregation, die eine lange und ruhmreiche Geschichte hat, soll auch eine Hauptrolle einnehmen auf der Ebene der Reflexion und der Aktionsprogramme, derer die Kirche bedarf, um sich der Mission in ihren verschiedenen Formen entschiedener zuzuwenden. Zu diesem Zweck muß die Kongregation enge Beziehungen zu den anderen Ämtern des Hl. Stuhls, zu den Ortskirchen und den Missionswerken pflegen. In einer Ekklesiologie der Gemeinschaft ist die ganze Kirche missionarisch; gleichzeitig erweisen sich aber besondere Berufungen und Institutionen für die Arbeit ad gentes als unverzichtbar. Die Führungs- und Koordinierungsrolle der Missionskongregation bleibt sehr wichtig, um gemeinsam die großen Fragen von allgemeinem Interesse anzugehen, unter Wahrung der eigenen Zuständigkeiten jeder Autorität und Struktur. 76. Für die Ausrichtung und Koordinierung der Missionstätigkeit auf nationaler und regionaler Ebene haben die Bischofskonferenzen und ihre verschiedenen Gruppierungen große Bedeutung. Von ihnen verlangt das Konzil, daß sie „schwerwiegendere Fragen und dringende Probleme in gemeinsamer Beratung behandeln, ohne jedoch die örtlich gegebenen Unterschiede zu vernachlässigen“.162 Das gilt auch für das komplizierte Problem der Inkulturation. Tatsächlich gibt es schon eine große und regelrechte Aktion auf diesem Gebiet und die Früchte sind sichtbar. Es ist eine Aktion, die intensiviert und mit der anderer Organe derselben Konferenzen besser abgestimmt werden muß, damit die Sorge für die Mission nicht auf einen bestimmten Sektor oder eine Gruppe begrenzt bleibe, sondern von allen gemeinsam wahrgenommen werde. Alle betroffenen Organe und Institutionen, die sich um die Missionsarbeit kümmern, sollen ihre Anstrengungen und Initiativen sinnvollerweise verbinden. Ebenso mögen sich die Konferenzen der Höheren Oberen in ihrem Bereich bemühen, in Kontakt mit den Bischofskonferenzen, entsprechend den festgelegten Weisungen und Normen163 und indem sie auch auf gemischte Kommissionen zurückgreifen.164 Schließlich sind auch Treffen und Formen der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Missionsinstituten in bezug auf die Ausbildung und das Studium165 oder auf die Durchführung einer apostolischen Aktion wünschenswert. 1212 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kapitel VII: Die Zusammenarbeit in der Missionstätigkeit 77. Als Glieder der Kirche aufgrund der Taufe sind alle Christen für die Missionstätigkeit mitverantwortlich. Die Teilnahme der Gemeinden und der einzelnen Gläubigen an diesem Recht und dieser Pflicht bezeichnen wir als „Zusammenarbeit in der Mission“. Eine solche Zusammenarbeit hat ihre Wurzeln und lebt aus der persönlichen Einheit mit Christus. Nur wenn alle mit ihm eins sind wie die Reben mit dem Weinstock (vgl. Job 15,5), können gute Früchte hervorgebracht werden. Ein heilig geführtes Leben ermöglicht es jedem Christen, in der Mission der Kirche fruchtbar zu sein: „Das Heilige Konzil lädt alle zu einer tiefen, inneren Erneuerung ein, auf daß sie, aufgrund eines lebendigen Bewußtseins der eigenen Verantwortlichkeit für die Verbreitung des Evangeliums, ihren Anteil an der Missionstätigkeit ad gentes übernehmen“.166 Die Teilnahme an der Weltmission beschränkt sich daher nicht auf einige wenige Aktivitäten, sondern ist das Zeichen des gereiften Glaubens und eines christlichen Lebens, das Früchte trägt. So weitet der Gläubige die Grenzen seiner Liebe aus und kümmert sich um die, die weit weg sind ebenso wie um die, die nahe sind: er betet für die Missionen und um Mis-sionsberafe, er unterstützt die Missionare und verfolgt ihre Arbeit mit Interesse; und wenn sie zurückkehren, nimmt er sie mit jener Freude auf, mit der die ersten christlichen Gemeinden von den Aposteln die Wundertaten erfuhren, die Gott durch ihre Predigt gewirkt hatte (vgl. Apg 14,27). Gebet und Opfer für die Missionare 78. Unter den Formen der Teilnahme kommt der geistlichen Zusammenarbeit der erste Platz zu: Gebet, Opfer, Zeugnis des christlichen Lebens. Das Gebet muß den Weg der Missionare begleiten, damit die Verkündigung des Wortes durch die göttliche Gnade wirksam werde. Der hl. Paulus bittet in seinen Briefen die Gläubigen oft um ihr Gebet für ihn, damit er das Evangelium mit Vertrauen und Freimut zu verkünden in der Lage sei. Mit dem Gebet muß notwendigerweise das Opfer verbunden werden. Der heilbringende Wert jedes angenommenen und Gott in Liebe aufgeopferten Leidens hat seinen Ursprung im Opfer Christi, der die Glieder seines mystischen Leibes aufruft, sich mit seinem Leiden zu vereinigen und sie im eigenen Fleisch zu vollenden (vgl. Kol 1,24). Das Opfer des Missionars muß von jenem aller Gläubigen geteilt und unterstützt werden. Deshalb lege ich denen, die ihren pastoralen Dienst unter Kranken leisten, ans Herz, diese über den Wert des Leides zu unterweisen und sie zu ermutigen, es Gott für die Missionare aufzuopfern. Mit einem solchen Opfer werden auch die Kranken selber zu Missionaren, wie einige unter ihnen und für sie entstandene Bewegungen unterstreichen. Auch die Feier des Pfingstfestes - des Beginnes der Missionskirche - wird in manchen Gemeinden als „Tag des Leidens für die Missionen“ gefeiert. Hier bin ich, Herr, ich bin bereit! Sende mich! (vgl. Jes 6,8) 79. Die Zusammenarbeit drückt sich vor allem in der Förderung der Missionsberufe aus, welche ein unentbehrliches Element sind. Diesbezüglich wird die Gültigkeit der verschiedenen Formen des missionarischen Einsatzes anerkannt, aber zugleich muß die Priorität der totalen 1213 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und lebenslangen Hingabe an die Missionsarbeit aufs neue betont werden, besonders in den Missionsinstituten sowie in den Männer- und Frauen-Kongregationen. Die Förderung der Missionsberufe ist das Herz der Zusammenarbeit: Die Verkündigung des Evangeliums erfordert Verkündiger, die Ernte braucht Arbeiter, Mission geschieht vor allem durch Männer und Frauen, die sich lebenslang dem Dienst des Evangeliums geweiht haben und bereit sind, in die ganze Welt zu gehen, um allen das Heil zu bringen. Ich möchte somit diese Sorge um Missionsberufe in Erinnerung rufen und allen ans Herz legen. Im Wissen um die allgemeine Verantwortung der Christen für die Missionsarbeit und den Fortschritt der armen Völker einen Beitrag zu leisten, müssen wir uns alle fragen, warum in manchen Nationen zwar die materiellen Spenden wachsen, die Missionsberufe aber zu verschwinden drohen, Berufe, die der wahre Maßstab der Hingabe an die Mitmenschen sind. Berufungen zum Priester- und Ordensstand sind ein sicheres Zeichen der Lebendigkeit einer Kirche. 80. Wenn ich an dieses schwierige Problem denke, appelliere ich mit besonderem Vertrauen und mit Zuneigung an die Familien und die Jugendlichen. Die Familien und vor allem die Eltern mögen sich dessen bewußt sein, daß sie „einen besonderen Beitrag für das Missionsanliegen der Kirche zu leisten haben, indem sie unter ihren Söhnen und Töchtern Missionsberufe pflegen“.167 Ein intensiv gepflegtes Gebetsleben, ein wirklichkeitsnaher Sinn für den Dienst am Nächsten und eine großmütige Teilnahme an den kirchlichen Aktivitäten bieten den Familien günstige Voraussetzungen für Berufe unter der Jugend. Wenn die Eltern bereit sind, ihr Einverständnis zu geben, daß eines ihrer Kinder in die Mission gehen will, wenn sie Gott um eine solche Gnade gebeten haben, wird er sie mit Freude belohnen an dem Tag, an dem ihr Sohn, ihre Tochter dem Ruf des Herrn folgen wird. Die Jugendlichen selbst bitte ich, das Wort Christi zu hören, der ihnen - wie schon Simon Petrus und Andreas am Ufer des Sees - zuruft: Folgt mir nach, ich werde euch zu Men-schenfischem machen! (vgl. Mt 4,19). Mögen sie den Mut haben, wie Jesaja zu antworten: „Siehe, Herr, ich bin bereit! Sende mich!“ (Jes 6,8). Sie werden ein faszinierendes Leben vor sich haben und eine wirkliche Genugtuung dabei verspüren, den Brüdern und Schwestern die Frohe Botschaft zu verkünden und sie auf den Weg des Heiles zu führen. „Geben ist seliger als nehmen“ (Apg 20,35) 81. Die materiellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Missionare sind zahlreich: es handelt sich nicht nur um die Ausstattung der Kirche mit den notwendigsten Strukturen (Kapellen, Schulen für Katecheten und Seminaristen, Wohnungen), sondern auch um den Unterhalt der Werke der Caritas, der Erziehung und der Entfaltung der Menschen, also um ein Aktionsfeld, das besonders in den armen Ländern unendlich groß ist. Die Missionskirche gibt das, was sie empfängt, sie verteilt an die Armen, was ihre mit materiellen Gütern besser ausgestatteten Kinder ihr großzügig zur Verfügung stellen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit all jenen danken, die dem Missionswerk unter Opfern Spenden zukommen lassen: ihr Verzicht und ihre Anteilnahme sind unentbehrlich beim Aufbau der Kirche und für das Zeugnis der Liebe. 1214 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bei der materiellen Unterstützung ist es wichtig, auf den Geist zu achten, mit dem man gibt. Dazu ist eine Überprüfung des eigenen Lebensstiles vonnöten. Die Missionen erwarten nicht einfach eine Hilfe, sondern das Teilen bei der Verkündigung und in der Liebe zu den Armen. Alles, was wir von Gott empfangen haben - das Leben wie die materiellen Güter — ist nicht als unser Eigentum, sondern ist uns zur Nutzung gegeben. Die Großzügigkeit des Gebens wird immer aus dem Glauben heraus zu erhellen und zu inspirieren sein. Nur dann ist geben seliger als nehmen. Der Weltmissionssonntag, der zur Sensibilisierung des Anliegens der Mission, aber auch für die Sammlung von Hilfsmitteln eingerichtet wurde, ist ein wichtiges Datum im Leben der Kirche; denn er zeigt, wie man schenken soll: In der Feier der Eucharistie, d. h. als Gabe für Gott, und für alle Missionen der Welt. Neue Formen missionarischer Zusammenarbeit 82. Die Zusammenarbeit wird heute um neue Formen erweitert, die nicht nur die wirtschaftliche Unterstützung, sondern auch die direkte Teilnahme einschließen. Neue Situationen in Verbindung mit der Tatsache der großen Mobilität erfordern von den Christen einen echten Missionsgeist. Der internationale Tourismus ist inzwischen ein Massenphänomen. Er ist ein positives Faktum gegenseitiger kultureller Bereicherung, wenn er mit Rücksichtnahme praktiziert wird. Man vermeide Prahlerei und Verschwendung und suche menschlichen Kontakt. Von den Christen wird vor allem das Bewußtsein gefordert, immer Zeugen des Glaubens und der Liebe Christi zu sein. Auch die unmittelbare Kenntnis des Missionslebens und neuer christlicher Gemeinden kann die Erfahrung bereichern und den Glauben stärken. Besuche in den Missionen, vor allem durch Jugendliche, die für einen Dienst dorthin gehen und um eine tiefe Erfahrung christlichen Lebens zu machen, sind lobenswert. Berufliche Gründe bringen heute zahlreiche Christen junger Gemeinden in Gebiete, wo das Christentum unbekannt und manchmal verbannt und verfolgt ist. Dasselbe erleben Gläubige aus Ländern mit alter christlicher Tradition, die zeitweilig in nichtchristlichen Ländern arbeiten. Diese Umstände bieten gewiß eine Gelegenheit, den Glauben zu leben und zu bezeugen. In den ersten Jahrhunderten hat sich das Christentum vor allem deshalb ausgebreitet, weil die Christen auf ihren Reisen oder in ihren Niederlassungen in anderen Regionen, wo Christus noch nicht verkündigt worden war, ihren Glauben mutig bezeugten und dort die ersten Gemeinden gründeten. Immer zahlreicher sind die Bürger aus Missionsländem und die Angehörigen nichtchristli-cher Religionen, die sich, aus Gründen des Studiums und der Arbeit oder durch schwierige politische oder wirtschaftliche Verhältnisse in deren Herkunftsorten gezwungen, in anderen Nationen niederlassen. Die Anwesenheit dieser Bürger in den Ländern der alten Christenheit ist für die kirchlichen Gemeinden eine Herausforderung und drängt sie zu deren Aufnahme, zum Dialog, zum Dienst, zum Zusammenleben, zum Zeugnis und zur direkten Verkündigung. Tatsächlich bilden sich auch in den christlichen Ländern humanitäre und kulturelle Gruppen, die zu einer Mission ad gentes aufrufen. Die Ortskirchen sollten sich, auch mit Hilfe von Leuten, die aus den Ländern der Immigranten kommen, und mit zurückgekehrten Missionaren mit Großmut und Offenheit um diese Situationen kümmern. 1215 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Zusammenarbeit kann ebenso das Engagement der Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Presse umfassen, darüberhinaus Experten der verschiedenen internationalen Organisationen. Es wird in der modernen Welt immer schwieriger, geographische oder kulturelle Grenzen abzustecken: es gibt eine wachsende gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Völkern, und das fordert zum christlichen Zeugnis und zur Evangelisierung heraus. Anregungen und Hin führung des Volkes Gottes zur Mission 83. Die Hinführung zur Mission ist eine Aufgabe der Ortskirche unter Mithilfe der Missionare und ihrer Institute, aber ebenso von Leuten der jungen Kirchen. Diese Arbeit darf nicht nebenbei, sondern muß ganz zentral das christliche Leben bestimmen. Der Missionsgedanke kann für die Neuevangelisierung der christlichen Völker selbst eine große Hilfe sein. Das Zeugnis der Missionare bewahrt seine Anziehungskraft auch bei den Fernstehenden und den Nichtgläubigen und vermittelt christliche Werte. Die Ortskirchen sollen daher die Hinführung zur Mission als wesentliches Element ihrer Pastoral in den Pfarreien, in Vereinigungen und Gruppen, besonders in Jugendgruppen einbeziehen. Diesem Zweck dienen besonders Informationen durch Missionszeitschriften und verschiedene audiovisuelle Mittel. Ihre Rolle ist insofern von großer Bedeutung, als sie vom Leben der Weltkirche, von den Stimmen und Erfahrungen der Missionare und der Ortskirchen, in denen diese arbeiten, Kenntnis vermitteln. Die Missionsinstitute sollten in den jüngeren Kirchen, die noch nicht in der Lage sind, sich mit einer Presse und anderen Mitteln auszurüsten, Personal und Ausrüstung für diese Initiativen bereitstellen. Zu entsprechender Bildungsarbeit aufgerufen sind Priester und ihre Mitarbeiter, Erzieher und Lehrer, Theologen, besonders aber die Professoren von Seminarien und Zentren für Laienerziehung. Theologischer Unterricht kann und darf von der Weltmission der Kirche, von der Ökumene, vom Studium der großen Religionen und der Missiologie nicht absehen. Ich empfehle, daß vor allem in Seminaren und Bildungshäusern für Ordensmänner und -frauen ein solches Studium durchgeführt wird und daß Studenten und Studentinnen sich auf den verschiedenen Gebieten der Missiologie spezialisieren. Die Arbeit der Hinführung soll immer an ihren spezifischen Zielen orientiert werden. Das bedeutet: das Volk Gottes über die allgemeine Mission der Kirche informieren und bilden, Missionsberufe pflegen, auf die Zusammenarbeit bei der Evangelisierung hinwirken. Denn man darf keineswegs ein verengtes Bild der Missionsarbeit zeichnen, als ob diese hauptsächlich eine Unterstützung der Armen, ein Beitrag zur Befreiung der Bedrängten, die Förderung des Fortschritts, die Verteidigung der Menschenrechte wäre. Die Missionskirche ist auch an diesen Fronten engagiert; aber ihre primäre Aufgabe ist eine andere: die Armen haben Hunger nach Gott und nicht bloß nach Brot und Freiheit, und die Missionstätigkeit muß zuerst das Heil in Christus bezeugen und verkünden, indem sie Ortskirchen gründet, die dann ihrerseits Instrumente der Befreiung in jeder Hinsicht sind. Die besondere Verantwortung der Päpstlichen Missionswerke 84. Bei diesem Werk der Hinführung haben die Päpstlichen Missionswerke eine besondere Aufgabe, wie ich in den Botschaften zum Weltmissionssonntag schon öfters betont habe. Die vier Werke - der Glaubensverbreitung, des Hl. Apostels Petrus, das Kindermissionswerk und 1216 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Missions-Bund - haben als gemeinsame Aufgabe, den Geist der Weltmission im Volk Gottes zu fördern. Der Missions-Bund hat als unmittelbares und spezielles Ziel die Sensibilisierung und Missions-Ausbildung von Priestern, Ordensmännem und -frauen, die sich ihrerseits der Ausbildung in den christlichen Gemeinden widmen. Darüberhinaus hat er den Zweck, die anderen Werke zu unterstützen, deren Mitte er ist.168 „Das Leitwort muß dabei sein: Alle Kirchen für die Bekehrung der ganzen Welt“.169 Als Werke des Papstes und des Bischofskollegiums nehmen sie auch im Bereich der Ortskirchen „zurecht den ersten Platz ein; denn sie sind Mittel, um sowohl den Katholiken von klein auf einen die Welt umfassenden, missionarischen Geist einzugießen, als auch um eine angemessene Sammlung von Hilfen zugunsten aller Missionen zu erwirken, entsprechend dem Bedürfnis einer jeden“.170 Ein weiteres Ziel der Missionswerke ist die Weckung von Missionsberufen auf Lebenszeit, sowohl in den alten als auch in den jungen Kirchen. Ich empfehle wärmstens, daß sie ihren Dienst der Animation immer mehr auf dieses Ziel hin ausrichten. In der Ausübung ihrer Tätigkeit hängen die Missionswerke auf Weltebene von der Kongregation für die Evangelisierung ab, auf Ortsebene von den Bischofskonferenzen und von den Bischöfen der einzelnen Kirchen, in Zusammenarbeit mit schon bestehenden Förderangsstrukturen. Sie mögen den Geist der Universalität und des Dienstes für die Mission in die katholische Welt tragen, ohne den es keine echte Zusammenarbeit gibt. Der Mission nicht nur geben, sondern auch von ihr empfangen 85. An der Mission mitwirken, heißt fähig zu sein, nicht nur zu geben, sondern auch zu empfangen. Alle Teilkirchen, junge wie alte, sind aufgerufen, für die Weltmission zu geben und zu empfangen, und keine darf sich in sich selbst verschließen. Doch „kraft der Katholizität - sagt das Konzil - bringen die einzelnen Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu, so daß das Ganze und die einzelnen Teile zunehmen aus allen, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle in Einheit Zusammenwirken... Daher bestehen schließlich zwischen den verschiedenen Teilen der Kirche die Bande einer innigen Gemeinschaft der geistigen Güter, der apostolischen Arbeiter und der zeitlichen Hilfsmittel“.171 Ich fordere alle Kirchen und die Bischöfe, Priester, Ordensleute und Gläubigen dazu auf, sich der Universalität der Kirche zu öffnen, indem sie jede Form von Partikularismus, Exklusivität oder Selbstgenügsamkeitsgefühl vermeiden. Auch wenn die Ortskirchen in ihrem Volk und ihrer Kultur verwurzelt sind, müssen sie dennoch konkret an dieser universalistischen Bedeutung des Glaubens festhalten, und zwar dadurch, daß sie geistliche Gaben, pastorale Erfahrungen mit Erstverkündigung und Evangelisierung, apostolisches Personal und materielle Hilfsmittel an die anderen Kirchen weitergeben bzw. von diesen empfangen. Die Neigung, sich zu verschließen, kann in der Tat stark sein: Die alten Kirchen, die sich um die Neuevangelisierung bemühen, sind der Meinung, nunmehr Mission daheim betreiben zu sollen, und laufen Gefahr, dadurch, daß sie den Missionsinstituten, den Ordenskongregationen und den anderen Kirchen nur widerwillig die Berufe zugestehen, den Elan im Hinblick auf die nichtchristliche Welt zu bremsen. Aber wenn wir freigebig von dem Unseren geben, werden wir empfangen, und schon heute sind die jungen Kirchen, von denen viele eine wunderbare Blüte an Berufungen erleben, in der Lage, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen in die alten Kirchen zu entsenden. 1217 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Anderseits fühlen sie das Problem der eigenen Identität, der Inkulturation, der Freiheit eines Wachsens ohne Einflüsse von außen, was die Konsequenz nach sich ziehen kann, den Missionaren die Türen zu verschließen. Diesen Kirchen sage ich: Weit davon entfernt, euch zu isolieren, nehmt die Missionare und Hilfsmittel von den anderen Kirchen an und entsendet sie eurerseits in die Welt. Gerade wegen der Probleme, die euch bedrängen, müßt ihr in ständiger Verbindung mit euren Brüdern und Schwestern im Glauben stehen. Macht mit jedem legitimen Mittel die Freiheit geltend, auf die ihr ein Recht habt, und bedenkt, daß die Jünger Christi „Gott mehr gehorchen“ müssen „als den Menschen“ (Apg 5,29). Gott bereitet dem Evangelium einen neuen Frühling 86. Wenn man die heutige Welt oberflächlich betrachtet, ist man nicht wenig betroffen von den negativen Tatsachen, die zum Pessimismus führen können. Aber dieses Gefühl ist nicht gerechtfertigt: wir glauben an Gott, den Vater und Herrn, an seine Güte und Barmherzigkeit. Unmittelbar vor Anbruch des dritten Jahrtausends der Erlösung ist Gott dabei, einen großen christlichen Frühling zu bereiten, dessen Morgenröte man schon ahnend erkennen kann. Tatsächlich gibt es sowohl in der nichtchristlichen Welt als auch in der alten Christenheit eine fortschreitende Annäherung der Völker an die Ideale und Werte des Evangeliums, die zu fördern sich die Kirche bemüht. In der Tat zeigt sich heute seitens der Völker ein neues Zusammengehen hinsichtlich dieser Werte: die Absage an Gewalt und Krieg; die Achtung der menschlichen Person und ihrer Rechte; der Wunsch nach Freiheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit; die Überwindung von Rassismen und Nationalismen; die Bejahung der Würde und Aufwertung der Frau. Die christliche Hoffnung bestärkt uns darin, uns mit allen Kräften für die Neuevangelisierung und für die Weltmission einzusetzen, indem sie uns beten läßt, wie Jesus uns gelehrt hat: „Dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, so auf der Erde“ (Mt 6,10). Die Zahl der Menschen, die auf Christus warten, ist noch immer unendlich groß: Die menschlichen und kulturellen Räume, die von der Verkündigung des Evangeliums noch gar nicht erreicht worden sind oder wo die Kirche nur schwach präsent ist, sind so ausgedehnt, daß sie die Einheit aller ihrer Kräfte erfordern. Mit der Vorbereitung auf die Feier des Jubeljahres Zweitausend engagiert sich die ganze Kirche noch mehr für einen neuen missionarischen Advent. Wir müssen in uns den apostolischen Eifer nähren, das Licht und die Freude des Glaubens an andere weiterzugeben, und zu diesem Ideal müssen wir jeden von uns und das ganze Volk Gottes erziehen. Wir können nicht ruhig vor uns hinleben, wenn wir an die Millionen von Brüdern und Schwestern denken, die, wenn auch durch das Blut Christi erlöst, doch leben, ohne von der Liebe Gottes zu wissen. Sowohl für den einzelnen Gläubigen wie für die ganze Kirche muß das missionarische Anliegen das erste sein, weil es die ewige Bestimmung der Menschen betrifft und auf den geheimnisvollen und barmherzigen Plan Gottes antwortet. 1218 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kapitel VIII: Die missionarische Spiritualität 87. Die missionarische Aktivität erfordert eine besondere Spiritualität, die jeden Jünger Christi, insbesondere aber alle jene angeht, die Gott zu Missionaren berufen hat. Sich vom Geist leiten lassen Diese Spiritualität kommt vor allem in einem Leben in voller Fügsamkeit gegenüber dem Geist zum Ausdruck; sie verpflichtet dazu, sich innerlich von ihm formen zu lassen, um Christus immer ähnlicher zu werden. Man kann nicht Zeugnis geben von Christus, ohne sein Bild widerzuspiegeln, das in uns lebendig wird durch die Gnade und das Wirken des Geistes. Die Fügsamkeit gegenüber dem Geist verpflichtet sodann dazu, die Gaben der Festigkeit und der Unterscheidung anzunehmen, die wesentliche Züge eben dieser Spiritualität sind. Sinnbildhaft ist der Fall der Apostel, die trotz ihrer Liebe zum Meister und obwohl sie seinem Ruf großzügig Folge leisteten, sich während seines öffentlichen Auftretens als unfähig erwiesen, seine Worte zu begreifen, und ihm nur widerstrebend auf dem Weg des Leidens und der Demütigung folgten. Der Geist wird sie in mutige Zeugen Christi und erleuchtete Verkünder seines Wortes verwandeln: der Geist wird sie über die beschwerlichen und neuen Wege der Mission geleiten. Auch heute ist die Mission schwierig und komplex wie in der Vergangenheit und erfordert den Mut und das Licht des Geistes: Wir erleben oft das Drama der christlichen Urgemeinde, die sah, wie ungläubige und feindliche Kräfte „sich verbündeten gegen den Herrn und seinen Gesalbten“ (Apg 4,26). Wie damals, so gilt es auch heute dämm zu beten, daß Gott uns die Offenheit schenke, das Evangelium zu verkünden, und es gilt, die geheimnisvollen Wege des Geistes zu erforschen und sich von ihm in die ganze Wahrheit führen zu lassen (vgl. Joh 16,13). Das Geheimnis Christi, des „Gesandten“, leben 88. Ein wesentliches Merkmal der missionarischen Spiritualität ist die innige Gemeinschaft mit Christus: Die Mission kann nur dann verstanden und gelebt werden, wenn wir uns auf Christus als den berufen, der gesandt worden ist, das Evangelium zu verkünden. Paulus beschreibt diese Haltungen: „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht: Er war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,5-8). Hier wird das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung als totale Selbstentäußerung beschrieben, die Christus dazu führt, den Zustand des Menschseins ganz zu leben und dem Plan des Vaters bis zum Äußersten nachzukommen. Es handelt sich um eine tiefe Entsagung, ja Selbstentleerung, die jedoch von Liebe durchdrungen und Ausdruck der Liebe ist. Die Mission durchläuft denselben Weg und hat ihren Zielpunkt am Fuße des Kreuzes. Vom Missionar wird verlangt, „sich selbst und allem, was er bislang als sein angesehen hat, zu entsagen, um allen alles zu werden“:172 in der Armut, die ihn frei macht für das Evange- 1219 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lium, im Abstand zu Personen und Gütern seiner Umgebung, um zum Bruder derer zu werden, zu denen er gesandt ist, um ihnen Christus, den Erlöser, zu bringen. Das ist das Ziel, auf welches die Spiritualität der Missionare hinausläuft: „Den Schwachen wurde ich ein Schwacher ... Allen bin ich alles geworden, um auf jeden Fall einige zu retten. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen“ (1 Kor 9,22-23). Gerade weil er „gesandt“ ist, erfährt der Missionar die stärkende Gegenwart Christi, der ihn in jedem Augenblick seines Lebens begleitet: „Fürchte dich nicht! ... denn ich bin bei dir“ (Apg 18,9-10), und ihn im Herzen jedes Menschen und jedes Volkes erwartet. Die Kirche und die Menschen lieben, wie Jesus sie geliebt hat 89. Die missionarische Spiritualität ist auch gekennzeichnet von der apostolischen Liebe, der Liebe Christi, der gekommen ist, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52), des Guten Hirten, der seine Schafe kennt, der nach ihnen sucht und sein Leben für sie hingibt (vgl. Joh 10). Wer missionarischen Geist besitzt, spürt die glühende Liebe Christi für die Seelen und liebt die Kirche, wie Christus sie geliebt hat. Der Missionar wird angetrieben vom „Eifer für die Seelen“, der sich seinerseits an der Liebe Christi inspiriert, die in Aufmerksamkeit, Zärtlichkeit, Mitleid, Annahme, Verfügbarkeit und Interesse für die Probleme der Menschen besteht. Die Liebe Christi geht tief: Er, der „wußte, was im Menschen ist“ (Joh 2,25), liebte alle, indem er ihnen die Erlösung anbot, und litt, wenn dieses Heil von ihnen verworfen wurde. Der Missionar ist der Mensch der Liebe: um jedem Bruder zu verkünden, daß er von Gott geliebt wird und selbst lieben kann, muß er seine Liebe zu allen dadurch bezeugen, daß er sein Leben für den Nächsten hingibt. Der Missionar ist der „Weltbruder“, er trägt in sich den Geist der Kirche, seine Offenheit und sein Interesse für alle Völker und alle Menschen, besonders für die geringsten und ärmsten. Als solcher überwindet er die Grenzen und Trennungen von Rasse, Kaste, Ideologie: er ist ein Zeichen der Liebe Gottes in der Welt, einer Liebe, die weder irgendjemanden ausschließt noch bevorzugt. Schließlich muß er wie Christus die Kirche lieben: „Christus hat die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben“ (Eph 5,25). Diese Liebe bis zur Hingabe des Lebens ist für ihn ein Anhaltspunkt. Nur eine tiefe Liebe zur Kirche vermag den Eifer des Missionars zu stärken: Sein täglicher Antrieb ist - wie der hl. Paulus sagt - „die Sorge für alle Gemeinden“ (2 Kor 11,28). Für jeden gilt: „Die Treue zu Christus kann nicht von der Treue zu seiner Kirche getrennt werden“.173 Der wahre Missionar ist der Heilige 90. Die Berufung zur Mission stammt an sich aus der Berufung zur Heiligkeit. Jeder Missionar ist nur dann ein echter Missionar, wenn er sich auf den Weg der Heiligkeit einläßt: „Die Heiligkeit ist fundamentale Bedingung und unverzichtbare Voraussetzung für die Erfüllung der Heilssendung der Kirche“.174 Die universale Berufung zur Heiligkeit ist eng mit der universalen Berufung zur Mission verbunden: jeder Gläubige ist zur Heiligkeit und zur Mission berufen. Dies war der dringende Wunsch des Konzils: „Möge das Licht Christi... durch seine Herrlichkeit, die auf dem Ant- 1220 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN litz der Kirche widerscheint, alle Menschen erleuchten, indem sie das Evangelium allen Geschöpfen verkündet“.175 Die missionarische Spiritualität der Kirche ist ein Weg zur Heiligkeit. Der erneuerte Drang zur Mission unter den Völkern erfordert heiligmäßige Missionare. Es genügt weder, die pastoralen Methoden zu erneuern noch die kirchlichen Kräfte besser zu organisieren bzw. zu koordinieren oder etwa die biblischen und theologischen Glaubensgrundlagen mit größerer Klugheit zu erforschen: es gilt, ein neues „glühendes Verlangen nach Heiligkeit“ unter den Missionaren und in der ganzen christlichen Gemeinschaft zu wecken, besonders unter den engsten Mitarbeitern der Missionare.176 Denken wir, liebe Brüder und Schwestern, an den missionarischen Schwung der ersten Christengemeinden. Trotz der Armseligkeit der damaligen Transport- und Kommunikationsmittel erreichte die Verkündigung des Evangeliums in kurzer Zeit die Grenzen der Welt. Und dabei handelte es sich um die Religion eines am Kreuz gestorbenen Menschen,„für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ (1 Kor 1,23)! Zugrunde liegt diesem missionarischen Dynamismus die Heiligkeit der ersten Christen und der ersten Gemeinden. 91. Ich wende mich deshalb an die Getauften der jungen Gemeinden und der jungen Kirchen. Ihr seid heute die Hoffnung dieser unserer zweitausend Jahre alten Kirche: da ihr jung im Glauben seid, müßt ihr wie die ersten Christen sein und Enthusiasmus und Mut ausstrahlen in selbstloser Hingabe an Gott und an die Brüder: mit einem Wort, ihr sollt euch auf den Weg der Heiligkeit einlassen. Nur so könnt ihr Zeichen Gottes in der Welt sein und in euren Ländern die missionarischen Großtaten der Urkirche neu beleben. Und ihr werdet auch Sauerteig für die älteren Kirchen sein. Die Missionare sollen ihrerseits über die Pflicht zur Heiligkeit nachdenken, die die Gabe der Berufung von ihnen fordert, indem sie sich täglich im Geist erneuern und auch ihre doktrinelle und pastorale Ausbildung auf den neuesten Stand bringen. Der Missionar muß ein „in Beschaulichkeit Tätiger“ sein. Antwort auf die Probleme findet er im Licht des Wortes Gottes und im persönlichen und gemeinschaftlichen Gebet. Der Kontakt mit Vertretern der wichtigsten nichtchristlichen Traditionen, insbesondere mit jenen Asiens, hat mich darin bestärkt, daß die Zukunft der Mission großenteils von der Kontemplation abhängt. Wenn der Missionar nicht kontemplativ ist, kann er Christus nicht glaubwürdig verkünden. Er ist ein Zeuge der Gotteserfahrung und muß wie die Apostel sagen können: „Was wir gesehen und gehört haben, das verkünden wir auch euch: das Wort des Lebens“ (1 Joh 1,1-3). Der Missionar ist der Mensch der Seligpreisungen. Jesus unterweist die Zwölf, ehe er sie aussendet, das Evangelium zu verkünden, indem er ihnen die Wege der Mission aufzeigt: Armut, Sanftmut, Annahme von Leiden und Verfolgung, Verlangen nach Gerechtigkeit und Frieden, Liebe, also die im apostolischen Leben verwirklichten Seligpreisungen (vgl. Mt 5,1-12). Indem er die Seligpreisungen lebt, erfährt der Missionar und beweist mit seinem Leben, daß das Reich Gottes schon gekommen ist und daß er es schon angenommen hat. Das Wesensmerkmal jedes echten missionarischen Lebens ist die innere Freude, die aus dem Glauben kommt. In einer von so vielen Problemen verängstigten und bedrängten Welt, die zum Pessimismus neigt, muß der Verkünder der „Frohbotschaft“ ein Mensch sein, der in Christus die wahre Hoffnung gefunden hat. 1221 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schluß 92. Noch nie hatte die Kirche so wie heute die Möglichkeit, das Evangelium durch das Zeugnis und das Wort allen Menschen und allen Völkern zukommen zu lassen. Ich sehe ein neues Missionszeitalter heraufdämmem, das zu einem hellen Tag, reich an Früchten, werden wird, wenn alle Christen, besonders die Missionare und die jungen Kirchen, mit Hochherzigkeit und Heiligkeit auf die Appelle und Herausforderungen unserer Zeit antworten. Wie die Apostel nach der Himmelfahrt Christi, so muß sich die Kirche im Abendmahlssaal versammeln „mit Maria, der Mutter Jesu“ (Apg 1,14), um den Geist zu erflehen und Kraft und Mut für die Erfüllung des Missionsauftrages zu erhalten. Auch wir, mehr noch als die Apostel, müssen vom Geist verwandelt und geführt werden. An der Schwelle des dritten Jahrtausends ist die ganze Kirche eingeladen, das Geheimnis Christi dadurch tiefer zu leben, daß sie voll Dankbarkeit am Heilswerk mitarbeitet. Das tut sie mit Maria und wie Maria, ihrer Mutter und ihrem Vorbild. Und sie, Maria, ist das Vorbild jener mütterlichen Liebe, von der alle beseelt sein müssen, die in der apostolischen Sendung der Kirche zur Wiedergeburt der Menschen mitwirken. Daher schreitet die Kirche, durch die Gegenwart Christi bestärkt, in der Zeit voran auf die Vollendung der Geschichte zu und geht ihrem Herrn entgegen, der kommt. Aber auf dieser Pilgerschaft geht sie denselben Weg, den auch die Jungfrau Maria zurückgelegt hat. Der „Mittlerschaft Marias, die ganz auf Christus bezogen und auf die Offenbarung seiner Heilsmacht ausgerichtet ist“, vertraue ich die Kirche und besonders diejenigen an, die sich für die Verwirklichung des Missionsauftrags in der heutigen Welt einsetzen. Wie Christus seine Apostel im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ausgesandt hat, so sende ich mit der Erneuerung dieses Auftrags euch allen den Apostolischen Segen im Namen eben dieser Heiligsten Dreifaltigkeit. Amen. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 7. Dezember, dem 25. Jahrestag der Verkündigung des Konzilsdekretes Ad gentes, des Jahres 1990, dem 13. Jahr meines Pontifikates. Anmerkungen 1 Vgl. Paul IV., Botschaft zum Weltmissionssonntag 1972: „Wie viele interne Spannungen, die manche Ortskirchen und lokalen Institutionen schwächen und zerreißen, würden verschwinden angesichts der festen Überzeugung, daß das Heil der Ortsgemeinden durch die Mitwirkung an der Missionstätigkeit erworben wird, .damit diese bis an die Grenzen der Erde ausgeweitet werden kann’“ (Insegnamenti X [1972], 522). 2 vgl. Benedikt XV., Apostol. Schreiben Maximum illud (30. November 1919): AAS 11 (1919) 440-455; Pius X., Enzyklika Berum Ecclesiae (28. Februar 1926): AAS 18 (1926) 65-83; Pius XII., Enzyklika Evangelii praecones (2. Juni 1951): AAS 43 (1951) 497-528; Enzyklika Fidei donum (21. April 1957): AAS 49 (1957) 225-248; Johannes XXIIL, Enzyklika Princepspastorum (28. November 1959): AAS 51 (1959) 833-864. 3 Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor Hominis (4. März 1979), Nr. 10: AAS 71 (1979) 274f. 4 Ebd., a. a. O., 275. 5 Nizäno-konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis: DS150. 6 Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor Hominis, Nr. 13: a. a. O., 283. 7 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium etspes, Nr. 2. 8 Ebd., Nr. 22. 1222 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 9 Johannes Paul XI., Enzyklika Dives in miseßcordia (30. November 1980), Nr. 7: AAS 72 (1980) 1202. 10 Predigt bei der Eucharistiefeier in Krakau, 10. Juni 1979: AAS 71 (1979) 873. n Vgl. Johannes XXIII., Enzyklika Mater et Magistra (15. Mai 1961), IV: AAS 53 (1961) 451-453. 12II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 2. 13 Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi (8. Dezember 1975), Nr. 53: AAS 68 (1976) 42. 14II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 2. 15 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 14-17; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 3. 16 Vgl. n. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 48; Pastoralkonstitu-tion über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 43; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 7.21. 17II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 13. 18 Ebd., Nr. 9. 19II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. 20II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 14. 21 Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, Nr. 1: a. a. O., 1177. 22II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 5. 23 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 22. 24 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen Gentium, Nr. 4. 25 Ebd., Nr. 5. 26 Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 16: a. a. O., 15. 27 Ansprache bei Eröffnung der m. Sitzungsperiode des n. Vatikanischen Konzils, 14. September 1964: AAS 56 (1964)810. 28 Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 34: a. a. O., 28. 29 Vgl. Internationale Theologische Kommission, Ausgewählte Themen der Ekklesiologie zum 20. Jahrestag des Abschlusses des II. Vatikanischen Konzils (7. Oktober 1985), Nr. 10: „Die eschatologische Natur der Kirche: Reich Gottes und Kirche“. 30 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 39. 31 Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivißcantem (18. Mai 1986), Nr. 42: AAS 78 (1986) 857. 32 Ebd., Nr. 64: a. a. O., 892. 33 Dieser Ausdruck entspricht dem griechischen paresia, der auch Begeistemng, Stärke bezeichnet; vgl. Apg 2,29; 4,13.29.31; 9,27.28; 13,46; 14,3; 18,26; 19,8.26; 28,31. 34 Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 41-42: a. a. O., 31-33. 35 Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivißcantem, Nr. 53: a. a. O., 874f. 36 Vgl. n. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 3.11.15; Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 10-11.22.26.38.41.92-93. 37II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 10.15.22. 38 Ebd., Nr. 41. 39 Vgl. Johannes Paul n., Enzyklika Dominum et vivißcantem, Nr. 54: a. a. O., 875f. 40II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, Nr. 26. 41 Ebd., Nr. 38; vgl. Nr. 93. 42 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 17; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 3.15. 43II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 4. 44 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivißcantem, Nr. 53: a. a. O., 874. 45 Ansprache an Vertreter der nichtchristlichen Religionen in Madras, 5. Februar 1986: AAS 78 (1986) 767; vgl. Botschaft an die Völker Asiens in Manila, 21. Februar 1981, 2-4: AAS 73 (1981) 392f.; Ansprache an die Vertreter der nichtchnstlichen Religionen in Tokyo, 24. Februar 1981, 3-4: Insegnamenti IV/1, 1981, 507f. 46 Ansprache an die Kardinale, die Päpstliche Familie und die Römische Kmie und Prälatur, 22. Dezember 1986,11: AAS 19 (1987) 1089. 47 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 16. 48 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 45; vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivißcantem, Nr. 54: a. a. O., 876. 1223 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 49II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 10. 50 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben, Christifideles laici (30. Dezember 1988), Nr. 35: AAS 81 (1989) 457. 51 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 6. 52 Vgl. ebd. 53 Ebd., Nr. 6.23; vgl. 27. 54 Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben, Evangelii nuntiandi, Nr. 18-20: a. a. O., 457. 55 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Christifideles laici, Nr. 35: a. a. O., 457. 56 Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 80: a. a. O., 73. 57 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 6. 58 Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 80: a. a. O., 73. 59 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 6. 60 Vgl. ebd., Nr. 20. 61 Vgl. Ansprache an die Teilnehmer des VI. Symposions des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen, 11. Oktober 1985: AAS78 (1986) 178-189; dt., Der Apostolische Stuhl (DAS), 1985, S. 1548-1560. 62 Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 20: a. a. O., 19. 63II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 5: Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 8. 64 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, Nr. 3-4,14; Paul VI., Apostol. Schreiben, Evangelii nuntiandi, Nr. 79-80: a. a. O., 71-75; Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 12: a. a. O., 278-281. 65 Benedikt XV., Apostol. Schreiben Maximum illud: a. a. O., 446. 66 Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 62: a. a. O., 52. 67 Vgl. Depraescriptione haereticorum, XX: CCLI, 201f. 68II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 9; vgl. Kap. II, 10-18. 69 Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben, Evangelii nuntiandi, Nr. 41: a. a. O., 31f. 70 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 28.35.38; Pastoral-konstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, Nr. 43; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 11-12. 71 Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, 26. März 1967, Nr. 21.42: AAS 59 (1967) 267f., 278. 72 Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 27: a. a. O., 23. 73II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 13. 74 Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 15: a. a. O., 13-15; II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 13-14. 75 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dominum et vivißcantem, Nr. 42.64: a. a. O., 857-859, 892-894. 76 Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 60: a. a. O., 50f. 77 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 6-9. 78II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 2; vgl. Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 9. 79 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Kap. HI, 19-22. 80II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 15. 81 Ebd., Nr. 6. 82 Ebd., Nr. 15; vgl. Dekret über den Ökumenismus, Unitatis redintegratio, Nr. 3. 83 Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 58: a. a. O., 46-49. 84 Außerordentliche Versammlung 1985, Schlußbericht, II, C 6. 85 Ebd., n, D 4. 86 Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben, Catechesi tradendae, 16. Oktober 1979, 53: AAS 71 (1979) 1320; Enzyklika Slavorum Apostoli, 2. Juni 1985, Nr. 21: AAS 77 (1985) 802f. 87 Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 20 a. a. O., 18f. 88 Vgl. Ansprache an die Bischöfe von Zaire in Kinshasa, 3. Mai 1980,4-6: AAS 72 (1980) 432-435; Ansprache an die Bischöfe von Kenya in Nairobi, 7. Mai 1980, 6: AAS 72 (1980) 497; Ansprache an die Bischöfe Indiens in Delhi, 1. Februar 1986, 5: AAS 78 (1986) 748f.; Predigt in Kartagena, 6. Juli 1986, 7-8: AAS 79 (1987) 1051; vgl. auch Enzyklika Slavorum Apostoli, Nr. 21-22: a. a. O., 802-804. 1224 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 89 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 22. 90 Vgl. ebd. 91 Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 64: a. a. O., 55. 92 Die Teilkirchen „haben die Aufgabe, das Wesentliche der Botschaft des Evangeliums sich tief zu eigen zu machen und es ohne den geringsten Verrat an seiner wesentlichen Wahrheit in eine Sprache zu übersetzen, die diese Menschen verstehen, um es dann in dieser Sprache zu verkünden ... .Sprache5 aber darf hier weniger im semantischen oder literarischen Sinn aufgefaßt werden, sondern vielmehr anthropologisch und kulturell“ (Ebd., Nr. 63: a. a. O., 53). 93 Vgl. Ansprache bei der Generalaudienz vom 13. April 1988: Insegnamenti Xi/1, (1988), 877-881. 94 Johannes Paul II., Apostol. Schreiben, Familiaris consortio, 22. November 1981, Nr. 10, wo besonders von der Inkulturation „im Bereich der Ehe und Familie“ die Rede ist: AAS 74 (1982) 91. 95 Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben, Evangelii nuntiandi, Nr. 63-65: a. a. O., 53-55. 96II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 17. 97 Paul VI., Ansprache an die Teilnehmer am Symposion der afrikanischen Bischöfe in Kampala, 31. Juli 1969, 2: AAS 61 (1969) 577. 98 Paul VI., Ansprache bei der Eröffnung der II. Sitzungsperiode des H. Vatikanischen Konzils, 29. September 1963: AAS 55 (1963) 858; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, Nostra aetate, Nr. 2; Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 16; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 9; Paul VI., Apostol. Schreiben, Evangelii nuntiandi, Nr. 53: a. a. O., 41f. 99 Vgl. Paul VI., Enzyklika Ecclesiam suam, 6. August 1964: AAS 56 (1964) 609-659; II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, Nostra aetate', Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 11.41. - Sekretariat für die Nichtchristen, Die Haltung der Kirche gegenüber den Anhängern anderer Religionen - Überlegungen und Richtlinien zu Dialog und Mission, 4. September 1984: AAS 16 (1984) 816-828. 100 Brief an die Bischöfe Asiens anläßlich der 5. Vollversammlung der Vereinigung ihrer Bischofskonferenzen, 23. Juni 1990, 4: L’Osservatore Romano, 18. Juli 1990. 101II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 14; vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 7. 102II. Vatikanisches Konzil, Dekret über den Ökumenismus, Uhifaü's redintegratio, Nr. 3; vgl. Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 7. 103 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptorhominis, Nr. 12: a. a. O., 279. 104 n. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 11.15. 105II. Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, Nostra aetate, Nr. 2. 106 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben, Christiüdeles laici, Nr. 35: a. a. O., 458. 107 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 41. 108 Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, 30. Dezember 1987, Nr. 41: AAS 80 (1988) 570f. 109 Dokumente derll. Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe inPuebla, (1979), 3760, 1145. 110 Ansprache an die Priester und Ordensleute in Jakarta, 10. Oktober 1989, 5: L’Osservatore Romano, 11. Oktober 1989. 1,1 Vgl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, Nr. 14-21; 40-42: a. a. O., 264-268, 277f.; Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 27-41: a. a. O., 547-572. 112 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 28: a. a. O., 548-550. 113 Vgl. Ebd., Kap. IV, 27-34: a. a. O., 547-560; Paul VI., Enzyklika Populorum progressio, Nr. 19-21. 41-42: a. a. O., 266-268, 177f. 114 Ansprache an die Bewohner des Elendsviertels Vidigal in Rio de Janeiro, 2. Juli 1980, 4: AAS 72 (1980) 854. 115 Dokumente der UI. Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla, (1979), 3757,1142. 116 Isaak von Stella, PiedigfM: PL 194,1793. 117II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 20. 1,8 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben, Christißdeles laici, Nr. 35: a. a. O., 458. 119 Vgl. n. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 38. 120 Ansprache an die Mitglieder des Hl. Kollegiums und an alle Mitarbeiter der Römischen Kurie, der Vatikanstadt und des Vikariats von Rom, 28. Juni 1980, 10: Insegnamenti Ul, 1,1980,1887. 1225 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 121II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 23. 122 Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 38. 123 Ebd., Nr. 29. 124 Vgl. ebd., Nr. 38. 125 Ebd., Nr. 30. 126 Dokumente der III. Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla, (1979), 2941 368. 127 Vgl. Hl. Kongregation für den Klerus, Direktive für die Förderung der gegenseitigen Zusammenarbeit der Teilkirchen und insbesondere für die geeignetere Verteilung des Klerus, Postguam Apostoli, 25. März 1980: AAS 12 (1980) 343-364. 128 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Kap. IV, Nr. 23-27. 125 Ebd., Nr. 23. 130 Ebd 131 Ebd, Nr. 23.27. 132 Vgl. Hl. Kongregation für die Ordensleute und die Säkularinstitute und Hl. Kongregation für die Bischöfe, Direkti-ven für die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Bischöfen und den Ordensleuten in der Kirche, Mutuae relationes, 14. Mai 1978,14 b:AA?70 (1978) 482; vgl. Nr. 28: a. a. O., 490. 133 n. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 27. 134II. Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester, Presbyteromm ordinis, Nr. 10; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 39. 135II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Ausbildung der Priester, Optatam totius, Nr. 20. Vgl. „Guide de vie pasto-rale pour les pretres diocesains des Eglises qui dependent de La Congregation Pour l’Evangelisation des Peuples“, Rom 1989. 136 Ansprache an die Teilnehmerder Vollversammlung der Kongregation für die Evangelisierung der Völker, 14. April 1989,4: AAS 81 (1989) 1140. ]37 Botschaft zum Weltmissionssonntag 1982: Insegnamenti V/2, (1982), 1879; dt., DAS, 1982, S. 1396-1402. 138 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 38; Hl. Kongregation für den Klerus, Direktive Postguam Apostoli, Nr. 24-25: a. a. O., 361. 139 Vgl. Hl. Kongregation für den Klerus, Direktive Postguam Apostoli, Nr. 29: a. a. O., 362f.; II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 20. 140 Vgl. CIC,c. 783. 141II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 40. 142 Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 69: a. a. O., 58f. 143 Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Mulieris dignitatem, 15. August 1988, Nr. 20: AAS 80 (1988) 1703. 144 Vgl. Pius XII., Enzyklika Evangeliipraecones: a. a. O., 510ff.; Enzyklika Fidei donum: a. a. O., 228ff.; Johannes XXIII., Enzyklika Princeps Pastorum: a. a. O., 855ff.; Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 70-73: a. a. O., 59-63. 145 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben ChnstiEdeles laici, Nr. 35: a. a. O., 457. 146 Vgl. Pius XII., Enzyklika Evangelii praecones: a. a. O., 510-514. 147 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 17.33. 148 Vgl. n. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 35-36.41. 149 Nachsynodales Apostol. Schreiben ChristiEdeles laici, Nr. 14: a. a. O., 410. 150 CIC, c. 225 § 1; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuositatem, Nr. 6.13. 153II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 31; vgl. CIC, c. 225 § 2. 352 Paul VI., Apostol. Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 70: a. a. O., 60. 153 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben ChristiEdeles laici, Nr. 35: a. a. O., 458. 154II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 17. 355 Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Catechesi tradendae, Nr. 66: a. a. O., 1331. 356 Vgl. can. 785,1. 157II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 17. 158 Vgl. Vollversammlung der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 1969 zum Thema „Katecheten“ und die entsprechende „Instruktion“ vom April 1970: BibliograEa missionaria 34, 1970, 197-212, und Sacra Congregatio de Propaganda Fidei Memoria Rerum, IH/2,1976, 821-831. 359 II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 28. 1226 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 160 Johannes Paul II., Apostol. Konstitution PastorBonus, 28. Juni 1988, 85: AAS 80 (1988) 881; vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 29. 161II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 29; vgl. Johannes Paul II., Apostol. Konstitution Pastor Bonus, 86: a. a. O., 882. 162II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 31. 163 Vgl. ebd., Nr. 33. 164 Vgl. Paul VI:, Motu proprio Ecclesiae Sanctae, 6. August 1966, n, 43: AAS 58 (1966) 782. 165 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, Nr. 34; Paul VI., Motu proprio Ecclesiae Sanctae, III, 22; a. a. O., 787. 166II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 35; vgl. CIC, cc. 211. 781. 167 Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio, Nr. 54: a. a. O., 147 168 Vgl. Paul VI., Apostol. Schreiben Graves et increscentes, 5. September 1966: AAS 58 (1966) 750-756. 169 P. Manna, Le nostre „Chiese“ e Lla propagazione del Vangelo, Trentola Ducenta 1952, S. 35. 170II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 38. 171 Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 13. 172II. Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche, Ad gentes, Nr. 24. 173II. Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, Nr. 14. 174 Johannes Paul II., Nachsynodales Apostol. Schreiben Christißdeles laici, Nr. 17: a. a. O., 419. 175II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen Gentium, Nr. 1. 176 Vgl. Ansprache an die Vollversammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM) in Port-au-Prince, 9. März 1983: AAS 15 (1983) 771-779; dt., DAS, 1983, S. 378-386; Predigt zur Eröffnung der vom CELAM vorgesehenen neunjährigen Vorbereitungszeit auf das 500-Jahr-Jubiläum der Evangelisierung Lateinamerikas in Santo Domingo, 12. Oktober 1984: Insegnamenti VII/2, 1984, 885-897; dt. in DAS, 1984, S. 821-831. 177 Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris Mater, 25. März 1987, Nr. 2: AAS 79 (1987) 362f. 178 Ebd., Nr. 22: a. a. O., 390. 1227 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Gnade ist stärker als die Sünde Predigt bei der Messe in Santa Maria Maggiore am Fest der Unbefleckten Empfängnis Marias, 8. Dezember 1. Die Liturgiefeier am Fest der Unbefleckten Empfängnis führt uns alljährlich zurück an den Beginn der menschlichen Geschichte. Wir lesen diesen Beginn im Buch Genesis. Es gibt keine andere Quelle, die so unmittelbar darüber spricht. Der Text des Buches spricht von einem „Sich-öffnen der Augen“, durch das der Mensch - Mann und Frau - seine Sünde erkannte: die Erbsünde. Die Sünde brachte Scham mit sich, das Bedürfnis, sich zu verstecken, sich sozusagen vor den Augen Gottes zu verhüllen. Sie brachte auch die Scham voreinander mit sich: das ursprüngliche gegenseitige persönliche Vertrauen - des Mannes zur Frau und der Frau zum Mann - ist unversehens geschwunden. An seine Stelle trat die Furcht vor dem anderen Menschen; Fremdheit, Feindseligkeit stellten sich ein. Mit dieser dramatischen Beschreibung eröffnet das Buch Genesis den Blick in die Zukunft. Eine Zukunft, die vom Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen gekennzeichnet sein wird. Ein Kampf, gezeichnet von der „Feindschaft“ zwischen dem Fürsten der Finsternis (unter dem Bild der alten Schlange), der Frau und dem, der von ihr geboren wird. 2. Die Liturgie von der Unbefleckten Empfängnis führt uns noch weiter. Sie beschränkt sich nicht darauf, den Anfang der menschlichen Geschichte auf Erden zu betrachten, sondern sie wendet sich auch hin zu jenem „Flimmel“, wo Gott, der Vater, „uns erwählt hat in Christus vor Erschaffung der Welt“ (vgl. Eph 1,3-4). Diese Erwählung in Gott ist ewig. Sie ging der Erschaffung der Welt und des Menschen voraus. Sie gehört zu dem ewigen dreifältigen Geheimnis Gottes selbst. „Er hat uns erwählt vor Erschaffung der Welt ... hat uns im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus ... nach seinem gnädigen Willen ... zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn“ (Eph 1,4-6). Sehr ausdrucksstark sind diese Sätze aus dem Brief an die Epheser. Sie sprechen von der Erwählung des Menschen und von seiner Berufung zur Teilnahme am Leben Gottes durch Christus. Sie beziehen sich auf die anfängliche Gnade unserer Kindschaft in Gott. 3. Diese Erwählung in Gott ist ewig. Sie ist der Erschaffung der Welt und des Menschen vorausgegangen; sie ist der Sünde vorausgegangen. Die neue Erwählung des Menschen in Christus erklärt jene „Feindschaft“, die im Buch Genesis vorausverkündet wird. Diese „Feindschaft“ bedeutet, daß Gott sich angesichts der Sünde nicht zurückzieht, die der Fürst der Finsternis ins Herz des Menschen und in seine Geschichte hineingebracht hat. Die Liebe, das heißt: die Gnade ist stärker als die Sünde. Sie wird immer mächtiger sein. Das Kreuz Christus wird zu einem Maß dieser Macht: das Erlösungsopfer für die Sünde des Menschen in der universalen Dimension dieses Opfers. Durch diese „Feindschaft“ aber stellt Christus, der Sohn der Frau, die Gnade der Freundschaft mit Gott wieder her. So kann der Mensch herauskommen aus dem „Versteck“ der Sünde „an das Licht“ der durch Gott vollzogenen Annahme an Kindes Statt. 1228 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Auf diese Weise führt uns die Liturgie von der Unbefleckten Empfängnis in gewissem Sinn zur Wirklichkeit des Advents; ja sie führt uns sogar in seine ganze Fülle ein. Mit der endgültigen Verheißung, daß der Advent sich verwirklicht, wird die ursprüngliche „Feindschaft“ überwunden. Die „Magd des Herrn“ tritt in den Blick (vgl. Lk 1,38). Gerade davon spricht heute das Lukasevangelium. Der Bote, der die Geburt Christi verkündet, kommt nach Nazaret zu der Jungfrau mit Namen Maria und sagt zu ihr: „Sei gegrüßt, du Gnadenvolle, der Herr ist mit dir.“ Und er fährt fort: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben.“ „Jesus“ heißt: „Gott rettet.“ Der Sohn Marias ist der Retter der Welt. In Ihm und durch Ihn, kraft seines Kreuzesopfers werden die ewige Erwählung und die Gnade mächtiger als die Sünde. Die Kirche lehrt, daß die Gnade in der Mutter Gottes schon im voraus, in Voraussicht der Erlösungstat des Sohnes, wirksam geworden ist. In ihr ist diese Erlösung dem Erbe der Sünde vorausgegangen: sie ist unbefleckt von ihrem ersten Augenblick an; sie ist unbefleckt, damit Gott in ihr alles vollbringen könne „nach seinem gnädigen Willen“ (vgl. Eph 1,6). Das alles lehrt die Kirche in Anbetung des Geheimnisses der Mutter und des Sohnes, des Geheimnisses der Erlösung. In diesem Licht wollen wir den 25. Jahrestag des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Ökumenischen Konzils begehen. Dieser Abschluß fand genau am Fest der Immakulata 1965 statt. Wir wollen Gott noch einmal danken für das Gute, das aus diesem außergewöhnlichen Ereignis hervorgegangen ist. Es hat dazu beigetragen, die Kirche zu bereichern mit bedeutenden Hinweisen für die Pastoral, mit vermehrten Energien, um unaufhörlich den apostolischen Auftrag zu erfüllen, die Menschen zum Heil zu führen, und mit neuen Hoffnungen für das Wachstum des Gottesreiches in der heutigen Welt. Es hat sich um ein von der Vorsehung Gottes herbeigeführtes Ereignis gehandelt; um ein neues Pfingsten, das für die Kirche weiterhin Früchte innerer Erneuerung bringt, damit sie mit vermehrten Schwung auf die großen Erwartungen der Menschheit antworten kann. 5. Auch aus diesem Grund freut sich die Kirche heute und singt mit den Wortes des Psalms: „Der Herr hat sein Heil bekannt gemacht... Er dachte an seine Huld und an seine Treue ... Alle Enden der Erde sahen das Heil unseres Gottes“ (Ps 97/98, 2-3). Ja, sie sahen es! Denn die Augen des Glaubens haben sich aufs neue aufgetan. “Jauchzt vor dem Herrn alle Länder der Erde, freut euch, jubelt und singt!“ (Ps 97/98,4). Das ist die Freude des Advents Gottes. Amen. 1229 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gib uns einen neuen Hunger nach Gott Gebet vor der Mariensäule am Spanischen Platz am 8. Dezember 1. Ave Maria! Ich grüße dich, du Gnadenvolle, der Herr ist mit dir. Ich grüße dich ... du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären ... Er wird Sohn des Höchsten genannt werden. Der Heilige Geist wird über dich kommen; deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden (vgl. Lk 1,28.31-32.35). Ave Maria! Diese Worte ertönen jedes Jahr hier im Zentrum Roms, auf dem Spanischen Platz, am Fuß des Hügels, den die der Heiligsten Dreifaltigkeit geweihte Kirche krönt: Trinita dei Monti. Damit bringen wir der Immakulata unsere Huldigung dar. 2. Es sind Worte, die ein unerforschliches Geheimnis in sich bergen: das Geheimnis Gottes, der Einheit in Dreifaltigkeit ist: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Die Worte verhüllen das Geheimnis und zugleich enthüllen sie es. Nur sie, die Gnadenvolle, die Immakulata, vermag das unauslotbare Geheimnis Gottes aufzunehmen, fähig, es in der Tiefe ihres Frauenherzens zu erfüllen. Hat sie nicht in diesem Geheimnis gelebt, noch ehe der Bote es enthüllte? Hatte sie nicht seit Anbeginn Anteil an ihm durch die Gnade der Unbefleckten Empfängnis, durch ein einzigartiges göttliches Privileg? 3. Maria voll Demut! Maria, zu der die Fülle der Offenbarung gekommen ist, Maria, der Gott selbst sein Geheimnis anvertraut hat und seine Heilsabsicht über den Menschen, erlange uns, den Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts, den Einwohnern Roms und den Fremden, die aus aller Welt kommen, ein neues Gefühl für die großen Dinge Gottes! Erleuchte die Augen unseres Herzens (vgl. Eph 1,18), damit wir die Wahrheit des Wortes begreifen, das Mensch geworden ist und unter uns wohnt! (vgl. Joh 1,14). 4. Erlange unseren menschlichen Herzen, die vom Reichtum der geschaffenen Welt verführt und von den zeitlichen und vergänglichen Dingen in Besitz genommen sind, einen neuen Hunger nach Gott, damit unsere irdische Existenz nicht im Dunkeln versinkt, und damit wir immer wieder das Licht finden, das Licht des Lebens, das keinen Untergang kennt, und das in dir empfangen wurde; jenes Licht, das in die Welt gekommen ist, das aber die Seinen nicht aufnahmen (vgl. Joh 1,11). Gib uns, daß wir es beständig aufnehmen im Geheimnis deines Sohnes, des Ewigen Wortes, in Jesus Christus, den Erlöser der Welt. Amen. 1230 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Alle sind in Wahrheit Brüder und Schwestern Predigt bei der Heiligsprechung von Marguerite d’ Youville am 9. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!“ (Mk 1,3). Wir stehen bereits im Herzen des Advents. Der prophetische Ruf des Alten Bundes, die Worte des großen Jesaja, klingen heute am Jordan wider: „Ebnet die Straßen.“ „Johannes der Täufer trat... auf und verkündigte Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden“ (Mk 1,4). Im Advent hört die Gemeinschaft der Christen erneut die Aufforderung des Johannes zur Bekehrungstaufe, die „die Taufe im Heiligen Geist“ (Mk 1,8) als schon nahe ankündigte. „Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren“ (Mk 1,7). Die Kirche wendet sich diesen Worten nicht so zu, als wären sie lediglich Worte der Vergangenheit und Geschichte: sie lebt sie in ihrer vollen Aktualität. Der Advent ist eine wesentliche Dimension ihres Lebens zu jeder Zeit. Und so erstehen aus diesem immerwährenden kirchlichen Advent die Heiligen, die in jeder neuen Epoche und in immer neuen Situationen „dem Herrn den Weg bereiten“ und „ihm die Straßen (des menschlichen Lebens) ebnen“ (vgl. Mk 1,3). In französischer Sprache sagte der Papst: 2. Den Weg des Herrn ebnen, das bedeutet für Jesaja jenem den Weg öffnen, der kommt, um zu befreien, zu heilen und zu retten. Die erste Lesung hat uns den dringenden Aufruf vernehmen lassen: „Tröstet, ja tröstet mein Volk.“ Historisch betrachtet, verkündigte der Prophet den Trost Israels durch die Befreiung aus einem Reich, in welchem es in Gefangenschaft lebte. Heute betrachten wir die Wahrheit dieser göttlichen Worte, da sie Ohr und Geist einer Frau treffen, die für den Anruf Gottes offen war. Marguerite d’ Youville steht vor uns als eine Frau, die den Herrn sagen hörte: „Tröste mein Volk“, „bereite mir den Weg auf der Suche nach den Allerärmsten, deren Leben eine lange Kette von Leiden ohne Ende ist.“ Und sie weiht sich als junge Witwe dem ausschließlichen Dienst der Armen von Montreal. Nach dem Bild ihres Herrn, der „seine Herde sammelt, die Lämmer auf dem Arm trägt und die Mutterschafe behutsam führt“ (Jes 40,11), fühlt sie sich vom strahlenden Licht der Liebe des Vaters erfaßt. Sie schart Gefährtinnen um sich, die sich mit vereinten Kräften bemühen, diese Liebe erneut den Kleinen und Armen zu schenken. Mit ihrer „Mutter der universalen Liebe“ erkennen die Grauen Schwestern „Christus in der Person der Armen“. Sie „hegen für sie alle nur mögliche Achtung und dienen ihnen mit Freude“ (vgl. Regel der Grauen Schwestern). „Tröstet, ja tröstet mein Volk.“ 3. „Es begegnen einander Huld und Treue, Gerechtigkeit und Friede küssen sich“ (Ps 85,11). Die hl. Marguerite d’ Youville bietet uns im Advent der Kirche mit allen Heiligen ein Bild der neuen Welt, in der Liebe und Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden herrschen. Der hl. Petrus spricht es aus: „Wir erwarten, seiner Verheißung gemäß, einen neuen Himmel und 1231 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt“ (2 Petr 3,13). In ihrer täglichen Hingabe schenkt Marguerite den Hilflosen ein wenig von dieser Neuheit: eine Gemeinschaft der Liebe, in der die Kleinen geachtet werden, weil der Herr ihnen nahe, weil er in ihren Herzen gegenwärtig ist. Was die Heiligen angeht, die wir ehren, so ist es die täglich geübte konkrete Liebe, die die Gerechtigkeit im Sinne Gottes triumphieren läßt und die Präsenz der neuen Welt offenbart: „Sein Heil ist denen nahe, die ihn fürchten. Seine Herrlichkeit wohne in unserem Land“ (Ps 85,10). 4. Es gibt freilich Stunden, in denen das Heil recht fern zu sein scheint. Das Licht Gottes, der rettenden Liebe, wird vom Dunkel des Widerspruchs verhüllt. Das von Marguerite unternommene Werk wurde mehrfach durch die Natur oder durch die Menschen behindert. Um dahin zu wirken, daß die neue Welt der Gerechtigkeit und Liebe näher käme, mußten lange und dunkle Kämpfe durchgestanden werden. Die Gründerin der Grauen Schwestern gibt uns ein großartiges Beispiel: sie wußte diese Täuschungen zu überwinden und das Leid auf sich zu nehmen und als Kreuz mit Christus zu tragen. Marguerite vertraute sich den Händen der Vorsehung an und ging ihren Weg in Hoffnung weiter. Das Vertrauen gab sie niemals auf. Sie nahm aus allen Kräften ihre Aufgabe wieder auf, setzte all ihre Geschicklichkeit ein und kümmerte sich nicht um den äußeren Anschein. Denn im verborgenen Geheimnis der Prüfung wußte sie immer die Gegenwart des Erlösers zu spüren, der kommt; die Präsenz der Barmherzigkeit des treuen Gottes, des eigentlichen Herrn der Geschichte. Marguerite wußte, daß das Heil denen nahe war, die den Herrn fürchten. Auch in den finstersten Stunden sah sie das Licht Gottes aufscheinen. In englischer Sprache sagte der Papst: 5. Marguerite legte ihr Leben gänzlich in die Hände Gottes, des Schöpfers. Tag für Tag war sie im Geist eines tiefen Vertrauens darauf bedacht, „sich selbst mit Jesus unserem himmlischen Vater hinzuopfern“. Sie hatte den Sinn der Mahnung des hl. Petrus verstanden: „Ihr müßt heilig und fromm leben, den Tag Gottes erwarten und seine Ankunft beschleunigen“ (2 Petr 3,11-12). In Gott sah Marguerite den Vater, der „die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (vgl. Joh 3,16). In Vereinigung mit Unserer Lieben Frau von der Vorsehung, wie sie die Mutter des Erlösers nannte, wollte sie betend das Geheimnis von Gottes universaler Vaterschaft betrachten; sie kam zur Einsicht, daß alle Männer und Frauen in Wahrheit Brüder und Schwestern sind und daß ihr himmlischer Vater nie aufhören würde, ihnen nahe zu sein, und daß diese Liebe sie zu einem Leben aktiven Dienstes für andere aufrief. 6. Wir danken Gott für die Gestalt, die er uns an diesem Morgen vor Augen gestellt hat. Ja, wir danken ihm. Zum ersten Mal in der Geschichte wurde eine Frau kanadischer Abstammung in das Buch der Heiligen eingeschrieben, die die Kirche zur Ehre der Altäre erhoben hat. Doch diese irdische Auszeichnung ist nur ein Widerschein der Herrlichkeit, die sie im Himmel besitzt. Die Heiligen offenbaren die Herrlichkeit des Herrn, denn ihr Blick ist auf die Menschen gerichtet, weil er auf Gott ruht (vgl. Jes 40,5). 1232 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und Marguerites Heiligkeit bringt weiter Frucht für ihre Töchter, die Grauen Schwestern, die ihr Werk der Liebe zu allen im Geist der Hingabe an die göttliche Vorsehung weiterführen. Möge die heilige Marguerite d’ Youville ihnen durch ihre Fürbitte helfen und sie auf die Wege der Heiligkeit führen! In italienischer Sprache sagte der Papst: Dies ist das Werk der Heiligen, in außerordentlicher Weise mit den Menschen verbunden, denen sie dienten, indem sie das größte Gebot des Bundes und des Evangeliums in die Praxis umgesetzt haben. Zugleich „ist ihre Hoffnung voll Unsterblichkeit“ (Weish 3,4). Sie trugen den lebendigen und ständigen Advent der Kirche in sich. „Sie erwarteten das Kommen des Tages Gottes und beschleunigten seine Ankunft“ (vgl. 2 Petr 3,12). Auch wir warten mit ihnen. Wir erwarten - gemäß seiner Verheißung - „einen neuen Himmel und eine neue Erde, in denen die Gerechtigkeit wohnt“ (2 Petr 3,13). Wir warten. „Wir bereiten dem Herrn den Weg“ (Mk 1,3) in uns selbst und unter den Menschen. „Wir ebnen für ihn die Pfade“ (vgl. Mk 1,3). Möge der große Advent der Kirche in uns Raum finden: tiefen und weiten Raum. Damit „alle Menschen das Heil sehen können, das von Gott kommt“ (vgl. Lk 3,6). Menschenbild, aus christlicher Sicht in Glaube und Wissenschaft Predigt bei der Eucharistiefeier für Professoren, Studenten und Personal der römischen Universitäten am 13. Dezember 1. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Jesus spricht mit Nikodemus. Der Gesprächspartner Jesu ist ein Kenner der Heiligen Schrift und ein Mann mit edlem Herzen. Er lebt aus dem Glauben Israels, und daher lebt er im Warten auf das Eintreffen der Verheißung, von der die Schriften - Mose und die Propheten -sprechen. Jesus spricht mit Nikodemus. Er sagt ihm, daß der Advent des Alten Bundes seine Erfüllung gefunden hat. Aus der Verheißung ist die Wahrheit hervorgegangen. An die Stelle der verhüllten Vorausschau in die Zukunft ist die Wirklichkeit getreten. Diese Wirklichkeit ist der Sohn, den der Vater in die Welt gesandt hat. Gott ist der Vater. Israel hat an die Vaterschaft Gottes geglaubt, es hat sie im Lauf seiner Geschichte erfahren. Gerade darum hat es im Warten auf die Verwirklichung der Verheißungen ausgeharrt. Die ganze Adventszeit ist durchwoben vom Glauben Israels und seinen Erwartungen. Man braucht in diesem Zeitabschnitt nur der täglichen Liturgie zu folgen, um einen Beweis dafür zu haben. Vor allem das Alte Testament ist in ihr lebendig: Durch die Lesung des Jesaja und anderer prophetischen Schrif- 1233 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten gelangen wir bis an die Schwelle deren Erfüllung mit der Gestalt Johannes’ des Täufers am Jordan. 2. Im nächtlichen Gespräch mit Nikodemus erklärt Jesus, wie der Advent des Alten Testamentes bereits seine Erfüllung gefunden hat. Diese Erfüllung ist der Sohn, der einzige Sohn, den der Vater hingegeben hat. Diese Worte bedeuten für den Menschen des Alten Bundes eine absolute Neuheit. In ihnen ist der Kem des Neuen Bundes enthalten, an den sich das religiöse Denken des Nikodemus, Israels und der ganzen Menschheit nur schwer wird gewöhnen können. Er wird auf verschiedene Widerstände stoßen, wenn Christus in der Erfüllung seiner messianischen Sendung inmitten des Volkes sich auf die Verheißungen der Propheten beziehen wird. Dieses Neue - nämlich der einzige Sohn, der Sohn, der eines Wesens mit dem Vater ist und als Mensch, als Sohn der Jungfrau Maria aus Nazaret, empfangen ist durch den Heiligen Geist -, dieses Neue begegnet weiterhin Widerständen. Nicht nur aufgrund eines gewissen religiösen Agnostizismus oder sogar mancher atheistischen Einstellungen des Westens, sondern auch in verschiedenen Traditionen des religiösen Denkens im Osten stößt es auf Widerstand. Die Verwirklichung des ersten Advents ist eine Offenbarung des Geheimnisses Gottes, das über die Wege menschlichen Denkens hinausgeht: auch des menschlichen Denkens über Gott, des Denkens, das sich nur von geistiger Speise nähren will. 3. Das Wesentliche in der Erfüllung des ersten Advents, des Advents des Alten Bundes, kommt beim Gespräch mit Nikodemus in den letzten Worten Jesu zum Ausdruck: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“ (Joh 3,17). Die Sendung des Sohnes ist ein reines Geschenk. In ihm wird Gott in seinem dreifältigen Geheimnis zum Geschenk für den Menschen. Er hat „seinen einzigen Sohn hingegeben“. Und dieses Geschenk begründet das „ewige Leben“. Dieses Geschenk hat Heilsbedeutung. Durch dieses Geschenk wird der Mensch zum Teilhaber am absoluten Gut. Nicht die Welt und nicht das Geschaffene ist ein solches Gut, sondern Gott allein. Der in Christus zur Erfüllung gekommene Advent bildet in der Geschichte der Menschheit die Heilswirklichkeit. Die Wirklichkeit des Heils, das von Gott kommt: „Euer Gott... wird kommen und euch erretten“ (Jes 35,4). Diese Wirklichkeit findet ihre Entsprechung in der Gestaltung des menschlichen Geistes. Alles, was der Mensch ersehnt, ist letzten Endes auf das absolute Gut hin ausgerichtet. „Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir“ (Bekenntnisse 1,1), ruft Augustinus aus. Das Evangelium bestätigt diese grundlegende Ausrichtung des menschlichen Geistes. Es bestätigt sie, indem es die Wahrheit über das Heil enthüllt, das der einzige Sohn für den Menschen ist. 4. Im allgemeinen bildet das Motiv der Erlösung das Zentrum der fernöstlichen Religionen, die geschichtlich älter sind als das Christentum. In ihnen wird ganz radikal die Tatsache hervorgehoben, daß die geschaffene Welt für den Menschen nicht Quelle des Heils sein kann. Jedes Hängen an Geschaffenem bildet eine Quelle des Bösen und des Leidens. Das 1234 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heils besteht also in der radikalen Befreiung des Menschen von einem solchen Hängen an den Dingen. Es könnte den Anschein haben, als ob das soteriologische Motiv diese Traditionen in die Nähe des Christentums rücke. Aber die Erfahrung von Jahrtausenden zeigt, daß die Annäherung schwierig ist. Das Unterscheidungskriterium scheint die Wahrheit über den Gott zu sein, der die Welt geliebt hat. Christus wird von vielen Denkern des Ostens bewundert, jedoch scheint es der Tradition soteriologischen Denkens unmöglich zu sein, anzunehmen, daß Gott sich selbst „hingeben“ könne, daß er sich im Sohn, der in die Welt kommt, zum Geschenk machen könne. 5. Mit dem Kommen des Sohnes hat sich der Advent des Neuen Bundes, des Ewigen Bundes, aufgetan. Dieser Bund hat weder eine eigene Erfüllung, noch eine zeitliche Dimension, noch eine menschliche Geschichte. Es ist der eschatologische Bund, der seine Erfüllung in Gott selbst hat, die „ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ (Röm 5,5). Der Geist ist uns kraft des Opfers Christi gegeben worden. Er ist der „Paraklet“, in dem dieses Erlösungsopfer Frucht trägt für das ewige Leben, für das Heil, durch die Teilhabe am Geheimnis Gottes, der erkannt wird „von Angesicht zu Angesicht“ (vgl. 1 Kor 13,12). Dieses Kennen „von Angesicht zu Angesicht“ ist die endgültige Adventserfüllung des Neuen Bundes. Es ist jenes „Haus“, das die ewige Weisheit sich - nach den Worten der heutigen Liturgiefeier — gebaut hat (vgl. Spr 9,1). Es bringt endgültiges Glück, denn es ist von Liebe erfüllt: von einer reifen Liebe, die ihre innere Dimension vom Tröstergeist empfangen hat, vom Geist, der „alles ergründet, auch die Tiefen Gottes“ (1 Kor 2,10). Und hier, in unserem zeitlichen Leben, tritt der Geist Christi „für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können“ (Röm 8,26), andernfalls hielten wir nicht das Heilsverlangen nach Gott in uns wach, ja wir würden es ersticken. 6. Mit diesen Gedanken im Herzen möchte ich euch allen meinen herzlichen Gruß sagen, Dozenten, Studenten und Mitarbeiter im technischen und administrativen Dienst der römischen Universitäten. Ich freue mich, daß ich in dieser Zusammenkunft die „Universitas magi-strorum et scholarium“ so glücklich verwirklicht sehe: eine echte Gemeinschaft in der Verantwortung und Freude, die Wahrheit zu suchen, zu finden und in allen Wissensbereichen weiterzugeben. Forschung und Bildung können den Durst nach Gott und nach seinem Heil wachrufen und vertiefen, aber sie können diese im Menschen liegende Bestrebung auch blockieren oder ersticken. Man muß sich davor hüten, den Bereich des Wissens auf das zu beschränken, was experimentell erforschbar und meßbar ist, die Werte der Güte, der Schönheit, der Liebe und der Geistigkeit aber zu vernachlässigen und die fundamentalen Fragen über den Sinn des Lebens und der Geschichte auszuklammern, wo doch heute die Wissenschaft selbst immer mehr ihre Grenzen gewahrt und feststellt, daß das Geheimnis des Menschen und des Kosmos unlösbar ist. Anderseits bewirken die zunehmende Spezialisierung und Aufsplitterung der wissenschaftlichen Disziplinen eine gewisse Kommunikationsbehinderung zwischen den einzelnen Wis- 1235 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN senschaften und verunmöglichen eine globale Sicht des Menschen. Darüberhinaus führt die Verbindung von Wissenschaft und Technik in einer Gesellschaft, die die Produktion überbewertet, dazu, daß man den humanen Disziplinen und ihrer Symbolsprache, die einen Weg zur Transzendenz bildet, einen zu geringen Wert beimißt. Eine stärkere Verbindung unter den verschiedenen Disziplinen und eine betonte Vertiefung der Human Wissenschaften können diese Schranken überwinden helfen, welche das Erfassen des Menschen nach seinen geistigen, ethischen und transzendenten Werten behindern. Der Einsatz der Glaubenden, die an den Universitäten studieren, muß das Wissen auf die Zentralität des Menschen und auf die grundlegende Frage hin orientieren: „ob der Mensch einzig in sich selbst, in seinen eigenen Mitteln, in der Gesellschaft und im Kosmos Hoffnung findet, oder ob er auf das vertrauen kann, was ein göttliches Wort wirkt“. (Ständiger Rat der Italienischen Bischofskonferenz, Schreiben über einige Probleme der Universität und der Kulturin Italien, 4). Liebe Dozenten und Studenten, ich weiß um das Mißbehagen und die Schwierigkeiten, die sich vor allem in den letzten Monaten an den italienischen Universitäten, insbesondere an denen Roms, gezeigt haben. Ich habe den Wunsch, daß sich durch geeignete Vorkehrungen günstige Voraussetzungen schaffen lassen, damit jene Gemeinschaft des Forschens verwirklicht wird, die zu einem fruchtbaren Dialog zwischen den Disziplinen und angesichts der Dringlichkeit der grundlegenden Fragen über den Menschen und seine Bestimmung so notwendig ist. Zu diesem Zweck müssen die Glaubenden an den Universitäten Zusammenarbeiten, um Raum für Begegnung, Reflektion und Gebet ausfindig zu machen; und die Vereinigungen und Bewegungen, die es im akademischen Bereich gibt, sollen gemeinschaftlich unter der Führung des Bischofs handeln, um ihren Glauben zu bezeugen und jenes Licht auszustrahlen, das Christus dem anbietet, der zum Wohl des Menschen die Wahrheit sucht. 7. Die Suche der Wahrheit ist das erste und grundlegende Verlangen des Menschen. Sie ist das edelste Bemühen der großen Intellektuellen jeder Zeit gewesen. Sie war die innige Leidenschaft des Nikodemus, des nächtlichen Gesprächspartners Jesu über das Problem des ewigen Heiles. Auch die Wahrheit des Advent fügt sich in diese umfassende Problematik ein und gibt uns die Antwort Gottes. Diese Wahrheit kann im Menschen und in den einzelnen Epochen, in denen er lebt, bedroht werden. Ja die Frage selbst kann in Gefahr kommen. Manchmal erkennt der Mensch nicht die Notwendigkeit einer solchen Frage. Er ist so von der „Welt“ in Ansprch genommen, daß er die Notwendigkeit einer Liebe, die größer ist als diese Welt, nicht mehr sieht, die Notwendigkeit des Sohnes, den der Vater der Welt und dem Menschen hingegeben hat, „damit er nicht zugrunde geht“. Der Mensch vergißt, daß er sterben kann, obschon die „Welt“ ihn beständig daran erinnert. Darum gehören zur Spiritualität des Advent auch die Worte Christi über das Gericht: „Mit dem Gericht verhält es sich so: Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht; denn ihre Taten waren böse“ (Joh 3,19). Es gibt also dieses strenge Gericht über unsere Werke. Notwendig ist, daß wir eifrig darüber wachen, welche Liebe in uns größer ist: die Liebe zum Licht oder die Liebe zur Finsternis. 1236 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn Christus in der Weihnacht noch einmal ausruft, daß das Licht in die Welt gekommen ist, dann lädt er uns zu solch einem wachsamen Blick ein. Es ist der Blick des heilbringenden Glaubens. „Blickt auf zu ihm, so wird euer Gesicht leuchten, und ihr braucht nicht zu erröten“ (Ps 33/34,6). Und zugleich sagt Christus von der Schwelle des Hauses aus, das die Ewige Weisheit sich in der Geschichte des Menschen erbaut hat, zu uns: „Kommt, eßt von meinem Mahl“ (Spr 9,5). Es ist die Speise ewigen Lebens. Amen. Die Eheleute sind Mitwirkende an Gottes Plan Ansprache bei einem Treffen im Studien- und Forschungszentrum für natürliche Empfängnisregelung an der Katholischen Herz-Jesu-Universität Rom am 14. Dezember Meine Lieben! 1. Herzlich begrüße ich euch und möchte meinen lebhaften Beifall ausdrücken zu der bedeutsamen Initiative, die das Studien- und Forschungszentrum über natürliche Empfängnisregelung an der Katholischen Herz-Jesu-Universität unternommen hat. Der Kurs, an dem ihr teilnehmt, hat das Ziel, Personen auszubilden, die fähig sind, unter den Familien die natürlichen Methoden bekanntzumachen, die eine wirklich verantwortliche Fortpflanzung ermöglichen, so, wie sie mit der Morallehre vereinbar ist, die beständig vom kirchlichen Lehramt vorgelegt wird. Das Ziel dieser Initiative nennen, genügt schon, um die Bedeutung hervorzuheben, die sie in der Sendung der Kirche zugunsten der Familie hat. Im Apostolischen Schreiben Farni-liaiis consortio habe ich die Hirten und Gläubigen hingewiesen auf die Dringlichkeit eines „umfassenderen, entschlosseneren und systematischeren“ Einsatzes dafür, „daß die natürlichen Methoden der Geburtenregelung bekannt, geschätzt und angewandt werden“ (Nr. 35). <822> <822> Die Lehre der Kirche über eine im Leben der Familie und der Gesellschaft so heikle wie dringende Frage wird manchmal mißverstanden und, als unangemessen und einseitig dargestellt, angefochten. Man hält sich auf darüber, daß die Empfängnisverhütung als ein moralisch negativer Akt beurteilt wird, der in seinem Kem unehrlich ist; aber selten bemüht man sich, diese Norm „im Lichte einer ganzheitlichen Schau des Menschen und seiner Berufung, seiner natürlichen und irdischen, wie auch seiner übernatürlichen und ewigen Berufung“ (Humanae vitae, Nr. 7) zu begreifen. Die tiefe Begründung des Verbots „jeder Handlung ... die Verhinderung der Fortpflanzung zum Ziel oder Mittel zum Ziel setzt“ (Humanae vitae, Nr. 14), kann in der Tat nur im Rahmen der Verantwortung für die Liebe und für das Leben verstanden werden. Nur von diesen Werten angeregt, werden die Eheleute es fertigbringen, mit Hilfe der göttlichen Gnade die Schwierigkeiten zu überwinden, die ihnen unvermeidlich begegnen werden, wenn sie in wenig günstigen sozialen Verhältnissen und in einer Umgebung, die von leichtlebiger Genußsucht gezeichnet ist, einem Weg zu folgen suchen, der mit dem Willen des Herrn übereinstimmt. Und auch nur dann, wenn man den christlichen Begriff 1237 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von der „Verantwortung für die Liebe und das Leben“ in seiner Tiefe erfaßt, kann man den „anthropologischen und gleichzeitig moralischen Unterschied ... zwischen der Empfängnisverhütung und dem Rückgriff auf die Zeitwahl“ verstehen (Familiaris consortio, Nr. 32). 3. „Verantwortung für die Liebe und für das Leben!“ Dieser Ausdruck erinnert uns an die Größe, die die Berufung der Eheleute kennzeichnet, die dazu berufen sind, bewußte und freie Mitarbeiter jenes Gottes zu sein, der die Liebe ist, der aus Liebe erschafft und der zur Liebe ruft. Der Begriff „Verantwortlichkeit“ ist also ethisch entscheidend, denn er schließt einerseits die Würde des „Geschenkes“ in sich, das man empfängt, und andererseits den Wert der Freiheit, der es anvertraut ist, damit es fruchtbar wird. Je größer das Geschenk, desto höher ist die Verantwortung dessen, der es frei entgegennimmt. Und welches Geschenk ist auf der natürlichen Ebene größer als die Berufung des Mannes und der Frau, eine treue und unauflösliche Liebe zum Ausdruck zu bringen, die für die Weitergabe des Lebens offen ist? In der ehelichen Liebe und bei der Weitergabe des Lebens darf der Mensch nie seine Würde als Person vergessen, die die Ordnung der Natur auf eine besondere, nicht nur biologische Ebene erhebt. Deshalb lehrt die Kirche, daß die Verantwortung für die Liebe von der Verantwortung für die Weitergabe des Lebens nicht zu trennen ist. Das biologische Phänomen der menschlichen Fortpflanzung weist ja, wie an seinem Anfang die Person steht, so an seinem Ende das Entstehen einer neuen, einzigartigen und unwiederholbaren Person auf, die nach dem Bild und Abbild Gottes gemacht ist. Daraus ergibt sich die Würde des Zeugungsaktes, in welchem die Liebe der Eheleute von Person zu Person ihre Krönung in der neuen Person des Kindes findet. Darum lehrt die Kirche, daß die Offenheit für das Leben in den ehelichen Beziehungen die Echtheit ihrer Liebesbeziehungen schützt und sie vor dem Risiko bewahrt, auf die Ebene eines praktischen Genusses abzusinken. 4. In dieser Verantwortung für die Liebe und für das Leben lädt der Schöpfergott die Eheleute ein, nicht nur passiv Ausführende zu sein, sondern vielmehr „Mitwirkende“ und „gleichsam Interpreten“ seines Plans (Gaudium etspes, Nr. 50). In der Beachtung der von Gott gegebenen objektiven sittlichen Ordnung sind sie unvertretbar zur Unterscheidung der Zeichen aufgerufen, die Gottes Willen hinsichtlich ihrer Familie erkennen lassen. So wird sich im Hinblick auf die körperlichen, wirtschaftlichen, psychologischen und sozialen Bedingungen verantwortliche Elternschaft ausdrücken können „sowohl in dem abgewogenen und großherzigen Entschluß, eine kinderreiche Familie aufzuziehen, als auch in der aus schwerwiegenden Motiven und unter Beobachtung des Sittengesetzes getroffenen Entscheidung, zeitweise oder auf unbegrenzte Zeit die Geburt weiterer Kinder zu vermeiden“ (Humanae vitae, Nr. 10). Die Wissenschaft macht es heute möglich, mit Sicherheit die Perioden der Fruchtbarkeit und die der Unfruchtbarkeit im Organismus der Frau festzustellen. Diese Erkenntnis können sich die Eheleute zu verschiedenen legitimen Zielen nutzbar machen: nicht nur um den Abstand zwischen den Geburten zu vergrößern oder sie zu begrenzen, sondern auch mit dem Ziel, für die Zeugung die unter jedem Gesichtspunkt günstigen Momente zu wählen, oder auch, um im Fall von Schwierigkeiten Perioden mit besseren Aussichten auf Empfängnis ausfindig zu machen. 5. Bei dieser Anwendung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Regelung der Fruchtbarkeit ersetzt die Technik keinesfalls die Aufgabe der Personen, und sie wird auch nicht ange- 1238 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wandt, um die Natur der Beziehungen zu manipulieren, wie es demgegenüber der Fall ist bei der Empfängnisverhütung, bei der man bewußt die vereinigende Bedeutung des Geschlechtsaktes von jener der Fortpflanzung trennt. Im Gegenteil muß sich bei der Anwendung der natürlichen Methoden stets die wissenschaftliche Erkenntnis mit der Selbstbeherrschung verbinden, und wenn beide zusammen geübt werden, dann bewirkt das jene Selbstvervollkommnung, die Tugend ist. Darum kann man sagen, daß die periodische Enthaltsamkeit, die beobachtet wird, um die Fruchtbarkeit auf natürliche Weise zu regeln, vom Menschen eine tiefe Kultur des Herzens und der Liebe verlangt. Sie verlangt die Bereitschaft zum Zuhören, den gegenseitigen Dialog zwischen den Eheleuten, Aufmerksamkeit und Feinfühligkeit für den andern und ständige Selbstbeherrschung: lauter Eigenschaften, die Ausdruck echter Liebe zum Partner sind, so, wie er ist, und nicht, wie man ihn sich wünschen möchte. Die Anwendung der natürlichen Methoden erfordert das persönliche Wachsen der Ehepartner im gemeinsamen Aufbau ihrer Liebe. Dieses innere Verbundensein von Kenntnis und sittlicher Tugend bildet das spezifische Element und das sittlich Unterscheidende bei der Anwendung der natürlichen Methoden. Es ist ein Teil der ganzheitlichen Ausbildung der Lehrenden und der Ehepaare, denen es klar sein muß, daß es sich nicht um einfache „Instruktion“ handelt, losgelöst von den moralischen Werten einer Erziehung zur Liebe. Es läßt schließlich begreifen, daß es nicht möglich ist, die natürlichen Methoden zu praktizieren als eine zulässige Variante der Haltung, die sich dem Leben verschließt, was im wesentlichen der Empfängnisverhütung gleichkäme. Nur wenn grundlegend die Bereitschaft zur Vaterschaft und Mutterschaft vorhanden ist, verstanden als Mitarbeit mit dem Schöpfer, wird die Anwendung der natürlichen Methoden zu einem integrierenden Bestandteil der Verantwortung für die Liebe und das Leben. 6. Die Heilige Schrift enthüllt uns das leuchtende Antlitz Gottes, der „die Liebe“ (1 Joh 4,8) und „Freund des Lebens“ ist (Weish 11,26). Vergeßt nie, auch nicht inmitten von Schwierigkeiten, daß die Arbeit, der ihr euch widmet, liebe Brüder und Schwestern, ein Dienst an der Liebe und am Leben ist zur Unterstützung der Ehepaare, die nach dem Plan Gottes leben wollen. Mit diesem Dienst, der die überzeugte Unterstützung aller Hirten verdient, leistet ihr der Kirche in ihrer Sendung eine wertvolle Hilfe. Gott gewähre euch seinen wirksamen Beistand. Zum Unterpfand dessen erteile ich euch meinen Segen, den ich gern auf eure Familien ausweite, wie auch auf alle Familien, mit denen ihr in Kontakt kommen werdet. 1239 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das kirchliche Lehramt steht im Dienst der Glaubensweitergabe Ansprache zum 25. Jahrestag der Veröffentlichung der dogmatischen Konstitution Dei Verbum am 14. Dezember Eminenz, Exzellenzen, liebe Freunde! 1. Wir feiern heute den 25. Jahrestag der Veröffentlichung der dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung Dei Verum, und wir reisen den Herrn, der die zum Zweiten Vatikanischen Konzil zusammengekommenen Väter geführt hat, „das Wort Gottes ehrfürchtig vernehmend und treu verkündend“ (Nr. 1). Dieses Dokument trug reiche Früchte für die Vertiefüng des Glaubens und der Sendung der Kirche in dieser nachkonziliaren Periode. Die Konzilsväter lehren, daß das ehrfurchtsvolle Vernehmen des Wortes Gottes und sein Verkünden wesentliche Elemente im Leben der Kirche und für die Erfüllung ihrer Sendung sind, „auf daß die ganze Welt die Botschaft des Heiles vernehme und glaube, im Glauben aber zur Hoffnung und in der Hoffnung zur Liebe gelange“ (Nr. 1). 2. Wenn wir auf die Vergangenheit zurückblicken, müssen wir dem Herrn danken, der die Kirche durch seinen Geist zu einer tieferen Kenntnis seines Wortes geführt hat, insbesondere des in den heiligen Schriften vermittelten Wortes, die der Welt seinen geliebten Sohn Jesus Christus, den Retter und Erlöser, offenbaren. Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen erinnerte kürzlich an die wichtigsten Etappen auf diesem Weg, von der Veröffentlichung der Enzyklika Providentissimus Deus im Jahr 1893 bis zu den vor kurzem bekanntgegebenen Direktiven praktischer und ökumenischer Art, welche die 1987 erschienenen interkonfessionellen Bibelübersetzungen betreffen. Zu Beginn dieses Jahrhunderts ins Leben gerufen, trug die päpstliche Bibelkommission wirksam zum Fortschritt der katholischen Bibelbewegung bei. So kam es in einem streng doktrinären Kontext zur Vertiefung der Reflexion, die der Konstitution Dei Verbum den Weg bereitete. Unter den Persönlichkeiten, die sich in der Vergangenheit der Bibelwissenschaft und dem Bibelapostolat widmeten, möchte ich dankbar P. Marie-Joseph Lagrange erwähnen, der vor 100 Jahren das Bibelinstitut von Jerusalem gründete, sowie Kardinal Augustin Bea, Rektor des Päpstlichen Bibelinstituts in Rom und Förderer der katholischen Bibelbewegung, bevor er von Johannes XXni. zum Dienst für die Einheit der Christen und für den Dialog mit dem jüdischen Volk berufen wurde. Im Licht dieses langen Weges erweist sich das Konzilsdokument als stets aktuell. 3. Will man die ganze Bedeutung der Konstitution Dei Verbum erfassen, so muß man zunächst der Tatsache eingedenk sein, daß es sich dabei um eine dogmatische Konstitution handelt, die sich auf die göttliche Offenbarung und nicht einfach auf die biblischen Schriften bezieht. Ihre ersten Worte „Dei Verbum“, deren man sich zur Bezeichnung des Dokumentes bedient, sind nicht, wie man manchmal zu denken versucht ist, einfach ein Synonym für 1240 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Heilige Schrift“; ihr Sinn ist umfassender und vollständiger; Sie bezeichnen das lebendige Wort Gottes, so wie er es ständig der Kirche und durch die Kirche kundtut, um den Glauben zu erwecken und die Menschen in ein Leben der Gemeinschaft untereinander und mit ihm einzuführen. Für die Weitergabe dieses lebendigen und lebenspendenden Wortes sind die Schriften nicht ausreichen; sie müssen von einem lebendigen Strom getragen und belebt werden, vom Strom der großen Überlieferung, die, auf den Geist hörend, diese Texte in das rechte Licht rückt und sie Früchte tragen läßt. Das kirchliche Lehramt steht im Dienst dieser Weitergabe und gewährleistet, dem Willen der Herren gemäß, ihre Treue. Das Konzil erklärt demnach; „es zeigt sich also, daß die heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt verknüpft und vereinigt sind, daß keines ohne das andere besteht und daß alle zusammen, jedes auf seine Art, unter dem Einfluß des einen Heiligen Geistes wirksam dem Heil der Seelen dienen“ (Dei Verbum, Nr. 10). 4. Damit stellt nun die Konzilskonstitution die Heilige Schrift in den Mittelpunkt ihrer Erwägungen, ist sie doch tatsächlich „das unter Eingebung des Heiligen Geistes schriftlich niedergelegte Wort Gottes“ (Nr. 9) und spielt somit für unsere Beziehung zu Gott in Glaube, Hoffnung und Liebe eine erstrangige Rolle. Der Lehrgehalt von Dei Verbum über die inspirierten Schriften ist sehr klar und anregend, da er den göttlichen und zugleich menschlichen Charakter der biblischen Texte voll ins Licht rückt. In der Heiligen Schrift ist es Gott, der spricht, aber er hat „durch Menschen, nach Menschenart“ (Nr. 12) gesprochen. Die Bücher der Bibel haben „Gott zum Urheber“, aber auch die Menschen, die sie geschrieben haben, sind „echte Verfasser“ (Nr. 11). Daraus folgt, daß ihre Erklärung, will sie der Natur der Bibel gerecht werden, sich vor jeder Einseitigkeit hüten muß. Wenn man mit den Fundamentalisten vorgibt, den Sinn des Wortes Gottes zu erfassen, ohne die menschlichen Aspekte ihrer Ausdrucks weise zu beachten, verstrickt man sich in Irr-tümer und Illusionen aller Art; wenn man sich hingegen auf eine positivistische Auslegung beschränkt, verliert man seine eigentliche Botschaft aus dem Auge. Mit seiner Lehre hat das Konzil zum Nutzen des Volkes Gottes einen sicheren Weg gewiesen. Es hat die Exegeten ausdrücklich angewiesen, ihre Aufgabe nicht allzu engstirnig aufzufassen, um eine nutzlose Arbeit zu vermeiden (vgl. Nr. 12 und 23); es hat die Theologen eingeladen, das Studium der Heiligen Schrift sozusagen zur Seele der Theologie zu machen, wobei es auch ihre Bedeutung für Katechese und Liturgie hervorhob (vgl. Nr. 24 und 25); es wies Bischöfe und Priester auf ihre Verantwortung für das Bibelapostolat hin (vgl Nr. 25) und verkündete, daß „der Zugang zur Heiligen Schrift... für die Christen weit offenstehen (muß)“ (Nr. 22). Tatsächlich geht ja „in den heiligen Büchern der Vater,... der im Himmel ist, seinen Kindern in Liebe entgegen und führt mit ihnen ein Gespräch; so groß aber ist die Gottes Wort innewohnende Kraft und Wirkung, daß es für die Seele eine Speise ist und für das geistliche Leben ein reiner und steter Quell“ (Nr. 21). Alle Christen sind somit aufgefordert, die Heilige Schrift zu lesen, zum Gegenstand ihrer Studien zu machen und zu betrachten, um so ihr Leben in Glaube und Liebe zu nähren (vgl. Nr. 25). 5. Wenn wir jetzt unseren Blick auf die Zukunft richten, so finden wir im sechsten Kapitel von Dei Verbum zahlreiche Hinweise für die Bibelseelsorge und Bibelapostolat. 1241 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn es den Nutzen „entsprechender und genauer Übersetzungen in die verschiedenen Sprachen“ betont, hat das Konzil interkonfessionelle Übersetzungen im Auge. Seither wurden mehrere Übersetzungen dieser Art in Zusammenarbeit mit der Internationalen Bibelgesellschaft durchgefiihrt, die sich als sehr erfolgreich erwiesen. Sie können mehr und mehr zu kostbaren Werkzeugen der Evangelisierung werden, vor allem wenn sie, wie die neueste Bibelübersetzung ins Spanische und die ökumenische Übersetzung in die französische Sprache, mit Anmerkungen versehen sind. Es freut mich, daß sich die Internationale Bibelgesellschaft im Jahre 1988 in Budapest noch nachhaltiger für die interkonfessionelle Zusammenarbeit ausgesprochen hat. Die Konstitution Dei Verbum führte im Jahr 1970 zur Gründung der katholischen Weltorganisation für das Bibelapostolat, die sich im folgenden gut weiterentwickelte und jetzt Katholische Welt-Bibelföderation heißt. Sie hob dieses Jahr, anläßlich ihrer Weltversammlung in Bogota, die Bedeutung der Bibel für das Apostolat und für ein neues Bemühen um die Evangelisierung im Hinblick auf das dritte Jahrtausend hervor. Um die verschiedenen dringenden Aufgaben erfüllen zu können, die im Interesse des Zuganges einer möglichst großen Zahl unserer Zeitgenossen zur Heiligen Schrift dringend geworden sind, ist es erforderlich, daß die für das Bibelapostolat Verantwortlichen unter der Führung der Bischöfe mit den Diözesan-beauftragten für Katechese, Liturgie und Ökumene im Geist der Empfehlungen Zusammenarbeiten, mit denen das Konzil in großen Linien das Hirtenamt der Bischöfe Umrissen hat (vgl. Christus Dominus, Nr. 17). 6. Ich möchte schließlich hinzufügen, daß wir bei der Betrachtung des unerschöpflichen Reichtums der Heiligen Schriften nach den Richtlinien des Konzils einem Volk näherkommen, dem von Anfang an die Verkündigung der Heilsbotschaft anvertraut worden war: Ich meine das jüdische Volk. Die Konzilskonstitution betont, daß „Gott... sich in der Verwirklichung eines einzigartigen Planes ein Volk erwählt (hat), um ihm seine Verheißungen anzuvertrauen. Indem er nämlich mit Abraham (vgl. Gen 15,18) und dann durch Mose mit dem Volk Israel (vgl. Ex 24,8) einen Bund schloß, hat er sich seinem Eigentumsvolk durch Worte und Taten ... offenbart“ (Nr. 14) 7. Die prophetische Botschaft von Frieden, Versöhnung und Freundschaft ist für alle Völker bestimmt. Deshalb rufen die heiligen Schriften allgemeine Verehrung hervor. Aus diesem Grund darf ihrer Verbreitung in aller Welt auch kein Hindernis entgegengesetzt werden. Es war mir eine Freude, euch anläßlich dieses bedeutsamen Jahrestages, den ihr feiern wolltet, zu empfangen und euch zu weiteren Reflexionen und weiterem Wirken anzuspornen. Sehr herzlich begrüße ich neben den Mitgliedern der Katholischen Bibelföderation die Mitglieder der Römischen Kurie und die anderen Konfessionen angehörenden Persönlichkeiten, die an dieser Feier teilnehmen wollten. Das Wort Gottes fordert uns auf, für den heute so sehr bedrohten Frieden zu beten und uns hoffnungsvoll zum Handeln zusammenzuschließen, damit der Tag komme, an dem „das Land erfüllt (ist) von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist“ (Jes 11,9) 1242 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Johannes vom Kreuz - ein Glaubenslehrer Apostolisches Schreiben zum 400. Todestag des hl. Johannes vom Kreuz an den Hochw. P. Felipe Sainz de Baranda, Generaloberer des Ordens der Unbeschuhten Brüder der Allerseligsten Jungfrau Maria vom Berg Karmel, vom 14. Dezember Einleitung 1. Als Lehrer im Glauben und Zeuge des lebendigen Gottes ist der hl. Johannes vom Kreuz ganz besonders heute der Kirche gegenwärtig, da seit seinem glorreichen Heimgang zum Vater im Kloster von Ubeda am 14. Dezember 1591 vierhundert Jahre vergangen sind. Es ist für die ganze Kirche eine Freude, die reichen Früchte der Heiligkeit und der Weisheit wahrzunehmen, die dieser ihr Sohn noch immer mit dem Beispiel seines Lebens und mit seinen lichtvollen Schriften hervorbringt. Tatsächlich wecken seine Gestalt und seine Lehren das Interesse der verschiedensten religiösen und kulturellen Milieus, die in ihnen Antworten auf das tiefste Sehnen des Menschen und des Glaubens finden. Darüber hinaus soll die Feier dieses Jubiläums der weiteren Bekanntmachung und Verbreitung des Kernes seiner Botschaft dienen: dem Leben aus Gott in Glaube, Hoffnung und Liebe. Diese Botschaft, an alle gerichtet, ist in vorzüglicher Weise Erbe und Auftrag des theresiani-schen Kamels, der ihn mit Recht als geistlichen Vater und Lehrer betrachtet. Sein Beispiel ist ein Lebensideal; seine Schriften sind ein Reichtum, der mit allen geteilt werden muß, die heute das Antlitz Gottes suchen; seine Lehre ist ein stets aktuelles Wort, insbesondere für seine Heimat Spanien, deren Namen und Literatur er mit seinem Lehramt von weltweiter Bedeutung ehrt. <823> <824> <823> Ich persönlich fühlte mich ganz besonders von der Erfahrung und den Lehren des Heiligen aus Fontiveros angezogen. Seit den ersten Jahren meiner priesterlichen Ausbildung sah ich in ihm einen sicheren Führer auf dem Weg des Glaubens. Dieser Aspekt seiner Lehre erschien mir von lebenswichtiger Bedeutung für alle Christen, insbesondere in einer Epoche wie der unseren, die nach neuen Wegen sucht, jedoch auch Risiken und Versuchungen im Bereich des Glaubens ausgesetzt ist. Während das geistliche Klima, das von der Feier des 400. Geburtstages des heiligen Karme-liten (1542-1942) hervorgerufen worden war, noch anhielt und Europa nach der dunklen Nacht des Krieges aus der Asche wiedergeboren wurde, arbeitete ich in Rom an meiner Dissertation in Theologie über das Thema „Der Glaube nach dem hl. Johannes vom Kreuz“.1 In dieser Dissertation analysierte und erarbeitete ich den Kem der Aussagen des mystischen Kirchenlehrers: der Glaube ist das einzige, nächstliegende und angebrachte Werkzeug, um mit Gott in Verbindung zu treten. Schon damals war es mir bewußt, daß die Synthese des hl. Johannes vom Kreuz nicht nur eine solide theologische Lehre enthält, sondern vor allem eine Darlegung des christlichen Lebens in seinen grundlegenden Aspekten: Gemeinschaft mit Gott, kontemplative Dimension des Gebets, theologale Kraft der apostolischen Sendung, gespannte Erwartung der christlichen Hoffnung. 1243 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Während meines Besuchs in Spanien im November 1982 war es mir eine Freude, angesichts des eindrucksvollen römischen Aquäduktes in Segovia seiner zu gedenken und bei seinem Grab seine Reliquien zu verehren. Ich konnte dort erneut seine erhabene Botschaft des Glaubens verkünden als das Wesentliche seiner Lehre für die ganze Kirche, für Spanien und für den Karmel. Einen lebendigen und starken Glauben, der Gott in seinem Sohn Jesus Christus, in der Kirche, in der Schönheit der Schöpfung, im schweigenden Gebet, im Dunkel der Nacht und im läuternden Ruf des Geistes sucht und findet. <825> Während das geistliche Klima, das von der Feier des 400. Geburtstages des heiligen Karme-liten (1542-1942) hervorgerufen worden war, noch anhielt und Europa nach der dunklen Nacht des Krieges aus der Asche wiedergeboren wurde, arbeitete ich in Rom an meiner Dissertation in Theologie über das Thema „Der Glaube nach dem hl. Johannes vom Kreuz“.1 In dieser Dissertation analysierte und erarbeitete ich den Kem der Aussagen des mystischen Kirchenlehrers: der Glaube ist das einzige, nächstliegende und angebrachte Werkzeug, um mit Gott in Verbindung zu treten. Schon damals war es mir bewußt, daß die Synthese des hl. Johannes vom Kreuz nicht nur eine solide theologische Lehre enthält, sondern vor allem eine Darlegung des christlichen Lebens in seinen grundlegenden Aspekten: Gemeinschaft mit Gott, kontemplative Dimension des Gebets, theologale Kraft der apostolischen Sendung, gespannte Erwartung der christlichen Hoffnung. 3. Wenn wir jetzt das vierte Jahrhundert seines Todes feiern, ist es wiederum angebracht, auf diesen Lehrer zu hören. Dank eines glücklichen Zusammentreffens wird er unser Weggefährte für diesen Abschnitt der Geschichte, in dem das Jahr 2000 heraufdämmert und 25 Jahre seit dem Abschluß des II. Vatikanischen Konzils vergangen sind, das der Erneuerung der Kirche in der Reinheit der Lehre und der Heiligkeit des Lebens neuen Impuls verlieh. „Denn es ist Aufgabe der Kirche - betont das Konzil - Gott den Vater und seinen menschgewordenen Sohn präsent und sozusagen sichtbar zu machen, indem sie sich selbst unter der Führung des Heiligen Geistes unaufhörlich erneuert und läutert. Das wird vor allem erreicht durch das Zeugnis eines lebendigen und gereiften Glaubens, der so weit herangebildet ist, daß er die Schwierigkeiten klar zu durchschauen und sie zu überwinden vermag“. <826> Während das geistliche Klima, das von der Feier des 400. Geburtstages des heiligen Karme-liten (1542-1942) hervorgerufen worden war, noch anhielt und Europa nach der dunklen Nacht des Krieges aus der Asche wiedergeboren wurde, arbeitete ich in Rom an meiner Dissertation in Theologie über das Thema „Der Glaube nach dem hl. Johannes vom Kreuz“.1 In dieser Dissertation analysierte und erarbeitete ich den Kem der Aussagen des mystischen Kirchenlehrers: der Glaube ist das einzige, nächstliegende und angebrachte Werkzeug, um mit Gott in Verbindung zu treten. Schon damals war es mir bewußt, daß die Synthese des hl. Johannes vom Kreuz nicht nur eine solide theologische Lehre enthält, sondern vor allem eine Darlegung des christlichen Lebens in seinen grundlegenden Aspekten: Gemeinschaft mit Gott, kontemplative Dimension des Gebets, theologale Kraft der apostolischen Sendung, gespannte Erwartung der christlichen Hoffnung. Die Gegenwart Gottes und Christi, die erneuernde Läuterung unter der Führung des Heiligen Geistes, die Erfahrung eines erleuchteten und reifen Glaubens: ist das nicht tatsächlich der Kem der Lehre des hl. Johannes vom Kreuz und seine Botschaft für die Kirche und die Menschen von heute? Die Erneuerung und Neubelebung des Glaubens ist die unerläßliche Voraussetzung für alle großen Aufgaben, die sich heute mit besonderer Dringlichkeit der Kirche stellen: die heilbringende Gegenwart Gottes und Christi mitten im Leben und in der Geschichte erfahren; die menschliche Bedingtheit und die Gotteskindschaft des Menschen neu entdecken, seine Berufung zur Gemeinschaft mit Gott als höchste Begründung seiner Würde; <827> <828> von der Reevangelisierung der Glaubenden ausgehend eine neue Evangelisierung durchführen, die sich mehr und mehr der Lehre und dem Licht Christi öffnet. <827> Johannes vom Kreuz ist unter vielen Aspekten in der Kirche und der Welt bekannt: als Literat und Dichter spanischer Sprache, als Künstler und Humanist, als mit tiefen mystischen Erfahrungen ausgezeichneter Mensch, als Theologe und geistlicher Exeget, als Meister des geistlichen Lebens und Seelenführer. Er ist ein Meister auf dem Weg des Glaubens, und seine Gestalt und seine Schriften erleuchten alle, die die Erfahrung Gottes auf dem Weg der Kontemplation und des selbstlosen Dienstes an den Mitmenschen suchen. In seinen erhabenen poetischen Schriften und seinen doktrinären Abhandlungen - „Aufstieg zum Berg Karmel“, „Dunkle Nacht“ der Seele, „Geistlicher Gesang“, „Lebendige Liebesflamme“ - sowie in seinen kurzen und kernigen Schriften „Sinnsprüche des Lichtes und der Liebe“, „Mitteilungen und Briefe“ - hat uns der Heilige eine großangelegte Synthese der Spiritualität und der christlichen Mystik hinterlassen. Es ist mir jedoch daran gelegen, inmitten dieses Reichtums an Themen und Inhalten die Aufmerksamkeit auf seine zentrale Botschaft zu lenken: auf den lebendigen Glauben als Führer des Christen, einziges Licht in der dunklen Nacht der Prüfungen und eindringlicher, vom Geist beseelter Ruf. 1244 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Glaube ruft, wie der Heilige sehr gut mit seinem Leben beweist, zu Anbetung und Lob auf und bereichert die gesamte Existenz mit menschlichem Realismus und dem Wohlgeschmack der Transzendenz. Ich möchte also, mit dem Licht des „Heiligen Geistes, des Lehrmeisters“ <829> und im Einklang mit dem weisen Stil des Johannes vom Kreuz einige Aspekte seiner Lehre über den Glauben kommentieren und seine Botschaft den Männern und Frauen mitteilen, die heute, in diesem Augenblick der Geschichte mit seinen Herausforderungen und Hoffnungen leben. Literat und Dichter spanischer Sprache, als Künstler und Humanist, als mit tiefen mystischen Erfahrungen ausgezeichneter Mensch, als Theologe und geistlicher Exeget, als Meister des geistlichen Lebens und Seelenführer. Er ist ein Meister auf dem Weg des Glaubens, und seine Gestalt und seine Schriften erleuchten alle, die die Erfahrung Gottes auf dem Weg der Kontemplation und des selbstlosen Dienstes an den Mitmenschen suchen. In seinen erhabenen poetischen Schriften und seinen doktrinären Abhandlungen - „Aufstieg zum Berg Karmel“, „Dunkle Nacht“ der Seele, „Geistlicher Gesang“, „Lebendige Liebesflamme“ - sowie in seinen kurzen und kernigen Schriften „Sinnsprüche des Lichtes und der Liebe“, „Mitteilungen und Briefe“ - hat uns der Heilige eine großangelegte Synthese der Spiritualität und der christlichen Mystik hinterlassen. Es ist mir jedoch daran gelegen, inmitten dieses Reichtums an Themen und Inhalten die Aufmerksamkeit auf seine zentrale Botschaft zu lenken: auf den lebendigen Glauben als Führer des Christen, einziges Licht in der dunklen Nacht der Prüfungen und eindringlicher, vom Geist beseelter Ruf. I. Der Meister des Glaubens Der historische Kontext 5. Die historischen Bedingungen, in denen zu leben ihm bestimmt war, boten Bruder Johannes vom Kreuz zahlreiche Möglichkeiten und Anlässe für eine volle Entwicklung seines Glaubens. Während seines Lebens (1542-1591) öffneten sich Spanien, Europa und Amerika für eine intensive und kreative Religiosität; es war die Zeit ausgedehnter Missionstätigkeit und der Reformation, aber auch eine Zeit der Herausfordemngen, des Bruches der kirchlichen Einheit, eine Zeit der inneren und äußeren Konflikte. Die Kirche mußte in jenem Augenblick große und dringende Aufgaben in Angriff nehmen: ein großes Reformkonzil, das von Trient, das auch die Lehre neu überdachte; ein neuer Kontinent, Amerika, war zu evangelisieren; in der alten Welt, in Europa, mußten die christlichen Wurzeln neue Kraft empfangen. Das Leben Johannes’ vom Kreuz spielte sich in diesem ereignis- und erfahrungsreichen historischen Kontext ab. Er verbrachte Kindheit und Jugend in äußerster Armut und ermöglichte sich seinen Weg dank der Arbeit seiner Hände in Fontiveros, Arevalo und Medina del Campo. Er folgte der Berufung in den Karmel und empfing seine höhere Bildung an der Universität Salamanca. Nach der von der Vorsehung gewollten Begegnung mit der hl. Teresia von Jesus schloß er sich den Reformbestrebungen des Karmelitenordens an und begann die neue Lebensform im ersten Kloster von Duruela. Als erster Unbeschuhter Karmelit teilte er die Schwierigkeiten der neuen Ordensfamilie, sei es als ihr Meister und Pädagoge, sei es als Beichtvater im Kloster der Menschwerdung zu Avila. Der Kerker von Toledo, die Einsamkeit von El Calvario und La Penuela in Andalusien, sein Apostolat in den Klöstern und seine Aufgabe als Superior formten seine Persönlichkeit, die sich in der Lyrik seiner Gedichte und in den Kommentaren seiner Schriften, im einfachen Klosterleben und in seinem Wanderapostolat widerspiegelt. Alcala de Henares, Baeza, Granada, Segovia und Ubeda sind Namen, die an eine Fülle inneren Lebens, priesterlichen Dienstes und geistlicher Führung erinnern. Mit dieser reichen Lebenserfahrung nahm er angesichts der kirchlichen Lage seiner Zeit eine offene Haltung ein. Er kannte deren Ereignisse und spielte in seinen Schriften auf die Häresien und Abweichungen an. <830> <830> Als Antwort auf die schwerwiegenden Nöte seiner Zeit entschloß sich Johannes von Yepes für eine beschauliche Berufung. Mit dieser Geste verweigerte er keineswegs die Annahme seiner menschlichen und christlichen Verantwortungen, ganz im Gegenteil, mit diesem 1245 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schritt entschloß er sich im Gewissen, den innersten Kern des Glaubens zu leben: das Antlitz Gottes zu suchen, auf sein Wort zu hören und es zu erfüllen und sich im Dienst des Nächsten einzusetzen. Er zeigt uns, wie das beschauliche Leben eine Form der vollen Selbstverwirklichung des Christen ist. Der Kontemplative beschränkt sich nicht nur auf lange Gebetszeiten. Die Gefährten und Biographen des heiligen Karmeliten legen uns von ihm ein dynamisches Bild vor: in seiner Jugend erlernte er die Krankenpflege und das Maurerhandwerk, die Gartenarbeit und die Pflege der Kirchen. Als Erwachsener war er für Leistungs- und Bildungsaufgaben verantwortlich, wobei er sich stets aufmerksam erwies für die geistlichen und materiellen Bedürfnisse seiner Mitbrüder. Er legte lange Wege zu Fuß zurück, um seinen Schwestern, den Unbeschuhten Karmelitinnen, geistlich beistehen zu können, und war vom Wert ihres beschaulichen Lebens für die Kirche überzeugt. Alles in ihm läßt sich in einer tiefen Überzeugung zusammenfassen: Gott allein und sonst niemand verleiht allem Tun Wert und Geschmack, „denn dort, wo man Gott nicht kennt, kennt man nichts“. <831> Den größten Dienst leistete er der Kirche mit seinem Leben und seinen Schriften, deren Grundlage seine spezifische Berufung als beschaulicher Karmelit bildete. So lebte Bruder Johannes in Gesellschaft seiner Brüder und Schwestern im Karmel: in Gebet und Schweigen, im Dienst für die anderen, in Nüchternheit und Verzicht. All diese Flaltungen waren von Glauben, Hoffnung und Liebe durchdrungen. Gemeinsam mit der hl. Teresia von Jesus verwirklichte und verbreitete er das karmelitanische Charisma in seiner ganzen Fülle. Die beiden Heiligen sind noch immer in der Kirche hervorragende Zeugen des lebendigen Gottes. <831> Als Antwort auf die schwerwiegenden Nöte seiner Zeit entschloß sich Johannes von Yepes für eine beschauliche Berufung. Mit dieser Geste verweigerte er keineswegs die Annahme seiner menschlichen und christlichen Verantwortungen, ganz im Gegenteil, mit diesem Die Aufgabe, Glaubende heranzubilden 7. Der Glaube fördert die Gemeinschaft und den Dialog mit den Brüdern, damit ihnen geholfen werde, Wege zu beschreiten, die zu Gott führen. Bruder Johannes war ein echter Bildner der Glaubenden. Er verstand es, die Menschen zum vertrauten Umgang mit Gott anzuleiten, indem er sie lehrte, seine Gegenwart und Liebe in günstigen und ungünstigen Situationen, in den Augenblicken des Eifers und den Zeiten scheinbarer Verlassenheit wahrzunehmen. Große Gesichter näherten sich ihm, so z. B. Teresia von Jesus, deren Führer er auf den letzten Etappen ihrer mystischen Erfahrung war. Menschen von bedeutender Spiritualität kamen ebenso wie Vertreter des Volksglaubens und der Volksfrömmigkeit zu ihm, wie etwa Anna de Penalosa, der er den „Ruf der lebendigen Liebe“ widmete. Gott hatte ihm die Gaben geschenkt, deren ein Seelenführer und Bildner von Glaubenden bedarf. Johannes vom Kreuz verstand es, zu seiner Zeit eine echte Pädagogik des Glaubens zu verwirklichen, die diesen vor so manchen Gefahren bewahrte: einerseits vor der Gefahr, jenen übertriebenen Glauben zu schenken, die sich urteilslos mehr auf Privatoffenbarungen oder subjektive Erfahrungen verließen als auf Evangelium und Kirche, und andererseits vor dem Unglauben als einer Haltung radikaler Herzenshärte, die es unmöglich macht, sich dem Mysterium aufzuschließen. Der mystische Kirchenlehrer trägt mit der Überwindung dieser Strömungen, mit seinem Beispiel und seiner Lehre zur Stärkung des christlichen Glaubens dank jener grundlegenden Qualitäten bei, von denen auch das II. Vatikanische Konzil spricht: dank eines persönlichen, freien und überzeugten Glaubens, der das ganze Sein umgreift; dank 1246 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eines kirchlichen Glaubens, der in Gemeinschaft mit der Kirche bekannt und gelebt wird; dank eines betenden und anbetenden Glaubens, durch die Erfahrung der Begegnung mit Gott gereift; dank eines solidarischen und engagierten Glaubens, der in der ethischen Überzeugungstreue des Lebens und in der Dienstbereitschaft seinen Ausdruck findet. Das ist der Glaube, dessen wir bedürfen und den uns der Heilige aus Fontiveros mit seinem persönlichen Zeugnis und seiner allzeit aktuellen Lehre darbietet. II. Der Zeuge des lebendigen Gottes Tiefe und Realismus seines persönlichen Glaubens 8. Johannes vom Kreuz ist ein Gottliebender. Er ging mit Gott vertraulich um und sprach unablässig von ihm. Er trug ihn im Herzen und auf den Lippen, da er sein wahrer Schatz, seine ganz und gar wirkliche Welt war. Er war nicht in erster Linie Verkünder und Sänger der Geheimnisse Gottes, sondern ihr Zeuge. Deshalb sprach er von Gott mit ungewöhnlicher Leidenschaft und Überzeugungskraft: „Die ihm zuhörten, stellten fest, daß er von Gott und den Geheimnissen unseres Glaubens so sprach, als sähe er sie mit seinen Augen“. Dank der Gabe des Glaubens wird sein geheimnisvoller Inhalt für den Glaubenden zu einer lebendigen und wirklichen Welt. Der Zeuge verkündet, was er gesehen und gehört, was er nach dem Beispiel der Propheten und der Apostel betrachtet hat (vgl. 1 Joh 1,1-2). Wie diese besaß der Heilige die Gabe der wirksamen und eindrucksvollen Sprache, nicht nur dank seiner Fähigkeit, seine Erfahrung in Symbolen und Gedichten zum Ausdruck zu bringen, die von lyrischer Schönheit erfüllt sind, sondern auch dank der hervorragenden Weisheit seiner „Sinnsprüche des Lichtes und der Liebe“ und seiner Neigung, „an das Herz Worte der Süßigkeit und der Liebe zu richten“, Worte „des Lichts für den Weg und der Liebe für sein Beschreiten“. Christus, Fülle der Offenbarung 1247 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dynamik des theologischen Lebens 10. Wie gelingt es dem spanischen Mystiker, im christlichen Glauben all diesen lebensvollen Inhalt wahrzunehmen? Indem er einfach dem im Evangelium geoffenbarten Glauben gestattet, all seine Fähigkeiten der Bekehrung, der Liebe, des Vertrauens und der Hingabe zu entfalten. Das Geheimnis seines Reichtums und seiner Wirkkraft ist der Glaube als Quelle des theologalen Lebens: „Diese drei göttlichen Tugenden strömen zu einer Einheit zusammen“. Einer der wertvollsten Beiträge, mit denen Johannes vom Kreuz die christlichen Spiritualität bereichert hat, ist die Lehre über die Entfaltung des theologalen Lebens. Bei seiner schriftlichen und mündlichen Lehrtätigkeit konzentriert er seine Aufmerksamkeit auf die Trilogie Glaube-Hoffnung-Liebe, welche die Eigenart der christlichen Existenz ausmacht. In allen Phasen des geistlichen Lebens sind die göttlichen Tugenden der Angelpunkt der Beziehung Gottes zum Menschen und der Antwort, die der Mensch Gott gibt. Der Glaube ruft, gemeinsam mit Hoffnung und Liebe, diese tiefe und beglückende Kenntnis hervor, die wir als Erfahrung oder Erahnen Gottes, Glaubenslebens und christliche Kontemplation bezeichnen. Es handelt sich dabei um etwas, das weit über die theologische oder philosophische Reflexion hinausgeht. Durch den Heiligen Geist empfangen es viele einfache, an Gott hingegebene Seelen. In seiner Widmung des Geistlichen Gesangs an Anna von Jesus bemerkt der Autor: „Obwohl euer Ehrwürden nicht in der scholastischen Theologie geübt sind, mit der man die göttlichen Wahrheiten erfaßt, fehlt es euch nicht an mystischen Erfahrungen, welche Kenntnisse durch Liebe vermitteln und diese auch schmackhaft machen“. Christus als der Geliebte, ja noch mehr als der, der zuerst geliebt hat, offenbart diese Kenntnisse, heißt es im Gedicht EI Pastorcico (Der kleine Hirte). III. Die Wege des Glaubenslebens Glaube und christliches Leben 11. „Der aus dem Glauben Gerechte wird leben“ (Röm 1,17; vgl. Hab 2,4). Er wird Leben aus der Treue Gottes zu seinen Gaben und Verheißungen und aus der vertrauensvollen Hingabe an den Dienst Gottes. Der Glaube ist der Urgrund und die Fülle des Lebens. Deshalb wird der Christ als „Gläubiger“, als „Christusgläubiger“ („Christifidelis“) bezeichnet. Der Gott der Offenbarung durchdringt seine gesamte Existenz. Das ganze Leben der Gläubigen richtet sich letzten Endes nach Grundsätzen des Glaubens, wie der mystische Lehrer feststellt: „Es ist angezeigt, für all das ein Fundament festzulegen, das wie ein Stab sein wird, an dem wir uns allzeit festhalten; wir müssen gut darin bewandert sein, ist es doch das Licht, von dem wir uns führen lassen müssen, um diese Lehre zu verstehen und alle Güter zum Wohlgefallen Gottes zu gebrauchen. Auch soll der Wille sich an nichts anderem erfreuen als an dem, was Gott zu Ruhm und Ehre gereicht. Und wir erweisen ihm die größte Ehre, wenn wir ihm dienen in der Vollkommenheit, die dem Evangelium entspricht und außerhalb derer es nichts gibt, was wertvoll und für den Menschen von Nutzen wäre“. 1248 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einen der Aspekte, auf denen der Heilige bei der Erziehung zum Glauben besteht, möchte ich heute besonders hervorheben, da er für das Leben der Christen von besonderer Bedeutung ist: die Beziehung zwischen natürlicher Vernunft und Glauben und das Leben aus dem Glauben durch das innere Gebet. 12. Es mag überraschen, daß der Lehrer des Glaubens und der dunklen Nacht mit solchem Nachdruck den Wert der menschlichen Vernunft lobt. Vor ihm stammt der berühmte Ausspruch: „Ein einziger Gedanke des Menschen ist mehr wert als die ganze Welt und deshalb ist nur Gott seiner würdig“. Die Tatsache, daß der vernunftbegabte Mensch die übrige irdische Wirklichkeit überragt, darf für ihn nicht zur Versuchung werden, eine irdische Herrschaft anzustreben, sondern muß ihn zu dem Ziel hinführen, das ihm besonders eigen ist: zur Vereinigung mit Gott. Demnach darf die natürliche Vernunft im Bereich des Glaubens nicht verachtet und darf kein Gegensatz zwischen menschlicher Vernunft und göttlicher Botschaft geschaffen werden. Ganz im Gegenteil: sie wirken in enger Zusammenarbeit: „Es gibt die natürliche Vernunft und das Gesetz und die Lehre des Evangeliums, wonach man sich völlig ausreichend richten kann“. <832> Der Glaube inkarniert und verwirklicht sich im Menschen mit seinen Licht- und Schattenseiten; der Theologe und der Glaubende können nicht auf ihre Vernunft verzichten, sondern müssen diese vielmehr den Horizonten des Geheimnisses auftun“. <833> <832> Das Schweigen oder die Abwesenheit Gottes - als Anklage oder als einfache Klage - ist ein Gefühl, das sich fast spontan einstellt, wenn man die Erfahrung von Leid und Ungerechtigkeit macht. Die gleichen Menschen, die in Gott nicht die Ursache der Freuden sehen, machen ihn oft für den menschlichen Schmerz verantwortlich. Auf andere, aber oft tiefere Weise erlebt der Christ das Drama der Gottverlassenheit oder der Gottesfeme; er kann sich dann in die Finsternis des Abgrundes versetzt fühlen. Der Lehrer der „dunklen Nacht“ entdeckt in dieser Erfahrung die liebevolle Pädagogik Gottes, der manchmal schweigt und sich verbirgt, weil er bereits gesprochen und sich mit genügender Klarheit kundgetan hat. Auch dank der Erfahrung seiner Feme kann er dem Glaube, Hoffnung und Liebe mitteilen, der sich ihn in Demut und Sanftmut nähert. So 13. Das Leben nach dem Glauben aufgrund des inneren Gebetes ist ein weiterer Aspekt, den der hl. Johannes vom Kreuz in seinen Schriften besonders betont. Was ihn betrifft, so ist die kulturelle und theologische Bildung der Gläubigen ein ständiges Anliegen der Kirche, sollen sie doch befähigt werden, ihr Innenleben zu vertiefen und ihren Glauben mit Hilfe der Vernunft zu untermauern. Diese intellektuelle Förderung muß jedoch über die Entwicklung der kontemplativen Dimension des christlichen Glaubens führen, die Frucht der Begegnung mit dem Geheimnis Gottes ist. Gerade auf diesen Punkt sind die eigentlichen pastoralen Anliegen des spanischen Mystikers ausgerichtet. Johannes vom Kreuz hat Generationen von Gläubigen zum betrachtenden Gebet als der „liebevollen Wahrnehmung“ Gottes und der von ihm geoffenbarten Geheimnisse erzogen. Die Seiten, die er dieser Art von Gebet widmete, sind wohlbekannt. <834> Er lädt ein, mit den Augen des Glaubens und in kontemplativer Liebe die Liturgie zu feiern, die Anbetung der Eucharistie - der ewigen, im lebendigen Brot verborgenen Quelle - zu pflegen, sowie die Betrachtung der Dreifaltigkeit und der Geheimnisse Christi, das liebevollen Hören auf das göttliche Wort, die Gottverbundenheit im Gebet vor Heiligenbildern, das Staunen über die Schönheit der Schöpfung mit ihren „von der Hand des Geliebten gepflanzten Wäldern und Dickichten“. <835> So erzieht er die Seele zu einer einfachen Form der inneren Vereinigung mit Christus: „Wie Gott dann in liebevoller Einfachheit mit ihr umgeht, so verkehrt auch die Seele mit ihm auf eine Weise, die ihr die schlichte und liebevolle Wahrnehmung gestattet, so daß Wahrnehmung mit Wahrnehmung und Liebe mit Liebe zusammentrifft“. <836> schreibt der Heilige: „Dieser nackte Glaube leitete die Seele während des Aufstiegs in der dunklen Nacht, als ich, ... im Dunkel und in Bedrängnis wandernd, ... mit Ausdauer die Leiden ertrug und unermüdlich in die Qualen ausharrte, ohne die Kraft zu verlieren und gegen den Geliebten zu verstoßen, der in den Qualen und Nöten den Glauben seiner Braut <836> Das Schweigen oder die Abwesenheit Gottes - als Anklage oder als einfache Klage - ist ein Gefühl, das sich fast spontan einstellt, wenn man die Erfahrung von Leid und Ungerechtigkeit macht. Die gleichen Menschen, die in Gott nicht die Ursache der Freuden sehen, machen ihn oft für den menschlichen Schmerz verantwortlich. Auf andere, aber oft tiefere Weise erlebt der Christ das Drama der Gottverlassenheit oder der Gottesfeme; er kann sich dann in die Finsternis des Abgrundes versetzt fühlen. 1249 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die dunkle Nacht des Glaubens und das Schweigen Gottes 14. Der mystische Lehrer lenkt heute die Aufmerksamkeit vieler Glaubenden und Nichtglaubenden auf sich aufgrund der Beschreibung, die er von der dunklen Nacht als einer typisch menschlichen und christlichen Erfahrung gibt. Unsere Epoche kennt dramatische Augenblicke, in denen das Schweigen oder die Abwesenheit Gottes, die Erfahrung von Not und Leid - wie die Kriege oder selbst der Holocaust so vieler unschuldiger Menschen - diesen Ausdruck verständlicher gemacht und ihm darüber hinaus den Wert einer gemeinsamen Erfahrung gegeben haben, die sich auf die Wirklichkeit des Lebens selbst und nicht nur auf eine Phase des geistlichen Weges bezieht. Auf die Lehre des Heiligen beruft man sich heute angesichts des unerforschlichen Geheimnisses des menschlichen Leidens. Ich beziehe mich auf diese spezifische Welt des Leidens, von der ich im Apostolischen Schreiben Salvifici doloris gesprochen habe. Körperliche, moralische und seelische Leiden wie Krankheit, die Geißel des Hungers, Krieg, Ungerechtigkeit, Einsamkeit, der Sinnverlust des Lebens, die Gebrechlichkeit des menschlichen Daseins, die schmerzvolle Erfahrung der Sünde, die scheinbare Abwesenheit Gottes: all das sind für den Glaubenden läuternde Erfahrungen, die man als Nacht des Glaubens bezeichnen kann. Dieser Erfahrung hat Johannes vom Kreuz den symbolischen und anschaulichen Namen „dunkle Nacht“ gegeben, wobei er ausdrücklich auf das Licht und die Finsternis im Geheimnis des Glaubens Bezug nimmt. Ohne daß er den Anspruch erhebt, für das beängstigende Problem des Leides eine spekulative Erklärung zu geben, entdeckt und erahnt er irgendwie die wunderbare Umgestaltung, die Gott im Dunkel wirkt, denn „er versteht es in seiner Weisheit und Schönheit, aus dem Übel Gutes hervorzuholen“. <837> <838> <839> <840> <841> <842> Es handelt sich also letzten Endes darum, das Geheimnis des Todes und der Auferstehung Christi in seiner ganzen Wahrheit zu leben. <837> Das Schweigen oder die Abwesenheit Gottes - als Anklage oder als einfache Klage - ist ein Gefühl, das sich fast spontan einstellt, wenn man die Erfahrung von Leid und Ungerechtigkeit macht. Die gleichen Menschen, die in Gott nicht die Ursache der Freuden sehen, machen ihn oft für den menschlichen Schmerz verantwortlich. Auf andere, aber oft tiefere Weise erlebt der Christ das Drama der Gottverlassenheit oder der Gottesfeme; er kann sich dann in die Finsternis des Abgrundes versetzt fühlen. Der Lehrer der „dunklen Nacht“ entdeckt in dieser Erfahrung die liebevolle Pädagogik Gottes, der manchmal schweigt und sich verbirgt, weil er bereits gesprochen und sich mit genügender Klarheit kundgetan hat. Auch dank der Erfahrung seiner Feme kann er dem Glaube, Hoffnung und Liebe mitteilen, der sich ihn in Demut und Sanftmut nähert. So schreibt der Heilige: „Dieser nackte Glaube leitete die Seele während des Aufstiegs in der dunklen Nacht, als ich, ... im Dunkel und in Bedrängnis wandernd, ... mit Ausdauer die Leiden ertrug und unermüdlich in die Qualen ausharrte, ohne die Kraft zu verlieren und gegen den Geliebten zu verstoßen, der in den Qualen und Nöten den Glauben seiner Braut auf die Probe stellt, damit diese dann in Wahrheit die Worte Davids wiederholen kann: ,Ich halte mich an das Wort deiner Lippen ... meine Füße wanken nicht auf deinen 1250 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Pädagogik Gottes wirkt in diesem Fall als Ausdruck seiner Liebe und seines Erbarmens. Manchmal flößt er dem Menschen das Gefühl der Dankbarkeit ein, indem er sich für ihn zum frei angenommenen Geschenk macht. In anderen Augenblicken läßt er ihn die ganze Schwere der Sünde fühlen, die eine Beleidigung Gottes und für den Menschen Tod und Leere sind. Auch erzieht er ihn zur Wahrnehmung seiner Gegenwart oder Abwesenheit: der Mensch darf sich nur nicht von Gefühlen des Wohlgefallens oder des Mißfallens leiten lassen, sondern ausschließlich von Glaube und Liebe. Gott ist immer der hebende Vater, in den Stunden der Freude ebenso wie in den Augenblicken des Schmerzes. Die Betrachtung des gekreuzigten Christus 16. Nur Jesus Christus, das ewige Wort des Vaters, kann den Menschen das Geheimnis des Schmerzes offenbaren und mit dem Abglanz seines glorreichen Kreuzes die dunkelsten Nächte des Christen erhellen. Johannes vom Kreuz sagt uns, seinen Aussagen über Christus entsprechend, daß Gott über die Offenbarung seines Sohnes hinaus „stumm geblieben ist und nichts mehr zu sagen hat“; das Schweigen Gottes hat sein beredtestes Wort in der Offenbarung der Liebe im gekreuzigten Christus. Der Heilige von Fontiveros lädt uns ein, das Geheimnis des Kreuzes Christi zu betrachten, wie er es, seiner Gewohnheit entsprechend, in seinem Gedicht Der kleine Hirte tut, oder in der berühmten Zeichnung des Gekreuzigten, die als „Christus des Johannes vom Kreuz“ bekannt ist. Eine der erhabensten Seiten der christlichen Literatur ist sicher die, die er über das Geheimnis der Verlassenheit Christi am Kreuz schrieb. Christus machte die Erfahrung des Schmerzes in ihrer ganzen Härte und bis zum Kreuzestod. In seinen letzten Augenblicken erfuhr er gleichzeitig den ärgsten körperlichen, psychischen und geistigen Schmerz: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46). Dieses entsetzliche Leid, von Haß und Lüge hervorgerufen, hat größten erlösenden Wert. Es zielte „auf die Gut-machung des Zweifels und die Vereinigung des Menschen mit Gott“ ab. Mit seiner liebevollen Hingabe an den Vater im Augenblick der höchsten Verlassenheit und der größten Liebe „vollbrachte er das erhabenste Werk seines ganzen Lebens, das größte aller Werke und Wunder, das jemals auf Erden und im Himmel vollbracht worden war: die Versöhnung und Vereinigung des Menschengeschlechtes mit Gott dank seiner Gnade“' Das Geheimnis des Kreuzes Christi offenbart somit den Emst der Sünde und die grenzenlose Liebe des Erlösers der Menschen. Im Glaubensleben ist das Geheimnis des Kreuzes Christi normaler Bezugspunkt und christliche Lebensregel: „Wenn man irgendeiner Lustlosigkeit gewahr wird, soll man des gekreuzigten Christus gedenken - das genügt. Man soll in Glauben und Hoffnung leben, seien sie auch vom Dunkel umfangen, denn in diesem Dunkel gewährt Gott der Seele seinen Schutz“. Der Glaube wird zu einem Ruf der Nächstenliebe, der stärker als der Tod und Same und Frucht der Auferstehung ist: „Du sollst nichts anderes denken — schreibt der Heilige in einem Augenblick der Prüfung - als daß alles von Gott so geordnet ist, und sollst dort, wo es an Liebe mangelt, Liebe verbreiten; dann wirst du auch Liebe ernten“. Denn letzten Endes „wird man dich nach der Liebe beurteüen“. 1251 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN TV. Eine an alle gerichtete Botschaft Ein Führer für jene, die Gott suchen 17. Es ist eine Freude, feststellen zu können, daß anläßlich des vierhundertsten Todestages des hl. Johannes vom Kreuz zahlreiche Menschen sich unter den verschiedensten Gesichtspunkten mit seinen Schriften befassen: Mystiker und Dichter, Philosophen und Psychologen, Vertreter anderer Religionen, Gebildete und einfache Leute. Manche nähern sich ihm, weil sie sich von den menschlichen Werten angezogen fühlen, die er vertritt, z. B. von der Schönheit der Sprache, der Philosophie und der Psychologie. Zu allen spricht er von der Wahrheit Gottes und von der transzendenten Berufung des Menschen. Deshalb nehmen viele, die seine Schriften nur wegen der Tiefe seiner Erfahrung oder der Schönheit seiner Poesie lesen, bewußt oder unbewußt seine Lehren in sich auf. Andererseits sind Mystiker wie unser Heiliger große Zeugen der Wahrheit Gottes und Meister, durch die das Evangelium Christi und die katholische Kirche manchmal unter den Anhängern anderer Religionen Aufnahme finden. Er ist jedoch auch Führer jener, die in der heiligen Kirche eine innigere Vereinigung mit Gott suchen. Was er lehrt, ist reich an Lehre und Leben. Sowohl die Theologen, „dazu berufen, ihr Glaubensleben zu intensivieren und die wissenschaftliche Forschung immer mit dem Gebet zu verbinden“ als auch die Seelenführer, denen er Seiten großen geistlichen Weitblicks gewidmet hat, können viel daraus lernen. Eine aktuelle Botschaft für seine spanische Heimat 18. Es ist mir eine Freude, mich bei dieser besonderen Gelegenheit an die Kirche in Spanien wenden zu können, die den vierhundertsten Todestag des Heiligen als kirchliches Ereignis feiert, damit er auf die einzelnen, die Familien und die Gesellschaft ausstrahlte. Zur Zeit des hl. Johannes vom Kreuz war Spanien ein Brennpunkt des katholischen Glaubens und der Missionstätigkeit. Von diesem Milieu angeregt und unterstützt, verstand es der Heilige aus Fontiveros, eine harmonische Synthese von Glaube und Kultur, Erfahrung und Lehre auszuarbeiten, die sich der solidesten Werte der theologischen und spirituellen Tradition seiner Heimat und der Schönheit ihrer Sprache und Poesie bediente. Die Völker Spaniens haben in ihm einen ihrer bestbekannten Vertreter. Die spanische Kirche steht heute schweren und unveräußerlichen Aufgaben in den Bereichen des Glaubens und des öffentlichen Lebens gegenüber wie ihre Bischöfe in einigen der neuesten Dokumente betonten. Ihre Bemühungen müssen darüber hinaus der Erneuerung des christlichen Lebens gelten, damit der überzeugte und frei gelebte katholische Glaube auf persönlicher und gemeinschaftlicher Ebene in einem öffentlichen Bekenntnis, in überzeugungstreuem Leben und im Zeugnis der Dienstbereitschaft zum Ausdruck komme. In einer pluralistischen Gesellschaft wie es die heutige ist, erfordert die persönliche Glaubensbereitschaft von den Christen eine neue Haltung der Überzeugungstreue dank der Taufgnade und ein bewußtes und liebevolles Ja zur Kirche, um dem Risiko der Anonymität und der Versuchung des Unglaubens entgegentreten zu können. 1252 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Kirche in Spanien ist auch zu einem Dienst an der Gesellschaft berufen, indem sie eine entsprechende Harmonie zwischen der christlichen Botschaft und den kulturellen Werten schafft. Es muß zu einem aufgeschlossenen und lebendigen Glauben kommen, der den verschiedenen Gebieten des öffentlichen Lebens die Lymphe des Evangeliums einflößt. Diese Synthese muß auch Aufgabe der engagierten christlichen Laien in den verschiedenen Bereichen der Kultur sein. Für eine solche tiefe, innere gemeinschaftliche und kulturelle Erneuerung bietet der hl. Johannes vom Kreuz das Beispiel seines Lebens und den Reichtum seiner Schriften an. An die Söhne und Töchter des Karmels 19. Das wachsende Interesse, das der hl. Johannes vom Kreuz unter unseren Zeitgenossen hervorruft, ist vor allem für sie Söhne und Töchter des theresianischen Karmels, deren Vater, Lehrer und Führer er ist, Gegenstand berechtigter Zufriedenheit. Gleichzeitig ist dieses Interesse ein Zeichen dafür, daß das euch von Gott in der Kirche anvertraute Charisma des Lebens und des Dienstes weiterhin kraft- und wertvoll sein muß. Dieses Charisma ist jedoch nicht ein materieller Besitz oder ein für immer gewährleistetes Erbe; es ist vielmehr eine Gnade des Heiligen Geistes, die von euch Treue und Kreativität erfordert, in Gemeinschaft mit der Kirche und immer ihren Notwendigkeiten zugewandt. Euch alle, die ihre Söhne und Brüder, Jünger und Nachfolger der hl. Teresia von Jesus und des hl. Johannes vom Kreuz seid, erinnere ich daran, daß eure Berufung nicht in erster Linie Ruhm, sondern vielmehr eine schwere Verantwortung mit sich bringt. Der Eifer und die Sorgfalt, die ihr für die Veröffentlichung der Schriften und die Verbreitung der Botschaft eures Vaters, des Kirchenlehrers, aufwendet, sind sicher ein wertvoller Dienst an der Kirche. Das gleiche gilt für die Bemühungen, die auf ein besseres Verständnis seiner Lehre mit Hilfe entsprechender Studien und der für die Einführung in seine Werke und deren konkrete Anwendung erforderlichen Mittel abzielen. Doch muß die Antwort des theresianischen Karmels zweifellos noch weiter gehen. Ihr müßt auf seine Lehren und seine Botschaft mit dem fruchtbaren Zeugnis einer reichen persönlichen und gemeinschaftlichen Lebenserfahrung antworten. Alle Unbeschuhten Karmeliten und Karmelitinnen, alle Gemeinschaften und der ganze Orden sind zur konkreten Verwirklichung der Wesenszüge berufen, die im Leben und in den Schriften dessen aufleuchten, der sozusagen „das lebendige Bild des Unbeschuhten Karmeliten“ ist: die strenge Einfachheit, die innige Vereinigung mit Gott, das intensive Gebet, die dem Evangelium gemäße Brüderlichkeit, die Förderung des Gebetes und der christlichen Vollkommenheit durch Lehrtätigkeit und Seelenführung als euer spezifisches Apostolat in der Kirche. Welcher Segen wird es sein, dem Wort und dem Leben des heftigen Karmeliten in allen Söhnen und Töchtern des Karmels zu begegnen! Das war im Lauf dieser vier Jahrhunderte dank zahlreicher Brüder und Schwestern möglich, die es verstanden, die innige Vereinigung mit Gott, die Abtötung, die Treue zum Gebet, die brüderliche und schwesterliche geistliche Hilfe und auch die Nächte des Glaubens zu leben. Johannes vom Kreuz war mit seinem Leben und seinen Schriften ihr Lehrer und Vorbild. <843> <843> Bei dieser Gelegenheit kann ich es nicht unterlassen, ein Wort des Dankes und der Ermunterung an alle Unbeschuhten Karmelitinnen zu richten. 1253 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Heilige hatte für sie eine besondere Vorliebe und widmete ihnen seine besten apostolischen Leistungen und Lehren. Er verstand es, jede einzelne von ihnen ebenso wie ihre ganze Gemeinschaft zu bilden, indem er ihnen Unterweisungen erteilte und die dank seiner Gegenwart und als Beichtvater leitete. Mutter Teresia von Jesus hatte ihn ihren Töchtern besonders nachdrücklich als Seelenführer empfohlen, als „himmlischer und göttlicher Mensch“, als „zutiefst spirituell, erfahren und gelehrt“, weshalb sie ihm ihre Seelen eröffnen sollten, um auf dem Weg der Vollkommenheit Fortschritte zu machen, „da ihm unser Herr für diese Aufgabe besondere Gnaden verliehen hat“.3' Unzählige Karmelitinnen haben dank der Betrachtung der Schriften des heiligen Lehrers die Gipfel des geistlichen Lebens erklommen. Einige unter ihnen sind ausdrücklich als seine Töchter und Schülerinnen allgemein bekannt; es genügt, die Namen Teresia Margarete vom Herzen Jesu, Maria vom gekreuzigten Jesus, Teresia von Lisieux, Isabella von der Dreifaltigkeit, Theresia Benedikta vom Kreuz (Edith Stein) und Theresia von den Anden zu erwähnen. Meine lieben Unbeschuhten Karmelitinnen in aller Welt, auch ihr sollt eifrig bestrebt sein, diese reine Liebe der innigen Vereinigung mit Gott zu suchen, die euer Leben für die Kirche fruchtbar macht. Schlußwort 21. Der vierhundertste Todestag des hl. Johannes vom Kreuz war für mich der Anlaß, um einige Überlegungen mitzuteilen, die den Kem seiner Lehre betreffen: die Dimensionen eines dem Evangelium gemäßen Glaubens. Diese Botschaft verwirklichte er, von der historischen Situation seiner Zeit ausgehend, in seinem Herzen und in seinem Leben; sie ist immer noch in der Kirche fruchtbar. Zum Abschluß dieses Schreibens pilgere ich an seinen Geburtsort Fontiveros, wo er mit der Taufe die Erstlingsgaben des Glaubens empfing; sodann zum andalusischen Kloster Ubeda, wo er in die Herrlichkeit einging und schließlich zu seinem Grab in S’egovia. Diese Orte, die an sein irdisches Leben erinnern, sind auch für das ganze Volk Gottes Orte der Verehrung des Heiligen, Lehrkanzeln, von denen aus er unablässig seine Botschaft des theologalen Lebens verkündet. Wenn ich ihn heute feierlich der Kirche und der Welt vor Augen führe, möchte ich die Töchter und Söhne des Karmels, die Christen seiner spanischen Heimat und alle, die Gott auf den Wegen der Schönheit, der Theologie und der Kontemplation suchen, einladen, sein Zeugnis des Glaubens und des evangelischen Lebens in sich aufzunehmen, auf daß sie sich ebenso wie er von der Schönheit Gottes und der Liebe Christi, des Geliebten, angezogen fühlen. Unserem Erlöser und seiner heiligsten Mutter empfehle ich die Aktivitäten, die während dieses Gedenkjahres zur Erinnerung an den glorreichen Heimgang des hl. Johannes vom Kreuz statt-fmden werden, während ich euch aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen erteile. Gegeben zu Rom, bei St. Peter am 14. Dezember, Fest des hl. Johannes vom Kreuz, Kirchenlehrer, im Jahr 1990, dem dreizehnten meines Pontifikats. Joannes Paulus PP. II 1254 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Anmerkungen 1 Ausgabe in spanischer Sprache, Biblioteca de Aütores Cristianos, Madrid, 1979. 2 vgl. AAS 75 (1983), S. 293-299. 3 Vaticanum n, Pastoralkonstitution Gaudium et spes über die Kirche in der modernen Welt, Nr. 21. 4 ebd., Nr. 19. 5 Aufstieg zum Berg Karmel, II. 29,1. 6 Geistlicher Gesang, B, 26,13. 7 Selig- und Heiligsprechungsprozeß, Erklärung von Bruder Alonso von der Mutter Gottes, in Biblioteca Misüca Car-melitana, XIV, Burgos, 1931, S. 370. 8 Sinnsprüche des Lichtes und der Liebe, Vorwort. 9 Selig- und Heiligsprechungsprozeß, Erklärung von Maria vom Kreuz, in Biblioteca Mistica Carmelitana, XIV, Burgos, 1931, S. 121. 10 Geistlicher Gesang, B, 1,6 und 8. 11 Aufstieg zum Berg Karmel, II, 24,8. 12 Geistlicher Gesang, B, Vorwort, 3. 13 Aufstieg zum Berg Karmel, III, 17,2. 14 Sinnsprüche des Lichtes und der Liebe, 34. 15 Aufstieg zum Berg Karmel, n, 21,4. 16 vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über kirchliche Berufung des Theologen (24. 5. 1990), Nr. 6. 17 vgl. Aufstieg zum Berg Karmel, n, 13-14; vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche über einige Aspekte der christlichen Meditation (15. 10. 1989), Nr. 19. 18 Geistlicher Gesang, B, 4. 19 Lebendige Liebesflamme, 3,34. 20 Geistlicher Gesang, B, 23,5. 21 Die dunkle Nacht, II, 21,5. 22 Aufstieg zum Berg Karmel, II, 22,4. 23 vgl. ebd., H, 7,5-11. 24 ebd. 25 ebd. 26 Brief Nr. 20. 27 Brief Nr. 26. 28 Sinnsprüche des Lichtes und der Liebe, 59. 29 Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen (24. 5. 1990), Nr. 8. 30 Lebendige Liebesflamme, 3,30 und ff. 31 Brief an Anna von Jesus, November-Dezember 1578. 1255 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Universalkirche wird durch die Schätze der Teilkirchen bereichert Weihnachtsansprache an die Römische Kurie am 20. Dezember Meine Herren Kardinäle! Ehrwürdige Brüder der Römischen Kurie! 1. Der Advent des Gnadenjahres 1990 geht zu Ende, und wir sehen schon der Erscheinung der Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters (vgl. Tit 3,4), in der Liturgiefeier der Kirche entgegen. Weihnachten mit seinen Gaben des Lichtes und der Freude ist nahe, und wir bereiten uns in einer Haltung dankbarer Freude wieder auf seine Feier vor. Wir feiern in diesem Fest das Geheimnis des Heiles: das Geheimnis Gottes, der dem Menschen entgegengehen wollte, um ihn mit seinem Erbarmen und seiner Güte zu erfüllen. Aus der Heiligen Nacht erstrahlt über die ganze Menschheit der Schein eines neuen Lichtes und gibt ihrer Existenz den vollen Sinn, indem es sie mit Erweisen einer unsagbaren Herablassung auszeichnet. Der Weg der Menschen trägt die Zeichen dieser beständigen, liebevollen Anwesenheit. Unsere Gedanken richten sich besonders auf ein Ereignis, das uns näher angeht, weil es für die Kirche unserer Zeit große Bedeutung hatte und noch hat. Es ist nunmehr fünfundzwanzig Jahre her, seitdem gerade in diesen Tagen das Zweite Vatikanische Konzil seinen Abschluß fand. 2. Als Ereignis von historischer Tragweite hat die Konzils Versammlung gewiß einen einzigartigen, von der Vorsehung gefügten Abschnitt auf dem Weg der christlichen Gemeinschaft gebildet. Vom Heiligen Geist angeregt, ist die Kirche mit Mut dem Menschen unserer Zeit entgegengegangen. Sie hat ihn bei der Hand genommen, um ihn zu einem volleren Verständnis und zur Verwirklichung der Botschaft des Evangeliums zu führen. Sie hat die Notwendigkeit empfunden, zur Menschheit von heute in einer leichter verständlichen Sprache zu sprechen, ohne jedoch die Erfordernisse der Wahrheit abzuschwächen. Vor allem hat die Kirche die Dringlichkeit einer tiefgreifenden Erneuerung gespürt, damit auf ihrem Antlitz immer klarer das Licht Christi Widerscheine. Und dieses unaufhörliche Bemühen um Erneuerung - vor allem in dem Sinn, auf das Evangelium hinzuweisen und zur ständigen Bekehrung aufzurufen - lenkt noch heute ihre Schritte, nicht ohne Schwierigkeiten und Mühen. Doch es handelt sich, dessen bin ich sicher, um die Mühen des Wachstums. In diesen Jahren ist die Kirche in der Tat gewachsen, sowohl in ihrem missionarischen Bewußtsein wie in ihrem Eifer zur Bekehrung und Erneuerung. Mit euch danke ich dem Herrn, dem es gefallen hat, unser Jahrhundert und insbesondere seinen letzten Abschnitt durch eine solche Fülle geistlicher Gaben auszuzeichnen. Mit Verehrung denke ich an meine Vorgänger Johannes XXIII. und Paul VI., die das Konzil angeregt haben und in erster Linie seiner Urheber waren. Das 21. Ökumenische Konzil - so bemerkte Johannes XXIII. in seiner Eröffnungsansprache am 11. Oktober 1962- zielt daraufhin, „die katholische Glaubenslehre, die trotz Schwierig- 1256 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN keiten und Widerständen zum gemeinsamen Erbe der Menschen geworden ist, unverkürzt, ohne Abschwächungen oder Entstellungen weiterzugeben ... Es ist unsere Pflicht, diesen kostbaren Schatz nicht nur zu bewahren, als ob wir gewissermaßen einzig um das von alters-her Überkommene besorgt wären, sondern uns mit wirklichem Eifer und ohne Furcht jenem Werk zu widmen, das unsere Zeit fordert, und so den Weg weiterzugehen, auf dem die Kirche seit fast zwanzig Jahrhunderten voranschreitet“ (Discorsi - Messaggi - Colloqui del Santo Padre Giovanni XXm, Bd. 4, S. 584f.). Heute möchte ich gerne auf diese Worte zurückkommen, denn sie bringen kennzeichnend den Geist des Konzils und der nachkonziliaren Periode zum Ausdruck, die von der weitblickenden Klugheit Papst Paul VI. geleitet wurden. In der Eröffnungsansprache der vierten und letzten Session sagte er: „Das Konzil bietet der Kirche - und uns ganz besonders - eine umfassende Schau über die ganze Welt ... Während andere Strömungen des Denkens und Handelns sehr verschiedene Grundelemente für den Aufbau menschlicher Kulturen verkünden, wie Macht, Reichtum, Wissenschaft, Kampf, Interesse und anderes, verkündet die Kirche die Liebe. Das Konzil ist ein feierlicher Akt der Liebe zur Menschheit“ (Insegnamenti del Papa Paolo VT, Bd. 3,1965, S. 479). Die Kirche hat nicht aufgehört, ihren Heils weg unter den Menschen weiterzugehen: als Volk Gottes fühlt sie sich berufen, in der Gemeinschaft zu wachsen, um den Menschen zu dienen und sie so zur vollkommenen Einheit in Christus, ihrem Erlöser zu führen. 3. Gemeinschaft ist sicherlich ein Schlüsselbegriff in der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanums. Und heute, fünfundzwanzig Jahre nach seinem Abschluß, scheint es angebracht, unsere Aufmerksamkeit noch einmal darauf zu lenken. Die koinonia ist eine Dimension, die die Konstitution der Kirche selbst sowie all ihre Ausdrucksformen betrifft: vom Bekenntnis des Glaubens bis zur Bezeugung in der Praxis, von der Weitergabe der Lehre bis zur Ausgestaltung der Strukturen. Deshalb bestehen die Weisungen des 2. Vatikanischen Konzils mit Recht darauf und machen sie zur inspirierenden Idee und tragenden Achse seiner Dokumente. Es handelt sich um eine theologale und trinitarische Gemeinschaft jedes Gläubigen mit dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, die weiterströmt und sich ausbreitet in der Gemeinschaft der Gläubigen untereinander und sie zu einem Volk versammelt: „das in der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes geeinte Volk“ (vgl. Hl. Irenäus, Adv. Haer., HI, 24,1: PG 7,966B), mit einer wesentlich sichtbaren und sozialen Dimension (vgl. Lumen Gentium, Nr. 9). Die Kirche erscheint so als die universale Gemeinschaft der Liebe (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23), begründet im Glauben, in den Sakramenten und in der hierarchischen Ordnung, in der Hirten und Gläubige sich persönlich und gemeinsam an den Quellen der Gnade nähren, gehorsam dem Geist des Herrn, der der Geist der Wahrheit und der Liebe ist. 4. Eine Institution, die sich innerhalb der Kirche als ein höchst wirksames Instrument der Gemeinschaft erweist, ist zweifellos die der Synoden. In ihr versammeln sich, wie der Name selbst schon sagt, in der Einheit eines gemeinsamen Weges die Energien und die Schritte, der Glaube und die Hoffnung aller, dank des Bandes der Liebe. Aus den Synoden ergeben sich konkrete Zeichen der Anteilnahme an den Bestrebungen und Schwierigkeiten eines jeden 1257 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN durch Kommunikation und Austausch, in dem gegenseitigen Vertrauen, angehört und angenommen zu werden im Blick auf das Wohl der Kirche, das das Wohl aller ist. So stellen die Synoden sich dar als Zeichen kirchlicher Gemeinschaft, denn während sie die verschiedenen Glieder der Kirche vereinen, richten sie ihre Aufmerksamkeit und ihren Eifer auf die allgemeinen und die besonderen Bedürfnisse und Ziele der Evangelisierung und der Barmherzigkeit. 5. Wenn wir in Gedanken zum Konzilsgeschehen vor 25 Jahren zurückkehren, müssen wir, von Dank gegen den Herrn der Kirche erfüllt, an eine Institution erinnern, die aus der Atmosphäre des Konzils hervorgegangen ist und sich unmittelbar als besonderer Ausdruck und Instrument kirchlicher Gemeinschaft erwies. Ich meine damit die Bischofssynode. Als mein Vorgänger ehrwürdigen Andenkens, Papst Paul VI., sie am 15. September 1965 durch das Motu proprio Apostolica. sollicitudo einrichtete, war das II. Vatikanische Konzil noch nicht beendet. Auf die erste Überraschung über das Neue folgte sehr bald das Bewußtsein von einem außerordentlich bedeutsamen Ereignis hinsichtlich der Verstärkung von Beziehungen neuen und verschärften kirchlichen Empfindens. Die neue Institution erschien wie ein Zeichen, das, besonders für die Hirten der Kirche, eine Zeit ankündigte und zugleich voraussah, die reich sein würde an Früchten des Miteinanderteilens und der Liebe, in gegenseitiger Unterstützung beim Tragen der Lasten (vgl. Gal 6,2). Das wird im übrigen auch aus den Worten Papst Paul VI. sichtbar. In der „cum sacris Pasto-ribus coniunctio“ sah er das Hauptinstrument, um aus der Synode die besten Früchte zu erzielen, die er beschrieb als „praesentiae solacium, prudentiae ac rerum usus auxilium, consilii munimentum, auctoritatis suffragium“ durch eben die Bischöfe. Wenn wir von der Errichtung der Bischofssynode sprechen, kommt uns spontan die Gestalt dessen in Erinnerung, der als deren erster Generalsekretär berufen wurde, Kardinal Wladys-law Rubin, der kürzlich in das Haus des Vaters heimgekehrt ist, um die vollkommene Gemeinschaft mit ihm in der Freude des Himmels zu erfahren. Er hat uns das Beispiel hochherziger und unermüdlicher Hingabe an die Kirche in der „pastoralen Liebe“ hinterlassen, und dafür sind wir ihm dankbar in unserem Gedenken und im Gebet. 6. Die in der Synode „cum Petro et sub Petro“ versammelten Bischöfe machen jene „coniunctio“ sichtbar und wirksam, welche die theologische Grandlage und die kirchliche und pasto-rale Rechtfertigung für die synodale Zusammenkunft bildet. So wird deutlich, wie die Bischofssynode ein wirksamer Ausdruck des kollegialen Empfindens ist, verstanden als gemeinsame Sorge für die Universalkirche, als gemeinsamer, in „pastoraler Liebe“ geübter Dienst, dem ausdrücklichen Willen des Herrn entsprechend. Sicher, die Autorität und die objektive Gestalt der Synode unterscheiden sich wesentlich von Autorität und Gestalt des Konzils hinsichtlich der Konstituierung, der Repräsentation, der Vollmacht, der Qualität und des Umfangs der Lehrbefugnis und daher der Ausführungsgewalt. Die bischöfliche Kollegialität im eigentlichen und engeren Sinn kommt ja nur dem gesamten bischöflichen Kollegium zu, das als theologisches Subjekt unteilbar ist. Die Synode aber bestätigt sich als ausdrucksvolle und wirksame Weise in der pastoralen Wahrnehmung der Sorge für alle Kirchen, die jedem Bischof obliegt, und des entsprechenden kollegialen Empfindens der Bischöfe untereinander. 1258 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Rechtskräftigkeit der Synode kann also nicht von angemaßten höheren Vorrechten abgeleitet werden, sie gründet vielmehr in den typischen synodalen Eigenschaften, die den Bezeichnungen „collegialis affectus“, „collegialis effectus“, „pastoralis coniunctio“ und „caritas pastoralis“ entsprechen. Wenn man von effektiver Kollegialität und affektiver Kollegialität innerhalb der Synode spricht, hat man gewiß nicht die Absicht, eine juristische Gegenüberstellung von Begriffen einzuführen oder ein solches Verständnis zu unterlegen, sondern es soll nur in einer Weise, wie sie der Natur der Synode getreu entspricht, auf jene unverkennbare innere Haltung hingewiesen werden, die darin besteht, den kollegialen Geist in der konkreten Ausübung der „caritas pastoralis“ aufrechtzuerhalten. 7. So wird auch die lebendige Beziehung zwischen der „Sollicitudo omnium ecclesiarum“ eines jeden Bischofs und dem Primat des Petrus bekräftigt, wie ich schon früher Gelegenheit hatte, zu erklären: „Im Geheimnis der Kirche haben alle Elemente ihren Platz und ihre Funktion. Und so fügt die Funktion des Bischofs von Rom ihn tief in die Körperschaft der Bischöfe ein als Zentrum und Angelpunkt der bischöflichen Gemeinschaft. Sein Primat, der ein Dienst zum Wohl der ganzen Kirche ist, stellt ihn in die Beziehung zu einer intensiveren Einheit und Zusammenarbeit. Die Synode läßt den inneren Zusammenhang zwischen der Kollegialität und dem Primat hervortreten: Die Aufgabe des Nachfolgers Petri ist auch Dienst an der Kollegialität der Bischöfe, und umgekehrt ist die effektive und affektive Kollegialität der Bischöfe eine bedeutende Hilfe für den Primatsdienst des Petrus“ (AAS 75 [1983] 651). Die Synode ist also ein besonderer Ausdruck der Kollegialität der Bischöfe mit dem Papst. Die Erfahrung dieser fünfundzwanzig Jahre hat dazu gedient, ihre Charakteristika noch genauer zu bestimmen. In der Beziehung zum Nachfolger des Petrus findet die Synode nicht nur die Garantie der Einheit, sowohl am Beginn wie im Verlauf ihrer Arbeit, sondern auch das Fundament ihrer Bedeutung. 8. In der Perspektive dieses Verhältnisses der Synode zum Bischof von Rom erhält auch die Beziehung zwischen der Synode und der Römischen Kurie ihren Sinn. Bekanntlich bildet die Kurie das Instrument, durch das der Papst seinen Dienst in der Kirche ausübt, indem er seinen Aufgaben als universaler Hirte nachkommt. Es läßt sich also nicht begründen, wenn die Kurie als etwas der Synode Entgegengesetztes darstellen wollte. Ebensowenig wäre die Meinung berechtigt, es bestehe eine Konkurrenzeinstellung zwischen den beiden kirchlichen Instanzen. Das Prinzip der Gemeinschaft und des Dienstes im Kontext der „caritas pastoralis“ gibt das Kriterium ab für eine richtige Einordnung der gegenseitigen Beziehungen vom theologischen, kirchlichen und pastoralen Gesichtspunkt aus. Die „praesidentia caritatis“, die dem Bischof von Rom zukommt, stellt den lebendigen Bereich dar, in dem sich der Eifer und die Sorge der mit Petrus verbundenen Hirten in Einheit zusammenfinden. 9. Auf dem Fundament der Communio, das die Kirche in ihrer tiefsten Beschaffenheit und in ihren verschiedenartigsten konkreten und geschichtlichen Ausdrucksformen aufrechterhält, wird die überreiche innere Wechselbeziehung zwischen der Universalkirche und den Teilkirchen aufgebaut. 1259 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kraft dieser grundlegenden Beziehung bilden sich zwischen den einzelnen Teilen der Kirche „die Bande einer innigen Gemeinschaft der geistigen Güter“, und die Verschiedenartigkeit der zur Einheit verbundenen Ortskirchen zeigt um so deutlicher die Katholizität der ungeteilten Kirche (vgl. Lumen Gentium, Nr. 13). Aufgrund dieser Einheit kann die Universalkirche sich durch die Schätze der Teilkirchen bereichert fühlen, und die Teilkirchen können sich ihrer Zugehörigkeit zur Universalkirche rühmen, die ja wirklich in ihnen anwesend ist und handelt (vgl. Christus Dominus, Nr. 11). Diese Gegenseitigkeit achtet die Würde der einzelnen und bewahrt sie, und zugleich macht sie in rechter Weise die Gestalt der einen und universalen Kirche deutlich, die in den Teilkirchen ihr eigenes Bild erkennt und zum Ausdruck bringt, da die Teilkirchen ja „nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche“ (Lumen Gentium, Nr. 23). Die Teilkirchen ihrerseits sind „ex et in Ecclesia uni-versali“: aus ihr und in ihr haben sie ja ihr Sein als Kirche. Die Teilkirche ist Kirche gerade deshalb, weil sie eine Teilpräsenz der Universalkirche ist. So hat einerseits die Universalkirche ihre konkrete Existenz in jeder Teilkirche, in der sie anwesend und wirksam ist, und andererseits stellt die Teilkirche nicht erschöpfend das vollständige Geheimnis der Kirche dar, da ja einige von deren grundlegenden Elementen sich nicht aus der bloßen Analyse der Teilkirche ableiten lassen. Solche Elemente sind das Amt des Nachfolgers Petri und das Bischofskollegium. In diesem Umfeld stellt sich die synodale Institution als ein wichtiger Ort der Begegnung des ganzen vielgestaltigen Reichtums der Gaben und des Austauschs dar, bis hin zu jenem Gipfel, den die Feier der ordentlichen Versammlungen der Bischofskonferenz bilden. In ihnen fließen in weitestmöglicher Weise die Erfordernisse der Universalkirche zusammen, wie sie sich in den verschiedenen Ortskirchen widerspiegeln. Die Hirten dieser Ortskirchen versammeln sich in ihrer persönlichen pastoralen Verantwortlichkeit in der effektiven Ausübung der affektiven Kollegialität, im Geist gemeinsamen Dienstes für die ganze Kirche und für alle ihnen anvertrauten Kirchen. In diese Dynamik sind daher die Teilkirchen wirksam als Subjekte der Gemeinschaft eingefügt. In diesem Sinn wird im Bereich der Synode durch die „coniunctio pastorum“, auch physisch sichtbar und aktiv, die „communio ecclesiarum“ zum Ausdruck gebracht und gefeiert. Spontan erinnern wir uns hier an die kürzlich abgehaltene Synode über die Ausbildung der Priester heute: in ihr kam die Gemeinschaft der Kirchen in Zeichen von besonderer Intensität und Einmütigkeit zum Ausdruck, vor allem im Hinblick auf die ganz neue Tatsache der Teilnahme der Bischöfe aus Mittel- und Osteuropa, sowohl des lateinischen wie des östlichen Ritus. Das war ein Ereignis, das aus den Herzen aller Lob und Dank aufsteigen ließ zum Herrn der Geschichte wegen des „Großen“, das er fort und fort in seiner Kirche wirkt. 10. Unser Gespräch nimmt noch eine andere Wendung, wenn wir auf andere Formen synodaler Tätigkeit zu sprechen kommen, wie die Spezialversammlungen der Bischofssynode oder die Diözesansynoden. Zur Zeit gehen die eifrig betriebenen Vorbereitungsarbeiten für zwei Spezialsynoden der Bischofskonferenz ihrer Vollendung entgegen. So Gott will, werden diese Versammlungen in nächster Zukunft stattfinden. Nahe bevor steht nun die Synode für Europa, an der die Kir- 1260 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen des Kontinents teilnehmen werden. Sie werden dazu mit den Reichtümem ihrer Geschichte, mit Perspektiven, Sorgen und Hoffnungen beitragen, die von den jüngsten historischen Ereignissen ausgegangen sind. Es ist ein bedeutendes Ereignis, und es ist unser Wunsch, daß es wirksam zum Werk der Neuevangelisierung Europas beitrage und aus den alten christlichen Wurzeln neuen Lebenssaft zum Fließen bringe für eine Zukunft wirklichen Fortschritts in der Respektierung jeder menschlichen Dimension. Auch die Spezialsynode für Afrika ist Gegenstand aufmerksamer Vorbereitung mit dem Blick auf die Entfaltung jener Kirchen, die für die Zukunft der Evangelisierung und des Zeugnisses offen sind. Nicht vergessen werden darf ferner die spezielle Synodenform, die mit der Teilsynode der Bischöfe der Niederlande angelaufen ist. Ihr Rat ist noch bei der Arbeit. Sie hat das Ziel, sich mit den spezifischen Problemen zu beschäftigen, die der Kirche in diesem Territorium begegnen. In der Tradition der Kirche haben sodann eine besondere Bedeutung die Synoden der Ostkirchen, die unter der Leitung von Patriarchen oder Großerzbischöfen stehen und Spezialtitel pastoraler und kirchlicher Autorität innehaben. Aufmerksamkeit verdienen schließlich die Diözesansynoden, in denen der Bischof in der Ausübung einer bestimmten Form von „communio“ mit den Priestern, Ordensleuten und Laien sich an die Ortskirche wendet, um durch Überlegungen, Gebet und pastorale Unternehmungen die Probleme in Angriff zu nehmen, denen die Glaubensverkündigung und das Zeugnis der Bruderliebe in den konkreten Situationen der heutigen Welt begegnen. Das ist der Fall bei der Synode dieser heiligen Kirche von Rom, die durch den Willen Christi „dem Liebesbund vorsteht“ und aufgrund des beispielhaften Zeugnisses, das sie vor dem ganzen Gottesvolk geben muß, besondere Verantwortung trägt. 11. Ehrwürdige Brüder, auch die Synodeninstitution hat, wie jede kirchliche Struktur, letzten Endes das einzige Ziel, in jedem Winkel der Welt und in jeder Epoche der Geschichte das Wort der Engel wiederklingen zu lassen, das in der Nacht von Betlehem ertönt ist: „Ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr“ (Lk 2,10-11). Dem großen Ereignis, das die Weltgeschichte verwandelt hat, schon nahe, sammeln wir uns, um auf diese Botschaft zu hören und im Glauben wiederum die „große Freude“ der Geburt des Erlösers zu erleben. Ausdruck dieser Freude wollen auch die Glückwünsche sein, die wir brüderlich austauschen zum nahen Weihnachtsfest und zum neuen Jahr, das, reich an trostvoller Hoffnung, aber auch dramatischen Unsicherheiten gezeichnet, vor der Tür steht. Möge der Herr die Wolken, die drohend am Horizont stehen, von der Welt vertreiben und der Kirche und der Menschheit Gerechtigkeit, Eintracht und Frieden gewähren. Möge er insbesondere über euch, die ihr aus der Nähe an den Sorgen des Nachfolgers Petri teilnehmt, die Fülle seines Trostes ausgießen. Ich danke dem Herrn Kardinaldekan für die liebevollen Worte, mit denen er die Wünsche des Heiligen Kollegiums und aller Anwesenden zum Ausdruck gebracht hat. Ihm, den Herren Kardinälen und euch, den Mitgliedern der Römischen Kurie, der Verwaltung des Vatikanstaats und des Vikariats, gilt mein lebhafter Dank für die Zusammenarbeit, die mir von jedem von euch zuteil wird in der Erfüllung der mir anvertrauten Aufgabe. 1261 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es sei mir gestattet, in einem Augenblick wie diesem, in welchem die Herzen einander besonders nahe sind, ein besonderes Dankeswort an Kardinal Agostino Casaroli zu richten, der kürzlich nach langen Jahren totaler Hingabe an den Dienst des Apostolischen Stuhles vom Amt des Staatssekretärs zurückgetreten ist. Ich möchte an ihm, neben den bekannten Qualitäten als weitschauender und weiser Diplomat, die ungewöhnlichen Gaben als Mensch und Priester unterstreichen - die Treue, die Redlichkeit, die Güte -, die mir seine Mitarbeit kostbar gemacht haben und mich in ihm einen echten „Mann der Kirche“ erkennen ließen. Meinen Glückwunsch entbiete ich seinem Nachfolger, dem Pro-Staatssekretär Msgr. Angelo Sodano, wie auch denen, die im Lauf des zu Ende gehenden Jahres neue Verantwortlichkeiten in der Leitung der Dikasterien und Organe des Heiligen Stuhls übernommen haben. Mit dem Wunsch, daß das Geburtsfest des Herrn, auf das wir uns wiederum vorbereiten, in aller Herzen jenen guten Willen vermehre, der die Voraussetzung für den wahren Frieden ist (vgl. Lk2,14), erteile ich euch, euren Mitarbeitern und euren Lieben von Herzen meinen Segen. Christus ist uns geboren Predigt bei der Mitternachtsmesse Weihnachten 1990, 24./25. Dezember 1. Et incamatus est de Spiritu Sancto ex Maria Virgine et homo factus est. Wenn wir in dieser Nacht diese Worte des Credo aussprechen, knien wir nieder. Sie drücken das Geheimnis aus, das die Nacht der Weihnachtsvigil uns jedes Jahr gegenwärtig macht. Die Liturgie der Mittemachtsmesse enthält vor allem die Beschreibung der Ereignisse, die sich in Betlehem, dem Dorf südlich von Jerusalem, abspielten. Diese Ereignisse gehören der Geschichte an: der Geschichte konkreter Personen. Da sind Maria und Josef und die Hirten, die die Herde bewachen. Und da ist zugleich die Person des Cäsar Augustus, die des Quirinus, und da sind die Einwohner Jerusalems. Das Geheimnis geht über diese Ereignisse hinaus, und zu gleicher Zeit ist es in sie eingekleidet, indem es ihnen eine neue Bedeutung gibt: „Incamatus est“! Wenn das Wort Heisch wird, wenn der dem Vater in den Tiefen der ewigen Dreifaltigkeit wesensgleiche Sohn durch den Heiligen Geist Mensch wird, Sohn Marias, dann sehen die menschlichen Augen unter der menschlichen Gestalt Den, der unsichtbar ist. Sie sehen Den, der „in unzugänglichem Licht wohnt“ (1 Tim 6,16). Diese heilige Nacht von Betlehem ist der Augenblick, der erste, in dem der unsichtbare Gott gesehen werden kann. „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ - wird eines Tages Jesus zu den Aposteln sagen (Joh 14,9). 2. Wh wollen dämm niederknien vor dem unaussprechlichen Geheimnis. Können wir denn an der Oberfläche der Geschehnisse stehenbleiben? Sie sind schlicht, zugleich aber von einem wunderbaren Zauber erfüllt, auch wenn sie, in sich betrachtet, nicht aufhören, von Armut, ja sogar von Abweisung durch die Menschen zu sprechen: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf (Joh 1,11). 1262 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Könnte man nicht sagen, diese ersten Augenblicke der Geburt Jesu von Nazareth zeichnen irgendwie schon seinen ganzen irdischen Weg, den Weg des Messias und des Erlösers vor? Wir wissen ja, daß in der Liturgie der Tag kommen wird, der Tag, an dem die Kirche auf der ganzen Welt wiederum niederknien wird. Das wird am Karfreitag sein, bei der Kreuzverehrung ... In dieser Nacht: Christus natus est nobis - venite adoremus. Am Karfreitag: Ecce lignum enteis, in quo salus mundi pependit - venite adoremus. 3. „Salus Mundi“ „Ich verkünde euch eine große Freude ... Heute ist euch ... der Retter geboren, der Messias, der Herr“ (Lk 2,10). Das sind die Worte, die in dieser Nacht die Hirten von Betlehem hören. Der Apostel Paulus erklärt sie im Brief an Titus ausführlicher: „Die Gnade Gottes ist erschienen, um alle Menschen zu retten“ (2,11), das Heil in Jesus Christus. „Er hat sich für uns hingegeben, um uns von aller Schuld zu erlösen“ (Tit 2,14). Dieses Heil gibt dem menschlichen Leben in der Welt eine Form, es gibt ihm eine wirkliche Gestalt: es „erzieht uns dazu, ... fromm zu leben“ (Tit 2,12). Es gibt auch dem menschlichen Dasein auf Erden den endgültigen Sinn, es führt unser Leben hin zur zukünftigen Herrlichkeit in Jesus Christus. Alles hat in dieser Nacht von Betlehem seinen Anfang. Hier wird der Geschichte des Menschen ein neuer Anfang gesetzt. In Jesus Christus enthüllt sich die Gnade. Gott bestätigt in ihm wiederum seine Liebe zum Menschen. Der Weihnachtsgesang der Nacht von Betlehem spricht ja von den Menschen, die Gott liebt (vgl. Lk 2,14). 4. Seht, eine große Freude: „Ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll“. Nicht nur dem auserwählten Volk, aus welchem Jesus geboren wurde. Es ist die Freude aller Menschen. Die Freude jedes Menschen. Das Geheimnis der Nacht von Betlehem hat eine universale Tragweite. Es ist das erste Wort des Evangeliums, das heißt: der Frohen Botschaft. Gott hat Freude an jedem Menschen. Der Vater sieht jeden von uns im Sohn Marias. Da Er der Ewige Sohn ist, gleichen Wesens mit dem Vater, ist Er der Sohn des göttlichen Wohlgefallens: Gott von Gott und Licht vom Licht. In ihm beginnt unsere Existenz von neuem, als er geboren wird, um uns zu erlösen. In ihm werden wir zu „Söhnen im Sohn“, Söhne und Töchter, die Gott liebt. Ist nicht gerade dies die erste und fundamentale Wahrheit der Frohen Botschaft? Ist nicht gerade dies es, was der Mensch aller Zeiten erwartet? Die grundlegende und absolute Bestätigung - hat sie nicht auch, und vielleicht in besonderer Weise, der Mensch in unserer Zeit nötig? Ist nicht dies es, an dem er, mitten in allen Errungenschaften des Fortschritts, der materiellen Kultur, am meisten Mangel leidet? Von Anfang an ist er versucht, wie Gott werden zu wollen (vgl. Gen 3,5)... ohne Gott! Ohne das Geheimnis der Menschwerdung. Ohne die Nacht von Betlehem. 5. Doch diese unbegreifliche Nacht dauert an und wiederholt sich. „Ich verkünde euch eine große Freude.“ Die Freude, die von etwas ganz und gar Geschenktem herrührt, von einem 1263 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unüberbietbaren Geschenk. Ein größeres Geschenk ist nicht denkbar. Es ist unmöglich, einem Menschen ein größeres Geschenk anzubieten. Er braucht in dieser Nacht nur die Augen zu öffnen, so wie es die Hirten von Betlehem getan haben und dann die Sterndeuter aus dem Osten, und schließlich im Lauf der Jahrhunderte und der Generationen, viele, viele andere. Eine große Freude. Es ist die Freude alles Geschaffenen, denn in dieser Nacht kommt ans Licht „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15). Alles Geschaffene findet in Ihm, im göttlichen Wort seinen ewigen Ursprung, seinen Platz: „Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist“ (Joh 1,3). Nacht von Betlehem! Wäre es uns vergönnt, mit der Stimme aller Geschöpfe zu sprechen! Wäre es uns vergönnt, in den Sprachen aller Völker und aller Menschen zu sprechen! Nacht von Betlehem, wir grüßen dich. Christus natus et nobis! Venite adoremus! Christi Licht ist bei den Menschen Weihnachtsbotschaft vor dem Segen Urbi et Orbi am 25. Dezember 1. Um Mitternacht hat der Prophet Jesaja zu uns gesprochen. Mit inspirierter Stimme hat er verkündet: „Das Volk, das in Finsternis wandelt, sieht ein gewaltiges Licht: Über den Bewohnern eines finsteren Landes strahlt ein Lichtglanz hell auf1 (Jes 9,1). Ein Lichtglanz strahlt auf. Strahlt vielleicht nur das von den Hirten von Betlehem geschaute Licht auf? Leuchtet nur jenes Licht am Horizont auf? In der Tat: jener Lichtglanz wurde zu einem wegweisenden Zeichen, so, wie der Stern, der die Weisen vom Orient führte; das Licht strahlt auf verschiedene Weise. Es strahlt viel klarer. Gott hat sich den inneren Augen des Menschen geoffenbart. 2. Am hellen Tag spricht zu uns der Evangelist, der Apostel Johannes: „Es war das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, der in die Welt kommt“ (Joh 1,9). Dieses Licht wird aus Gott geboren. Es kommt von Gott. Es ist Gott. Es ist das Ewige Wort. Das Wort ist der wesensgleiche Sohn des Vaters. „Gott von Gott, Licht vom Licht“. Das Wort ist in die Welt gekommen. Das Wort ist Heisch geworden. „In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen; das Licht leuchtet in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht ergriffen“ (Joh 1,4-5). 3. Die Nacht dauert an. Die Nacht des Advents dauert an. Die Völker wandeln in der Finsternis — und doch ist das Licht mit ihnen: das Wort, das inmitten der Nationen Fleisch geworden ist. Das Wort, in dem der unerkennbare Gott sich der Menschheit zu erkennen gegeben hat, das Wort, der Sohn. In Ihm ist die Welt von Ewigkeit her gekannt und von Ewigkeit her geliebt. Und Er ist das Maß dieser Liebe, das göttliche Maß: „Gott hat, in der Tat, so sehr die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingab“ (Joh 3,16). 1264 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das göttliche Maß der Liebe ist das Geschenk: es ist der Sohn als Geschenk, als absolutes Geschenk, nicht vergleichbar mit anderen Geschenken. Gott - Mensch. Über das Erbe des Todes hinaus, das in der Welt ist, erbt der Mensch das Leben, das von Gott kommt. Er erbt es im Sohn, der Mensch geworden ist in der Nacht von Betlehem und geboren wurde von der Jungfrau Maria. Er ist geboren durch den Heiligen Geist, durch den sich das vollkommene Geschenk verwirklicht. 4. Die Nacht dauert weiter an; die Nacht des Advents dauert an. Die Völker wandeln in der Finsternis, aber dieses vollkommene Geschenk ist bei ihnen. Er ist gegenwärtig: der Geist der Wahrheit, geoffenbart im Sohn und vom Sohn. Das Licht des Sohnes hört nicht auf, beim Menschen zu sein, durch den Heiligen Geist, der von ihm Zeugnis ablegt. Er legt Zeugnis ab von dem Wort, das Heisch geworden ist und das in der Nacht von Betlehem gekommen ist, um unter uns zu wohnen. Unsere irdischen Augen sehen das Kindlein, das in einer Krippe liegt (vgl. Lk 2,7), während die Augen des Glaubens die Herrlichkeit sehen, „die Herrlichkeit des Eingeborenen vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14). An diesem Tag bitten wir um das Licht: wir bitten um die Erleuchtung für die Augen unseres Geistes (vgl. Eph 1,18). Wir bitten um Eintracht und Einheit für jene Familien, die durch Unverständnis verwundet und durch Spaltungen zerrissen sind. 5. Die Nacht dauert an, aber das Licht Christi ist bei den Menschen. Es ist bei den Menschen in Europa. Über den niedergerissenen Mauern der ideologischen und politischen Gegensätze werden für die Glaubenden Herausforderungen und verpflichtende Horizonte sichtbar. Ja, die Zukunft Europas wird voll wunderbarer geistiger Vitalität sein, wenn der Hedonismus und der praktische Materialismus überwunden werden und wenn auch die Hindernisse fallen, die trennend zwischen denen stehen, die dem Erlöser nachfolgen. Einheit in der Kirche und unter allen an Christus Glaubenden: dies ist die Aufgabe der Christen, um das neue Europa im dritten Jahrtausend aufzubauen. 6. Das Licht Christi ist bei den gepeinigten Nationen im Mittleren Osten. Für den Golf-Raum warten wir angstvoll, daß die Drohung mit den Waffen zurückgenommen wird. Die Verantwortlichen mögen sich doch davon überzeugen, daß der Krieg ein Abenteuer ohne Rückkehr ist! Mit Vernunft, Geduld und Dialog und in Achtung der unveräußerlichen Rechte der Völker und der Nationen ist es möglich, Wege der Verständigung und des Friedens zu gehen. Auch das Heilige Land erwartet seit Jahren diesen Frieden: eine friedliche Lösung für die ganze Frage, die es betrifft, eine Lösung, die den legitimen Erwartungen des palästinensischen Volkes Rechnung trägt, und den Erwartungen des Volkes, das im Staat Israel lebt. 7. Es leuchte das Licht des Erlösers über dem afrikanischen Kontinent, besonders dort, wo die Freiheit infolge der Unterentwicklung gefährdet ist, dort, wo brudermörderische Kämpfe das friedliche Zusammenleben unter verschiedenen Völkern und Traditionen erschüttern, dort, wo die Hoffnung auf Frieden nicht gesichert ist und sich noch festigen muß. Ich rufe, auch jetzt, auf zu einer gerechteren Verteilung der Güter dieser Erde, um eine neue und gerechtere ethische und wirtschaftliche Weltordnung. Nur eine wirksame und achtungsvolle Zusam- 1265 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menarbeit zwischen den reichen Ländern und den Völkern in der Entwicklung kann verhindern, daß das Nord-Süd-Gefälle immer mehr zu einem Abgrund wird, der das schon so ausgedehnte und beunruhigende Meer des Elends und des Todes noch vergrößert. 8. Aber selbst wenn die Schatten am Horizont sich zu verdichten scheinen: Es wird ihnen nicht gelingen, das Licht Christi in Finsternis zu verwandeln. Der Menschheit, die nach Freude sucht, bietet er den Reichtum seines Lebens an: er schenkt sich selbst und streut die Zeichen seiner Liebe aus über unsere mühevolle Gegenwart. Wie sollte man ihn nicht loben, z. B. angesichts des religiösen Auftauens bei so vielen Jugendlichen und Erwachsenen? Wie sollte man ihm nicht danken, daß die Völker sich für sein Evangelium öffnen, wofür auch der kürzlich erfolgte Ad-limina-Besuch zahlreicher Bischöfe aus Vietnam ein vielversprechendes Zeugnis ablegt? Christus ist mit den Menschen auf dem Weg, er geht und lebt mit uns. Er ist mitten unter uns! Lebend und verherrlicht in seinem Sieg der Barmherzigkeit. Möge die Menschheit seinem unzugänglichen Lichte entgegeneilen, das sich an diesem Tag mit Macht enthüllt. In den Sprachen der Völker und Nationen bitten wir um das Licht. Ein Leben aus dem Geist des Evangeliums Ansprache während der Audienz für die Schwestern der Dillinger Franziskanerinnen am 31. Dezember Ehrwürdige Schwester Generaloberin! Liebe Schwestern der Kongregation der Dillinger Franziskanerinnen! Ihr seid herzlich willkommen hier beim Nachfolger des hl. Petras. Der Anlaß, der Euch hierher geführt hat, ist von hoher Bedeutung: das 750jährige Jubiläum des Bestehens Eurer Kongregation, deren Vertreterinnen aus den verschiedenen Erdteilen und Ländern hier anwesend sind: die Schwestern der Generalleitung und der Provinzleitungen aus Deutschland mit Spanien und der Schweiz, aus den USA, aus Brasilien, Indien - und die Schwestern von La Storta. In der Rückschau auf Eure 750jährige Tradition erscheint als Euer „Charisma“, daß Eure Ordensfamilie durch die Jahrhunderte hindurch immer offen war für die Bedürfnisse der Kirche und für die Nöte der Gesellschaft. Aus dem Geist des Evangeliums heraus hat Eure Ordensgemeinschaft den jeweiligen und immer größer werdenden Herausforderungen der Zeit durch die verschiedensten Tätigkeiten im Dienste an Gott und an den Mitmenschen in beispielhafter Weise entsprochen. Eure Aufgaben und Euer Dienst erstrecken sich beinahe auf alle Bereiche menschlichen Lebens, angefangen vom pädagogischen bis hin zum karitativ-sozialen Bereich auf drei Kontinenten. Sehr wichtig scheint mir auch die internationale Bedeutung des Generalatshauses in La Storta, das für die Schwestern aus verschiedenen Ordensgemeinschaften vieler Länder vierwöchige geistliche Emeuerangskurse anbietet und durchführt. Dadurch wird Eurer Kongre- 1266 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gation eine gewisse Ausstrahlungskraft eigen, die nicht nur für die Teilnehmerinnen der Kurse, sondern für viele andere und nicht zuletzt für die ganze Kirche von sehr hohem Wert ist. All dies vermag Eure Ordensgemeinschaft in der Kraft dessen zu vollbringen, der Euch stärkt: Jesus Christus. Auf Ihn sollt Ihr weiter Euren Blick richten, indem Ihr dem Beispiel des hl. Franziskus folgt, um so selbst ein Zeichen zu sein, „das alle Glieder der Kirche wirksam zur eifrigen Erfüllung der Pflichten ihrer christlichen Berufung hinziehen kann und soll“ (Lumen Gentium, Nr. 44). So wird Eure Gemeinschaft durch die Gnade Gottes und die Kraft seines Geistes auch künftig zum Aufbau der Kirche beitragen dürfen. Aus Eurer Gottverbundenheit wird auch weiter die Nächstenliebe zum Heil der Welt erwachsen. Liebe Schwestern! Euer Zeugnis für Christus und Euer Dienst sind für mich Grund zur Ermutigung und Freude. Gott schenke allen Schwestern Eurer Gemeinschaft ein langes Leben. Möge er viele andere zum Ordensleben berufen. Maria, die Mutter der Kirche und das Vorbild gläubiger Hingabe an Gott, möge Euch im neuen Jahr, Eurem Jubiläumsjahr, die Freude und den Trost ihres Sohnes erwirken. Hierzu erteile ich Euch, allen Schwestern der Kongregation, Euren Angehörigen und allen Wohltätern und Helfern Eurer Gemeinschaft meinen besonderen Apostolischen Segen. Aufmerksamkeit gegenüber dem Schwächeren Predigt bei der Eucharistiefeier zum Jahresende in der Kirche „II Gesü“ am 31. Dezember 1. „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (loh 1,18). Mit diesen Worten endet der Prolog des Johannesevangeliums, das wir in der heutigen Liturgiefeier gelesen haben. Es ist die Liturgiefeier der letzten Stunde des Jahres des Herrn 1990. Diese Stunde hat gleichsam ein besonderes Gewicht. Sie wird gewissermaßen zu einer Zusammenfassung aller Stunden des Jahres, das seinem Ende zugeht. Man könnte sagen: In dieser Stunde versteht man besser das Vergehen der Zeit bei allem Geschaffenen. Doch es vergeht auch der Mensch, der seinerseits ebenfalls den Gesetzen der Zeit unterliegt. Diese Hinfälligkeit des Menschen und der Welt ist vom Licht Gottes, den die sichtbare Welt nicht einschließen kann, ist durch sein ewiges Wort in die Geschichte der Schöpfung einge-treten. Das Wort, das „bei Gott war“, das Wort, durch das „alles geschaffen wird, ist Mensch geworden (vgl. Joh 1,1-2,14). Der Sohn Gottes, gleichen Wesens mit dem Vater und „Augenzeuge“ des heiligsten Geheimnisses, hat vom unsichtbaren Gott „Kunde gebracht“ (Joh 1,18). 2. Diese Offenbarung oder Frohbotschaft hat universale Ausmaße. „Der Sohn Gottes hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt. Mit Menschenhänden hat er gearbeitet, mit menschlichem Geist gedacht, mit einem menschlichen Herzen geliebt. Geboren aus Maria, der Jungfrau ist er in Wahrheit einer aus uns geworden, in allem uns gleich außer der Sünde“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Mit diesen Worten hat das Zweite Vatikanische Konzil die Wahrheit über das Geheimnis der Menschwerdung ausgesprochen. 1267 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die letzte Stunde des zu Ende gehenden Jahres ist liturgisch mit dieser Wahrheit verbunden. Jesus Christus ist ja das Alpha und das Omega, Anfang und Ende der Geschichte des Menschen. Er ist der Mittelpunkt und der Gipfel der Heilsgeschichte. Die Kirche hier in Rom, die apostolische Kirche, möchte in der letzten Stunde des bürgerlichen Jahres über die Weise nachdenken, wie sich die Geschichte dieser Stadt, der Hauptstadt Italiens, und die Heilsgeschichte, deren Zentrum und Gipfel sich in Jesus Christus befinden, gegenseitig durchdringen. Wie üblich, stellen wir diese Überlegungen in der Kirche „II Gesü“ an, die die Gebeine des hl. Ignatius von Loyola hütet, dessen Geburtstag vor fünfhundert Jahren (1491) wir demnächst feiern werden. Aus diesem Anlaß hat die Gesellschaft Jesu ein Ignatianisches Jahr angekündigt, dessen Feier ich mich durch einen Brief an den Generaloberen anschließen wollte. Darin habe ich die wichtigsten Punkte der Spiritualität des großen Heiligen hervorgehoben und seine Söhne aufgefordert, seinem Beispiel nachzufolgen, um ihrem Wirken in der Welt von heute neue apostolische Durchschlagskraft zu gegen. Ich grüße P. Peter-Hans Kolvenbach, der uns mit seinen Mitbrüdern heute abend in diesem Gotteshaus empfängt; ich grüße ebenso die kirchlichen und staatlichen Autoritäten, die an dieser Begegnung des Nachdenkens und des Gebetes teilnehmen wollten. 3. Das zu Ende gehende Jahr war für die Kirche in Rom, fünfundzwanzig Jahre nach dem Abschluß des 2. Vatikanischen Konzils, eine Zeit intensiven Nachdenkens über die grundlegende Wirklichkeit der Menschwerdung. Erstes Anliegen der römischen Synode ist nämlich das Aufgreifen der Lehre des Konzils in seiner echten Tiefe und erstaunlichen Aktualität. Wir wollen uns diese Lehre nicht nur zu eigen machen, sondern sie auch anwenden, das heißt: sie zum Lebensinhalt unserer Gemeinschaft und all jener machen, die in ihr das Geheimnis Gottes erkennen. „Der Sohn Gottes hat sich in seiner Menschwerdung ... vereinigt“ mit jedem Mann und mit jeder Frau, die sich in dieser römischen Gemeinschaft oder im apostolischen Erbe der beiden Herolde des Glaubens und der Kirche, des heiligen Petrus und Paulus, wiedererkennen. 4. Dieses Jahr stand im Zeichen einer intensiven Vorbereitungsarbeit in den vorsynodalen Versammlungen auf Ebene der Präfekturen, wobei alle Institutionen, in denen das kirchliche Leben seinen Ausdruck findet, verantwortlich und fachkundig beteiligt waren: die pastoralen Zentren des Vikariates, die des Laienapostolates, der Ordensfamilien sowie der Verbände und Bewegungen der Laien, die mit wachsendem Eifer auf wirksame Gemeinschaft bedacht sind. Das strategische Ziel einer „Ernennung der christlichen Prägung der Gemeinschaft der Christen“, als Vorbedingung für eine „Erneuerung der christlichen Prägung der Gesellschaft“ (C.L., 34), wurde mit der pastoralen Entscheidung für die Erwachsenenkatechesen als bevorzugtem Weg der neuen Evangelisierung verfolgt. Man hat sich um die Ausbildung von Animatoren in der Katechese (Priester, Ordensleute und Laien) bemüht, die den Glaubensweg der Erwachsenen begleiten können, wenn diese sich mit den verschiedensten Anliegen der Gemeinschaft der Christen anschließen und neue Möglichkeiten entdecken, wie sie die Nachfolge Jesu Christi leben können. 1268 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In den letzten Jahren hat die absinkende Wertschätzung der Würde und Achtung einer jeden menschlichen Person sozusagen ein Absinken der Qualität des gemeinschaftlichen Lebens verursacht und das Entstehen von drastischen wirtschaftlichen und sozialen Ungleichgewichten gefördert. Es fehlt in der Stadt nicht an materiellen Gütern. Schwach und ungenügend ist dagegen die Aufmerksamkeit, die man dem Schutz der Schwächeren schenkt. Von ihnen aber müßte sich doch alle jene angesprochen fühlen, denen bürgerliches Mitwirken sowie die Ethik der Zusammenarbeit und der Annahme des anderen ein Anliegen ist. 5. Angesichts dieser schwierigen Verhältnisse hat die Stadt großherzige Initiativen eingeleitet, bei denen Freiwillige, die von der Diözesankaritas angeregt und koordiniert werden, für den Schutz der am meisten notleidenden Menschen wertvolle Hilfe leisten. Es gibt zahlreiche Gebiete, auf denen das Eingreifen solcher Freiwilligen besonders dringend und bezeichnend ist, so etwa dort, wo Gleichgültigkeit gegenüber den Hoffnungen und Leiden der von Not betroffenen Mitmenschen weit verbreitet ist. Man denke an die in letzter Zeit eingewanderten Bevölkerungsgruppen in unserer Stadt, an die der Herr Kardinalvikar kürzlich eine Botschaft der Solidarität gerichtet hat, in der er die Gemeinschaft der Christen auffordert, für sie zu Nächsten zu werden, sie als Mitmenschen zu entdecken, um ihnen zu helfen und sie zu integrieren, anstatt sie abzuweisen und zu einem Leben in Not und Entbehrung zu verurteilen. 6. Diese kurzen Hinweise zur Situation unserer Stadt zeigen uns, daß die Kirche eifrig an der Arbeit ist und ihren Beitrag zur Lösung der Probleme der Menschen leistet. Ihr ist ja nichts, was den Menschen betrifft, fremd. Sie sieht und betrachtet alles im Lichte dessen, der der Herr der Geschichte ist. Vor ihm werden sich die Gläubigen ferner bewußt, daß „auch auf dem Christen ganz gewiß die Notwendigkeit und auch die Pflicht (liegt), gegen das Böse durch viele Anfechtungen hindurch anzukämpfen und auch den Tod zu ertragen“ (Gaudium et spes Nr. 22). So ist es. Das Geheimnis Christi gestattet uns die ständige Erneuerung im Guten; die unablässige Überwindung der Grenze der Sünde, um von neuem zu beginnen. Es gestattet uns endlich, auch die letzte Grenze des menschlichen Lebens, nämlich den irdischen Tod, zu überwinden. Wir tun es im Gedanken an alle Mitglieder unserer Gemeinschaft in Rom, die uns in diesem Jahre verlassen haben. Wir tun es im liebevollen Blick auf das Geheimnis der Nacht von Betlehem, das den Beginn des Paschamysteriums Christi und unseres Ostern in Christus darstellt. Er, der uns als treuer Zeuge den Vater geoffenbart hat, ist der Weg. In Ihm empfangen wir nicht nur das Licht der Frohbotschaft vom Heil, sondern wir werden dieses Heils teilhaftig. In Ihm, in Jesus Christus, überwinden wir die Grenzen unseres irdischen Lebens, das dem Ablauf der Zeit unterliegt, um die Fülle des Lebens in Gott zu finden. In Ihm, in Christus, wird jedes menschliche Ende ein neuer Beginn. Amen! 1269 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geistliche Mutterschaft im Dienst des Nächsten Ansprache an das Generalkapitel der „Töchter der hl. Anna“ am 31. Dezember Liebe „Töchter der hl. Anna“! 1. Gern empfange ich euch im Verlauf eures 18. Generalkapitels und begrüße euch herzlich. Mein Gruß soll zugleich alle eure Schwestern in der ganzen Welt erreichen. Ich danke euch für euren Besuch, der nicht nur ein Zeichen der kindlichen Ergebenheit gegenüber dem Nachfolger des Petras ist, sondern mir zugleich Gelegenheit bietet, eure Ordensfamilie besser kennenzulemen und die Hochherzigkeit der Schwestern zu ermessen, die täglich im Dienst der Kirche stehen. Ich danke besonders der Generaloberin eures Institutes, Sr. Virginia Sinagra, für die herzlichen Worte, die sie in eurem Namen an mich gerichtet hat. Ich wünsche, daß euer Generalkapitel mit der Hilfe des Herrn und dem mütterlichen Beistand der allerseligsten Jungfrau und der hl. Anna, eurer besonderen Patronin, in jeder Schwester und in der ganzen Kongregation den geistlichen Eifer noch zunehmen läßt und immer mehr überzeugtes apostolisches Bemühen und eine immer tatkräftigere Treue zu eurem besonderen Charisma weckt. Ihr schreitet auf dem Weg der Erneuerung, wie ihn das Konzil gewollt hat, voran und seid immer darauf bedacht, den Geist derer, die um der Nachfolge Jesu willen alles verlassen haben, nicht zu verlieren. Ich fordere euch auf, nie den Verlockungen der Welt nachzugeben, die zuweilen hinterhältig versucht, von innen her die volle persönliche und gemeinschaftliche Antwort auf den Ruf Gottes zu untergraben. 2. In den letzten Jahren sind zahlreiche Abschnitte eures Weges der Erneuerung zu erwähnen: vom besonderen Kapitel der Jahre 1969-1971 bis zur Generalversammlung in Santiago de Chile im Jahre 1988. Ihr empfindet nun das Bedürfnis, über das nachzudenken, was bisher geplant wurde, und ihr möchtet besonders die vier Entscheidungen überprüfen, die das letzte Kapitel über euren Einsatz getroffen hat: eure missionarische Ausrichtung, die Armen, die Familie und die Jugendlichen, um eurem schon so verdienstvollen Wirken für die Kirche noch größeren Schwung zu geben. Wir machen gewiß schwierige Jahre durch, die Klugheit und Eifer im Sinn des Evangeliums verlangen, doch soll euch, liebe Schwestern, nie Entmutigung niederdrücken, und keine Mühe soll euch zurückhalten. Waren nicht jene Zeiten ebenso hart, da eure Gründerin, die Dienerin Gottes Maria Rosa Gattorno, und P. Giovanni Battista Tornatore ihre Arbeit auf-nahmen? Die soziale und politische Atmosphäre des vergangenen Jahrhunderts war nämlich großenteils der Religion und der Kirche gegenüber feindlich eingestellt, die von den Denkern und Politikern heftig angegriffen wurden. Wieviele Schwierigkeiten und Mißverständnisse mußten Mutter Rosa und P. Tomatore bei ihrem Wirken verkraften! Und doch haben sie sich mit unerschütterlichem Glauben und von der Gnade getragen der göttlichen Vorsehung überlassen, die durch sie zahlreiche wohltuende Initiativen zugunsten der Kirche und der Gesellschaft eingeleitet hat. 3. Niemand hätte sich vorstellen können, daß jenes Mädchen aus Genua, das aus einer wohlhabenden und angesehenen Familie stammte, mit 21 Jahren verheiratet und gleich vom 1270 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schmerz geprüft wurde, sich zuerst - noch im Laienstand - dem Dienst an den Armen in ihrer Stadt widmen und dann in Piacenza eine Ordensgemeinschaft gründen würde, die den Leidenden und den hilfsbedürftigen jungen Mädchen helfen sollte. Mutter Rosa folgte den Plänen der göttlichen Vorsehung. Von Papst Pius DL ermuntert, sich gänzlich Gott und den Seelen zu weihen, machte eure Mutter allem Zweifeln und Schwanken ein Ende, und so entstand, auch auf den Rat von P. Tomatore hin und mit seiner geistlichen Hilfe, das nach der hl. Anna benannte Institut. 4. Ihr folgt weiter dem von eurer Gründerin vorgezeichneten Weg. Ihr seid aufgerufen, euer Herz den vielfältigen Bitten um Hilfe zu öffnen, die euch von den Menschen unserer Zeit erreichen; ihr seid berufen, mit euren Institutionen die Liebe Gottes zu den Leidenden, den Jugendlichen und den Kleinen sichtbar zu machen. Eure Präsenz an ihrer Seite muß, um wirksam zu sein, beständig, demütig und schweigsam sein. Seid darin dem ursprünglichen Geist eurer Gründung treu. Liebt ein strenges Leben und pflegt das Verlangen nach Kontemplation und Gebet. Mit dem Opfer eurer eigenen Person und der Annahme des Kreuzes in eurem Leben erfüllt ihr die Sendung, die Gott euch anvertraut hat. Mutter Rosa erinnert daran, daß die Gesellschaft gerade eine solche gekreuzigte Liebe braucht. Davon überzeugt, erklärte sie: „Nur Kalvaria ist der sichere Ort, wo ich bleiben will.“ Pflegt die „geistliche Mutterschaft“ durch zarte Aufmerksamkeit für die Leidenden und alle, die an euren Häusern anklopfen. Wie zur Zeit von Mutter Rosa braucht es auch in unseren Tagen viel mütterliche Aufgeschlossenheit, mütterliches Verständnis und konkrete Hilfe. Laßt euch von eurer himmlischen Patronin, der hl. Anna, anregen und ahmt ihre Tugenden nach, zumal ihre Liebe zu Maria. Die Mutter des Herrn möge euch bei eurem täglichen Bemühen um Hingabe und Zeugnis für das Evangelium zu Hilfe kommen. Ich wünsche euch allen ein glückliches neues Jahr, reich an geistlichem Eifer und freudevoller Liebe, und erteile euch von Herzen meinen Segen, den ich gern auf eure ganze Ordensfamilie ausdehne. 1271 IV. Ad-Limina-Be suche AD-LIMINA-BESUCHE Sorgt für das: Gedeihen des Reiches Gottes Ansprache an die Bischöfe der Antillen beim Ad-limina-Besuch am 5. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude und Liebe im Herrn begrüße ich die Mitglieder der Bischofskonferenz der Antillen anläßlich ihres Ad-limina-Besuches. Durch euch sende ich meine herzlichen Grüße an alle Priester, Ordensleute und Laien der Antillen. Seit unserem letzten Treffen hatte ich die Freude 1985 Trinidad und Tobago und 1986 Santa Lucia zu den Inseln zählen zu können, die ich in eurer Gegend besucht habe. Schon sehe ich mit Freuden meinem Besuch in Curagao entgegen und dem Tag, an dem ich den freundlichen Einladungen, die ich erhalten habe, mit weiteren Besuchen Folge leisten kann. Mein besonderer Gruß geht an Bischof Rivas der neuen Diözese Kingstown, die erst vor kurzem ihren Platz unter den Ortskirchen eingenommen hat, die in eurer Konferenz vertreten sind. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt uns, daß die an Pfingsten entstandene Kirche „in allen Sprachen spricht,.in der Liebe alle Sprachen versteht und umfängt und so die babylonische Zerstreuung überwindet“ {Adgentes, Nr. 4). Dies zeigt sich in eindrucksvoller Weise an der Zusammenarbeit und dem Einklang eurer Bischofskonferenz, die viele Territorien mit einer Verschiedenheit von Rassen, Sprachen und Kulturen umfaßt. Es ist gut, daß ihr dieses Beispiel kirchlicher Solidarität gebt, das die Völker der Antillen dazu ermutigen kann, auch in anderen Bereichen, im wirtschaftlichen, sozialen oder politischen, zum Wohl aller zusammenzuarbeiten. Euer Besuch fällt günstig mit dem 15. Jahr der endgültigen Genehmigung der Statuten eurer Konferenz zusammen. Einige Jahre nach ihrer Entstehung ist sie als eine der ersten internationalen Konferenzen dieser Art anerkannt worden. Ich bin zuversichtlich, daß sie auch weiterhin ein wirksames Mittel im pastoralen Planen und Handeln in den kommenden Jahren darstellen wird. 2. Liebe Brüder, im Evangelium finden wir Gleichnisse, die das Handeln Gottes in der Welt mit dem Geschehen in der Natur vergleichen. Sein Reich ist wie die in den Boden gepflanzte Saat (vgl. Mt 13). Wenn sie Nahrung erhält und gepflegt wird, bringt sie eine reiche Ernte; wird sie vernachlässigt oder zertreten, bringt sie keine Frucht. Dieses Lebens- und Wachstumsprinzip gilt für den ganzen Leib Christi und jedes seiner Glieder. Das Werk des Heiligen Geistes in unserer Mitte ist mächtig, doch es. entfaltet sich durch die Zusammenarbeit der Menschen, die, wie Maria bei der Verkündigung, ihre Zustimmung dazu geben, dem göttlichen Heilswerk zu dienen. Unterstützt vom Heiligen Geist, stehen die Christen beständig im Kampf, sich von der Sünde abzuwenden und an das Evangelium zu glauben, in der Heiligkeit zu wachsen durchiimmer vollkommenere Hingabe ihrer selbst und in Glauben, Hoffnung und Liebe zu leben als Zeichen des Heils für andere. Die gute Saat erkennt man an den Früchten, die über eine Lebenszeit hin mit Geduld gepflegt und geerntet werden. Als Christi Braut gebiert die Kirche auf geistige Weise durch die Kraft des Heiligen Geistes das Volk Gottes. Sie nährt ihre Söhne und Töchter mit den Sakramenten und predigt das Wort der Wahrheit, so daß sie wirklich frei sein können (vgl. Joh 8,31 ff.). Sie ist bemüht, das 1275 AD-LIMINA-BESUCHE Glaubensgeschenk, das sie erhalten haben, zu vertiefen und zu verstärken, damit sie die Welt durch ein christliches Leben umgestalten können. Ihr könnt heute mit Recht stolz darauf sein, wie die gute Saat des Evangeliums in den Antillen Frucht bringt, dank der Hirtenliebe der Priester, dem apostolischen Zeugnis der Ordensmänner und Ordensfrauen und dem großen Einsatz der Laien. Ihr sucht Wege, um sicherzustellen, daß für das Leben und die Sendung der Kirche dieser Glaube vertieft und gestärkt wird. Ich freue mich, die „Regionalversammlung über die Sendung der Laien“ erwähnen zu können, die in diesem Sommer stattfinden wird, sowie auch den Pastoralplan der Evangelisierung, den die Erzdiözese Castries für die neunziger Jahre angenommen hat. Ich bin zuversichtlich, daß diese Anstrengungen, die auch die in den Diözesen Belize City-Belmopan, Saint John’s-Basseterre und Basse-Terre, Pointe-ä-Pitre abgehaltenen Synoden hervorragend dazu beitragen werden, eine Wiederbelebung des Glaubens und der Mission in euren Ortskirchen hervorzurufen. Ich darf es auch nicht unterlassen, in dieser Hinsicht die zahlreichen Diözesanversammlungen zu erwähnen, die anderswo in den Antillen stattgefunden haben. 3. Wie kann man das Volk Gottes darauf vorbereiten, ein christliches Leben zu führen und zu evangelisieren? Wenn die Menschen ihre christlichen Pflichten in der Welt wahrnehmen, müssen sie den Inhalt des Glaubens erfassen. Nach den Worten des hl. Petrus müssen sie „stets bereit sein, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die sie erfüllt“ (vgl. 1 Petr 3,15). Dies ist wichtig in einer Zeit, in der zahlreiche Sekten, oft mit unwürdigen Mitteln, die Katholiken mit ihrem Glauben verwirren, vor allem, wenn deren Glaubenswissen begrenzt ist. Eine gute Formung im Glauben, die mit Vertrauen auf die Gnade Gottes und in Treue zu Christus und zum Evangelium übermittelt wird, garantiert, daß der Glaube der Kirche gewährleistet, gestärkt und verbreitet wird. Einige Aspekte dieser Bildung sind besonders erwähnenswert. Zum Beispiel muß dem Geheimnis der kirchlichen Gemeinschaft im Diözesanbischof und durch diesen, sowie mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, große Bedeutung beigemessen werden. Nur in der Perspektive der communio können die wahren Ziele der christlichen ökumenischen Bewegung, der Dialog mit Menschen anderer Religionen richtig verstanden und mit Offenheit und Emst verfolgt und Gesten vermieden werden, die die wirklichen Unterschiede nicht erkennen lassen. Wir dürfen auch die Rolle der Soziallehre der Kirche im Bildungsprozeß nicht übersehen. Da das Volk der Antillen eine gerechtere und friedlichere Gesellschaft sucht, können die Katholiken zu einem Lehrkörper werden, der eine inspirierende und anregende Sicht von echter menschlicher Entwicklung, vom Wert der Arbeit und von der Würde und den Rechten jedes Menschen anbietet. Glaubensbildung muß im persönlichen Gebet und in den Sakramenten, vor allem der Eucharistie, „Quelle und ... Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (Lumen Gentium, Nr. 11), verwurzelt sein. Ohne diese unerschöpfliche Quelle verkümmert das geistliche Wachstum und kann nicht so, wie es sollte, in Heiligkeit aufblühen. Zu einem würdigen Empfang der Eucharistie muß dem Bußsakrament Beachtung geschenkt werden (vgl. Redemptor hominis, Nr. 20). Die Katechese über die enge Beziehung zwischen diesen zwei Sakramenten wird passend gegeben, wenn in der Kindheit die erste Beichte der Erstkommunion vorausgeht. Die Abneigung, die die Menschen manchmal dagegen empfinden, ihre Sünden zu beichten, 1276 AD-LIMINA-BESUCHE bedeutet eine besondere Herausforderung zur Erneuerung dieses Sakramentes in unserer Zeit, eine Herausforderung, die die Kirche nicht übergehen darf, wenn sie ihre Glieder in der Weise mit Gott versöhnt sehen will, wie Christus es als großes Geschenk und heiliges Vermächtnis bestimmt hat: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22f.) Ehe und Familienleben gehören auch zu euren Sorgen, die ich mit euch teile, besonders im Hinblick auf die nicht sakramentalen Verbindungen zwischen einigen eurer Gläubigen. Wenn die Gnade des Sakraments fehlt, dann ist die „Hauskirche“ der Familie nicht so aufgebaut, wie es sein sollte. Die Verbindung zwischen Mann und Frau „im Herrn“ begründet ein Heim, in dem die Grundlagen des christlichen Lebens vollkommen gelebt und geteilt werden können. In dieser Wiege des menschlichen Lebens und der Liebe können die Menschen die wirkliche Bedeutung von Freiheit und Verantwortung lernen und werden so darauf vorbereitet, daß sie den Anruf Gottes, anderen durch eine besondere Berufung zu dienen, hören und befolgen können. Ich fordere euch auf, euer Volk weiterhin dazu anzuregen, im Einklang mit der christlichen Lehre über diese wichtigen Grundlagen menschlicher Beziehungen zu leben. Ich ermutige euch in jeder Hinsicht, Pläne zu verwirklichen, die Ehe und Familie in euren Diözesen stärken. So wie die Seelsorger überall, seid auch ihr um das geistliche Wohlbefinden der jungen Leute besorgt. Auch sie müssen wachgerufen und auf die evangelisierende Mission in der Kirche und in der Welt vorbereitet werden. In den Antillen gibt es eine lange Tradition katholischer Erziehung, die weitläufig respektiert und geschätzt ist. Möge diese Tradition andauem, so daß neue Generationen von Katholiken eine feste Grundlage erhalten, auf die sie ihr Leben im Einklang mit dem Evangelium aufbauen können. Und mögen auch diejenigen, die keine katholischen Schulen und Universitäten besuchen, kirchliche Unterweisung und Stütze für ein Leben im christlichen Glauben und christlicher Tugend finden. 4. Glaubensbekenntnis, sakramentales Leben, Sendungsbewußtsein: dies sind grundlegende Aspekte für die Bildung der Laien. Doch um diese Ziele zu erreichen, müssen Anzahl und Befähigung der Priester beachtet werden, die „unter der Autorität des Bischofs den ihnen zugewiesenen Anteil der Herde des Herrn heiligen und leiten“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 28); sowie die Ordensmänner und Ordensfrauen, die aufgrund ihrer besonderen Weihe danach streben, „im Dienste am Reich Gottes zur vollkommenen Liebe zu gelangen“ (CTC, c. 573). Priester und Ordensleute erinnern die Laien nicht nur an ihre Mission, sondern stehen ihnen auch in ihrer Bildung bei und ermutigen sie in ihrer kirchlichen und weltlichen Rolle. Die Kirche der Antillen wurde mit einer großen Anzahl eifriger Priester und Ordensleute gesegnet, die als Missionare aus anderen Ländern kamen. Nachdem die Kirche heute tiefer verwurzelt ist, gibt es immer mehr Berufungen unter den Söhnen und Töchtern der örtlichen Bevölkerung. Dafür sollten wir dem Herrn unendlich dankbar sein. Wir beten auch, daß er diese Anzahl noch steigern möge, vor allem die Berufungen zum monastischen Leben. In dieser Übergangszeit sind Missionare sowie einheimische Priester und Ordensleute wichtig für das Leben vieler eurer Diözesen. Beide Gruppen tragen zum Aufbau jener Kirche bei, die „in 1277 AD-LIMINA-BESUCHE der Liebe alle Sprachen versteht und umfängt“ (vgl. Ad gentes, Nr. 4), ohne Unterschied von Nation, Rasse und Kultur. Wenn die Zunahme der Berufungen zum Priesteramt wirklich fruchtbar für die Kirche sein soll, muß die Saat der göttlichen Berufung mit viel Liebe und Sorgfalt gepflegt werden. Die Ausbildung der Priester ist dermaßen wichtig in unseren Tagen, daß sie als Thema der Bischofssynode im kommenden Oktober gewählt wurde (vgl. Brief an die Priester zum Gründonnerstag 1990). Die Ausbildung ist vor allem das Werk des Heiligen Geistes, doch sie findet in einem menschlichen Zusammenhang statt, für den mit Weisheit und Klugheit Vorsorge getroffen werden muß. Ich bitte euch, weiterhin mit vereinten Kräften zu versuchen, den Ausbildungsplan am Regionalseminar in Trinidad zu verstärken. Die Ernennung eines eurer Mitglieder, Bischof Mendes, zum neuen Rektor ist ein eindrucksvolles Zeichen eures Einsatzes für diese dringende Aufgabe, und ich möchte ihm alles Gute für dieses Amt wünschen. In französischer Sprache sagte der Papst: Ich habe schon von der Bedeutung der kirchlichen Gemeinschaft gesprochen. Besonders für die zukünftigen Priester ist es notwendig, ihr Verständnis der communio zu vertiefen, com-munio in all ihren Dimensionen, hinsichtlich der Lehre und der Disziplin durch ein echtes geistliches Leben und ernsthaftes Studium. Dies ist unbedingt notwendig, um die anderen in der Gemeinschaft zu bestärken und um selbst mit Freude und Treue „Gehorsam und Achtung“ zu leben, wie sie dem Bischof bei der Weihe versprochen wurden; um Katholiken und Nichtkatholiken ohne Kompromisse und Abstriche den Glauben der Kirche zu predigen; um nach den liturgischen Normen die heiligen Geheimnisse zu feiern. Die Sorge der Kirche für das Leben und den Dienst der Diözesanpriester erstreckt sich auch auf die Ordensmänner und Ordensfrauen, die ihr Leben durch die Gelübde der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams dem Herrn geschenkt haben für den Dienst der Kirche. Die geistliche Fruchtbarkeit ihres Zeugnisses ist die Auswirkung der Treue, mit der sie die Verpflichtungen ihres Standes beobachten. Dies gilt sowohl für ihr inneres Leben als auch für den äußeren Ausdruck, den ihre Weihe und ihre Identität finden muß. Damit die Ordensleute in euren Diözesen im kirchlichen Dienst ihr Bestes geben, muß es euch am Herzen liegen, sie zu ermutigen und ihnen zu helfen, im vollkommenen Einklang mit ihrer besonderen Berufung und dem jeder Gemeinschaft eigenen Charisma zu leben. Ich bin zuversichtlich, daß die guten Beziehungen, die ihr mit den verschiedenen 'Ordensinstituten pflegt, noch weiter verbessert werden. In der Tat tragen sie viel zum Leben eurer Kirchen bei. 5. Liebe Brüder, der Herr selbst lehrt: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte“ (Mt 13,24). Trotz der Dornen, des felsigen Bodens und der glühenden Sonne sorgt die Kirche für das Gedeihen der Saat des Gottesreiches, damit sie mit der Kraft des Heiligen Geistes Frucht bringt, dreißigfach oder sechzigfach oder hundertfach (vgl. Mt 13,23). Der Bischof von Rom fühlt sich jedem von euch nahe in der Erfüllung eurer Mission, in Einheit mit den Priestern, den Ordensleuten und den .gläubigen Laien, zum Heil der Welt. Möge der Herr der Ernte mit euch sein! Möge er eure Schritte begleiten und euch seine Gabe der Freude und des Friedens schenken. Allen erteile ich von ganzen Herzen meinen apostolischen Segen. 1278 AD-LIMINA-BESUCHE Den Wert der Ehe und Familie für Kirche und Gesellschaft herausstellen Ansprache an die Bischöfe Boliviens bei ihrem Ad-limina-Besuch am 8. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Diese Begegnung mit euch bedeutet für mich eine große Freude, denn ihr seid die Hirten der Kirche von Bolivien, deren innere Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe mit dem Nachfolger des Petrus, „dem immerwährenden, sichtbaren Prinzip und Fundament für die Einheit“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23), ihr mit eurem Ad-limina-Besuch erneut sichtbar machen wollt. Ihr seid nach Rom, dem Zentrum des Katholizismus, gekommen und habt die Probleme und Schwierigkeiten, die Bestrebungen und Hoffnungen eurer Einzelkirchen mitgebracht. Ich aber denke in aller Herzlichkeit an alle Diözesen und jede einzelne, die ihr vertretet. In euch grüße ich selbstverständlich auch eure Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Seminaristen und alle eure Gläubigen, die in meinem Gebet zum Herrn und in meiner Erinnerung an den unvergeßlichen Pastoralbesuch, den ich eurem geliebten Land vor etwas mehr als zwei Jahren abstatten durfte, immer gegenwärtig sind. Herzlich danke ich für die Worte, die Bischof Julio Terrazas als Präsident der Bischofskonferenz in euer aller Namen an mich gerichtet hat, wobei er sich zugleich zum Sprecher eurer diözesanen Mitarbeiter und eurer Gläubigen machte. Ich bin mir bewußt, daß die Verkündigung des Evangeliums viele Opfer und viel Einsatzffeude fordert. Daher möchte ich jetzt euch selbst und euren Mitarbeitern bei den verschiedenen Aufgaben innerhalb der Verkündigung der Heilsbotschaft Christi im Namen des Herrn meine aufrichtige Wertschätzung und Anerkennung aussprechen, denn ihr seid Zeugen echter Hingabe und Selbstverleugnung, „damit das Wort des Herrn sich ausbreitet und verherrlicht wird“ (2 Thess 3,1). Die Herausforderung, die die gegenwärtige Situation eures Landes der Kirche in Bolivien stellt, erfordert von euch besonderen Einsatz bei der ständigen Verkündigung des Evangeliums, in der entschlossenen Erneuerung eurer Gemeinschaften, bei der Beurteilung und dem Verständnis des Menschen in Bolivien, der seinen Hunger nach Gott befriedigen möchte. 2. Ich möchte ferner meine lebhafte Wertschätzung für euer Zeugnis der Einheit als Episkopat aussprechen. Ihr wißt gut, liebe Brüder, wie wichtig die gegenseitige Liebe und die innere Gemeinschaft sind, die die Hirten der Kirche auszeichnen muß. Die Worte des Herrn: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21) müssen bei euch allen ein ständiger Antrieb sein, der sich zum Wohl der eurer Leitung anvertrauten Gemeinschaften wie auch der Gesellschaft im allgemeinen auswirken wird. Christus hat euch erwählt und gesandt, dem Menschen von heute mit eurem Wort und eurem Leben seine Botschaft und seine Heilswahrheit zu verkünden. Als Erzieher zum Glauben und „authentische Lehrer“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 25) müßt ihr euch mit Eifer dem Gebet widmen und aufmerksam das Wort Gottes hören, um es den anderen weitergeben und in jedem Ereignis die Pläne Gottes entdecken zu können (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 4). In 1279 AD-LIMINA-BESUCHE diesem Zusammenhang betont das II. Vatikanische Konzil mit besonderem Nachdruck, daß Christus in seinem Wort gegenwärtig ist, „da er selbst spricht, wenn die heiligen Schriften in der Kirche gelesen werden“ (Sacrosanctum Concilium, Nr. 7). Eure Predigt muß daher immer ein Zeugnis eurer persönlichen Begegnung mit Christus und eurer gänzlichen Hingabe an den Auftrag zur Verbreitung des Evangeliums und zum Aufbau des Reiches Gottes in der Gemeinschaft der Kirche sein. Wie ihr in eurem gemeinsamen Dokument Enfoque pastoral dargelegt habt, „sind alle zur Verkündigung dieses Evangeliums vom Reiche Gottes aufgerufen. Denn die ganze Kirche ist mit ihren Institutionen und Organisationen zur Verkündigung des Evangeliums da“ (3.4). Dies ist die große Aufgabe unserer Zeit, und keiner, der ein Glied der Kirche sein möchte, kann sich davon ausschließen. 3. Bei der Ausübung eures Dienstamtes, „das Werk Christi, des ewigen Hirten, durch alle Zeiten fortzusetzen“ (Christus Dominus, Nr. 2), rechnet ihr an erster Stelle mit der Mitarbeit eurer Priester, die das Konzil „sorgsame Mitarbeiter... der Bischöfe“ nennt (Lumen Gentium, Nr. 28). Die Bischofssynode, die gerade zu Ende ging, hat die Ausbildung der Priester in den heutigen Verhältnissen behandelt. Nach den Weisungen des II. Vatikanischen Konzils haben die Synodenväter ihre pastoralen Erfahrungen ausgetauscht, über die neuen Herausforderungen für das Leben des Priesters nachgedacht und Bewertungs- und Aktionskriterien vorgelegt, um dem Willen Gottes und den Bedürfnissen der kirchlichen Gemeinschaften mehr zu entsprechen. In der Botschaft der Synodenväter an das Volk Gottes wurde besonders die Aufgabe der Priester betont, „die wirklich notwendig ist und nicht ersetzt werden kann“ (vgl. III). So steht euren Priestern recht nahe, liebe Brüder im Bischofsamt, erweist ihnen echte Freundschaft, teilt ihre Freuden und Schwierigkeiten, und unterstützt sie in ihren Bedürfnissen. Auf diese Weise baut ihr eine feste Gemeinschaft auf, die den Gläubigen ein Beispiel gibt und ein gediegenes Fundament der Liebe wird. 4. Es gefällt mir, daß ihr den Priester- und Ordensberufen insbesondere Aufmerksamkeit schenkt. Ihr seid euch in der Tat bewußt, welch enorme Bedeutung das für die Gegenwart und Zukunft der Kirche in Bolivien hat, denn ohne eine ausreichende Zahl von Berufungen wäre das Werk der Evangelisierung ernsthaft bedroht. Es ist daher sehr wichtig, die Kandidaten für das Priestertum und das gottgeweihte Leben sorgfältig auszuwählen, sie entsprechend vorzubereiten und ihnen eifrig zur Seite zu stehen, damit sie durchhalten. Die Seminarien und Ausbildungshäuser müssen, nach den nachdrücklichen Hinweisen der Dokumente des Heiligen Stuhls, geeignete Zentren für die integrale Heranbildung der Person sein, mit einer soliden geistlichen, intellektuellen, pastoralen und menschlichen Grundlage. Sie müssen Zentren sein, in denen ein Klima gemeinschaftlicher und persönlicher Frömmigkeit herrscht, ein Klima des Studiums und der Disziplin, des brüderlichen Zusammenlebens und der pastoralen Einführung als Garantie und gediegene Grundlage für den künftigen Dienst. Nur so kann man auf die Bedürfnisse der Gläubigen antworten, die hoffen, daß ihre Priester vor allem Lehrer im Glauben und Zeugen der Nächstenliebe sind. Anderseits zeigt uns die Erfahrung, daß die Berufungspastoral auch der Familie und der Schule sowie den 1280 AD -LIMINA-BES UCHE apostolischen Bewegungen und kirchlichen Verbänden der Jugend volle Aufmerksamkeit schenken muß. Die Jugend muß bei euren pastoralen Planungen immer einen besonderen Platz haben. Die Kirche muß alles tun, was sie kann, damit die Jugendlichen zu Christus kommen. Ihr sollt daher immer an der Seite der Jugendlichen stehen, ihnen hohe und edle Ideale vorstellen und sie spüren lassen, daß Christus das Verlangen ihrer unruhigen Herzen erfüllen kann. 5. Euren Fünfjahresberichten habe ich mit Freude entnehmen können, daß in eurem Dienst die Familie Priorität hat. Wie ihr nämlich wiederholt betont habt, sind die Familie als Institution und die Ehe derzeit von nicht wenigen Gefahren bedroht. Insbesondere habt ihr aufmerksam gemacht auf den zunehmenden Trend zur Geburtenbeschränkung, der praktisch zu einer unberechtigten lebensfeindlichen Haltung wird. Euer pastoraler Eifer muß weiter den Wert betonen, den Ehe und Familie für Kirche und Gesellschaft besitzen, da sie „von Gott mit der Schöpfung selbst gewollt“ sind (Familiaris consortio, Nr. 3) und „vorrangiges Zentrum der Evangelisierung“ sein müssen (Puebla, 617). Wacht daher eifrig darüber, daß durch die Katechese und die übrigen Mittel der Pastoral die Werte der christlichen Familie gestärkt werden, damit sie „ein Raum ist, wo das Evangelium ins Leben gesetzt wird und wo daher dieses Evangelium aufleuchtet“ (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 71). 6. Von diesem Aspekt der Evangelisierung aus eröffnet sich für die gläubigen Laien ein weites Feld im kirchlichen und sozialen Leben. Aus unseren persönlichen Gesprächen habe ich mit Befriedigung entnehmen können, daß die christliche Laienschaft in Bolivien wächst und besser organisiert wird. Das ist eine tröstliche Tatsache, denn abgesehen von einer gewissen Milderung des drückenden Priestermangels ist das eine große Hoffnung für die örtlichen Kirchen. Ich ermuntere euch daher, die Laien noch mehr in die Evangelisierung einzuspannen und sie zur Übernahme der vollen Verantwortung als lebendige Glieder der Kirche aufzufordern, die für einen lebendigen und tatkräftigen Glauben innerhalb der Gesellschaft Boliviens Zeugnis geben. Im Apostolischen Schreiben Christißdeles laici habe ich ausgeführt: „Um die zeitliche Ordnung im genannten Sinn des Dienstes am Menschen christlich zu inspirieren, können die Laien nicht darauf verzichten, sich in die Politik einzuschalten, das heißt in die vielfältigen und verschiedenen Initiativen auf wirtschaftlicher, sozialer, gesetzgebender, verwaltungsmäßiger und kultureller Ebene, die der organischen und systematischen Förderung des Allgemeinwohls dienen“ (Nr. 42). Das II. Vatikanische Konzil fordert uns auf, das kirchliche Bewußtsein der gläubigen Christen zu fördern und ihre Verfügbarkeit und Befähigung zum apostolischen Wirken für die Evangelisierung und die Katechese auszunützen, damit sie dazu beitragen, die irdischen Wirklichkeiten zu ändern und mit christlichen Werten zu prägen. Daher muß eine eurer pastoralen Prioritäten die Vorbereitung, Anregung und Dynamisierung der christlichen Gemeinden und Bewegungen des Apostolats unter den Laien sein, damit sie in zahlreichen Lebensbereichen präsent werden, die die spezifische und eigentliche Mitarbeit von Laien erfordern. 7. In diesem Sinn besitzen die kirchlichen Basisgemeinschaften, die in Bolivien eine besondere Lebenskraft zeigen, eine besondere Aufgabe, Gemeinschaft und Beteiligung aufzu- 1281 AD -LIMINA -BES UCHE bauen. Nach den Worten meines verehrten Vorgängers Paul VI. „sollten sie in besonderer Weise Adressaten der Evangelisierung und zugleich auch deren Träger sein“ (Evangelii nun-tiandi, Nr. 58). Damit diese Gemeinschaften ihrer kirchlichen Identität entsprechen, müssen sie Orte der Begegnung und Brüderlichkeit sein, wo sich das eigentliche Leben der Kirche intensiv innerhalb mehr menschlicher und familiärer Beziehungen abspielt. Hier muß das Wort Gottes getreu aufgenommen werden, wie es die Kirche übermittelt, und die liturgischen Geheimnisse müssen im Hinblick auf einen tätigen Glauben als geistliche Nahrung dargeboten werden, die das apostolische Wirken trägt und anregt. Hier macht die wachsende Präsenz von Sekten und anderen religiösen Gruppen in Bolivien es besonders notwendig und dringend, dem gläubigen Volk die wesentlichen Inhalte der Glaubenslehre zu vermitteln, denn das auf Proselyten gerichtete Wirken dieser Gruppen schafft unter den Gläubigen Verwirrung und bedroht ihre Identität mit Spaltung und Unsicherheit. Soll das Aufleben der kirchlichen Basisgemeinschaften eine neue und dynamische christliche Lebenskraft werden, müssen sie stets das deutliche Bewußtsein ihrer Gemeinschaft mit der Kirche wahren. Das setzt ein treues Befolgen der Weisungen ihrer Hirten voraus, aber auch die Annahme der Äußerungen des päpstlichen Lehramtes, wobei stets die Versuchung zu vermeiden bleibt, sich in sich selbst zu verschließen und die notwendige universale und missionarische Ausrichtung aufgrund ihres katholischen Charakters zu vergessen (vgl. Puebla, 640-642). 8. In eurem gemeinsamen Dokument Directrices pastorales betont ihr: „Das Anliegen der Kirche muß wie das Anliegen Christi sein und den am meisten Notleidenden gelten“ (1.1.5). Das erfordert von allen ein solidarisches Bemühen um den Aufbau einer wahrhaft christlichen Gesellschaft, die das Ideal des Dienens über das der Ausbeutung und des Herrschens stellt. Bei der Eucharistiefeier in Santa Cruz bei meinem unvergeßlichen Pastoralbesuch in eurem geliebten Land bin ich auf die leidvolle Situation „der vielen Menschen und Familien in Bolivien [eingegangen], deren Kennzeichen hohe Kindersterblichkeit, Unterernährung, geringer Lohn, viel Arbeitslosigkeit, Mangel an Lebensmitteln sowie Lücken in der gesundheitlichen Versorgung und im Schulwesen sind. Dazu kommt der Schmuggel und der Drogenhandel mitsamt seinen inneren und äußeren Folgen, die in verschiedenen Formen der Korruption allgemein werden. Endlich ist das Randdasein zu nennen, die ungleiche Verteilung des Reichtums, kulturelle Rückständigkeit und die Mißachtung der Frau“ (Predigt, 13. 5. 1988, Nr. 3). Diese vor wenig mehr als zwei Jahren geschilderten Verhältnisse bilden leider weiterhin Aufgaben, die ihr vom Evangelium her aufgreifen müßt, damit dessen Heilswirksamkeit alle Bereiche des persönlichen und des sozialen Lebens durchdringt und erneuert. Die Macht des Bösen und der Sünde läßt sich mit der Kraft des Guten, die aus der christlichen Liebe stammt, überwinden. Die Kirche aber muß in einer Haltung der Armut und Freiheit gegenüber den Mächten dieser Welt nachdrücklich das Gebot der Bruderliebe und die Notwendigkeit verkünden, daß die Menschen gemeinsam und solidarisch handeln, die unausweichlichen Forderungen der Gerechtigkeit erfüllen und die lichtvolle Hoffnung auf das ewige Leben hochhalten. 1282 AD-LIMINA-BESUCHE 9. Eine umfangreiche Gruppe eures Volkes, die von der Armut und von fehlender Betreuung besonders betroffen ist, ist die der Eingeborenen. Ich kenne gut eure pastorale Sorge, die Heilsbotschaft Jesu Christi unter den Gemeinschaften der Eingeborenen lebendig präsent zu machen, ihren Lebensstandard und die echten Werte ihrer Kulturen hochzuhalten. Sie stellen für die Kirche gewiß einen großen Reichtum dar, wegen der Echtheit und Tiefe ihres Glaubens, ihres Gemeinschaftsgeistes und ihres Sinns für Solidarität. Daher bleibt es notwendig, mit noch größerer Hingabe und Tatkraft einheimische Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben zu fördern, wie auch die Zahl der Katechisten als mit der Wortverkündigung Beauftragte und anderer Dienstkräfte zu vermehren. Die integrale Evangelisierung dieser Menschengruppen sowie der Prozeß der Inkulturation werden immer den Schutz und die Förderung ihrer Eigenwerte garantieren. Bei unserer Begegnung im Seminar von Cochabamba habe ich euch gesagt: „Echte Inkulturation geht vom Licht und der Kraft des Evangeliums aus, das die Äußerungen jeder Kultur übersteigt und daher die Unterscheidung der echten Werte, ihre Reinigung, Umwandlung und Erhebung möglich macht“ (11.5. 1988, 4). Unsere heutige Begegnung aber bietet mir die Möglichkeit, euch meine Anerkennung auszusprechen, denn ihr habt bei nicht wenigen Gelegenheiten eure Stimme als Hirten zugunsten der Ärmsten und Schutzlosesten vernehmbar gemacht, und das sind ja die Eingeborenen. Ihr habt zur Solidarität und zur Achtung der Rechte der einzelnen und der Volksstämme aufgerufen. Von den Lehren des Evangeliums und der Soziallehre der Kirche aus habt ihr ferner die komplexe Frage des Landbesitzes aufgegriffen und gefordert, die Rechte zu achten und den rechtmäßigen Eigentümern ihren Besitz zu sichern. 10. Bei den persönlichen Begegnungen der letzten Tage habe ich erneut die Lebenskraft eurer Einzelkirchen schätzen gelernt, die ich meinem Herzen als Hirte so nahe fühle. Gebe Gott, daß der apostolische Antrieb und Eifer, den der Geist während meines Pastoralbesuches in Bolivien geweckt hat und den ihr in wirksame Pastoralprogramme umzusetzen verstanden habt, wachsen und sich entfalten und überreiche Früchte christlichen Lebens, der Liebe und der Hoffnung bringen. Liebe Brüder, dieser Ad-limina-Besuch ist ein Zeichen eurer tiefen Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl. Möge diese Begegnung auch eure Einheit untereinander als Bischöfe und Leiter der Kirche in Bolivien weiter stärken und bekräftigen; so wird euer Wirken an Intensität und Wirksamkeit gewinnen und sich zum Wohl eurer kirchlichen Gemeinschaften auswirken. Zum Schluß noch ein besonderer Auftrag: Richtet euren Priestern, euren Ordensmännem und Ordensfrauen, den Seminaristen, Pastoralhelfem und all euren Diözesanen den Gruß und Segen des Papstes aus. Ich empfehle euch dem mütterlichen Schutz Unserer Lieben Frau von Copacabana. Sie möge von ihrem göttlichen Sohn für alle und jeden einzelnen der geliebten Söhne der Kirche in Bolivien überreiche Gnaden erflehen. 1283 AD-LIMINA-BESUCHE Von der Botschaft des Evangeliums leiten lassen Ansprache an Bischöfe aus Südbrasilien beim Ad-limina-Besuch am 10. Februar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Nach den persönlichen Gesprächen ist nun der erwartete Augenblick der Begegnung mit euch allen, den Bischöfen der dritten Region Süd der Brasilianischen Bischofskonferenz gekommen, die zum Ad-limina-Besuch beim Nachfolger Petri weilen. Während ich zutiefst die „Sorge für alle Gemeinden“ (2 Kor 11,28) empfinde, heiße ich euch alle von Herzen willkommen. Möge Gott geben, daß dieser so sorgfältig vorbereitete Besuch für jede einzelne Ortskirche, für euch, die Hirten einer Region oder einer kirchlichen Provinz, sowie für das ganze Volk Gottes in Brasilien und schließlich auch für die Weltkirche reiche Früchte trage: Früchte der Gnade und des Friedens, um die ihr euch in der Erfüllung der dem Bischof auferlegten Pflichten (vgl. CIC, cc. 399 und 400) unablässig bemühen müßt. Der Gott des Friedens möge uns mehr und mehr „tüchtig [machen] in allem Guten, damit ihr seinen Willen tut. Er bewirke in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus“ (Hebr 13,21). Wenn ich euch heute empfange, so empfange ich gleichzeitig auch alle geliebten Brüder und Schwestern, welche euren Diözesen angehören und für die ihr eure besten Energien aufwendet, dem Beispiel des Guten Hirten folgend (vgl. Joh 10,11), der sein Leben ganz der Sorge für die ihm anvertraute Herde gewidmet hat. In der kirchlichen Gemeinschaft, im mystischen Leib Christi gelten die Worte, die ich an die Bischöfe und die Gläubigen des Rio Grande do Sul richte, gleichzeitig den übrigen bischöflichen Mitbrüdem Brasiliens, ebenso wie ich anläßlich der Begegnung mit anderen Gruppen, die zum Ad-limina-Besuch zur Verehrung der hl. Apostel Petrus und Paulus dieses Jahr in die ewige Stadt kommen, der Hirten der dritten Region Süd gedenken werde. 2. Ich kann es nicht unterlassen, dem brüderlichen Gespräch ein liebevolles Gedenken an die ganze große brasilianische Nation voranzuschicken. Noch immer erinnere ich mich an die herzliche Aufnahme, die mir ihre freundlichen Bewohner zuteil werden ließen. Sie haben damit im Lauf meines unvergeßlichen Pastoralbesuches vor fast zehn Jahren auf fühlbare Weise mein Herz erobert. Auch darf man nicht vergessen, daß das katholische Brasilien, was die Kirchenbezirke und deren Episkopat anbelangt, einen beachtlichen Teil der Kirche ausmacht. Daraus ergibt sich seine vorrangige Stellung vor allem im lateinamerikanischen Kontext. Ebenso verkenne ich nicht den großen menschlichen Reichtum des brasilianischen Volkes. In erster Linie ist er Frucht eines wunderbaren Ineinandergreifens von Rassen und Kulturen, das auch dank einer gemeinsamen christlichen Haltung den echten menschlichen Werten gegenüber Zustandekommen konnte. In ihnen konnte ich auch die Grundlage einer tiefen Religiosität wahrnehmen, die noch immer und auf einzigartige Weise dieses „Land des hl. Kreuzes“ kennzeichnet, wie es vor fast fünfhundert Jahren von den ersten Portugiesen bei ihrer Landung auf dem neuen Kontinent genannt wurde. Gleichzeitig jedoch sind mir die ungeheuren Probleme bekannt, die immer schwerer auf einem wachsenden Prozentsatz dieses freundlichen, aber oft leidgeprüften Volkes lasten. Das 1284 AD-LIMINA-BES UCHE gilt vor allem unter den gegenwärtigen, von einer diskriminierenden und zweifellos ungerechten Gegenüberstellung zweier Blöcke gekennzeichneten Umständen. Diese Aufspaltung der Welt in einen nördlichen und einen südlichen Block habe ich schon zu wiederholten Malen verurteilt (vgl. z. B. Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 14). 3. Man kann sich denken, wie sehr diese Probleme Brasiliens, das sich zweifellos unter vielen Gesichtspunkten in einem der schwierigsten Augenblicke seiner Geschichte befindet, auf euren Herzen als Hirten lasten, obgleich ihr einen der Staaten vertretet, der dank seiner Dynamik die gemeinsamen nationalen Probleme in einem Maß überwunden hat, das in anderen Staaten und bis vor einigen Jahren noch unvorstellbar war. Die Sorge der Hirten um die Aufwertung des Menschen ist durchaus begreiflich. Es wäre jedoch bedauerlich und sogar gefährlich, wenn diese ein Interesse und in manchen Fällen sogar eine Bindung an Ideologien mit sich brächte, die der Botschaft des Evangeliums so fremd sind, daß sie tatsächlich das eigentliche Ziel der Kirche ganz und gar entstellen können. Bei der Verfolgung dieses ihres eigentlichen Zieles, nämlich des Heiles der Seelen im Vollsinn dieses Wortes, widersetzt sich die Kirche keineswegs der irdischen Verwirklichung des Menschen und läßt diese auch nicht außer acht. Es ist allgemein bekannt, wieviel die Menschheit der Kirche verdankt, sowohl auf dem Gebiet der Verteidigung der Menschenrechte als auch auf dem des Fortschritts, der Entwicklung und der Förderung der einzelnen. Diese Förderung des Menschen jedoch war für die Kirche immer Ausgangspunkt für die Verwirklichung ihres spezifischen Zieles und muß es auch weiterhin bleiben. Ihr könnt mit eigenen Augen feststellen, daß sich die Kirche um die Bildung und das religiöse Leben der Bürger aller Staaten sorgt und dabei besonderen Wert auf ihre Sozialethik legt, auf der letzten Endes die ganze Gesellschaft beruht. Dies ist der beste Beitrag, den die Kirche zum Aufbau der bürgerlichen Gesellschaft leisten kann. Im Laufe der Geschichte konnte die Kirche in einigen Fällen nicht umhin, stellvertretend, als unbedingte Ausnahme und vorübergehend, sowie ohne Verzicht auf ihre Lehre über die beiden autonomen und souveränen Machtbereiche, in Situationen äußerster Notwendigkeit Probleme des bürgerlichen Bereiches zu lösen. Man würde ihr jedoch einen äußerst schlechten Dienst erweisen, wollte man für sie eine Macht in Anspruch nehmen, die ihr absolut nicht zusteht. Es ist leicht zu begreifen, daß sich ein Hirte in bestimmten kritischen Situationen durchaus versucht fühlt, seinen gesamten pastoralen Einsatz ausschließlich oder fast ausschließlich auf die menschliche Förderung hinzuordnen. Dabei handelt es sich aber um eine Versuchung, die er überwinden muß, wie sie Christus, der Gute Hirte, überwand. Gewiß können und manchmal müssen wir nach seinem Beispiel als Kirche, - im Rahmen unserer Kompetenz und aushilfsweise - auch für Probleme der zeitlichen Ordnung Lösungen finden, vor allem dann, wenn die Würde des Menschen auf dem Spiel steht und seine grundlegendsten Rechte bedroht sind. 4. Erinnern wir uns jedoch daran, daß das „Mitleid mit diesen Menschen“ (Mk 8,2), das Jesus sogar zur Brotvermehrung veranlaßte, den Meister in keiner Weise von seiner Sendung 1285 AD-LIMINA-BESUCHE ablenkte. Die Brotvermehrung war kein Selbstzweck und noch weniger konnte sie - trotz der Bestrebungen derer, die seine Wohltaten empfangen hatten und ihn zum König und zum Befreier machen wollten - für ihn zum Vorwand für die Übernahme einer politischen Führerrolle oder dergleichen werden. Das Vorgehen des Meisters sollte vielmehr hinführen zur großen Verheißung der Eucharistie, der Speise, die nicht verdirbt; des lebendigen Brotes, das vom Himmel herabgekommen ist und ewiges Leben schenkt (vgl. Joh 6,15.26.58). Wieder ist es der Meister, der Gute Hirte, der uns mahnt: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört“ {Mt 22,21). Aus dem Evangelium geht klar der Wille Gottes hervor, geoffenbart von Christus und in Christus: Er ist König, aber „nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Gott will, daß zwei verschiedene Mächte die irdische und die himmlische Stadt regieren; zwei voneinander getrennte und unabhängige, einander harmonisch ergänzende Mächte. Die in letzter Zeit vom Konzil durchgeführte Synthese dieser Lehre, der es ebenfalls nicht an Klarheit mangelt, ruft uns nachdrücklich die Unterscheidung zwischen der irdischen Stadt - der der Menschen, der bürgerlichen Gesellschaft - und der Kirche - der Stadt und des Reiches Gottes - in Erinnerung. Es obliegt nach den göttlichen Gesetzen, die der menschlichen Natur eingeprägt sind, den Menschen, die irdische Stadt zu organisieren und deren Regierungsautoritäten zu bestimmen. Die Kirche ihrerseits wurde unmittelbar durch den Willen Jesu Christi konstituiert, der ihre grundlegenden Gesetze, ihre Ziele und die ihr eigenen Funktionen festlegt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 76). 5. Für den Christen gibt es eine „gegenseitige Durchdringung der irdischen und der himmlischen Stadt“ und es obliegt ihm, die ihnen entsprechenden jeweiligen Pflichten im Rahmen der ihnen eigenen Gesetze zu erfüllen. Aber „die ihr eigene Sendung, die Christus der Kirche übertragen hat, ist... nicht auf die politische, wirtschaftliche oder soziale Ordnung gerichtet; das Ziel, das ihr gesetzt ist, gehört nämlich der religiösen Ordnung an“ (vgl. ebd., Nr. 42). Demnach erstreckt sich die spezifische Sendung der Kirche nur auf die religiösen, spirituellen und ethischen Aspekte der irdischen Stadt. Was die wirtschaftlichen und sozialen Belange betrifft, sollen „die Christen, die am heutigen wirtschaftlich-sozialen Fortschritt aktiv teilnehmen und sich zu Vorkämpfern für Gerechtigkeit und Liebe machen ... überzeugt sein, daß sie viel zum Wohl der Menschheit und zum Friede der Welt beitragen können“ (vgl. ebd., Nr. 72). „Sehr wichtig ist es, daß besonders innerhalb der pluralistischen Gesellschaft ein rechtes Verhältnis zwischen der politischen Gemeinschaft und der Kirche gewahrt werde, so daß zwischen dem, was die Christen als einzelne oder in Verbänden in eigenem Namen als Bürger, die von ihrem christlichen Gewissen geleitet werden, und dem, was sie im Namen der Kirche zusammen mit ihren Oberhirten tun, klar unterschieden wird. Die Kirche, die in keiner Weise in ihrer Aufgabe und Zuständigkeit mit der bürgerlichen Gesellschaft zu verwechseln noch auch irgendeinem politischen System verpflichtet ist, ist zugleich Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person“ (vgl. ebd., Nr. 76). All das, was die Kirche als pilgerndes Volk Gottes in der unsicheren Wirklichkeit der gegenwärtigen Welt für eine mit seiner christlichen Berufung im Einklang stehende, diesseitige Verwirklichung des Menschen getan hat und niemals zu tun unterlassen wird, muß von ihr immer als Kirche getan werden, also unter Beobachtung der soeben erwähnten Grundsätze. 1286 AD -LIMINA-BES UCHE Ihre Verwicklung in wirtschaftliche und soziale Probleme und in das Leben der politischen Gemeinschaft muß immer und ausschließlich ihrer eigentlichen Sendung entspringen oder diese krönen. Wie bekannt, besteht diese in der Verkündigung Jesu Christi und im Zeugnis für ihn, das Evangelium des Vaters, in Treue zum einzigen Geist der Wahrheit. Anders denken, sprechen und handeln wollen, käme offensichtlich einer völligen Entstellung der Natur der Kirche gleich, wie sie Jesus, unser Herr, gegründet hat; außerdem würde es sich dabei um eine heute mehr denn je anachronistische Form von Klerikalismus handeln. 6. Wir dürfen nie vergessen, daß die Kirche in der Konstitution Gaudium et spes, die sich auf die zeitgenössische Welt mit ihrer „Freude und Hoffnung, Trauer und Bedrängnis“ bezieht und sich an sie wendet, sich offen als „Gefüge aus Menschen,“ bezeichnet; „aus Menschen, die in Christes geeint, vom Heiligen Geist auf ihrer Pilgerfahrt zum Reich des Vaters hingeführt werden“. Darüber hinaus verkündet sie eindeutig „Christus ... den Gekreuzigten und Auferstandenen als ihre einzige Erlösung und Rettung“ (vgl. ebd., Nr. 1-2). In der großen Reflexion, die die Kirche im Konzil über sich selbst anstellte und deren Ergebnis die dogmatische Konstitution Lumen Gentium ist, ließ sie keinerlei Zweifel über ihre Natur und Zielsetzung aufkommen und definierte sich folgendermaßen: „Die Kirche ist... in Christus gleichsam das Sakrament, d. h. Zeichen und Werkzeug für die innerste Vereinigung mit Gott wie für die Vereinigung der ganzen Menschheit unter sich“ (vgl. Nr. 1). In ihr verwirklicht sich der universale Heilsplan des Vaters, das von Christes, dem menschgewordenen Sohn Gottes geoffenbarte und begonnene Reich, im Heiligen Geist (vgl. ebd., Nr. 2-5). Die Kirche, sichtbare Kundgebung des unsichtbaren Christus, priesterliches, prophetisches und königliches Volk, setzt die Verkündigung und den Aufbau dieses Reiches Gottes fort und schreitet zwischen den Verfolgungen der Welt und den Tröstungen Gottes auf ihrem Pilgerweg dahin (vgl. ebd., Nr. 6-8). Das Heil der Seelen ist ihr wesentliches Ziel und ihr höchstes Gesetz. Die Heiligung ist der Höhepunkt und der letzte Zweck ihres Einsatzes für das Heil, wie dies der Berufung aller zur Heiligkeit entspricht (vgl. ebd., Kap. V, Nr. 39ff.). Dem Heil und der Heiligung müssen dementsprechend alle Bemühungen um die Evangelisierung, auf allen Wegen und mit all ihren Trägem gelten. Es ist jedoch angebracht, darauf hinzuweisen, daß bei der Evangelisierung im sozialen Bereich, die einen Aspekt des Prophetenamtes der Kirche darstellt, die Verkündigung immer wichtiger ist als die Anklage und daß die letztere nicht von der ersteren absehen kann (vgl. Enzyklika Sollicitudo rei socialis, Nr. 41). Auf das Heil und die Heiligung müssen die gesamte Ausübung sowohl des allgemeinen Priestertums des Volkes Gottes als auch — und ganz besonders — das Amtspriestertum ausgerichtet sein. So stimmt es mit der Reflexion der letzten Bischofssynode überein, die im Apostolischen Schreiben Christifideles laici ihren Niederschlag gefunden hat. Diese Tätigkeit muß immer von der Liebe beseelt sein, die paradoxerweise „umso notwendiger [ist], als die Institutionen in ihrer Organisation komplexer werden und jeden verfügbaren Raum verwalten wollen. Sie werden letztlich vom unpersönlichen Funktionalismus, der übertriebenen Bürokratie, von ungerechten Privatinteressen, vom leichtfertigen und verbreiteten Mangel an Interesse ausgehöhlt“ (Nr. 41). 1287 AD -LIMINA-BES UCHE 7. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! Ich weiß sehr wohl, wie sehr ihr der eigentlich kirchlichen Verantwortungen eingedenk seid, die euch auferlegt sind und stets jeden von euch in seiner Ortskirche, in der Region und in ganz Brasilien begleiten. Die Aufgabe, die auf euch lastet, ist groß, doch beseelt uns alle die Gewißheit, die dem Glauben an Christus entspringt. Denken wir nur an den fundamentalen Einsatz für die Evangelisierung. In Brasilien, wo bald das fünfhundertjährige Jubiläum der Evangelisierung gefeiert werden wird, nimmt diese Aufgabe wahrhaft beeindruckende Ausmaße an, wie die von der Bischofskonferenz für die Kirchenprovinzen und die Regionen sowie für die einzelnen Ortskirchen gewissenhaft erarbeiteten Pastoralplanungen beweisen. Das „Alles-Aufwenden“ und „Sich-Aufreiben“ des Apostels (vgl. 2 Kor 12,15) muß allzeit das Merkmal sein, das euch, eure Priester und die übrigen Gottgeweihten sowie alle Gläubigen kennzeichnet, die um ihre Würde und ihre Verantwortung für das Reich Gottes, das Reich der Liebe und des Friedens wissen. Nur eine geeinte Kirche, wie sie Jesus, der Gute Hirte erbat: „Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin“ (Joh 17,21), wird in der Lage sein, der wunderbaren, aber so schwierigen Sendung gerecht zu werden, die er ihr anvertraut hat. Vor allem jedoch kann es sich niemand erlauben, unter dem soeben erwähnten Vorwand einer falsch verstandenen menschlichen Förderung die Einheit der Kirche in der Wahrheit und der Liebe zu zerbrechen. Diese Einheit ist die größte Gnade, die Jesus inständig vom Vater erflehte, als er uns das höchste Geschenk - die Eucharistie - hinterließ: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21). 8. Möge die unbefleckte Jungfrau Maria, „Nossa Senhora Aparecida“, die Herrin Brasiliens, über all ihre Kinder in dem ihr geweihten Land wachen und die Kirche auf ihrer Pilgerfahrt in diesem Land des Heiligen Kreuzes stets in der Einheit bewahren. Ich beschließe meine Worte mit dem hoffnungsvollen Wunsch, die Gesamtheit der Ortskirchen in Rio Grande do Sul, die zu einer auf die alte, dem hl. Petrus geweihte Diözese zurückreichenden Kirchenprovinz zusammengeschlossen sind, möge weiterhin in der Einheit der Weltkirche erstrahlen, die wir heute hier feiern. Darum bitte ich inständig den Guten Hirten, und durch euch sende ich euren Priestern, euren Gemeinschaften von Gottgeweihten, den Pfarreien, den Familien, den Jugendlichen und Kindern, den Betagten und Leidenden und schließlich allen geliebten Bewohnern der „Pampas“, euren Diözesanen, meine Grüße. Versichert sie meiner herzlichen Liebe; überbringt ihnen meine Aufforderung, ihre christliche Berufung zu leben, indem sie zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit suchen. Überbringt ihnen auch meinen Apostolischen Segen, den ich ihnen aus ganzem Herzen spende. 1288 AD-L1MINA-BESUCHE Die Stimme des Hirten kennen und erkennen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der brasilianischen Bischöfe der Region „Süd II“ -Parana am 17. Februar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Unsere heutige Begegnung - Krönung eures Ad-limina-Besuches als Bischöfe der Region „Süd II“ der Brasilianischen Bischofskonferenz - ist für mich Ursache tiefer Freude. Ihr kommt aus dem Bundesstaat Parana, dessen vier Kirchenprovinzen Curitiba, Londrina, Maringä und Cascavel in zwölf eurer Hirtensorge anvertraute Diözesen aufgeteilt sind. Als Jünger und Freunde Christi seid ihr Träger sowohl der Freuden und Hoffnungen als auch der Leiden und Ängste der Menschen, die diese schöne und so ausgedehnte Region Brasiliens bewohnen. Ihr habt mir das alles im Lauf der persönlichen Audienzen anvertraut. Dieser Augenblick soll nicht der Zusammenfassung dessen dienen, was wir in unseren persönlichen Gesprächen behandelten, sondern soll vielmehr ein gemeinschaftliches Erlebnis sein, eine Weiterführung der Eucharistiefeier, die immer den Höhepunkt eines Ad-limina-Besuches darstellt, denn in ihr ist der Gute Hirte wirklich als Emmanuel in unserer Mitte. Indem ich euch in Herzlichkeit und Achtung begrüße, richtet sich mein Gruß auch an die Gemeinden des Volkes Gottes, deren Hirten ihr seid. Ich fordere sie auf, weiterhin standhaft, unerschütterlich und eifrig am Werk des Herrn teilzunehmen in dem Bewußtsein, daß im Herrn ihre Mühe nicht vergeblich ist (vgl. 1 Kor 15,58). 2. In diesem Augenblick denke ich besonders lebhaft an die Begegnung mit euch bei meiner apostolischen Pilgerfahrt, die mich in das Gebiet von Parana führte und ihren Höhepunkt in der Feier der Eucharistie in Curitiba fand. Bei dieser Gelegenheit sprach ich mit den Bewohnern von Parana und für sie ein Gebet, das euch sicher erinnerlich ist und das mir, obwohl es zehn Jahre zurückliegt, immer noch aktuell erscheint. Ich sagte damals: „Für euch flehe ich Gott inständig an, die Integration der Rassen, die sich bei euch vollzieht, möge nicht zum Stillstand kommen, sondern vielmehr sich weiterentwickeln und vertiefen. Möge diese Verbrüderung der verschiedenen Völker eine ganz besondere Solidarität mit unseren eingeborenen Brüdern und Schwestern hervorrufen, und mögt ihr auch so aufgeschlossen sein, viele andere Gruppen von Menschen aufzunehmen, die eine Heimat suchen, weil sie der ihren beraubt wurden“ (Curitiba, 6. 7. 1980). Als Hirten einer, was die Kirche betrifft, verhältnismäßig gut strukturierten Region Brasiliens, die diesen Besuch bestens vorbereitet haben, tragt ihr zugleich mit großer Hoffnung auch Zweifel und Pläne in euren Herzen. Aber ich hörte auch aus den einzelnen persönlichen Begegnungen, daß ihr von lebhaftem Verantwortungsbewußtsein und ausgeglichenem Realismus erfüllt seid. Das Leben und die Kultur der Landbevölkerung haben tiefe Veränderungen erfahren, so daß diese Menschen jetzt gleichsam wie neu aufgekommene Besitzer mit vorwiegend städtischer und industrieller Mentalität leben. Darüber hinaus schaffen der gegenwärtige politische Augenblick mit seinen neuen Horizonten, ebenso wie der von den Medien ausgeübte Druck selbstverständlich neue pastorale Probleme. Es gilt, dem Risiko des Abgleitens in ein rein 1289 AD-LIMINA-BESUCHE oberflächliches Christentum vorzubeugen, das von verschiedenen Ideologien und von einer der christlichen Tradition gegenüber gleichgültigen oder gar feindlichen Auffassung vom Menschen bedroht ist; dazu kommt noch die verbreitete Anziehungskraft der Sekten, deren Opportunismus der Herr in seinen Gleichnissen sehr deutlich angeprangert hat (vgl. Mt 7,15; Joh 10,12), als er vor „falschen Propheten“ warnte. Angesichts solcher Situationen ist es wichtig, daß eure gläubigen Christen fähig sind, die Stimme ihres Hirten zu „kennen“ und zu erkennen, jene Stimme, die seit fast zweitausend Jahren zu vernehmen ist: „Sie werden auf meine Stimme hören; dann wird es nur eine Herde geben und einen Hirten“ (Joh 10,16). Es wird nur ein Volk Gottes geben, einen Neuen Bund des einzigen Herrn mit den Menschen: „Ich werde unter ihnen wohnen und mit ihnen gehen. Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein“ (vgl. 2 Kor 6,16; Hebr 8,10; Lev26,llf.). 3. Schon in der vorhergehenden Begegnung mit den Bischöfen einer Region anläßlich ihres Ad-limina-Besuches war ich darauf bedacht, zu betonen, daß der geliebte Staat Parana - in gewisser Hinsicht ein „Land aller Völker“ - uns hilft, den Begriff und die Wirklichkeit der Kirche als Volk Gottes greifbar zu machen, d. h„ jene wunderbare Fülle, die der Heilige Geist aus einer so großen Verschiedenheit von Rassen und Kulturen zur Einheit nach der Lehre der Apostel, zur geschwisterlichen Gemeinde, zum Brechen des Brotes und zum Gebet zusammengeführt hat. Ich möchte mit euch heute einige Gedanken zu dieser geheimnisvollen und so ansprechenden Wirklichkeit teilen, die euch in eurem Hirtenamt in Anspruch nimmt und herausfordert. Wenn dieses mit solcher Hingabe ausgeübte Amt nicht Frustrationen oder Einschränkungen ausgesetzt werden soll, muß dem Geheimnis des Volkes Gottes - gleichzeitig und untrennbar identisch mit der Kirche als historischem „Subjekt“, das auf dem Weg ist - neue Aufmerksamkeit geschenkt werden. Diese Reflexion ist sehr aktuell. Das II. Vatikanische Konzil, das verschiedene und auch sehr bedeutsame Bilder der Kirche vorlegte, bevorzugte das Bild der Kirche als Volk Gottes. Es gab gleichzeitig zu verstehen, daß es dieses Bild für besonders geeignet hielt, um ein gesellschaftliches Gefüge zu bezeichnen, das, obgleich in die Geschichte der Menschheit einge-gliedert, über alle Zeiten und alle Völker hinausragt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 9). 4. Dieser Titel Volk Gottes erinnert - wie euch bekannt -, an alles göttliche Eingreifen zur Rettung der Welt und weist ständig auf dessen endgültige Verwirklichung in Jesus Christus, unserem Herrn, der „das Ja [ist] zu allem, was Gott verheißen hat“ (2 Kor 1,20). Die Kirche, geliebte Brüder, ist somit, obgleich sie Israel, das Volk Gottes des Alten Bundes, fortsetzt, auch dessen radikale Umgestaltung. Indem sie alle ethnischen, geographischen und kulturellen Grenzen überschreitet, wird sie zur Wohnstatt, die allen unterschiedslos offensteht und in der alle, die „nicht sein Volk“ (i Petr 2,10) waren, zum Volk Gottes werden. Der erste Grund für diese radikale Umgestaltung ist die Tatsache, daß die Kirche vom menschgewordenen, gestorbenen und auferstandenen Sohn Gottes gegründet ist. Er macht das Geheimnis der heiligsten Dreifaltigkeit gegenwärtig. Dieses anbetungswürdige Geheimnis ist der einzige und dreifache Ursprung der Kirche; von ihm empfängt sie ihre einzigartige 1290 AD-UMINA-BESUCHE Gestalt als Volk Gottes, das in der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes zusammengeschlossen ist (vgl. hl. Hieronymus, In ps 41 adNeophCCL78, S. 542f.; vgl. hl. Cyprian, De orat.Dom. 23: PL 4,553). Tatsächlich werden ja die Menschen durch das Sakrament der Taufe - im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes gespendet - dem Volk Gottes einverleibt, und so macht „der Herr Jesus, ,den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat’ (Joh 10,36)... seinen ganzen mystischen Leib der Geistsalbung, mit der er selbst gesalbt worden ist, teilhaftig“ (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 2; vgl. Röm 6,4). Dies ist das Reich, das Jesus Christus auf Erden begonnen und dem er alle zu seiner endgültigen Verwirklichung notwendigen Mittel verliehen hat. Zu seinem Wachsen sind alle eingeladen, die den Herrn Jesus aufnehmen, auf daß sie in Treue und Gnade, ihrer Berufung und ihrem Lebensstand entsprechend, seine Mitarbeiter werden (vgl. 1 Kor3,8ff.). 5. Zur Stütze für diese Treue im Dienst des Volkes Gottes verteilt der Heilige Geist seine Gnaden und Gaben, wie sie die Erfüllung der spezifischen Sendung der Laien, der Ordensleute oder der geweihten Amtsträger erfordert, damit jeder an seinem Platz zum Aufbau des einen und gleichen mystischen Leibes beitrage. Im Rahmen dieser Struktur und auf sie abzielend (vgl. Eph 4,7ff.), nimmt die den Aposteln und den Bischöfen - ihren mit dem Nachfolger Petri vereinten Nachfolgern - verliehene Gnade den ersten Platz ein. Diese Gnade ist es, die die Verschiedenheit schützt und, der Vorsehung entsprechend, für die Förderung der Einheit in der Vielfalt Sorge trägt, damit alle Glieder des Volkes Gottes in Freiheit und Ordnung zum Heil gelangen können. Diese Gnade und das Geschenk der apostolisch-bischöflichen Hierarchie, geliebte Brüder, bringt eine echte Unterscheidung innerhalb des Volkes Gottes mit sich. Wir haben sie mit der sakramentalen Weihe empfangen, die in der Kirche die schöpferische Tat fortsetzt, durch die Christus die zwölf Apostel einsetzte. Aus ihr entspringt für ihre Nachfolger die spezifische Funktion, inmitten der Gläubigen die Gegenwart Christi zu bekunden und seine Zeugen zu sein (vgl. Konstitution Lumen Gentium, Nm. 18,19,21). Diese wesentliche Unterscheidung bringt, wie wir sehr wohl wissen, keinen Abstand zwischen den Bischöfen und den übrigen Gliedern des Volkes Gottes mit sich. Die konkrete Funktion der Bischöfe ist die Heiligung, Unterweisung und Leitung eben dieses Volkes Gottes, ein Amt, das nur den Nachfolgern der Apostel von Jesus Christus übertragen wurde und das sie nur in seinem Namen ausüben dürfen. 6. Von jedem anderen Volk sehr verschieden - hinsichtlich der konstituierenden Normen, die es leiten - trägt dieses Volk Gottes nicht die der apostolischen Sukzession eigene Autorität in sich: Das bischöfliche Amt ist daher keine vom Volk empfangene Gewalt und ist auch nicht, was seine Dauer und die Art seiner Ausübung betrifft, an das Volk gebunden. Es ist vielmehr sakramentalen und somit göttlichen Ursprungs und als solches zeitlich nicht begrenzt und keiner Ratifizierung bedürftig. Damit soll nicht gesagt sein, daß der Bischof aufgrund seiner sakramentalen Einzigartigkeit pastoral isoliert sein muß. Ganz im Gegenteil, er ist verpflichtet, die Mitarbeit aller anzunehmen und sogar zu suchen, sowohl der Einzelpersonen als auch der diözesanen und überdiö-zesanen Organisationen, damit auf diese Weise sein Dienst und seine Führung an Qualität 1291 AD -UMINA -BESUCHE und Wirkkraft gewinnen und bessere Aufnahme finden. Eine Mitarbeit, die Druck ausübt, wäre jedoch unangebracht. In diesem Fall würde das Volk Gottes zu einem Volk im laizistischen Sinn des Wortes und es bestünde in gewisser Hinsicht die Gefahr einer Unterordnung des bischöflichen Amtes, selbst was den Glauben und das christliche Leben betrifft, unter von Menschen getroffenen Entscheidungen. Das wäre eine Umkehrung der Begriffe und Werte: anstelle des Volkes Gottes wäre der Gott des Volkes getreten. 7. Wenn es gut ist, daß die Kirche, dem Beispiel ihres Meisters folgend, der „sanft und demütig von Herzen“ war, ebenfalls in der Demut verankert ist, und all dem, was ihr menschliches Antlitz und ihre menschlichen Aktivitäten betrifft, mit kritischem Sinn gegenübersteht, so muß diese Kritik doch selbstverständlich in berechtigten Grenzen bleiben. Als Hirten dieser Kirche, die den „Dialog des Heils“ (vgl. Tim 2,4) - wie ihn mein Vorgänger Paul VI. nannte - fortführen, müssen wir dafür sorgen, daß dieser kritische Sinn nur Ausdruck einer dienstbereiten Haltung ist und nicht die Absicht hat, die Meinung der anderen nach der eigenen Meinung zu dirigieren, die oft auf ziemlich unkluge Weise zum Ausdmck gebracht wird (vgl. Redemptor Hominis, Nr. 4). Das bischöfliche Amt kann demnach in keinem Fall von seiner einzigartigen und unlösbaren Bindung an Jesus Christus absehen. Alle, die dem Volk Gottes angehören, haben das unveräußerliche Recht, in ihren Hirten die Stimme Christi und die des Vaters zu vernehmen, der ihn gesandt hat, und von ihnen ein Wort zu empfangen, das nicht Menschen-, sondern Gotteswort ist (vgl. Lk 10,16; 1 Thess 2,13). Die Gläubigen - und im allgemeinen alle Menschen - möchten von uns „Worte des ewigen Lebens“ hören, die vom Glauben her den Sinn des zeitlichen Lebens aufzeigen; sie möchten die Gründe für die Hoffnung auf kommende Güter kennenlemen, um den Auftrag ausführen zu können, den Gott ihnen in der Welt anvertraut hat (vgl. Lumen Gentium, Nr. 48). Alle Seligpreisungen weisen auf das gerechte Gericht hin, das weder Sache der Menschen noch der irdischen Zeit ist, sondern nur Jesus Christus zusteht, wenn er in Herrlichkeit wiederkommt (vgl. Mt 25,21 ff.), um sein Reich zu vollenden und die Gerechten in das ewige Leben eingehen zu lassen. 8. Geliebte Mitbrüder im Bischofsamt! Die Reflexion über die Kirche als Volk Gottes wurde mir von meiner Verantwortung als Nachfolger Petri und als Prinzip und sichtbares Fundament der Einheit inmitten eben dieses Volkes nahegelegt, der Einheit der Bischöfe und ebenso der Einheit aller Gläubigen. Im Sinn dieser gleichen Verantwortung müßt auch ihr als Bischöfe Prinzip und sichtbares Fundament der Einheit in den Ortskirchen sein, die euch anvertraut sind (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23). Deshalb fordere ich euch, geliebte Brüder, auf, den Frieden, den der auferstandene Christus den Aposteln verkündete und der jede Furcht überwindet (vgl. Joh 20,19-22), ungeschmälert zu bewahren. Ich wünsche und erbitte euch von Gott, euer pastorales Wirken möge, wie das der Apostel, von der Überzeugung erfüllt sein, daß es das Wirken des Herrn selbst, und daß ebenso der Heilige Geist gegenwärtig ist (vgl. Apg 15,28). Ich fordere euch auf, mit Eifer, klarem Blick und Begeisterung den Dienst fortzuführen, den ihr bereits leistet, und dabei in euren Ortskirchen eure Klugheit und Liebe unter Beweis zu 1292 AD -LIMINA-BES UCHE stellen. Bringt weiterhin die Erfordernisse eurer Diözesen mit denen der Brasilianischen Bischofskonferenz in Einklang, damit die Pastoralplanung auf harmonische Weise erfolgen könne. Unterlaßt es nie, eurem Volk nahe zu sein, es zu lieben und auf seine Anliegen zu hören und so für alle Gläubigen eurer Diözesen Väter und weise Freunde zu sein. Insbesondere sollt ihr diese Aufgabe an Priestern und Priesteramtskandidaten, den Gottgeweihten, Ordensleuten und apostolisch tätigen Laien, wie allen jenen gegenüber erfüllen, die auf besondere und anerkannte Weise an der Sendung der Kirche teilhaben. Zum Schluß empfehle ich der Mutter Gottes, Sitz der Weisheit - „Nossa Senhora Aparecida“, wie sie vom geliebten brasilianischen Volk genannt wird - euer bischöfliches Amt. Ihrem mütterlichen Schutz empfehle ich euren Eifer als Hirten im Staat Parana. Möge ihre Fürbitte dem ganzen Volk Gottes auf seiner Pilgerfahrt reiche himmlische Gnaden erwirken. In diesem Sinn spende ich euch die Fülle meines Apostolischen Segens. Treue Hirten und Lehrer des Glaubens Ansprache an die brasilianischen Bischöfe der Region „Süd IV“ beim Ad-limina-Besuch am 24. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Seid zu dieser Begegnung herzlich willkommen! Das kurze Zusammensein beim Ad-limina-Besuch meiner Brüder im Bischofsamt ist immer Anlaß zu tiefer Freude. Heute darf ich euch, den Bischöfen der Region „Süd IV“ der nationalen Bischofskonferenz Brasiliens begegnen, die die Diözesen im Bundesstaat Santa Catarina umfaßt. Nachdem ich kurz mit jedem einzeln gesprochen habe, kann ich mich über den Glauben freuen, dem alle durch die Verehrung der Gräber der Apostelfürsten Petrus und Paulus Ausdruck gegeben haben. Ich bin ihnen zugleich dankbar dafür, daß sie sich mit mir und mit den verschiedenen zentralen Organen des Apostolischen Stuhles, die meine „Sorge für alle Gemeinden“ (2 Kor 11,28) teilen und auch ihnen zur Verfügung stehen, über die Tröstungen Gottes wie auch die Prüfungen, Schmerzen und Hoffnungen ausgetauscht haben. Dies gehört zur Hirtensorge für die Herde Christi, die euch auf diözesaner Ebene anvertraut ist. Als Hirten, „wie Gott sie will“, die immer „zur guten Verwaltung der vielfältigen Gnade Gottes“ bereit sind (vgl. 1 Petr 5,2; 4,10), seid ihr, im Geist von euren kirchlichen Gemeinschaften begleitet, zu diesem Besuch gekommen. Wenn ich daher euch herzlich begrüße, so gilt dieser Gruß zugleich den Gläubigen eurer Diözesen: den Priestern als euren engsten Mitarbeitern, den Ordensmännem und Ordensfrauen und allen Gottgeweihten, aber auch den im Apostolat engagierten Laien und allen, die an eurem bischöflichen Dienst beteiligt sind und ihn mittragen. 2. Bei unseren kurzen Gesprächen wurde mein Eindruck von der religiösen Lebendigkeit eurer Einzelkirchen, die in meiner Hirtenaufgabe meinem Herzen nahestehen, durch eure 1293 AD-LIMINA-BESUCHE Darlegungen bestärkt. Die Menschen von Santa Catarina sind als ehrliche, friedfertige und arbeitsame Menschen bekannt, die in den verschiedenen Lebensbereichen menschliche, religiöse und moralische Werte pflegen. Das ist die Frucht einer Evangelisierung, die von weither kommt; sie hat tiefe Spuren hinterlassen und Wege zur Gestaltung einer geordneten menschlichen Gemeinschaft eröffnet, obwohl ihre Mitglieder aus unterschiedlichen Kulturen stammen: ich denke an die aus den portugiesischen Gebieten, die Deutschen, Italiener und Polen und möchte dabei natürlich nicht die einheimischen Bevölkerungsgruppen vergessen. Sie alle sind zur Bevölkerung von Santa Catarina, zum Volk Brasiliens geworden. Diese fleißigen und gottverbundenen Menschen - ihr konntet mir auch ihre Treue und Zuneigung zum Nachfolger des Petrus bestätigen - tragen mit ihrem Eifer zum Aufbau einer menschenwürdigen Gesellschaft bei, die den ganzen Menschen und alle Menschen fördern soll. Das zeigt sich konkret im Einsatz für den Erhalt der Familie, in der Liebe zur Arbeit und in der Bereitschaft zum brüderlichen Zusammenleben in spontaner Solidarität. Diese Eigenschaften haben eure Region zu einem fruchtbaren Boden für Berufungen zum gottgeweihten Leben im Priester- und Ordensstand gemacht: zu einer Gnade für die Evangelisierung Brasiliens und darüber hinaus. Das zeigt sich besonders in der Beteiligung am bekannten „Projekt S chwesterkirchen1 ‘. 3. Auf der anderen Seite verkenne ich nicht, und ihr selbst habt mir davon gesprochen, daß sich die sozialen Ungleichgewichte, die benachbarte Gebiete plagen, auch in Santa Catarina verschärfen. Ein relatives Absinken, was Eigentum, Produktion und Verstädterung betrifft, wird auch bei euch in den Schattenseiten der großen Ballungsräume spürbar, wo zahlreiche Arme ohne Landbesitz, Wohnung und Mittel zum Überleben zusammenströmen. Daraus ergeben sich Bedrohungen: eine Zersetzung der Gemeinschaften, eine Zerstörung der von der Überlieferung her gediegenen und gesunden Familien und ein Wandel der Hierarchie der bisher gepflegten Werte. Je mehr sich daher die Probleme für eure pastorale Arbeit ausweiten, desto mehr verstehe und teile ich eure Sorge angesichts der Aufgaben, die sich der Evangelisierung in euren Diözesen heute stellen. Als Hinweis auf diese Sorge können einige Entscheidungen eurer Region „Süd IV“ im jüngsten Pastoralplan dienen. 4. Begegnungen wie die unsere lassen mich an die Erfahrung denken, die in der Apostelgeschichte geschildert ist, als Paulus und seine Gefährten nach Jerusalem kamen und der Kirche dort darlegten, was der Herr alles durch ihren Dienst am Evangelium vollbracht hatte. Nach Klärung einiger Fragen dankten alle Gott und stellten einige Überlegungen zur künftigen Evangelisierung an (vgl. Apg 21,17-22). In meinem Dienst als Nachfolger des Petras möchte ich immer „die Brüder stärken“, und daher lege ich euch heute einige Gedanken zur Evangelisierung vor, der wesentlichen Aufgabe der Kirche, wie sie sich in letzter Zeit gerade in Lateinamerika gezeigt hat. Evangeli-sieren war wirklich die der Kirche eigene Berufung und Gnade, ihre tiefste Identität. Seit meinem Aufruf in Porto Principe auf Haiti im Jahr 1983für eine neue Evangelisierung haben meine Brüder, die lateinamerikanischen Bischöfe, als ihr Motto gewählt, der Evangelisierung neuen Impuls zu geben, im Hinblick auch auf die Feiern zum 500. Jahrestag der 1294 AD-UMINA-BESUCHE Ankunft der Frohbotschaft auf diesem Kontinent. Auch bei euch, den brasilianischen Bischöfen, war die neue Evangelisierung in jüngster Zeit Gesprächsthema, und ich freue mich sehr darüber. 5. Gültig bleibt, was mein Vorgänger Paul VI. ehrwürdigen Andenkens in dem bekannten Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi zusammengefaßt hat. Seine Analysen und Weisungen brauchen offensichtlich jene Weiterführung und jene Anwendungen, die alte und neue besondere Situationen erforderlich machen. Sie fordern von uns Bischöfen aber, daß wir diese Dimension des apostolisch-bischöflichen Auftrags, den der Heilige Geist uns gegeben hat, mutig und treu leben. Doch „alle Völker lehren“ bedeutet für uns als Hirten auch, die echten Gaben anzuerkennen, die den Getauften für die Verkündigung der Frohbotschaft gegeben werden. Wie wir wissen, besteht evangelisieren in dem Zeugnis, daß der Menschensohn von sich selbst gibt, und das in der Sendung der Kirche beständig weitergeht. Die Menschwerdung selbst ist Evangelisierung: denn das fleischgewordene Wort ist das letzte und endgültige Wort, das Gott an die Menschheit richtet, nachdem er zu ihr vielfach und auf mannigfache Weise gesprochen hat (vgl. Hebr 1,1-3). Evangelisieren war die Hauptaufgabe des Herrn Jesus und ebenso die der Apostel: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde“ (J Kor 9,16). Analog muß es daher auch ein Anliegen jedes Getauften sein, der sich seiner Würde und kirchlichen Sendung bewußt ist. Oft wurde wiederholt, daß der große Evangelisierer und das echte Evangelium Jesus Christus selbst ist, wie er uns historisch in der Heiligen Schrift geschildert wird, und wie ihn die echte Tradition überliefert. Wie wir wissen, ist dies die Form, in der Gott ohne Unterbrechung mit der Kirche, der Braut seines geliebten Sohnes, Dialog führt; es ist zugleich die Form des Heiligen Geistes, durch den die Stimme des Evangeliums in der Kirche und durch sie in der Welt lebendig bleibt. Er führt die Glaubenden in die volle Wahrheit ein (vgl. Dei Verbum, Nr. 8). 6. Aus dem evangelisierenden Wirken Jesu ist die Kirche hervorgegangen, die ihrerseits von Ihm zum Evangelisieren ausgesandt ist. Als Evangelisierte wird sie zur Evangelisiererin, zum Licht der Nationen und Zeichen der Gegenwart Christi selbst (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 15); als sein mystischer Leib aber ist sie das Sakrament des Heiles für alle. Zwischen Christus, der Kirche und dem Inhalt der Evangelisierung besteht ein unzertrennliches Band: „Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab“ (Lk 10,16). Daher der Nachdruck, mit dem der hl. Paulus lehrt, niemand dürfe sich selbst predigen, sondern müsse Jesus Christus als den Herrn verkünden (vgl. 2 Kor 4,5); und so besteht die Evangelisierung auch nicht in glänzendem Reden oder in Wundertaten, vielmehr in der Verkündigung Christi als Erlöser der Menschheit durch die Kraft des Paschamysteriums, durch seinen Tod und seine Auferstehung (vgl. 1 Kor 15,20-21). Im Bemühen um eine neue Evangelisiemng - „neu in ihrem Eifer, in ihren Methoden und ihrer Ausdrucksweise“ (Ansprache an die 19. Vollversammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrates [CELAM] in Port-au-Prince [Haiti] am 9. März 1983, in: Der Apostolische Stuhl, 1983, S. 385) - ist es eure Aufgabe, in euren Einzelkirchen den Inhalt der Evangelisierung und den Stil ihrer Durchführung integral und echt zu erhalten, so, wie ihn die univer- 1295 AD -LIMINA -BESUCHE sale Kirche verkündet. Es geht um eine Aufgabe, die ihr mit dem Bischofsamt auf euch genommen habt. Zugleich geht es um das Wesen der Kirche. Wie wir wissen, machte sie im Verlauf der Geschichte in dem Maße in ihrer Sendung zum Evangelisieren Fortschritte, wie sie Jesus Christus treu blieb und den Fußstapfen ihres Herrn folgte. 7. Will man ferner einen bestimmten Aspekt oder ein besonderes Stück des Evangeliums betonen, gilt es aufmerksam zu bleiben und es nicht zum Schaden anderer Aspekte oder Gehalte zu tun. Man darf auch einem Einzelaspekt keine größere Wichtigkeit zumessen, als er im Ganzen der Botschaft hat. Will man die Verkündigung des Glaubens der Mentalität und Kultur der Evangelisierten anpassen, so muß das ohne Verkürzung oder Veränderungen des einen Evangeliums geschehen, unter Vermeidung einer Vermischung der Methoden mit anderen Aktionen im Dienst der Förderung des Menschen. Statt die Wahrheit des Evangeliums zu verkürzen, verpflichtet uns unser Amt als Hirten und Lehrer des Glaubens unausweichlich zum Unterscheiden, Klären und zum Finden von Heilmitteln für Abweichungen, wenn das notwendig sein sollte. Die Transzendenz der Botschaft des Evangeliums darf auch keineswegs durch die im übrigen berechtigte Aufmerksamkeit für die Probleme der sozialen Ordnung verdunkelt werden. So muß auch im Kontext Brasiliens, wo die Aufmerksamkeit der Hirten auch einer echten Förderung des Menschen zu gelten hat, die Integrität der Verkündigung des Evangeliums sich in der ganzen Ausübung des Lehramtes und im gesamten Wirken jener widerspiegeln, die mit dem apostolisch-bischöflichen Auftrag die Verantwortung übernommen haben, die Kirche Gottes zu lehren, zu heiligen und zu leiten. 8. Sehr erhellend wirkt die Feststellung, daß im Verlauf von zwei Jahrtausenden der Präsenz der Kirche in der Welt die Boten des Heils in Jesus Christus es verstanden haben, mehr Solidarität aufzubauen, ohne irgendwie die Erhebung des Menschen, den transzendenten Wert seines Menschseins und den Sinn seiner Existenz zu verkürzen, immer in der Perspektive jenes „Geheimnisses der göttlichen Heilsordnung, das die Erlösung und die Gnade mit dem Kreuz verbunden hat“ (vgl. Redemptor Hominis, Nr. 11). So hat es der Meister gemacht. Wenn er umherging und „Gutes tat“, Krankheiten heilte sowie Gerechtigkeit und Solidarität unter den Menschen seiner Zeit förderte, unterschied er weitblickend die Ebene Gottes und die des Kaisers. Das Heil, das er verkündete, war transzendent und eschatologisch: es begann in dieser Welt, gewiß, seine Vollendung geschieht aber in der kommenden Welt (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 27). Ebenso hielten es auch die ersten Christen. In der Reinheit und der Begeisterung der ursprünglichen Ostererfahrung teilten sie ihre Güter und standen den Notleidenden bei; aber sie ließen darüber nicht ihre Verpflichtungen zum Gebet und zur Verkündigung des Wortes zu kurz kommen. Die ersten Diakone wurden übrigens eingesetzt, damit sich die Apostel weiter eifrig der ihnen eigenen Sendung widmen konnten: „Wh aber wollen beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben“ (Apg 6,4). Sie beachteten alles, aber in einem geordneten Pastoralen Vorgehen. 9. Im Verlauf der Geschichte hat die Kirche das Reich Gottes verkündet, war aber zugleich dort, wo sie Fuß faßte, Förderin jeweils besserer menschlicherer Verhältnisse. Und wie wir 1296 AD-UMINA-BESUCHE wissen, hat sie sich als Gesandte immer für ein Gleichgewicht des transzendenten Wertes und der sozialen Dimension des Menschen eingesetzt. Wie überall, so hofft und wünscht auch der Mensch in Brasilien, welches auch immer seine sozialen Verhältnisse sein mögen, die Erhabenheit seiner Berufung zu erkennen, die Größe der Liebe zum Nächsten und den Sinn seines Wirkens innerhalb des „unergründlichen Reichtums Christi“ (vgl. Eph 3,8). Entsprechend wurde in der Konzilskonstitution Gaudium et spes die Kirche und ihre Sendung dargestellt, nämlich: daß es ihre Aufgabe sei, dem Menschen zu einer Begegnung mit Christus zu verhelfen. Den Einzelkirchen und euch Bischöfen als Letztverantwortlichen für den Erfolg der Sendung kommt es zu, diese Hilfe entsprechend zu gestalten. Wenn ihr euch daher für die soziale Dimension der Evangelisierung einsetzt, müßt ihr sie immer als kirchlichen Ausdruck der Sendung vor Augen behalten. Wenn ihr mehr an Hilfeleistung und Förderung des Menschen aufbietet und mit eurem Herzen als Väter und Hirten die Ärmsten bevorzugt, muß das so geschehen, daß der Primat der Heilsgüter gewahrt bleibt. Ihr müßt ferner dafür sorgen, daß die spezifischen Aufgaben der geweihten Diener geachtet werden und diese sich vom Gebet und vom Wort Gottes nähren, ohne in Zweideutigkeiten zu verfallen. Hier ist auch unbedingt daran zu erinnern, daß die Heilige Schrift nicht verfälscht und nicht zur Rechtfertigung und Verteidigung persönlicher Auffassungen politischer und parteigebundener Art mißbraucht werden darf. Die Mahnung des Apostels Petrus hat nichts von ihrer Aktualität verloren: „Bedenkt dabei vor allem dies: Keine Weissagung der Schrift darf eigenmächtig ausgelegt werden; denn niemals wurde eine Weissagung ausgesprochen, weil ein Mensch es wollte, sondern vom Heiligen Geist getrieben haben Menschen im Auftrag Gottes geredet“ (2 Petr 1,20-21). Was die Ausübung der Sendung durch jeden Getauften angeht, tut alles, daß sie geordnet und in Achtung vor den Befugnissen eines jeden vollzogen wird. Die letzte Bischofssynode hat hier einen wertvollen Beitrag geliefert. Eines sind Aufgabenbereich und Handlungsweise eines Laien; aber notwendig etwas anderes sind Aufgabenbereich und Handlungsweise eines Getauften, dem ein geweihter Dienst übertragen worden ist. 10. Liebe Brüder im Bischofsamt! Die Evangelisierung hat viel von der Beachtung dieser Grundsätze zu gewinnen, die ihr ja bereits anwendet und die ihr, wie ich sicher bin, mit überreicher Frucht auch weiterhin anwenden werdet in den verschiedenen Bereichen des Lebens der Kirche inmitten eures Volkes, das mit der Kirche so tief verbunden ist. Keine Furcht soll eure Hoffnung verdunkeln: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren“ (Joh 14,1), hat uns der Herr beim Letzten Abendmahl gesagt. Ich bitte den Herrn, er möge auf euch die Kraft seines Geistes ergießen, damit eure Einzelkirchen unter seiner ständigen und ermutigenden Anregung immer mehr evangelisiert werden und selbst evangelisieren. Sie mögen jene Hoffnung ausstrahlen, die das christliche Leben als wirksamer Weg zur besseren Überwindung der menschlichen Probleme individueller und sozialer Art zu wecken vermag. Kehrt dann mit neuer Zuversicht in eure Diözesen zurück. Jesus Christus, der euch zur Betreuung seiner Herde berufen hat, wird immer bei euch bleiben und euch bei euren Arbei- 1297 AD-LIMINA-BESUCHE ten zur Seite stehen. Er wird sicherstellen, daß euer bischöflicher Dienst reiche Frucht an Liebe und Heiligkeit bringt. Es begleitet euch meine Verbundenheit im Gebet, damit in jedem von euch der wirksam ist, der „in euch das Wollen und das Vollbringen bewirkt, noch über euren guten Willen hinaus“ (Phi] 2,13). Und möge die Mutter unserer Zuversicht, Unsere Liebe Frau von Aparecida, eure Schritte lenken und eure Herzen als „unsere Hoffnung“ erleuchten. Mit diesen Wünschen erteile ich euch und euren Diözesangemeinschaften den Apostolischen Segen. Er möge für alle Menschen in Santa Catarina ein Unterpfand göttlicher Gnaden auf die Fürbitte der hl. Katharina sein. Neue Auffassung von der Liturgie hat reiche Früchte getragen Ansprache an die brasilianischen Bischöfe der Region „Süd I“ (Bundesstaat Säo Paulo) anläßlich ihres Ad-limina-Besuches am 20. März Liebe bischöfliche Mitbrüder! 1. In der Ausübung eures Bischofsamtes im Dienst der Kirche Gottes im Bundesstaat Säo Paulo seid ihr gekommen, um den Bischof von Rom, den Nachfolger Petri, zu besuchen und ein Bekenntnis für die hierarchische Gemeinschaft mit ihm abzulegen. Ich heiße euch willkommen und begrüße euch bei diesem Ad-limina-Besuch mit dem Kuß brüderlicher Liebe. Der Herr Jesus selbst vertraute dem Petrus und seinen Nachfolgern die höchste, unmittelbare und universale Autorität in der Sorge für die Seelen an und bestellte ihn und seine Nachfolger für alle Zeiten zu Führern der Apostel, damit der Episkopat einer und ungeteilt mit ihm vereint bleibe (vgl. Konstitution Lumen Gentium, Nr. 18). In brüderlichem Dienst sollte er seine weltumspannende Autorität ausüben und „die Brüder stärken“. So sollte im Bischofskollegium die hierarchische Gemeinschaft von Haupt und Gliedern gewahrt werden, um das Gottesvolk des Neuen Bundes auf seine Pilgerschaft zur ewigen Seligkeit weise und umsichtig zu leiten (vgl. ebd., Nr. 21). Ich danke Kardinal Paulo Evaristo Ams für die liebenswürdigen Worte, die er auch im Namen der anderen Metropoliten und der zahlreichen Gmppe der bischöflichen Mitbrüder, welche die Region „Süd I“ der brasilianischen Bischofskonferenz bilden, an mich gerichtet hat. 2. Vor allem möchte ich euch im Namen des Herrn meinen Dank für eure hochherzige pasto-rale Arbeit aussprechen. Ich weiß sehr wohl, daß der Dienst eines Diözesanbischofs nicht geringe Opfer und große Einsatzbereitschaft fordert, besonders in der derzeitigen Situation eures Landes. Seid gewiß, liebe Brüder, daß ich euch unablässig mit meinem Gebet und meinem herzlichen Gedenken begleite. Auch eure Priester, Ordensleute und Seminaristen sowie alle Gläubigen der Kirchenprovinzen Säo Paulo, Botucato, Campinas, Ribeiräo Preto und Aparecida sind darin eingeschlossen. 1298 AD-LIMINA-BESUCHE Nach unseren persönlichen Begegnungen und aufgrund der vorher empfangenen Informationen weiß ich die religiöse Lebenskraft der eurer Sorge anvertrauten Gemeinden zu schätzen, sowie den guten Willen, mit dem ihr als Bischöfe bestrebt seid, die Gemeinschaft untereinander, mit den übrigen brasilianischen Bischöfen und mit dem ganzen Bischofskollegium, das der Kirche in aller Welt dient, wirksam und in Liebe aufrechtzuerhalten. Ich konnte auch von den berechtigten Sorgen erfahren, die euer Hirtenamt mit sich bringt: sie betreffen den Mangel an Priestern und deren Ausbildung sowie die praktische Verwirklichung der Sendung der geweihten Amtsträger; die Anleitung der kirchlichen Basisgruppen; die Katechese und den Ökumenismus und, nicht zu vergessen, die soziale Problematik. Diese erstreckt sich auf ein weitverzweigtes Gebiet dringender Anliegen, angefangen mit Situationen, die für eure Region Säo Paulo kennzeichnend sind. Mit Rücksicht darauf, daß mir bei jeder Gruppe der Bischöfe einer Region stets der ganze brasilianische Episkopat gegenwärtig ist, wollen wir über die sozialen Probleme bei anderer Gelegenheit sprechen. Da ihr damit einverstanden wart, Fragen zu behandeln, die das liturgische Leben der Gemeinden betreffen, lege ich euch nun einige Erwägungen zu diesem Punkt vor. 3. Vor etwas mehr als einem Jahr gedachten wir des 25. Jahrestages der Veröffentlichung des ersten Dokuments des Zweiten Vatikanischen Konzils, nämlich der Konstitution über die heilige Liturgie. Um auf diesen Gedenktag hinzuweisen, verfaßte ich ein Apostolisches Schreiben Vicesimus quintus annus. Darin dankte ich Gott für alles Gute, das dieses Dokument im Leben der Kirche hervorgerufen hat, hob seine fundamentalen Linien hervor und regte dazu an, die liturgische Erneuerung im Licht der Konstitution Sacrosanctum Concilium und der von ihr hergeleiteten Dokumente weiterhin zu fördern. Dazu zählen auch die derzeit in der Kirche verwendeten Bücher, die ebenfalls Frucht dieser Konstitution sind. Hier denke ich nun bewegt an die Augenblicke intensiver Spiritualität, die ich in Brasilien bei den liturgischen Feiern erlebte. Sie waren Höhepunkte meiner Besuche bei den verschiedenen Ortskirchen. Ich möchte euch in diesem Zusammenhang auf die besondere Bedeutung der Liturgie für eure Gemeinden sowie auf die Notwendigkeit aufmerksam machen, unter euren Gläubigen immer mehr die liturgische Bildung und den Geist des Gebetes zu fördern. Davon erhoffe ich einen Beitrag zum Wachstum des christlichen Lebens in den euch anvertrauten Ortskirchen. 4. Was hat die von der Konstitution Sacrosanctum Concilium gewünschte Erneuerung für die Kirche gebracht? In erster Linie eine neue Auffassung von Liturgie. Früher betrachtete man für gewöhnlich in erster Linie ihre äußeren Aspekte: Zeremonien, Rubriken und Richtlinien für die korrekte Abwicklung der liturgischen Handlungen. Obwohl diese Aspekte durchaus Aufmerksamkeit verdienen, will die Konstitution uns daraufhinweisen, daß Liturgie mehr ist: in ihr ist Christus, der Hohepriester, der Handelnde, und in seinem Handeln gliedert er sich die Kirche. Dieses ist also eine gemeinsame Handlung von Haupt und Gliedern (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 7). Die Feier der Messe, der Sakramente und des Stundengebets vergegenwärtigt das Wirken Christi, des Hohenpriesters, das in seinem Ostergeheimnis Wirklichkeit wird. „Die Liturgie ist darum der bevorzugte ,Ort’, an dem die Christen Gott und demjenigen begegnen, den er gesandt hat, Jesus Christus“ (Vicesimus quintus annus, Nr. 7). 1299 AD-LIM1NA-BESUCHE Indem es die Liturgie in den Rahmen der in der Kirche aktualisierten Heilsgeschichte einfügt, anerkennt das Konzil nicht nur ihre vorrangige Bedeutung für das Leben der Kirche selbst, sondern richtet auch eine Aufforderung an das Verantwortungsbewußtsein der Christen: sie alle sind berufen, sich in die liturgische Handlung einzufügen. Daher durchzieht der Grundgedanke der Teilnahme die ganze Konstitution. Es handelt sich nicht darum, einer Handlung beizuwohnen, die andere vollziehen; vielmehr gilt es, etwas, oder besser gesagt, „Jemanden“ zu feiern. Bei dieser Feier müssen sich alle mitbeteiligt fühlen und sind es auch tatsächlich: jeder muß auf seine Weise aktiv und bewußt an ihr mitwirken. 5. Diese neue Auffassung von Liturgie hat in der nachkonziliaren Arbeit der Kirche reiche Früchte getragen. Wie ihr wißt, löste sie eine vertiefte theologische Reflexion über den christlichen Gottesdienst aus, half Formalismen überwinden, verminderte bei den Feiern die Distanz zwischen Klerus und Volk, förderte Initiativen zugunsten einer lebendigen und persönlichen Teilnahme, befreite so den Christen von der Rolle eines bloßen „Zuschauers“ und ließ ihn fortschreiten in seiner Einheit mit Gott und den Mitmenschen (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 48). So manche, die sich vorher mit der bloßen Erfüllung der Sonntagspflicht begnügt hatten, fühlten sich von diesem neuen Stil der liturgischen Feiern, von ihren Worten und Gesten angesprochen und entdeckten, daß schließlich auch sie in der christlichen Gemeinde eine Funktion wahrzunehmen hatten (Sacrosanctum Concilium, Nr. 26). Die Feier einiger Sakramente im Licht der neuen Texte (denken wir etwa an die Taufe und die Ehe) brachte oft Probleme spiritueller Erfordernisse, der Wahrheit und der moralischen Konsequenz zum Vorschein. Sie wurde für zahlreiche Christen eine Gelegenheit, sich ihrer Verantwortung bewußt zu werden. Die Erkenntnis, daß das öffentliche Gebet der Kirche das Gebet aller ist, ließ das Stundengebet - früher Privatsache der Priester und Ordensleute - zum Gebet des ganzen Volkes Gottes, der betenden Kirche werden (vgl. Allgemeine Einführung in das Stundengebet, 1 und 20). Was die Anwendung der Konstitution Sacrosanctum Concilium betrifft, so ließen sich zweifellos Mängel, Unsicherheiten und Mißbräuche feststellen. Man kann jedoch nicht in Abrede stellen, daß dort, wo die Gemeinden dank gebührender Information und Katechese vorbereitet worden waren, positive Ergebnisse erzielt wurden. Mit Recht stellte die letzte außerordentliche Versammlung der Bischofssynode fest, daß „die liturgische Erneuerung die sichtbarste Frucht der gesamten Arbeit des Konzils ist“ (Schlußbericht, 07. 12. 1985, II,B,b,ll). 6. Wenn ich ganz besonders an Brasilien denke, freut es mich, feststellen zu können, daß dort die Liturgiereform im allgemeinen positiv aufgenommen und in die Praxis umgesetzt wurde. Die von den verantwortlichen Stellen unternommenen Bemühungen sind verdienstvoll, da sie den verschiedenen Bevölkerungsschichten die liturgischen Feiern wieder zugänglich machen wollen. Nun ist es wichtig, daß das begonnene Werk tiefe Wurzeln faßt und nicht falsche Wege einschlägt. Deshalb erlaube ich mir, eure Aufmerksamkeit auf die liturgische Bildung des Klerus, der Ordensleute und der Seminaristen zu lenken: sie sind die direkten Ausbilder des liturgischen Bewußtseins beim Gottesvolk oder werden es sein (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 19ff.: Kongregation für das Katholische Bildungswesen, Instruktion In ecclesiastica futurorum, 1300 AD-LIMINA-BESUCHE 03. 06.1979). Diese grundlegende und weiterführende liturgische Ausbildung sollte auf einer sicheren und authentischen Inkulturation beruhen. Der ungeheure Reichtum der örtlichen Kulturen in Brasilien sowie die Verschiedenheit der traditionellen Kulte und der Ausdrucksformen der Volksreligiosität sind bekannt. Es ist jedoch auch Tatsache, daß dieser Reichtum, je größer und je mannigfacher er ist, umso mehr einer klugen und aufmerksamen Unterscheidung und Anwendung bedarf. Jede liturgische Feier, sei sie auch noch so angepaßt und der Kultur entsprechend und werde sie auch im unbekanntesten Winkel der Erde abgehalten, ist immer eine Feier der Weltkirche. Eure klare und richtig orientierte liturgische Erziehung wird den Gläubigen helfen, sich von Verwirrungen freizuhalten, die durch Sekten und religiöse Bewegungen verbreitet werden. Sie werden die Bedeutung von Worten, Gesten und Körperhaltungen richtig erfassen und den Wert von Symbolen und Zeichen und von materiellen Elementen, die bei der Feier verwendet werden, immer besser kennenlernen. 7. Wenn ich diese Reflexion mit den Bischöfen anstelle, denen der Herr die Leitung der Ortskirchen Brasiliens anvertraut hat, so tue ich es in dem Bewußtsein, daß das rechte Verständnis und die kluge liturgische Praxis in ihren Gemeinden weitgehend von ihnen als den hauptsächlichen Verwaltern der Geheimnisse Gottes und vorrangigen Förderern der liturgischen Pastoral und deren Verwirklichung abhängen. Als Nachfolger der Apostel hören wir den Herrn unablässig sagen: „Geht hin und verkündet das Evangelium!“ Ein hervorragendes Instrument für die Evangelisierung ist zweifellos die Liturgie: „lex orandi, lex credendi.“ Wie die liturgischen Feiern, so werden die kreativen Fähigkeiten der Kirche in Brasilien im Dienst der Erweckung, Erhaltung und Entfaltung des wahren apostolischen Glaubens sein. Neben der Förderung des liturgischen Lebens in unseren Diözesen obliegt es uns als den Bischöfen, darüber zu wachen, daß dieses keine Fehlentwicklungen nimmt, welche die wahre Natur der Liturgie entstellen würden. In meinem Schreiben Vicesimus quintus armus bemerkte ich, daß „manchmal Auslassungen oder unerlaubte Hinzufügungen“ vorgenommen wurden, daß „außerhalb der Normen erfundene Riten, Haltungen oder Gesänge, die dem Glauben oder dem Sinn für das Heilige abträglich sind“, gepflegt wurden, und daß es darüber hinaus „Mißbräuche in der Praxis der Generalabsolution“ gegeben hat. „Initiativen dieser Art - weit davon entfernt, mit der Liturgiereform als solcher oder den ihr gefolgten Büchern verbunden zu sein - widersprechen ihr direkt, entstellen sie und berauben das christliche Volk des authentischen Reichtums der Liturgie der Kirche“ (Nr. 13). 8. Was die Feier des Bußsakramentes betrifft, so erinnere ich an meine Ausführungen im Apostolischen Schreiben Reconciliatio et paenitentia. Das Sakrament des Erbarmens und der Vergebung muß mit großem Vertrauen auf das göttliche Heilswirken und mit dem aufrichtigen Wunsch nach Bekehrung erlebt werden, indem man sich von ihm die Versöhnung mit Gott und den Mitmenschen erwartet. Damit aber dieses Ziel erreicht wird, ist es von grundlegender Bedeutung, daß die Christen sich der persönlichen Sündhaftigkeit und ihrer sozialen Auswirkung bewußt sind. Christus ist das Lamm Gottes, das mit seinem Tod die Welt von der Sünde befreite, und diese Sünde der Welt ist eine ganz konkrete, weil sie meine Sünde ist. 1301 AD-LIMINA-BESUCHE Es kann also nur der die Notwendigkeit der Vergebung und der Rettung wahmehmen, der sich als Sünder bekennt; und darum wendet er sich an Gott, um die Wiederversöhnung mit ihm, dem Vater, und mit seinen Brüdern und Schwestern zu erlangen und um sich dank des von Jesus Christus vergossenen Blutes, mit einem „neuen Geist“ erfüllt, geläutert zu wissen. Im Apostolischen Schreiben Reconciliatio etpaenitentia ist von drei Formen der Feier dieses Sakraments die Rede sowie von den Kennzeichen jeder einzelnen dieser Formen (Nr. 32). Die Feier mit Generalabsolution (Nr. 33) erfordert besondere Aufmerksamkeit, da sie nicht die gewöhnliche Form der Feier des Sakraments ist. Wie angegeben, handelt es sich dabei um eine Form, die besondere Notlagen voraussetzt. In manchen Regionen und in bestimmten Augenblicken ist die Anwendung dieser Form verständlich und berechtigt. Diese Tatsache darf jedoch nicht darüber hinwegsehen lassen, daß die normale Art der Feier des Bußsakraments immer die Einzelbeichte ist. Es obliegt dem Bischof, im Bereich seiner Diözese festzustellen, ob wirklich besondere Notlagen bestehen, wobei er die von der Bischofskonferenz festgelegten Kriterien berücksichtigen muß. 9. Es ist eine Tatsache, daß sich „in der heiligen Liturgie ... nicht das ganze Tun der Kirche [erschöpft]“; ebenso wahr ist jedoch, daß sie „der Höhepunkt [ist], dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“, durch sie „werden die Gläubigen von der drängenden Liebe Christi angezogen und entzündet“ (Sacrosanctum Conci-Iium, Nr. 9 und 10). „Durch die österlichen Sakramente gestärkt“, laß „deine Gemeinde ein Herz und eine Seele“ werden (Römisches Meßbuch, Feier der Ostemacht, Schlußgebet). So muß also die Liturgie, bewußt gelebt, zur unerschöpflichen Quelle und Anregung werden und uns drängen, in geschwisterlicher Gemeinschaft zu leben. Vor allem muß die Gemeinschaft mit Christus in der Eucharistie die Christen mehr und mehr umwandeln und zu einer immer vollkommeneren Gemeinschaft mit ihren Brüdern und Schwestern führen: Gemeinschaft der Güter, und zwar nicht nur der geistlichen, sondern auch der materiellen. In Ländern mit schreienden sozialen Ungleichheiten unter der Bevölkerung wird man sich eine klarere Vorstellung davon machen können, wie die Eucharistie zu leben ist, damit sie Rückwirkungen auf die zwischenmenschlichen und gemeinschaftlichen Beziehungen habe. In der Liturgie und ganz besonders in der Eucharistie wird die fundamentale österliche Wirklichkeit gefeiert: der Tod und die Auferstehung Jesu Christi, der Tod und die Auferstehung des Getauften mit Christus. In der liturgischen Handlung muß allen Wirklichkeiten des täglichen Lebens des Christen Raum gegeben werden, da er auch mit allen Aspekten seiner Person „von dieser Welt zum Vater“ hinübergehen muß. Wenn der Christ an einer liturgischen Feier teilnimmt, wird er all seine Wünsche, Freuden, Leiden und Pläne und auch die seiner Brüder und Schwestern gegenwärtig haben. All diese Anliegen wird er in das Gebet hineinnehmen, das seine Gemeinde mit der ganzen Küche durch Christus, den Heiland, in der Einheit mit dem Tröster, dem Geist, an den Vater richtet. Die berechtigte und notwendige Sorge um die jeweiligen Wüklichkeiten im konkreten Leben des einzelnen darf jedoch nicht die wahre Natur der liturgischen Handlungen in Vergessenheit geraten lassen. Selbstverständlich ist die Messe mehr als ein Fest geschwisterlicher Gemeinschaft; sie ist viel mehr als ein Mahl unter Freunden oder eine Speisung für die Armen. Sie ist auch nicht der Augenblick für die „Feier“ der Menschenwürde oder rein irdi- 1302 AD-LIMINA-BESUCHE scher Forderungen und Hoffnungen. Sie ist vielmehr das Opfer, das Christus im Sakrament real gegenwärtig macht. Alle liturgischen Handlungen feiern das Ostergeheimnis, und die Eucharistie ist das Ostermahl, zu dem Jesus selbst uns einlädt, um sich uns zur Speise zu geben, als Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, als Unterpfand ewigen Lebens (vgl. Joh 6,51) und seines ewigen Osterfestes. Dies ist die vorrangige Funktion der ganzen Liturgie: „uns unermüdlich auf den österlichen Weg zu führen, den uns Christus eröffnet hat und auf dem man es annimmt zu sterben, um in das Leben einzugehen“ (Vicesimus quintus annus, Nr. 6). 10. Meine lieben Mitbrüder im Bischofsamt! Die Liturgie ist der legitime Ausdruck des Glaubens der Weltkirche. Sie ist der Augenblick, in dem die Kirche Gott ihre Anbetung darbringt und die Gläubigen heiligt und erbaut. Sie ist eine auf das Übernatürliche hingeordnete Handlung, und der Glaube ist das erste Element unseres übernatürlichen Lebens. Das bedeutet, daß das Credo als Bekenntnis unseres empfundenen, gelebten, gesungenen und gebeteten Glaubens immer das Fundament der Liturgie sein muß. Der Glaube ist es, der die Christen mit der Kirche vereint. Vorbedingung für die Liturgie ist es, daß der Kult wahr und objektiv ist und der Natur Gottes und der Natur des Menschen gebührend Rechnung trägt. Das sagt Christus kurz und klar in seinem Wort: „Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“ (Mt 4,10). Man kann die Liturgie gewissermaßen als Theologie des christlichen Volkes bezeichnen, das - wie einst die Jünger Jesus baten - fortfährt, seine Hirten anzuflehen: lehrt uns beten (vgl. Lk 11,1). Wir müssen daher in unseren Ortskirchen Meister des Gebetes sein. Für unsere Ortskirchen sind wir auch die ersten Träger der Liturgie: mit ihnen und für sie sind wir vor allem „Diener Christi ... und ... Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (1 Kor 4,1). Als Bischöfe sind wir die ersten Verantwortlichen für das Gebet des gläubigen Volkes, die ersten Förderer der Reinheit und Erhabenheit der Feiern, einer würdigen und lebendigen Liturgie. Kehrt mit neuem Vertrauen zu euren Ortskirchen zurück: der Herr, der auferstandene Herr, ist mit den Bischöfen der Region „Süd I“ bis ans Ende; die ganze Kirche ist mit euch; der Bischof von Rom schätzt euch und ist euch dankbar, und dieser Ad-limina-Besuch hat die brüderliche Liebe neu belebt. Durch die Fürbitte der Mutter unseres Vertrauens - der Schutzpatronin Brasiliens, deren mütterliches Haus sich in Aparecida, in eurer Region befindet - werde ich fortfahren, den Schutz des Guten Hirten zu erflehen. Als Unterpfand meines Gebetes spende ich euch persönlich und euren Diözesangemeinschaften meinen Apostolischen Segen. 1303 AD-LIMINA-BESUCHE Christliche Hoffnung ausstrahlen Ansprache an die brasilianischen Bischöfe der Region „Ost I“ (Bundesstaat Rio de Janeiro) bei ihrem Ad-limina-Besuch am 24. März Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Seid herzlich willkommen bei dieser brüderlichen Begegnung, die für mich ein Grund zur Freude ist. Wenn ich euch, Bischöfe der Kirchenprovinzen des Bundesstaates Rio de Janeiro, die die Region Ost der Nationalen Bischofskonferenz von Brasilien bilden, bei eurem Ad-limina-Besuch empfange, danke ich Gott, unserem Vater, der Quelle allen Trostes (vgl. 2 Kot 1,3). Es ist eine Stunde der inneren Verbundenheit und Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe, die uns als Hirten der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche vereint. Im Namen des Herrn, der in unserer Mitte gegenwärtig ist, wie er verheißen hat (vgl. Mt 18,20), beginne ich mit dem Dank für euren Besuch. Er wurde sorgfältig vorbereitet, ausgehend von euren Sorgen und Freuden, aber auch von den Plänen und Hoffnungen, die ihr im Herzen tragt. Ich möchte ferner meine Wertschätzung für eure Hingabe als Gottes Mitarbeiter auf dem Acker Gottes aussprechen, auf dem ein jeder gemäß der empfangenen Gnade (vgl. 1 Kor 3,9-10) tätig ist. Ich sehe in eurem Einsatz konkret die pastorale Liebe, mit der ihr euch der Herde Christi widmet. Ich danke für den Gruß, mit dem mir der Herr Kardinal Dom Eugenio de Araujo Sales die edle Gesinnung aller zum Ausdruck gebracht hat. Und wenn ich euch grüße, eilen meine Gedanken gern zu den Diözesen, die ihr vertretet, und deren Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen und alle Gläubigen ich ebenfalls grüße. 2. Bei den persönlichen Gesprächen konnte ich nicht nur die Verhältnisse und die Anliegen feststellen, die euch bewegen, sondern auch die religiöse Lebenskraft in euren Einzelkirchen; eine Lebenskraft, die ihr in der Wahrheit, der Hoffnung und der Liebe zu festigen sucht. Dabei seid ihr euch bewußt, „sichtbares Prinzip“ der Gemeinschaft zu sein und die Erstverantwortlichen für die Förderung einer getreuen Übermittlung des Glaubens und der Beachtung der für die ganze Kirche verbindlichen Disziplin (vgl. die Konstitution Lumen Gentium, Nr. 23), um die Imperative einer neuen Evangelisierung in die Tat umzusetzen. Ihr habt dem Nachfolger Petri und den Organen des Apostolischen Stuhls eine Vielfalt von Problemen vorgelegt, die uns in der pastoralen Sorge für die universale Kirche und beim Dienst, „die Brüder zu stärken“, helfen. Wie die übrigen Bischöfe, die mich vor euch besucht haben, seid auch ihr von den dringenden Problemen in der heutigen Wirklichkeit des geliebten Brasiliens ausgegangen und habt eine Fülle von Dingen genannt, die den konkreten Menschen betreffen. Dieser leidet unter den Auswirkungen der Wirtschaftskrise und unter Situationen, die seine menschliche Würde sowie sein Recht auf ein Leben, das besser seinem Personsein entspricht, beeinträchtigen. 3. In der Botschaft an den brasilianischen Episkopateor vier Jahren habe ich auf die Herausforderungen kultureller, sozio-politischer und ökonomischer Art Bezug genommen, die euren 1304 AD -LIMINA-BES UCHE Pastoralen Eifer in der Zeit, die euer Land jetzt durchmacht, ansprechen und aufrufen. Wir können sie in der großen Herausforderung zusammenfassen, die der „Kontrast zwischen einem zweifachen Brasilien darstellt: Das eine ist hochentwickelt und auf dem Weg zu mächtigem Fortschritt und Wohlstand; das andere zeigt sich in den unermeßlichen Bereichen von Armut, Leiden, Analphabetismus und Randdasein“. Ich habe auch die Mechanismen angeprangert, die diesen Kontrast nähren. Seitdem hat Brasilien Stunden großer Hoffnung erlebt, aber auch Enttäuschungen kennenge-lemt. Es erlebte die Festigung seiner demokratischen politischen Struktur, sah sich aber auch einer der ernstesten wirtschaftlichen Krisen seiner Geschichte mit tiefgreifenden Auswirkungen auf das Leben des ganzen Volkes ausgesetzt; vor allem verlor es angesichts der vergeblichen Versuche, die Lage zu ändern, sein Vertrauen. Im allgemeinen bleibt es bei der Lage, wie ich sie damals kennzeichnete; vielleicht hat sie sich in einigen Bereichen verschärft und in anderen abgeschwächt, aber heute wie damals bildet sie eine gigantische Herausforderung für euren seelsorglichen Eifer und eure Hirtensorge. In diesem Rahmen können wir von einer vorweggenommenen Synthese der Problematik sprechen, die vor kurzem aus anderer Sicht im zweiten Teil der Enzyklika Sollicitudo rei socialis dargelegt wurde. Der Graben, der die Menschheitsfamilie trennt, trennt auch die brasilianische Familie. Auch sie ist auf den Einsatz eines jeden Brasilianers für den Aufbau einer besseren Zukunft angewiesen, in der alle leben und die Solidarität aller in Achtung vor dem Gemeinwohl erfahren können. Im Mittelpunkt muß der Mensch stehen, der „nach dem Bild und Gleichnis Gottes“ geschaffen ist. 4. Stellen wir fest - und ihr habt es bekräftigt -, daß in der sozialen Landschaft eures Landes weiter einige Schatten da sind und sogar zunehmen. So hat die Gewalttätigkeit in den Städten alarmierende Ausmaße angenommen. Nicht weniger ist die Gewaltanwendung auf dem Land und auf den Straßen angewachsen. Randdasein kennzeichnet immer noch schmerzlich weite Gebiete im Inneren des Landes. In den großen Städten bilden die Elendsviertel, die „cortipos“, die Bettler und die verlassenen Minderjährigen einen schrecklich schockierenden Makel inmitten des übermäßigen Wohlstandes einiger weniger. Immer mehr Sorgen bereitet die kriminelle Verbreitung von Rauschgiften mit allen daraus folgenden Verbrechen und Todesfällen, die der heimliche Drogenhandel mit sich bringt. Ebenso besorgniserregend zeigt sich die Welle der Übergriffe auf das Eigentum und die Sicherheit von Personen, die immer schlimmere Reaktionen hervorrufen und allgemeine Furcht verbreiten. Dazu kommen weitere Angriffe auf die Würde des Menschen und seinen Sinn für Gerechtigkeit, z. B. die Nachrichten über Finanzskandale und Gefühllosigkeit der Verantwortlichen angesichts der Unmoral, wie sie die sozialen Kommunikationsmittel und die öffentlichen Darbietungen verbreiten. Wenn ich mich so auf die Wirklichkeit beziehe, wie sie uns mitgeteilt worden ist, so fälle ich damit keineswegs das Urteil, in Brasilien sei alles negativ: das könnte übrigens gar nicht sein, weil die Vorsehung des himmlischen Vaters liebevoll über allen Menschen wacht (vgl. Mt 6,25-32). Es dispensiert aber auch nicht von menschlichem „Vor-sehen“ und von Verpflichtungen ethischer Art, noch von unserer pastoralen Sorge angesichts der Lage so vieler unserer Mitmenschen. 1305 's/ AD-LIMINA-BESUCHE 5. Diese Situation, liebe Brüder, schockiert um so mehr, je mehr sie zur ganzen Art des geliebten brasilianischen Volkes in Widerspruch steht, wie sie sich aus seiner Geschichte oder dem allgemeinen Verhalten der Menschen in schwierigen Situationen bis in die letzte Zeit hinein zu erkennen gibt. Die Brasilianer haben sich als Gegner aller Formen des Radikalismus und des Extremismus erwiesen; sie neigen zu Toleranz, Verständnis und menschlicher Solidarität und sind bereit, Menschen in gefährlichen Verhältnissen aufzunehmen. Hier liegt ein menschlicher Reichtum vor, den auch ihr ausnützen und anregen solltet, damit die schwierigen Situationen von heute überwunden werden können; und damit die Kirche weiter ihre bescheidene Rolle spielen kann, wie sie es im Verlauf der Geschichte für die Bildung der menschlichen, geistigen und moralischen Gestalt eurer großen Nation getan hat. Ich fühle mich glücklich, daß ich heute vor euch wiederholen kann, was ich in der erwähnten Botschaft an den brasilianischen Episkopat bereits gesagt habe: „Die von den Bischöfen in Brasilien geleitete Kirche liefert Beweise dafür, daß sie sich mit dem Volk identifiziert; sie möchte sich auch weiterhin besonders über die Kiemen und Hilflosen neigen, denen sie zwar keine ausschließliche oder andere ausschließende, wohl aber eine bevorzugte Liebe schenkt.“ Dieses tiefe Empfinden und diese gefühlsmäßige Solidarität mit den Armen muß euch bei eurem pastoralen Wirken auf sozialem Gebiet den Weg weisen. Zugleich ist dieses Wirken unerläßlich, wenn der Friede als „Ruhe in der Ordnung“ in eurem unermeßlich weiten Land garantiert werden soll. 6. Gültig bleiben die Weisungen, die ich während meiner apostolischen Pilgerfahrt nach Brasilien ausgesprochen habe, nämlich in der Ansprache an die Bischöfe Lateinamerikas in Rio de Janeiro, an die Erbauer der pluralistischen Gesellschaft in Salvador da Bahia sowie an den brasilianischen Episkopat in Fortaleza. Ich betonte damals, daß die Kirche als solche sich nicht direkt in die politische Sphäre einmischen darf. Legitim und notwendig ist freilich zweifellos das Eingreifen der Kirche auf sozialem Gebiet, um das Wort Gottes auf das Leben der Menschen und der Gesellschaft anzuwenden durch Anbieten von Grundsätzen zum Überlegen, von Kriterien für das Urteil und Weisungen für das Handeln. Sie muß natürlich betonen, daß das Verhalten der Menschen mit den Erfordernissen einer menschlichen und christlichen Ethik konsequent übereinstimmen muß. Wenn die Kirche eingreift, ist es ihr Ziel, diese komplexen Wirklichkeiten, die die Existenz des Menschen betreffen, im Licht des Glaubens und der echten kirchlichen Überlieferung zu deuten. Dabei prüft sie ihre Übereinstimmung oder Nicht-Übereinstimmung mit der Lehre des Evangeliums, aber stellt auch den Menschen und seine zugleich irdische und transzendente Berufung heraus (vgl. Sollicitudo rei socialis, Nr. 8 und 41). Dementsprechend habe ich bereits in Fortaleza das Recht und die Pflicht der Kirche zur Durchführung einer sozialen Pastoral ausgesprochen. Es geht dabei nicht um ein rein irdisches Anliegen, sondern um die Bildung der Gewissen durch die ihr eigenen Mittel, damit die Gesellschaft gerechter wird. Das gleiche müssen die Bischöfe tun ... Es ist ihre Pflicht, in der eigenen Diözese das Programm für eine solche Sozialpastoral vorzubereiten und vorzulegen, die innerhalb der Einheit der Kirche und in Achtung vor den berechtigten Ansprüchen der öffentlichen Stellen gilt. 1306 AD-LIMINA-BESUCHE 7. Die Soziallehre der Kirche „gehört... nicht in den Bereich der Ideologie, sondern der Theologie und insbesondere der Moraltheologie“ {ebd., Nr. 41). Die Kirche ist sich bewußt, daß mit ihr, insofern sie Reich Gottes ist, kein zeitliches Werk identisch ist, sondern daß alle Werke nur ein Spiegelbild und in einem gewissen Sinne eine Vorwegnahme der Herrlichkeit jenes Reiches darstellen, das wir am Ende der Geschichte erwarten. Wenn der Herr wiederkommt (vgl. ebd., Nr. 48). Für die universale Kirche ist die bürgerliche Gesellschaft der Bereich, in dem die christlichen Tugenden zu üben sind, an deren umwandelnde Kraft sie glaubt. Das Reich Gottes ist für alle Menschen bestimmt, und alle sind auf ethische Forderungen verpflichtet. Wenn die Kirche die sozialen Probleme deutet, stellt sie sich auf einen Standpunkt, der die Grenzen der menschlichen Geschichte in ihrer rein zeitlichen Dimension übersteigt. Sie verwechselt nie das Reich Gottes mit dem Aufbau der Stadt der Menschen. Sie saugt diese Stadt auch nicht auf, wie es die verschiedenen Entwürfe einer politischen Christenheit beansprucht haben, und läßt sich umgekehrt von dieser nicht aufsaugen im Sinn von anderen Systemen, die das Wirken im Sinn des Evangeliums auf den sozio-politischen Einsatz verkürzen möchten. Der Christ ist durch seine Wiedergeburt in der Taufe in das geheimnisvolle Leben des auferstandenen Christus wie ein Zweig in den Weinstock eingefügt. Er lebt in der Welt, ist aber nicht von der Welt (vgl. Joh 15,19), wie der bekannte Brief an Diognet erklärt hat. Erleuchtet vom Licht des Glaubens, offenbart er auch im sozialen Wirken durch Übung der Tugenden, mit denen er „die Zeit auskauft“ (vgl. Eph 5,16f.; Kol 4,5), das Leben im Geiste. Für die Hirten, die zum Wohl des Menschen in einer besonderen Beziehung zu Gott stehen, muß daher die Übung der Tugenden und die entsprechende Flucht der Sünde grundlegend sein. So finden sie in einer „soteriologischen Befreiung“ (vgl. Erklärung Libertatis conscien-tia, Nr. 37) die anregende und nährende Quelle für ihre Stellungnahme als Hirten und das Wirken ihrer gläubigen Laien auf sozialem Gebiet. Ich bin sicher, daß ihr beim Bemühen, die heute in Brasilien vorliegenden Mißstände zu überwinden, in einer Weise vorzugehen wißt, die eure Bemühungen um Evangelisierung nicht dadurch vereitelt, daß man das Reich Gottes mit einem rein irdischen und politischen Anliegen gleichsetzt. 8. Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns Bischöfe mehrfach „Lehrer und Erzieher im Glauben“ genannt. Als geistliche Führer des Volkes Gottes müssen wir uns daher unermüdlich bemühen, ihm immer im Licht der authentischen Soziallehre der Kirche Weisung und Anleitung zu geben. Besondere Hervorhebung verdienen zwei Aspekte des Einsatzes, die innerlich miteinander verbunden sind und daher unser Eingreifen kennzeichnen müssen. Der erste ist die Erziehung zur Gerechtigkeit, denn die Menschen müssen so geformt werden, daß sie ihr gesamtes Leben in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Evangeliums für eine persönliche und soziale Moral ausrichten; ein Leben, das als grundlegend christliches Zeugnis zum Ausdruck kommt. Mit der Erziehung zur Gerechtigkeit ist die Erziehung zur Freiheit eng verbunden (vgl. Libertatis conscientia, Nm. 80, 94). Der zweite Aspekt besteht in einer Erziehung zur Arbeit, die allen die Würde zeigt, die sie im Licht des Evangeliums besitzt, sowie ihre Priorität im wirtschaftlichen und sozialen Leben. Daher leitet sich ihr Wert als Recht und Pflicht der menschlichen Person ab, wie ich in der 1307 AD-LIMINA-BESUCHE Enzyklika Laborem exercens ausgeführt habe, deren Lehre später in der Instruktion Liberta-tis conscientia zusammengefaßt wurde (vgl. Nrn. 81-88). Die Erziehung zur Arbeit muß zugleich eine Erziehung zur Solidarität sein als Leitlinie in der Lehre der Kirche. Es soll nämlich unter den Menschen und in den sozialen Strukturen das christliche Ideal der Brüderlichkeit vorherrschen. Nur brüderliche Solidarität ist in der Lage, die sozialen Ungleichheiten innerhalb der gleichen Nation oder in den internationalen Beziehungen zu überwinden. Stütze und Seele der Solidarität ist für den Christen die Liebe, die nie von der Gerechtigkeit losgelöst werden darf. 9. Meine lieben Brüder, möge der Geist der Wahrheit euch bei eurem apostolischen Wirken in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche Hellsicht und Klarheit schenken. Dann kann die Gesellschaft im Brasilien von heute ständig neu belebt die christliche Substanz widerspiegeln, die die Kirche ihrerseits in der Vergangenheit zwischen Licht und Schatten in das Innerste und Echteste der Seele des brasilianischen Volkes einzupflanzen gewußt hat. In der heutigen Lage Brasiliens werden Risiken für das pastorale Arbeiten unvermeidlich sein. Es werden auch Stunden des Fragens nicht fehlen. Doch wir müssen - wie der hl. Paulus - uns immer an die große Gewißheit halten: Christus ist auferstanden! Wir vermögen alles in Ihm. Er wird uns Kraft geben (vgl. Phil 4,13). Andererseits bin ich sicher, daß ihr Anregung und Begeisterung für die neue Evangelisierung auch auf sozialem Gebiet in der tiefen Identität eures Volkes findet: Euer Volk verläßt sich auf die Kirche und erhofft sich von ihr Anregung und Weisungen für sein christliches Leben, um die persönlichen und sozialen Schwierigkeiten zu überwinden. In bewußter und überlegter Einstellung muß die christliche Hoffnung dem Bedürfnis nach Hoffnung all jener entgegenkommen, die aufrichtig nach Lösungen für die menschlichen Probleme suchen. Es muß das Zeugnis gegeben werden, daß die Botschaft vom Geheimnis der Menschwerdung, die alle Menschen zu Kindern Gottes und solidarisch mit dem Geschick ihrer Mitmenschen machen will, ihre volle Geltung behält. Aus Gemeinschaften, die von der Hoffnung beseelt sind, wird auf die Gesellschaft in Brasilien Licht ausstrahlen, das Licht des Erlösers des Menschen und Herrn der Geschichte: „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Christen, die auf die „Trösterin der Betrübten“ ihr Vertrauen zu setzen wissen, werden niemals enttäuscht. Wie wir aber gut wissen, vertrauen die Gläubigen in Brasilien auf Unsere Liebe Frau von Aparecida. Mit ihrer Fürbitte rufe ich auf euch persönlich, auf eure Diözesen und ganz Brasilien die göttliche Huld herab und erteile euch meinen Apostolischen Segen. 1308 AD -UMINA -BES UCHE Ordensleute sind lebendige Zeugen der evangelischen Räte Ansprache an die brasilianischen Bischöfe der Region „Nord I“ bei ihrem Ad-limina-Besuch am 21. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Eure Anwesenheit hier bereitet mir große Freude. Ich begrüße euch herzlich, und nach den Einzelgesprächen entbiete ich euch, den Bischöfen der pastoralen Region „Nord I“, bei eurem Ad-limina-Besuch in dieser kollegialen Begegnung mein Willkommen. Euch gilt als eifrigen Hirten mein brüderlicher Gruß in der Gemeinschaft der Kirche und als Ausdruck meines Gebetes, „daß der Name lesu, unseres Herrn, in euch verherrlicht werde und ihr in ihm durch die Gnade unseres Gottes und Herrn Jesus Christus“ (vgl. 2 Thess 1,12). In den Begegnungen dieser Tage hat jeder einzelne von euch mir seine Hoffnungen und die Erwartungen des Volkes Gottes in eurer kirchlichen Region zum Ausdruck gebracht. Es ist ganz evident, daß das Prinzip und Fundament jeder Analyse und auch jeder pastoralen Initiative vor allem die Verkündigung des Wortes Gottes bleibt. Dieses soll immer besser in der Katechese, in der Liturgie und im christlichen Leben gehört, meditiert und gelebt werden. In besonderer Weise möchte ich euch einladen, mit mir über eines der wichtigsten Aspekte des kirchlichen Lebens nachzudenken, die jeden einzelnen von euch und die ganze Kirche in Brasilien angehen. Ich denke an das Ordensleben. 2. Wir wissen alle, daß die Evangelisierung Brasiliens vor allem durch Ordensleute erfolgt ist, die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts ins Land kamen. Es waren die Jesuiten, dann die Karmeliten und Benediktiner, die Franziskaner und andere mehr. Man muß ferner den Ordensleuten das große Verdienst der christlichen Erneuerung Brasiliens im vergangenen Jahrhundert zuschreiben. Auch heute bleibt die Präsenz der Ordensleute innerhalb der Kirche Brasiliens sehr bedeutsam. Ich kann vor euch sehr wohl das wiederholen, was ich ihnen in Säo Paulo am 3. Juli 1980 gesagt habe, „ihre Präsenz ist für die Kirche Brasiliens nicht etwas leicht zu Entbehrendes und Überflüssiges, sondern eine lebenswichtige Notwendigkeit“. 3. Ich möchte eurer pastoralen Sorge daher erneut einige besonders wichtige Aspekte der qualifizierten Präsenz und Tätigkeit der Ordensleute empfehlen, nämlich: - die Ordensleute als spezifische Zeugen für die Heiligkeit der Kirche; - die Ordensleute in ihrem Verhältnis zu den Hirten. An erster Stelle geben die Ordensleute ein qualifiziertes Beispiel für die Heiligkeit der Kirche, und zwar kraft ihrer Berufung und ihrer Weihe an Gott als Ordensleute. Bei meinem Pastoralbesuch auf den Kapverdischen Inseln vor kurzem sprach ich zu den Ordensleuten in Praia und betonte: „Die persönliche Heiligkeit ist in der evangelisierten Kirche die grundlegende Voraussetzung und unersetzliche Vorbedingung, wenn eine evangelisierende Kirche entstehen soll... denn in dem Maße nur, wie die Braut Christi Ihn liebt und um seinetwillen zu lieben weiß, kann sie im Heiligen Geist zur fruchtbaren Mutter werden“ (O.R., dt., Nr. 8/1990, S. 7). 1309 AD-LIMINA-BESUCHE Sie strebt ständig nach persönlicher Heiligkeit. Und gerade darin besteht die erste und grundlegende Sendung eines jeden Ordenschristen wie auch der unverzichtbare Reichtum jeder Kirche. Denn „in der Liebe, die Christus von den geweihten Personen empfängt, [wird] die Liebe des ganzen mystischen Leibes in besonderer und außergewöhnlicher Weise auf den Bräutigam ausgerichtet..., der zugleich das Haupt dieses Leibes ist“ (Redemptionis donum, Nr. 14). Gerade dieses ständige Streben nach Heiligkeit schenkt dem Ordensleben seine besondere Identität und verleiht ihm einen klar bestimmten Platz in der Kirche. Nichts im Bereich der Strukturen kann weiterhelfen, „nur die Charismen als Dynamik der Heiligkeit, die die grundlegende Berufung der Kirche ausmacht“ (Ansprache an die Ordensleute in SSo Paulo am 03. 07. 1980). 4. Euch, liebe Brüder im Bischofsamt, kommt die ehrenvolle, wenn auch schwere Aufgabe zu, dieses grundlegende Charisma des Ordenslebens eifrig zu pflegen, es liebevoll zu fördern und zu schützen, jeweils gemäß seiner Eigenart (Mutuae relationes, Nr. 9). Daher möchte ich heute eurer wachen Aufmerksamkeit und brüderlichen Führung das Ordensleben in Brasilien anvertrauen. Die erste Pflicht der Ordensleute besteht darin, nie die besondere Eigenart des Charismas einer jeden Ordensfamilie zu vergessen. Sie dürfen also nicht danach trachten, alle auf eine einzige Form des Gemeinschaftslebens bzw. auf eine einzige Form der Einfügung in das Volk reduziert zu werden. Für die Kirche ist das kontemplative Leben wie das Wirken der Ordensleute im Erziehungswesen, in der Betreuung der Kranken und in anderen Bereichen des Apostolates gleich wichtig. In welcher Form sich auch immer Ordensmänner und Ordensfrauen im irdischen Bereich engagieren, nie dürfen sie absehen von jener geistlichen Dimension, die ihr ganzes Leben prägen muß, weil sie vor ihren Brüdern und Schwestern Christus bezeugen sollen. Mehr als andere müssen gerade die Ordensleute lebendige Zeugen für die evangelischen Räte sein. Daher darf man ihre umfassende prophetische Sendung nicht auf ein ausschließliches Wirken für im übrigen sehr verdienstvolle Projekte im sozialen Bereich beschränken. Euch ist als eifrigen Hirten der Kirche die Aufgabe übertragen, alle apostolischen Initiativen der Ordensleute zu begleiten, sie vor möglichen Abweichungen zu bewahren und ihnen klare Weisung zu geben, wie sie die eigentliche Natur des Ordenslebens erfassen und fördern können. Besonders empfehle ich euch, den Ordensmännem und Ordensfrauen zu helfen, mutig die Treue zum Charisma ihrer Gründer zu wahren. Die Kirche wird durch die Schönheit und Verschiedenheit all dieser Charismen enormen Reichtum gewinnen. Jedes einzelne Charisma ist ja am Ende die wunderbare Frucht einer besonderen Erfahrung mit dem Geist Gottes. Ebenso möchte ich euch hier die persönliche Wertschätzung und väterliche Sorge um die Förderung und Begleitung der Institute des kontemplativen Lebens empfehlen, deren Präsenz in der Kirche desto wichtiger wird, je mehr die pastoralen Bedürfnisse des Volkes anwachsen. 5. An zweiter Stelle möchte ich die innere Einheit betonen, die wir zwischen dem pastoralen Wirken der Ordensleute und der besonderen Schöpfung fördern müssen, die ihr als Hirten des Volkes Gottes empfangen habt. 1310 AD-LIMINA-BESUCHE Ihr erinnert euch gewiß an die Weisungen des H Vatikanischen Konzils in Christus Dominus (Nrn. 11, 28, 34 und 35). Ihr kennt auch ebenso die Weisungen im Kapitel 6 von Mutuaerela-tiones. Es wäre recht gut, wenn jeder von euch weiter über sie nachdächte. Die zahlreiche Präsenz und das fachkundige Wirken der Ordensmänner und Ordensfrauen im Gesamtbereich der Kirche Brasiliens wird zweifellos noch fruchtbarer, wenn eine immer engere Zusammenarbeit und ein immer tieferer Sinn für die Einheit der Kirche gewonnen werden. Hier muß ich euch an die große Verantwortung erinnern, die jeder von euch für die pastorale Arbeit hat, die die Ordensleute in eurer jeweiligen Diözese leisten. Dazu kommt die Gesamtverantwortung aller Bischöfe, daß die Ordensleute durch ihre besonderen Organe Weisungen für ihr pastorales Wirken in Brasilien als Ganzem erhalten (vgl. Christus Dominus, Nm. 34, 35). In diesem Zusammenhang möchte ich daran erinnern, daß die Exemption, der sich viele Ordensfamilien erfreuen, ihre Ordnung im Inneren betrifft, aber nicht ihre apostolische Arbeit nach außen. Im übrigen liegt der tiefere Sinn dieser Exemption darin, engere Bande zwischen diesen Ordensleuten und dem Papst zu schaffen, so daß dieser sie direkter für jeden Dienst in der universalen Kirche ansprechen kann. Es ist meine feste Überzeugung, daß vor allem ein ständiger Kontakt und echt brüderlicher Dialog sowie zuverlässige Weisung wichtig, ja unerläßlich sind, die der jeweilige Bischof mit den höheren Oberen der Institute pflegt, die in seiner Diözese arbeiten. Dadurch wird die gebührende Einfügung des apostolischen Wirkens der Ordensleute in die Pastoralpläne der Bischöfe erleichtert. Wir wissen gut um das Leid, das dem ganzen Leib der Kirche und dem Nachfolger des Petrus zugefügt wird, wenn gerade unter den Ordensleuten eine Haltung oder Äußerung geringerer Wertschätzung des Lehramtes und der Weisungen der Kirche einreißt. Betroffen sind die universale Kirche und ebenso die Ortskirchen. Wie oft müßt ihr euren Dienst unter viel persönlichem Leid und zahlreichen Mißverständnissen erfüllen, und laßt es doch nicht fehlen an Einheit mit dem Nachfolger des Petrus, dem sichtbaren Zentrum der Einheit der Kirche Jesu Christi, und an Treue zu ihm. 6. Meine Empfehlung am Ende wäre: schafft innerhalb einer jeden eurer Diözesen ein Klima inniger Einheit der Herzen und trostvoller Brüderlichkeit; zwischen euch und euren Priestern, zu denen ja zahlreiche Ordensmänner gehören, die mit euch kräftig Zusammenarbeiten; zwischen euch und den Ordensfrauen, die mit unermüdlicher Begeisterung zum Aufbau des Reiches Gottes beitragen. Mit diesen pastoralen Erwägungen möchte ich euch, liebe Brüder im Bischofsamt, alle dem Schutz unserer Lieben Frau, der Mutter der Kirche, anvertrauen. Möge die allerseligste Jungfrau euch bei eurer apostolischen Arbeit zur Heranbildung neuer Generationen anleiten. Möge Maria für euch Fürbitte einlegen, daß ihr euch immer hochherzig der Predigt des Evangeliums widmet sowie den Werken der Liebe zugunsten der Kleinen und Armen und derer, die am meisten zu leiden haben. Euch allen und allen Gläubigen eurer diözesanen Gemeinschaften erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen und rufe auf eure pastoralen Pläne und Projekte die Hilfe des Herrn, des höchsten und ewigen Hirten, herab. 1311 AD -LIMINA -BESUCHE Neue Formen für die Verkündigung Ansprache an die brasilianischen Bischöfe der Region „Nord II“ anläßlich ihres Ad-limina-Besuches am 31. Mai Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. In der österlichen Freude vereint, heiße ich euch bei dieser Begegnung, die den Höhepunkt eures Ad-limina-Besuches darstellt, herzlich willkommen. Vor allem möchte ich für den ehrfurchtsvollen Gruß danken, mit dem ihr auch die Gefühle der liebevollen Verbundenheit der Angehörigen eurer Diözesen zum Ausdruck bringt, die einen Teil der mir so teuren Kirche in Brasilien bilden. Gleichzeitig danke ich Gott, der mir diese Gelegenheit gibt, um eure Sorgen und Hoffnungen sowie die eurer Priester, Ordensleute und in der Pastoral Tätigen zu teilen: sie alle sind opferbereite und selbstlose Mitarbeiter im Dienst der euch vom Herrn anvertrauten kirchlichen Gemeinden. Seit dem Pfingstfest, dem Geburtstag der Kirche dank des Wirkens und der Gnade des Heiligen Geistes, verkündet Petrus aller Welt: es gibt keinen anderen Namen, in dem wir das Heil finden, als den verehrungswürdigen Namen Jesu Christi (vgl. Apg 4,12). Wie oft haben im Lauf dieser zwanzig Jahrhunderte die Nachfolger Petri, in Gemeinschaft mit den Hirten, die gleiche Botschaft den Menschen verkündet, die immer versucht sind, das Heil in anderen Namen und anderen Kulten zu finden! Ihr, hebe Mitbrüder, macht diese Erfahrung: eines der Probleme, das heute auf ganz besondere Weise die Hirtensorge der brasilianischen Bischöfe herausfordert, ist das der Evangelisierung und der richtigen Steuerung eines immensen, tief verwurzelten, aber manchmal fehlgeleiteten Reichtums des brasilianischen Volkes: seines Sinnes für religiöse Werte. Dieser Sinn, begünstigt durch die Herzlichkeit und die transzendentale Lebensauffassung der verschiedenen Rassen, aus denen dieses Volk hervorgegangen ist, wurde sowohl in der Kolonialzeit als auch im vorigen Jahrhundert von der Evangelisierung ausgenützt. Allen ist aber auch die Neigung zum Aberglauben bekannt, wie schon der Apostel Paulus bei den Bewohnern Athens feststellte: „Athener, nach allem, was ich sehe, seid ihr besonders fromme Menschen. Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: Einem unbekannten Gott. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch“ {Apg 17,22-23). Der Apostel, Kenner der menschlichen Natur und des religiösen Geistes seiner Zeit, wußte, wie man dort auf der Suche war in einer verwirrenden Zahl von Namen und Kulten. Nun ging es darum, das Heil zu verkünden, das durch einen einzigen Namen jedem Menschen wirklich zuteil wird, durch den Namen unseres Herrn Jesus Christus. 2. Zwei Aspekte dieses ursprünglichen Sinnes für Religiosität wecken ganz besonders unsere Aufmerksamkeit: - Der Synkretismus, der auf verschiedenen Gebieten zum Ausdruck kommen kann, und - die zunehmende Verbreitung der Sekten, Ergebnis einer oberflächlichen und ungerechten Ausbeutung dieser falsch verstandenen Volksreligiosität. 1312 AD-LIMINA-BESUCHE 3. Der religiöse Synkretismus ist eine sehr vielschichtige Erscheinung, die noch nicht eingehend durchdacht wurde. Mit der industriellen Entwicklung Brasiliens und der von ihr verursachten Landflucht ist die Beeinflussung durch spiritistische Praktiken leichter geworden, ebenso wie die folkloristische und auch touristische Auswertung volkstümlicher Symbole, Riten und Feste, in denen diese neuen Kulte sich behaupten und sich ausbreiten. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist nur allzu gut bekannt: mythische und demiurgische Aspekte aus Glaubensrichtungen verschiedenster Herkunft und Ausrichtung vermengen sich auf verwirrende Weise mit den grundlegenden Geheimnissen des christlichen Glaubens. Der Synkretismus macht sich heute, wie ihr sehr wohl wißt, in den verschiedensten Bereichen bemerkbar: von schwerwiegenden Abweichungen der Volksreligiosität bis zu einer falsch verstandenen Ökumene; von Praktiken wie Macumba, Candomble und Umbanda bis zu pro-selytischen Umtrieben vieler Sekten, z. B. der spiritistischen und pentekostalen; vom gewohnheitsmäßigen Zufluchtnehmen zum Aberglauben bis zur unvollständigen Darlegung der wahren Lehre. 4. Nehmt auch die Tatsache zur Kenntnis, daß sich hier und dort ein Hang zur Überbewertung aller Ausdrucksformen der Volksreligiosität bemerkbar macht, als ob die Evangelisierung in ihnen endlich die sicher geeignete Methode entdeckt hätte, um diesem Volk die wahre Botschaft des Evangeliums zu verkünden. Ihr seht jetzt, wie eine solche Haltung im Grunde das Gegenteil der Evangelisierung hervorrufen kann. Hier treffen die Aussagen meines Vorgängers Paul VI. wirklich zu: „Wir wollen besonders heute hervorheben, daß weder die Achtung und Wertschätzung noch die Vielschichtigkeit der aufgeworfenen Fragen für die Kirche eine Aufforderung darstellen können, eher zu schweigen als Jesus Christus vor den Nichtchristen zu verkünden. Im Gegenteil, die Kirche ist der Auffassung, daß diese vielen Menschen das Recht haben, den Reichtum des Geheimnisses Christi kennenzulemen, worin, nach unserem Glauben, die Menschheit in unerschöpflicher Fülle alles das finden kann, was sie suchend und tastend über Gott, über den Menschen und seine Bestimmung, über Leben und Tod und über die Wahrheit in Erfahrung zu bringen sucht. Auch im Hinblick auf jene Äußerungen der Naturreligionen, die höchste Wertschätzung verdienen, stützt die Kirche sich auf die Tatsache, daß die Religion Jesu Christi... den Menschen ... im objektiven Sinn in die Verbindung mit dem Heilsplan Gottes, mit seiner lebendigen Gegenwart, mit seiner Tätigkeit bringt... Mit anderen Worten: Unsere Religion stellt tatsächlich eine echte und lebendige Verbindung mit Gott her, was den übrigen Religionen [so] nicht gelingt...“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 53). Es bleibt aber immer aktuell, was schon 1986, beim internationalen Gebetstreffen für den Frieden in Assisi festgestellt wurde, nämlich daß es wichtig ist, „nicht nur den Synkretismus [zu vermeiden], sondern auch jeden Anschein von Synkretismus, der mit echter Ökumene ganz und gar unvereinbar ist“. Selbstverständlich, liebe Mitbrüder, sind wir den rechtmäßig anerkannten religiösen Traditionen, wie z. B. den echten afrikanischen, Achtung und Wertschätzung schuldig. Wir können in ihnen hohen Werten begegnen, etwa der Hochschätzung des Lebens und der Natur und einem umfassenden Sinn für die jenseitige Welt, der ständiger Bezugspunkt für das tägliche Leben ist. Diese und andere Werte können eine Art Vorbereitung auf das Evangelium darstellen, um mit Eusebius von Caesarea zu sprechen, dessen Worte in die Konstitution Lumen 1313 AD-LIMINA-BESUCHE Gentium und in das Apostolische Schreiben Evangelii nuntiandi aufgenommen wurden. Etwas anderes ist es jedoch, wenn man diese Werte in die christliche Botschaft einzugliedem trachtet. Das ist nur unter Zuhilfenahme eines sorgfältigen Unterscheidungsprozesses möglich. Er muß alle Elemente ausmerzen, die mit den christlichen Wahrheiten zweifellos unvereinbar sind, z. B. mit dem Geheimnis der absoluten Einzigkeit und Transzendenz eines persönlichen Gottes, oder mit den an die Heilsökonomie gebundenen Wahrheiten, wonach Christus der einzige Weg ist, der zur Erlösung des Menschen führt. Es ist angezeigt, auch auf all das hinzuweisen, was mit den Erfordernissen des christlichen Sittengesetzes im Zusammenhang steht. 5. Liebe Mitbrüder, ihr seid daran, großzügige und verschiedenartige Initiativen für eine spezifische Pastoral zugunsten der schwarzen und der indianischen Bevölkerung ins Leben zu rufen. Ich hoffe, daß ihr diese Initiativen mit Klugheit und Eifer verfolgen werdet. Ein Bemühen um die echte Inkulturation der Botschaft des Evangeliums ist sicher berechtigt und notwendig, und zwar im Sinn neuer Formen für ihre Verkündigung, mit neuen und gebührend geläuterten Elementen, die den Kulturen jener Völker entspringen, die man evangelisieren will. Es ist jedoch klar, daß das im konkreten Fall Brasiliens nicht bedeuten darf, das Antlitz der einen Familie, die das brasilianische Volk ist, zu entstellen. Gerade der große Reichtum eures Landes und sein außerordentlich wichtiges Zeugnis vor der Welt von heute besteht -wie ich in meiner Predigt in Salvador Bahia am 7. Juli 1980 sagte - darin, daß es sich um eine „aus vielen Rassen bestehende menschliche Gemeinschaft handelt, ein wahres Gewebe von Rassen,... durch das Band der gemeinsamen Sprache und des gleichen Glaubens zusammengehalten ... um eine seit ihren Anfängen von den Werten des Glaubens und der Fähigkeit der rassischen und ethnischen Integration durchdrungene Kultur“ (vgl. Nr. 3, 6). Die Kirche kann die Menschen nicht um ihrer Rasse willen - in einer anderen, aber deshalb nicht minder ungerechten Form von Rassismus - voneinander trennen; sie muß danach trachten, alle Rassen zu einem einzigen Volk zu vereinen. Es wäre daher undenkbar, wenn sie in ihren Reihen die Bildung von Gruppen fördern würde, die aufgrund rassischer Eigenarten getrennt wären. So sagte ich am 12. September in New Orleans zu den Vertretern der schwarzen Bevölkerungsgruppen der Vereinigten Staaten: „Es gibt weder eine schwarze noch eine weiße Kirche ... Es gibt nur die eine Kirche Jesu Christi, und es darf auch nur eine geben, ein einziges Haus für Menschen schwarzer und weißer Hautfarbe, für alle Kulturen und Rassen.“ Das Thema der Diskriminierung war schon Gegenstand entschiedener Verurteilung seitens des II. Vatikanischen Konzils (vgl. Nostra aetate, Nr. 5) und auch seitens meiner unmittelbaren Vorgänger (vgl. Populorum progressio, Nr. 63; vgl. Octogesima adveniens, Nr. 16) sowie in letzter Zeit verschiedener Veröffentlichungen meinerseits. 6. Eine andere starke Herausforderung, liebe bischöfliche Mitbrüder, ist das Aufkommen der Sekten und ihre wachsende Verbreitung in ganz Lateinamerika und besonders in eurem Land. Es ist ein Problem, das euch und euren Mitbrüdem im Bischofsamt auf dem ganzen Kontinent große Sorgen bereitet. Es ist eines der dringendsten Themen, die jetzt, am Ende des Jahrtausends, kühne Pläne für die Evangelisierung notwendig machen, eine vielschichtige Erscheinung, die ständig neue Züge annimmt. 1314 AD-LIM1NA-BESUCHE Ihre Ursachen sind daher zum Teil Gegenstand von Untersuchungen durch Gelehrte und Fachleute. Eine dieser Ursachen ist sicher die gesellschaftliche und kulturelle Entwurzelung breiter Bevölkerungsschichten: sie müssen vom Land in die Stadt oder von einer Region eures riesigen Landes in eine andere ziehen und verlieren so die Bezugspunkte für ihre religiöse Praxis, die oft an die Orte und herkömmlichen Sitten ihrer früheren Umgebung gebunden und ihnen vertraut war. Oft bringen diese Menschen und Familien, wenn sie in neue, ihnen fremde Situationen und Milieus hineinversetzt werden, die sie mit ihren Werten und ihrer Lebens- und Denkart überwältigen, eine sehr mangelhafte christliche Bildung und einen dementsprechend schwachen, durch die zunehmende Säkularisierung erschütterten Glauben mit. Wenn sie nicht die gebührende seelsorgliche Hilfe finden, werden sie, dem Druck der Wohlstandsgesellschaft und der Massenmedien ausgesetzt, leicht zu Opfern des Fanatismus der Sekten. Einige von diesen sind durch ihren aggressiven Proselytismus gekennzeichnet; andere bieten dem unvorbereiteten Volk die Illusion einer sofortigen Antwort auf seine ungeheuren Probleme spiritueller, affektiver und selbst materieller Art an. Zweifellos tragen viele Faktoren wirtschaftlicher und sozialer Art zum Aufkommen und zur Verbreitung der Sekten bei, die ebenso rasch wie oberflächlich und unbeständig das Leben verändern. Viele Menschen schwanken zwischen dem Besuch einer Sekte und der religiösen Übungen in der Kirche oder verfallen einfach in religiöse Gleichgültigkeit. Zweifellos, liebe Mitbrüder, haben die Sekten viel Erfolg, und ihr Einfluß auf das christliche Leben eures Volkes ist nachhaltig und kann unheilvoll werden. Es handelt sich hier um eine der dringendsten Herausforderungen für euren Hirteneifer. Gleichzeitig scheint die Notwendigkeit eines vervielfachten Bemühens um die Evangelisiemng in ihrer ganzen Tragweite auf. Diese Evangelisierung muß Aufgabe aller sein, der Priester und der Laien, besonders der gut ausgebildeten. Eure Hirtensorge wird euch zu einer Rettungsaktion in all jenen Gebieten veranlassen, in denen der Synkretismus Einheit und Wahrheit zerstört: „Die Liebe Christi drängt uns.“ Mit der Erfüllung dieser wunderbaren Aufgabe der Neuevangelisierung werdet ihr euren Gemeinden helfen, immer aufgeschlossener und aufnahmebereiter zu sein, den tatsächlichen Bedürfnissen neu Zugewanderter Verständnis entgegenzubringen und dafür zu sorgen, daß diese Menschen dank einer guten Katechese und der katechetischen Pastoral im allgemeinen sowie durch die Eucharistiefeier und mit Hilfe der kirchlichen Bewegungen in vielen eurer Diözesen und Pfarreien auf den rechten Weg geführt werden. 7. Bevor ich diese Begegnung abschließe, möchte ich euch einen besonderen Auftrag erteilen: überbringt euren Priestern, Ordensleuten, Diakonen, Seminaristen und allen Gläubigen der verschiedenen Diözesen meinen herzlichen Gruß und Segen. Sagt ihnen, daß der Papst die Ereignisse in eurem edlen Land mit großem Interesse verfolgt und jeden Tag zum Herrn betet, er möge mit seiner Gnade alle Menschen guten Willens, die für das Gemeinwohl und für den ständigen menschlichen und geistlichen Fortschritt der Nation tätig sind, beschützen und erleuchten. Ich bitte Unsere Liebe Frau von Aparecida, die Schutzpatronin Brasiliens, um Segen für eure Sendung, die unablässige Evangelisierung, auf daß Christus, unser Herr, immer besser erkannt und mehr geliebt werde und in den Herzen aller Brasilianer Aufnahme finde. Euch allen spende ich aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. 1315 AD-UMINA-BESUCHE Familienpastoral nachdrücklich unterstützen Ansprache an die brasilianischen Bischöfe der Region „Ost II“ bei ihrem Ad-limina-Besuch am 9. Juni Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Diese Begegnung im Rahmen des Ad-limina-Besuchs ist schon an und für sich Ausdruck der affektiven und effektiven Gemeinsamkeit zwischen euch und dem Nachfolger des Apostels Petrus. Für mich ist sie außerdem eine vorzügliche Gelegenheit, um meiner Pflicht als oberster Hirte der Kirche nachzukommen, euch mit meinen Worten zu stärken in den Mühen, welche die Ausübung eures bischöflichen Amtes mit sich bringt. Ich wende mich an euch aufgrund eurer Aufgaben als Hirten der Ortskirchen, welche die Region „Ost II“ der Brasilianischen Bischofskonferenz bilden. Es erscheint mir nützlich - als Fortsetzung dessen, was ich bereits mit euren bischöflichen Mitbrüdem aus anderen Regionen anläßlich ihrer „Visitatio ad Petri Sedem“ behandelte -, euch einige vorwiegend pastorale Erwägungen vorzulegen. Heute möchte ich euch meine Sorge um eine Realität im Leben des Menschen mitteilen, die gleichzeitig ein ständiges Anliegen der Kirche darstellt: die Familie. 2. Wie ihr wißt, richtete ich seinerzeit an die ganze Kirche das Apostolische Schreiben Fami-liaris consortio, das gerade diesem Thema gewidmet ist. Ich nahm in dieses Schreiben, wie üblich, die Reflexionen und Beschlüsse der Bischofssynode auf und war bemüht, die Fragen und Herausforderungen - vor allem die schwierigsten und heikelsten - aufzugreifen, vor welche die Familie heute die Kirche auf den Gebieten des Glaubens und der Moral, in den verschiedenen Situationen und im Kontext des täglichen Lebens stellt. Es sei mir gestattet, euch einen lebhaften Wunsch und eine inständige Bitte vorzutragen: ich wünsche und bitte, daß die Priester bei der Ausübung ihres Amtes stets den sehr aktuellen Inhalt dieses Dokumentes vor Augen haben und ihn den Gläubigen mitteilen. Wenn dieses Dokument besser bekannt wird als bei seiner Veröffentlichung im Jahr 1981; wenn es den Söhnen und Töchtern der Kirche - insbesondere den verheirateten - vorgelegt und in den verschiedenen, die Familienpastoral betreffenden Situationen angewandt wird, kann es für diesen heiklen Bereich unseres Amtes und für das Laienapostolat sehr erleuchtend wirken. Ich hatte schon vor dem Erscheinen von Familiaris consortio - in Puebla, bei meinem Pasto-ralbesuch in Mexiko im Jahr 1979 und dann im Aterro do Flamengo in Rio de Janeiro, im Jahr 1980 - Gelegenheit, über die Bedeutung der Familie in Lateinamerika, insbesondere in Brasilien, sowie über unsere gemeinsame Hirtensorge für sie zu sprechen. Die zahlreichen Fragen, die sich seither auf Weltebene zu diesem Thema gestellt haben, sind euch wohl bekannt. Ich fühle mich daher gedrängt, zwei einander widersprechende und einander ergänzende Aspekte der Familie in eurem Land zu behandeln: einerseits ihre historische und kulturelle Bedeutung für die brasilianische Gesellschaft und anderseits die beunruhigende Lage, in der sie sich aufgrund zahlreicher, verschiedener Einflüsse befindet. 3. Hinsichtlich der bedeutenden Rolle, welche die Familie immer im Gefüge der brasilianischen Gesellschaft gespielt hat und auch heute noch spielt, kann wohl kein Zweifel bestehen. 1316 AD-LIMINA-BESUCHE Auch läßt sich leicht feststellen, daß sich diese wichtige Rolle aus der Bedeutung der Familie bei den drei Völkern ergibt, die anfänglich, bei der soziokulturellen Entstehung des brasilianischen Volkes zusammentrafen: beim portugiesischen, beim eingeborenen, im Namen des hl. Kreuzes getauften, und beim afrikanischen. Die brasilianische Literatur räumt, wie aus dem Zeugnis der Historiker und aus den anthropologischen Forschungen über die Kultur eurer Nation hervorgeht, der Gegenwart und dem Einfluß der Familie auf das brasilianische Volk einen bedeutsamen Platz ein oder, anders ausgedrückt, wann immer diese Gegenwart und dieser Einfluß fehlten, ließen sich ernste Unzulänglichkeiten feststellen. Es ist unerläßlich, sich eine eingehende Kenntnis der brasilianischen Wirklichkeit anzueignen, wenn man die Bedeutung der Familie z. B. im Bereich der Weitergabe und der Bewahrung des christlichen und katholischen Glaubens im Volk abschätzen will. Bis vor verhältnismäßig wenigen Jahren wurde der Glaube aufgrund des völligen Fehlens der normalen Hilfen - einer genügenden Anzahl von Priestern und anderen Trägem der Evangelisierung, der kirchlichen Strukturen und der organisierten Pastoral - nur innerhalb der Familien in bewundernswerter Reinheit und Vollständigkeit aufrechterhalten und auch dank dieser Familien von einer Generation an die andere weitergegeben. Sie waren zweifellos auch die treuen und aktiven Vermittler edler und unersetzlicher menschlicher, kultureller, ethischer und spiritueller Werte. Ist es demnach notwendig, zu betonen, daß aus den besten christlichen Familien normalerweise immer zahlreiche und ausgezeichnete Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben hervorgegangen sind? 4. Alles, was man aufgrund facheinschlägiger Studien - von den in den Berichten der Generalversammlung der Brasilianischen Bischofskonferenz enthaltenen Plänen und Erklärungen ausgehend - sowie aufgrund der von den Medien verbreiteten Nachrichten über die Entwicklung der Familie in Brasilien weiß, bezeugt eine sehr emstzunehmende Krise. Anscheinend wird die Familie, zutiefst von den verschiedenen Aspekten der gesellschaftlichen Revolution betroffen, auch in euren Gemeinden nicht mehr von der Konferenz von Medellin (1968) gewünschten, persönlichkeitsbildenden und evangelisierenden Funktion gerecht. Wenn ich, wenn auch kurz, auf einige ernste Probleme eingehen soll, welche die brasilianische Familie bedrohen, möchte ich in erster Linie die äußerste Zerbrechlichkeit der Ehen anführen, die Ursache zahlreicher Ehetrennungen in allen sozialen Schichten, auf allen kulturellen Ebenen und in allen Altersklassen ist. Der negative Einfluß der Medien, voll von Prognosen, die familiäre Werte wie Einheit, Treue und Unauflöslichkeit des ehelichen Bundes nur lächerlich machen oder Gegenteiliges anpreisen; die moderne Tendenz zu mangelnder Stabilität und Ablehnung dauerhafter Bindungen; schließlich, leider sehr permissive Scheidungsgesetze: all das führt zu einem Auseinanderfallen der Familien, das sehr beunruhigend ist und für euch eine echte pastorale Herausforderung darstellt. Auch können wir nicht über andere Ursachen dieses Zerfalls der Familien hinwegsehen, wie etwa über die unmenschlichen Zustände hinsichtlich von Wohnung, Ernährung, Gesundheit, Bildung und Hygiene, denen Tausende von Menschen auf dem Land oder in den Vororten det Städte, den ausgedehnten, vielgenannten „Favelas“ ausgesetzt sind. 1317 AD-LIMINA-BESUCHE Ein anderes ernstes Problem, was die Familie in eurem Land betrifft, die ungeheure Zahl von Straßenkindem: viele von ihnen wurden von den Eltern verlassen oder sind außerhalb einer festen Bindung von Vater und Mutter zur Welt gekommen. Diese Zehntausende von Kindern, die in den Städten herumlungem, werden leicht Opfer der Kriminalität, oft zu deren Ausübung hingeführt. 5. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, meine Meinung ist die eure und auch die vieler verantwortungsbewußter Menschen in allen Gesellschaftsschichten, nämlich: Es genügt nicht, den Verfall der Familie mit allen ihm entspringenden negativen Folgen zu beklagen. Wir müssen uns vielmehr, wie Gaudium et spes Nr. 41 sagt, davon überzeugen, wie weitgehend das Wohlbefinden der Gesellschaft dem Wohlbefinden der Familie entspringt und von ihm abhängt. Darüber hinaus ist es unerläßlich, die entsprechenden Initiativen ins Leben zu rufen, welche die Familie neuerlich zum wesentlichen und unerläßlichen Element und zur Keimzelle einer harmonischen und ausgeglichenen Gesellschaft machen können. Dieser Überzeugung und diesen Initiativen kommen, vom pastoralen Standpunkt aus betrachtet, höchste Bedeutung zu. Überall, besonders jedoch dort, wo die Kirche mit argen Mängeln und Begrenzungen zu kämpfen hat hinsichtlich der für ihre Sendung - die Verbreitung des Evangeliums - erforderlichen Mittel und Hilfen, ist sie verpflichtet, die Familien zur Wiederaufnahme und Weiterführung der spezifischen Funktion der Evangelisierung aufzurufen, die ihnen als „Hauskirche“ zusteht. Darüber hinaus obliegt es ihr, die Familien zu bilden und zu erziehen, damit sie trotz aller gegen sie gerichteten Angriff und aller ihnen entgegengestellten Hindernisse in die Lage versetzt werden, Kirche zu sein und die Kirche aufzubauen. In jeder Diözese - sei sie groß oder klein, reich oder arm, gut mit Priestern versorgt oder nicht - wird es sich der Bischof angelegen sein lassen, mit pastoraler Weisheit auf sehr lohnende Weise zu „investieren“ und seine Ortskirche aufzubauen, indem er im gleichen Rhythmus eine wirksame Familienpastoral möglichst weitgehend unterstützt. Diese Pastoral reicht von der Erziehung der Jugendlichen für eine spätere Eheschließung bis zur spirituellen und moralischen Unterstützung der Eheleute; von der Aufmerksamkeit auf die schwierigen Fälle (wie sie in Familiaris consoitio beschrieben sind) bis zu den Eheleuten und Familien, die sich in einer ernsten Krise befinden. Es ist wohl nicht notwendig, zu betonen - wie ich es schon bei vielen anderen Gelegenheiten tat -, wie nützlich für die Familienpastoral die gut orientierten und ihrem Charisma treuen Familienbewegungen sein können. Diese Erwägungen der Wertschätzung sollen für die Hirten eine Aufforderung sein, sich um die Familienpastoral zu sorgen, ihr einen wichtigen Platz in der Gesamtheit der Diözesanpa-storal einzuräumen und die Laien zu unterstützen, die sie fördern und sich für sie einsetzen; sie sollen gleichzeitig eine brüderliche Einladung für jene sein, die sich genötigt sehen, die Familienpastoral nachdrücklicher zu unterstützen. Deshalb, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, fordere ich euch - und durch euch alle Bischöfe Brasiliens - auf, unablässig, kraftvoll und klar das „Evangelium der Familie“ zu verkünden. Es ist dies ein anspruchsvolles und auf vielen Seiten sogar strenges Evangelium, besonders dort, wo von Einheit und Unauflöslichkeit, von Treue und von Dauerhaftigkeit des Ehebandes, von den wechselseitigen Verpflichtungen der Eheleute - insbesondere hinsichtlich der in umfassender Form in der Enzyklika Humanae vitae enthaltenen Ehemoral - sowie von den 1318 AD-LIMINA-BESUCHE zwischen Eltern und Kindern bestehenden Pflichten die Rede ist. Das Evangelium des Glaubens, der gegenseitigen Liebe, der Demut und des liebevollen und selbstlosen Dienstes füreinander - ein Evangelium der Hoffnung und der Treue. Zum Abschluß unserer Überlegungen fühle ich mich gedrängt, dieser brasilianischen Familie, von der im Lauf meiner Ansprache ausführlich die Rede war, ein konkretes Antlitz zu geben. Ich denke daher an eure Familien, liebe Bischöfe der Region „Ost II“ der Brasilianischen Bischofskonferenz, an die Familien, in denen ihr erzogen wurdet und von denen so manche der liebsten Mitglieder - ebenso wie viele andere, euch aufgrund der Bandes des Blutes teuren Menschen - bereits in der Ewigkeit weilen. Ich denke an die Familien der Gläubigen eurer Diözesen, die immeT - selbst in diesem Augenblick und auf die Entfernung -Gegenstand eures Eifers und eurer Hirtensorge sind. Ich denke an alle Familien Brasiliens, von denen die meisten wegen der Erziehung der Kinder, des Wohnungsmangels, der Unterhaltsprobleme, usw. den verschiedensten Schwierigkeiten ausgesetzt sind. Mit besonderer Hochschätzung und Dankbarkeit gedenke ich der erst seit wenigen Jahren Vermählten. Schließlich denke ich bewegten Herzens an die betagten Eheleute, die jetzt, viele Jahre nach der Familiengründung, die reichen Früchte des Friedens und der Harmonie in der Familie ernten, weil sie es verstanden haben, den vor dem Altar Gottes für immer übernommenen Pflichten treu zu bleiben. Auf all diese Familien und auf euch, ihre Hirten, sowie auf eure Mitarbeiter rufe ich den reichsten und fruchtbarsten Segen Gottes, des Herrn, herab. Sich den Herausforderungen der Zeit stellen Ansprache an die brasilianischen Bischöfe der Region „Mitte-West“ bei ihrem Ad-limina-Besuch am 5. Juli Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Diese Begegnung stellt für euch und für mich einen Moment der vollen kirchlichen Gemeinschaft in diesen Tagen eures Ad-limina-Besuches in Rom dar. Die Eucharistie, die wir heute feiern, stellt den Schlußpunkt dieser Tage dar, in denen ich Gelegenheit hatte, persönlich mit jedem einzelnen von euch über die Lage eurer Ortskirche zu sprechen; jetzt, bei dieser gemeinsamen Begegnung, haben wir die Möglichkeit, die tiefe kirchliche Gemeinschaft zu spüren, die uns als Oberhirten vereint, die wir durch den Herrn dazu bestellt sind, das Volk Gottes zu führen (vgl.Apg 20,28). Die pastorale Sorge für alle Kirchen (vgl. 2 Kot 11,28), ebenso wie meine besondere Zuneigung und Sorge gegenüber der Kirche in Brasilien haben mich veranlaßt, verschiedene Themen lehrmäßiger und pastoraler Art mit den verschiedenen Gruppen von Bischöfen zu erörtern, die im Laufe dieses Jahres nach Rom gekommen sind. Zu euch, die ihr zur Region „Mitte-West“ gehört, möchte ich jetzt von einem großen Ereignis sprechen, das auf uns zukommt und in besonderer Weise bei den Völkern eures Kontinentes Aufmerksamkeit hervorruft; die 500-Jahr-Feier des Beginns der Evangelisierung Lateinamerikas. 1319 AD-LIMINA-BESUCHE 2. Der 12. Oktober 1492 war gewiß ein wichtiges und bedeutungsvolles Datum für die Menschheit, denn was man seitdem als „Entdeckung“ Amerikas bezeichnet, wird heute von allen anerkannt als „eine phantastische Erweiterung der Grenzen der Menschheit, der gegenseitigen Entdeckung von zwei Welten, ein Sichtbarwerden der gesamten Ökumene vor den Augen des Menschen, der Beginn der Universalgeschichte“ (Ansprache in Santo Domingo, 12. 10.1984). Wir überlassen es den Historikern, mit Objektivität alle Phänomene zu studieren, die mit der Eroberung Zusammenhängen und mit dem, was manche den Zusammenstoß der europäischen und der amerikanisch-indianischen Kultur nennen; was uns interessiert ist, bei einer Tatsache zu verweilen, die in sich unbestreitbar ist: die Tatsache, daß dieses große Geschehen von der Verkündigung des Evangeliums begleitet war. In der Tat, schon bei der zweiten Reise von Christoph Kolumbus kamen die ersten Missionare in diese gerade entdeckte Welt. So errichtete man auf der Insel, die „La Espanhola“ (Santo Domingo) genannt wurde, zum ersten Mal auf amerikanischem Boden das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus und feierte die erste Messe. Dasselbe geschah einige Jahre später in Brasilien, als - wie wir alle wissen - am 3. Mai 1500 P. Henrique de Coimbra die hl. Messe an der Stelle feierte, an der schließlich das Kapitanat Porto Seguro entstand. Euer Land wurde deshalb treffend Terra da Santa Cruz genannt. Die ersten kirchlichen Strukturen gehen anscheinend auf das Jahr 1532 zurück: es wurden Pfarreien für die portugiesischen Siedler gegründet. In der Folge kamen die Franziskaner nach Santa Caterina, die Jesuiten nach Bahia, die Karmeliten nach Olinda. So legten die Missionare die Grundlagen der Kirche, bis der Bischof von Rom mit Datum vom 25. Februar 1551 die erste Diözese in Salvador da Bahia errichtete. Wie viele Diözesen sind seit damals in dieser großen Nation errichtet worden! Heute gibt es schon 252 kirchliche Verwaltungsbezirke. 3. Die Geschichte der ersten Evangelisierung ist zweifellos begeisternd. Man sieht sie voller Licht- und Schattenseiten, sicher mehr Licht- als Schattenseiten, aber vor allem reich an zahllosen pastoralen Lehren für uns. Wenn wir uns nun darauf vorbereiten, die 500-Jahr-Feier der Ankunft der Frohen Botschaft in dieser Neuen Welt zu begehen, müssen wir zunächst mit kirchlichem Unterscheidungsvermögen und Weitblick über die Vergangenheit nachdenken. Wir können nicht bei der Vergangenheit stehenbleiben, sondern müssen von der Gegenwart ausgehen, vom gegenwärtigen Moment der Kirche in Lateinamerika und in die Zukunft schauen mit der Perspektive der Neuevangelisierung, zu der ich alle Kirchen aufgerufen habe. In diesem Sinn besteht im Bereich der verschiedenen Bischofskonferenzen Europas, Afrikas und Amerikas eine echte synodale Atmosphäre. Es werden Pastoralpläne und Strategien im Sinne des II. Vatikanischen Konzils vorbereitet, um Antwort zu geben auf die Herausforderungen unserer Zeit. Wir müssen uns nunmehr fragen, unter welchem Gesichtspunkt ein so erfreuliches Ereignis begangen werden soll. Nun, vor allem anderen, indem wir Gott danken für all das Gute, das die Missionstätigkeit der Kirche für diese Völker bedeutet hat. Wir alle wissen, daß die Evangelisierung Lateinamerikas trotz der Schwierigkeiten und Widersprüche, die ihr im Lauf der Jahrhunderte widerfahren sind, ohne Zweifel eines der bedeutenden Kapitel der Kirchengeschichte war. 1320 AD-LIMINA-BESUCHE Ich kann hier nicht übergehen, was ich am 30. Juni 1980 bei der Ankunft in Brasilien bekräftigt habe: „Eure religiöse Geschichte ... wurde geschrieben von helden- und tugendhaften dynamischen Missionaren und fortgeführt durch den hingebungsvollen Einsatz von Dienern Gottes und der Menschen, ihrer Brüder. Alle hinterließen sie tiefe Eindrücke in der Seele und der Kultur Brasiliens. Der Papst möchte im Namen der Kirche ihnen allen Hochachtung und Dank bezeugen“. 4. Aber außer der Danksagung müssen wir, wie ich vorhin sagte, das Unterscheidungsvermögen mit dem Bewußtsein verbinden, daß wir uns jetzt „in einer neuen Epoche der Geschichte befinden, die Klarheit und Deutlichkeit erfordert, um zu sehen und zu diagnostizieren, sowie Solidarität, um zu handeln“ (Botschaft der Konferenz von Medellin an die Völker Lateinamerikas, 1968). Es gilt zu erkennen, was sich in diesen 500 Jahren vollzogen hat, und den Versuch zu unternehmen, eine Bilanz zu ziehen, die im übrigen immer positiv sein wird, denn es ist Christus, der das Schiff der Kirche immer auf die Vollendung der Erlösung des Menschen hin lenkte. Überdies wird die Evangelisierung zugleich auch die Fähigkeit bedeuten, zu sehen und zu diagnostizieren, in welchen Begriffen sie am Ende dieses Jahrhunderts und zu Beginn des dritten Jahrtausends durchgeführt werden muß. Wir alle begreifen, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, die enormen Herausforderungen, die sich der Kirche stellen werden in einer Epoche, die gekennzeichnet ist durch den Fortschritt in Wissenschaft und Technik, der zu einem Zuwachs an sozialer Wohlfahrt beigetragen, aber parallel dazu auch ernste Hindernisse geschaffen hat für den Christen, der in Übereinstimmung mit seinem Glauben leben will: die Anforderungen der städtisch-industriellen Gesellschaft, die den einzelnen zu einem ungebremsten Wettlauf auf der Jagd nach seinem täglichen Lebensunterhalt zwingen; der Einfluß der sozialen Kommunikationsmedien, die nicht einmal immer die Individualität des Menschen in seinem Recht auf richtige Information achten, ein Einfluß, der aber unabdingbar ist, um eine immer größere Zahl von Menschen verschiedener Sprache, Kultur und Mentalität zu erreichen; der Analphabetismus, eine unsichtbare Barriere gegen die Öffnung zur Welt der profanen wie religiösen Kultur. In diesem Sinn können wir hier als einen der Aspekte, die die Kirche und ihre Hirten stärker beunruhigen, den Verlust des ursprünglichen religiösen Sinnes hinzufügen, der alle Schichten der Bevölkerung erfaßt. Es besteht ein großer Mangel an Glaubenswissen und Kenntnis der moralischen Prinzipien. Von der Kirche seit jeher gelehrt, fallen sie jedoch heute der Vergessenheit anheim. Deshalb verstehen wir, daß die Kirche in Medellin in ihrer Botschaft an die Völker Lateinamerikas sich verpflichtete, „eine intensive Neuevangelisierung und Katechese zu fördern, die die Eliten und die Massen erfassen, damit sie zu einem klaren und engagierten Glauben kommen“. Mein Vorgänger Papst Paul VI. hat dieses Ziel vollkommen umrissen und es noch klarer hervorgehoben: „Für die Kirche geht es nicht nur darum, immer weitere Landstriche oder immer größere Volksgruppen durch die Predigt des Evangeliums zu erfassen, sondern zu erreichen, daß durch die Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien, die bestimmenden Werte, die Interessenpunkte, die Denkgewohnheiten, die Quellen der Inspiration und die Lebensmodelle der Menschheit, die zum Wort Gottes und zum Heilsplan in Gegensatz stehen, umgewandelt werden“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 19). 1321 AD-LIMINA-BESUCHE Das will u.a. heißen, daß nicht das Evangelium sich an die Zeiten anpassen muß, an die aktuellen Bedürfnisse des Menschen, ganz im Gegenteil, es handelt sich darum, das persönliche Leben aller Menschen und eines jeden einzelnen in Kontakt mit dieser alten Neuigkeit des Evangeliums zu bringen. Wir wissen wohl, daß jeder Evangelisierungsprozeß sein Fundament im Geheimnis Christi findet: in seiner Menschwerdung, seinem Leben, seinem Tod und seiner Auferstehung. Der Herr nahm eine konkrete Menschennatur an und lebte unter all den Umständen, die der menschlichen Natur eigen sind, an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit und im Schoß eines bestimmten Volkes. So kann auch die Kirche nach dem Beispiel Christi und durch das Geschenk des Geistes verstanden werden unter allen Gegebenheiten von Sprache, Kultur oder Rasse (vgl. Apg 2,5-11). Ihr Bestreben ist es, durch den ganzen Prozeß der Evangelisierung die Fortdauer des Evangeliums zu bekräftigen, das nicht dem Wechsel der Gebräuche und Sitten in den verschiedenen Epochen der Geschichte unterliegt. Gewiß, die Methoden der Evangelisierung müssen sich an die Gegebenheiten eines jeden Volkes oder jeder Nation anpassen in Übereinstimmung mit den jeweiligen historischkulturellen Gegebenheiten, sofern die Prinzipien des Evangeliums, die sich an Christus als ihr Fundament halten, fest bleiben. 5. Ich komme zum Schluß; voller Hoffnung und Begeisterung denke ich an die Bedeutung, die die Neuevangelisierung für alle Völker der Welt haben wird. Alle diese Punkte und Probleme, auf die ich hingewiesen habe, müssen - zusammen mit denen, die ihr selbst werdet vorschlagen können - Gegenstand der Beratungen und Resolutionen der 4. Vollversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates sein, den die CELAM in enger Verbindung mit dem Heiligen Stuhl derzeit vorbereitet. Euren bischöflichen Dienst vertraue ich der Mutter Gottes an, dem Sitz der Weisheit - Unserer Lieben Frau von Aparecida. Ich bitte Maria, sie möge bei unserem Herrn dafür eintreten, daß er euch die Kraft des Heiligen Geistes sende, damit er den Verstand erleuchte und den Willen stärke bei eurem Bemühen, die Aufgabe, die euch anvertraut ist, mit Eifer zu erfüllen. Mit diesen Wünschen möchte ich euch Bischöfen, den Priestern, Ordensleuten und Gläubigen eurer christlichen Gemeinden meinen Apostolischen Segen erteilen. Kleriker und Laien müssen Zusammenarbeiten Ansprache an die brasilianischen Bischöfe der Region „Nord-Ost III“ beim Ad-limina-Besuch am 29. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Seid bei dieser brüderlichen Begegnung herzlich willkommen, die für mich ein Grund zur Freude ist. Wenn ich zum Ad-limina-Besuch euch, die Bischöfe der Kirche in den Kirchen-provinzen der Bundesstaaten Sergipe und Bahia, empfange, die die Region „Nord-Ost III“ der nationalen Konferenz der Bischöfe Brasiliens bildet, danke ich Gott, unserem Vater, Quelle allen Trostes (vgl. 2 Kor 1,3), für die mir gebotene Gelegenheit, von diesem Sitz des Petrus aus mich zu äußern. Es ist eine Stunde intimer Verbundenheit und Gemeinschaft im 1322 AD-UMINA-BESUCHE Glauben und in der Liebe, die uns als Hirten der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche eint. Wenn ich euch begrüße, so denke ich herzlich auch an die Diözesen, die ihr vertretet, und grüße zugleich ihre Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen und alle Gläubigen. 2. Bei unseren persönlichen Gesprächen konnte ich wieder die innere Haltung feststellen, die euch beseelt, zugleich aber auch die geistliche Lebenskraft, in der sich eure Einzelkirchen mit der Kathedra des hl. Petrus verbunden wissen. Gerade im Zusammenhang mit der kirchlichen Einheit und der entsprechenden Gemeinschaft des gläubigen Volkes mit seinen Hirten möchte ich euch nun einige Gedanken vorlegen, die zugleich als Anregung und Licht für alle anderen Kirchen unseres geliebten Brasiliens dienen mögen. Wir müssen uns konkret vor Augen halten, wie die innerlich mit dem Geheimnis Christi zur Vollendung der Erlösung verbundene Kirche sich ihrerseits gewissermaßen mit jedem Menschen verbindet (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22); das bedeutet, wie ich in der Enzyklika Redemptor Hominis gesagt habe: „Die Kirche hat kein anderes Leben außer jenem, das ihr von ihrem Bräutigam und Herrn geschenkt wird. In der Tat, weil Christus in seinem Geheimnis der Erlösung sich mit ihr vereint hat, muß auch die Kirche mit jedem Menschen eng verbunden sein“ (Nr. 18). Diese Lehre ist tief im Evangelium verwurzelt und erinnert uns alle an das Gleichnis vom Weinstock: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15,5). Daher wirkt die Lehre des hl. Paulus über die Einheit wie eine herzliche Ermahnung, doch zugleich als Anregung zur Festigung des Geistes, den uns Christus gelehrt hat: „Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält. Ein Leib und ein Geist [seid ihr] ... ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Eph 4,3-6). Die bleibenden Werte des Glaubens, die das kirchliche Lehramt insgesamt vorlegt, lassen uns damit immer besser verstehen, daß Einheit mit Christus auch Einheit mit der Kirche ist. 3. Von diesen Voraussetzungen her verstehen wir ferner, daß das Zweite Vatikanische Konzil die Kirche als messianisches Volk darstellt, das heißt als Gemeinschaft der Getauften, der eine Sendung übertragen ist, nämlich auf die Fülle des Reiches Gottes hinzuwirken (vgl. Lumen Gentium, Nr. 9 und CIC, c. 204). Um ihre Heilssendung zu erfüllen, wurde die Kirche hierarchisch gestiftet mit Funktionen, die unter der Leitung ihrer Hirten auf ihre Organe verteilt sind. Diese Wirklichkeit soll sich unter dem Antrieb des Heiligen Geistes und durch das apostolische Wirken aller ihrer Mitglieder, je nach ihrer Berufung und Beauftragung in Raum und Zeit erfüllen. Christus bedient sich ihrer, um sein Reich auszubreiten, und er sendet das Volk Gottes als ihr Salz und Licht in die ganze Welt. Die Kirche wird so zum priesterlichen Volk (vgl. Lumen Gentium, Nr. 10; Apostolicam actuositatem, Nr. 2). Der priesterliche Charakter ihrer Mitglieder besteht in ihrer ontologischen Gleichgestaltung mit dem Priestertum, das seinen Ursprung in der Taufe hat. Dieses königliche Priestertum ist die gemeinsame Grandlage, die alle Gläubigen zur Erfüllung der 1323 AD-UMINA-BESUCHE einen Sendung der Kirche befähigt und ihnen die Teilnahme an der einen Verantwortung aller für die Erreichung des einen Zieles gestattet. Auf der Grundlage des allgemeinen Priestertums beruht das Prinzip der Gleichheit, das allen Gläubigen die Mitarbeit an der Verwirklichung des Zieles der Kirche ermöglicht, doch auf ihm beruht zugleich ein Prinzip der Verschiedenheit, das für jeden Getauften die besondere Weise für die Durchführung seiner Sendung bestimmt. So kommt es dann, daß die Getauften, die durch das Weihesakrament mit dem Dienstpriestertum ausgestattet werden, die besondere amtliche Sendung zur Heiligung und Leitung des Volkes erhalten und in der Person Christi, des Hauptes und einzigen Mittlers der Gnaden, tätig werden (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 2). Das gläubige Volk nimmt seinerseits in seiner Eigenschaft als christifideles (Christgläubige) - ohne einen besonderen Dienstauftrag - am Priestertum Christi teil, und mit der Freiheit der Gotteskinder verbindet es sich mit den Hüten zur Auferbauung des einen Leibes Christi. Es ergibt sich daraus eine organische Zusammenarbeit zwischen Hierarchie und gläubigem Volk. Natürlich besteht diese Zusammenarbeit nicht darin, daß der Laie die Stelle des Klerikers übernimmt, um klerikale Funktionen auszuüben; ebensowenig darf der Kleriker die Aufgaben des Laien übernehmen, um laikale Funktionen auszuüben. Beide sollen vielmehr bei der Durchführung der universalen Funktion der Küche Zusammenarbeiten. Zu bedenken bleibt ferner, daß der Ausdruck „Zusammenarbeit“ nicht die Übernahme bloß ergänzender Aufgaben meint; jeder Gläubige erfüllt vielmehr die Sendung, die gerade ihm zukommt. Jeder Christ soll sich also, vom Glauben gestützt und von der Liebe bewogen, persönlich bemühen (innerhalb der Strukturen der zeitlichen Ordnung), gerecht vorzugehen, was für ihn häufig eine schwere moralische Pflicht sein kann. Dennoch bleibt wahr, daß im Ganzen der Struktur einer küchlichen Gemeinschaft auch ergänzendes Wüken möglich ist, wie es das küchliche Lehramt vorgesehen hat (vgl. Lumen Gentium, Nr. 35), doch auf diese Weise vollzieht der Laie, der ergänzend tätig wüd, keine hierarchische Funktion, er übt vielmehr sein königliches Priestertum aus, das ihn ja auch in den dem Dienstpriestertum eigenen Bereichen mitverantwortlich macht; man denke z. B. an das Wüken und Ratgeben in den neu eingerichteten Institutionen der Pastorahäte (vgl. CIC, cc. 512, 536); oder an wütschaftliche Aufgaben (vgl. CIC, c. 537), damit das Leben der Pfarrei zügiger und wüksamer vorankommt. Diese von der gesamten küchlichen Überlieferung festgehaltenen Prinzipien wurden feierlich in der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils wieder aufgegriffen und bilden weiter die Grundstruktur des Zusammenlebens der Herde Christi. Sie sind kennzeichnend für die Gemeinschaft im einen Leib Christi, der in seiner Küche als Priester, Prophet und König lebt. 4. In diesem Zusammenhang möchte ich gern die Worte meines Vorgängers, Papst Paul VI. ehrwürdigen Andenkens, erwähnen, der von den unbezweifelbaren Werten sprach, die sich bei den Basisgemeinschaften finden, und fortfuhr: „Sie entstehen aus dem Bedürfnis heraus, das Leben der Küche noch intensiver zu leben ... aus dem Suchen nach einer persönlicheren Atmosphäre, die die großen Gemeinden nur schwer bieten können“ (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 58). Man kann z. B. die wertvolle Hilfe nennen, die sie bei der Feier des Wortes Gottes, bei der Vertiefung des Glaubens, in der Vorbereitung auf den Empfang der Sakramente und beim Üben der brüderlichen Liebe bieten. Doch können die guten Absichten nicht zum 1324 AD-LIMINA-BESUCHE ersehnten Ziel führen, wenn die konstitutiven Grundsätze für eine kirchliche Gemeinschaft, die wir zu Anfang bedacht haben, nicht beachtet werden. Paul VI. bemerkte dazu wieder, daß einige Gemeinschaften „sich in einem Geist scharfer Kritik an der Kirche bilden, die sie gern als .institutionell’ brandmarken ... und sie stellen diese Kirche radikal in Frage“ (vgl. ebd.), um sich allein als neue Weise des Kircheseins hinzustellen. Nur wenn wir in echter Liebe zur Kirche leben, dem messianischen Volk, das den mystischen Leib Christi, des Erlösers, bildet, können wir einen falschen Horizontalismus vermeiden, der die Gemeinschaft der Bedrohung aussetzt, ihre übernatürliche Dimension zu vergessen. Wie aber sollen wir diese Liebe zur Kirche üben und diese Kirchlichkeit leben? Im Juli 1980 sprach ich bei meiner Reise nach Brasilien zu den Führungskräften der Basisgemeinschaften und führte aus: „Kirchlichkeit wird konkret in der aufrichtigen und loyalen Verbindung der Gemeinschaft mit den rechtmäßigen Hirten, in der treuen Anhänglichkeit an die Ziele der Kirche sowie in einer vollen Öffnung auf die anderen Gemeinschaften und die große Gemeinschaft der universalen Kirche hin“ (Manaus, 10. Juli 1980). Und wie sollen wir diese Ziele erreichen? Die Antwort findet sich, wie bereits gut bekannt ist, in der bedingungslosen Treue zum Worte Gottes, in der häufigen Eucharistiefeier und im öfteren Empfang des Bußsakramentes, in der freudigen und wirksamen Gemeinschaft mit den Hirten der Kirche, die ihrerseits Gemeinschaft mit dem Sitz des Petrus halten. Mit anderen Worten, die kirchlichen Basisgemeinschaften bieten im Rahmen einer intensiven und begeisterten apostolischen Arbeit Anlaß zu großer Hoffnung für die Kirche - und viele wirken gewiß bereits in diesem Sinn oder sind dabei - freilich nur in dem Maß, wie sie wirklich in Einheit mit der Ortskirche und mit der universalen Kirche leben. Diese Einheit wird auch konkret in der Achtung vor den Weisungen, die die Hirten erlassen, in der treuen Beobachtung der liturgischen Normen, die keineswegs eine Einschränkung der Spontaneität, sondern vielmehr Ausdruck der kirchlichen Gemeinschaft sind. Ja noch mehr, die Gemeinschaften „bleiben ihrer Sendung in dem Maße treu, als sie dafür Sorge tragen, ihre Mitglieder durch das Hören auf das Wort Gottes, durch die Treue zum Lehramt, zur hierarchischen Ordnung der Kirche und zum sakramentalen Leben auf den vollständigen christlichen Glauben hin zu erziehen“ (Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Libertatis conscientia, 22. März 1986, Nr. 69). Die Kirche verkennt nicht die beunruhigenden Probleme, die unsere heutige Gesellschaft bedrängen, die unter zahlreichen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten leidet. Sie führt aber immer als Werk Jesu Christi ihre Sendung weiter, die Menschen ihrer übernatürlichen und ewigen Bestimmung entgegenzuführen. Die richtige und pflichtmäßige Sorge der Kirche um die sozialen Probleme ergibt sich aus ihrer geistlichen Sendung und bleibt in deren Grenzen. 5. Zum Abschluß dieser Gedanken rufe ich den allmächtigen Gott an, er möge seinen Heiligen Geist, den Tröster, senden und unseren Geist und unsere Herzen erleuchten, damit wir alle, Hirten und Gläubige, weiter an der Auferbauung des Reiches Gottes arbeiten, das ein Reich der Wahrheit und der Heiligkeit, der Gerechtigkeit, des Friedens und der Brüderlichkeit ist. 1325 AD-LIMINA-BESUCHE Erheben wir unser Gebet, liebe Brüder, auch zum unbefleckten Herzen der Jungfrau Maria, daß sie für alle Mitglieder eurer Gemeinschaften betet, die immer auf die bereitwillige Hilfe ihrer Hirten warten. Beten wir insbesondere für all jene, die am meisten in Bedrängnis sind: für jene, die unter aller Art von physischer oder moralischer Not leiden; für die Jugendlichen und Alten; für die Priester, eure treuen Mitarbeiter, ebenso wie für alle Ordensffauen und Ordensmänner, die durch ihr gottgeweihtes Leben wirksam zur moralischen und geistlichen Erbauung eures Volkes beitragen. Für alle rufe ich unseren Gott um überreiche Gnaden der Anregung und des Trostes an. Als Zeichen väterlicher Wertschätzung aber erteile ich euch von ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Soziallehre der Kirche: ein unverzichtbarer Teil der Katechese Ansprache an die Bischöfe des lateinischen Ritus aus dem Staat Kerala/Indien anläßlich des Ad-limina-Besuches am 21. August Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Es ist mir eine Freude, euch, die Bischöfe des lateinischen Ritus der Diözesen Keralas, anläßlich eurer Fünfjahres-Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus willkommen zu heißen. Euer heutiger Besuch ist ein sichtbares Zeichen für eure Gemeinsamkeit im apostolischen Glauben mit dem Nachfolger Petri, der vom Herrn den speziellen Auftrag empfangen hat, seine Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32) und sich in besonderer Weise um alle Kirchen zu sorgen (vgl. 2 Kor 11,28). Eure Gegenwart ruft mir im Geist die ganze Hausgenossenschaft Gottes (vgl. Eph 2,19), die in Kerala lebt, ins Gedächtnis. Für sie müssen wir unablässig dem Vater danken, hat er doch beschlossen, „die ... an Christus glauben,... in der ... Kirche zusammenzurufen“ (Lumen Gentium, Nr. 2). Von Liebe im Herrn beseelt, bitte ich euch, meine Grüße den Priestern, Ordensleuten und Laien zu übermitteln, die eurer Hirtensorge anvertraut sind. Bei der Erfüllung eures Amtes seid ihr untereinander und mit allen Mitgliedern des Bischofskollegiums durch die Bande der hierarchischen Gemeinschaft verbunden. In Kerala wird diese Gemeinschaft inmitten der Verschiedenheit der Riten gelebt, einer Verschiedenheit, die das Volk Gottes bereichert, jedoch auch jene besondere Art der Nächstenliebe erfordert, die der hl. Paulus so schön beschreibt: „Übertrefft euch in gegenseitiger Achtung!“ (Röm 12,10), „seid ganz eines Sinnes und einer Meinung“ (1 Kor 1,10). Als Bischöfe seid ihr sicher bestrebt, alles nur Mögliche zu tun, um Einheit, Nächstenliebe und Frieden zu fördern, Zeichen jener kirchlichen Gemeinschaft, ohne die unser Zeugnis für die Wahrheit des Evangeliums kraft- und wirkungslos bliebe. 2. Im Lauf meines Pastoralbesuchs in Indien vor vier Jahren konnte ich die Lebenskraft der katholischen Gemeinschaft Keralas aus der Nähe kennenlernen. Jetzt gibt uns euer Ad-limina-Besuch die Möglichkeit, neuerlich gemeinsam für die Notwendigkeiten eurer Diöze- 1326 AD-LIMINA-BESUCHE sen zu beten, Gott für seine Gaben zu danken und ihn anzuflehen, daß die ganze katholische Gemeinde sich immer nachhaltiger für die Heiligkeit des Lebens einsetze. Als Bischöfe seid ihr euch eurer persönlichen Verantwortung bewußt, inmitten der Familie Gottes „Salz“ und „Licht“ zu sein. Da es in unseren Tagen so vielen Menschen offensichtlich an echter Spiritualität mangelt, müssen die Hirten der Kirche energisch den Sinn für Gebet und Anbetung, für Buße und Opfer, für Selbsthingabe, Nächstenliebe und Gerechtigkeit fördern. Durch das Gnadenleben in den Seelen findet der Plan Gottes für die Menschheitsfamilie seine Verwirklichung und nimmt sein Reich der Wahrheit und Liebe Gestalt an (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8). Selbst die schwierigen gesellschaftlichen und sozialen Umstände, unter denen ihr euer Hirtenamt ausübt, ändern nichts an der Tatsache, daß ihr mit euren Priestern in erster Linie dazu berufen seid, das Wort Gottes zu verkünden, seine Sakramente zu spenden und zuverlässige Führer auf dem Weg des christlichen Lebens zu sein. Eure Gleichgestaltung mit Christus im Priestertum - eigentliche Quelle eurer Sendung in der Kirche - verpflichtet euch, auf ihn als eurer Beispiel zu blicken und euch von ihm inspirieren zu lassen. Wie der hl. Paulus sagte, ist eure Botschaft nicht eine Botschaft weltlicher Weisheit (vgl. 1 Kor 3,19), sondern die Verkündigung unseres Erlösers und, in der Tat, die Verkündigung der „Torheit des Kreuzes“ (vgl. 1 Kbr3,19). Ich möchte euch deshalb auffordem, weiterhin auf jede nur mögliche Weise das geistliche Leben eurer Gemeinden, einschließlich einer entsprechenden Volksfrömmigkeit zu fördern. 3. Die Teilkirchen und örtlichen Gemeinden werden nur dann den grundlegenden, ihnen obliegenden Verpflichtungen gerecht werden, nämlich der Herausforderung zur Evangelisierung, der sich in der Kirche kein einzelner und keine Gruppe entziehen kann, wenn sie stark im Glauben und von evangelischer Liebe erfüllt sind. Mein kürzlich veröffentlichter Brief an die fünfte Vollversammlung der Asiatischen Bischofskonferenzen, die im vergangenen Monat in Indonesien stattfand, zielte darauf ab, die Aufmerksamkeit auf das Erfordernis der Erstevangelisierung zu lenken. Indem ich dankbar die lobenswerten Bemühungen anerkenne, die ihr auf diesem Gebiet unternehmt, möchte ich euch bitten, dafür zu sorgen, daß die ganze katholische Gemeinde sich klar einer Tatsache bewußt werde: „Es steht im Widerspruch zum Evangelium und zur Natur der Kirche als solcher, zu behaupten - wie es manche tun -, die Kirche sei nur ein Heilsweg unter vielen anderen und ihre Sendung den Anhängern anderer Religionen gegenüber sollte sich darin erschöpfen, diese zu besseren Anhängern ihrer Religionen zu machen“ (Nr. 4). Selbstverständlich muß die Kirche bei der Verkündung Christi die Gewissensfreiheit aller achten. Die Richtlinien für den Dialog - in dem Klugheit und Nächstenliebe herrschen und die geistlichen, moralischen und kulturellen Werte anderer Traditionen anerkannt, bewahrt und gefördert werden müssen (vgl. Nostra aetate, Nr. 2) - sind stets zu beachten. Ich kann euch, die Bischöfe, nur ermutigen, in diesen Belangen weiterhin eure kluge Leitung und Führung anzubieten. 4. In euren Berichten über den Zustand eurer Diözesen wurden viele Fragen berührt, die weiterhin eure Aufmerksamkeit auf sich ziehen werden. Es ist jedoch angebracht, hier auf einen wichtigen Aspekt der Sendung der Kirche hinzuweisen, nämlich auf ihre Soziallehre. Im 1327 AD-LIMINA-BESUCHE Lauf der Jahre hat der Glaube der Katholiken Keralas in einer lebendigen Sorge um das Wohl anderer - insbesondere um das der Kranken und der von der Gesellschaft zu unbeschreiblicher und unwürdiger Armut Verurteilten - reiche Früchte getragen. Sowohl in ihren Einrichtungen als auch im Leben ihrer einzelnen Gläubigen „legt die Kirche in Kerala mit ihrer Tradition der Dienstleistung auf erzieherischem, medizinischem, sozialem, entwicklungsorientiertem und karitativem Gebiet ein wunderbares Zeugnis für die Botschaft des Evangeliums ab“ (Predigt in Cochin, 7. Februar 1986). Nicht weniger wichtig ist es, die Kenntnis der Soziallehre der Kirche zu einem unverzichtbaren Teil der Katechese zu machen, von der ich weiß, daß ihr sie in Kerala vor allem den Jugendlichen und den Familien zugänglich machen wollt. Ich empfehle es euch, mit eurer Wachsamkeit sowohl die Katechisten als auch die Gruppen von Familien und die pfarrlichen Vereinigungen zu unterstützen, die sich um die Verbreitung des Glaubenswissens unter den Katholiken selbst und auch außerhalb der katholischen Gemeinden bemühen. Die Soziallehre der Kirche hebt die untrennbare Verbindung zwischen dem Glauben, der bekannt, und dem, der gelebt wird, hervor. Bei der Bildung des christlichen Gewissens führt die Kenntnis der Soziallehre zum „Einsatz für die Gerechtigkeit, je nach Auftrag, Berufung und Lage des einzelnen“ (Sollicitudo rei socialis, Nr. 41). Eine Ausbildung in der Soziallehre der Kirche ist insbesondere für die Laien eurer Diözesen von Wichtigkeit, da sie auf spezifische Weise dazu berufen sind, die zeitlichen Wirklichkeiten von innen heraus umzugestalten. Eine solide Kenntnis der Soziallehre wird es ihnen erleichtern, den zeitlichen Bereich zu durchdringen, ihn im Geist des Evangeliums umzugestalten (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 2) und „Zeugnis zu geben für jene menschlichen Werte des Evangeliums, die zutiefst mit der politischen Tätigkeit verbunden sind: Freiheit und Gerechtigkeit, einfacher Lebensstil, Vorliebe für die Armen und für die Letzten“ (Christifideles laici, Nr. 42). Wenn sie bei der Konfrontation mit den Übeln, unter denen die Gesellschaft leidet, ihren Glauben an Christus heranziehen, werden Keralas Laien auch imstande sein, verantwortungsvolle Alternativen zu jenen politischen Theorien und Programmen vorzulegen, die Ideologien des Klassenkampfes folgen, oder die die Menschenwürde aller Bürger - gleich, welcher Religion und gesellschaftlichen Stellung - nicht genügend achten. Eine entsprechende Einführung in die Soziallehre der Kirche muß auch im Ausbildungsplan für die Priesteramts- und Ordenskandidaten Platz finden. Mit Befriedigung stelle ich den Fortschritt des Päpstlichen Interrituellen Seminars St. Josef in Alwaye fest, das der Kirche einen ausgezeichneten Dienst erwiesen hat, indem es unter den zukünftigen Priestern Keralas das Wissen um ihre Gemeinsamkeit und Sendung vertiefte. Ich fordere euch auf, dafür zu sorgen, daß ein angemessener Unterricht in der Soziallehre der Kirche verpflichtend in den Lehrplan des Seminars eingefügt werde. Die große Zahl von Bemfungen in Kerala erlaubte es Priestern und Ordensleuten eurer Region, in ganz Indien tätig zu sein. Ihr wißt aus Erfahrung, daß, wenn eine solche Zusammenarbeit mit der Kirche in anderen Regionen wirklich fruchtbar werden soll, diese Priester und Ordensleute fest in der Universalität verankert sein und über die Aufgeschlossenheit verfügen müssen, die erfolgreiche Missionare in jedem Zeitalter der Kirche kennzeichnet. 5. Liebe Brüder, zuletzt möchte ich gemeinsam mit euch Gott für seine zahlreichen Gnaden und Segnungen danken, und das trotz der vielen Herausforderungen und Schwierigkeiten, mit 1328 AD-LIMINA-BES UCHE denen die Ausübung eures Amtes in Kerala verbunden ist. Ich vertraue darauf, daß euer Zeugnis für die Hoffnung und die Tröstung, die das Evangelium bietet, stets im selbstlosen Wunsch zum Ausdruck komme, das Gemeinwohl und die praktische Solidarität mit den Bedürftigen zu fördern. Das Beispiel eurer Sorge um die geringsten eurer Brüder und Schwestern wird der Kirche einen großen und ständigen Fortschritt in ihrer Sendung - der Evangelisierung Indiens - sichern. Ich empfehle euch, eure Priester, Ordensleute und Laien dem liebenden Schutz Marias, der Mutter der Kirche, und bete, daß ihr, „in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet“ (Eph 3,17), gestärkt werdet durch „die Gnade lesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes“ (2 Kor 13,13). Ohne Zwang das Evangelium vorlegen Ansprache anläßlich des Ad-limina-Besuchs der japanischen Bischöfe am 3. März Liebe japanische Brüder im Bischofsamt! 1. Es ist eine große Freude für mich, euch in Rom anläßlich eures Ad-limina-Besuchs willkommen zu heißen. Durch euch möchte ich in Hochachtung das ganze geliebte Volk von Japan begrüßen, dessen Glaube und Frömmigkeit mir 1981 während meines Pastoralbesuchs in eurem Land so offenkundig wurde. Als Bruder im Bischofsamt, der auf besondere Weise mit der Sorge um alle Kirchen beauftragt worden ist (vgl. 2 Kor 11,28), bete ich mit euch, daß die Gläubigen von Japan sich „an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis ... [sie] ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt. Durch ihn wird der ganze Leib zusammengefügt und gefestigt in jedem einzelnen Gelenk ... So wächst der Leib und wird in Liebe aufgebaut“ (Eph 4,15-16). Diese Worte aus dem Brief an die Epheser helfen uns, tiefer über die Bedeutung eures Besuchs in dieser Stadt nachzudenken. Da ihr an den Gräbern der beiden „Säulen“ der römischen Kirche, der hll. Petrus und Paulus, betet, und da ihr euch mit dem Nachfolger Petri trefft, legt ihr Zeugnis ab für die Einheit, in der der Leib Christi „zusammengefügt und gefestigt ist“. Eure Reise nach Rom offenbart die Katholizität der einen Kirche Christi und lädt euch ebenso zu einer tieferen Gemeinschaft mit allen anderen Ortskirchen ein. Der Ad-limina-Besuch ist auch eine Gelegenheit, alle Erfahrungen und Einsichten, sowie die Herausforderungen, denen die Kirche in Japan gegenübersteht, mit dem Papst und mit all jenen zu teilen, die ihm in seinem Amt für die Weltkirche beistehen. Durch eure Liebe zu ihm, eure Solidarität mit ihm in der Bewahrung der kirchlichen Lehre und Disziplin und durch eure bereitwillige Kooperation mit seinen Mitarbeitern wird die weltweite Gemeinschaft der Kirche konkret sichtbar und gefestigt. 2. Vom Wachstum und dem Aufbau des Leibes Christi sprechen, heißt zugleich vom Voranschreiten des Gottesvolkes auf seiner Pilgerfahrt auf Erden sprechen. Und ebenso von der Aufgabe, die die Kirche von ihrem auferstandenen Herrn empfangen hat: „Macht alle Men- 1329 AD-LIMINA-BESUCHE sehen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,19-20). Wie das Zweite Vatikanische Konzil gelehrt hat, ist „die pilgernde Kirche ... ihrem Wesen nach missionarisch“ (Ad gentes, Nr. 2), und daher wird die Aufgabe zur Evangelisierung stets die „Gnade und eigentliche Berufung der Kirche, ihre tiefste Identität“ sein (vgl. Evangelii nun-tiandi, Nr. 14). Mit den Worten meines Vorgängers Papst Paul VI. können wir in der Tat sagen, daß die Kirche da ist, „um zu evangelisieren“ (ebd.). Darum preise ich Gott zusammen mit euch für die „Nationalversammlung zur Förderung der Evangelisierung“, die im November 1987 in Kyoto stattfand. Sie war ein großes Geschenk für die Kirche in Japan. Dieses bedeutsame kirchliche Ereignis folgte nach intensiver Vorbereitung aller Priester, Ordensleute und Laien und bot den Gläubigen die noch nie dagewesene Gelegenheit, über ihre Berufung nachzudenken, in der Gesellschaft, der sie angehören, das Evangelium zu verkünden. Im Sinn des Konzils erkannte die Versammlung, daß alle Getauften „die ehrenvolle Bürde [haben], dafür zu wirken, daß der göttliche Heilsratschluß mehr und mehr alle Menschen aller Zeiten und überall auf der Erde erreiche“ (Lumen Gentium, Nr. 33). Und als „allumfassendes Heilssakrament“ (vgl. ebd., Nr. 48) ist die Kirche als Ganze berufen, Sauerteig zu sein, die Seele des Menschengeschlechts in seiner Erneuerung durch Christus und seiner Umgestaltung zur Familie Gottes. Ein vertieftes Bewußtsein von der Berufung Gottes, die Frohbotschaft des Heils in Jesus Christus zu verkünden, sollte jeden Aspekt des kirchlichen Lebens in Japan durchdringen. Obschon eure Ortskirchen nur eine kleine Minderheit bilden, müssen sie dennoch darum bemüht sein, das Licht Christi leuchten zu lassen, und auf diese Weise den Nichtchristen zu helfen, daß sie dieses Licht sehen, es annehmen und durch Glauben und Taufe von ihm umgewandelt werden. Kein Gläubiger darf von der Aufgabe entbunden sein, alle mit der Liebe Christi bekannt zu machen. Denn wenn wir mit dem hl. Paulus sagen können, daß uns „die Liebe Christi drängt“ (2 Kor 5,14), so müssen wir gleichfalls, so wie er, hinzufügen: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9,16). Wie uns das Konzilsdekret Ad gentes in Erinnerung ruft, ist es nicht genug, „daß es das Apostolat des Beispiels ausübt. Dazu ist es gegründet und dazu ist es da, um den nichtchristlichen Mitbürgern in Wort und Werk Christus zu verkünden und ihnen zur vollen Annahme Christi zu helfen“ (Nr. 15). 3. Es war eine der Hoffnungen der Nationalversammlung zur Förderung der Evangelisierung, daß die Gläubigen dazu angeregt würden, die „Zeichen der Zeit“ zu lesen, damit sie in Einheit mit ihren Bischöfen im Licht des Evangeliums eine Reihe von sozialen Problemen Japans erkennen und ihnen entgegentreten können. Einige dieser Probleme gelten nur für Japan. Andere hingegen - die Umweltverschmutzung beispielsweise - können als Bedrohung für alle Völker angesehen werden, wie ich in der Botschaft zum diesjährigen Weltfriedenstag in Erinnerung gerufen habe. Wenn die Kirche für eine Lösung der menschlichen Probleme arbeitet, so „weicht sie nicht von ihrer Sendung ab. Sie ist jedoch darauf bedacht, daß diese Sendung nicht von der Sorge um die zeitliche Ordnung ganz aufgesogen oder auf sie reduziert wird. Deshalb hält sie mit großer Sorgfalt sowohl die Einheit wie die Unterscheidung von Evangelisation und menschlicher Förderung klar und fest aufrecht: die Einheit, weil sie das Wohl des ganzen Menschen sucht; die Unterscheidung, weil diese beiden Aufgaben aus 1330 AD-LIMINA-BESUCHE verschiedenem Grunde zu ihrer Sendung gehören“ (Instruktion über die chrisüiche Freiheit und die Befreiung, Kongregation für die Glaubenslehre, 22. März 1986, Nr. 64). Unter den sozialen Fragen, mit denen sich die Kirche in Japan auseinandersetzt, sollten besonders die vielen, vor allem jungen Leute erwähnt werden, die aus wirtschaftlichen Gründen in die Städte ziehen. Sie haben ein besonderes Bedürfnis, akzeptiert zu werden und sich der neuen Umgebung zugehörig zu fühlen. In ihrer Sorge, diesen Menschen zu helfen, hat die Kirche Gelegenheit, ihre tiefe Solidarität mit all denen zu beweisen, die Gefahr laufen, von ihren geistigen Wurzeln entfernt zu werden. Zugleich kann sie all jenen, die sich verloren fühlen und in Not sind, die hochherzige Liebe des Guten Hirten zeigen. Wenn Pfarrgemein-den und katholische Gruppen sie in christlichem Geist willkommen heißen, erfüllen sie das Gebot des Herrn zur Nächstenliebe. Sie können Beziehungen aufbauen, die andere zu Jesus führen und die sie einladen, sich für die größte aller Gaben, die Gabe des Glaubens, zu öffnen. Die Anwesenheit von Fremdarbeitern in Japan, von denen viele Katholiken sind, ist eine ähnliche Herausforderung. Die Bemühungen eurer Teilkirchen um diese Brüder und Schwestern werden nicht nur die Sicherung ihres materiellen Wohls, sondern auch die Festigung ihres Glaubens anstreben und ihnen in schwierigen Umständen die sehr notwendige geistige Hilfe entgegenbringen. Ein anderer höchst wichtiger Bereich für das Leben der Kirche und der Gesellschaft ist die Ehe und das Familienleben. In Japan werden, wie auch anderswo, die Stabilität und Fruchtbarkeit der Ehe durch Scheidungen und künstliche Empfängnisverhütung bedroht. Katholiken, die Nichtkatholiken heiraten, sehen sich oft ernsten Herausforderungen an die Standhaftigkeit im Glauben gegenüber. Als Bischöfe habt ihr die heilige Aufgabe, euer Volk in der christlichen Lebensweise zu bestärken, damit sie nicht, wenn sie keine Wurzeln haben „eine Zeitlang glauben, doch in der Zeit der Prüfung abtrünnig werden“ (vgl. Lk 8,13). Wenn die Kirche die Zeichen der Zeit erkennen will, so muß sie für das Volk und seine Probleme aufmerksam, aber auch dem Evangelium treu sein. Die Frohbotschaft ruft die Menschen aller Zeiten und allerorts, einschließlich uns selbst, zu Reue und Glauben, zur Umkehr des Herzens, zu einer neuen Denk- und Handlungsweise auf in Übereinstimmung mit dem göttlichen Heilsplan, wie er im gekreuzigten und auferstandenen Christus vollkommen erfüllt wurde. 4. Die Mission zur Evangelisierung, die die japanischen Gläubigen übernehmen, hängt zum großen Teil von der Ausbildung ab, die sie empfangen. Als Bischöfe übt ihr hierbei unter Beihilfe eurer Priester eine wesentliche Rolle als Lehrer aus. Bei den Priestern bedarf es großer pastoraler Weisheit und Liebe durch lebenslange Übung in Gebet, Nachdenken und Studium, so daß sie ihrerseits den Laien eine gründliche christliche Ausbildung vermitteln können. Ihr wißt, daß die bevorstehende Bischofssynode die Priesterausbildung und -fortbil-dung, die heute so wichtig sind für die wahre Erneuerung der Priester, zum Thema haben wird. Weiterbildung ist auch für die Ordensleute wichtig, die in Japan seit langem schon eine wesentliche Rolle spielen. Ich freue mich mit denen unter euch,' in deren Ortskirchen ein Anwachsen der Priester- und Ordensberufung festzustellen ist, und mit euch allen bitte ich den Herrn der Ernte um ein noch größeres Wachstum, ganz besonders da, wo es an Berufungen mangelt. 1331 AD-LIMINA-BESUCHE In eurer Bemühung um das geistige Wachstum der Laien habt ihr das katholische japanische Ausbildungszentrum gegründet. Wenn die Formation im Bereich der Evangelisierung fruchtbar sein soll, so darf sie sich nicht nur mit dem allgemeinen Bildungsniveau der Laien befassen, sie muß vielmehr geistlich vertieft werden. Sie muß Geist, Herz und Gewissen berühren, damit alle Energien dafür eingesetzt werden, die Lebensform zu verwirklichen, zu der Gott berufen hat. Wenn die Christen sich der unauflöslichen Verbindung zwischen ihrem Glauben und dem Alltagsleben bewußt werden, dann werden sie zu wirksamen Werkzeugen des Heiligen Geistes bei der Umwandlung der Welt von innen her. Wenn die Gebote des Glaubens durch Gottverbundenheit in der Liturgie und im persönlichen Gebet verinnerlicht werden, so wird ihre Anwendung im Leben deutlich als persönliche Verantwortung empfunden. So heißt es in Evangelii nuntiandi: „Es ist unabdingbar, daß unser Verkündigungseifer wirklicher Heiligkeit unseres Lebens entspringt, welches aus Gebet und vor allem aus der Eucharistie seine stärkende Kraft erhält, und daß - wie uns das Zweite Vatikanische Konzil ans Herz legt - die Predigt ihrerseits den Prediger zu größerer Heiligkeit führt“ (vgl. Nr. 76). 5. Es ist das Ziel der Ausbildung, alle Getauften zu aktiven Teilhabern am Leben und der Sendung der Kirche zu machen. Wie wir in Ad gentes lesen: „Die Kirche ist nicht wirklich gegründet, hat noch nicht ihr volles Leben, ist noch nicht ganz das Zeichen Christi unter den Menschen, wenn nicht mit der Hierarchie auch ein wahrer Laienstand da ist und arbeitet; denn das Evangelium kann nicht in Geist, Leben und Arbeit eines Volkes Wurzel schlagen ohne die tätige Anwesenheit der Laien“ (Nr. 21). Dieser aktive Einbezug beginnt mit dem Ausbildungsprozeß selbst, in dem die Laienkatechisten eine unschätzbare Rolle spielen können. Ich bitte euch dringend, der Berufung und Ausbildung der Katechisten pastoralen Vorrang einzuräumen, damit die Kirche in Japan aus deren Hingabe an das Evangelisierungs werk Nutzen ziehen kann. Neben der Erneuerung der Pfarrgemeinden - dem stets lebenswichtigen Einsatzzentrum der katholischen Laien - sollte auch die Gründung und Festigung von Vereinigungen und Bewegungen gefördert werden, denn diese haben sich oft schon als wirksame Kanäle für die Ausbildung und den apostolischen Eifer der Laien erwiesen. Ich möchte auch ein Wort über die vielen Laien, Männer und Frauen, sagen, die in der katholischen Erziehung tätig sind und die unseren ganz besonderen Dank und unsere Ermunterung verdient haben. Außerordentlich wichtig ist, daß auch sie ihre Arbeit als einen wesentlichen Teil der Sendung der Kirche zur Evangelisierung ansehen. Eure zahlreichen katholischen Schulen und Universitäten, die in ganz Japan hoch angesehen sind, können wirksame Mittel für die Bezeugung des Evangeliums sein. Hierbei geht es selbstverständlich nicht darum, den vielen nichtkatholischen Schülern und Studenten, die diese Lemzentren besuchen, den katholischen Glauben aufzunötigen. Ihrem Gewissen soll vielmehr in voller Klarheit und Unmittelbarkeit, ohne Zwang und ungehörige Überredung, die Wahrheit des Evangeliums und das Heil in Christus vorgelegt werden (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 80). Die „aktive Anwesenheit“ der Laien, von der das Konzil spricht, hat noch viele andere Formen. Wie wir vorher festgestellt haben, schließt sie das gute Beispiel und die Verkündigung Christi in Wort und Schrift ein (vgl. Ad gentes, Nr. 15), doch ruft sie zu noch mehr auf. Wenn sich der Glaube der japanischen Katholiken in der Mentalität, dem Leben und der Arbeit ihrer 1332 AD-UMINA-BESUCHE Nation widerspiegeln soll, dann dürfen sie keine Angst davor haben, als Katholiken eine aktive Rolle bei der Errichtung einer menschlicheren Gesellschaft zu spielen. Der Zusammenhang zwischen Glaube und Leben bezieht sich nicht nur auf das persönliche Verhalten; er soll auch auf die Tätigkeiten der Bürger, auf wirtschaftliche und politische Entscheidungen und auf nationale und internationale Bestrebungen einwirken. Als Jünger Christi werden die Katholiken den Wunsch haben, das geistige und materielle Wohl aller und vor allem der armen Völker zu verteidigen (vgl. Sollicitado rei socialis, Nr. 47). Die christliche Sicht des von Gott erschaffenen und erlösten Menschen, die in der Soziallehre der Kirche so reich und fruchtbar entwickelt worden ist, bietet der Kirche in Japan Grundlage und Anregung, den Auftrag zur Evangelisierung so zu lenken, daß sie mit der irdischen und transzendenten Berufung des Menschen Schritt hält. 6. Liebe Brüder, ich weiß, daß die Geschichte und die Kultur eures alten Landes einzigartige Herausforderungen an die Aufgabe der Evangelisierung stellen. Ich weiß auch, daß die kleine Anzahl der japanischen Katholiken inmitten der großen Bevölkerung dazu geneigt machen könnte, die Begeisterung für das Erreichbare herabzusetzen. Wie die ersten Apostel, denen befohlen worden war, viele mit wenig zu speisen, so könntet auch ihr den Herrn fragen: „Was ist das für so viele?“ (vgl. Joh 6,9). Doch wie uns das gleiche Evangelium zeigt, ist jene kleine Gruppe von zwölf Aposteln trotz der Dürftigkeit an den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln schließlich in der Lage gewesen, die Welt durch den in ihnen wirkenden Heiligen Geist zu verändern. In japanischer Sprache sagte der Papst: Es ist meine große Hoffnung und mein Gebet, daß ihr, da ihr beharrlich und mit Liebe am Aufbau der Kirche in Japan arbeitet, stets „standhaft und unerschütterlich, immer eifriger am Werk des Herrn teilnehmt und daran denkt, daß im Herrn eure Mühe nicht vergeblich ist“ (vgl. 1 Kor 15,58). Ich erteile euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Wachstum und Lebenskraft Ansprache an die Bischöfe Koreas bei ihrem Ad-limina-Besuch am 16. Oktober Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Eure Anwesenheit hier als Hirten der Kirche in Korea anläßüch eures Ad-limina-Besuchs ist für mich eine große Genugtuung und ein großer Trost, da mir eine besondere „Sorge für alle Kirchen“ (vgl. 2 Kor 11,28) aufgetragen ist. Es ist fast genau ein Jahr her, seit ich beim 44. Internationalen Eucharistischen Kongreß Seoul besucht habe und eine Zeit frohmachen-der Gemeinschaft im Glauben und in kirchlicher Einheit für die Kirche in Korea und mit der gesamten „Gemeinschaft der Heiligen“ erleben durfte. Diese Gemeinschaft hat ihre tiefste Wurzel in Christus und findet ihren vollsten sakramentalen Ausdruck in der Eucharistie: „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ 1333 AD-UMINA-BESUCHE (1 Kor 10,17). Ich kann den Glauben und die Frömmigkeit eures Volkes nicht vergessen, und ich höre voll Freude, daß der Eucharistische Kongreß reiche Früchte christlichen Lebens und der Heiligkeit unter den Gläubigen gebracht hat. Euer Ad-Iimina-Besuch drückt aus und würdigt das besondere Band der Gemeinschaft, das uns als Nachfolger der Apostel im Bischofskollegium verbindet, und es ist meine innige Hoffnung, daß ihr beim erneuten Besuch der Gräber der hll. Märtyrer Petrus und Paulus und damit bei der Zurückbesinnung auf die Ursprünge unseres apostolischen Glaubens neue Kraft für euren Dienst an den Einzelkirchen gewonnen habt, die die Göttliche Vorsehung eurer Sorge anvertraut hat. Seit der Zeit, da der Glaube zuerst nach Korea kam - auf so außerordentlichen, aber dem Evangelium entsprechenden Wegen -, hat die fürsorgende Liebe Gottes die Schritte der Kirche in eurem Land bis heute geführt, so daß wir ihre intensive Lebenskraft innerhalb der Gemeinschaft der Kirche erfahren dürfen. Die erhebenden Zeichen der Heiligkeit und des Martyriums stehen vor aller Augen und rufen zur Bewunderung und Nachahmung auf. Das Leben der koreanischen Märtyrer bezeugt euch die Fruchtbarkeit von Trübsalen, die um Christi willen erlitten werden, und vor allem von Verfolgungen der Religion. Preist daher allzeit mit demütigem und frohem Herzen Gott für die Ausgießung der Gnade, die ihr bei der Ausübung eures Dienstamtes täglich erfahrt. 2. Die Statistiken, die ihr zur Vorbereitung dieses Ad-limina-Besuches vorgelegt habt, sprechen laut vom Wachstum und der Lebenskraft der katholischen Gemeinschaft in eurem Land. In den fünf Jahren seit eurem letzten Besuch sind die Zahlen der Priester, der Ordensmänner und Ordensfrauen, der Seminaristen und Katechisten alle erheblich angewachsen. Vor allem ist es ermutigend, daß eure vier Großen Seminare gefüllt sind und weitere bald eröffnet werden können. Und doch kann dieses bedeutsame Wachstum nicht mit dem Anwachsen der katholischen Bevölkerung Schritt halten. In der Sprache des hl. Paulus seid ihr ein gesunder und fruchtbarer neuer Zweig am Baum, der die Kirche ist (vgl. Röm 11,17). Was der hl. Paulus an die Römer geschrieben hat, sollte daher in den Herzen eurer Gläubigen ein Echo finden: „Du sollst wissen: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich ... Du stehst anstelle der herausgebrochenen Zweige, weil du glaubst. Seid daher nicht überheblich, sondern fürchte dich“ (vgl. ebd., 18 und 20). Seid immer Erbauer des Friedens Christi untereinander sowie in Kirche und Welt. 3. Besonders lebhaft erinnere ich mich noch an meinen Besuch in der Pfarrei von Nonhyon-dong, wo zahlreiche Priester zur Anbetung des Allerheiligsten versammelt waren, und wo wir zusammen nachgedacht haben über die Notwendigkeit des Gebetes der Anbetung und der pastoralen Liebe, die aus der Eucharistie als dem Zentrum und der Grundlage alles priester-lichen Lebens fließt (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 14). Das Thema Priestertum steht euch in diesen Tagen der Bischofssynode über Fragen der Ausbildung der Priester vor Augen. Die Form, in der das eine Priestertum Jesu Christi von den Priestern in Korea vorgelebt und ausgeübt wird, gehört zu den Fragen, die eurem Dienst als Bischöfe gestellt sind, und auch hier möchte ich euch auffordem, weise Verwalter von Gottes Gnade zu sein. Jede Berufung zum Priestertum oder zum gottgeweihten Leben ist eine erhabene Gnade Gottes für den betreffenden Einzelnen und für die Kirche, sowohl für die Einzelkirche als auch für die universale 1334 AD-L1MINA-BESUCHE Kirche. Es ist eine Gnade, um die gebetet werden muß, die die gesamte Gemeinschaft der Kirche anregen und aus ganzem Herzen unterstützen muß. Es ist Aufgabe der Gemeinschaft, es den Berufenen möglich zu machen, auf diese Gnade mit freier und hochherziger Hingabe ihrer selbst an Christus und die Kirche zu antworten. Im Fall des Priestertums muß auch der Bischof persönlich bei der Beurteilung der empfangenen Berufung und des Grades der Ausbildung sowie der auf dem Weg zur Priesterweihe gewonnenen Einsatzbereitschaft eine maßgebende Rolle spielen. Ich bitte euch, den lieben Priestern und Seminaristen von Korea meine vom Gebet begleitete Ermunterung auszusprechen. Ich spreche erneut den Wunsch aus, den ich in Nonhyon-dong zum Ausdruck brachte, sie möchten den Mitgliedern der Herde Christi nahe sein, ihre Freuden und Sorgen teilen, für alle bereitwillig verfügbar sein und einen einfachen Lebensstil pflegen, der aus echter Armut des Geistes stammt (vgl. Predigt in der Pfarrei Nonhyon-dong, Nr. 3). Um würdige und wirksame Diener des Evangeliums zu sein, müssen Bischöfe und Priester eine Haltung bewußter Loslösung von sich selbst und der Welt pflegen. Zur Berufung des Priesters gehört eine Christusähnlichkeit nicht nur in der Nachahmung des Beispiels des Herrn, sondern noch mehr ein mit der Priesterweihe verbundener Ruf, mit Christus eins zu werden in der „Entäußerung seiner selbst und der Annahme der Knechtsgestalt... wobei er sich selbst erniedrigte und bis zum Tod gehorsam wurde“ (vgl. Phil 2,6-8). Der Dienst an Wort und Sakrament und der Dienst der pastoralen Liebe kann nicht von dieser inneren Kenosis getrennt werden, die immer Kennzeichen eines christlichen Lebens in Vereinigung mit Christus sein muß. Der Durst nach Wachstum im geistlichen Leben sowie nach größerer Liebe und Solidarität in den menschlichen Dingen, den euer Volk so stark verspürt, kann nur befriedigt werden, wenn die Diener des Heiligtums wirklich Männer Gottes, eifrig im Gebet und innerlich vom Eifer für das Haus des Vaters verzehrt sind (vgl. Joh 2,17). 4. Tatsächlich ist die gesamte Gemeinschaft der Christen aufgerufen, die Selbstaufopferung Christi an den Vater beispielhaft zu leben. Die abschließende Botschaft der 5. Vollversammlung der Föderation der asiatischen Bischofskonferenzen in Bandung im letzten Juli spricht von der Sendung der Kirche in Asien in der Gestalt des Dienstes: Dienst für den Herrn und für die notleidende Menschheit. Auch dies ist der Weg der Kirche von Korea geworden, die vor der Aufgabe steht, sich mehr und mehr auch den weniger begünstigten Mitgliedern der Gesellschaft zuzuwenden, zumal den Arbeitern und den Armen. Dieses Ausgreifen hängt umgekehrt wieder großenteils davon ab, wie ihr die schwierige und heikle Frage der Förderung einer tiefen und durchdringenden, aber immer achtungsvollen Begegnung der Frohbotschaft vom Heil in Jesus Christus mit dem traditionellen Ethos eines Volkes aufgreift, das in anderen religiösen und kulturellen Formen lebt. Die Kirche in Korea wurde wie die anderen Kirchen in ganz Asien „nicht gesandt, um zu beobachten, sondern um zu dienen - um den Völkern Asiens bei ihrem Suchen nach Gott und nach besseren menschlichen Lebensbedingungen zu dienen; zu dienen ... unter der Führung des Geistes Christi und in der Art Christi selbst, der nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben als Lösepreis für alle hinzugeben (vgl. Mk 10,45) - und um im Dialog mit den Völkern und den Verhältnissen Asiens heraus- 1335 AD-LIMINA-BESUCHE zufinden, was der Herr von uns getan sehen will, damit die ganze Menschheit als seine Familie in Eintracht zusammenfindet“ (Schlußerklärung der 5. Vollversammlung derFABC, 6.3.) Dies alles erfordert, daß sich die Kirche in Korea von einem echt missionarischen Geist leiten läßt und „echte Jüngerschaft“ zum Ausdruck bringt, und „die kontemplative Dimension, Selbstverleugnung, Loslösung, Demut, Einfachheit und Schweigen in größter Achtung hält“ (vgl. ebd., 9.1 und 9.2). Ich betone diese Aspekte, weil ihr selbst euch der Anziehungskraft bewußt seid, die ein mehr welthaft geprägter Lebensstil auf die Diener und Helfer des Evangeliums ausüben kann, wenn ihre Sendung nicht deutlich in der Weihe an Gott als Grundlage des Ganzen verwurzelt ist. 5. Das Thema der Einheit ist euch mit seinen zahlreichen Dimensionen vertraut. Während meines Besuches in Seoul im letzten Jahr habe ich festgestellt, daß „die koreanische Nation Symbol für eine gespaltene Welt ist, der es noch nicht gelungen ist, in Frieden und Gerechtigkeit eins zu werden“ (Predigt bei derStatio Orbis, 09. 10. 1989, Nr. 4). Vierzig Jahre hindurch ist das Leben eures Volkes schon tiefreichend geprägt durch eine tragische Spaltung, die Familien getrennt und in der Gesellschaft viele Spannungen verursacht hat. Derzeit erwartet ihr dringend ein Zeichen, daß globale politische Wandlungen und koreanische Initiativen ihrerseits den Weg zur erhofften Wiedervereinigung eröffnen, die sich auf echter Gerechtigkeit, Freiheit und Achtung vor den unveräußerlichen Menschenrechten gründet. Als Bischöfe verfolgt ihr diese Fragen unmittelbar, denn die sozialen, politischen und kulturellen Wirklichkeiten sind ja mit wichtigen menschlichen, moralischen und religiösen Anhegen verknüpft. Es bleibt eure Aufgabe, den katholischen Gläubigen beim Aufgreifen dieser Fragen so zu helfen, daß sie dabei ihr durch die ethischen Forderungen des Evangeliums und die Soziallehre der Kirche wohl gebildetes Gewissen einsetzen, so daß Liebe und Mitleid immer einen hervorragenden Platz bekommen. Ihr selbst habt es eure große Sorge genannt, wie ihr den Laien eine weitergehende Bildung in den Wahrheiten des Glaubens und in der Anwendung der Morallehre der Kirche auf die Realitäten des Lebens in einer sich wandelnden und immer komplexer werdenden Gesellschaft vermitteln könnt. Bei der Aufgabe, die Wahrheiten und Werte des Evangeliums auf die irdischen Wirklichkeiten anzuwenden, besitzen die Laien eine besondere Berufung und Fachkenntnis, wie sie in der Lehre des Konzils und im Kirchenrecht anerkannt wurde (vgl. Lumen Gentium, Nr. 31; Codex Iuris Canonici, can. 255). Dabei bilden die Familie, die bürgerliche Gesellschaft, die Entfaltung der Kultur, die Welt der Wirtschaft und das politische Engagement die besonderen Aufgabenbereiche für katholische Laien, Männer und Frauen, die die Werte des Evangeliums: Liebe, Gerechtigkeit, Freiheit, Wahrheit und Friede tief in sich aufgenommen haben. Der Bereich des Weltlichen ist das natürliche und normale Umfeld für ihr Wirken und ihr technisches Können, und er bildet daher den Ort, wo sie ihr christliches Zeugnis geben und die Sendung der Kirche fördern sollen. 6. Die Pastoralkonstitution Gaudium et spes legt dort, wo sie auf das Verhältnis von Kirche und Gesellschaft eingeht, einen allgemeinen Überblick über die verschiedenen Rollen im Leben der Kirche vor: „Die Laien sind eigentlich ... zuständig für die weltlichen Aufgaben und Tätigkeiten ... Aufgabe ihres dazu von vornherein richtig geschulten Gewissens ist es, 1336 AD-LIMINA-BESUCHE das Gebot Gottes im Leben der profanen Gesellschaft zur Geltung zu bringen. Von den Priestern aber dürfen die Laien Licht und geistliche Kraft erwarten. Sie mögen aber nicht meinen, ihre Seelsorger seien immer in dem Grade kompetent, daß sie in jeder, zuweilen auch schweren Frage, die gerade auftaucht, eine konkrete Lösung schon fertig haben könnten oder die Sendung dazu hätten. Die Laien selbst sollen vielmehr im Licht christlicher Weisheit und unter Berücksichtigung der Lehre des kirchlichen Lehramtes darin ihre eigene Aufgabe wahrnehmen“ (Nr. 43). Für die Gemeinschaft der Kirche ist es wichtig, sich klar der unterschiedlichen Rollen bewußt zu sein. Priester und Ordensleute verlieren nicht ihre Rechte als Mitglieder der bürgerlichen Gemeinschaft, aber auch nicht ihre Pflicht, für das Gemeinwohl zu arbeiten. Da sie freilich eine besondere Berufung zum Dienstamt oder zur Weihe an Gott im Ordensstand erhalten haben, übernehmen sie damit weitere Pflichten, was eine Einschränkung ihres Engagements für rein irdische Dinge oder besondere politische Anliegen mit sich bringt. Ihr Beitrag zum Fortschritt der Gesellschaft liegt ja mehr in der Bildung der Gewissen und in der Motivierung der Laien beim Einsatz für gerechtere Strukturen des sozio-ökonomischen, politischen und kulturellen Lebens. Damit wird die Gesellschaft von innen her umgewandelt als Folge der soliden und wirksamen Präsenz der Christen in ihr. Für die Präsenz der Kirche innerhalb der Gesellschaft gilt immer Christi Gleichnis vom „Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Maß Mehl mengte, bis alles durchsäuert war“ (vgl. Mt 13,33). 7. Liebe Brüder im Bischofsamt, dies sind einige Gedanken, die euer Besuch nahelegt. Sie wurden in Liebe und Verständnis vorgetragen und wollen es mir irgendwie möglich machen, die Freuden und Leiden eures Dienstes mit euch zu teilen. Wir teilen gemeinsam die Überzeugung, daß der Herr in seiner Liebe die Kirche in Korea aufruft, die Forderungen der gegenwärtigen Stunde durch ein glaubwürdiges Zeugnis für die Werte des Reiches Gottes durch Taten aufzugreifen, die Christi würdig sind. Seid meines ständigen Gebetes für die Kirche in Korea versichert, daß alle ihre Mitglieder mutig und hochherzig der Stunde der Gnade entsprechen, die ihr gerade erlebt. Richtet den Priestern und Ordensleuten meine Ermunterung und meine besten Wünsche aus, aber auch den Seminaristen und Katechisten, den Katechumenen und allen, die sich um die Wahrheit Christi bemühen, den Familien und den Pfarrgemeinschaften. „Die Gnade Jesu, des Herrn, sei mit euch! Meine Liebe ist mit euch allen in Christus Jesus“. Amen. (1 Kor 16,23-24). 1337 AD-LIMINA-BESUCHE Bande zwischen Bischöfen und Ordensgemeinschaften stärken Ansprache beim Ad-Iimina-Besuch der Bischöfe von Malaysia, Singapur und Brunei am 16. Juni Meine lieben Brüder in Christus! 1. Fünf Jahre nach eurem letzten Ad-limina-Besuch sind wir wieder in der Liebe Gottes vereint, die durch den Heiligen Geist unseren Herzen eingegossen wurde (vgl. Röm 5,5). Diese transzendente Liebe ist es, aus der unsere Weihe und unsere Hingabe im Dienst der Kirche hervorgehen und die sie auffechterhalten. Als Bischöfe der Kirche in Malaysia, Singapur und Brunei seid ihr zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus gekommen. Ihr wollt für euren Glauben an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche - auf die Apostel gegründet und dem einen Herrn, unserem Erlöser Jesus Christus gehorsam - Zeugnis ablegen und ebenso für den Glauben der Menschen, die ihr vertretet. „Jesus Christus aber, unser Herr, und Gott, unser Vater, der uns seine Liebe zugewandt und uns in seiner Gnade ewigen Trost und sichere Hoffnung geschenkt hat, tröste euch und gebe euch Kraft zu jedem guten Werk und Wort“ (2 Thess 2,16-17). 2. Die Ortskirchen, denen ihr im Dienst des Evangeliums vorsteht, haben viele geistliche Freuden und viele Prüfungen gemeinsam; dennoch unterscheiden sie sich in der ethnischen Vielfalt eurer Völker, in den religiösen Traditionen, denen diese folgen und in bedeutsamen Aspekten ihrer politischen und sozialen Lebenslage. Manche eurer Gläubigen haben sich erst kürzlich der katholischen Kirche angeschlossen, während andere schon eine lange Tradition katholischen Lebens hinter sich haben. Inmitten dieser Verschiedenheit habt ihr, die Hirten, eine spezifische Berufung zur Einheit empfangen und leistet einen wesentlichen Beitrag zum Aufbau der Einheit des mystischen Leibes, denn „Gott hat die Versammlung derer, die zu Christus als dem Urheber des Heils und dem Urheber der Einheit und des Friedens im Glauben aufschauen, als seine Kirche zusammengerufen ..., damit sie allen und jedem das sichtbare Heilszeichen dieser heilbringenden Einheit sei“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 9). Als Nachfolger der Apostel seid ihr untereinander, mit den anderen Mitgliedern des Bischofskollegiums in aller Welt und mit dem Nachfolger Petri zu einer tiefen und dauerhaften hierarchischen Gemeinschaft verbunden, die sowohl eine organische kirchliche Wirklichkeit als auch eine spezifische Erfahrung der Liebe darstellt (vgl. Lumen Gentium, Erläuternde Vorbemerkung). Euer pastorales Wirken in Wort und Tat sollte daher so sehr von Einheit und Liebe gekennzeichnet sein, daß die Gläubigen leichter ihre Zugehörigkeit zu einer Kirche wahmehmen, die eine weltumspannende Familie ist, in der sie als „Hausgenossen Gottes ... ein heiliger Tempel im Herrn ... eine Wohnung Gottes“ (vgl. Eph 2,19-22) sind. Für den Aufbau dieser Einheit und gegenseitigen Solidarität unter euch Bischöfen und zwischen euren Gemeinden arbeiten heißt, in den innersten Kern des christlichen Geheimnisses eindringen, das Gebet Christi selbst vernehmen und ihm in eurem Leben und eurem Dienst konkret Ausdruck geben: „Alle sollen eins sein ... in uns ..., damit die Welt glaubt“ (Job 17,21). Letzten Endes ist dies der Aufruf, den Christus an die Bischöfe, Priester, Ordens- 1338 AD-LIMINA-BESUCHE leute und Laien von Malaysia, Singapur und Brunei richtet; dies ist das Programm für eure Pastoral, dem eure Bemühungen gelten müssen; dies ist die Triebfeder eurer Anstrengungen, die darauf abzielen, einander zu helfen und zu ermutigen und konkrete Formen der Solidarität und Zusammenarbeit eurer Ortskirchen zu fördern, „damit die Welt glaube“. 3. Eine eurer wichtigsten Aufgaben im Rahmen dieses Ad-limina-Besuches muß es sein, Gott für die Lebenskraft und das Wachstum der Kirche in eurer Region zu danken. Ihr seid eine „kleine Herde“ und habt mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, seid jedoch auch Zeugen für das Wirken der Gnade in den Herzen eures Volkes. Ihr nehmt den Durst der Laien nach dem Wort Gottes, nach einer besseren Kenntnis des Glaubens, nach.größerer Verantwortung im täglichen Leben ihrer Gemeinden und für die Sendung der Kirche wahr und könnt ein neues Wachstum von Gebetsgruppen und von Bewegungen feststellen, die den Gläubigen bei der Vertiefung ihres geistlichen Lebens behilflich sind und ihr christliohes Zeugnis wirksamer werden lassen. Gruppen wie die Gesellschaft des hl. Vinzenz von Paul, die Legion Mariens, die charismatische Gemeindeemeuerung und andere sind ebenso wie die Basisgemeinden - vorausgesetzt sie stehen in echter Verbundenheit mit der Kirche - eine Kraftquelle für die Gegenwart und eine große Hoffnung für die Zukunft. Eine der stärksten Herausforderungen stellt gegenwärtig in euren christlichen Gemeinschaften die Frage dar, wie man Männern und Frauen im Laienstand die Bildung und Ausbildung gewährleisten kann, deren sie bedürfen, um wirksamer an den Aufgaben der Evangelisierung und der Inkulturation des Evangeliums teilnehmen zu können. Neben ihrem hochherzigen, einsatzfreudigen christlichen Leben bedürfen sie einer „umfassenden Erziehung und Ausbildung“ (Christifideles laici, Nr. 60) im Glauben und in der Soziallehre der Kirche, um zu vermeiden, daß das Evangelium vom täglichen Leben getrennt wird. Diese „Lebenssynthese“ zwischen dem Evangelium und dem Leben sollte im überzeugenden Beispiel, das die Laien in allen Bereichen ihres Wirkens geben, klar in Erscheinung treten, wo „nicht die Angst, sondern die Suche nach Christus und der Anschluß an ihn entscheidend sind für das Leben und Wachsen des Menschen sowie für das Entstehen neuer Lebensmodelle, die seiner Würde entsprechen“ (ebd., Nr. 34). 4. Die Priester sind bei der Erfüllung eurer Aufgaben eure engsten Mitarbeiter, und ihre täglichen Mühen spiegeln die leidenschaftliche Liebe des Guten Hirten zu seiner Herde wider. In umfassenden und intensiven pastoralen Aktivitäten engagiert, bedürfen die Mitglieder des Presbyteriums eurer Ermutigung und Führung, um das Gleichgewicht zwischen Spiritualität und Handeln, zwischen ihrem eigentlich priesterlichen Amt, das dem Aufbau des Reiches Gottes gilt, und den zahlreichen anderen Aspekten des Dienstes an ihren Brüdöm und Schwestern bewahren zu können. Alles was ihr tut, um ein herzliches, persönliches Verhältnis zu euren Priestern und ebenso deren Harmonie und gegenseitige hilfsbereite Beziehungen zu fördern, wird zweifellos euren Diözesen zum Vorteil gereichen, nicht nur, weil es sich auf das Umfeld ihrer Arbeit positiv auswirkt, sondern in erster Linie, weil die Priesterschaft ein Widerschein der tiefen sakramentalen Bruderschaft (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 8) sein sollte, die alle jene verbindet, welche die Priesterweihe empfangen haben. Tatsächlich ist das große Zeichen der Treue zu Christus die Verwirklichung einer konkreten und allumfassenden 1339 AD-LIMINA-BESUCHE Liebe, die keine Diskriminierung kennt. Nach dem Beispiel Jesu soll diese Liebe in erster Linie den Unscheinbarsten unter unseren Brüdern und Schwestern, den Armen und Hilflosen gelten. Ich bitte euch, eure Priester von mir zu grüßen und sie meiner Gebete zu versichern, damit der Heilige Geist ihre Herzen mit solch evangelischer Liebe erfülle. 5. Seit dem II. Vatikanischen Konzil wird die kirchliche Natur des Ordenslebens neu betont; ebenso die Stärkung der Bande zwischen den Bischöfen und den Ordensgemeinschaften und ihren in den verschiedenen Diözesen lebenden Mitgliedern. Jeder von euch muß dankbar sein für das Leben und Wirken der Ordensmänner und Ordensfrauen, die in euren Ortskirchen ein „Zeichen“ für die Heiligkeit Gottes und ein „prophetisches Zeugnis“ sind, das zur Bekehrung aufruft und die Werte des Reiches Gottes vor Augen führt (vgl. Lumen Gentium, Nr. 44). Die steigende Zahl der Berufenen, insbesondere bei den Frauenorden und ihre sorgfältige Ausbildung ermutigen und festigen nicht nur die katholische Gemeinschaft, sondern machen die Präsenz der Kirche auch im weiteren Umkreis spürbar durch die soziale und erzieherische Arbeit, den Gesundheitsdienst und wo immer die Schwestern tätig sind. Das alles trägt bei zu einer immer klareren Offenbarung Christi (vgl. Lumen Gentium, Nr. 46). Das Gebet und die Buße, die Einsamkeit und das Schweigen der kontemplativen Ordensleute strahlen eine spezielle, „geheimnisvolle apostolische Fruchtbarkeit“ (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 7) aus, die für das Wachstum des Volkes Gottes eine wichtige Rolle spielt. Euch obliegt die pastorale Pflicht, die Ordensleute in ihrem dauernden Streben nach tieferer Gleichgestaltung mit dem Tod und der Auferstehung Christi zur Ehre des Vaters zu unterstützen. Ihr seid dazu berufen, mit Verständnis für die Natur des Ordenslebens und Achtung für das jedem Ordensinstitut eigene Charisma das Wachstum dieser Gemeinschaften zu fördern und als Verantwortliche für das Wohl eurer Diözesen ihr pastorales Wirken durch den Dialog und gegenseitige Vereinbarungen zu koordinieren. 6. Liebe bischöfliche Mitbrüder, ich kenne die besonderen und nicht einfachen Umstände, unter denen ihr euer Amt erfüllt, und ich teile eure Sorgen hinsichtlich der Probleme, welche die volle Freiheit der Kirche in der Ausübung ihrer religiösen Sendung betreffen. In Malaysia ist die zunehmende Islamisierung des gesellschaftlichen und staatsbürgerlichen Lebens euch und anderen nicht-muslimischen Gemeinden manchmal als Angriff auf das Grundrecht von einzelnen und Gruppen erschienen, ihren Glauben ungehindert zu praktizieren. Das bereitet euch selbstverständlich große Sorgen. Mit Befriedigung konnte ich feststellen, daß kürzlich bei einer Begegnung des Ministerpräsidenten mit führenden Nicht-Muslimen diesbezüglich Garantien gegeben wurden, und ich hoffe daher auf eine harmonische Zusammenarbeit zur praktischen Verwirklichung. Auch weiß ich um die Besorgnis von Erzbischof Yong, die er hinsichtlich der geplanten „Aulrechterhaltung des Kodex der religiösen Harmonie“ treffend zum Ausdruck brachte. Ich vertraue darauf, daß die freundschaftlichen Beratungen in dieser Angelegenheit allen zum Vorteil gereichen werden. Die Erfahrung lehrt, daß die ehrliche Gegenüberstellung der Ideen und Überzeugungen der Bürger eine unerläßliche Bedingung für die Aufrechterhaltung der Harmonie innerhalb der Gesellschaft und für die Entwicklung der Zivilisation ist. Religiöse Überzeugungen können auch nicht von sittlichen Urteilen getrennt werden. Sittlichkeit aber 1340 AD-LIMINA-BESUCHE betrifft nicht nur private und persönliche Angelegenheiten, sondern vielmehr alles, was die Struktur und den Ablauf des öffentlichen Lebens in der Gesellschaft ausmacht. Das Recht der einzelnen und der Gemeinden auf gesellschaftliche und bürgerliche Freiheit im religiösen Bereich ist eine der Säulen, die das Gebäude der Menschenrechte tragen. Glücklicherweise läßt sich in aller Welt ein zunehmendes Wissen um die Bedeutung der Grundrechte für den Aufbau gerechter und stabiler Gesellschaftsordnungen feststellen, die imstande sind, die Sehnsucht der Völker nach einem Leben in Würde und Freiheit zum Ausdruck zu bringen. Darüber hinaus können Bürger, die gegnerische unberechtigte Reaktionen fürchten müssen, wenn sie ihren Überzeugungen Ausdruck geben, nicht voll und ganz am Aufbau der Gesellschaft mitarbeiten, in der sie leben. Das II. Vatikanische Konzil formulierte die Grundsätze, welche die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Autoritäten und der Kirche lenken müssen: „Bürgerliche Gesellschaft und Kirche sind auf ihren jeweiligen Gebieten voneinander unabhängig und selbständig. Beide aber dienen, freilich auf Gmnd verschiedener Sendung, der einen und gleichen persönlichen und sozialen Berufung der Menschen. Diesen Dienst können beide zum Wohle aller umso wirksamer leisten, je mehr und besser sie ein rechtes Zusammenwirken miteinander pflegen ... Der Mensch ist ja nicht auf das Zeitliche beschränkt. Zwar lebt er in der menschlichen Geschichte, aber er bewahrt dabei unversehrt seine ewige Bestimmung“ (vgl. Gaudium etspes, Nr. 76). Das sind einige der Gedanken, die euer Besuch in mir wachruft. Sie sollen in erster Linie meine Sorge um alle Kirchen und meinen Wunsch zum Ausdruck bringen, euch bei der Erfüllung eurer heiklen Pflicht als Hirten der Herde des Herrn zu ermutigen. Ich vertraue euch und eure Diözesen der Fürbitte Marias, der Mutter der Kirche, an. Möge ihr Schutz euch bei den Schritten leiten, die ihr zur Verkündigung des Wortes der Wahrheit und zur Sammlung des ganzen Volkes im Glauben und in der Heiligkeit des Lebens unternehmt. Möge der Herr Jesus Christus euch helfen, treue Verwalter der Geheimnisse Gottes (vgl. 1 Kor 4,1) zu sein, wie mutige Zeugen für das Evangelium der Gnade (vgl. Röm 15,16) und für die glorreiche Macht Gottes, die Menschen zur Gerechtigkeit zu führen (vgl. 2 Kor 3,8-9). Der Friede Gottes sei allzeit mit euch! Katechese und Priesterausbildung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der philippinischen Bischöfe am 24. April Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. In der Freude Christi, des Auferstandenen, heiße ich euch, Mitglieder der Bischofskonferenz der Philippinen, zu eurem Ad-limina-Besuch willkommen; ich freue mich darauf, später im Jahr weiteren Gruppen von Bischöfen aus eurem geliebten Land zu begegnen. Ihr seid in die Stadt gekommen, welche die Gräber der Apostel Petrus und Paulus als Siegeszeichen bewahrt, zum Bischofssitz Rom, der in Liebe über alle anderen Kirchen den Vorsitz hat, und wollt von der Gemeinschaft Kunde geben, die uns als Nachfolger der Apostel vereint. Diese Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri ist die Garantie dafür, daß ihr Glieder der „einen, 1341 AD-LIMINA-BESUCHE heiligen, katholischen und apostolischen Kirche“ seid. Sie begründet und stärkt euer Besorgtsein um das Wohl der universalen Kirche zu all ihren Gliedern, besonders den Armen und jenen, die der Gerechtigkeit willen Entbehrung und Verfolgung erleiden (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23). Die ganze Kirche erstrahlt im Licht des Ostergeheimnisses, das wir gerade gefeiert haben. Im auferstandenen Herrn erkennen wir den „obersten Hirten“, der uns gesandt hat, die Herde Gottes zu hüten, die uns anvertraut ist (vgl. 1 Petr 5,2-4). Die Gewißheit des endgültigen Sieges Christi über Sünde und Tod erfüllt uns mit Freude und Hoffnung in der Ausübung unseres bischöflichen Amtes. Heute vertrauen wir ihm eure Priester an, die Ordensmänner und Ordensffauen, die bei eurem Apostolat mitarbeiten, die Menschen in jeder eurer Ortskirchen, denen ihr im Namen des Herrn dient. Ich bitte euch, wenn ihr nach Hause kommt, dann versichert sie alle meiner tiefsten Zuneigung im Herrn und meines Gebetes für ihren geistlichen und zeitlichen Fortschritt. 2. Meine Brüder, ihr seid berufen, die Kirche Gottes in den Philippinen als Hirten zu leiten, in einer Zeit, da ganz besondere Anforderungen an den Glauben und die Treue gestellt werden. In euren Pastoralbriefen der letzten Jahre habt ihr selbst einige der brennenden Themen genannt und dargelegt, die sich der Gesellschaft und der Kirche in eurem Land bieten. Bei vielen Gelegenheiten habt ihr euch gegen das hohe Maß an Gewalt ausgesprochen, welches das Leben so vieler unschuldiger Opfer fordert (vgl. Pastoralbrief der Philippinischen Bischöfe „Solidarität für den Frieden“, 12. 7. 1988). Ihr habt eure tiefe Besorgnis über die massive Armut und Ungleichheit ausgedrückt, von der das Leben der Mehrheit eures Volkes betroffen ist (vgl. „Dürsten nach Gerechtigkeit“, 14. 7. 1987). Ihr habt die Aufmerksamkeit auf die moralischen Mißstände gelenkt, die „im öffentlichen Leben [eurer] Nation schon ganz gebräuchlich“ geworden sind (vgl. Du sollst nicht stehlen, 11. 1. 1989). Gleichzeitig habt ihr es nicht unterlassen, Zuversicht auszudrücken hinsichtlich der Fähigkeit des philippinischen Volkes, diesen Herausforderangen zu begegnen, indem es vor allem auf das geistliche Vermögen seines christlichen Erbes zurückgreift. Ihr habt zu einer neuen sozialen Solidarität aufgerafen. Und ihr versteht diese Solidarität in derselben Weise, wie ich sie in der Enzyklika Sollicitudo rei socialis beschrieben habe: „Die Solidarität hilft uns, den ,anderen’ - Person, Volk oder Nation - nicht als irgendein Mittel zu sehen, dessen Arbeitsfähigkeit und Körperkraft man zu niedrigen Kosten ausbeutet und den man, wenn er nicht mehr dient, zurückläßt, sondern als ein uns .gleiches’ Wesen, eine ,Hilfe’ für uns (vgl. Gen 2,18.20), als einen Mitmenschen also, der genauso wie wir am Festmahl des Lebens teilnehmen soll, zu dem alle Menschen von Gott in gleicher Weise eingeladen sind. Hieraus folgt, wie wichtig es ist, das religiöse Gewissen der Menschen und Völker zu wecken“ (Nr. 39). „Die Umwandlung der philippinischen Gesellschaft geht - wie einer von euch gesagt hat - über das Vermögen politischer und wirtschaftlicher Vorschriften hinaus. Sie kann jedoch erreicht werden durch den Beitrag von Menschen, die von einer aus dem Geist geborenen Sicht und Kraft beseelt sind“ (Erzbischof Leonardo Legaspi, Präsident der Bischofskonferenz, bei deren:16. Vollversammlung, 29. 1. 1990). 3. Mit allem Nachdruck ermutige ich euch, die Hirten der Herde Christi, auf dieser Sicht zu bestehen. Was ist euer besonderer Beitrag für die Bedürfnisse eures Volkes? Was für „geist- 1342 AD-LIMINA-BESUCHE liehe Gaben“ (Rom 1,11) sind euch gegeben worden zum Wohl eurer Brüder und Schwestern? Keine anderen als das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus, das die „Kraft Gottes“ ist, „die jeden rettet“ (ebd. 1,16). So ist inmitten des heiligen Volkes Gottes der Bischof in herausragender Weise berufen, sein Leben auf Christus, die Quelle dieser Rettung, auszurichten: die Freundschaft Christi im Gebet zu suchen, die heiligen Geheimnisse in einer für sich und sein Volk geistlich fruchtbaren Weise zu feiern, so zu handeln, daß sein persönliches Beispiel die Brüder und Schwestern zu immer tieferem christlichen Glauben, Hoffen und Lieben führt. Die wesentliche Größe eures Amtes liegt daher in der Tatsache, daß ihr nicht eine menschliche Lehre, wie klug sie auch immer sein mag, bietet, sondern die lebendige Wirklichkeit des fleischgewordenen Wortes, so daß durch den Glauben alle das Leben haben in seinem Namen (vgl. Joh 20,31). Dieses Leben sollte dann bei den Gliedern der Kirche in ihrem persönlichen und kollektiven Verhalten zum Vorschein kommen. Wegen ihrer besonderen Empfindsamkeit für geistliche Werte erwarten die Filipinos von ihren Bischöfen, Priestern und Ordensleuten, daß sie jenen inneren Frieden und Adel widerspiegeln, der von der Nähe zu Gott kommt. Aus eurer eigenen Erfahrung wißt ihr, daß der priesterliche und bischöfliche Dienst genährt wird durch persönliche Umkehr (Metanoia) und unermüdliches Streben nach Heiligkeit des Lebens. 4. Um die große Notwendigkeit der Vermittlung der Grundelemente des Glaubens an die gegenwärtige Generation der Filipinos zu unterstreichen, habt ihr 1990 zum „Nationalen Katechetischen Jahr“ erklärt, mit dem Ziel, in euren katholischen Gemeinschaften für eine wirksamere, umfassendere und ständige Katechese zu sorgen. Es ist in dieser Hinsicht passend, die Worte der außerordentlichen Bischofssynode von 1985 zu wiederholen: „Auf der ganzen Erde ist heute die Weitergabe des Glaubens und der aus dem Evangelium fließenden moralischen Werte an die kommende Generation in Gefahr“ (Schlußdokument, B.2., in: O.R., dt., vom 3. 1. 1986). Ihr habt euch veranlaßt gefühlt, eure Teilkirchen zu dieser spezifischen Anstrengung auf dem Gebiet der Katechese aufzurufen, da den Kindern und Jugendlichen, die einen so hohen Prozentsatz der philippinischen Bevölkerung ausmachen, oft die Gelegenheit fehlt, Bildung einschließlich religiöser Unterweisung zu erhalten. Auch seid ihr euch der Notwendigkeit bewußt, euren Leuten zu helfen, ihren religiösen Glauben konkret auf die Realitäten des Lebens anzuwenden. Ein dem Thema der Katechese gewidmetes Jahr kann gut dazu dienen, die Aufmerksamkeit auf diesen wesentlichen Aspekt im Leben der Kirche zu lenken. Auf längere Sicht aber muß sich die Kirche auf den Philippinen gründlich dafür einsetzen, das Niveau religiöser Kenntnis und Kultur zu heben. Nur so kann die Botschaft des Evangeliums die philippinische Gesellschaft wirklich durchdringen und heben. Diese neue und tiefere Evangelisierung verlangt eine einsatzffeudige und erfahrene Führung. Der Bischof hat die persönliche Verantwortung, den Glauben der Kirche zu lehren. Er selbst braucht daher Zeit zum Lesen, zum Studium und zur betenden Vertiefung der Inhalte kirchlicher Lehre und Überlieferung. Viele zeitraubende Anforderungen werden bei der Erfüllung eurer Propheten-, Priester- und Hirtenrolle an euch gestellt, und ich weiß, wie großherzig ihr darauf antwortet. In dieser Hinsicht dient die Wertung, die die Apostel bezüglich ihrer Tätig- 1343 AD-LIMINA-BESUCHE keit Vornahmen - „Es ist nicht recht, daß wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen“ (Apg 6,2) -, als Leitfaden für ihre Nachfolger zu jeder Zeit. Sie erinnert daran, daß gewisse grundlegende Pflichten und weitreichende Prioritäten mit weiser Entschlossenheit verfolgt werden müssen. Administrative und soziale Verpflichtungen, so unvermeidlich sie auch sind, gilt es mit Aufgaben von grundlegender Bedeutung in Einklang zu bringen. Bischöfe müssen auch eine Subsidiarität praktizieren, die der Mitarbeit von Priestern und qualifizierten Laien in Tätigkeiten, die nicht unmittelbar mit ihrem Hirtenamt verbunden sind, weiten Platz einräumt. 5. Von besonderer Wichtigkeit für die Zukunft der Kirche in euren Diözesen und in eurem Land, ja für das Wachstum der Kirche in ganz Asien, ist die Frage der geeigneten Ausbildung eurer Priester. Zur Vorbereitung der bevorstehenden Versammlung der Bischofssynode habt ihr im Januar ein Treffen abgehalten, um darüber zu diskutieren. Einige Aspekte dieser kirchlichen Realität verdienen ein weiteres Nachdenken. Erstens die Notwendigkeit, eine korrekte und vollständige Lehre über das katholische Priestertum darzulegen. Der Gedanke geht der Tat voraus, es ist daher wesentlich, daß man vermeidet, Ausbildungsprogramme auf einer ungenauen oder partiellen Sicht des Weihesakramentes und des Priesteramtes aufzubauen. Zweitens möchte ich euch ermutigen, das intelligente und großherzige Verfahren vieler philippinischer Bischöfe fortzusetzen, nämlich: Priester ausfindig zu machen und auszubilden, die zu bereitwilligem und wirksamem Dienst in Seminaren fähig sind, welche die vorhandenen personellen und wirtschaftlichen Mittel mit Diözesen oder Regionen teilen, die selbst nicht in der Lage sind, eine qualifizierte Ausbildung bereitzustellen. Die geistliche und seelsorgliche Betreuung eurer Priester und Seminaristen bildet einen Kernpunkt eures Bischofsamtes. Als Hirten wißt ihr, daß keine Mühe an Gebet, Studium und Arbeit in diesem Teil des Weinberges des Herrn verloren ist. Besonders die neugeweihten Priester bedürfen in den ersten Jahren ihres Dienstes besonderer Aufmerksamkeit und Führung. Manchmal stehen sie allein und ohne genügende geistliche Kraft und Erfahrung vor den unvermeidlichen Schwierigkeiten. Ihr wißt gut, daß eure diskrete und väterliche Präsenz in solchen Momenten sehr wertvoll sein kann. Darüber hinaus sollten Priester, die ihre Diözesen aus unzureichenden Gründen verlassen haben, eingeladen werden, ihre Probleme zu lösen und zu ihren Pflichten zurückzukehren. Gott segnet eure Ortskirchen mit einer Zunahme an Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben. Ich ermutige euch, laßt euch nicht von anderen, anscheinend dringlicheren Bedürfnissen davon abbringen, eure besten Kräfte der geistlichen und akademischen Ausbildung dieser jungen Männer zuzuwenden. 6. Die bereits schwere Bürde eures Dienstes wird noch vergrößert durch die Anstrengungen von Sekten und fundamentalistischen religiösen Gruppen, Anhänger zu gewinnen. Wenn solche Gruppen die Gläubigen hinsichtlich der grundlegenden Glaubenswahrheiten verwirren und eine falsche Interpretation der Heiligen Schrift bieten oder populäre Elemente der katholischen Kultur aushöhlen, sollte die ganze katholische Gemeinschaft mit erneuerten Evangelisierungsbemühungen antworten. Die Glieder der Kirche sollten ihrer katholischen Identität mehr bewußt gemacht und in ihren lokalen Gemeinschaften persönlicher beteiligt werden. Das ist in keiner Weise der echten Ökumene und Zusammenarbeit abträglich, die eure Bezie- 1344 AD-LIMINA-BES UCHE hungen zu den anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften charakterisieren sollte, welche an der modernen ökumenischen Bewegung beteiligt sind, die das Konzil als vom Heiligen Geist inspiriert gesehen hat (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 1). 7. Liebe Brüder, ich habe nur einige der vielen Herausforderungen erwähnt, denen ihr Tag für Tag in eurem bischöflichen Dienst begegnet. Im Namen des Herrn danke ich euch für die großherzige Art, in der ihr bestrebt seid, eure Pflichten zu erfüllen. Ihr habt das Privileg, der Kirche in dem Land Asiens zu dienen, dessen Bevölkerung den größten Anteil an Katholiken aufweist. Der Weg der Kirche in eurem weiten Kontinent muß der Weg Christi sein, der „nicht daran fest[hielt] wie Gott zu sein, sondern ... sich entäußerte und ... wie ein Sklave [wurde]“ (vgl. Phil 2,6). Ihr arbeitet daher nicht für irdischen Ruhm, sondern um Demut und Selbsthingabe zu verkündigen, auch durch euer eigenes Beispiel (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8). In all dem habt ihr und euer gläubiges Volk einen mächtigen Ansporn und ein Vorbild in der seligsten lungfrau Maria, der ihr so treu ergeben seid. Möge sie Fürsprache halten für euch und für die Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen, damit das Wort Gottes immer tiefer in aller Herz und Geist Wurzel fasse, und damit den Bedürftigen tätige Liebe und Solidarität erwiesen werde, besonders den Kindern, den Alten und Kranken. Ich segne euch von Herzen. Wahre Zeugen des Evangeliums sein Ansprache an eine Gruppe philippinischer Bischöfe beim Ad-limina-Besuch am 18. September Eure Eminenz, liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich freue mich, daß euer Besuch in Rom uns Gelegenheit gibt, uns im Geist der kirchlichen Einheit und Liebe zu treffen, der stets eine Eigenschaft jener sein soll, die dazu aufgerufen sind, der Kirche Gottes vorzustehen und dabei die Stelle der Apostel einzunehmen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 20). Eure Anwesenheit als Bischöfe der Kirche in den Philippinen ist ein Zeichen des apostolischen Glaubens, der in den Herzen jenes Teiles des geliebten Gottesvolks lebt, der eurem Amt anvertraut wurde. In euch grüße ich die Priester, Ordensleute und Laien eurer Diözesen und empfehle sie der Fürsprache der heiligen Jungfrau Maria, deren Schutz die Bevölkerung der Philippinen sowohl unter dramatischen als auch gewöhnlichen Umständen ihrer irdischen Pilgerschaft stets angerufen hat. Bei dieser Gelegenheit möchte ich euch auf die Worte verweisen, die ich zu einer früheren Gruppe von Bischöfen aus eurem Land anläßlich ihres Ad-limina-Besuches im April dieses Jahres gesagt habe. Ich wollte darauf hinweisen, daß unter den besonderen Umständen, in denen sich die philippinische Gesellschaft befindet, da sie vielen ernsthaften wirtschaftlichen, politischen und sozialen Problemen gegenübersteht, ihr, die Bischöfe, die besondere Aufgabe habt, auf die moralische und religiöse Dimension der Fragen achtzugeben, die das Wohl 1345 AD-UMINA-BESUCHE eures Volkes betreffen. Eure Aufgabe ist es, das Wort Gottes in all seiner Reinheit und Kraft zu predigen. Ihr seid Zeugen Jesu Christi und der Wahrheiten und Werte seines Reiches. Ihr habt daher eine in hohem Maße geistige und moralische Leitung zu erfüllen, die vor allem darauf abzielt, das Bewußtsein eurer Mitbürger zur Verantwortung vor Gott und vor ihren Brüdern und Schwestern zu erziehen und herauszufordem. Ohne Umkehr des Gewissens zu den Geboten Gottes und den Wahrheiten der Seligpreisungen kann es keinen Fortschritt in der Gerechtigkeit, dem Frieden und der menschlichen Entwicklung geben. Und insbesondere kann es keine christliche Heiligkeit des Lebens und des selbstlosen Dienstes an den anderen geben. 2. Ein erleuchtetes und dem Glauben verpflichtetes Leben der philippinischen Laien ist um so dringlicher, je mehr die Maßstäbe und Werte, die für das christliche Leben wesentlich sind, vom praktischen Materialismus, der die Gesellschaft berührt, untergraben werden. Die Familie leidet ganz besonders unter dem Angriff einer „neuen“ Kultur, die die Sprache des Fortschritts, der Befreiung und der Modernität spricht, die jedoch die Saat eines sozialen, moralischen und religiösen Subjektivismus in sich trägt, der viele - insbesondere die Jugend - des edlen Ideals und des Sinnes für Verantwortung beraubt, der nötig ist, um das Verhalten in bezug auf das Gute und die Wahrheit zu steuern. Gewisse Trends, die auch einige Sektoren der philippinischen Gesellschaft durchdringen, stehen in Kontrast zu den großen Werten der traditionellen philippinischen Kultur. Eine pastorale Mission geht daher ins Herz der philippinischen Gesellschaft und versucht, ihren Zusammenhalt durch die lebenspendende Wahrheit des Evangeliums zu stärken und zu immer größeren Höhen des Edelmuts und der Menschlichkeit zu führen, durch euren beständigen Aufruf zur moralischen Verantwortung und zur wirksamen Solidarität mit allen, vor allem den Armen und Notleidenden. Den katholischen Laien, insbesondere den Eltern, Erziehern und jenen, die im öffentlichen Leben und in den Kommunikationsmitteln tätig sind, muß geholfen und sie müssen in ihren Bemühungen ermuntert werden, die Sozial- und Morallehre der Kirche ins Spiel zu bringen, um den Herausforderungen der gegenwärtigen philippinischen Geschichte entgegenzutreten. Die Kirche in eurem Land ist damit beauftragt, der Gesellschaft eine überaus zwingende Botschaft der Versöhnung und der vollkommenen Entwicklung zu bringen, sowie den geistigen und anderen Bedürfnissen der Völker, zu denen sie ausgesandt ist, wirksam zu dienen. Die Kirche wurde in der Tat gesandt. Dies ist ihre Natur. Sie ist nicht eine der Strukturen menschlichen Interesses oder politischer Organisation, sondern das wahre Geheimnis der Liebe des Vaters, die in Jesus Christus Fleisch geworden und durch das Werk des Heiligen Geistes stets gegenwärtig ist. Ihr seid die Verwalter und die Gesandten dieses Geheimnisses (vgl. 1 Kor 4,1; 2 Kor 5,20). 3. Die Kirche wurde gesandt, allen Nationen der Erde die Frohbotschaft der Erlösung zu verkünden (vgl. Mt 28,19). In meiner kürzlich verfaßten Botschaft an die Fünfte Vollversammlung der Asiatischen Bischofskonferenzen erinnerte ich daran: „Am Vorabend des dritten christlichen Jahrtausends ist ein immer stärkerer Einsatz für die Evangelisierung Gebot für alle Ortskirchen Asiens ... Heute möchten Laien in immer größerer Zahl an dieser Sendung Anteil nehmen und tun es in wachsender Verantwortung ... In Übereinstimmung mit ihrem 1346 AD-UMINA-BESUCHE besonderen Dienst sollten Priester vor allem aktiv sein in der christlichen Formation der Laien, deren unersetzliche Berufung in der Heiligung der Welt in all ihren zeitlichen Wirklichkeiten besteht“ (Nm. 4 und 5, O.R. dt., 10. 8. 1990). In diesem großen Vorhaben, in dem die Kirche ihren göttlichen Herrn nicht enttäuschen darf, nehmen die Bischöfe eine einzigartige Rolle und höchste Verantwortung ein. Euch und euren Priestern gilt der im oben erwähnten Schreiben zum Ausdruck gebrachte Rat: „So können die Priester, wenn sie von vielen zusätzlich erforderlichen Verwaltungsarbeiten frei werden, Beispiele für eine tiefe Spiritualität und Zeugen für transzendente Werte werden, die in Gebet und Kontemplation zum Ausdruck kommen, und sie können der Gegenwart Gottes im Leben derer, denen sie dienen, eine beständige Aufmerksamkeit widmen“ (ebd., Nr. 5). 4. Im Stundengebet des vierundzwanzigsten Sonntags lesen wir einen Teil der Gedanken des heiligen Augustinus über seine eigene Stellung als Glied der Kirche, das berufen ist, anderen Mitgliedern der Kirche vorzustehen: „Ich bin nicht nur ein Christ und muß deshalb Rechenschaft über mein Leben geben, sondern ich bin auch zur Führung berufen und muß deshalb vor Gott über diesen Dienst Rechenschaft ablegen“ (Seim., 46,2). Als Bischöfe leisten wir einen Dienst der Liebe, der aus unzähligen Handlungen selbstloser Hingabe an andere besteht, und für die wir fortdauernd aufgerufen sind, vor unserem Gewissen und vor dem Herrn des Himmels und der Erde Rechenschaft abzulegen. Es ist ein Amt der Sorge um alle christlichen Brüder und Schwestern, oder besser noch, um die ganze Welt, vor der wir als wahre Zeugen für das Evangelium des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus stehen müssen. Unsere Hoffnung und unser Vertrauen liegt nicht in uns selbst, sondern in ihm, der uns zu dieser Aufgabe beruft. Er gibt das Wachstum (vgl. 1 Kor 3,7). Liebe Brüder, mit Liebe im Herrn möchte ich euch ermuntern, treue, weise und wachsame Hirten zu sein. Seid meines Gedenkens an euch und euer Volk vor Gott gesichert, so wie ich auch mein Amt euren Gebeten anvertraue. Möge euch euer gegenwärtiger Rombesuch zusätzlichen Antrieb und Unterstützung in den großen Verantwortlichkeiten geben, die ihr in dem Lande Asiens innehabt, in welchem die Mehrheit des Volkes Söhne und Töchter der Kirche sind. Dies ist eure besondere Gnade und auch eure besondere Herausforderung. Ich vertraue darauf, daß Initiativen, wie das Nationale Katechetische Jahr, das ihr zur Zeit begeht, und die bevorstehende Vollversammlung der Kirche in den Philippinen, eine besondere Gnade für alle Gläubigen darstellen werden, daß sie zu einem tieferen Verständnis für das Gliedsein im Leib Christi und zu einer lebendigeren Entschlossenheit geführt werden, aktiv an der Mission der Kirche teilzunehmen. Möge Gottes reicher Segen mit euch allen sein. 1347 AD -LIMINA -BES UCHE Wert und Möglichkeiten der Familie fördern Ansprache an die philippinischen Bischöfe bei ihrem Ad-limina-Besuch am 19. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Zum dritten Mal in diesem Jahr habe ich die Freude, eine Gruppe von Bischöfen der Philippinen bei ihrem Ad-limina-Besuch zu begrüßen. Eure Anwesenheit macht mir den warmherzigen und freundlichen Charakter eures Volkes und sein frohes Leben des Glaubens präsent, durch den es in Jesus Christus wiedergeboren wurde, um zu einem „auserwählten Geschlecht, einer königlichen Priesterschaft, einem heiligen Stamm und einem Volk zu werden, das sein besonderes Eigentum ist“ (vgl. 1 Petri,9). In der Gemeinschaft, die uns im apostolischen Dienst verbindet, dürfen wir niemals aufhören, Gott zu danken für seine Pläne voll liebevoller Barmherzigkeit, die in der Heiligkeit und im hochherzigen Dienst so vieler eurer Priester, Ordensleute und Laien sichtbar werden. „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben“ (1 Petr 1,3). 2. Bei meinen Begegnungen mit den anderen Gruppen der philippinischen Bischöfe bin ich auf eure pastorale Führungsaufgabe zu sprechen gekommen, durch die ihr eurem Volk helft, die Lehren der Kirche tiefer kennenzulemen, so daß die Botschaft des Evangeliums immer mehr in die Gesellschaft der Philippinen eindringen und sie höherführen kann. Diese Aufgabe ist besonders auf dem Gebiet der Ausbildung der Priester dringend; aber ein nicht minder wichtiges Anliegen ist die geistliche und lehrmäßige Vorbereitung geeigneter führender Laien, denen besonders aufgetragen ist, die Wahrheiten und Werte des Evangeliums auf die Realitäten des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens anzuwenden. Zur Evangelisierung der Kultur eines Volkes gehört auch der äußere und volkstümliche Ausdruck der Frömmigkeit in religiös motivierten Gebräuchen; doch sie muß tiefer, bis in das Zentrum des menschlichen Verhaltens hinein gehen, die menschlichen Probleme im Lichte Christi klären und eine innere persönliche Erneuerung in eben jenem „neuen Leben“ erreichen, dessen Quelle der Geist Gottes selbst ist. Dieses neue Leben aber ist Leben im Leibe Christi, der die Kirche ist. Er umfaßt jeden einzelnen, der in der Taufe zum Leben der Gnade wiedergeboren wurde. Es geht aber keineswegs um eine rein private Sache. Die kirchliche und katholische Natur des christlichen Lebens muß den Gläubigen deutlich klargemacht werden, zumal angesichts der streitbaren Taktik, wie sie Organisationen und Sekten einsetzen, mit denen es im allgemeinen nur wenig oder gar keine Möglichkeit zum Dialog gibt und die oft für die ökumenischen Bemühungen ein ernsthaftes Hindernis darstellen. Als Bischöfe versteht ihr, daß die eigentliche Antwort auf die Proselytenmacherei dieser Gruppen in der echten Erneuerung eurer eigenen Gemeinden besteht, so daß sie brüderlicher werden und sich mehr um die wirkliche Situation ihrer Mitglieder kümmern, daß sie lebendiger werden in ihrer Liebe und im Verhältnis zueinander, noch mehr aus sich herausgehen und den Glauben, den sie bekennen, bezeugen (vgl. Sekten oder neue religiöse Bewegungen: Pastorale Aufgabe, Nr. 3.1). 1348 AD -LIMINA-BES UCHE Das „Nationale katechetische Jahr“, das nun zu Ende geht, beweist, wie ernst ihr euch die Aufgabe der Förderung eines reicheren und besser organisierten Programms der Unterweisung in der christlichen Lehre zu Herzen genommen habt. Ich ermuntere euch, das Anliegen dieses Jahres auf anderen Wegen weiterzuführen und dabei den Einsatz sämtlicher verfügbarer Mittel zu planen, um die christliche Bildung eures Volkes zu vertiefen. 3. Ein weiteres Thema meiner Gespräche mit den voraufgehenden Gruppen eurer Brüder im Bischofsamt waren die großen Bedrohungen für die überlieferten Werte der philippinischen Gesellschaft, worüber ihr selbst häufig Erklärungen und Hirtenbriefe erlassen habt. Dieser Wertverlust hat sich in einem Anwachsen von persönlicher Beunruhigung und sozialen Aufständen gezeigt, die ihrerseits oft auf ernsthafte Schwierigkeiten innerhalb der Familien zurückzuführen sind. Euer Besuch bietet mir die Möglichkeit, eure tiefe pastorale Sorge um den Zustand der Familie mit euch zu teilen und euch in eurem Wunsch zu bekräftigen, sie als die erste und lebenswichtige Zelle einer gerechten und harmonischen Gesellschaft zu stärken und zu verteidigen. Eine eingehende Betrachtung über die wahre Würde der ehelichen Liebe und des Familienlebens läßt etwas von dem unaussprechlichen Geheimnis erkennen, wie Gottes Gnade im Leben eines Volkes verwurzelt und ihre Kraft sichtbar macht. Im Apostolischen Schreiben Familiaris consoitio bin ich darauf zu sprechen gekommen und schrieb: „Das im Mittelpunkt der Offenbarung stehende Wort ,Gott liebt sein Volk’ [wird] auch in den persönlichen Worten ausgesprochen, mit denen Mann und Frau einander ihre eheliche Liebe konkret kundtun. Ihr Liebesband wird zum Abbild und Symbol des Bundes, der Gott und sein Volk verbindet. Selbst die Sünde, die den ehelichen Bund verletzen kann, wird zum Abbild der Untreue des Volkes gegen seinen Gott..." (Nr. 12). So steht fest: Je treuer die sakramentale Gnade der Ehe bewahrt wird und Frucht bringen kann, desto mehr werden Ehepaare und Familien und dann auch die Gesellschaft Gottes liebende Gegenwart in ihrer Mitte widerspiegeln. Die Gesellschaft der Philippinen ist von Gott wirklich mit einem schönen Familiensinn gesegnet worden. Unzählige Wohltaten sind aus der Wärme der menschlichen Beziehungen erflossen, Güte und wirksame Solidarität mit anderen, wie sie von der Überlieferung eines festen Familienlebens herkommen. Heute ist die Kirche aufgerufen, dieses kostbare Erbe zu verteidigen, zumal wegen der schwierigen Verhältnisse so mancher Familien in eurem Land. Eure pastorale Antwort auf die heutigen Schwierigkeiten wird aus der dem Evangelium entspringenden Liebe kommen, die die Seele eures Dienstes ist. Die Familie lieben bedeutet, ihre Werte und Möglichkeiten schätzen und fördern. Es bedeutet, die Gefahren und Übel, die sie bedrohen, beim Namen nennen, um damit fertig zu werden. Es bedeutet das Bemühen, für die Familie eine für ihre Entfaltung günstige Umgebung schaffen. Es ist eine hervorragende Form der Liebe, der christlichen Familie Grand zum Selbstvertrauen zurückzugeben und Grand zum Vertrauen auf die Reichtümer, die sie aus Natur und aus Gnade besitzt, Vertrauen auch zu der Aufgabe, die Gott ihr anvertraut hat (vgl. Familiaris consortio, Nr. 86). Weil das Wohlergehen der bürgerlichen Gesellschaft von der Lebenskraft ihrer Familien abhängt, wollen wir hoffen, daß an der Seite der Kirche eine große Koalition von Institutionen, Regierung, Schulen und Kommunikationsmedien eingeschlossen, das Familienleben unterstützen und daß sie „ihr möglichstes tun [werden], um den Familien all jene Hilfen auf 1349 AD-UMINA-BESUCHE wirtschaftlichem, sozialem, erzieherischem, politischem und religiösem Gebiet zu sichern, die sie brauchen, um in menschenwürdiger Weise ihrer vollen Verantwortung nachkommen zu können“ (Familiaris consortio, Nr. 45). 4. Ihr habt kürzlich einen Hirtenbrief über verantwortliche Elternschaft veröffentlicht. Erstes und vorrangiges Anliegen der Kirche hinsichtlich der Beschleunigung oder des Rückgangs des Bevölkerungswachstums ist, daß Gottes Wille für die Person und die Familie voll geachtet und daher alles getan wird, innerhalb der Nonnen der Gewissensfreiheit die verantwortliche Entscheidung der Ehepaare sowie die Prinzipien der Sexual- und Familienmoral zu wahren. Ihr seid euch der schweren Pflicht bewußt, diese Prinzipien zu verteidigen und hinsichtlich der Regelung des Bevölkerungswachstums das Moralgesetz zu verkünden und zu vertreten. Auf pastoraler Ebene ist es wichtig, daß eure Unterweisung auf diesem heiklen Gebiet euren Priestern klar und entsprechend zur Kenntnis gebracht wird, so daß sie ihrerseits Ehepaare über ihre Rechte und Pflichten aufklären können. Katholiken sollten nicht zögern, öffentlich die Lehre der Kirche über die erstrangige Rolle verheirateter Paare und Eltern bei der Entscheidung über das hochherzige la zu Kindern zu verteidigen. Dadurch halten sie die grundlegenden Werte der Freiheit und Verantwortung für die ganze Gesellschaft aufrecht. Im Herzen der Lehre der Kirche über Ehe und Weitergabe des Lebens und im Herzen ihrer Antwort auf das Bevölkerungsproblem steht ihr unermeßliches Vertrauen auf die Fähigkeit verheirateter Paare selbst, zu einer Liebe zu gelangen, die völlig reif und gelehrig ist für den Plan, den Gott wirklich mit ihnen hat. Während meines Besuches in Burundi im vergangenen September habe ich erneut die vorrangige Verantwortung der Eltern bei der Entscheidung über ihre Familie betont: „Es liegt bei ihnen, als verantwortliche und hochherzige Eltern zu leben und offen für die Kinder zu sein, die sie sich wünschen, und die sie meinen, großziehen zu können. Dies setzt eine große Achtung der Eheleute für einander voraus, Selbstbeherrschung in ihrem intimen Leben und eine Liebe, die ständige Achtung wahrt vor der Frau in ihrer Fähigkeit, Mutter zu werden“ (Predigt in Gitega, 6. September 1990, Nr. 6). Die Kirche hat über Ehe und Familie eine Frohbotschaft zu verkünden, eine Lehre der Hoffnung und wahren Liebe, wie die Welt sie dringend braucht. 5. Ihr seid euch wohl bewußt, daß der Bischof als Vater und Hirte der Hauptverantwortliche für die pastorale Betreuung der Familie ist. Dieser Aufgabe muß er Zeit schenken, aber er muß dafür auch Personal und Mittel einsetzen und vor allem seine eigene Unterstützung und Ermunterung all jenen zusichem, die ihm beim Familienapostolat helfen (vgl. Familiaris consortio, Nr. 73). Dabei werdet ihr sorgfältig vermeiden, die grundlegende Wichtigkeit der geistlichen Aspekte dieses pastoralen Bemühens zu übersehen. Ihr werdet es euch zur Pflicht machen, das Gebet und den häufigen Sakramentenempfang der Familie zu fördern als sichere Mittel zur Erhaltung und Festigung des christlichen Familienlebens. Unter den Frömmigkeitsformen, die die Kirche gelegentlich besonders empfohlen hat, erinnere ich gern an das, was Papst Paul VI. zum Familienrosenkranz geschrieben hat: „Wir stellen uns gerne vor und wünschen lebhaft, daß, wenn die Familie zum Gebet beisammen ist, häufig und mit Vorliebe der Rosenkranz Verwendung finde“ (Marialis cultus, Nr. 54; Familiaris consortio, Nr. 61). In einem Land wie die Philippinen, das für seine Marienverehrung 1350 AD-LIMINA-BESUCHE bekannt ist, sagt es euch die Erfahrung, wie sehr eine solche Übung hinführt zu Christus und zu einem ausgeprägten christlichen Leben. 6. Liebe Brüder im Bischofsamt, die Verhältnisse, unter denen eure Ortskirchen leben, wachsen und sich ausbreiten müssen, sind sehr verschieden und schwierig. In vielen Fällen erreichen Armut und Gewalttätigkeit extreme Ausmaße und bedrohen ernsthaft alle Bemühungen, die Entwicklung und das Arbeiten für menschlichere'Lebensverhältnisse zu fördern. Das Gemeinwohl wird oft dem persönlichen Interesse untergeordnet. Versöhnung und Frieden scheinen weit in der Feme zu liegen. Werdet wegen des Ausmaßes und der Schwere der Aufgaben, die vor euch liegen, nicht mutlos. „Die Kirche ... glaubt: Christus, der für alle starb und auferstand, schenkt dem Menschen Licht und Kraft durch seinen Geist, damit er seiner höchsten Berufung nachkommen kann“ (Gaudium et spes, Nr. 10). Aufgrund dieses Vertrauens kann die Kirche auf den Philippinen „als Pilgerin in fremdem Land ... inmitten der Verfolgungen der Welt und der Tröstungen Gottes Kreuz und Tod des Herrn verkündigen, bis er wiederkommt ... und in Geduld und Liebe alle Trübsale und Widerwärtigkeiten überwinden, die sie von innen und außen bedrohen“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 8). Möge die allerseligste Jungfrau Maria als Mutter und Vorbild der Kirche euch bei eurem Dienst geleiten und euch den Mut geben, der „Last“, die der Herr auf eure Schultern gelegt hat, treu zu bleiben. „Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet“ (Röm 12,12). Mit meinem Apostolischen Segen. Stets die transzendente Sendung der Kirche betonen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der philippinischen Bischöfe am 30. November Eminenz, liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Unsere heutige Begegnung gibt mir Gelegenheit, die Gedanken fortzusetzen, die ich bereits anläßlich der Ad-limina-Besuche verschiedener Gmppen philippinischer Bischöfe zu Themen eures Hirtenamtes anstellen konnte. Diese Besuche verfolgen einen spezifischen Zweck: die Festigung der hierarchischen Gemeinschaft und der Verpflichtung für die Sendung der Kirche seitens der Nachfolger der Apostel. Sie sind auch Ausdruck des besonderen Bandes des Glaubens und der Liebe, das die Hirten der Ortskirchen mit dem Nachfolger Petri verbindet. Ich möchte euch versichern, daß ich mich dank eurer Anwesenheit sehr eng mit den philippinischen Gläubigen verbunden fühle. Nach unseren persönlichen Gesprächen und unserem gemeinsamen Gebet für die Kirche in eurem Land will ich „Gott euretwegen immer danken, Brüder, wie es recht ist, denn euer Glaube wächst, und die gegenseitige Liebe nimmt bei euch allen zu“ (2 Thess 1,3). 2. Die kürzlich stattgefundene Versammlung der Föderation der Asiatischen Bischofskonferenzen lenkte die Aufmerksamkeit auf die Lage in Asien, wo „Umgestaltungen das immer 1351 AD-UMINA-BESUCHE wiederholte Kennzeichen der Gesellschaft sind ... traditionelle Werte und Haltungen in Frage gestellt werden“ (vgl. Abschlußerklärung, 2.1). Insbesondere ist der Kontext, in dem ihr zur Evangelisierung berufen seid, von Licht und Dunkel gekennzeichnet: von einem starken Sinn für das Familienleben, aber auch vom Verfall gewisser grundlegender Werte und manchmal von weit verbreiteten Konflikten, welche der Gewaltanwendung förderlich sind und einen Verlust des Vertrauens auf die politischen und gesellschaftlichen Institutionen mit sich bringen. Dies sind einige Kennzeichen der „Stunde“, in der der Herr der Ernte euch in seinen Weinberg sendet (vgl. Joh 4,35). In ihrer Abschlußerklärung der letzten Versammlung stellt die Föderation der Asiatischen Bischofskonferenzen (FABC) fest: „Gott spricht zu uns durch die Nöte und den Fortschritt unserer Länder und fordert uns auf, unser Sendungsbewußtsein von den Herausforderungen unserer Welt her zu erneuern“ (Nr. 3). 3. Eine grundlegende Herausforderung, der die Kirche in eurem Land gegenübersteht, ist die Notwendigkeit, der Verbreitung der christlichen Botschaft in der Gesellschaft neuen Impuls zu verleihen. Eine tiefere und wirksamere Evangelisierung ist erforderlich. Mehr als irgendjemand anderer wißt ihr um die Reichweite und die Dringlichkeit dieser Aufgabe, kennt ihr doch das Ausmaß der geistlichen und materiellen Nöte eures Volkes. Es ist dies der Augenblick, in dem die Kirche ihr ganzes Vertrauen auf ihn setzen muß, der allein den Aktivitäten aller in der Pastoral Tätigen übernatürliche Wirksamkeit verleihen kann. Ich erinnere mich der Aufforderung Papst Paul VI. in Evangelii nuntiandi. Er ermahnte „alle diejenigen, die dank der Charismen des Heiligen Geistes und im Auftrag der Kirche echte Verkünder des Wortes Gottes sind“; er beschwor sie, „dieser Berufung würdig zu sein, sie auszuüben, ohne sich von Zweifel oder Furcht beeinträchtigen zu lassen, die Voraussetzungen nicht zu übersehen, welche die Evangelisierung nicht nur möglich, sondern auch wirksam und fruchtbar machen“ (Nr. 74). Was diese Voraussetzungen betrifft, räumte er dem Wirken des Heiligen Geistes, der Seele der Kirche, Priorität ein, ist er doch der eigentliche Träger der Evangelisierung, der die fruchtbare und tiefe Bedeutung der Lehren Christi und seines Geheimnisses erklärt, den Verkündern des Evangeliums Worte auf die Lippen legt, die sie nicht selbst finden könnten und die Seelen der Hörer für die Frohbotschaft vom Reich Gottes öffnet und empfänglich macht. Ich möchte euch und eure bischöflichen Mitarbeiter ermutigen, weiterhin die transzendente Sendung der Kirche zu betonen und nicht zuzulassen, daß eure kirchlichen Gemeinden die wahre Natur des christlichen Lebens aus den Augen verlieren, dieses Lebens, das der Einheit des Vaters mit dem Sohn und dem Heiligen Geist entspringt und dank der Teilhabe am Ostergeheimnis unseres Erlösers ein Leben der Gnade ist. 4. Die Evangelisierung hängt auch weitgehend von ihren Trägem ab, die echte Zeugen und imstande sein müssen, dem Durst des heutigen Menschen nach Echtheit gerecht zu werden. Paul VI. erinnerte die Träger der Evangelisierung daran, daß die Welt Verkünder fordert, „die von einem Gott sprechen, den sie kennen und der ihnen so vertraut ist, als sähen sie den Unsichtbaren“ (ebd., Nr. 76). Wie sehr entspricht die Bitte Papst Paul VI. dem Leben der Kirche in eurem Land: „Die Welt verlangt und erwartet von uns Einfachheit des Lebens, Sinn für das Gebet, Nächstenliebe gegenüber allen, besonders gegenüber den Armen und Schwa- 1352 AD-UMINA-BESUCHE chen, Gehorsam und Demut, Selbstlosigkeit und Verzicht. Ohne diese Zeichen der Heiligkeit gelangt unser Wort nur schwer in die Herzen der Menschen unserer Zeit“ (ebd.). Der Träger der Evangelisierung ist ein Diener der Wahrheit über Gott, über den Menschen und seine geheimnisvolle Bestimmung und auch über die Welt. Er sollte es nicht unterlassen, sich um eine immer bessere Kenntnis dieser Wahrheit zu bemühen und sollte ihr hochherzig dienen, ohne sie in seinen Dienst stellen zu wollen. Vor allem sollte er von Liebe zu den Menschen erfüllt sein, zu denen er gesandt ist, eine Liebe, die in der Weitergabe der echten Wahrheit des Evangeliums und nicht in der Weitergabe von Zweifeln und mißverständlichen Auffassungen besteht; eine Liebe, welche die Freiheit des Gewissens und das geistliche Befinden anderer achtet, aber entschlossen mit ihnen einen ernsthaften Dialog über die tieferen Fragen aufnimmt, denen heute der einzelne und die Gesellschaft gegenüberstehen. 5. Heute, fünfzehn Jahre nach der Veröffentlichung von Evangelii nuntimdi, beeindrucken uns die Zeitlosigkeit und Bedeutsamkeit dieser Enzyklika. Ich möchte euch empfehlen, bei euren Überlegungen über das Hirtenamt diese „Magna Charta“ des Evangelisierungsauftrages der Kirche zu einem unerlässlichen Bezugspunkt sowohl hinsichtlich eurer persönlichen Verantwortung als Bischöfe als auch hinsichtlich eurer Mitarbeiter in der Hirtensorge um die euch anvertrauten Ortskirchen zu machen. Eine ausgedehntere Anwendung der Richtlinien dieses Dokuments in der ganzen Kirche ist sicher notwendig, damit der, „der Samen gibt für die Aussaat und Brot zur Nahrung, auch uns das Saatgut gibt und die Saat aufgehen läßt“ (vgl. 2 Kot 9,10). In allen Ländern, in denen Glaubende verschiedener Bekenntnisse Zusammenleben, müssen ernste Bemühungen darauf abzielen, solide Grandlagen für eine friedfertige und harmonische Gesellschaft zu legen. Manche von euch sind Hirten von Gemeinden, die täglich Kontakt zum Islam haben. Die interreligiösen Beziehungen zwischen den beiden Gemeinden zeichnen sich für gewöhnlich durch Freundschaft und Zusammenarbeit aus. Es freut mich zu wissen, daß es nicht an Gelegenheiten für einen Dialog zu Themen gemeinsamen Interesses sowie zu religiösen Themen mangelt. Ich möchte euch auffordem, mit euren islamischen Brüdern und Schwestern Übereinstimmung zu suchen in der grundlegenden Frage der Religionsfreiheit. Die gegenseitige Achtung und das Verständnis unter Menschen verschiedenen religiösen Glaubens sind im Recht jedes einzelnen auf Gewissensfreiheit grandgelegt. Jeder hat das unveräußerliche Recht und eine heilige Pflicht, bei der Suche nach der religiösen Wahrheit und dem Leben nach ihr seinem aufrechten Gewissen Folge zu leisten. Die Religionsfreiheit ist kein Privileg, sondern ein Erfordernis der Menschenwürde (vgl. Dignitatis hurnmae, Nr. 2). 6. Bei meinem letzten Besuch in Afrika habe ich die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß „Christen und Muslime ... in Harmonie Zusammenleben und ihre Solidarität füreinander in all den Freuden, Sorgen und Herausforderungen zeigen [können], die das Leben einer Ortsgemeinde kennzeichnen. Wie die Erfahrung in vielen Teilen der Welt zeigt, müssen religiöse Unterschiede nicht unbedingt das Zusammenleben stören. Tatsächlich können Christen und Muslime ... Partner sein beim Aufbau einer Gesellschaft, die gestaltet ist nach den von Gott gelehrten Werten der Toleranz, der Gerechtigkeit, des Friedens und der Sorge für die Ärmsten und Schwächsten“ (Ansprache an die religiösen Führungspersönlichkeiten, Dar es Salaam, 2. September 1990, Nr. 4). Dies sind Aufgaben und Zielsetzungen, für die ihr konkret und klug im Interesse all eurer Landsleute tätig sein sollt. 1353 AD -LIMINA-BES UCHE Bevor ich diese Reihe von Begegnungen mit den Bischöfen der Philippinen abschließe, möchte ich die Wertschätzung des Heiligen Stuhles für die humanitäre Haltung zum Ausdruck bringen, die eure Regierung seinerzeit veranlaßte, vietnamesische Bootflüchtlinge aufzunehmen. Während der letzten fünfzehn Jahre hat euer Land, seiner zutiefst menschlichen und christlichen Tradition treu und trotz der großen, damit verbundenen Belastung, diesen Flüchtlingen hochherzig ein erstes Asyl gewährt. Bevor es zu einer allumfassenden und konkreten Lösung des Flüchtlingsproblems kommt, harrt noch viel menschliches Leid einer Linderung. Ich hoffe, daß die philippinische Regierung trotz aller damit verbundenen Schwierigkeiten, auch auf internationaler Ebene, weiterhin nach Möglichkeit, im Sinn der weltweiten Geschwisterlichkeit und vom Wissen um die moralische Verantwortung bewegt, auf diese Tragödie Rücksicht nehmen wird. Ich schätze all das sehr, was eure Bischofskonferenz für Migration und Tourismus auf diesem Gebiet geleistet hat. 7. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, während ihr euch auf die Rückkehr in eure Diözesen vorbereitet, danke ich Gott für das Leben und Wirken eurer Priester, für das Zeugnis und die Arbeit der Ordensleute und für den Glauben und das Engagement der Laien. Ich ermutige euch zu euren Bemühungen um ein hohes Bildungsniveau in den Seminaren, den Ordens-häusem und den Zentren für die Vorbereitung der christlichen Laienführer. Ohne eine echte Kenntnis des Glaubens und eine entsprechende religiöse Bildung, die den zunehmend vielschichtigen Wirklichkeiten der modernen Welt gerecht wird, können keine bleibenden Werte geschaffen werden. Die Erneuerung der Sendung fordert alle Glieder der Kirche heraus. Wir wollen zum Herrn für die ganze Kirche auf den Philippinen beten, damit die Ermahnung des hl. Paulus bei euch verwirklicht werde: „Laßt nicht nach in eurem Eifer, laßt euch vom Geist entflammen und dient dem Herrn! Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!“ (Röm 12,11-12). Möge Maria, die Mutter der Kirche, euch dies mit ihrer liebenden Fürbitte bei Jesus, ihrem Sohn, erwirken. Ein langer Weg ist noch zurückzulegen Ansprache an die Bischöfe von Taiwan bei ihrem Ad-limina-Besuch am 15. Dezember Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Dies ist schon das dritte Mal während meines Pontifikates, daß wir uns anläßlich eures Ad-limina-Besuches als Hirten der Kirche in Taiwan treffen. Eure Anwesenheit hier ist wirklich ein Grund zur Freude und Hoffnung. Die Freude stammt vom Blick auf die unwandelbare Liebe unseres himmlischen Vaters, die sich in euren Einzelkirchen zeigt, aus der innigen Gemeinschaft der katholischen Gläubigen mit dem Nachfolger des Petrus, dem immerwährenden und sichtbaren „Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“ (Lumen Gentium, Nr. 18), aus den zahlreichen Werken der Erziehung, der Hilfeleistung und der Gesundheitsfürsorge in euren Diözesen. Hoffnung weckend ist eure Entschlossenheit, weiter ein nachdrückliches Zeugnis für den Glauben und die Gemeinschaft 1354 AD-LIM1NA-BESUCHE zu geben, das die universale Kirche inmitten der großen chinesischen Familie ablegt, die mir sehr am Herzen liegt. Durch euch grüße ich die Priester, die Ordensleute und Laien eurer Diözesen: „Ich danke Gott jederzeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch in Christus Jesus geschenkt wurde“ (1 Kor 1,4). 2. Die Bischöfe spielen beim Aufbau und der Erhaltung der Gemeinschaft der universalen Kirche, des „von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinten Volkes“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 4), eine wesentliche Rolle durch ihr Streben nach immer größerer Einheit und immer mehr Verständnis untereinander. Diese Gemeinschaft ist vor allem eine geistliche Wirklichkeit aufgrund der vom Heiligen Geist bewirkten Teilhabe an den Gaben, die der Vater denen schenkt, die an den Sohn glauben. Sie wird bereichert durch die Verschiedenheit der Völker und ihrer unterschiedlichen Kulturen, die durch die Taufe in Christus eingegliedert sind. Er ist das „Licht der Welt...: Von ihm kommen wir, durch ihn leben wir, zu ihm streben wir hin“ (ebd., Nr. 3). In Vereinigung mit Christus und im Dienst an der Einheit der Kirche hat die Gemeinschaft der Katholiken in Taiwan die besondere Aufgabe, sicherzustellen, daß die Heilsbotschaft des Evangeliums innerhalb der Reichtümer eurer eigenen chinesischen Kultur und durch sie immer klarer verkündet und bekanntgemacht wird. Die Kirche in eurem Land hat eine ganz bestimmte eigene Geschichte. Ihre Präsenz reicht in das siebzehnte Jahrhundert zurück, doch zumal in den letzten 40 Jahren hat die Gemeinschaft der Katholiken ihre heutige Form gewonnen, entstanden im Zeichen des Kreuzes, in der Hoffnung auf die künftige Auferstehung. Welches sind in dieser besonderen Situation die Prioritäten für euren bischöflichen Dienst innerhalb eurer eigenen Gesellschaft? Zweifellos laufen diese Prioritäten auf zwei grundlegende Aufgaben hinaus: die geistliche Erneuerung eurer Einzelkirchen und das große Anliegen der Evangelisierung und der missionarischen Ausbreitung. 3. Es sind die gleichen Ziele, die ihr selbst im Symposium über die Evangelisierung vom Februar 1988 euch gesteckt habt, um dem Bedürfnis nach frischem Antrieb für die missionarische Ausrichtung eurer Gemeinschaften zu entsprechen. Dieses kirchliche Ereignis sollte ein ständiger Bezugspunkt für Leben und Wirken der Priester, Ordensleute und Laien in euren Diözesen sein, aber auch für die Institutionen, durch die die Sendung der Kirche erfüllt wird. Zur Zeit eures Symposiums schrieb ich, daß ihr zwei Aufgaben vor euch habt: eine pastorale nach innen und eine missionarische nach außen (vgl. Botschaft an das Symposium für Evangelisierung, Taipeh, 2. Februar 1988). Heute wie damals sind diese innerlich verbundenen Aufgaben gebunden an euer „Bemühen um geistliche und organisatorische Erneuerung jener Kräfte, die bei euch bereits am Werke sind, an die Schaffung und Förderung neuer pastoraler Programme und Kräfte aber, die sich u.a. der Heiligung der Familie und der Festigung der Ortskirche in Einheit mit der universalen Kirche widmen“ (ebd.). Diese Ziele erfordern ständige Aufmerksamkeit und das konzentrierte und hochherzige Bemühen aller Beteiligten. Die geistliche Erneuerung, zu der der Heilige Geist durch das Zweite Vatikanische Konzil das ganze Volk Gottes aufgerufen hat, bleibt die Hauptaufgabe einer jeden Teilkirche, wenn 1355 AD-LIMINA-BESUCHE wir uns nun auf den Eintritt ins dritte christliche Jahrtausend vorbereiten. Die Vertreter der Bischöfe Asiens, die im Juli d. J. in Bandung versammelt waren, betonten, in Asien müsse die Spiritualität jener gefördert werden, „die ihr ganzes Vertrauen auf den Herrn setzen“. Sie umschrieben diese Spiritualität als Betonung der Entsagung und Einfachheit, als Mitleid und Solidarität mit allen, zumal mit den Armen. Ihre charakteristischen Tugenden würden Milde und Demut, ein tiefes Empfinden für Harmonie, innige Gemeinschaft mit Gott und Gelehrigkeit gegenüber seinem Geist sein. Wie die asiatischen Bischöfe weiter ausführten, kann eine solche Spiritualität nur als lebendige Verkündigung Jesu, des Herrn und Erlösers, in Erscheinung treten, eindeutig in ihrem Sinn, mächtig und weitreichend in ihrer Bedeutung (vgl. Schlußdokument, 9.7). 4. Wenn Jesus Christus gekannt und geliebt wird, folgt daraus notwendig ein tiefes Empfinden für die Sendung. Einzelne und Gruppen sind sich dann mehr der Tatsache bewußt, daß sie eine Gabe Gottes empfangen haben, die sie nicht nur bewahren dürfen, die sie vielmehr mit anderen teilen müssen (vgl. Mt 25,26-27). Will eine Einzelkirche dem Herrn treu sein, muß sie klar davon überzeugt sein und es im Vollsinn annehmen, daß jeder einzelne in der Lage sein muß, denen gegenüber, die ihn nach der Hoffnung fragen, die in ihm ist, Rechenschaft abzulegen (vgl. 1 Petr 3,15). Jeder Jünger Christi ohne Ausnahme ist berufen, ein Apostel für das Wort des Lebens sowie für die Wahrheiten und Werte des Reiches zu sein. Erste und grundlegende Aufgabe des Apostels aber ist das Zeugnis seines Lebens. Die Dringlichkeit dieser hauptsächlichen Form des Apostolats wurde von Papst Paul VI. in Evangelii nuntiandi betont, als er schrieb: „Der heutige Mensch ... hört lieber auf Zeugen als auf Gelehrte, und wenn er auf Gelehrte hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind“ (Nr. 41). Gerade weil die Gemeinschaft der Katholiken von Taiwan eine kleine Herde ist, muß euer Zeugnis wesentlich klar und mutig sein, so daß die in den Seligpreisungen so lebendig ausgesprochene christliche Botschaft die Herzen der Menschen wirksam anspricht. Dieses Zeugnis legt sich um so mehr nahe, wenn die pastoralen Tätigkeiten, die bisher von zahlreichen Missionaren und Missionarinnen getragen wurden - sie haben sich mit ihrem hochherzigen Wirken unter euch große Verdienste erworben -, mehr und mehr an euren örtlichen Klerus, an eure Ordensleute und engagierten Laien als Mitarbeiter übergehen. Ich möchte euch ermuntern, Berufungen zum Priestertum sowie zum gottgeweihten Leben zu fördern, zumal indem ihr christlichen Familien jede nur mögliche Unterstützung gewährt und die katholische Identität der kirchlichen Schulen und Jugendverbände fördert. Eure besten Kräfte sollten ferner der angemessenen Ausbildung künftiger Priester und Ordensleute gelten, und ihr solltet die nötigen Schritte unternehmen, um die Ausbildungsprogramme eurer Seminare und Ordenshäuser im Licht der zahlreichen positiven Erkenntnisse zu verbessern, die sich bei der kürzlich stattgefundenen Bischofssynode ergeben haben. Dort, wo die Katholiken einen derart kleinen Teil der Gesamtbevölkerung ausmachen, werden ausländische Missionare weiter dringend benötigt, doch muß zugleich der Prozeß, bei dem zahlreiche von ihnen begonnene Werke jetzt von der örtlichen Gemeinde weitergeführt werden, mit Gottes Gnade ein Wachstum an Lebenskraft und ein Hervorbrechen frischer Kräfte und neuer Formen des Einsatzes von eurer Seite mit sich bringen. 1356 AD-UM1NA-BESUCHE 5. Die Gläubigen von Taiwan müssen nicht nur bewahren, was schon erreicht wurde, sondern sich auch der Verkündigung Christi für jene widmen, die ihn noch nicht kennen. Auch für sie ist er „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14,6). In eurer Gesellschaft gibt es zahlreiche aufrichtige Anhänger anderer religiöser Überlieferungen, und es ist wichtig, mit ihnen einen achtungsvollen Dialog über Fragen von gemeinsamem Interesse zu führen. Dazu gehören der Schutz des menschlichen Lebens sowie die ethischen Fragen, die der Fortschritt von Wissenschaft und Technik stellt. Solche Fragen hängen zusammen mit einem Verlust an Zielvorstellungen und an moralischem Verhalten, wie er sich aus der Säkularisierung der Gesellschaft und der Konsummentalität eines Lebens ergibt, das den materiellen Wohlstand als Ziel in sich selbst betrachtet. Suchen nicht viele eurer Landsleute nach einem höheren Sinn für ihr Leben, und müßten sie nicht die Frohbotschaft vom Heil in Jesus Christus vernehmen? Haben sie nicht ein Recht darauf, die Wahrheit zu hören, die sie frei macht (vgl. Joh 8,32)? Ich möchte euch ferner ermuntern und auffordem, weiter auf dem Weg geistlicher und organisatorischer Erneuerung zu bleiben, für die euer Symposium starken Antrieb gegeben hat, und aus dem die Kirche in Taiwan und in den zahlreichen Gemeinschaften chinesischen Ursprungs in Übersee die notwendige Kraft und Weisung empfangen kann. „Darum beten wir auch immer für euch, daß unser Gott euch eurer Berufung würdig mache und in seiner Macht allen Willen zum Guten und jedes Werk des Glaubens vollende. So soll der Name Jesu, unseres Herrn, in euch verherrlicht werden und ihr in ihm“ (2 Thess 1,11-12). 6. Liebe Brüder im Bischofsamt, euer Besuch beim Sitz des Petras läßt mich in tiefer Zuneigung auch an die geliebte Gemeinschaft der Katholiken auf dem Festland denken. Was kann ich in eurer Gegenwart anderes tun, als ergriffen Gott Dank zu sagen für das leuchtende Beispiel von Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien, Männern und Frauen, in diesen Jahren? Wie sollten die weiterhin und immer häufiger eintreffenden Berichte über die loyale Gemeinschaft, Mitteilungen von Führungskräften und Mitgliedern dieser Gemeinschaften, die in ihren Gebeten immer des Papstes gedenken, mich nicht mit Freude erfüllen? Diese Berichte sprechen von der Verbreitung des Evangeliums durch das verborgene und unablässige Apostolat zahlreicher hochgemuter Christen, von der Wiedereröffnung von Kirchen, Seminaren und Bildungsstätten für junge Menschen, die ein gottgeweihtes Leben führen möchten, von blühenden Unternehmungen im Dienst der gesamten Gemeinschaft. Laßt uns gemeinsam Gott für alles preisen, was mit loyalem Herzen und in Treue zu Christus und seiner Kirche geschehen ist. Er selbst trägt, ermuntert und steigert das Zeugnis der Gläubigen, und er überrascht uns mit den niemals endenden Gaben seiner Gnade. Ich weiß, daß bei diesem ersten Aufsprießen des pastoralen Lebens die Hilfe der Kirchen, bei denen ihr den Vorsitz führt, nicht fehlt. Wenn ich gleichsam im Namen der Empfänger dieser brüderlichen Hilfe sprechen darf, so möchte ich euch für alles danken, was ihr für jene tut, die nicht nur im Glauben, sondern auch dem Ursprung nach mit euch eins sind. Zugleich treffen andere Berichte ein, die mein Herz als Hirte der ganzen Kirche traurig machen. Die Festnahme von Bischöfen, Priestern und Mitgliedern der Laienschaft und verschiedene andere Schwierigkeiten lassen daran denken, daß trotz einiger positiver Zeichen noch ein langer Weg vor uns liegt, bis die geliebte Gemeinschaft der Katholiken auf dem 1357 AD -LIMINA -BESU CHE Festland ihrem Glauben und ihrer Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus sowie mit der in der ganzen Welt verbreiteten katholischen Kirche vollen und offenen Ausdruck geben kann. 7. Hier beim Grab des Apostels Petrus, den der Herr als Garanten des Glaubens und der Einheit der Kirche auserwählt hat, fühle ich mich zu einem dringenden und ernsten Aufruf zur Einheit veranlaßt. Er richtet sich an euch, die hier Anwesenden, aber auch an alle, die das lebenspendende Wort hochherzig und loyal angenommen haben. Der Text des Propheten Jesaja, den wir in der Eucharistiefeier des letzten Sonntags gelesen haben, ist eine Aufforderung an uns, in der Hoffnung zu verharren (vgl. Jes 40,3-5). Er erinnert uns daran, daß an Weihnachten die Herrlichkeit des Herrn offenbar wird und daß er „wie ein Hirt seine Herde zur Weide führt und sie mit starker Hand sammelt. Die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er behutsam“ (vgl. Vers 11). Der Herr erwartet unser Mitwirken bei diesem Kommen, indem wir einen Weg durch die Wüste bahnen (vgl. Vers 3). Ja, meine Brüder, die Einheit der Kirche, eingeschlossen die der Gemeinschaft der Katholiken auf dem Festland, ist die Frucht von Gottes unendlicher Barmherzigkeit. Sie erfordert aber auch den bescheidenen, verborgenen und hochherzigen Beitrag aller Betroffenen. Da wir uns auf Weihnachten vorbereiten, wollen wir den Vater bitten, daß wir noch eifriger werden, daß die Gabe des göttlichen Kindes für die Kirche auf dem Festland die Gabe der Einheit sein möge. Wie könnten wir in unserem Gebet vergessen, daß der Weg zu echter Einheit über das Bemühen eines jeden chinesischen Gläubigen um kirchliche Versöhnung führt? Diese Versöhnung muß gewiß die Wahrheit der unverzichtbaren Grundsätze des katholischen Glaubens zur Grundlage haben, sie muß aber auch vom Verständnis, gutem Willen, Vergebungsbereitschaft und dem Bemühen aller um das Anliegen der Ausbreitung des Reiches Gottes getragen sein. So ermuntere ich euch, werdet Boten dieses Wunsches des Nachfolgers Petri, indem ihr unermüdlich und geduldig für die Versöhnung unter den Brüdern und Schwestern auf dem Festland arbeitet! Sagt ihnen, daß der Papst sie in seinem Herzen trägt und daß er ständig und täglich für sie zum Geber alles Guten und zur seligen Jungfrau Maria betet. Wenn ihr in eure eigenen Diözesen zurückkehrt, nehmt meinen Segen für eure Brüder und Schwestern mit und erinnert sie an ihr ruhmvolles Erbe als Gefolgsleute Christi, als Söhne und Töchter der lieben chinesischen Familie. „Der Gott des Friedens heilige euch ganz und gar und bewahre euren Geist, eure Seele und euren Leib unversehrt, damit ihr ohne Tadel seid, wenn Jesus Christus, unser Herr, kommt. Gott, der euch beruft, ist treu; er wird es tun“ (1 Thess 5,23-24). 1358 AD-LIMINA-BESUCHE Der Heilige Stuhl will im Dialog mit Vietnam zur Verständigung kommen Ansprache an die Bischöfe von Vietnam beim Ad-limina-Besuch am 25. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Groß ist meine Freude darüber, daß ich euch zu einem gemeinsamen Gespräch in diesen Tagen empfangen kann, die für die Kirche in Vietnam bemerkenswert sind. Wir dürfen nämlich gemeinsam die Errichtung der katholischen Hierarchie in eurem Lande vor 30 Jahren begehen und die heiligen Märtyrer feiern, die ich 1988 heiligsprechen durfte. So fällt eure Pilgerfahrt zu den Aposteln und Märtyrern, die die Kirche von Rom gegründet haben, mit der Feier jener Märtyrer zusammen, die Gründer der Kirche in Vietnam gewesen sind. Man kann nur ergriffen daran denken, daß ihr euren bischöflichen Dienst unter der Schirmherrschaft dieser Märtyrer vollzieht. Möge euer Kommen nach Rom zu dieser regelmäßigen Begegnung, die vor fünf Jahren nur für wenige Delegierte möglich war, für euch daher zugleich ein tröstliches geistliches Atemholen und eine Anregung für euer pastorales Wirken sein! Wenn ich euch brüderlich empfange, möchte ich euch die ganze warmherzige Hochachtung des Nachfolgers Petri für die Kirche in Vietnam aussprechen wegen ihrer Treue im Glauben, in der Frömmigkeit und in der brüderlichen Liebe. Die im letzten Monat zur Synode versammelten Bischöfe haben bereits euch gegenüber ihre Bewunderung und ihre tiefe Gemeinschaft zum Ausdruck gebracht; ich tue das erneut voll Ergriffenheit, und ich trage euch auf, es auch den Priestern, den Ordensmännem, Ordensfrauen und Laien in euren Diözesen weiterzusagen, denn ihre Prüfungen machen sie in meinem Gebet um so mehr täglich präsent. 2. Euer Besuch findet nur wenige Tage nach der Rückkehr der Mission nach Vietnam statt, die von Kardinal Etchegaray angeführt wurde. Wie ihr wißt, handelte es sich um den ersten Besuch einer amtlichen Delegation des Heiligen Stuhles in Vietnam, um mit den zuständigen Regierungsautoritäten einige der wichtigsten und dringendsten Probleme zu verhandeln, denen die Kirche in eurem Lande gegenübersteht. In einem Klima gegenseitiger Achtung, des Verständnisses und des guten Willens hat ein Dialog begonnen, der für die Zukunft Gutes verheißt. Der Weg wird noch lang sein, und es wird nicht an Schwierigkeiten fehlen, doch es scheint ein guter Weg zu sein. Und so hege ich den Wunsch, die vietnamesische Kirche möge in naher Zukunft immer mehr den Platz anerkannt sehen, den sie innerhalb der Gesellschaft einnimmt. Die katholische Gemeinschaft eures Landes, die in der Vergangenheit zu seiner Unabhängigkeit beigetragen hat, möchte heute für das Wohl ihrer Landsleute und für den Wiederaufbau des Landes durch die Mithilfe aller ihrer Mitglieder, der Priester, der Ordensmänner und Ordensfrauen und der Laien beitragen; und ich weiß, daß sie es bereits hochherzig, diskret und treu tut. Niemand soll daran zweifeln, daß die Katholiken wahrhaft bereit sind, sich in den Dienst der Armen, der Enterbten und der Kranken zu stellen im Hinblick auf eine Gesellschaft, in der Gerechtigkeit, Liebe und Wohlstand herrschen. 1359 AD-LIMINA-BESUCHE Seid versichert, daß der Heilige Stuhl alles, was von ihm abhängt, tun wird, damit diese ersten Schritte im Dialog zu einer Verständigung führen, die für das Wohl der Kirche in Vietnam dauerhafte Früchte bringt. 3. Ihr habt mir die Ergebnisse eurer pastoralen Aufgaben vorgelegt, und ich fühle mich verpflichtet, euch hier erneut meine Hochachtung zu bezeugen, denn ihr tragt eine oft recht schwere Last. Ich ermuntere euch lebhaft, auf dem anspruchsvollen, aber schönen Weg eurer Sendung als Nachfolger der Apostel weiterzugehen. Eure Gemeinschaften wissen, daß sie sich jederzeit auf euren Eifer als Väter im Glauben verlassen können, denn ihr führt den Vorsitz in der Liebe, die ihre Quelle in Gott selbst hat. In diesem Zusammenhang möchte ich eure Aufmerksamkeit auf die Aufgabe lenken, die die Bischofskonferenz als solche hat; sie soll euch helfen, die Einheit der Diözesen in den verschiedenen Regionen des Landes zu festigen. Als Gemeinschaft könnt ihr euch wertvolle gegenseitige Hilfe leisten, um eure pastorale Verantwortung besser tragen zu können, und einen konstruktiven Dialog mit den in der Gesellschaft Verantwortlichen aufbauen. Die Schaffung verschiedener Kommissionen und die darauf folgende Arbeit, die euer aktives Zusammenwirken möglich macht, werden zu einem vertieften Nachdenken über die Zeichen der Zeit, über die geistlichen Bedürfnisse der Gläubigen, die Anregung der Liturgie und die für die Bildung bereitzustellenden Mittel beitragen. Eure Bischofskonferenz wird euch mit ihren verschiedenen Instanzen gestatten, die Kirche besser innerhalb der Nation zu verankern. Eure vertrauensvolle Zusammenarbeit wird euch helfen, die besten Bedingungen für die Entfaltung des inneren Lebens der Kirche zu schaffen und wird ebenso für die Dienste, die sie dem vietnamesischen Volk anbieten möchte, nützlich sein, denn ihre Mitglieder sind ja ein Teil dieses Volkes. Sie sind ihm aufrichtig verbunden in einer Zeit, in der es die Folgen der in der Vergangenheit erlittenen Leiden zu lindern gilt und ein gemeinsames Leben aufzubauen ist, das dem edlen, von euren Vorfahren überkommenen Erbe würdig entspricht. 4. Ich denke auch an die Priester eurer Diözesen, zumal an jene, die alt werden und doch weiter einen erheblichen Dienst übernehmen. Ich denke ferner an jene, die an der Ausübung ihres Priestertums gehindert waren oder es noch sind. Sagt bitte ihnen allen, den Alten und den Jüngern, daß ich ihnen von Herzen verbunden bin wegen ihrer Treue in ihrem priesterlichen Leben, ihres Ausharrens in der Zeit der Prüfung und ihrer Hingabe an ihre Gemeinden, wobei sie oft bis zur äußersten Grenze des menschlich Möglichen gegangen sind. Möge der Herr sie stärken, er, der seine guten und getreuen Diener belohnt, die er damit beauftragt hat, Verwalter seiner Geheimnisse zu sein (vgl. Mt 24,45; 1 Kor 4,1)! Die Priester, deren Treue zu ihren Aufgaben und deren seelsorglichen Eifer ihr kennt, werden als erste die Frucht der Überlegungen der bischöflichen Kommissionen und die Weisungen ihrer eigenen Bischöfe dankbar begrüßen. Schaut bei euren täglichen Kontakten darauf, ihre Tätigkeiten aufs Beste zu koordinieren und ihnen zugleich die Möglichkeit einer geistlichen Wiederauffrischung und einer ständigen Weiterbildung anzubieten, die sie brauchen. Ich wünsche, daß ihr dafür die verschiedenen von der Kirche vorgesehenen Gremien zur Zusammenfassung der Bemühungen aufstellen und anregen könnt. Doch über amtliche Stellen hinaus und trotz der erheblichen Schwierigkeiten, auf die ihr stoßt, kommt es vor allem darauf 1360 AD-UMINA-BESUCHE an, daß die Priester die Möglichkeit bekommen, ihren Zugang zur Heiligen Schrift, zum theologischen und pastoralen Denken neu zu finden, was ihrem täglichen Dienst Nahrung gibt. Natürlich kümmert ihr euch um den Nachwuchs, denn euer Klerus ist allzu wenig zahlreich und altert. Er kann daher seiner Aufgabe nicht voll entsprechen. Dank der großherzigen Lebendigkeit des gläubigen Volkes vernehmen zahlreiche Jugendliche den Ruf, ihr Leben dem Herrn im Priestertum zu weihen. Für die Seminaristen, die ihre Vorbereitung bereits abgeschlossen haben, wollen wir hoffen, daß sie von ihren Bischöfen in Freiheit geweiht werden und möglichst bald ihren Dienst beginnen können. Ihr verfügt bisher nur über vier Seminare; zwei weitere sollen im Zentrum des Landes eröffnet werden; ich wünsche lebhaft, daß sich kein Hindernis entgegenstellt und daß ihr in diesen Häusern ohne Beschränkung der Zahl alle Kandidaten aufnehmen könnt, die die erforderliche Eignung mitbringen. Ein gut ausgebildeter Priester ist ein großes Gut für die Kirche, zugleich ein kostbares Geschenk für das Volk, dem er zu dienen beauftragt ist. Ich wünsche ferner, daß euch die Vorbereitung der Spirituale und Professoren gelingt, die die Priesteramtskandidaten brauchen. Vielleicht könnt ihr jene Priester ins Ausland schicken, die ihr für diese Aufgaben vorgesehen habt, damit sie sich an den besten Universitätszentren die nötigen Fachkenntnisse erwerben. Ich hoffe ebenso, daß euch nicht die Mittel zur Publikation der nötigen religiösen Bücher für die Seminaristen und das ganze Volk Gottes fehlen werden. 5. Ihr habt mir ferner mitgeteilt, wie sehr ihr die Hochherzigkeit der Ordensmänner und Ordensfrauen schätzt, die trotz der Schwierigkeiten dem Dienst für ihre Brüder und Schwestern treu geblieben sind als mutige Zeugen des Glaubens in der ebenso schlichten wie beredten Treue zu ihren Gelübden und ihrer Weihe an Gott. Sagt ihnen, daß ich dem Herrn mit euch für alles danke, was sie der Kirche und eurem Volk geben, und ich denke im Zusammenhang mit den Ordensleuten auch an die Mitglieder der Säkularinstitute. Wenn sie ihren jeweiligen Charismen folgen, können die Ordensmänner und Ordensfrauen im pastoralen Leben eine erhebliche Rolle spielen, ferner in verschiedenen Diensten an Schulen oder in der Caritas. Darin hat ja die Kirche immer eine aktive Rolle übernommen, sei es im Rahmen ihrer eigenen Institutionen, sei es eingefügt in die Strukturen der Nation. Ich weiß, daß bei euch die Ordensmänner und Ordensfrauen zur Übernahme von Lehraufgaben bereit sind, ebenso für gesundheitliche Dienste und andere Aufgaben im sozialen Bereich. Dies ist eine sehr lobenswerte Weise, zum Wohl ihres Volkes beizutragen und zum Wiederaufbau des Landes, das den Eifer all seiner Kinder braucht. Indem sie, vom Geist des Evangeliums getrieben für das Gemeinwohl arbeiten, zeigen sie konkret und werden es weiter tun, daß die Christen mit all ihren Brüdern und Schwestern solidarisch sind. Die Kirche verlangt keine Privilegien, aber es sollte ihr die Freiheit zugestanden werden, dem Lande mit all ihren Fähigkeiten zu dienen. Wünschenswert wäre, daß die verschiedenen religiösen Kongregationen die Möglichkeit hätten, Berufungen aufzunehmen und ihre Novizen gut auszubilden. Dazu müssen sie ohne Hindernisse Ausbildungshäuser eröffnen können. Ferner sollten sie die Freiheit haben, ihre Mitglieder dorthin zu senden, wo man auf sie wartet, entsprechend der Beweglichkeit und Verfügbarkeit, die immer das Leben apostolisch eingestellter Ordensleute gekennzeichnet haben. Man kann nur eine glückliche Entfaltung des Ordenslebens in Vietnam wünschen, das schon so viele gute Berufe hervorgebracht hat. 1361 AD-LIMINA-BESUCHE 6. Die Umstände haben nicht nur zu einem größeren Eifer der Laien in der Frömmigkeit und im Sakramentenempfang geführt, auch ihre aktive Beteiligung an der Sendung der Kirche hat sich ausgeweitet. Sie befanden sich oft in sehr harten Verhältnissen, waren aber echte Zeugen des Glaubens und teilten hochherzig ihre geistliche Erfahrung mit. Sie haben die katecheti-sche Bildung der Jugendlichen und der Erwachsenen gesichert. Mögen sie ihren Lohn finden in der Kraft des Glaubens und der Hoffnung, die in ihren Gemeinden lebendig sind! Ihr dürft von den Laien bei ihrer verantwortlichen Beteiligung am Leben der Kirche und bei ihrer schlichten Erfüllung der Forderungen des Evangeliums im Familien- und Berufsleben, wie von ihren Diensten für das Gemeinwohl insgesamt viel erwarten. Die Lehre des II. Vatikanischen Konzils und die späteren Lehräußerungen haben die Wichtigkeit der „consecratio mundi“ betont, die hauptsächlich Aufgabe der gläubigen Laien ist und die erste Form ihres Zeugnisses bildet. Mit den tiefreichenden Wandlungen, die die Gesellschaft in allen Ländern durchmacht, wird es wichtig, den Laien beim fortschreitenden christlichen Verständnis der sozialen Wirklichkeiten, ihrer rechten Bewertung der Kriterien für das moralische Verhalten und für die Gerechtigkeit zu helfen, in Achtung vor der Wahrheit, im Widerstand gegen jede Art von Korruption, im persönlichen und gemeinschaftlichen Bekennen des Glaubens. Ich hoffe, daß euch geeignete Initiativen gelingen, damit die Laien ihre christliche Bildung weiterführen und eine Unterstützung erhalten, die ihrer Rolle in der Kirche entspricht. 7. Ihr habt es im Gedanken an die verschiedenen Personengruppen, die eure Einzelkirchen zusammensetzen und bei der Schilderung ihrer verschiedenen Aufgaben geahnt, daß mir im Geist immer die Lehre des II. Vatikanischen Konzils vor Augen stand, die das Licht Christi so lebendig über die Kirche ausgegossen hat. Eure Aufgabe wird klar, wenn ihr sie als ein Aufgreifen des Schwungs versteht, der vom II. Vaticanum ausgegangen ist. Ich erinnere besonders an die außerordentliche Synode von 1985, an der der verstorbene Kardinal Trinh Van Can teilgenommen hat, der die wesentlichen Gedanken des Konzils gut herausgestellt hat. Er hat gerade die Ekklesiologie der Communio betont, von der wir uns unablässig anregen lassen müssen. Zeigt in diesem Geist euren Brüdern und Schwestern immer besser, daß die Kirche als lebendiger Leib, dessen Haupt Christus ist, Zeichen und Werkzeug der Vereinigung und Versöhnung bleibt. Ladet alle Gläubigen - Priester, Ordensleute und Laien - ein, ihren Teil Verantwortung zu übernehmen in ständiger gegenseitiger Abstimmung mit euch, die ihr den apostolischen Dienst ausübt. Sie sollen Erfahrungen und Meinungen austauschen und so alle lernen, sich wirklich in den Dienst des Menschen und der Gesellschaft zu stellen. Mögen die Grundlagen einer richtigen Auffassung vom Menschen wiedergefunden werden, der für die Transzendenz offen ist, der vom Glauben Licht für seine eigene Situation empfängt, und der sich bei seiner Arbeit und in seinem Zusammenleben mit anderen von der Moral- und Soziallehre der Kirche leiten läßt und so zum Bruder für alle Menschen wird, die ja von Gott geschaffene und erlöste Kinder Gottes sind. 8. Liebe Brüder, nehmt das ganze Volk Gottes, das euch anvertraut ist, mit euch in einer Bewegung innigen Gebetes, damit es die Gnade des Herrn annimmt und die Wege der Heiligkeit beschreitet. Mögen die Gläubigen in Demut, Aufrichtigkeit und Selbstlosigkeit das in der Taufe empfangene Licht und die Liebe leuchten lassen, an der sie in der Eucharistie 1362 AD-LIMINA-BESUCHE Anteil bekommen! Mögen sie für die Erneuerung ihrer Kirche und ihres Landes arbeiten, in einem Geist der Versöhnung, unter Katholiken, dort, wo es nötig ist, zwischen Katholiken und Landsleuten mit anderen Überzeugungen, dort, wo die Gegensätze sich verhärtet haben. Möge es unter den Brüdern und Schwestern des gleichen Volkes doch keine Verbitterung geben! Mögen alle offen werden für die Neuheit des Evangeliums und die Hoffnung auf eine im Frieden versöhnte Welt. 9. Am Ende dieser Unterhaltung möchte ich euch einfach noch einmal sagen, wie nahe euch der Nachfolger des Petrus steht. Auch wenn unsere Begegnungen im Lauf der Jahre wenig zahlreich waren, so ist unsere Gemeinschaft doch stark, und unsere Solidarität reicht tief. Ihr könnt euch immer auf die brüderlichen Gefühle der Gesamtheit der Hirten und der Gläubigen der Kirche verlassen. Mit euch rufe ich die Fürbitte der hll. Petrus und Paulus, wie auch die der heiligen Märtyrer von Vietnam für die Kirche in eurem Land an. Ich vertraue sie besonders der mütterlichen Vermittlung der allerseligsten Jungfrau Maria an. Und aus ganzem Herzen mfe ich auf euch selbst, auf die Priester, die Ordensleute und die Gläubigen eurer Diözesen das Heil und den Segen herab, den der Vater aller Liebe, der um unseres Heiles willen menschgewordene Sohn und der Geist allen Lichtes und aller Liebe spenden. Den Herausforderungen und Möglichkeiten unserer Zeit begegnen Ansprache an die Bischöfe des syro-malabarischen und des syro-malankarischen Ritus anläßlich des Ad-limina-Besuchs am 25. August Eminenz, liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Von tiefer geistlicher Freude erfüllt, begrüße ich heute euch, die Hirten des syro-malabari-schen und des syro-malankarischen Ritus anläßlich eures Ad-limina-Besuches. Dieser Besuch erlaubt es euch nicht nur, besondere Augenblicke des Gebetes an den Gräbern der Apostelfürsten zu verbringen, sondern auch, ein erneutes Zeugnis für die Einheit, die Liebe und den Frieden abzulegen, die euch untereinander und mit dem Bischof von Rom verbinden, in der Fülle der katholischen Gemeinschaft. Man kann wirklich sagen, daß in euch Thomas, euer Vater im Glauben, Petrus begegnet und mit ihm den „heiligen Kuß“ (2 Kor 13,12) austauscht, um in seinem Dienst für das Evangelium unterstützt und gestärkt zu werden. In euch begrüße und umarme ich die Priester und Ordensleute, die mit euch beim Aufbau der Kirche Zusammenarbeiten, beim Aufbau des „Hauswesens Gottes“ (vgl. 1 Tim 3,15), dessen Glieder, der berechtigten Freiheit der Kinder Gottes sich erfreuend (vgl. Rom 8,21), alle durch die Bande des Glaubens und der Liebe miteinander vereint sind. In euch grüße ich auch die Gläubigen, die Christus euch, den „Vorbildern für die Herde“ (vgl. 1 Petr 5,3), anvertraut hat und deren wachsame Führer ihr sein sollt, nicht nur mit dem Wort, sondern auch mit eurem lebendigen Beispiel (vgl. 1 Petr 5,3). 1363 AD -LIMINA -BESUCHE 2. Zu den Aufgaben eures bischöflichen Amtes zählt in besonderer Weise die Verantwortung für den Aufbau und die Erhaltung der Harmonie in der Kirche Gottes. Diese Einheit muß im Leben jeder Teilkirche aufleuchten und ebenso unter den Bischöfen selbst, die als Mitglieder des Bischofskollegiums und als Nachfolger der Apostel dazu berufen sind, sich um die ganze Kirche zu sorgen (vgl. Lumen Gentium, Nr. 23). Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, daß „die Einzelbischöfe ... in ihren Teilkirchen sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit sind. Diese sind nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet“ (vgl. ebd.) Auch wird so die Durchschlagskraft eures Zeugnisses für das Evangelium, eures apostolischen Wirkens und eurer missionarischen Unternehmungen nicht nur nicht gehemmt, sondern vielmehr durch eure Brüderlichkeit und Zusammenarbeit verstärkt. Seid stets bestrebt, diese Einheit zu festigen, da sie tiefe Rückwirkungen auf das Leben eurer Gläubigen hat. Seid vorbildlich in eurem persönlichen Zeugnis und in eurer Treue zu jenen Richtlinien, die euch mit dem Wunsch und in der Absicht gegeben werden, das Gebäude der Kirche Christi in der Fülle seiner Katholizität zu errichten. Dieses Band der Liebe kommt auf vielerlei Arten zum Ausdruck, doch ist es die Liturgie, die es auf vorzügliche Weise vergegenwärtigt. Gerade weil die liturgischen Handlungen nicht private Funktionen, sondern Feiern der Kirche, des „Sakramentes der Einheit“ (Sacrosanctum Concilium, Nr. 26), sind, müssen alle Gläubigen zutiefst vom Geist und der Macht der Liturgie durchdrungen sein (vgl. ebd., Nr. 14), und auch hier seid ihr dazu berufen, für sie Vorbilder zu sein. Liebe Brüder, es befriedigt mich, zu erfahren, daß ihr euch auf eure feierlichen Versammlungen regelmäßig mit siebentägigen Jahresexerzitien und mit gemeinsamem Gebet vorbereitet. Auf all das, was ihr tut, um die Bande der Einheit und der Liebe innerhalb der Kirche praktisch zur Anwendung zu bringen, rufe ich Gottes Segen herab, und ich erneuere mein Gebet für euch: „Mögen die Einheit und Gemeinsamkeit innerhalb der Kirche im Mittelpunkt eurer pastoralen Sorgen stehen“ (Schreiben an die Bischöfe Indiens, 28. Mai 1987). Diese Einheit ist ein Geschenk, das Gott euch und durch euch der Welt gemacht hat, insbesondere eurer indischen Heimat mit ihrer reichen ethnischen und kulturellen Vielfalt. 3. Bei meinem unvergeßlichen Pastoralbesuch in Indien im Jahr 1986 war es mir eine große Freude, die wiederhergestellte heilige Liturgie oder „Qurbana“ der syro-malabarischen Kirche neuerlich zu feiern und die ehrwürdigen Diener Gottes Kuriakose Elias und Alphonsa seligzusprechen. Bei dieser Gelegenheit konnte ich den kraftvollen Glaubensgeist wahmeh-men, der die syro-malabarische und die syro-malankarische Kirche erfüllt. Die letzten fünf Jahre werden auch wegen der Hundertjahrfeier der Errichtung zweier Apostolischer Vikariate in die syro-malabarische Geschichte eingehen, da mit diesen Vikariaten die Wiedergeburt eurer apostolischen Kirche begann und sie die Grundlage eurer gegenwärtigen kirchlichen Struktur bilden. Mit euch danke ich für die zwei neuen Eparchien von Thamarassery und Kalyen, die nach eurem letzten Ad-limina-Besuch errichtet wurden. 4. Wenn ich über das wunderbare Geheimnis der Gesamtkirche und der Kirchen oder Riten nachdenke, die deren Vielfalt in der Einheit ausmachen, kann ich nicht umhin, der festen Hoffnung Ausdruck zu verleihen, daß das kostbare Erbe, das euch anvertraut ist, mit emeu- 1364 AD-LIMINA-BESUCHE ter Treue und tiefempfundenem Engagement an die kommenden Generationen alter und neuer Christen weitergegeben wird. Angesichts der zunehmenden Säkularisierung des Lebens wird es immer notwendiger, die Originalität, Einzigartigkeit und Transzendenz der christlichen Botschaft zu betonen. Nichts ist hier selbstverständlich. Die Gläubigen bedürfen unter der Führung der Bischöfe einer ständigen Erklärung und Katechese und müssen fest in der Wahrheit verwurzelt bleiben, die sie schon besitzen (vgl. 1 Petr 1,12). Den von euch vorgelegten Fünfjahresberichten entnehme ich, wie sehr ihr auf die Erhaltung und Intensivierung eures reichen Erbes an christlichem Leben bedacht seid, indem ihr die entsprechende religiöse Bildung gewährleistet und zum Studium des Wortes Gottes und zu einer aktiven Teilnahme an der heiligen Liturgie auffordert. Dieser Kontakt mit den sich immer wieder erneuernden Quellen des christlichen Lebens befähigt euch, den Herausforderungen, Schwierigkeiten und Möglichkeiten unserer Zeit zu begegnen und das Werk Christi fortzusetzen, das dem Heil der Menschheit und jedes einzelnen gilt - dem einen und ganzen Menschen, mit Leib und Seele, Herz und Gemüt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 3). Deshalb fordere ich euch als Hirten der Herde Christi nachdrücklich auf, weiterhin den Weg der echten Erneuerung zu beschreiten, den der Heilige Geist durch das Vatikanische Konzil für das ganze Volk Gottes und insbesondere für die orientalischen katholischen Kirchen vorgezeichnet hat. 5. Ich kann es nicht unterlassen, wie schon bei anderen Gelegenheiten mit tiefer Befriedigung festzustellen, daß die Gnade des Heim auf den Thomaschristen ruht: sie sind mit zahlreichen Berufungen zum Priestertum, zum Ordensleben und zu anderen Formen gottgeweihten Lebens gesegnet. Das ist ein Zeichen dafür, daß der Heilige Geist unter euch am Werk ist, insbesondere indem er die Herzen eurer Jugendlichen berührt und sie einlädt, den Weg der rückhaltlosen Selbsthingabe und des ausschließlichen Dienstes für das Reich Gottes mit einer Lebensweise einzuschlagen, die auf den radikalen Forderungen des Evangeliums beruht. Diese Söhne und Töchter des Apostels Indiens arbeiten für die Kirche nicht nur in euren Eparchien in Kerala und in anderen Gebieten eures Landes, sondern auch in Diözesen des lateinischen Ritus, in Indien und im Ausland. Manche von ihnen dienen dem Herrn in der Klausur, indem sie durch ihr verborgenes, ständiges Gebet und Opfer für die apostolische Fruchtbarkeit des mystischen Leibes Christi Sorge tragen (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 7). Zahlreicher sind die anderen, die im direkten Einsatz in Pfarreien und Missionsgebieten, in der Erziehung und der Gesundheits- und Sozialfürsorge stehen und dabei auf bestimmte Weise die unergründlichen Reichtümer jener Liebe zum Ausdruck bringen, die ein Widerschein der Liebe sind, welche Gott selbst ist (vgl. 1 Joh 4,8). Der 25. Jahrestag der Gründung des Apostolischen Seminars St. Thomas, der innerhalb der letzten fünf Jahre gefeiert wurde, dient dazu, uns die Verantwortung der Bischöfe auf dem Gebiet der Priesterausbildung zu vergegenwärtigen. Der Hl. Stuhl hat zu dieser lebenswichtigen Frage wichtige Dokumente herausgegeben, die - ebenso wie die der Kongregation für das katholische Bildungswesen über die interrituellen Studien, über die patristischen Studien und das Studium der Soziallehre der Kirche - eure besondere Aufmerksamkeit verdienen. Ich vertraue darauf, daß ihr weiterhin in den eurer Jurisdiktion unterstehenden Gebieten über die Priesterausbildung in den Seminarien und Ordenshäusern wachen werdet, im Geist brüderli- 1365 AD-LIMINA-BESUCHE chen Verstehens untereinander und nur von der Absicht beseelt, dem Wohl der Kirche zu dienen. Der Beitrag, den ihr zu diesem Thema bei der nächsten Sitzung der Bischofssynode leistet, wird sicher die ganze Kirche interessieren. 6. Das geistliche Leben eurer Gemeinden wäre weniger fruchtbar, als es tatsächlich ist, würden die christlichen Ideale nicht seit der frühesten Kindheit in der ersten sozialen Einheit, der Familie - die das II. Vatikanische Konzil als „Hauskirche“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 11) bezeichnet hat - gelebt und gelehrt. Euer ererbter, starker Familiensinn und die auf die Kirche hingeordnete Existenz haben das Wachstum eures Glaubens im Lauf der lahrhunderte gesichert und gefördert und es euch erlaubt, „eine Überlieferung [aufleuchten] zu lassen, die über die Kirchenväter bis zu den Aposteln zurückreicht. Sie bildet ein Stück des von Gott geoffenbarten, ungeteilten Erbgutes der Gesamtkirche“ (Orientalium Ecclesiarum, Nr. 1). Heute befähigt, - ja, „drängt“ (2 Kor 5,14) euch die gleiche Gnade, eure Netze auch jenseits eurer Familiengestade auszuwerfen und in der Gemeinschaft der Katholiken, deren Mittelpunkt der Stuhl Petri ist, weiterreichende apostolische Verantwortungen zu übernehmen. Eure Sorge um die Pastoral für die Gläubigen, die sich in anderen Teilen des indischen Subkontinents niedergelassen haben, wurde durch die Errichtung der Eparchie Kalyan gekrönt, die, obwohl noch in ihren Anfängen, dank des Eifers ihres Bischofs und ihrer Priester sowie dank der Unterstützung der Bischofskonferenz, der Mitarbeit der Ordinarien des lateinischen Ritus und der Mitwirkung der Gläubigen selbst kräftig wächst. Ich bin überzeugt, daß ihr ständig darauf bedacht sein werdet, den missionarischen Eifer eurer Kirchen weiterhin zu entwickeln, der ein göttliches Gebot und die einzige eures Hirtenamtes würdige Haltung ist, und dabei die harmonische Zusammenarbeit unter den verschiedenen Riten zu fördern. 7. Die große Aufgabe, der die Kirche heute gegenübersteht, ist zweifellos jene, die sie für alle Zeiten hat, nämlich: das Evangeüum der ganzen Menschheit zu verkünden. Die Kirche muß „das Mysterium (des Herrn), wenn auch schattenhaft, so doch getreu in der Welt ... enthüllen, bis es am Ende im vollen Lichte offenbar wird“ (Lumen Gentium, Nr. 8). Diesen Ausblick vertraue ich für das Jahrzehnt, das dem dritten christlichen Jahrtausend vorangeht, eurem kirchlichen Gewissen an. Auch dürfen wir nicht vergessen, daß die Kirche in der gegenwärtigen Lage nur dann missionieren kann, wenn sie selbst gewillt ist, sich unablässig evangelisieren und bekehren und immer wieder an den Sinn ihrer Berufung und Sendung erinnern zu lassen, denn „die Kirche (umfaßt) Sünder in ihrem eigenen Schoße. Sie ist heilig und stets der Reinigung bedürftig, ihr Weg ist immerfort der der Buße und Erneuerung“ (ebd.) Liebe bischöfliche Mitbrüder des syro-malabarischen und des syro-malankarischen Ritus. Ich beglückwünsche euch zu euren aufopfernden Bemühungen um die Förderung der echten Traditionen eurer kirchlichen Gemeinschaften, der ihr euch mit der gebührenden Hirtensorge und unter Rücksicht auf die heutigen Bedingungen widmet. Ich ermutige euch zur Unterstützung des Laienapostolats und der Ordensgemeinschaften. Fürchtet euch nicht vor Schwierigkeiten oder der Unzulänglichkeit eurer Mittel. Der Herr kommt eurer 1366 AD-LIMINA-BESUCHE Schwäche zu Hilfe und stärkt euch. Seid ausdauernd, denn „wenn dann der oberste Hirt erscheint, werdet ihr den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen“ (1 Petr 5,4). Möge Maria, die Mutter des Erlösers, für euch und für eure geliebten syro-malabarischen und syro-malankarischen Kirchen ihre Fürbitte einlegen. 1367 Erklärungen der Kongregationen KONGREGATIONEN Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten- Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gemeinschaften des apostolischen Lebens vom 2. Februar Vorwort Zielsetzung der Ausbildung der Ordensleute 1. Die zeitgemäße Erneuerung der Ordensinstitute hängt wesentlich von der Ausbildung ihrer Mitglieder ab. Das Ordensleben führt Jünger Christi zusammen, denen geholfen werden soll, „die göttliche Gabe, welche die Kirche von ihrem Herrn empfangen hat und in seiner Gnade immer bewahrt“, zu empfangen. Daher werden auch die besten Formen der Anpassung des Ordenslebens an die Erfordernisse unserer Zeit nur dann Früchte tragen, wenn sie von einer tiefen geistlichen Erneuerung erfüllt sind. Die Ausbildung der Kandidaten, deren unmittelbares Ziel darin besteht, diese in das Ordensleben einzuführen und ihnen dessen Eigenart in der Kirche bewußt zu machen, soll daher vor allem danach trachten, durch die harmonische Abstimmung ihrer geistlichen, apostolischen, theoretischen und praktischen Elemente den Ordensmännem und Ordensfrauen behilflich zu sein, ihr Leben in Christus durch den Geist einheitlich zu verwirklichen. Eine ständige Sorge 2. Die Kirche hatte sich schon lange vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil über die Ausbildung der Ordensleute Gedanken gemacht. <844> Das Konzil hat dann im VI. Kapitel der dogmatischen Konstitution Lumen Gentium und im Dekret Perfectae caritatis Lehrgrundsätze und allgemeine Hinweise erstellt. Papst Paul VI. hat seinerseits die Ordensleute daran erinnert, daß, so verschieden und vielfältig auch die Lebensformen und Charismen sein mögen, alle Elemente des Ordenslebens immer auf die Formung des „inneren Menschen“ hingeordnet sein müssen. <845> Unser Heiliger Vater, Johannes Paul II., ist vom Beginn seines Pontifikats an in zahlreichen Ansprachen immer wieder auf die Ausbildung der Ordensleute eingegangen. <846> Dem Codex des kanonischen Rechtes schließlich ging es darum, die für eine zeitgemäße Erneuerung der Ausbildung notwendigen Erfordernisse in klaren Normen zu fassen. <847> <844> Bereits 1969 erweiterte die Kongregation in der Instruktion Renovationis causam einige damals gültige kirchenrechtliche Vorschriften, um „die gesamte Ausbildungsabfolge ... besser der Denkweise der heutigen Menschen, den modernen Lebensbedingungen sowie den derzeitigen Erfordernissen der apostolischen Tätigkeit anzupassen, ohne der Eigenart und dem besonderen Zweck der einzelnen Institute untreu zu werden“.7 <846> Das Dokument betrifft nur die Ordensinstitute. Es handelt von der besonderen Eigenart des Ordenslebens und widmet nur ein Kapitel den Erfordernissen, die für die Diakon- und Prie- Nachkonziliare Maßnahmen der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gemeinschaßen des apostolischen Lebens 1371 KONGREGATIONEN Andere Dokumente, die von diesem Dikasterium seither veröffentlicht wurden, haben zwar nicht direkt die Ausbildung der Ordensleute zum Inhalt, betreffen sie aber dennoch unter dem einen oder anderen Gesichtspunkt. Es handelt sich um die Dokumente Mutuae relationes, 1978, <848> <849> <850> <851> Das Ordensleben und die Förderung des Menschen und Die Kontemplative Dimension des Ordenslebens, beide 1980; <852> <853> Wesentliche Elemente der Lehre der Kirche überdas Ordensleben, 1983'°. Es wird zweckmäßig sein, sich dieser verschiedenen Dokumente zu bedienen, damit die Ausbildung der Ordensleute in vollem Einklang mit den pastoralen Richtlinien und Weisungen der Universalkirche und der Ortskirchen erfolgt und um bei den apostolisch tätigen Ordensmännem und Ordensfrauen „die Verbindung von Innerlichkeit und aktivem Wirken zu fördern“. <854> So wird das aktive Wirken „für den Herrn“ sie unaufhörlich zum Herrn, der „Quelle aller Tätigkeit“, hinführen. <855> <848> Das Dokument betrifft nur die Ordensinstitute. Es handelt von der besonderen Eigenart des Ordenslebens und widmet nur ein Kapitel den Erfordernissen, die für die Diakon- und Prie- sterausbildung erfüllt sein müssen. Diese sind Gegenstand ausführlicher Instruktionen des zuständigen Dikasteriums, welche auch auf die Ordensmänner als Kandidaten für diese Ämter anzuwenden sind.14 Unser Dokument versucht, gültige Richtlinien für das Ordensle- ben als ganzes zu geben. Es wird Sache jedes einzelnen Institutes sein, seiner je besonderen Eigenart entsprechend von diesen Richtlinien Gebrauch zu machen. Der Inhalt des Doku- ments gilt, soweit sich aus dem Textzusammenhang oder der Natur der Sache nicht anderes Zweck dieses Dokuments und an wen es gerichtet ist 4. Die Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens hält es jedoch für angebracht, ja notwendig, den höheren Oberen der Ordensinstitute und ihren mit der Ausbildung betrauten Brüder und Schwestern, einschließlich der Nonnen und Mönche, das vorliegende Dokument in die Hand zu geben, um so mehr, als viele von ihnen darum gebeten haben. Sie tut das kraft ihres Auftrags, den Instituten Richtlinien zu geben, die ihnen helfen soll, ihr Eigenrecht der Ausbildungsordnung (ratio), zu der sie das allgemeine Recht der Kirche verpflichtet, zu erstellen. <856> Andererseits haben die Ordensmänner und Ordensfrauen ein Recht darauf, die Ansicht des Heiligen Stuhles über die aktuellen Probleme der Ausbildung und über die von ihm zur Lösung dieser Probleme angeregten Vorschläge kennenzulemen. Das Dokument lehnt sich an zahlreiche Erfahrungen an, die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gemacht wurden, und geht auf Fragen ein, die von den höheren Oberen mehrmals aufgeworfen worden waren. Es erinnert alle an einige Forderungen des Rechts im Hinblick auf die Situation und die Bedürfnisse unserer Zeit. Schließlich hofft es, vor allem den entstehenden wie auch jenen Instituten, die augenblicklich nur über geringe Ausbildungs- und Informationsmöglichkeiten verfügen, einen Dienst erweisen zu können. ergibt, in rechtlich gleicher Weise für beide Geschlechter.15 1372 KONGREGATIONEN Anmerkungen des Vorworts 1 Lumen Gentium, Nr. 43 2 Vgl. Perfectae caritatis, Nr. 18, 3. Absatz 3 In chronologischer Reihenfolge: Sacrosanctum Concilium de Religiosis, Dekret Quo efficacius, 24.1.44: AAS 36 (1944) 213; Rundschreiben Quantum conferat, 10.6.44: Enchiridion de statibus perfecüonis, Romae 1949, Nr. 381, S. 561-564; Apostol. Konstitution Sedes Sapiendae, 21.5.56: AAS 48 (1956) 354-365. Und allgemeine Statuten im Anhang an die Konstitution 4 Evangeüca tesdficado, Nr. 32; cf., 2 Kor 4,16; Rom 7,22; Eph 4,24; EV996ff. 5 Johannes Paul II. in Porto Alegre, 5. Juli 1980. LDGP, IQ, 2,128; Johannes Paul II. in Bergamo, 26. April 1981. Ebd., IV, 1,1035; Johannes Paul K in Manila, 17. Februar 1981. Ebd., IV, 1, 329; dt. in: Wortu. Weisung, 1981,188-192; Johannes Paul U. an die Vertreter der Gesellschaft Jesu in Rom, 27. Februar 1982. IDGP, V,l, 704; dt. in: DAS 1982, 924-939; Johannes Paul II. an die Novizenmeister der Kapuziner in Rom, 28. September 1984. IDGP, VII, 2, 689; Johannes Paul II. in Lima, 1. Februar 1985. IDGP, VIII, 1,339; dt. in: DAS 1985, 397-404; Johannes Paul II. an die Vollversammlung der Internationalen Vereinigung der Generaloberinnen (UISG) in Rom, 7. Mai 1985. IDGP, VIII, 1, 1212; dt. in: DAS 1985, 1318-1321; Johannes Paul II. in Bombay, 10. Februar 1986. IDGP, IX, 1, 420; Johannes Paul II. an die UISG, 22. Mai 1986. Ebd., S. 1656; Johannes Paul H. an die Generalversammlung der Konferenz der Ordensleute Brasiliens, 11. Juli 1986. IDGP, IX, 2, 237; dt. in: OR dt., 19. 9. 1986, S. 7-8 6 Vgl. CIC, can. 641-661 7 Renovadonis causam, Vorwort: AAS 61 (1969) 103ff. 8 Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute sowie Kongregation für die Bischöfe: AAS 70 (1978) 473ff. 9 Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, EVI, 414ff. 10 Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, EV9, 181ff. 11 Die kontemplative Dimension des Ordenslebens-, Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1980, Nr. 4 12 Johannes Paul K an die CRIS, 7. März 1980. IDGP, III, 1, 527; dt. in: Wort und Weisung, 1980, S. 108 13 Vgl. can. 659, § 2 u. 3 14 Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis, Nr. 1,2: AAS 62 (1970) 321ff. 15 Vgl. can. 606 1373 KONGREGATIONEN Erstes Kapitel Geweihtes Leben und Ausbildung Ordensidentität und Ausbildung 6. Das erste Ziel der Ausbildung ist es, den Kandidaten für das Ordensleben und den jungen Menschen nach Ablegung der Ordensgelübde zu ermöglichen, sich zunächst der Identität des Ordenslebens bewußt zu werden, sie sich dann anzueignen und sie zu vertiefen. Nur unter diesen Voraussetzungen werden sich Ordensangehörige als bedeutsame, wirkungsvolle und treue Zeugen in die Welt einfügen.1 Am Anfang eines Dokumentes über die Ordensausbildung muß daher in Erinnerung gerufen werden, worin für die Kirche die Gnade der Weihe zum Ordensleben besteht. Das geweihte Leben nach dem Kirchenrecht 7. „Das Ordensleben macht als Weihe der ganzen Person eine von Gott gestiftete wunderbare Verbindung in der Kirche sichtbar und ist ein Zeichen der kommenden Welt. So vollzieht der Ordensangehörige seine völlige Hingabe gleichsam als ein Gott dargebrachtes Opfer, wodurch sein ganzes Dasein zu einer beständigen Verehrung Gottes in der Liebe wird.“ „Das durch die Profeß der evangelischen Räte geweihte Leben“ - aus dem das Ordensleben herausragt - „besteht in einer auf Dauer angelegten Lebensweise, in der Gläubige unter der Leitung des Heiligen Geistes in besonders enger Nachfolge Christi sich Gott, dem höchstgeliebten, gänzlich hingeben und zu seiner Verherrlichung wie auch zur Auferbauung der Kirche und zum Heil der Welt eine neue und besondere Bindung eingehen, um im Dienst am Reich Gottes zur vollkommenen Liebe zu gelangen und, ein strahlendes Zeichen in der Kirche geworden, die himmlische Herrlichkeit anzukündigen.“2 „Diese Lebensweise in von der zuständigen Autorität der Kirche kanonisch errichteten Instituten des geweihten Lebens übernehmen Gläubige in freier Entscheidung, die nach den eigenen Satzungen der Instimte durch Gelübde oder andere heilige Bindungen sich zu den evangelischen Räten der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams bekennen und durch die Liebe, zu der diese Räte sie hinführen, sich in besonderer Weise mit der Kirche und deren Heilswerk verbinden.“3 Göttliche Berufung zu einer Heilssendung 8. Am Anfang der Weihe zum Ordensleben steht ein Anruf Gottes, der nichts anderes bedeutet, als die Liebe, die er dem von ihm berufenen Menschen entgegenbringt. Diese Liebe ist absolut selbstlos, persönlich und einzigartig. Sie ergreift vom Menschen so sehr Besitz, daß er nicht mehr sich selbst gehört, sondern Christus.4 Sie nimmt so den Charakter einer festen Bindung an. In dem Blick, den Jesus auf den reichen Jüngling richtete, kommt dieser Cha- 1374 KONGREGATIONEN rakter zum Ausdruck: „Da sah ihn Jesus an und gewann ihn lieb“ (vgl. Mk 10,21). Die Gabe des Geistes ist Kennzeichen und Ausdruck dieser Liebe. Diese Gabe veranlaßt den von Gott berufenen Menschen, durch die Übernahme und Verwirklichung der evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams Christus nachzufolgen. Es ist „eine göttliche Gabe, welche die Kirche von ihrem Herrn empfangen hat und in seiner Gnade immer bewahrt“.5 Darum muß „die letzte Norm des Ordenslebens die im Evangelium dargelegte Nachfolge Christi“ sein.6 Eine persönliche Antwort 9. Der Ruf Christi, der Ausdruck einer erlösenden Liebe ist, „umfaßt die ganze Person, Seele und Leib, ob Mann oder Frau, in ihrem einen und unwiederholbaren personalen ,Ich’“.7 „Dieser Heilsruf nimmt im Herzen des Gerufenen die konkrete Gestalt der Profeß der evangelischen Räte an“.8 In dieser Form geben die Frauen und Männer, die Gott ruft, ihrerseits Christus dem Erlöser, eine Antwort der Liebe: ein Liebe, die sich ganz und vorbehaltlos hingibt und die ganze Person „als lebendiges und heiliges Opfer, das Gott gefällt“ (vgl. Röm 12,1), darbringt. Nur diese Liebe, die auch hochzeitlichen Charakter hat und das ganze Gefühlsleben der Person bestimmt, wird den, der um Christi und des Evangeliums willen „sein Leben verliert“ (vgl. Mk 8,35), die Entsagungen und das Kreuz, auf die er unweigerlich stößt, motivieren und ertragen lassen.9 Diese persönliche Antwort ist integrierender Bestandteil der Weihe zum Ordensleben. Die Ordensprofeß: ein kirchlicher Akt der Weihe und Eingliederung 10. Nach dem Kirchenrecht „übernehmen in der Ordensprofeß die Mitglieder durch ein öffentliches Gelübde die Beachtung der drei evangelischen Räte, werden Gott durch den Dienst der Kirche geweiht und dem Institut mit den vom Recht festgesetzten Rechten und Pflichten eingegliedert“.10 In dem liturgischen Akt der Ordensprofeß, der ein Akt der Kirche in der Autorität dessen ist, der die Gelübde entgegennimmt, laufen das Handeln Gottes und der Weg des betreffenden Menschen zusammen.11 Dieser Akt begründet die Eingliederung in ein Institut. Die Mitglieder „führen ein brüderliches Leben in Gemeinschaft“,12 und das Institut verhilft ihnen „zu größerer Beständigkeit in der Lebensweise, zu einer erprobten Lehre über das Streben nach Vollkommenheit, zu einer brüderlichen Gemeinschaft“ in der militia Christi „und zu einer durch den Gehorsam gefestigten Freiheit. Dadurch können sie ihr Ordensgelöbnis sicher erfüllen und getreu bewahren und auf dem Weg der Liebe in geistlicher Freude voranschreiten“.13 Ihre Zugehörigkeit zu einem Institut hält die Ordensleute dazu an, von Christus und der Kirche ein öffentliches Zeugnis zu geben, das vom „Geist der Welt“ (1 Kor 2,12) und von den Haltungen, die er nach sich zieht, weit entfernt ist, ebenso wie ein Zeugnis von der Anwesenheit in der Welt gemäß der „Weisheit Gottes“ (I Kor 2,7). 1375 KONGREGATIONEN Das Leben nach den evangelischen Räten 11. „Die Ordensprofeß legt in das Herz eines jeden ... Liebe des Vaters; jene Liebe, die im Herzen Jesu Christi ist, des Erlösers der Welt. Es ist die Liebe, die die Welt umfängt und alles, was in ihr vom Vater kommt; zugleich sucht sie alles in der Welt zu überwinden, was ,nicht vom Vater kommt’“. „Eine solche Liebe muß ... aus derselben Quelle jener besonderen Weihe hervorströmen, die - auf dem sakramentalen Grund der hl. Taufe - den Beginn des neuen Lebens [der Ordensleute] in Christus und in der Kirche, den Beginn der neuen Schöpfung darstellt.“ 12. Glaube, Hoffnung und Liebe drängen die Ordensleute dazu, durch die Gelübde die drei evangelischen Räte zu verwirklichen und sich zu ihnen zu bekennen und so die Bedeutung des Geistes der Seligpreisungen für diese Welt zu bezeugen. Die evangelischen Räte sind gleichsam die Grundpfeiler des Ordenslebens, weil sie in vollkommener und bedeutsamer Weise den evangelischen Radikalismus, der es kennzeichnet, zum Ausdruck bringen. Denn „durch die Verpflichtung auf die evangelischen Räte in der Kirche [will der Ordensangehörige] von den Hindernissen, die ihn von der Glut der Liebe und der Vollkommenheit der Gottesverehrung zurückhalten könnten, frei werden und wird dem göttlichen Dienst inniger geweiht“. Sie betreffen drei wesentliche Ebenen der Existenz und der Beziehungen der menschlichen Person: Gefühl, Besitz und Macht. Aus dieser anthropologischen Verwurzelung erklärt sich, daß die geistliche Überlieferung der Kirche sie häufig mit den vom hl. Johannes genannten drei Begierden in Verbindung gebracht hat. Die richtige Befolgung der Räte fördert die persönliche Entfaltung, die geistliche Freiheit, die Reinigung des Herzens, facht die Glut der Liebe an und hilft dem Ordensmann und der Ordensfrau, mitzuwirken am Aufbau der irdischen Gesellschaft. Die evangelischen Räte haben, wenn sie möglichst authentisch gelebt werden, eine große Bedeutung für alle Menschen, denn jedes Gelübde gibt eine spezifische Antwort auf die großen Versuchungen unserer Zeit. Durch die Räte zeigt die Kirche weiterhin der Welt die Wege zu ihrer Verwandlung in das Reich Gottes. Darum ist es so wichtig, aufmerksame Sorge darauf zu verwenden, daß die Kandidaten für das Ordensleben theoretisch und praktisch in die konkreten Anforderungen der drei Gelübde eingeführt werden. Keuschheit 13. „Der um des Himmelreiches willen übernommene evangelische Rat der Keuschheit, der ein Zeichen der künftigen Welt und eine Quelle reicherer Fruchtbarkeit eines ungeteilten Herzens ist, bringt die Verpflichtung zu vollkommener Enthaltsamkeit im Zölibat mit sich.“ Die Befolgung dieses Rates setzt voraus, daß die durch die Ordensgelübde geweihte Person „in mehr unmittelbarer Weise“ (Evangelica testificatio, Nr. 13) eine Beziehung zu Gott durch Christus im Heiligen Geist in den Mittelpunkt ihres Gefühlslebens stellt. „Die Beobachtung vollkommener Enthaltsamkeit rührt sehr unmittelbar an tiefere Neigungen der menschlichen Natur. Darum dürfen Kandidaten nur nach wirklich ausreichender Prüfung und nach Erlangung der erforderlichen psychologischen und affektiven Reife zum Gelöbnis 1376 KONGREGATIONEN der Keuschheit hinzutreten und zugelassen werden. Man soll sie nicht nur auf die Gefahren für die Keuschheit aufmerksam machen, sondern sie anleiten, die gottgewollte Ehelosigkeit zum Wohl der Gesamtperson innerlich zu übernehmen.“ Eine instinktive Neigung führt die menschliche Person dazu, die menschliche Liebe zu verabsolutieren. Gekennzeichnet ist diese Neigung von dem affektiven Egoismus, der in einer Herrschaft über die geliebte Person sichtbar wird, so als könnte aus diesem Besitz das Glück erwachsen. Andererseits bereitet es dem Menschen große Mühe, zu begreifen und vor allem zu verwirklichen, daß die Liebe in der völligen Selbsthingabe gelebt werden kann ohne notwendigerweise den sexuellen Ausdruck zu erfordern. Die Erziehung zur Keuschheit soll daher darauf ausgerichtet sein, jedem einzelnen zu helfen, seinen Sexualtrieb zu kontrollieren und zu beherrschen, während er sich gleichzeitig vor einem affektiven Egoismus hüten muß, der ihn hochmütige Befriedigung über seine geübte Enthaltsamkeit empfinden läßt. Nicht zufällig räumten die alten Kirchenväter der Demut den Vorrang vor der Keuschheit ein, da diese letztere eben, wie die Erfahrung beweist, sich mit der Härte des Herzens abfinden kann. Die Keuschheit befreit das Herz des Menschen in einzigartiger Weise von seinen Fesseln (vgl. 1 Kor 7,32-35), so daß es vor Liebe zu Gott und zu allen Menschen glüht. Einer der größten Beiträge, die die Ordensleute für die Menschheit heute erbringen können, besteht gewiß darin, daß sie ihnen, mehr durch ihr Leben als durch ihre Worte, die Möglichkeit einer echten Hingabe und einer Offenheit für die anderen enthüllen, indem sie ihre Freuden teilen, treu und beständig in der Liebe sind, ohne Haltungen der Herrschsucht oder der Exklusivität anzunehmen. Die Erziehung zur gottgeweihten Keuschheit soll daher für folgendes Sorge tragen: - Erhaltung der Freude und Dankbarkeit für die persönliche Liebe, mit der jeder einzelne von Christus angeblickt und erwählt wurde; -Ermutigung zum häufigen Empfang des Sakramentes der Wiederversöhnung, zur Anwendung einer geordneten geistlichen Führung und zur Teilnahme an einer wahrhaft brüderlichen Liebe in Gemeinschaft, die in offenen und herzlichen Beziehungen konkrete Gestalt annimmt; - Erklärung des Wertes und der Bedeutung des Körpers, Anhalten zu einer grundlegenden Körperpflege (Schlaf, Sport, Entspannung, Ernährung usw.); - Erteilung der Grundkenntnisse über die Sexualität des Mannes und der Frau mit den entsprechenden physischen, psychologischen und geistigen Hinweisen; - Hilfe zur Selbstkontrolle im sexuellen und affektiven Bereich, aber auch im Hinblick auf andere instinktmäßige oder erworbene Bedürfnisse (Naschen, Tabak, Alkohol); - Hilfe an jeden, seine früheren Erfahrungen anzunehmen: die positiven, um dafür zu danken, die negativen, um die Schwachstellen ausfindig zu machen, sich friedlich vor Gott zu erniedrigen und in Zukunft wachsam zu bleiben; 1377 KONGREGATIONEN - Herausstellen der Fruchtbarkeit der Keuschheit, der Geburt aus dem Geist (Gal 4,19), die das Leben für die Kirche hervorbringt; - Schaffung eines Klimas des Vertrauens zwischen den Ordensleuten und ihren Erziehern, die bereit sein müssen, alles aufzunehmen und mit aufrichtiger Zuneigung hinzuhören, um Erklärungen zu geben und Hilfe zu leisten; - Verhalten, das im Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel sowie jener zwischenmenschlichen Beziehungen, die einer treu gelebten Keuschheit hinderlich sein können, von der gebotenen Klugheit geprägt ist (vgl. can. 277 § 2 und 666). Diese Klugheit wird nicht nur von den Ordensleuten, sondern auch deren Oberen gefordert. Armut 14. „Der evangelische Rat der Armut in die Nachfolge Christi, der um unseretwillen arm wurde, obwohl Er reich war, hat außer einem in Wirklichkeit und im Geiste armen Leben, das nach Kräften in Bescheidenheit und fern von irdischem Reichtum zu führen ist, Abhängigkeit und Beschränkung zur Folge in Gebrauch und Verfügung über Vermögen nach Maßgabe des Eigenrechts der einzelnen Instimte.“ Das Gespür für die Armut ist nicht neu, weder in der Kirche noch im Ordensleben. Neu ist vielleicht, daß heute ein besonderes Gefühl für die Armen und für die Armut in der Welt das Ordensleben kennzeichnet. Es gibt heute Formen von Armut in großem Ausmaß, die einzelne oder ganze Gesellschaften zu ertragen haben: Hunger, Unwissenheit, Krankheiten, Arbeitslosigkeit, Unterdrückung grundlegender Freiheiten, wirtschaftliche und politische Abhängigkeit, Korruption in den öffentlichen Verwaltungsapparaten, und allem Anschein nach ist die menschliche Gesellschaft so organisiert, daß sie diese verschiedenen Armutsformen erzeugt und immer wieder erzeugt, ja vervielfältigt. Unter diesen Bedingungen werden die Ordensleute zu einer größeren Nähe zu den Ärmsten und Bedürftigsten angehalten, also zu den Menschen, die Jesus seit jeher bevorzugt hat, zu denen er nach seiner eigenen Aussage gesandt wurde und mit denen er sich identifizierte. Diese Nähe zu den Armen läßt die Ordensleute einen persönlichen und gemeinschaftlichen Lebensstil annehmen, der konsequent ihrer Verpflichtung entspricht, dem armen und erniedrigten Jesus unmittelbarer nachzufolgen und auch die Situation der Armen zu teilen. Diese dem Evangelium entsprechende „vorrangige Entscheidung“ der Ordensleute für die Armen schließt das innere Losgelöstsein, die Einfachheit und Strenge des Kommunitätslebens ein und bedeutet mitunter, daß sie das Leben und den Lebenskampf dieser Menschen teilen, ohne jedoch zu vergessen, daß die eigentliche Sendung der Ordensleute darin besteht, „auf herausragende Weise Zeugnis zu geben, daß die Welt nicht verwandelt und Gott geweiht werden kann, außer im Geist der Seligpreisungen“. Gott liebt die ganze Menschheitsfamilie und will sie als ganze, ohne jemanden auszuschließen, sammeln. Es ist für die Ordensmänner und Ordensfrauen auch eine Armutsform, sich nicht in ein bestimmtes Milieu oder eine soziale Klasse abdrängen zu lassen, denn die echten Armen sind in allen Kreisen zu finden. Dies gilt, unter Berücksichtigung der je beson- 1378 KONGREGATIONEN deren Eigenart ihres Charismas, ebenso für die Institute, die sich einem Dienst an den am meisten benachteiligten sozialen Schichten verschrieben haben. Das Studium der Soziallehre der Kirche und besonders der Enzyklika Sollicitudo rei socialis und der Instruktionen über die christliche Freiheit und Befreiung soll den Ordensleuten helfen, die für eine aktualisierte Übung der evangelischen Armut erforderlichen Unterscheidungen vorzunehmen. Die Erziehung zur evangelischen Armut soll auf folgende Punkte achten: - Vor dem Eintritt ins Ordensleben erfreuten sich manche dieser jungen Leute einer gewissen finanziellen Unabhängigkeit und waren gewohnt, sich alles, worauf sie Lust hatten, zu besorgen. Andere wiederum finden in der Ordensgemeinschaft einen höheren Lebensstandard vor, als sie ihn aus ihrer Kindheit oder ihren Studien- bzw. Arbeitsjahren gewohnt waren. Die Erziehung zur Armut soll die Geschichte jedes einzelnen berücksichtigen. Man wird auch daran denken müssen, daß in manchen Kulturen die Familien sich von dem, was gleichsam als ein sozialer Aufstieg für ihre Kinder erscheint, erwarten, daß es auch ihnen zugute kommt; - zur Tugend der Armut gehört es, sich einzulassen auf ein arbeitsreiches Leben, auf einen strengen Lebensstil sowie auf eine konkrete demütige Art des Verzichts auf Eigentum, die die Betreffenden -freier für ihre Sendung machen; die Schöpfung und die in ihr dem Menschen zur Verfügung gestellten materiellen Güter zu bewundern und zu respektieren; die Versorgung mit dem Lebensnotwendigen der Gemeinschaft zu überlassen; den aufrichtigen Wunsch zu bekunden, daß „alle alles gemeinsam haben“ und „jedem davon so viel zugeteilt wird, wie er nötig hat“ (vgl. Apg 4,32.35). Das alles, um dem armen, geliebten Jesus nachzufolgen und zum Mittelpunkt des eigenen Lebens zu machen. Andernfalls nimmt die religiöse Armut in Form der Solidarität und der Güterteilung allzu leicht ideologisch-politischen Charakter an. Nur ein armes Herz, das sich anschickt, dem armen Christus nachzufolgen, kann die Quelle echter Solidarität und wahrer Uneigennützigkeit sein. Gehorsam 15. „Der im Geist des Glaubens und der Liebe in die Nachfolge des bis zum Tode gehorsamen Christus übernommene evangelische Rat des Gehorsams verpflichtet zur Unterwerfung des Willens gegenüber den rechtmäßigen Oberen als Stellvertretern Gottes, wenn sie im Rahmen der eigenen Konstitutionen befehlen.“ Alle Ordensleute unterstehen außerdem „aus einem eigenen Grunde der höchsten Autorität der Kirche ... und sind gehalten, dem Papst als ihrem höchsten Oberen auch kraft der heiligen Gehorsamsbindung Folge zu leisten“. „Weit davon entfernt, die Würde der menschlichen Person zu mindern, führt der Ordensgehorsam diese durch die größer gewordene Freiheit der Kinder Gottes zu ihrer Reife.“ Der Ordensgehorsam ist zugleich Nachahmung Christi und Teilnahme an seiner Sendung. Es geht ihm darum zu tun, was Christus getan hat, und zugleich das zu tun, was er in der konkreten Situation, in der sich die Ordensleute heute befinden, tun würde. Daß in einem Institut 1379 KONGREGATIONEN die Obemautorität ausgeübt wird oder nicht, kann man ohne Berufung auf die Sendung weder befehlen noch befolgen. Wenn der Ordensangehörige gehorcht, stellt er seinen Gehorsam in einen kontinuierlichen Zusammenhang mit dem Gehorsam Jesu zur Rettung der Welt. Daher ist alles, was bei der Ausübung der Autorität bzw. bei der Leistung des Gehorsams durch Kompromiß, diplomatische Lösung oder Zwang oder irgendeine andere Art menschlicher Machenschaften zustande kommt, ein Verrat an der grundlegenden Inspiration des Ordens-gehorsams, nämlich sich nach der Sendung Jesu zu richten und sie hier und jetzt zu verwirklichen, selbst wenn der Einsatz schwer ist. Ein Oberer, der den Dialog fördert, erzieht zu einem aktiven und verantwortungsvollen Gehorsam. Dennoch kommt es ihm zu, „seine Autorität zu gebrauchen, wenn entschieden und angeordnet werden muß, was zu tun ist“. Was die Erziehung zum Gehorsam betrifft, soll folgendes beachtet werden: - Um sich dem Gehorsam hingeben zu können, muß man zuerst als Person existieren. Die Kandidaten müssen die Anonymität der technischen Welt verlassen, sich als Personen erkennen und als solche anerkannt, geschätzt und geliebt werden; - die Kandidaten müssen zur wahren Freiheit finden, um persönlich von „dem, was ihnen gefällt“, zu dem zu gelangen, „was dem Vater gefällt“. Deshalb sollen die Strukturen der Ausbildungskommunität, auch wenn sie klar und eindeutig festgelegt sind, den Eigeninitiativen und verantwortlichen Entscheidungen einen breiten Raum lassen; - daß der Wille Gottes sich meistens und auf herausragende Weise durch die Vermittlung der Kirche und ihres Lehramtes kundtut, und für die Ordensleute besonders durch ihre eigenen Ordenssatzungen; - was den Gehorsam anbelangt, so hat das Zeugnis der älteren Kommunitätsmitglieder mehr Bedeutung für die jungen Leute als jede andere theoretische Überlegung. Wer sich jedoch wie Christus und in Christus zu gehorchen bemüht, dem gelingt es, weniger vorbildliche Beispiele einfach unbeachtet zu lassen. Die Erziehung zum Ordensgehorsam wird daher mit aller Klarheit und dem erforderlichen Anspruch darauf abzielen, daß man nicht von dem „Weg“ abkommt, der Christus mit seiner Sendung ist. Die Ordensinstitute: Eine Vielfalt von Gaben, die gepflegt und bewahrt werden müssen. 16. Die Vielfalt der Ordensinstitute gleicht „einem Baum, der aus einem von Gott gegebenen Keim wunderbar und vielfältig auf dem Ackerfeld des Herrn Zweige treibt“. Durch sie macht „die Kirche wirklich ... den Gläubigen wie den Ungläubigen Christus sichtbar ..., wie er auf dem Berg in der Beschauung weilt oder wie er den Scharen das Reich Gottes verkündigt oder wie er die Kranken und Schwachen heilt und die Sünder zum Guten bekehrt oder wie er die Kinder segnet und allen Wohltaten erweist, immer aber dem Willen des Vaters gehorsam ist, der ihn gesandt hat.“ 1380 KONGREGATIONEN Diese Mannigfaltigkeit erklärt sich aus der Mannigfaltigkeit des „Charismas der Ordensstifter“. Dieses Charisma „scheint eine gewisse Erfahrung des Geistes zu sein, die den eigenen Schülern überliefert wurde, damit sie danach leben, sie hüten, vertiefen und ständig weiterentwickeln in der gleichen Weise, wie auch der Leib Christi ständig wächst. Deshalb ,schützt und fördert die Kirche den eigenen Charakter der verschiedenen Ordensinstitute’“ (Lumen Gentium, Nr. 44). Deshalb sollen die evangelischen Räte auch nicht gleichförmig befolgt werden, sondern jedes Institut hat „unter Beachtung der Eigenart und der eigenen Ziele“ seine eigene Axt und Weise der Befolgung festzulegen. Es geht dabei jedoch nicht nur um die getreue Befolgung der evangelischen Räte, sondern um alles, was den Lebensstil der Mitglieder des Instituts betrifft, die nach Vollkommenheit ihres Standes streben. Ein im Heiligen Geist geeintes Leben 17. „Wer sich auf die evangelischen Räte verpflichtet, muß vor allem Gott, der uns zuvor geliebt hat (vgl. 1 Joh 4,10), suchen und lieben und sich in allen Lebensumständen bemühen, ein mit Christus verborgenes Leben (vgl. Kol 3,3) zu führen. Daraus fließt die Nächstenliebe zum Heil der Welt und zum Aufbau der Kirche“.' Diese Liebe, die selbst wieder die Verwirklichung der evangelischen Räte beseelt und leitet, wird in die Herzen ausgegossen vom Geist Gottes, der ein Geist der Einheit, der Harmonie und der Versöhnung nicht nur der Menschen untereinander, sondern auch im Innern jedes einzelnen Menschen selbst ist. Deshalb dürfte das persönliche Leben eines Ordensmannes oder einer Ordensfrau eigentlich nicht unter Spaltungen leiden, weder zwischen dem allgemeinen Ziel ihres Ordenslebens und dem besonderen Ziel ihres Instituts, noch zwischen der Weihe an Gott und der Entsendung in die Welt, noch zwischen dem Ordensleben als solchem einerseits und den apostolischen Tätigkeiten andererseits. Es gibt konkret kein Ordensleben „an sich“, das gleichsam wie ein Zusatz das besondere Ziel und eigene Charisma jedes Instituts überlagern würde. In den Instituten, die sich dem Apostolat widmen, sind sowohl das Streben nach Heiligkeit und die Befolgung der evangelischen Räte wie auch das Gott und seinem Dienst geweihte Leben an und für sich mit dem Dienst an der Kirche und der Welt verbunden. Oder besser, in diesen Instituten gehören „die apostolische und die caritative Tätigkeit zum eigentlichen Wesen des Ordenslebens“, und zwar so sehr, daß „das ganze Ordensleben ... von apostolischem Geist durchdrungen und alle apostolische Arbeit vom Ordensgeist geprägt sein“ muß. Der Dienst am Nächsten entfernt und trennt den Ordensmann oder die Ordensfrau nicht von Gott. Wenn dieser Dienst von einer wahrhaft göttlichen Liebe beseelt ist, gewinnt er Wert und Bedeutung eines Dienstes an Gott. Und man kann daher mit Recht sagen, „das Apostolat aller Ordensleute besteht in erster Linie im Zeugnis ihres geweihten Lebens“. <857> <858> <859> <857> Es wird Sache jedes einzelnen sein zu überprüfen, inwieweit in seinem eigenen Leben die apostolische Arbeit aus seiner tiefen Verbundenheit mit Gott hervorgeht und zugleich diese Verbundenheit enger macht und stärkt.46 Unter diesem Gesichtspunkt ist der hier und jetzt in 1381 KONGREGATIONEN der empfangenen Sendung bekundete Gehorsam das direkte Mittel, durch das sich eine gewisse - geduldig gesuchte, aber niemals erreichte - Einheit des Lebens verwirklichen läßt. Dieser Gehorsam ist nur aus dem Willen zu erklären, Christus möglichst unmittelbar nachzufolgen, ein Wille, der seinerseits von einer persönlichen Liebe Christi beseelt und angeregt wird. Diese Liebe ist das Prinzip der inneren Einheit des ganzen gottgeweihten Lebens. Die Einheit des Lebens läßt sich in geeigneter Weise aufgrund einer vierfachen Treue nachwei-sen: die Treue zu Christus und zum Evangelium, die Treue zur Kirche und zu ihrer Sendung in der Welt, die Treue zum Ordensleben und zum Charisma des eigenen Institutes, die Treue zum Menschen und zu unserer Zeit. Anmerkungen des 1. Kapitels 1 Vgl. Johannes Paul II. an die Vollversammlung der UISG, 1. Mai 1985. dt. in: DAS 1985,1320 2 Can. 607 § 1 und 573 § 1; vgl. Lumen Gentium, Nr. 44 und Perfectae Caritatis, Nr. 1, Nr. 5 u. Nr. 6 3 Can. 573 § 2 4 Vgl. 1 Kor 6,19 5 Lumen Gentium, Nr. 43 6 Vgl. Perfectae Caritatis, Nr. 2a Über die göttliche Berufung, vgl. auch Lumen Gentium, Nr. 39, Nr. 43b, Nr. 44a, Nr. 47; Perfectae Caritatis, Nr. lc; Renovationis causam, Vorwort, 2d; Ordo Professiönis Reügiosae 1,57,62,67,85, 140, 142; II65,72; Anhang, Ordo consecrationis Virginum 17, 20; Evangelica testißcatio, Nm. 3, 6, 8,10,19, 31, 55';: Mutuae relationes, Nr. 8a; can. 574 § 2,575; Elements essentiells de Penseignement de lEglise sur la Vie Religieuse appüques aux instituts consacres ä l’apostolat [Wesentliche Elemente der Lehre der Kirche über das Ordensleben, angewandt auf die apostolisch tätigen Institute]'. Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1983, 2, 5, 6, 7, 12, 14, 23, 44, 53; Redemptionis donum, Nm. 3c, 6b, 7d, 10c, 16a 7 Redemptionis donum, Nr. 3 8 Redemptionis donum, Nr. 8 9 Über die persönliche Antwort, vgl. auch Lumen Gentium; Nr. 44a, Nr. 46b, Nr. 47; Perfectae Caritatis, Nr. lc; Renovationis causam 2a c, 13,1; Ordo Professionis Religiosae I, 7, 80; Evangelica testißcatio, Nm. 1,4,7, 8, 31; can. 573 § 1; Elements essentiells de Penseignement de lEglise surla Vie Religieuse appüques aux instituts consacres äPapo-stolat [Wesentliche Elemente der Lehre der Kirche Uber das Ordensleben, angewandt auf die apostolisch tätigen Institute]: Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1983,4, 5, 30,44,49; Redemptionis donum, Nm. 7a, 8b, 9b l0VgL can. 654 11 Vgl. Elements essentiells de Penseignement de lEglise sur la Vie Religieuse appüques aux instituts consacres ä Papostolat [Wesentiiche Elemente der Lehre der Kirche über das Ordensleben, angewandt auf die apostoüsch tätigen Institute]: Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1983,13-17 12 Vgl. can. 607 § 2 13 Lumen Gentium, Nr. 43a. Über das Amt der Kirche bei der Ordensweihe, vgl. auch Lumen Gentium, Nr. 44a, Nr. 45c; Perfectae Caritatis, Nr. lb, c, Nr. 5b, Nr. 1 la; Ordo Professionis Religiosae, Anhang, Missa in die profes-sionis perpetuae 1; Ritus promissionis 5; Ordo consecrationis Virginum 16; Evangelica testißcatio, Nm. 7, 47; Mutuae relationes, Nr. 8; can. 573 § 2, 576, 598, 600-602; Elements essentiells de Penseignement de lEglise surla Vie Reügieuse appüques aux instituts consacres a Papostolat [Wesentiiche Elemente der Lehre der Kirche über das Ordensleben, angewandt auf die apostoüsch tätigen Institute]: Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1983, 7, 8, 11,13,40,42; Redemptionis donum, Nm. 7a, b, 14c 14 Redemptionis donum, Nr. 9 15 Redemptionis donum, Nr. 8 16 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 31 17 Lumen Gentium, Nr. 44 1382 KONGREGATIONEN 18 Vgl. 1 Joh 2,15-17 19 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 46 20 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 39, Nr. 42, Nr. 43 21 Can. 599 22 Perfectae Caritatis, Nr. 12 23 Can. 600 24 Vgl. Lk 4,16-21 25 Vgl. Lk 7,18-23 26 Schlußdokument von Puebla, Nr. 733-735, Johannes Pani II. spricht von der „Liebe der Auserwählung“ (Rede an die Familie von Prado, Lyon, 7. 10. 1986) 27 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 31 28 Vgl. Gaudium etspes, Nr. 32 29 Kongregation für die Glaubenslehre, 22. 3.1986 30 Can. 601 31 Vgl. can. 590 § 1 u. 2 32 Vgl. Perfectae caritatis, Nr. 14 33 Vgl. ebd. 34 Vgl. Joh 14,6 35 Lumen Gentium, Nr. 43 36 Lumen Gentium, Nr. 46 37 Evangelica testificatio, Nr. 11; vgl. Vorw., Anm. 4 38 Mutuae relationes, Nr. 11; vgl. Vorw., Anm. 8 39 Can. 598 § 1 40 Vgl. can. 598 § 2 41 Perfectae caritatis, Nr. 6 42 Vgl. Perfectae caritatis, Nr. 5 43 Perfectae caritatis, Nr. 8 44 Thomas von Aquin, S. Theol. II-IIae, q. 188; a. 1 u. 2 45 Can. 673 46 Vgl. Perfectae caritatis, Nr. 8 47 Vgl. Das Ordensleben und die Förderung des Menschen: Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1980, 13-21; vgl. Vorw., Anm. 9 1383 KONGREGATIONEN Zweites Kapitel Aspekte, die allen Abschnitten der Ausbildung zum Ordensleben gemeinsam sind A) Vermittler und Umfeld der Ausbildung Der Geist Gottes 19. Gott selbst beruft Menschen zum geweihten Leben in der Kirche. Er behält während des ganzen Lebens der Ordensleute die Initiative: „Gott, der euch beruft, ist treu; er wird es tun.“ Wie sich Jesus nicht damit zufrieden gegeben hat, seine Jünger zu berufen, sondern sie während seines öffentlichen Wirkens geduldig erzogen hat, so fuhr er nach seiner Auferstehung fort, sie durch seinen Geist „in die ganze Wahrheit zu führen“. Dieser Geist, dessen Wirken zwar von anderer Art ist als die Erkenntnisse der Psychologie oder die sichtbare Geschichte, der aber auch durch sie tätig ist, handelt im Verborgenen des Herzens eines jeden von uns, um sich dann in sichtbaren Früchten zu offenbaren: Er ist die Wahrheit, die „lehrt“, „erinnert“, „führt“. Er ist „die Salbung“, die uns erkennen, ermessen, beurteilen, wählen läßt. Er ist der Beistand und Tröster, der „sich unserer Schwachheit annimmt“, uns stärkt und uns den Geist des Sohnes schenkt. Diese unauffällige, aber entschiedene Gegenwart des Geistes Gottes verlangt zwei Grundhaltungen: die Demut, die sich der Weisheit Gottes überläßt, und die Kenntnis und praktische Übung der geistlichen Unterscheidung. Es kommt in der Tat darauf an, die Gegenwart des Geistes in sämtlichen Aspekten des Lebens und der Geschichte und durch die menschliche Vermittlung erkennen zu können. Was diese letztere betrifft, gilt es, die Öffnung für einen geistlichen Führer wachzuhalten, die von dem Wunsch, selbst klar zu sehen, und von der Bereitschaft geweckt wird, sich beraten und lenken zu lassen, um den Willen Gottes einwandfrei zu erkennen. Die Jungfrau Maria 20. Mit dem Wirken des Heiligen Geistes verbunden war seit jeher die Jungfrau Maria, Gottesmutter und Mutter aller Glieder des Gottesvolkes. Denn durch ihn hat sie das Wort Gottes in ihrem Schoß empfangen und auf ihn wartete sie zusammen mit den Aposteln, im Gebet verharrend (vgl. Lumen Gentium, Nr. 52 u. Nr. 59), am Morgen nach der Himmelfahrt des Herrn. Darum treffen die Ordensmänner und Ordensfrauen in jeder Phase ihrer Ausbildung auf die Gegenwart Mariens. „Unter allen Personen, die sich vorbehaltlos Gott geweiht haben, ist sie die erste. Sie - die Jungfrau von Nazaret - ist diejenige, die am vollständigsten und auf die vollkommenste Weise Gott geweiht ist. In der göttlichen Mutterschaft erreicht ihre bräutliche Liebe durch die Kraft des Heiligen Geistes ihren Höhepunkt. Sie, die als Mutter Christus auf ihren Armen trägt, verwirklicht zugleich in vollkommenster Weise seinen Ruf ,Folge mir’. Sie folgt ihm - sie, die Mutter - als ihrem Meister in Keuschheit, Armut und Gehorsam ... Wenn die ganze Kirche in Maria ihr erstes Modell findet, um wieviel mehr ... [finden es] geweihte Personen 1384 KONGREGATIONEN und Gemeinschaften in der Kirche.“ Jeder Ordensangehörige ist eingeladen, seine „Ordens-weihe nach dem Vorbild der Weihe der Gottesgebärerin neu zu leben.“ Der Ordensmann und die Ordensfrau begegnen Maria nicht nur als Vorbild, sondern auch als Mutter. „Sie ist die Mutter der Ordensleute, weil sie die Mutter dessen ist, der geheiligt und gesandt worden ist. In ihrem Fiat und in ihrem Magnificat findet das Ordensleben seine Ganzhingabe an das Heilswirken Gottes und die Freude darüber“. Die Kirche und die „kirchliche Gesinnung“ 21. Zwischen Maria und der Kirche bestehen vielfältige und enge Bande. Sie ist deren hervorragendstes Mitglied und sie ist ihre Mutter. Sie ist deren Vorbild im Glauben, in der Liebe und in der vollkommenen Verbundenheit mit Christus. Sie ist für die Kirche ein Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes, bis der Tag des Herrn kommt (vgl. Lumm Gentium, Nm. 53, 63, 68). Auch das Ordensleben unterhält eine besondere Verbindung zum Geheimnis der Kirche. Es gehört zu ihrem Leben und zu ihrer Heiligkeit. Es ist „eine besondere Weise der Teilhabe an der sakramentalen’ Natur des Volkes Gottes“. Durch seine völlige Hingabe an Gott ist der Ordensangehörige „in besonderer Weise mit der Kirche und ihrem Geheimnis verbunden, und das verpflichtet ihn, mit ungeteilter Hingabe für das Wohl des ganzen Leibes zu wirken“. „Die Kirche erhebt aber“ durch das Amt ihrer Bischöfe „nicht nur den Ordensberuf durch ihre Bestätigung zur Würde eines kanonischen Standes, sondern macht ihn auch durch ihre liturgische Feier zu einem Gott geweihten Stand“. 22. In der Kirche erhalten die Ordensleute die Nahrung für ihr in der Taufe empfangenes Leben und ihr gottgeweihtes Ordensleben. In ihr nehmen sie das Brot des Lebens entgegen, in ihr kommen sie zum Tisch des Wortes Gottes und des Leibes Christi. In der Tat vernahm der hl. Antonius, der mit Recht als der Vater des Ordenslebens gilt, während einer Liturgiefeier das lebendige, wirksame Wort, das ihn bewog, alles zu verlassen und sich in die Nachfolge Christi zu begeben. In der Kirche stellt die vom Gebet begleitete Lesung des Gotteswortes den Dialog zwischen Gott und den Ordensleuten her und löst bei ihnen hochherzigen Schwung und unerläßliche Entsagung aus. Die Kirche verbindet die Opfergabe ihres Lebens, die die Ordensleute darbringen, mit dem eucharistischen Opfer Christi. Durch das häufig empfangene Sakrament der Buße erhalten sie schließlich von Gottes Barmherzigkeit Verzeihung für ihre Sünden und werden zugleich mit der Kirche und mit ihrer Ordensgemeinschaft versöhnt, die sie mit ihrer Sünde verwundet haben. So wird die Liturgie der Kirche für sie schlechthin zum Höhepunkt, dem eine ganze Kommunität zustrebt, und zur Quelle, aus der ihre evangelische Kraft strömt (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 10). <860> <861> <860> Deshalb muß die Ausbildungsarbeit notwendigerweise in Gemeinschaft mit der Kirche, deren Söhne und Töchter die Ordensleute sind, und in kindlichem Gehorsam gegenüber ihren Bischöfen erfolgen. Die Kirche, „die von der Dreifaltigkeit erfüllt ist“,16 wie Origines sagt, ist nach dem Abbild und in Abhängigkeit von ihrer Quelle eine universale Gemeinschaft in der Liebe. Von ihr empfangen wir das Evangelium, das sie uns dank ihrer Überlieferung und der authentischen Auslegung des Lehramtes zu entschlüsseln hilft.17 Denn bei der Kirche handelt 1385 KONGREGATIONEN es sich um eine organische Gemeinschaft. Sie besteht fort durch die Apostel und ihre Nachfolger unter der Autorität des Petrus, „dem immerwährenden und sichtbaren Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“. 24. Man wird also bei den Ordensmännem und Ordensfrauen eine „Gesinnung“ nicht nur „mit“, sondern - wie auch der hl. Ignatius von Loyola sagt - „in“ der Kirche entwickeln müssen. Diese kirchliche Gesinnung besteht in dem Bewußtsein, daß man zu einem Volk gehört, das unterwegs ist. Ein Volk, das seinen Ursprung in der trinitarischen Gemeinschaft hat; das in der Geschichte der Menschheit verwurzelt ist; das sich auf das Fundament der Apostel und auf das Hirtenamt ihrer Nachfolger stützt; das im Nachfolger Petri den Stellvertreter Christi und das sichtbare Haupt der ganzen Kirche anerkennt. Ein Volk, das in der Hl. Schrift, in der Überlieferung und im Lehramt der Kirche den dreifachen und einzigen Weg findet, auf dem das Wort Gottes zu ihm gelangt; das sich nach der sichtbaren Einheit mit den anderen, nichtkatholischen christlichen Gemeinschaften sehnt. Ein Volk, das sowohl um die seit Jahrhunderten vor sich gegangenen Veränderungen als auch um die legitimen Verschiedenheiten in der heutigen Kirche Bescheid weiß, das sich aber eher darum bemüht, die Kontinuität und Einheit aufzudecken, die noch immer realer sind. Ein Volk, das sich als Leib Christi identifiziert und das die Liebe zu Christus nicht von der Liebe zu seiner Kirche trennt, weil es sich bewußt ist, daß sie ein Geheimnis darstellt, das Geheimnis Gottes selbst in Jesus Christus durch seinen Geist, der für die Menschheit von heute und aller Zeiten ausgegossen und ihr mitgeteilt wurde. Ein Volk also, das sich nicht nur vom soziologischen oder politischen Standpunkt aus erfassen und analysieren läßt, weil sich die eigentlich authentische Seite seines Lebens der Beachtung der Weisen dieser Welt entzieht. Ein missionarisches Volk schließlich, das sich nicht damit zufrieden gibt, die Kirche als „kleine Herde“ zu sehen, sondern das unaufhörlich alles daran setzt, daß jedem Menschen das Evangelium verkündet wird und die Welt erfährt, daß „uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben [ist], durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12), als der Name Jesu Christi (vgl. Lumen Gentium, Nr. 9). <862> <863> <862> Die kirchliche Gesinnung enthält auch den Sinn für die Gemeinschaft. Aufgrund der Wesensverwandtschaft zwischen dem Ordensleben und dem Geheimnis einer Kirche, deren Heiliger Geist sie „in Gemeinschaft und Dienstleistung eint“, 21 „sind die Ordensleute als ,Experten des gemeinschaftlichen Lebens ’ aufgerufen, in der Kirche, der kirchlichen Gemeinschaft und der Welt Zeugen und Baumeister im Sinne jenes göttlichen Planes für Gemeinschaft zu sein, der die Geschichte der Menschen krönen soll“.22 Und dies durch die Verpflichtung auf die evangelischen Räte, die die inbrünstige Liebe von jedem Hindernis befreit und die Ordensleute zu einem prophetischen Zeichen der innigsten Vereinigung mit dem über alles geliebten Gott werden läßt, und „durch die tägliche Erfahrung eines Lebens in Gemeinschaft, in Gebet und Apostolat als wesentlicher und unterscheidender Elemente ihrer Form des gottgeweihten Lebens, durch die sie zum ,Zeichen brüderlicher Gemeinschaft’“ werden.23 Darum soll vor allem in der Anfangsphase der Ausbildung „das Gemeinschaftsleben, besonders verstanden als Erfahrung und Zeugnis der ,Communio’,24 als ein unerläßlicher Rahmen und ein bevorzugtes Mittel der Ausbildung angesehen werden“. 1386 KONGREGATIONEN Die Gemeinschaft 26. Innerhalb der Kirche und in der Verbundenheit mit der Jungfrau Maria spielt di&Lebensgemeinschaft in allen Abschnitten der Ausbildung eine bevorzugte Rolle. Die Ausbildung hängt ja großenteils von der Qualität dieser Gemeinschaft ab. Diese Qualität ergibt sich aus dem allgemeinen Klima in der Gemeinschaft und aus dem Lebensstil ihrer Mitglieder in Übereinstimmung mit der Eigenart und dem Geist des betreffenden Instituts. Das heißt, eine Gemeinschaft wird das sein, was die Mitglieder aus ihr machen, sie hat ihre eigenen Forderungen, und schon bevor man sich ihrer als eines Mittels der Ausbildung bedient, verdient sie, geliebt zu werden und daß ihr gedient werde um dessentwillen, was sie für das Ordensleben bedeutet, so wie die Kirche es sich vorstellt. Die Grundinspiration bleibt natürlich die christliche Urgemeinde, Frucht des Paschamysteriums des Herrn. <864> Aber wer dieses Ideal anstrebt, muß sich der Anforderungen, die es an ihn stellt, bewußt sein. Ein demütiger Realismus und der Glaube müssen die Bemühungen um die Ausbildung zum brüderlichen Leben beseelen. Die Gemeinschaft kommt nicht zustande und besteht weiter, weil ihre Mitglieder sich aufgrund ihrer Übereinstimmung im Denken, im Charakter oder in ihren Entscheidungen glücklich zusammenfinden, sondern weil der Herr sie zusammengeführt hat und sie durch eine gemeinsame Weihe und für eine gemeinsame Sendung in der Kirche zusammenhält. Der vom Oberen ausgeübten besonderen Vermittlung pflichten alle im Glaubensgehorsam bei. <865> Man sollte im übrigen nicht vergessen, daß der österliche Friede und die österliche Freude einer Gemeinschaft immer Frucht des eigenen Todes und des Empfangs der Gabe des Geistes sind. <866> <864> Die kirchliche Gesinnung enthält auch den Sinn für die Gemeinschaft. Aufgrund der Wesensverwandtschaft zwischen dem Ordensleben und dem Geheimnis einer Kirche, deren Heiliger Geist sie „in Gemeinschaft und Dienstleistung eint“, 21 „sind die Ordensleute als ,Experten des gemeinschaftlichen Lebens ’ aufgerufen, in der Kirche, der kirchlichen Gemeinschaft und der Welt Zeugen und Baumeister im Sinne jenes göttlichen Planes für Gemeinschaft zu sein, der die Geschichte der Menschen krönen soll“.22 Und dies durch die Verpflichtung auf die evangelischen Räte, die die inbrünstige Liebe von jedem Hindernis befreit und die Ordensleute zu einem prophetischen Zeichen der innigsten Vereinigung mit dem über alles geliebten Gott werden läßt, und „durch die tägliche Erfahrung eines Lebens in Gemeinschaft, in Gebet und Apostolat als wesentlicher und unterscheidender Elemente ihrer Form des gottgeweihten Lebens, durch die sie zum ,Zeichen brüderlicher Gemeinschaft’“ werden.23 Darum soll vor allem in der Anfangsphase der Ausbildung „das Gemeinschaftsleben, besonders verstanden als Erfahrung und Zeugnis der ,Communio’,24 als ein unerläßlicher Rahmen und ein bevorzugtes Mittel der Ausbildung angesehen werden“. <866> Eine Gemeinschaft ist in dem Maße formativ, in dem sie jedem ihrer Mitglieder in der Treue zum Herrn und dem Charisma des Instituts entsprechend zu wachsen erlaubt. 1387 KONGREGATIONEN ihrer Ausbildung in formativen Gemeinschaften leben, in denen es nicht an all den Voraussetzungen für eine vollständige Ausbildung fehlt: für die geistliche, intellektuelle, liturgische und pastorale Ausbildung und das Gemeinschaftsleben. Schwerlich werden sie sich alle in kleinen Kommunitäten finden lassen. Wie auch immer es sei, stets ist es notwendig, aus der pädagogischen Erfahrung der Kirche alles das zu schöpfen, was ein Urteil darüber ermöglicht, ob der Prozeß der Ausbildung sich in rechter und fruchtbarer Weise in einer Gemeinschaft vollzieht, die den Personen und ihrer Ordensberufung - und in entsprechenden Fällen ihrer Priesterberufung - angemessen ist“ (O.R. dt., 19. 9. 1986, S. 8). 28. Hier gilt es, auf das Problem hinzuweisen, das sich mit der Eingliederung einer für die Ausbildung des Nachwuchses bestimmten Ordensgemeinschaft in eine arme Umgebung stellt. Kleine Ordenskommunitäten in den Wohngebieten des einfachen Volkes, am Rande der Großstädte oder in den ärmsten Zonen im Landesinnem sind ein bedeutsamer Ausdruck der „bevorzugten Option für die Armen“, denn es genügt nicht, für die Armen zu arbeiten, sondern es geht darum, mit ihnen und, soweit das möglich ist, wie sie zu leben. Diese Forderung muß jedoch der jeweiligen Situation, in der sich der Ordensangehörige selbst befindet, angepaßt werden. Als allgemeine Regel sei zunächst gesagt, daß die Anforderungen der Ausbildung Vorrang haben müssen vor gewissen apostolischen Vorteilen der Eingliederung in eine arme Umgebung. So müssen zum Beispiel die Einsamkeit und Stille, die während der gesamten ersten Ausbildung unerläßlich sind, verwirklicht und eingehalten werden können. Andererseits gehören zur Ausbildungszeit, einschließlich des Noviziats, Perioden apostolischer Arbeit, wo diese Dimension des Ordenslebens Ausdruck finden kann, vorausgesetzt, daß diese kleinen Kommunitäten bestimmten Kriterien entsprechen, die sie als echte Ordensgemeinschaften aus weisen: sie müssen die Möglichkeit bieten, ein echtes Ordensleben im Einklang mit den Zielsetzungen des Instituts zu leben; in diesen Gemeinschaften müssen das gemeinschaftliche und persönliche Gebetsleben und folglich Zeiten und Orte der Stille eingehalten werden können; die Anwesenheit dieser Ordensmänner und Ordensfrauen muß vor allem evangelisch motiviert sein; diese Gemeinschaften müssen immer bereit sein, den Forderungen der Oberen des Instituts zu entsprechen; ihre apostolische Arbeit darf nicht in erster Linie einer persönlichen Wahl entsprechen, sondern muß Antwort auf eine Entscheidung des Instituts im Einklang mit der Diözesanseelsorge sein, für die als erster der Bischof verantwortlich ist. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß in den Kulturen und Ländern, wo die Gastfreundschaft einen besonders hochgeschätzten Wert darstellt, die Ordensgemeinschaft als solche den Gästen gegenüber hinsichtlich der Zeit und der Orte ganz über ihre Autonomie und Unabhängigkeit verfügen können muß. Zweifellos ist das gerade in bescheidenen Ordensniederlassungen recht schwer zu verwirklichen, es muß aber berücksichtigt werden, wenn die Gemeinschaft ihren Plan des Gemeinschaftsleben erarbeitet. Der Ordensangehörige selbst: verantwortlich für seine Ausbildung 29. Aber die Hauptverantwortung dafür, „ja“ zu sagen auf den an ihn ergangenen Anruf und alle Konsequenzen aus dieser Antwort zu ziehen, die nicht so sehr eine verstandesmäßige, sondern eine Antwort auf eine Lebensfrage ist, liegt beim Ordensangehörigen selbst. Der Ruf 1388 KONGREGATIONEN und das Handeln Gottes sowie seine Liebe sind immer neu, die geschichtlichen Situationen wiederholen sich niemals. Der Gerufene ist daher ständig eingeladen, eine sorgfältige, neue und verantwortliche Antwort zu geben. Sein Weg soll ebenso an den des Gottesvolkes im Buch Exodus erinnern wie an den nur langsamen Fortschritt der Jünger, denen es „schwerfällt, alles zu glauben“, denen aber zuletzt das Herz brennt, als sich der auferstandene Herr ihnen zu erkennen gibt. Damit sei angedeutet, inwieweit die Ausbildung des Ordensangehörigen auf dessen Persönlichkeit zugeschnitten, also individuell sein muß. Man wird nachdrücklich an sein persönliches Gewissen und seine Verantwortung appellieren müssen, damit er die Werte des Ordenslebens und zugleich die ihm von seinem Novizenmeister aufgetragene Lebensregel verinnerlicht. So wird er in sich selbst die Rechtfertigung für seine praktischen Entschlüsse und im Hl. Geist seine entscheidende Kraft finden. Es gilt also, ein richtiges Gleichgewicht zu finden zwischen der Gruppenausbildung und der individuellen Ausbildung der einzelnen Person, zwischen der Einhaltung der für jede Ausbildungsphase vorgesehenen Zeiten und deren Anpassung an den Rhythmus des einzelnen. Die Erzieher oder Ausbilder: in verschiedener Weise für die Ausbildung verantwortliche Obere 30. Der Geist des auferstandenen Jesus wird durch eine ganze Reihe kirchlicher Vermittlungen gegenwärtig und tätig. Die gesamte Ordenstradition der Kirche bezeugt die entscheidende Rolle der Erzieher für das Gelingen der Ausbildungsarbeit. Ihre Aufgabe ist es, in der Arrfangsphase der Ausbildung die Echtheit des Rufes zum Ordensleben zu unterscheiden und den jungen Ordensleuten zu helfen, ihren persönlichen Dialog mit Gott richtig zu führen, sowie herauszufinden, auf welchen Wegen sie Gott wohl voranbringen will. Ihre Aufgabe ist es auch, den Ordensangehörigen auf den Wegen des Herrn durch ein direktes, regelmäßiges Gespräch zu begleiten, <867> bei voller Respektierung der Zuständigkeit des Beichtvaters und des eigentlichen Spirituals. Eine der wichtigsten Aufgaben der für die Ausbildung Verantwortlichen ist es übrigens, sicherzustellen, daß die Novizen und die jungen Professen tatsächlich von einem Spiritual begleitet werden. <867> Außer einer guten Kenntnis der katholischen Glaubens- und Sittenlehre sind „für alle, die in der Ausbildung Verantwortung tragen, folgende angemessenen Befähigungen erforderlich: - menschliche Begabungen, wie Intuition und Kontaktfreudigkeit; — vertiefte Gottes- und Gebetserfahrung; Den jungen Ordensleuten muß entsprechend den Ausbildungsabschnitten, in denen sie sich gerade befinden, auch eine solide, sorgfältig ausgewählte Kost in lehrmäßiger und praktischer Hinsicht geboten werden. Schließlich müssen die Ausbilder schrittweise die Entwicklung derer, für die sie die Verantwortung tragen, im Licht der Früchte des Geistes überprüfen und bewerten und auch beurteilen, ob der Berufene tatsächlich die in einem solchen Augenblick von der Kirche und von dem Ordensinstitut geforderten Fähigkeiten besitzt. 1389 KONGREGATIONEN - Weisheit, die vom aufmerksamen und langdauemden Hinhören auf das Wort Gottes herkommt; - Liebe zur Liturgie und Verständnis für ihre Aufgabe in der geistlichen und kirchlichen Erziehung; - die notwendige Zuständigkeit im kulturellen Bereich; - Verfügbarkeit an Zeit und gutem Willen, um sich der persönlichen Betreuung der einzelnen Kandidaten zu widmen, und nicht nur der Gruppe“. Diese Aufgabe erfordert somit innere Ruhe, Verfügbarkeit, Geduld, Verständnis und eine aufrichtige Zuneigung für jene, die der pastoralen Verantwortung des Erziehers anvertraut wurden. 32. Wenn unter der persönlichen Verantwortung des Ausbildungsverantwortlichen eine Ausbildungsgruppe besteht, müssen deren Mitglieder einvemehmlich und im vollen Bewußtsein ihrer gemeinsamen Verantwortung handeln. „Unter der Leitung des Oberen sollen sie eine enge Gemeinschaft in Gesinnung und Tat eingehen und untereinander und mit den Alumnen eine Familie bilden.“ Ebenso notwendig sind der Zusammenhalt und die Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen der verschiedenen Ausbildungsabschnitte. Das Ausbildungs werk als ganzes ist die Frucht der Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen für die Ausbildung und ihren Alumnen. Auch wenn es stimmt, daß menschlich gesehen der Alumne der Erstverantwortliche dafür ist, so kann diese Verantwortung doch nur innerhalb einer besonderen Tradition, nämlich der des Instituts, ausgeübt werden, deren Zeugen und unmittelbar Beteiligte die für die Ausbildung Verantwortlichen sind. B) Die menschliche und christliche Dimension der Ausbildung 33. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in seiner Erklärung über die christliche Erziehung die Ziele und die Mittel jeder wahren Erziehung im Dienst der menschlichen Familie dargelegt. Sie bei der Aufnahme und Ausbildung der Kandidaten für das Ordensleben vor Augen zu haben, ist wichtig, lautet doch die erste Forderung dieser Ausbildung, daß man bei dem Kandidaten einer menschlichen und christlichen Voraussetzung begegnet. Zahlreiche Mißerfolge im Ordensleben können tatsächlich nicht wahrgenommenen oder nicht ausgeglichenen Mängeln in diesem Bereich zugeschrieben werden. Nicht nur das Vorhandensein dieser menschlichen und christlichen Grundvoraussetzung soll beim Eintritt in das Ordensleben überprüft werden, sondern es müssen im Verlauf des Ausbildungszyklus die erforderlichen Klarstellungen und Berichtigungen, der Entwicklung der Personen und Ereignisse entsprechend, gewährleistet sein. 1390 KONGREGATIONEN 34. Die Gesamtausbildung der Person enthält eine physische, moralische, intellektuelle und geistliche Dimension. Ihre Zielsetzungen und Erfordernisse sind bekannt. Das Zweite Vatikanische Konzil legt sie in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes54 und in der Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationii5 dar. Das Dekret über die Priesterausbildung Optatam totius schlägt Kriterien vor, die eine Beurteilung der für den priesterli-chen Dienst nötigen menschlichen Reife der Kandidaten ermöglichen sollen. Angesichts der Natur des Ordenslebens und der Sendung, zu deren Erfüllung in der Kirche der Ordensangehörige berufen ist, lassen sich diese Kriterien unschwer auf die Kandidaten für das Ordens-leben anwenden. Das Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens Peifectae caiitatis endlich erinnert daran, daß die Ordensweihe in der Taufweihe wurzelt, was implizit die Verfügung enthält, daß zum Noviziat nur Kandidaten zugelassen werden sollen, die bereits in einer ihrem Alter angemessenen Weise alle aus ihrer Taufe erwachsenden Verpflichtungen leben. Und ebenso müßte eine gute Ordensausbildung in allen Lebensabschnitten, besonders in den schwierigeren Perioden, wo man aufgerufen ist, von neuem aus freien Stücken jene Wahl zu treffen, die bereits (in der Taufe) ein für allemal erfolgt ist, das Bekenntnis des Glaubens und die Verpflichtungen aus der Taufe bestätigen. 35. Auch wenn das vorliegende Dokument einen gewissen Nachdruck auf die kulturelle und intellektuelle Dimension der Ausbildung legt, bleibt doch die geistliche Dimension vorrangig. „Die Ordensausbildung, die anfängliche wie die fortdauernde, hat auf ihren verschiedenen Stufen als Hauptzweck, die Ordensleute in die Gotteserfahrung einzuführen und ihnen zu helfen, dieselbe fortschreitend in ihrem Leben zu vervollkommnen“. C) Die Askese 36. „Die Nachfolge Christi führt zur immer bewußteren und konkreteren Teilhabe am Geheimnis seines Leidens und Sterbens und seiner Auferstehung. Das Ostergeheimnis muß als Ursprung des Lebens und Reifens das Herz des Ausbildungsprogrammes sein. In ihm wird der neue Mensch gestaltet, der Ordenschrist und der Apostel“. Das läßt uns auf die unerläßliche Notwendigkeit der Askese in der Ausbildung und im Leben der Ordensleute hin-weisen. In einer Welt, die von sexueller Zügellosigkeit, Konsum und Machtmißbrauch aller Art beherrscht wird, braucht es Zeugen des Ostergeheimnisses Christi, dessen erster Abschnitt zwangsläufig über das Kreuz führt. Dieser Durchgang durch das Kreuz ist Anlaß dazu, auf das Programm der Gesamtausbildung eine tägliche persönliche Askese zu setzen, die die Kandidaten, Novizen und Professen zur Übung der Tugenden des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe, der Klugheit, der Gerechtigkeit, der Festigkeit und der Enthaltsamkeit hinführt. Dieses Programm ist zeitlos und kann nicht aus der Mode kommen. Es ist immer aktuell und immer notwendig. Ohne es anzunehmen, kann keiner seine Taufe leben und schon gar nicht seinem Ordensberuf treu sein. Es wird um so mehr befolgt werden, wenn es, wie das christliche Leben insgesamt, von der Liebe unseres Herrn Jesus Christus und von der Freude, ihm zu dienen, motiviert wird. 1391 KONGREGATIONEN Das christliche Volk braucht außerdem Animatoren, die ihm helfen, den „königlichen Weg des heiligen Kreuzes“ zu durchlaufen. Es braucht Zeugen, die auf das verzichten, was der hl. Johannes „die Welt“ und „ihre Begierde“ nennt, aber auch auf diese vom Schöpfer geschaffene und erhaltene „Welt“ und manche ihrer Werte. Das Reich Gottes, dessen „Erhabenheit gegenüber allem Irdischen“ der Ordensstand „offenkundig macht“, ist nicht von dieser Welt. Es bedarf der Zeugen, die das aussprechen. Das setzt natürlich im Verlauf der Ausbildung die Reflexion über die christliche Bedeutung der Askese und über die einwandfrei auf Gott gegründeten Überzeugungen sowie seine Beziehungen zu der aus seiner Hand stammenden Welt voraus, denn es geht darum, sich zugleich vor einem kindlich-naturalistischen Optimismus einerseits und einem das Geheimnis Christi, Schöpfers und Erlösers der Welt, vernachlässigenden Pessimismus andererseits zu hüten. 37. Im übrigen ist die Askese, die die Weigerung enthält, unseren Urtrieben und -instinkten freiwillig nachzugeben, nicht zuerst eine spezifisch christliche, sondern eine anthropologische Forderung. Die Psychologen machen darauf aufmerksam, daß vor allem die jungen Menschen zum Aufbau ihrer Persönlichkeit auf Widerstand stoßen müssen (Erzieher, Regelungen usw.). Aber das gilt nicht bloß für die Jugendlichen, denn der Aufbau einer Person ist ja niemals zu Ende. Die bei der Ausbildung der Ordensmänner und Ordensfrauen angewandte Pädagogik muß ihnen helfen, sich für ein Unterfangen zu begeistern, das einige Anstrengung erfordert. So wird Gott selbst zum Führer der menschlichen Person, die er geschaffen hat. 38. Die Askese, die fester Bestandteil des Ordenslebens ist, macht eine Einführung in die Stille und Einsamkeit erforderlich; das gilt auch für die Institute mit apostolischer Tätigkeit. „Es wird verlangt, daß man sich auch in diesen Ordensgesellschaften getreu an das ureigene Gesetz des geistlichen Lebens hält, das darin besteht, die Zeiten, die dem Alleinsein mit Gott Vorbehalten sind, und die Zeiten für die verschiedenen Tätigkeiten sowie für die sich daraus ergebenden menschlichen Beziehungen richtig aufeinander abzustimmen.“4' Die freiwillig angenommene Einsamkeit führt zur inneren, geistigen Stille, und diese verlangt die Ruhe in materieller Hinsicht. Die Hausordnung jeder Ordensgemeinschaft, nicht nur der Ausbildungshäuser, muß unbedingt Zeiten und Orte des Alleinseins und der Stille vorsehen, um das Hören und die Aufnahme des Wortes Gottes ebenso zu fördern wie die geistliche Reifung des einzelnen und eine echte brüderliche Gemeinschaft in Christus. D) Sexualität und Ausbildung 39. Die Generationen von heute sind häufig ganz in einem koedukativ geprägten Milieu aufgewachsen und erzogen worden, ohne daß den Jungen und Mädchen immer dabei geholfen worden wäre, ihren je eigenen Reichtum und ihre Grenzen zu erkennen. Die Kontakte im Apostolat, die größere Zusammenarbeit, die sich erfreulicherweise zwischen den Ordens-männem und den Ordensfrauen herausgebildet hat, wie auch die derzeitigen kulturellen Strömungen machen eine Ausbildung auf diesem Gebiet besonders notwendig. Das gemischte Milieu in der frühen Jugend und die enge und häufige Zusammenarbeit sind ja nicht notwen- 1392 KONGREGATIONEN digerweise ein Garant für Reife in den gegenseitigen Beziehungen. Man wird daher geeignete Maßnahmen zur Förderung und Festigung dieser Reife ergreifen und sie im Hinblick auf die Erziehung zu einer gelebten, vollkommenen Keuschheit bejahen müssen. Außerdem müssen sich Männer und Frauen ihrer spezifischen Situation im Plan Gottes, des eigenständigen Beitrags, den jedes Geschlecht zum Heilswerk leistet, bewußt werden. So wird man den künftigen Ordensleuten die Möglichkeit bieten, über die Stellung der Sexualität im göttlichen Schöpfungs- und Heilsplan nachzudenken. In diesem Zusammenhang soll man die Gründe dafür darlegen und begreiflich machen, daß jene Männer und Frauen vom Ordensleben ausgeschlossen bleiben müssen, die ihre homosexuellen Neigungen nicht zu beherrschen vermögen oder die einen dritten Weg einzuschlagen gedenken, einen „zweifelhaften Lebensstand zwischen Zölibat und Ehe“. <868> <869> <868> Durch „eine sorgsame und tiefergehende Untersuchung der anthropologischen Fundie- rung des Frauseins und des Mannseins ... muß die personale Identität der Frau in ihrer Bezie- 40. Gott hat keine undifferenzierte Welt geschaffen. Als er den Menschen nach seinem Abbild und Gleichnis (vgl. Gen 1,26-27) als vernunftbegabtes und freies Geschöpf schuf, das ihn zu erkennen und zu lieben fähig ist, wollte er nicht, daß dieser Mensch allein bleibe, sondern, in Beziehung zu einer anderen menschlichen Person, der Frau, lebe (vgl. Gen 2,18). Zwischen den zweien entsteht eine „gegenseitige Beziehung, eine Beziehung des Mannes zur Frau und der Frau zum Mann“. <870> „Die Frau ist ein anderes ,Ich’ im gemeinsamen Menschsein.“ <871> Deshalb „sind Mann und Frau von Anfang an gerufen, nicht nur nebeneinander’ oder .miteinander’ zu existieren, sondern sie sind auch dazu berufen, gegenseitig .füreinander’ dazusein“. <872> Man wird unschwer die Bedeutung dieser anthropologischen Prinzipien verstehen, wenn es darum geht, jene Männer und Frauen auszubilden, die aufgrund einer besonderen Gnade das Gelübde der vollkommenen Keuschheit um des Himmelreiches Willen abgelegt haben. hung, Verschiedenheit und Komplementarität zum Mann präzisiert werden, und das nicht nur im Hinblick auf die Rollen, die sie übernehmen, und die Aufgaben, die sie erfüllen sollen, sondern auch und tiefer noch im Hinblick auf ihre Struktur und auf ihre personale Bedeu- 1393 KONGREGATIONEN deren das menschliche Herz fähig ist: die vorbehaltlose Hingabe der Liebe; eine Kraft, die größte Schmerzen zu ertragen vermag; grenzenlose Treue und unermüdlicher Einsatz; die Fähigkeit, tiefe Einsichten mit Worten des Trostes und der Ermutigung zu verbinden.“ Anmerkungen des 2. Kapitels 11 Thess 5,24; vgl. 2 Thess 3,3 2Vgl. Joh 16,13 3 Vgl. Joh 14,26; 16,12 4 Vgl. 1 Joh 2,20-27 5 Vgl. Röm 8,15-26 6 Redemptionis donum, Nr. 17 7Elements essentiells de Renseignement de lEgiise surla Vie Religieuse appüquSs aux instituts consacres ä l’aposto-lat [Wesentliche Elemente der Lehre der Kirche über das Ordensleben, angewandt auf die apostolisch tätigen Institute]: Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1983, 11,53; vgl. Vorw., Anm. 10; Lumen Gentium, Nr. 53 und can. 663 § 4; Redemptoris Mater, Nr. 42-45; Brief Johannes Paul II. an alle geweihten Personen, 22. 5. 1988 8 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 44 9Mutuae relationes, Nr. 10; vgl. Vorw., Anm. 8 10 Mutuae relationes, Nr. 10; vgl. Vorw., Anm. 8; vgl. Lumen Gentium, Nr. 44 und can. 678 n Lumen Gentium, Nr. 45; vgl. Mutuae relationes, Nr. 8; vgl. Vorw., Anm. 8 12 Vgl. Athanasius, Das Leben des hl. Antonius: PG 26,841-845 13 Vgl. Dei Verbum, Nr. 25 14 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 45 15 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 11 16 PG 12,1265 17 Vgl. Dei Verbum, Nr. 10 18 Vgl. Mutuae relationes, Nr. 5; vgl. Vorw., Anm. 8 19 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 18 20 Geistliche Übungen, Nr. 351 und 352 21 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 4 22 Das Ordensleben und die Förderung des Menschen: Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1980, 24; vgl. Vorw., Anm. 9 23 Vgl. Ebd.\ vgl. auch Schlußdokument vonPuebla, Nr. 211-219 24 Das Ordensleben und die Förderung des Menschen: Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1980,33c, vgl. Vorw., Anm. 9; vgl. auch can. 602 25 Vgl. Apg 2,42; Perfectae caritatis, Nr. 15; can. 602; vgl. auch Elements essentiells de Renseignement de lEgiise sur la Vie Religieuse appliques aux instituts consacres ä 1 ’apostolat [Wesentliche Elemente der Lehre der Kirche über das Ordensleben, angewandt auf die apostolisch tätigen Institute]: Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1983, 18-22 26 Vgl. can. 601, 618 und 619; Perfectae caiitatis, Nr. 14 27 Vgl. Joh 12,24; Gal 5,22 28 Vgl. Evangelica tesdficatio, Nr. 32-34; vgl. Vorw., Anm. 4; vgl. auch Elements essentiells de Renseignement de lEgiise sur la Vie Religieuse appliques aux instituts consacres ä 1 ’apostolat [Wesentliche Elemente der Lehre der Kirche über das Ordensleben, angewandt auf die apostolisch tätigen Institute]: Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1983, 18-22 29 Vgl. Lk 24,25 30 Vgl. Lk 24,32 31 Vgl. Tob5,10.17.22 1394 KONGREGATIONEN 32 Die kontemplative Dimension des Ordenslebens, Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1980, 20; vgl. Vorw., Anm. 9 33 Vgl. Optatam totius, Nr. 5b 34 Vgl. Gaudium e£ spes, Nr. 12-22 und Nr. 61 35 Vgl. Gravissimum educationis 1 und 2 36 Vgl. Optatam totius, Nr. 11 37 Vgl. Perfectae caritatis, Nr. 5 3S Die kontemplative Dimension des Ordenslebens', Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1980,17; vgl. Vorw., Anm. 9 39 Johannes Paul U. an die Ordensleute Brasiliens, 11.7.1986, Nr. 5; vgl. Vorw., Anm. 5 40 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 44 41 Renovationis causam, 5, cf. 7 42 Schlußdokument der Sondersynode der niederländischen Bischöfe: OR, 2. 2.1980, 32. Vorlage 43 Vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 7 44 Mulieris dignitatem, Nr. 6 45 Vgl. Mulieris dignitatem, Nr. 7 46 Christißdeles laici, Nr. 50 47 Ebd. 8 Redemptoris Mater, Nr. 46 1395 KONGREGATIONEN Drittes Kapitel Die Stufen der Ordensausbildung A) Die Vorbereitungsphase zum Noviziat Begründung 42. Unter den gegenwärtigen Umständen und ganz allgemein kann man sagen, daß die in Renovationis causam aufgestellte Diagnose nichts von ihrer Aktualität verloren hat: „Die meisten Schwierigkeiten, die man heutzutage bei der Ausbildung der Novizen antrifft, kommen daher, daß diese zur Zeit ihrer Zulassung zum Noviziat nicht die erforderliche Reife besaßen.“1 Sicher verlangt man nicht von einem Kandidaten für das Ordensleben, daß er imstande ist, sogleich sämtliche Verpflichtungen von Ordensleuten zu übernehmen, doch muß er für fähig gehalten werden, schrittweise hineinzuwachsen. Um diese Fähigkeit ermessen zu können, ist es gerechtfertigt, daß man sich Zeit läßt und die erforderlichen Mittel einsetzt, um zu einer Beurteilung zu gelangen. Das ist der Zweck der Vorbereitungsphase vor dem Noviziat, die u.a. als Postulat, Vomoviziat usw. bezeichnet wird. Die Art und Weise ihrer Durchführung obliegt einzig und allein dem Recht der Ordensinstitute, doch „niemand kann ohne entsprechende Vorbereitung aufgenommen werden“.2 Inhalt 43. Unter Berücksichtigung dessen, was in Nr. 86ff. über die Situation der Jugend in der modernen Welt gesagt wird, soll diese Vorbereitungszeit, die zu verlängern man sich nicht scheuen sollte, es sich zur Aufgabe machen, einige Punkte zu überprüfen und klarzustellen, die den Oberen die Möglichkeit geben sollen, sich zur Zweckmäßigkeit und zum Zeitpunkt der Zulassung zum Noviziat zu äußern. Man soll darauf achten, diese Zulassung weder übereilt vorzunehmen noch sie unbegründet hinauszuzögem, vorausgesetzt, daß man ein zuverlässiges Urteil über die von den Kandidaten gebotene Gewähr abgeben kann. Die Bedingungen für die Zulassung sind vom allgemeinen Recht festgelegt; das Eigenrecht kann ihnen noch andere hinzufügen.3 Die vom Recht vorgesehenen Punkte sind folgende: - der erforderliche Grad der menschlichen und christlichen Reife,4 damit das Noviziat begonnen werden kann, ohne auf das Niveau einer Grundausbildung oder eines einfachen Kate-chumenates abzusinken. Es kommt tatsächlich vor, daß sich Kandidaten vorstellen, die überhaupt über keine abgeschlossene (sakramentale, lehrmäßige und moralische) christliche Einführung verfügen und denen es an manchen Elementen eines normalen christlichen Lebens mangelt; - die grundlegende Allgemeinbildung, die jener entsprechen muß, die üblicherweise von einem jungen Menschen erwartet werden muß, der eine normale Schulzeit in dem Land abgeschlossen hat. Vor allem müssen die künftigen Novizen mühelos die im Noviziat ver- 1396 KONGREGATIONEN wendete Sprache beherrschen. Was diese Grundbildung anbelangt, wird man jedoch die Situation mancher Länder und sozialer Schichten berücksichtigen müssen, wo zwar die Schulbesuchsquote noch verhältnismäßig niedrig ist, aber der Herr dennoch Kandidaten zum Ordensleben beruft. Man wird also gleichzeitig darauf bedacht sein müssen, die Bildung zu fördern und sie nicht einer fremden Kultur anzugleichen. Die männlichen und weiblichen Kandidaten für den Ordensberuf müssen in ihrer eigenen Kultur den Ruf des Herrn wahmehmen und eigenständig darauf antworten; - die Ausgewogenheit des Gefühlslebens, vor allem das sexuelle Gleichgewicht, was die Annahme des anderen, Mann oder Frau, in voller Achtung seines Andersseins voraussetzt. Nötigenfalls kann man sich einer psychologischen Untersuchung bedienen, wobei aber das unverletzliche Recht der Person auf Schutz der Intimität gewahrt werden muß; - die Fähigkeit, in Gemeinschaft unter der Autorität der Oberen in einem solchen Institut zu leben. Von dieser Fähigkeit wird man sich natürlich im Verlauf des Noviziats noch besser überzeugen; aber die Frage muß vorher gestellt werden. Die Kandidaten müssen vor allem wissen, daß es für den, der sein ganzes Leben dem Herrn hingeben will, noch andere Wege gibt, als in ein Ordensinstitut einzutreten.5 Formen der Verwirklichung 44. Sie können verschiedener Art sein: Aufnahme in eine Kommunität des Instituts, ohne deswegen deren ganzes Leben zu teilen, ausgenommen die Gemeinschaft des Noviziats, von der deshalb abzuraten ist - der Fall der Nonnenklöster wird hiervon nicht berührt; Zeiten der Kontaktnahme mit dem Institut oder einem seiner Vertreter; gemeinsames Leben in einem Haus für Ordenskandidaten usw. Doch darf keine dieser Formen die Vermutung aufkommen lassen, die Betreffenden seien bereits Mitglieder des Instituts. Auf jeden Fall ist die persönliche Begleitung der Kandidaten wichtiger als die Infrastruktur. Einer oder mehrere mit der erforderlichen Eignung ausgestattete Ordensangehörige werden von den Oberen für die Begleitung der Kandidaten und die Beurteilung ihrer Berufung bestimmt. Er arbeitet aktiv mit dem Novizenmeister bzw. der Novizenmeisterin zusammen. B) Das Noviziat und die zeitlichen Gelübde Zweck 45. „Das Noviziat, mit dem das Leben im Institut beginnt, ist dazu eingerichtet, daß die Novizen die göttliche Berufung, und zwar jene, die dem Institut eigen ist, besser erkennen, die Lebensweise des Instituts erfahren und mit dessen Geist Sinn und Herz bilden, ferner, daß ihre Ansicht und Eignung erwiesen werden.“6 Angesichts der Vielfalt der Charismen und Institute könnte man den Zweck des Noviziats beschreiben als eine unverkürzte Einführung in jene Lebensform, die der Sohn Gottes annahm und die er uns im Evangelium vorlegt7 unter dem einen oder anderen Aspekt seines Wirkens oder seines Geheimnisses.8 1397 KONGREGATIONEN Inhalt 46. „Die Novizen sollen zur Vervollkommnung der menschlichen und christlichen Tugenden angeleitet werden; sie sollen durch Gebet und Selbstverleugnung auf einen erfüllteren Weg der Vollkommenheit geführt werden; zur Betrachtung des Heilsgeheimnisses und zum Lesen und Meditieren der heiligen Schriften sollen sie herangebildet werden; sie sollen zur Pflege des Gottesdienstes in der heiligen Liturgie vorbereitet werden; die Art und Weise, ein Leben zu führen, das Gott und den Menschen in Christus durch die evangelischen Räte geweiht ist, sollen sie erlernen; über Eigenart und Geist, Zielsetzung und Ordnung, Geschichte und Leben des Instituts sollen sie belehrt sowie mit Liebe zur Kirche und deren geistlichen Hirten erfüllt werden.“9 47. Aus diesem allgemeinen Gesetz geht hervor, daß die umfassende Einführung, die das Wesensmerkmal des Noviziats ist, weit über eine bloße Unterweisung hinausgeht. Sie ist: -Einführung in das tiefe und lebendige Erfahren Christi und seines Vaters. Das setzt ein meditierendes Studium der Heiligen Schrift, die Feier der Liturgie gemäß dem Geist und der Eigenart des Instituts, eine Anleitung zum persönlichen Gebet und seiner Übung sowie die Gewohnheit und Neigung voraus, die großen Vertreter der spirituellen Tradition der Kirche aufzugreifen, ohne sich auf geistliche Lesungen im Zeitgeschmack zu beschränken; - Einführung, um durch Selbstverleugnung in das Ostergeheimnis Christi einzutreten, vor allem durch Anleitung zur Befolgung der evangelischen Räte, zu einer mit Freude auf sich genommenen Askese und zur mutigen Annahme des Mysteriums des Kreuzes; - Einführung in das brüderliche Leben im Sinne des Evangeliums. Tatsächlich wird ja in der Gemeinschaft der Glaube vertieft und wird zur Glaubensgemeinschaft, und die Liebe findet ihre vielfältigen Beweise im konkreten Alltagsleben eben dieser Gemeinschaft; - Einführung in die Geschichte, in die besondere Sendung und die Spiritualität des Ordensinstituts. Hier gilt für die apostolisch tätigen Institute unter anderen Elementen: „Um die Ausbildung der Novizen zu vervollkommnen, können die Konstitutionen außer der in § 1 vorgesehenen Zeit [d. h. der zwölf Monate, die in der Kommunität des Noviziats durchgeführt werden müssen] einen oder mehrere Zeitabschnitte für die Durchführung eines apostolischen Praktikums außerhalb der Kommunität des Noviziats festsetzen.“10 Ziel und Zweck dieser Abschnitte ist es, die Novizen dazu anzuleiten, „in fortschreitendem Maße in ihrem Leben jene Einheit und jenen Zusammenhalt zu verwirklichen, die zwischen der Kontemplation und der apostolischen Tätigkeit bestehen müssen, eine Einheit, die zu den grundlegenden und erstrangigen Werten dieser Ordensgemeinschaften gehört“.11 Bei der Festlegung solcher Zeitabschnitte muß beachtet werden, daß die Novizen während der zwölf Monate, die sie in der Kommunität des Noviziats ausgebildet werden, „nicht mit Studien und Arbeiten beschäftigt werden [dürfen], die dieser Ausbildung nicht unmittelbar dienlich sind“;12 1398 KONGREGATIONEN - das Ausbildungsprogramm des Noviziats ist vom Eigenrecht jedes Instituts festzulegen;' - unbedingt abzuraten ist von der Durchführung des Noviziats in einer der Kultur und Sprache des Herkunftslandes der Novizen fremden Umgebung. Besser sind in der Tat kleine Noviziate, vorausgesetzt, daß sie in dieser Kultur verwurzelt sind. Der Hauptgrund dafür ist, daß vermieden werden muß, die Probleme während eines Ausbildungsabschnittes zu vermehren, wo die Person ihr grundlegendes Gleichgewicht finden soll, wo das Verhältnis zwischen den Novizen und dem Novizenmeister unbelastet sein und es ihnen ermöglichen soll, sich gegenseitig auszusprechen, mit allen Nuancen, die zu einem beginnenden intensiven geistlichen Weg gehören. Außerdem birgt die Verlegung in eine andere Kultur zu diesem Zeitpunkt die Gefahr in sich, daß falsche Berufe aufgenommen und möglicherweise falsche Motivierungen nicht erkannt werden. Die berufliche Arbeit während des Noviziats 48. An dieser Stelle muß die Frage der beruflichen Arbeit in der Zeit des Noviziats erwähnt werden. Aus Motiven, die manchmal durch eine apostolische Gesinnung gerechtfertigt sind und die sich auch an die Sozialgesetzgebung der betreffenden Länder halten können, ist es in einigen Industrieländern üblich, daß Kandidaten, die einer bezahlten Beschäftigung nachgehen, beim Eintritt in das Noviziat bei ihrem Arbeitgeber lediglich um eine einjährige Freistellung „aus persönlichen Rücksichten“ ansuchen. Das bewahrt sie davor, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, falls sie in die Welt zurückkehren, und damit vor der Gefahr der Arbeitslosigkeit. Das führt aber mitunter auch dazu, daß diese Kandidaten im zweiten Noviziatsjahr unter dem Deckmantel eines apostolischen Praktikums die berufliche Arbeit wieder aufnehmen. Dazu ist, wie wir glauben, grundsätzlich Folgendes zu sagen: In Instituten, in denen ein zweijähriges Noviziat vorgesehen ist, sollen die Novizen eine ganztägige Berufsarbeit nur dann ausführen dürfen, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind: - diese Arbeit muß tatsächlich der apostolischen Zielsetzung des Instituts entsprechen; - sie darf erst im zweiten Jahr des Noviziats aufgenommen werden; - sie muß den Vorschriften von can 648 § 2 entsprechen, d. h. zur Vervollkommnung der Ausbildung der Novizen zum Leben in dem Ordensinstitut beitragen und wirklich eine apostolische Tätigkeit darstellen. Ähnliches könnte man auch bezüglich eines Vollzeitstudiums während des zweiten Noviziatsjahres sagen. Einige Bedingungen für die Durchführung 49. Für die Zulassung sollen die kanonisch vorgeschriebenen Bedingungen der Zulässigkeit und Rechtsgültigkeit sowohl der Kandidaten wie der für die Zulassung zuständigen Autorität streng eingehalten werden. Wenn man sich daran hält, vermeidet man bereits für später viele Unannehmlichkeiten.14 Was die Kandidaten für das Diakonats- und das Priesteramt betrifft, 1399 KONGREGATIONEN soll man sich schon jetzt im Einzelgespräch vergewissern, daß keine Irregularität vorliegt, die später den Empfang der Weihen beeinträchtigen könnte, wobei als vereinbart gilt, daß die höheren Oberen klerikaler Ordensinstitute päpstlichen Rechtes von den nicht dem Heiligen Stuhl vorbehaltenen Irregularitäten dispensieren können.15 Vor der Zulassung eines Weltklerikers zum Noviziat müssen die Oberen dessen eigenen Ordinarius befragen und ihn um die Ausstellung eines Zeugnisses ersuchen (vgl. can. 644 u. 645 § 2). 50. Die für Durchführung des Noviziats notwendigen zeitlichen und räumlichen Gegebenheiten werden im einzelnen vom Recht dargelegt. Man soll dabei zwar eine gewisse Beweglichkeit bewahren, sich jedoch erinnern, daß die Klugheit zu etwas raten kann, was nicht vom Recht auferlegt ist.16 Die höheren Oberen und die für die Ausbildung Verantwortlichen wissen, daß die heutige Situation zweifellos stärker als in früheren Zeiten für die Novizen ausreichend stabile Verhältnisse erfordert, die dem steten geistlichen Wachstum einen vertieften und ruhigen Verlauf ermöglichen. Das ist um so wichtiger, als zahlreiche Kandidaten bereits Lebenserfahrungen in der Welt gemacht haben. Die Novizen müssen sich tatsächlich in die praktische Erfahrung des langen Gebets, der Einsamkeit und der Stille einüben. Dabei spielt der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle. Sie mögen ein stärkeres Verlangen spüren, sich von der Welt zu „erholen“ als in die Welt zu „gehen“, und dieses Verlangen ist nicht nur subjektiv. Deshalb sollen Zeit und Ort des Noviziats so gestaltet sein, daß die Novizen dort ein günstiges Klima für das gründliche Hineinwachsen in das Leben mit Christus vorfinden. Das wird nur erreicht durch Selbstverleugnung, durch den Verzicht auf alles, was in der Welt Gott entgegensteht, und selbst auf „hochzuschätzende Werte“ der Welt.17 Es ist daher ganz und gar davon abzuraten, die Noviziatszeit in solchen Gemeinschaften zu verbringen, die gänzlich in ihre Umgebung integriert sind. Wie bereits gesagt (Nr. 28), muß den Erfordernissen der Ausbildung mehr Rechnung getragen werden als gewissen Vorteilen im Apostolat, die eine Einbindung in eine arme Umgebung mit sich bringen kann. Pädagogik 51. Die eintretenden Novizen besitzen nicht alle dasselbe menschliche und christliche Bildungsniveau. Es muß daher jedem einzelnen ganz besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, um im Gleichschritt mit ihm zu gehen und ihn an den Inhalt und die Pädagogik der für ihn vorgesehenen Ausbildung anzupassen. Der Novizenmeister und seine Mitarbeiter 52. Die Leitung der Novizen ist, unter der Autorität der höheren Oberen, allein dem Novizenmeister Vorbehalten. Er soll von allen anderen Verpflichtungen, die ihn an der vollen Ausübung seiner erzieherischen Aufgabe hindern könnten, befreit werden. Eventuelle Mitarbeiter sind im Hinblick auf das Programm der Ausbildung und die Leitung des Noviziats ihm unterstellt. Zusammen mit ihm haben sie einen wichtigen Anteil bei der Beurteilung und Entscheidung.18 In den Noviziaten, wo entweder für den Unterricht oder für die Erteilung des Sakraments der Wiederversöhnung Weltpriester oder andere auswärtige Ordensleute und sogar Laien einge- 1400 KONGREGATIONEN setzt werden, sollen sie bei voller Wahrung der gegenseitigen Diskretion in engem Zusammenwirken mit dem Novizenmeister arbeiten. Der Novizenmeister ist der dazu beauftragte geistliche Begleiter für alle und jeden einzelnen Novizen. Das Noviziat ist der Ort seines Dienstes und folglich der Ort einer dauernden Verfügbarkeit für jene, die ihm anvertraut sind. Er wird seine Aufgabe nur dann mühelos bewältigen können, wenn die Novizen ihm gegenüber freie und vollständige Offenheit an den Tag legen. Doch in den klerikalen Ordensinstituten dürfen weder er noch seine Gehilfen sakramentale Beichten ihrer Novizen hören, außer wenn diese in Einzelfällen von sich aus darum bitten.19 Schließlich sollen die Novizenmeister daran denken, daß nicht einfach psycho-pädagogische Mittel an die Stelle einer echten geistlichen Begleitung treten können. 53. „Ihrer eigenen Verantwortung bewußt sollen die Novizen so mit dem Novizenmeister aktiv Zusammenarbeiten, daß sie der Gnade der göttlichen Berufung treu entsprechen.“20 „Die Mitglieder des Instituts sollen es sich angelegen sein lassen, bei der Aufgabe der Ausbildung der Novizen für ihren Teil durch ein beispielhaftes Leben und durch Gebet mitzuwirken.“21 Die Ordenspmfeß 54. Während einer liturgischen Feier nimmt die Kirche in der Person der beauftragten Oberen die Gelübde derer entgegen, die ihre Profeß ablegen, und verbindet ihr Opfer mit dem eucharistischen Opfer.22 Der Ordo professionii2 gibt das Schema dieser liturgischen Feier an, die zugleich den anerkannten Überlieferungen der Ordensinstitute entsprechen muß. Diese liturgische Handlung bringt das kirchliche Verwurzeltsein der Profeß zum Ausdruck. Aus dem auf diese Weise gefeierten Mysterium soll sich ein lebendigeres und tieferes Verständnis der Weihe entwickeln können. 55. Während des Noviziats soll gleichzeitig die Vortrefflichkeit und die Möglichkeit einer immerwährenden Verpflichtung im Dienst des Herrn herausgestellt werden. „Die Qualität eines Menschen - sagt Johannes Paul II. - läßt sich an der Art seiner Bindungen messen. Man darf also, und zwar mit Freude, sagen, daß sich eure Freiheit in freiwilligem Dienst, in liebevoller Knechtschaft an Gott gebunden hat. Und dadurch ist euer Menschsein zur Reife gelangt. .Menschliche Reife’, schrieb ich in der Enzyklika Redemptor Hominis, .bedeutet den vollen Gebrauch des Geschenkes der Freiheit, das wir vom Schöpfer in dem Augenblick erhalten haben, in dem er den nach seinem Abbild und Gleichnis erschaffenen Menschen ins Dasein gerufen hat. Dieses Geschenk findet seine volle Entfaltung in der vorbehaltlosen Hingabe der eigenen menschlichen Person an Christus im Geist bräutlicher Liebe und mit Christus an alle, zu denen er Männer und Frauen sendet, die ihm durch die evangelischen Räte ganz geweiht sind’“.24 Man gibt Christus sein Leben nicht „versuchsweise“ hin. Im übrigen ergreift ja er die Initiative, um uns dazu aufzufordem. Die Ordensleute bezeugen, daß dies zunächst dank der Treue Gottes möglich ist und daß es frei und glücklich macht, wenn die Hingabe jeden Tag erneuert wird. 56. Die ewigen Gelübde setzen eine lange Vorbereitung und einen ausdauernden Lernprozeß voraus. Das rechtfertigt, daß die Kirche ihnen die zeitlichen Gelübde vorausgehen läßt. 1401 KONGREGATIONEN „Wenn auch die Ablegung dieser ersten Gelübde aufgrund ihrer zeitlichen Begrenzung das Merkmal einer Prüfung an sich trägt, so macht sie den jungen Religiösen, der dieselbe vollzieht, doch der dem Ordensstand eigenen Weihe tatsächlich teilhaftig.25 Diese Periode der zeitlichen Gelübde hat daher zum Ziel, die jungen Professen in ihrer Treue zu stärken, unabhängig davon, ob das tägliche Leben ,in der Nachfolge Christi’ sie mit Genugtuungen zu erfüllen vermag oder nicht. Die liturgische Feier soll sorgfältig die ewige Profeß von der zeitlichen Profeß unterscheiden; letztere soll ,ohne besondere Feierlichkeit’ abgehalten werden,26 während die Ablegung der ewigen Gelübde ,mit der vorgeschriebenen Feierlichkeit und der Beteiligung der Ordensleute und des Volkes’ verlaufen soll,27 denn ,sie ist das Zeichen der unlöslichen Verbindung Christi mit seiner Braut, der Kirche’“ (vgl. Lumen Gentium, Nr. 44).28 57. Alle Verfügungen des Kirchenrechts hinsichtlich der Bedingungen zur Gültigkeit und Dauer der zeitlichen und der ewigen Profeß sind sorgfältig zu beobachten.29 C) Die Ausbildung der zeitlichen Professen Die Vorschrift der Kirche 58. Was die Ausbildung der zeitlichen Professen angeht, schreibt die Kirche vor, daß „in den einzelnen Instituten nach der ersten Profeß die Ausbildung aller Mitglieder zu vervollkommnen ist, damit sie das dem Institut eigene Leben erfüllter führen und dessen Sendung geeigneter ausführen können. Daher muß das Eigenrecht die Ordnung dieser Ausbildung und ihre Dauer unter Beachtung der Zeiten festlegen, wie es von Zielsetzung und Eigenart des Instituts gefordert wird.“30 „Die Ausbildung soll systematisch, dem Fassungsvermögen der Mitglieder angepaßt, spirituell und apostolisch, theoretisch und zugleich praktisch sein, gegebenenfalls mit Erwerb entsprechender kirchlicher wie staatlicher Titel. Während dieser Ausbildungszeit dürfen den Mitgliedern keine Ämter und Aufgaben übertragen werden, die die Ausbildung behindern.“31 Bedeutung und Anforderungen dieses Ausbildungsabschnittes 59. Die erste Profeß leitet eine neue Phase der Ausbildung ein, die von der aus der Profeß hervorgegangenen Dynamik und Stabilität profitiert. Für die Ordensleute geht es darum, die Früchte der vorausgegangenen Abschnitte zu ernten und durch die mutige Befolgung dessen, zu dem man sich verpflichtet hat, weiter menschlich und geistlich zu wachsen. Den ihnen im vorhergehenden Abschnitt zuteil gewordenen geistlichen Schwung beizubehalten ist um so notwendiger, als in den apostolisch tätigen Instituten der Übergang zu einem offeneren Lebensstil und sehr anspruchsvollen Tätigkeiten oft Gefahren der Verunsicherung und Austrocknung mit sich bringt. In den auf die Kontemplation hingeordneten Instituten bestehen diese Gefahren eher in Routine, Ermüdung und geistlicher Trägheit. Jesus hat seine Jünger durch die Krisen, die sie durchmachten, erzogen. Durch die wiederholten Ankündigungen seines Leidens und Sterbens hat er sie darauf vorbereitet, zuverlässige Jünger zu werden.32 Die Pädagogik dieses Ausbildungsabschnittes soll daher den jungen Ordensangehörigen 1402 KONGREGATIONEN wirklich seinen Weg gehen lassen, mit Hilfe seiner ganzen Erfahrung und entsprechend einer Einheit von Lebenssicht und Leben, der Einheit seiner Berufung in eben diesem Augenblick seines Daseins und im Hinblick auf die ewige Profeß. Inhalt und Mittel der Ausbildung 60. Dem Institut obliegt die schwere Verantwortung, die Gestaltung und die Dauer dieser Phase der Ausbildung zu planen und dem jungen Ordensangehörigen die für ein wirkliches Wachsen in der Hingabe an den Herrn günstigen Bedingungen bereitzustellen. Es soll ihm zuerst eine starke, formende Kommunität und die Anwesenheit kundiger Erzieher bieten. In diesem Stadium der Ausbildung ist im Gegensatz zu dem, was hinsichtlich des Noviziats gesagt wurde (vgl. Nr. 47f.), eine zahlenmäßig größere, mit den Mitteln für die Ausbildung ausgestattete und gut begleitete Kommunität besser als eine kleine Kommunität ohne wirkliche Ausbilder. So wie während des ganzen Ordenslebens muß sich der Ordensmann und die Ordensfrau darum bemühen, die Bedeutung des Gemeinschaftslebens gemäß der Berufung ihres Instituts in der Praxis besser zu verstehen, den Realismus dieses Lebens und die Bedingungen für den Fortschritt darin anzunehmen, die anderen in ihrem Anderssein zu respektieren und sich inmitten der besagten Gemeinschaft verantwortlich zu fühlen. Von den Oberen soll eigens ein Verantwortlicher für die Ausbildung der zeitlichen Professen ernannt werden, der auf dieser Stufe und auf besondere Weise gewissermaßen den Auftrag des Novizenmeisters weiterführt. Diese Ausbildung soll mindestens drei Jahre dauern. 61. Die folgenden Vorschläge für die Studienordnung sollen als Hinweise dienen; sie streben zweifellos hohe Ziele an, besteht doch die Notwendigkeit, Ordensfrauen und Ordensmänner auszubilden, die den Erwartungen und Bedürfnissen der modernen Welt gewachsen sind. Es wird an den Instituten und den Ausbildern liegen, die Anpassungen durchzuführen, wie sie Personen, Zeiten und Orte verlangen. Im Studienplan müssen an erster Stelle die biblische Theologie, Dogmatik, Spiritualität und Pastoral und ganz besonders die lehrmäßige Vertiefung des geweihten Lebens und des Charismas des Instituts stehen. Die Aufstellung dieses Planes und seine Durchführung sollen auf die innere Einheit des Unterrichts und die Harmonisierung der verschiedenen Disziplinen achten. Es sind nicht mehrere Wissenschaften, sondern eine einzige, die die Ordensleute bewußt lernen sollen: die Wissenschaft vom Glauben und vom Evangelium. Deshalb soll eine Anhäufung von verschiedenen Fächern und Kursen vermieden werden. Außerdem soll man aus Sorge um die Achtung der Person die Ordensleute nicht zu früh in eine übermäßig kritische Problematik einführen, wenn sie noch nicht den erforderlichen Entwicklungsweg zurückgelegt haben, um ein solches Problem mit ruhiger Gelassenheit angehen zu können. Es soll für die geeignete Vermittlung einer philosophischen Grundausbildung gesorgt werden, die es den jungen Ordensleuten ermöglicht, sich ein Wissen von Gott und eine christliche Weltanschauung anzueignen in engem Zusammenhang mit den heute anstehenden Fragen, und die die Übereinstimmung herausstellt, welche im Hinblick auf die Suche nach der einzigen Wahrheit zwischen dem Wissen der Vernunft und dem des Glaubens besteht. Unter diesen Umständen sollen die Ordensleute vor den stets drohenden Versuchungen eines kriti- 1403 KONGREGATIONEN sehen Rationalismus einerseits und des Pietismus und Fundamentalismus andererseits bewahrt werden. Für die theologischen Studien sollen ein sinnvoller Studienplan erstellt und die verschiedenen Teile gut gegliedert werden, damit die Rangordnung oder „Hierarchie“ der Wahrheiten innerhalb der katholischen Lehre, je nach der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament des Glaubens, daraus hervorgeht;33 die Erstellung dieser Studienordnung kann sich, mit entsprechenden Anpassungen, an die Anweisungen halten, die von der Kongregation für das katholische Bildungswesen für die Ausbildung der Priesteramtskandidaten gegeben wurden,34 wobei darauf zu achten ist, daß nichts vergessen wird, was in der Kirche zu einem guten Verständnis des Glaubens und des christlichen Lebens verhelfen kann: Geschichte, Liturgie, Kirchenrecht usw. 62. Endlich erfordert der Reifungsprozeß des Ordensangehörigen in diesem Abschnitt einen apostolischen Einsatz und eine zunehmende Teilnahme an den kirchlichen und sozialen Erfahrungen getreu dem Charisma seines Ordensinstituts und unter Berücksichtigung seiner persönlichen Fähigkeiten und Neigungen. Was diese Erfahrungen betrifft, sollen sich die Ordensfrauen und Ordensmänner daran erinnern, daß sie nicht zuerst Pastoralbeamte sind, daß sie sich nicht mehr im Anfangsstadium der Ausbildung befinden und daß ihr Einsatz in einem kirchlichen und vor allem sozialen Dienst notwendigerweise Kriterien der Unterscheidung folgt (vgl. Nr. 28). 63. Obwohl die Oberen mit vollem Recht als „geistliche Lehrer in bezug auf den institutseigenen Entwurf vom Leben nach dem Evangelium“35 bestellt sind, muß den Ordensleuten für ihren inneren, auch nichtsakramentalen Bereich eine Person zur Verfügung stehen, die gewöhnlich als geistlicher Führer oder Berater bezeichnet wird. „Der Tradition der ersten Väter in der Wüste und aller großen Ordensstifter folgend haben die Ordensinstitute jeweils besonders qualifizierte und ausersehene Mitglieder, die ihren Brüdern in diesem Bereich behilflich sein sollen. Ihre Rolle ändert sich je nach dem Abschnitt, in dem sich der Ordensangehörige befindet, aber ihre wesentliche Verantwortung besteht in der Unterscheidung des Wirkens Gottes, in der Führung des Ordensangehörigen auf den göttlichen Wegen und in der Nährung des Lebens durch eine solide Lehre und die Übung des Gebets. Besonders in den ersten Abschnitten wird es notwendig sein, den bereits zurückgelegten Weg zu bewerten.“36 Diese Seelenführung, die „nicht durch psychologisch-pädagogische Erfindungen ersetzt werden kann“37 und für die das Konzil „die geschuldete Freiheit“ verlangt,38 soll daher „durch die Verfügbarkeit zuständiger und befähigter Personen gefördert“ werden.39 Diese vor allem für diesen Abschnitt der Ausbildung der Ordensleute dargelegten Verfügungen bleiben für ihr ganzes weiteres Leben bestehen. Vor allem in den Ordensgemeinschaften mit einer größeren Mitgliederzahl und besonders in den Kommunitäten, wo zeitliche Professen aufgenommen werden, ist es unerläßlich, daß wenigstens ein Ordensangehöriger offiziell zur geistlichen Begleitung und Beratung seiner Mitbrüder bestellt wird. 64. Einige Institute sehen vor der ewigen Profeß eine intensivere Vorbereitungszeit vor, während welcher sich der Ordensangehörige aus den gewohnten Beschäftigungen zurückzieht. Diese Gepflogenheit verdient, daß man sie unterstützt und in weiteren Instituten bekannt macht. 1404 KONGREGATIONEN 65. Wenn junge Professen, wie es das Recht vorsieht, von ihrem Obern oder ihrer Oberin dazu angehalten werden, Spezialkenntnisse zu erwerben,40 „sollen diese Studien nicht einer falsch verstandenen Selbstverwirklichung dienen, um persönliche Interessen durchzusetzen, sondern den Erfordernissen der apostolischen Zielsetzung der jeweiligen Ordensfamilien und den Notwendigkeiten der Kirche entsprechen“.41 Die Durchführung dieser Studien und die Vorbereitung auf Diplomprüfungen sollen nach dem Urteil der höheren Oberen und der für die Ausbildung Verantwortlichen auf die übrige für diesen Ausbildungsabschnitt vorgesehene Ordnung richtig abgestimmt sein. D) Die ständige Weiterbildung der ewigen Professen 66. „Ihr ganzes Leben hindurch sollen die Ordensleute eifrig ihre spirituelle, theoretische und praktische Ausbildung fortführen; die Oberen aber sollen ihnen hierfür Hilfsmittel und Zeit zur Verfügung stellen.“42 „Jedes Ordensinstitut hat also die Aufgabe, einen Plan für die angemessene ständige Weiterbildung seiner Mitglieder zu entwerfen und zu verwirklichen. Ein Programm, das nicht nur auf die intellektuelle Fortbildung abzielt, sondern auf die Formung der ganzen Person, hauptsächlich in ihrer geistlichen Dimension, damit jedes Ordensmitglied seine Weihe an Gott in vollem Maß leben kann, in der besonderen Sendung, die ihm von der Küche anvertraut ist“.43 Warum ständige Weiterbildung? 67. Motiviert wird die ständige Weiterbildung zuerst von dem Ruf Gottes, der immerzu und unter jeweils neuen Umständen jeden einzelnen der Seinen beruft. Das Charisma des Ordenslebens in einem bestimmten Institut ist eine lebendige Gnade, die unter oft ganz neuen Daseinsbedingungen empfangen und gelebt werden will. „Das Charisma der Stifter (Evangelica testificatio, Nr. 11) scheint eine gewisse Erfahrung des Geistes zu sein, die den eigenen Schülern überliefert wurde, damit sie danach leben, sie hüten, vertiefen und ständig weiterentwickeln in der gleichen Weise, wie auch der Leib Christi ständig wächst ... Die besondere charismatische Note jedes einzelnen Ordensinstituts verlangt vom Stifter wie von seinen Schülern den ständigen Nachweis der Treue zum Herrn, der Fügsamkeit gegenüber seinem Geist, der klugen Beachtung der Umstände und der Zeichen der Zeit, des Willens zum Gehorsam gegen die Küche, des Bewußtseins der Unterordnung unter die Hierarchie, des Mutes zu Initiativen, der Beständigkeit der Hingabe und der Demut im Ertragen von Widerständen ... In unserer Zeit wird von den Ordensleuten in besonderer Weise eben jene charismatische, lebhafte und erfindungsreiche Originalität erwartet, durch die sich die Stifter auszeichneten“.44 Die ständige Weiterbildung verlangt, daß man auf die Zeichen des Geistes in unserer Zeit besonderes Augenmerk legt und dafür empfänglich wird, um eine angemessene Antwort auf sie geben zu können. Die ständige Weiterbildung ist zudem eine soziologische Größe, die in unseren Tagen sämtliche Berufszweige berührt. Sie ist die häufigste Ursache für das Verbleiben in einem Beruf bzw. für das notgedrungene Umsteigen von einem Beruf in einen anderen. 1405 KONGREGATIONEN Während die Anfangsausbildung darauf hingeordnet war, daß sich der Mensch eine hinreichende Selbständigkeit aneignet, um seinen Ordensverpflichtungen getreu zu leben, hilft die ständige Weiterbildung dem Ordensmann und der Ordensffau, ihre Kreativität in diese Treue einzubringen. Denn die christliche und Ordensberufung verlangt ein dynamisches Wachstum und eine Treue in den konkreten Gegebenheiten des Daseins. Das erfordert eine innerlich einigende geistliche Ausbildung, die aber flexibel ist und wach für die täglichen Begebenheiten des persönlichen Lebens und des Lebens der Welt. „Christus nachfolgen“ heißt, sich immer auf den Weg begeben, sich vor Erstarrung und Versteifung hüten, um ein lebendiges und wahres Zeugnis vom Reich Gottes in dieser Welt geben zu können. Man könnte drei wesentliche Gründe für die ständige Weiterbildung u.a. so formulieren: - der erste ergibt sich aus der Stellung des Ordenslebens innerhalb der Kirche. Es spielt dort eine hochbedeutsame charismatische und eschatologische Rolle, die bei den Ordensfrauen und Ordensmännem eine besondere Aufmerksamkeit für das Leben des Geistes sowohl in der persönlichen Geschichte jedes einzelnen wie in der Hoffnung und Angst der Völker voraussetzt; - der zweite Grund hegt in den Herausforderungen, die von der Zukunft des christlichen Glaubens in einer sich mit atemberaubender Geschwindigkeit verändernden Welt herrühren;45 - der dritte betrifft das Leben der Ordensinstitute selbst und vor allem ihre Zukunft, die zu einem Teil von der ständigen Weiterbildung ihrer Mitglieder abhängt. Inhalt der Fortbildung 68. Die ständige Weiterbildung ist ein umfassender Emeuerungsprozeß, der sich auf alle Aspekte der Person des Ordensangehörigen und auf das Institut selbst in seiner Gesamtheit erstreckt. Sie muß der Tatsache Rechnung tragen, daß ihre verschiedenen Aspekte im Leben jedes einzelnen Ordensangehörigen und jeder Kommunität untrennbar miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Dabei können folgende Gesichtspunkte festgehalten werden: - das Leben nach dem Geist (die Spiritualität): es muß Vorrang haben, da es eine Vertiefung des Glaubens und des Verständnisses der Ordensprofeß einschließt. Die jährlichen geistlichen Übungen (Exerzitien) und Zeiten der Geistemeuerung in verschiedener Form sollen daher gefördert werden; - die Teilnahme am Leben der Kirche in Übereinstimmung mit dem Charisma des Instituts und vor allem die Aufarbeitung der Methoden und Inhalte der pastoralen Tätigkeiten in Zusammenarbeit mit den anderen Vertretern der Seelsorge am Ort; - die studienmäßige und berufliche Fortbildung, welche die Vertiefung des biblischen und theologischen Wissens, das Studium der Dokumente des Lehramtes der Universalkirche und der Teilkirchen, eine bessere Kenntnis der Kulturen der Gegenden, wo man lebt und arbeitet, und gegebenenfalls die berufliche und fachliche Neuqualifiziemng umfaßt; 1406 KONGREGATIONEN - die Treue zum eigenen Charisma durch eine immer bessere Kenntnis des Ordensstifters, der Geschichte des Instituts, seines Geistes, seiner Sendung, und dementsprechend das Bemühen, dieses Charisma persönlich und in Gemeinschaft zu leben. 69. Es kommt vor, daß ein beachtlicher Teil der ständigen Weiterbildung im Rahmen der zwischen den Instituten bestehenden Ausbildungsdienste erfolgt. In diesen Fällen ist darauf hinzuweisen, daß ein Institut nicht die Aufgabe der Fortbildung seiner Mitglieder insgesamt auswärtigen Einrichtungen übertragen darf, da diese Aufgabe in vieler Hinsicht zu sehr an die dem Charisma jedes Instituts eigenen Werte gebunden ist. Jedes Institut muß also entsprechend seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten verschiedene Initiativen und Strukturen anregen und organisiert durchführen. Die entscheidenden Abschnitte der ständigen Weiterbildung 70. Diese Abschnitte müssen sehr flexibel verstanden werden. Es empfiehlt sich, sie konkret mit jenen zu verbinden, wie sie die unvorhersehbare Initiative des Heiligen Geistes auszulösen vermag. Für bedeutsame Perioden halten wir im besonderen: - den Übergang von der Anfangsausbildung zur ersten Erfahrung eines selbstständigeren Lebens, wo der Ordensangehörige dazu finden muß, auf neue Art und Weise Gott treu zu sein; -ungefähr zehn Jahre nach der ewigen Profeß, wo sich die Gefahr eines „Gewohnheits“lebens und das Nachlassen jeder Begeisterung einstellt. Jetzt scheint ein längerer Zeitraum geboten zu sein, wo man dem gewohnten Leben gegenüber etwas Abstand nimmt, um es im Lichte des Evangeliums und des Denkens des Ordensstifters „neu zu überdenken“. Diese Zeit der Vertiefung bieten manche Institute ihren Mitgliedern im Terziat an, das manchmal auch „zweites Noviziat“ oder „zweite Probezeit“ genannt wird. Diese Zeit sollte in einer Kommunität des Instituts verbracht werden; - die volle Reife bringt nicht selten die Gefahr mit sich, daß sich vor allem bei starken und erfolgreichen Naturen ein Individualismus herausbildet; - im Augenblick schwerer Krisen, die in jedem Alter unter der Einwirkung äußerer Faktoren (Wechsel der Stelle oder der Arbeit, Mißerfolg, Unverständnis, Gefühl, an den Rand gedrängt zu werden usw.) oder unmittelbar persönlicher Faktoren (physische oder psychische Krankheit, geistliche Austrocknung, starke Versuchungen, Glaubenskrise oder Krise des Gefühlslebens oder beides zusammen usw.) auftreten können. Unter diesen Umständen muß dem Ordensangehörigen geholfen werden, im Glauben einen positiven Ausgang aus der Krise zu finden; - im Augenblick ihres (altersbedingten) zunehmenden Rückzugs aus dem aktiven Wirken erfahren Ordensmänner und Ordensfrauen in ihrem Dasein am tiefsten das, was Paulus im 1407 KONGREGATIONEN Zusammenhang mit unserem Auf-dem-Weg-Sein zur Auferstehung beschreibt: „Darum werden wir nicht müde; wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert.“46 Selbst Petrus muß sich, nachdem er die unermeßliche Aufgabe, die Herde des Herrn zu weiden, erhalten hat, sagen lassen: „Als du noch jung warst, hast du dich selbst gegürtet und konntest gehen, wohin du wolltest. Wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst.“47 Der Ordensangehörige kann diese Augenblicke als eine einzigartige Chance erleben, sich von der österlichen Erfahrung des Herrn so durchdringen zu lassen, daß er im Zusammenhang mit seiner Entscheidung abzutreten den brennenden Wunsch verspürt zu sterben, um „bei Christus zu sein“: „Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden; sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen.“48 Das Ordensleben folgt keiner anderen inneren Bewegung. 71. Die Oberen sollen einen Verantwortlichen für die ständige Weiterbildung in dem Institut bestellen. Aber es ist auch darauf zu achten, daß Ordensmänner und Ordensfrauen, entsprechend der bereits in der Anfangs ausbildung angewandten Pädagogik und entsprechend den an die erlangte Reife und die besonderen Umstände des einzelnen angepaßten Bestimmungen, ihr ganzes Leben hindurch geistliche Begleiter bzw. Berater zur Verfügung haben sollen. Anmerkungen des 3. Kapitels 1 Vgl. Renovationis causam 4 2 Vgl. can. 597 § 2 3 Vgl. can. 641-645 4 Siehe Nr. 90-91 5 Vgl. can. 642 6 Can. 646 7 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 44 8 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 46 9 Can. 652 § 2 10 Can. 648 § 2 !1 Renovationis causam 5 12 Can. 652 § 5 13 Vgl. can. 650 § 1 14 Vgl. can. 597 § 1 und 2; can. 641-645 15 Vgl. can. 134 § 1 und 1047 § 4 16 Vgl. can. 647-649 und 653 § 2 17 Lumen Gentium, Nr. 46b 18 Vgl. can. 650-652 § 1 19 Vgl. can. 985 20 Can. 652 § 3 21 Can. 652 § 4 22 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 45 23 Vom 2. 2. 1970. Verbesserte Neuausgabe 1975: EV3, 1237ff. 1408 KONGREGATIONEN 24 Johannes Pani II. an die Mitglieder der männlichen Orden und Säkulaiinstitute in Madrid, 2.11. 1982, Nr. 2: AAS 75 (1983) 271; dt. in: DAS 1982, 717-718 25 Renovationis causam 7,7 26 Ordo Professionis Religiosae 5; vgl. Vorw., Anm. 24 27 Ordo Professionis Religiosae 6 28 Ordo Professionis Religiosae 6 29 Vgl. can. 655-658 30 Vgl. can. 659 § 1 und 2 31 Can. 660 § 1 und 2 32 Vgl. Mk 8,31-37; 9,31-32; 10,32-34 33 Vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 11 34 Vgl. Ratio fundamentales institutionis sacerdotalis, Nm. 70-81 und Anm. 148; 90-93. EV3, 1103 35 Mutuae relaüones, Nr. 13a; vgl. Vorw., Anm. 8 36 Elements essentiells de Renseignement de lEgüse sur la Vie Religieuse appliques aux instituts consacres ä 1 ’aposto-lat [Wesentliche Elemente der Lehre der Kirche über das Ordensleben, angewandt auf die apostolisch tätigen Institute]: Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1983,11,47, vgl. Vorw., Anm. 10 37 Die kontemplative Dimension des Ordenslebens; Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1980,11 38 Perfectae caritatis, Nr. 14; vgl. auch can. 630 39 Die kontemplative Dimension des Ordenslebens, Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkular-institute, 1980, II 40 Vgl. can. 660 § 1 41 Mutuae relationes, Nr. 26 42 Can. 661 43 Johannes Paul II. an die Ordensleute Brasiliens, 1986, Nr. 6; a. a. O., S. 8; vgl. Vorw., Anm. 5 44 Mutuae relationes, Nm. 11b, 12b, 23 f 45 Vgl. Perfectae caritatis, Nr. 2d 46 2Kor4,16; vgl. auch 5,1-10 47 Joh 21,18 48 Phil 3,10; vgl. 1,20-26; vgl. auch Lumen Gentium, Nr. 48 1409 KONGREGATIONEN Viertes Kapitel Die Ausbildung in den gänzlich auf die Kontemplation hingeordneten Instituten, besonders den Nonnenklöstern (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 7) 72. Das in den vorhergehenden Kapiteln Gesagte läßt sich bei entsprechender Achtung ihres Charismas und der ihnen eigenen Tradition und Gesetzgebung auch auf die hier genannten Institute anwenden. Die Stellung dieser Institute in der Kirche 73. „Die gänzlich auf die Kontemplation hingeordneten Institute, deren Mitglieder in Einsamkeit und Schweigen, anhaltendem Gebet und hochherziger Buße für Gott allein da sind, nehmen - mag die Notwendigkeit zum tätigen Apostolat noch so sehr drängen - im mystischen Leib Christi, dessen ,Glieder nicht alle den gleichen Dienst verrichten’ (Rom 12,4), immer eine hervorragende Stelle ein. Sie bringen Gott ein erhabenes Lobopfer dar und schenken dem Volk Gottes durch überreiche Früchte der Heiligkeit Licht, eifern es durch ihr Beispiel an und lassen es in geheimnisvoller apostolischer Fruchtbarkeit wachsen. So sind sie eine Zier der Kirche und verströmen himmlische Gnaden.“ Innerhalb einer Teilkirche „ist ihr beschauliches Leben ihr erstes und grundlegendes Apostolat, weil es nach einem besonderen Plan Gottes ihre eigentümliche und besondere Weise ist, Kirche zu sein, in der Kirche zu leben, die Verbindung mit der Kirche zu verwirklichen, eine Sendung in der Kirche zu erfüllen“. Unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung ihrer Mitglieder und aus den eben angegebenen Gründen verlangen diese Institute ganz besondere Aufmerksamkeit sowohl bei der anfänglichen wie bei der fortdauernden Ausbildung. Die Bedeutung der Ausbildung in diesen Instituten 74. Das Studium des Wortes Gottes, der Überlieferung der Kirchenväter, der Dokumente des kirchlichen Lehramtes und eine systematische theologische Reflexion sollten an Stätten, wo sich Menschen dafür entschieden haben, ihr ganzes Leben auf das vorrangige, wenn nicht ausschließliche Suchen nach Gott hinzuordnen, nicht geringer geschätzt werden. Diese auf die Kontemplation hingeordneten Ordensmänner und Ordensfrauen erfahren aus der Heiligen Schrift, wie Gott nicht müde wird, sich um sein Geschöpf zu bemühen, um einen Bund mit ihm zu schließen, und wie umgekehrt das ganze Leben des Menschen nur ein ständiges Suchen nach Gott sein kann. Und sie lassen sich selbst geduldig auf dieses Suchen ein. In der Dunkelheit seiner Grenzen macht der Mensch nur tastende Versuche, aber zugleich schenkt ihm Gott die Fähigkeit, sich dafür zu begeistern. Diesen Ordensleuten soll also geholfen werden, dem Geheimnis Gottes näherzukommen, wobei die kritischen Forderungen der menschlichen Vernunft nicht unbeachtet bleiben dürfen. Herausgestellt werden sollen - bei aller Bescheidenheit hinsichtlich des Ausgangs eines Suchens, das erst beendet sein wird, wenn wir von Angesicht zu Angesicht Gott sehen, wie er ist - auch die Gewißheiten, welche die Offenbarung über das Geheimnis Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, 1410 KONGREGATIONEN anbietet. Die erste Sorge der Mitglieder dieser beschaulichen Orden ist nicht und darf nicht sein, ein umfangreiches Wissen zu erwerben noch akademische Grade zu erlangen. Sie gilt und muß gelten der Stärkung des Glaubens; „Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“.3 Im Glauben finden sich Grundlage und Anfänge einer echten Kontemplation. Gewiß versetzt er den Menschen auf unbekannte Wege: Abraham „zog weg, ohne zu wissen, wohin er kommen würde“,4 aber er läßt einen standhalten in der Prüfung, als sähe man den Unsichtbaren.5 Der Glaube überwindet, vertieft und erweitert die Anstrengung des Verstandes, der auf der Suche ist und über das nachsinnt, was ihm jetzt nur wie „in einem Spiegel und in rätselhaften Umrissen“6 zugänglich ist. Einige Schwerpunkte 75. Angesichts der besonderen Eigenart dieser Institute und der genannten Methoden, um diese Eigenart treu zu bewahren, soll ihre Ausbildungsordnung einige Schwerpunkte enthalten, die nach und nach auf den aufeinanderfolgenden Stufen der Ausbildung zu behandeln sind. Zu Beginn ist zu vermerken, daß angesichts der Stabilität der Mitglieder und des Fehlens von Tätigkeiten außerhalb des Klosters der Ausbildungsverlauf bei ihnen weniger intensiv und nicht so formell zu sein braucht. Es soll aber auch darauf hingewiesen werden, daß man im Rahmen der modernen Welt von den Mitgliedern dieser Instimte ein menschliches und religiöses Bildungsniveau erwarten muß, das den Erfordernissen unserer Zeit entspricht. Die Lectio Divina 76. Mehr als ihre im Apostolat tätigen Brüder und Schwestern verbringen die Mitglieder der gänzlich auf die Kontemplation hingeordneten Instimte täglich einen guten Teil ihrer Zeit mit dem Studium des Wortes Gottes und mit der lectio divina unter den vier Gesichtspunkten von Lesung, Meditation, Gebet und Betrachtung. Unabhängig von den Bezeichungen, die den verschiedenen geistlichen Traditionen entsprechend dafür verwendet werden, und unabhängig von dem genauen Sinn, den man ihnen gibt, behält jeder dieser Abschnitte seine Notwendigkeit und Originalität. Die lectio divina lebt vom Wort Gottes, findet darin ihren Ausgangspunkt und kehrt zu ihm zurück. Die Ernsthaftigkeit des Bibelstudiums gewährleistet also teilweise die Fülle der lectio. Ob diese lectio den Text der Bibel selbst zum Gegenstand hat, ob es sich um einen liturgischen Text oder um einen großen spirituellen Text der katholischen Tradition handelt, es ist ein getreues Echo des Wortes Gottes, das man hören und vielleicht sogar, nach Art der Alten, „murmeln“ (leise mitsprechen) soll. Diese Einführung oder Initiation erfordert mutiges Einüben während der anfänglichen Ausbildung, und auf sie stützen sich alle weiteren Stufen. Die Liturgie 77. Die Liturgie, vor allem die Feier der Eucharistie und das Stundengebet oder Brevier, nimmt in diesen Instimten einen erstrangigen Platz ein. Wenn die Alten das Klosterleben gern mit dem Leben der Engel verglichen, dann unter anderem deshalb, weil die Engel „Liturgen“ Gottes sind.7 Die Liturgie, in der sich Himmel und Erde vereinen und die darum gleichsam 1411 KONGREGATIONEN einen Vorgeschmack der himmlischen Liturgie vermittelt, ist der Höhepunkt, dem die ganze Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt. In ihr erschöpft sich nicht das ganze Tun der Kirche, aber sie ist für diejenigen, die sich „einzig und allein der Sache Gottes zuwenden“, der Ort und das bevorzugte Mittel, namens der Kirche in Anbetung, Freude und Danksagung des von Christus vollbrachte Heilswerk zu verherrlichen, an das uns der Ablauf des liturgischen Jahres immer wieder erinnert.8 Die Liturgie soll daher nicht nur sorgfältig nach den eigenen Traditionen und Riten der verschiedenen Institute gefeiert, sondern auch im Hinblick auf ihre Geschichte, die Vielfalt ihrer Formen und ihre theologische Bedeutung studiert werden. 78. Nach der Tradition einiger dieser Institute erhalten Ordensmänner das Priesteramt und feiern täglich die Eucharistie, obwohl sie nicht für die Ausbildung eines Apostolats bestimmt werden. Diese Praxis findet ihre Rechtfertigung, sowohl was das Priesteramt als auch was das Sakrament der Eucharistie betrifft. Denn einerseits besteht eine innere Harmonie zwischen der Ordensweihe und der Weihe zum Amt, und es ist legitim, daß diese Ordensmänner zu Priestern geweiht werden, auch wenn sie weder innerhalb noch außerhalb des Klosters ein Amt auszuüben haben. „Die Einheit der Ordens weihe, die eine Hingabe an Gott darstellt, und des priesterlichen Charakters in ein und derselben Person macht diese in besonderer Weise Christus ähnlich, der zugleich Priester und Opfer ist“.9 Andererseits ist die Eucharistie, „auch dann, wenn keine Gläubigen dabei sein können, ein Akt Christi und der Kirche“'0 und soll darum als solcher gefeiert werden, denn „die Gründe für die Darbringung des Opfers liegen ja nicht nur auf der Seite der Gläubigen, denen die Sakramente gespendet werden müssen, sondern hauptsächlich auf der Seite Gottes, dem in der Konsekration dieses Sakramentes ein Opfer dargebracht wird“.11 Schließlich gilt es auf die Affinität von kontemplativer Berufung und Geheimnis der Eucharistie hinzuweisen. Denn „die wichtigsten Werke des beschaulichen Lebens bestehen in der Feier der göttlichen Mysterien“.12 Arbeit 19. Die Arbeit ist ein allgemeines Gesetz, dem sich Ordensmänner und Ordensfrauen verpflichtet wissen, und es empfiehlt sich, in der Ausbildungsphase ihren Sinn herauszustellen, da sie in dem Fall, mit dem wir uns hier befassen, innerhalb des Klosters ausgeführt wird. Die Arbeit für den Lebensunterhalt ist kein Hindernis für die Vorsehung Gottes, die sich um die kleinsten Einzelheiten unseres Lebens kümmert, sondern sie gehört in seine Pläne. Sie kann als Dienst an der Kommunität angesehen werden, als ein Mittel, dort eine gewisse Verantwortung auszuüben und mit anderen zusammenzuarbeiten. Sie erlaubt die Entwicklung einer bestimmten persönlichen Disziplin und die Ausgewogenheit der inneren Aspekte, die der Tagesplan enthält. In den Systemen der Sozialfürsorge, die nach und nach in verschiedenen Ländern in Kraft treten, läßt die Arbeit auch die Ordensleute an der nationalen Solidarität teilhaben, der sich kein Staatsbürger entziehen darf. Allgemeiner gesagt, die Arbeit ist ein Element der Solidarität mit allen Arbeitern der Welt. Sie entspricht also nicht nur einer wirtschaftlichen und sozialen Notwendigkeit, sondern einer Forderung des Evangeliums. 1412 KONGREGATIONEN Niemand in der Kommunität darf sich mit einer bestimmten Arbeit identifizieren, womit er Gefahr liefe, sie zu seinem Eigentum zu machen, aber alle sollen für alle Arbeiten, die von ihnen verlangt werden können, verfügbar sein. Während der anfänglichen Ausbildung, besonders während des Noviziats, sollte die für die Arbeit bestimmte Zeit nicht die normalerweise für die Studien oder andere direkt mit der Ausbildung in Zusammenhang stehende Tätigkeiten vorgesehene Zeit beeinträchtigen. Askese 80. In den ausschließlich auf die Kontemplation hingeordneten Instituten, wo Ordensmänner und Ordensfrauen vor allem richtig verstehen müssen, daß ihre Ordensweihe trotz der zu ihrer Eigenart gehörenden Forderang nach Rückzug aus der Welt sie „doch auf tiefere Weise in der Liebe Christi“ den Menschen und der Welt gegenwärtig macht,13 nimmt die Askese einen besonderen Platz ein, „Mönch ist, wer von allen getrennt und mit allen vereint ist“.MMit allen vereint, wie er mit Christus vereint ist. Mit allen vereint, weil er in seinem Herzen die Anbetung, die Danksagung, den Lobpreis, die Ängste und das Leiden der Menschen seiner Zeit trägt. Mit allen vereint, weil Gott ihn an einen Ort ruft, wo er dem Menschen seine Geheimnisse offenbart. Die gänzlich der Kontemplation hingegebenen Ordensleute sind nicht nur in der Welt, sondern auch im Herzen der Kirche gegenwärtig. Die Liturgie, die sie feiern, erfüllt eine wesentliche Funktion der kirchlichen Gemeinschaft. Die Liebe, die sie beseelt und die sie sich zu vervollkommnen bemühen, belebt zugleich den ganzen mystischen Leib Christi. In dieser Liebe rühren sie an die erste Quelle alles Seienden - „amor fontalis“ — und darum befinden sie sich im Herzen der Welt und der Kirche. „Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich die Liebe sein.“15 Das ist ihre Berufung und ihre Sendung. Durchführung 81. Allgemeine Regel ist, daß der gesamte Zyklus der anfänglichen und der fortdauernden Ausbildung innerhalb des Klosters durchgeführt wird. Das ist für diese Ordensleute der angemessenste Ort, um den Weg der Umkehr, Läuterung und Askese erfüllen und Christus gemäß leben zu können. Diese Forderung hat zugleich den Vorteil, daß sie den Einklang in der Kommunität fördert. Es ist ja in der Tat die ganze Gemeinschaft, und nicht nur einige Personen oder eingeweihte Gruppen, der die Vorteile einer ordentlichen Ausbildung zugute kommen sollen. 82. Wenn ein Kloster, weil es an Lehrern oder an einer ausreichenden Zahl von Bewerbern fehlt, nicht auf sich allein gestellt diese Aufgabe leisten kann, sollen in geeigneter Weise für mehrere Klöster derselben Föderation, desselben Ordens oder der im wesentlichen selben Berufung gemeinsam Lehrangebote (Kurse, Tagungen usw.) in einem der Klöster organisiert werden, und zwar in einer zeitlichen Ordnung, die dem kontemplativen Charakter der beteiligten Klöster entspricht. Und in allen Fällen, wo die Erfordernisse der Ausbildung Auswirkungen auf die Einhaltung der Klausur haben würden, soll man sich an die geltende Gesetzgebung halten.16 Man kann für die Ausbildung auch Personen außerhalb des Klosters und sogar des Ordens in Anspruch 1413 KONGREGATIONEN nehmen, vorausgesetzt, daß sie auf die besondere Sichtweise der von ihnen zu unterrichtenden Ordensleute eingehen. 83. Der Anschluß von Nonnenklöstern an Institute von Männern gemäß can. 614 kann auch für die Ausbildung der Nonnen vorteilhaft sein. Er gewährleistet die Treue zum Charisma, zum Geist und zu den Traditionen ein und derselben geistlichen Familie. 84. Jedes Kloster soll mittels einer guten, laufend ergänzten Bibliothek und eventuell durch die Möglichkeit von Fernkursen günstige Voraussetzungen für das persönliche Studium und die Lektüre schaffen. 85. Den Mönchsorden und -kongregationen, den Nonnenkloster-Föderationen und den nicht föderierten oder nicht angeschlossenen Klöstern ist es aufgetragen, eine Ausbildungsordnung (ratio) zu erstellen, die unter das Eigenrecht der Institute fällt und die konkrete Anwen-dungshestimmungen gemäß can. 650 § 1, 659 bis 661 enthalten soll. Anmerkungen des 4. Kapitels 1 Perfectae caritaüs, Nr. 7 2 Die kontemplative Dimension des Ordenslebens; Dokument der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, 1980, 26 und 27 3 Hebr 11,1 4 Hebr 11,8 5 Vgl. Hebr 11,27 6 Vgl. 1 Kor 13,12 7 Origines, Peri Archon 1,8,1 8 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 49, Nr. 50; vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 5, Nr. 8, Nr. 9, Nr. 10 9 Paul VI. an die höheren Obern Italiens: AAS 78 (1986) 1180; vgl. auch Schreiben an die Kartäuservom 18. 4. 1971: AAS 63 (1971) 448-449 10 Presbyterorum ordinis, Nr. 13; vgl. Paul VI., Enzyklika Mysterium fidev. AAS 57 (1965) 761-762 11 Thomas von Aquin, S. TheoL, IH, q.82, a.10 12 Ebd., II-IIae. q. 189, a.8, ad 2um 13 Lumen Gentium, Nr. 46 14 Venite seorsum, III, Einführung u. Anm. 27, EV 3,865 15 Hl. Theresia von Lisieux, Autobiographische Schriften, 1957, S. 229 (franz.) 16 Vgl. can. 667 1414 KONGREGATIONEN Fünftes Kapitel Aktuelle Fragen bezüglich der Ausbildung der Ordensleute Im folgenden werden aktuelle Fragen oder Standpunkte zusammengestellt, die sich für manche aus einer kurzen Analyse ergeben und die infolgedessen wahrscheinlich der Erörterung, der Differenzierung und Ergänzung bedürfen. Für andere werden Orientierungen und Prinzipien angegeben, deren konkrete Anwendung nur auf der Ebene der Ortskirchen erfolgen kann. A) Die jungen Kandidaten für das Ordensleben und die Pastoral der Berufe 86. Die jungen Menschen sind „die Hoffnung der Kirche“,' „die Kirche hat der Jugend viel zu sagen, und die Jugend hat der Kirche viel zu sagen“.2 Auch wenn es erwachsene Kandidaten zum Ordensleben gibt, so stellen die 18- bis 25jährigen heute doch die Mehrheit dar. In dem Maße, in dem sie von dem erfaßt sind, was man gewöhnlich „die Modernität“ nennt, kann man, wie es scheint, ziemlich genau einige gemeinsame Züge ausmachen. Dieser Darstellung sind die Nachwirkungen des abendländischen Modells anzumerken, aber dieses Modell ist dabei, mit seinen Werten und seinen Schwächen Allgemeingut zu werden, und jede Kultur wird daran die Änderungen vornehmen, die ihre eigene Originalität verlangt. 87. „Die Jugendlichen sind für die Werte der Gerechtigkeit, der Gewaltlosigkeit und des Friedens besonders sensibel. Ihr Herz ist offen für Geschwisterlichkeit, Freundschaft und Solidarität. Sie sind aufs höchste motiviert für die Anliegen der Lebensqualität und der Erhaltung der Natur.“3 Sie sehnen sich im allgemeinen und manchmal glühend nach einer besseren Welt, und es fehlen unter ihnen solche nicht, die sich in politischen, sozialen, kulturellen und karitativen Vereinigungen engagieren, um zur Besserung der Lage der Menschheit beizutragen. Außer wenn sie von typisch totalitären Ideologien fehlgeleitet wurden, sind sie größtenteils leidenschaftliche Befürworter der Befreiung des Menschen im Hinblick auf Rassismus, Unterentwicklung, Kriege und Ungerechtigkeiten. Diese Haltung wird nicht immer von Motiven religiöser, philosophischer und politischer Natur veranlaßt - ja, manchmal ist sie weit davon entfernt -, doch man kann ihr nicht die Aufrichtigkeit und das Gewicht der Hochherzigkeit absprechen. Unter ihnen finden sich einige, die von einem tiefen religiösen Gefühl geprägt sind, aber dieses Gefühl muß selbst noch evangelisiert werden. Etliche von ihnen - und das ist keineswegs immer eine Minderheit - haben ein ganz vorbildlich christliches Leben geführt und sich redlich im Apostolat engagiert, wobei sie bereits erfuhren, was „besonders enge Nachfolge Jesu Christi“ bedeuten kann. 88. Dabei neigen ihre doktrinellen und ethischen Bezugnahmen dazu, sich so sehr zu relativieren, daß sie nicht immer richtig wissen, ob es feste Bezugspunkte für das Erkennen der Wahrheit über den Menschen, die Welt und die Dinge gibt. Schuld daran ist nicht selten die 1415 KONGREGATIONEN Armseligkeit oder das Fehlen des Metaphysikunterrichts in den Lehrplänen der Schulen. Unschlüssig zögern sie auszusprechen, wer sie sind, und zu sagen, wozu sie berufen sind. Wenn sie Überzeugungen zur Existenz von Gut und Böse haben, so scheint sich der Sinn dieser Begriffe im Vergleich zu dem, den er für die früheren Generationen hatte, verschoben zu haben. Häufig besteht bei ihnen ein Mißverhältnis zwischen dem Stand ihrer mitunter sehr spezialisierten weltlichen Kenntnisse, dem ihres psychologischen Wachstums und dem ihres christlichen Lebens. Angesichts der Krise, von der die Familie als Institution sowohl dort heimgesucht wird, wo die Kultur nicht tief vom Christentum durchdrungen ist, als auch in Kulturen des nach-christlichen Typs, wo sich die Notwendigkeit einer Neu-Evangelisierung als vordringlich erweist, als auch in den längst evangelisierten Kulturen, haben nicht alle in ihren Familien glückliche Erfahrungen kennengelemt. Sie lernen viel mittels Bilder, und die heutige Schulpädagogik fördert bisweilen dieses Medium, doch sie lesen wenig. Es stellt sich heraus, daß ihre Bildung und Kultur gewissermaßen durch ein Fehlen der geschichtlichen Dimension gekennzeichnet ist, so als würde unsere Welt erst heute beginnen. Sie bleiben von der Konsumgesellschaft mit den Enttäuschungen, die sie hervorruft, nicht verschont. Nachdem sie manchmal nur mit Mühe ihren Platz in der Welt gefunden haben, lassen sich manche der jungen Leute von Gewalt, Drogen und Erotik verführen. Immer häufiger sind unter den Kandidaten zum Ordensleben Jugendliche zu finden, die gerade in diesem letzten Bereich unglückliche Erfahrungen gemacht haben. 89. Es bedrängen uns also die Probleme, die von der Fülle und Vielschichtigkeit dieses menschlichen Gefüges der Pastoral der Berufe sowie der Ausbildung gestellt werden. Hier geht es um die Unterscheidung der Berufe. Vor allem in bestimmten Ländern wird es immer wieder Vorkommen, daß sich Kandidaten und Kandidatinnen deshalb zum Ordensleben melden, weil sie mehr oder weniger bewußt eine Förderang in sozialer Hinsicht und eine Sicherheit für die Zukunft suchen; für andere wird sich das Ordensleben als der ideale Ort eines ideologischen Einsatzes für die Gerechtigkeit anbieten. Wieder andere, die mehr konservativ eingestellt sind, werden vom Ordensleben erwarten, daß es ihnen zum Ort der Rettung ihres Glaubens an einer weitgehend als feindlich und korrupt angesehenen Welt werde. Diese Motivationen stellen gleichsam die Kehrseite einer Anzahl von Werten dar, sie bedürfen allerdings der Klärung und Berichtigung. In den sogenannten entwickelten Ländern soll wohl auf der Grundlage von Entsagung, bleibender Treue, friedliebender und gleichbleibender Hochherzigkeit, echter Freude und Liebe vor allem das menschliche und geistliche Gleichgewicht gefördert werden. Hier haben wir ein ansprachsvolles, aber notwendiges Programm für die mit der Pastoral der Berufe und mit der Ausbildung beauftragten Ordensmänner und Ordensfrauen. B) Die Ausbildung der Ordensleute und die Kultur 90. „Unter dem Allgemeinbegriff Kultur kann man, wie die Pastoralkonstitution Gaudium et spes (Nr. 53 u. 62) vorschlägt, die Gesamtheit der persönlichen und sozialen Anlagen zusammenfassen, die den Menschen kennzeichnen und es ihm ermöglichen, seine Situation und 1416 KONGREGATIONEN sein Schicksal anzunehmen und zu meistern“. Man kann deshalb sagen, „Kultur ist das, wodurch der Mensch als solcher mehr Mensch wird“, und sie „steht immer in wesentlicher und notwendiger Beziehung zu dem, was der Mensch ist“. Andererseits „steht das Gelöbnis der evangelischen Räte, wenn es auch den Verzicht auf hochzuschätzende Werte mit sich bringt, dennoch der wahren Entfaltung der menschlichen Person nicht entgegen, sondern fördert sie aus ihrem Wesen heraus aufs höchste“.' 91. Diese Affinität lenkt unsere Aufmerksamkeit konkret auf einige Punkte. Jesus Christus und sein Evangelium gehen über jede Kultur hinaus, selbst dann, wenn die Präsenz des auferstandenen Christus und seines Geistes sie alle von innen her durchdringt. Andererseits muß jede Kultur evangelisiert, d. h. von den Wunden der Sünde gereinigt und geheilt werden. Zugleich wird die Weisheit, die sie in sich trägt, von der Weisheit des Kreuzes überragt, vertieft und vollendet. Man sollte also überall auf der Welt: - für die Allgemeinbildung der Kandidaten sorgen, ohne zu vergessen, daß sich Kultur nicht auf die intellektuelle Dimension der Person beschränkt; -feststellen, wie die Ordensmänner und Ordensfrauen ihren eigenen Glauben in ihre ursprüngliche Kultur inkulturieren, und ihnen dabei helfen. Das darf natürlich nicht dazu führen, daß die Ausbildungshäuser der Orden in eine Art Inkulturationslaboratorien verwandelt werden. Aber die für die Ausbildung Verantwortlichen dürfen es nicht versäumen, bei der persönlichen Begleitung ihrer Alumnen darauf zu achten. Da es um ihre persönliche Glaubenserziehung und die Einpflanzung dieses Glaubens in das Leben der ganzen Person geht, dürfen sie nicht vergessen, daß das Evangelium in einer Kultur die letzte Wahrheit der Werte, die sie in sich trägt, freisetzt und daß andererseits die Kultur das Evangelium auf eigenständige Weise zum Ausdruck bringt und neue Aspekte darin offenkundig macht; — die Ordensmänner und Ordensfrauen, die in einer ihrer Herkunft nach fremden Kultur leben und arbeiten, in die Kenntnis und Wertschätzung dieser Kultur einführen, wie es in dem Konzilsdekret Adgentes, Nr. 22, empfohlen wird; -entsprechend dem Dekret Ad gentes, Nr. 18, in den jungen Kirchen in Gemeinschaft mit der ganzen Ortskirche und unter der Führung ihres Bischofs ein inkulturisiertes Ordensleben fördern. C) Ordensleben und kirchliche Bewegungen 92. „In der Kirche als communio sind die Lebensstände derart aufeinander bezogen, daß sie aufeinander ausgerichtet sind. Der tiefste Sinn der verschiedenen Lebensstände ist nur einer und allen gemeinsam: Ihnen allen ist aufgegeben, eine Modalität darzustellen, nach der die gleiche christliche Würde und die Berufung zur Heiligkeit in der Vollkommenheit der Liebe gelebt werden. Diese Modalitäten sind zugleich verschieden und komplementär. So hat jede von ihnen eigene und unverwechselbare Züge und steht doch in Beziehung zu den anderen 1417 KONGREGATIONEN und in ihrem Dienst“. Das bestätigen die zahlreichen heutigen Erfahrungen nicht nur mit Arbeits-, sondern bisweilen auch mit Gebets- und Lebensgemeinschaften zwischen Ordensleuten und Laien. Unser Vorschlag will hier nicht eine Gesamtstudie über diese neue Situation eröffnen, sondern nur die Beziehungen zwischen Ordensleuten und Laien unter dem Gesichtspunkt der kirchlichen Bewegungen, die größtenteils auf die Initiative von Laien zurückgehen, ins Auge fassen. Schon immer sind im Volk Gottes kirchliche Bewegungen aufgetreten, die von dem Verlangen beseelt waren, intensiver nach dem Evangelium zu leben und es den Menschen zu verkündigen. Manche dieser Bewegungen waren sehr eng mit Ordensinstituten verbunden, deren spezifische Spiritualität sie teilten. In unseren Tagen - und das schon seit einigen Jahrzehnten - sind neue Bewegungen auf den Plan getreten, die von den Strukturen und dem Stil des Ordenslebens unabhängiger als die früheren sind und an deren für die Kirche günstigen Einfluß auf der Bischofssynode über die Berufung und Sendung der Laien (1987) wiederholt erinnert wurde; Voraussetzung dafür ist, daß sie eine Reihe von Kriterien der Kirchlichkeit einhalten. 93. Um zwischen diesen Bewegungen und den Ordensinstituten einen guten Einklang herzustellen und zu bewahren - und das um so mehr, als da oder dort zahlreiche Ordensberufe aus diesen Bewegungen hervorgegangen sind -, gilt es, über die folgenden Forderungen und über die konkreten Konsequenzen, die sie für die Mitglieder dieser Institute nach sich ziehen, nachzudenken. - Ein Institut, so wie es der Stifter gewollt und wie es die Kirche anerkannt hat, besitzt eine innere Kohärenz, die ihm aus seiner Natur, seiner Zielsetzung, seinem Geist, seiner Anlage und seinen Überlieferungen erwächst. Dieses ganze Erbgut stellt die Grundpfeiler sowohl für die Identität und die Einheit des Instituts selbst als auch für die Einheit des Lebens jedes seiner Mitglieder dar. Es ist ein Geschenk des Geistes an die Kirche, das keinerlei Einmischung, Überlagerung oder Trübung erfahren darf. Der Dialog und die Teilnahme innerhalb der Kirche setzen voraus, daß sich jeder dessen bewußt ist. Ein Kandidat für das Ordensleben, der aus der einen oder anderen dieser kirchlichen Bewegungen kommt, stellt sich beim Eintritt in das Noviziat aus freien Stücken unter die Autorität der Oberen und der legitim mit seiner Ausbildung beauftragten Erzieher. Er kann also nicht gleichzeitig von einem Verantwortlichen außerhalb des Instituts, dem er nunmehr angehört, abhängig sein, auch wenn er vor seinem Eintritt dieser Bewegung angehört hat. Anderenfalls steht die Einheit des Instituts und die Einheit des Lebens der Novizen hier auf dem Spiel. Diese Forderungen bleiben über die Ordensweihe hinaus bestehen, um jede Form von „Mehrfachzugehörigkeit“ sowohl hinsichtlich des persönlichen geistlichen Lebens des Ordensangehörigen wie hinsichtlich seiner Sendung vorzubeugen. Sollten diese Forderungen nicht respektiert werden, bestünde die Gefahr, daß der notwendige Einklang zwischen Ordensleuten und Laien auf den beiden soeben genannten Ebenen in Verwirrung ausarten würde. 1418 KONGREGATIONEN D) Das Bischofsamt und das Ordensleben 94. Seit der Veröffentlichung des Dokumentes Mutuae relationes und seitdem Papst Johannes Paul II. bei mehreren Anlässen den nachhaltigen Einfluß der Hirtenaufgabe der Bischöfe auf das Ordensleben unterstrichen hat, ist diese Frage hochaktuell. Der Dienst des Bischofs und eines Ordensobem konkurrieren nicht. Es gibt in den Instituten sicher eine innere Ordnung, die ihre eigene Zuständigkeit hat im Bereich des Unterhalts und des Wachstums des Ordenslebens. Diese Ordnung erfreut sich einer wirklichen Autonomie, die jedoch notwendigerweise im Rahmen einer organischen kirchlichen Gemeinschaft ausgeübt wird. 95. „Den einzelnen Instituten wird eine gebührende Autonomie ihres Lebens, insbesondere ihrer Leitung, zuerkannt, kraft derer sie in der Kirche ihre eigene Ordnung haben und ihr Erbgut im Sinne des can. 578 unversehrt bewahren können. Diese Autonomie zu wahren und zu schützen, ist Sache der Ortsordinarien.“ Im Rahmen dieser Autonomie „muß das Eigenrecht [der Institute] die Ordnung dieser Ausbildung und ihre Dauer unter Beachtung der Erfordernisse der Kirche und der Verhältnisse der Menschen und der Zeiten festlegen, wie es von Zielsetzung und Eigenart des Instituts gefordert wird“. „Was die Pflicht zu lehren betrifft, so haben die Ordensoberen die Kompetenz und die Autorität von Lehrern des Geistes in bezug auf den institutseigenen Entwurf vom Leben nach dem Evangelium. Sie müssen hier eine wirkliche geistliche Leitung wahmehmen, für das Gesamt-Institut und seine einzelnen Kommunitäten, und zwar in aufrichtiger Übereinstimmung mit dem authentischen Lehramt der Hierarchie“. 96. Andererseits haben die Bischöfe als „rechtmäßige Lehrer“ und „Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit“ eine „Verantwortung bezüglich der Glaubensunterweisung sowohl in den Studienzentren als auch in den anderen Möglichkeiten der Glaubensvermitt-lung“. „Den Bischöfen als den rechtmäßigen Lehrern und den Führern zur Vollkommenheit für alle Mitglieder ihrer Diözese (vgl. Christus Dominus, Nrn. 12, 15, 35.2; Lumen Gentium, Nm. 25, 45) obliegt es auch, die Treue zum Ordensberuf, im Geiste jedes "Instituts, zu schützen“, im Sinne der Normen des Kirchenrechts (vgl. can. 386, 387, 591, 593, 678). 97. Das steht keineswegs der Autonomie des Lebens und besonders der Autonomie der den Ordensinstituten zuerkannten Leitung entgegen. Wenn der Bischof durch die Respektierung dieser Autonomie in der Ausübung seiner Jurisdiktion eingeschränkt ist, entbindet ihn das deswegen nicht davon, über den Weg der Ordensleute zur Heiligkeit zu wachen. In der Tat obliegt es einem Nachfolger der Apostel als Diener des Wortes Gottes, die Christen im allgemeinen zur Nachfolge Christi aufzurufen, und ganz besonders jene, die die Gnade der Berufung zu einer „besonders engen Nachfolge“ (vgl. can. 573. § 1) empfangen haben. Das Institut, dem diese Letzteren angehören, stellt schon in sich und für sie eine Schule der Vollkommenheit und einen Weg zur Heiligkeit dar, aber das Ordensleben, das es anbietet, ist ein Gut der Kirche und untersteht als solches der Verantwortung des Bischofs. Die Beziehung des Bischofs zu den Ordensleuten, allgemein verstanden auf Apostolatsebene, ist tief ver- 1419 KONGREGATIONEN wurzelt in seiner Aufgabe als Diener des Evangeliums, im Dienst der Heiligkeit der Kirche und der Unversehrtheit ihres Glaubens. In diesem Geist und aufgrund dieser Prinzipien ist es angebracht, daß die Bischöfe der Ortskirchen von den höheren Oberen über die Ausbildungsordnungen, die in den auf dem Gebiet ihrer Diözesen gelegenen Zentren oder Abteilungen zur Ausbildung der Ordensleute in Geltung sind, zumindest informiert werden. Jede Schwierigkeit, was die bischöfliche Verantwortung und das Funktionieren dieser Abteilungen oder Zentren betrifft, soll zwischen Bischöfen und höheren Oberen im Sinne der Richtlinien von Mutuae ielationes (Nm. 24-35) und eventuell mit Hilfe von Koordinierungsorganen, auf die in demselben Dokument hingewiesen wird (Mutuae relationes, Nm. 52-67), geprüft werden. E) Die gegenseitige Zusammenarbeit der Institute auf dem Gebiet der Ausbildung 98. Die Hauptverantwortung für die Ausbildung der Ordensleute liegt zu Recht bei jedem einzelnen Institut, und die höheren Oberen der Institute haben die wichtige Aufgabe, mit Hilfe ihrer qualifizierten Verantwortlichen darüber zu wachen. Jedes Institut muß im übrigen nach dem Eigenrecht seine Ausbildungsordnung (ratio) festlegen. Doch eine Reihe von Umständen haben zahlreiche Institute auf allen Kontinenten veranlaßt, ihre Ausbildungsmaßnahmen zusammenzulegen (Personal und Einrichtungen), um in diesem so wichtigen Werk zusammenzuarbeiten, das sie völlig auf sich allein gestellt nicht mehr zu vollbringen vermögen. 99. Diese Zusammenarbeit erfolgt mittels ständiger Zentren oder periodischer Angebote. Unter einem „inter-institutionellen“ Zentrum versteht man ein Studienzentram für Ordensleute unter der gemeinsamen Verantwortung der höheren Oberen der Institute, deren Mitglieder an diesem Zentrum teilnehmen. Ziel eines solchen Zentrums ist die Sicherstellung der theoretischen und praktischen Ausbildung, die von der je eigenen Sendung der Institute und ihrer Natur entsprechend verlangt wird. Es unterscheidet sich von der Ausbildungskommunität, die zu jedem Institut gehört und in welcher der Novize und der junge Ordensangehörige in das kommunitäre, geistliche und pastorale Leben des Instituts eingeführt werden. Wenn sich ein Institut an einem „inter-institutionellen“ Zentrum beteiligt, muß im Hinblick auf eine harmonisch und vollständige Ausbildung auf eine gegenseitige Ergänzung zwischen der Ausbildungskommunität und dem Zentrum hingearbeitet werden. Die Ausbildungszentren innerhalb einer Föderation unterliegen den Normen in den Statuten der Föderation und sind hier nicht betroffen. Dasselbe gilt von Studienzentren oder -abtei-lungen, die der Verantwortung eines einzigen Instituts unterstehen, die aber Ordensmänner bzw. Ordensfrauen anderer Institute als Gäste aufnehmen. 100. Die Zusammenarbeit der Institute bei der Ausbildung der jungen Professen, bei der Fortbildung und bei der Schulung der Ausbilder kann im Rahmen eines Zentrums erfolgen. Die Ausbildung der Novizen hingegen kann nur in Form periodischer Angebote erfolgen, denn 1420 KONGREGATIONEN die eigentliche Kommunität des Noviziats kann nur eine jedem Institut eigene homogene Gemeinschaft sein. Unser Dikasterium beabsichtigt, diesbezüglich ein ausführliches, normatives Dokument über die Durchführung der Zusammenarbeit zwischen den Ordensinstituten im Bereich der Ausbildung zu veröffentlichen. Anmerkungen des 5. Kapitels 1 Gravissimum educationis 2 Christifideles laici, Nr. 46; auch Vorlage 51 und 52 der 7. Bischofssynode (1987) 3 Christifideles laici, Nr. 46 4 CThlam 8. 10. 1985, Nr. 4-1; EV9, 1622 5 Johannes Paul II. an die Unesco, 1980, Nr. 6 und 7. IDGP, 1980,1,1636; dt. in W.u.W., 1980, 224-225 6 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 46 7 CThl, Glaube und Inkulturation, Nm. 8-22. Civiltä cattolica, Januar 1989 8 Vgl. ebd.’, vgl. auch Christifideles laici, Nr. 44 9 Vgl. CThl, Nr. 4-2; vgl. Anm. 4 dieses Kapitels 10 Christifideles laici, Nr. 55 11 Vgl. Christifideles laici, Nr. 30 12 Vgl. can. 578 13 Vgl. Christus Dominus, Nm. 35,3 und 4; Mutuae relationes, Nr. 13c 14 Can. 586 15 Can. 659 § 2; vgl. auch can. 650 § 1 besonders was das Noviziat betrifft 16 Mutuae relaüones, Nr. 13a 17 Lumen Gentium, Nr. 25 18 Mutuae relationes, Nr. 33; vgl. auch can. 753 und 212 § 1 19 Vgl. Mutuae relationes, Nr. 28; Zum Bischof als „prefector“ vgl. S. Theol., I-IIae, q. 184 20 Vgl. can. 650 § 1 und 659 § 2; vgl. auch Johannes Paul JJ. an die Ordensleute Brasiliens, 1986, Nr. 5 (a. a. O.) 1421 KONGREGATIONEN Sechstes Kapitel Die Ordensleute als Kandidaten für das Priesteramt und das Amt des Diakons 101. Die von diesen Ordensleuten aufgeworfenen Probleme müssen angesichts ihres besonderen Charakters eigens dargelegt werden. Es gibt drei Problemgruppen. Die einen betreffen die Ausbildung zu den Ämtern als solche; andere die religiöse Eigenart der Ordenspriester und Ordensdiakone; die dritte Gruppe endlich die Eingliederung des Ordenspriesters in das Presbyterium der Diözese. Die Ausbildung 102. In einigen Instituten, die von ihrem Eigenrecht als Klerikerorden beschrieben werden, entschließt man sich mitunter, den Laienbrüdern und den Kandidaten für die geweihten Ämter dieselbe Ausbildung zu erteilen. Auf der Stufe des Noviziats scheint vom besonderen Charisma des Instituts eine gemeinsame Ausbildung für beide manchmal sogar gefordert zu sein. Daraus ergeben sich günstige Konsequenzen für das Niveau und die Vollständigkeit der lehrmäßigen Ausbildung der Laienbrüder und für ihre Eingliederung in die Gemeinschaft. Aber in allen Fällen müssen vor allem die Dauer und der Inhalt des Vorbereitungsstudiums auf das Priesteramt streng eingehalten und befolgt werden. 103. „Die Ausbildung der Mitglieder, die sich auf den Empfang der heiligen Weihen vorbereiten, richtet sich nach dem allgemeinen Recht und nach der eigenen Studienordnung des Instituts.“1 Folglich müssen sich die Ordensmänner, die Kandidaten für das Priesteramt sind, an die Normen von Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis,2 und die Kandidaten für das Diakonatsamt an die vom Eigenrecht der Institute dafür vorgesehenen Bestimmungen halten. Man braucht hier nicht diese ganze Studienordnung („Ratio“) noch einmal aufzugreifen, deren Hauptpunkte ja im Kirchenrecht stehen.3 Es sei nur an einige Abschnitte des Ausbildungsverlaufes erinnert, damit sie von den höheren Oberen beobachtet werden. 104. Das Studium der Philosophie und der Theologie, das hintereinander oder zusammen durchgeführt werden kann, soll mindestens sechs volle Jahre umfassen, und zwar sollen zwei ganze Jahre den philosophischen Fächern und vier ganze Jahre den theologischen Studien gewidmet sein. Die höheren Oberen sollen über die Einhaltung dieser Bestimmungen wachen, besonders dann, wenn sie ihre jungen Ordensmänner „inter-institutionellen“ Zentren oder Universitäten anvertrauen. 105. Obwohl die gesamte Ausbildung der Priesteramtskandidaten ein pastorales Ziel verfolgt, soll es eine der Zielsetzung des Instituts angepaßte eigentliche pastorale Ausbildung geben. Das Programm dieser Ausbildung soll sich nach dem Dekret Optatam totius und für die Ausbildung der zur Arbeit in fremden Kulturen berufenen Ordensmännem nach dem Dekret Ad gentes richten.4 106. Die der Kontemplation hingegebenen Ordenspriester, Mönche oder andere, die von ihren Oberen angewiesen werden, sich Gästen für den Dienst der Wiederversöhnung oder des 1422 KONGREGATIONEN geistlichen Rates zur Verfügung zu halten, sollen mit einer diesem Dienst angemessenen pastoralen Ausbildung ausgestattet werden. Sie sollen sich gleichfalls an die pastoralen Weisungen der Ortskirche halten, in der sie sich befinden. 107. Alle kirchenrechtlichen Anforderungen an die Weihebewerber und ihre Person sollen unter Berücksichtigung der dem Ordensstand eigenen Natur und seiner Verpflichtungen beachtet werden. Die religiöse Eigenart der Ordenspriester und Ordensdiakone 108. „Ein Ordenspriester, der sich an der Seite von Weltpriestem der Seelsorge widmet, sollte durch sein Verhalten klar zu erkennen geben, daß er Ordensmann ist“. Damit beim Ordenspriester und Ordensdiakon immer sichtbar zutage tritt, „was für das Ordensleben und die Ordensleute kennzeichnend ist und ihnen ein Gesicht verleiht“, müssen wohl einige Bedingungen erfüllt sein, hinsichtlich welcher sich Ordensleute, Priester- und Diakonatsamtskandidaten, während ihrer anfänglichen Ausbildung und im Verlauf ihrer ständigen Weiterbildung ratsamerweise prüfen sollten: - daß sie eine klare Vorstellung und gefestigte Überzeugungen von der Natur des Priester- bzw. des Diakonatsamtes, das zu ihrer Heiligkeit und ihrem Leben gehört, besitzen, aber dabei an dem Prinzip festhalten, daß ihr pastoraler Dienst Teil der Natur ihres Ordenslebens ist; - daß sie für ihr geistliches Leben die Quellen des Instituts, dessen Mitglieder sie sind, studieren und in ihnen das Geschenk empfangen, das dieses Institut für die Kirche darstellt; - daß sie von einer persönlichen geistlichen Erfahrung Zeugnis geben, die sich am Zeugnis und an der Lehre des Stifters inspiriert; - daß sie ihr Leben nach der Lebensregel führen, zu deren Einhaltung sie sich verpflichtet haben; - daß sie dem Recht gemäß in Gemeinschaft leben; - daß sie verfügbar und beweglich für den Dienst der Gesamtkirche sind, wenn die Oberen des Instituts sie damit beauftragen. Wenn diese Bedingungen beachtet werden, wird der Ordenspriester oder Ordensdiakon die beiden Dimensionen seiner einen Berufung gut miteinander in Einklang bringen können. Der Platz des Ordenspriesters im Presbyterium der Diözese 109. Die Ausbildung des Ordenspriesters muß seiner späteren Eingliederung in das Presbyterium einer Ortskirche Rechnung tragen, dabei jedoch die Eigenart jedes Instituts berücksichtigen. Denn „die Teilkirche ist der geschichtliche Raum, in dem eine Berufung sich 1423 KONGREGATIONEN wirklich ausdrückt und apostolisch wirkt“; die Ordenspriester können sie mit Recht als „die Heimat der eigenen Berufung“ betrachten. Die Prinzipien, die diese Eingliederung bestimmen sollen, sind im Konzilsdekret Christus Dominus (Nm. 34-35) dargelegt. Die Ordenspriester sind „Mitarbeiter des Bischofstandes“, man muß „sie in einem wahren Sinne als zum Klerus der Diözese gehörend betrachten, insofern sie unter der Autorität der geweihten Oberhirten Anteil an der Seelsorge und an den Werken des Apostolats haben“. Das Dokument Mutuae relationes (Nm. 15-23) hebt, was diese Eingliederung betrifft, den wechselseitigen Einfluß zwischen den universellen und partikulären Werten hervor. Wenn von den Ordensleuten verlangt wird, „sich, auch wenn sie einem Ordensinstitut päpstlichen Rechts angehören, als wirkliche Mitglieder der Diözesanfamilie zu betrachten“, so gesteht das Kirchenrecht ihnen doch eine angemessene Autonomie zu unter der Voraussetzung, daß ihr universeller und missionarischer Charakter gewahrt bleibt. Für gewöhnlich wird die Situation eines Ordenspriesters oder Ordensinstituts, dem der Bischof einen Auftrag oder eine pastorale Arbeit in seiner Kirche anvertraut hat, durch schriftliche Übereinkunft zwischen dem Bischof und dem zuständigen Oberen des Instituts oder des betreffenden Ordensmitgliedes geregelt. Gleiches gilt unter denselben Umständen für einen Ordensdiakon. Anmerkungen des 6. Kapitels 1 Can. 659 § 3 21. Ausgabe 6.1. 1970; 2. Ausgabe 19. 3.1985; vgl. Kapitel 4, Anm. 35 3 Vgl. can. 242-256 4 Vgl. Optatam totius, Nr. 4 und Nm. 19-21; vgl. Ad gentes, Nm. 25-26 5 Vgl. can. 1010-1054 6 Johannes Paul ZT. an die Ordensleute Brasiliens, 5. 7. 1980. Vgl. Vorw., Anm. 5 I Ebd. 8 Vgl. Lumen Gendum, Nr. 44 9 Vgl. Perfectae caritads, Nr. 8 10 Vgl. Christus Dominus, Nr. 35,2 II Mutuae relationes, Nr. 23d 12 Mutuae relationes, Nr. 37 13 Christus Dominus, Nr. 34. „Ut Episcopis auxiliatores adsint et subsint“, heißt es in Christus Dominus, Nr. 35 14 Mutuae relationes, Nr. 18b 15 Vgl. can. 586 § 1 u. 2 16 Vgl. can. 591; vgl. Mutuae reladones, Nr. 23 17 Vgl. Mutuae relationes, Nm. 57-58; vgl. auch can. 520 § 2 1424 KONGREGATIONEN Schluß 110. Dieses Dokument wollte den bereits gewonnenen Erfahrungen nach dem Konzil Rechnung tragen und zugleich von den höheren Oberen aufgeworfene Fragen weitergeben. Es ruft allen einige Forderungen des Rechts in bezug auf die gegenwärtigen Verhältnisse und Bedürfnisse in Erinnerung. Nicht zuletzt hofft es, den Ordensinstituten von Nutzen zu sein, damit alle in der kirchlichen Gemeinschaft voranschreiten, unter der Führung des Papstes und der Bischöfe, denen „das Amt zukommt, zu unterscheiden und zu steuern, das Amt, das gleichzeitig die Fülle besonderer Gaben des Geistes und das eigene Charisma der Lenkung der verschiedenen Dienste in tiefster Fügsamkeit gegenüber dem einzigen lebenspendenden Geist mit sich bringt“.1 An erster Stelle wurde darauf hingewiesen, daß das Hauptziel der Ausbildung der Ordensleute darin besteht, sie in das Ordensleben einzuführen und ihnen dabei zu helfen, sich ihrer Identität als Männer und Frauen bewußt zu werden, die sich durch ihr Gelübde zur Befolgung der evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams Gott in einem Ordensinstitut geweiht haben. Unter den entscheidenden Vermittlern der Ausbildung kommt dem Heiligen Geist ein Vorrang zu, denn die Ausbildung der Ordensleute ist ihrer Quelle und ihrer Zielsetzung nach ein im wesentlichen göttliches Werk. In unserem Dokument wird die Notwendigkeit betont, qualifizierte Erzieher auszubilden, ohne zu warten, bis jene, die diese Aufgabe gegenwärtig wahmehmen, ihren Auftrag beendet haben. Die wichtige Rolle, die der Ordensangehörige selbst und seine Gemeinschaft spielen, machen diese Aufgabe zu einem bevorzugten Ort der Übung persönlicher und gemeinschaftlicher Verantwortung. Es wurden einige aktuelle Fragen zur Sprache gebracht, die zwar nicht alle peremptorisch beantwortet werden, die aber wenigstens zum Nachdenken anregen sollen. Ein besonderer Platz wurde auch den gänzlich auf die Kontemplation hingeordneten Instituten eingeräumt angesichts ihrer Stellung im Herzen der Kirche und der Eigenart ihrer Berufung. Jetzt bleibt noch, für alle, Oberen, Ausbilder, Ordensleute, die Gnade der Treue zu ihrer Berufung nach dem Vorbild und unter der Obhut der Jungfrau Maria zu erbitten. Auf ihrem Weg durch die Zeiten schreitet die Kirche voran und geht dabei „denselben Weg, den auch die Jungfrau Maria zurückgelegt hat, die ,den Pilgerweg des Glaubens gegangen ist und ihre Verbundenheit mit dem Sohn in Treue bewahrt hat’“.2 Die Zeit der Ausbildung hilft den Ordensleuten, diesen Weg im Licht des Geheimnisses Christi zu gehen, daß das Geheimnis Mariens „voll und ganz aufklärt“,3 während gleichzeitig das Geheimnis Mariens „für die Kirche ... ein Zeichen der Bestätigung für das Dogma von der Menschwerdung“ ist,4 wie es auf dem Konzil von Ephesus offenkundig geworden ist. Maria ist bei der Entstehung und der Erziehung einer Ordensberufung gegenwärtig. Sie ist mit dem ganzen Wachsen dieser Berufung im Heiligen Geist aufs engste verbunden. Die Sendung, die sie an der Seite Jesu erfüllt hat, vollendet sie zum Wohle seines Leibes, der Kirche, und in jedem Christen, besonders in jenen, die sich einer „besonderes engen“ Nachfolge Jesu Christi hingeben.5 Und darum wird eine von einer authentischen Theologie getragene marianische Atmosphäre für die Ausbildung der Ordensleute die Zuverlässigkeit, die Gründlichkeit und die Freude sicherstellen, ohne die ihr Sendungsauftrag in der Welt nicht voll erfüllt werden könnte. 1425 KONGREGATIONEN In der Audienz, die dem Unterzeichneten Kardinal-Präfekten am 10. November 1989 gewährt wurde, hat der Hl. Vater das vorliegende Dokument der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gemeinschaften des apostolischen Lebens gutgeheißen und dessen Veröffentlichung unter dem Titel „Richtlinien für die Ausbildung in den Ordensinstituten“ gestattet. Rom, am Sitz der Kongregation, den 2. Februar 1990, am Fest der Darstellung des Herrn. fr. JEROME Kardinal HAMER Präfekt + VINCENZO FAGIOLO em. Erzbischof von Chieti Sekretär Anmerkungen vom Schluß 1 Mutuae relationes, Nr. 6 2 Redemptoris Mater, Nr. 2: AAS 79 (1987) 361ff. 3 Vgl. Redemptoris Mater, Nr. 4 4 Ebd. 5 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 42 1426 KONGREGATIONEN Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen Kongregation für die Glaubenslehre vom 24. Mai 1990 Einführung 1. Die Wahrheit, die frei macht, ist ein Geschenk Jesu Christi (vgl. Joh 8,32). Das Erforschen der Wahrheit wird von der Natur des Menschen gefordert, während Unwissenheit ihn in Knechtschaft hält. Der Mensch kann in der Tat nicht wahrhaft frei sein, wenn er über die wesentlichen Fragen seiner Existenz keine Klarheit erhält und zumal wenn er nicht weiß, woher er kommt und wohin er geht. Er wird frei, wenn Gott sich ihm nach dem Wort des Herrn als Freund anvertraut: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15,15). Befreit von der Entfremdung durch Sünde und Tod aber wird der Mensch, wenn Christus, der die Wahrheit ist, für ihn zum „Weg“ wird (vgl. Joh 14,6). Im christlichen Glauben sind Erkenntnis und Leben, Wahrheit und Existenz innerlich verbunden. Gewiß übersteigt die in der Offenbarung Gottes geschenkte Wahrheit die Fassungskraft der Erkenntnis des Menschen, doch steht sie zur Vernunft des Menschen nicht in Gegensatz. Sie durchdringt und erhebt diese vielmehr und appelliert an die Verantwortung eines jeden Menschen (vgl. 1 Petr 3,15). So war die „Lehr-Regel“ (vgl. Röm 6,17) vom Anfang der Kirche an mit der Taufe an den Eintritt in das Geheimnis Christi gebunden. Der Dienst an der Lehre, zu dem das gläubige Bemühen um Glaubensverständnis, nämlich die Theologie, gehört, ist daher eine Forderung, auf die die Kirche nicht verzichten kann. Zu allen Zeiten ist die Theologie wichtig, damit die Kirche auf den Plan Gottes antworten kann, der will, „daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4). Doch in Zeiten großer geistiger und kultureller Umbrüche wird sie noch wichtiger, auch wenn sie dann besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denn sie muß sich bemühen, in der Wahrheit „zu bleiben“ (vgl. Joh 8,31) und zugleich die neuen Probleme, die sich dem menschlichen Geist stellen, zu berücksichtigen. In unserem Jahrhundert und zumal bei der Vorbereitung und Durchführung des Zweiten Vatikanischen Konzils hat die Theologie viel zu einem tieferen „Verständnis der überlieferten Dinge und Worte“' beigetragen, freilich auch Momente der Krise und Spannung erlebt, und sie erlebt sie weiter. Daher hält es die Kongregation für die Glaubenslehre für angebracht, den Bischöfen der katholischen Kirche und über sie den Theologen diese Instruktion vorzulegen, welche die Sendung der Theologie in der Kirche erhellen möchte. Die Instruktion behandelt zunächst (I) die Wahrheit als Geschenk Gottes für sein Volk, beschreibt dann (II) die Aufgabe der Theologen, geht auf den besonderen Auftrag der Hirten ein (HI) und bietet schließlich (IV) einige Hinweise zum richtigen Verständnis beider zueinander. Sie möchte damit dem Wachstum in der Erkenntnis der Wahrheit dienen (vgl. Kol 1,10), die uns in jene Freiheit einführt, für die Christus gestorben und auferstanden ist (vgl. Gal 5,1). 1427 KONGREGATIONEN 1. Die Wahrheit, ein Geschenk Gottes für sein Volk 2. Von grenzenloser Liebe bewogen, hat Gott dem Menschen auf der Suche nach der eigenen Identität nahe sein und sein Weggefährte werden wollen (vgl. Lk 24,15). Er wollte ihn ferner von den Fallstricken des „Vaters der Lüge“ (vgl. Joh 8,44) befreien und ihm Zugang zu einem innigen Verhältnis zu Gott schenken, damit er dort die volle Wahrheit und die wahre Freiheit in Überfülle finde. Dieser Liebesplan, der vom „Vater der Lichter“ (vgl. Jak 1,17; vgl. 1 Petr 2,9; vgl. 1 Joh 1,5) stammt und durch den dem Tod entrissenen Sohn (vgl. Joh 8,36) verwirklicht wurde, erhält durch den Geist, der „in die ganze Wahrheit“ (vgl. Joh 16,13) führt, dauerhafte Gestalt. 3. Die Wahrheit besitzt aus sich selbst eine einigende Kraft: Sie befreit die Menschen aus der Isolierung und den Gegensätzen, in denen sie die Unkenntnis der Wahrheit gefangenhält, öffnet ihnen den Weg zu Gott und vereinigt untereinander. Christus hat die Trennmauer zerstört, die sie der Verheißung Gottes und der Gemeinschaft des Bundes gegenüber zu Fremden machte (vgl. Eph 2,12-14). Er sendet in die Herzen der Glaubenden seinen Geist, durch den alle in Ihm nur noch „einer“ sind (vgl. Rom 5,5; Gal 3,28). So werden wir dank der Wiedergeburt und der Salbung des Heiligen Geistes (vgl. Joh 3,5; vgl. 1 Joh 2,20.27) zum einen und neuen Volk Gottes, das durch die verschiedenen Berufungen und Charismen beauftragt ist, das Geschenk der Wahrheit zu bewahren und weiterzugeben. Die ganze Kirche muß in der Tat als „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ (vgl. Mf 5,13f.) von der Wahrheit Christi, die frei macht, Zeugnis geben. 4. Das Volk Gottes antwortet auf diesen Aufruf „vor allem durch ein Leben in Glauben und Liebe, in der Darbringung des Lobopfers an Gott“. Was näherhin das „Leben im Glauben“ betrifft, so führt das Zweite Vatikanische Konzil weiter aus: „Die Gesamtheit der Gläubigen, welche die Salbung von dem Heiligen haben (vgl. 1 Joh 2,20.27), kann im Glauben nicht irren. Und diese ihre besondere Eigenschaft macht sie durch den übernatürlichen Glaubenssinn des ganzen Volkes dann kund, wenn sie ,von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien’ ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert“. 5. Um seine prophetische Funktion in der Welt auszuüben, muß das Volk Gottes sein Glaubensleben (vgl. 2 Tim 1,6) ständig in sich selber erwecken oder „neu beleben“, zumal durch eine immer tiefere Reflexion, die sich unter der Führung des Heiligen Geistes mit dem Inhalt des Glaubens selber auseinandersetzt und durch das Bemühen, den Glauben in den Augen jener zu rechtfertigen, die für ihn Gründe fordern (vgl. 1 Petr 3,15). Im Hinblick auf diese Sendung verteilt der Geist der Wahrheit unter den Glaubenden aller Stände besondere Gaben, die verliehen werden, „damit sie anderen nützen“ (vgl. 1 Kor 12,7-11). 1428 KONGREGATIONEN II. Die Berufung des Theologen 6. Unter den durch den Geist in der Kirche entfachten Berufungen zeichnet sich die des Theologen aus, dessen Aufgabe darin besteht, in Gemeinschaft mit dem Lehramt ein immer tieferes Verständnis des Wortes Gottes, wie es in der inspirierten und von der lebendigen Tradition der Kirche getragenen Schrift enthalten ist, zu gewinnen. Der Glaube strebt von seiner Natur her nach Erkenntnis, denn er enthüllt dem Menschen die Wahrheit über seine Bestimmung und den Weg, sie zu erreichen. Obwohl diese geoffenbarte Wahrheit all unser Reden überschreitet und unsere Begriffe angesichts seiner letzten Endes unergründlichen Erhabenheit (vgl. Eph 3,19) unvollkommen bleiben, so fordert er doch unsere Vernunft, dieses Geschenk Gottes zum Erfassen der Wahrheit, auf, in ihr Licht einzutreten und so fähig zu werden, das Geglaubte in einem gewissen Maß auch zu verstehen. Theologische Wissenschaft, die sich um das Verständnis des Glaubens in Antwort auf die Stimme der sie ansprechenden Wahrheit bemüht, hilft dem Volk Gottes, gemäß dem Auftrag des Apostels (vgl. 1 Petr 3,15) dem, der nach seiner Hoffnung fragt, Rede und Antwort zu stehen. 7. Die Arbeit des Theologen entspricht daher einer Dynamik, die dem Glauben selber innewohnt: Die Wahrheit will sich ihrer Natur nach mitteilen, denn der Mensch ist für die Erkenntnis der Wahrheit geschaffen und verlangt in seinem tiefsten Inneren nach ihrer Kenntnis, um sich in ihr wiederzufinden und darin sein Heil zu erlangen (vgl. 1 Tim 2,4). Deswegen hat der Herr seine Apostel ausgesandt, alle Nationen zu seinen „Jüngern“ zu machen und sie zu lehren (vgl. Mt 28,19f.). Die Theologie, die nach dem „Grund des Glaubens“ forscht und ihn den Suchenden als eine Antwort anbietet, bildet einen integralen Teil des Gehorsams gegenüber diesem Gebot; denn die Menschen können nicht zu Jüngern werden, wenn ihnen die im Wort des Glaubens enthaltene Wahrheit nicht dargelegt wird (vgl. Röm 10,14f.). Die Theologie leistet daher ihren Beitrag dazu, daß der Glaube mitteilbar wird und der Verstand jener Menschen, die Christus noch nicht kennen, den Glauben suchen und finden kann. Wenn die Theologie damit dem Antrieb der Wahrheit, die sich mitteilen möchte, entspricht, so wird sie zugleich aus der Liebe und ihrer Dynamik geboren: Im Glauben erkennt der Mensch die Güte Gottes und beginnt, ihn zu lieben. Liebe aber will den Geliebten immer noch besser kennenlemen. Aus diesem doppelten Ursprung der Theologie im inneren Leben des Volkes Gottes und seiner missionarischen Berufung ergibt sich die Weise, wie sie auszuarbeiten ist, um den Ansprüchen ihrer eigenen Natur gerecht zu werden. 8. Da das Objekt der Theologie die Wahrheit, nämlich der lebendige Gott und sein in Jesus Christus geoffenbarter Heilsplan ist, muß der Theologe sein Glaubensleben vertiefen sowie wissenschaftliches Forschen und Gebet immer vereinen. Er wird auf diese Weise für den „übernatürlichen Glaubenssinn“ aufgeschlossener, von dem er abhängt und der ihm als sichere Regel gelten wird, die seine Reflexion leitet und die Richtigkeit seiner Ergebnisse messen läßt. 9. Im Verlauf der Jahrhunderte ist die Theologie nach und nach zu einem wirklichen wissenschaftlichen Wissen geworden. Der Theologe muß daher notwendig auf die erkenntnismäßi- 1429 KONGREGATIONEN gen Erfordernisse seines Faches und die der kritischen Strenge, mit anderen Worten auf die rationale Kontrolle eines jeden Schrittes seiner Forschung achten. Doch kritische Strenge ist etwas anderes als der Geist der Kritik, der eher auf affektive Gründe oder Vorurteile zurück-geht. Der Theologe muß daher bei sich selber Ursprung und Motive seiner kritischen Haltung prüfen und seinen Blick durch den Glauben reinigen lassen, denn Theologie treiben erfordert ein geistliches Bemühen um Redlichkeit und Heiligung. 10. Obwohl die geoffenbarte Wahrheit die menschliche Vernunft übersteigt, so steht sie mit ihr doch in tiefer Übereinstimmung und setzt voraus, daß die Vernunft ihrer Natur nach auf die Wahrheit hingeordnet ist, so daß sie, vom Glauben erleuchtet, den Sinn der Offenbarung erfassen kann. Trotz der Behauptungen vieler philosophischer Strömungen, aber in Übereinstimmung mit einer gesunden, von der Schrift bekräftigten Denkweise, ist die Wahrheitsfähigkeit der menschlichen Vernunft anzuerkennen sowie auch ihre metaphysische Fähigkeit, Gott von der Schöpfung her zu erfassen. Daher erfordert die der Theologie eigene Aufgabe, den Sinn der Offenbarung zu verstehen, die Verwendung philosophischer Errungenschaften, die „ein gründliches und zusammenhängendes Wissen über Mensch, Welt und Gott“ liefern und deren Aussagen bei der Reflexion über die geoffenbarte Lehre aufgenommen werden können. Notwendig für die Studien des Theologen sind ebenfalls die historischen Wissenschaften, an erster Stelle wegen des historischen Charakters der Offenbarung, die uns innerhalb einer „Heilsgeschichte“ übermittelt worden ist. Endlich soll er auch auf die Humanwissenschaften zurückgreifen, um die geoffenbarte Wahrheit über den Menschen und die moralischen Normen seines Tuns durch Einbringen der gültigen Ergebnisse dieser Wissenschaften besser zu erfassen. In dieser Hinsicht gehört es zur Aufgabe des Theologen, in seiner eigenen Kultur Elemente zu finden, mit denen er den einen oder anderen Aspekt der Geheimnisse des Glaubens erhellen kann. Eine solche Aufgabe ist gewiß schwer und nicht ohne Gefahren, doch bleibt sie in sich selber berechtigt und soll ermuntert werden. Hier ist zu betonen: Wenn die Theologie begriffliche Elemente und Methoden, die von der Philosophie oder anderen Wissenschaften herstammen, verwendet, muß sie zu unterscheiden wissen, wobei sie das letzte normgebende Prinzip in der geoffenbarten Lehre findet. Diese muß ihr die Kriterien für die Beurteilung dieser begrifflichen Elemente und Methoden an die Hand geben und nicht umgekehrt. 11. Da er nie vergessen wird, daß auch er ein Glied des Volkes Gottes ist, muß der Theologe dieses achten und sich bemühen, ihm eine Lehre vorzutragen, die in keiner Weise der Glaubenslehre Schaden zufügt. Die der theologischen Forschung eigene Freiheit gilt innerhalb des1 Glaubens der Kirche. Daher kann die Kühnheit, die sich dem Bewußtsein des Theologen oft nahelegt, keine Früchte bringen und „erbauen“, wenn sie nicht von der Geduld des Reifenlassens begleitet ist. Die neuen Vorschläge zum Verständnis des Glaubens „sind nur ein Angebot für die ganze Kirche. Vieles muß im brüderlichen Gespräch korrigiert und erweitert werden, bis die ganze Kirche es annehmen kann. Theologie ist zutiefst ein sehr selbstloser Dienst an der Gemeinschaft der Gläubigen. Darum gehören die sachliche Disputation, das brüderliche Gespräch, Offenheit und Bereitschaft zur Veränderung der eigenen Meinungen wesentlich zu ihr“. 1430 KONGREGATIONEN 12. Die Freiheit der Forschung, an der die Gemeinschaft der Wissenschaftler mit Recht als einem ihrer kostbarsten Güter festhält, bedeutet die Bereitschaft, die Wahrheit so anzunehmen, wie sie sich am Ende einer Forschungsarbeit darbietet, bei der kein Element Einfluß gewinnt, das den Erfordernissen einer dem studierten Objekt entsprechenden Methode fremd ist. In der Theologie ist die Freiheit der Forschung innerhalb eines rationalen Wissens anzusetzen, dessen Gegenstand von der Offenbarung gegeben wird, wie sie in der Kirche unter der Autorität des Lehramtes übermittelt, ausgelegt und vom Glauben angenommen wird. Diese Elemente, die den Rang von Grundsätzen haben, beiseite zu lassen, würde bedeuten, daß man aufhört, Theologie zu treiben. Um die Art dieses Verhältnisses zum Lehramt klarzustellen, soll nun von dessen Aufgabe in der Kirche die Rede sein. III. Das Lehramt der Hirten 13. „Was Gott zum Heil aller Völker geoffenbart hatte, das sollte - so hat er in Güte verfügt -für alle Zeiten unversehrt erhalten bleiben und allen Geschlechtern weitergegeben werden“. Er hat seiner Kirche durch die Gabe des Heiligen Geistes Anteil an seiner eigenen Unfehlbarkeit gegeben. Durch den „übernatürlichen Glaubenssinn“ aber erfreut sich auch das Volk Gottes dieses Vorzugs, unter der Leitung des lebendigen Lehramtes der Kirche, das kraft der im Namen Christi ausgeübten Autorität die einzige authentische Instanz für die Auslegung des geschriebenen oder überlieferten Wortes Gottes ist. 14. Als Nachfolger der Apostel empfangen die Hirten der Kirche „vom Herrn ... die Sendung, alle Völker zu lehren und das Evangelium jedwedem Geschöpf zu verkündigen. So sollen alle Menschen ... das Heil erlangen“." Ihnen ist damit die Aufgabe anvertraut, das Wort Gottes zu bewahren, darzulegen und zu verbreiten, dessen Diener sie sind. Die Sendung des Lehramtes besteht darin, in einer mit dem „eschatologischen“ Charakter des Christusereignisses übereinstimmenden Form den endgültigen Charakter des Bundes zu verkünden, den Gott in Christus mit seinem Volke geschlossen hat; es muß dieses vor Abweichungen und Verirrungen schützen und ihm die objektive Möglichkeit garantieren, den echten Glauben jederzeit und in den verschiedenen Situationen irrtumsfrei zu bekennen. Daraus folgt, daß die Bedeutung des Lehramtes und sein Wert nur im Verhältnis zur Wahrheit der christlichen Lehre und zur Predigt des Wortes der Wahrheit zu verstehen ist. Seine Funktion ist daher nicht etwas der christlichen Wahrheit Äußerliches, und es ist ebensowenig dem Glauben übergeordnet; es leitet sich vielmehr unmittelbar von der Ökonomie des Glaubens selber her, weil das Lehramt in seinem Dienst am Wort Gottes eine positiv von Christus als konstitutives Element der Kirche gewollte Institution ist. Der Dienst, den das Lehramt der christlichen Wahrheit leistet, hilft daher dem ganzen Volk Gottes, das aufgerufen ist, in jene Freiheit der Wahrheit einzutreten, die Gott in Christus geoffenbart hat. <873> <873> Damit sie die ihnen übertragene Aufgabe, das Evangelium zu verkünden und die Offenbarung authentisch auszulegen, in vollem Umfang erfüllen können, hat Jesus Christus den Hirten der Kirche den Beistand des Heiligen Geistes verheißen. Er hat sie im besonderen in 1431 KONGREGATIONEN Sachen des Glaubens und der Sitten mit dem Charisma der Unfehlbarkeit ausgestattet. Die Ausübung dieses Charismas kann in verschiedener Weise erfolgen. Es wird insbesondere ausgeübt, wenn die Bischöfe mit ihrem sichtbaren Haupt vereint in einem kollegialen Akt, wie es bei ökumenischen Konzilien der Fall ist, eine Lehre verkünden, oder wenn der Römische Papst in Erfüllung seiner Sendung als oberster Hirte und Lehrer aller Christen eine Lehre „ex cathedra“ vorlegt. 16. Die Aufgabe des Lehramtes ist es, das Glaubensgut der göttlichen Offenbarung gewissenhaft zu hüten und treulich zu erklären. Diese Aufgabe schließt ihrer Natur nach ein, daß das Lehramt Aussagen „definitiv“ vorlegen kann, auch wenn sie nicht in den Glaubenswahrheiten enthalten, wohl aber mit ihnen innerlich so verknüpft sind, daß ihr definitiver Charakter letztlich sich von der Offenbarung selber herleitet. <874> <874> Damit sie die ihnen übertragene Aufgabe, das Evangelium zu verkünden und die Offenbarung authentisch auszulegen, in vollem Umfang erfüllen können, hat Jesus Christus den Hirten der Kirche den Beistand des Heiligen Geistes verheißen. Er hat sie im besonderen in Die Moral kann Gegenstand des authentischen Lehramtes sein, weil das Evangelium als Wort des Lebens den ganzen Bereich des menschlichen Handelns anregt und bestimmt. Das Lehramt hat daher die Aufgabe, durch für das Gewissen der Gläubigen normgebende Urteile jene Akte zu bezeichnen, die in sich selber mit den Forderungen des Glaubens übereinstimmen und seine Anwendung im Leben fördern, aber auch jene Akte, die aufgrund ihres inneren Schlechtseins mit diesen Forderungen unvereinbar sind. Aufgrund des Bandes, das zwischen der Schöpfungs- und Erlösungsordnung besteht und wegen der Notwendigkeit, das ganze Moralgesetz um des Heiles willen zu kennen und zu befolgen, erstreckt sich die Zuständigkeit des Lehramtes auch auf den Bereich des Naturgesetzes. Anderseits enthält die Offenbarung selber moralische Lehren, die an sich von der natürlichen Vernunft erkannt werden können, die aber aufgrund der sündigen Verfaßtheit des Menschen schwer zugänglich sind. Es ist Glaubenslehre, daß diese moralischen Normen vom Lehramt unfehlbar gelehrt werden können. 17. Der göttliche Beistand ist ferner den Nachfolgern der Apostel gegeben, wenn sie in Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus lehren, und in besonderer Weise dem Römischen Papst als dem Hirten der ganzen Kirche, wenn sie, ohne eine unfehlbare Definition abzugeben und ohne sich „definitiv“ auszusprechen, in der Ausübung ihres ordentlichen Lehramtes eine Lehre vortragen, die zu einem besseren Verständnis der Offenbarung in Sachen des Glaubens und der Sitten führt, oder moralische Weisungen erlassen, die sich aus dieser Lehre ergeben. Man muß daher den eigenen Charakter einer jeden Äußerung des Lehramtes beachten, dazu das Maß, in dem es seine Autorität geltend macht, und auch der Tatsache Rechnung tragen, daß sich alle aus der gleichen Quelle herleiten, nämlich von Christus, der will, daß sein Volk in der ganzen Wahrheit wandelt. Aus dem gleichen Grund fehlt auch den lehramtlichen Entscheidungen in Sachen der Disziplin nicht der göttliche Beistand, selbst wenn sie nicht durch das Charisma der Unfehlbarkeit garantiert sind, und sie beanspruchen daher die Zustimmung der Gläubigen. <875> <875> Der Römische Papst bedient sich bei seiner universalen Sendung der Hilfe der Organe der Römischen Kurie, insbesondere der Kongregation für die Glaubenslehre bei Lehren über den 1432 KONGREGATIONEN Glauben und die Moral. Daraus folgt, daß die ausdrücklich vom Papst approbierten Dokumente dieser Kongregation am ordentlichen Lehramt des Nachfolgers Petri teilhaben. <876> <876> Der Römische Papst bedient sich bei seiner universalen Sendung der Hilfe der Organe der Römischen Kurie, insbesondere der Kongregation für die Glaubenslehre bei Lehren über den 19. In den Einzelkirchen kommt es dem Bischof zu, das Wort Gottes zu hüten und auszulegen und mit Autorität zu entscheiden, was ihm entspricht oder nicht. Die Lehrtätigkeit jedes einzelnen Bischofs für sich betrachtet erfolgt in Gemeinschaft mit der des Römischen Papstes, dem Hirten der universalen Kirche, und der der übrigen in der ganzen Welt verteilten oder zu einem ökumenischen Konzil versammelten Bischöfe. Diese Gemeinschaft ist Bedingung für ihre Authentizität. Als Mitglied des Bischofskollegiums aufgrund seiner sakramentalen Weihe und der hierarchischen Gemeinschaft vertritt der Bischof seine Kirche wie alle Bischöfe in Gemeinschaft mit dem Papst als dem Vertreter der Gesamtkirche im Band des Friedens, der Liebe, der Einheit und der Wahrheit. Indem sie mit ihrem eigenen Erbe in der Einheit zusammenstehen, tun die Ortskirchen die Katholizität der Kirche kund. Die Bischofskonferenzen tragen ihrerseits zur konkreten Verwirklichung des kollegialen Geistes („affectus“) bei. 20. Mit dem Auftrag, darüber zu wachen, daß das Volk Gottes in der Wahrheit, die frei macht, verbleibt, ist die pastorale Aufgabe des Lehramtes eine komplexe und unterschiedliche Wirklichkeit. Will der Theologe, der auch seinerseits der Wahrheit dient, seiner Aufgabe treu bleiben, muß er die dem Lehramt eigene Sendung beachten und mit ihm Zusammenarbeiten. Wie ist nun diese Zusammenarbeit zu verstehen? Wie verwirklicht sie sich konkret, und welche Hindernisse können dabei auftreten? Darauf soll im folgenden näher eingegangen werden. TV. Lehramt und Theologie A. Die gegenseitige Zusammenarbeit 21. Das lebendige Lehramt der Kirche und die Theologie haben zwar unterschiedliche Gaben und Aufgaben, aber am Ende das gleiche Ziel: das Volk Gottes in der Wahrheit, die frei macht, zu bewahren und es damit zum „Licht der Völker“ zu machen. Dieser Dienst an der Gemeinschaft der Kirche bringt Theologen und Lehramt in gegenseitige Beziehung. Das letztere legt authentisch die Lehre der Apostel vor und weist, indem es aus der theologischen Arbeit Vorteil zieht, die Einwürfe gegen den Glauben und dessen Verfälschungen zurück. Es legt ferner mit der von Jesus Christus empfangenen Autorität neue Vertiefungen, Verdeutlichungen und Anwendungen der geoffenbarten Lehre vor. Die Theologie gewinnt dagegen auf reflexive Weise ein immer tieferes Verständnis des in der Schrift enthaltenen und von der lebendigen Tradition der Kirche unter Führung des Lehramtes getreu überlieferten Wortes Gottes, sucht die Lehre der Offenbarung gegenüber den Ansprüchen der Vernunft zu klären und schenkt ihr schließlich eine organische und systematische Form. <877> <878> <877> Die Zusammenarbeit zwischen dem Theologen und dem Lehramt erfolgt auf besondere Weise, wenn der Theologe die „missio canonica“ oder den Lehrauftrag erhält. Sie wird dann 1433 KONGREGATIONEN in einem gewissen Sinn zur Teilhabe am Auftrag des Lehramtes, mit dem ihn nun ein juridisches Band verbindet. Die das Verhalten bestimmenden Regeln, die sich von selber und evident aus dem Dienst am Wort Gottes ergeben, werden durch die Verpflichtung bekräftigt, die der Theologe mit seinem Auftrag übernommen hat, ferner durch das Ablegen des Glaubensbekenntnisses und des Treueeides. Von diesem Zeitpunkt an wird er amtlich mit der Aufgabe betraut, mit aller Genauigkeit und unverkürzt die Lehre des Glaubens vorzulegen und zu erklären. 23. Wenn das Lehramt der Kirche unfehlbar und feierlich ausspricht, eine Lehre sei in der Offenbarung enthalten, ist die Zustimmung mit theologalem Glauben gefordert. Diese Zustimmung erstreckt sich auch auf die Unterweisung des ordentlichen und universalen Lehramtes, wenn es eine Glaubenslehre als von Gott geoffenbart zu glauben vorlegt. Wenn es „definitiv“ Wahrheiten über Glauben und Sitten vorlegt, die, wenn auch nicht von Gott geoffenbart, jedoch eng und zuinnerst mit der Offenbarung verbunden sind, müssen diese fest angenommen und beibehalten werden. <879> <879> Die Zusammenarbeit zwischen dem Theologen und dem Lehramt erfolgt auf besondere Wenn das Lehramt - auch ohne die Absicht, einen „definitiven“ Akt zu setzen - eine Lehre vorlegt, sei es, um zu einem tieferen Verständnis der Offenbarung beizutragen oder ihren Inhalt zu verdeutlichen, sei es, um die Übereinstimmung einer Lehre mit den Glaubenswahrheiten zu betonen, sei es anderseits, um vor mit diesen Wahrheiten unvereinbaren Auffassungen zu warnen, ist eine religiöse Zustimmung des Willens und des Verstandes gefordert. <880> Diese darf nicht rein äußerlich und disziplinär bleiben, sondern muß sich in die Logik des Glaubensgehorsams einfügen und von ihm bestimmen lassen. Weise, wenn der Theologe die „missio canonica“ oder den Lehrauftrag erhält. Sie wird dann 1434 KONGREGATIONEN gewisse Urteile des Lehramtes in der Zeit, in der sie ausgesprochen wurden, gerechtfertigt sein konnten, weil diese Aussagen wahre Feststellungen mit anderen, die nicht sicher waren, unentwirrbar vermischt haben. Erst die Zeit hat eine Unterscheidung gestattet, und als Ergebnis vertiefter Studien kam ein wirklicher Fortschritt in der Lehre zustande. 25. Selbst dort, wo die Zusammenarbeit unter besten Bedingungen erfolgt, ist nicht ausgeschlossen, daß zwischen dem Theologen und dem Lehramt Spannungen entstehenvEs ist nicht gleichgültig, welche Bedeutung man ihnen beimißt und in welchem Geist man sie aufgreift: Entstehen die Spannungen nicht aus einer Haltung der Feindschaft und des Widerspruchs, können sie als ein dynamisches Element und als Anregung gelten, die Lehramt und Theologen zur Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben in gegenseitigem Dialog bestimmen. 26. Für den Dialog aber müssen zwei Regeln gelten: Dort, wo die Gemeinschaft im Glauben auf dem Spiele steht, gilt der Grundsatz der „unitas veritatis“ (Einheit der Wahrheit); wo Gegensätze bleiben, die diese Gemeinschaft nicht in Frage stellen, wird man die „unitas cari-tatis“ (Einheit der Liebe) wahren müssen. 27. Auch wenn die Glaubenslehre nicht gefährdet ist, wird der Theologe seine abweichenden Meinungen oder Hypothesen nicht so vortragen, als ob es um undiskutable Schlußfolgerungen ginge. Diese Rücksicht wird von dem Respekt vor der Wahrheit ebenso gefordert wie von der Hochachtung vor dem Volk Gottes (vgl. Röm 14,1-15; 1 Kor 8; 10,23-33). Aus den gleichen Gründen wird er ihre vorzeitige Veröffentlichung vermeiden. 28. Das Voraufgehende kommt zu seiner besonderen Anwendung im Fall eines Theologen, der sich aus ihm fundiert erscheinenden Gründen mit einer reformablen Äußerung des Lehramtes in ernsthaften Schwierigkeiten befindet oder an ihrem irreformablen Charakter Zweifel hat. Eine solche Uneinigkeit könnte nicht gerechtfertigt sein, wenn sie sich allein auf die Tatsache gründete, die Gültigkeit der Lehre sei nicht offenkundig oder auf die Meinung, die gegenteilige Position sei wahrscheinlicher. Ebensowenig ist das Urteil des eigenen subjektiven Gewissens des Theologen ausreichend, weil dieses keine autonome und exklusive Instanz ist, um über die Wahrheit einer Lehre zu urteilen. 29. Auf keinen Fall darf dabei die Grundhaltung einer Bereitschaft leiden, die Lehre des Lehramtes loyal anzunehmen, denn dazu ist jeder Gläubige aufgrund seines Glaubensgehorsams verpflichtet. Daher wird sich der Theologe bemühen, diese Lehre: nach ihrem Inhalt, ihren Gründen und Motiven zu verstehen, und er wird darauf seine tiefere und geduldige Reflexion richten in der Bereitschaft, seine eigenen Ansichten zu überdenken und die Einwände zu prüfen, die ihm etwa von seinen Kollegen vorgetragen werden. 30. Bleiben die Schwierigkeiten trotz loyaler Bemühungen bestehen, ist der Theologe verpflichtet, den Lehrautoritäten die Probleme vorzutragen, die eine Lehre in sich selber, in den Begründungen, die dafür vorgebracht werden, oder auch in der Art, wie sie. vorgelegt wird, 1435 KONGREGATIONEN enthält. Er wird das im Geist des Evangeliums tun und in dem tiefen Verlangen, die Schwierigkeiten zu überwinden. Dann können seine Einwände zu einem wirklichen Fortschritt beitragen, indem sie das Lehramt anregen, die Lehre der Kirche gründlicher und besser begründet vorzulegen. Der Theologe wird in diesen Fällen nicht auf die Massenmedien zurückgreifen, sondern vielmehr die verantwortliche Autorität ansprechen, denn durch das Ausüben von Druck auf die öffentliche Meinung kann man nicht zur Klärung von lehrhaften Problemen beitragen und der Wahrheit dienen. 31. Es kann ferner Vorkommen, daß die Schwierigkeit nach Abschluß einer ernsthaften Prüfung in der Bereitschaft, ohne inneren Widerstand gegen den Spruch des Lehramtes zu hören, bestehen bleibt, weil dem Theologen die Gegengründe zu überwiegen scheinen. Er muß dann angesichts einer Zustimmung, die er nicht geben kann, bereit bleiben, die Frage gründlicher zu studieren. Für eine loyale Einstellung, hinter der die Liebe zur Kirche steht, kann eine solche Situation gewiß eine schwere Prüfung bedeuten. Sie kann ein Aufruf zu schweigendem und betendem Leiden in der Gewißheit sein, daß, wenn es wirklich um die Wahrheit geht, diese sich notwendig am Ende durchsetzt. B. Das Problem des Dissenses 32. Schon wiederholt hat das Lehramt die Aufmerksamkeit auf die schweren Schäden gelenkt, die für die Gemeinschaft der Kirche aus jenen Haltungen systematischer Opposition entstehen, die sogar zur Bildung von organisierten Gruppen führen. Papst Paul VI. hat in seinem Apostolischen Schreiben Patema cum benevolentia eine Diagnose vorgelegt, die ihre volle Gültigkeit behält. Hier soll vor allem von jener öffentlichen Oppositionshaltung gegen das Lehramt der Kirche die Rede sein. Sie wird auch „Dissens“ genannt und muß gut von einer Situation persönlicher Schwierigkeiten unterschieden werden, von denen weiter oben die Rede war. Der Dissens kann verschiedene Formen annehmen, und seine entfernten und näheren Ursachen sind zahlreich. Zu den Faktoren, die entfernt oder indirekt ihren Einfluß ausüben, muß man die Ideologie des philosophischen Liberalismus rechnen, die auch die Mentalität unserer Zeit prägt. Von ihr her kommt die Tendenz zu meinen, ein Urteil sei um so authentischer, je mehr es vom Individuum und dessen eigenen Kräften ausgeht. So stellt man die Freiheit des Denkens der Autorität und der Tradition als Ursache der Knechtschaft gegenüber. Eine überlieferte und allgemein angenommene Lehre wird von vornherein verdächtigt und ihr Wahrheitswert bestritten. Am Ende gilt die so verstandene Freiheit des Urteils mehr als die Wahrheit selber. Es geht also um etwas ganz anderes als um die berechtigte Forderung nach Freiheit im Sinn des Fehlens von Zwang als Vorbedingung für ein loyales Suchen nach der Wahrheit. Wegen dieser Notwendigkeit hat die Kirche immer daran festgehalten, daß „niemand gegen seinen Willen zur Armahme des Glaubens gezwungen werden darf1. Das Gewicht einer künstlich gesteuerten öffentlichen Meinung übt mit dem Druck, sich konform zu verhalten, ebenfalls seinen Einfluß aus. Oft drohen die von den Massenmedien verbreiteten sozialen Modelle zu einem normgebenden Wert zu werden, und es verbreitet sich 1436 KONGREGATIONEN die Meinung, die Kirche dürfe sich nur zu Problemen äußern, die die öffentliche Meinung für wichtig hält, und dann in einer Weise, die dieser gefällt. Das Lehramt könne sich z. B. mit wirtschaftlichen und sozialen Fragen befassen, solle aber alles, was Ehe- und Familienmoral betrifft, dem Urteil des einzelnen überlassen. Schließlich kann die Vielfalt der Kulturen und Sprachen, die an sich einen Reichtum bedeutet, indirekt zu Mißverständnissen führen und die Ursache fortschreitender Unstimmigkeiten bilden. In diesem Zusammenhang sind vom Theologen ein kritisches und umsichtiges Unterscheidungsvermögen sowie eine wirkliche Beherrschung der Problematik gefordert, wenn er seine kirchliche Sendung erfüllen will. Er darf sich nicht dieser Welt angleichen (vgl. Rom 12,2; Eph 4,23) und die Unabhängigkeit des Urteils, wie sie Jüngern Christi zukommt, verlieren. 33. Der Dissens kann verschiedene Formen annehmen. In seiner radikalsten Ausprägung möchte er die Kirche umwandeln und dabei einem Modell des Protestes folgen, wie es in der politischen Gesellschaft verwendet wird. Häufiger wird die Meinung vertreten, der Theologe sei nur dem unfehlbaren Lehramt zu folgen gehalten, während nach Art eines gewissen theologischen Positivismus die ohne Inanspruchnahme des Charismas der Unfehlbarkeit vorgelegten Lehren keinerlei verpflichtenden Charakter hätten, wobei dem einzelnen volle Freiheit gelassen würde, ihnen anzuhängen oder nicht. So sei der Theologe völlig frei, nicht unfehlbare Lehren des Magisteriums, zumal bei Einzelnormen der Moral in Zweifel zu ziehen oder abzulehnen, und durch eine derartige kritische Opposition könne er sogar zum Fortschritt der Lehre beitragen. <881> <882> <881> Zur Rechtfertigung des Dissenses greift man gewöhnlich auf verschiedene Argumente zurück, von denen zwei grundlegendere Bedeutung haben. Das erste ist hermeneutischer Art; Die Dokumente des Lehramtes, so sagt man, seien nichts anderes als der Reflex einer Theologie, über die man diskutieren könne. Das zweite beruft sich auf den theologischen Pluralismus, der zuweilen bis zum Relativismus, der die Integrität des Glaubens bedroht, vorangetrieben wird; Die Äußerungen des Lehramtes entstammen einer Theologie unter mehreren anderen, und keine einzelne Theologie kann den Ansprach universaler Gültigkeit erheben. Im Gegensatz zum authentischen Lehramt und in Konkurrenz zu ihm entsteht damit eine Art „paralleles Lehramt“ der Theologen.27 Gewiß ist es eine der Aufgaben der Theologen, die Texte des Lehramtes korrekt zu interpretieren, und es stehen ihm dafür hermeneutische Regeln zur Verfügung. Dabei gilt der Grundsatz, daß die Unterweisung des Lehramtes - dank des göttlichen Beistandes — auch abgesehen von der Argumentation gilt, die zuweilen von einer besonderen Theologie übernommen ist, deren sie sich bedient. Der theologische Pluralismus ist nur in dem Maße berechtigt, wie er die Einheit des Glaubens in seiner objektiven Bedeutung wahrt.28 Tatsächlich bestehen wesentliche gegenseitige Bande zwischen den verschiedenen Ebenen der Einheit des Glaubens, der Einheit und Pluralität der Ausdrucksformen des Glaubens und der Pluralität der Theologien. Dabei besteht der letzte Grand für die Pluralität im unergründlichen Geheimnis Christi, das jede objektive Systematisierung übersteigt. Das kann aber nicht bedeuten, es seien ihm entgegengesetzte Schlußfolgerungen annehmbar, und es mindert in keiner Weise 1437 KONGREGATIONEN die Wahrheit von Aussagen, in denen das Lehramt sich ausgesprochen hat. Das „parallele Lehramt“ kann großen geistlichen Schaden stiften, wenn es sich dem Lehramt der Hirten widersetzt. Gelingt es dem Dissens nämlich, seinen Einfluß bis in die öffentliche Meinung hinein auszudehnen, um zur Regel für das Handeln zu werden, kann das dem Volk Gottes nur schweren Schaden zufügen und zur Mißachtung der wirklichen Autorität führen. 35. Der Dissens zieht ferner zuweilen eine soziologische Argumentation heran, nach der die Meinung einer großen Zahl von Christen direkter und angemessener Ausdruck des „übernatürlichen Glaubenssinns“ wäre. Tatsächlich können die Meinungen der Gläubigen nicht schlicht und einfach mit dem „sen-sus fidei“ gleichgesetzt werden. Dieser ist nämlich eine Eigenart des theologalen Glaubens, der als Gabe Gottes, die das persönliche Ja zur Wahrheit schenkt, nicht irren kann. Dieser persönliche Glaube ist zugleich Glaube der Kirche, denn Gott hat der Kirche die Hut des Wortes anvertraut, und was deswegen der Gläubige glaubt, ist das, was die Kirche glaubt. Daher schließt der „sensus. fidei“ seiner Natur nach die tiefe Übereinstimmung von Geist und Herz mit der Kirche, das „sentire cum Ecclesia“, ein. Wenn sich daher der theologale Glaube als solcher nicht irren kann, so kann doch der Gläubige irrige Meinungen haben, weil nicht alle seine Gedanken vom Glauben herkommen. Die im Volk Gottes umlaufenden Ideen stimmen nicht alle mit dem Glauben überein, zumal sie leicht von einer öffentlichen Meinung beeinflußt werden können, die durch die modernen Kommunikationsmedien gesteuert wird. Nicht ohne Grund betont das II. Vatikanische Konzil die unauflösliche Beziehung zwischen dem „sensus fidei“ und der Anleitung des Volkes Gottes durch das Lehramt der Hirten: Beide Wirklichkeiten lassen sich nicht voneinander trennen. Die Äußerungen des Lehramtes wollen die Einheit der Kirche in der Wahrheit des Herrn sicherstellen. Sie helfen zum „Bleiben in der Wahrheit“ angesichts des Willkürcharakters von wandelbaren Meinungen und sind Ausdruck des Gehorsams gegenüber dem Wort Gottes. <883> Auch wenn es den Anschein haben kann, daß sie die Freiheit der Theologen beeinträchtigen, so richten sie durch die Treue zum überlieferten Glauben eine tiefer reichende Freiheit auf, die nur von der Einheit in der Wahrheit herkommen kann. <884> <885> <883> Zur Rechtfertigung des Dissenses greift man gewöhnlich auf verschiedene Argumente zurück, von denen zwei grundlegendere Bedeutung haben. Das erste ist hermeneutischer Art; Die Dokumente des Lehramtes, so sagt man, seien nichts anderes als der Reflex einer Theologie, über die man diskutieren könne. Das zweite beruft sich auf den theologischen Pluralismus, der zuweilen bis zum Relativismus, der die Integrität des Glaubens bedroht, vorangetrieben wird; Die Äußerungen des Lehramtes entstammen einer Theologie unter mehreren anderen, und keine einzelne Theologie kann den Ansprach universaler Gültigkeit erheben. Im Gegensatz zum authentischen Lehramt und in Konkurrenz zu ihm entsteht damit eine Art „paralleles Lehramt“ der Theologen.27 <884> Die Freiheit des Glaubensaktes kann das Recht auf Dissens ebensowenig rechtfertigen. Tatsächlich meint sie ja keineswegs die Freiheit gegenüber der Wahrheit, vielmehr die freie Selbstbestimmung der Person im Sinn ihrer moralischen Verpflichtung zur Annahme der Wahrheit. Der Glaubensakt ist ein Akt des Willens, denn der durch Christus den Erlöser losgekaufte und zur Annahme an Kindesstatt berufene Mensch (vgl. Rom 8,15; Gal 4,5; Eph 1,5; Joh 1,12) kann Gott nur zustimmen, wenn er, gewiß „vom Vater gezogen“ (vgl. Joh 6,44), Gott das vernunftgemäße Geschenk seines Glaubens macht (vgl. Röm 12,1). Wie die Erklärung Dignitatis humanae35 in Erinnerung gerufen hat, besitzt keine menschliche Autorität das Recht, hier durch Zwang oder Druck einzugreifen, denn diese Entscheidung überschreitet die Grenzen ihrer Zuständigkeit, und die Achtung vor dem Recht auf Religionsfreiheit bildet die Grundlage für die Achtung sämtlicher Menschenrechte. Man kann sich darum nicht auf diese Rechte des Menschen berufen, um sich den Äußerungen des Lehramtes zu widersetzen. Ein solches Verhalten verkennt Natur und Sendung der 1438 KONGREGATIONEN Kirche, die von ihrem Herrn den Auftrag erhalten hat, allen Menschen die Heilswahrheit zu verkünden, und sie tut das, indem sie in den Fußstapfen Christi wandelt und weiß, daß die Wahrheit nicht anders Anspruch erhebt „als kraft der Wahrheit selbst, die sanft und zugleich stark den Geist durchdringt“. <886> <886> Die Freiheit des Glaubensaktes kann das Recht auf Dissens ebensowenig rechtfertigen. Tatsächlich meint sie ja keineswegs die Freiheit gegenüber der Wahrheit, vielmehr die freie Selbstbestimmung der Person im Sinn ihrer moralischen Verpflichtung zur Annahme der Wahrheit. Der Glaubensakt ist ein Akt des Willens, denn der durch Christus den Erlöser losgekaufte und zur Annahme an Kindesstatt berufene Mensch (vgl. Rom 8,15; Gal 4,5; Eph 1,5; Joh 1,12) kann Gott nur zustimmen, wenn er, gewiß „vom Vater gezogen“ (vgl. Joh 6,44), Gott das vernunftgemäße Geschenk seines Glaubens macht (vgl. Röm 12,1). Wie die Erklärung Dignitatis humanae35 in Erinnerung gerufen hat, besitzt keine menschliche Autorität das Recht, hier durch Zwang oder Druck einzugreifen, denn diese Entscheidung überschreitet die Grenzen ihrer Zuständigkeit, und die Achtung vor dem Recht auf Religionsfreiheit bildet die Grundlage für die Achtung sämtlicher Menschenrechte. 37. Kraft des göttlichen Auftrags, der ihm in der Kirche gegeben ist, besteht die Sendung des Lehramtes in der Unterweisung des Evangeliums, im Wachen über seine Integrität und dadurch im Schutz des Glaubens des Volkes Gottes. Es kann sich zuweilen veranlaßt sehen, dies durch Ergreifen beschwerlicher Maßnahmen zu tun, wenn es z. B. einem Theologen, der sich von der Lehre des Glaubens entfernt, die ihm anvertraute „missio canonica“ oder den Lehrauftrag entzieht, oder auch von Schriften erklärt, sie stünden mit dieser Lehre nicht in Übereinstimmung. Wenn es so vorgeht, handelt es in Treue zu seiner Sendung, denn es schützt die Rechte des Volkes Gottes auf den Empfang der Botschaft der Kirche in ihrer Reinheit und Unverkürztheit, damit es also nicht von einer gefährlichen Sondermeinung verwirrt wird. Das unter diesen Umständen vom Lehramt am Ende einer gründlichen, durch bestimmte Vorgehensweisen festgelegten Prüfung, bei der der Betreffende vorher die möglichen Mißverständnisse seines Denkens hat zerstreuen können, gefällte Urteil betrifft nicht die Person des Theologen, sondern nur seine öffentlich geäußerten intellektuellen Ansichten. Daß diese Vorgehensweisen verbessert werden können, bedeutet nicht, sie stünden in Gegensatz zu Recht und Gerechtigkeit. Hier von der Verletzung von Menschenrechten zu reden, ist fehl am Platz, denn -man verkennt dabei die genaue Hierarchie dieser Rechte und ebenso die Natur der Gemeinschaft der Kirche sowie ihr Gemeinwohl. Überdies begibt sich der Theologe, der mit dem „sentire cum Ecclesia“ nicht übereinstimmt, in einen Widerspruch zu seiner freiwillig und bewußt übernommenen Aufgabe, im Namen der Kirche zu lehren. <887> <888> Man kann sich darum nicht auf diese Rechte des Menschen berufen, um sich den Äußerungen des Lehramtes zu widersetzen. Ein solches Verhalten verkennt Natur und Sendung der <888> Endlich kann auch der Hinweis, man müsse seinem Gewissen folgen, den Dissens nicht rechtfertigen, denn diese Pflicht wird ausgeübt, wenn das Gewissen das praktische Urteil im Hinblick auf eine zu treffende Entscheidung klärt, während es sich hier um die Wahrheit einer Lehraussage handelt. Wenn ferner der Theologe wie jeder Gläubige seinem Gewissen folgen muß, so ist er auch gehalten, es zu bilden. Das Gewissen ist keine unabhängige und unfehlbare Instanz, sondern vielmehr ein Akt des moralischen Urteils über eine verantwortliche Entscheidung. Das richtige Gewissen aber ist ein Gewissen, das durch den Glauben und das objektive Moralgesetz erhellt ist und damit auch den aufrichtigen Willen zum Erstreben des wahrhaft Guten voraussetzt. Daher setzt das richtige Gewissen des katholischen Theologen den Glauben an das Wort Gottes voraus, dessen Reichtümer er ja ergründen soll, aber auch die Liebe zur Kirche, von der er seine Sendung erhält, und die Achtung vor dem mit göttlichem Beistand ausgezeichneten Lehramt. Dem Lehramt der Kirche ein oberstes Lehramt des Gewissens entgegenstellen heißt, den Grundsatz der freien Prüfung vertreten, was aber mit der Entfaltung der Offenbarung und ihrer Weitergabe in der Kirche sowie auch mit einer korrekten Auffassung der Theologie und der Funktion des Theologen unvereinbar ist. Die Glaubensaussagen sind nämlich nicht das Ergebnis einer rein individuellen Forschung und freien Kritik des Wortes 1439 KONGREGATIONEN Gottes, sie bilden vielmehr ein kirchliches Erbe. Wenn man sich von den Hirten trennt, die die apostolische Überlieferung lebendig halten, setzt man die Verbindung mit Christus unwiderruflich aufs Spiel. <889> <889> Endlich kann auch der Hinweis, man müsse seinem Gewissen folgen, den Dissens nicht rechtfertigen, denn diese Pflicht wird ausgeübt, wenn das Gewissen das praktische Urteil im Hinblick auf eine zu treffende Entscheidung klärt, während es sich hier um die Wahrheit einer Lehraussage handelt. Wenn ferner der Theologe wie jeder Gläubige seinem Gewissen folgen muß, so ist er auch gehalten, es zu bilden. Das Gewissen ist keine unabhängige und unfehlbare Instanz, sondern vielmehr ein Akt des moralischen Urteils über eine verantwortliche Entscheidung. Das richtige Gewissen aber ist ein Gewissen, das durch den Glauben und das objektive Moralgesetz erhellt ist und damit auch den aufrichtigen Willen zum Erstreben des wahrhaft Guten voraussetzt. Daher setzt das richtige Gewissen des katholischen Theologen den Glauben an das Wort Gottes voraus, dessen Reichtümer er ja ergründen soll, aber auch die Liebe zur Kirche, von der er seine Sendung erhält, und die Achtung vor dem mit göttlichem Beistand ausgezeichneten Lehramt. Dem Lehramt der Kirche ein oberstes Lehramt des Gewissens entgegenstellen heißt, den Grundsatz der freien Prüfung vertreten, was aber mit der Entfaltung der Offenbarung und ihrer Weitergabe in der Kirche sowie auch mit einer korrekten Auffassung der Theologie und der Funktion des Theologen unvereinbar ist. Die Glaubensaussagen sind nämlich nicht das Ergebnis einer rein individuellen Forschung und freien Kritik des Wortes 39. Da sie ihren Ursprung in der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes hat, ist die Kirche ein Geheimnis der Gemeinschaft. Als solche ist sie nach dem Willen ihres Stifters mit einer Hierarchie ausgestattet, die zum Dienst am Evangelium und an dem daraus lebenden Volk Gottes bestellt ist. Nach dem Vorbild der Mitglieder der ersten Gemeinschaft müssen alle Getauften mit den ihnen eigenen Charismen aus aufrichtigem Herzen nach harmonischer Einheit in Lehre, Leben und Gottesdienst streben (vgl. Apg 2,42). Hier liegt eine Regel vor, die sich aus dem eigentlichen Sinn der Kirche ergibt. Deswegen darf man auf sie auch nicht schlicht und einfach Verhaltensmaßstäbe anwenden, die ihren Seinsgrund in der Natur der bürgerlichen Gesellschaft oder in den Regeln haben, nach denen eine Demokratie funktioniert. Noch weniger darf man die Beziehungen im Innern der Kirche nach der Mentalität der Welt, die sie umgibt, beurteilen (vgl. Röm 12,2). Von der mehrheitlichen Meinung das, was man zu denken und zu tun hat, ableiten wollen, gegen das Lehramt den Druck der öffentlichen Meinung einsetzen, den „Konsens“ der Theologen zum Hauptmaßstab machen oder den Ansprach erheben, der Theologe sei der prophetische Wortführer einer „Basis“ oder autonomen Gemeinschaft, die damit die einzige Quelle der Wahrheit wäre, all das zeigt einen schwerwiegenden Verlust des Sinns für die Wahrheit und des Sinns für die Kirche. 40. Die Kirche ist „gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“. Nach Eintracht und Gemeinschaft streben bedeutet daher, die Kraft ihres Zeugnisses und ihre Glaubwürdigkeit vermehren; umgekehrt der Versuchung zum Dissens verfallen, bedeutet zulassen, daß sich „Triebkräfte der Untreue gegen den Heiligen Geist“ entfalten. Wenn Theologie und Lehramt auch verschiedener Art sind und unterschiedliche Aufgaben haben, die man nicht verwechseln darf, so geht es dennoch um zwei in der Kirche lebenswichtige Aufgaben, die sich gegenseitig durchdringen und für den Dienst am Volk Gottes einander bereichern müssen. Kraft einer Autorität, die sie von Christus selbst bekommen haben, kommt es den Hirten zu, über diese Einheit zu wachen und zu verhindern, daß die mit dem Leben gegebenen Spannungen nicht zu Spaltungen ausarten. Indem sie die Einzelpositionen oder die Gegensätze übersteigt, muß ihre Autorität sie alle in der Integrität des Evangeliums vereinen, das das „Wort der Versöhnung“ ist (vgl. 2 Kor 5,18-20). Den Theologen aber kommt es kraft ihres eigenen Charismas zu, auch ihrerseits an der Erbauung des Leibes Christi in Einheit und Wahrheit mitzuwirken, und ihr Beitrag ist für eine Evangelisierung der Welt, die die Kräfte des ganzen Gottesvolkes erfordert, mehr denn je notwendig. Stoßen sie auf Schwierigkeiten, die aus dem Charakter ihrer Forschung entstehen können, dann müssen sie die Lösung in einem vertrauensvollen Dialog mit den Hirten suchen, im Geist der Wahrheit und Liebe, wie er die Gemeinschaft der Kirche kennzeichnet. 4L Alle sollen sich daran erinnern, daß Christus das endgültige Wort des Vaters ist (vgl. Hebr 1,2), in dem, wie der heilige Johannes vom Kreuz bemerkt, „Gott uns alles zusammen 1440 KONGREGATIONEN und ein für allemal gesagt hat“. Christus ist als solcher die Wahrheit, die frei macht (vgl. Joh 8,36; 14,6). Akte der Anhänglichkeit und Zustimmung zum Wort, das der Kirche unter der Leitung des Lehramtes anvertraut ist, gelten Ihm und führen in den Raum wahrer Freiheit ein. Abschluß 42. Die Jungfrau Maria wurde als Mutter und vollkommenes Urbild der Kirche seit Beginn des Neuen Testamentes seliggepriesen, weil sie unmittelbar und ohne Fehl dem Wort Gottes zustimmte (vgl. Lk 1,38.45), und sie hörte nicht auf, es zu bewahren und in ihrem Herzen zu betrachten (vgl. Lk 2,19.51). Sie ist so für das ganze ihrer mütterlichen Sorge anvertraute Volk Gottes Vorbild und Stütze geworden. Sie zeigt ihm den Weg, wie man das Wort aufnehmen und ihm dienen muß, wobei zugleich das letzte Ziel nie aus dem Blick gerät: allen Menschen das Heil zu verkünden, das der Welt durch ihren Sohn Jesus Christus gebracht und verwirklicht wurde. Zum Schluß dieser Instruktion lädt die Kongregation für die Glaubenslehre die Bischöfe inständig ein, vertrauensvolle Beziehungen mit den Theologen zu halten und zu entfalten, gemeinsam den Geist der Annahme des Wortes und des Dienstes an ihm zu pflegen und eine Gemeinschaft der Liebe, wo gewisse mit dem Menschsein hier auf Erden verbundene Hindernisse leichter überwunden werden können. So werden alle immer mehr zu Dienern des Wortes und zu Dienern des Volkes Gottes, damit dieses in der von Anfang an vernommenen Lehre der Wahrheit und Freiheit verharrt und damit es auch im Sohn und im Vater verbleibt und das ewige Leben als Fülle der Verheißung gewinnt (vgl. 1 Joh 2,24-25). Papst Johannes Paul II. hat in der dem Unterzeichneten Kardinalpräfekten gewährten Audienz die vorliegende Instruktion, die in der Vollversammlung dieser Kongregation beschlossen worden war, gutgeheißen und zu veröffentlichen angeordnet. Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, den 24. Mai 1990, am Hochfest Christi Himmelfahrt. Joseph Kardinal Ratzinger Präfekt + Alberto Bovone Tit.-Erzbischof von Cäsarea in Numidien Sekretär 1441 KONGREGATIONEN Anmerkungen 1 Dei Verbum, Nr. 8. 2 Lumen Gentium, Nr. 12. 3 Vgl. Hl. Bonaventura, Proem. In I. Senk q. 2, a.6: „quando fides non assentit propter rationem, sed propter amorem eius cui assentit, desiderat habere rationes“. 4 Vgl. Johannes Paul II., Ansprache bei der Verleihung des „Internationalen Preises Pauls VI. “ an Hans Urs von Balthasar, 23. Juni 1984: Insegnamenti di Giovanni Paolo II, VII, 1 (1984) 1911-1917. 5 Vgl. Vatic. I., Dogm. Konst. De fide catholica, De revelatione, can. 1: DS 3026. 6 Vgl. Dekret Optatam totius, Nr. 15. 7 Johannes Paul II., Ansprache an die Theologen in Altötting, 18. November 1980: AAS 73 (1981) S. 104; vgl. ferner Paul VI., Ansprache an die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission, 11. Oktober 1972: AAS 64 (1972) S. 682-683; Johannes Paul H., Ansprache an die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission, 26. Oktober 1979: AAS 71 (1979) S. 1428-1433. 8 Dei Verbum, Nr. 7. 9 Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Mysterium Ecclesiae, Nr. 2: AAS 65 (1973) S. 398f. 10 Vgl. Dei Verbum, Nr. 10. 11 Lumen Gentium, Nr. 24. 12 Vgl. Dei Verbum, Nr. 10. 13 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 25; Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Mysterium Ecclesiae, Nr. 3: AAS 65 (1973) S. 400f. 14 Vgl. Professio fidei et Iusiurandum fidelitatis: AAS 81 (1989) S. 104f. „Omnia et singula quae circa doctrinam de fide vel moribus ab eadem definitive proponuntur“. i5Vgl. Lumen Gentium, Nr. 25; Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Mysterium Ecclesiae, Nr. 3-5: AAS 65 (1973) S. 400-404; Professio fidei et Iusiurandum ßdelitatis: AAS 81 (1989) S. 104f. 16 Vgl. Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, Nr. 4: AAS 60 (1968) S. 483. 17 Vgl. Vaticanum I., Dogmatische Konstituion Dei Filius, Kap. 2: DS, 3005. 18 Vgl. CIC, cc. 360-361; Paul VI., Apostolische Konstituion Regimini Ecclesiae Universae, 15. August 1967, Nr. 29-40: AAS 59 (1967), S. 897-899; Johannes Paul II., Apostolische Konstitution Pastor bonus, 28. Juni 1988, Art. 48-55: AAS 80 (1988) S. 873-874. 19 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 22-23. Bekanntlich hat Papst Johannes Paul II. im Anschluß an die II. Außerordentliche Vollversammlung der Bischofssynode der Kongregation für die Bischöfe die Aufgabe übertragen, den „theologischjuridischen Status der Bischofskonferenzen“ zu vertiefen. 20 Vgl. Paul VI., Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Kongresses über die Theologie des II. Vatikanischen Konzils, 1. Oktober 1966: AAS 58 (1966) S. 892f. 21 Vgl. CIC, c. 833; Professio fidei et Iusiurandum fidelitatis: AAS 81 (1989) S. 104f. 22 Der Text des neuen Glaubensbekenntnisses (vgl. Anm. 15) formuliert die Zustimmung zu diesen Lehren wie folgt: „Firmiter etiam amplector et retineo“. 23 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 25; CIC, c. 752. 24 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 25, Par. 1. 25 Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Patema cum benevolentia, 8. Dezember 1974: AAS 67 (1975) S. 5-23; vgl. auch Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung Mysterium Ecclesiae: AAS 65 (1973) S. 396-408. 26 Erklärung Dignitatis humanae, Nr. 10. 27 Der Gedanke eines „parallelen Lehramtes“ der Theologen in Gegensatz und Konkurrenz zum Lehramt der Hirten bedient sich zuweilen gewisser Texte, wo der hl. Thomas von Aquin zwischen „magisterium cathedrae pastoralis“ und „magisterium cathedrae magisterialis“ unterscheidet (Contra impugnantes, c.2; Quodl. III. q. 4, a. 1 (9); In IV Senf. 19.2.2,q.3 sol. 2 ad 4). In Wirklichkeit bieten diese Texte keinerlei Fundament für diese Position, weil der hl. Thomas absolut darin sicher ist, daß das Entscheidungsrecht in Sachen der Lehre einzig dem „officium praela-tionis“ zukommt. 28 Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Patema cum benevolentia, Nr. 4: AAS 67 (1975) S. 14-15. 29 Vgl. Paul VI., Ansprache an die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission, 11. Oktober 1973; AAS 65 (1973) S. 555-559. 1442 KONGREGATIONEN 30 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 19: AAS 71 (1979) S. 308; Ansprache an die Gläubigen in Managua, 4. März 1983, Nr. 7: AAS75 (1983) S. 723; Ansprache an die Ordensleute in Guatemala, 8. März 1983, Nr. 3: AAS 75 (1983) S. 746; Ansprache an die Bischöfe in Lima, 2. Februar 1985, Nr. 5: AAS 11 (1985) S. 874; Ansprache an die Konferenz der belgischen Bischöfe in Mecheln, 18. Mai 1985, Nr. 5: Insegnamenti di Giovanni Paolo II, VIII, 1 (1985) 1481; Ansprache an einige amerikanische Bischöfe bei ihrem Besuch ad-limina, 15. Oktober 1988, Nr. 6: L’Osservatore Romano, 16. Oktober 1988, S. 4. 31 Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, Nr. 5: AAS 74 (1982) S. 85-86. 32 Vgl. die Formel des Konzils von Trient, VI. Sitzung, Kap. 9: fides „cui non potest subesse falsum“: DS, 1534; vgl. hl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, II-II, q. 1, a.3: „Possibile est enim hominem fidelem ex coniectura hum-ana falsum aliquid aestimare. Sed quod ex fide falsum aestimet, hoc est impossibile“. 33 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 12. 34 Vgl. Del Verbum, Nr. 10. 35 Vgl. Erklärung Dignitatis humanae, Nr. 9-10. 36 Ebd., Nr. 1. 37 Vgl. Apostolische Konstitution Sapientia Christians, 15. April 1979, Nr. 27,1: AASll (1978) S. 483; CIC, c. 812. 38 Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Patema cum benevolentia, Nr. 4: AAS 61 (1975) S. 15. 39 Vgl. Lumen Gentium, Nr. 4. 40 Ebd., Nr. 1. 41 Vgl. Paul VI., Apostolisches Schreiben Patema cum benevolentia, Nr. 2-3: AAS 61 (1975) S. 10-11. 42 Vgl. Johannes Paul n., Apostolisches Schreiben Christißdeles laici, Nr. 32-35: AAS 81 (1989) S. 451-459. 43 Hl. Johannes vom Kreuz, Der Aufstieg zum Berge Karmel, II 22,3. 1443 VI. Anhang ANHANG Tourismus muß zur Annäherung beitragen Schreiben von Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli an Kardinal Carlo Maria Martini, Vorsitzender des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen, zum Europäischen Jahr des Tourismus, veröffentlicht am 12. März Herr Kardinal! Der Europarat hat beschlossen, das Jahr 1990 solle das Europäische Jahr des Tourismus sein. Eines der Ziele dieser Initiative ist es, den Tourismus innerhalb Europas anzuregen als ein Mittel dazu, daß sich die Völker dieses Kontinents gegenseitig kennen und verstehen lernen, um die Einheit Europas zu begünstigen durch die gegenseitige Durchdringung der die verschiedenen Länder kennzeichnenden Kulturen, ihres Brauchtums und ihrer reichen örtlichen Traditionen, unter Respektierung ihrer Eigenart. Der Tourismus weist noch weitere Aspekte auf. Er ist u. a. in Europa und anderswo zu einer mehr und mehr aufblühenden Industrie geworden. Wie Papst Johannes Paul U. in einer Ansprache an Bischöfe einer durch den Tourismus ausgezeichneten Region bemerkte, besteht die Gefahr, daß der Tourismus „eine vornehmlich wirtschaftliche Erscheinung wird und folglich sein Ziel in sich selbst sucht, daß er die ihm gegebenen Möglichkeiten, einen neuen Humanismus zu schaffen, verscherzt und sich schließlich gegen den Menschen wendet“ (Ansprache an ligurische Bischöfe, 9. 1. 1982). Er käme so dazu, seine höchsten Zielsetzungen zu verraten oder zum mindesten ihren Wert abzuschwächen. Aus diesen Gründen drückte der Papst bei Gelegenheit des Weltkongresses der Pastoral des Tourismus im November 1979 den Wunsch aus, daß die Bischofskonferenzen und die Ortskirchen immer mehr Zusammenarbeiten mögen auf der Ebene der Bereitstellung von Personen und praktischen Mitteln auf einem Sektor, der für den modernen Menschen, vor allem die Jugend, äußerst kennzeichnend ist. Der Heilige Vater möchte heute erneut diesen Wunsch Vorbringen und wendet sich durch mich an die Bischofskonferenzen und die Ostkirchen von Europa. Er wünscht, daß die dem Phänomen des Tourismus und den Problemen, die er hervorrufen kann, besondere Aufmerksamkeit zuwenden, damit das laufende Europäische Jahr sozusagen ein touristisches Bewußtsein begünstige, sowohl an den Aufnahmeorten und unter den Organisatoren des Tourismus, wie auch bei denen, die aus kulturellen Motiven, um ihren Gesichtskreis zu weiten, oder einfach zur Unterhaltung einzeln oder in Gruppen im eigenen Land reisen oder Fahrten in andere Länder unternehmen. Dieses „touristische Bewußtsein“ wird dazu beitragen, daß gewisse negative Aspekte, die die Reisen der Touristen belasten könnten, vermieden werden, und wird gleichzeitig die Werte einer solchen Tätigkeit entdecken lassen. Unter den negativen Gesichtspunkten bilden der Mangel an Achtung vor der Bevölkerung, die man besucht, vor ihrem Empfinden und ihren legitimen Interessen oder einfach die Neigung, den guten Zustand, die Schönheit und die ökologischen Erfordernisse der besuchten Orte nicht zu respektieren, eine Gefahr, auf die der Heilige Vater hinweisen möchte. Ferner 1447 ANHANG bringen die andere Umgebung und die veränderten Gewohnheiten für manche Touristen die Gefahr mit sich, daß sie die Pflichten des religiösen Lebens vernachlässigen und sich moralisch gehen lassen, was bei der örtlichen Bevölkerung Vorarteilen und Ärgernissen Vorschub leistet. Die Vorteile eines gesunden und gut organisierten Tourismus jedoch können und müssen im Vergleich zu den Nachteilen überwiegen. Und sie beschränken sich nicht auf wirtschaftliche Gesichtspunkte - die ohne Zweifel in Rechnung zu ziehen und oft sehr bedeutend sind -, die aber in jedem Fall nicht den Vorrang haben dürfen weder vor dem, was die Gerechtigkeit fordert, noch vor der Förderung eines besseren Verstehens, ja der Brüderlichkeit zwischen Menschen verschiedener Kultur, verschiedener Sprache, Religion und Lebensweise. Der Tourismus muß zu gegenseitiger Annäherung und gegenseitiger kultureller und geistiger Bereicherung beitragen. Die Naturschönheiten und die Kunstschätze, an denen Europa so reich ist und zu deren Kenntnis in noch weiterem Maß der Tourismus, besonders bei der jungen Generation, geeignet ist, müssen bildungsfördemd sein und den Blick zu Gott erheben lassen. Diese wenigen, flüchtigen und gewiß unvollständigen Erwägungen mögen indes genügen, um die Bedeutung einer Pastoral des Tourismus zu unterstreichen und, allgemeiner gesagt, das Interesse zu rechtfertigen, das die Kirche den damit verbundenen Erscheinungen schenkt. Der Mensch ist Urheber des Tourismus, aber der Tourismus formt auch den Menschen. Wie könnte die Kirche ihm gegenüber uninteressiert bleiben? Das Europäische Jahr des Tourismus ruft unmittelbar die Kirche in Europa auf, während der Kontinent nach einer tieferen und umfassenderen Einheit strebt und sich auf eine solche vorbereitet. Erde nationaler und religiöser Spaltungen, Ursprung von Konflikten, die die Welt mit Blut befleckten und wovon sie noch Zeichen an sich trägt, kann und muß Europa eine Erde des Dialogs, des Verstehens und der gegenseitigen Achtung werden, und das sind die ersten Schritte zum Frieden. Der Tourismus kann und muß ein Baumeister des Friedens sein. Der Papst vertraut dieses Jahr dem Schutz der hl. Patrone Europas an, Benedikt, Kyrill und Method, und all denen, die durch das Einpflanzen des Christentums in diesem Kontinent die soliden Grundlagen zur ersehnten Einheit seiner Völker gelegt haben. Indem ich Ihnen diese Botschaft mit dem Segen des Papstes übermittle, grüße ich Sie, Herr Kardinal, herzlich. Kard. A. Casaroli Staatssekretär 1448 ANHANG Vom Handelsaustausch zur menschlichen Solidarität Intervention des Hl. Stuhls bei der Konferenz für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa vom 20. März Herr Präsident! Es sei mir gestattet, mich all denen anzuschließen, die von diesem Pult aus der Regierung der Bundesrepublik Deutschland ihre Dankbarkeit für den Empfang und die Hilfen ausgesprochen haben, die den Teilnehmern an dieser Konferenz geboten wurden. Gleichzeitig möchte ich dem Herrn Botschafter Waldemar Müller-Thuns die Glückwünsche meiner Delegation zu seiner Ernennung zum Exekutivsekretär unseres Treffens zum Ausdruck bringen und ihn unserer bestmöglichen Mitarbeit versichern. 1. Die neuen europäischen Verhältnisse Das Wiener Schlußdokument von 1989 setzte der Bonner Konferenz genaue Ziele, um die Bedingungen für den Handelsaustausch und die industrielle Zusammenarbeit zu verbessern und neue Möglichkeiten zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Betracht zu ziehen. Die Tagesordnung war natürlich von der damaligen politischen Situation bestimmt. Seitdem haben - zumindest in so kurzer Zeitspanne - unerwartete Entwicklungen das europäische Bild verändert: zentral- und osteuropäische Völker haben die Meinungsfreiheit errungen. Sie selbst wollten die Meister ihrer Zukunft sein, die sie, in Eintracht mit ihrem geschichtlichen und kulturellen Erbe, mit ihren eigenen Händen aufbauen wollen. Erfahrene Politiker haben sich bemüht, ihre Bestrebungen zu verstehen und die notwendigen Veränderungen zu begleiten. Diese neuen geschichtlichen Verhältnisse geben unserem Treffen ohne Zweifel ein einzigartiges Ausmaß, und sie führen es gewisserweise über die Grenzen hinaus, die ihm noch vor einem Jahr der Stil der zwischeneuropäischen Beziehungen setzte. Die Völker haben den Problemen, über die wir hier sprechen werden, einen ganz anderen Wert gegeben; wir müssen ihre Pläne berücksichtigen und dürfen sie nicht enttäuschen. 2. Die Erwartungen der europäischen Völker Was wollen also die hier vertretenen Frauen und Männer? Mehr Freiheit im politischen, wirtschaftlichen, geistigen und kulturellen Bereich. Ihre Gedanken frei ausdrücken, ihre Schaffenskraft zeigen, handeln, sich frei bewegen, ganz einfach sich so zeigen können, wie sie sind. Sich in ihren Bestrebungen und ihren Grundrechten, den individuellen wie auch den gesellschaftlichen, respektiert sehen. Einen neuen Lebensstil, der sich nicht auf die einfache Verbesserung ihrer Lebensbedingungen beschränkt, sondern ihre vollkommene materielle und geistige Entwicklung anstrebt. Nun müssen wir neben diesen Ideen und Wünschen, die sich so ziemlich überall bemerkbar machen, die Schwäche der wirtschaftlichen Verhältnisse der Länder feststellen, die diese radikalen Veränderungen erlebt haben: Versorgungsschwierigkeiten, fehlende Planung, Mangel an wichtigsten Gebrauchs- 1449 ANHANG gütem, Arbeitslosigkeit, Inflation und Devisenschwankungen sind ebenso viele Herausforderungen, die angegangen werden müssen. So ist in der Tat ganz Europa dazu aufgefordert, die Voraussetzungen für eine blühende Wirtschaft zu schaffen, ohne daß jeder seinen eigenen Weg geht. Alle 35 Teilnehmer zusammen müssen neue Wege und angemessene Mittel finden, damit der Mensch nicht einfach zu einem Wirtschaftsinstrument herabgesetzt, sondern der Meister seiner eigenen Entwicklung wird, in einem traditionsreichen Europa der großen Möglichkeiten, die schon mehr als einem Land der Welt Anregungen gegeben haben. Tatsächlich könnten wir nie vergessen, daß viele Wirtschaftstheorien von Europäern aufgestellt und auf diesem Kontinent angewandt wurden. 3. Die Ziele der wirtschaftlichen Zusammenarbeit Es gibt in Europa schon Strukturen der Zusammenarbeit. Die Teilnehmer dieser Konferenz müssen dafür sorgen, daß sie im Sinne eines wirklichen menschlichen Wachstums eingesetzt werden, und daß sie dem Menschen keine Nachteile verursachen. Der Wohlstand der einen darf nicht die Ursache für die Ausbeutung und die Armut anderer sein. Eine gemeinsame Ethik muß in Europa entstehen, damit niemandem das unverzichtbare Minimum an Arbeit, an Gesellschaftsleben und an Mitwirkungsmöglichkeit fehlt. Darum ist die Delegation des Hl. Stuhls der Meinung, daß gewisse Bedingungen der ethischen Ordnung gerecht verwirklicht werden müssen: -Vor allem sind Voraussetzungen zu schaffen für eine wirkliche Respektierung der Menschenrechte, damit sich jeder frei ausdrücken, besitzen, unternehmen, erfinden, sich anschließen darf, und daß die Rechte respektiert werden, die an seine Berufstätigkeit gebunden sind sowie an die rechtmäßige Verfügung über den daraus erfließenden Gewinn; - zu vermeiden ist die Suche nach einem unbedingten Gewinn als einzigem Ziel der Kapitalentwicklung; die Gewinne dienen auch der Lohnverbesserung, den Sozialeinrichtungen, der technischen Qualifikation, der Forschung und dem kulturellen Aufschwung auf dem Weg über den Lohnausgleich; -jedem Volk ist die Möglichkeit zu geben, seine wirtschaftlichen Prioritäten frei zu bestimmen und dabei seine Wesensart und seine geschichtlichen und kulturellen Eigenschaften zu achten; - immer ist daran zu denken, daß jegliche europäische Zusammenarbeit nur in dem Maß wirksam und aneifernd sein kann, wie alle Partner solidarisch sein wollen und um das Gemeinwohl bemüht sind. Sie müssen überzeugt sein, daß die integrale Entwicklung des Menschen und der Völker sich nur „im Rahmen von Solidarität und Freiheit vollziehen [können], ohne jemals, die eine oder die andere, unter welchem Vorwand auch immer, zu opfern“, wie Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Sollicitudo rei socialis von 1988 (Nr. 33), wünschte. 1450 ANHANG 4. Der Grundsatz der Gerechtigkeit in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit In dieser anspruchsvollen Zusammenarbeit gibt es mehrere Begriffe, die eine große Rolle spielen. Der Begriff „soziale Gerechtigkeit“ sollte das Grundprinzip darstellen, das die Wirtschaft leitet, damit jeder sich als Mensch entwickeln kann. Seine Verwirklichung schließt meines Erachtens „das Recht zur wirtschaftlichen Initiative“ ein (vgl. Sollicitido rei socialis, Nr. 15), da diese zur Kreativität anregt. Von der Sorge um das Gemeinwohl verfügt, wacht sie über die Aufrichtigkeit im Handelsaustausch, über die Qualität der Produkte, über die Vereinigung aller am Wohl und an den Zukunftsplänen Mitwirkenden. Die Konkurrenz ist die Folge des Rechtes auf wirtschaftliche Initiative. Sie garantiert eine dynamische Expansion, um so mehr als sie von den Wirtschaftsvertretem eine Mobilisierung ihrer geistigen Energien verlangt, um darauf zu achten, daß Konkurrenz nicht Herrschaft bedeutet. Nicht ein Europa der Geschäftsleute soll entstehen, sondern das Europa der Solidarität, in dem die allgemeine Güteraufteilung und das Recht zu ihrem gemeinsamen Verbrauch für alle in gleicher Weise garantiert ist. Noch einmal mehr könnte Europa zeigen, daß es die richtigen Lösungen für Probleme findet, die auch andere Kontinente betreffen. Es sollte so Vorgehen, daß eine in der Entwicklung begriffene Wirtschaft nicht um den Preis untragbarer Sozialkosten wächst und Völker auf ihrem Weg zur Freiheit nur entmutigen könnte (vgl. ebd., Nr. 43). J. Der Aufbau einer solidarischen europäischen Gesellschaft mit den gleichen Rechten und Pflichten für alle Wenn „der Nationalismus die Völker voneinander trennt und ihrem wahren Wohl schadet“, wie Papst Paul VI. schrieb (vgl. Populorum progressio, Nr. 62), so erlaubt ihnen die Solidarität, ihre Analysen zu verfeinern, einen Überblick zu gewinnen und besser die Zukunft vorzubereiten. So können Handelsaustausch, Personenverkehr, der Aufbau gemeinsamer Unternehmen oder die Investitionsfreiheit wichtige Werkzeuge zur europäischen Einheit werden. Seit 1975 versucht der Prozeß von Helsinki die Verhaltensregeln, die die Schlußakte darstellen, einzuprägen. Ihre Bestimmungen sind reich an Erfahrungen und Ereignissen der letzten Jahre. Sie hat eine goldene Regel zum Vorschein kommen lassen und äusgearbeitet, nämlich die, daß alle 35 Teilnehmerstaaten die gleichen Rechte und Pflichten haben. Im wirtschaftlichen Bereich, mit dem wir uns in den nächsten Wochen beschäftigen werden, drückt sich diese Gleichheit in den gemeinsamen Besorgnissen aus: - es gilt, allen Menschen die Mittel dafür zu beschaffen, daß sie ihr Leben in Würde fuhren können; - es ist der Versuchung zu widerstehen, übereilt zu handeln. Man muß sich Zeit nehmen, die Ziele zu unterscheiden, die der Produktion und dem Austausch zugrundeliegen; - den in einigen Ländern Europas vorhandenen wirtschaftlichen Ungleichheiten muß abgeholfen werden, wenn nötig auch mit Opfern und durch Teilen. 1451 ANHANG Auf diese Weise kann dieses Treffen auch zur Lösung zweier Probleme beitragen, die Millionen von Europäern betreffen: die Arbeitslosigkeit und die Unsicherheit'zu vieler Jugendlicher vor einer beruflichen Zukunft. 6. Der Beitrag der Gläubigen Zur Aufgabe, die alle Europäer erfüllen müssen, haben die Gläubigen einen bestimmten Beitrag zu leisten. Wie sie gestern durch „das Kreuz, das Buch und den Pflug“ (Johannes Paul II., Predigt vor dem Dom von Speyer, 4. Mai 1987) die Humanität und die Wirtschaft dieses Kontinents begründeten, so müssen sie heute dessen integrale Entwicklung anregen. Es gibt eine Gesellschaftslehre der Kirchen, die ihre Gläubigen sich zu eigen zu machen und vor allem zu leben versuchen. Für sie stellt die Arbeit das Fundament des wahren Fortschritts und der Befreiung des Menschen dar; die Gerechtigkeit ist die Voraussetzung für den Frieden; die Solidarität folgt aus der Tatsache, daß alle Menschen nach dem Bild Gottes geschaffen und mit der gleichen Würde beschenkt wurden; die Güter der Erde sind von Gott allen und zum Nutzen aller gegeben. Wer könnte leugnen, daß diese grundlegenden Überzeugungen - um nur einige davon zu nennen - eine Kraft darstellen, die in der Lage ist, die großen Pläne der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Europa von heute und morgen anzuregen? 7. Schlußfolgerung Herr Präsident, hier in dieser Stadt Bonn, der der Rhein im Laufe ihrer Geschichte die Möglichkeit gegeben hat, die verschiedensten Handelsbeziehungen anzuknüpfen, müssen nun die Teilnehmer der KSZE-Konferenz all denen sagen, die heute ihre Freude darüber aus-drücken, sich wiederzufinden und gemeinsam eine solidarische Gesellschaft aufzubauen, daß sie gut daran tun, ihr Vertrauen in Europa zu setzen. Europa besitzt ein unvergleichbares „Vermögen“: diese Frauen und Männer, die sich, wie ihre Ahnen, in der Lage gezeigt haben, sich friedlich zu mobilisieren, um ihre Lebensrechte wiederzufinden. Sie sind der Reichtum dieses Kontinents. Kirche tritt Konvention zum Recht des Kindes bei Erklärung des ständigen Beobachters des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen, Erzbischof Renato R. Martino, bei einer Pressekonferenz in New York am 20. April Es freut mich bekanntzugeben, daß ich heute morgen, den 20. April 1990, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen die Dokumente des Beitritts des Heiligen Stuhls zur Konvention über die Rechte des Kindes übergeben habe. Durch den Entschluß, einer der ersten zu sein, die der Konvention über die Rechte des Kindes beitreten, möchte der Heilige Stuhl alle Länder und Völker ermutigen, dem Wohl aller Kinder der Welt ihrerseits rechtlichen Schutz und wirksame Unterstützung zu sichern. 1452 ANHANG Der Heilige Stuhl hat stets festgehalten, daß die Kinder, wie Papst Johannes Paul II. sagt, „jener kostbare Schatz“ sind, „der größte Liebe, Achtung und Rücksicht verdient und der jeder Generation als eine Herausforderung an ihre Weisheit und Menschlichkeit gegeben ist“. In Antwort auf diese Herausforderung haben die Vereinten Nationen am 20. November 1989 die beschwerliche Arbeit des Entwurfs und der Verabschiedung einer Konvention zur Erklärung und zum Schutz der Rechte der Kinder abgeschlossen. Die Vereinten Nationen haben seit ihrem Beginn die Menschenrechte als eines ihrer Grundanliegen betrachtet; die Konvention über die Rechte des Kindes wird, wenn sie einmal ratifiziert ist, ihren rechtmäßigen Platz einnehmen unter den großen internationalen Dokumenten über Menschenrechte, die die Organisation hervorgebracht hat. Man hätte sich eine formelle Kodifizierung der Rechte des Kindes viel früher als jetzt, noch vor der Verabschiedung anderer spezifischer Menschenrechtsdokumente, wünschen können, denn das Kind stellt das erste Subjekt der Menschenrechte dar, und in seinem Zustand totaler Abhängigkeit bedarf und verdient es absoluten Schutz. Der Schlüssel zum rechten Verständnis und zur rechten Achtung der Rechte der Kinder liegt in der unzweideutigen Anerkennung ihrer menschlichen Natur. Nicht Regierungen und erwachsene Individuen beschließen, dem Kind seine Rechte zu gewähren. Sondern die menschliche Natur des Kindes bildet die unumstößliche und unteilbare Grundlage der Rechte des Kindes, unbeachtet der Entwicklungsstufen seiner kostbaren Existenz und der durch sein Dasein verursachten Annehmlichkeiten oder Unannehmlichkeiten. Die Verletzung oder Mißachtung dieser Rechte - darunter an erster Stelle das Recht auf das Leben selbst - stellen Verbrechen schrecklichster Art dar. Wie ich am 13. November 1989 vor dem Dritten Komitee der Generalversammlung festzustellen die Gelegenheit hatte, hat der Heilige Stuhl die lange und beschwerliche Arbeit, aus der die Konvention über die Rechte des Kindes hervorgegangen ist, anerkannt und den positiven Beitrag, den ein solches Dokument in vieler Hinsicht zum Wohl der Kinder erbringen kann, zur Kenntnis genommen. Der Text der Konvention stellt allerdings die Minimalgrund-lage dar, über welche Übereinstimmung erzielt werden konnte, und weist daher Gebiete auf, in denen der Konsens der Parteien nicht deren volle Zufriedenheit anzeigt. Der Heilige Stuhl hat zu verschiedenen Themen, die Gegenstand der ausgedehnten Debatte waren, welche zur Formulierung des Textes der Konvention führte, einen klaren Standpunkt eingenommen und hält weiter daran fest. In der Absicht, weiteren Verzug in dem langen Prozeß zu vermeiden, und in Betracht ziehend, daß der angenommene Text zum Schutz der Rechte der Kinder beitragen würde, hat der Heilige Stuhl, wenn auch mit Vorbehalt, den endgültigen Text akzeptiert. Der Beitritt des Heiligen Stuhls zur Konvention über die Rechte des Kindes ist von folgender Erklärung und folgenden Vorbehalten begleitet. 1453 ANHANG Erklärung Der Heilige Stuhl betrachtet die vorliegende Konvention als ein richtiges und lobenswertes Dokument, das die Wahrung der Rechte und Interessen der Kinder bezweckt, „jenes kostbaren Schatzes, der größte Liebe, Achtung und Rücksicht verdient und der jeder Generation als eine Herausforderung an ihre Weisheit und Menschlichkeit gegeben ist“ (Johannes Paul II. am 26. 4. 1984, Ansprache an die Teilnehmer der UNICEF-Tagung, in: O.R. dt. vom 22. 6. 1984, S. 17). Der Heilige Stuhl1 anerkennt, daß die Konvention die Anwendung von bereits von den Vereinten Nationen angenommenen Grundsätzen darstellt und, sobald sie als ratifiziertes Dokument Wirkung erlangt, die Rechte des Kindes ebenso vor wie nach der Geburt schützen wird, wie in der Erklärung der Rechte des Kindes (Res. 136 XIV) ausdrücklich bekräftigt und im 9. Präambelparagraphen der Konvention erneut erklärt wird. Der Heilige Stuhl bleibt zuversichtlich, daß der 9. Präambelparagraph die Perspektive liefert, in der der übrige Text der Konvention interpretiert werden wird, in Übereinstimmung mit Artikel 31 der Wiener Konvention über das Vertragsrecht vom 23. Mai 1969. Durch den Beitritt zur Konvention über die Rechte des Kindes möchte der Heilige Stuhl seiner ständigen Sorge um das Wohl der Kinder und der Familien erneut Ausdruck verleihen. In Anbetracht seiner einzigartigen Natur und Stellung beabsichtigt der Heilige Stuhl mit dem Beitritt zu dieser Konvention in keiner Weise, von seiner Sendung abzusehen, welche religiösen und moralischen Charakter hat. Vorbehalte „In Übereinstimmung mit den Bestimmungen von Artikel 51 tritt der Heilige Stuhl der Konvention über die Rechte des Kindes mit den folgenden Vorbehalten bei: a) daß er den Ausdruck ,Familienplanung, Erziehung und Dienste’ in Artikel 24.2 dahingehend interpretiert, daß damit einzig jene Methoden der Familienplanung gemeint seien, die er für moralisch annehmbar ansieht, nämlich die natürlichen Methoden der Familienplanung; b) daß er die Artikel der Konvention in einer Weise interpretiert, die die primären und unveräußerlichen Rechte der Eltern wahrt, besonders insofern als diese Rechte die Erziehung (Artikel 13 und 28), die Religion (Artikel 14), den Zusammenschluß mit anderen (Antike! 15) und die Privatsphäre (Artikel 16) betreffen; c) daß die Anwendung der Konvention in der Praxis vereinbar sei mit der besonderen Natur des Staates der Vatikanstadt und der Quellen seines objektiven Rechts (Art. 1, Gesetz vom 7. Juni 1929, Nr. 11) und, in Anbetracht der beschränkten Ausdehnung dieses Staates mit dessen Gesetzgebung in Fragen der Staatsbürgerschaft, der Einreise und des Wohnsitzes.“ 1454 ANHANG Jeden Egoismus durchbrechen Botschaft von Kardinal Francis Arinze, Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, an die Muslime in aller Welt zum Ende des Fastenmonats Ramadan, veröffentlicht am 26. April Wieder einmal steht das Fest des Fastenbrechens bevor. Wie schon in früheren Jahren schätzt sich der Päpstliche Rat für den Interreligiösen Dialog glücklich, Sie , unsere muslimischen Brüder und Schwestern, zu diesem frohen Anlaß zu grüßen und mit unseren Gebeten zu begleiten. Während wir uns mit Ihnen freuen, erinnern wir uns des Geistes des Opfers und des Gehorsams, der diesen langen Monat beseelte und der ein bezeichnendes Zeugnis enthält. In der Tat, Opfer und Gehorsam ermahnen uns an die Vorrangstellung geistlicher Werte wie Entsagung materieller Dinge, gegenseitige Verantwortung und Ehrerbietung vor Gott, in einer Welt, in der der Reichtum der einen wächst, während viele andere in Not leben. Besonders gedenken wir der in aller Welt zu beklagenden Opfer von Gewalt und Ungerechtigkeit. Ist es falsch, nach dem Sinn des Leidens zu fragen? Wie kann es uns als geistliche Nachkommen Abrahams, die auf Gottes Barmherzigkeit vertrauen, an Mitleid mit der leidenden Menschheit fehlen, wie kann es uns an Solidarität mangeln? Ihr Ramadan-Fasten hat Ihnen oft Gelegenheit gegeben, über diese Situation nachzudenken. Die österliche Bußzeit für uns Christen fällt in diesem Jahr zeitlich mit dem Ramadan zusammen. So sind wir Gläubigen gleichzeitig aufgerufen, unsere Herzen denen zu öffnen, die leiden. In diesem Zusammenhang möchten wir die Worte Papst Johannes Paul II. zur Lage im Libanon zitieren: „Wie könnten wir Gläubigen gleichgültig bleiben angesichts eines ganzen Volkes, das vor unseren Augen stirbt? Der Stärkere hat die Pflicht, dem Schwächeren zu Hilfe zu kommen. Gott verlangt von jedem Menschen, jedes menschliche Geschöpf zu achten und als Freund, als Gefährtin, als Bruder zu lieben. Er fordert uns auf, ihm zu helfen, wenn er verwundet, wenn er verlassen ist, um eine Pflicht menschlicher Solidarität, die das menschliche Gewissen und die Zugehörigkeit zur großen Familie der Gläubigen jedem auferlegen“ (vgl. Appell an alle Muslime, 7. September 1989) Die Ernsthaftigkeit dieser Gedanken, im Kontext eines Festes, mag überraschen. Es lädt jedoch jedes Fest die Mitglieder der Gemeinschaft ein, sich auf Gott hin zu bewegen, Gott, der alle Menschen liebt. Möge Ihre Feier des Festes des Fastenbrechens, wie unsere des Osterfestes, uns inspirieren, unseren persönlichen und kollektiven Egoismus zu durchbrechen und mit Hilfe des Höchsten durch Worte und Taten unsere Solidarität mit den leidenden Brüdern und Schwestern auszudrücken. Wir nehmen diese Gelegenheit wahr, Sie wieder einmal unserer Gebete und' der besten Wünsche zu einem frohen Fest zu versichern“. 1455 ANHANG Die Organe der römischen Kurie Stand: Juni 1990 Johannes Paul n., Bischof von Rom, Statthalter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfiirsten, Oberhaupt der Allgemeinen Kirche, Patriarch des Abendlandes, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Kirchenprovinz Rom, Souverän des Staates der Vatikanstadt, Diener der Diener Gottes, Karol Wojtyla Staatssekretariat - Staatssekretariat: Kardinal Agostino Casaroli Erste Sektion: Sektion für die allgemeinen Angelegenheiten: - Substitut: Erzbischof Giovanni Battista Re - Assessor: Msgr. Crescenzio Sepe Zweite Sektion: Sektion für die Beziehungen mit den Staaten: - Sekretär: Erzbischof Angelo Sodano - Untersekretär: Msgr. Jean-Louis Tauran Angegliedert ist das Zentralamt für kirchliche Statistik Kongregationen Kongregation für die Glaubenslehre: -Präfekt: Kardinal Joseph Ratzinger - Sekretär: Erzbischof Alberto Bovone - Untersekretär: Msgr. Josef Zlatnansk Kongregation für die Orientalischen Kirchen: - Präfekt: Kardinal Simon D. Lourdusamy - Sekretär: Erzbischof Miroslav Stefan Marusyn - Untersekretär: Msgr. Mario Rizzi Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung: - Präfekt: Kardinal Eduardo Martinez Somalo - Sekretär: Erzbischof Lajos Kada - Untersekretäre: Msgr. Pere Tena Garriga Msgr. Raffaele Melli 1456 ANHANG Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse: -Präfekt: Kardinal Angelo Felici -Sekretär: - Untersekretär: Erzbischof Edward Nowak Msgr. Fabijan Veraja Kongregation für die Bischöfe: -Präfekt: -Sekretär: - Untersekretär Kardinal Bernardin Gantin Erzbischof Justin Francis Rigali Msgr. Marcello Costalunga Der Kongregation für die Bischöfe angeschlossen ist die Päpstliche Kommission für Lateinamerika: - Präsident: Kardinal Bemardin Gantin - Vizepräsident: Bischof Cipriano Calderon Kongregation für die Evangelisierung der Völker: - Präfekt: Kardinal Jozef Tomko - Sekretär: - Untersekretär: Erzbischof Jose T. Sanchez Rev. Charles Schleck CSC Kongregation für den Klerus: - Präfekt: -Sekretär: - Untersekretär: Kardinal Antonio Innocenti Erzbischof Gilberto Agustoni Msgr. Milan Simcic Päpstliche Kommission für die Erhaltung des künstlerischen und geschichtlichen Erbes der Kirche: -Präsident: -Sekretär: - Untersekretär: Kardinal Antonio Innocenti Bischof Francesco Marchisano Msgr. Paolo Rabitti Kongregation für die Instimte des gottgeweihten Lebens und für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens: -Präfekt: - Sekretär: - Untersekretäre: Kardinal J. Jeröme Hamer OP Erzbischof Vincenzo Fagiolo P. Jesus Torres Llorente CMF Msgr. Joseph A. Galante Msgr. Juan Jose Dorronsoro Allo 1457 ANHANG Kongregation für das Katholische Bildungswesen (für die Seminare und Studieneinrichtungen): - Präfekt: Kardinal William Wakefield Baum - Sekretär: - Untersekretär: Erzbischof Jose Saraiva Martins CMF Msgr. Ivan Peri Gerichtshöfe Apostolische Pönitentiarie: - Großpönitentiar: Kardinal William Wakefield Baum Oberster Gerichtshof der Apostolischen Signatur: - Präfekt: Kardinal Achille Silvestrini Gericht der Römischen Rota: -Dekan: Msgr. Emesto Fiore Päpstliche Räte: Päpstlicher Rat für die Laien: -Präsident: - Vizepräsident: - Untersekretär: Kardinal Eduardo Francisco Pironio Bischof Paul Josef Cordes Msgr. Peter Coughlan Päpstlicher Rat zur Förderung der Einheit der Christen: - Präsident: Erzbischof Edward Idris Cassidy -Sekretär: - Untersekretär: P. Pierre Duprey PA Msgr. Francesco Eleuterio Fortino Päpstlicher Rat für die Familie: - Präsident: - Vizepräsident: - Präsidentenkomitee: Kardinal Edouard Gagnon PSS Bischof Jean-Frangois Arrighi Kardinal James Aloysius Hickey Kardinal Jean Margeot Kardinal Lucas Moreira Neves Kardinal Simon D. Lourdusamy Erzbischof Salvatore De Giorgi Erzbischof Raymont-Marie Tchidimbo CSSP 1458 ANHANG Erzbischof Fiorenzo Angelini Bischof Jean-Francois Arrighi Bischof Paul Josef Cordes Bischof Kazimierz Majdanski - Untersekretär: Rev. Franzisco Gil Hellrn Päpstlicher Rat für Gerechtigkeit und Frieden: - Präsident: Kardinal Roger Etchegaray - Vizepräsident: Bischof Jorge Mejia - Untersekretär: Msgr. Diarmuid Martin Päpstlicher Rat „Cor Unum“: -Präsident: - Vizepräsident: - Untersekretär: Kardinal Roger Etchegaray Bischof Alois Wagner Rev. Ivan Marin Lopez Päpstlicher Rat für die Seelsorge für die Migranten und Menschen unterwegs: - Präsident: Erzbischof Giovanni Cheli - Sekretär: P. Silvano M. Tomasi CS - Untersekretär: Msgr. Peter Paul Prabhu Päpstlicher Rat für die Pastoral im Krankendienst: - Präsident: Erzbischof Fiorenzo Angelini - Sekretär: P. Jose Luis Redrado Marchite OH - Untersekretär: P. Felice Ruffini MI Päpstlicher Rat für die Interpretation von Gesetzestexten: - Präsident: Kardinal Rosalio Jose Castillo Lara -Sekretär: Msgr. Julian Herranz -Untersekretär: Msgr. Mariano De Nicolö Päpstlicher Rat für den Interreligiösen Dialog: - Präsident: Kardinal Francis Arinze - Sekretär: P. Michael Louis Fitzgerald PA - Untersekretär: Rev. John B. Masayuki Shirieda SDB 1459 ANHANG Päpstlicher Rat für den Dialog mit den Nichtglaubenden: -Präsident: -Sekretär: - Untersekretär: Päpstlicher Rat für die Kultur: -Präsident: - Präsidentenkomitee: -Sekretär: - Untersekretär: Kardinal Paul Poupard P. Franc Rode CM P. Jose Montero Castanon OP Kardinal Paul Poupard Kardinal Eugenio de Araüjo Sales Kardinal Hyacinthe Thiandoum Rev. P. Herve Carrier SJ Rev. Raffaele Farina SDB Päpstlicher Rat für die sozialen Kommunikationsmittel: - Präsident: -Sekretär: - Untersekretär: Erzbischof John P. Foley Msgr. Pierfranco Pastore NN Büros: Apostolische Kammer: - Camerlengo der Hl. Römischen Kirche: Kardinal Sebastiano Baggio - Vize-Camerlengo: Erzbischof Ettore Cunial Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls: - Präsident: Kardinal Rosalio Jose Castillo Lara - Sekretär: Erzbischof Giovanni Lajolo Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Hl. Stuhls: - Präsident: Kardinal Edmund Casimir Szoka - Sekretär: Msgr. Luigi Sposito Weitere Organe der Römischen Kurie (nicht Dikasterien) sind: Präfektur des Päpstlichen Hauses: - Präfekt: Bischof Dino Monduzzi Amt für die liturgischen Feiern des Papstes: - Zeremonienmeister: Msgr. Piero Marini 1460 ANHANG Mit dem Hl. Stuhl verbundene Institutionen sind: Vatikanisches Geheimarchiv: -Archivar: -Präfekt: - Vizepräfekt: Kardinal Antonio Maria Javierre Ortas SDB P. Josef Metzler OMI Msgr. Terzo Natalini Vatikanische Apostolische Bibliothek: - Bibliothekar: -Präfekt: Kardinal Antonio Maria Javierre Ortas SDB P. Leonard E. Boyle OP Päpstliche Akademie der Wissenschaften: — Präsident: Prof. Giovanni Battista Marini-Bettölo Marconi Vatikanische Polyglott-Druckerei: - Verwaltungsdirektor: - Technischer Leiter: Rev. Salvatore De Bonis SDB Antonio Maggiotto SDB Vatikanische Verlagsbuchhandlung: - Vorsitzender des Verwaltungsrates: Rev. Renato Dardozzi Osservatore Romano: - Direktor - Sekretär der Redaktion: - Wochenausgaben: Prof. Mario Agnes Dr. Angelo Scelzo in Deutsch: Dr. Karlheinz Schuh in Englisch: Msgr. John T. Muthig in Französisch: Dr. Jean-Michel Coulet in Portugiesisch: Msgr. Expedito Marcondes in Spanisch: P. Arturo Gutierrez Gömez LC eine monatliche Ausgabe in Polnisch: P. Adam Boniecki MIC Radio Vatikan: — Präsident: - Generaldirektor: P. Roberto Tucci SJ P. Pasquale Borgomeo SJ Vatikanisches Fernsehzentrum: - Präsident: Dr. Emilio Rossi 1461 ANHANG Dombauhütte von St. Peter: -Präsident: -Delegat: Kardinal Aurelio Sabattani Erzbischof Virgilio Noe Erzbischof Oscar Rizzato Päpstlicher Wohltätigkeitsdienst: - Almosenpfleger: Übersetzungszentram: Zentrales Arbeitsbüro: -Präsident: -Assessoren: Erzbischof Jan P. Schotte CICM Prof. Matteo Dell’Olio Prof. Gian Carlo Perone Konsistorium Kardinalsrat der Vorsitzenden der Dikasterien Kardinalsrat für das Studium der organisatorischen und wirtschaftlichen Fragen des Hl. Stuhls Institut für kirchliche Einrichtungen (IOR): - Generaldirektor: Dr. Giovanni Bodio Pressesaal: -Direktor: - Vizedirektor: Dr. Joaqurn Navarro-Valls Rev. Giovanni D’Ercole FDP Die Interpretation eines Dogmas Dokument der internationalen Theologenkommission, veröffentlicht am 27. Juli Dieses Dokument der internationalen Theologenkommission wurde unter Leitung von Msgr. Walter Kasper; seinerzeit Professor an der Universität Tübingen und jetzt Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart, von einer Unterkommission vorbereitet. Zu dieser gehörten die Professoren Ambaum, Colombo, Corbon, Gnilka, Leonard, Nagy, de Noronha Galvao, Peter, Schönbom und Wilfred. Der Text wurde während der Vollversammlung vom 3. bis 8. Oktober 1988 diskutiert und in der Vollversammlung vom Oktober 1989 mit großer Mehrheit in forma specifica approbiert. Gemäß den Statuten der ITK wird er mir Billigung von Kardinal Joseph Ratzinger, dem Präsidenten der Kommission, veröffentlicht. Der vorliegende deutsche Text ist die Originalfassung des Dokumentes. 1462 ANHANG A. Status quaestionis I. Die allgemein-philosophische Problemstellung 1. Das Grundproblem der Interpretation. Das Problem der Interpretation ist ein Urproblem des Menschen, denn als Menschen geht es uns darum, die Welt, in der wir uns vorfinden, zu verstehen und dabei auch uns selbst zu verstehen. Bei dieser Frage nach der Wahrheit der Wirklichkeit fangen wir nie am Nullpunkt an. Die zu verstehende Wirklichkeit begegnet uns vielmehr konkret in der Auslegung durch das Symbolsystem der jeweiligen Kultur, die sich insbesondere in der Sprache zeigt. Das menschliche Verstehen ist daher geschichtlich und gemeinschaftsbezogen. So gehört zur Interpretation immer auch die verstehende Aneignung vorgegebener Zeugnisse der Tradition.Der Zusammenhang von Interpretation und Tradition macht deutlich, daß man sich von einem naiven Realismus frei machen muß. In unserer Erkenntnis haben wir es nie mit der nackten Wirklichkeit an sich zu tun, sondern immer mit der Wirklichkeit im kulturellen Lebenskontext des Menschen, mit deren Interpretation durch die Tradition und deren heutiger Aneignung.Das Grundproblem der Interpretation kann deshalb so formuliert werden: Wie können wir den hermeneutischen Zirkel zwischen Subjekt und Objekt ernst nehmen, ohne damit in einen Relativismus zu verfallen, bei dem es nur noch Interpretationen von Interpretationen gibt, die wiederum zu ständigen Neuinterpretationen führen? Gibt es - nicht außerhalb, sondern innerhalb des geschichtlichen Interpretationsprozesses - eine Wahrheit an sich? Gibt es also einen absoluten Anspruch der Wahrheit? Gibt es gar Aussagen, welche in allen Kulturen und in allen geschichtlichen Situationen zu bejahen bzw. zu verneinen sind? 2. Zweifache Aktualität des Problems. Heute stellt sich das Problem der Interpretation in verschärfter Weise. Aufgrund der kulturellen Umbrüche ist der Abstand zwischen den Zeugnissen der Tradition und unserer heutigen kulturellen Situation größer geworden. Das hat vor allem in der westlichen Welt weithin zu einer veränderten Einstellung zu den überlieferten Wahrheiten, Werten und Einstellungen, zu einer einseitigen Aufwertung des Heutigen gegenüber dem Überlieferten und zur einseitigen Wertschätzung des Neuen als Kriterium des Denkens und Handelns geführt. In der gegenwärtigen Philosophie ist zudem vor allem durch Marx, Nietzsche und Freud eine Hermeneutik des Verdachts herrschend geworden, welche die Tradition nicht mehr als das die ursprüngliche Wirklichkeit in die Gegenwart vermittelnde Medium betrachtet, sondern als Entfremdung und Unterdrückung empfindet. Doch ohne schöpferische Erinnerung der Tradition liefert sich der Mensch dem Nihilismus aus. Die gegenwärtige weltweite Traditionskrise stellt deshalb eine der grundlegendsten geistigen Herausforderungen dar. Neben der Krise der Tradition ist es in der Gegenwart zu einer universalen Begegnung der verschiedenen Kulturen und ihrer unterschiedlichen Traditionen gekommen. Das Problem der Interpretation stellt sich uns heute deshalb nicht nur als Problem der Vermittlung der Vergangenheit mit der Gegenwart, sondern auch als Aufgabe der Vermittlung zwischen unterschiedlichen kulturellen Traditionen. Eine solche kulturübergreifende Hermeneutik ist in der Gegenwart geradezu zu einer Überlebensbedingung der Menschheit in Frieden und Freiheit geworden. 1463 ANHANG 3. Drei Typen der Hermeneutik. Man kann verschiedene Typen der Hermeneutik unterscheiden: Die positivistisch orientierte Hermeneutik stellt den objektiven Pol in den Vordergrund. Sie hat viel beigetragen zu einer besseren Erkenntnis der Wirklichkeit. Sie sieht aber die menschliche Erkenntnis einseitig als Funktion der naturalen, biologischen, psychologischen, historischen und sozio-ökonomischen Bedingungen und verkennt damit die Bedeutung der menschlichen Subjektivität im Erkenntnisprozeß. Die anthropozentrisch ausgerichtete Hermeneutik hilft diesem Mangel ab. Für sie ist aber einseitig der subjektive Pol entscheidend. So verkürzt sie die Erkenntnis der Wirklichkeit auf die Erkenntnis von deren Bedeutung für die menschliche Subjektivität; die Frage nach der Wahrheit der Wirklichkeit wird also auf die Frage nach deren Sinn für den Menschen reduziert. Die kulturelle Hermeneutik versteht die Wirklichkeit vermittels deren objektiver kultureller Ausgestaltungen in menschlichen Institutionen, Sitten und Gebräuchen, besonders in der Sprache wie aufgrund des subjektiven Selbst- und Weltverständnisses, das durch die jeweilige Kultur und ihr Wertsystem geprägt ist. Bei aller Bedeutung dieses Ansatzes bleibt die Frage nach den transkulturellen Werten und nach der Wahrheit des Humanum, das die Menschen über alle kulturellen Unterschiede hinweg verbindet. Im Unterschied zu den bisher behandelten mehr oder weniger reduktionistischen Formen fragt die metaphysische Hermeneutik nach der Wahrheit der Wirklichkeit selbst. Sie geht davon aus, daß sich die Wahrheit in der menschlichen Vernunft und durch die menschliche Vernunft offenbart, so daß im Licht der menschlichen Vernunft die Wahrheit der Wirklichkeit selbst aufleuchtet. Da die Wirklichkeit jedoch stets größer und tiefer ist als alle geschichtlich und kulturell bedingten Vorstellungen und Begriffe, die wir von ihr haben, ergibt sich die Notwendigkeit einer immer wieder neuen kritischen und vertiefenden Interpretation der jeweiligen kulturellen Tradition. Die grundlegende Aufgabe, vor der wir stehen, besteht also darin, daß wir in Begegnung und Auseinandersetzung mit der modernen Hermeneutik, den Human- und Kulturwissenschaften zu einer schöpferischen Erneuerung der Metaphysik und ihrer Frage nach der Wahrheit der Wirklichkeit zu kommen versuchen. Das Grundproblem, das sich dabei stellt, ist das Verhältnis von Wahrheit und Geschichte. 4. Die Grundfrage: Wahrheit in der Geschichte. Was das Verhältnis von Wahrheit und Geschichte angeht, so ist schon deutlich geworden, daß es grundsätzlich kein schlechterdings voraussetzungsloses menschliches Erkennen gibt; vielmehr ist alles menschliche Erkennen und Sprechen durch eine Vorverständnis- und Vorurteilsstruktur bestimmt. Im geschichtlich bedingten Erkennen, Sprechen und Handeln des Menschen geschieht aber jeweils ein Vorgriff auf ein Letztes, Unbedingtes und Absolutes. In allem Suchen und Forschen nach Wahrheit setzen wir Wahrheit wie auch bestimmte Grundwahrheiten (etwa das Wider-spruchsprinzip) immer schon voraus. So leuchtet uns die Wahrheit immer schon voraus, bzw. sie leuchtet uns in objektiver Evidenz in unserer Vernunft an der Wirklichkeit selbst auf. Solche Vor-sätze und Voraussetzungen wurden bereits in der antiken Stoa als Dogmen bezeichnet. Insofern kann man - in einem noch sehr allgemein zu verstehenden Sinn - von einer dogmatischen Grundstruktur des Menschen sprechen. 1464 ANHANG Da unser Erkennen, Denken und Wollen durch die jeweilige Kultur, vor allem durch die Sprache, immer gesellschaftlich bestimmt ist, betrifft die dogmatische Grundstruktur nicht nur den einzelnen, sondern auch die menschliche Gesellschaft. Keine Gesellschaft kann auf die Dauer ohne gemeinsame Grundüberzeugungen und Grundwerte, welche ihre Kultur prägen und tragen, bestehen. Die Einheit und das gegenseitige Verstehen und friedvolle Zusammenleben in der Menschheit und die gegenseitige Anerkennung der gleichen menschlichen Würde setzen außerdem voraus, daß es bei aller sehr tiefreichenden Unterschiedenheit der Kulturen ein allen Menschen gemeinsames Humanum und damit eine allen Menschen gemeinsame Wahrheit gibt. Diese Überzeugung kommt heute vor allem in den allgemeinen und unveräußerlichen Menschenrechten zum Ausdruck. Solche hinsichtlich von Raum und Zeit universale und deshalb allgemeingültige Wahrheit wird als solche zwar erst in bestimmten geschichtlichen Situationen und Auseinandersetzungen, besonders in der Begegnung der Kulturen erkannt. Diese kontingenten Erkenntnisbedingungen und Entdeckungszusammenhänge sind jedoch vom unbedingten Geltungsanspruch der erkannten Wahrheit selbst zu unterscheiden. Die Wahrheit selbst kann ihrem Wesen nach nur die eine und darum allgemeine Wahrheit sein. Was einmal als Wahrheit erkannt wurde, muß deshalb bleibend gültig als wahr anerkannt werden. An dieses geschichtliche und zugleich universal offene Wesen der menschlichen Vernunft kann die Kirche bei ihrer Verkündigung des einen, geschichtlich geoffenbarten Evangeliums, das dennoch für alle Völker und Zeiten gilt, anknüpfen; sie kann es reinigen und zu seiner tiefsten Erfüllung führen. II. Die gegenwärtige theologische Problemstellung 1. Ein Teilproblem der Evangelisierung und Neuevangelisierung. Die katholische Theologie geht von der Glaubensüberzeugung aus, daß die Paradosis der Kirche und die in ihr überlieferten Dogmen der Kirche die im Alten und Neuen Bund von Gott geoffenbarte Wahrheit gültig aussagen und daß die in der Paradosis der Kirche überlieferte Offenbarungswahrheit universal gültig und in ihrer Substanz unveränderlich ist. Diese Überzeugung wurde, was die Dogmen angeht, bereits in der Reformation des 16. Jahrhunderts in Frage gestellt. In wesentlich verschärfter Weise und unter ganz anderen Voraussetzungen kam sie im Gefolge der neuzeitlichen Aufklärung und der modernen Freiheitsprozesse vollends in eine Krise. In der Neuzeit wurde das dogmatische Denken oft von vornherein als Dogmatismus kritisiert und entsprechend abgelehnt. In der modernen säkularisierten Kultur, im Unterschied zu der im Westen insgesamt christlich geprägten Kultur vergangener Jahrhunderte, scheint die überlieferte dogmatische Sprache der Kirche auch vielen Christen nicht mehr ohne weiteres verständlich oder gar mißverständlich geworden zu sein; manche betrachten sie geradezu als eine Barriere für die lebendige Weitergabe des Glaubens. Dieses Problem verschärft sich, wenn die Kirche mit ihren Dogmen, welche, rein historisch betrachtet, im Kontext der griechisch-römisch-westlichen Kultur entstanden sind, in den verschiedenen Kulturen Afrikas und Asiens heimisch zu werden versucht. Das erfordert mehr als 1465 ANHANG eine bloße Übersetzung der Dogmen; um zu einer Inkulturation zu kommen, muß der ursprüngliche Sinn des Dogmas in dem anderen kulturellen Kontext neu zum Verstehen gebracht werden. So ist das Problem der Dogmeninterpretation heute zu einem universalen Problem der Evangelisierung bzw. der Neuevangelisierung geworden. Ungenügende Lösungsansätze in der hermeneutischen Theologie 2. Ungenügende Lösungsansätze in der hermeneutischen Theologie. Bereits die modernistische Theologie zu Beginn unseres Jahrhunderts wollte sich diesem Problem stellen. Ihre Lösungsversuche blieben jedoch u. a. wegen des unzureichenden Offenbarungsverständnisses und des pragmatischen Dogmenbegriffs unbefriedigend. Die gegenwärtige hermeneutisch orientierte Theologie sucht den Graben zwischen der dogmatischen Überlieferung und dem modernen Denken dadurch zu überbrücken, daß sie nach dem Sinn bzw. der Bedeutung des Dogmas für uns heute fragt. Dadurch wird jedoch die einzelne dogmatische Formel aus dem Zusammenhang der Paradosis gelöst und von dem in der Kirche gelebten Glauben isoliert; das Dogma wird auf diese Weise geradezu hypostasiert. Außerdem geht dabei über die Frage nach der praktischen, existentiellen oder sozialen Bedeutung des Dogmas die Frage nach dessen Wahrheit verloren. Dieser Einwand erhebt sich auch dann, wenn das Dogma lediglich konventionalistisch verstanden wird, d. h. wenn es nur in seiner Funktion als für die Einheit notwendige, aber grundsätzlich vorläufige und überholbare kirchliche Sprachregelung betrachtet, aber nicht mehr in seiner die Offenbarungswahrheit verbindlich vermittelnden Funktion gesehen wird. 3. Recht und Grenzen neuerer Ansätze im Horizont von Theorie und Praxis. Für die Theologie der Befreiung stellt sich das Problem der Dogmenhermeneutik auf dem Hintergrund der Armut, des Elends, der Situation der sozialen und politischen Unterdrückung, wie sie in vielen Teilen der Dritten Welt herrscht, als Frage nach dem Verhältnis von Theorie und Praxis. Damit ist ein wichtiger Aspekt des biblischen Wahrheitsverständnisses, wonach es die Wahrheit zu tun gibt (Joh 3,21), angesprochen. Zweifellos gibt es eine evangeliumsgemäße, kirchlich legitime Theologie der integralen Befreiung. Sie geht aus von der Priorität der geistlichen Sendung der Kirche, bedenkt aber zugleich deren soziale Voraussetzungen und Konsequenzen (vgl. CT 1976, in: Documenta 161-203). In der radikalen Theologie der Befreiung dagegen wird die ökonomische, soziale und politische Befreiung zur alles bestimmenden Prämisse und das Verhältnis von Theorie und Praxis in einem ideologischen materialistisch-marxistischen Sinn verstanden. Hier verschwindet die Botschaft von der Gnade und vom eschatologischen Ziel des Lebens und der Welt. Der Glaube und die dogmatischen Glaubensformeln werden nicht mehr in ihrem eigenen Wahrheitsgehalt gesehen, sondern im Namen der in dieser Sicht allein maßgebenden sozio-ökonomischen Realität nur noch in ihrer Funktion als Motor der revolutionären politischen Befreiung interpretiert. Auch andere Hermeneutiken bieten sich heute an, die bei aller Verschiedenheit das eine gemeinsam haben, daß sie die hermeneutische Mitte von der Wahrheit des Seins bzw. der Offenbarung als Quelle des Sinns in ein an sich legitimes, aber partikuläres Element 1466 ANHANG verlagern, das dann zur Mitte und zum Kriterium des Ganzen gemacht wird. Das gilt etwa auch von der radikalen feministischen Theologie, in der nämlich nicht mehr — was aufzuzeigen legitim und wichtig ist - die Offenbarungszeugnisse Grundlage und Norm für die Herausstellung der Würde der Frau sind; vielmehr wird ein bestimmtes Emanzipationsverständnis zum allein- und letztgültigen hermeneutischen Schlüssel für die Interpretation der Heiligen Schrift wie der Tradition. So stellt uns die Frage nach der Interpretation der Dogmen vor die Grundfragen der Theologie. Im Hintergrund steht letztlich die Frage nach dem theologischen Verständnis von Wahrheit und Wirklichkeit. Auch in theologischer Sicht spitzt sich diese Frage auf das Verhältnis von universal und bleibend gültiger Wahrheit einerseits und Geschichtlichkeit der Dogmen anderseits zu. Dabei geht es konkret um die Frage, wie die Kirche ihre verbindliche Glaubenslehre heute so weitergeben kann, daß aus der Erinnerung an die Tradition Hoffnung für die Gegenwart und die Zukunft entsteht. Angesichts der unterschiedlichen sozio-kulturellen Situationen, in denen die Kirche heute lebt, geht es außerdem um die Frage nach Einheit und Vielfalt in der dogmatischen Auslegung der Wahrheit und Wirklichkeit der Offenbarung. B. Fundamenta theologica I. Biblische Grundlagen 1. Tradition und Interpretation in der Schrift. Die in der Heiligen Schrift bezeugte Offenbarung ergeht durch Wort und Tat in der Geschichte Gottes mit den Menschen. Das Alte Testament ist ein Prozeß ständiger Neuinterpretation und ständiger Relecture; es findet erst in Jesus Christus seine eschatologisch-endgültige Interpretation. Denn im Alten Testament vorbereitet, findet die Offenbarung in der Fülle der Zeit in Jesus Christus ihre Erfüllung (Hebr 1,1-3; vgl. Gal 4,4; Eph 1,10; Mk 1,15). Als das menschgewordene Wort Gottes ist Jesus der Interpret des Vaters (Joh 1,14.18), die Wahrheit in Person (Joh 14,6). Er ist in seinem ganzen Dasein, durch Worte und Zeichen, vor allem durch seinen Tod, seine Auferstehung und Erhöhung und durch die Sendung des Geistes der Wahrheit (Joh 14,17) die Fülle von Gnade und Wahrheit (Joh 1,14) (Dei Verbum, Nr. 4).Die in Jesus Christus ein für allemal offenbare Wahrheit kann nur im vom Heiligen Geist geschenkten Glauben erkannt und angenommen werden. Dieser Glaube ist im Sinn der Schrift die personale Selbstübereignung des Menschen an den sich offenbarenden Gott (Dei Verbum, NR. 5). Er schließt aber die Zustimmung und das Bekenntnis zu den Worten und Taten der Offenbarung, besonders zu Jesus Christus und dem von ihm geschenkten neuen Leben ein; er ist deshalb Akt (fides qua) und Inhalt (fides quae creditur) zugleich. Er ist ein „Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“ (Hebr 11,1). In der Kirche wird der ein für allemal von den Aposteln überlieferte Glaube als Depositum fidei (1 Tim 6,20; Tim 1,14) treu bewahrt. Sie ist der vom Heiligen Geist erfüllte Leib Christi und hat von Jesus Christus die Verheißung, daß der Heilige Geist sie in alle Wahrheit einführen wird (Joh 16,13). So ist die Kirche als das wandernde Volk Gottes mit dem 1467 ANHANG „Evangelium der Wahrheit“ betraut (Eph 1,13). Sie soll durch ihr Leben, ihr Bekenntnis und ihre gottesdienstliche Feier Zeugnis für den Glauben ablegen vor der Welt. Sie kann selbst als „Säule und Fundament der Wahrheit“ bezeichnet werden (1 Tim 3,15). Jetzt erkennen wir freilich die Wahrheit nur wie in einem Spiegel und in Umrissen, erst eschatologisch werden wir Gott von Angesicht zu Angesicht erkennen, so wie er ist (1 Kor 13,12; 1 Joh 3,2). So steht unsere Erkenntnis der Wahrheit auch in der Spannung zwischen „Schon“ und „Noch-nicht“. 2. Perspektiven der Hermeneutik in der Schrift. Die Weise der Interpretation ergibt sich aus dem Wesen der biblischen Botschaft selbst. Die Offenbarungswahrheit, wie sie die Heilige Schrift bezeugt, ist Gottes geschichtliche Treue-Wahrheit (emeth); letztlich ist sie die Selbst-mitteilung des Vaters durch Jesus Christus zu beständiger Gegenwart im Heiligen Geist. Sie wird durch Worte wie durch Taten und durch das ganze Lehen der Kirche bezeugt. Dabei ist für einen Christen Jesus Christus das eine Wort in den vielen Worten; von ihm her und auf ihn hin müssen alle Aussagen des Alten und des Neuen Testaments in ihrer inneren Einheit verstanden werden. So gilt es für Christen, das Alte Testament von seiner neutestamentlichen Erfüllung her auszulegen, das Neue Testament aber von der alttestamentlichen Verheißung her zu verstehen. Sowohl Altes wie Neues Testament müssen in dem in der Kirche gegenwärtigen Heiligen Geist ausgelegt und vergegenwärtigt werden. Jeder hat seine Gnadengabe „nach dem Maß des Glaubens, das Gott ihm gegeben hat“ zur Auferbauung des Leibes Christi, der Kirche, einzubringen (Röm 12,4-8; 1 Kor 12,4ff.). Deshalb warnt schon 2 Petr 1,20 vor einer eigenmächtigen Auslegung der Schrift.Die geoffenbarte Wahrheit will das Leben der Menschen, die sie angenommen haben, prägen. Nach Paulus muß der Indikativ des Seins in Christus und im Geist zum Imperativ werden, nun auch im neuen Leben zu wandeln. Es kommt deshalb darauf an, in der Wahrheit zu bleiben, sie nicht nur erkenntnismäßig immer besser zu erfassen, sondern sie auch tiefer in das Leben einzubeziehen und sie zu tun (Joh 3,21). Dabei erweist die Wahrheit sich als das absolut Verläßliche und als der tragende Grund der menschlichen Existenz. Vor allem ist die Liturgie, ist aber auch das Gebet ein wichtiger hermeneuti-scher Ort für die Erkenntnis und Vermittlung der Wahrheit. 3. Biblische Bekenntnisformeln. Das Gesagte gilt nicht zuletzt von den Homologien, Bekenntnis- und Glaubensformeln, die sich schon in den frühesten Schichten des Neuen Testaments finden. Sie bekennen sich u. a. zu Jesus als dem Christus (Mt 16,16 par), dem Kyrios (Röm 10,9; 1 Kor 12,3; Phil 2,11) und dem Sohn Gottes (Mt 16,16; 14,33; Joh 1,34.49; Joh 4,15; 5,5 u. a.). Sie bezeugen den Glauben an Tod und Auferstehung Jesu (1 Kor 15,3-5; 1 Thess 4,14; Röm 8,34; 14,9 u. a.), seine Sendung und Geburt (Gal 4,4), seine Dahingabe (Röm 4,25; 8,32; Gal 2,20 u. a.) und seine Wiederkunft (1 Thess 1,10; Phil 3,20ff.). In Hymnen wird Jesu Gottheit, seine Menschwerdung und seine Erhöhung gepriesen (Phil 2,6-11; Kol 1,15-20; 1 Tim 3,16; Joh 1,1-8). Darin kommt zum Ausdruck, daß der Glaube der neutestamentlichen Gemeinden nicht auf dem privaten Zeugnis einzelner ruht, sondern auf dem gemeinsamen, für alle verbindlichen und öffentlichen Bekenntnis. Dieses Bekenntnis begegnet uns im Neuen Testament freilich nicht in monotoner Uniformität; die eine Wahrheit drückt sich vielmehr in einem großen, vielgestaltigen Reichtum von 1468 ANHANG Formeln aus. Es gibt im Neuen Testament auch bereits Formeln, die einen Erkenntnisfortschritt in der Wahrheit zum Ausdruck bringen, bei dem die bezeugten Wahrheiten sich zwar weiterführend ergänzen und vertiefen, aber niemals widersprechen können. Es geht immer um das eine Heilsgeheimnis Gottes in Jesus Christus, das in vielfältigen Gestalten und unter verschiedenen Aspekten zum Ausdruck kommt. II. Aussagen und Praxis des kirchlichen Lehramts 1. Lehramtliche Aussagen zur Dogmeninterpretation. Der geschichtliche Weg von Nikaia (325) zu Konstantinopel I (381), von Ephesus (431) zu Chalkedon (451), Konstantinopel II (553) und den folgenden altkirchlichen Konzilen zeigt, daß die Dogmengeschichte ein Prozeß ständiger und lebendiger Interpretation der Tradition ist. Das Zweite Konzil von Nikaia (787) faßte die einheitliche Lehre der Väter zusammen, wonach das Evangelium in der vom Heiligen Geist getragenen Paradosis der catholica Ecclesia weitergegeben wird (DS 600; 602f.; 609). Das Konzil von Trient (1545-63) verteidigte diese Lehre; es warnte vor einer privaten Auslegung der Schrift und fügte hinzu, es sei Sache der Kirche, über den wahren Sinn der Schrift und deren Interpretation zu urteilen (DS 1501; 1507). Das I. Vatikanische Konzil (1869-70) wiederholte die Lehre von Trient (DS 3007). Es anerkannte darüber hinaus eine Dogmenentfaltung, sofern diese in demselben Sinn und in derselben Bedeutung geschieht (eodem sensu eademque sententia). So lehrte das Konzil, bei den Dogmen sei der Sinn bleibend festzuhalten, der einmal von der Kirche dargelegt wurde. Deshalb verurteilte das Konzil jeden, der unter dem Schein und Namen einer höheren Erkenntnis, einer angeblich tieferen Interpretation dogmatischer Formulierung oder eines Fortschritts in der Wissenschaft davon abweicht (DS 3020; 3043). Diese Irreversibilität und Irreformabilität ist mit der vom Heiligen Geist geleiteten Unfehlbarkeit der Kirche, besonders des Papstes in Sachen des Glaubens und der Sitten, gemeint (DS 3074). Sie ist darin begründet, daß die Kirche im Heüigen Geist an der Untrüglichkeit Gottes (qui nec falli nec fallere potest) (DS 3008) Anteil hat. Gegenüber dem rein symbolischen und pragmatischen Dogmenverständnis der Modemisten hat das kirchliche Lehramt diese Lehre verteidigt (DS 3401-3408; 3420-3426; 3458-3466; 3483). Papst Pius XII. warnte in der Enzyklika Humani generis (1950) nochmals vor einem dogmatischen Relativismus, welcher die überkommene Sprechweise der Kirche verläßt, um den Glaubensinhalt in geschichtlich wechselnder Terminologie auszudrücken (DS 3881-3883). Ähnlich mahnte Papst Paul VI. in der Enzyklika Mysterium fidei (1965), an der exakten, festgelegten Ausdrucksweise festzuhalten. 2. Die Lehre des II. Vatikanischen Konzils. Das II. Vatikanum hat die bisherige Lehre der Kirche in einem umfassenden Zusammenhang dargestellt und dabei auch die geschichtliche Dimension des Dogmas zur Geltung gebracht. Es lehrte, daß das ganze Volk Gottes Anteil hat am prophetischen Amt Christi (Lumen Gentium, Nr. 12) und daß es unter dem Beistand des Heiligen Geistes in der Kirche einen Fortschritt im Verständnis der apostolischen Überlieferung gibt (Dei Verbum, Nr. 8). Innerhalb der allen gemeinsamen Sendung und Verantwortung hielt das Konzil am authentischen Lehramt, das allein den Bischöfen zukommt, 1469 ANHANG ebenso fest (Dei Verbum, Nr. 8; IO) wie an der Lehre von der Unfehlbarkeit der Kirche (Lumen Gentium, Nr. 25). Das Konzil sieht die Bischöfe jedoch in erster Linie als Verkünder des Evangeliums und ordnet ihren Dienst als Lehrer dem Verkündigungsdienst zu (Lumen Gentium, Nr. 25; vgl. DC 12-15). Diese Herausstellung des pastoralen Charakters des Lehramts lenkte die Aufmerksamkeit auf die Unterscheidung zwischen der unwandelbaren Glaubenshinterlage bzw. den Glaubenswahrheiten und deren Aussageweise. Das bedeutet, daß die Lehre der Kirche - freilich immer in demselben Sinn und demselben Inhalt - in einer lebendigen und den Erfordernissen der Zeit entsprechenden Weise den Menschen vermittelt werden muß (Gaudium etspes, Nr. 62, vgl. Johannes XXIII., AAS 54 (1962), 792). Die Erklärung Mysterium ecclesiae (1973) hat diese Unterscheidung aufgegriffen, gegen das Mißverständnis eines dogmatischen Relativismus abgegrenzt und weiter vertieft. Die Dogmen sind zwar in dem Sinn geschichtlich, daß ihr Sinn „teilweise von der Aussagekraft der zu einer bestimmten Zeit und unter bestimmten Umständen angewandten Sprache abhängt“. Spätere Aussagen bewahren und bestätigen die früheren, erhellen sie aber auch und machen sie - meist in Auseinandersetzung mit neuen Fragen oder mit Irrtümern - lebendig und fruchtbar in der Kirche. Das heißt aber nicht, daß man die Unfehlbarkeit auf ein grundlegendes Bleiben in der Wahrheit reduzieren darf. Die dogmatischen Formeln bezeichnen die Wahrheit nicht nur unbestimmt, nicht veränderlich und nur approximativ, schon gar nicht verändern oder verunstalten sie diese. Es gilt, die Wahrheit in bestimmter Gestalt festzuhalten. Maßgebend ist dabei der historische Sinn der dogmatischen Formulierungen (Nr. 5). Jüngst hat Papst Johannes Paul II. in dem Apostolischen Schreiben Ecclesia Dei (1988) diesen Sinn einer lebendigen Tradition nochmals bekräftigt. Das Verhältnis von Formulierung und Inhalt des Dogmas bedarf freilich noch weiterer Klärung (vgl. dazu u. CIII,3). 3. Theologische Qualifikationen. Aus dem lebendigen Charakter der Tradition ergibt sich eine große Vielfalt lehramtlicher Aussagen von unterschiedlichem Gewicht und unterschiedlichem Grad der Verbindlichkeit. Für deren rechte Gewichtung und Interpretation hat die Theologie die Lehre von den theologischen Qualifikationen entwickelt; sie wurde vom kirchlichen Lehramt teilweise übernommen. Leider ist sie in jüngster Zeit etwas in Vergessenheit geraten. Sie ist aber für die Dogmeninterpretation nützlich und sollte deshalb erneuert und weiterentwickelt werden. Nach der Lehre der Kirche gilt, daß nur das, aber auch alles das „mit göttlichem und katholischem Glauben zu glauben ist, was im geschriebenen oder überlieferten Wort Gottes enthalten ist und von der Kirche in feierlichem Entscheid oder durch das ordentliche und allgemeine Lehramt als von Gott geoffenbart zu glauben vorgelegt wird“ (DS 3011). Dazu gehören sowohl Glaubenswahrheiten (im engeren Sinn) wie in der Offenbarung bezeugte Sittenwahrheiten (DS 1501; 3074: fides et mores; Lumen Gentium, Nr. 25: fides credenda et moribus applicanda). Natürliche Wahrheiten und natürliche Sittenlehren können indirekt zur verbindlichen Lehre der Kirche gehören, wenn sie in einem notwendigen inneren Zusammenhang mit Glaubenswahrheiten stehen (Lumen Gentium, Nr. 25: tantum patet quantum divinae Revelationis patet depositum, sancte custodiendum et fideliter exponendum). Das Vatikanum II macht dennoch den Unterschied zwischen Glaubenslehren und den Prinzipien der 1470 ANHANG natürlichen sittlichen Ordnung deutlich, indem es bei den ersteren von „verkündigen“ und „authentisch lehren“, bei den letzteren von „autoritativ erklären“ und „bestätigen“ spricht (Dignitatis humanae, Nr. 14). Da die Verkündigung des Lehramtes ein lebendiges Ganzes ist, kann die Zustimmung der Gläubigen nicht auf formell definierte Wahrheiten beschränkt sein. Auch andere lehramtliche Äußerungen, die keine endgültige Definition sind und die vom Papst, von seiner Glaubenskongregation oder von den Bischöfen stammen, sind je in unterschiedlichen Grad in rehgiös gegründetem Gehorsam (religiosum obsequium) anzunehmen. Solche Äußerungen gehören dem authentischen Lehramt an, wenn in ihnen die Absicht zu lehren bekundet wird, die sich „aus der Art der Dokumente, der Häufigkeit der Vorlage ein und derselben Lehre und der Sprechweise“ vornehmlich erkennen läßt (Lumen Gentium, Nr. 25; vgl. DS 3044f.). Der genaue Sinn dieser Konzilsaussage bedarf noch eingehender theologischer Klärung. Wünschenswert wäre vor allem, daß das kirchliche Lehramt, um seine Autorität nicht unnötig abzunützen, jeweils selbst die unterschiedlichen Weisen und Verbindlichkeitsgrade seines Sprechens deutlich macht. 4. Die Praxis des Lehramts. Die Praxis des kirchlichen Lehramts suchte seinem pastoralen Charakter zu entsprechen. Seine Aufgabe, die Wahrheit Jesu Christi authentisch zu bezeugen, steht innerhalb der umfassenderen cura animarum und begegnet ihrem pastoralen Wesen entsprechend mit Klugheit und Zurückhaltung neu aufkommenden gesellschaftlichen, politischen und kirchlichen Entwicklungen und Problemen. In den letzten Jahrhunderten kann man von seiten des kirchlichen Lehramts eine Interpretation bereits vorliegender Stellungnahmen angesichts neuer Entwicklungen immer dann erkennen, wenn ein komplexer Sachverhalt sich hinreichend ausdifferenziert und geklärt hat. Das zeigt sich in der Haltung gegenüber sozialen Fragen, im Verhältnis zu den Ergebnissen der modernen Naturwissenschaften, gegenüber den Menschenrechten, besonders der Religionsfreiheit, gegenüber der historisch-kritischen Methode, der ökumenischen Bewegung, der Wertschätzung der Ostkirchen, mancher grundlegender Anliegen der Reformatoren u. a. In einer plural strukturierten Gesellschaft und in einer differenziert sich gestaltenden Kirche erfüllt das Lehramt seinen pastoralen Dienst in zunehmendem Maß argumentativ. In dieser Situation kann das Erbe der Glaubensüberlieferung nur dann fruchtbar weitergegeben werden, wenn das Lehramt wie auch die übrigen Träger pastoraler und theologischer Verantwortung zu einer argumentativen Zusammenarbeit bereit sind, besonders im Vorfeld definitiver Entscheidungen des Lehramts. Angesichts der wissenschaftlichen und technischen Forschungen der jüngsten Zeit scheint es geraten, vorschnelle Festlegungen zu vermeiden, dagegen richtungsweisende und differenzierte Entscheidungen zu fördern. III. Systematisch-theologische Grundlagenüberlegungen 1. Das Dogma innerhalb der Paradosis der Kirche. Die Grundaussage des christlichen Glaubens besteht in dem Bekenntnis, daß der Logos, der in antizipatorisch-fragmentari-scher Weise in aller Wirklichkeit aufleuchtet, im Alten Testament konkret verheißen und in Jesus Christus in seiner ganzen Fülle in geschichtlich-konkreter Gestalt erschienen ist 1471 ANHANG (Joh l,3f.; 1,14). In der Fülle der Zeit wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig in Jesus Christus (Kol 2,9); in ihm sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen (Kol 2,3). Er ist in Person der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6). Die Gegenwart des Ewigen in konkreter geschichtlicher Gestalt gehört deshalb zur Wesensstruktur des christlichen Heilsmysteriums. In ihm wird die unbestimmte Offenheit des Menschen von Gott her konkret bestimmt. Diese konkrete, eindeutige Entschiedenheit und Bestimmtheit muß auch für das Bekenntnis zu Jesus Christus bestimmend sein. Das Christentum ist damit sozusagen struktural dogmatisch verfaßt. Die Wahrheit Gottes wäre in Jesus Christus nicht eschatologisch-endgültig in der Geschichte angekommen, würde sie nicht im Heiligen Geist, der uns immer wieder neu an Jesus Christus erinnert und uns in alle Wahrheit einführt (Joh 14,26; 16,13), von der Gemeinschaft der Glaubenden endgültig angenommen und öffentlich bezeugt. In Maria und ihrem uneingeschränkten, stellvertretend für die ganze Menschheit gesprochenen Ja zu Gottes Heilswillen sieht die Kirche das Urbild ihres eigenen Ja im Glauben. Die Kirche ist im Heiligen Geist der Leib Christi, in der und durch die die vielfältige, in Jesus Christus erschienene Weisheit Gottes aller Welt kundgetan wird (Eph 3,10 f.; vgl. Röm 16,25f.; Kol l,26f.). In ihrer Traditio (Paradosis) ist die Selbstmitteilung des Vaters durch den Logos im Heiligen Geist in vielfältiger Weise durch Wort und Tat, durch ihre Liturgie und ihr Gebet und durch ihr ganzes Leben bleibend präsent (Dei Verbum, Nr. 8). Die dogmatischen Aussagen sind nur ein Element innerhalb dieser viel umfassenderen Tradition. So „haben“ wir die Christuswirklichkeit und -Wahrheit nur durch die Vermittlung des vom Heiligen Geist getragenen Zeugnisses der Kirche. Ohne die Kirche „haben“ wir keinen Christus, kein Evangelium und keine Bibel. Ein von der kirchlichen Vermittlung absehendes undogmatisches Christentum wäre ein hölzernes Eisen. Die Paradosis der Kirche greift die in der menschlichen Sprache, ihren Bildern und Begriffen angelegte Offenheit und Universalität auf und gibt ihr ihre endgültige Bestimmung, indem sie diese zugleich reinigt und verwandelt. So entspricht der Wirklichkeit der neuen Schöpfung eine neue Sprache, in der sich alle Völker verstehen sollen und in der sich die eschatologische Einheit der neuen Menschheit vorbereitet. Dies geschieht dadurch, daß die Paradosis in den Symbolen und Sprachen aller Völker Fleisch annimmt und so deren Reichtümer gereinigt und verwandelt einbringt in die Oikonomie des einen Heilsmysteriums (Eph 3,9). In diesem geschichtlichen Prozeß fügt die Kirche dem Evangelium nichts Neues (non nova) hinzu, aber sie verkündet die Neuheit Christi in einer stets neuen Weise (noviter). Sie holt immer wieder Neues hervor, das mit dem Alten in Einklang steht (Dignitatis humanae, Nr. 1). Die Kontinuität innerhalb dieses Prozesses der lebendigen Paradosis ist letztlich darin gegeben, daß die Kirche das Raum und Zeit übergreifende Subjekt des Glaubens ist. Deshalb muß die jeweils gegenwärtige Kirche ihre ganze bisherige Geschichte des Glaubens in ihrer vom Heiligen Geist getragenen memoria gegenwärtig halten und sie zugleich in prophetischer Weise lebendig und fruchtbar machen für die Gegenwart und die Zukunft. 2. Die Lehre der Kirche (Dogmen im weiteren Sinn). Innerhalb des Ganzen der kirchlichen Paradosis versteht man unter dem Dogma im weiteren Sinn das verbindliche lehrhafte Zeugnis der Kirche von der im Alten Testament verheißenen, durch Jesus Christus endgültig und 1472 ANHANG in ihrer Fülle geoffenbarten und im Heiligen Geist bleibend in der Kirche präsenten Heilswahrheit Gottes. Dieses lehrhafte Element gehört im Neuen Testament offensichtlich von Anfang an zur Verkündigung des Glaubens. Jesus selbst trat als Lehrer (Rabbi) auf und wurde als solcher angesprochen. Er lehrte selbst und sandte seine Jünger aus, um zu lehren (Mt 28,20). In den frühen Gemeinden gab es eigene Lehrer (Röm 12,7; 1 Kor 12,28; Eph 4,11). Vor allem mit der Paradosis bei der Taufe scheint schon früh ein bestimmter Lehrtypus verbunden gewesen zu sein (Röm 6,17). In den späteren apostolischen Schriften trat die Bedeutung der Lehre noch deutlicher hervor (1 Tim 1,10; 2 Tim 4,2f.; Tit 1,9 u. a.).Die lehrhafte Auslegung der Offenbarungswahrheit bezeugt Gottes Wort in und durch Menschenwort. Sie nimmt sowohl an der eschatologischen Endgültigkeit der in Jesus Christus erschienen Wahrheit Gottes teil wie an der Geschicklichkeit und Begrenztheit allen menschlichen Sprechens. Die Lehre der Kirche kann nur im Glauben richtig verstanden und interpretiert werden. Daraus folgt: - Dogmen sind als ein verbum rememorativum zu interpretieren. Sie sind als Anamnese und erinnernde Interpretation der magnalia Dei, von denen die Offenbarungszeugnisse berichten, zu verstehen. Deshalb müssen sie auf Schrift und Tradition bezogen und von ihnen her ausgelegt werden. Sie sind im Gesamtzusammenhang von Altem und Neuem Testament gemäß der Analogie des Glaubens zu interpretieren (vgl. Dei Verbum, Nr. 12). - Dogmen sind als ein verbum demonstrativum zu verstehen. Sie sprechen nicht nur von vergangenen Heilstaten, sondern wollen das Heil hier und heute wirksam ansagen und vergegenwärtigen; sie wollen Licht und Leben sein. Deshalb sind sie als Heilswahrheit zu interpretieren und den Menschen der jeweiligen Zeit lebendig, ansprechend und herausfordernd zu vermitteln. - Dogmen sind als ein verbum prognosticum zu interpretieren. Als Bezeugung der eschatologischen Heils wahrheit und -Wirklichkeit sind Dogmen eschatologisch-antizipatorische Aussagen. Sie sollen Hoffnung wecken und müssen deshalb im Blick auf das letzte Ziel und die Vollendung des Menschen und der Welt interpretiert (DS 3016) und als Doxologie verstanden werden. 3. Dogmen im engeren Sinn. Die lehrhafte Bezeugung der Offenbarungswahrheit kann in verschiedener Form, in verschiedener Ausdrücklichkeit und Verbindlichkeit geschehen (Lumen Gentium, Nr. 25). Dogma im engeren (erst im Laufe der Neuzeit voll ausgebildeten Sinn) ist eine Lehre, in der die Kirche eine OffenbarungsWahrheit in endgültiger und universal-kirchlich verbindlicher Form so verkündet, daß ihre Leugnung als Häresie verworfen und mit dem Anathem belegt wird. Beim Dogma im engeren Sinn kommen also ein lehrhaftes und ein rechtliches bzw. disziplinäres Element zusammen. Solche Lehrsätze heiligen Rechts haben durchaus eine biblische Grundlage, vor allem in der der Kirche von Jesus Christus übertragenen Binde- und Lösegewalt, welche auch im Himmel, d. h. vor Gott gilt (Mt 16,19; 18,18). Auch das Anathem hat bereits eine Grundlage im Neuen Testament (1 Kor 16,22; Gal l,8f.; vgl. 1 Kor 5,2-5; 2 Joh 10 u. a.). Diese lehrhafte wie rechtliche Zuspitzung auf einen einzelnen Satz entspricht der Konkretheit und Entschiedenheit des christlichen Glaubens; sie enthält jedoch auch die Gefahr eines Dog- 1473 ANHANG menpositivismus wie eines Dogmenminimalismus. Um beide Gefahren auszuschließen, ist eine doppelte Integration der Dogmen notwendig: - Integration der Dogmen insgesamt ins Ganze der kirchlichen Lehre und des kirchlichen Lebens. Denn die Kirche führt „in Lehre, Leben und Kult durch die Zeiten weiter und übermittelt allen Geschlechtern alles, was sie selbst ist, alles, was sie glaubt“ (Der Verbum, Nr. 8). Deshalb müssen die Dogmen im Gesamtkontext von Leben und Lehre der Kirche interpretiert werden. - Integration der einzelnen Dogmen ins Ganze aller Dogmen. Sie sind nur aus ihrem inneren Zusammenhang (nexus mysteriorum) (DS 3016) und in ihrer Gesamtstruktur verstehbar. Dabei ist besonders auf die Ordnung oder „Hierarchie der Wahrheiten“ in der katholischen Lehre zu achten; diese ergibt sich aus der verschiedenen Art ihres Zusammenhangs mit dem christologischen Fundament des christlichen Glaubens (Unitatis redintegratio, Nr. 11). Obwohl ohne Zweifel alle geoffenbarten Wahrheiten mit demselben göttlichen Glauben zu halten sind, unterscheidet sich ihre Bedeutung und ihr Gewicht nach ihrer Beziehung zum Mysterium Christi. 4. Der theologische Sinn der Dogmen. Alle Offenbarung ist letztlich Selbstoffenbarung und Selbstmitteilung Gottes des Vaters durch den Sohn im Heiligen Geist, damit wir Gemeinschaft haben mit ihm (Dei Verbum, Nr. 2). Gott ist darum der eine und alles umfassende Gegenstand des Glaubens und der Theologie (Thomas von Aquin). Deshalb gilt: „actus credentis non terminatur ad enuntiabile sed ad rem“ (Summa theol. II/II, 1,2 ad 2). Vom Glaubensartikel gilt nach mittelalterlicher Tradition entsprechend: „articulus fidei est per-ceptio divinae veritatis tendens in ipsam“ (zit. Summa theok II/II, 1,6, s. c.). Das bedeutet: Der Glaubensartikel ist eine wirkliche und wahre Erfassung der Wahrheit Gottes; er ist eine lehrhafte Vermittlungsgestalt, welche die bezeugte Wahrheit enthält. Aber eben weil er wahr ist, weist er über sich hinaus und in das Geheimnis der Wahrheit Gottes hinein. Die Interpretation der Dogmen ist deshalb wie jedes Verstehen ein Weg, der vom äußeren Wort zu dessen innerer Bedeutung, letztlich zu dem einen und ewigen Wort Gottes führt. Die Dogmeninterpretation geht darum nicht nur von einem Wort und einer bestimmten Formulierung zu einer anderen; sie schreitet vielmehr von den Worten, Bildern und Begriffen zu der in ihnen enthaltenen Wahrheit der „Sache“ selbst. Letztlich ist damit alle Glaubenserkenntnis Vorwegnahme der ewigen Schau Gottes von Angesicht zu Angesicht. Aus diesem theologalen Sinn der Dogmen folgt: - Dogmen sind wie jede menschliche Aussage über Gott analog zu verstehen, d. h. es besteht bei aller Ähnlichkeit eine größere Unähnlichkeit (DS 806). Analogie grenzt ab sowohl gegen ein objektivistisches und verdinglichtes, letztlich geheimnisloses Glaubens- und Dogmenverständnis wie gegen eine übersteigerte: negative Theologie, welche die Dogmen als bloße Chiffren einer letztlich unfaßbar bleibenden Transzendenz versteht und damit die geschichtliche Konkretheit des christlichen Heilsmysteriums verkennt. - Der analoge Charakter der Dogmen ist zu unterscheiden von einer falsch verstandenen symbolischen Auffassung des Dogmas im Sinn einer nachträglichen Objektivation, sei es einer ursprünglicheren existentiellen religiösen Erfahrung oder einer bestimmten gesellschaftlichen oder kirchlichen Praxis. Dogmen sind vielmehr als eine verbindliche lehrhafte 1474 ANHANG Gestalt der an uns ergehenden Heilswahrheit Gottes zu verstehen. Sie sind die lehrhafte Gestalt, deren Gehalt das Wort und die Wahrheit Gottes selbst ist. Sie sind deshalb in erster Linie theologisch auszulegen. - Die theologische Auslegung der Dogmen ist nach der Lehre der Väter nicht nur ein rein intellektueller Vorgang, sondern ein zutiefst geistliches, d. h. vom Geist der Wahrheit getragenes Geschehen, das nicht ohne Reinigung der Augen des Herzens möglich ist. Sie setzt das von Gott geschenkte Licht des Glaubens und eine vom Heiligen Geist gewirkte Teilhabe und geistliche Erfahrung der geglaubten Wirklichkeit voraus. Vor allem in diesem tieferen Sinn ist Dogmeninterpretation ein Theorie-Praxis-Problem; sie ist unlösbar verbunden mit dem Leben in und aus der Gemeinschaft mit Jesus Christus in der Kirche. C. Criteria interpretationis I. Dogma und Heilige Schrift 1. Die grundsätzliche Bedeutung der Heiligen Schrift. Die Schriften des Alten und Neuen Testaments sind unter dem Einwirken des Heiligen Geistes geschrieben worden, damit sie nützlich wären zur Belehrung, Widerlegung, Besserung und Erziehung in der Gerechtigkeit (2 Tim 3,16). Diese Schriften wurden im Kanon zusammengefaßt. Die Kirche hat mit ihrem Lehramt in diesem Kanon das apostolische Glaubenszeugnis, den authentischen und zuverlässigen Ausdruck des Glaubens der Kirche des Anfangs, erkannt und sich immer zu ihm bekannt (DS 1502-4; 3006; 3029). „Die Kirche hat die Heiligen Schriften immer verehrt wie den Herrenleib selbst, weil sie, vor allem in der Liturgie, vom Tisch des Wortes Gottes wie des Leibes Christi ohne Unterlaß das Brot des Lebens nimmt und den Gläubigen reicht.“ So muß sich jede kirchliche Verkündigung „von der Heiligen Schrift nähren und sich an ihr orientieren“ (Dei Verbum, Nr. 21). Das Studium der Heiligen Schrift muß gleichsam die Seele der Theologie und aller Verkündigung sein (Dei Verbum, Nr. 24; Opta-tam totius, Nr. 16). Das Zeugnis der Heiligen Schrift muß deshalb auch Ausgangspunkt und Grundlage für die Auslegung der Dogmen sein. 2. Krise und positive Ergebnisse aufgrund der modernen Exegese. Der Konflikt zwischen Exegese und Dogmatik ist ein neuzeitliches Phänomen. Im Gefolge der Aufklärung wurde das Instrumentar der historischen Kritik auch in der Absicht entwickelt, es zur Emanzipation von kirchlich-dogmatischer Autorität einzusetzen. Diese Kritik wurde immer umfassender. Bald standen nicht mehr nur Schrift und Dogma im Konflikt, der Text der Schrift selber wurde kritisch „hinterfragt“ und Kritik an den „dogmatischen Übermalungen“ in der Schrift selber geübt. Die Weiterführung der historischen Kritik durch die sozialpolitische und die psychologische Kritik untersuchte den Text auf soziopolitische Antagonismen oder verdrängte psychische Gegebenheiten. Gemeinsam ist diesen verschiedenen Strängen der Kritik, daß das Dogma der Kirche und auch die Schrift selber unter dem Verdacht stehen, eine ursprüngliche Wirklichkeit zu verbergen, die erst durch kritische Rückfrage freigelegt werden kann. 1475 ANHANG Man darf freilich auch das positive Anliegen und Resultat der aufklärerischen Traditionskritik; nicht übersehen. Die historische Bibelkritik; konnte nämlich deutlich machen, daß die Schrift selber kirchlich ist; sie ist in der urkirchlichen Paradosis beheimatet und die Festlegung ihrer kanonischen Grenzen ein kirchlicher Entscheidungsprozeß. So führte die Exegese zum Dogma und zur Tradition zurück. Die historische Kritik kam vor allem nicht umhin, festzustellen, daß Jesus selber ganz und gar nicht „undogmatisch“ ist. Selbst bei der strengsten historischen Kritik bleibt ein sinnvollerweise nicht bestreitbarer historischer Kern des irdischen Jesus bestehen. Zu diesem Kern gehört der in Jesu Wirken und Wort zum Ausdruck kommende Anspruch bezüglich seiner Sendung, seiner Person, seiner Beziehung zu Gott, seinem „Abba“. Dieser Anspruch impliziert die spätere, bereits im Neuen Testament einsetzende dogmatische Entwicklung und ist der Kern aller dogmatischen Aussagen. Die Urform christlichen Dogmas ist daher das im Neuen Testament zentrale Bekenntnis, daß Jesus der Christus der Sohn Gottes ist (Mt 16,16). 3. Die Lehre des II. Vatikanischen Konzils über die Interpretation der Schrift. Das II. Vatikanische Konzil hat die positiven Anliegen der modernen historischen Kritik aufgegriffen. Es hat herausgestellt, es gehe bei der Auslegung der Heiligen Schrift darum, sorgfältig zu erforschen, „was die heiligen Schriftsteller wirklich zu sagen beabsichtigten und was Gott mit ihren Worten kundtun wollte“. Um dies zu erkennen, muß man die historische Situation wie die Denk-, Sprach- und Erzählformen der damaligen Zeit kennen. Die historisch-kritische Auslegung muß freilich dienend in eine theologische und kirchliche Auslegung eingebracht werden. „Da die Heilige Schrift in dem Geist gelesen und ausgelegt werden muß, in dem sie geschrieben wurde“, ist es freilich ebenso notwendig, daß man „mit nicht geringerer Sorgfalt auf den Inhalt und die Einheit der ganzen Schrift achtet“ (Der Verbum, Nr. 12). Die theologische Schriftauslegung muß von Jesus Christus als der Mitte der Schrift ausgehen. Er ist der einzige Ausleger (exegesato) des Vaters (Job 1,18). An dieser Auslegung gibt er von Anfang an seinen Jüngern Anteil, indem er sie in seine Lebensform einbezieht, ihnen seine Worte anvertraut und sie mit seiner Vollmacht und seinem Geist ausstattet, der sie in alle Wahrheit einführen wird (Joh 16,13). In der Kraft dieses Geistes haben sie und ihre Schüler das Zeugnis Jesu niedergeschrieben und weitergegeben. Die Auslegung des Zeugnisses Jesu ist daher untrennbar gebunden an die Wirksamkeit seines Geistes in der Kontinuität seiner Zeugen (apostolische Sukzession) und im Glaubenssinn des Volkes Gottes. Im Dogma der Kirche geht es also um die rechte Schriftauslegung. Bei einer solchen dogmatisch verbindlichen Auslegung der Schrift steht das Lehramt nicht über dem Wort Gottes, es dient ihm vielmehr (Dei Verbum, Nr. 10). Das Lehramt urteilt nämlich nicht über das Wort Gottes, sondern über die Richtigkeit seiner Interpretation. Eine spätere Zeit kann nicht hinter das zurückgehen, was im Dogma unter dem Beistand des Heiligen Geistes als Lektüreschlüssel der Schrift formuliert wurde. Das schließt nicht aus, daß in der Folgezeit neue Gesichtspunkte auftreten und damit neue Formulierungen gesucht werden. Nicht zuletzt wird das Urteil der Kirche in Glaubenssachen immer wieder neu geschärft durch die Vorarbeit des Exegeten und ihr sorgfältiges Erforschen der Aussageabsicht der Heiligen Schrift (Dei Verbum, Nr. 12). 1476 ANHANG 4. Die christologische Mitte der Schrift als Kriterium. Bei aller Neuheit der Neuzeit, bei aller Radikalität des geistigen, gesellschaftlichen und kulturellen Umbruchs im Gefolge der Aufklärung gilt es doch daran festzuhalten, daß Christus die endgültige Offenbarung Gottes ist, daß keine neue Epoche im Sinne einer die Zeit Christi überbietenden heilsgeschichtlichen Epoche und kein anderes Evangelium zu erwarten sind. Die Zeit bis zur Wiederkunft Christi bleibt konstitutiv an das geschichtliche Ein-für-allemal (ephapax) Jesu Christi und an die von ihm zeugende Tradition der Schrift und der kirchlichen Überlieferung gebunden. Seine gegenwärtige, wenn auch verborgene Herrschaft ist das Maß und das Gericht, an dem sich auch gegenwärtig Wahrheit und Lüge scheiden. Im Blick auf ihn vollzieht sich auch die Scheidung zwischen dem, was an den neuen Methoden der Schriftauslegung „Christum treibet“ und dem, was an ihm vorbeigeht, ja ihn verfälscht. Vieles von dem, was die historisch-kritische Methode oder neuere Methoden (Religionsgeschichte, Strukturalismus, Semiotik, Sozialgeschichte, Tiefenpsychologie) an neuen Sichtweisen eröffnen, kann dazu beitragen, daß die Gestalt Christi unserer Zeit deutlicher entgegentritt. Doch bleiben alle diese Methoden nur so lange fruchtbar, als sie im Glaubensgehorsam angewandt werden und sich nicht verselbständigen. Die communio Ecclesiae bleibt der Ort, an dem die Schriftauslegung vor dem Abdriften in jeweilige Zeitströmungen bewahrt bleibt. IL Das Dogma in der Traditio und Communio der Kirche 1. Die Zusammengehörigkeit von Schrift, Traditio und Communio der Kirche. Das eine Evangelium, das in Erfüllung der Verheißungen des Alten Testaments durch Jesus Christus in seiner Fülle ein für allemal geoffenbart wurde, ist bleibend die Quelle aller Heilswahrheit und Sittenlehre (DS 1501). Es wurde von den Aposteln und ihren Schülern unter dem Beistand des Heiligen Geistes durch mündliche Predigt, durch Beispiel und Einrichtungen weitergegeben wie unter Inspiration des gleichen Heiligen Geistes niedergeschrieben (Del Verbum, Nr. 7). So bilden Schrift und Tradition zusammen die eine apostolische Hinterlassenschaft (Depositum fidei), welche die Kirche treu zu bewahren hat (1 Tim 6,20; 2 Tim 1,14). Das Evangelium ist der Kirche jedoch nicht nur in auf Papier geschriebenen toten Buchstaben übergeben, es ist durch den Heiligen Geist in die Herzen der Gläubigen geschrieben (2 Kor 3,3). So ist es durch den Heiligen Geist bleibend in der Communio der Kirche, in ihrer Lehre, in ihrem Leben und vor allem in ihrer Liturgie präsent (Dei Verbum, Nr. 8). Die Heilige Schrift, die Überlieferung und die Gemeinschaft der Kirche sind deshalb nicht voneinander isolierte Größen; sie bilden eine innere Einheit (Dei Verbum, Nr. 9f.) (vgl. B 1,1; CI, 2). Der tiefste Grand dieser Einheit besteht darin, daß der Vater sein Wort und seinen Geist zusammen sendet und überliefert. Der Geist wirkt die Heilstaten, erweckt und inspiriert die Propheten, welche sie Vorhersagen und deuten, und er schafft ein Volk, das sie im Glauben bekennt und bezeugt; in der Fülle der Zeit wirkt er die Menschwerdung des ewigen Wortes Gottes (Mt 1,20; Lk 1,35), wie er durch die Taufe den Leib Christi, die Kirche, auferbaut (1 Kor 12,13) und sie immer wieder neu an Wort, Werk und Person Jesu Christi erinnert und sie in alle Wahrheit einführt (1 Joh 14,26; 15,26; 16,13f.). 1477 ANHANG Durch das Wirken des Geistes wird das äußere Wort „Geist und Leben“ in den Gläubigen. Sie sind durch die Salbung von Gott selbst belehrt (1 Joh 2,20.27; Joh 6,45)'. Der Geist weckt und nährt den Sensus fidelium, d. h. jenes innere Gespür, durch welches das Volk Gottes unter der Leitung des Lehramtes in der Verkündigung nicht das Wort von Menschen, sondern Gottes Wort erkennt, bejaht und unverbrüchlich festhält (Lumen Gentium, Nr. 12; vgl. Nr. 35). 2. Die eine Traditio und die vielen traditiones. Die Tradition (Paradosis) ist letztlich die Selbstüberlieferung Gottes des Vaters durch Jesus Christus im Heiligen Geist zu je neuer Gegenwart in der Gemeinschaft der Kirche. Diese lebendige Überlieferung nimmt in der Kirche von Anfang an vielfältige Gestalten von einzelnen Überlieferungen (traditiones) an. Ihr unerschöpflicher Reichtum drückt sich in einer Vielzahl von Lehren, Liedern, Symbolen, Riten, Disziplinen und Einrichtungen aus. Die Tradition erweist ihre Fruchtbarkeit auch dadurch, daß sie sich in den einzelnen Ortskirchen je nach der kulturellen Situation „inkulturiert“. Diese vielfältigen Traditionen sind insofern orthodox, als sie die eine apostolische Tradition bezeugen und weitergeben. Zur Einführung des Heiligen Geistes in alle Wahrheit gehört dämm auch die Unterscheidung der Geister (1 Kor 12,10; 1 Thess 5,21; 1 Joh 4,1). Es gilt, die vom Herrn empfangene Tradition (f Kor 11,23) von den Überlieferungen der Menschen (Mk 7,8; Kol 2,8) zu unterscheiden. Wenngleich die apostolische Tradition in der Kirche keine wesenhafte Korruption erfahren kann, dank des beständigen Beistands des Heiligen Geistes, der die Kirche indefektibel erhält, so können sich in der Kirche, die als die heilige Kirche zugleich die Kirche der Sünder ist, doch menschliche Traditionen einschleichen, welche die eine apostolische Tradition verkürzen oder einzelne Aspekte unproportioniert überbetonen, so daß sie das Zentrum verdecken. So bedarf die Kirche auch bezüglich der in ihr sich findenden Traditionen stets der Reinigung, der Buße und der Erneuerung (Lumen Gentium, Nr. 8). Die Kriterien einer solchen Unterscheidung der Geister ergeben sich aus dem Wesen der Tradition selbst: Da es der eine Geist ist, der in der gesamten Geschichte des Heils, in Schrift und Tradition und im ganzen Leben der Kirche durch die Jahrhunderte wirkt, ist ein grundlegendes Kriterium die innere Kohärenz der Tradition. Sie ergibt sich von der Mitte der Offenbarung in Jesus Christus her. Jesus Christus selbst ist dämm der Einheitspunkt in der Überliefemng und ihren vielfältigen Gestalten; er ist das Kriterium der Unterscheidung: und der Interpretation. Von dieser Mitte her müssen Schrift und Tradition wie die einzelnen Traditionen in ihrer wechselseitigen Entsprechung gesehen und interpretiert werden. - Da der Glaube ein für allemal überliefert wurde (Jud 3), ist die Kirche bleibend an die apostolische Hinterlassenschaft gebunden. Die Apostolizität ist dämm ein wesentliches Kriterium. Die Kirche muß sich immer wieder durch lebendige Erinnerung an ihren Ursprung erneuern und im Licht des Ursprungs auch die Dogmen interpretieren. - Der eine apostolische Glaube, welcher der Kirche insgesamt übergeben ist, nimmt Gestalt an in vielfältigen Überlieferungen der Ortskirchen. Ein wesentliches Kriterium ist die Katho-lizität, d. h. die Übereinstimmung innerhalb der Communio der Kirche. Eine lange Zeit dauernde unangefochtene Übereinstimmung in einer Glaubenslehre ist ein Erkennungszeichen für die Apostolizität dieser Lehre. 1478 ANHANG - Der Zusammenhang der Tradition mit der Communio der Kirche wird vor allem in der Feier der Liturgie manifestiert und aktualisiert. Deshalb ist die lex orandi zugleich die lex cre-dendi (DS 246). Die Liturgie ist der lebendige und umfassende locus theologicus des Glaubens nicht nur in dem äußerlichen Sinn, daß liturgische und lehrhafte Aussagen sich wechselseitig entsprechen müssen; die Liturgie aktualisiert auch das „Geheimnis des Glaubens“. Die Gemeinschaft am eucharistischen Leib des Herrn dient der Auferbauung und dem Wachstum des ekklesialen Leibes des Herrn, der Gemeinschaft der Khche (1 Kor 10,17). 3. Dogmeninterpretation innerhalb der Communio der Kirche. Die Kirche ist gleichsam das Sakrament, d. h. Ort, Zeichen und Werkzeug der Paradosis. Sie verkündet das Evangelium von den Heilstaten Gottes (martyriä), sie überliefert das Glaubensbekenntnis an die Täuflinge (.Röm 6,17), sie bekennt ihren Glauben beim Brotbrechen und im Gebet (Apg 2,42) (liturgia), und sie dient Jesus Christus in den Armen, Verfolgten, Gefangenen, Kranken und Sterbenden (vgl. Mt 25) (diakonia). Die Dogmen bringen dieselbe Glaubensüberlieferung in lehrhafter Weise zum Ausdruck. Sie dürfen deshalb nicht vom Kontext des kirchlichen Lebens gelöst und als rein begriffliche Formeln interpretiert werden. Der Sinn der Dogmen und ihrer Interpretation ist vielmehr ein soteriologischer: Sie sollen die Gemeinschaft der Kirche vor Irrtum schützen, die Wunden des Irrtums heilen und dem Wachstum in lebendigem Glauben dienen. Der Dienst an der Paradosis und ihrer Interpretation ist der Kirche insgesamt übergeben. Innerhalb der Kirche kommt es den Bischöfen, da sie in der Nachfolge der Apostel stehen (Lumen Gentium, Nr. 19), zu, die Glaubensüberlieferung authentisch auszulegen {Dei Verbum, Nr. 10). Sie können in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom, dem der Dienst der Einheit in besonderer Weise obliegt, in kollegialer Weise Dogmen definieren und sie authentisch interpretieren. Dies kann sowohl durch die Gesamtheit der Bischöfe zusammen mit dem Papst wie durch den Papst, dem Haupt des Bischofskollegiums allein geschehen (Lumen Gentium, Nr. 25). Innerhalb der Khche kommt auch Zeugen und Lehrern, die in Gemeinschaft mit den Bischöfen stehen, die Aufgabe der Dogmeninterpretation zu. Von besonderer Bedeutung ist das übereinstimmende Zeugnis der Kirchenväter (unanimis consensus patrum) (DS 1507; 3007), das Zeugnis der Märtyrer um des Glaubens willen und der anderen von der Khche anerkannten (kanonisierten) Heiligen, besonders der heiligen Kirchenlehrer. 4. Im Dienst des Consensus fidelium. Ein wesentliches Kriterium für die Unterscheidung der Geister ist die Auferbauung der Einheit des Leibes Christi (1 Kor 12,4-11). Deshalb zeigt sich das Whken des Heiligen Geistes in der Khche auch in der wechselseitigen Rezeption. Die Heilige Schrift wie die Tradition erschließen ihren Sinn vor allem, wenn sie in der Liturgie realisiert und aktualisiert werden. Sie sind voll rezipiert durch die Gemeinschaft der Khche, wenn sie innerhalb des „Geheimnisses des Glaubens“ gefeiert werden. Die Interpretation der Dogmen ist eine Form des Dienstes am Consensus fidelium, in dem das Volk Gottes „von den Bischöfen bis zu den letzten gläubigen Laien“ (Augustinus) seine allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert (Lumen Gentium, Nr. 12). Die Dogmen und die Dogmeninterpretation sollen diesen Consensus fidelium im Bekenntnis dessen, was wir von Anfang an gehört haben (1 Joh 2,7.24), stärken. 1479 ANHANG III. Dogma und heutige Interpretation 1. Die Notwendigkeit einer heutigen Interpretation. Die lebendige Tradition des durch die Geschichte pilgernden Gottesvolkes hört nicht an einem bestimmten Punkt der Geschichte auf; sie reicht in die Gegenwart herein und geht durch sie hindurch in die Zukunft hinein weiter. Die Definition eines Dogmas ist deshalb nie nur das Ende einer Entwicklung, sondern immer auch ein neuer Anfang. Durch die Dogmatisierung geht eine Wahrheit des Glaubens endgültig ein in die weitergehende Paradosis. Der Definition folgt die Rezeption, d. h. die lebendige Aneignung eines Dogmas im gesamten Leben der Kirche und das tiefere Eindringen in die von ihm bezeugte Wahrheit. Das Dogma soll ja kein totes Erinnerungsstück aus vergangenen Zeiten sein, es soll fruchtbar werden im Leben der Kirche. Darum darf ein Dogma nicht nur in seiner negativ abgrenzenden Bedeutung gesehen werden; es muß in seinem positiv die Wahrheit aufschließenden Sinn gedeutet werden. Eine solche heutige Interpretation der Dogmen muß zwei auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinende Prinzipien beachten: die bleibende Gültigkeit der Wahrheit und die Aktualität der Wahrheit. So darf man weder die Tradition aufgeben und verraten, noch unter dem Schein der Treue nur noch eine erstarrte Tradition überliefern. Es geht darum, daß aus der Erinnerung der Tradition Hoffnung wird für die Gegenwart und Zukunft. Im Heute letztbedeutsam kann eine Aussage nur sein, weil und insofern sie wahr ist. Die bleibende Gültigkeit der Wahrheit und die heutige Aktualität bedingen sich also gegenseitig. Allein die Wahrheit ist es, die frei macht (loh 8,32). 2. Die leitenden Prinzipien der heutigen Interpretation. Da die heutige Interpretation des Dogmas einen Teil der weitergehenden Traditions- und Dogmengeschichte darstellt, wird sie von denselben Prinzipien wie diese geleitet und bestimmt. Das bedeutet vor allem, daß eine solche vergegenwärtigende Interpretation nicht ein rein intellektueller, aber auch nicht nur ein existentieller oder soziologischer Vorgang ist; sie besteht auch nicht nur in der exakteren Definition einzelner Begriffe, in logischen Folgerungen oder in bloßen Umformulierungen und Neuformulierungen. Sie ist angeregt, getragen und geleitet vom Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche und in den Herzen einzelner Christen. Sie geschieht im Licht des Glaubens; sie wird vorangetrieben von den Charismen und vom Zeugnis der Heiligen, welche der Geist Gottes der Kirche einer bestimmten Zeit schenkt. In diesen Zusammenhang gehört auch das prophetische Zeugnis von geistlichen Bewegungen und die aus geistlicher Erfahrung stammende innere Einsicht von Laien, die vom Geist Gottes erfüllt sind (vgl. Dei Verbum, Nr. 8). Wie die gesamte Paradosis der Kirche, so geschieht auch die vergegenwärtigende Dogmeninterpretation im ganzen und durch das ganze Leben der Kirche. Sie geschieht in der Verkündigung und Katechese, in der Feier der Liturgie, im Gebetsleben, in der Diakonie, im alltäglichen Zeugnis der Christen und auch in der rechtlich-disziplinären Ordnung der Kirche. Das prophetische Zeugnis einzelner Christen oder Gruppen muß sich daran messen lassen, ob und inwieweit es in Gemeinschaft steht mit dem Leben der gesamten Kirche bzw. von dieser in einem u. U. länger dauernden, manchmal schmerzhaften Prozeß rezipiert oder akzeptiert werden kann. 1480 ANHANG Der Glaube und die Einsicht in den Glauben sind auch voll und ganz menschliche Akte, welche alle Kräfte des Menschen, seinen Verstand wie seinen Willen und sein Gemüt in Dienst nehmen (vgl. Mk 12,30 par). Der Glaube muß vor allen Menschen Antwort (apo-logia) geben auf die Frage nach der Vernunft der Hoffnung (logos) (1 Petr 3,15). Deshalb sind für heutige Interpretation der Dogmen auch die Arbeit der Theologie, das historische Studium der Quellen wie der Dialog mit den Human- und Kulturwissenschaften, der Hermeneutik und Linguistik sowie der Philosophie von großer Bedeutung. Sie können das Zeugnis der Kirche anregen und vorbereiten wie sie es vor dem Forum der Vernunft dolmetschen können. Dabei stehen sie freilich auf der Grundlage wie unter der Norm der Verkündigung, der Lehre und des Lebens der Kirche. 3. Bleibende Gültigkeit der dogmatischen Formeln. Die Frage der heutigen Interpretation spitzt sich zu im Problem der bleibenden Gültigkeit der dogmatischen Formeln (vgl. CTI1972, in: Documenta, 36). Ohne Zweifel muß man den bleibend gültigen Inhalt der Dogmen von deren Aussageform unterscheiden. Das Christusmysterium überschreitet die Aussagemöglichkeiten jeder geschichtlichen Epoche und entzieht sich damit jeder abschließenden Systematisierung (vgl. Eph 3,8-10) (vgl. ebd., S. 32). In Begegnung mit den unterschiedlichen Kulturen und den sich wandelnden Zeichen der Zeit macht der Heilige Geist das eine Christusgeheimnis immer wieder neu in seiner Neuheit präsent. Dennoch kann man Inhalt und Aussageform nicht reinlich scheiden. Das Symbolsystem der Sprache ist nicht nur eine äußerliche Einkleidung, sondern gewissermaßen die Inkarnation einer Wahrheit. Das gilt auf dem Hintergrund der Inkarnation des ewigen Wortes, insbesondere von der Glaubensverkündigung der Kirche. Sie nimmt wesensmäßig konkrete, formulierbare Form an, die als realsymbolischer Ausdruck des Glaubensinhalts enthält und vergegenwärtigt, was sie bezeichnet. Ihre Bilder und Begriffe sind deshalb nicht beliebig austauschbar. Das Studium der Dogmengeschichte macht deutlich, daß die Kirche in den Dogmen nicht einfach eine bereits vorgegebene Begrifflichkeit aufgegriffen hat; sie hat vielmehr vorgegebene Begriffe, die meist der gehobenen Umgangssprache entstammten, einem Prozeß der Reinigung sowie der Um- und Neubildung unterzogen und hat so die ihrer Botschaft adäquate Sprache geschaffen. Man denke etwa an die Unterscheidung zwischen Wesen (bzw. Natur) und Hypostase und an die Ausbildung des Personbegriffs, der so in der griechischen Philosophie nicht vorgegeben war, sondern das Ergebnis der Reflexion der Wirklichkeit des christlichen Heilsmysteriums und der biblischen Sprache war. Die dogmatische Sprache der Kirche ist deshalb teilweise zwar in der Auseinandersetzung mit bestimmten philosophischen Systemen entstanden, aber keineswegs an ein bestimmtes philosophisches System gebunden; sie hat in einem Prozeß der Wortwerdung des Glaubens sich ihre eigene Sprache geschaffen und darin Realitäten ins Wort gebracht, die vorher nicht gesichtet waren und die nun eben durch dieses Wort zur Paradosis der Kirche und durch sie zum geschichtlichen Erbe der Menschheit gehören. Als Gemeinschaft des Glaubens ist die Kirche eine Gemeinschaft im Wort des Bekenntnisses. Deshalb gehört zur Einheit der Kirche in diachronischer wie in synchronischer Hinsicht auch die Einheit in Grandworten des Glaubens, die nicht überholbar sind, will man nicht auch 1481 ANHANG die in ihnen ausgelegte „Sache“ aus dem Blick verlieren, die man aber in einer Vielfalt von Verkündigungsweisen immer wieder neu einzuholen und weiterführend auszulegen versuchen muß. Besonders das Heimischwerden des Christentums in anderen Kulturen kann dafür Anlaß und Verpflichtung sein. Dennoch bleibt die Offenbarungswahrheit allzeit dieselbe, „nicht bloß ihrer sachlichen Substanz nach, sondern auch in ihren entscheidenden sprachlichen Formulierungen“ (ebd., S. 37). 4. Kriterien für die heutige Interpretation. Für diesen Prozeß der in der Gegenwart fortdauernden Paradosis gelten alle die Kriterien, die schon in den vorausgehenden Kapiteln entfaltet worden sind. Grundlegend ist vor allem, daß die „christologische Achse“ gewahrt wird, so daß Jesus Christus Ausgangspunkt, Mitte und Maß jeder Interpretation bleibt. Um dies zu gewährleisten, ist vor allem das Kriterium des Ursprungs bzw. der Apostolizität wie das Kriterium der Gemeinschaft (koinonia) bzw. der Katholizität von Bedeutung (vgl. o. CII, 2). Für die heutige Interpretation spielt über die beiden bereits behandelten Kriterien hinaus auch das „anthropologische Kriterium“ eine wichtige Rolle. Damit ist selbstverständlich nicht gemeint, daß der Mensch, bestimmte Bedürfnisse, Interessen oder gar Modeerscheinungen das Maß des Glaubens und der Dogmeninterpretation sein können. Das ist schon deshalb ausgeschlossen, weil der Mensch sich selbst letztlich eine ungelöste Frage ist, auf die allein Gott die volle Antwort ist (Gaudium etspes, Nr. 21). Erst in Jesus Christus wird das Geheimnis hell; in ihm, dem neuen Menschen, hat Gott dem Menschen den Menschen voll kundgemacht und ihm seine höchste Berufung erschlossen (Gaudium et spes, Nr. 22). So ist der Mensch nicht das Maß, wohl aber der Bezugspunkt der Auslegung des Glaubens, auch der Dogmen. Er ist der Weg der Kirche auch bei der Auslegung ihrer Dogmen (vgl. Johannes Paul II., Redemptor hominis, Nr. 14). Schon das I. Vatikanum lehrte, daß eine tiefere Einsicht in die Glaubensgeheimnisse dadurch möglich sei, daß man sie in Analogie mit der natürlichen Erkenntnis betrachtet und sie in Beziehung setzt zum letzten Ziel des Menschen (DS 3016). Das II. Vatikanum spricht von den „Zeichen der Zeit“, welche einerseits aus dem Glauben gedeutet werden müssen, welche anderseits aber auch zu einer vertieften Einsicht in den überlieferten Glauben anregen können (Gaudium etspes,.Nr. 3f.; IO f.; 22; 40; 42f; 44, 62 u. a). So will die Kirche im Lichte Christi das Geheimnis des Menschen erhellen und mitwirken, eine Lösung für die dringlichsten Fragen der Zeit zu finden (Gaudium et spes, Nr. 10). 5. Sieben Kriterien nach J. H. Newman. Eine das bisher Gesagte weiterführende und ergänzende Kriteriologie der Dogmenentwicklung, welche in entsprechender Weise auch auf die weiterführende vergegenwärtigende Interpretation der Dogmen angewandt werden kann, wurde von J. H. Newman entwickelt. Newman nennt sieben Prinzipien bzw. Kriterien: - Erhaltung des Typus, d. h. der Grundgestalt, der Proportionen und Beziehungen der Teile und Aspekte des Ganzen. Wenn die Gesamtstruktur bleibt, kann der Typus erhalten bleiben, auch wenn einzelne Begriffe sich ändern; die Gesamtstruktur kann aber auch korrumpiert werden, wenn die Begriffe dieselben bleiben, aber in einen völlig anderen Kontext oder in ein anderes Koordinatensystem eingefügt werden. 1482 ANHANG — Kontinuität der Prinzipien: Die verschiedenen Lehren repräsentieren jeweils tiefer liegende Prinzipien, auch wenn diese oft erst nachträglich erkannt werden. Ein und dieselbe Lehre kann unterschiedlich interpretiert werden und zu gegensätzlichen Folgerungen führen, wenn man sie von dem sie tragenden Prinzip löst. Die Kontinuität der Prinzipien ist also ein Kriterium für die Unterscheidung zwischen richtiger und falscher Entwicklung. - Assimilationsvermögen: Eine Idee, welche lebendig ist, erweist ihre Kraft dadurch, daß sie fähig ist, die Wirklichkeit zu durchdringen, andere Ideen einzuschmelzen, das Denken anzu-spomen und sich zu entfalten, ohne ihre innere Einheit zu verlieren. Diese integrierende Kraft ist ein Kriterium einer legitimen Entwicklung. - Logische Folgerichtigkeit: Die Dogmenentwicklung ist ein viel zu umfassender Lernprozeß, als daß sie nur als logische Explikation und Deduktion aus vorgegebenen Prämissen verstanden werden könnte. Sie muß sich jedoch im nachhinein als logisch stimmig auswei-sen. Umgekehrt kann man eine Entwicklung nach ihren Konsequenzen beurteilen und sie an ihren Früchten als legitim oder illegitim erkennen. - Vorwegnahme der Zukunft: Tendenzen, die sich erst später voll durchsetzen und auswirken, können sich vereinzelt und undeutlich schon recht früh bemerkbar machen. Solche Antizipationen sind Zeichen dafür, daß die spätere Entwicklung mit der ursprünglichen Idee übereinstimmt. — Bewahrende Auswirkung auf die Vergangenheit: Eine Entwicklung ist dann eine Korruption, wenn sie der ursprünglichen Lehre oder früheren Entwicklung widerspricht. Eine wahre Entwicklung erhält und bewahrt die vorausgehenden Entwicklungen und Formulierungen. — Fortdauernde Lebenskraft: Korruption führt zur Auflösung und kann nicht lange Bestand haben; fortdauernde Lebenskraft dagegen ist ein Kriterium für eine getreue Entwicklung. 6. Die Bedeutung des Lehramtes für die heutige Interpretation. Die bisher aufgestellten Kriterien wären unvollständig, würden wir abschließend nicht an die Funktion des kirchlichen Lehramts erinnern, dem die authentische Interpretation des geschriebenen und überlieferten Wortes Gottes anvertraut ist und das seine Vollmacht im Namen Jesu Christi unter dem Beistand des Heiligen Geistes ausübt (Del Verbum, Nr. 10). Seine Aufgabe besteht nicht nur darin, gleichsam als oberster Notar den Interpretationsprozeß in der Kirche abschließend zu bestätigen; es soll ihn auch, anregen, begleiten, lenken und ihm, sofern er zu einem positiven Abschluß kommt, durch die amtliche Bestätigung objektive und allgemein verbindliche Autorität verleihen und so den einzelnen Christen im unübersichtlichen Stimmengewirr und im nie endenden theologischen Disput Orientierung und Gewißheit geben. Dies kann in sehr vielfältiger Weise und in unterschiedlichen Graden der Verbindlichkeit geschehen, angefangen von der alltäglichen Verkündigung, der Ermahnung oder Ermutigung bis hin zu authentischen oder gar unfehlbaren Lehräußerun-gen.„Wo die christliche Lehre in einer gravierend zweideutigen oder überhaupt mit dem kirchlichen Glauben unvereinbaren Weise dargestellt wird, hat die Kirche das Recht, den Irrtum als solchen zu kennzeichnen und die Pflicht, ihn auszuscheiden bis hin zur förmlichen Verwerfung der Häresie als letztem Mittel, um den Glauben des Gottesvolkes zu schützen.“ „Ein Christentum, das schlechthin nicht mehr sagen könnte, was es ist und was es nicht ist, wo seine Grenzen verlaufen, hätte nichts mehr zu sagen.“ Die apostolische Funktion des Anathems ist auch heute Recht des kirchlichen Amtes und kann seine Pflicht werden (CTI1972, Kommentar, in: Die Einheit des Glaubens und der theologische Plurahsmus, Einsiedeln 1973,48; 50f.). 1483 ANHANG Alle Dogmeninterpretation soll dem einen Ziel dienen, daß aus dem Buchstaben des Dogmas „Geist und Leben“ in der Kirche und in den einzelnen Gläubigen wird. So soll aus der Erinnerung an die Tradition der Kirche im jeweiligen Heute Hoffnung aufkeimen und in der Vielfalt menschlicher, kultureller, rassischer, ökonomischer und politischer Situationen die Einheit und Katholizität des Glaubens als Zeichen und Werkzeug der Einheit und des Friedens in der Welt gestärkt und gefördert werden. Es geht darum, daß die Menschen in der Erkenntnis des einzigen wahren Gottes und seines Sohnes Jesus Christus das ewige Leben haben (Joh 17,3). Zusammenarbeit mit allen im Volke Gottes Botschaft der Achten Weltbischofssynode an das Volk Gottes vom 28. Oktober I. Einleitung Schwestern und Brüder in Christus! Seit 25 Jahren begleitet die Bischofssynode den Weg der Kirche und berät über die Freuden und Hoffnungen, die Trauer und die Angst aller Menschen, besonders des Volkes Gottes. Ermutigt durch die ständige Anwesenheit des Heiligen Vaters Johannes Paul II. haben wir Väter der Synode von 1990 im Licht des II. Vatikanischen Konzils über die Priesterbildung unter den derzeitigen Verhältnissen nachgedacht. Im Gebet, bei unseren Überlegungen und beim Austausch unserer Gedanken haben wir an euch, liebe Glaubensbrüder und -Schwestern gedacht, denen die Überlegungen der letzten Synode galten, ebenso wie an euch, die Diakone und Ordensleute, und an alle, die der Gemeinschaft der Christen dienen. In besonderer Weise lagen uns die Priester am Herzen, die zusammen mit uns Bischöfen inmitten des Volkes Gottes und für das Gottesvolk Mitarbeiter nach dem Vorbild des Hirten Christus sind. Die Anwesenheit der Bischöfe aus allen Ländern Europas hat uns an die tiefgehenden sozio-politischen Veränderungen in den letzten Jahren erinnert und unser Vertrauen auf Christus, den Herrn und Meister, vertieft, der Schlüssel, Zentrum und Ziel der gesamten Menschheitsgeschichte ist. Die Kirche ist dem Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung immer verbunden. II. An die Laien Wir möchten nun ein Wort an euch, Schwestern und Brüder in Christus, richten, die ihr an Christus glaubt und in so vielen katholischen Gemeinden in der ganzen Welt lebt. Wir sind Jünger Jesu Christi, unseres Herrn und Erlösers. Er ist unsere ständige Hoffnung, während wir dem dritten christlichen Jahrtausend entgegengehen. Gott ist mit uns in unseren Familien und in unserem Beruf, bei unseren Erfolgen und unseren Enttäuschungen. Die liebevolle Hand Gottes ist immer für alle da, die sie vertrauensvoll ergreifen wollen. 1484 ANHANG Es fehlt nicht an Schwierigkeiten und Enttäuschungen. Aber wir wollen auf Christus vertrauen, der für seine Kirche sorgt, und auf die Zusammenarbeit mit euch allen im Volke Gottes, und besonders auf die freudige Treue von euch Priestern und auf die großmütige Hingabe von euch Jugendlichen an den Herren, der immer Arbeiter in seinen Weinberg beruft. III. An die Priester Liebe Brüder im Priesteramt! In Dankbarkeit und Bewundemng richten wir unser Wort an euch,, unsere ersten Mitarbeiter in unserem apostolischen Dienst. Euer Dienst in der Kirche ist notwendig und kann durch nichts ersetzt werden. Ihr tragt die Bürde des Weihepriestertums und seid unmittelbar mit den Gläubigen verbunden. Ihr seid die Diener der Eucharistie, der göttlichen Barmherzigkeit im Sakrament der Buße, die Tröster der Betrübten, die Helfer der Gläubigen in den Schwierigkeiten unserer Zeit. Aus ganzem Herzen grüßen wir euch, sagen euch Dank und ermahnen euch, mit freudigem Herzen auf diesem Weg zu verbleiben. Laßt euch nicht entmutigen! Unser Auftrag kommt nicht von uns; es ist der Auftrag des Herrn. Er, der uns gesandt hat, ist bei uns alle Tage unseres Lebens. Für Christus und in seinem Auftrag dienen wir. a) In der Liebe des Vaters aus der tiefsten Quelle unseres Berufes schauen wir auf den Sohn Gottes, den vom Vater gesandten Hohenpriester und Guten Hirten, mit dem wir durch das Weihepriestertum in der Kraft des Heiligen Geistes verbunden sind. Leben und Arbeit des Priesters sind eine Fortsetzung des Lebens und der Arbeit des Hohenpriesters Christus. Das ist für uns das Wesen und die wahre Würde unseres Berufes, die Quelle unserer Freude und unserer Lebenszuversicht. Durch die Taufe haben Priester, Ordensleute und Laien Anteil am allgemeinen Priestertum Jesu Christi. Zusammen, und nur zusammen, können wir viel für das Wachstum des Reiches Gottes unter den Menschen tun. Ihr braucht eure Priester, und die Priester und Priesterkandidaten brauchen eure Liebe und Hilfe. Im Dienst für alle, besonders für die Armen, bauen wir den Leib Christi, die Kirche auf. Zusammen können wir die Herausforderungen und Schwierigkeiten meistern, z. B. die religiöse Gleichgültigkeit, den Materialismus, Armut und Ungerechtigkeit, den wachsenden Unterschied zwischen reichen und armen Völkern und Klassen, die Schwierigkeiten der Familie und die Last der Schulden. Wir sind dankbar für den Segen, mit dem Gott die Welt beschenkt hat, die wir lieben: für den Fortschritt von Wissenschaft und Technik, die Verbesserung der Erziehung und der medizinischen Versorgung, für die Reisemöglichkeiten und den Fortschritt der Demokratie. Wir leben in einer Zeit der Hoffnung, in einer Zeit des Wachstums, vielleicht des universellen Wachstums der Kirche. Wir dürfen nicht vergessen, Gott dafür zu danken, daß die Zahl der Priesterkandidaten in den letzten dreizehn Jahren in der Welt angestiegen ist. Aber wir 1485 ANHANG müssen in besonderer Weise für die Kirche beten, in deren Bereich ein solches Wachstum noch-dicht spürbar ist. Wir danken den Eltern unserer Priester und Priesterkandidaten und allen, die ihnen in ihrem Leben und bei ihrer Arbeit helfen. Das unergründliche Mysterium unseres Priestertums begründet unsere Gemeinschaft mit Gott und mit allen Menschen und setzt die Sendung Jesu Christi fort. Aus diesem Grund muß jeder Priester ein Missionar sein, ein Apostel für die neue Verkündigung des Evangeliums, getrieben von der Liebe zu Gott und zu seinem Volk. Unsere priesterliche Spiritualität besteht darin, nach dieser Wirklichkeit zu leben: in Glaube, Hoffnung und Liebe. So vertiefen wir unsere Einheit mit Gott durch unser Gebet und durch unser Wirken als Seelsorger. Auf diese Weise wollen wir die Menschen zu Gott führen. Wir haben die Ehelosigkeit der Priester mit neuer Gewißheit und Deutlichkeit als eine Ganz-hingabe an Gott für die Menschen erkannt, in der inneren Einheit mit Christus, der als Bräu-tigarü'seine Braut, die Kirche, so geliebt hat, daß er sein Leben für sie hingab. Der Weg der evangelischen Räte ist ein sicherer Weg zur geistlichen Freiheit und zum Wachstum in der Tugend, um Christus auf seinem Weg des Kreuzes und der Erfüllung des Willens des Vaters besser nachzufolgen. b) Liebe Brüder im Priesteramt! Von neuem wurde uns bewußt, daß wir beständig auf dem Weg zu einer vollen Verwirklichung unserer priesterlichen Identität fortschreiten müssen. Die Priesterweiterbildung ist eine der wichtigsten Aufgaben des Bischofs. Wir möchten sie erfüllen als eure Väter, Brüder und Freunde. Zusammen mit euch möchten wir in der Treue und in der Kraft der inneren Erneuerung wachsen. Als Diener des Mysteriums, gestützt auf das Wort Gottes, sollt ihr jeden Tag im Glauben wachsen, um wirklich Menschen der Frohen Botschaft zu werden. Als Diener der Gemeinschaft müßt ihr euch selbst ständig vertiefen für den Dienst der Einheit in der Kirche, der Familie und der Kinder Gottes. Als Diener der Mission sollt ihr euch stärker an den Zeichen der Zeit orientieren, sie verstehen und nach den Maßstäben des Evangeliums beurteilen. Die kulturellen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die sich ständig verändern, fordern unseren missionarischen Einsatz und Dienst für die ganze Menschheit. Jeder von euch ist selbst der erste und wichtigste Faktor für die ständige Weiterbildung. Durch eure großzügige Hingabe sollt ihr die ständige Dankbarkeit für die Berufung durch Gott zeigen. In eurem Leben darf es keinen Platz für Mutlosigkeit geben, auch wenn euer Dienst irgendwann einmal nutzlos erscheinen mag. Eine freudige Hingabe findet immer die Liebe und den Segen Gottes. Die verschiedenen Glieder eines Bistums nehmen alle in ihrer eigenen Weise an der ständigen Fortbildung der Priester teil. Eine Priesterschaft, die eng mit ihrem Bischof verbunden ist, ist die beste Voraussetzung für diese Fortbildung. c) Im Geist dieser priesterlichen Gemeinschaft grüßen wir euch, unsere älteren Mitbrüder, die Priester, die ihr ganzes Leben dem Dienst am Evangelium gewidmet haben. Wir denken an 1486 ANHANG diejenigen von euch, die durch Krankheit geprüft und innerlich mit dem Leiden Christi für die Kirche verbunden sind. Wir haben Hochachtung vor dem Zeugnis derer, die in der Verfolgung um ihrer Glaubenstreue willen leiden mußten und noch leiden müssen. Wir ermuntern euch, in diesem Dienst nicht nachzulassen. An euch, die Erzieher der zukünftigen Priester, möchten wir erneut ein Wort der tiefen Dankbarkeit und Anerkennung richten. Wir wissen, wie groß die Selbstverleugnung und die Hingabe an diese Aufgabe ist. Wir denken schließlich an euch, ihr Professoren, die ihr für eine solide Ausbildung in unseren Seminarien und an den Universitäten sorgt. Wir möchten euch alle ermutigen, eure Aufgabe in voller Einheit mit der Kirche und in großer Treue zu ihrer Lehre zu erfüllen. Wir hoffen, daß Bischöfe und Priester zusammen in der Gemeinschaft des Priestertums vereint sind, um den Willen des Vaters zu erfüllen, daß alle eins seien,... damit die Welt glaube. Die volle Verwirklichung unserer Berufung findet ihren besten Ausdruck in unserer Arbeit für die Weckung von Priesterberufen, damit der Ruf des Herrn bei den Jugendlichen immer eine bereitwillige Antwort findet. IV. An die Priesterkandidaten Liebe Seminaristen! Ihr habt euch auf den Weg zum Priestertum gemacht, indem ihr auf den Ruf Gottes hört, der euch sendet. Wir sind dankbar für den Glauben, das Ideal und die Großherzigkeit, die euch erfüllen, und wir ermutigen euch, daß ihr euch immer mehr dem Herrn überlaßt, wie es die Jungfrau von Nazareth getan hat, als sie dazu berufen wurde, die Mutter des Erlösers zu werden. Ihr gebt so eine erste bejahende Antwort an Gott, wenn Ihr Euch demütig darauf vorbereitet, die Wahrheit von ihm anzunehmen und ihr mit aller Kraft anzuhängen, um sie den Menschen mitzuteilen. Vergeßt nicht, daß die Priesterausbildung ein Weg für das ganze Leben ist. Das Leben im Seminar, der Schule des Evangeliums, ist ein Leben imder Nachfolge Christi und der Apostel; durch ihn läßt man sich einführen in den Dienst des Vaters und der Menschen unter der Führung des Heiligen Geistes. Man soll sich gleichförmig machen lassen mit Christus, dem Guten Hirten, für einen besseren Dienst in Kirche;und! Welt. Sich auf das Priestertum vorzuhereiten, heißt, eine persönliche Antwort auf die Frage Christi zu geben: „Liebst Du mich?“ Die Antwort eines zukünftigen Priesters kann nichts anderes sein; als die Ganzhingabe seines Lebens. Während der ganzen Synode haben wir daran gedacht, mit wie großen Gaben Jesus Christus uns beschenkt hat, als er uns an seinem österlichen Geheimnis des Priestertums teilnehmen ließ. Wir haben versucht, deutlich zu machen, welche Mittel notwendig sind, um dieses Mysterium fruchtbar zu leben. Wir ermutigen euch, dies wie ein Geschenk anzunehmen, das sicherlich menschliche Maße übersteigt, aber durch das die Kirche der Welt viele Früchte schenken kann. 1487 ANHANG V. An die Jugend Schließlich möchten wir ein Wort an euch, die Jugend und die Hoffnung der Kirche, richten. Wir wissen um eure großherzige Bereitschaft. Wir möchten euch einladen, mit uns über die Berufung zum Priestertum nachzudenken. Der Priesterberuf ist ein Ruf Gottes, eine Gabe, die Gott jungen Menschen anbietet, denen er zutraut, nach dem Vorbild Jesu Christi Gott und den Menschen zu dienen. Aus unserer eigenen Erfahrung können wir euch versichern, daß es sich lohnt, sein ganzes Leben und all seine Kraft als Priester in den Dienst am Volk Gottes zu stellen. Trotz aller Schwierigkeiten wird ein solches Leben letztlich immer Befriedigung und Freude schenken. Jesus Christus verheißt uns: Wer sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es gewinnen. Kirche und Welt warten auf Priester, die mit einem freien Herzen und mit freien Händen als gute Hirten Gott und dem Volke Gottes dienen wollen. Wir wissen, daß es nicht leicht ist, dem Ruf Gottes zum Priestertum zu folgen. Aber wir vertrauen darauf, liebe Brüder, daß ihr mit Gottes Hilfe auf einen solchen Ruf mit einem großherzigen Ja antworten werdet. Bei den Beratungen der Synode haben wir gehört, daß die Zahl der Priesterberufe in einigen Ländern erfreulich groß ist, während andere Länder einen wachsenden Priestermangel erleben. Manche Jugendliche wagen offenbar nicht, sich für das ganze Leben an den Priesterbemf zu binden, auf die Möglichkeit zur Heirat und zur Bildung einer Familie zu verzichten, und ein Leben im Geiste der evangelischen Räte der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams zu wählen. Aber der Priester soll frei sein von der Bindung an eine Ehe und Familie, von der Abhängigkeit von Besitz und bequemem Leben und von dem Wunsch, allein über sein Leben bestimmen zu können. Dies ist ein hohes Ideal, für das euch in unserer Zeit viele junge Menschen ein leuchtendes Beispiel gegeben haben, manche bis zum Martyrium. Wir bitten euch, ihr Jugendlichen, und unsere Gemeinden, mit uns zusammen darum zu beten, daß der Herr Arbeiter in seinen Weinberg sende. Das ganze Volk Gottes braucht den Priester. Deshalb hoffen wir, daß eure Geschwister und eure Freunde, eure Familien und eure Gemeinden verstehen, was die Berufung zum Priestertum bedeutet, und euch auf diesem Weg begleiten und helfen. 1488 ANHANG VI. Schlußwort Wir kommen nun zum Ende der VIII. Ordentlichen Bischofssynode. Diese vier Wochen waren eine begnadete Zeit der Besinnung auf unsere eigene Berufung als Bischof, Priester und Ordensleute. Zusammen mit dem Heiligen Vater sind wir uns erneut bewußt geworden, wie reich Gott uns beschenkt hat, als er uns in seinen besonderen Dienst berief und uns dazu Mut machte. Wir danken allen, die für das Gelingen der Synode gebetet, gearbeitet und geopfert haben, und grüßen vom Grab des hl. Petrus aus das ganze Volk Gottes. Im Vertrauen auf die Liebe und die Fürsprache Marias, der Mutter der Kirche und aller Priester, bitten wir darum, daß die Gnade und der Friede Gottes und unseres Herrn Jesus Christus mit euch allen sei. 1489 Wortregister Abbild Gottes 151, 275, 307, 527, 592, 653, 771, 1043f„ 1238 Abendmahl - Geburt der Kirche 928 - letztes 343, 450f., 875, 928 Abendmahlssaal 74, 99, 395, 403,472, 869,930 - Abschiedsrede im 173, 175 - Christus im 506, 585, 756, 870, 931, 944f. - Jünger im 613 Aberglaube 1312 Abhängigkeit - gegenseitige A. der Völker 567,1216 - Mensch ist von A. geprägt 307 - totale A. des Kindes 1453 Ablaß - besonderer 927 Abrüstung 782 Abschiedsrede - Jesu 173, 175, 219 Abtreibung 457, 592 Achtung - anderer Religionen 618 - der Familie 312,892 - der persönlichen Freiheit des Jugendlichen 23 - der Person 312,692 - der Rechte 247 - des Lebens 351, 765 f. - eines jeden Menschen 512 - für die Würde des Menschen 728 ACOS (Vereinigung Kath. Sanitätskräfte) 1138 Advent(s) 230, 247, 1229, 1231 - des alten Bundes 1233 - des neuen Bundes 1235 - immerwährender kirchlicher 1231 - Licht des 236 - liturgische A.-zeit 242 - Spiritualität des 1236 Aggression - moralische 1006 Agnostizismus 487, 833 AIDS 567, 613, 615f., 631,654,663, 667, 728 Aktivismus 282,359 Allgemeinwohl 513,608 Alltagsleben 362, 615, 620 Alphabetisierung 285, 841 Altar 1056 Alter Bund siehe: Bund Altes(n) Testament(s) 34, 37, 79,194, 1468 - Familie im 619 - „Feuer“ im 140 - Geburten im 72 - Geist Gottes im 153-155 - Heiliger Geist im 5,51 - Messias im 17, 52 - Schriften des 64 - Übergang vom A.T. zum Neuen Testament 58 Amtspriestertum 144, 1287 Analphabetentum 840f., 1305 Anbetung 116, 1245 Anglikaner - und Katholiken 968 Angst(Ängste) 383,395,527,881 - Befreiung von der 538 - um Arbeit 654 1491 Anruf - Gottes 1231, 1374 Anthropologie - christliche 161 - des hl. Thomas 1076 - neue 89 Antiklerikalismus 792 Antikonformismus 360 Antisemitismus 1122, 1135, 1165 Apostel 4, 91, 94, 116, 141, 152, 167, 170, 201, 214, 220,269, 293, 297, 319, 343, 395, 403,405, 416,429,451f„ 472, 635, 647, 880, 1204 - als Zeugen 159, 585 - am Pfingsttag 930 - der Slawen 399 - die „Zwölf1 269 - Fundament für die Kirche 269f. - Gemeinschaft der 436 - haben von Christus übertragene Aufgabe 173, 225, 415, 652, 1083 - Jesus und die 314f., 670 - Nachfolger der 572, 652, 1479 - und ihre Schüler 1477 Apostelgeschichte 91,201 Apostolat 626 -Berufung zum 271,305 - der höheren Bildung 1024 - der Kirche 271,384 -der Laien 164,1210 - der Missionare 901 f. - der Ordensleute 971 - im Gefängnis 1061 - in der Kirche 871 - persönliches 337 Apostolische Konstitution - Pastor Bonus 1097 - Sapientia Christiana 1019, 1032 - Spirituali militum curae 1162 - über die Kath. Universitäten 1017 Apostolische Vatikanische Bibliothek 1094 Apostolisches Schreiben - Apostolica sollicitudo 818 - Christifideles laici 448f., 656, 1151, 1209 - Evangelii nuntiandi 530, 838 - Familiaris consortio 910, 1237, 1316 - Mulieris dignitatem 457 - Salvifici doloris 816 - Spiritus Domini 743 Apostolizität 1478, 1482 Apotheker - katholische 1116f. Appell - an alle Menschen 158 - an die entwickelteren Nationen d. Welt 604 -des Papstes 316,318,321,609 Arbeit 309, 358, 364, 368. 369, 372-374, 445f., 460, 461f„ 468,476,478, 494f., 521-525, 654f„ 708f„ 1307f. - als bloße Ware 463 - christliche Auffassung der 732 - christlicher Sinn der 365 - des Menschen 371 - Element der Solidarität 1412 - Evangelium der 476, 478, 522-524 - für das Reich Gottes 1159 - Fundament des wahren Fortschritts 1452 - Gefahren der 367 - in der Landwirtschaft 477 - in kontemplativen Instituten 1412 - manuelle 371 - Organisation der 362 - pastorale 1298 - personales Verständnis der 363 - Primat des Menschen vor der 363 - Probleme in der Welt der 363 - seelsorgliche 486 - Welt der 521 - Würde der (menschlichen) 365, 372f., 475, 732 Arbeiter 362, 364, 460, 475, 521, 708, 751 - Gmben-A. 477 - Industrie-A. 192 - junge 339 - Land-A. 192, 476 1492 - Rechte und Pflichten 523 - Würde der 243, 372 Arbeiterverbände - Rolle der 524 Arbeitgeber 243 Arbeitnehmer 462 Arbeitsbeziehungen - Geschichte der 522 Arbeitslosigkeit 363, 373, 523, 730, 732, 1452 Arbeitsplatz(-plätze/n) 251, 446,462, 625 - Mangel an 720 Archiv(e) - Vatikanische 850 Areopag - als Symbol 1189 Arme(n) (Ärmste/n) 249, 428,481, 615,1204 - Dienst an den 1073, 1120, 1231, 1270f. - Hilfe für die 193 - Liebe zu den 488, 505, 527, 843, 1215 - Option für die 422,488, 979-981 - Rechte der 237 - Vorliebe für 120f. Armut 121, 278, 296, 325,423,445, 658,724, 767, 954, 980, 1189, 1203, 1305, 1342, 1378, 1466, 1485 - evangelische 121, 627f., 636, 1379 - Kreislauf wachsender 444 - Opfer der 422 Arzt (Ärzte) 631f., 634, 702f„ 121t, 1126 Aschermittwoch 43, 830 Askese 1154, 1391 f. - in kontemplativen Instituten 1413 Astronomie 991 Asyl 1354 Atem siehe: ruah Atheismus 391,480f., 934, 1013 - politischer 75,77 Athlet(en) 926 Auferstehung 69, 74f., 110, 148, 398,432 - Jesu 146, 159, 314, 928 - Macht der 601 - zukünftige 146 A uferweckung 11 f. - wahre 12 Aufgabe(n) 461, 659, 1216,1360 - der Bischöfe 392, 955f., 1205, 1279f., 1291, 1295f„ 1310, 1331, 1343-1350, 1355 - derChristen 541,691, 1061, 1147 - der entwickelteren Nationen 566 - der Evangelisierung 225,356,1339 - der Familie 837 - der Laien 942,1336 - der Ordensleute 1337, 1361 - der Priester 43f., 51, 62, 149, 298, 851, 910, 956f., 1337, 1347 - des Propheten 30f. - des Staates 645, 721, 766f., 786 - in Afrika 322 - irdische 262 - ökumenische 1197 Aufklärung - Epoche der 1465, 1475, 1477 - Zeitalterder 832 Aufstand - von Warschau 142 Auftrag - der Kirche 413,421,438,574,1123 - der Universität 1019,1026, 1036 - Gottes 522, 1439 - Jesu 315,544 - missionarischer 1166 - pastoraler 690 - Sendungsa. für alle Christen 1166 Ausbeutung 347, 374 1493 Ausbilder 1389f. Ausbildung 431 - der Alumnen 1133 - der Laien 341, 663, 1331, 1339 - der Ordensleute 1371-1426 - für die Landwirtschaft 477 - in der Schule 643, 645 - in der Soziallehre der Kirche 1328 - in den kontemplativen Instituten 1410-1414 Ausbildungskräfte 138 Ausbildungsordnung 1414 - jedes Institut legt eigene A. fest 1420 Ausbildungsplan - für die Priesteramts- und Ordenskandidaten 1328 Ausländer 709 Auslandsverschuldung 440,913 Auslegung 1463 - positivistische 1241 Aussätzige 294 Aussöhnung - zwischen Polen und Deutschland 228f. Auswanderer - katholische 1007 Auswanderung 265, 356 Automatisierung 362f. Autonomie - der Kultur 838 - der menschlichen Freiheit 832 - der Ordensinstitute 982,1419 - der Wissenschaft 444, 702 - institutioneile 1021, 1028, 1037 Autorität(en) 132, 289, 795, 887, 1298 - Christi 388 - der Bischöfe 662, 1026 - Gottes 1076 -öffentliche 319,795 Baalskult 30 Barmherzigkeit 423, 505, 717, 744, 1042, 1153 - Gottes 735 - und Gerechtigkeit 790 Basilika - „Notre Dame de la Paix“ 164 - Santa Maria Maggiore 1047 Basisgemeinschaften 1324, 1339 - Anleitung der kirchlichen 1299 - in Einheit mit der Ortskirche und der universalen Kirche 1325 - kirchliche 128lf. Bauern 644f. - junge 338 - polnische 191 f. Bedrohungen) - des Menschen 777 - in Afrika 26 Bediirfnis(se) 243 - der armen Völker 348 Befreiung 237, 289, 386,482, 538, 1466 - des Menschen 937, 1174, 1452 - innere 734 - Sendung zur 16f. - soteriologische 1307 - von der Sünde 256 - von Versklavungen 1058 Befreiungstheologie 482 Begierde - dreifache 804,1376 Beherrschung 624 Behinderte 1029 Behörde(n) 721, 827f., 1494 Beichte 85 lf. Beichtvater 744 Bekehrung 416, 533, 587, 1012, 1194f. - der Eingeborenen 973 - der Menschen 42 -Wunsch nach 1301 Bekehrungstaufe 1231 Bekenntisschule 459 Beleidigung - Gottes 62 Beratungsstellen - christliche 835-837 Bergpredigt 205,287,291,337,460 Bergwerk 477 Berufswahl 891 Berufung(en) 73, 287f„ 291, 329, 337, 516, 571, 636, 662f„ 668, 903-905,1015, 1087, 1343 - als Katholik 539 - als Laie 656, 1336, 1418 - beschauliche 1245f. - christliche 314, 417, 503, 582,903-905 - der Frau 351, 1238 - der Jugendlichen 502 - der Kirche 678 - des Christen 306, 739 - des Mannes 1238 - des Menschen 308, 903-905,1237, 1252, 1306 - Gebet um 271 - Gottes 1330 - kirchliche B. des Theologen 1427-1443 - persönliche 688 - Problem der 262 - von Adam und Eva 763f. - zum Apostolat 271,305 - zum Christsein 287 - zum Frieden 1131 - zum Ordensstand 356,819, 1154f., 1214, 1331,1489 - zum Priestertum /-dienst 23, 152, 356, 450-454, 648, 706, 1079-1081, 1084, 1214, 1278, 1283, 1331, 1334, 1488f. - zur Heiligkeit 1220 - zur Mission 1220 Berufungspastoral 392 Besatzungsjahre 166 Besitz - als einzigen Lebenszweck 460 - der Kirche 505 Betrieb 374 Bevölkerung - Dienst an der 319 - maltesische 92f. - Mangel an Achtung vor der 1447 Bevölkerungsproblem 621 Bevölkerungsschicht(en) - gesellschaftl. und kulturelle Entwurzelung breiter 1315 Bevölkerungszunahme 913, 1191 Bewegung(en) - Fokolare-B. 855-857 - kirchliche 1210, 1417 - ökumenische 20, 540, 933, 1166, 1276 - religiöse 1301 Bewußtsein - ökologisches 763 - touristisches 1447 Beziehung(en) - des einzelnen Menschen zu Christus 692 -internationale 439,611 - interpersonale 665 - menschliche 429 - soziale 243 - von Glaube und Vernunft 1018,1030 - zu Gott 377, 424 - zwischen Bischöfen und Ordensleuten 981-983 1495 - zwischen der Synode und dem Bischof von Rom 1259 - zwischen Forschung und Lehre 1023 - zwischen Industrie- und Entwicklungsländern 767 - zwischen zivilen und kirchlichen Autoritäten 795 - zwischenmenschliche 836 Bibel 6 - göttl. und zugleich menschl. Charakter 1241 - Sprache der 6, 8 Bibelapostolat 1240 Bibelbewegung - katholische 1240 Bibelinstitut - von Jerusalem 1240 Bibelkiitik - historische 1476 Bibelseelsorge 1241 Bibelübersetzungen - interkonfessionelle 1240, 1242 Bibelwissenschaft 1240 Bildung 841, 1024, 1235, 1396f. - christliche 430, 1157 - der Gläubigen 577, 1249 - der Laien 1277, 1336 - Freiheit der 702 - liturgische B. des Klerus 1300 - Recht auf 840 - und Kultur 431 Bildungsarbeit 1216 Bildungsniveau(s) - Erhöhung des 431 - religiöses 1411 Bischof(s) (Bischöfe) 269, 392, 485, 616, 982, 1025, 1258f„ 1365f. - als Führer auf dem Weg des christl. Lebens 1327 - als Lehrer und Erzieher im Glauben 1304, 1307,1331, 1419,1433 - Aufgabe der 392, 955f„ 1205, 1279f„ 1291, 1295f., 1310, 1331, 1343-1350, 1355 - Autorität der 662, 1026 - Berufung der 1343 - Brasiliens 1301,1309,1312, 1316, 1319, 1322 - Dienst des 392, 1419 - erste Träger der Liturgie 1303 - erste Verantwortliche für das Gebet 1303 - freie Ernennung durch den Papst 391 - Gemeinschaft der 1103 - hat Leitungspflicht 393 - in Tansania 574 - Lateinamerikas 422, 426,790, 983 - Nachfolger der Apostel 652, 1479 - persönliche Verantwortung der 1327 - philipinische 1348 - Sendung der 662 - sind Zeugen 859, 1346, 1419 - slowakische 392 - Sorgen der 1299 - tschechische 392 - und Ordensleute 981-983 - Verantwortung für das Bibelapostolat 1241 - Verkünder des Evangeliums 1470 Bischofsamt 1104,1291f., 1296, - und das Ordensleben 1419f. Bischofsbestellung 391 Bischofskollegium 473, 932, 1298 Bischofskonferenz(en) 393, 1212 - Afrikas 1320 - Amerikas 1320 - Asiatische 1327, 1335,135lf. - Aufgabe der 1360 - Brasilianische 1289, 1293, 1298, 1304, 1316f. - der Antillen 1275 - der Philippinen 1341 - Europas 1320 - Italienische 24, 705, 806, 906f. - Tschechoslowakische 375 - von Mexiko 479,484 1496 Bischofssynode 871f., 903, 932, 1103-1107, 1258f. - achte Welt- 1484 - afrikanische Sonderversammlung der 677 - Afrikas 26, 164, 267, 299f„ 305, 321, 679 - als Institution 678f., 1260 - europ. Sonderversammlung der 402 - für Europa 906f., 932f., 969, 1260 - Sondersitzung der B. für Afrika 575, 613 - über die Frage der Priesterausbildung 669, 818,968, 1079, 1103-1107 Bischofsweihe 772-774, 858, 1291 Blinde 597 Boden 753 - verknappter 644f. Bodenschätze 444 Bösen - Sieg über die Macht des 68,110 - Überwindung des 130 Botschaft - an den brasilianischen Epikopat 1304 - des Engels an Maria 98 - des Evangeliums 36 - des Heils 107 - des Magnifikat 248 - vom Geheimnis der Menschwerdung 1308 - von der Erlösung 412 - Werte in die christl. B. eingliedem 1314 Brandopfer - des Alten Bundes 140 Britischer Rat für Christen und Juden 1134 Brot(es) 940f., 945f. - Geschenk des 55 - seines Leibes 420 - Zeichen des 98 Bruder (Brüder) - muslimische 293 Bruderkrieg 101, 143, 229, 806 Bruderliebe 284 Brüderlichkeit - unter den Christen 21 Buddhismus 955 Bürger 285,289,410,796 Bürgerkrieg 101, 137 BürgerpfUcht 413 Bulle - Exposcit debitum 1011 - Regimini militantis Ecclesiae 1010 - Sollicitudo omnium ecclesiarum 1011 Bund(es) 879, 1173 - alter (zwischen Jahwe und dem Volk Israel) 17,235,428, 627, 1231, 1233 - Brandopfer im Alten 140 - Erneuerung des 124 - eschatologischer 1235 - ewiger 1235 - Gottes 306, 1051 - im Alten Testament 79 - neuer 65, 80f„ 89, 96, 155, 269, 352, 451, 634,1234f. - Übergang vom Alten zum Neuen 775 Bundeswehr - Dienst in der 203 Bußandacht 852 Buße 42f., 128, 830, 1154, 1478 - Notwendigkeit der 130 - Werke der 830 Bußsakrament(es) 61f., 275, 473, 583, 714, 744, 851 f., 1276, 1301f., 1325 Bußtaufe 122, 127 Bußübung 39 Bußzeit - österliche 1455 1497 Camorra 711,720 Caritas 1147 - christliche 801 CEAO (Westafrikan. Wirtschaftskommission) 316-319 Chaos 587 Charakter 706 Charisma(men) 178, 206, 356f., 429, 1154f„ 1266 - der Ordensgründer 1310,1381,1405 - der Unfehlbarkeit 1432 - grundlegende Ch. des Ordenslebens 1310, 1405 - karmelitanische 1246 - Treue zum ursprüngl. 1207 Christen) 21, 261, 289, 303f„ 321, 368, 380f., 388, 413,424,470, 473,478,494, 507, 607, 614, 617f„ 624 f„ 652, 893, 911, 937, 1215, 1269, 1332, 1455, 1483 - afrikanische 675, 680 -alle 18,20,579,1166 - allgemeines Priestertum aller 9, 1323f. - als (Staats-)Bürger 663 - Aufgabe des/der 541, 691,1061, 1147 - aufgefordert, Hl. Schrift zu lesen 1241 - Berufung des 306, 739 - Einheit der 18-22, 233, 380f., 579, 933, 961, 1068, 1101, 1197 - erste 396, 523, 1296 - gläubige 746, 1248 - gute 466 - Hindernisse für 1321 - im Libanon 922f. - in der Tschechoslowakei 387 - jeder 22,430, 629f. - junge 338, 586 - Leben als 656 - lebt in Übereinstimmung mit seinem Glauben 1321 - Maltas 545 - Pflicht des 825 - Präsenz der 907 - Rolle des 826 - Spaltung unter den 933 - Tansanias 596 - und Juden 848 - und Muslime 306, 308, 342, 579f., 820f. - und Nichtchristen 885 - Unterdrückung von 786 - Verantwortung des 825f., 921 Christengemeinde(n) - junge 267 Christengemeinschaft 321 Christenheit - alte 1218 Christentum(s) 266, 371, 379, 387, 398, 888, 1172, 1192, 1483 - auf dem Schwarzen Kontinent 162, 282 - Ausbreitung des 1215 - europäisches 76, 932, 935 - neue Inkulturation des 690f., 1198 - in Lateinamerika 493 - Präsenz des 1188 - praktizieren 659 - unbekanntes 1215 - verbannt und verfolgt 1215 Christianisierung - der Slawen 50 Christkönigsfest 223 f. Christologie 59, 147, 1044 Christsein 266,502f. - Berufung zum 287 CILSS siehe: Komitee Codex - Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium 1096-1101 - Codex Iuris Canonici 789,791,1096 COERR siehe: Katholisches Büro COINCAT siehe: Internationaler Rat 1498 Communio 678f., 832, 929f., 950, 1278 - kirchliche 576f., 1362 Computer 369f., 372, 799 Credo 1303 Dämonen 136 Danksagung 76 Defensivwaffen 203 Demokratie 76,436, 782 Demokratisierung 566 Demokratisierungsprozeß 936 Demonstration(en) 387 - friedliche 391 Demütigung 110 Demut 246, 958f., 1041,1319,1377,1384 Diakon(e) 631 Dialog(efs) 56, 306, 319, 885, 923, 1215 - Bedeutung des 578 - brüderlicher 1311 - interdisziplinärer D. in der Wissenschaft 1143 - interreligiöser 1200f., 1353, 1455 - mit anderen Kulturen 285 -ökumenischer 211,857,961 - religiöser 301-303 - theologischer 21 - zwischen Bischof und Institutsoberen 1311 - zwischen Christen und luden 1165 - zwischen den Disziplinen 1236 - zwischen den Religionen 325, 342, 350, 578, 885, 1168 - zwischen der katholischen Kirche und anderen Kirchen 21 - zwischen der katholischen Kirche und dem Islam 542 - zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche 965 - zwischen Eheleuten 1239 - zwischen Glaube und Kultur 384 - zwischen Glaube und Vernunft 1022 - zwischen Gott und der Kirche 1295 - zwischen Lehramt und Kirche 1431-1441 - zwischen Muslimen und Christen 306, 342, 579f. Diasporakirche. 125 Dienst(e/es) 33, 144, 178, 733, 990, 1365 - am Altar 1056 - am Gemeinwohl 289, 375, 446 - am Heil 289 - am Kranken 809f., 812 - am Leben 890 - am Mitmenschen 211,1202,1244 - an den Armen 1073,1120,1231, 1270f. - an der Bevölkerung 319 - an Wort und Sakrament 1335 - apostolischer 45, 399 - beim Hl. Stuhl 1159f. - bischöflicher 392, 1419 - der Laienchristen 330 - der pastoralen Liebe 1335 - der Versöhnung 62 - des Wortes 30 - Dimenson des 609 - eucharistischer 116 - für Christus 955 - für den Herrn 1335 - für die notleidende Menschheit 1335 - Gemeinschaft des 816 - in der Kirche 272, 315, 325, 385, 966, 1246 - liturgischer 1056 - messianischer 128 - päpstlicher 82 - priesterlicher 95, 332, 560, 1339 - selbstloser D. füreinander 1319 Dienstamt 595 Dienstleistungen 721,728 Dienstleistungsstrukturen 720 Dienstpriestertum 450, 976,1324 1499 Dimension - geistliche 1310 - religiöse 256 - transzendente 384 Diözesan-Pastoralsynode 825 Diözesanbischof 1298 Diözesansynode 1260f. Diözesanversammlung 259 Diözese(n) 1311 - erste D. in Salvador da Bahia 1320 - Rang einer 1162 - vakante 391 Diplomaten) 347,438, 567, 611, 779 Diskriminierung 272,633 - im atheistischen System 943 - keine 256, 752 Dogma (s; Dogmen) 1462-1483 - analoger Charakter der 1474 - Definition eines 1480 - der Kirche 1465 - Formulierung und Inhalt des 1470 - Geschichtlichkeit der 1467 —hermeneutik ' 1466 - in Traditio und Communio der Kirche 1477-1479 - innerhalb der Paradosis der Kirche 1471 - lehrhafte Gestalt der 1475, 1479 - (theologischer) Sinn der 1474, 1479 - Studium der D.geschichte 1481 - theologische Auslegung der 1475 - Urform des christlichen 1476 Dogmatismus 1465 Dogmenentwicklung - Kriteriologie der 1482f. Dogmeninterpretation 1462-1483 - lehramtliche Aussagen zur 1469 Dokumente) - der Ital. Bischofskonferenz 705, 711 - der internationalen Theologenkommission (ITK) 1462-1483 - von Puebla 972, 979, 984 Dominikaner siehe: Orden Doxologie - trinitarische 200 Dozenten 1034 - christliche 1024 Dreifaltigkeit 154, 170,179f., 201f„ 215, 932, 939f - Einheit der göttlichen 153, 161, 178, 1230 - Geheimnis der Heiligsten 6, 71, 208, 1247 - göttliche 213 - heiligste 96, 159, 940 - Theophanie der 123,160 Drogen 466 Drogenhandel 785 Durchhaltevermögen 407 Dynastie -der Przemysliden 7 6 Egoismus 233, 309,445, 457, 766, 879, 890 - kollektiver 763,1455 Ehe 65,289,339,620,790,892,1331 - als Geschenk 790, 1238 -christliche 457,909-911 - Liebesgemeinschaft der 458 - Nichtigkeitserklärung der 790 - Sakrament der 343, 345, 503, 582, 591f., 653f., 664, 911 - Treue in der 457, 654,1318 - Unauflöslichkeit der 1318 - Zerbrechlichkeit der 1317 Eheband(e/es) - Gültigkeit des 790 1500 Ehebund 591 Ehefrau - christliche 456 Eheleute(n) 126, 835, 1237, 1239 - Liebe zwischen christlichen 456 Ehelosigkeit 151,503,1377 Ehemoral 1318 Ehepaar(e) - Freiheit der 913 Ehrenamtliche - im Krankenhausdienst 1138 Ehrgeiz 144 Eifer - apostolischer 206 - missionarischer 331 Eigeninteresse 500 Eigentum 476 - an den Produktionsmitteln 446 Eingeborene 416-418,426f., 972f., 1283 Einheit 400, 653, 1208, 1338 - (universale) E. (in) der Kirche 109,232, 259-261, 336, 387f., 453, 471f., 474, 625, 741,749, 834, 1265, 1288, 1311,1323, 1355, 1358, 1363f„ 1440,1465, 1481 - aller Menschen 661 - Bruch der kirchlichen 1245 - der Christen 18-22, 233, 380f„ 579, 933, 961,1068, 1101,1197 - der göttlichen Dreifaltigkeit 153,161,178, 1230 - der Institute 1418 - der kirchlichen Gemeinschaft 232,453,679 - der Nation 610 - der Ortskirchen 1260, 1292 - des Volkes 605-607 - Deutschlands 181, 1082, 1121 - Europas 376, 382, 400,1447 - Gottes 472 -im Glauben 21 f., 400, 541 - im Heiligen Geist 232f. - im Leib Christi 233, 260 - in den Diözesen 1311 - in der Familie 1318 - innere 1477 - Lehre über die 1323 - mit Christus 469,473, 1213, 1323 - mit dem Nachfolger des Petrus 1311 - mit Gott 89, 299 - zwischen Basisgemein., Ortskirche und universaler Kirche 1325 - zwischen Theologie und Wissenschaft 888 Einrichtungen ) - kirchliche 721 Einsatzbereitschaft 720f. Einsetzung - göttliche 16 Einwanderer 974 - sind unsere Brüder 75 lf. Einwanderung 356 Einzelbeichte 1302 Einzelkirche(n) 1334 - verbunden mit der Kathedra des hl. Petrus 1323 Ekklesiologie 232, 832, 1223 Elend 55, 317f., 422,445, 880, 1148, 1466 Elendsviertel - der großen Städte 1305 Eltern 431,458,836,891 - christliche 456, 665 Elternschaft - verantwortete 910, 1350 Eltemvereinigungen 459 Emigrant(en) 482 Emigrantenpastoral 1008 1501 Emigration 265, 277, 348 Emmausjünger 279f., 436, 894 Empfängnis - des Sohnes Gottes 64 - Jesu 63, 70, 87, 89 - jungfräuliche 88 - unbefleckte 71 Empfängnisregelung - natürliche 1237 Empfängnisverhütung 1237f. - künstliche 1331 Engagement 839 - soziales 657 Entfremdung 481 Enthaltsamkeit - periodische 1239 Entwicklung 290, 308, 318f., 322, 325, 330, 348, 350 - (ganzheitliche) des Menschen 317,319, 467, 1203f., 1450 - der europäischen Zivilisation 934,1340 - der Naturwissenschaften 934 - der theologischen Studien 1077 - Fehlschlagen der 587 - gesellschaftliche 500 - in Europa 935 - industrielle 913 - industrielle E. Brasiliens 1313 - seelenlose 1203 - soziale 731 - technologische 362 - Trägerder 721 - vollkommene materielle u. geistige 1449 -wirtschaftliche 265,436,643,731 - Zusammenarbeit von Partnern unterschied!. 612 Entwicklungsländer 440, 499, 564,767 Entwicklungsprobleme 316,587 Entwicklungsprozeß - der Kirche 226, 933 Entwurzelung - gesellschaftl. und kulturelle 1315 Enzyklika(-en) - Ecclesiam suam 578 - FideiDonum 1208 - Humanae vitae 504,910 - Redemptoris Missio (Text incl. Anmerkungen) 1165-1227 - Rerumnovarum 423,710 - Sollicitudo rei socialis 1202, 1305 - über den Heiligen Geist 215 Epiphanie - göttliche 773 Episkopat 1279 -italienischer 711,731 Erbarmen 149 Erbschuld 244 Erbsünde 775, 1077, 1228 Erdbeben 133, 244, 704f., 730, 741 Erdbebenopfer 110 Erkennen - Akt des 213 Erkenntnis 184, 1463f. - der menschlichen Psyche 1142 - der Wahrheit 1429 - dreifache 1041 - Glaube strebt nach 1429 Erkenntnisfortschritt 1469 Erlöser 61, 68, 246, 269, 541, 555, 857, 1167-1169,1240 Erlösung 97, 174, 243, 256, 600, 1102 - Botschaft von der 412 - der Menschen 421,955 - der Welt 875 - Geheimnis der 1176, 1219,1229 - Zentrum femöstl. Religionen 1234 1502 Erlösungsgnade 110 Erlösungsopfer 108, 1228, 1235 - Christi 59 Erlösungsplan 929 Erlösungswerk - Christi 472 Erneuerung 384, 388, 397 - christlichen Lebens 1252 - des Glaubens 1166 - Europas 942 - geistliche 1356f., 1371 - innere 40-42 - kirchliche 560 - soziale 230 Erniedrigung 477 Erntedankfest 726 Erschaffung - der Welt 307 - des Menschen 11, 226, 307 Erschein ung(en) - Christi 146 - der Madonna della Guardia 698 - Marias in der Grotte von Massabielle bei Lourdes 814 Erzieher 23, 138, 489, 501, 891,1155,1487 - christliche 596,904 Erziehung 285, 431, 609, 637, 891, 899, 1148 - christliche 849,1390 - der Gläubigen 427 - der Jugend 848f„ 899f„ 1063, 1087,1128, 1130 - der Kinder 345, 458f„ 582, 596, 624, 721 - der Mädchen 1130 - des Herzens 1073 - katholische 1332 - religiöse 389, 724, 898-900, 919 - Tradition katholischer 1277 - zu den evangelischen Räten 1377-1381 - zur Arbeit 1307f. - zur Freiheit 1307 - zur Gerechtigkeit 1307 - zur Liebe 33 - zur ökologischen Verantwortung 768 - zur Solidarität 1308 Erziehungsaufgabe 138,430 Erziehungsmethode - beste 431 Erziehungsprozeß 285 Erziehungssystem - Ziele im 609 Ethik 1075-1077, 1450 - menschliche und christliche 1306 - Vorrang der E. vor der Technik 538 - Wirtschaft und 733 Eucharistie 76,97f„ 100,147,163, 275, 279, 310, 340, 450, 557, 623, 635f„ 647, 656, 664, 686, 688, 757 f., 874, 930, 940f„ 944-946, 992, 1055f„ 1081, 1276 - Gemeinschaft mit Christus in der 1302 - Geschenk der 944-946 - ist das Ostermahl 1303 - leben 1302 - ohne Gläubige 1412 - Sakrament der 97f., 147, 287, 340, 581, 944-946,1108f., 1276,1303 Eucharistiefeier 116, 164, 478, 1325 Euthanasie 1050 Evangelischen Räte 627, 1309f., 1377-1381 Evangelisierung 271, 277, 315,408, 480, 530, 596, 601, 613f„ 656, 660f., 678, 724, 849, 902, 933, 969-988, 1031,1060,1180,1280, 1297, 1312, 1327, 1352f„ 1465f. - als kirchlicher Ausdruck der Sendung 1297 - Amerikas 415 - Angolas 1146 - Asiens 955 - Aufgaben der 356,1339 - Auftrag der weltweiten 225 - Bedeutung der 355 - Brasiliens 1309 1503 - der Kultur 489,1348 - der Völker 1212 - der Welt 429, 933, 1078, 1205,1440 - Europas 933 - Hauptaufgabe des Herrn und der Apostel 1295 -in Afrika 162,165,571 - (Beginn der E.) in Lateinamerika 971, 973-975,1320 -in Mexiko 416,425-427 - in Tansania 600 - integrale 1283 - Malis 298, 302, 308 - muß Aufgabe aller sein 1315 - neue 278, 486, 970, 976, 984-986, 1087, 1150, 1185, 1187, 1295 - Prozeß der 1322 - soziale Dimension der 1297 - Trägerder 1352f. - Werkzeug der 1242 Evangelisten 169 - Überzeugung der 63 Evangelium(s) 230, 266, 277, 308, 1019, 1167, 1321,1477 - „E. der Familie“ 1318 - Annäherung an die Ideale und Werte des 1218 - Botschaft des 36 - der Arbeit 476,478,522-524 - ethische Forderungen des 1336 - Fortdauer des 1322 - Inkulturation des 974, 1078, 1180 - ist die Kraft Gottes 1343 - Kraft des 779, 955 - Lebensgesetz 533 - Lehre des 717 - Prediger des 271 - Priester und Bischöfe als würdige Diener des 1335 - Prinzipien des 1322 - Quelle aller Heilswahrheit u. Sittenlehre 1477 - Seligpreisungen des 205 - Transzendenz der Botschaft des 1296 - Treue zum 755, 1086, 1331 - und Kultur 1029, 1189, 1417 - Verbreitung des 18 - verkünden 8, 428, 512, 1366,1465 - Verkündigung des 193, 342,416, 929, 1090, 1202, 1320, 1465 - von den Heilstaten Gottes 1479 - Wahrheit, die das E. offenbart 596, 1332, 1468 - Werte des 378,429, 1328 Exegese 1475 Exege t(en) 1241 Exerzitien 1013 Exil 465 Existenz - christliche 1248 - menschliche 1080 Exodus 15 FABC (Vereinig, d. Asiat. Bischofskonf.) 953-957 Fabrik 362, 365, 371 Fachwissen 330 Familie(n) 250,290, 324, 339, 345, 351,447, 455-459,483, 582, 604, 614, 620f., 624, 657, 665, 716,724, 835-837, 890-892, 1070-1072, 1316-1319, 1328, 1331, 1349-1352 - „Evangelium der F.“ 1318 - Achtung der 312,892 - als Hauskirche 1318 - als Institution 1281 - als Keimzelle der Gesellschaft 526, 592, 1318, 1349 - als Zelle der Kirche 666 - Beitrag der F. für das Missionsanliegen 1214 - christliche 289, 508f„ 519f., 909-911 -Gottes 81,270,312,1327 - im AT 619 - in Burundi 620, 622f. - in Lateinamerika (Brasilien) 1316-1319 - Kirche und 892 - Krise der F. als Institution 1416 1504 - Ort der Weitergabe und Bewahrung des Glaubens 1317 - Recht der 250 - Rolle der 668, 1067 - stellt Fragen an die Kirche 1316 - Verantwortung der 667 - von Nazaret 250, 455, 620, 622 Familienpastoral 890,909-911, 1316, 1318 Familienplan ung - natürl. Methoden der 1454 Fasten - Beten und 130 Fastenzeit 50,352,354,831 - Ruf der 353,821 Faulheit 467 FEDERA VO (Verband freiwilliger Krankenhauskräfte) 1138 Feier - des Bußsakraments 1301f. - eucharistische 420 - liturgische 1299-1301 Feind(e) 166 - des Menschen 401 Feindschaft 544 Feuer -als Symbol 141, 190f. Finanzen - in der Kirche 908 Firmung 86, 656 - Sakrament der 287, 586-588, 930 Flexibilität 708 Flüchtling(e) 348, 566f„ 784, 821-823, 993-996, 1189, 1354 Flüchtlingslager 467 Flüchtlingsproblem 439 Formel(n) - bleibende Gültigkeit der dogmatischen 1481 - „Filioque“ 210f. Form ulierung(en) - historische Sinn der dogmatischen 1470 Forschung 378, 702, 1026, 1037, 1235 - an einer Kath. Universität 1022 - der ganzen Wahrheit 794,1017-1019 - der Theologen 147 - Freiheit der 1431 - interdisziplinäre 1110, 1113 - medizinische 654 - und Lehre 1023 - Waffen-F. 768 - wissenschaftliche 318 Fortbildung - christliche 1331 Fortpflanzung - menschliche 1238 - verantwortliche 1237 Fortschrittes) 266,290f., 319,1019 - der Zivilisation 1049 - mächtiger 1305 - materieller 755 - menschlicher 284 - negative Auswirkungen des 765 - technischer 363, 369, 374,436,728, 1203 - technologischer 732, 1049 - wahrer 1202, 1452 - wirtschaftlicher 374,460 - wissenschaftlicher 436,728f., 1049, 1111 Frage 361 - moralische 732, 914 - nach der Moral 814 - ökologische 765, 769f. - ökumenische 20 - soziale 248, 363,423 Frau(en) 312, 456, 621 - als Objekt 290 - Berufung der 351,1238 1505 - Bestimmung der 345 - christliche 1129 - Organismus der 1238 - polnische 242 - Rwandas 650 - samaritische 219, 353 - Solidarität unter 102 - und Mann 339, 1393 Freiheit 79, 90, 149,156, 166, 212,273f., 327, 379, 380, 382, 386- 388,401,441, 445, 499, 538, 608,781, 881, 920, 1003, 1190, 1307, 1449 - akademische 1021, 1025 - Autonomie der menschlichen 832 - der Bildung 702 - der Ehepaare 913 - der Forschung 1431 - der Kirche 94 - des Glaubenaktes 1438 - des Handelns 189 - geistliche 1375f. - Gefahren der 394 - Marias 72 - Polens 212 - radikale 1059 - Recht auf religiöse 933 - religiöse 75, 391, 409, 542, 786f„ 1170, 1190 - Sehnsucht nach 879 - wahre 147,274, 1380 - Wahrheit über die 211 - Weg der 376 - Wert der 1238 - wiedergewonnene 394, 1128 Freiheitsberaubung 442 Freiheitsliebe 211 Freizeit 1139f. Fremdarbeiter(n) 1330 Fremde 1007 - im eigenen Land 383 Fresko 88 Freude 103,110,706,1263 - christliche 532f. Freunde 331 - Christi 670 Freundschaft 451, 1228 Friede(n/s) 3, 18, 268, 332, 346f„ 395,438, 449, 569f., 611, 620, 669,764, 781, 861, 1064f., 1074,1146 - Aufbau des 534 - Berufung zum 1131 - Förderung des 1064 - für den Libanon 1089f. - für Liberia 101 - jeder Christ: Schöpfer des 629f. - wahrer 1057 Friedensstifter 3, 332 Friedhof(-höfe) - Polens 204 - römischer 1114 Frömmigkeit 134,699 - marianische 553,750f. Frohbotschaft - 500-Jahr-Feier der Ankunft der 1320 - in Übereinstimmung mit dem göttl. Heilsplan 1331 - verkünden 121, 246, 428, 430 - vom Heil 1335 Fronleichnamsfestes) - Liturgie des 946 Frucht/Früchte - bringen 288, 865 - der (ersten) Evangelisierung 974, 1294 - des Geistes 530 Fruchtbarkeit - Kontrolle der 621 - Regelung der 1238 Führungskraft(-kräfte) 608 Führungspersönlichkeiten) 610 1506 Fürst der Finsternis 1228 Fundamentalisten 1241 Furcht - des Petrus 962f. - vor dem anderen Menschen 1228 Fußballweltmeisterschaft 924-927 Gabe(n) 201 - der Gemeinschaft 824 - der Heilige Geist als 219f., 1059 - Gottes 569 Ganzhingabe - an den Herrn 44 - an Gott 64, 1209, 1385 - des gottgeweihten Menschen 978 - Ideal der 66 - Jesu 366,451 Gaskammern 176 Gastfreundschaft 1141 Gebet 19f„ 23,45, 130, 149, 185, 219,280, 305, 330, 362, 391, 557, 596, 903f., 1013, 1249, 1334, 1468, 1472 - Angelus 668 - der Buße 42 - des Papstes 584 - für den Frieden 158 - für die Missionare 1213 -Jesu 122,134,136,311 - kontemplative Dimension des 1243 - um Berufungen 271 - verändert 667 - Verkündigung wird 224 - Verpflichtung zum 1296 Gebetstreffen - für den Frieden in Assisi 1313 Gebot(e/es) 709, 1332 - der Bruderliebe 609, 1282 - der Liebe 1175 - der Nächstenliebe 557, 1331 - der Treue 345 - des Bundes und des Evangeliums 1233 - erstes 43 - fünftes 772, 1052 - G. befolgen 315,466 - Gottes 732 - Jesu 344, 557, 591 - neue 330 - viertes 665 - Zehn G. 401 Geburt(en) - der Kirche 928 - des Sohnes Gottes 64 - im Alten Testament 72 - Jesu 36, 63, 70, 88 - von Kindern 891 Geburtenkontrolle 592 - Unterdrückung durch 913 Geburtenregelung 1237 Gefängnis 441, 734, 1061 Gefängnispastoral 442 Gefahr(en) 349,367,373 - durch Sekten 1005, 1197, 1344 - einer Trennung von Glaube und Kultur 1137 - für Christen 826 - für den Glauben 482 - im modernen Sport 925 Gefangenschaft - Zeit der babylonischen 79 Gegenwart - Christi 205 - göttliche 621 -Gottes 35,41,280,673,1196 Geheimnis - Christi 13, 59,494, 1167,1169, 1222, 1246,1251, 1269, 1313,1322, 1412, 1474 - christliches 1200 - der Ankunft des Messias 104 - der Erlösung 1176, 1219, 1229 - der Gnade 114 - der göttlichen Heilsordnung 1296 1507 - der Heiligsten Dreifaltigkeit 6, 71, 208, 1247 - der Menschwerdung 71, 73,79f., 87-89, 96, 116,422, 771, 1080, 1219,1267f., 1308 - der Schöpfung 1176 - des Heils 1256,1469 - des leidenden Messias 67 - Gottes 1230, 1256, 1410 - österliches 1171 Gehorsam(s) 389, 504, 572, 1041, 1375 —sgesinnung der Priesterseminaristen 132 - evangelischer 628, 637, 1379f. - gegenüber dem Bischof 982 - gegenüber dem Papst 793 - gegenüber der Autorität der Kirche 887 - kirchliche Dimension des 132 - vom Glauben beseelter 133 - zum Vater 219 Geiselnahme 4 Geist(es) - als „Atem Gottes“ 153 - als Geschenk 35 - der Wahrheit 174, 261, 916,1265,1308, 1384 - des Herrn 737 - des Opfers u. des Gehorsams 1455 -Eigenschaftendes 47f., 170 - Früchte des 530 - G. gleich pneuma 146 - göttlicher 47, 53 - Gottes 5-8, 13, 15-17, 29-31, 34, 37, 40,42, 1384 - im Alten Testament 153-155 - in der Sprache der Bibel 8 - ist das Prinzip neuen Lebens 146 - Kraft des 227 - menschlicher 1142L1145 - missionarischer 1336 - Mut und Licht des 1219 - neuer 36, 42 - ökumenischer 542 > - prophetischer 30 - und Sohn 208 -und Weisheit 34,46-49,185 - und Wort 6,46, 49 - Wirken des 1219 Geisteskranke(n) 1144 - Problem der 1145 Geisteskrankheiten) 1144f. Geistigkeit 1235 Geld 444 Gelübde 572, 804, 843, 1011, 1051, 1278,. 1375, 1393 - von Jasna Göra 1051f. Gemeinde 1181, 1293 - bürgerliche 795 - christliche 270, 1007, 1196 - messianische 154 - örtliche 1327 - und Migrant 1007 Gemeindeemeuerung 1332 Gemeindeleben - Teilnahme am 487 Gemeingut 732 Gemeinschaften) 222, 422, 488, 692, 824, 861f., 928f., 1257, 1259,1326 - aus vielen Rassen bestehende menschl. 1314 - christliche 18, 95, 163, 633, 755, 758, 1269 - der Apostel 436 - der Bischöfe 1103 - der Gläubigen 387 - der Kirche 22,473f., 1282,1479 - der Liebe 1232 - des Dienstes 816 - des Glaubens 416, 1481 - der Ordensleute 1385-1388 - eucharistische 950 - internationale 218,347,439,440,445, 566f„ 645, 861 - katholische G. in Tansania 571 - Kirche als 932, 1257,1337 - Kirche als G. der Getauften 1323 - kirchliche 82, 232, 260, 308, 327,453, 559, 562, 624, 679, 757, 775,1197f., 1319, 1385-1387,1425 - mit Christus in der Eucharistie 1302 - mit den Hirten der Kirche 1325 1508 - mit der Kirche von Rom 259 - mit Gott 19f., 834, 1243 - muslimische und katholische 306 - nationale 608 - politische 892 - priesterliche 1486 - universale G. der Kirche 22, 233, 473f. - Wachstum der kath. G. in Korea 1334 - zwischen Gott und Menschen 3 Gemeinschaftlichkeit 277 Gemeinschaftsleben 712 Gemeinwohls) 217, 247, 284f., 413,446, 462, 709 - Dienst am 289, 375, 446 - Förderung des 657, 705 - Kultur des 705 - Sorge um das 235, 1450 Generalabsolution - setzt besondere Notlage voraus 1302 Generalversammlung - der Bischöfe Lateinamerikas 422, 970, 983 Gentechnik 374 Genußsucht 1237 Gerechtigkeit 237, 318, 444, 449,522, 625, 644f., 814, 1307 - Engagement für die 424 - Förderung der sozialen 1027 - Gottes 735 - internationale 26 - Kampf für die 378 -soziale 463,687,981,1451 - und Barmherzigkeit 790 - und Recht 788f. Gericht(e) 174 - Zuständigkeit der kirchlichen 791 Gerichtshof - der Rota Romana 788 Geschenk 35, 55, 220f. - der Eucharistie 944-946 - der Keuschheit im Zölibat 1106 - des Priestertums 450-453 - Ehe als 790,1238 - Gottes 1196 - Jesus ist G. für den Menschen 1234, 12641 - Leben als 757 - österliches 281 Geschichte 318,381,426,522,933 - Anfang der menschl. 1228 - christliche 397,427 - christliche G. Mexikos 426 - der Kirche 357, 384, 894,1355 - der Patriarchen 15 - der Slawen - Israels 15, 32, 34, 36, 65 - jedes Menschen 465 - jüngste 5371 - menschl. G. und göttl. Transzendenz 494 - Polens 10511 Gesellschaft 76, 222, 243, 285, 351, 388, 443, 446,453,456-458, 523, 544, 592, 604, 735, 828, 920 - „entwickelte“ 318 - Achtung der Familie in der 892 - Aufbau der 580, 1282, 1294 - bedrohte 537 - brasilianische 1316 - burundische 615 - christliche 530 - der G. Wunden zufügen 492 - der Vatikanischen Sternwarte 9971 - des Tschad 330, 350 - dogmatische Grundstruktur der menschl. 1465 - Elite der 537 - Entwicklung der G. Maltas 528 - Errichtung einer menschlicheren 1333 - Familie als Keimzelle der 526, 592,1318, 1349 - freie 431 - friedliche 766 - grundlegende Werte der 308 - heutige 460, 832, 1027 - Kirche und 256, 1341 - komplexer werdende 1336 - Leben der 217 -mexikanische 431,481 - moralische Qualität einer 609 1509 - ohne Gott 480 - philipinische 1345f., 1349 - pluralistische 884, 1252, 1286 - positive Sicht der 237 - Probleme in der 561,731, 907, 942 - rwandische 658 - Struktur der 463 - Strukturwandlungen in der 505 - Umstrukturierung in der 390 - Wandel der 714 - Wiedergeburt der 389 -Zukunftder 751 Gesetz(e) 235 - des Mose 106 - kirchliche 1097f. - moralische 235f. Gesetzgeber 374 Gesetzgebung 235, 459, 483 Gesetzlichkeit 712 Gesinnung - kirchliche 1386 Gesundheit 317, 351,609, 667, 81 lf. Gesundheitsdienst 728 Gesundheitspersonal 609 Gesundheitspflege 810 Getaufte 1221, 1323,1332 Gewalt 56, 181,187,218, 449, 463, 605, 692, 734,785, 922f„ 1152 - Formen der 717 - hohes Maß an 1342 - Opfer der 717,785 Gewalttätigkeit 285,1305 Gewalttaten 143 Gewerkschaften 374 Gewissen(s) 66, 72, 235, 353, 444, 504, 692, 745, 814, 887, 1052, 1336,. 1439 - Bedeutung des 947f. - der Nation(en) 378, 564 - religiöse 1342 - soziales 424 - Verantwortung der menschlichen 212 - Wahrheit des 353 Gewissensbildung 262, 624, 1306, 1328 Gewissenserforschung 318 Gewissensfreiheit 90, 302, 379, 652, 1051 Gier 826 Giftmüll 767 Gläubige(n) 240, 376, 448, 597, 829, 1091, 1158,1292 - alle 192, 641 - als Bürger zweiter Klasse 410 - befreit die 227 - Bildung der 577, 1249 - Erziehung der 427 - Gemeinschaft der 387 - Heiligung der 37 - Pflicht der 192 - Streben der G. nach Heiligkeit 238,659, 1310 - Unterdrückung d'er 405 f. Glaube(n/s) 133, 203,245, 260, 265f., 305, 308f., 340, 366, 401,403,414, 518, 597, 615, 652, 692, 748, 916-918, 943, 952f., 1142, 1166, 1243, 1251, 1411, 1439, 1467, 1478, 1481 - Abrahams 366 - als Quelle des theologalen Lebens 1248 - als Werkzeug 1243 - an Jesus Christus 579, 776 - Anforderungen an den 1342 - apostolischer 1478 - christlicher 524 - der christlichen Urgemeinde 123,146 - der Kirche 200 - der Menschen 696 - des Gottesvolkes 1483 - Dynamik des 661 1510 - echter 840 - Einheit im 21f., 400, 541 - Elemente des 653 - erleuchteter und reifer 1244 - Familie, der Ort der Weitergabe und Bewahrung des 1317 - fördert Gemeinschaft und Dialog 1246 - Gebote des 1332 - Gefahren für den 482 - Gemeinschaft des 416, 1481 - Geschenk Gottes 1196 - Grandaussage des christl. 1471 - Inkulturation des 640 - katholischer 536 - Pädagogik des 1246 - Prüfung des 396 - Quellen des 88 - Realismus des 1247 - strebt nach Erkenntnis 1429 - Treue im 386, 448 - und Alltagsleben 1332 - und Kultur 384, 838f„ 1008,1137, 1252 - und Vernunft 1018, 1022, 1030, 1076, 1249 - und Wissenschaft 702 - Verbreitung des 640, 1197, 1210, 1465 - Verteidigung des 792, 794 - wahrer 274 - wird duch Theologie mitteilbar 1429 - Zeichen des gereiften 1213 - Zeugen des 416, 1172 Glaubensakt(es) - Freiheit des 1438 Glaubensauffassung - private 487 Glaubensbekenntnis 70, 87, 89, 145, 201, .241, 264,314,416, 1479 - des Simon Petrus 67, 264, 267 - nizäno-konstantinopolitanisches 200-203, 207,210, 817 Glaubensbereitschaft 921, 1252 Glaubensformel(n) - dogmatische 1466 Glaubensgeheimnis(se) 1482 Glaubensgewißheit 12 Glaubenslehrer 1243 Glaubenswahrheit 201, 1470 Gleichgewicht - internationales 440 - ökologisches 765,767 - zwischen Spiritualität und Handeln 1339 Gleichgültigkeit 271,290, 435, 481,1269 - religiöse 449, 1315, 1485 Gleichheit 284 - aller Völker 567 Gleichnis 594,12751 - vom Guten Hirten 4201 - vom Guten Samariter 7171 - vom Sämann 999 - vom Sauerteig 217 - vom Weinberg 8651 - vom Weinstock 1323 - von den Arbeitern im Weinberg 687 - von den Talenten 532 - von den zehn Jungfrauen 722-725 - von der guten Saat und vom Unkraut 10031 Glück(s) 120,532,881 - Maßstab des 954 - trügerisches 308 - wahres 87,735 Gnade 112, 268,426, 466, 554, 912, 1077, 1219, 1228,1263,14661 - Anhänger anderer Relig. empfangen Gottes 956 - der Freundschaft mit Gott 1228 - der Weihe 57 - Geheimnis der 114 - geistgeschenkte 72 - Geschenk der 71 - göttliche 1237 - Gottes 999, 1171, 1334 - Ursache der 112 - Zeugen für das Wirken der 1339 Götzendienst 35, 46, 545, 826 1511 Gott(es) 58, 62, 71, 73, 89, 130, 207, 299, 307,428f., 465f., 472, 569, 627,735, 832-834, 1231, 1295, 1330, 1343, 1473f. - als Befreier 139 - als Schöpfer 832, 1102 - Auftrag 522, 1439 - Autorität 1076 - Begriff von 832 - Beziehung zwischen G. und Maria 70f. - Beziehung zwischen G. und Menschen 72, 79, 141, 146, 169, 308 - biblischer Begriff von 47 - danken 912 - der Heilige Geist ist 201 - der Offenbarung 1248 -Familie 81,270,312,1327 - Ganzhingabe an 64, 1209, 1385 - Geist 5-8, 13, 15-17, 29-31, 34, 37,40,42, 1384 - Gegenstand des Glaubens und der Theologie 1474 - Gegenwart 35, 41, 280, 673, 1196 - Geheimnis 1230, 1256, 1410 - Gemeinschaft mit 19f., 834,1243 - Geringschätzung 461 -Gnade 999,1171,1334 - Haus 35, 37 - Herrlichkeit 877 - ist Liebe 939 - Liebe 3, 36, 80, 185, 214, 261, 306,434, 666, 745 - Liebe zwischen G. und Menschen 80 - Macht 20, 42, 962 - Mensch sucht 461 - Offenbarung 1168, 1427 - personale Beziehung zu 73 - Plan 290, 298, 306,455, 528, 592, 654, 734f., 931 - Ruf 262, 275,408, 627, 1374,1487 - Selbstoffenbarung 153 - Treue zu 825 - und Mensch 41, 49, 311, 674, 764, 1467 - Vaterschaft 136, 188, 824, 1232 - Vergebung 40 - Weg der Rückkehr zu 1041 - Wesen 213 - Wille 307, 503, 582, 745f„ 914, 921 - Wirken 428 Gott-Mensch-Beziehung 1248 - personale 81, 470, 495 Gottesbegegnung 674 - Wüste als Ort der 130 Gottesbeziehung - persönliche 72 Gottesdienst - christlicher 1300 - im AT 34f. Gottesfeme 1250 Gotteskinder 311 Gotteskindschaft 56, 185, 771, 869 Gottesknecht 51-55 - Lied vom 123 Gottessohn(es) - Einheit des S. mit dem Vater 173 - Gehorsam des 132 - Heiligung des 97 - ist wahrer Mensch u. wahrer Gott 96 - Knecht 123 - personale Beziehung des S. zum Vater 172 Gottesvolk 196, 336, 529, 594f„ 614, 636, 655, 747,932, 976, 1290, 1292, 1386, 1483, 1485 Grab 74,204,395 - das leere 878 Grenzen - des menschlichen Lebens 1269 - gesperrte 120 Gründonnerstag 870, 872 Grundgesetz - der Bundesrepublik Deutschland 1123 Grundrecht(e) 1449 - unveräußerliche 920 1512 Grundsatz(-Sätze) - christliche 429 - ethische 567 Grundwerte 1465 Gut(Güter) 257, 374, 720 - der Erde 286 - der Schöpfung 445 - gerechtere Verteilung der 1265f. - irdische 447, 462 - materielle 290,445, 826, 1088 Haben oder Sein 825f. Häresie(n) 1245, 1483 Handeln - Gottes 1102 - öffentliches 319 Handelsaustausch 1449 - Aufrichtigkeit im 1451 Handlungsautonomie - der Kirche 514 Haus 619 - „gemeinsame Haus“ Europa 920 - Gottes 35, 37 Hauskirche 622, 1277, 1318 Heiden 231,239,1180 Heil(s) 271, 390,429, 1171f„ 1174,1177, 1201, 1263, 1287, 1296 - Bote des 255 - Botschaft des 107, 1335 - des Menschen 150,1171 - Dienst am 289 - Geheimnis des 1256, 1469 - in Christus 1332 - Jesus ist Urheber des ewigen 132 - Kirche als Zeichen universalen Heils 928 Heilige Familie 250, 619f., 622 Heiliges Land 1010 Heilige(n) Schrift - göttl. und zugleich menschl. Charakter 1241 - grundsätzliche Bedeutung der 1475 - Jesus Christus als Mitte der 1476 - Mißbrauch der 1297 Heilige(n) 131, 205, 396f., 899, 974,1086-1088, 123 lf. Heiliger(n) Geist(es) 4-7, 58f., 64f., 71f., 81, 88,102, 104, 107, 111, 118,122,124, 127, 177, 183,202, 224, 240,775, 817,929-931, 1178,1235,1241,1467, 1472 - als (dritte) göttliche Person 5, 49, 159,171, 178-180,196,203 - als Gabe 219f., 1059 - als Geschenk 220f. - als lebensspendendes Prinzip der Kirche 225 - als Liebe 214 - als Person 58, 60, 71, 121, 153-155, 159-161, 169, 174, 183,188 - als personale Liebe 220 - bewirkt Einheit der Christen 232f. - Gegenwart des 35 - im Alten Testament 5,51 - im Neuen Testament 168 - in den Konzilien 207-211 - in der Urkirche 201 - ist die „Seele“ der Kirche 225f., 231 - Kraft des 100, 353 - Macht des 136 - Offenbarung des 79, 135, 141, 928 - Quelle der Heiligkeit 238 - Quelle der universalen Gemeinschaft 233 - Quelle neuen Lebens 10 - Rolle des 58 - Spender aller göttlicher Gaben 203 - unter Beistand des 1467, 1475-1477, 1483 - unter Führung des 1244, 1469 - unter Inspiration des 1477 - Ursprung des 208 - Wahrheit über 70 - Werk des 96, 98 - Wirken des 11, 62, 88, 503, 1182f., 1478-1480 - Wirken im Leben Christi 59 Heiliger(n) Stuhl(s) 75, 439f„ 854, 1066 1513 - Beitritt des Hl. Stuhls zur Konvention über die Rechte des Kindes 1452-1454 -Dienst beim 1159f. - Treue zum 793 - und die Bundesrepublik Deutschland 1123 - Verbundenheit mit dem 386 - Vertrag des 348 Heiligkeit 96f., 180, 226, 814, 1060, 1220f„ 1243 - der Kirche 226,238,241 - fundamentale Bedingung für Heilssendung 1220 - Heiliger Geist ist Quelle der 238 - im AT 34-37 - in der Kirche 239 -i Mariens 239 - persönliche 1309f. - priesterliche 1084 - Streben (der Gläubigen) nach 238, 659, 1310 Heiligsprechung 659 - der hl. Agnes von Böhmen 75, 77 - der Marguerite d‘ Youville 1231 Heiligtum(-tümer) 415,432, 685, 689, 1141 - „Loyola- „ 927 - Basilika in Yamoussoukro 672 - der Jungfrau geweihte 405, 672 - des hl. Johannes des Täufers 84 - von Barmasc 126, 999f. - von Guadalupe 83 - von Jasna Gora 38,55,1051 - von Levoca 121 - von Velehrad/Mähren 906 Heiligung 393, 859, 1060, 1126, 1287 - der Gläubigen .37 - des Gottessohnes 97 - in Christus 147 - menschliche 240 Heilsbotschaft - Verkündigung der 1242 Heilsdimension - universale 8 Heilsgeschichte 428, 1300 Heilsmysterium - christliches 1472, 1481 Heilsordnung - Geheimnis der göttlichen 1296 Heilsplan - Frohbotschaft in Übereinstimmung mit dem 1331 - Gottes 1169 Heilssendung 169 - der Kirche 1220,1323 Heilswahrheit - Gottes 1473 Heilsweg 502 Heilswerk - Mitarbeit am 1222 Heilswille 353, 1472 Heilswirken - Gottes 170, 1301 Heilswirkung - des Wassers 353 Heilungen 149, 470, 801, 1174 Heimat 143,148 Heirat 1488 Heiratsgebräuche 593 Hermeneutik 1463 - anthropozentrisch ausgerichtete 1464 - in der Schrift 1468 - kulturübergreifende 1463f. - metaphysische 1464 - positivistisch orientierte 1464 Hermeneu tischer Zirkel 1463 Heuchelei 387 1514 Hierarchie 1291 - Aufbau der kirchlichen 975 - der Werte 258, 462 - kirchliche 572, 975,1104, 1440 Hilfe - der deutschen Katholiken 24 - für die Armen 193 - für Flüchtlinge 995 Hilfsorganisation (en) - katholische 1147, 1149 Himmel 281,466 - neuer 1233 Himmelfahrt - des Herrn 543,585 Himmelreich 324, 1004 Hinduismus 955 Hingabe 116, 120, 329, 361, 1119, 1279f. - an Christus 804, 808, 1401 - aufrichtige 706 - Christi 1175, 1251 - elterliche 836 -volle 152,418,437,1374 Hirte(n) 57,321 - Aufgabe der 272 - der Gute H. 420f., 474f., 1485, 1487 - falsche 421 - Lehramt der 1431-1433 - wachen über die Einheit 1440 Hirtenamt 648 Hochzeit - Christi 723 - von Kana 526, 552 Hoffnung 110, 151,297, 436, 533, 941, 1243, 1480 - auf die Zukunft 434 - auf eine vereinte Welt 855 - auf Rettung 107 - christliche 466, 1308 - der Kirche 1221 - der Menschheit 777 - messianische 52, 54 - zu organisieren 705 Hoffnungslosigkeit 587 Humanisierung 390 Humanismus 1043 - christlicher 1044 - echter 285 - neuer 1447 Humanwissenschaften 1430 Hunger 26,55,1148 - leiden 316 - nach Gott 1230 Hungersnot 640, 642, 644, 658 Hymnen - von Qumran 36 Hypostatische Union 89, 96,98 ' Ideal(e) 66,532 - christliches 748 Identität 427 - christliche 305,456 - der Kirche 226 - des Menschen 456 - eigene 265,386, 1218 • - geistige 380 - historische 413 - nationale 82 - priesterliche 1486 Identitätskrise - in Malta 539 Ideologie(n) 308, 360, 364, 376, 378, 380, 480,776 Idol(e) 978 Ikonen 88 Immanentismus 935 1515 Indikatoren - wirtschaftliche 611 Individualismus 714,720 - Versuchung des 925 Industrialisierung 161 Industrie 358 Industriegüter 460 Industriezeitalter(s) - Versuchung des 358 Informatik 374 Infrastrukturen) 319 Inkarnation - des Ewigen Wortes 98 - einer Wahrheit 1481 Inkulturation 211,285,342, 656, 660,1198f., 1212,1218,1283 - des Dogmas 1466 - des Evangeliums 974,1078, 1180, 1339 - des Glaubens 640 - echte 1314 - neue I. des Christentums 690f., 1198 Institut(e) - Autonomie der 1419 - der Schönstätter Marienschwestem 1094 - des aktiven Lebens 1209 - des kontemplativen Lebens 1208,1410-1414 - Eigenrecht der 1414 - Ökumenisches I. von Bossey 817 - Zusammenarbeit der 1420f. Institution(en) 705,801 - der Pastoralräte 1324 - Familie als 1281 - synodale 1260 Intellektuelle 378, 491,493, 495, 537, 540, 607, 609, 656-659 Intelligenz 609,998 - des Menschen 369, 374, 1143 Interdisziplinarität 1023 Interesse - politisches 438 - wirtschaftliches 438,446 Internationale Bibelgesellschaft 1242 Internationale Ministran ten Vereinigung 1054 Internationale Vereinigung - katholischer Apotheker 1116 Internationaler Rat - für die Katechse (COINCAT) 1072f. Internationale(n) Theologenkommission (ITK) -Dokument der 1462-1483 - Statuten der 1462 Internierung 392 Interpretation - eines Dogmas 1462-1483 - und Tradition 1463f. Intoleranz - religiöse 954f. Islam 302,579,786, 954f. Islamisierung 1339 Israeliten 354 Jesus (Jesu) Christus (Christi) 12, 57-61, 63, 68, 71, 102, 113, 128, 130, 134, 146, 177, 207, 243, 250,296, 335, 365, 395, 398,400, 429,437,441, 472,475, 625, 692, 736, 742, 824, 856, 858, 877, 928, 945, 955, 1234, 1251, 1262-1265, 1302 - Abschiedsrede 173, 175, 219 - als (wahrer) Freund 408, 651 - als Bräutigam 725 - als Mensch 219, 367 - als Mittelpunkt 470, 1478, 1484 1516 als treuer Zeuge 873 als Vorbild 113,476,1058 als zweiter Adam 546 am Kreuz 420, 992 auf Golgotha 139 Auferstandener 13,227,403,600 Auferstehung 146, 159, 314, 928 Auftrag 315,544 Autorität 388 befreit 879,979 Beziehung zwischen Chr. und Adam 146 bleibt dem Gebet eng verbunden 134, 136 Chr. im Kranken 1139 das Leben 169, 863 der (göttliche) Erlöser 246, 269, 541, 555, 875, 1167-1169,1240 der Gute Hirte 420f., 474f., 1485, 1487 der Hohepriester 1485 der König 223f., 599 der Messias 5, 281, 311, 963 der Retter 273, 1240 Einheit mit 469, 473, 1213, 1323 Empfängnis 63f., 70, 87, 89 endgültige Offenbarung Gottes 1477 erfüllte seine Sendung 311 Erziehung J. durch Maria 144 Ganzhingabe 366,451 Gebet 122,134,136,311 Gebote 344, 557, 591 Geburt 36, 63, 70, 88 Gegenwart Chr. 205 Geheimnis Chr. 13, 59, 494,1167, 1169, 1222, 1246, 1251, 1269, 1313, 1322, 1412, 1474 geistliches Wachstum J. 112 Geschenk J. an seine Jünger 219 heilte ihre Krankheiten 589, 633 heißt: Gott rettet 1229 im Abendmahlssaal 506, 585, 756, 870, 916, 931, 944f im NT 502, 652 im Tempel 106f„ 111, 117, 619, 622 in der Synagoge 169,452,736 in der Wüste 45,127,129 ist das Leben 941 ist der ewige Priester 450 ist gegenwärtig 721 ist Mittler 674,876,1169 Jünger Chr. 305, 396 J. Chr. verkünden 428 - Kraft Chr. 294 - Kreuzweg 876 - Lehre 524 - Lehrer (der Bergpredigt) 460, 1473 - lehrt 135 - Leib Chr. 97, 146, 225-227,. 233, 260 - Leiden Chr. 12, 69, 132 - Liebe Chr.. 256, 322, 509, 666, 880 - menschgewordener Söhn Gottes. 59,311 - menschgewordenes Wort Gottes 1467 - Menschsein Chr. 97' - Menschwerdung 190, 230, 723, 1080 - messianische Tätigkeit J.. 97, 171, 225, 323, 475 - Offenbarung 59,222, 1340 - Opfer 116, 674, 939, 1303- - Opfertod am Kreuz 67, 140, 167, 1083 - Selbsthingabe Chr. 215, 366, - Sendung 121, 147, 417, 452, 858,1165 - Sinn der Ankunft Chr. 58: - Sohn Gottes 8, 64, 117, 159; 264,269, 507, 631,748, 1169, 1172 - Tod 140, 868, 992, 1050, 1115 - Tod und Auferstehung Chr. 1302 - Trennung von 395 - und die Apostel 314£,670 - und die Kranken 149, 470 - und die Samaritanern 674 - und Kultur 1417 - und seine Jünger 19, 345 - Wahrheit über 70, 173,404, 740f„ 803f„ 1471 - Weisungen 135, 200 - Zugehörigkeit zu 9, 263 Jesuskind 246 Johanniter-Orden 92 Juden 231 - fromme 106 -und Christen 848,1165 - Vernichtung der 936, 1122 Jünger 19, 67, 1341, 144,170, 173, 2801, 284,335,345,435,616, 929 - Auftrag Jesu an die 544 - Christi 305, 396 - Christi sein 824, 1356 - im Abendmahlssaal 613 1517 Jugend 312, 531-535, 556-559, 624, 828, 863f„ 1071,1188, 1281, 1488 - Bildung und Kultur der 1416 - Erziehung:'der 848f., 899f., 1063, 1087, 1128,1130 - Fragen und Probleme der 359-362, 501-505, 651-655 - ist die Hoffnung der Kirche 1415 Jugendarbeitslosigkeit 711 Jugendliche(r/n) 126, 274, 307, 359-362,431, 4341'.. 502, 622, 718, 853-857, 883, 898-900, 1055, 1328 - als Opfer 1156 - Aufgabe der 361 - in aller Welt 309 - Unsicherheit vieler 1452 - Urteilsfähigkeit der 431 - Verantwortung der - 408 Jugendpastoral 164,548 Jungfräulichkeit -Marias 64f., 72f., 88,’151 Jungfrauen - Gleichnis von den zehn 722-725 Jurist(en) 607 Kampf - für die Gerechtigkeit 378 .gegen den Satan 128 -«zwischen dem Guten und dem Bösen 1228 Kanon - der Römischen Synode von 382 202 - hl. Schriften im K. zusammengefaßt 1475 Kapital 463 Kapitalismus 444 Karfreitag 68, 876, 1263 Karriere Katechese 7, 224, 298,430, 907,1072-1074, 1299, 1321,1343 - der Eingeborenen 426 - Soziallehre als Teil der 1328 Katecheten 1210f. Katechisten 337 Kathedrale 279,469, 541, 598, 641,747 Katholiken 319,606,1331 - alle 1101 - als Minderheit 25, 27, 301 - Aufgabe der 659 - belgische 996 - Berufung als 539 - Burundis 617f. - des orientalischen Ritus 960 - deutsche 24,27,316 - deutschsprachige 957-959 - Italiens 907 - japanische 1333 - maltesische 541-543 - mexikanische 427 - rwandische 640, 663 - tansanische 576 - und Anglikaner 968 Katholikentag - Deutscher 920f. Katholische(n) Universität 1017-1036 - allgemeine Normen für 1031 - Auftrag der 1019, 1026,1036 - Errichtung einer 1033 - Forschung an einer 1022 - Theologie und 1023 -und Kirche 1025,1034 - Universitätsseelsorge an einer 1028f., 1035f. - Wesen einer 1032 - Wesensmerkmale der 1021 Katholische Welt-Bibelföderation 1242 Katholisches Büro - für Notstand und Flüchtlinge (COERR) 822 1518 Katholizität 601, 1217, 1478, 1482 - der einen Kirche Christi 1329 Kerze - Symbol des Lichtes 305 Ketten - totalitäre 217 Keuschheit 627, 654, 1106, 1376-1378, 1393 Kind(er) 285, 418,431, 457, 621, 836, 890, 1066-1068, 1453 - annehmen 891 - Erziehung der 345, 458f., 582, 596, 624, 721 - Gottes 185,456, 465, 606 - ist Krönung der Liebe 1238 - Rechte der 457, 1066, 1452 - sind die Zukunft der Gesellschaft 751 - Unschuld der 418 Kindererziehung 345,458f., 582, 620, 624, 721 Kindheitsevangelium Jesu 101, 106, 108, 111 Kindheitsgeschichte Jesu 113 Kindschaft 1228 - Gottes 455 Kirche 99, 234,257, 264,269f., 284, 330, 379, 389, 396,421, 423,432, 470, 492, 874, 887f„ 1206, 1240, 1256, 1275, 1295, 1314, 1478 - als (mystischer) Leib Jesu 226, 1295, 1329, 1467L,1472 - als Bauwerk 673 - als Gemeinschaft 932, 1257,. 1337 - als Gemeinschaft der Getauften 1323 - als menschlicher Leib 231 - als messianisches Volk 1323 - als priesterliches Volk 1323 - als Säule und Fundament der Wahrheit 1468 - als Sakrament des Heiles für alle 1295 - als Volk Gottes 1292 - als weltumspannende Familie 1338 - als Zeichen des universalen Heils 928 - auf den Philipinen 1342f. - Apostolat der 271,384 - Apostolat in der 871 - Aufbau der 271, 299, 1329 - Aufgabe der 315,429, 597, 658f., 800, 960, 1059, 1186, 1205, 1244, 1286, 1318 - Auftrag der 413,421, 438, 574,1123 - berufen, Sauerteig zu sein 1330 - Berufung der 678 - Beziehungen zwischen Staat und 83 - Christi 674, 865f. - Definition 1287 - der Antillen 1277 - des Libanon 1152f. - des Schweigens 376, 385 - Dienst in der 272, 315, 325, 385, 966, 1246 - ein Heilsweg unter vielen 1327 - Einheit (in) der 109, 232,259-261, 336, 387f., 453,47lf., 474, 625,741, 749,834, 1265,1288, 1311, 1323,1355, 1358, 1363f„ 1440, 1481 - Entwicklungsprozeß der 226, 933 - Finanzen in der 908 - Förderin besserer menschl. Verhälnisse 1296 - Freiheit der 94 - Freiraum der 392 - Geburt der 58, 928 - Geburtstag der 1312 - Gemeinschaft (mit) der 22, 473f., 1282, 1479 - Geschichte der 357,384,894,1355 - Glaube der 200 - Gliederder 1281 - großer Advent der 1232f. -Handlungsautonomieder 514 - Heiliger Geist ist die Seele der 225f.,231 - Heiligkeit der 226, 238f., 241 - Heilssendung der 1220, 1323 - Herausforderungen an die 1321 - Hierarchie 572, 975, 1104, 1440 - Identität der 226 - im Dialog 21 - im Tschad 327, 329, 334 - in Afrika 157, 288, 305, 320-322, 574f„ 602, 661, 677-680 - in Asien 953-957,1344f. - in Bolivien 1279f. - in Brasilien 1306 - in Burkina 312 1519 - in Burundi 613, 623 - in den Niederlanden 1123f. -in der Welt 780,1085 - in dieser Welt 261 - in Gozo 529 -in Italien 890,906-908 - in Japan 1330-1333 - in Korea 1333-1337 - in Korinth 594 - in Lateinamerika 426,482,496, 969, 974, 981, 1320 - in Malaysia, Singapur und Brunei 1338 - in Mali 301-304 -inMalta 513,515,536,544 - in Mexiko 83-85,417,483 - in Spanien 1136, 1253 - in Tansania 571, 573, 595,599 - in Vietnam 1359 - ist Geheimnis der Gemeinschaft 1440 - ist gesandt, um zu dienen 1335 - ist heilig 241 - ist hierarchisch 1323 - ist missionarisch 95, 1204,1330 - ist Sakrament des Heils 264,1177 - ist Sakrament der Paradosis 1479 - ist Zeichen der Einheit Mensch - Gott 488, 1440 - junge 564, 656 - katholisch-orientalische 1096-1101 - katholische 21, 327, 513, 542, 642, 794 - katholische und orthodoxe 965, 1068f. - kontemplative Institute in der 1410 - lateinische 1096 - Leben der 388, 1323 - Lebenskraft der 75 - Lehramt der 202, 689, 745, 910, 1237, 1241, 1431-1441, 1483 - Lehre der 1470, 1474 - Lehre über die 976 - Liebe zur 889 - Merkmale der 240 - Missionarität der 758f. - Mission der 602, 660, 956, 1092 - Missionsarbeit der 163,602,660, 1167, 1205 - Missionstätigkeit der 233f., 1184, 1188, 1191-1193, 1210, 1320 - nachkonziliare Arbeit der 1300 - Natur der 483 - orientalische 209, 1100f., 1365 - Ostererfahrung der 74 - Paradosis der 1465f., 1471f., 1480 - pilgernde 1330 - Pluralismus in der 482 - Probleme der 907 - Recht und Pflicht der 1306 - Rolle der 1171 - russisch orthodoxe 902 - Sendung der 256, 278, 284, 332, 390, 482, 775, 849, 858, 938, 1090, 1112, 1167, 1180, 1206. 1286, 1324, 1327, 1346f. - Solidarität der 387, 499, 710 - Soziallehre der 321,424,443-445,463, 522, 733, 1276, 1283, 1307, 1327f„ 1336 - spezifischer Beitrag der 262 - Struktur der 871 - syro-malabarische und syro-malankarische 1363-1367 - trägt Sorge für die Kranken 897 - Treue zur 489, 1025 - ukrainisch-katholische 960f. - umwandeln 1437 - und (polit. oder wirtschaftl.) System 390 - und andere Religionen 885,1182 - und Familie 666,892, 1316 - und Gesellschaft 256,1341 - und Hl. Schrift 1475 - und Kath. Universität 1025,1034 - und Kommunikation 798f., 846 -undKultur 493,838,1018 - und Migranten 1007f. - und Militär 862 - und Politik 483, 921, 1286, 1306 - und Sport 924 - und Staat 83, 390, 606, 1123 - und Wissenschaft 1110 - und zivile Behörden 828 - unierte K. der Ukraine 109 - universale 2591, 293, 965, 1096-1098, 1217, 13341 - universale Gemeinschaft der 22, 233,4731 - Unterdrückung der 75, 77 - verkündet (das Reich Gottes) 1257, 1296 - Verkündigung der 256, 1177, 1465, 1481 - von Benevent 5591 - von Neapel 704, 706, 713, 715 - Wachstum der 282, 1329 - wahre 675 - Wesen der 1296 - Wirken der 255 1520 - Zeugnis der 99, 817, 1178, 1428, 1468, 1472 - Zukunft der 57, 509, 1092 Kirchenbewußtsein 487 Kirchengeschichte - bedeutende Kapitel der 1320 Kirchenlehrer 744 - mystischer 1243, 1246 Kirchenrecht(es) 788-791, 982, 1374, 1424 - pastorale Dimension des 788 Kirchenspaltung 961 Kirchenväter 202, 208f., 215, 221 - Lehre der 214 Kirchlichkeit 1325 Klassenkampf 463 Kleriker - und Laien 1043 Klerus 1300 Knecht Jahwes siehe: Gottesknecht König(s/e) - messianischer 53 - Salbung 16 Kollegialität - der Bischöfe 269,1258 - pastorale 714 Kollegium - apostolisches 679 - bischöfliches 1258 Komitee - Amerikanisches Jüdisches K. 847 - für Kampf gegen Dürre/Sahara (CILSS) 317 - Internationales Jüdisches K. für - Interreligiöse Gespräche 1163 Kommission - für religiöse Beziehungen zu den Juden 1163f. - Internationale Katholische K. für die Migration 993 f. Kommunikation 1189 - Medien der sozialen 365,484 - soziale 309,798 - und Kirche 798f., 846 Kommunikationsmittel - moderne 350 - soziale 845f., 901 - und religiöse Wahrheit 845 Kommunion 100, 116 - erste heilige 593 Kommunismus 954 Konferenz - Europäische K. der Familie 1070 - für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) 781 - von Puebla 427, 429 Konflikt(e) - zwischen den einzelnen Völkern 449 Konföderation - von Targowica 211 Kongregation(en) - der Benediktiner 569 - der Christlichen Brüder 848-850 - der Dienerinnen des hl. Herzens Jesu 418 - der Franziskanerinnen 1266 - der Franziskusschwestem von Vierzehnheiligen 990 - der Salesianer Don Boscos 898-900 - der Töchter von Maria, Hilfe der Christen 1128 - engl. K. des Oratoriums vom hl. Phil. Neri 949 - für die Evangelisierung 1212 - für die Glaubenslehre 1432f. - für die Institute des geweihten Lebens 1371 f. - in Rwanda 646 - Kleines Werk der Göttlichen Vorsehung 42 1521 Kongregation(en) der Apostol. Missionen - die Fromme Vereinigung 713 - von der Aufnahme Mariens in den Himmel 713 - von Santa Maria della Puritä 713 Kongreß - Internationaler Thomistenk. 1075 Konkordate - Reichsk. 1123 Konkurrenz 363 Konstitution(en) - dogmatische 1240 - Pastor Bonus 884f. - Sacrosanctum Concilium und ihre Anwendung 1300 Konsum 245, 285, 545 Konsumgesellschaft 826, 1416 Konsumismus 290,481,487 Konsummentalität 446,538 Kontemplation 280, 984, 1410 - Erfahrung Gottes auf dem Weg der 1244 - wichtigste Werke der 1412 - Zukunft der Mission durch 1221 Konvention - über die Rechte des Kindes 1066f., 1452-1454 Konversion 948 Konzil/Konzilien 89,207-211 - Apostelk. 1180 - I. K. von Konstantinopel (381) 200f., 208 - Lateran (IV, 1215) 209 - Lehre des 390 - ökumenisches K. (letztes) 961 - ökumenisches K. (XXI., 1962) 1256f. - ökumenisches K. von Florenz (1439) 207, 209f., 685 - ökumenisches K. von Lyon (II, 1274) 207, 209 - Reformkonzil von Trient 1245 - von Chalkedon (451) 209 - von Trient 1013 - Zweites Vatikanum 556, 560, 658, 678, 788, 807f., 819, 832, 967, 976, 1077, 1165f„ 1257f„ 1281,1290, 1371 Konzilsdekret(e) - Adgentes 758, 1150 - Optatam totius 819 - Presbyterorum ordinis 819 Konzilserklärung - Nostraaetate 1164 Konzilskonstitution(en) 1241 - Lumen Gentium 758 Konzilsväter 1240 Korruption 1192 Kosten - der Produktion 372 Kraft(Kräfte) - des Evangeliums 779, 955 - des Heiligen Geistes 100, 353 - des religiösen Glaubens 580 - göttliche 41 - soziale 712 Kranke(n) 126, 149f„ 391,408,470, 535f., 555, 568, 609, 616, 631-634, 727-729, 1050, 1126 - Betreuung der K. durch Ordensleute 1310 -Dienst am 809f., 812 - Kirche trägt Sorge um 897 - Verhalten Jesu zu den 470 - Würde des 1145 Krankenbesuch - Aufgabe des priesterl. Dienstes 149 Krankenhaus(-häuser) 632f., 727 Krankenhausseelsorger 729 1522 Krankenpastoral siehe: Pastoral Krankenpfleger,-innen 634 Krankenschwester(n) 632 Krankheit 470, 589f., 631-633, 654, 727-729, 801 Krankheiten) 1145 Kreuz(es) 68, 421, 696, 991f., 1088 - Christi 70, 110 - Jesu Opfertod am 67, 140, 167, 1083 - Macht des 590 - nachahmen 502 - Paradox des 54, 573, 589 -Weg des 518 Kreuzesopfer 139, 140f., 146, 1229 Kreuzestod - Jesu 69, 142 Kreuzzug(-züge) - heilige 1043 Krieg 347, 382, 402, 410, 768, 936, 1265 - am Golf 784 - im Libanon 806, 1152 - im Sudan 785 - kalter 782f„ 936 - von Polen 172 Kriegsgefangene 784 Kriegsmarine 1162f. Kriminalität - organisierte 730 Krippe 245 Krise 357, 447, 1317, 1407 - der Ethik 1077 - der Familie 1416 - moralische K. des Menschen 768 - ökologische K.(als sittliches Problem) 765-770,914 KSZE siehe: Konferenz Künstler 378 Kult(e) 674 - falsche 593 Kultfreiheit 302 Kultur(en) 285, 347, 380. 383f„ 432, 492, 495f., 684,701, 704, 778, 838, 850, 934, 986, 1037 - afrikanische 319, 350, 628, - anthropologische Dimension der 1110 - Ausbildung der Ordensleute und 1416f. - christliche 839 - der Slowaken 404 - des Gemeinwohls 704 - des Todes 718 - Einfluß der 703 - ethische Forderung der 702 - europäische 76, 379, 906 - Evangelisierung der 489, 1348 - Evangelium und 1029, 1189, 1417 - Glaube und 384, 838f„ 1008,1137, 1252 - heutige 1030 - humanistische 934 - Jesus Christus und 1417 - Mensch der 702 - menschliche 779 - moderne 717, 1189 - neue 893 - säkularisierte 516 - slawische 379 - und Bildung 431 - und Kirche 493, 838, 1018 - und Moral 290 - und Wissenschaft 1110-1114 - und Zivilisation 537 - verschiedene 92, 272 - Welt der 491 - zeitgenössische 901, 1112 Kulturtradition 308,703 1523 Kunstwerke - religiöse 505,747, 853f. Laie(n) 257, 271, 389, 408,448, 484, 517, 595f., 623-625, 656f„ 827, 871, 1024, 1209, 1328, 1332, 1484f. - Apostolat der 164,1210 - Aufgaben im öffentlichen Leben 942,1336 - Ausbildung der 341, 663, 1331, 1339 - Berufung als 656, 1336, 1418 - Beteiligung der 957 - (Weiter-)Bildung der 1277, 1336 - Engagement der 272, 1151, 1362 - geistiges Wachstum der 1332 - gläubige 417,656, 1150f., 1281 - Herausforderung für die 449 - Kleriker und 1043 - müssen Zeugnis ablegen 920 - Sendung der 305, 561,1276, 1346f„ 1418 - Zeitalter der 1043 Laienchristen 84,330 Laienmission 1209 Laientum(s) - verschiedene Formen des 1210 Laizismus 792,976 Land(es; Länder) - ärmste 318 - das verheißene 352 - des Nordens 319 - Industrie- und Entwicklungsländer 767 - kommunistische 936 - reiche und arme 994 - verschuldete 768 - Verteidigung des 1162 - Wohlstands-L. 1092 Landbevölkerung 1289 Landflucht 1313 Landwirt(e) 358 Landwirtschaft 339, 358, 477, 621, 726, 753f. - Ausbildung für die 477 Leben(s) 360, 890, 904 -Achtung des 351,765f. - als Geschenk Gottes 757 - als Schöpfung Gottes 913 - auf Christus ausrichten 1343 - aus Gott 1243 - Bedrohung des 280 - brüderliches 1387 - christliches 159, 246, 266, 424, 656, 1157-1159, 1243,1252, 1365 - der Kirche 388, 1323 - der Ungeborenen 1052 - Dienst am 890 - eheloses 582 - Erneuerung des 1170 - ewiges 205, 256, 269,466, 756, 939, 1234 - geistliches 656,903-905 - geweihtes 1371 - Gott weihen 622 - hinzugeben 419, 434, 1220 - im Geiste der evang. Räte 1488 - in Christus 147 - in der Nachfolge Christi u. der Apostel 1487 - in der Wahrheit 204 - in die Hände Gottes legen 1232 - irdisches 656 - kommt von Gott 5 - kontemplatives 301, 490, 629,1208, 1310, 1410-1414 - Leidenschaft für das 456 - lieben 307 - liturgisches L. der Gemeinden 1299 - menschliches 312, 527, 913, 1049, 1269, 1410 - modernes 271, 518 - neues 436, 1170, 1172, 1195 - persönliche L. aller Menschen 1322 - Pflichten des religiösen 1448 - politisches 390, 484, 826 - Recht auf das 312, 1048, 1051 - sakramentales 281,430 - Schutz des 1123 - Sinn des 87, 360, 380, 502 - theologales 1248 - Vermittlung des göttlichen 68 - Verteidigung des 24 - Weitergabe des 1238 - würdiges 247, 1451 - Zweck des 50 1524 Lebensbedingung(en) 265 Lebenskraft - geistliche 917 - der Kirche 75 Lebensqualität 373,712 Lebensschutz 942 Lebensstandard(s) - Verbesserung des 256 Lebenssynthese - Christi 1335 Lebensumstände - unmenschliche 1317 Lebensweise 1331 Lebenszweck - Besitz als einzigen 460 Legalität - Rückkehr zur 712 Lehramt(s) - Aufgabe des 1432 - Bedeutung des 1431 - der Hirten 1431-1433 - der Kirche 202, 689, 745, 910,1237, 1241, 1431-1441, 1483 - Oppositionshaltung gegen das 1436 - Praxis des kirchl. 1471 - Sendung des 1431 - Treue zum L. der Kirche 793, 1117 - und Theologie 1433-1441 Lehrautorität(en) - Theologie und 1435f. Lehre 214 - der Kirche 1470, 1474 - der Sekten 1006 - des Evangeliums 717 - des Konzils 390, 678 - Forschung und 1023 - Jesu über die Arbeit 522 - katholische L. über die Juden 847 - über die Kirche 976 - über die menschliche Sexualität 504f. - von den theolog. Qualifikationen 1470 Lehrer 431,609,703,1133 - Bischof als 1304, 1307, 1331, 1419, 1433 - katholische 432 Lehrtätigkeit - des einzelnen Bischofs 1433 Leib - alle Gläubigen sind ein einziger 241, 263 - Christi 97, 146, 225-227, 233, 260 - Einheit von L. und Seele 147 - eucharistische 281 - Kirche als Leib Jesu 226, 1295, 1329, 1467f„ 1472 - menschlicher 97, 184, 226 - „überirdischer“ 146 Leid(en) 61 f, 106, 110, 265, 296, 328, 391, 417, 435f., 441,465, 555, 589, 631f., 801, 1050, 1232 - Christi 12, 69, 132 - in Bolivien 1282 - in Brasilien 1305 - Linderung von 579 - menschliche 294, 1250 - Sinn des 616, 1455 Leistungskultur 1144 Lepra 80 lf. - -kranke 26, 300, 800-802 - L.dorf Cumura 296 Liberalismus - Ideologie des philosophischen 1436 Licht(es) 185, 236, 1264f. - Christi 1265, 1330 - Symbol des 305, 804 - Worte Jesu über das 304 1525 Liebe 68, 72, 85, 116, 213, 220, 247f., 450-453,473, 587, 1143, 1204, 1232, 1235f„ 1243, 1353, 1375, 1377 - apostolische 1220 - brüderliche 261 - Christi 256, 322, 509, 666, 880 - des Heiligen Geistes 180 - des Vaters 596, 1174, 1231, 1265 - des Vaters zum Sohn 214 - dreifache 1041 - eheliche 290, 654, 666, 910, 1238f. - Erziehung zur 33 - Forderung christlicher 596 - gegenseitige 1319 - Geheimnis der 167 - göttliche 149, 245 - Gott ist 939 - Gottes 3, 36, 80, 185, 214, 261, 306,434, 666, 745 - Innerlichkeit der 213 - ist eine Tugend 653, 757 - Jahwes 81 - Kind ist Krönung der 1238 - Kraft der 168,233 - österliche 279 - Opfer der 139 - pastorale 1334f. - priesterliche 293,517 - Reife der 72 - Schule der . 1041f. - seelsorgliche 899 - täglich geübte konkrete 1232 - tätige 1209 - Wortanalyse des Begriffes: L. 213f. -Zeugender 361,716 - Zivilisation der 495, 587, 856, 1198 - zu Christus 1087 - zu den Armen 488, 505, 527, 843,1215 - zu Maria (zur Jungfrau) 105, 415 - zu Schülern 431 - zum Menschen 88 - zur Kirche 889 - zwischen christlichen Ehegatten 456 - zwischen Gott und Menschen 80 Liebesfähigkeit - menschliche 494 Liebesgebot 507, 609, 728, 893, 1175,1282 - Christi 233, 344, 453, 665f. - der Nächstenliebe 557, 1331 - zweifaches 33, 1126 Liebesgemeinschaft - der Ehe 458 Lied - vom Gottesknecht 52-54 Lineamenta 619 Literatur - basilianische 1317 Liturgie 163, 194, 200, 337, 357, 598, 674, 946, 1468, 1472, 1479 - afrikanische 26f. - als Ort der Gottes- und Jesusbegegnung 1299 - als Quelle und Anregung 1302 - beim Pfingstfest 185 - Chrisam- 874 - Credo als Fundament der 1303 - eucharistische 581 - in kontemplativen Instituten 1411 f. - ist Ausdruck des Glaubens der Weltkirche 1303 - neue Auffassung von 1299 - wahre Natur der 1301 Liturgiereform(en) 1300 Lob 1245 Lösung(en) - für menschliche Probleme 1308 Lohn - gerechter 442, 446, 687 Lüge 61 Lukasevangelium 64 Macht 237, 600 - Christi 129, 1124 - der Auferstehung 601 - des Bösen 435 - des Geldes 435 - des Heiligen Geistes 136 - des Kreuzes 590 - des Todes 398 1526 - für den Willen Gottes 921 - göttliche 72 - Gottes 20, 42, 962 - Mißbrauch von 1127 - politische 391 - Sieg über die M. des Bösen 68, 110 Machthaber - Willkür der 385 Machtmißbrauch 347 Märtyrer 86, 104, 204, 249, 297, 392, 396 - der ersten Jahrhunderte 740 —kinder von Tlaxcala 85,415-419,419 - neapolitanische 723 - spanische 894-896 Märtyrertod 115 Magnifikat 103, 120, 694 - Botschaft des 248 Malteserorden 197 Mammon 461 Mangel - an Achtung vor dem Leben 765 - an Arbeitsplätzen 720 - an Aufrichtigkeit 34 - an Glaubenswissen 1321 - an Kenntnis der moralischen Prinzipien 1321 Manipulation 374 - genetische 765 Mann - und Frau 339, 1238, 1393 Manna 940f. Maria(s) 3, 57f., 70-73, 80, 88, 96, 101-104, 107, 117 f., 160,239,250,275,313,366,417, 428, 433, 455,457, 527, 552, 694-700, 1000, 1016, 1045, 1230, 1472, 1489 - als Mutter der ganzen Menschheit 437, 1222, 1441 - als Vorbild 236, 536, 650, 689, 1222, 1385, 1441 - Aufnahme in den Himmel 150, 1015f. - Beziehung zwischen Gott und 70f. - die Gnadenvolle 1230 - Erziehung Jesu durch 144 - Gegenwart 144 - Geheimnis der Mutter 1229 - Immakulata 236, 242, 1230 - jungfräuliche Mutterschaft 63 - Jungfräulichkeit 64f., 72f., 88, 151 - Jungfrau M. 248,432 - Mitarbeiterin Gottes 56 - Mittlerin 552, 554, 1222 - Mutter des Erlösers 276,553 - Mutterschaft 1015 - Schönheit 1016 - spirituelle Mutterschaft M. 436 - universale Mutterschaft 28,751,1384 - Urbild der Kirche 1441 - Weissagungen 526 Marienheiligtum(-tümer) 105, 126f., 992 - Mellieha 519 - Ta’Pinu 91, 525 f. - von Benevent 550f. - von Casapesenna 750 - vonMugera 619 Marienverehrung 433,479, 553, 689, 698, 726 Marktwirtschaft - soziale 1122 Martyrium 76,962 Marxismus 934,980 Maschine 369,373 Massaker 143 Massenmedien 485, 1058, 1189, 1315 - und Mission 90 lf. Materialismus 383, 394, 447, 453, 953, 1156, 1485 - atheistischer 792 - dialektischer 934 - konsumistischer 1190 1527 - marxistischer 492 - praktischer 545, 920f., 935 Mauer(n) - geistige 1094 - sind gefallen 1127 - von Berlin 920 Medien - der sozialen Kommunikation 365, 484 - negativer Einfluß der 1317 Medikamente) 1116 Medizin 294,555,810,897,1116 Meinung -öffentliche 318,368 Meinungsfreiheit 1449 Mensch(en) 12,42, 275, 284, 307, 322, 351, 370f„ 421, 434,494, 512, 877, 935, 941, 1016, 1041, 1429, 1482 - als Abbild Gottes 150, 275, 307, 527, 592, 653,771, 1043f., 1238 - als Gemeinschaftswesen 423 - als Kinder Gottes 185, 456, 465, 606 - als Maschine 369 - als Person 256, 659,1170 - als Pilger 1002 - auf der Suche 245 - Aufgabe des 461 - Bedrohung des 777 - Befreiung des 937, 1174, 1452 - Berufung des 308, 903-905, 1237, 1252, 1306 - Bestimmung des 268 - Beziehung zwischen Christus und 692 - Beziehung zwischen Gott und 72, 79, 141, 146, 169, 308, 1248 - Bild des 383 - der heutige 381, 437, 879f., 1058, 1102, 1170 - der Kultur 702 - der leidende 1139 - der schwache und sündige 256 - der Wert der Person des 155,284 - dogmatische Grundstruktur des 1464 - Einheit aller 661 - Entwicklung des 317, 319, 467,1203f., 1450 - Erkennen und Mitteilen unter den 6 - Erlösung des/der 421, 955 - Erschaffung des 11, 226, 307 - Feind des 401 - fundamentale Probleme des 255 - ganzer, in jeder Dimenson umfaßter 184, 383 - gläubige 731 - Gleichheit der 284 - Gottebenbildlichkeit des 1044,1142 - Gotteskindschaft des 1244, 1308 - Heil des 150,1171 - Identität des 456 - innere Größe im 706 - Intelligenz des 369, 374, 1143 - ist frei 1427 - ist nicht Maßstab 959 - jeder 243, 456 - junger 274, 339, 716 - leidender 811 - Liebe zwischen Gott und 80 - persönliche Leben aller 1322 - Primat des 285, 363 - Sehnsucht des 424, 494 - sein 278 - steht im Mittelpunkt 1305 - sucht Gott 461 - über den Strukturen stehen die 701 - undGott 41,49,311,488,674,764,1440, 1467 - und Maschine 373 - und Natur 913 - und Welt 290,1102,1463 - Unersetzbarkeit des 370 - Verhaltender 1306 -Wert des 461,632,1128 - Würde des 262, 308, 379, 505, 538, 592, 607, 728,942, 1044,1075,1465 - Zentralität des 691 Menschenbild 1233 Menschenrechte 99, 436,440, 459, 822, 936, 1052, 1341, 1438,1465 - Respektierung der 1450 - Verletzung der 954 - verteidigen 1135 1528 Menschenwürde 593 Menschheit 184, 269, 315, 365, 518, 691, 725, 1113, 1335, 1465 - Besserung der Lage der 1415 - ganze 245, 347 - Hoffnung der 777 - neue 192, 1472 - Rettung der 245 -Zukunft der 360,751 Menschheitsfamilie 218, 261, 285, 565, 612, 1305, 1327 Menschheitsgeschichte 384 Menschlichkeit - Jesu 111 Menschsein 370,959 Menschwerdung 63, 70, 89, 121, 495, 1295 - des Wortes 58f„ 71, 243, 1230, 1477 - Geheimnis der 71, 73, 79f., 87-89, 96, 116, 422,771, 1080, 1219, 1267f„ 1308 - geschichtliches Ereignis 64 - Jesu 190, 230, 723, 1080 - Wirklichkeit der 1268 Mentalität - hedonistische 24 Messe 1302 Messianismus - politischer 129 Messianität 117 Messias 64, 154 - Ankunft des 102, 104 - Erwartung des 107 - Geheimnis des leidenden 67 - im AT 17, 52 -Jesus der 5,281,311,963 Metaphysik - Fehlen des M.unterrichts 1416 - schöpferische Emeuemng der 1464 Meßdiener 1054 Migranten 993-995, 1005-1008 Migrantenpastoral 1008 Migration 364 - Ursachen der 994 Militärakademie 1057, 1130 Militärdienst 860-862, 1162f. Milleniarismus 1005 Minderheit 347,408 - Katholiken als 25, 27, 301 - von Kroaten 950 Minimiten siehe: Orden Ministranten) 1055 Missio 832,929f. Missio canonica (Lehrauftrag) 1433f., 1439 Mission 25, 279, 293, 400, 416, 901, 1166f„ 1172,1180f„ 1213, 1216, 1220 - ad gentes 1183-1188,1191, 1195-1202, 1209-1212, 1215 - der Kirche 602, 660, 956,1092 - heutige 1091 - Hinführung zur 1216 - messianische 314 - Schwierigkeiten und Hindernisse bei der 1186f. - universale 1181 - Zukunft der M. durch Kontemplation 1221 - Zusammenarbeit in der 1213 Missionar(e) 25f„ 95, 163, 193, 292, 311, 327, 399,416,418,426f„ 520, 569-571, 589, 601, 635,748, 759, 1083, 1090, 1092, 1193, 1199, 1202, 1206, 1219-1221, 1328, 1356 - angetrieben vom Eifer für die Seelen 1220 - Apostolat der 901 f. 1529 - auf Lebenszeit 1207 - Erfahrungen der 1216 - erste 1320 - im Tschad 336 - in Britannien 967 - in Lateinamerika 972, 974 - in Rwanda (Missionsbischöfe) 646, 650 - materielle u. wirtschaftl. Bedürfnisse der 1214 - vom Heiligen Geist 601 - Weiße Schwestern 311 -Weiße Väter 298,311,589 - Zeugnis der 972f., 1216 Missionarität - der Kirche 758f. Missionierung - Afrikas 27 Missions-Institute 1206f., 1214, 1216 Missions-Kongregation - Aufgabe der 1212 Missionsapostolat 901 Missionsarbeit 25, 1216 - der Kirche 163, 602, 660, 1167, 1205 Missionsauftrag(s) 315, 1166, 1179 - der Kirche 343 - Jesu an seine Apostel 415 - Verwirklichung des 1222 Missionsgeist 1215 Missionskirche 1214 Missionspastoral 1206,1211 Missionsschwester(n) 1209 Missionstätigkeit 1245 - auf nationaler und regionaler Ebene 1212 - der Kirche 233f., 1184, 1188, 1191-1193, 1210, 1320 - muß Heil in Chr. bezeugen und verkünden 1216 Missionszeitalter - neues 1222 Missionszeitschriften 1216 Mitleid 149,633,718 Mitrnensch(en) 374 - Dienst an den 211, 1202, 1244 Mitwirkung 258,424 Mißachtung 290 Mißbrauch(s) - Opfer ökologischen 358 - von Macht und Reichtum 289,1127 - von Minderjährigen 457 Mißstand(-stände) - religiöse 1340 Mißtrauen 158 Mobilität 1215 Mönchsgemeinschaft - vonTaize 1040 Monotheismus - Abrahams 302 - Wahrheit des 154 Moral 667 - des Herzens 815 - Forderungen der 621 - Frage nach der 814 - Kultur und 290 - Rückkehr zur 230 Moralgesetz 1432, 1439 Morallehre 1237 Moraltheologie 1307 Mord - an Ordensmännem 785 Moslem(s) 923 1530 Motu Proprio - Dolentium hominum 816 Mütter 523 Muslime 302 - und Christen 306, 308, 342, 579f., 820f. Mutlosigkeit 465 Mutterschaft 65,455 - geistliche 1209, 1271 - jungfräuliche M. Marias 63 Mysterium siehe: Geheimnis Mystik - christliche 1244 Mystiker 12'47f., 1252 Nachfolge Christi 72, 271, 332,490, 742, 807, 880, 903-905, 1129, 1378f. Nächste(n) 739 Nächstenliebe 193, 330, 557, 620, 916-918, 1204, 1267, 1326, 1331 - seelsorgliche 899 - Verpflichtung zur sozial engagierten 248 Name(ns) - Bedeutung des 5 - Gottes 5 Nation(en) 217, 283, 327, 376, 378, 381; 387, 459,564,611,615 - Appell an die entwickelteren N. der Welt 604 - Aufbau einer 330 - Einheit der 610 - entwickeltere 564, 566, 998 - Führungskräfte der 607 - italienische 702 - junge 656 - reiche 880 - wieder frei gewordene 937 Nationalbewußtsein 381 Nationalheiligtum 405 Nationalismus 1451 Nationalversammlung - allumfassende 1330 Natur -Menschund 913 - menschliche 112, 233, 1453 - Ordnung der 1238 Neuer Bund siehe: Bund Neues Testament 5,168, 1468, 1473 - Übergang vom Alten Testament zum 58 Neuevangelisierung 413, 437, 510, 553, 692, 695, 723f., 737, 933, 1184,1216-1218, 1244, 1295, 1308,1315, 1320, 1322,1465f. - Europas 943 - intensive 1321 - Pflicht einer 84 Neuordnung - Europas 712 Neuschöpfung 42 Nichtchristen 885, 956, 1185f. Nichtglaubende 494 Nichtigkeitserklärung - der Ehe 790 Nichtkatholiken - in Japan 1331 Nihilismus 1463 Nonnenkloster 1410-1414 Not - der Völker Afrikas 604 Noviziat 1396-1401, 1407 1531 Obere 139, 1404 Oberhirt(en) 1319 Obrigkeit 133 Ökonomie 464 Ökosystem(e) 913 Ökumene 685,1313 Ökumenismus 20, 393, 579, 1101, 1299 Offenbarung 4,7, 58, 201,280, 507, 745, 1076, 1108f., 1230, 1267, 1434, 1482 -Christi 59,222,1340 - christliche 244 - die in der hl. Schrift bezeugte 1467 - des Evangeliums 1171 - des Geheimnisses Gottes 1234, 1410 - des Heiligen Geistes 79, 135, 141, 928 - des Neuen Testaments 5 - göttliche 200, 1077, 1240 -Gottes 1168,1427 Offenbarungswahrheit 1465f., 1468 - lehrhafte Auslegung der 1473 Opfer 68,167,212,381,480 -Christi 116,674,939,1303 - der Armut 422 - der Gewalt 717,785 - der Liebe 139 - des Kreuzes 141 - des Neuen Bundes 451 - für die Missionare 1213 - Jugendliche als 1156 - ökologischen Mißbrauchs 358 - ohne Grab 172 - unschuldige 176, 360, 566 Opfertod Jesu 67, 140, 167, 1083 Option - für die Armen 422, 488, 979-981 Opus Dei 881 Orakel - prophetisches 29, 31, 35, 53 Orden - der Benediktiner 1309 - der Franziskaner 1309 - der Jesuiten 1309 - derMinimiten 1153-1155 - der Unbeschuhten Brüder der Allerseligsten Jungfrau Maria vom Berg Karmel 1243 - Dominikaner 1156 - Gesellschaft Jesu 927, 1010-1014, 1094f., 1268 - Karmel 1253f., 1309 - Malteser 197 - Missionarinnen der Schule 1155f. - Oblatinnen vom Herzen Jesu 1119 - Töchter der hl. Anna 1270 Ordensausbildung 1371-1426 - Stufender 1396-1408 Ordensberuf 990, 1397 Ordensberufung 622 Ordensfamilie - besondere Eigenart des Charismas jeder 1310 Ordensfrau(en) 489f., 602, 629, 1128 - Leben und Wirken 1340 - Seligsprechung 206, 1120f. Ordensgelübde 627, 1397f., 1401f. Ordensgemeinschaft(en) 1024 Ordensgründer - Charisma der 1310, 1381, 1405 Ordensinstitut(e/n ) - Ausbildung in den 1371-1426 - Autonomie der 982 - eigene Satzungen der 1374 - Erneuerung der 1371 - Selbständigkeit der 576 - Vielfalt der 1380 1532 Ordensleben(s) 332, 339, 627, 806f., 1010, 1154, 1309, 1371-1426 - Bischofsamt und das 1419f. - Gut der Kirche 1419f. - grundlegendes Charisma des 1310, 1405 - Identität des 1310,1374 - in Brasilien 1310 - Motivation für das 1416 - Theologie des 977 - und kirchliche Bewegungen 1417f. - weibliches 1303 - Weihe zum 1374, 1391 - Wesen des 1381 Ordensleute 300, 518, 561, 571f., 573, 614, 628, 662, 745, 807-809, 971, 1042, 1371-1426, 1485 - als Kandidaten für das Priesteramt 1422-1424 - als Kandidaten für das Amt des Diakons 1422-1424 - als Personen 1391 - apostolische Initiativen der 1310 - Aufgabe der 1337, 1361 - des Karmel 726 - Dienst der 1361 - Europas 970 - Lateinamerikas 969-988 - lebendige Zeugen der evang. Räte 1309f. - Politisiemng der 980 - Präsenz der 1309 - Sendung der 1378,1387 - sind Schöpfer des Friedens 630 - sind Zeugen 1309, 1361 - und Bischöfe 981-983 - Verhältnis der O. zu den Hirten 1309 - Weiterbildung der 576, 629, 1405-1408 - Wirken der O. im Erziehungswesen 1310 - Zeichen für die Heiligkeit Gottes 1340 Ordensmänner(n) 4891, 1412 - Leben und Wirken 1340 - Mord an 785 Ordensobere 1404,1419 Ordensprofeß 1375, 14011, 1404 Ordensstand - Berufungen zum 356, 819, 11541, 1214, 1331,1489 Ordnung - internationale 438 - irdische 284 - soziale 513,1296 - von Gott gegebene objektive sittliche 1238 - Wandel der 230 Organisationen) 317 - der Vereinten Nationen 347 - gewerkschaftliche 364 - internationale 6111 - kriminelle 711 Organspende 897 Orientierungslosigkeit 266,528 Ortskirche(n) 2591, 529, 574, 602, 1007, 1166,1181, 1303, 1318, 1338 - Aufbau der 518,1196 - Aufgabe der 1216 - bilden kleine Minderheit 1330 - Einheit (in) der 1260, 1292 - pastorale Weisungen der 1423 - Wachstum der 164 Osterbotschaft 74 Ostererfahrung - der Kirche 74 - ursprüngliche 1296 Osterfest 61 Osterfreude 69, 398 Ostergeheimnis 147, 868, 1182, 1342, 1391 Osterlied 74 Ostern 43 Ostersakrament 930f. Ozonschicht 765 1533 Pädagogik 1157, 1246 - Gottes 1250f. Päpstliche Akademie der Wissenschaften 912, 1110-1114 Päpstliche Bibelkommission 1240 Päpstliche Lateran-Universität 1132 Päpstliche Missionsunion 1092 Päpstliche Missionswerke 900f., 1091, 1216f. Päpstlicher Rat - „CorUnum“ 1147,1149 - für den Interreligiösen Dialog 884f., 1064 - für die Familie 909 - für die Kultur 778 -für die Laien 1150 - für die Pastoral im Krankendienst 809-813 - für die sozialen Kommunikationsmittel 845 - zur Förderung der Einheit der Christen 857 Pallium 115,964 Palmsonntag 867 Papst(es) - als Freund 434, 564, 584, 605 - Appell des 316,318,321,609 - Aufruf des 1092 - Bote des Heils 255 - Dissertation des 1243 - Gehorsam dem P. gegenüber 793 - Hilferuf des 27 - Nachfolger des hl. Petrus 255, 749 - Pastoraireisen des 277,295 - Pilgerfahrten des 255 - Pilgerpapst 412 - Sendung des 255f., 327, 1432 -und Bischöfe 391,679 - und die Gesellschaft Jesu 1095 Papstbesuch 75 Paradies(e) - künstliche 436 Paradosis - der Kirche 1465f„ 1471f., 1480 Paschamysterium 406, 688, 992 Pastoral - der Freizeit 1140 - im Krankendienst 810-813,816 - Programm für 1339 - soziale 1306 - spezif. P. für schwarze und indian. Bevölkerung 1314 - und Kirchenrecht 789 Pastoralarbeit 132,389 Pastoralbesuch 295 - in Mexiko 85 Pastoralplan 394,695 Pastoraireisen - des Papstes 277, 295 Pastoraltagungen 738 Patrone - von Europa 137,906 Perestroika 43,936 Person(en) 71,494, 835f. - Achtung der 312,692 - einzigartige unwiederholbare 1238 - Erkenntnis und Mitteilung zwischen 8 - ganzheitliche Entfaltung als 423 - göttliche 88,96f. - Hl. Geist als göttliche 5,49, 159, 171, 178-180, 196,203 - Hl. Geist als 58, 60,71, 121, 153-155,159-161,169, 174, 184, 189 - in ihrer Gesamtheit 1146 - Mensch als 155f„ 284, 659, 1170 - menschliche 355, 377, 627 - Primat der 1022 - Rechte einer 608 - Verletzung der Rechte der 932 - Würde der (menschlichen) 243, 284,289, 379,446, 522, 592f., 607, 836f., 942, 1238 1534 Personal-Pfarreien 1008 Pfadfinder 1062f. Pfarrei(en) 657, 721f„ 822, 827, 950f. Pfarrgemeinde - deutschsprachiger Katholiken in Rom 957 Pfingsten 4, 58, 201, 220, 415, 585, 916, 1229 Pfingstereignis 95, 141, 342, 1195 Pfingstfest 928-931 - als Geburtstag der Kirche 1312 - in Jerusalem 7, 270 - Tag des Leidens für die Missionen 1213 Pfingstgeschehen 108 Pfingstsonntag 99 Pfmgsttag(es) 59, 192, 231, 239,429,436, All - Apostel am 930 - Bedeutung des 225, 228 Pflegepersonal 631 Pßicht(en) 192 - der Unternehmer 731 - der Verantwortl. in Politik und Verwalt. 731 - des Christen 825 - des Priesters 28, 132 - eheliche 624 - gegenüber Kindern 457 - pastorale 1340 - zu verkündigen 956 - zur Solidarität 318,363 Pflichterfüllung - religiöse 580 Philosophie 934 Pilger 126, 409, 432 - Mensch als 1002 Pilgerfahrten) 815f. - des Papstes 255 Pilgerschaft - der Kirche 1222 Pilgerweg - in der Zeit 247 PIME siehe: Seminar Plan - göttlicher 269 - Gottes 290, 298, 306,455, 528, 592, 654, 734f„ 931 Pluralismus 386,413 - in der Kirche 482 - religiöser 302 - theologischer 1437 Pneumatologie 59, 147 Politik 375, 657, 828, 1067 - und Kirche 483, 921, 1286, 1306 Politiker 347 Politisierung - der Ordensleute 980 Polygamie 290 Positivismus - materialistischer 378 - philosophischer 934 Praxis - christliche 423 Prediger - des Evangeliums 271 Preis - gerechter 645 Presbyterium(s) 714 - Mitglieder des 1339 - Ordenspriester im P. der Diözese 1423f. 1535 Presse - missionarische 901 Priester(s) 9f., 57, 116, 292, 300, 332-334, 452-454, 474, 487f., 550, 572, 614, 715, 871, 939, 1084, 1207f„ 1337, 1361, 1484-1489 - als Erzieher 138, 333 - als Lehrer 1331 - als Missionar 1090, 1486 - als Mitarbeiter des Bischofs 1207, 1339, 1485f. - als Schöpfer des Friedens 630 - als Vorbild 33 - als Zeugen der Liebe Christi 38f. - Anforderungen an die 649, 1280 - Aufgabe/Auftrag des 43f., 51, 62, 149, 298, 851,910, 956f„ 1337, 1347 - braucht das Gebet 45 - Brüderlichkeit der 39 - Christi 418 - Ehelosigkeit des 1486 - Funktionen des 100 - Gegenwart Marias im Leben des 144 - Helfer der Gläubigen 1485 - Identität als 715, 1104 - im Untergrund 386 - innere Anlagen des 57 -ist berufen 149-151,571 - ist Mann des Opfers 167 - ist Zeuge 110 - kirchliche Dimension des Gehorsams der 132 - Mentalität 516 - Mitarbeiter Gottes 56 - Pflicht des/der 28, 132 - Sendung des 121, 647f. - sind notwendig 957 - umfassende und allgemeine Heilssendung des 1207 - und Geld 120 - Verantwortung für das Bibelapostolat 1241 - von morgen 14 - Weiterbildung der 517, 576, 1086, 1091, 1486 - würdige Diener des Evangeliums 1335 Priesteramt 14, 100, 572, 1339, 1412, 1485 Priesteramtskandidat(en) 45, 62, 116, 199, 341,581-583,1361,1487 - Ausbildungsplan für P. und Ordenskandidaten 1328 Priesterausbildung 10, 23, 38, 51, 95, 100, 120, 548, 575f„ 669, 818f., 901, 910, 968, 1079f„ 1101, 1103-1107,1109,1278, 1331, 1334, 1348,1356,1484-1489 - die dem jeweiligen Institut angepaßt ist 1422-1424 Priesterberufung 622, 1079-1081, 1105, 1335 Priesterkolleg - Santa Maria dell‘ Anima 957-959 Priestermangel 340, 1105, 1299 Priesterschaft - charismatische 1339 Priesterseminar 39, 49, 573, 576, 706 Priestertum(s) 14, 95, 138, 707, 869-873, 1105,1207, 1327,1334,1360f„ 1485 - allgemeines P. aller Christen 9, 1323f. - Berufung zum 23, 152, 356, 450-454, 648, 706, 1079-1081, 1084, 1214, 1278, 1283, 1331,1334, 1488f. - Charisma des 357 - Christi 451, 635, 872,1109, 1324, 1485 - christliches 911 - Geschenk des 450-453 - Sakrament des 939f. - Ursprung in der Taufe 1323 - von Christus gestiftet 38 Priesterweihe 33, 100,167,450, 575, 635f„ 874, 939, 1085, 1335 Priesterzölibat 1105 f. Primat - der Person 1022 - des Bischofs von Rom 1259 - des Menschen 285, 363 Prinzipien) - der Gleichheit 1324 - der Solidarität 732 1536 - der Verschiedenheit 1324 - des Evangeliums 1322 - des Guten 34 - letztenormgebende 1430 - Mangel an Kenntnis der moralischen 1321 Priorität(en) 1450 Privileg(-ien) 445 Problem(e) 278, 381, 561, 886, 907, 1145 - Afrikas 643 - demographische 351 - der sozialen Ordnung 1296 - der Zukunft 692 - des Libanon 923 - des mexikanischen Volkes 436 - des Südens Italiens 701 - die die brasilianische Familie bedrohen 1317 - durch ein Erdbeben 741 - durch Gewalt 229 - fundamentale P. des Menschen 255 - in Brasilien 1285, 1294 - in der Gesellschaft 561,731,907,942 - in der Welt 748, 794 - in Neapel 730 - in Rom 797 - ökologische Krise als sittliches P. 765-770 - ökologisches 1049 - Vielfalt der 1304 Problematik - soziale 1299 Produkt(e) 373 Produktion 372, 446, 460, 481 - Sektoren der 753 Produktionsprozeß 753 - einer Fabrik 369 Professoren) 1487 Profeß (Professen) - der evangelischen Räte 745, 977f., 1402-1404 Profit(s) 645,710,732 - Maximierung des 373 Profitstreben 913 Proletarier 250 Propaganda 381 Propheten) 29-32, 46, 52,154, 687,1231 - Aufgabe 30f. - des AT 621 Prophetentum 29,32 - falsches 30 Prophetie 107 - Autor der 202 - Verwirklichung der 8 Prophezeiung - des Jeremias 80 - des Jesaja 323 - messianische 154 Proselytismus 487 - der Sekten 430 Prozeßrecht - kanonisches 790f. Prüfung - des Glaubens 396 - Zeit der 405 Psalm - Misere 39-42 Psyche - Erkenntnis der menschlichen 1142 Qumran - Hymnen von 36 Ramadan 1455 Randexistenzen 1174 Rassendiskriminierung 347 - UNO-Welttag gegen die 56 Rassismus 653, 1135 1537 Rat (Räte) 745 - der Armut 1378f. - der Keuschheit 1376-1378,1393 - des Gehorsams 1379f. - evangelische 977f., 1374-1382 Realismus - naiver 1463 Rechenschaft - ablegen 532 Recht(e/s) 237,442 - Achtung der 247 - auf Arbeit 708 - auf Bildung 840 - auf Brot 55 - auf das Leben 312, 1048, 1051 - auf Gesundheit 812 - auf religiöse Freiheit 933, 1438 - auf Religion 579 - der Familie 250 - des Flüchtlings(-status) 439, 822, 994f. - des Kindes 457, 1066, 1452 - des Ungeborenen 1049 - einer Person 608 - und Gerechtigkeit 788f. - Verletzung der R. der Person 932 - Verletzungen des Internationalen 158 Rechtsprechung - staatliche 1052 Rechtsstaat 607,781 Reflexion - theologische 1300 Reformation 1245 Reformatoren) - der Kirche 381 Reformbestrebungen - des Karmelitenordens 1245 Regime - totalitäre 392 Reiches) Gottes 129, 269, 296, 390, 399, 429, 461f., 466f„ 688,722, 824, 893, 1173-1177,1296,1325 - Ankunft des 128,470 - Arbeit für das 1159 - für alle Menschen bestimmt 1307 - ist nahe 647 - Suche nach dem 825 - Verbreitung des 1209 - Wachstum des 324, 1229, 1485 - Wahrheit über das 136 Reich und Arm 55 Reichtum(-tiimer) 444f., 645 - geistiger 511 -materielle 120,511 - menschlicher 1306 - wahrer 423 Reife 1396, 1401 Relativismus - dogmatischer 14691 Religion(en) 25 - Achtung anderer 618 - afrikanische 303 - andere 670 - Beziehung der Kirche zu anderen 885,1182 - Dialog zwischen den 325, 342, 350, 578, 885, 1168 - Rückkehr zur 1190 Religionsfreiheit 25, 77, 90, 375, 379, 380, 484, 579, 580 - Recht auf 1438 Religionsunterricht - in den Schulen 389, 1052 Religiosität 1312 - intensive und kreative 1245 Ressourcen 265,3171 Rettung - der Menschheit 245 1538 Revolution - friedliche 38, 378 - gesellschaftliche 1317 - industrielle 250 Richter - im AT 16f. - kirchlicher 790 Richtlinien - für das mitmenschliche Zusammenleben 429 - für die Ausbildung in den Ordensinstituten 1371-1426 Ritus(Riten) 106,1326 Rivalität(en) - ethnische 347 ROACO (Vereinig, d. Hilfsw. für Orient. Kirchen) 951 f. Römische Kurie 1432 Rota Romana 788, 790f. ruah (Atem / Wind) 5-7, 10f„ 13,17, 88, 189, 226 - Bedeutung des Wortes 5-7 - jüdischer Name des Geistes 11 Rückgrat - christliches 1158 Rückkehr - Weg derR. zu Gott 1041 f. Rüstungswettlauf 26, 564 Ruf - Christi 43, 314,362, 419, 1375 - der Fastenzeit 353, 821 - der Nächstenliebe 1251 - Gottes 262, 275,408, 627, 1374, 1487 Ruhepause - sonntägliche 367 Rundfunk 901 Sabbat 475 Säkularisation 786,833 Säkularisierung 487, 839, 935, 953, 1172, 1315 Säkularismus 357, 449,480f., 792, 833, 1156 Sakramente) 100, 246, 287, 557, 593, 656, 1177, 1276f., 1335, 1479 - der Buße 61f„ 275, 473, 583, 714, 744, 851f., 1276, 1301, 1325 - der Ehe 343, 345, 503, 582, 591f., 653f., 664,911 - der Eucharistie 97f., 147, 287, 581, 944-946, 1108f„ 1276, 1303 - der Firmung 86, 287, 586-588, 930 - der Taufe 287, 586, 670,775, 930, 1195, 1291 - der Weihe 452, 648, 714, 1059f., 1324 - des Priestertums 939f. - zu spenden 1327 Salbung 1478 - der Könige 16 - des Heiligen Geistes 1428 Salesianische Familie 896 Salz der Erde 1428 - Worte Jesu über das 304 Samariter 625,717f. Sanitätspastoral 811 Schauspieler 378 Scheidung(en) 339,508,1331 Schisma - Anlaß zum 209 - des westlichen Christentums 380 Schöpfer 3,275,445,629 Schöpfung 122,460 - erneuerte 764 - erste 11 f. 1539 - Geist Gottes bei der 10 - Leben als Sch. Gottes 913 -neue llf., 123f., 502, 1472 - Rettung der 11 - Sorge für die 770 - Universalität der 49 - Wert der 769 Schöpfungsbericht 10f., 13, 763 Schrift(en) - des AT 64 - paulinische 178, 183-186 Schriftauslegung 1475-1483 Schriftsteller 378 - heilige 58 Schüler - rwandische 665 Schulausbildung 643,645 Schuld 41 Schule(n) 291, 458, 609, 624, 828, 1155, 1157 - der Liebe 1041 f. - von Salamanca 198 - Religionsunterricht in der 389, 1052 Schutz - der Schwächeren 942, 1269 - des Lebens 1123 Schwäche 707 Schweigen(s) 385 - Gottes 1251 - Kirche des 376, 385 Seele 146 - Einheit von Leib und 147 - Heiliger Geist ist die S. der Kirche 226, 231 Seelenführer - Johannes vom Kreuz als 1244,1246 Seelsorge 614, 968, 1185, 1187 Seelsorgekräfte - in den Gefängnissen 442 Seelsorger 549, 106 lf. Segen 310, 1485 Sehnsucht(-süchte) 411,424,502 - des Menschen 424,494 - nach Freiheit 879 - tiefste S. des menschl. Herzens 420 Sein 1063 - das wahre 631 - oder Haben 825f. Sekte(n) 267, 302,424, 472, 481, 652, 663, 1005, 1007, 1009,1276, 1301 - Anziehungskraft der 1290 -Aufkommender 1314f. - Ausbreitung der 1006, 1282, 1312 - Gefahr durch 1005, 1197, 1344 - Lehre der 1006 - Proselytismus der 430 - und Migranten 1006 Selbständigkeit - politische 163 Selbstentäußerung - totale 1219 Selbsterkenntnis 1041 Selbsthingabe 53, 1365, 1377 - an Gott 206 - Jesu Christi 275 Selbstkontrolle 274 Selbstmordrate 492 Selbstoffenbarung - des trinitarischen Geheimnisses 153, 220 Selbstverwirklichung - des Menschen 495 - Form der vollen 1246 1540 Selige(n) 131, 182, 415,418, 975, 1084f„ 1118-1121 Seligpreisung(en) 296, 652f., 1292 - der Bergpredigt 287,291 - des Evangeliums 205 Seligsprechung 183, 206, 659, 916-918, 1082, 1118-1121 - der Märtyrer von Tlaxcala 83,415 - von zwölf span. Märtyrern 894-896 Seminar(e) 292,548f. - Missionsseminar des Päpstlichen Instituts für die Auslandmission (PIME) 758 f. - Sankt Paul 594 - Sankt Thomas 1365 Seminaristen 139,339 - Ausbildung der 132 Sendung 16f„ 288, 306, 398, 928f. - Ausübung der S. durch Getaufte 1297 - Christi 121, 147,417, 452, 858, 1165 - der Befreiung 16f. - der Bischöfe 662 - der Jünger 1179 - der Kirche 256f„ 278, 284, 332, 390, 482, 775, 849, 858, 1090, 1112, 1167, 1180, 1206, 1286, 1324, 1327, 1346f. - der Kirche in Asien 1335 - der Kirche in Europa 938 - der Laien 305,561, 1276,1346f., 1418 - der Ordensleute 1378,1387 - der Theologie in der Kirche 1427 - des christlichen Volkes 428,956 - des Lehramtes 1431,1439 - des Papstes 255f., 327, 1432 - des Petrus 742 - des Priesters 121, 647f. - eines jeden Gläubigen 1324 - humanitäre 565 - Jesu 736 - messianische 122f., 169, 171, 200, 475 - missionarische 8,429 - rettende 112 - treu bleiben 1325 - Universalität der 8, 52 Sensibilität 309 Sensus fidei 1438 Septuaginta 1 Sexualerziehung 458 Sexualität 654, 616, 1393 - Beherrschung der 666 - kirchliche Lehre über die 504f. - menschliche 567 Siedlungswerk(e) 915 Sieg Christi 130,436 - endgültiger 1342 Sinn 365, 441, 1263 - der internationalen Beziehungen 611 - des Lebens 87, 360, 380, 502 - des Leidens 616,1455 - für das Transzendente 384 - Suche nach 1190 Sinnforschung 1019, 1111 Sinnverlust 492 - religiöser 1321 Sittengesetz(es) - Beachtung des 1117 Sittenwahrheit 1470 Sixtinische Kapelle 853f. Sklave 273 Sklaverei 274 - Formen der 954 - der Sünde 401,441,1058 Sohn Gottes siehe: Gottessohn Soldat(en) 237, 861f., 1130f. Solidarität 110, 218, 256, 280, 285f., 319, 350, 356, 365, 374, 385,439, 709f., 718, 907, 1308,1342 - aller 1305 1541 - Bedeutung der 222, 524 - der Kirche 387,499,710 - echte 1149 - gegenseitige 1338 - gesellschaftliche 222 - in der Arbeit 309 - innerhalb eines Betriebes 364 - internationale 348,642 - konkrete Formen der 1339 - menschliche 897, 1455 - mit Afrika 604 - mit den Armen 1204 - mit Hunger leidenden Völkern 316,658 - mit Kranken 727 - Notwendigkeit von 767 -Pflicht zur 318,363 - praktische bzw. konkrete 596, 667 - Prinzip der 732 - unter den Nationen 3 - unter den Völkern 347, 440, 567 - unter Frauen 102 - weltweite 143, 1074 - wird zu einer ethischen Fordemng 257 - wirtschaftliche 446 - zwischen Bürgern fördern 796 Solidarnosc 38,192, 936, 1053 Sondersynode - kommende 259 - von 1989 156 Sonntag(s) 368 - Bedrohung des 942 Sonntagsarbeit 367 Sonntagsgottesdienst 883 Sorge(n) 151, 235, 527, 1299 - für das Kind 1068 - für den Kranken 897, 1116 - für die Leidenden 800 - für die Schöpfung 770 - um das Gemeinwohl 235, 1450 Sozialethik 423, 1285 Sozialisierung - der Medizin 810 Sozialismus 444 Soziallehre 390,423 - der Kirche 32.1,424, 443-445,463, 522, 733, 1276, 1283, 1307, 1327f., 1336 Spaltung - unter den Christen 933 Speise - eucharistische 310, 313 Spende(n) - deutscher Katholiken 24, 27 Spiritualität 1013,1244,1327, 1406- - bedeutet innige Gemeinschaft mit Chr. 1219 - des Advents 1236 - intensive S. in Brasilien. 1299 - missionarische 1219, 1221 - priesterliche 1486 - wecken 900 Sport 73f., 925 - Kirche und 924 - moderner 925 Sprache 1465,. 1481 - Bedeutung der 399 - der Bibel 6, 8 - derUrkirche 185 - dogmatische S. der Kirche 1465, 148-1 - eindrucksvolle 12.47 - gemeinsame 384 - neue 1472 Staat(es) 243, 390, 410, 920 - Aufgabe des 645, 721, 766f., 786 - Kirche und 83, 390, 606,1123 - marxistischer 75, 936 - totalitärer 387, 936 - unabhängiger 148 Staatsbürger - Leben als 656 Stadtverwaltung - römische 795 1542 Städteplanung 769 Sterndeuter - im NT 772f. Sternwarte - Vatikanische 997f. Stifter 164 Stiftung - internationale S.: Notre-Dame de la Paix (Unsere Liebe Frau vom Frieden; Elfenbeinküste) 673,681 - Johannes-Paul-IL-Stif. für den Sahel 316, 321 Strafrecht 442 Strafvollzugsanstalt(en) 734 Straßenkinder 1318 Streit - der Menschen mit Gott 354 Strukturen 871 - erste kirchliche 1320 - in der Gesellschaft 390, 463, 505 - politische 709 - „sündhafte“ 711 - über den S. stehen die Menschen 701 - Verwaltungs- 709 - Wandel technischer 372 Studenten 919 - junge 338 Studentenverbindung 919 Studentenverein - Schweizerischer 919 Studien - theologische 1077, 1404 Studierende 1024 Subjektivismus 935, 1346 Subsidiarität - Prinzip der 257 Suche - nach dem Reich Gottes 825 - nach dem Willen Gottes 745f. - nach der Wahrheit 580, 609, 702, 947, 1018,1022, 1024, 1136, 1236 - nach der Weisheit 51 - nach Gott 1410 -nachSinn 1190 Sündefn) 11, 36f„ 40, 68, 80, 129, 136, 201, 245, 256,426, 825, 830f., 878, 1228, 1251 - Befreing von der 256 - der Menschen 1148 - Sklaverei der 401,441, 1058 - und Tod 47 - Vergebung der 41,68, 124 - von Adam und Eva 764 Sündhaftigkeit - persönliche 1301 Symbol - Areopagals 1189 - biblische 461 - der Taube 123f., 189 - der Wolke 34, 543 - des Feuers 141, 190f. - des Lichtes 305, 804 - des Wassers 195f. - des Windes 189,191 - Salbung mit Öl 194, 196 Symbolik - bräutliche 79 - des Wassers 11, 194f„ 352-354 Symbolsystem - der jeweiligen Kultur 1463 Synkretismus 1312f. Synode 831-834, 1257-1262 - als wirksames Instrument der Gemeinschaft 1257f. - der Bischöfe Europas 77,938 - der Erzdiözese Neapel 723f. - der Ostkirchen 1261 1543 - die Römische Synode von 382 202 - Diözesan-Pastorals. 929 - über die Probleme der Priesterausbildung 177 f., 182f. - von Rom 929-931,968 Synoptiker 160, 168, 170 System(e) 390 - Diskriminierung im atheistischen 943 - Zusammenbrach totalitärer 777 Tätigkeit - apostolische 76 - messianische 133 - wirtschaftliche 445 Talent(e) 338,340,532 Talmud 1165 Tanz - in der Liturgie 163 Taube, die - Symbol (Zeichen) der 123f., 189 Taubstumme 597 Taufe 9f., 21f., 161, 195, 266, 297, 304f., 315, 324, 416,429, 557, 589, 627, 656f„ 877, 883, 904, 1007, 1210, 1485 - christliche 159 - eines Kindes 10 - Erwachsener 10 - Jesu 9, 121-124, 160, 189, 774 - Polens 104 - Priestertum hat Ursprung in der 1323 - Sakrament der 287, 586, 670, 775, 930, 1195, 1291 Taufritus 9, 195 Taufsymbolik 123, 195 Technik 290, 462, 608 - modernste 372 - Vorrang der Ethik vor der 538 - Wissenschaft und 935, 1019, 1236 Technologie(n) 373 - moderne 358 Teilen 1215 Teilkirche(n) 657, 1162, 1327, 1364 - Pflicht 199 - und Universalkirche 1259f. Teilnahme - am Gemeindeleben 487 Teleskop 997 Tempel 106, 113, 239, 673, 803f. - geistlicher 529f. Terrorismus 785 Teufel 130 Theater 701 Theologe(n) 147, 1026, 1241 - Arbeit des 1429 - Einheit zwischen Th. und Wissenschaft 888 - kirchliche Berufung des 1427-1443 - Moral-T. 746 - Reflexion der 745 - Theologieprofessor 1106f. - und Lehrautorität 1435 f. Theologie 1023, 1025,1133, 1427-1430 - der Befreiung 1466 - des Ordenslebens 977 - feministische 1467 - hermeneutische 1466 - katholische 1465 - Lehramt und 1433-1441 - soll in der Wahrheit bleiben 1427 - und Wissenschaft 888 Theophanie(n) 123 - am Jordan 775 - dreifältige 123, 160 Thomaschristen 1365 1544 Tier(e) - besitzen Lebensatem 11 Tod(es) 419,8771,1115 - Bedeutung des 725 - Christi (Jesu) 67, 140, 167, 868, 992,1050, 1083, 1115, 1302 - heilbringender 196 - Kultur des 718 - Macht des 398 - und Sünde 47 - Würde des 1050 Todesopfer 143 Toleranz 232, 380, 617 Totalitarismus 776, 1051 - Entfernung vom 1053 - in Europa 936 - marxistischer 937 Tourismus 1139-1141,1215,14471 Tradition(en) 347, 14631 - apostolische 1478 - biblische (z. B. vierzig Tage) 128 - des Islam 786 - Erinnerung der 1463 - europäische 383 - geistliche 1411 - Interpretation und 14631, 1480 - jüdische 1164 - kanonistische 790 - katholischer Erziehung 1277 - ist Selbstüberlieferung Gottes 1478 - patristische 112 - religöse 246, 12001, 1313 - soteriologischen Denkens 1235 - Wesen der 1478 Traditionskrise 1463 Transplantation - der Nieren 897 Transzendenz - der Botschaft des Evangeliums 1296 - göttliche 81, 494 - Sinn für 384 Trennung - Deutschlands 1127 Treue 297, 3441, 387, 706,793 - christliche Ehe fordert 457, 654, 1318 - im Glauben 386, 448 -inChristus 1382 - Pflicht der 57 - Vorbilder für die T. zu Christus 740, 1088 - zu Gott 825 - zum Evangelium 755, 1086, 1331 - zum Lehramt der Kirche 793, 1117 - zum Wort Gottes 1325 - zur Kirche 489,1025 - zur Nation 387 Tropenwälder - Zerstörung der 9121 Trost 296 - geistlicher 149 Tugend(en) 572, 582, 653 - christliche 1307 - der Armut 1379 - der Selbstbeherrschung 1239 - im Krankenhausdienst 1138 - sittliche 1239 - Übung der 1307 Tun - gemeinschaftliches 223 Übel 508,704,714 - soziale 732, 954 Überfluß 9401 Überliefemng 231, 1241 - dogmatische 1466 Ujamaa 563 Umbruch(-brüche) - in Europa 1122 - kulturelle 1463 Um form ung(en) - industrielle 708 1545 Umkehr 41,43, 353,474, 821, 830 - Bedürfnis nach 40 Umsiedler 566f. Um wälzung(en) - in Osteuropa 217 - politische 920 Umwelt 763,766-769 - schützen 461 - Verantwortung gegenüber der 447 - Verschlechterung der 763f. Umweltschutz 769 Umweltverschmutzung 447 UN-Weltgipfel 1070 Unabhängigkeit - politische 283 -■ von Namibia 56, 842 - von Polen 149,211 Unabhängigkeitstag 212 Unbefleckte(nj Empfängnis - Fest der 1228 - Liturgie von der 1228f. UNESCO 841 Unfehlbarkeit - Charisma der 1432 - der Kirche 1469f. Ungeborene(n) - Leben der 1052 - Rechte des 1049 Ungerechtigkeit 465, 1485 - Überwindung der 56 Ungleichheit - wirtschaftliche (und soziale) 55,1451 UNIV 880 Universalität - der Kirche 965 - der Schöpfung 49 - der Sendung 8, 52 Universalkirche 1258 - und Teilkirche 1259f. Universität 1021, 1155 - italienische 1236 - Jagiellonen-U. 197f. - Karls-U. 378 - Kath. Herz-Jesu-U. Rom 1237 - katholische 1017-1036, 1132-1134 - römische 1233, 1235 - von Neapel 701-703 Universitätsdozenten 701 Universitätsgemeinschaft 1023 Universitätsjugend 76 Universitätslehrer 1024 Universitätsseelsorge - an einer Kath. Universität 1028f., 1035 Unschuld - der Kinder 418 Unschuldige - zu Opfern werden 360 Unsicherheit - vieler Jugendlicher 1452 Unsterblichkeit 146 Unterdrückung 380 - der Kirche 75, 77 - durch Geburtenkontrolle 913 - durch Ideologien 421 - politische 1189 - von Christen 786 - von Gläubigen 405f. Untergrund - Priester im 386 1546 Unternehmen 446, 708, 732 Unternehmer 371, 374,443,4461, 460, 462, 7301 - Lateinamerikas 444 - Pflicht der 731 Unterricht - theologischer 1216 Untreue 508 - des auserwählten Volkes 79 - gegenüber Gott 825 Unzufriedenheit 290 Urgemeinde 231, 1219, 1387 - Glaube der christlichen 123, 146 Urkirche 146, 1204 - der Heilige Geist in der 201 - missionarische Großtaten der 1221 Urologe(n) 897 Urteil(e) 1340, 1432 Urteilsfähigkeit - der Jugendlichen 431 Utopie 377 Vater - Einheit des Sohnes mit dem 173 - im Himmel 135 - personale Beziehung des Sohnes zum 172 - und der Sohn zwei unterschiedene Personen 159 Vaterland 286,606 Vaterlandsliebe 431 Vaterschaft - Gottes 136, 188, 824, 1232 Vatikanstadt - besondere Natur des Staates der 1454 Verachtung - der Frau 290 Verantwortliche 608 - Pflicht der V. in Politik und Verwalt. 731 Verantwortlichkeit - ethisch entscheidend 1238 Verantwortung 203,439,444, 446,458, 467, 524, 701, 768, 772 - der Bischöfe 1241, 1303, 1327 - der Erzieher 138 - der Familien 667 - der internationalen Gemeinschaft 567 - der Jugendlichen 408 - der menschlichen Gewissen 212 - der Priester 138 - des Christen 825f., 921 - des Menschen 914 - Entwicklung des V.-bewußtseins 567f. - für die Liebe und das Leben 1237f. - für die Völker 316 - gegenüber der Umwelt 447, 768 - im gesellschaftlichen und politischen Leben 826 - in der Kirche 966f. - missionarische 1165 - öffentliche 826f. Verantwortungsbewußtsein - theologisches 1300 Verantwortungssinn 702 Verband - Italienischer V. Christlicher Familienberatungsstellen 835 - katholischer Intellektueller 838 - von Gläubigen 1151 Verbreitung - des Glaubens 640, 1197, 1210, 1465 - des Reich Gottes 120901 - kriminelle V. von Rauschgiften 1305 - zunehmende V. der Sekten 1312 Verdienst 460 1547 Verehrung - der Immakulata 236 - der Mutterschaft der Jungfrau Maria 770 Vereinigung - katholischer Journalisten 996 - mit Gott bzw. Christus 1249 - Omnia Homini 1048 Vereinte Nationen 56,439,785, 936, 1066 Verfolgung(en) 135,170,421,476 Vergebung 42, 62, 620, 85 lf. - der Sünden 41, 68, 124 - Gottes 40 Verhalten(s) - der Menschen 1306 - Wandlung des 712 Verheißung(en) 248, 1233 - Ezechiels 11, 35 - im Alten Testament 7, 366 - Jahwes 999 - Jesu (Christi) 194, 201, 869 - Verwirklichung der 1233 Verherrlichung - Gottes 268,939 Verkündigung 79, 227, 1166, 1193,1242 - an Maria 64 - der Frohbotschaft 246, 430 - der göttlichen Sohnschaft 9 - der Kirche 256,1177, 1465, 1481 - des Evangeliums 193, 342,416, 929,1090, 1202, 1320, 1465 - des Lebens 110 - des Lehramtes 1471, 1483 - des Wortes Gottes 476, 507, 1194,1240, 1309, 1327 - in Nazaret 96,103 - neue Formen für 1314 - über das Reich Gottes 1175 f. - Verpflichtung zur V. des Wortes 1296 - wird Gebet 224 Verletzungen ) - der Menschenrechte 954 - der Rechte der Person 932 Verleugnung - des Petrus 963 Vernichtung - der Juden 936, 1122 Vernunft 538, 998, 1170, 1249, 1430 - Glaube und 1018, 1022, 1030,1076, 1249 - menschliche 1023, 1410, 1464f. Versklavungfen ) - Befreiung von 1058 Versöhnung 19, 231, 256, 275, 605, 607, 611, 960, 1358 - Dienst der 62 - mit den Mitmenschen 1301 - mit Gott 231, 830f„ 1251, 1301 Verstädterung 1188 Verstand 213 Versuchung(en) 3, 121, 129, 266, 312, 358, 435,461,575,714 - Christi 169 - des Individualismus 925 - des Teufels 128 - des Volkes Israel 129 - Kampf gegen die 533 - Ort der 128-130 - zur Korruption 289 Verteidigung - der christlichen Identität 839 - der Wahrheit 421 - des Glaubens und der Kirche 792, 794 - des Landes 1162 - des Lebens 24 Verteilung - gerechtere V. von Gütern 1265f. Vertrag - des Hl. Stuhls 348 1548 Vertrauen 345, 1232 - in Gott 466 - ursprüngliches 1228 Verwaltung 705, 728 Verzeihen 232,442, 607, 625 Verzweiflung 527 Vision 31 Völkerfamilie - lateinamerikanische 440 Volk(es)/Völker 270, 421, 567, 625, 1212, 1216 - ärmste 26 - alle Rassen zu einem V. vereinen 1314 - Bedürfnisse der armen 348 - brasilianisches 1284, 1289, 1317 - burundisches 610,638 - chinesisches 784 - christliches 428, 1392 - deutsches 1082, 1122 - Distanz zwischen Klerus und 1300 - ein einziges 263 - Einheit des 605 f., 607 - europäische 1082 - gläubige 1324 - Gleichheit aller 567 - Gottes 196, 336, 529, 594f„ 614, 636, 655, 747, 932, 976,1290, 1292, 1386, 1483, 1485 - Größe eines 511 - Israel (im AT) 15-17, 36, 128, 274, 465, 673 - jüdisches 1164 - kapverdisches 265, 278 - Kirche als messianisches 1323 - Kirche als priesterliches 1323 - Konflikte zwischen den einzelnen 449 - Kultur des maltesischen 512 - palästinensisches und israelisches 187 - Probleme des mexikanischen 436 - rwandisches 642 - Sehnsucht der 230,411,1317 - Solidarität unter 347, 440, 567 - Verantwortung für 316 - von Genua 699 - von Guinea-Bissau 287 - zentral- und osteuropäische 1449 Volksfrömmigkeit 430 Volksreligiosität 1313 Vollmacht 61 - Jesus verleiht den Aposteln 225 Vorbild(er) 371,417,455, 620, 714, 1086 - für die neue Evangelisierung 426 - Jesus Christus als 113, 476, 1058 Vorsehung 1232 Vorurteil 432 Wachstum - demographisches 913 - der Kirche 282 - des Reiches Gottes 324, 1229, 1485 - wirtschaftliches 608 Wärme - menschliche 729 Waffen 768,923 Wahl - radikale 824 Wahrheiten) 76,154, 211f„ 234, 353, 396, 538, 599, 887, 1079, 1167, 1263,. 1427L, 1464f., 1480f. - Christi 1428 - das Leben in der 204 - des Evangeliums 1332 - des Gewissens 353 - die das Evangelium offenbart 596; 1468 - Erforschung der 794,1017-1019.. - Erkenntnis der 1429 - Geist der 174, 261, 916, 1265, 1308, 1384 - Gottes 1473-1475 - Hierarchie der 1474 - höchste 1076 - suchen 580, 609, 702, 947,. 1018, 1022, 1024,1136, 1236 - treu bleiben 692 - über Christus 70, 173, 404, 740f., 803f., 1471 - über das Reich Gottes 136 - über den Heiligen Geist 70 1549 - und Wirklichkeit 1463f., 1467 - Verteidigung der 421 - Wort der 61 - zu verkünden 173 Wahrheitsverständnis - biblisches 1466 ■ ■Waisenkinder 624, 667 Wallfahrt . 126,405, 883, 1126, 1141 Wallfahrtsstätte 433 Wandel 714 - der technischen Strukturen 372 - geistiger 534 - in Süditalien 711 Wanderung - vierzig Jahre lange W. Israels 352 Wandlung(en) 90 - des Verhaltens 712 Wasserfs) 13 - Heilswirkung des 353 - Symbolik des 11, 194f., 352-354 Weg - der Rückkehr zu Gott 1041 - nach Emmaus 435f. Weihe 272 - an Gott 1309 - Gnade der 57 - missionarische Fruchtbarkeit der 1208 - zum Ordensleben 1374, 1391 Weihepriestertum 1485f. Weihesakrament 452, 648, 714,1059f., 1324 Weihnachten 245f„ 1256, 1262 Weihnachtsmysterium 3 Weinberg 1082f. - der Kirche 865 f. Weisheit 1243 - Gottes 1472 - Suche nach der 51 - und Geist 34, 46-49, 185 - Wissen und 112 Weisungen - Jesu 135, 200 Weiterbildung 628, 1028 - der Laien 576 - der Ordensleute 576,629,1405-1408 - der Priester 517, 576, 1086, 1091,1486 Welt 70, 99, 174, 275, 294, 435, 587, 604, 716, 878f. - Aufbau einer besseren 507f. - der Arbeit 363,521 - der Kultur 491 - Dritte und/oder Vierte 26 - ein Bild der neuen 1231 - Erlösung der 875 - Erschaffung der 307 - Evangelisierung der 429, 933,1078, 1205, 1440 - Gefahr für die/ in der 44 - Kirche in der 780 - Last der 401 - Menschund 290, 1102, 1463 - nichtchristliche 1218 - ohne Gott 401,686 - Präsenz der neuen 1232 - Probleme in der 748, 794 - Umwandlung der 595 - vereinte 855-857 - von heute 62, 212, 274, 443, 455, 488, 557, 691, 1019 Welt-Gipfeltreffen - zum Schutz der Kinder 1066 Welt-Gleichgewicht 440 Welt-Lepratag 800 Weltfriede - ist bedroht 763 Weltfriedenstag 763,770-772, 1330 1550 Weltgebetstag 903 Weltgebetswoche - für die Einheit der Christen 18-22 Weltgemeinschaft 3 Weltjugendtag 66, 864, 866, 869 Weltkirche 1216,1329 Weltkongress - für die Pastoral des Tourismus 1139 Weltmission 901, 1205, 1213, 1217f. - Bedürfnisse der 1207 - Geist der 1217 Weltmissionssonntag 192f., 1090, 1092, 1215f. Weltordnung - gerechtere 1265 f. Welttag - der Migranten 1005 - der sozialen Kommunikationsmittel 798 - für die Leprakranken 26 Wende - geschichtliche 217 Werke 96,98 - der Buße 830 Wert(e/n) 121, 143, 306, 321, 329, 500, 624, 781,900, 1235, 1324 - christliche 1216 - der Freiheit 1238 - der menschlichen Vernunft 1249 - der Schöpfung 769 - des Evangeliums 378,429, 1328 - des Menschen 461, 632,1128 - des Reiches Gottes 1176 - dieser Kulturen 342 - Familie als Vermittler von 1317 - fundamentale 899f. - geistliche 557 - grandlegende W. der Gesellschaft 308 - Hierarchie der 258,462 - in die christl. Botschaft eingliedem 1314 - menschliche 488, 1075, 1328 - Primat der menschlichen 16 . , - Sinn für religiöse 1312: ■ - spirituelle 413 - transkulturelle 1464 - überlieferte 1463 - Vorrangstellung geistl. 1455 - wahre 246 Wertkrise 484 Wertordnung 460, 467 Wettkampf (-kämpfe) 925 - fairer 924,927 Widerstand 326 - im Ostblock 936 Wiedergeburt 1428 - der Gesellschaft 389 - spirituelle 382 Wiederversöhn ung - nationale 326 Wille - freier 72 - Gottes 307, 503, 582,745f„ 914, 921 - Gottes Folge leisten 532 Willensakt 213 Willkür - der Machthaber 385 Wind siehe: raah Wirken - apostolisches 427 - des Heiligen Geistes 11,62,88,503, 1182f„ 1478-1480 - Gottes 428 - pastorales W. in Wort und Tat 1338 - prophetisches 31f. 1551 Wirklichkeit 1233 - der Menschwerdung 1268 - des fleischgewordenen Wortes 1343 - fundamentale, österliche 1302 - im kulturellen Lebenskontext 1463 - menschliche 304, 354 Wirtschaft 377, 444, 462,522, 710, 1148 - und Ethik 733 Wirtschaftskrise 55,481,611,682 Wirtschaftsordn ung - gerechte 445 Wirtschaftsplan 446 Wirtschaftssystem(s) 753 - Mängel eines 463 Wirtschaftswissenschaft 445 Wissen(s) 609 - Integration des 1022 - und Weisheit 112 Wissenschaften) 432,493,728f., 777, 934 - Autonomie der 444,702 - Einheit zwischen Theologie und 888 - erkennt ihre Grenzen 1235 - historische 1430 - medizinische 1144 - neurologische 1142f. - und Glaube 702 - und Kirche 1110 - und Kultur 1110-1114 - und Technik 935,1019, 1236 Wissenschaftler 702, 729, 912-914, 997L Wohlstand 377,462,682 - gesellschaftlicher 462 Wohlstandsgesellschaft 1315 Wohnung(en) - menschenwürdige 915 Wohnungsbau - kirchlich-sozialer 915 Wohnungsmangel 720 Wolke - als Symbol 34, 543 World Islamic Call Society 820 Wort Gottes 686f., 941, 999, 1133, 1411 - Durst nach dem 1339 - in und durch Menschenwort 1473 - lebendiges 1241 - Treue zum 1325 - überliefertes 1470, 1483 - und Lehramt 1476 - verkünden 476,507,1194, 1240, 1309, 1327 Wort(efes) 400,756 - der Wahrheit 61 - des Lebens 940 - des sterbenden Christus 140 - Dienst des 30 - Ewiges 96, 399 - in den Hl. Schriften vermittelte 1240 - Inkarnation des Ewigen 98 - ist Fleisch geworden 1262, 1264 - lebendige und lebenspendende 1241 - Menschwerdung des 58f., 71, 243, 1230, 1477 - und Geist 6,46,49 - Wahrheit des 1230 - Weitergabe des 1241 Worte Jesu (Christi) 207, 281, 343, 346, 353, 403, 430, 466, 506, 598, 607, 651, 736, 814 f., 889 - über das Licht und das Salz 304-306 - über die Freiheit 211 Würde - der (menschlichen) Arbeit 365, 372f., 475, 732 - der Arbeiter 243, 372 - der Frau 1467 - der Person 243, 284, 289, 379,446, 522, 592f., 607, 836f„ 942, 1238 - des Kranken 1145 - des Menschen 262, 308, 379, 505, 538, 592, 607, 728, 942, 1044, 1075, 1465 - des Todes 1050 1552 - des Zeugungsaktes 1238 - Zerstörung der menschlichen 478 Wüste 128-130, 352-354, 940f. - als Ort der Gottesbegegnung 130 - als Ort der Versuchung 128-130 - Sahara 350 - Sahel bedroht vom Vordringen der 316 - Sinai 352,354 - unfruchtbare 353f. Wunder 135, 149f., 535, 552, 815,944 Zeit - Erfordernisse unserer 680 - Herausforderungen unserer 926 - wächst 69 lf. - Zeichen der 1331 Zeitalter - der Aufklärung 832 - der Laien 1043 Zeitschrift - La Civiltä Cattolica 792-794 Zentrum - für soziale Wiedereingliederung 441 - inter-institutionelles 1420f. Zerstörung 492 - der menschlichen Würde 478 - der Tropenwälder 912f. Zeuge(n) 63, 110, 271, 453, 623, 880, 911, 916, 1215, 1309,1361 - Apostel als 159, 585 - Bischöfe als 859, 1346, 1419 - Christi 571, 601 - der Liebe 361,716 - des Glaubens 416, 1172 -echte 437,1086,1154 - für das Wirken der Gnade 1339 - glaubwürdige 193 - Gottes 627, 1243 - sein 508, 586, 614, 859, 883, 990,1139, 1356 Zeugnis 953, 1031, 1479 - der Apostel 962 - der Freude 110 - der Kirche 99, 817,1178,1428,1468,1472 - der Liebe 419 - der Missionare 9721, 1216 - eines lebendigen Glaubens 9521 - für den Glauben 943 - geben 70, 82, 173, 204, 264, 292, 3051, 473,480, 544, 570, 601, 613,745, 817, 9201, 1083, 1219,13551 - in der Welt 121 - persönliches 1073, 1192 - prophetisches 1340 Ziel(e) - im Erziehungssystem 609 Zivilisation 277, 309,492, 537 - asiatische 934 - der Liebe 495, 587, 856, 1198 - des Seins 1063 - Entwicklung der (europäischen) 934, 1340 - Fortschritt der 1049 - moderne 361 - neue 434, 893 Zölibat 151, 333, 636, 11051, 1376 Zöllner(n) 237 ZuHuchtsort(e) 143 Zukunft 14, 307, 360, 537, 751, 1221 - Aufbau einer besseren 1305 - christliche 272 - der Gesellschaft 751 - der Kirche 57,509,1092 - Europas 921 - Hoffnung auf die 434 - Problem der 692 Zusammenarbeit 319 - der Kirchen 1206 - industrielle 1449 - interkonfessionelle 1242 - internationale 349,782 - kulturelle 348 - mit Gott 443 - neue Formen missionarischer 1215 - regionale 643 - unter den Nationen 611 1553 - von Christen und Juden 848,1135 - von Partnern unterschiedl. Entwicklung 612 - wirtschaftliche 348 Zusammenbruch - totalitärer Systeme 777 - wirtschaftlicher 377 Zusammengehörigkeit 126 - von Schrift, Tradition u. Communio der Kirche 1477-1479 Zweites(en) Vatikanisches(en) Konzil(s) 132, 178, 211, 225, 238, 269, 379, 453, 1013, 1210, 1229, 1244, 1246, 1307, 1311, 1320, 1323, 1330, 1340f„ 1476f. - Adgentes 1183-1188, 1191, 1195-1202, 1209-1212, 1215, 1417, 1438, 1476 f. - Dei Verbum 1240f., 1474-1483 - Dignitatis humanae 1438 - Dogmenlehre des 1469-1471 - Gaudium et spes 494, 1416 - Lumen Gentium 736 - Nostra aetate 884, 886 - Optatam totius 1422-1426 - Perfectae caritatis 1410 Zweiter Weitkrieg 186, 533, 935, 1122 Zyklus - pneumatologischer 224 1554 Personenregister .Aaron 34 Abraham nach der alttestamentlichen Überlieferung der erste der drei Stammväter Israels und verwandter Völker 72, 302, 306, 366, 803, 972 Acutius Märtyrer 740 Adalbert, hl. tschechischer Märtyrer 76, 78, 376, 388, 396f., 402 Adam 12, 146, 244, 763 Agagianian, Pierre; Kardinal 1098 Agnes von Böhmen, hl. 75, 77, 397 Agnes von Prag, hl. 217 Ahumada, Emesto Corripio; Kardinal Erzbischof von Mexiko-Stadt 412, 415 Alfons Maria von Liguori, hl. 703, 713, 723, 736ff., 743-746, 750 Allamano, Guiseppe, sei. 182, 1082-1085 Almoneda, Benjamin Weihbischof in Daet 774 Alphonsa von der Unbefleckten Empfängnis s. Muttahupandatu, Alphonsa Ambaum Professor u. Mitglied der ITK 1462 Ambrosius von Mailand, hl. (um 339-397) Bischof von Mailand, Kirchenlehrer 208f., 1149 Andreas; Apostel 23, 502f. Andreotti, Guilio Ministerpräsident Italiens 1155 Angelini, Fiorenzo Erzbischof und Präsident des Rates für die Pastoral im Krankendienst 809, 816, 1138 Anna s. Hanna Antiochus Epiphanes 46 Antonio, sei. mexikanischer Märtyrer 83,414-419 Antonius, hl. 1385 Arinze, Francis; Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog 673, 1064, 1455 Ams, Paulo Evaristo; Kardinal 1298 Arteaga, Jose Femändez Koadjutor in Chihuahua (Mexiko) 455 Athanasius, hl. (um 295-373) Kirchenlehrer und Patriarch von Alexandria 202, 209 Athanasius von Heliopolis Metropolit 965 Athenagoras I. Patriarch von Konstantinopel 1069 Augustinus von Hippo, hl. (354-430) ab 395 Bischof von Hippo, Kirchenlehrer 162, 165, 209, 214f„ 220f„ 225, 232, 307, 424,488, 691, 966, 1001, 1019, 1142f., 1234, 1347 Augustus römischer Kaiser 1262 Avina, Antonio Lopez Erzbischof von Durango (Mexiko) 448, 450 Baden-Powell; Lord Gründer der Pfadfinderbewegung 1062 1555 Balet, Gabriel; Monsignore Bischof von Mondou (Tschad) 328, 333, 334, 336, 341 Barberini, Bonaventura 685 Barnabas 1204 Barragän, Javier Lozano Bischof von Zacatecas (Mexiko) 475 Bartimäus 652 Bartolomäus von Chalkedon Metropolit 115,963,965 Basilius von Caesarea (um 330-379) Kirchenlehrer und Bischof von Caesarea, ab 370 Bischof und Metropolit von Kappado-kien 208 f. Bea, Augustin; Kardinal 1240 Beda, hl. 967 Bedini, Ignace lateinischer Erzbischof von Ispahan 774 Belschazzar Mitregent in Babel von 550-545 46 Benedikt von Benevent, hl. 561 Benedikt XIV.; Papst (1740-1758) 1078 Benedikt XV.; Papst (1914-1922) 698, 1191 Benedikt, hl. Patron Europas 126, 137, 382, 397, 402, 404, 407, 906, 938, 961, 1041, 1448 Beran, Josef; Kardinal Erzbischof von Prag 380, 387, 392 Berloco, Giacinto; Erzbischof Apostolischer Pro-Nuntius in Simbabwe und Apostolischer Delegat in Mosambik 858 Bernadette, hl. 814f. Bernhard von Clairvaux, hl. (um 1090-1153) brachte den Zisterzienser-Orden zur Blüte 245, 699,1041-1045 Bettazzi, Luigi Bischof von Ivrea 352 Bianchi, Francesco Maria, hl. 714 Bich, Jean-Antoine 1000 Bileam; Prophet 29,154 Boffardi, Ines Vorsitzende des italienischen Verbandes Christlicher Familienberatungsstellen 835 Bonifaz IX.; Papst (1389-1404) 684 Bonomelli, Geremia 1164 Bosco, Johannes, hl. s. Don Johannes Bosco Bouchard, Jean-Claude Bischof der Diözese Pala (Tschad) 334 Bovone, Alberto; Titularerzbischof Erzbischof von Cäsarea in Numidien, Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre 1441 Bruno, Mario 827 Bududira, Bemard; Bischof Vorsitzender der Bischofskonferenz von Bumndi 613 Bulgakow, Michael Afjanasjewitsch (1891-1940) russ.-sowj. Schriftsteller 215 Cafasso, Guiseppe, sei. 1083 Campidelli, Pio, sei. (1868-1899) 1086 Canestri, Giovanni; Kardinal Erzbischof von Genua 695, 699 Cantius, Johannes, hl. 198 1556 Carafa, Carlo I.; Bischof Erbauer des heiligen Hauses von Loreto in der Kathedrale von Aversa 750 Cardarelli, Antonio Arzt und Professor 728 Cardijin, Joseph Abbe und Kardinal 996 Camevale, Sansone Pfarrer an der Kathedrale von Neapel und Gründer der Kongregation der Apostolischen Missionen 713 Carraro, Franco Bürgermeister von Rom 924 Casaroli, Agostino Kardinalstaatssekretär 1159ff., 1262, 1447 Casciani, Carlo 1048 Casoria, Guiseppe; Kardinal 713 Castellanos, Leonardo; Bischof 471 Cauchi, Nikol Joseph Bischof von Ta’Pinu (Gozo/Malta) 525, 529, 543, 546 Ceirano, Giovanni Apostolischer Pro-Nuntius in Papa-Neuguinea 774 Chavara, Kuriakos Elias; Pater, sei. Gründer der Kongregation der Karmeliter von der Immakulata 1364 Chmielowski, Albert (Adam), hl. 217 Chopin, Friedrich 198 Chrysostomos 824 Classe; Bischof einer der ersten Missionare in Rwanda 646, 650 Colombo Professor u. Mitglied der ITK 1462 Commenginer Missionar vom Heiligen Geist 601 Compaore, Blaise; Oberst Staatsoberhaupt von Burkina-Faso 316 Compaore, Jean-Marie Bischof von Burkina-Faso 320 Corbon Professor u. Mitglied der ITK 1462 Coussa, Acacio; Kardinal 1098 Cristobal, sei. mexikanischer Märtyrer 83, 414-419 Cristofori Untersekretär des Ministerratspräsidiums Italiens 684 Curioni, Cesare Vorsitzender des internationalen Ausschusses Gefangenenseelsorge 1061 Cyprian von Karthago, hl. Märtyrerbischof 162,165, 232, 678 D’ Ambrosio, Domenico Bischof von Termoli-Larino 774 D’ Ambrosio, Guiseppe; General Befehlshaber der Zentralen Militärregion der Garnison Rom 860 d’ Youville, Marguerite, hl. 1231-1233 da Nöbrega, Manuel 972 Dadaglio, Luigi; Kardinal 750, 1046ff. Dajczak, Edward Weihbischof in Lansberg (Gorzow) 774 Damasus I.; Papst (366-384) 202, 233 Daniel; Prophet 46, 126 1557 Dante, Alighieri 1045 David 17f., 46, 52, 154, 195,202 de Alarcön, Juan Ruiz 493 de Anchieta, Jose 912 de Araujo Sales, Dow Eugenio; Kardinal 1304 de Baranda, Felipe Sainz 1243 de Benavente, Toribio Missionar; genannt „Motolinia“, der Arme 423, 972 de Coimbra, Henrique um 1500 Missionar in Brasilien 1320 de Courmont 601 de Geronimo, Francesco, hl. 714 De Giorgi, Salvatore Bischof und Generalassistent der Katholischen Aktion Italiens 838 de la Casas, Bartolome Bischof von Chiapas 423,427 de la Cruz, Juana Ines Ordensschwester 493 de la Inmaculada, Inocencio, sei. Passionistenpater und Märtyrer 894 de la Vega, Juan Lasso; Pater 743 de Las Casas, Bartholome 972 de Montaignac de Chauvance, Louise, sei. Louise Therese, Ordensfrau 206, 1118f. de Montesino, Antonio 972 de Penalosa, Anna 1246 de Quiroga, Vasco genannt „Tata Vasco“; erster Bischof von Michoacän 423,427, 972 de Sahagün, Bernardino Missionar in Mexiko 423, 973 de Soto, Domingo 972 De Veuster, Damian Apostel der Leprakranken 996 de Vitoria, Francisco 972 de Zumärraga, Juan erster Bischof von Mexiko City 423,426, 972, 975 del Valle, Juan 972 Descartes 934 Desiderius neapolitanischer Märtyrer 723 Deuterojesaja s. Jesaja di Francia, Annibale Maria, sei. 183, 1082-1085 Dimitrios L, Papadopulos; Erzbischof Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel 115,963,965 Dionysius Areopagita Paulusschüler und angeblich erster Bischof von Athen.; unter dem Namen des D.A. veröffentlichte der Pseudo-D. A. im 5/6 Jh. Schriften, die die Theologie und die Mystik beeinflußten 208 do Livramento Evora, Dom Paulino Diözesanbischof von Santiago (Kapverdische Inseln) 259,268 Don Johannes Bosco, hl 898ff., 1128 Don Minzoni 691 ff. 1558 Don Salavatore Vitale 750 Duprey, Pierre Sekretär des päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen 774 Deprimez, Bischof einer der ersten Missionare in Rwanda 646, 650 Eid, Emilio 1098 Elias 128, 130, 154 Elija; Prophet 30,154 Elisabeth (Elisabet), hl. hebr. „mein Gott ist Fülle“, Frau des Priesters Zacharias, eine Verwandte Marias; sie wurde in hohem Alter Mutter von Johannes dem Täufer 58, 101ff., 144, 168, 428, 526, 551, 694, 958 f„ 1015f. Elischa; Prophet 30,154 Ellis, Willem Michel; Bischof Bischof in Willemstad (Niederländische Antillen) 506 Ender, Erwin Josef; Erzbischof Apostolischer Nuntius im Sudan und Apostolischer Delegat in der Region des Roten Meeres 858, 860 Ephram 209 Epiphanios von Salamis (gest. 430) 209, 215 Escrivä, Jose Maria Gründer des Opus Dei 880 Etchegaray, Roger; Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ 317, 1359 Eugen IE., sei.; Papst (1145-1153) 1042 Eugen IV.; Papst (1431-1447) 685 Eusebius von Caesarea 1313 Eutyches neapolitanischer Märtyrer 723,740 Eva 80,244,763 Ezechiel; Prophet hebr. „Gott ist oder macht stark“, wirkte zwischen 594 und 571 v.Chr. unter den Exulanten in Babylon 11, 30ff„ 35, 37, 40, 42, 154, 195, 202, 428 Fagiolo, Vincenzo em. Erzbischof von Chieti, Sekretär der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gemeinschaften des apostolischen Lebens 1426 Ferrazetta, Dom Settimio Arturo Bischof von Bissau in Guinea-Bissau 283 Festus neapolitanischer Märtyrer 723,740 Flavian von Konstantinopel; Patriarch 740 Fontana, Giovanni 685 Fortunatus neapolitanischer Märtyrer 723 Francesca Romana, hl. 44 Franco, Felipe Aguirre mexikanischer Bischof 464 Franz von Assisi, hl. (um 1181/82-1226) wählte als reicher italienischer Kaufmannssohn den Weg der Armut und reiner Christusnachfolge, Gründer des Franziskanerordens 80, 770, 990, 1121, 1267 Franz von Geronimo, hl. 723 Franz von Sales, hl. 899 Frassati, Pier Giorgi, sei. 86, 916-918 Freud, Sigmund 1463 Fürst, Carl 1098 1559 Gabriel von der schmerzhaften Mutter (1838-1862) 1086ff. Gabriel; Erzengel 36, 71, 160, 432, 526 Gagnon, Edouard; Kardinal 909 Galgani, Gemma, hl. (1878-1903) 1086 Galilei, Galileo 1112 Galuzzi, Alessandro M. Generalsuperior des Ordens der Mimiten 1153 Garcia, Ignacio Valesco Apostolischer Vikar von Ayacucho 774 Garces, Julian 972, 975 Garcia, Gabriel 472 Gasparri, Pietro; Kardinal 1098 Gattai, Arrigo Präsident des Italienischen Olympischen Komitees 924 Gattomo, Maria Rosa Gründerin der „Töchter der hl. Anna“ 1270f. Gazza, Giovanni Bischof von Aversa 747 Gideon Richter im AT 16,154 Gioia, Francesco Erzbischof von Camerino - San Severino Marche 858 Giordano, Michele; Kardinal Erzbischof von Neapel 704, 713, 717, 720, 723f. Giovan Guiseppe vom Kreuz 714 Giutmondo, hl. 756 Glemb, Jözef; Kardinal Primas von Polen 182 Gnilka Professor u. Mitglied der ITK 1462 Goicoechea, Angelo Suquia; Kardinal 1036 Gojdic; Bischof 392 Gonzales, Manuel Perez-Gil; Monsignore Erzbischof von Tlalnepantla (Mexiko) 486 Gonzales, Rafael Garcia Bischof von Tabasco (Mexiko) 469, 471 Gorazd, hl. 404 Goretti, Maria, hl. (1890-1902) 1086 Gorret, Ame 1000 Grandoni, Deciö Lucio Bischof von Orvieto 944 Gratian 790 Gregor der Große, hl.; Papst (590-604) 744, 966ff. Gregor(ius) von Nazianz, hl. 153 Hadrian VI.; Papst (1522-1523) 958 Haggai; Prophet 31 Hamer, Jerome; Kardinal Präfekt der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und die Gemeinschaften des apostolischen Lebens 1426 Hanna Mutter des Samuel (AT) 103 Hanna; Prophetin Tochter des Penuel 58, 107f. Havel, Vaclav Präsident der Tschechoslowakei 76f., 410 1560 Havelange, Joao Präsident des Internationalen Fußballverbandes (FIFA) 924 Hedwig (Jadwiga), hl. 131 Heinrich III.; Kaiser 207 Hengen, lean Erzbischof im Großherzogtum-Luxembourg 883 Herodes Antipas Tetrarch von Galiläa 110 Herodes I. (der Große); König 476, 773, 1016 Hilario, Jaime, sei. 895 Hilarius von Poitiers, hl. (um 315-367) Kirchenlehrer und Bischof von Poitiers 208f. Hirth; Bischof einer der ersten Missionare in Rwanda 646, 650 Holan, Vladimir tschechischer Dichter 383 Hosea; Prophet 80 Houphouet-Boigny, Felix 165, 673 Ignatius von Antiochien, hl. 1098 Ignatius von Loyola, hl. Gründer des Gesellschaft Jesu (Jesuitenorden) 927, 1010-1014, 1085, 1094, 1268, 1386 Illiano, Gioacchino Bischof von Pagani (Region Kampanien) 736,738 Irenäus von Lyon, hl. (gest. um 202) Kirchenvater 123, 227, 268, 346, 914 Isaak Sohn des Abraham (AT) 72, 366 Isabella von der Dreifaltigkeit 1254 Jakobus, hl.; Apostel 958, 1204 lanuarius, hl. Bischof von Benevent, Märtyrer und Patron Neapels 716, 723,740 Jeremia(s); Prophet 42, 52, 79f., 648 lesaja; Prophet hebr. „Rettung ist Jahwe“, 742 v.Chr. im Tempel von Jerusalem zum Propheten berufen 10, 17f., 34, 36, 37,40ff., 51ff., 79, 88, 112, 135, 169, 171, 177, 188, 194f„ 235, 323, 326,428,452,464, 509, 687, 773, 800, 1058, 1231,1264 liftach Richter im AT 16,145 Johann UI. Sobieski (1629-1696) König ab 1674; rettete als Oberbefehlshaber der allierten Armee Wien vor den Türken in der Abwehrschlacht von Kahlenberg (12.9. 1683) 38 Johann Kasimir 82,1051 Johannes, hl. Apostel und Evangelist; Bruder des Jakobus 28, 68, 97f„ 127, 140,172, 174, 214, 245, 281, 322, 401,406, 502f., 526, 665, 670, 731, 878, 958, 1016, 1174, 1179, 1204, 1376, 1392 Johannes Baptist de la Salle 549 Johannes der Täufer 36, 53, 84, 110ff., 122, 140, 161, 190, 195, 235, 237f., 243,775, 958f., 1194, 1231, 1234 Johannes Hus 381 Johannes Milic von Kromeriz mittelalterlicher Reformator in Böhmen 381 Johannes Paul I.; Papst (1978) 1074 1561 Johannes Paul II.; Papst (seit 1978) 84, 1371, 1387, 1401, 1419, 1426, 1447, 1450, 1452f., 1455 Johannes vom Kreuz, hl. 1135-1137, 1243-1254 erster Unbeschuhter Karmelit 1245 und seine Lehren 1249-1254 Johannes von Damaskus (Damascenus), hl. (um 650/670-754) Kirchenlehrer 208f., 1142 Johannes XXm.; Papst (1958-1963) 1240, 1256f. Jona Vater des Petrus 962 Josef Sohn des Jakob 15f., 46, 154 Josef Moscati, hl. 555,562 Josef(ph), hl. 63, 107, 117, 246, 250, 366ff„ 370, 371, 619, 1262 Josua 15, 154 Joel; Prophet 31f„ 154, 830 Juan Diego, der Indio .eigentlicher Name Cuauhtlatöhuac, d. h. „der sprechende Adler“ 414-419,425,468,474 Juan, sei. mexikanischer Märtyrer 83, 414-419 Julius K; Papst (1503-1513) 853 Julius HI.; Papst (1550-1555) 1011 Justin (gest. 165) Kirchenlehrer, Philosoph, Apologet und Märtyrer; J. versuchte als einer der ersten die Verbindung von christlicher Offenbarungslehre und griechischer Philosophie darzustellen 233 Kajetan von Thiene, hl. 714 Karl der Große; Kaiser 381 Kasimir, hl. Patron von Litauen 57, 991 Kasper, Walter Bischof von.Rottenburg-Stuttgart 1462 Katarina von Siena, hl. 560, 1156 Reagan, Patrick 1104 Kenntenich, Josef Gründer der Schönstattbewegung 1094 Kokot Professor an der Schlesischen Schule für die Medizin 897 Kolumbus, Christoph italienischer Seefahrer in spanischen Diensten, suchte einen westlichen Seeweg nach Indien und entdeckte dabei 1492 die Antilleninseln Guanahani sowie Kuba und Haiti 500, 696,700, 1320 Kolvenbach, Petrus Johannes eigentlich Peter-Hans; Generaloberer der Gesellschaft Jesu 927, 1010, 1094, 1268 Komba, James Joseph Erzbischof von Songea (Tansania) 585 Kopemikus, Nikolaus 197 Kornelius römischer Hauptmann in Cäsarea 220, 335, 421 Kostelecky, Alfred; Bischof Militärordinarius 1057 Kozka, Carolina, sei. 191 Kryszylowic, Marian Blazej Weihbischof in Stettin-Kamien 774 Kuriakos s. Chavara, Kuriakos Elias 1562 Kyrill'von Alexandrien,(gest. um 440) Kirchenlehrer 209,215f. Kyrill, hl.(um 826-869) Brudenvon.Methodius; .Lehrer und Apostel1 der Slawen 76, 114, 137, 375, 379, 397-401, 407f., 906, 938,961, 1448 Ladislaus, hl. (um 1040-1095) unterstützte Gregor VII. im Investiturstreit 379" Lagrange, Marie-Joseph 1240 Lamza, Lucian;.Monsignore 197 Lari, Ovidio Bischof von Aosta. 1000 Le Bouteiller, Marthe Aimee, sei. französische Ordensfrau 206, 1118 f. Lebulu, Eouis Josaphat; Monsignore Bischof in Dar es Salaam (Tansania) 574 Leo der Große, hl.; Papst (440-461) 740' Leo XIIT.; Papst (1878-1903) 215, 230f., 237f„ 243,248, 250f., 423, 710, 887 Leonard Professor u. .Mitglied der ITK 1462 Limön, Salvador Quezada Altbischof der Diözese Aguascalientes (Mexiko) 430 Loaysa, Jerönimo 975 Lobianco, Arcangelo Nationalvorsitzender des italienischen Landwirtschaftsverbandes 753 Longo, Bartolo, sei. 723 Lourdusamy, Simon D.; Kardinal Präfekt der Kongregationen für die'Orientali-schen Kirchen und Präsident der Vereinigung der Hilfswerke für die Orientalischen Kirchen (ROACQ)' 95 i Ludmilla, hl. tschechische Märtyrerin 396 Ludwig; König von Ungarn 750 Lukas, hl.; Evangelist 58, 63, 66, 70ff., 79, 88, 91, 97, 101ff., 106, 108, lllff., 117,122, 124, 127, 133, 160, 178ff. Makedonios Anführer der nach ihm benannten „Makedonier“ oder Pneumatomachen, die gegen die Gottheit des Heiligen Geistes kämpften 202 Malchus 962 Maleachi; Prophet 202, 803 Manna, Paolo Pater und Missionar, Gründer der Päpstlichen Missionsunion des Klerus und der Ordensleute 759, 1091 Mansourati, Ignace Clement 1098 Maria s. Wortregister Maria aus Magdala 74, 880 Maria Casmira; Königin von Polen 750 Maria Francesca von den fünf Wunden 714 Maria vom gekreuzigten Jesus 1254 Maritain, Jacques 1164 Markus, hl.; Evangehst 1179 Marra, Giovanni; Erzbischof Militärordinarius 860, 1130, 1162 Martini, Carlo Maria; Kardinal Vorsitzender des Rats der Europäischen Bischofskonferenzen 1447 Martino, Renata R.; Erzbischof Ständiger Beobachter des Heilgen Stuhls bei den Vereinten Nationen 1452 1563 Marusyn, Myroslaw Stephan 1098 Marx, Karl 1463 Masiero, Guiseppe Generaloberer des „Kleinen Werkes der Göttlichen Vorsehung“ 842 Massimi, Massimo; Kardinal 1098 Matthäus, hl.; Evangelist 58, 63, 66, 70, 88, 127, 159, 1179 Matulaitis, Georg, sei. Erzbischof und Neugründer der Kongregation der Marianer 991 Maurelius, hl. 685 Mavema, Luigi Erzbischof von Ferrara 686 Maximus Confessor, hl.(589-662) byzantinischer Theologe, der als Märtyrer verehrt wird 209 Mayala, Anthony Erzbischof von Mwanza (Tansania) 588, 591 Mazarello, Domenica, hl. 1128 Meinhard, hl. erster Bischof von Riga 125 Meisner, Joachim; Kardinal Erzbischof von Köln 920 Melchisidek hebr. „Melek ist gerecht“ oder „König ist Sedek“; König von Salem und Priester des höchsten Gottes 451, 635 Mendes, John; Bischof Rektor des Priesterseminars in Trinidad 1278 Mercieca, Joseph Erzbischof von Malta 543, 546 Merino, Adalberto Almeida Erzbischof von Chihuahua (Mexiko) 455 Merton, Thomas 1164 Methodius, hl. (816/820-885) Bruder von Methodius; Lehrer und Apostel der Slawen 77, 114, 137, 375, 379, 397-401, 407 f., 906, 938, 961, 1448 Meynet, Jean-Augustin 1000 Mgulunde, Mario Erzbischof von Tabora (Tansania) 594 Michael; Kaiser von Byzanz 404 Michelangelo 853f. Mieszko L; Herzog von Polen Herzog seit 906, er nahm 966 das Christentum an und errichtete 908 das Bistum Posen. Um 990 unterstellte Mieszko sein Land dem Hl. Stuhl. 104 Mihayo, Marko; Erzbischof 594 Milano, Mario Erzbischof von Sant’ Angelo dei Lombardi-Conza-Nusco-Bisaccia 774 Minchiatti, Carlo Erzbischof von Benevent 553, 556, 559 Monforte, Luigi Gründer der Frommen Vereinigung 713 Monsalve, Jesus Jaramillo Bischof der kolumbianischen Diözese Arauca 785 Mosacti, Josef, hl. 722f. Moscati, Guiseppe bekannter Arzt Neapels, der auf beispielhafte Weise den Doppelbegriff Wissenschaft und Glauben zu verbinden wußte 703, 728f. 1564 Mose(s) in der alttestamentlichen Überlieferung Gesetzgeber und Begründer Isareis, der das Volk aus Ägypten herausführt 5, 15ff., 30, 36, 40, 128ff., 154, 195, 202, 274, 277, 354, 939, 940 Msarikie, Amedeus 598, 600 Müller-Thuns, Waldemar Botschafter der Bundesrepublik Deutschland 1449 Muttahupandatu, Alphonsa, sei. Alphonsa von der Unbefleckten Empfängnis 1364 Mutter Theresa von Kalkutta 955, 1054 Mwinyi, Ali Hassan Präsident von Tansania 563 N’Garteri, Mathias Bischof von Sarh (Tschad) 338 Nadal, Hieronym us 1012 Nagy Professor u. Mitglied der ITK 1462 Natili 990 Nebukadnezzar König von Babylon (605-562) 46 Necsey; Bischof 392 Newman, John Henry; Kardinal 504, 577, 886-889, 947-949 Newton, Isaac 934 Nietzsche, Friedrich 1463 Nikodemus gelehrter jüdischer Rabbi, Mitglied des Hohen Rates, Pharisäer 6, 189,436, 889, 939, 1233f„ 1236 Nikolaus TV.; Papst (1288-1292) 944 Noah (Noach, Noe) 124 de Noronha Galvao Professor u. Mitglied der ITK 1462 Nowak, Edward; Erzbischof Sekretär der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse 858,860 Nsengiyumva, Thaddee Bischof von Kabgayi (Rwanda) 646, 651 Nsengiyumva, Vincent Erzbischof von Kigali (Rwanda) 639,641, 664 Ntamwana, Simon Bischof in Burundi 635 Nunoma, Sam Staatspräsident Namibiens 842 Nunez, Rafael Munoz Diözesanbischof von Aguascalientes (Mexiko) 430 Nyerere, Mwalimu Julius Erster Präsident von Tansania seit der Unabhängigkeit 563 Obert Missionar und Bischof in Indien im 19. Jh. 1000 Odescalchi, Carlo; Kardinal 685 Olivetti, Adriano Unternehmer 369 Origines 1385 Orione, Luigi, sei. Gründer des „Kiemen Werkes der Göttlichen Vorsehung“ 842ff. Otniel Richter im AT 16 Ouedraogo, Marius Bischof in Burkina-Faso 314 1565 Pachowiak, Heinrich Weibischof in Hildesheim 175 Palmas, Gregorius Erzbischof von Thessaloniki (14 Jh.) 215 Parcecattil, Joseph; Kardinal 1098 Parthenios III. griechisch-orthodoxer Patriarch von Alexandrien 1068 Paul HI.; Papst (1534-1549) 1010, 1013, 1094 Paul VI.; Papst (1963-1978) 282, 322, 389, 429,495, 504, 578, 790, 793f„ 806, 818, 849, 950, 956, 977, 994,1011,1014, 1018, 1047, 1059, 1074, 1078, 1092, 1103, 1147,1149, 1156, 1166, 1177, 1186, 1189, 1198, 1200, 1204, 1256ff., 1282, 1292, 1295, 1313, 1321, 1324, 1330, 1350, 1352, 1356, 1371,1436, 1451, 1469 Paulus von Tarsus, hl.; Apostel 12, 33, 36f., 47, 54, 57,70, 91, 93f., 97f„ 103, 112, 114, 145ff., 167, 178-180, 183, 220, 223, 225, 227, 231 ff., 240, 267, 269, 272ff., 286, 301, 304, 311, 344, 371, 421f., 429,441, 469, 471, 515, 519f„ 523, 525, 530, 533, 536, 541f„ 545, 569, 583, 594, 667, 687, 707, 713, 740, 743,747, 757, 771, 804, 815, 830, 857, 867, 933, 939, 962-965, 991, 996, 1055, 1073, 1080, 1083, 1165, 1172, 1175, 1180, 1193, 1204, 1213, 1219f., 1263, 1268,1295, 1308, 1312, 1323, 1326f„ 1329f., 1334, 1338, 1354, 1407,1468 Pavone Jesuitenpater 713 Pengo, Polycarp; Erzbischof 568ff., 581 Perraudin, Erzbischof Altbischof von Kabgabyi (Rwanda) 650 Peter Professor u. Mitglied der ITK 1462 Peters, Johannes Stifter von Santa Maria dell’ Anima 958 Peters, Katharina Frau von Johannes Peters, dem Stifter von Santa Maria dell’Anima 958 Peters, Maria Liberia Premierministerin der Niederländischen Antillen 499 Petrus (Simon Petrus, Kephas), hl.; Apostel 23, 32, 37f„ 67, 74, 97,100, 115f„ 145, 159, 164, 194, 202, 220, 225,239, 267, 292, 315, 323, 335, 376, 415,420,448,486, 507, 509, 520, 605, 607, 617, 648, 651f„ 742f„ 749, 765, 857, 878, 896, 916, 933, 946, 952, 962-965,1055, 1180f„ 1195, 1204, 1231f„ 1268, 1276, 1297f„ 1312, 1329, 1334, 1338, 1408 Petrus von Gent Missionar in Mexiko, Franziskanermönch 423 Philippus, hl.; Apostel 506,1175 Philippus; Diakon 1141 Pilatus, Pontius Statthalter in der Provinz Judäa von 26-36 n.Chr., entschied den Prozeß Jesu und ordnete die Kreuzigung an 598, 876 Pimen; Patriarch 902 Pio von Pietrelcina 561 Piovanelli, Silvano Kardinal und Vizepräsident der Italienischen Bischofskonferenz 906 Pistoni, Gino 357, 359 Pius IX.; Papst (1846-1878) 743, 744, ,792f„ 958, 1271 Pius VH.; Papst (1800-1823) 1011 Pius XL; Papst (1848-1878) 1013, 1077, 1092,1098, 1110,1132,1156 1566 Pius XII.; Papst (1939-1958) 744, 1208f., 1469 Poletti, Ugo; Kardinal Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz 906, 1132 Popieluszko, Jerzey entführter und ermordeter Priester der Erzdiözese Warschau 206 Poupard, Paul; Kardinal 776 Prandoni, Alberto, sei. 685 PratyPrat, Mariä Mercedes, sei. Ordensfrau und Märtyrerin 895 Premisl, Agnes, hl. 375 Priskus, hl. 739 Pro, Miguel A., sei. mexikanischer Märtyrer 84 Proculus neapolitanischer Märtyrer 723 Prokulus Märtyrer 740 Publius „Erster der Insel“ Malta (NT) 91, 541, 544 Perez de Cuellar, Javier Generalsekretär der Vereinten Nationen 840, 1066 Rafßn, Pierre; Bischof Präsident der Internationalen Ministrantenvereinigung 1054 Ratzinger, Joseph; Kardinal Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre 1441,1462 Razoka, Paul Bischof von Kigoma 774 Remigius von Auxerre 134 Rice, Edmund Ignatius Gründer der Kongregation der Christlichen Brüder 849 Rinaldi, Filippo, sei. Dritter Nachfolger des hl. Johannes Bosco 896, 898 Riva, Clemente; Weihbischof 827 Rivas; Robert Bischof von Kingstown (Antillen) 1275 Rizzato, Oscar Titularbischof von Viruno und päpstlicher Elemonsinier 774 Roger; Frere Prior der Mönchsgemeinschaft von Taize 1040 Romano, Guilio 958 Romano, Vincenzo, sei. 713, 723 Rossano, Pietro 1132 Rotislav Herzog des großmährischen Reiches 398, 404 Rubin, Wladyslaw; Kardinal 1258 Rugambwa, Laurean Kardinal von Dar es Sallam (Tansania) 563f., 568f., 581, 600 Ruggiero, Filippo; Admiral Chef des Generalstabs der italienischen Marine 1162 Ruhuna, Joachim Bischof in Burundi 619 Ruini, Camillo Sekretär der Italienischen Bischofskonferenz 906 Ruraseheye, Jean; Abt 626 1567 Rurayinga, Laurent; Monsignore 626 Russo, Michel; Monsignore Bischof der Diözese Doba (Tschad) 334 Ruzindana, Joseph Bischof von Byumba (Rwanda) und Präsident der Rwandischen Bischofskonferenz 639, 655, 660 Sacharja; Prophet 31, 68, 154 Saldarini, Giovanni Vizepräsident der Italienischen Bischofskonferenz 906 Salomo 35, 37, 47, 1009 Samuel Prophet und Richter im AT 16f., 292 Sanchez, Jose Erzbischof und Präsident des Aufsichtsrates der Päpstlichen Missionswerke 900 Sangare, Luc Erzbischof von Bamako (Mali) 304 Sanon, Anselm; Monsignore 323 Sara Frau des Abraham (AT) 72, 366 Saul 16ff„ 52 Saulus s. Paulus Savelli, Giacomo; Kardinal 549 Scanzillo, Ciriaco; Weihbischof 713 Schauermarm, Peter Jakob 990 Scheer, Edwin Gründer der Internationalen Vereinigung katholischer Apotheker 1116 Schininä, Maria, sei. italienische Ordensfrau 206, 1118, 1120 Schönbom Professor u. Mitglied der ITK 1462 Schotte, Juan; Erzbischof Sekretär des Rates des Generalsekretariats der Bischofssynode 818, 1107 Secharja Sohn des Priesters Jojada (AT) 46 Sfet, Nasrallah Pierre maronitischer Patriarch von Antiochien 806,922,1089 Sherif, Muhammad Ahmad Generalsekretär der World Islamic Call Society 820 Simeon Zeuge der Darstellung Jesu im Tempel 58, 64, 106ff., 117, 168, 804f. Simon 221 Simson 16, 154 Sinagra, Virginia Generaloberin der „Töchter der hl. Anna“ 1270 Sincero, Luigi; Kardinal 1098 Siri, Guiseppe; Kardinal 699 Sladkevicius, Vincentas; Kardinal 991 Sodano, Angelo; Kardinal 1159-1161, 1262 Sokol, Jan Erzbischof von Preßburg 403 Sorrentino, Salvatore; Bischof 741 Sosius Diakon und Märtyrer 740 Southey, Ambrosius Generalabt des Zisterzienserordens strengerer Observanz 1041 Spiess, Cassian; Bischof 569 1568 Stanislaus von Szczepanöw, hl. 86 Stein, Edith 1254 Stephanus, hl. Märtyrer 35,249 Thomas von Aquin, hl. (um 1226-1274) bedeutendster Theologe und Philosoph des Hochmittelalters 114, 134, 190, 208ff., 213f., 220, 225, 235,240, 702, 790, 1075, 1099,1474 Sterzinsky, Georg Bischof von Berlin 920 Thomas von Stitne mittelalterlicher Reformator in B Öhmen 381 Stojan, Antoni Cyril Thomas, hl.; Apostel 112, 404f. Erzbischof von Olmütz (Tschechoslowakai) 400 Thouret, Giovanna Antida, hl. 715 Szkodön, Jan; Monsignore Weihbischof in Krakau 409 Timotheus Schüler des Apostels Paulus 264, 269, 272 Tagliaferri, Fiorino; Bischof Tincani, Luiga 1155ff. Vorsitzender der Kommission für die Laien und die Familie der Italienischen Bischofskonferenz 890 Titus Schüler des Apostels Paulus 264, 269, 1263 Tauran, Jean Louis 1161 Tomäsek, Frantisek; Kardinal 75ff., 375, 382, 387f., 390, 392, 395,410 Tavelli, Giovanni, sei. 685 Teresa von Jesus, hl. 1135, 1245f., 1253f. Tonucci, Giovanni Apostolischer Nuntius in Bolivien 774 Teresia Margarete vom Herzen Jesu 1254 Teresia von Lisieux 1254 Toribius von Mogrovejo, hl. Erzbischof von Lima und Patron der Bischöfe von Lateinamerika 975 Terrazas, Julio; Bischof Präsident der Bischofskonferenz von Boli- Tomatore, Giovanni Battista 1270f. vien 1279 Torres dei Pii Operai, Antonio 713 Tertullian (160-220) einer der bedeutendsten Kirchenlehrer der Trinh Van Can, Joseph-Marie; Kardinal 1362 alten Kirche 209,1191 Tettamanzi, Diongi Tritojesaja s. Jesaja Erzbischof von Ancona-Osimo und kirchlicher Berater des italienischen Verbandes Urban IV.; Papst (1261-1264) 944 Christlicher Familienberatungsstellen 835 Ursi, Corrado; Kardinal 713 Theresia Benedikta vom Kreuz s. Stein, Edith 1254 Valdivieso, Antonio; Bischof 972 Theresia von den Anden 1254 Valliri, Agostino; Weihbischof 713 1569 Vandame, Charles; Monsignore Erzbischof von N’Djamena (Tschad) 326, 334, 350 Vendramini, Elisabetta, sei. italienische Ordensfrau 206, 1118,1120 Ventriglia Professor 730 Viganö, Egidio Generaloberer der Salesianer Don Bosco 898 Villot; Jean; Kardinal 1161 Vojtassak, Bischof 392 von Deza, Pedro Suarez 975 von Monterrey, Adolfo Suarez Rivera Erzbischof und Vorsitzender der Mexikanischen Bischofskonferenz 412,483 von Vermondo, Pius 357 von Weizsäcker; Richard Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland 1082 Veniat, Henri; Monsignore 338 Walesa, Lech 162 Wechner, Bruno Altbischof aus Feldkirch 197 Wenzeslaus, hl. tschechischer Märtyrer 396 Wetter, Friedrich; Kardinal 98 Whymper, Edward 1000 Wilfred Professor u. Mitglied der ITK 1462 Willibrord, hl. (um 1100) Missionar und Gründer des Klosters Echternach 883,951, 1124f. Witos, Wincenty polnischer Staatsmann, der während der Krise des Jahres 1920 an der Spitze der Regierung stand 191 Wlodkowic, Pawel 198 Wyszynski, Stefan; Kardinal 105 ll Yago, Bemard Kardinal von Yamoussaukro (Elfenbeihküste) 681 Yao, Vital Komenan Erzbischof von Bouake (Elfenbeinküste) 672, 681 Yenno y Parres, Jose Maria de Gründer der Kongregation der Dienerinnen vom Heiligsten Herzen Jesu für die Armen 83, 85, 414-419 Yong; Sooi Ngean. Gregory Erzbischof in Malay siai 1340 Zabala, Silvio 491 Zacharias Ehemann der Elisabeth und Vater von Johannes dem Täufer 5Si,, 102, 694, 958, 1015 f. Zakai, Polykarp Generalabt des Zisterzienserordens 1041 Zbungrana, Paul Kardinal von Burkina-Faso 310, 316f., 320, 321 Zoerardus, Andreas, hl. 404 1570 Länder- und Ortsregister Aachen 397,920 Ägypten im M? 36, 154, 250, 367,1016 Äthiopien 347,785 Afghanistan 784 Afrika 19, 24-27, 156f„ 162f„ 165, 267, 269f., 282,287f., 295, 302f., 305,317f., 320-322, 327, 342;.347-349, 352, 520,564-566, 571, 574f, 58T'.596, 602-604,661, 673, 675, 677-680, 751, 777-, 842, 846, 913, 933, 1183, 1:1:87, 1208, 1353, 1465 Sud- 56 West- 22 Aguascalientes 83, 430'; 497 Ahrweiler- 165 Ain-Karim 101 Albanien 937 Alcala de Henares 1245 Alcalä, 1010 Alessandria 1046 Alwaye 1328 Amberg 90 Amerika 412,414f„ 933,1183, 1245 Andalusien 1245 Angola 783, 1146f. Antillen 510, 1275-1278 Antiochien 933, 1181, 1204 Aostatal 999-1003 Aparecida 1298 Arauca 785 Arevalo 1245 Argenta 690 ‘ Arizona 997 Aruba 510 Arusha 581 Asien 913, 953-957, 1183, 1187,1200, 1335, 1347, 1356,1465 Assisi 670,1064,1182,1313 Assyrien 79 Athen 687,961,1180,1312 Augsburg 94 , Auschwitz 172, 936 Australien 520 Autlän 476 Aversa 747f„ 753f., 756f„ 759 Avila 1135,1245 Ayas 1000 Babel 384 Bad Godesberg 171 Baeza 1245 Bahia 1320, 1322-1326 Bamako 297, 300f., 303, 307 Bamberg 114,915 1571 Bandung 957, 1335, 1356 Barcelona 1010 Bari 1064 Barmasc 126,999f. Basel 787 Basse-Terre 1276 Beirut 922 Belgien 441,996f. Belize City-Belmopan 1276 Benevent 548-550, 552, 554-556, 559 Berg Karmel 1243 Berlin 781,915,920 Betlehem 3, 8, 244-246, 250, 414, 770, 772, 1016, 1262 Bissau; Diözese 283 Bobo Dioulasso (Burkina Faso) 323, 326 Böhmen 75f„ 375f„ 379f., 382, 387, 394, 396 Bogota 1242 Bolivien 1279-1283 Bolsena 105 Bonn 49,1452 Borghorst 180 Botucato 1298 Bouake 672 Bozen 94 Bozen-Brixen; Diözese 234 Brasiäen 759, 783, 1203, 1266, 1297, 1299ff., 1320f. Nord- 1309-1314 Ost- 1304-1308, 1316-1319 Süd- 1284-1288, 1289-1303 Bratislava 11 Brunei 1338 Buch 151 Budapest 781 Bujumbura 164, 605, 607, 610, 613, 617, 626, 631, 633f., 638 Bukarest 781 Bukoba 589,591 Bundesrepublik Deutschland siehe auch Deutschland 119, 186, 203 Burgund 1041 Burkina Faso 24f., 312-314, 316, 320, 322, 352 Burundi 163f., 606, 611, 613f., 620, 622f., 634, 636, 783, 1350 Bydgoszcz 166 Byumba 639 Byzanz 109,933 Cäsarea Philippi 61, 91,264, 962 Campinas 1298 Capodimonte 726 Casapesenna 750 Cascavel 1289 Caserta 753 1572 Castel Gandolfo 132, 138, 144, 149f., 156, 167, 1003, 1009, 1014f., 1051 Dachau 172 Castries 1276 Damaskus 269, 883, 963 Cecchignola 860 Danzig 222f. Celaya 476 Dar es Salaam 163, 563, 565, 568-570, 574, 578, 581, 584 Chaggaland 600,602 Deutsche Demokratische Republik 911, 915 Chalco 420,422-424 Deutschkreuz 155 Chalkedon 1469 Deutschland 99, 181,915, 920f., 1121-1123, Chiapas 427,464f. 1127,1266, 1449 Ost- 217 Chihuahua (Mexiko) 84, 455f„ 497 Djakarta 618 Chile 783 Doba; Diözese 334f. China 778 Dodoma 581 Chätillon 126 Dordrecht 958 Cisjordanien 783 Durango (Mexiko) 84,441,443,448,450, Ciudad Guzmän 476 497 Ciudad Juärez 455 Duruela 1245 Ciudad Madera 455 Echternach 951 Coatzacoalcos; Diözese 425 Eichstätt 165 Cochabamba 1283 El Cavario 1245 Collelungo di San Vincenzo 105 EI Salvador 785 Collevalenza 105 Elfenbeinküste 164,682f. Costa Rica 785 Emilia Romagna 686, 690 Cottonera 92,521 Emmaus 74, 280, 435f. Cumura 26, 294, 296 England 877,888,933,947 Curagao 84f„ 499f„ 506, 511, 1275 Ephesus 36, 469, 545, 1469 Curitiba 1289 Erfurt 911 1573 Eritrea 786 Galizien 960 Essen 73 Esztergom 397 Europa 26,11, 126, 137, 166, 175, 186f., 327, 376, 381 f., 397,400-402,405, 520, 538, 545, 611, 712, 777, 780, 782f., 888, 906, 920f., 932f„ 935f., 942f., 1043, 1053, 1072, 1093, 1121f., 1127, 1245, 1265, 1450 Mittel- und Ost- 38, 181, 376, 378, 931 Ost- 217, 347, 545, 952 Feldkirch 197 Ferrara 684-686,689,690 Ficulle 105 Florenz 207, 210 Flonana 92,543 Fontiveros 1136f„ 1243, 1245, 1247, 1251f., 1254 Fortaleza 1306 Fortore 561 Frankfurt 211 Frankreich 863 Freiburg 99 Freising 73 Fulda 191, 197 Gabaa im AT 16 Gaeta 743 Galatien 273 Galiläa 250, 314, 552, 554, 600f„ 1016, 1124, 1194 Gazastreifen 783 Geita 589,591 Genua 694-700, Gesü Vecchio 726 Getsemani 67, 130, 134, 136 Gitega 164, 619, 623, 638 Gnesen 50,75 Görlitz 943 Golgota 68 Gozo 91,512, 529f., 543,545 Granada 1245 Graz 942 Griechenland 399 Großherzogtum Luxemburg 883, 951 Guadalajara 412,475 Guadalupe 414, 4161, 433 Gubbio 1156 Guinea 283,286 Guinea-Bissau 25-27, 2831, 286-288, 292, 295, 297, 352 Hamburg 216 Helsinki 669,780,781 Hermosillo 455 Hildesheim 90, 175 1574 Holland siehe: Niederlande Hongkong 877 Huautla 464 Indien 520, 1266, 1326, 1364 Indonesien 786, 1327 Innsbruck 74 Irak 784 Iran 111,784 Iringa 585 Irland 933 Islam 327 Israel 1181 Italien 693, 701,709, 726, 752, 796, 838, 891, 907,1156,1268 Süd- 703, 71 lf„ 731 Ivrea 352, 354f„ 358-360 Jalisco (Bundesstaat in Mexiko) 433 Jalta 936, 1053 Japan 877, 1329-1333 Jasna Gora 38,43, 50, 55, 61, 66, 70,74, 78, 82, 86, 90, 94, 99, 104,109, 114, 119, 125, 131, 137, 142, 148, 155, 162,166, 171, 175, 181, 187, 19 lf., 197, 204,211,217, 222, 228, 235,242,247, 1051, 1053 Jerusalem 7f„ 35,41, 74, 79, 99,101, 107, 113, 134, 187, 231, 250, 270, 335, 343, 395, 399,403,472, 585, 598, 601, 603, 619, 773, 803, 848, 867f., 876, 930, 933, 944, 962, 1010, 1055, 1164, 1240,1262 Jetzendorf 98 Judäa 428,601 Kabgayi 164, 646, 650 Kafamaum/Kaphamaum 97, 147,470, 756, 946, 952 Kahama 594 Kalabrien 1154 Kalkutta 955 Kallmünz 148 Kalvaria 992 Kalyen (Kalyan) 1364,1366 Kambodscha 784 Kamerun 348 Kamonyi 646 Kampala 1200 Kampanien 705,712, 740,750, 754 Kana 526,551-554,1016 Kapverdische Inseln (Kapverden) 25, 255J 257-259, 262,267, 269, 271,276,278, 352, 1309 Karaganda (Kasachstan) 125 Karibik 499f. Kastilien 1136f. Katyn 172 Kenia 600 Kerala 1326ff., 1365 Kibosho 601 1575 Kiew 104, 109 Lettland 125 Kigali 164, 639, 641, 651, 655, 660, 664, 668f„ 671 Levoca 121 Kigoma 594 Leon 475, 1136f. Kilema 601 Libanon 158, 181, 218, 783, 806, 922f„ 951ff„ 10891., 11521, 1455 Kingstown 1275 Liberia 101, 137, 143, 229 Kipalapala 576,594 Lindi 585 Kita 298 Litauen 57,1191,933,991 Kleinmachnow 224 Littlemore 888 Koblenz 78 Lome 157 Köln 73, 90,165,171 London 148 Kolumbien 785 Londrina 1289 Konstaniinopel 201, 207-209, 961, 1469 Loreto 838 Korea 1333-1337 Lome 677 Korinth 62, 286,594, 804, 996 Lourdes 814ff., 863, 11261 Koumi .325 Loyola 1010 Krakau 197,396,409 Luca (Malta) 546 Kyoto 1329 Lüdinghausen 860 L’Aquila 1049 Luxemburg LaPenuela 1245 siehe: Großherzogtum Luxemburg LaStorta 13,42. 81,165, 1266 Luzon 133 La Valetta (Malta: 92,515 Lyon 207,863 Lateinamerika 82,414,418,431,443-446, 482,492,495, 759, 778, 846, 913, 969-988, 1187,1314,1321 Lystra 1180 Macheronte 110 Lazio 191 Madrid 1047 Lemberg (Lwow) 82, 1051 Mähren 751, 376, 394, 396, 402, 906 1516 Magdeburg 397 Michoacän 427 Mähen ge 581 Malaysia 1338 Malecön 425 Mali 25, 298-304, 308, 352 Malsch 94 Malta 91-93, 512-518, 522-525, 528, 530, 533-536, 539, 542, 5441, 547, 740 Manresa 927, 1010 Maringä 1289 Marktredwitz 99 Massabielle (bei Lourdes) 28 Mauritius 786 Mazedonien 399 Mbeya 585 Mbinga 585 Mbulu 581 Mdina 92,5401 Medellin 422, 970, 1317, 1321 Medina del Campo 1245 Mellieha 92,519 Meran 85 Mexiko 82-85,412-418,4231, 4261,431-433,435, 439,442, 444,448, 4531,456,460, 464,4711, 477, 4791,482-484,4861,4901, 493, 4971, 1316 Mexiko-Stadt 83, 423, 438, 440, 486, 491 Mezzogiomo 705 Mindelo 263,276 Mittelamerika 778,785 Mittlerer Osten 158,218 Mixes 464 Modena 1002 Monrovia 137 Monte Cassino 149 Monterrey (Mexiko) 83,412,459,463,497 Morogoro 573,581 Mosambik 783, 858 Moshi 163,581,598,6001,603 Moskau 18,781,961 Moundou 28, 3341, 341 Mtwara 585 München 73 München-Freising 98 Münster 860 Mugera 619 Musoma 589,591 Mwanza 163,5881 N’Djamena (Tschad) 326, 328, 331, 335, 341, 343, 3501 Naher Osten 783 Namibia 56,783,842 1577 Nazaret 64, 72f„ 96, 103, 111, 113, 118, 122, 135, 144, 169, 194, 246, 250, 365, 367,400, 452,455,475, 1016 Olinda 1320 Olmütz 400 Neapel 701-707, 709f„ 712f„ 715-718, 720, 722f„ 726f„ 730f„ 733, 753 Orvieto 105,944f. Orvieto-Todi 946 Netzahualcoyotl (Mexiko) 420, 422-424 Osnabrück 60 Neu-Ulm 157 New Orleans 1314 Ostasien 784 New York 300 Ouagadougou (Burkina-Faso) 24, 310, 314, 316, 320f., 348 Niederkalifomien 412 Ozeanien 1183, 1187 Niederländische Antillen 499-501, 511 Paderborn 13 Niederlande 1124f. Pagani 736,738,743 Niger 320,322 Pala; Diözese 334f. Nizäa 201, 1469 Palästina 122, 158 Njombe 585 Pamplona 1010 Nocea Inferiore 738 Panama 785 Nocera 737 Papantla; Diözese 425 Nonhyondong 1334 Parana 1289-1293 Nordamerika 520, 778, 845, 933 Paris 198, 863, 1010 Nova di Cesare 1159 Passau 98 Ntungamo 576 Patmos 406 Nürnberg 151 Peramiho 576 Nuevo Casas Grandes 455 Persischer Golf 218 Nuevo Leon 459 Peru 785 Oaxaca 412,464f. Philippinen 133, 1341-1354 Oberammergau 216 Pivasiunai 992 Österreich . 119, 197, 893 Poggioreale 733 1578 Pointe-ä-Pitre 1276 Rio Bravo 415 Polen 38, 50, 55, 66, 82, 90, 104,125,131, 137, 142f., 148f., 162, 166, 172,204, 212, 379, 397, 409, 933, 936, 1051ff., 1161 Rio de Janeto 1304-1308, 1316 Rio Grande do Sul 1284, 1288 Port-au-Prince 1294 Rom 4, 22, 24, 76, 78, 87, 109, 114f., 125, Porto Seguro 1320 209, 376, 397, 471, 512, 668,795-797, 827, 831, 860, 863, 883, 924, 926f„ 929f., 933, Porto-Santa Rufina 927 941, 957, 959, 962, 968, 1095, 1133, 1237, 1240, 1243,1254, 1268 Provinz Rom 828 Portugal 877 Rombo-Mkuu 601 Pozzuoli 740, 1130 Prag 75-78, 375, 378, 381, 385, 395, 397, 409f., 781, 1135,1165 Rulenge 589,591 Rumänien 55, 109, 937 Praia 276, 1309 Ruthenien 933 Pressath 171 Rußland 104, 125, 1183 Preßburg 75f., 78, 375, 377, 391,405, 407, 409f. Rwanda 163f., 183, 229, 640, 643-645, 649, 652-654, 657-659, 661, 664, 670, 672 Przemysl 860 Säo Paulo 1309-1311 Puebla 83,412f., 420, 427, 429, 480, 970, 1202, 1203, 1206, 1316 Sahel 24,26f., 317, 350, Queretaro 476 Saint John ’s-Basseterre 1276 Rabat 92,535,546 Saint-Vincent 126 Ravenna 231,397 Salamanca 198, 1010, 1135, 1245 Ravensbrück 172 Salerno 737 Regensburg 73, 139, 171, 915 Saloniki 398f. Reggio 740 Salvador da Bahia 1306,1314,1320 Republik Südafrika 783 Salzburg 196 Rheinland-Pfalz 191 Samaria 601, 1175 Ribeiräo Preto 1299 Sambia 600 Riga 125 Same 581 1579 Samnium 55 lf. San Andres Tuxtla; Diözese 425 San Cristobal de las Casas 464 San Juan de los Largos 84, 432-434,497 San Juan de Ulüa 426 San Luis Potosi 475 Sankt Ottilien 569 Sankt Veit 94 Sansibar 581 Santa Catarina 1293-1298, 1320 Santa Cruz 1282 Santa Lucia 1275 Santa Sabina 830 Santiago 259, 268, 270, 276 San tiago de Chile 127 0 Santiago de Compostela 777, 863f., 869 Santo Domingo 412f„ 422, 426, 970, 1320 Santo Stefano-Rotonda 98 Sao Vicente 263, 276 Sarh (Tschad) 335, 338, 340f. Scampia (Stadtviertel in Neapel) 720 Scarmagno 369 Schweiz 180, 1266 Segerea 576 Segovia 1135f., 1244f„ 1254 Seoul 1333, 1336 Sergipe 1322-1326 Sezzadio 1046 Shinyanga 589,591 Sibirien 125 Siebenbürgen 55 Siluva 999 Simbabwe 858 Sinai 352 Singapur 1338 Singida 594 Sliema (Malta) 537 Slowakei 75f., 376f., 394, 396,405f., 409 Sofia 781 Songea 163,585 Spanien 414, 882, 927, 972, 1136f., 1243, 1252, 1266 Spiez 94 Sri Lanka 784 Stinatz; Diözese Eisenstadt 950 Straßburg 187, 782, 863 Sudan 298, 347, 785, 858 Süd- 29 Südamerika 520, 778, 783, 933 Südkorea 877 Südpazifik 464 Sumbawanga 594 1580 Sychar 352 Tlaxcala 83, 85,414, 416,418f. Syrakus 740 Tobago 1275 Szczepanöw 86 Todi 105 Ta’Pinu (Gozo/Malta) 525 Toledo 1245 Ta’Qali (Malta) 531 Torre del Greco 713 Tabasco 469, 471 f. Torreon 450,455 Tabora 163, 594, 597 Transkarpatien 960 Taiwan 877, 1354-1358 Trausdorf 950 Taize 1040 Treblinka 172 Tanga 581 Trentola-Ducenta 758 Tansania 163, 564-566, 569-571, 573, 576, 579f„ 585, 588f., 591, 595f., 599, 601-604 Trient 1469 Trier 81 Tapachula 464 Tarahumara 455 Trinidad 1275, 1278 Targowica 211 Tripolis 820 Tmava 397 Tamow 191 Tehuantepec 464 Tschad 25, 327, 329f., 332, 335-337, 340, 343,346, 35lf. Tepeyac 414,416, 425 Tschechische und Slowakische Föderative Tepic 476 Republik 77,410 Thamarassery 1364 Tschechoslowakei 75-77, 375f., 377f., 382, 387, 391f., 400, 402, 932,936 Thessalonike 114 Tschenstochau 869, 1002 Tigre 786 Tunduru-Masasi 585 Tijuana 415,455 Turin 1002 Tilbeck 151 Tuxpan; Diözese 425 Tlalnepantla 486 Tuxtla Gutierrez 83, 464, 497 Tlatelolco 416 Tzotzil 468 1581 Ubeda 1136, 1243, 1254 Wawel 119 UdSSR 782,961 Weiden 99 Ukraine 104, 109,125, 960 West- 19 Weißrußland 104, 125 Ungarn 131,409,936,996 Wien 38,165,196,781 USA 782, 877,1266 Willemstad 84f., 499-501, 506, 511 Uvira 636 Wilna 119f. Valtoumenche 1000 Wittichenau 943 Velehrad 75-78, 375, 398,400-402, 405, 409f., 906, 932, 961 Württemberg 90 Venedig 1011 Würzburg 139 Venezuela 1047 Yagma 313 Veracruz 84,414,425,497 Yamoussouko (Elfenbeinküste) 164, 672, 677, 681 Verona 397 Vietnam 784, 1359-1363 Yucatan 412,415,471 Villahermosa 83, 469, 471 f., 497 Zacatecas 84,475f., 497 Villaricca 722 Zahorie 405 Vilnius 992 Zaire 649,877 Vitinia 824 Zentralamerika 465,467 Wädenswil 191 Zmigrod 860 Warschau 142f„ 781, 1052, 1064 Zoque 468 1582 Zitierte Bibelstellen Seite Das Buch Deuteronomium . 5,16 665 6,5 1121 8,3 940 11,16 274 18,18 30 18,20-22 30 34,9 16 34,10 29, 32 Das Buch der Richter 3,9-10 16 6,34 16 11,29 16 13,25 292 Das erste Buch Samuel 3,5 881 ■ 3,10 292 8,5 16 10,6 17 10,7 17 11,6 17 16,13 17 Das erste Buch der Könige 3,9 1009 8,27 35 19,12 189,361 22,21-23 35 22,23 30 Das zweite Buch der Könige 2,3 30 2,15 30 Seite Das Buch Genesis 1,2 10, 11, 189, 587 1,12 3 1,26-27 11,307,913 1,28 522, 592, 732 1,31 763 2,2 763 2,7 11, 13, 146,226 2,18.20 1342 2,24 344 3,5 879 3,19 43 6,17 11,226 8,10-11 124 17,1-2.51 306 41,38 15 Das Buch Exodus 3,14 47 14,21-22 5 15,8.10 6 17,3 352 17,5-6 354 20,2-3 826 31,3 16 31,6-7 16 35,31 16 Das Buch Levitikus 6,5 140 Das Buch Numeri 6,26 3 11,14 15 11,16 30 11,17 15 11,21 30 11,25 15, 30 11,29 32 24,2 29 24,3-4 29 24,17 29 27,17-18 15 1040,1478 Das erste Buch der Chronik 12,19 46 Das zweite Buch der Chronik 24,20-21 46 Das Buch Judit 3 Seite Das Buch Ester 8,6 554 Die Psalmen 3,5 127 8,2 464 8,4-7 1142 8,5 434 11,2 18 15/16,2 1118 16,9.5 455 17,4-5 1250 18/17,2-3 1109 22,23 588 23,1 474 24,7 803 24/25,8-9 1081 28/29,11 162 29,11 61 30/31 139 33,6 6,8 33/34,6 1237 34,5 962 34,9 591 42,2 424 42,2-3 195 44/45,11-12 1016 50,4 42 50,12 42 50,13 42 50,15 42 50/51,5-6 830 50/51,12 830 50/51,13-14 831 51,3-4 40 51,9 40 51,10 41 51,12 40 51,12-14 40 51,13 34, 37,39 51,15 41 51,19 39,41 62,9.12-13 827 63,2 724 66,1-3 918 66,5 918 72,1-2 53 79/80,15-16 1082 Seite 85,10 1232 85,11 1231 88/89,2 859 89,2 450,454 89,16 992 95/96,2-3 1125 96,7-8 268 97/98,2-3 1229 97/98,4 1229 98,1 479 103,6-7 428 104,27-28 11 104,29-30 11 104,30 429 117,2 741 117/118,24 74f. 118,1 401 118,24 398 118/117,26 1164 119,105 1133 120,1 922 122,6-7 1135 122,8-9 599 126,5-6 601 127,1 278 128,3 1066 145,3.8-9.17-18 687 146,6 291 147,12 944 Das Buch der Sprichwörter 9,5 1237 Das Buch der Weisheit 1,4-6 47 1,5 34, 47,49 1,6 47,49 1,7 6, 8, 47 1,11 47 1,13-14 47 3,4 1233 6,1 47 6,12 51 6,22 47 7,22 34, 37 7,22-23 47 7,23 6,34 9,10 540 1584 Seite 9,13 48, 537 9,17 34, 48f. 11,20 48 11,22 48 11,23-25 48 11,26 890, 1239 12,1 48 19,22 48 Das Buch Jesus Sirach 3,4 665 3,8 665 11,28 1050 15,15 814 15,16 814 Das Buch Jesaja 2,4 17, 848 9,1 1264 11,1-2 64, 154 11,2 17,52 11,2f. 48 11,2,3-4 53 11,4 53 f. 11,9 1242 35,4 1234 40,11 1231 41,18 195 42,1 17, 52, 123, 154 42,2 52 42,3 52 42,4 17,53 42,6 53 42,6-7 53 44,3-4 10 45,15 188, 190 49,1 52 49,5 53 49,6 52, 428 49,8 465 49,10 466 49,11 466 49,13 468 49,14 465 49,15 465, 825 50,5-6 53 50,7 53 52,7 425 Seite 52,13 54 53,3 54f. 53,5 54 53,5-6 79 53,6 831 53,7 53 53,11 54 53,12 53 53,13 54 55,6 687 55,11 999 57,15 41 60,4f. 773 60,6 773 61,1 64,169,. 171, 194,. 196, 323f. 61,1-3 859 61,6 451, 636 61,9 637 61,10 326 61,11 326 63,6 17 63,9-10 36 63,10 36, 40 63,11 34, 40 63,19 122 Das Buch Jeremia 1,4-5 581 1,5 1059 1,6 1060 1,7-8 1060 1,8 583, 648 1,8-9 583 1,10 52 31,3-4 79 Die Klagelieder 3,22 960 Das Buch Ezechiel 2,2 31 3,12-14 31 11,5 31, 154 13,2-3 31 13,13 189 34,11 428 36,23-27 35 1585 Seite Seite 36,25 195f. 3,16-17 160 36,26 40 3,17 159, 774f. 36,27 35, 37 4,1 127, 169, 1303 37,1-5 12 4,3-4 55 37,7 12 4,4 61 37,8-10 12 4,23 535 37,9 11, 189 5,6 378 37,14 12 5,9 449 <47,1.8-9 195 5,12 291 5,13 468, 980 Das Buch Daniel 5,13.14 299 4,5 46 5,14 596 4,34 46 5,14.13 303 5,14 46 5,15 305 6,3 46 5,16 307, 417, 676 5,17 1135 Das Buch Hosea 5,20 815 2,21-22 80 5,24 229 4,3 764 5,37 661 9,7 31 5,48 331,518 6,6 830 Das Buch Joel 6,10 1218 2,13 830 .6,11 55 3,1 11, 31 6,12 620 3,2 32 6,24 461,467, 826 3,4 31 f. 6,25-26.28 460 3,5 32 6,26 468 6,26.28.30 466 Das Buch Haggai 6,27 467 1,14 31 6,32 464 2,4-5 31 6,33 447, 462, 466, 558, 824 7,11 219 Das Buch Sachäija 7,15-16 1007 -4,6 31 7,24 337 7,12 154 7,29 336 12,10 68 8,17 428 13,1-2 35 8,19 200 9,2 470 Das Evangelium nach Matthäus 9,35 49, 269 1,18 63 9,36-38 271,420,422 1,19 570 9,37 872, 875, 987 1,20 63,1477 9,37-38 1084 1,22-23 88 9,38 23,27, 183, 872,987, 2,11 772 1105 3,10 190 10,6 1204 3,11 122, 141, 161, 190 10,19-20 170f„ 207 3,12 190 11,4-5 470 3,16 190 11,25 476, 1108 1586 Seite 11,25-26 170 11,28 275 11,28-29 734 11,28-30 441 11,29 136 11,30 316,790 12,20 1061 12,28 35, 128,169,200,1174 12,31-32 169 12,32 135, 170 12,48-49 311 12,48-50 260 12,50 313 13,23 903,1000 13,24 1278 13,31 323 13,32 324 13,33 324 13,39-40 1004 13,55 25(1 619 14,33 1468 15,13 159 15,32 420,422 16,15 468 16,16 87,159, 264, 267, 962, 1055, 1169, 1468,1476 16,17 159, 963 16,18 264, 296, 652 16,19 264,1473 16,22 67 16,23 67 17,5 159 18,5-6 457 18,18 1473 18,19-20 903 18,20 667 18,22 607 18,35 159 19,6 591 19,12 65f. 19,14 457 19,21 808 19,28 806 20,4 419, 865f. 20,7 595 20,12 386 20,28 67f„ 144,516,584, 733, 966 Seite 21,9 867 21,28 1079 22,21 1286 22,30 503 22,40 58 25,1 722 25,13 723 25,21 532 25,26 723 25,28-29 532 25,29 1009 25,35.43 822 25,36 150,442 25,40 429,442, 673, 728, 823 26,33 962 26,41 67,938 27,46 1251 28,6 74 28,17 314 28,18 314, 600, 635, 1124 28,18-20 1178 28,19 9,104, 159f., 178, 314f„ 342, 544, 600, 634,1124, 1179 28,19-20 970, 1052,1329 28,20 305, 315f., 437, 543, 603,635,675, 1125, 1179,1473 29,19 161 Das Evangelium nach Markus 1,3 1231, 1233 1,4 1194,1231 1,7 1231 1,7-8 122 1,8 1231 1,9-10 121f., 124 1,9-11 160 1,11 9, 122, 124 1,12 127,169 1,14-15 1173,1194 1,15 43, 50 1,17 266 1,20-21 366 1,40.41 802 3,13 451 3,14 451 3,29 135,169 1587 Seite 6,2-3 475 6,3 250,475 7,21 661 7,8 1478 8,2 1285 8,29 1179 8,31 67, 69 10,17 1056 10,21 627 10,38 167 10,45 67 f., 144,167, 1176 12,30 43 13,5-6.21-22 1007 13,11 135,170 14,33 532 14,36 134 14,38 130 16,6 878 16,7 878 16,15 301,331,342,519, 1083, 1179 16,15 1179 16,15-18 1178 16,20 1179 Das Evangelium nach Lukas 1,15 102 1,17 1146 1,28 56,64 1,31-32 160 1,31.35.37 366 1,34 161 1,34-35 160 1,35 37,63,72, 79,81,88, 96,98, 117, 119,128, 168, 171, 1477 1,36-37 102 1,37 1157 1,38 73, 79, 103, 144, 275 1,39 81, 101, 127 1,39-40 694 1,40-41 102 1,41 694, 1015 1,42 103 1,42-43 697,1017 1,42-45 102 1,43 694 1,46 525 Seite 1,46-47 428 1,46-48 694 1,47 103f. l,48f. 248, 526, 694, 1017 1,49 636 1,53 120 1,75 36 1,80 112 2,7 245f. 2,10 1263 2,10-11 1261 2,12 63 2,13-14 244 2,14 246 2,18-19 118 2,19 3,770, 772 2,19.51 815 2,22 106 2,25 64, 106 2,26 107,168 2,27 107 2,27-28 107 2,30-32 107f. 2,32 803 2,33 108 2,34-35 108f. 2,35 805 2,37 107 2,38 107 2,40 111 2,40.52 112 2,47 117,119 2,48-49 117 2,49 119,622 2,50 117 2,51 117,815 2,51-52 619 2,52 97, 111,367,455, 655 3,4-6 235 3,7 237 3,10 237 3,13 237 3,16 243,775 3,18 238 3,21 122 3,21-22 122,160 3,22 9, 122, 124 4,1 127 1588 Seite 4,14-15 135 4,18 97, 135,169, 171,177, 196, 452,736,1058 4,19 1058 4,20 1058 4,21 736, 1058 4,22 135 4,43 1173 5,8 97 5,15 133f. 5,16 149 6,17-19 135 8,29 128 8,44 129 9,25 365 9,42 35 10,2 573, 649, 1084 10,9 646 10,16 1295 10,17 170 10,18 134 10,21 134, 136, 170 10,37 717 11,13 122, 135, 219 11,23 217 11,24 35, 128 11,27 455 11,28 459 12,10 135, 169 12,12 135 12,49 190 12,49-50 141 12,56 1102 15,31 852 16,10 706 17,10 1053, 1187 19,13 467 21,19 217 22,19 28, 636 22,27 610 22,32 1055 23,34 631, 960 23,46 139, 142 24,5-6 75 24,21 436 24,29 280 24,31 280 24,32 894 Seite 24,33 280 24,34 279 24,46-49 1178 24,47 1179 24,49 219 Das Evangelium nach Johannes 1,1-2 172 1,1-8 1468 1,3 1264 l,3f. 1472 1,4-5 1264 1,8 959 1,9 495, 1264 1,11 1262 1,12 81, 1177 1,13 80 1,14 64, 72, 97f„ 128, 249,1467,1472 1,14.12 771 1,16 1169 1,17-18 245 1,18 172, 1168, 1467, 1476 1,29 53, 122 1,32-34 123 1,34.49 1468 1,38 502 1,39 502f. 1,45 58 2,5 70, 526, 554 2,7 157 2,11 554 2,21 803 2,25 308, 1220 3,2 1115 3,5 161,436, 1195 3,6 81, 3,8 6,189, 357 3,16 600, 773,939, 1108, 1233,1264 3,17 1234 3,19 1236 3,21 889, 1466, 1468 3,34 219 3,35 219 4,10 219,221 4,10.14 195 4,10.15 1195 1589 Seite 4,13-14 352 4,14 196,219, 222, 352f., 361, 905, 1000 4,15 354, 1468, 4,23-24 240, 353, 674 4,24 35, 174, 673 4,34 628 4,39 353 5,5 1468 5,7 296 5,14 470 5,35 110 6,38 571 6,44 1194 6,45 1478 6,51.56 944 6,52 946 6,53 941 6,54 941 6,56 941, 944 6,63 172, 688, 869 6,67 946 6,68 172,756 6,69 97, 115,946 7,37-38 68 7,37-39 195 7,38 219, 222 7,39 219, 222 8,12 905 8,31-32 979 8,32 211,485,496,4480 8,44 130, 169 10,10 419,425,688 10,11 420, 581 10,14 637 10,15 452 10,15-16 583, 637 10,16 421, 1197, 1290 10,36 96, 226 11,25 868, 877, 941 11,42 122 11,52 19, 1220 12,24 68 f. 12,31 129 12,32 68 13,1 297, 869, 871, 875 13,12 875 13,14-15 875 Seite 13,34 233 14,1 1297 14,6 308, 441, 502, 506, 626, 651,945, 1168, 1357, 1467, 1472 14,8 506 14,9 188,191,506,1262 14,14 911 14,15 916 14,16 174, 201,219,1190 14,16-17 173, 175, 200, 214, 585, 869 14,17 174,214, 216, 585, 916, 1467 14,19 918 14,21 453,1009 14,23 174,214, 756,918 14,26 118,173,200, 208,210, 1472 14,27 449, 569 14,30 129 15,4 1118f. 15,5 864f., 871,1118,1157, 1323 15,8 657,1119 15,9 299,450,452, 593, 666 15,10 593, 1121 15,11 594 15,12 233,344, 346, 591f„ 665,923 15,12-13 297,331 15,13 68f„ 300,-4501, 591f., 653,666 15,14 451, 1138 15,14.15 451 15,15 298, 870, 1427 15;16 298,300, 343,451f., 667, 870, 15,17 2991, 453,557 15,20 421 15,26 173,207, 869 16,7 174, 208, 210, 219 16,8 1741, 2001 16,8-11 36 16,11 129,174 16,13 173,1134, 1467, 1472, 1476 16,13-14 591 1590 Seite 16,13.15 227 16,14 123, 130,240 16,14-15 208 16,20 69 16,33 129, 878 17,1 434 17,3 858, 1179, 1247 17,6 858 17,11 20 17,12 173 17,17-19 860 17,18 1179 17,19 20, 859 17,21 18-20,22,109,214, 216, 302,471,542, 579, 960,1166, 1211,1279, 1288,1388 17,22-23 21,453 17,24 214 17,26 214 18,36 406, 598 18,37 599 19,26 28 19,26-27 437 19,27 28, 527, 697 19,30 140, 876 19,34 196 20,19 395 20,19-20.22 928 20,21 398f., 406,1179 20,21-22 931 20,21-23 1178 20,22 12f., 86, 145, 148, 208, 398 20,22-23 62, 174, 189, 1277 20,25 403 20,28 404 20,29 403f., 406 21,15 742 21,17 742 25,29 1009 Die Apostelgeschichte 1,1 135, 688 1,2.9 543 1,5 601 Seite 1,8 170, 194, 219, 227, 297, 342, 544, 601f„ 613, 677, 1179, 1204 1,11 456 1,14 183,436,472, 957, 1222 1,16 202 2,2 189, 191 2,4 201,239, 680 2,8 602 2,14 1204 2,22 133 2,24 895 2,30 202 2,33 32 2,37 416, 1204 2,37-38 1195 2,38 220, 239 2,39 416 2,42 396,1479 2,44 462 2,45 1181 2,45-46 462 2,46 1181 2,46-47 396 3,15 24 3,19 1195 4,10.12 1168 4,13 1386 4,28 1219 4,31 201 4,32 400,1181 4,35 1181 5,14 405 5,29 1218 6,2.4 956, 1344 6,4 1296 7,48 35 7,51 201 8,12 1175 9,31 113 10,34-35 335 10,36 335 10,37 335 10,38 63, 66, 194, 335 10,42 336 10,45 220 11,27-30 1181 1591 Seite Seite 13,26 1133 13,46 476 17,22-23 1312 17,28 687,725, 1114 18,9-10 1220 20,28 572 22,10 883 23,11 93 28,1-10 91 28,13-14 740 28,31 1175 Der Brief an die Römer 1,1 516 1,3-4 145 1,4 146, 148, 238, 241 1,7 384 1,11 1343 1,16 677, 1172, 1343 1,17 1248 4,17 366 4,25 1468 5,1 276 5,5 180, 185,190f., 214, 220, 222,259, 353, 670, 680, 817,1055, 1235 5,20 426 6,3-4 991 6,4 905 6,9 878 6,17 1473, 1479 7,6 227 8.2 97 f., 147 8,3 97 8,9 147, 184,208,516 8,11 12, 146, 184 8,14 185 8,15 869 8,16 185 8,19 1000 8,20 1000 8.21 441,1009 8,23 494 8,26 185,227, 1235 8,26-27 147, 1004 8,32 1468 8,34 147, 1468 8,38-39 590, 1047 10,9 1468 10,17 403 12,1 595,1076 12,4 1410 12,4-8 1468 12,7 1473 12,7-8 919 12,10-12 1069, 1326 12,11-12 1354 12,12 965,1351 12,21 846, 1053 13,9 304 13,10 304 14,9 1468 15,13 282, 681 15,16 239 15,19 208 15,30 180 15,32 570 Der erste Brief an die Korinther 1,3 738, 906 1,4 1355 1,10 1326 1,20 596 1,23 1221 1,23-24 70 1,25 286 1,27 287 1,30 287, 289 1,30-31 287 2,6-7 185, 814f. 2,7 1375 2,9 814f. 2,10 6, 8, 184, 220, 1102, 1235 2,10-11 6 2,11 184, 1134 2,11-12 54 2,12 184f„ 1375 2,13 185 3,9 57, 529 3,9 269,675 3,16 184, 186, 239, 672, i 4,1 387, 583, 873, 875, 1303 6,11 179,240 6,17 240 1592 Seite 4,14 725, 1468 5,18 911 5,21 912,1478 5,23-24 1358 Der zweite Brief an die Thessalonicher 1,3 1351 1,11-12 519,1357 2,13 239 2,13-14 179 3,1 601, 1133, 1279 2,16-17 1338 Der erste Brief an Timotheus 1,10 1473 1,14 1467 2,4 1427 2,4-6 990 2,5-7 1169 3,15 515,794, 1468 3,16 1468 6,16 1262 6,20 1467, 1477 Der zweite Brief an Timotheus 1,2 269 1,6 272 1,7 272 2,9 485 3,16 1475 4,2f. 1473 4,6 963 4,7 115 4,8 963 4,17 963 Der Brief an Titus 1,4 266f. 1,9 1473 2,11 296 2,12 1263 2,14 1263 3,4 511 Der Brief an die Hebräer 1,1-2 686, 1168 1,1-3 245, 1467 1,3 244 Seite 2,17 44 4,12 618 4,15 141 5,1 486,516, 636 5,5 634 5,6 635, 870 5,8 141,637 5,9 637 7,25 45 9,11-12 876 9,12 872 9,14 140, 876 9,15 876 10,7 315 10,9 141 11,1 518, 1467 13,7 1124 13,7.9 1125 13,8 1125, 1308 13,16 1124 13,17 1125 13,21 1284 Der Brief des Jakobus 1,17 792, 1107 2,1 516 Der erste Brief des Petrus U-2 239 1,2 448, 953 1,3 396, 1348 1,15-16 448 1,18-19 896 1,19 894 2,4.5 507 2,5 239,470 2,6 510 2,9 299,486, 595 2,21 414 2,24-25 414 2,25 742, 819 3,15 748, 916, 1481 3,18 145 3,20-21 190 4,10 520 4,13 535 5,1 648 5,2-3 394,515, 662 1595 Seite Seite 5,2.4 516 5,4 1367 5,10-11 394 5,11 449 Der zweite Brief des Petrus 1,3-4 20 1,11 1175 1,20 1468 1,20-21 1297 3,11-12 1233 3,13 692, 764, 1232 Der erste Brief des Johannes 1,1 188 1,1-3 1221 1,18 1267 2,7.24 1479 2,14 533 2,16f. 804 2,20 194,1428 2,20.27 1478 2,27 194,1428 3,2 1468 4,1 1478 4,8 213, 216, 220, 1239 4,12-13 214f. 4,18 964 4,20 731 5,3-4 401 5,5 401 14,26 1477 15,26 1477 16,13f. 1477 Der zweite Brief des Johannes 10 1473 Die Offenbarung des Johannes 1,4.5 873 1,5 873,1192 1,8 939 1,17-18 406 2,7 240 3,4 205 3,14 1192 3,20 881 7,3 1114 14,13 205 21,3 697 22,1-2 196 22,13 1169 22,20 230 1596 Seite Seite 6,19 184, 186, 239 4,1 583 7,31 696 4,5 583 8,1 234 4,6 584 8,5-6 1168 4,7 583, 875 9,16 520, 1052, 1165, 1295, 4,13 1073 1330 5,14 1172, 1330, 1366 9,19 427 5,15 851 9,19.22-23 973,1220 5,17 12 9,25 926 5,19 541 f. 10,1-4 196 5,20-21 831 10,16 944 6,21 821 10,17 340, 946, 1333, 1479 8,1-5 996 11,23 1478 8,9 371,422 11,24 875 9,6 511 11,24-25 28 11,28 1160, 1220, 1284, 1293 12,3 233,1468 12,9 1060 12,4-6 178,931, 1468 13,11 940 12,4-11 1479 13,11-13 391 12,7 179 13,12 1363 12,8 185 13,13 178,180, 232,817, 939, 12,8-9 179 1329 12,9-10 179 12,10 1478 Der Brief an die Galater 12,11 179, 201, 203, 594 l,8f. 1473 12,12 231, 234, 594 2,19 167 12,13 231,261,930, 1477 2,20 167,1468 12,27 865 4,4 64, 103,313,451, 1468 12,28 1473 4,4-6 771 13,12 1468 4,4.5 310,455,771 13,13 757 4,6 180,208,311,459 15,3-5 146, 1468 4,7 155 15,28 503, 873 5,1 274,1128 15,35 147 5,6 1143 15,36-38.42.44 147 5,16 587 15,41 241 5,19f. 36 15,44 146 5,22 103,276 15,45 12, 146, 148 5,22-23 530 15,45-49 146 5,22.24 587 15,58 241 5,25 588 16,13 1008 6,2 223 16,22 1473 16,23-24 1337 Der Brief an die Epheser 1,3 179,552, 604 Der zweite Brief an die Korinther 1,4 236 1,20 1290 1,4-5 554 1,21-22 179 1,4-6 1128 3,3 1477 1,10 763,844, 1169 3,17 936 1,13 1468 1593 Seite 1,13-14 179 1,18 545 1,18.14 938 1,19 544f. 2,4 583 2,14 1172 2,16 1062 2,18 231,239 2,19-22 232, 239,469 2,20-22 529 2,22 530 3,2 8 3,6 9 3,8 596 3,9 1472 3,10 1472 3,17 1329 3,19 872 3,20 546, 787 4,1 450, 1102 4,1.7 475 4,2 1102 4,3 231,263 4,3-4 471 4,3-6 1323 4,4 1102 4,4-5 232 4,5 471 4,6 471, llOlf. 4,7 856 4,11 1473 4,12 450, 577 4,15-16 679, 856 4,15-18 1329 4,16 260 4,22 1139 4,30 36f„ 241 5,1-2 856 5,5 1175 5,25 289, 456, 503, 1220 5,25-27 394 6,14-16 569 6,18-20 1194 6,23 515 Der Brief an die Philipper 1,19 208 1,27 571,688 Seite 2,5 1080 2,5-8 1219 2,6-9 867 2,6-11 1468 2,7 1080 2,8 167, 219, 1080 2,11 868, 1082, 1468 2,13 1298 3,3 240 3,20ff. 1468 4,1 713 4,6-7 328 4,9 1083 4,13 435, 707 Der Brief an die Kolosser 1,13-14 1169 1,15 368, 1264 1,15-20 1468 1,18 204 1,19-20 764, 1169 1,22 1088 1,24 167, 536, 590 l,26f. 1472 1,27 865 2,3 1472 2,6-7 1146,1169 2,8 1478 2,9 1472 3,1 516,956, 1141 3,10-12 346 3,10-13 620 3,13 344,620 3,14 344,620 3,15 344, 570, 585, 623 3,16 344, 621, 667, 990 3,17 525, 623 3,20-21 620 3,23 991 3,23-24 523 4,12 503 Der erste Brief an die Thessalonicher 1,2-3 301 1,10 1468 2,8 515,973, 1119 2,13 1119,1133 3,12 625